Normzweck und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n.F [1 ed.] 9783428542864, 9783428142866

Die gesetzliche Konzeption der §§ 306, 306a StGB wird im Schrifttum überwiegend kritisch beurteilt, da beide Normen ein

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Normzweck und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n.F [1 ed.]
 9783428542864, 9783428142866

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 251

Normzweck und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n.F. Von

Elias Bender

Duncker & Humblot · Berlin

ELIAS BENDER

Normzweck und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n.F.

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 251

Normzweck und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n.F.

Von

Elias Bender

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Jan Zopfs, Mainz

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14286-6 (Print) ISBN 978-3-428-54286-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84286-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Aletta, Josias und Helena

Vorwort Die vorliegende Abhandlung, die in den Jahren 2007 bis 2012 entstanden ist, wurde im Jahr 2012 vom Fachbereich der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität als Dissertation angenommen. Veröffentlichungen und Urteile nach Abschluss der Arbeit (März 2012) fanden nur selektiv Berücksichtigung. An erster Stelle gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Jan Zopfs, der als Doktorvater die Entstehung dieser Arbeit persönlich und fachlich engagiert betreut hat und für Fragen stets zeitnah zur Verfügung stand. Bereits in seinen Vorlesungen hat er anschaulich die Schwierigkeiten bei der rechtsdogmatischen Bewertung der Brandstiftungsdelikte dargelegt und damit meinerseits Neugier und Ehrgeiz geweckt, sich dieser intrikaten Problematik im Rahmen des späteren Promotionsvorhabens anzunehmen. Dem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Michael Hettinger, der mir seit Beginn meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl im November 2007 vertrauensvoll einen großzügig bemessenen Forschungsfreiraum gewährt und so den äußeren Rahmen für die Entstehung dieser Arbeit gewährleistet hat, sei ebenfalls aufrichtig gedankt. Seinen Anregungen verdanke ich die bleibende Einsicht, dass sich gründliches „Bohren“ in der Vergangenheit als fruchtbarer Weg erweisen kann, Ursachen für verfestigte Probleme des gegenwärtigen Rechts – und damit zugleich mögliche Lösungen – zu finden. Nicht unerwähnt bleiben soll die Unterstützung der Landesgraduiertenförderung Rheinland-Pfalz (heutige Stipendienstiftung Rheinland-Pfalz), die den Beginn dieser Arbeit mit einem Stipendium ermöglichte. Ebenso sei der PeregrinusStiftung Mainz für die Verleihung des Dissertationspreises 2013 gedankt. Darüber hinaus hat sich mein Studienfreund Herr Dr. Tobias Wipplinger als argumentativer „Sparringspartner“ und im besten Sinn penibler Korrektor mannigfach verdient gemacht. Dies gilt auch für die Mühen von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Bender, Ass. iur. Oliver Licht LL.M., Ref. iur. Ingmar Oltmanns und Simon Brendel, die, teils als Fachfremde, die Mühen des Korrekturlesens auf sich nahmen. Schlussendlich gilt auch meiner geliebten Frau Dr. Aletta Seiffert, die mich mit persönlichem Einsatz und viel Herzblut unterstützt hat, mein herzlicher Dank. Die Arbeit ist daher ihr und unseren Kindern Josias Nathan und Helena Sophia gewidmet, die beide – ohne Gemeingefahr – ein belebendes Feuer in unser gemeinsames Leben getragen haben. Mainz, im Herbst 2013

Elias Bender

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Die Entwicklung der einfachen und schweren Brandstiftung von 1851 bis 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das preußische Brandstrafrecht von 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das „Drei-Klassen-System“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Brandstiftung erster Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Brandstiftung zweiter Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Brandstiftung dritter Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Gemeingefahr als konzeptioneller Ausgangspunkt des preußischen Brandstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Gemeingefahr im E 1828 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gemeingefahr im E 1830, 1833 und 1836 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Brandstiftung an isolierten Wohnräumlichkeiten – (k)eine gemeingefährliche Tat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Gemeingefahr im E 1843, 1845, 1846 und 1847 . . . . . . . . . . . . . 5. Die Gemeingefahr im E 1848, E 1849 und im preuß. StGB 1851 . . III. Die Brandstiftung gem. § 286 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Gefährdungslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die „Sachbeschädigungslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die „Kombinationslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Analyse der tatbestandlichen Strukturen des § 286 preuß. StGB . . . a) Die Tatobjekte des § 286 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Auswahl der Tatobjekte unter vermögensrechtlichen Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Tatobjekte der „ersten Gruppe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Tatobjekte der Brandstiftung zweiter Klasse in anderen Partikularstrafgesetzbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abschließende Überlegungen zu den Tatobjekten des § 286 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Beschränkung auf Tatobjekte, „welche fremdes Eigenthum sind“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Historische Hintergründe der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 25 25 26 26 28 30 31 31 34 39 40 43 44 47 48 49 51 52 52 53 54 56 58 60 63 65

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Inhaltsverzeichnis bb) Die Regelung der Eigentümerbrandstiftung in anderen Partikularstrafgesetzbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 cc) Die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung als Hintergrund der eigentumsrechtlichen Beschränkung in § 286 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 dd) Zur mangelhaften Umsetzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung in § 286 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 73 ee) Bedeutung von „eigen“, „fremd“ und „fremdes Eigenthum“ 74 ff) Die Konstellation der einverständlichen Brandstiftung . . . . . 78 (1) Stellungnahmen des Schrifttums zur einverständlichen Brandlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Stellungnahmen des preußischen Obertribunals zur einverständlichen Brandlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (3) Die einverständliche Brandstiftung als Fall der mittelbaren Eigentümerbrandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Die Tathandlung des Inbrandsteckens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 d) Die Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Die mittelbare Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB im systematischen Zusammenhang mit § 286 preuß. StGB . . . . 88 5. Abschließende Überlegungen zu § 286 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . . 90 IV.

Die Brandstiftung erster Klasse gem. § 285 preuß. StGB . . . . . . . . . . . . 92 1. Zum abstrakten Lebensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Zum abstrakten Eigentumsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Ausgewählte Auslegungsfragen zu § 285 preuß. StGB . . . . . . . . . . . 103 a) Die Problematik der Anzündung einer Wohnung durch die Bewohner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Kirchenbrandstiftung gem. § 285 Nr. 1, Alt. 2 preuß. StGB . . . . 106

V. Abschließende Bemerkungen zu den §§ 285 ff. preuß. StGB 1851 . . . . 108 B. Die Entwicklung des Brandstrafrechts im Zeitraum von 1871 bis 1998 . . . . . 114 I. Das Brandstrafrecht im StGB 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II.

Zur unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. . . 116 1. Diskussion um Normzweck und Deliktstypus im Zeitraum von 1871–1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Die disparaten Entscheidungen RGSt 11, 345 und RGSt 12, 138 124

2. Diskussionsspektrum im Zeitraum von 1945–1998 . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Fazit zur unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Zur mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. . . . 132 1. Deliktstypus der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Inhaltsverzeichnis

IV.

V.

2. Schutzzweck der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die „berichtigende Auslegung“ – eine Analyse von RG, GA 41, S. 33 f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hintergründe der „berichtigenden Auslegung“ . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Rezeption der „berichtigenden Auslegung“ . . . . . . . . . . . . . . c) Dogmatische Konsequenzen der „berichtigenden Auslegung“ . . d) Kritik der „berichtigenden Auslegung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit zur mittelbaren Brandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die schwere Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Schutzzweck der schweren Brandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang und Grenzen des abstrakten Lebensschutzes . . . . . . . . . b) Zur Einbeziehung des Gesundheitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Einbeziehung des Eigentumsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgewählte Auslegungsfragen zu § 306 StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . a) § 306 Nr. 1 StGB a. F. – Kirchenbrandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das „Wohnen“ als Schutzzweck des § 306 Nr. 2 StGB a. F.? . . . c) Die Entwidmungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit zur Entwicklung der einfachen und schweren Brandstiftung im Zeitraum von 1851 bis 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 2 Die einfache und die schwere Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n. F. . I. Die einfache Brandstiftung gem. § 306 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deliktstypus und Rechtsgüterschutz der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Sachbeschädigungslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur (fehlenden) Gemeingefährlichkeit der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das sachliche Gefahrenpotential einer Brandlegung . . . (a) Gefahrenquelle Rauchgase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gefahrenquelle thermische Effekte . . . . . . . . . . . . . . (c) Weitere Gefahrenquellen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Pars pro toto: Das Gefahrenpotential einer PkwBrandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Fazit zum sachlichen Gefährdungspotential . . . . . . . (2) Zum Wesen der abstrakten brandbedingten Gemeingefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Legitimation der Rechtsfolgen des § 306 Abs. 1 im Lichte der „Sachbeschädigungslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtfertigung des Strafrahmens durch die gesteigerte Einwirkungsintensität der Tathandlung des Inbrandsetzens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

135 138 138 139 141 142 146 146 147 147 156 157 159 159 161 162 168 172 173 174 174 176 177 178 181 182 183 186 188 193

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Inhaltsverzeichnis (2) Rechtfertigung des Strafrahmens des § 306 Abs. 1 durch Auswahl wertvoller Tatobjekte? . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit – Rechtfertigung des Strafrahmens . . . . . . . . . . . . . cc) Folgewirkungen der „Sachbeschädigungslösung“ . . . . . . . . . . (1) Die Problematik der fahrlässigen und der erfolgsqualifizierten Sachbeschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tätige Reue nach § 306e Abs. 1 bei einem Verletzungsdelikt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zum Verhältnis des § 306 zu § 306a . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Konkurrenzverhältnis zwischen § 306 Abs. 1 und § 303 (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abschließende Bewertung der „Sachbeschädigungslösung“ . b) Die „Kombinationslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erneut: Zur Gemeingefährlichkeit der einfachen Brandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zur problematischen These der zweifachen Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zur Figur des „Kombinationsdelikts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Folgewirkungen der „Kombinationslösung“ . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Einwilligungsproblematik – Achillesferse der „Kombinationstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konsequenz Einwilligungssperre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abschließende Bewertung der „Kombinationslösung“ . . . . . c) Die „Gefährdungslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 306 Abs. 1 ist abstraktes Gefährdungsdelikt – zur notwendigen Abstraktion von Tatbestand und geschützten Rechtsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zum Wesen des abstrakten Individualrechtsgüterschutzes . . cc) Plädoyer für eine schutzzweckkonforme Auslegung der Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung – ein vergessenes konzeptionelles Anliegen des Brandstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zur Auslegung von „fremd“ als tatbestandseinschränkendes Regulativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Spezielle Konstellationen der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die einverständliche Brandlegung als Fall der Eigentümerbrandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Partizipation des Anwartschaftsrechts an der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung? . . . . . . . . . . (aa) Anwartschaftsrechte an beweglichen Sachen . .

196 198 198 198 200 202 203 204 204 207 208 212 213 216 217 219 220 221 224

224 227 231

231 236 239 239 242 243

Inhaltsverzeichnis

13

(bb) Anwartschaftsrechte an unbeweglichen Sachen 246

II.

(4) Abschließende Überlegungen zur eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassende Überlegungen zur „Gefährdungslösung“ 2. Tathandlung und Tatobjekte des § 306 Abs. 1 nach dem 6. StrRG 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Inbrandsetzung des Tatobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung . . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff der Brandlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Taterfolg der gänzlichen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abschließende Überlegungen zur Tathandlung . . . . . . . . . . . c) Zur problematischen Extension des Tatobjektskatalogs durch das 6. StrRG 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 306 Abs. 1 Nr. 2 – Betriebsstätten oder technische Einrichtung, namentlich Maschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1 – Betriebsstätten . . . . . . . . . . . (2) § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 2 – technische Einrichtung . . . bb) § 306 Abs. 1 Nr. 6 – land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 306 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 1 – Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 306 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 2 – Erzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 306 Abs. 1 Nr. 4 – Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Verletzung des Bestimmtheitsgebotes durch § 306 Abs. 1 Nr. 2 und 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wertorientierte Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Quantitative Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gemeingefährlichkeit als Einschränkungskriterium . . . . (4) Abschließende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verweisungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lieschings Vorschlag zur Auflösung der „Verweisungsproblematik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verweisungsproblematik als fahrlässige Extension der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gefährdungsunrecht der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gefahren durch Raumbrände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur gesteigerten Personengefährlichkeit durch die qualifizierte Tatobjektsnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 247 249 249 256 257 258 260 263 264 264 266 268 268 269 271 273 275 276 278 280 284 286 289 291 292 293 294

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Inhaltsverzeichnis c) Zur gesteigerten Eigentumsgefährdung durch die qualifizierte Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 d) Teleologische Reduktion oder teleologische Korrektur? . . . . . . . . 302 e) Besondere Schutzrichtungen einzelner Tatobjekte . . . . . . . . . . . . . 308 aa) Zum Schutz der Wohnung durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . 308 bb) Die Kirchenbrandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 2 . . . . . . . 311 (1) Strukturell defizitärer Schutz von Leib und Leben durch Nr. 2? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (2) Zur notwendigen Berücksichtigung des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 2. Ausgewählte Auslegungsprobleme im Rahmen der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Die gemischt genutzten Tatobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 aa) Standpunkte in Lehre und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 318 cc) Überlegungen zum Wortlaut des § 306a Abs. 1 . . . . . . . . . . . 320 dd) Überlegungen zur schutzzweckkonformen Behandlung der gemischt genutzten Tatobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Die Entwidmungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 aa) Grundlagen: Widmung und Entwidmung . . . . . . . . . . . . . . . . 325 bb) Zur Problematik der „bedingten“ Entwidmung . . . . . . . . . . . . 329 cc) Die sog. Fremdentwidmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 III. Die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 1. Unrecht und Deliktstypus des § 306a Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 a) Strafrahmenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 b) Die konkrete Gesundheitsgefahr als Verdichtungsprodukt der abstrakten Gemeingefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 c) Fazit zu Unrecht und Deliktstypus des § 306a Abs. 2 . . . . . . . . . 340 2. Auslegungsfragen zu § 306a Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Der Tatobjektskatalog des § 306a Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 aa) Zum Verweis auf die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 . . . . . . . . . 342 bb) Zum Verweis auf den partiell nichtigen Tatobjektskatalog des § 306 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 b) Der konkrete Gefährdungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 aa) Tatbeteiligte als taugliche Gefährdungsopfer . . . . . . . . . . . . . 346 bb) Zur Beachtlichkeit der Zustimmung des Gefährdeten . . . . . . 349 cc) Die Zurechenbarkeit von Rettergefährdungen . . . . . . . . . . . . . 355 (1) Standpunkte in Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . . . . 356 (2) Die Brandverursachung als Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos für Retter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

Inhaltsverzeichnis

IV.

V.

(3) Realisierung der brandspezifischen Rettergefährdung . (4) Zusammenfassende Überlegungen zur Rettergefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzen und minder schwere Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überlegungen zum Verhältnis der §§ 306, 306a . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 306a – eine Qualifikation des 306 Abs. 1? . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkurrenzverhältnis zwischen §§ 306, 306a und §§ 303, 305 . c) Zur Problematik des § 306d – vom Mut zur Anwendung fehlerhafter Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Minder schwere Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 . . . . . . . . . Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorentwürfe zum StGB Preußen 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1828) . . . . II. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1830) . . . . III. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1833) . . . . IV. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1836) . . . . V. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1843) . . . . VI. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1845) . . . . VII. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1846) . . . . VIII. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1847) . . . . IX. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1848) . . . . X. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1849) . . . . B. Das StGB Preußen 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das ALR 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das StGB Bayern 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das StGB Oldenburg 1814 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das CrimGB Sachsen 1838 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das StGB Würtemberg 1839 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Das CrimGB Braunschweig 1840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das CrimGB Hannover 1840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Das StGB Hessen 1841 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Das StGB Baden 1845 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Das StGB Passau 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Das StGB Thüringen 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Das StGB Österreich 1852 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Das StGB Sachsen 1855 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Das StGB Bayern 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 362 365 366 366 367 370 371 374 378 385 385 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 397 397 399 400 401 402 403 404 406 407 409 411 412 413 415

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Inhaltsverzeichnis D. Entwürfe für ein StGB für den Norddeutschen Bund und das StGB 1871 . . . I. Entwurf Juli 1869 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwurf Reichstagsvorlage 1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. StGB 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausgewählte Reformentwürfe ab 1871 bis zum 6. StrRG 1998. . . . . . . . . . . . I. Vorentwurf von 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwurf der Strafrechtskommission 1913 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entwurf von 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entwurf von 1922 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entwurf von 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Entwurf von 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Entwurf von 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Alternativ-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Das 6. StrRG und das geltende Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwurf des 6. StrRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwurf des Brandstrafrechts zum 6. StrRG nach den Stellungnahmen des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entwurf des Brandstrafrechts zum 6. StrRG nach den Gegenäußerungen der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das geltende Brandstrafrecht nach dem 6. StrRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Ausländische StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. StGB Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. StGB Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

416 416 417 418 419 419 419 420 420 420 420 421 421 422 422 423 424 425 427 427 428

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ACR AE a. F. Alt. AO Art. bay. BeckRS BGB BGBl. BGE BGH BGHR BGHSt BGHZ BImSchG

BR BR-Drucks. BReg bspw. BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. ders. d. h. dies. DJ DJZ E etc.

andere Ansicht am angegebenen Ort Archiv für Criminalrecht Alternativ-Entwurf alte Fassung Alternative Abgabenordnung Artikel bayrisch Beck-Rechtsprechung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof Rechtsprechung Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Bundesrat Bundesrats-Drucksache Bundesregierung beispielsweise Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise derselbe das heißt dieselbe/dieselben Deutsche Justiz Deutsche Juristen-Zeitung Entwurf et cetera

18 f. ff. FG FS GA GBO gem. GG ggf. GS hL hM HRRS hrsg. JA JGG JR Jura JuS JW JZ kg LG LKA LuftVG m2 m3 mwN NACR n. F. NJW NStZ NStZ-RR OGHSt OLG o.V. PKS preuß. RGBl. RGSt RStGB

Abkürzungsverzeichnis folgend fortfolgend Festgabe Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Grundbuchordnung gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtssaal herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung in Strafsachen herausgegeben Juristische Arbeitsblätter Jugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristisches Studium Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kilogramm Landgericht Landeskriminalamt Luftverkehrsgesetz Quadratmeter Kubikmeter mit weiteren Nachweisen Archiv für Criminalrecht – neue Ausgabe neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs Report. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen Oberlandesgericht ohne Verfasser Polizeiliche Kriminalstatistik preußisch Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Reichsstrafgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis sächs. sog. StGB StPO StrRG StV StVG t usw. u. U. Var. VE vgl. z. B. ZIS ZJS ZPO ZStW z. T.

sächsisch sogenannt Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafrechtsreformgesetz Strafverteidiger Straßenverkehrsgesetz Tonne und so weiter unter Umständen Variante Vorentwurf vergleiche zum Beispiel Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für das juristische Studium Zivilprozessordnung Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil

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Einleitung Primäre Zielsetzung dieser Untersuchung ist die Beantwortung einer zunächst einfach erscheinenden Fragestellung: Worin besteht das Unrecht, das die drei zentralen Brandstiftungsnormen der §§ 306, 306a Abs. 1 und 2 StGB n. F. zu erfassen suchen? Kurz, was ist die teleologische Zielsetzung dieser Delikte, und dem Schutz welcher Rechtsgüter dienen sie? Anlass, dem nachzugehen, gibt die persistente Kritik des Schrifttums an der gesetzlichen Ausgestaltung des geltenden Brandstrafrechts. Moniert wird vor allem, dass trotz der umfassenden Veränderungen durch das 6. StrRG von 1998 dem Gesetzgeber eine schlüssige Ausgestaltung der Brandstiftungsdelikte noch immer nicht gelungen sei.1 Im Zentrum der Kritik steht dabei die einfache Brandstiftung gem. § 306 StGB n. F., die von weiten Teilen des Schrifttums – trotz ihrer Stellung an der Spitze des 28. Abschnitts („Gemeingefährliche Straftaten“) – nicht als gemeingefährlicher Grundtatbestandbestand des Brandstrafrechts, sondern als systematisch deplatzierter und atypischer Fall eines Sachbeschädigungsdelikts charakterisiert wird.2 Kritiker sparen nicht mit drastischen Bemerkungen. So können sich etwa Stein und Wolters die „rational nicht begründbare“ 3 Entscheidung des Reformgesetzgebers, § 306 StGB n. F. im Zuge des 6. StrRG bei den gemeingefährlichen Brandstiftungstatbeständen zu belassen, nur noch mit der Urangst des Menschen vor Feuer erklären, und in der Tat ruft die verbreitete Deutung des § 306 Abs. 1 StGB n. F. als reine (Brand-)Sachbeschädigung Zweifel hervor. Kann eine solche Lesart der einfachen Brandstif1 Vgl. Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 1; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 170; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 134: „Dennoch: Das sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts schaffte es nicht, seit über einem Jahrhundert bekannte Mängel der Brandtatbestände vollständig zu beseitigen.“; Fischer, § 306 Rn. 1: „Die unübersichtliche Regelung führt zu Schwierigkeiten der Anwendung.“; Kreß, JR 2001, S. 315 (318); Schroeder, GA 1998, S. 571 (576): „Die Fülle technischer Mängel des neuen Gesetzes ist einigermaßen bestürzend. Die Reformziele wurden nicht nur nicht erreicht, das neue Recht ist noch unübersichtlicher, lückenhafter und systemwidriger als seine Vorgänger.“; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 I Rn. 3; Knauth, Jura 2005, S. 230 (230 f.). 2 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1; Fischer, § 306 Rn. 1; Geppert, Jura 1998, S. 597 ff.; Sinn, Jura 2001, S. 803 (809); Wolters, JR 1998, S. 271 (272). 3 SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 1; Stein in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 91; ähnlich: Sinn, Jura 2001, S. 803 (804); HK/Weiler, § 306 Rn. 5: „Alle Überlegungen zeigen, dass die Vorschrift hinsichtlich ihrer Fassung relativ unbestimmt, hinsichtlich ihrer systematischen Einordnung verfehlt und hinsichtlich ihrer Strafandrohung misslungen ist.“

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Einleitung

tung befriedigend die Ausgestaltung als Verbrechenstatbestand und – bei gleicher Schutzrichtung – eine gegenüber den übrigen Sachbeschädigungsdelikten gem. §§ 303, 305 StGB n. F. massiv verschärfte Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe erklären?4 Eine im Vordringen befindliche Auffassung, der sich mittlerweile auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, deutet § 306 StGB n. F. hingegen als Norm, die sowohl den Charakter eines Sachbeschädigungsdelikts als auch Züge eines abstrakten Gefährdungsdelikts in sich vereinige, und versucht auf diesem Weg, die angedeuteten Bedenken zu zerstreuen.5 Ohne schon an dieser Stelle auf die im Einzelnen bestehenden Unterschiede zwischen beiden Deutungsmodellen einzugehen, so ist ihnen allerdings gemein, dass sie § 306 StGB n. F. als einen dogmatischen Sonderfall klassifizieren, der sich aufgrund seines (partiellen) Sachbeschädigungscharakters eben nicht bruchlos in das Gesamtgefüge des Brandstrafrechts integrieren lasse.6 Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang auch die Zielbestimmung der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 StGB n. F., die zwar im Ausgangspunkt (fast) einhellig als abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz von Leib und Leben gedeutet wird, doch Reichweite und Bedeutung der abstrakten Gefährlichkeit werden unterschiedlich veranschlagt, wie die seit Langem schwelende Debatte um die Berechtigung einer teleologischen Normreduzierung im Fall der „ungefährlichen“ Tatverübung belegt.7 Außerdem wird kontrovers diskutiert, ob neben oder anstelle des abstrakten Schutzes von Leib und Leben die Wohnungsund die Kirchenbrandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB n. F. eigenständige Schutzziele verfolgen.8 Mit Blick auf das neu geschaffene konkrete Gefährdungsdelikt der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2 StGB n. F., deren Normzweck überwiegend im Gesundheitsschutz der durch die Brandstiftung gefährdeten Person verortet wird, stellt sich selbst bei unvoreingenommener Betrachtung die Frage, ob diese Auslegung überhaupt ansatzweise die harte Sanktionsandrohung von ein bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafen zu rechtfertigen vermag.

4 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 91; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 10. 5 BGH, NJW 2001, S. 765 f.; Radtke, Dogmatik, S. 382 ff.; Kreß, JR 2001, S. 315 ff.; Heghmanns, BT, Rn. 929; Duttge, Jura 2006, S. 15 f.; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 3 ff.; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 8; eingehend dazu unter § 2 I. b). 6 Dazu Radtke, Dogmatik, S. 429; Fischer, § 306 Rn. 1, 20 f. 7 Dazu eingehend Geppert, in: FS Weber, S. 427 ff.; Koriath, GA 2001, S. 51 (65 ff.); Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 76 ff., 88 ff. 8 MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 4 f.; SSW/Wolters, § 306a Rn. 3; Geppert, in: FS Weber, S. 427 (435 ff.); Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14.

Einleitung

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Die summarische Betrachtung der herrschenden Deutung der §§ 306, 306a Abs. 1 und 2 StGB n. F. ergibt somit, dass jeder der genannten Tatbestände materiell einem eigenständigen Schutzzweck dient, der scharf von dem der anderen abgegrenzt ist:9 Während § 306 Abs. 1 StGB n. F. den Eigentumsschutz der darin benannten Tatobjekte verfolgt, dient § 306a Abs. 1 StGB n. F. dem abstrakten Lebens- und Gesundheitsschutz und § 306a Abs. 2 StGB n. F. fokussiert ausschließlich den Gesundheitsschutz der konkret gefährdeten Person. Dieser Befund drängt zur Überprüfung, ob die teleologische Fragmentarisierung der §§ 306, 306a StGB n. F., die Heghmanns pikant als Unsystematik bezeichnet hat, tatsächlich „systembedingt“ und damit unvermeidlich ist, weil eine schlüssige Deutung letztlich an den de lege lata vorgegebenen Strukturen scheitert.10 Sind die §§ 306, 306a StGB n. F. lediglich ein Sammelsurium heterogener Normen, deren einziger Zusammenhang in äußerlichen Gemeinsamkeiten zu finden ist, wie den identischen Tathandlungen, sich partiell überschneidenden Tatobjekten, der gemeinsamen systematischen Stellung und in der Bezugnahme der §§ 306b, 306c, 306d, 306e StGB n. F. auf diese Normgruppe? Oder wurzeln – und dies wird nach umfassenden Analysen im Ergebnis zu bejahen sein – die Ursachen für die unbefriedigende Deutung der §§ 306, 306a StGB n. F. in irrtümlichen aber verfestigten Prämissen der herrschenden Ansicht, deren Preisgabe eine neue Perspektive auf die Dogmatik des Brandstrafrechts verspricht? Unumgängliche Voraussetzung, um ein tragfähiges Fundament für eine (Neu-) Bewertung des geltenden Brandstrafrechts zu schaffen, ist zunächst ein Blick in die Vergangenheit, nämlich die eingehende Auseinandersetzung mit den weitgehend strukturidentischen Vorgängerregelungen im preußischen Strafgesetzbuch von 1851 und im Reichsstrafgesetzbuch von 1871. Der erste Teil dieser Arbeit (§ 1) ist daher der Untersuchung gewidmet, welche Zielsetzungen die Gesetzgeber von 1851 und 1871 mit der Ausgestaltung des damaligen Brandstrafrechts verfolgten. Denn die strukturspezifischen Merkmalen des geltenden Brandstrafrechts, wie die Anknüpfung an eine abschließende Tatobjektskasuistik in Verbindung mit der Tathandlung des Inbrandsetzens, einschließlich der eigentumsrechtlichen Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte innerhalb des § 306 Abs. 1 StGB n. F. sowie das intrasystematische Verhältnis zwischen der einfachen und schweren Brandstiftung, können nur vor dem Hintergrund der komplexen Entstehungsgeschichte des preußischen Brandstrafrechts von 1851 in ihrer Bedeutung erfasst werden. Dies erfordert zugleich eine eingehende Auseinandersetzung mit den zahlreichen Entwürfen für ein preußisches Strafgesetzbuch im Zeitraum von 1828 bis 1849, die ihrerseits die Grundlage für das preußische Strafgesetzbuch von 1851 bildeten. Ein vergleichender Blick auf die Normierung des Brandstraf-

9 Vgl. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 84 f.; Rengier, BT II, § 40 Rn. 1; Müller/Hönig, JA 2001, S. 517. 10 Heghmanns, BT, 28. Kap. I.

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Einleitung

rechts in anderen deutschen Partikularstrafgesetzbüchern des 19. Jahrhunderts wird die hier getroffenen Befunde absichern.11 In diesem Zusammenhang wird auch zu klären sein, welche dogmatischen Konsequenzen aus der tradierten aber bis heute für Verwirrung sorgenden systematischen Einordnung der Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt abzuleiten sind. Abgerundet wird die historische Betrachtung schließlich durch eine Analyse der in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Deutungsmodelle hinsichtlich Unrecht und Deliktstypus der Brandstiftungsdelikte im Zeitraum von 1851 bis zum 6. StrRG 1998. Die hier gewählte historisch-chronologische Darstellungsform bedingt, dass bisweilen Zusammengehöriges getrennt und die jeweiligen Brandstiftungsnormen separiert für die drei Zeiträume von 1851 bis 1871, 1871 bis 1998 (§ 1) und ab 1998 (§ 2) behandelt werden müssen, doch erst eine derart nach Zeitabschnitten differenzierende Betrachtung erlaubt es, präzise Entwicklungen und Deutungszusammenhänge nachzuzeichnen, die sich ohne Weiteres nicht erschließen und die in Vergessenheit geratene Anliegen des historischen Gesetzgebers zu Tage fördern, die sich als Schlüssel zu einer dogmatisch stringenten Neubewertung dieses Normkomplexes erweisen. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird im zweiten Teil der Arbeit (§ 2) zu entscheiden sein, inwieweit sich die gegenwärtig vertretenen Deutungsmodelle der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n. F. (noch) mit den ursprünglichen Vorstellungen des historischen Gesetzgebers decken. Da es der herrschenden Meinung – wie bereits eingangs andeutet – nicht gelingt, die de lege lata vorgegebenen Normstrukturen einer überzeugenden Bewertung zuzuführen, wird schlussendlich eine alternative, historisch abgesicherte Lesart des Brandstrafrechts aufzuzeigen sein, die zudem eine tragfähige Unterstützung in den Erkenntnissen der modernen Brandforschung finden wird, deren Expertise seitens der Jurisprudenz bislang nonchalant ignoriert wurde. Ausgehend hiervon werden sekundär ausgewählte Streitfragen zu den §§ 306, 306a StGB n. F. zu beleuchten sein, die eng mit der Verortung von Normzweck und Deliktstypus verbunden sind, wie die problematische Weite des Tatobjektskatalogs der einfachen Brandstiftung, die Beurteilung der Disponibilität der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 2 StGB n. F. oder die Bewertung der praktisch relevanten Konstellation der sog. gemischt genutzten Tatobjekte in § 306a Abs. 1 StGB n. F. Dabei wird sich zeigen, dass die hier vorgeschlagene „Sanierung“ der Dogmatik des Brandstrafrechts fruchtbare Spielräume eröffnet, um intensiv diskutierte Auslegungsfragen zu den §§ 306, 306a StGB n. F. in einem neuen Licht zu beantworten.

11 Die hierbei in Bezug genommenen Normen der verschiedenen Entwürfe für ein preußisches Strafgesetzbuch sowie des Brandstrafrechts anderer Partikularstrafgesetzbücher finden sich im Anhang.

§ 1 Die Entwicklung der einfachen und schweren Brandstiftung von 1851 bis 1998 Obwohl die Entwicklung des deutschen Brandstrafrechts bereits Gegenstand mehrerer Abhandlungen war,1 erfordert die vorliegende Themenstellung – die Bestimmung von Normzweck und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n. F. – eine eingehende Auseinandersetzung mit der Entstehung der Vorgängernormen im preußischen Strafgesetzbuch von 1851.2 Denn trotz der weitreichenden Umgestaltung des Brandstrafrechts durch das 6. StrRG 1998 sind die Strukturen beider Normen als Grundpfeiler des deutschen Brandstrafrechts seit dem preuß. StGB 1851 weitgehend unverändert geblieben. Klarzustellen ist, dass nachfolgend keine vollumfängliche Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte des deutschen Brandstrafrechts intendiert ist, sondern dass der Fokus zunächst auf der Frage liegt, welche Intentionen der preußische Gesetzgeber mit der Aufstellung der §§ 285 ff. preuß. StGB 1851 verfolgte. Anders gewendet: Was ist das eigentliche Unrecht, das diese Normen zu erfassen suchen und welche Konsequenzen folgen aus dieser Erkenntnis für die Normbewertung? In diesem Kontext werden die mitunter höchst gegensätzlichen Standpunkte in Rechtsprechung und Schrifttum im Zeitraum von 1851–1998 nachzuverfolgen sein. Ein weiteres Augenmerk wird auch auf spezielle Auslegungsfragen zu richten sein, wie der Zulässigkeit und Begründung einer Einwilligung des Eigentümers in die Brandstiftung nach § 286 preuß. StGB/§ 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., die Problematik der Reichweite des Schutzzwecks der Kirchenbrandstiftung oder die Anforderung an die Entwidmung eines Wohnhauses im Rahmen der schweren Brandstiftung nach § 285 preuß. StGB/§ 306 StGB a. F. Die exakte Bestimmung der teleologischen Ausrichtung wird sich als notwendige und fruchtbare Vorbedingung erweisen, um zur sachgerechten Aufarbeitung dieser Streitfragen im gegenwärtigen Recht zu gelangen.

A. Das preußische Brandstrafrecht von 1851 Die Entstehung der §§ 285, 286 preuß. StGB 1851, der Vorgängernormen der heutigen einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a Abs. 1 StGB 1 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 6 ff., 39 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 85 ff., 376 ff.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 27 ff.; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 76 ff.; Wolff, JR 2002, S. 94 ff. 2 Nachfolgend abgekürzt als: preuß. StGB.

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§ 1 Die Entwicklung der Brandstiftung von 1851 bis 1998

n. F., erschließt sich nicht ohne die Erläuterung zweier konzeptioneller Grundsätze, die die Entwicklung des partikularrechtlichen Brandstrafrechts in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts nachhaltig prägten. Hierbei handelt es sich zum einen um die verbreitete Einteilung der Brandstiftungsdelikte in das sog. „DreiKlassen-System“ und zum anderen um die Idee der Gemeingefahr bzw. die Gemeingefährlichkeit als Legitimationsgrundlage des Brandstrafrechts.

I. Das „Drei-Klassen-System“ Die Mehrzahl der deutschen Partikularstrafgesetzbücher des 19. Jahrhunderts, darunter auch das preuß. StGB 18513 und die Strafgesetzbücher einiger schweizer Kantone, folgten der Systematisierung der Brandstiftungsdelikte im Rahmen des sog. „Drei-Klassen-Systems“.4 Eine Ausnahme stellen hier lediglich das ALR 1794, das StGB Österreich 1852 und das StGB Sachsen 1855 dar, die eine entsprechende Systematisierung vermissen lassen. Innerhalb des „Drei-KlassenSystems“ wurde zwischen drei verschiedenen Varianten der strafbaren Brandstiftung differenziert, nämlich dem schwersten Fall, der Brandstiftung erster Klasse „mit Gefahr für Personen“, der Brandstiftung zweiter Klasse „ohne Gefahr für Personen“ und der Brandstiftung dritter Klasse „ohne Gefahr für fremdes Eigentum oder Leben“, aber in Verbindung mit einer rechtswidrigen Absicht. Allerdings darf das „Drei-Klassen-System“ nicht als ein in sich lückenlos abgeschlossenes Konzept angesehen werden, sondern ist gewissermaßen „gemeinsamer kleinster Nenner“ der partikularrechtlichen Brandstiftungsdogmatik, denn im Detail bestanden durchaus Unterschiede in der Ausgestaltung der jeweiligen Klassen in den einzelnen Strafgesetzbüchern.5 1. Die Brandstiftung erster Klasse Für die Brandstiftung erster Klasse „mit Gefahr für Personen“ 6 war charakteristisch, dass die Anzündung eines bewohnten oder zumindest regelmäßig von Menschen frequentierten Gebäudes, einer Räumlichkeit oder eines Schiffes verlangt wurde.7 Vereinzelt waren auch weitere Tatobjekte erfasst, von denen eine 3 Goltdammer, Materialien II, S. 641; Berathungsprotokolle der zur Revision des Strafrechts ernannten Kommission des Staatsraths (1842), in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision, Band 4, Teil 2, S. 758; Beseler, Kommentar, S. 522 ff. 4 Pils, Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Brandstiftung, S. 453 ff.; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (192 f.); Radtke, Dogmatik, S. 98 ff.; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 8 ff.; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (11 ff.); Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 40 ff.; zu den Schweizer Regelungen ders., S. 45, 85 f. und 92 f. 5 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 39 ff., 79 ff., 89 ff. 6 Goltdammer, Materialien II, S. 641. 7 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 9 ff.; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 37 ff., S. 44 ff.; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (193); vgl. Art. 248, 249 StGB

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gesteigerte Gefährlichkeit im Brandfall ausging, wie Gebäude, in denen Pulvervorräte8 gelagert wurden oder die als besonders schützenswert angesehen wurden, wie Kirchen,9 Theater und öffentliche Bibliotheken10.11 Der Inbrandsetzung dieser Tatobjekte und speziell der von Wohngebäuden wurde nach allgemeiner Auffassung eine hervorgehobene Lebensgefährlichkeit attestiert, deren Erfassung unstreitig zentrale Intention der Brandstiftung erster Klasse war.12 Der tatbestandliche Eintritt einer konkreten Lebensgefahr wurde allerdings nicht vorausgesetzt; die bloße Inbrandsetzung der genannten Objekte genügte zur Tatvollendung. Der unmittelbaren Inbrandsetzung wurde ferner der Fall der sog. mittelbaren Brandstiftung gleichgestellt, die voraussetzte, dass durch Anzündung einer beliebigen Sache die Gefahr einer Brandübertragung auf ein Tatobjekt der Brandstiftung erster Klasse geschaffen wurde.13 Das eigentlich geschützte Tatobjekt musste zur Tatvollendung also nicht zwangsläufig brennen. In moderner Terminologie ausgedrückt sind die zur Brandstiftung erster Klasse zu rechnenden Normen erkennbar als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet.14 Die Verursachung des Todes eines Menschen durch Inbrandsetzung eines Tatobjekts der Brandstiftung erster Klasse wurde erschwerend mit der Anordnung der Todesstrafe geahndet.15 Daneben existierte eine Vielzahl heterogener Erschwerungsgründe, wie die Brandlegung zur Nachtzeit, zur Ermöglichung der Begehung weiterer Straftaten wie eines Mordes, Raubes oder Diebstahls, sowie die simultane Brandlegung an verschiedenen Orten innerhalb einer Stadt oder eines Dorfes.16 Bezüglich der Eigentumsverhältnisse am in Brand gesetzten Tatobjekt machten die meisten Partikularstrafgesetzbücher keinen Unterschied, ob dieses im EigenBayern 1813; Art. 171 CrimGB Sachsen 1838; §§ 546, 547 StGB Baden 1845; Art. 405 StGB Passau 1849; § 285 preuß. StGB 1851; Art. 347 StGB Bayern 1861. 8 Vgl. Art. 405 Abs. 2b StGB Hessen 1841. 9 Vgl. § 547 StGB Baden 1845; § 285 Nr. 1 preuß. StGB. 10 Vgl. § 547 StGB Baden 1845. 11 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 10. 12 Die Strafrahmen der Brandstiftung erster Klasse waren – trotz Schwankungen – hoch veranschlagt und betrugen bei § 285 preuß. StGB zehn Jahre bis lebenslänglich Zuchthaus, bei Art. 249 StGB Bayern 1813 mindestens 16 Jahre Zuchthaus oder Kettenstrafe, bei Art. 411 StGB Hessen 1841 mindestens acht bis 16 Jahre Zuchthaus. 13 Vgl. Art. 248 StGB Bayern 1813; Art. 171 CrimGB Sachsen 1838; Art. 411 StGB Hessen 1841; Art. 161 StGB Thüringen 1850; §§ 285, 287 preuß. StGB; Art. 349 StGB Bayern 1861; dazu von Woringen, ACR 1843, S. 205 (218 f.). 14 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 42 f. 15 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 48 f.; vgl. Art. 248 StGB Bayern 1813; Art. 171 CrimGB Sachsen 1838; Art. 441 StGB Hessen 1841; § 285 preuß. StGB 1851; Art. 210 StGB Sachsen 1855. 16 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 11 ff.

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tum des Täters stand oder nicht.17 Allerdings differenzierten einige Partikularstrafgesetzbücher insofern, als für die Inbrandsetzung tätereigener Tatobjekte der Brandstiftung erster Klasse erhöhte Anforderungen verlangt wurden, nämlich – anders als bei der Tatbegehung durch den Nichteigentümer – die Feststellung der konkreten Gefährlichkeit der Tat. Die Hintergründe für diese Unterscheidung werden später noch näher zu beleuchten sein.18 Gleichwohl darf die (weitgehende) Unbeachtlichkeit der Eigentumslage am Tatobjekt nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gängige Definition der Brandstiftung erster Klasse als „Brandstiftung mit Gefahr für Personen“ mit Blick auf den Schutzzweck dieser Delikte ungeklärt lässt, ob über den abstrakten Lebensschutz hinaus zusätzlich der Schutz fremden Eigentums intendiert war, wofür – wie im Kontext des § 285 preuß. StGB noch dazulegen sein wird – vieles spricht.19 2. Die Brandstiftung zweiter Klasse Die Brandstiftung zweiter Klasse erfasste typischerweise die Inbrandsetzung von unbewohnten Gebäuden und Schiffen, Waldungen, Torfmooren, Kohlegruben, Magazinen, Holzvorräten aber auch Feldfrüchten, wobei die Ausgestaltung zwischen den einzelnen Partikularstrafgesetzen in Randbereichen variierte.20 Teils war die Aufzählung der Tatobjekte der Brandstiftung zweiter Klasse abschließend,21 teils wurden daneben explizit auch ähnliche oder vergleichbare Gegenstände einbezogen.22 Die Definition der Brandstiftung zweiter Klasse war – im Gegensatz zur ersten Klasse – mit Unsicherheiten behaftet. Zwar wurde die zweite Klasse in Abgrenzung zur ersten Klasse einhellig als „Brandstiftung ohne Gefahr für Menschen“ 23 charakterisiert, doch dieser vordergründige Konsens überdeckte die umstrittene Frage, welche Aspekte positiv das Unrecht der Brandstiftung zweiter Klasse begründen. Teile des Schrifttums definierten die Brandstiftung zweiter Klasse als eine solche mit (gemeiner) Gefahr für fremdes Eigentum und sahen demnach die 17 Vgl. Art. 252 StGB Bayern 1813; Art. 347, 350 StGB Bayern 1861; § 285 S. 2 preuß. StGB. 18 Dazu vgl. § 1 A. I. 4.; § 1 A. III. 4. b) bb). 19 Vgl. § 1 A. IV. 2. 20 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 82. 21 Vgl. § 286 preuß. StGB 1851; Art. 348 StGB Bayern 1861. 22 Vgl. Art. 175 CrimGB Sachsen 1838; Art. 380 StGB Würtemberg 1839; § 205 CrimGB Braunschweig 1840; Art. 412 StGB Hessen 1841; § 549 StGB Baden 1845; Art. 406 StGB Passau 1849; Art. 208 StGB Sachsen 1855; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 16 mwN. 23 Goltdammer, Materialien II, S. 641. Dementsprechend verlangten einige Partikulargesetze sogar explizit den Nichteintritt einer Gefahr für Menschenleben und/oder menschliche Aufenthaltsorte, vgl. Art. 250 StGB Bayern 1813; Art. 406 StGB Passau 1849.

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generelle Gefährlichkeit der Tat für fremdes Sacheigentum (auch jenseits des Tatobjekts) als maßgeblich an, was auf die Ausgestaltung als abstraktes Gefährdungsdelikt, parallel zur Brandstiftung erster Klasse, verweist.24 Demgegenüber beschreiben Lindenberg und Radtke im Anschluss an Osenbrüggen25 die Brandstiftung zweiter Klasse als Eigentumsbeschädigung der gefährlichen Art, die regelmäßig, aber nicht zwangsläufig, gemeingefährlich bzw. mit dem Eintritt einer gemeinen Gefahr verbunden sei.26 Demnach begründen zwei verschiedene Elemente den Unrechtsgehalt der Brandstiftung zweiter Klasse, nämlich einerseits eine Eigentumsverletzung durch Anzündung eines fremden Tatobjekts und andererseits die (Gemein-)Gefährlichkeit des gebrauchten Tatmittels.27 Indes darf bezweifelt werden, ob sich die Brandstiftung zweiter Klasse tatsächlich als Kombination aus Eigentumsverletzung und abstrakter Gemeingefährlichkeit des Tatmittels beschreiben lässt. Hintergrund der Einschätzung, die Brandstiftung zweiter Klasse weise ein Sachbeschädigungselement auf, ist der Umstand, dass einige Partikularrechte ein „fremdes“ Tatobjekt voraussetzten, so dass Bedingung der Tatbestandsverwirklichung scheinbar der Eintritt einer Eigentumsverletzung war.28 Allerdings übersieht eine solche Bewertung, dass auch die Tatbegehung an tätereigenen Tatobjekten der Brandstiftung zweiter Klasse durchgehend strafbar war, sofern nämlich deren Inbrandsetzung mit einer – im Einzelnen unterschiedlich bestimmten – Gefahr für Leben und/oder Eigentum Dritter verbunden war.29 Zu beachten ist des Weiteren, dass die Brandstiftung zweiter Klasse in vielen Partikularstrafgesetzbüchern aber nicht auf „fremde“ Tatobjekte beschränkt war, weshalb mit der Tatvollendung eine Eigentumsverletzung nicht notwendigerweise verbunden war.30 Zudem stellten viele Partikularstrafgesetze im Wege der mittelbaren Brandstiftung bereits die Schaffung einer Brandübertragungsgefahr auf 24 Beseler, Kommentar, S. 522; Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1044 f.; Berner, Lehrbuch, S. 636; Hälschner, Das Gemeine Deutsche Strafrecht, Band 2, S. 606 ff.; vgl. auch § 338 E 1845; § 354 E 1846; § 361 E 1847; näher zu dieser Frage, vgl. § 1 A. II. 5., und zu § 286 preuß. StGB, vgl. § 1 A. III. 1. 25 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 79 f. 26 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 16; Radtke, Dogmatik, S. 118 ff.; Pils, Die Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Brandstiftung, S. 456 f.; ähnlich Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (193). 27 Zu dieser Sicht bei § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 3. 28 Vgl. Art. 175 CrimGB Sachsen 1838; § 286 preuß. StGB; Art. 208 StGB Sachsen 1855; Art. 348 StGB Bayern 1861. 29 Vgl. §§ 286, 287 preuß. StGB; Art. 208, 210 StGB Sachsen 1855; Art. 350, 348 StGB Bayern 1861; eine Ausnahme stellt hier allein das CrimGB Sachsen 1838 dar, das nur für die Brandstiftung erster Klasse gem. Art. 171, 174 CrimGB Sachsen eine den Eigentümer begünstigende Regelungsanordnung traf, vgl. dazu § 1 A. III. 4. b) bb) und cc). 30 Vgl. Art. 412, 414 StGB Hessen 1841; §§ 548, 549, 554, 555 StGB Baden 1845; Art. 406 StGB Passau 1849; Art. 164 StGB Thüringen 1850.

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ein Tatobjekt der Brandstiftung zweiter Klasse dessen direkter Inbrandsetzung gleich.31 Da die Brandstiftung zweiter Klasse somit auch ohne Eigentumsverletzung am Tatobjekt verwirklicht werden konnte, ist ihre abschließende Charakterisierung als „Eigenthumsbeschädigung der gefährlichen Art“ 32 rückblickend nicht haltbar. 3. Die Brandstiftung dritter Klasse Die Brandstiftung dritter Klasse sanktionierte die Brandlegung an tätereigenen Tatobjekten der ersten und zweiten Klasse, sofern die Tatbegehung ohne Verursachung einer brandbedingten Gefahr für Leben oder Eigentum Dritter erfolgte, aber der Täter mit dem Ziel handelte, sich durch die Tat einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen bzw. fremde Rechte zu beeinträchtigen.33 Erfasst werden sollte insbesondere der Fall, dass der Täter durch Fingierung eines Versicherungsfalls die Auszahlung der Versicherungsprämie34 erstrebte, denn die im 19. Jahrhundert aufkommenden Feuerversicherungen schufen für Hauseigentümer vermehrt Anreize für einen sog. „warmen Abbruch“.35 Das Strafmaß war zumeist deutlich niedriger als bei der Brandstiftung erster und zweiter Klasse.36 Die Systematisierung der Brandstiftung dritter Klasse war fernerhin uneinheitlich. Meist wurde sie im Zusammenhang mit den Brandstiftungsdelikten geregelt, während einige Strafgesetzbücher sie bei den Vermögensdelikten normierten.37 Von der vorbezeichneten Konzeption der Brandstiftung dritter Klasse wich § 244 preuß. StGB insofern ab, als dieser die Inbrandsetzung jeder Sache erfasste, die gegen Schäden durch Feuer versichert war, und somit nicht auf die Tatobjekte der ersten und zweiten Klasse beschränkt war. Unerheblich war zudem, ob hiermit eine Gefahr für Rechtsgüter Leben oder Eigentum verbunden war. 31 Vgl. Art. 177 CrimGB Sachsen 1838, Art. 412 StGB Hessen 1841; § 205 StGB Braunschweig 1840; § 553 StGB Baden 1845, §§ 286, 287 preuß. StGB 1851; zur Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. d). 32 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 79; vgl. auch Pils, Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Brandstiftungsdelikte, S. 457; Radtke, Dogmatik, S. 380. 33 Der subjektive Tatbestand war dabei unterschiedlich ausgestaltet; teils wurde ein Handeln „in betrügerischer Absicht“ (§ 244 preuß. StGB 1851) teils ein Handeln „in irgend einer rechtswidrigen Absicht“ (Art. 174 CrimGB Sachsen 1838) als ausreichend erachtet, dazu: Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 93 f.; Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (25). 34 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 17 f. 35 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 89 ff.; 98: „Die Brandstiftung an den eignen Häusern haben in einer schreckenerregenden Weise Überhand genommen und der Grund davon liegt auf der Hand. Wenn es keine Feuerassecuranzen gäbe, würden wir jetzt wenig Brandstiftungen haben . . .“. 36 Vgl. Art. 164 StGB Thüringen 1850; Art. 350 StGB Bayern 1861. 37 Vgl. § 244 preuß. StGB; dazu Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (26).

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4. Fazit Die Betrachtung des „Drei-Klassen-Systems“ ergibt somit, dass dieses lediglich als „rudimentäre Richtschnur“ der partikularrechtlichen Brandstiftungsdogmatik zu verstehen ist, wobei als zentrales Abgrenzungsmerkmal die abstrakte Lebensgefährlichkeit die erste von der zweiten und die Abwesenheit jeglicher Gefahr (und zwar auch für fremdes Eigentum) die dritte von der ersten und zweiten Klasse unterschied. Festzuhalten ist auch, dass dem Umstand, ob der Täter Eigentümer oder Nichteigentümer des Tatobjekts war, eine in ihrer Bedeutung bislang unbemerkt gebliebene Weichenstellung hinsichtlich der Voraussetzungen der Strafbarkeit beigemessen wurde. Durchgehend wurde die Tatbegehung an tätereigenen Tatobjekten der Brandstiftung zweiter Klasse und teilweise auch die Tatbegehung an solchen der ersten Klasse im Wege einer Sonderregelung nur unter der Bedingung des prozessualen Nachweises der konkreten Gefährlichkeit der Tat für Personen und/oder fremdes Eigentum bestraft.38 Dies bedeutet, dass die konkret ungefährliche Eigentümerbrandstiftung ohne betrügerische Absicht im partikularrechtlichen Brandstrafrecht in weiten Teilen – wenngleich nicht durchgehend – straflos blieb. Demgegenüber war dem Nichteigentümer die Berufung darauf, die Tatverübung an einem täterfremden Tatobjekt sei konkret ungefährlich gewesen, verwehrt und die Strafbarkeit trat „automatisch“ mit der Inbrandsetzung der Tatobjekte bzw. deren bloß abstrakter Gefährdung durch Feuer ein. Die Größe der Gefahr bzw. des verursachten Schadens war allein für die Strafzumessung von Bedeutung.39 Die Hintergründe für die ungleiche Behandlung beider Tätergruppen, die sowohl für die Analyse des § 286 preuß. StGB 1851 als auch für das gegenwärtige Recht von entscheidender Bedeutung sind, werden an anderer Stelle eingehend zu beleuchten sein.40

II. Die Gemeingefahr als konzeptioneller Ausgangspunkt des preußischen Brandstrafrechts Die Entstehung des preußischen Brandstrafrechts von 1851 kann nicht ohne Erörterung der vielschichtigen und kontroversen Maxime der Gemeingefahr bzw. der Gemeingefährlichkeit nachvollzogen werden, waren doch nachweislich die mannigfaltigen Entwürfe für ein preuß. StGB ab 1828 vom andauernden Bemü38 Vgl. Art. 252 StGB Bayern 1813; Art. 257 StGB Oldenburg 1814; Art. 381 StGB Würtemberg 1839; Art. 186 CrimGB Hannover 1840; Art. 206 CrimGB Braunschweig 1840; Art. 414 StGB Hessen 1841; § 557 StGB Baden 1845; Art. 408 StGB Passau 1849; Art. 163, 164 StGB Thüringen 1850; ähnlich § 170 StGB Österreich 1852; Art. 210 StGB Sachsen 1855. 39 Vgl. Art. 378, 380 StGB Würtemberg 1839; Art. 411, 412 StGB Hessen 1841; Art. 405, 406 StGB Passau 1849; Art. 162, 164 StGB Thüringen 1850; Art. 209 StGB Sachsen 1855. 40 Dazu bei § 1 A. III. 4. bb) b).

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hen geprägt, diese als konzeptionelle Basis des Brandstrafrechts zu verankern.41 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts systematisierten im Anschluss an die Vorarbeiten Stübels42 zahlreiche Partikularstrafgesetze, darunter auch das preuß. StGB 1851 im 27. Abschnitt („Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen“) sowie einige schweizer Kantone43, verschiedene Tatbestände wie die Brandstiftung, die Brunnenvergiftung, die Verursachung von Überschwemmungen oder Sprengstoffexplosionen in der Gruppe der gemeingefährlichen Delikte. Die Brandstiftungsdelikte als „Archetypus“ der gemeingefährlichen Delikte standen regelmäßig an der Spitze dieses Abschnitts.44 Die (terminologische) Anknüpfung an die Gemeingefährlichkeit ist dagegen keine Neuschöpfung Stübels. Bereits das ALR 1794, der Vorgänger des preußischen StGB 1851, regelte die Brandstiftungsdelikte systematisch im 2. Teil, 20. Titel im 17. Abschnitt der „Beschädigungen mit gemeiner Gefahr“, ähnlich wie später das StGB Bayern 1813 und das StGB Oldenburg 1814 (jeweils: „Von der Beschädigung des Eigenthums“). Bevor Stübel die Forderung nach einer selbständigen Ahndung dieser als besonders gefährlich erachteten Handlungen formulierte, wurde die isolierte Gefährdung von Rechtsgütern – mangels tatsächlicher Verletzung selbiger – strafrechtsdogmatisch nicht als hinreichendes Kriminalunrecht, sondern als Materie des Polizei- und damit des Gefahrenabwehrrechts angesehen.45 Daraus erklärt sich zugleich die in den frühen Partikularstrafgesetzen anzutreffende systematische Einordnung der Brandstiftungsdelikte im Kontext mit Eigentumsbeschädigungen, also Rechtsgutsverletzungen, was jedoch nicht darüber täuschen darf, dass weder die Brandstiftungsdelikte des ALR 1794, noch des StGB Bayern 1813 oder des StGB Oldenburg 1814 zwingend den Eintritt einer Eigentumsverletzung voraussetzten.46 Dies verdeutlicht § 1520 Teil II,

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Goltdammer, Materialien II, S. 638 ff. Stübel, NACR 1826, S. 236 ff.; dazu: Radtke, Dogmatik, S. 96; Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1046; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 7 f. 43 Dazu Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 33 mwN. 44 Vgl. Art. 171 ff. CrimGB Sachsen 1838; Art. 161 ff. StGB Thüringen 1850; §§ 285 ff. preuß. StGB 1851; Art. 208 ff. StGB Sachsen 1855; Art. 347 ff. StGB Bayern 1861. 45 Von den insgesamt 60 Paragraphen des Brandstraftrechts im ALR 1794 umfasste knapp die Hälfte polizeirechtliche Regelungen, nämlich die §§ 1538–1567 Teil II, 20. Titel ALR 1794; hierzu: Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 7; Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (24); Salchow, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 583: „Jede durch rechtswidriges Feueranlegen bewirkte Beschädigung oder Vernichtung von Sachen begründet das Verbrechen der Brandstiftung im weiteren Sinn.“; ähnlich von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (602). 46 Radtke, Dogmatik, S. 119: „Gemeingefährliche Verbrechen (im untechnischen Sinn) wurden als qualifizierte Verletzungsdelikte bezeichnet, deren Besonderheit in der Bewirkung einer Rechtsgutsverletzung (ausreichend aber auch Tatobjektsverletzung) liege, aus der eine Gefährdung weiterer Rechtsgüter (richtiger: Rechtsgutsträger) resultiere.“; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 19 f. 42

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20. Titel ALR 1794, der auch die Anzündung tätereigener Tatobjekte erfasste, sofern der Brandstifter eine Weiterverbreitung des Feuers beabsichtigte. Ebenso belegen die Strukturen der Art. 248, 251, 252 StGB Bayern 1813, dass die Gefährlichkeit der Tat für Eigentum und/oder Leben, die typischerweise aus der Anzündung der aufgezählten Handlungsobjekte folgte, als ausschlaggebend angesehen wurde und nicht der Gedanke der Eigentumsverletzung. Des Weiteren bezogen sich Art. 252 StGB Bayern 1813 und Art. 257 StGB Oldenburg 1814 explizit auch auf die Inbrandsetzung tätereigener Tatobjekte, sofern hierdurch eine Gefahr für die Bewohner oder für fremde Wohnungen geschaffen wurde. Insofern ist zu konstatieren, dass sich das Bemühen der Erfassung der eigentümlichen Gefährlichkeit von Bränden – auch jenseits effektiver Rechtsgutsverletzungen – schon Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts überaus deutlich nachweisen lässt. Entgegen der systematischen Verortung unter die Überschrift „Von der Beschädigung des Eigenthums“ – wurde eine mit der Brandstiftung verbundene Eigentumsverletzung am Tatobjekt offensichtlich nicht als materiell wesensnotwendiges Kennzeichen der Brandstiftungsdelikte erachtet.47 Das Verdienst Stübels besteht demnach darin, dass er erstmals die eigenständige Strafbarkeit von besonders gefährlichen Handlungen in einer verselbstständigten Deliktsgruppe unter dem Rubrum der gemeingefährlichen Delikte gefordert und zugleich die Verursachung von bloßen Gefährdungen offen als eigenständiges strafwürdiges Unrecht herausgearbeitet hat.48 Die Bedeutung der Gemeingefahr bzw. der Gemeingefährlichkeit für das Brandstrafrecht erschöpft sich nicht allein in der äußerlichen Systematisierung, sondern sie wies den Brandstiftungsdelikten eine eigenständige Existenzrechtfertigung zu und ermöglichte – zumindest theoretisch – eine klare Abschichtung und Emanzipation des Normanwendungsbereichs gegenüber den (tatmitteloffenen) Verletzungsdelikten. Daher bestand innerhalb der partikularrechtlichen Strafrechtswissenschaft Einigkeit, dass nicht jede Tötung, Körperverletzung oder Sachbeschädigung durch Feuer „automatisch“ das typische Brandstiftungsunrecht konstituierte, sondern 47

Anders hinsichtlich des StGB Bayern 1813 jedoch Radtke, Dogmatik, S. 88. Stübel, NACR 1826, S. 236 (258): „Das Charakteristische einer gefährlichen Handlung, von welcher hier die Rede ist, besteht in der mit derselben verbundenen Rechtsgefahr, wie solche in §. 1 bis §. 4 beschrieben worden ist. Diese Gefahr beruht auf Gründen, welche durch den Erfolg zwar unterstützt werden, aber von demselben nicht abhängen. Sie sind ohne den Erfolg denkbar.“; zu Stübel vgl. Celichowski, Gemeingefährlichkeit, S. 20; Radtke, Dogmatik, S. 96 ff., 119; zutreffend Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 33 f.: „Mehrere der neuen Gesetzbücher haben die Gattung der ,gemeingefährlichen Verbrechen‘ hingestellt und unter dieser Rubrik tritt zuerst die Brandstiftung auf . . .; andere nehmen die Brandstiftung unter die Verbrechen gegen das Eigenthum oder das Vermögen, ohne den Charakter der Gemeingefährlichkeit in einer Überschrift anzugeben . . . Schauen wir genau zu, so bemerken wir, daß auch diejenigen Strafgesetzbücher, welche keine Rubrik der ,gemeingefährlichen Verbrechen‘ aufgestellt haben, doch den in solcher Rubrik liegenden Gesichtspunkt der objektiven Gefährlichkeit bei diesem Verbrechen einigermaßen festhalten.“ 48

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allein der gemeingefährliche Gebrauch dieses Tatmittels.49 Doch so klar diese Abgrenzung theoretisch war, so umstritten und verworren war in der Folgezeit die Debatte um die materielle Definition und inhaltliche Konturierung der Gemeingefahr respektive Gemeingefährlichkeit. Obwohl an dieser Stelle keine umfassende Aufarbeitung der geschichtlichen Entwicklung der Gemeingefahr intendiert ist, die in ihrer Bedeutung freilich über das Brandstrafrecht hinausreicht,50 so ist es doch unerlässlich, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Charakteristika aus der Sicht der Schöpfer des preuß. StGB 1851 die brandbedingte Gemeingefahr bzw. die Gemeingefährlichkeit konstituierten. Schließlich hängen zentrale Auslegungs- und Deutungsfragen der §§ 285 ff. preuß. StGB 1851 und des aktuellen Brandstrafrechts von der präzisen Erfassung und Bestimmung der Gemeingefahr respektive Gemeingefährlichkeit ab. Infolgedessen werden nachfolgend die Diskussionen um die Implementierung der brandbedingten Gemeingefahr als Leitprinzip des Brandstrafrechts ab dem Entwurf eines Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten im Jahre 1828 (E 1828) bis zum preußischen StGB 1851 nachzuverfolgen und zu bewerten sein.51 1. Die Gemeingefahr im E 1828 Die verschiedenen Vorentwürfe zum preuß. StGB 1851 waren seit dem E 1828 erkennbar vom Bemühen geleitet, die brandbedingte Gemeingefahr inhaltlich zu präzisieren, um diese von der gewöhnlichen Individualgefahr abzuschichten.52 Der E 1828 erhob die Unbestimmbarkeit der drohenden räumlichen Weiterverbreitung des Brandes zum maßgebenden Charakteristikum und definierte in § 39

49 Goltdammer, Materialien II, S. 632 ff., 639; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 32 ff., 186 ff.; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 606 f.; Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848) I. Abteilung, Band 2, S. 441: „Da das Verbrennen jedoch nur eine Art und Weise der Zerstörung ist, so ergibt sich kein Grund, es besonders von anderen Beschädigungen auszuzeichnen, wenn nicht Momente hinzutreten, welche die Strafbarkeit erhöhen. Solche liegen objektiv betrachtet: 1. in der Gemeinschädlichkeit des verursachten Brandes, 2. in der Vereinigung der Vermögensbeschädigung mit der Gefährdung der Person. Beides sind aber sehr verschiedene Rücksichten. Die erste umfaßt ein unbestimmbar weites Gebiet der Rechtsverletzungen, es reicht so weit, als es das entfesselte Element bringen kann. Auf einer Seite ist es aber auch nicht nothwendig, daß zunächst Menschen an Leib und Leben dadurch bedroht werden; die Gemeinschädlichkeit kann sich auf Gegenstände des Vermögens allein beziehen, und bleibt dennoch ein ausgezeichnetes Moment der Strafbarkeit.“; Temme, Glossen zum preuß. StGB, S. 309; Radtke, Dogmatik, S. 89 f., 98. 50 Eingehend zur Entwicklung der Gemeingefahr: Radtke, Dogmatik, S. 114 ff. 51 Das preußische StGB 1851 ist das Ergebnis einer außerordentlich langen Entstehungsgeschichte, denn im Zeitraum von 1795 bis 1851 entstanden insgesamt 16 verschiedene Entwürfe, dazu: Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 22; Regge, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 1, S. I ff. 52 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 441 f.; Radtke, Dogmatik, S. 115.

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E 1828 die gemeinschädliche Brandstiftung als die Gefahr unbestimmbarer Rechtsverletzungen, die vorliege, sobald die entzündete Sache den Brand weiterverbreiten könne. Hierzu führen die Motive zum E 1828 aus: „Die Gefahr für Menschenleben macht ein Verbrechen nicht zum gemeinschädlichen, sonst wäre es jeder Totschlag, sondern der unbestimmbare Umfang der Gefahr ist es, der den Gesichtspunkt der Strafbarkeit anders stellt. Wer ein einzeln stehendes, bewohntes Gebäude anzündet, von dem sich das Feuer nicht weiter verbreiten kann, weiß es, oder kann es doch wissen, wie weit der Schaden reicht. Er vermag die darin befindlichen Menschen zu tödten, und das verbrennbare Eigenthum zu zerstören, weiter reicht aber das Verbrechen nicht. Wer hingegen bei einer weiteren Ausdehnung brennbarer Gegenstände, bei einer Vereinigung von Gebäuden in Ortschaften, bei Wäldern, Kohleflötzen, Torfbrüchen u., eine unbedeutende Sache anzündet, welche die Flamme weiter übertragen kann, vermag nicht zu bestimmen, was er irgend an Eigenthum und Menschenleben bedroht.“ 53

Aus dieser Einschätzung geht unverkennbar hervor, dass erst die Möglichkeit der Entstehung eines in seiner Ausdehnung zunächst nicht bestimmbaren Brandes – das Bild eines Flächenbrandes im Sinne einer „wandernden Flammenwand“ schwingt hier mit – eine ordinäre feuerbedingte Gefährdung von Leben und Eigentum zu einer echten gemeingefährlichen „heraufstufen“ sollte. Somit folgte aus der Wahrscheinlichkeit einer (unbestimmten) räumlichen Brandausdehnung zugleich die Unbestimmbarkeit der Gefährdung von Leben und Eigentum, die als essentielles Wesensmerkmal der Gemeingefahr verstanden wurde.54 Der experimentelle Charakter des Versuchs, in § 39 E 1828 die Weiterverbreitungsmöglichkeit des Brandes als kennzeichnendes äußeres Wesensmerkmal der Gemeingefahr unmittelbar im Gesetz festzuschreiben, verdeutlicht sich, sofern in Rechnung gestellt wird, dass innerhalb der partikualrrechtlichen Strafrechtswissenschaft die Anforderungen, unter denen ein Brandherd als gemeingefährlich bewertet werden konnte, zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend ungeklärt waren. In diesem Zusammenhang hatten die Verfasser des E 1828 zunächst die Anknüpfung an die Verursachung einer „Feuersbrunst“ als ein die besondere Gefährlichkeit kennzeichnendes Tatbestandsmerkmal erwogen, wie etwa in §§ 1512, 53 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 442 (Hervorhebung durch den Verfasser). 54 Die Orientierung am Gedanken der Brandausdehnungswahrscheinlichkeit ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass angesichts der im 19. Jahrhundert gängigen Verwendung von Holz als Baumaterial, dicht bebauten Innenstädten mit z. T. mittelalterlichen Stadtkernen ohne bautechnischen Brandschutz und eingeschränkten Möglichkeiten einer effektiven Brandbekämpfung, die Gefahr von geräumigen Stadtbränden ein reales Bedrohungsszenario darstellte, vgl. Timcke, Der Straftatbestand der Brandstiftung in seiner Entwicklung, S. 27 ff. Exemplarisch sei auf den mehrere Tage lang wütetenden Hamburger Brand von 1842 verwiesen, der ein Drittel der Innenstadt zerstörte und über 50 Menschenleben forderte, Brockhaus, Band 9, S. 423 f.; dazu Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (24).

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1514, 1517 Teil II, 20. Titel ALR 1794.55 Doch aufgrund der Unbestimmtheit dieses Begriffs entschied sich der E 1828 gegen dessen Verwendung, ebenso wie (fast) alle nachfolgenden Entwürfe für ein preuß. StGB.56 Dennoch ist der Terminus der Erregung einer „Feuersbrunst“ vorliegend von Interesse, weil sich hierin ein Versuch der Konkretisierung der brandbedingten Gefährlichkeit reflektiert, anhand dessen sich die grundsätzliche Problematik der Fixierung der Gemeingefahr verdeutlicht. Immerhin wurde schon im gemeinen Recht der Begriff der „Feuerbrunst“ als eine Übersetzungsmöglichkeit für das lateinische „incendium“ verstanden.57 Allerdings konnte „incendium“ auch als bloße „Feueranlegung“, sprich Inbrandsetzung, gedeutet werden.58 Beachtlich ist, dass das Wort „Brunst“ neben „Leidenschaft“ unter anderem eine alte Bezeichnung für „Glut“, „Feuer“ oder einen „heftigen Brand“ darstellt.59 Das Wort „Feuersbrunst“ verweist deshalb naheliegend auf eine Bedeutungsdoppelung von Brand und Feuer hin, um eine sprach55 Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (196): „In der Reformdiskussion des vergangenen Jahrhunderts (Anmerk. d. 19. Jh.) versuchte man gelegentlich das Moment der Gemeingefährlichkeit bei jedweder Brandstiftung durch die Verwendung des Wortes ,Feuer‘ oder gar ,Feuersbrunst‘ im Gesetz besonders zum Ausdruck zu bringen; vollendete Brandstiftung würde dann nur z. B. bei offener Flamme (gemeinrechtlich: ,flamma excitat‘) bzw. bei Bränden größerer Art (= Feuersbrunst) in Betracht kommen.“; so auch Stübel, NACR 1826, S. 236 (314): „Es dürfte sich daher rechtfertigen lassen, wenn man die folgenden vier Fälle, 1) wenn durch eine gefährliche Handlung die Gesundheit oder das Leben eines Menschen in Gefahr kommt, 2) wenn eine gefährlicher Handlung mit gemeiner Gefahr für das Eigenthum Anderer, z. B. mit Gefahr einer Überschwemmung oder einer Feuersbrunst, verbunden ist . . .“; vgl. auch § 166 StGB Österreich 1852. 56 Vgl. Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 444: „Die Feuersbrunst als das entscheidende Merkmal anzunehmen, dürfte nicht minder unbestimmt seyn. Denn wenn ist sie vorhanden? Schon die verschiedene Angabe des Begriffes zeigt, daß dadurch nichts gesagt würde . . . Da es bloß ein bildlicher Ausdruck ist, so hängt die Erklärung von der Phantasie eines Jeden ab.“ Eine Ausnahme stellte nur die fahrlässige Brandstiftung gem. § 534 E 1843 dar, die die Verursachung einer „Feuersbrunst“ voraussetzte. Kritisch zur Verwendung des Begriffs der Feuersbrunst in § 169 StGB Österreich: Rex, Der Strafgrund der Brandstiftung, S. 54: „Ein Hauptproblem bei den Regelungen der Brandstiftung ist zum einen die Unbestimmtheit des Begriffs der Feuersbrunst. Dieser für das deutsche Sprachempfinden antiquiert wirkende Begriff ist sehr auslegungsbedürftig und der Gesetzgeber gibt wenige Informationen diesbezüglich und ist sich selber der dadurch entstehenden Unschärfe des Tatbildes bewusst.“ 57 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 444 ff.; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 104 f.; von Woringen, ACR 1843, S. 205 (208 ff.). 58 Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 2, S. 301 (Brandstiftung), 437 f. (Brunst); zu den weitergehenden Bedeutungsmöglichkeiten dieses Begriffes: Pils, Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Brandstiftung, S. 32 ff. 59 Duden, Band 3, S. 1225: „Feuersbrunst, die [zu Brunst in der alten Bed. ,Brand, Glut‘] (geh.): Schadenfeuer, Brand von größerem Ausmaß: mehrere Häuser waren der F. zum Opfer gefallen.“; Weigend, Wörterbuch der Deutschen Synonymen, Band 1, S. 238: „heftiger Brand“; Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 2, S. 437 ff.

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liche Abrenzung des alltäglichen, ungefährlichen Feuergebrauchs, z. B. am Küchenherd oder der Anzündung einer Kerze, gegenüber der Verursachung gefahrträchtiger Brände zu gewährleisten. Das Schrifttum der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts legte den Begriff der „Feuersbrunst“ – wenig überraschend – höchst unterschiedlich aus. Hofacker verstand hierunter ein Feuer, das allgemeines Zusammenlaufen, Lärmen und Schrecken erregt und zudem dem einzelnen unbezwingbar, sowie sehr gefährlich und verderblich sei.60 Ähnlich forderte Martin, dass eine wirkliche „Feuersbrunst“ entstanden sei, was ein Brennen des Hauptgegenstandes (im Gegensatz zum bloßen Brennen des Zündstoffes) voraussetze, bei dem öffentlicher Rettungslärm begründet werde.61 Der Eintritt einer „Feuersbrunst“ bedingte nach Martin weder eine (konkrete) Gefahr für Menschen, noch die positive Wahrscheinlichkeit einer Brandausdehnung. Nach Salchow erforderte dagegen die Erregung einer „Feuersbrunst“ zwar nicht das wirkliche Abbrennen des Gebäudes, doch das bloße Anzünden, Aufflammen oder Glimmen genüge für sich genommen nicht.62 Welche Merkmale die „Feuersbrunst“ nach Salchow hingegen positiv definieren, bleibt vage. Krug verstand dagegen unter der von Art. 171 CrimGB Sachsen 1838 explizit vorausgesetzten „Feuersbrunst“ einen Brand, dessen Umfang sich nicht mehr willkürlich in jedem Augenblicke beschränken lasse.63 von Woringen sah die Gefährlichkeit dann als vorhanden und die Brandstiftung als vollendet an, wenn nach gemeiner Erfahrung das Weiterbrennen des Feuers natürlich und notwendig sei.64 Feuerbach/Mittermaier gingen im Gegensatz dazu davon aus, dass die Brandstiftung dann vollendet sei, wenn das gefährliche Anzünden einer Sache mit rechtswidrigem Vorsatz in der Absicht vollbracht wurde, 60 Hofacker, NACR 1821, S. 74 (94, 130); zustimmend: Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1056 Fn. 1; Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1828– 1848), I. Abteilung, Band 2, S. 445 ff. 61 Martin, Lehrbuch des Gemeinen Criminalrechts, S. 423 f. Die erhobenen Forderungen nach Erregung öffentlichen Rettungslärms könnten sich möglicherweise aus einer weiteren Bedeutung des Wortes „Brunst“ ergeben, das nicht nur „Brand“ oder „Glut“ bedeutete, sondern – vom Wort „brummen“ abgeleitet – auf die Bedeutung „schreien“ oder „brüllen“ verwies, Weigand, Wörterbuch der Deutschen Synonymen, Band 1, S. 238 f. Die Forderung nach Rettungslärm als Kennzeichen der „Feuersbrunst“ ist insoweit ein interessanter Parameter, als die hierdurch implizierte Ergreifung von Brandbekämpfungs- bzw. Gefahrabwendungsmaßnahmen auf den sicheren Eintritt einer existenzbedrohenden Situation für Leib, Leben und Eigentum verweist. 62 Salchow, Lehrbuch des Gemeinen Peinlichen Rechts, S. 384. 63 Krug, Commentar zum StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 126. 64 von Woringen, ACR 1843, S. 205 (220, 218): „Der Erfolg, d. i. die Gefahr, erscheint, sobald das Element sein Werk begonnen hat, als eine beständig fortschreitende Wirkung, und es gibt nur einen fixierbaren Punkt, nämlich das Minimum des bewirkten Erfolges, das Vorhandenseyn irgend eines Erfolges, oder den Eintritt der Gefährlichkeit. Die Gefahr muß wirklich, ein Factum, seyn. Sie ist dies noch nicht, wenn nur die Materialien hervorgeholt, bereitet und angezündet sind, sie ist längst Verletzung geworden, wenn eine Feuersbrunst entstand.“

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um an einem oder mehreren menschlichen Aufenthaltsorten eine „Feuersbrunst“ zu erregen.65 Dagegen sah Temme das Verbrechen der Brandstiftung erst mit Entstehung einer wirklichen „Feuersbrunst“ als vollendet an, wofür der angezündete Gegenstand vom Feuer teilweise zerstört und zugleich eine Gefahr für Menschenleben oder eine gemeine Gefahr für fremdes Eigentum herbeigeführt worden sei müsse.66 Dass die Erregung einer „Feuersbrunst“ bisweilen nur auf den Erfolg der Inbrandsetzung des Tatobjekts verwies, belegen die Strukturen des CrimGB Sachsen 1838. Während Art. 171 CrimGB Sachsen 1838 auf die Erregung einer „Feuersbrunst“ in bewohnten oder anderen Gebäuden abstellte, was prima facie auf die Notwendigkeit einer weitgehenden Realisierung derselben verweist, ließ Art. 177 CrimGB Sachsen 1838 für die Vollendung genügen, dass sich das Feuer entweder unmittelbar dem Tatobjekt oder einer Sache mitgeteilt habe, die ihrerseits geeignet war, den in Art. 171, 174, 175, 176 CrimGB Sachsen 1838 genannten Tatobjekten das Feuer mitzuteilen. Somit verwies die Verursachung einer „Feuersbrunst“ in Art. 171 CrimGB Sachsen 1838 bloß auf die unmittelbare oder mittelbare Inbrandsetzung der dort genannten Tatobjekte, nicht aber auf eine – wie auch immer definierte – weitergehende Verdichtung des Brandes.67 Das gleiche gilt für § 166 StGB Österreich 1852, der allein auf die Absicht der Erregung einer „Feuersbrunst“ an fremdem Eigentum abstellte und explizit nicht den Ausbruch des Feuers oder den Eintritt eines Schadens verlangte. Auch der gegenwärtige § 169 Abs. 1 StGB Österreich knüpft weiterhin an die Verursachung einer „Feuersbrunst“ an, wobei dies nach gängiger Auffassung mehr als die bloße Inbrandsetzung des Tatobjekts bedingt. Als entscheidende Charakteristika für die Verursachung einer „Feuersbrunst“ werden hier kumulativ die Entstehung eines Feuers größeren Ausmaßes sowie die Unkontrollierbarkeit des Brandherdes gefordert.68 Da ein ausgedehntes großes Schadfeuer regelmäßig nicht oder kaum 65

Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 585. Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1055. 67 Vgl. Krug, Commentar zum StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 126; Weiß, Criminalgesetzbuch für das Königreich Sachsen 1838, S. 491. 68 Rex, Der Strafgrund der Brandstiftung, S. 43 f. zur Verwirklichung des Kriteriums der räumlichen Ausdehnung des Brandes als Merkmal der Feuersbrunst: „Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine bereits erfolgte räumliche Ausdehnung handeln muss und es nicht ausreicht, dass sich das Feuer bei einem beginnenden Brand beispielsweise bei einem Haus erst auf ein einzelnes Zimmer erstreckt.“ (Hervorhebung durch den Verfasser), sowie dies., S. 42 ff., 54; Kienapfel/Schmoller, BT III, §§ 169–170 Rn. 6: „Feuersbrunst aa) Begriffsmerkmale. Üblicherweise werden als Begriffsmerkmale eine gewisse räumliche Ausdehnung des Feuers (zB ,ausgedehntes Schadensfeuer‘) sowie die Unbeherrschbarkeit des Feuers (zB ,der menschlichen Kontrolle entglitten‘, ,mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen‘) genannt.“; Bertel/Schwaighofer, BT II, §§ 169, 170 Rn. 1; eine ähnlich gelagerte Auslegung erfährt die in Art. 221 StGB Schweiz geforderte „Feuersbrunst“, vgl. BSK-StGB/Roelli/Fleischanderl, Art. 221 Rn. 7: „In der Botschaft 1918 wird die Feuersbrunst in Anlehnung an die sog. ,Naturkraft-Theorie‘ . . . definiert als ein Schadfeuer von einem gewissen Umfang, so dass der 66

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kontrollierbar sein dürfte, sind beide Aspekte sachlich eng miteinander verschränkt und beschreiben mithin „zwei Seiten derselben Medaille“.69 Zusammenfassend handelt es sich beim Rückgriff auf die Verursachung einer „Feuersbrunst“ um einen dem gemeinen Recht entlehnten Versuch, die spezifischen brandbedingten Gefährdungen in einem greifbaren plastischen Schlagwort zu fixieren. Doch der Terminus der „Feuersbrunst“ vermittelt aus sich heraus keine konkret justiziablen Kriterien. Das Spektrum der Deutungsmöglichkeiten reicht von der Verursachung eines Großbrandes70 bis hin zum schlichten Inbrandsetzen eines Tatobjekts. Die mangelnde Praktikabilität des Begriff der „Feuersbrunst“ räumte auch Temme ein, denn nach seiner Ansicht gehöre dieser Terminus dem Leben an und juristische Grundsätze hierüber könnten nicht aufgestellt werden. Der einzelne Fall müsse ergeben, ob sie vorliege oder nicht, was nichts anderes als eine offene Kapitulation vor dem Versuch einer abstrakten Definition derselben ist.71 Die Bedenken der Verfasser des E 1828 gegenüber der aus dem gemeinen Recht entlehnten „Feuersbrunst“ als ein die Gemeingefährlichkeit konkretisierendes Tatbestandsmerkmal sind angesichts dessen vollkommen berechtigt.72 Dies veranschaulicht, warum stattdessen in § 39 E 1828 versucht wurde, das als maßgeblich erachtete materielle Kriterium der Brandausdehungswahrscheinlichkeit direkt im Gesetz zu verankern. 2. Die Gemeingefahr im E 1830, 1833 und 1836 Während der E 1828 auf die Weiterverbreitungsmöglichkeit des Feuers abgestellt hatte, bewertete § 475 E 1830 dagegen jede Inbrandsetzung eigener oder fremder Sachen mit „rechtswidrigem Vorsatz“ als strafbare Brandstiftung und verzichtete somit auf eine tatbestandliche Präzisierung der Gemeingefahr. Die konkret fehlende Ausdehnungswahrscheinlichkeit des Brandes bzw. die fehlende einzelne es nicht mehr in der Gewalt hat; die Zügel des zerstörenden Elements sind ihm entfallen und man kann nicht mehr sagen, wo die verheerenden Wirkungen ihr Ende finden . . . Die Rechtsprechung versteht unter dem Begriff der Feuersbrunst einen Brand, der vom Urheber nicht mehr selber bezwungen werden kann und deswegen eine gewisse Erheblichkeit aufweist.“ 69 Treffend Rex, Der Strafgrund der Brandstiftung, S. 44. 70 Die Kritik Lackners an der Verwendung dieses Begriffs in § 320 Abs. 2 E 1960 trifft zu, denn unter einer „Feuerbrunst“ werde umgangssprachlich ein Schadenfeuer von besonders großem Ausmaß verstanden, das über einen normalen Brand weit hinausgehe. Von einer „Feuersbrunst“ könne nur gesprochen werden, soweit große Gebäudekomplexe, ganze Dörfer oder Stadteile betroffen seien oder wenn Wälder, Moore oder Heiden auf großen Flächen in Brand geraten seien. Dagegen sei der Brand eines einzelnen Hauses, ein typischer Fall der Brandstiftung, nicht erfasst, vgl. Lackner, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289 (292). 71 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1055 f. 72 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848) I. Abteilung, Band 2, S. 446.

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Gefahr für Personen konnte gem. § 480 E 1830 allenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Die Zielsetzung des E 1830, im Ansatz schon jede (rechtswidrige) Anzündung einer Sache als gemeingefährlich zu bewerten, war indessen zu radikal und wurde von späteren Entwurfsverfassern einhellig abgelehnt.73 Die Gefahr der Belegung ungefährlicher und alltäglicher Verhaltensweisen mit einer Strafandrohung von 12 bis 20 Jahren Zwangsarbeit durch den uferlosen § 480 E 1830 war nicht von der Hand zu weisen und drohte den hoch gehaltenen Grundsatz zu verletzen, den Brandstiftungsdelikten nur unter der Bedingung ihrer besonderen Gefährlichkeit einen eigenständigen Anwendungsbereich zuzuweisen.74 Deshalb verfolgten die identischen § 624 E 1833 und § 719 E 1836 einen anderen Ansatz und forderten nun ausdrücklich die Verursachung einer gemeinen Gefahr durch Anzündung einer beliebigen eigenen oder fremden Sache. Dem wurde die Bedrohung einer Wohnung bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltsortes anderer Menschen durch Feuer gleichgestellt. Beide Entwürfe differenzierten noch nicht zwischen der später üblichen Verursachung einer Gemeingefahr für Leben oder fremdes Eigentum, also der Brandstiftung erster und zweiter Klasse. Obwohl § 624 E 1833 und § 719 E 1836 im Gegensatz zum E 1828 auf die Benennung der Voraussetzungen der brandbedingten Gemeingefahr verzichteten, so geben die Motive zum E 1833 klar zu erkennen, dass – wie schon in § 39 E 1828 – die unbestimmte Ausbreitungsgefahr des Brandes als entscheidendes Moment der Gemeingefahr angesehen wurde, aus der die unbestimmte Gefahr von Personen- und Eigentumsbeschädigungen folgte.75 3. Die Brandstiftung an isolierten Wohnräumlichkeiten – (k)eine gemeingefährliche Tat? Zwar folgten die Entwürfe von 1833 und 1836 dem Ansatz, die Brandstiftung in einer Zentralnorm zu regeln, allerdings geschah dies mit einer Besonderheit, die sich für das preußische Brandstrafrecht als wegweisend erweisen sollte. Denn § 624 E 1833 und § 719 E 1836 waren zweispurig konzipiert und stellten der Verursachung einer Gemeingefahr die Erregung einer die Wohnung oder den Aufenthaltsort von Menschen bedrohenden Feuersgefahr gleich. Die Gleichstellung der brandbedingten Gefährdung einer Wohnung bzw. eines Aufenthaltsortes von Menschen mit der Verursachung einer Gemeingefahr ist im 73

Radtke, Dogmatik, S. 88 ff.; Goltdammer, Materialien II, S. 638 f. Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 656 ff.; Goltdammer, Materialien II, S. 640. 75 Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 656, 659: „Ein andrer Gegenstand, beweglicher oder unbeweglicher, muß vielmehr ergriffen seyn, von welchem das Feuer sich unbestimmbar weit verbreiten kann.“ 74

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Vergleich zum E 1828 eine bahnbrechende Neuerung, da dort die Inbrandsetzung eines isoliert stehenden Wohngebäudes ausdrücklich nicht als gemeingefährlich angesehen wurde.76 Dennoch, die „gefühlte“ Notwendigkeit auch Brandstiftungen an isoliert stehenden Wohngebäuden trotz fehlender Ausbreitungsgefahr nicht pauschal aus dem Anwendungsbereich des Brandstrafrechts auszuklammern, zeigte sich bereits an der Existenz des § 48 E 1828. Dieser erfasste im Anschluss an § 1522 Teil II, 20. Titel ALR 1794 die Brandstiftung an isoliert stehenden Wohnungen, Schiffen und anderen Aufenthaltsorten von Menschen. Da dieser Fall aber zunächst als nicht gemeingefährlich bewertet wurde, war die Sanktionsandrohung in § 48 E 1828 gegenüber der Zentralnorm § 39 E 1828 erheblich abgesenkt, nämlich einfache Zuchthausstrafe anstelle einer Mindeststrafe von 12 Jahren Zwangsarbeit. Diese systemwidrige Durchbrechung der Prämisse, die Brandstiftungsdelikte nur im Rahmen ihrer Gemeingefährlichkeit zu bestrafen, begründeten die Motive zum E 1828 damit, dass die Erfassung dieses Sachverhalts allein vermittels der Körperverletzungsdelikte nicht genüge, da bei der Anzündung dieser Objekte regelmäßig eine (einfache) Gefahr für Leben und Gesundheit eintrete.77 Der E 1833 und E 1836 rückten somit vom positivistischen Standpunkt des E 1828 ab, allein das äußere Kriterium der unbestimmten Ausbreitungsgefahr zum Inbegriff der Gemeingefahr zu erheben, indem die Verursachung einer die Wohnung oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort von Menschen bedrohenden Feuersgefahr der Verursachung einer gemeinen Gefahr gleichgestellt wurde.78 Die Motive zum E 1833 geben hierfür eine ausführliche und aufschlussreiche Begründung: „Der Grund, warum das Anzünden von Wohngebäuden unter die Brandstiftung subsummirt ist, und subsummirt werden muß, liegt darin, daß die Wohnung eines Menschen, obwohl zunächst dem Bewohner und seinen Vermögenstücken gewidmet, dennoch vorübergehend, und mehr oder weniger wechselnd, auch andern Personen zum Aufenthalte, anderen Vermögensstücken, bei welchen nicht blos der Bewohner, sondern auch andere interessiert sind, zum Bewahrungsorte dient; daß also nicht blos Leben und Eigenthum des einzelnen Bewohners, sondern auch alle die Personen, mit welchen der Bewohner in Rechtsverhältnissen steht, und deren Zahl hinsichtlich des Verbrechers unbestimmbar ist, wie der Schaden, der ihnen aus der Brandstiftung entstehen kann, durch das Verbrechen mit bedrohet werden, und so dieser Fall sich dem, wo das Feuer sich unbestimmbar weit verbreiten kann, eng anschließt. Um die Sache ganz deutlich hinzustellen, darf man nur mehr ins Einzelne gehen. In seiner Wohnung hat der Mensch nicht blos seine Familie im engeren Sinn des Wortes, er nimmt 76 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 438. 77 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 462 f. 78 Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 656 ff.

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§ 1 Die Entwicklung der Brandstiftung von 1851 bis 1998 darin vorübergehend gewöhnlich Verwandte, Freunde, mehr oder weniger Dienstboten auf. Wer von diesen Personen gerade in der Wohnung ist, wenn das Feuer angelegt wird, wer also durch dasselbe bedrohet wird, vermag der Verbrecher in der Regel selbst nicht zu bestimmen. In seiner Wohnung bewahrt der Mensch außer seinen eigenen körperlichen beweglichen Sachen, die, welche er von anderen in Besitz oder Gewahrsam hat, sie seyen geliehen, gemiethet, verpfändet u.s.w., in seiner Wohnung bewahrt man die Urkunden, welche die Familien-Verhältnisse nicht blos der Bewohner, sondern aller derjenigen, welche der Familie im weiteren Sinn des Worts angehörig sind, reguliren, so wie die Urkunden, welche die Vermögens-Verhältnisse zu anderen Personen betreffen und eben sowohl für diese Personen, als für den Besitzer von Wichtigkeit sind u.s.w. Unbestimmbar weit also dehnt sich die Gefahr aus, welche mit dem Anzünden fremder Wohnungen verbunden ist.“ 79

Die Verfasser des E 1833 sahen sich also genötigt – da bei Inbrandsetzung von isoliert stehenden Wohngebäuden die bis dato als notwendig erachtete Brandausdehnungswahrscheinlichkeit nicht zwangsläufig vorhanden war – klarzustellen, dass auch diese Sachlage normativ eine gemeingefährliche Situation darstellte. Gewissermaßen substituiert und kompensiert nach Auffassung der Motive zum E 1833 das Beziehungsgeflecht, das sich um den sozialen Knotenpunkt „Wohnung“ bzw. die gewöhnlichen Aufenthaltsorte von Menschen bildet, das Manko der geringeren räumlichen Dimensionierung dieser Tatobjekte bzw. die fehlende Brandausdehnungswahrscheinlichkeit. Diese Gleichstellung überzeugt, da es im Ergebnis keinen Unterschied begründet, ob sich ein Brand ausdehnt und hierdurch räumlich entfernte Rechtsgüter gefährdet oder ob sich die gefährdeten Rechtsgüter von vornherein im Einwirkungsbereich eines räumlich begrenzten Brandherdes befinden. Beide Situationen – die Wohnungsbrandstiftung bzw. die Brandstiftung an gewöhnlichen Aufenthaltsorten von Menschen einerseits sowie die Verursachung eines Brandes mit Ausdehnungswahrscheinlichkeit über das Tatobjekt hinaus andererseits – provozieren ex ante kaum abschätzbare Gefährdungen für die Rechtsgüter Dritter und weisen infolgedessen eine identische Gefährdungsstruktur auf. Das Gesetz fixierte in § 624 E 1833 damit erstmals spezielle Situationen vermittels der Benennung gewisser Tatobjekte und deren Bedrohung durch Feuer unter dem Rubrum der Gemeingefahr, was wiederum auf eine materielle Erweiterung des Verständnisses der Gemeingefahr hindeutet. Dies beinhaltet zugleich die Erkenntnis, dass die gemeine Gefahr im engeren Sinn, verstanden als Feuer mit (drohender) unbestimmter Ausdehungswahrscheinlichkeit, lediglich ein Teilrisiko der weit vielfältigeren Gefahren von Bränden verkörpert.80 Die Verabsolutierung der Brandausdehnungsgefahr als alleiniger Maßstab hätte den Anwendungsbereich der Brandstiftungsdelikte übermäßig verengt und vergleichbar ge79 Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 658 (Hervorhebung durch den Verfasser). 80 Zu den vielfältigen Gefahren einer Brandstiftung aus heutiger Sicht, vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1).

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fährliche Situationen ohne sachliche Legitimation ausgegrenzt. Insofern wurde im E 1833 die Gemeingefährlichkeit erstmals offen von der konkreten Erscheinungsform des Brandherdes abstrahiert und stattdessen die (typischerweise) eintretenden Folgewirkungen für Leben, Leib und Eigentum in den Fokus gerückt. Daher verkörpert die Aufnahme von Wohngebäuden und gewöhnlichen Aufenthaltsorten von Menschen, die auch § 285 preuß. StGB in ähnlicher Form beibehielt – entgegen der Einschätzung Goltdammers in den Motiven zum preuß. StGB 185181 – keine Ausnahme vom Prinzip der Gemeingefährlichkeit, sondern eine materielle Erweiterung ihrer Voraussetzungen. 4. Die Gemeingefahr im E 1843, 1845, 1846 und 1847 Die nachfolgenden Entwürfe zum preuß. StGB von 1843, 1845, 1846 und 1847, die weiterhin dem Grundsatz verhaftet blieben, die Brandstiftungsdelikte nur im Rahmen ihrer Gemeingefährlichkeit als eigenständige Delikte zu ahnden, unterschieden nun klar zwischen der Brandstiftung erster und zweiter Klasse. In § 529 E 1843 wurde für die Brandstiftung erster Klasse erstmals durchgehend auf die Regelungstechnik zurückgegriffen, die Gemeingefährlichkeit durch abschließende Benennung von Tatobjekten und deren Angriff vermittels Feuer zu umschreiben. Dagegen forderte die Brandstiftung zweiter Klasse gem. § 530 E 1843 die Verursachung einer gemeinen Gefahr für fremdes Eigentum, wobei exemplarisch auf die Anzündung von Wäldern, Torfmooren, Kohlengruben und noch nicht abgeernteten Früchten verwiesen wurde.82 Die unterschiedliche Kennzeichnung der Gemeingefahr zwischen der Brandstiftung erster und zweiter Klasse behielten auch die Entwürfe von 1846 und 1847 bei. Allein der E 1845 verfolgte eine abweichende Konzeption, indem § 337 E 1845 die Inbrandsetzung eines Gebäudes mit „Gefahr für das Leben anderer“ verlangte, während für die Brandstiftung zweiter Klasse gem. § 338 E 1845 die Verursachung einer gemeinen Gefahr für fremdes Eigentum durch Anzündung einer beliebigen Sache genügte.83 Somit stellte § 337 E 1845 eine „Mischform“ dar, indem die Inbrandsetzung von Gebäuden oder anderen Räumlichkeiten, die als Wohnung genutzt wurden, an den Eintritt einer Lebengefährdung gekoppelt wurde. Hintergrund dessen war der im Rahmen der Revision des § 529 E 1843 erhobene Einwand, dass die Inbrandsetzung von Wohnräumlich81

Goltdammer, Materialien II, S. 639 f. Diese Tatobjekte wurden schon in den Motiven zum E 1828 als Beispiele für den Eintritt einer gemeinen Gefahr genannt, vgl. Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 442. 83 Gleichzeitig räumen aber die Revisoren des E 1843 ein, dass der Begriff der gemeinen Gefahr einer näheren Bestimmung „nicht bedürftig und nicht fähig“ sei, vgl. Revision des E 1843, in: Schubert, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 5, S. 756. 82

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§ 1 Die Entwicklung der Brandstiftung von 1851 bis 1998

keiten bzw. von zum Gottesdienst bestimmten Gebäuden nicht immer mit einer (konkreten) Gefahr für Menschenleben verbunden sei, weshalb ausdrücklich das Erfordernis des Eintritts einer solchen Gefahr aufgenommen werden müsse.84 5. Die Gemeingefahr im E 1848, E 1849 und im preuß. StGB 1851 Die folgenden Entwürfe von 1848 und 1849 ähnelten schon weitgehend dem preuß. StGB von 1851, da vollständig auf die tatbestandliche Verursachung einer Gemeingefahr verzichtet und sowohl für die Brandstiftung erster als auch zweiter Klasse abschließend aufgezählte Tatobjekte benannt und deren Inbrandsetzung bzw. Bedrohung durch Feuer gefordert wurde (vgl. §§ 196, 197 E 1848; Art. 203, 204 E 1849; §§ 285, 286, 287 preuß. StGB).85 Während § 198 Abs. 2 E 1848 die Brandstiftung dritter Klasse noch im systematischen Zusammenhang mit den Brandstiftungsdelikten normiert hatte, regelten Art. 171 E 1849 und § 244 preuß. StGB diese gesondert beim Betrug.86 Den Motiven zum preuß. StGB 1851 lässt sich entnehmen, dass der Entscheidung, sich vollends dem System der tatobjektsbezogenen Umschreibung der Gemeingefahr zu unterwerfen, anstelle diese direkt tatbestandlich zu benennen, eine intensive Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile vorausgegangen war.87 Für das in früheren Entwürfen favorisierte Konzept der tatbestandlichen Verankerung der Gemeingefahr bzw. der Benennung der sie kennzeichnenden Merkmale in § 39 E 1828 sprach die Wahrung des hochgehaltenen Grundsatzes, die Brandstiftungsdelikte nur insoweit eigenständig unter Strafe zu stellen, als die Tatbegehung mit einer Gemeingefahr verbunden war.88 Hierfür wurde unter anderem der Vorzug der Flexibilität ins Feld geführt, weil das Kriterium der Gemeingefahr dem Richter im Einzelfall einen gewissen Einschätzungsspielraum eröffne.89 Doch gerade diese Flexibilität sollte den Ausschlag dafür geben, sich vollends der kasuistischen Fixierung der Gemeingefahr zuzuwenden, da eine uneinheitliche Auslegung dieses Merkmals in der Praxis befürchtet wurde.90 Und 84 Revision des E 1843, in: Schubert, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 5, S. 755. 85 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 34. 86 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 32. 87 Goltdammer, Materialien II, S. 640 f.; zur Diskussion bereits Motive E 1847, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 2, S. 969 f. 88 Radtke, Dogmatik, S. 89, 98; Goltdammer, Materialien II, S. 641 und Revision des E 1843, in: Schubert, Gesetzesrevision (1845–1848), I. Abteilung, Band 5, S. 755. 89 Revision des E 1843, in: Schubert, Gesetzesrevision (1845–1848), I. Abteilung, Band 5, S. 755 f. 90 Radtke, Dogmatik, S. 116: „Richtigerweise und in klarer Kenntnis der mit der Einführung eines Tatbestandsmerkmals konkreter Gemeingefahr verbundenen Anwendungsunsicherheiten hat der preußische und in seiner Nachfolge der (gesamt-)deutsche

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angesichts der aufgezeigten Unsicherheiten hinsichtlich der materiellen Kriterien der brandbedingten Gemeingefahr einerseits und praktischen Feststellungsproblemen der Gefahr andererseits, erweisen sich diese Bedenken durchaus als berechtigt. Denn selbst der Fall des Inbrandsetzens eines Wohngebäudes – heute Inbegriff der gemeingefährlichen Brandstiftung91 – wurde von jenen Stimmen nicht als gemeingefährlich klassifiziert, die maßgebend auf das Erfordernis einer Brandübertragungsgefahr bzw. einer drohenden unbestimmten Brandausdehnung abstellten.92 Die Feststellung Radtkes, dass in der generellen Unsicherheit hinsichtlich der Gefahr im Allgemeinen und der Gemeingefahr im Besonderen die Ursache für die Umschreibung der Gemeingefahr liegt, trifft den Kern des Problems.93 Nicht verkannt werden darf bei alledem jedoch, dass sich aus dem Verzicht des preußischen Gesetzgebers auf die tatbestandliche Verursachung einer konkreten Gemeingefahr keinesfalls der Schluss ziehen lässt, die Erfassung der Gemeingefahr sei nicht primäre Intention der §§ 285 preuß. StGB.94 Dies hieße, die Tragweite des im E 1848 eingeschlagenen Systemwechsels hin zur lückenlosen Umschreibung der Gemeingefahr anstelle ihrer direkten Benennung überzubewerten. Vielmehr ist zu erkennen, dass selbst die Bedingungen an den Eintritt einer Gemeingefahr (im engeren Sinn) durchgehend sehr niedrig veranschlagt wurden, wie die Strukturen der Entwürfe im Zeitaum von 1838–1847 und die verfügbaren Gesetzgeber des RStGB die faktischen Spezifika gemeingefährlicher Delikte bei der praktisch bedeutsamen Brandstiftung über die Gemeingefährlichkeit der Handlung zu bestimmen versucht.“; Motive E 1847, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825– 1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 2, S. 969: „Es hat indeß zu bedenklich erschienen, bei dieser so oft und unter so verschiedenen Umständen vorkommenden gefährlichen Verbrechen . . . die Anwendung der schweren Strafe im Allgemeinen von dem Obwalten der gemeinen Gefahr für Leben abhängig zu machen. Um unrichtigen Auslegungen und ungegründeten Bedenken der Gerichte zuvorzukommen und die Anwendung des Gesetzes zu sichern, ist es für nothwendig erachtet worden, den Thatbestand des Verbrechens möglichst genau durch Anführung der Gegenstände . . . im Gesetz selbst festzustellen.“; Goltdammer, Materialien II, S. 641. 91 Vgl. § 2 II. 1. 92 MwN § 1 A. II. 3. 93 Als weitere Beweggründe für die Zuwendung der Umschreibung der Gemeingefahr sieht Radtke die Vermeidung von Beweisproblemen bei der Feststellung konkreter Rechtsgutsgefährdungen und des Gefährdungsvorsatzes, vgl. Radtke, Dogmatik, S. 92 ff. sowie ders., Dogmatik, S. 98: „Der Typus abstrakter Gefährdungsdelikte setzt, weil der Eintritt der Gefahr nicht Tatbestandsmerkmal ist, Klarheit darüber, wie konkrete Gefahr inhaltlich auszufüllen und wann in einer bestimmten Tatsituation ein Zustand konkreter Gefahr inhaltlich auszufüllen und wann in einer bestimmten Tatsituationen ein Zustand konkreter Gefahr eingetreten ist, nicht voraus. Insofern kann bei abstrakten Gefährdungsdelikten von einer weniger fehleranfälligen Gesetzesanwendung entsprechend der gesetzgeberischen Intention, ,unrichtige Auslegungen auszuschließen‘, ausgegangen werden.“ 94 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 25 f.; Goltdammer Materialien II, S. 639 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 98; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (5 ff.); a. A. Binding, Normen II, S. 1116 f.

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Gesetzesmaterialien verdeutlichen. Als charakteristisches Element der Gemeingefahr wurde schon die Verursachung eines solchen Brandes angesehen, der mit der Gefahr einer Brandübertragung über das Tatobjekt hinaus bzw. eines umfangreichen Brandes am Tatobjekt, wie bei Wäldern, Torfmooren oder Früchten auf dem Feld, verbunden war, weshalb die Entwürfe seit 1828 Tatvollendung schon mit der mittel- bzw. unmittelbaren Anzündung derjenigen Tatobjekte anordneten, die die vorbezeichnete Gefahr vermitteln konnten (vgl. § 39 E 1828; § 624 E 1833; § 719 E 1836; § 532 E 1843; § 340 E 1845; § 355 E 1846; § 363 E 1847). Die gemeine Gefahr in dieser Bedeutung beschrieb somit bloß die vage Möglichkeit der Verursachung eines Brandes mit unbestimmter Brandausdehnung, forderte aber noch nicht einmal eine Verdichtung der Gefahr dergestalt, dass das Ausbleiben der Brandausdehnung konkret nur vom Zufall abhing. Festzuhalten ist: Die Gemeingefahr im Sinne der Vorentwürfe zum preuß. StGB, die ihren Eintritt tatbestandlich voraussetzten, war bereits eine weitgehend abstrakt interpretierte Gefahr, die erkennbar auf die Erfassung der erfahrungsgemäßen Gefährlichkeit des Tatverlaufs abzielte.95 Insofern besteht eine erhebliche Diskrepanz des damaligen Verständnisses der Gemeingefahr gegenüber ihrer heutigen Deutung als konkrete Gefahr des Todes, eines erheblichen Körperschadens oder einer Schädigung bedeutender Sachwerte für eine unbestimmte Mehrzahl von Personen.96 Deshalb fällt der mit dem E 1848 eingeschlagene und im preuß. StGB 1851 beibehaltene Systemwechsel hin zur ausnahmslosen Umschreibung der Gemeingefährlichkeit vermittels Benennung spezieller Tatobjekte weitaus weniger einschneidend aus, als dies auf den ersten Blick vermutet werden könnte.97 Die Evolution der Gemeingefahr durch die verschiedenen Entwürfe für ein preuß. StGB ergibt somit, dass sowohl der Versuch der Benennung der sie kennzeichnenden materiellen Kriterien im E 1828 als auch der nachfolgende Versuch (1833–1847), die Gemeingefahr selbst unmittelbar im Gesetz zu verankern, deshalb scheiterten, weil die Gemeingefahr kein konkret messbarer Erfolg oder Zustand ist, der sich mithilfe objektiv-deskriptiver Kriterien fixieren ließe, sondern lediglich einen normativen Oberbegriff für den besonders gefährlichen und sanktionswürdigen Umgang mit der Naturgewalt Feuer darstellt.98 Daher begrüßte etwa John das 95

Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 186 ff. Küper, BT, S. 152; SK-StGB/Rudolphi/Stein, § 323c Rn. 10; Fischer, § 243 Rn. 21. 97 So verweist etwa Krug, darauf, dass das in Art. 208 CrimGB Sachsen 1855 geforderte Inbrandstecken eines fremden Gebäudes – der Sache nach auch übertragbar auf die übrigen dort genannten Tatobjekte wie Holzvorräte, Fruchtfelder, Stein- oder Braunkohlelager – dasselbe bedeute, wie die zuvor die in Art. 171 CrimGB Sachsen 1838 enthaltene Absicht der Erregung einer „Feuersbrunst“, vgl. Krug, Commentar zum StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 126. 98 Verhandlungen der Kommission des Staatsrats über den revidirten Entwurf des Strafgesetzbuchs (Berlin 1846), in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), 96

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gewählte System der Umschreibung der Gemeingefahr im preuß. StGB 1851, dem durchgängig alle deutschen Partikularstrafgesetzbücher folgten,99 da dem „sonst so vagen Begriff der Gemeingefährlichkeit eine wenigstens einigermaßen faßbare Bedeutung“ 100 gegeben worden sei. Auf Grundlage dieser Erkenntnis kann nun der Blick auf die Bewertung der §§ 285, 286 preuß. StGB in Schrifttum und Rechtsprechung gerichtet werden.

III. Die Brandstiftung gem. § 286 preuß. StGB § 286 preuß. StGB drohte demjenigen eine Zuchthausstrafe von bis zu zehn Jahren an, der vorsätzlich Schiffe, Gebäude, Hütten, Bergwerke, Magazine, Vorräthe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Bau- oder Brenn-Materialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore in Brand steckte, sofern das Tatobjekt in fremdem Eigentum stand, wobei die teleologische Zielsetzung des § 286 preuß. StGB von Beginn an Gegenstand einer lebhaft geführten Debatte war. Zwar bestand ein Konsens dahingehend, dass eine brandbedingte Personengefährdung durch Anzündung der in § 286 preuß. StGB aufgezählten Tatobjekte typischerweise nicht zu erwarten sei, weshalb nicht der Schutz von Leib und Leben, sondern ausschließlich der Eigentumsschutz das Anliegen der Norm sei. Doch Umfang und Ausprägung des vom Gesetz verfolgten Eigentumsschutzes und damit zusammenhängend die Bestimmung des Deliktstypus waren – in Entsprechung zur Problematik der generellen Definition der partikularrechtlichen Brandstiftung zweiter Klasse101 – rege umstritten. Das Meinungsspektrum zu § 286 preuß. StGB lässt sich in drei verschiedene Deutungsmodelle unterteilen:

I. Abteilung, Band 6, Teil 1, S. 288: „Zunächst entstand die allgemeine Frage, ob man sich in ähnlicher Art, als dies im revidirten Entwurf geschehen, darauf beschränken solle, das allgemeine Prinzip auszusprechen, oder ob man im Anschluß an den frühern Entwurf, nach dem Gegenstande, an welchen Feuer gelegt, und den Umständen, unter welchen dies geschehen ist, den Thatbestand des Verbrechens bestimmen und die Strafe desselben abstufen solle. Für die erste Alternative wurde angeführt, daß die einfache Aufstellung des Prinzips der Methode entspreche, die man bei der Abfassung des Entwurfs im Allgemeinen, und bei der Behandlung der gemeingefährlichen Verbrechen, z. B. der verursachten Strandung und der verursachten Ueberschwemmung im Besonderen befolgt habe, und es ein fruchtloses Bemühen sein werde, alle Umstände, auf die es hier ankomme, erschöpfend und mit der erforderlichen Genauigkeit zu präzisieren; andererseits wurde aber geltend gemacht, daß gerade bei den Verbrechen der Brandstiftung . . ., es nothwendig sei, den Thatbestand des Verbrechens schon im Gesetze selbst genau festzustellen, um dadurch unrichtige Auslegungen und unbegründete Bedenken der Gerichte möglichst auszuschließen . . .“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 99 Vgl. Art. 378 ff. StGB Würtemberg 1839; Art. 411 ff. StGB Hessen 1841; §§ 546 ff. StGB Baden 1845; Art. 405 ff. StGB Passau 1849. 100 John, GA 3 (1855), S. 58 (64). 101 Vgl. § 1 A. I. 2.

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1. Die „Gefährdungslösung“ Teile des Schrifttums verbanden mit der Verwirklichung des § 286 preuß. StGB die Entstehung einer abstrakten Gemeingefahr für fremdes Eigentum und klassifizierten die Norm daher als abstraktes Gefährdungsdelikt.102 Das eigentliche Unrecht des § 286 preuß. StGB bestand demnach nicht in der durch die Anzündung bewirkten Substanzverletzung des täterfremden Tatobjekts, sondern in der hieraus vermittelten generellen Gefährlichkeit der Tat für fremdes Sacheigentum. Gleichwohl war die „Gefährdungslösung“ kein homogenes Deutungsmodell, und es gab unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Bedeutungsgehaltes der „abstrakten Gemeingefahr für fremdes Eigentum“ als Bezugspunkt des Normunrechts.103 Einige Autoren rückten erkennbar die abstrakte Gemeingefährlichkeit der Handlung selbst in den Vordergrund.104 Dagegen forderte etwa Temme für § 286 preuß. StGB, dass eine gemeine Gefahr (im engeren Sinn) auch wirklich in jedem einzelnen Fall als Erfolg eingetreten sein müsse. Temme las gewissermaßen den Eintritt einer Gemeingefahr (im engeren Sinn) als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in § 286 preuß. StGB hinein, weshalb er im Falle ihres Ausbleibens die Einschlägigkeit der Norm konsequenterweise verneinte.105 Auch die Motive zum preuß. StGB 1851 stützen jedenfalls partiell den Standpunkt der „Gefährdungslösung“ und lassen erkennen, dass zumindest die Anzündung eines Teils der Tatobjekte innerhalb des § 286 preuß. StGB als gemein102 Vertreter der „Gefährdungslösung“: Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (310): „Der § 286 enthält die Strafvorschrift gegen die Brandstiftung mit Gemeingefahr für Eigenthum.“; John, GA 3 (1855), S. 58 (64); Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1049; Beseler, Kommentar, S. 524: „. . . ist die . . . gemachte Unterscheidung festgehalten worden, ob durch das Verbrechen eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder für fremde Sachen hervorgerufen wird; von dem ersten Fall handelt der §. 285., von dem zweiten der §. 286.“; Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (21): „Das Strafgesetzbuch unterscheidet: 1) die einfache Brandstiftung, d.h. diejenige, durch welche nur fremdes Eigenthum gefährdet ist.“; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (24) (seine Ausführungen beziehen sich sowohl auf § 286 preuß. StGB 1851 als auch dessen Nachfolger § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.): „Aus der Systematik und Technik unseres Gesetzbuches, das die Gemeingefahr für Personen und für Sachen unterscheidet und die Gefahr in abstracter Weise mit dem Inbrandsetzen gewisser Gegenstände als eingetreten ansieht, ergibt sich als allein folgerichtige Auffassung des Wesens der oben gedachten Bestimmung des §. 308 als Correlat zu §. 306, daß der Strafgesetzgeber mit dem Inbrandsetzen der im §. 308 (I. Fall) bezeichneten Gegenstände die Gemeingefahr für fremdes Eigenthum eingetreten ansieht. Die Bestimmung des §. 308 reproducirt den §. 286 des preuß. S.t.G.B.’s.“ 103 Dazu die Ausführungen bei § 1 A. II. 104 John, GA 3 (1859), S. 58 (64): „Zunächst wird nämlich die Gemeingefährliche Tendenz des Brandstifters hervorgehoben und diese an das Anzünden bestimmter in den §§. 285. und 286. einzeln aufgezählten Gegenstände geknüpft.“; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (24); kritisch: Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1045. 105 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1052.

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gefährlich bewertet wurde.106 Die Hintergründe dieser Differenzierung in Anknüpfung an die Art des betroffenen Tatobjektes werden an anderer Stelle noch eingehend zu beleuchten sein.107 2. Die „Sachbeschädigungslösung“ Das der „Gefährdungslösung“ diametral entgegengesetzte Deutungsmodell verkörperte die „Sachbeschädigungslösung“. Diese qualifizierte § 286 preuß. StGB als mittels Feuer bewirkte Sachbeschädigung108 und beschränkte den Schutzzweck der Norm ausschließlich auf das Eigentum am in Brand gesteckten täterfremden Tatobjekt.109 Bemerkenswert ist, dass die exklusive Deutung des § 286 preuß. StGB im Sinne der „Sachbeschädigungslösung“ eine Neuschöpfung der Rechtsprechung des preußischen Obertribunals ist, das diesen Standpunkt erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahre 1861 propagierte: „Der § 286 StGB bestraft seinem Wortlaute nach schlechthin die Anzündung von Gebäuden und gewissen anderen erheblichen Sachen, ,welche fremdes Eigenthum sind‘; allein der Grund der Strafandrohung ist, wie die Entstehungsgeschichte des § zeigt . . ., in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des gemeinen Rechts und des ALR. (II. 20. §§ 1510 ff.), nicht der Umstand allein, daß die Gebäude u.s.w. objectiv in dem Eigenthum eines Andern, als des Anzünders, sich befinden, sondern daß der Eigenthümer durch die Brandstiftung widerrechtlich, d.h. mit Unrecht gegen ihn, an einem erheblichen Theile seines Vermögens beschädigt wird. Der § 286 fand seine Stelle unter dem Titel ,gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen‘ bekanntlich in den früheren Entwürfen, die außer dem ,fremden Eigenthume‘ eine mit dessen Anzündung verbundene gemeine Gefahr ausdrücklich zum Thatbestande des Verbrechens auch hier (wie in den §§ 285, 287) erforderten; er behielt jedoch seine Stelle, obgleich die Gesetzgebung dieses Erfordernis der Strafbarkeit in demselben in Wegfall brachte, weil gleichwohl die Zerstörung aller jetzt darin genannten Gegenstände durch Brand vermöge der Größe der damit verbundenen widerrechtlichen Vermö-

106

Goltdammer, Materialien II, S. 644. Dazu bei § 1 A. III. 4. a). 108 Klargestellt sei, dass im Schrifttum zum preußischen StGB niemals von der Einordnung des § 286 preuß. StGB als „Sachbeschädigungsdelikt“, sondern von der „Verletzung des Eigenthumsrechts eines Anderen“ (Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 510) bzw. der „Verletzung eines fremden Eigenthumsrechts“ (Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548) gesprochen wurde. Diese variierende Terminologie ist auf den Umstand zurückzuführen, dass damals die Sachbeschädigungsdelikte noch unter der Kategorie der Vermögensbeschädigung firmierten, vgl. Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1038 ff.; Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 502 f. 109 Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 510; Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 f.; Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (374). 107

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§ 1 Die Entwicklung der Brandstiftung von 1851 bis 1998 gensbeschädigung unverhältnismäßig strafbarer sich darstelle, als eine Verbrennung oder sonstige Beschädigung anderer fremder Sachen nach § 281.“ 110

In einem weiteren Urteil aus dem Jahre 1868 bestätigte das Obertribunal diesen Standpunkt: „Die Brandstiftung ist als gemeingefährliches Verbrechen oder Vergehen unter den Titel 27. Th. III des Strafgesetzbuchs gestellt, weil und soweit sie unberechenbare Gefahr für Menschenleben und fremdes Eigenthum enthält. Ueberall da, wo diese Gefahr nicht obwaltet, unterscheidet sie sich in keiner Weise von der einfachen Vermögensbeschädigung (Tit. 26), also von der Beschädigung fremder Sachen, mögen sie auch durch das Mittel des Feuers erfolgen. Der §. 286. des Strafgesetzbuchs nennt nun solche Gegenstände, welche fremdes Eigenthum sind und bei deren Anzündung an und für sich eine Gefahr für Menschenleben oder fremdes Eigenthum nicht obwaltet“.111

Werden die wesentlichen Aussagen beider Entscheidungen extrahiert, die sich für die Deutung des § 286 preuß. StGB und seiner Nachfolger als richtungsweisend erweisen sollten,112 wird deutlich, dass das Obertribunal die Anzündung der dort genannten Tatobjekte prinzipiell nicht als gemeingefährlich bewertete.113 Erkennbar ist die Fixierung des Obertribunals auf die Verursachung einer drohenden Brandübertragungsgefahr über das Tatobjekt hinaus als bestimmendes Kennzeichnen der Gemeingefahr. Dies erklärt, warum das Obertribunal nur den Fall der mittelbaren Brandstiftung zweiter Klasse gem. §§ 286, 287 preuß. StGB als gemeingefährlich einstufte, da dort tatbestandlich die Verursachung einer abstrakten Brandübertragungsgefahr vorausgesetzt war. Insofern rechtfertigte sich die vom Standpunkt des Obertribunals systemwidrige Lozierung des § 286 preuß. StGB als Sachbeschädigungsdelikt im Kontext mit den gemeingefährlichen Delikten erst aus dem systematischen Zusammenhang mit § 287 preuß. StGB.114 Des Weiteren stützte das Obertribunal die Deutung des § 286 preuß. StGB als Sachbeschädigungsdelikt auf die vorausgesetzte Inbrandsetzung eines täterfremden Tatobjekts und der damit zwangsläufig verbundenen Eigentumsverletzung.115 Die eigentumsrechtliche Beschränkung des § 286 preuß. StGB wurde mithin als Indiz für die strukturelle Verwandtschaft mit den Sachbeschädigungs110 Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 111 Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (374) (Hervorhebung durch den Verfasser). 112 Zu dieser noch heute virulenten Frage bei § 306 Abs. 1 StGB n. F., vgl. § 2 I. 1. a) aa) (2). 113 Ebenso von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 ff. 114 Zur Problematik dieser Argumentation, vgl. § 1 A. III. 4. d) aa). 115 Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 510.

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delikten bewertet, die ebenfalls ein fremdes Tatobjekt verlangten. Zur Rechtfertigung des gegenüber der einfachen Sachbeschädigung gem. § 281 preuß. StGB verschärften Strafrahmens des § 286 preuß. StGB verwies das Obertribunal auf den besonders hohen Wert der dort genannten Tatobjekte.116 3. Die „Kombinationslösung“ Die sog. „Kombinationslösung“ interpretierte § 286 preuß. StGB demgegenüber als eine Synthese aus Verletzungs- und Gefährdungsaspekten und verband dementsprechend Elemente der „Sachbeschädigungs-“ und der „Gefährdungslösung“. Die „Kombinationslösung“ spielte allerdings nur eine untergeordnete Rolle im Streit um die Bewertung des § 286 preuß. StGB. Einer der wenigen Hinweise in diese Richtung findet sich aber in den Motiven zum preuß. StGB 1851. Hinsichtlich derjenigen Tatobjekte, durch deren Anzündung nach Auffassung Goltdammers nicht die Vermutung des Eintritts einer gemeinen Gefahr verbunden werden könne, handele es sich lediglich um „eine Beschädigung fremden Eigenthums durch das qualifizierte Mittel des Feuers“ 117 und nur in diesem engeren Sinn um eine Brandstiftung. Ergänzend stützte Goltdammer die Aufnahme dieser Gegenstände auf den bedeutenden Wert der genannten Tatobjekte. Dem Hinweis Goltdammers auf das qualifizierte Tatmittel Feuer lässt sich entnehmen, dass die Instrumentalisierung dieser Naturgewalt für sich genommen einen unrechtserhöhenden Umstand darstellt.118 Dahinter steht die Anerkennung einer brandbedingten Gefährlichkeit unterhalb der Schwelle der Gemeingefahr (im engeren Sinn). Jedoch lässt sich Goltdammers Ausführungen nicht entnehmen, ob sich die angedeutete Gefährlichkeit nur auf das Eigentum am angegriffenen Tatobjekt oder weitergehend auf die generelle Gefährlichkeit für Leben, Leib und/oder Eigentum bezieht.119 Der entscheidende Unterschied zwischen der „Kombinationslösung“ und der „Sachbeschädigungslösung“ beruht somit auf der Anerkennung eines brandbedingten, aber letztlich unbestimmten und vagen Gefährdungsmoments.

116 Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 f. 117 Goltdammer, Materialien II, S. 644 (Hervorhebung durch den Verfasser). 118 Ähnlich die Bewertung von Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 79 ff.: „Die meisten Strafgesetzbücher haben eine Classe der Brandstiftung hingestellt, bei welcher die Eigenthumsbeschädigung ohne Gefahr für Personen der leitende Gesichtspunkt ist, aber eine Eigenthumsbeschädigung der gefährlichsten Art, so daß auch hier häufig eine Gemeingefährlichkeit eintritt.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); von Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 9, S. 31 (44 f.); Radtke, Dogmatik, S. 378 f. 119 Zur davon zu unterscheidenden „Kombinationstheorie“ im Sinne Radtkes bei § 306 StGB n. F. unter § 2 I. 1. b).

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4. Analyse der tatbestandlichen Strukturen des § 286 preuß. StGB Ziel des nachfolgenden Abschnitts ist die Untersuchung der tatbestandlichen Strukturen des § 286 preuß. StGB unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte und im Vergleich mit der Normierung der Brandstiftung zweiter Klasse in anderen partikularrechtlichen Strafgesetzbüchern. Hieraus werden sich entscheidende Rückschlüsse ergeben, welche der drei vorgenannten Konzeptionen den Normstrukturen und der Entstehung des § 286 preuß. StGB am überzeugendsten gerecht wird. Die Analyse wird sich auf drei ausgewählte Bereiche konzentrieren, nämlich erstens den Tatobjektskatalog des § 286 preuß. StGB, zweitens die Hintergründe der eigentumsrechtlichen Beschränkung der Tatobjekte und drittens die Tathandlung der unmittelbaren bzw. mittelbaren Inbrandsetzung. a) Die Tatobjekte des § 286 preuß. StGB Die Gründe für die Aufnahme der in § 286 preuß. StGB benannten Tatobjekte waren von Beginn an umstritten. Wie die vorangegangenen Ausführungen angedeutet haben, differenzierte Goltdammer in den Motiven zum preußischen StGB 1851 zwischen zwei verschiedenen Tatobjektsgruppen innerhalb des § 286 preuß. StGB. Folge der unmittelbaren oder mittelbaren Inbrandsetzung von Waldungen, Torfmooren, Bergwerken und Früchten auf dem Feld – diese Tatobjekte sollen nachfolgend als „erste Gruppe“ bezeichnet werden – sei die Vermutung der Entstehung einer (abstrakten) Gemeingefahr.120 Dagegen könne, so Goltdammer, mit der Anzündung von Gebäuden, Schiffen, Hütten, Magazinen, Vorräten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, sowie Bau- und Brennmaterialien, den Tatobjekten der „zweiten Gruppe“, eine solche Vermutung nicht verbunden werden, und es handele sich lediglich um eine qualifizierte Sachbeschädigung.121 Somit vereinige § 286 preuß. StGB zwei verschiedene Fälle, nämlich die „Brandstiftung ohne Gefahr für Menschen, entweder durch Anzündung fremden isolierten Eigenthums, oder durch Anzündung desselben mit gemeiner Gefahr, beide ebenso durch unmittelbare oder mittelbare Anzündung“ 122. Anzumerken ist allerdings, dass Goltdammer ausdrücklich darauf verweist, dass alle Gegenstände des § 286 preuß. StGB zugleich als „isolierte, ohne jene Gefahr in concreto“ 123 gedacht seien. Dies legt den Schluss nahe, dass Goltdammer mit der Anzündung der Tatobjekte der „ersten Gruppe“ keine unwiderlegli-

120 121 122 123

Goltdammer, Materialien Goltdammer, Materialien Goltdammer, Materialien Goltdammer, Materialien

II, S. II, S. II, S. II, S.

643 ff.; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 30. 644. 641. 644.

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che gesetzliche Vermutung des Eintritts einer Gemeingefahr im engeren Sinn, sondern allenfalls eine Art Regelvermutung verband.124 Vorweg ist festzuhalten, dass Goltdammers Unterscheidung zwischen beiden Tatobjektsgruppen weder vom zeitgenössischen Schrifttum noch von der Rechtsprechung rezipiert wurde. Beide unterwarfen die Tatobjekte des § 286 preuß. StGB durchgehend einer einheitlichen dogmatischen Bewertung, sei es im Sinne der „Sachbeschädigungs-“ oder der „Gefährdungslösung“. Trotzdem wird sich die nachfolgende Betrachtung auf die Ermittlung derjenigen Umstände konzentrieren, die nach Ansicht Goltdammers dazu zwingen, zwischen beiden Tatobjektsgruppen zu differenzieren, denn sollten sich Goltdammers Aussagen, an die bis heute im Rahmen der historischen Auslegung des geltenden § 306 StGB n. F. angeknüpft wird,125 als zutreffend erweisen, wäre § 286 preuß. StGB qua Genese ein „janusköpfiger“ und jedenfalls partiell kein gemeingefährlicher Tatbestand. aa) Zur Auswahl der Tatobjekte unter vermögensrechtlichen Aspekten Vertreter der „Sachbeschädigungs-“ und der „Kombinationslösung“ haben die Auswahl der Tatobjekte in § 286 preuß. StGB damit begründet, dass es sich um bedeutendere Gegenstände handele, und haben wiederholt auf die Größe der mit der Tatbegehung verbundenen Vermögensbeschädigung hingewiesen.126 Problematisch ist diese Ansicht aber insofern, als keiner der früheren Entwürfe für ein preuß. StGB für die Tatobjekte der Brandstiftung zweiter Klasse einen bestimmten Mindestwert voraussetzte. Zwar bestand Einigkeit, dass Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Bau- und Brennmaterialien sowie Früchte auf dem Feld nur dann taugliche Tatobjekte des § 286 preuß. StGB seien, wenn der Täter hiervon eine erhebliche Quantität in Brand gesteckt habe.127 Eine aus124 Vgl. Radtke, Dogmatik, S. 376 ff.; Goltdammer, Materialien II, S. 645: „Bei Waldungen, Torfmooren, Bergwerken usw. wird man, nach dem Zwecke ihrer ursprünglichen Benennung, jene Gefahr in der Regel immer annehmen können.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 125 Vgl. Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (193); Wolff, JR 2002, S. 94 f. 126 Goltdammer, Materialien II, S. 644; Urteil des preußischen Obertribunal, vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 (549); ähnlich auch Temme, Glossen zum preuß. StGB, S. 305: „Es wird ein erheblicher Gegenstand des fremden Eigentums erfordert.“ 127 Beseler, Kommentar, S. 525; Goltdammer, Materialien II, S. 644: „Den Umstand, dass nur erhebliche Quantitäten von Früchten, und von Materialien u.s.w. gemeint seien, hat die Komm. der II. Kammer durch das ,Vorräthe‘ und durch die Gleichstellung mit Gebäuden und Magazinen für hinlänglich ausgedrückt erachtet.“; Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 510: „Nicht jede unbedeutende Quantität von Früchten . . . ist als ein Vorrath anzusehen; vielmehr wird ein erhebliches Quantum vorausgesetzt . . . Es versteht sich übrigens von selbst, daß es nicht auf die wirklich verbrannte, sondern auf diejenige in unmittelbarem Zusammenhange sich findende Quantität ankommt, welcher das Feuer mitgetheilt worden ist.“; Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 16. Januar 1852, GA 1 (1853), S. 261 (262).

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drückliche Normierung dieses Quantitätserfordernisses wurde aber als überflüssig – da selbstverständlich – erachtet. Die Notwendigkeit der Anzündung einer gewissen Mindestmenge dieser Tatobjekte folgte daher nicht dem Anliegen der Kennzeichnung einer erheblichen Eigentumsbeschädigung, sondern sollte sicherstellen, dass am Tatobjekt ein nicht bloß unerheblicher Brandherd entstehen konnte, der eine taugliche Grundlage für die Vermittlung weitergehender Rechtsgutsgefährdungen bilden konnte. Der bedeutende Wert, der den in § 286 preuß. StGB benannten Tatobjekten aber durchaus zukommen konnte, war somit kein konstitutives Auswahlkriterium für die Bildung des Tatobjektskatalogs. bb) Die Tatobjekte der „ersten Gruppe“ Die von Goltdammer für die Differenzierung zwischen beiden Tatobjektsgruppen dargelegten Gründe verweisen im Ergebnis auf deren unterschiedliche abstrakt-generelle räumliche Dimensionierung. Kennzeichnend für die Tatobjekte der „ersten Gruppe“, bei denen der Eintritt einer Gemeingefahr „in der Regel vermöge der Beschaffenheit der aufgezählten Gegenstände von selbst der Fall“ 128 sei, ist deren typischerweise erhebliche räumliche Ausdehnung. Dies ist für Wälder, Moore oder ungeerntete Früchte auf dem Feld evident, die regelmäßig eine Fläche von vielen hundert Quadratmetern, mehreren Hektar oder Quadratkilometern umfassen werden. Gleichermaßen weisen Bergwerke aufgrund ihres über viele Kilometer verzweigten Stollen- und Schachtsystems eine erhebliche räumliche Ausdehnung auf. Hinzukommt, dass Bergwerke, Wälder, Torfmoore und Früchte auf dem Feld aus brennbaren Materialien (Holz, Stroh, Kohle und Torf) bestehen.129 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass aufgrund der Feuerempfänglichkeit sowie der flächenmäßigen Größe der Tatobjekte der „ersten Gruppe“ im Falle ihrer Inbrandsetzung die Entstehung eines unkontrollierbaren Großbrandes, ganz im Sinne einer „Feuersbrunst“, nahe lag, woraus Goltdammer offenbar die Berechtigung der Einordnung als gemeingefährlich ableitete. Diese Sicht lässt sich bereits in den Motiven für den E 1828 nachweisen, wo Wälder, Kohleflöze und Torfbrüche als Beispiele für die Entstehung einer brandbedingten Gemeingefahr für Eigentum und Leben benannt wurden, da der Täter die Ausdehnung des

128 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1052; Radtke, Dogmatik, S. 99: „Die zunächst erfolgte Benennung von Waldungen, Torfmooren u. ä., nicht aber Gebäuden war noch dem Gedanken einer regelmäßig mit dem Brand derartiger Handlungsobjekte verbundenen Gefahr einer unbegrenzten Ausdehnung über das Eigentum vieler, also Gemeingefahr (richtiger aber: Gemeingefährlichkeit) in der Vorstellung des Gesetzgebers verpflichtet.“ 129 Auf diesen Aspekt verwies hinsichtlich der Kohlebergwerke auch Goltdammer, denn in Bergwerken würde oftmals brennbares Material, wie Steinkohle, gefördert, vgl. Goltdammer, Materialien II, S. 643.

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Brandes nicht bestimmen könne.130 Auch spätere Entwürfe folgten dieser Auffassung und benannten die Anzündung von Waldungen, Torfmooren, Kohlegruben und noch nicht abgeernteten (Feld-)Früchten als Beispiele für die Verursachung einer Gemeingefahr für fremdes Eigentum (vgl. § 530 E 1843, § 338 E 1845, § 354 E 1846, § 361 E 1847).131 Allerdings war die Einschätzung, dass mit Anzündung dieser Objekte zwangsläufig die Entstehung einer gemeingefährlichen Situation verbunden sei, zwischen den verschiedenen Entwurfsverfassern umstritten. So geben die Motive zum E 1833 und die Revision des E 1836 – in Übereinstimmung mit dem Standpunkt des preuß. Obertribunals132 – zu erkennen, dass die Anzündung von Fruchtfeldern, Wäldern und Torfmooren nur unter der Bedingung einer bestehenden Brandausdehnungsgefahr über das Tatobjekt hinaus als gemeingefährlich klassifiziert werden könne.133 Die durchgehende Benennung der Tatobjekte der „ersten Gruppe“ in den Entwürfen nach 1843 als Beispiele für die Verursachung einer gemeinen Gefahr für fremdes Eigentum verdeutlicht dagegen, dass das Merkmal der Brandübertragungsgefahr über das Tatobjekt hinaus nicht mehr als allein konstitutives Merkmal der Gemeingefahr/Gemeingefährlichkeit angesehen wurde, sondern schon der (drohende) Brand eines typischerweise ausgedehnten, weitläufigen Tatobjekts genügte. Mit Vorsicht ist daher die Äußerung der Motive zum preuß. StGB 1851 zu bewerten, wonach der Eintritt einer gemeinen Gefahr mit Anzündung der Tatobjekte der „ersten Gruppe“ vermutet werde, weil dies die Notwendigkeit eines Erfolgseintritts suggeriert, nämlich der weitergehenden Verdichtung der Gefährlichkeit des Brandes, den das Gesetz jedoch nicht vor Augen hatte. Vielmehr rief

130 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 442. 131 Motive E 1847, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1845–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 2, S. 969 f. 132 Vgl. § 1 A. III. 2. 133 Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 658 f.: „Alles das tritt . . ., dagegen nicht ein, wenn man . . . Fruchtfelder, Wälder, Torfmoore, unbewohnte Gebäude und andere Gegenstände solcher Art anzündet, vorausgesetzt, daß, wovon hier allein die Rede ist, von den entzündeten Gegenständen das Feuer sich nicht auf andere unbestimmbar weit verbreiten kann.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Berathungsprotokolle der zur Revision des Strafrechts ernannten Kommission des Staatsrathes (1842), in: Schubert, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 4, Teil 2, S. 758: „. . . es würden Sachen in Brand gesteckt, aus deren Anzündung sich zwar keine Gefahr für das Leben, wohl aber eine Gefahr für fremdes Eigenthum ergebe, wie z. B. wenn noch nicht abgeerndtete Fruchtfluren, Waldungen, Torfmoore oder Kohlengruben angezündet würden, deren Anzündung den Brand der benachbarten Fruchtfluren, Waldungen, Torfmoore oder Kohlengruben veranlassen könne.“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

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schon die Anzündung der Tatobjekte der „ersten Gruppe“ die „abstrakte Gefahr“ hervor.134 cc) Die Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ Im Gegensatz zu den Tatobjekten der „ersten Gruppe“ weisen jene der „zweiten Gruppe“, die Goltdammer wegen ihrer Beschaffenheit per se als „gemeingefahruntauglich“ klassifizierte, typischerweise eine andere Physiognomie auf.135 Es handelt sich um „punktuelle“, räumlich-konzentrierte Tatobjekte von – im Vergleich zu den Tatobjekten der „ersten Gruppe“ – geringerer Ausdehnung, die entweder von Menschenhand geschaffene Räumlichkeiten (Schiffe, Hütten, Gebäude, Magazine) oder quantitativ bedeutendere Ansammlungen bestimmter Sachgüter (Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Bau- und Brennmaterialien) darstellen. Die Inbrandsetzung dieser Tatobjekte führt verallgemeinernd, sofern die Perspektive allein auf das Tatobjekt verengt und die weiteren Tatumstände außer Acht gelassen werden, „nur“ zur Entstehung eines geringer dimensionierten Brandherdes, verglichen mit der Anzündung der Handlungsobjekte der „ersten Gruppe“. Die Einschätzung Goltdammers, die Anzündung isoliert stehender Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ in § 286 preuß. StGB sei wegen der typischerweise fehlenden Brandübertragungsgefahr nicht gemeingefährlich, wirft die Frage auf, warum der preuß. Gesetzgeber überhaupt die Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ aufgenommen hat. Immerhin würde dies – die Richtigkeit der Thesen Goltdammers unterstellt – eine Verletzung des Prinzips darstellen, die Brandstiftungsdelikte nur im Rahmen ihrer Gemeingefährlichkeit unter Strafe zu stellen.136 Die Ermittlung der Beweggründe ist dadurch erschwert, dass in diesem Punkt eine Lücke in der Dokumentation des Entstehungsprozesses der Brandstiftung zweiter Klasse in § 197 E 1848 existiert, der erstmals für die Brandstiftung zweiter Klasse an die abschließende Benennung der täterfremden Tatobjekte der „ersten“und „zweiten Gruppe“ anknüpfte. Da die Materialien zum E 1848 und E 1849 bislang nicht veröffentlicht sind, lassen sich die Hintergründe der Umgestaltung der Brandstiftung zweiter Klasse nur indiziell ermitteln.137 Naheliegend ist es aber, auch die Aufzählung der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ als tatbestandliches Surrogat der noch in § 361 E 1847 geforderten Gemeingefahr für fremdes Eigentum zu verstehen. Dafür spricht, dass schon § 338 E 1845 die Anzündung von (unbewohnten) Gebäuden als Beispiel für die Verursachung einer

134 135 136 137

Vgl. § 1 A. II. 4. und § 1 A. II. 5. Goltdammer, Materialien II, S. 644. Goltdammer, Materialien II, S. 638 ff. Regge, in: Regge, Gesetzesrevision (1845–1848), I. Abteilung, Band 1, S. XLII.

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gemeinen Gefahr für fremdes Eigentum neben den Tatobjekten der „ersten Gruppe“ benannte.138 Die zusätzliche Aufnahme von Gebäuden beruhte auf Einwänden Schwarzes, der im Rahmen der Revision des § 530 E 1843 die Befürchtung geäußert hatte, dass der Ausdruck „gemeine Gefahr“ unbegründeterweise die brandbedingte Gefährdung eines einzelnen fremden Hauses ausschließen könne, obschon diese ebenfalls gemeingefährlich sei.139 Ein weiteres von Goltdammer und anderen Autoren bemühtes Argument gegen die Gemeingefahrtauglichkeit der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“, das allerdings kritisch zu betrachten ist, ist der Verweis auf deren potentiell „isolierte“ Lage.140 Der Hinweis auf deren potentielle Isolation ist im Ergebnis nur eine andere Beschreibung für eine Brandstiftung ohne Brandübertragungsgefahr, die eben aus der räumlichen Abgeschiedenheit des Handlungsobjekts folgt. Zu vermuten ist, dass die Orientierung an der isolierten Lage des Tatobjekts als gefahrmindernder Umstand ein Relikt des gemeinen Rechts darstellt. Dort wurde nämlich die Brandlegung an „punktuellen“ und zudem isoliert stehenden Tatobjekten, also an Räumlichkeiten oder Sachansammlungen mit geringer Flächenausdehnung, deutlich milder geahndet, sofern eine Weiterverbreitung des Feuers ausgeschlossen war.141 Die für die Allgemeinheit ungefährliche Brandlegung wurde – so Timcke – „. . . nur dann aus dem Bereich regulärer Bestrafung ausgenommen . . ., wenn es sich um einsam gelegene Tatobjekte geringer Größe wie um Speicher, Ställe, Scheunen, Hütten, casa und taberna oder Heustock, Stroh und Holzhaufen als Nichtgebäude“ 142 handelte. Die „durch die Zeiten unverändert befürwortete Strafmilderung für die Tat an einsam etwa im Weinberg, an der Landstraße, auf der Weide und dem Felde oder sonst von der Stadt und nachbarlicher Ansiedlung entfernt gelegenen Objekten (geringer Größe)“ 143 wurde vor allem mit dem Hinweis auf die unrechtsmindernde Situation des für die Allgemeinheit gefahrlosen einsamen Tatortes begründet. Diese für das gemeine Recht entwickelte Ausnahme ist allerdings vor dem Hintergrund zu bewerten, dass ein dringendes Bedürfnis bestand, die kryptische

138

Goltdammer, Materialien II, S. 644. Revision des E 1843, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 5, S. 756. 140 Goltdammer, Materialien II, S. 644; Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1052: „. . . denn auch das Anzünden eines unbewohnten Gebäudes kann nicht für sich, sondern nur unter der Bedingung des Vorhandenseines einer eigentlichen gemeinen Gefahr als Brandstiftung angesehen werden.“; ähnlich bereits die Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 438; Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 658 f. 141 Timcke, Der Straftatbestand der Brandstiftung in seiner Entwicklung, S. 52 ff. 142 Timcke, Der Straftatbestand der Brandstiftung in seiner Entwicklung, S. 54 (Hervorhebung durch den Verfasser). 143 Timcke, Der Straftatbestand der Brandstiftung in seiner Entwicklung, S. 64. 139

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Regelung des Art. 125 Constitutio Criminalis Carolina144 mit seinen drastischen Rechtsfolgen einer Milderung zuzuführen und anstelle der vorgesehenen Regelstrafe des Feuertodes (poena ordinaria) eine Milderung auf Rechtsfolgenseite in Form des Todes durch das Schwert (poena extraordinaria) zu erreichen.145 Da die gemeingefährlichen Brandstiftungsdelikte eine Neuschöpfung der Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts darstellen, ist nicht erklärbar, warum mit Verweis auf einen ungeschriebenen gemeinrechtlichen Ausnahmetatbestand, der sich zudem nur auf die Rechtsfolgen (!) bezog, eine Ausgrenzung dieser Objekte aus der Reihe der gemeingefährlichen Delikte zu begründen ist. Denn das gemeine Recht zeigt nun gerade, dass auch die Brandstiftung an isoliert stehenden Tatobjekten der zweiten Gruppe als strafwürdige gefährliche Brandstiftung bewertet wurde.146 dd) Die Tatobjekte der Brandstiftung zweiter Klasse in anderen Partikularstrafgesetzbüchern Bevor eine abschließende Beurteilung der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ erfolgen kann, ist es hilfreich, einen Blick auf die Normierung der Brandstiftung zweiter Klasse in anderen Partikularstrafgesetzbüchern zu werfen. Ein entsprechender Vergleich ergibt zunächst, dass die Tatobjekte der „ersten“ und „zweiten Gruppe“ gleichermaßen zum Kernbestand des partikularrechtlichen Brandstrafrechts des 19. Jahrhunderts zählen.147 Jedoch wird deutlich, dass die Bewertung der Anzündung der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ durchaus umstritten war und unterschiedlich beurteilt wurde.148 Zwar differenzierte die Mehrzahl der Partikularstrafgesetzbücher systematisch nicht zwischen der Inbrandsetzung beider Tatobjektsgruppen und benannte beide gleichrangig innerhalb einer Norm.149 Doch einige Strafgesetzbücher normierten die Tatverübung an Tatobjekten der „ersten“ und „zweiten Gruppe“ jeweils in gesonderten Normen.150 Erkennbar wurde hier die Inbrandsetzung von Tatobjekten der „ersten Gruppe“ als besonders gefährlich eingeschätzt und aus diesem Grund härter bestraft. So sanktionierte Art. 250 StGB Bayern 1813 die Inbrandsetzung von Waldungen oder nicht 144 Art. 125 Constitutio Criminalis Carolina: „Straff der brenner. Item die boshafftigen überwunden brenner sollen mit fewer vom leben zum todt gerichtet werden.“; dazu eingehend: Pils, Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Brandstiftung, S. 357 ff. 145 Timcke, Der Straftatbestand der Brandstiftung in seiner Entwicklung, S. 24 f. 146 Pils, Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Brandstiftung, S. 456. 147 Vgl. § 1 A. I. 2. 148 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 82 f. 149 Vgl. Art. 175 CrimGB Sachsen 1838; Art. 380 StGB Würtemberg 1839; § 205 StGB Braunschweig 1840; Art. 412 StGB Hessen 1841; Art. 406 StGB Passau 1849; Art. 164 StGB Thüringen 1850; Art. 208 StGB Sachsen 1855; Art. 348 StGB Bayern 1861; siehe auch: Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 80 ff.; Müller, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 582 ff. 150 Vgl. Art. 250, 251 StGB Bayern 1813; Art. 255, 256 StGB Oldenburg 1814; Art. 185 StGB Hannover 1840; §§ 548, 549 StGB Baden 1845.

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abgeernteten Fruchtfeldern ohne Verursachung einer Gefahr für Menschen oder menschliche Aufenthaltsorte mit acht bis zwölf Jahren Zuchthaus, während Art. 251 StGB Bayern 1813 die Tatverübung an Objekten der „zweiten Gruppe“ nur mit ein- bis vierjähriger Arbeitshausstrafe sanktionierte, sofern weder die Weiterverbreitung des Brandes noch eine Gefahr für bewohnte menschliche Aufenthaltsorte zu besorgen war.151 Aber nicht nur die äußerliche Systematisierung, sondern auch die dogmatische Beurteilung der Brandstiftung zweiter Klasse im Allgemeinen und der „zweiten Gruppe“ im Besonderen fiel in den verschiedenen Partikularstrafgesetzbüchern uneinheitlich aus. So ging das Schrifttum zu Art. 208 StGB Sachsen 1855, der zentralen Brandstiftungsnorm, die die Inbrandsetzung (fremder) Tatobjekte der „ersten“ oder „zweiten Gruppe“ verlangte, von einer einheitlichen Auslegung beider Tatobjektsgruppen unter Gefährdungsgesichtspunkten aus.152 Die Abkehr von der noch in Art. 171, 174 CrimGB Sachsen 1838 enthaltenen Differenzierung zwischen der Inbrandsetzung der Tatobjekte der ersten und zweiten Klasse wurde auf die Erwägung gestützt, dass primär die äußeren Tatumstände den Ausschlag für die Gefährlichkeit der Tat begründen, weshalb die bislang praktizierte Unterscheidung in Anknüpfung an verschiedene Tatobjektsklassen nicht zielführend sei: Die Anzündung eines Holzhaufens in einer Stadt oder einer unbewohnten Scheune, die mit anderen Gebäuden zusammenhänge, könne konkret weitaus gefährlicher sein, als die Inbrandsetzung eines einsam gelegenen Wohnhauses, dessen Bewohner abwesend seien.153 Dagegen hatte zuvor noch Weiß die Brandstiftung zweiter Klasse nach Art. 175 CrimGB Sachsen 1838 im Sinne der „Kombinationslösung“ gedeutet, da neben der Beeinträchtigung fremden Eigentums zugleich die Gemeingefährlichkeit der Tathandlung in Rechnung gestellt werden müsse.154 Den entgegengesetzten Standpunkt nahm Hufnagel hinsichtlich Art. 380 StGB Würtemberg 1839 ein, der die Anzündung der Tatobjekte der „ersten“ und „zweiten Gruppe“ als bloße Eigentumsbeschädigung deutete, die allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen heraus im Kontext mit den gefährlichen Brandstiftungsdelikten normiert worden sei, obwohl Art. 380 StGB Würtemberg 1839 – 151 Entsprechend ahndete § 548 StGB Baden 1845 die Brandstiftung an Waldungen, Fruchtfeldern, Torfmooren und feuergefährdeten Bergwerken mit bis zu 16 Jahren Zuchthaus und sah dagegen in § 549 StGB Baden 1845 für die Brandstiftung an Gebäuden, Schiffen, Vorräten von Holz, Steinkohle oder Heu lediglich Zuchthaus von bis zu sechs Jahren vor, wenn durch die Tat ein erheblicher Schadens drohte. 152 Krug, Commentar zum StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 124 f. Gem. Art. 209 StGB Sachsen 1855 konnte die Strafe auf Arbeitshaus bis zu einem Jahr abgesenkt werden, sofern weder ein Straferschwerungsgrund eingriff, noch die Tatbegehung mit einer besonderen Gefahr oder einem erheblichem Schaden verbunden war. 153 Krug, Commentar zum StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 125 f. 154 Weiß, Criminalgesetzbuch für das Königreich Sachsen 1838, S. 507 f.; zu § 205 StGB Braunschweig 1840 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 83 f.

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anderes als § 286 preuß. StGB – noch nicht einmal eine Beschränkung auf täterfremde Tatobjekte enthielt.155 Wollte Hufnagel vielleicht darauf hinaus, dass Sachbeschädigungen tattypische Folgewirkungen sind? Thilo bemerkte zu § 549 StGB Baden 1845, der sich auf Objekte der „zweiten Gruppe“ bezog, dass hier weder eine Gefahr für Menschenleben, noch die Besorgnis einer besonders umfangreichen Eigentumsverheerung bestehe, im Gegensatz zur Inbrandsetzung der Tatobjekte der „ersten Gruppe“ gem. § 548 StGB Baden 1845. Allerdings relativiert Thilo seine Einschätzung zu § 549 StGB Baden 1845 insoweit, als er einräumt, dass auch hier, obgleich nur in entfernterem Maße, eine Gefahr für Menschenleben im Zuge der Brandbekämpfung bestehen könne.156 Abschließend ist festzuhalten, dass die Unsicherheit hinsichtlich der dogmatischen Bedeutung der in der Brandstiftung zweiter Klasse aufgezählten Tatobjekte keine genuine Problematik des § 286 preuß. StGB darstellt, sondern das gesamte partikularrechtliche Brandstrafrecht durchzog. Die Anzündung der diversen Tatobjekte der Brandstiftung zweiter Klasse wurde teils als Sachbeschädigung, als gemeingefährliche Sachbeschädigung oder als rein gemeingefährliche Brandstiftung gedeutet. ee) Abschließende Überlegungen zu den Tatobjekten des § 286 preuß. StGB Obwohl Goltdammer in den Materialien zum preuß. StGB 1851 eine differenzierende dogmatische Bewertung beider Tatobjektsgruppen in § 286 preuß. StGB propagierte, so besteht im Ergebnis begründeter Anlass, an der Überzeugungskraft dieser Sicht zu zweifeln. Denn ihr liegt erkennbar die These einer Korrelation zwischen der räumlichen Beschaffenheit der jeweiligen Tatobjektsgruppe und der daraus resultierenden unterschiedlichen Gefährdungsintensität zugrunde. Vereinfacht gesagt, steht dahinter die Erwägung, ein Brandherd an einem geringer dimensionierten Tatobjekt sei per se weniger gefährlich, als an einem solchen, das eine erhebliche räumliche Ausdehnung aufweist, so dass hier die Entstehung eines größeren, sprich gefährlicheren, Brandes droht.157 Doch dass sich allein auf die unterschiedliche abstrakte Beschaffenheit beider Tatobjektsgruppen ein sicheres Urteil über die allgemeine Gefährlichkeit der Tat stützen lässt, ist fragwürdig, wie die folgende Stellungnahme Osenbrüggens zur generellen Problematik der Quantifizierung der brandstiftungsspezifischen Risiken auf den Punkt gebracht verdeutlicht: „Das Abwägen der mit einem Brande verbundenen Gefahr wird dadurch sehr schwierig, daß dabei sehr verschiedene Momente und Möglichkeiten in Betracht zu ziehen 155 156 157

Hufnagel, Commentar zum StGB Würtemberg 1839, Band 2, S. 669 f., 673 f. Thilo, Strafgesetzbuch für das Großherzogthum Baden, Band 1, S. 436. Vgl. hierzu § 2 I. 1. a) aa) (1).

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sind. Wenn z. B. angenommen wird, daß der Brand eines einsam stehenden Hauses weniger gefährlich sei, als der Brand eines Hauses in der Stadt, so ist dagegen in Anschlag zu bringen, daß bei jenem Brande weniger Mittel zum Löschen und zur Rettung zur Hand sind und bei der Vergleichung eines Brandes in einem Dorfe und in einer Stadt ist eben so sehr zu erwägen, daß in den Dörfern die Gebäude in der Regel weiter aus einander stehen, als daß die Strohdächer leichter Feuer fangen und daß in den Dörfern der Löschapparat gar sehr contrastirt zu den bezüglichen Anstalten in größeren Städten . . .“ 158

Dies veranschaulicht, dass die tatsächliche Gefährlichkeit eines Brandes in erster Linie nicht von der abstrakt-generellen Beschaffenheit des Tatobjekts abhängt, sondern primär durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls bedingt ist, insbesondere der Präsenz von Personen und (fremden) Sachen im Einwirkungsbereich des Brandherdes. Mitunter kann sich – wie Osenbrüggen plausibel dargelegt hat – selbst aus der isolierten Lage eines Tatobjekts, die verbreitet als gefahrminderndes Indiz bewertet wurde, ein gefahrerhöhender Umstand mit Rücksicht auf die fehlende Verfügbarkeit einer organisierten Brandbekämpfung ergeben. Geben aber die ex ante nicht sicher prognostizierbaren Tatumstände den entscheidenden Ausschlag für die konkrete Gefährlichkeit der Tat, dann besteht (abstrakt) durchaus ein äquivalentes Gefährdungspotential aller in § 286 preuß. StGB benannter Tatobjekte, trotz ihrer substanziellen Heterogenität.159 Infolgedessen vermag die Variabilität des Gefährlichkeitspotentials einer Brandlegung in Abhängigkeit von den jeweiligen Tatumständen gerade die Heterogenität der in § 286 preuß. StGB aufgezählten Tatobjekte zu erklären. Indem – in Übereinstimmung mit vergleichbaren partikularrechtlichen Regelungen – weitgefächert und umfassend verschiedenartige Teilelemente der menschlichen Lebenswirklichkeit160 als Tatobjekte benannt wurden, verdeutlicht sich das Anliegen, fragmentarisch solche Brandherde zu kennzeichnen, die erfahrungsgemäß Grundlage für umfassende Eigentumsgefährdungen und -verletzungen sein konnten.161 Dies erklärt nicht nur die Lückenhaftigkeit und Heterogenität des Tatobjektskatalogs in § 286 preuß. StGB, sondern schmälert nachhaltig die Überzeugungskraft der 158

Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 191 (Hervorhebung durch den Verfasser). Eine spätere Stellungnahme Goltdammers, wonach § 286 preuß. StGB (insgesamt) eine „Strafvorschrift gegen die Brandstiftung mit Gemeingefahr für Eigenthum“ [Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (310)] darstelle, könnte als Aufgabe der in den Motiven zum preuß. StGB 1851 geäußerten Rechtsauffassung hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung beider Tatobjektsgruppen zu verstehen sein. 160 Während die Tatobjekte der „ersten Gruppe“ (von Bergwerken abgesehen) Teil natürlicher oder kultivierter Landschaftsräume sind, dienen die von Menschenhand geschaffenen Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ dem Aufenthalt, der Lagerung oder dem Transport von Menschen, Tieren oder Sachen, bzw. sind Sachansammlungen gewisser Güter. 161 Die Berechtigung dieses Anliegens wird die spätere Analyse des Gefährlichkeitspotentials von Bränden im Allgemeinen und von Raumbränden im Besonderen noch bestätigen, vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1) und § 2 II. 1. a); ähnlich zu Art. 208 StGB Sachsen 1855 auch Krug, Commentar zum StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 124 f. 159

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These, wonach die Anzündung der Tatobjekte der „ersten Gruppe“ generell gefährlicher sei, als die Anzündung solcher der „zweiten Gruppe“.162 Auch die gesetzliche Gleichbehandlung beider Tatobjektsgruppen in § 286 preuß. StGB unterstützt die Vermutung, dass hier die Anzündung aller genannten Tatobjekte zunächst als äquivalent gefährlich bewertet wurde, zumal jene Partikularstrafgesetzbücher, die der Tatbegehung an den Tatobjekten der „zweiten Gruppe“ ein verringertes Gefährlichkeitspotential bescheinigten, dies systematisch und auch auf Rechtsfolgenseite klar zum Ausdruck brachten. Vollkommen berechtigt ist deshalb der Einwand Wanjecks, dass sich „eine sichere Grenze zwischen denjenigen Gegenständen im § 308 [Anmerkung = § 286 preuß. StGB], welche in abstracto gefährlich und denjenigen, welche in abstracto ungefährlich sind“ 163, nicht bestimmen ließe, weshalb es widersprüchlich sei, davon auszugehen, „daß das Gesetz mit der Inbrandsetzung gewisser Gegenstände die Vermuthung der gemeinen Gefahr verbunden und gleichzeitig auch das Inbrandsetzen derselben ohne Gefahr sich gedacht habe“ 164. Der Streit um die Bewertung der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ in § 286 preuß. StGB steht wiederum mit der von der Wohnungsbrandstiftung in § 624 E 1833 vertrauten Problematik in Zusammenhang, inwieweit Brände unterhalb der Schwelle der gemeinen Gefahr im engeren Sinn, d. h. ohne drohende räumlich unbestimmte Fortpflanzungsmöglichkeit des Brandes, als brandspezifisches Gefährdungsunrecht begriffen werden konnten. Dass aber das enge Verständnis der gemeinen Gefahr den Strukturen des preuß. StGB 1851 nicht entspricht, sondern bereits die Anzündung von isoliert stehenden punktuellen Tatobjekten als gemeingefährlich bewertet wurde, haben eingangs schon die Diskussionen um die Gemeingefahr gezeigt.165

162 Im Gegensatz zur Mehrzahl der zeitgenössischen Partikularstrafgesetzbücher (vgl. Art. 175 CrimGB Sachsen 1838; Art. 380 StGB Würtemberg 1839; § 205 CrimGB Braunschweig 1840; Art. 412 StGB Hessen 1841; § 549 StGB Baden 1845; Art. 406 StGB Passau 1849; Art. 208 StGB Sachsen 1855) fixierte das preuß. StGB 1851 abschließend den Tatobjektskatalog der Brandstiftung zweiter Klasse und verwies nicht zusätzlich auf die Anzündung „ähnlicher Gegenstände“, was einen begrüßenswerten Gewinn an Rechtssicherheit darstellte. 163 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (26). Angemerkt sei, dass Wanjeck sich erst nach Außerkrafttreten des preuß. StGB im Rahmen der Nachfolgeregelung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. mit den Thesen Goltdammers zu § 286 preuß. StGB 1851 auseinandersetzte. 164 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (26). 165 Vgl. § 1 A. II. 3. und § 1 A. IV. 1.; a. A. Radtke, Dogmatik, S. 381: „Gelungen war dieser Versuch lediglich hinsichtlich der Objekte Bergwerke, Bau- und Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen und Torfmoore, partiell bei Warenvorräten und Vorräten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wenn sie im konkreten Fall von besonders feuerempfänglicher und damit auch feuergefährlicher Beschaffenheit waren, weil wegen der tatsächlichen Verhältnisse dieser Tatobjekte typischerweise die Möglichkeit einer unkontrollierbaren Ausdehnung des Feuers drohte.“

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Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass bereits § 1522 Teil II, 20. Titel ALR 1794 die Anzündung von allein stehenden unbewohnten Gebäuden oder anderen Behältnissen, Holzvorräten, Feld- oder Gartenfrüchte mit drei- bis sechsjähriger Festungshaft ahndete, selbst wenn die Flammen nach dem natürlichen Lauf der Dinge bewohnte Gegenden nicht ergreifen konnten.166 Angesichts dieser Kontinuität bietet sich für die Integration der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ in § 286 preuß. StGB (und bereits zuvor in § 197 E 1848; Art. 204 E 1849) die Lesart an, dass diese Fälle weiterhin strafbar bleiben sollten, eben weil sie seit jeher als gefährliche – und nun auch als abstrakt gemeingefährliche – Brandstiftung klassifiziert wurden. Insofern ist festzuhalten, dass den sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodellen zu § 286 preuß. StGB, die mehr oder weniger einer Deutung der gemeinen Gefahr im engeren Sinn verhaftet waren, eine schlüssige Erklärung für die Bildung des Tatobjektskataloges verwehrt ist, zumal eine Auswahl mit Blick auf einen besonderen Wert der Tatobjekte nicht nachweisbar ist.167 Dagegen vermag allein die „Gefährdungslösung“ die Auswahl der Tatobjekte konzeptionell zu erklären, soweit die Erfassung der abstrakten Gemeingefährlichkeit und nicht die gemeine Gefahr (im engeren Sinn) als Anliegen des § 286 preuß. StGB akzeptiert wird. b) Zur Beschränkung auf Tatobjekte, „welche fremdes Eigenthum sind“ Aus der Beschränkung des § 286 preuß. StGB auf die Inbrandsteckung solcher Tatobjekte, „welche fremdes Eigenthum“ sind, folgte, dass diese notwendigerweise im Eigentum einer anderen Person als des Täters stehen mussten. Tätereigene und herrenlose Tatobjekte waren somit vom Normanwendungsbereich ausgeschlossen.168 Aus der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs wurden aber fundamental divergierende Schlüsse mit Blick auf die Bestimmung des Schutzzwecks des § 286 preuß. StGB gezogen, denn die Vertreter der „Sachbeschädigungs-“ und der hieran anknüpfenden „Kombinationslösung“ 166

Dazu Goltdammer, Materialien II, S. 638. Die These, in § 286 preuß. StGB seien besonders wertvolle Tatobjekte benannt worden, ist von Hälschner überzeugend widerlegt worden, „denn wenn Gegenstände von höherem Werthe als die genannten mittelst Feuers im Ofen verbrannt werden, wird die Strafe der Sachbeschädigung immer als ausreichende erscheinen. Maßgebend für die Behandlung solcher Sachbeschädigung als Brandstiftung ist auch hier die Rücksicht, dass das Brennen der genannten Gegenstände ein generell gefährliches sei.“ (Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 614). 168 Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „fremdes Eigenthum“ entsprach vollumfänglich der Auslegung des Merkmals „fremd“ beim Diebstahl gem. § 215 preuß. StGB und der Sachbeschädigung gem. § 281 preuß. StGB; vgl. Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1052; Goltdammer, Materialien II, S. 644; ders., GA 6 (1858), S. 307 (310); Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 88; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (26). 167

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bewerteten das geforderte täterfremde Eigentum als unumstößlichen Beleg für den intendierten Eigentumsschutz am Tatobjekt. Beispielhaft dokumentiert diese bis heute verbreitete Schlussfolgerung169 die Stellungnahme Oppenhoffs, wonach § 286 preuß. StGB „. . . eine fremde Sache, also die Verletzung des Eigentumsrechtes eines Anderen . . .“ 170 voraussetze. Demnach manifestiert sich in der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs unmittelbar das geschützte Rechtsgut, so dass die Beschränkung funktional der Unterscheidung zwischen den untauglichen herrenlosen und tätereigenen Tatobjekten einerseits und den tauglichen täterfremden Tatobjekten andererseits dient. Hingegen war für die „Gefährdungslösung“ die Einengung auf täterfremde Tatobjekte problematisch, weil die Verursachung eines gemeingefährlichen Brandes – so scheint es zumindest auf den ersten Blick – in keiner erkennbaren Beziehung zu den eigentumsrechtlichen Verhältnissen am in Brand gesetzten Tatobjekt steht.171 Vielmehr bewertete das Gesetz auch die Inbrandsetzung herrenloser oder tätereigener Tatobjekte als gemeingefährliche Brandstiftung, wie die §§ 285 S. 2, 287 preuß. StGB belegen. Mit anderen Worten stehen aus der Perspektive der „Gefährdungslösung“ der Schutzzweck der Norm – die Verhütung der abstrakten brandbedingten Gemeingefahr – und die eigentumsrechtliche Begrenzung auf täterfremde Tatobjekte in einem rechtfertigungsbedürftigen Spannungsverhältnis. Daraus erklärt sich die Einschätzung Wanjecks als Anhänger der „Gefährdungslösung“, der die Begrenzung auf täterfremde Tatobjekte in § 286 preuß. StGB als singuläre Vorschrift zu Gunsten des Eigentümers interpretierte.172 Auf diesen im Ergebnis wegweisenden Gedanken Wanjecks wird sogleich noch einzugehen sein. Einleitend genügt die Feststellung, dass sich die konträren Interpretationen dergestalt gegenüberstellen lassen, dass die „Gefährdungslösung“ in der eigentumsrechtlichen Begrenzung des § 286 preuß. StGB eine Ausnahme173 vom grundsätzlichen Verbot der Schaffung gemeingefährlicher Situationen durch Inbrandsetzung der genannten Tatobjekte erblickte, während die „Sachbeschädigungslösung“ diese als Bestätigung ihres Grundsatzes – Schutz des Eigentums am Tatobjekt – bewertete.

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Zu § 306 StGB n. F. vgl. § 2 I. 1. a). Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 510; offenbar im Anschluss an das Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 ff. 171 Radtke, Dogmatik, S. 377 f.; Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1052; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (26); Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 88. 172 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (28); Radtke, Dogmatik, S. 377 f. 173 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (26). 170

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aa) Historische Hintergründe der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs Die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten werfen nun die Frage auf, welche Absichten der historische Gesetzgeber mit der Einfügung dieses den Tatobjektskatalog beschränkenden Zusatzes verband. Den Eigentumsverhältnissen an den Tatobjekten einer Brandstiftung kam in den Entwürfen für ein preuß. StGB von 1828, 1830, 1833 und 1836, die nicht zwischen der Brandstiftung erster und zweiter Klasse differenzierten, zunächst keine Bedeutung zu, ebensowenig wie in den folgenden Entwürfen von 1843–1847 für die Brandstiftung zweiter Klasse.174 Entscheidend für die Brandstiftung zweiter Klasse war stets die Verursachung einer (gemeinen) Gefahr für fremdes Eigentum durch Anzündung einer eigenen oder fremden Sache.175 Die Außerachtlassung der Eigentumsverhältnisse am in Brand gesetzten Tatobjekt wurde im Rahmen der Revision des E 1846 von den brandenburgischen Ständen vehement kritisiert, die bemängelten, „daß derjenige, welcher seine eigenen Schonungen oder Torfmoore anzünde, um den Verheerungen der Raupen ein Ziel zu setzen oder eine bessere wirthschaftliche Benutzung möglich zu machen, nur bei unterlassener Anzeige mit einer Polizeistrafe und bei der Gefährdung fremden Eigenthums mit der Strafe der Fahrlässigkeit belegt werden dürfe.“ 176 Die Kritik der brandenburgischen Stände ist insoweit nachvollziehbar, als § 530 E 1843, § 338 E 1845, § 354 E 1846 und § 361 E 1847 ausdrücklich die Anzündung von Torfmooren, Wäldern und Früchten auf dem Feld als Beispiele für die Verursachung einer Gemeingefahr für fremdes Eigentum benannt hatten. Die Inbrandsetzung tätereigener land- oder forstwirtschaftlicher Tatobjekte hätte demnach, obwohl es sich um eine tradierte Kulturmethode handelte, als strafbare Brandstiftung gem. § 361 E 1847 mit einer Strafe von fünf bis zu 20 Jahren Zuchthaus geahndet werden müssen. Allerdings hielten die Motive zum E 1847 die Einwände der brandenburgischen Stände für unbeachtlich, denn die Anzündung eigener Tatobjekte ohne Verursachung einer Gemeingefahr für fremdes Eigentum sei durch § 361 E 1847 ohnehin nicht erfasst.177 Ob diese Einschätzung aber verfängt, ist zu bezweifeln, 174

Vgl. § 530 E 1843; § 338 E 1845; § 354 E 1846; § 361 E 1847. Vgl. Goltdammer, Materialien II, S. 643 f.; Radtke, Dogmatik, S. 378; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (24). 176 Motive E 1847, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 2, S. 970 (Hervorhebung durch den Verfasser); Bleich, Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses, Band 4, S. 443; dazu: Goltdammer, Materialien II, S. 644 f.; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 30 f. 177 Zudem äußern sich die Motive zum E 1847 dahingehend, dass eine durch Anzündung eigener Felder oder Wälder provozierte Gemeingefahr für fremdes Eigentum als vorsätzliche Verursachung einer Gemeingefahr gem. § 361 E 1847 zu bewerten sei, vgl. Motive E 1847, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, 175

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denn die vorausgegangene Untersuchung der Gemeingefahr in den Entwürfen von 1833 bis 1847 hat ergeben, dass verbreitet schon mit der Anzündung eines solchen Tatobjekts, von dem eine Brandübertragungsgefahr über dasselbe hinaus bzw. eine erhebliche Brandausdehnung am Tatobjekt zu erwarten war, der Eintritt einer gemeinen Gefahr im engeren Sinn verbunden wurde.178 Die Befürchtung, es würden durch § 361 E 1847 auch Fälle erfasst, die „keinesweges einen ehrlosen Charakter haben, die vielmehr nur aus Unvorsichtigkeit begangen sein“ 179 konnten, wurde daneben von Abgeordneten des vereinigten ständischen Ausschusses geteilt, der den aus den Provinzständen gebildeten vereinigten Landtag bei der Überarbeitung des E 1847 vertrat.180 Obwohl der Landtagskommissar des vereinigten ständischen Ausschusses betonte, dass es nicht die Absicht des Gesetzes sei, die ungefährliche Anzündung von Heidekraut oder Torf, die sehr oft vorkomme und zu den landesüblichen Kulturarten gehöre, durch § 361 E 1847 zu bestrafen, so hielt er die erhobenen Einwände für so beachtlich, dass zukünftig eine Gesetzesfassung gewählt werden solle, welche die erhobenen Bedenken beseitige.181 In diesem Zusammenhang wurde vom Abgeordneten Freiherr von Mylius der Vorschlag unterbreitet, ausdrücklich im Gesetz zu verankern, „. . . daß es nicht straffällig sei, wenn dergleichen Gegenstände, wie Waldungen, Torfmoore und Früchte auf dem Felde, demjenigen, der sie angezündet hat, gehören.“ 182 Im Zuge des im E 1848 eingeschlagenen Systemwechsels, die Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung zweiter Klasse durch die kasuistische Benennung spezieller Tatobjekte und deren unmittelbare bzw. mittelbare Inbrandsetzung zu kennzeichnen, wurde – mutmaßlich mit Rücksicht auf die zuvor dargelegten Einwände – die Beschränkung auf Tatobjekte, „welche fremdes Eigenthum“ sind, in § 198 E 1848 implementiert und für § 204 E 1849 und § 286 preuß. StGB 1851

Teil 2, S. 970: „Bei einer gemeinen Gefahr hingegen läßt sich keine Ausnahme vom Gesetz machen; wer bloß um eigenen Nutzens willen, eine solche Gefahr herbeiführt, ohne die Obrigkeit zu erbitten und solchergestalt schützende Maßregel zu veranlassen, wird mit vollem Rechte der Strafe des §. 361. unterworfen.“ Gegenüber diesem Standpunkt wurde Kritik laut, vgl. die Äußerung des Regierungskommissars Bischoff im vereinigten ständischen Ausschuss, in: Bleich, Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses, Band 4, S. 443: „Das Bedenken wird sich erledigen durch §. 365; der Fall, der erwähnt worden ist, kann nur als fahrlässige Brandstiftung angesehen werden, und da ist im §. 365 bestimmt worden: ,mit Gefängniß oder mit Strafarbeit bis zu 3 Jahren‘; in milderen Fällen soll der Richter sogar ermächtigt sein auf Geldbuße bis zu 500 Rthlr. zu erkennen.“ 178 Vgl. § 1 A. II. 4. 179 Bleich, Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses, Band 4, S. 442 f. 180 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 30. 181 Bleich, Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses, Band 4, S. 443 f. 182 Bleich, Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses, Band 4, S. 444 (Hervorhebung durch den Verfasser).

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beibehalten.183 Denn ohne eine ausdrückliche eigentumsrechtliche Eingrenzung des Tatobjektskatalogs wären zwangsläufig auch jene Fälle der Eigentümerbrandstiftung im Rahmen der Brandstiftung zweiter Klasse unter Strafe gestellt worden, über deren Straflosigkeit Einvernehmen bestand.184 bb) Die Regelung der Eigentümerbrandstiftung in anderen Partikularstrafgesetzbüchern Die eigentumsrechtliche Beschränkung des § 286 preuß. StGB entsprach einem verbreiteten Regelungsmodell der Brandstiftung zweiter Klasse. Wie im Rahmen der Darstellung des „Drei-Klassen-Systems“ angedeutet, existierten im partikularrechtlichen Brandstrafrecht nahezu durchgängig Sonderregelungen, die die Eigentümerbrandstiftung der zweiten und bisweilen auch der ersten Klasse gesondert normierten.185 Hintergrund dieser Regelungen war die verbreitete Ansicht, die auch die Schöpfer des § 286 preuß. StGB teilten, dass die Anzündung tätereigener Tatobjekte als Ausdruck der freien Verfügungsbefugnis des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben verfahren zu dürfen, straflos bleiben müsse, soweit sich diese als ungefährlich erweise und nicht die Rechte Dritte tangiere.186 Innerhalb gewisser Grenzen war es mithin dem Eigentümer möglich, eine straflose Brandstiftung an eigenen Tatobjekten zu verüben, deren Anzündung für den Nichteigentümer per se strafbar war. Die Grenze zwischen der straflosen – da ungefährlichen – und der strafbaren – da gefährlichen – Eigentümerbrandstiftung wurde allerdings unterschiedlich definiert, worin sich erneut der Dissens darüber reflektiert, ab welcher abstrakten Gefährdungsintensität die (Eigentümer-)Brandstiftung die Schwelle zum straf-

183 Goltdammer, Materialien II, S. 644; Radtke, Dogmatik, S. 377 ff.; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (24 f.). 184 Die Motive zum preuß. StGB 1851 führen auch dementsprechend aus, dass aus § 286 preuß. StGB folge, „. . . daß die Anzündung der eigenen Sache straflos ist, wenn sie nicht eine solche ist, wie sie §§ 285. und § 287. bezeichnen“ (Goltdammer, Materialien II, S. 645). 185 Vgl. § 1 A. I. 4. 186 Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 585 f.; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 89 ff.; Thilo, StGB für das Großherzogthum Baden, Band 1, S. 439: „Die Anzündung der eigenen Sache ist an sich so wenig ein Verbrechen, als deren Zerstörung auf andere Weise.“; ders., S. 439: „Angenommen also, daß es Jedermann im Allgemeinen vermöge der aus dem Eigenthumsrecht abschließenden Befugnisse erlaubt sei, seine eigene Sache zu zerstören, so darf er dies doch nie und nimmermehr auf eine Weise thun, durch die er in die Rechte Anderer eingreift, oder die öffentliche Sicherheit gefährdet.“; Hufnagel, Commentar zum StGB Würtemberg 1839, Band 2, S. 675 f.: „So wie der Eigenthümer einer Sache dieselbe überhaupt auf jede beliebige Weise vernichten kann, so steht ihm auch das Recht zu, seine eigene Wohnung oder Sache zu verbrennen.“; Goltdammer, Materialien II, S. 636; von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (594 ff., 602); Wächter, Deutsches Strafrecht, S. 445.

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würdigen Unrecht überschritt.187 Teils wurde darauf abgestellt, ob die Eigentümerbrandstiftung mit Gefahr für das Eigentum188 und/oder Leben189 Dritter oder aber mit einer Brandausbreitungsgefahr auf Wohnungen oder andere Gebäude verbunden war.190 Eine erwähnenswerte Divergenz wiesen die partikularrechtlichen Regelungen insofern auf, als die Sonderregelungen für die Eigentümerbrandstiftung bisweilen auch die Brandstiftung erster Klasse umfassten.191 Eine zusätzliche Begrenzung erfuhr die Begünstigung der Eigentümerbrandstiftung durch die Brandstiftung dritter Klasse, welche die ungefährliche Anzündung eigener Sachen in betrügerischer oder rechtswidriger Absicht unter Strafe stellte.192 Innerhalb des partikularrechtlichen Brandstrafrechts lassen sich im Wesentlichen zwei systematische Methoden beschreiben, zwischen der Tatbegehung durch den Eigentümer und den Nichteigentümer zu unterscheiden.193 Einige Strafgesetzbücher, wie das preuß. StGB 1851, differenzierten zwischen der Inbrandsetzung „eigener“ und „fremder“ Tatobjekte der Brandstiftung zweiter (und mitunter auch der ersten) Klasse und regelten beide Fälle in separaten Normen oder Absätzen.194 Andere Partikulargesetze setzten dagegen für die Brandstiftung zweiter Klasse (und mitunter auch für die Brandstiftung erster Klasse) zunächst die Inbrandsetzung der dort genannten Tatobjekte voraus, ohne eigentumsrechtliche Restriktionen zu postulieren. In einer eigenständigen Norm oder einem separaten Absatz erfolgte dann als lex specialis die gesonderte Erfassung der Brandstiftung an tätereigenen Tatobjekten.195

187 Freilich ergab sich nur aus wenigen Partikularstrafgesetzbüchern ausdrücklich (vgl. Art. 163, 164 Abs. 2 StGB Thüringen 1850), dass die nicht gemeingefährliche Brandstiftung an tätereigenen Tatobjekten ohne rechtswidrige Absicht straflos blieb. Vielmehr folgte die Straffreiheit der ungefährlichen Eigentümerbrandstiftung mittelbar daraus, dass die Regelungen der Eigentümerbrandstiftung bzw. der Brandstiftung dritter Klasse lex specialis waren und abschließend die Voraussetzung für die Strafbarkeit der Tatbegehung an tätereigenen Objekten regelten. Fehlten die dort normierten Voraussetzungen im Falle der Eigentümerbrandstiftung, so blieb die Tat straflos. 188 Vgl. § 555 StGB Baden 1845. 189 Vgl. § 206 StGB Braunschweig 1840; Art. 408 StGB Passau 1849. 190 Vgl. Art. 247, 252 StGB Bayern 1813; Art. 257 StGB Oldenburg 1814; ähnlich Art. 164 StGB Thüringen 1850: Gefahr der Weiterbreitung des Brandes zum Nachteil Dritter. 191 Vgl. Art. 247, 252 StGB Bayern 1813; Art. 174 CrimGB Sachsen 1838; § 554 StGB Baden 1845; Art. 408 StGB Passau 1849; Art. 350 StGB Bayern 1861. 192 Vgl. § 1 A. I. 3.; Osenbrüggen, Brandstiftung, S. 89 ff.; Beseler, Kommentar, S. 522. 193 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 17 f. 194 Vgl. Art. 175 CrimGB Sachsen 1838; §§ 205, 206 StGB Braunschweig 1840; Art. 208, 210 StGB Sachsen 1855; Art. 348, 349 StGB Bayern 1861. 195 Vgl. Art. 252 StGB Bayern 1813; Art. 380, 381 StGB Würtemberg 1839; Art. 185, 186 StGB Hannover 1840; Art. 412, 414 StGB Hessen 1841; §§ 548, 549, 555

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Im Vergleich mit den übrigen Partikularstrafgesetzbüchern nahm das preuß. StGB 1851 allerdings eine Sonderstellung ein, da die Intention der Begünstigung der Eigentümerbrandstiftung dort nur „versteckt“ zum Ausdruck kam. So fehlte eine Norm, die sich explizit mit der Eigentümerbrandstiftung befasste. Während noch § 198 Abs. 1 E 1848 eine ausdrückliche Regelung der Anzündung tätereigener Tatobjekte der Brandstiftung zweiter Klasse enthalten und diese unter der Bedingung für strafbar erklärte hatte, dass sie „mit Gefahr für fremdes Eigenthum“ verbunden war, verzichteten der E 1849 und ihm folgend das preuß. StGB 1851 auf eine gesonderte Normierung der Eigentümerbrandstiftung. Dahinter stand erkennbar das Anliegen einer Gesetzesvereinfachung, da sich die noch in § 198 Abs. 1 E 1848 verlangte „Gefahr für fremdes Eigenthum“ nicht substantiell von der durch Lage und Beschaffenheit bedingten abstrakten Brandübertragungsgefahr im Rahmen der mittelbaren Brandstiftung nach § 196 Abs. 1 Nr. 4 E 1848 unterschied.196 Im Zuge der Erstreckung der mittelbaren Brandstiftung auf die Brandstiftung zweiter Klasse in Art. 205 E 1849 konnte deshalb auf eine explizite Normierung der gefährlichen Eigentümerbrandstiftung an den Tatobjekten der Brandstiftung zweiter Klasse verzichtet werden, da diese nun von der mittelbaren Brandstiftung gem. §§ 285, 286, 287 preuß. StGB geregelt wurde. Somit kam der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB eine Doppelfunktion zu, nämlich einmal als alternative Tathandlung und des Weiteren als begrenzendes Regulativ der Begünstigung der Eigentümerbrandstiftung in § 286 preuß. StGB.197 Durch diese Vereinfachung konnte zudem auf die Benennung der Gefahr für fremdes Eigentum (vgl. § 198 Abs. 1 E 1848) als Abgrenzungskriterium zwischen der strafbaren und der straflosen Eigentümerbrandstiftung verzichtet werden, worin erneut die Bemühung des preuß. StGB 1851 sichtbar wird, die Gefahr als Tatbestandsmerkmal aufgrund ihrer fehlenden dogmatischen Konsistenz zumindest für das Brandstrafrecht zu meiden.198 Zudem war die Brandstiftung dritter Klasse gem. § 244 preuß. StGB recht atypisch ausgestaltet und erfasste die Anzündung jeder (beliebigen) Sache in betrüStGB Baden 1845; Art. 406, 408 StGB Passau 1849; ähnlich auch §§ 169, 170 StGB Österreich 1852. 196 Hier ist daran zu erinnern, dass die Verursachung einer gemeinen Gefahr für fremdes Eigentum im engeren Sinn als Verursachung einer (unbestimmten) Brandübertragungsgefahr, die fremdes Eigentum bedroht, gedeutet wurde, vgl. § 1 A. II. 5. 197 Goltdammer, Materialien II, S. 645 f.: „Ist der Thäter dagegen Eigenthümer der Sache, so kann die mittelbare Brandstiftung nach §. 287 zum Zwecke der beiden Verbrechen in den §§. 285 und 286 auch dadurch geschehen, daß der Thäter eigne Sachen der im §. 286 gedachten Art anzündet.“ 198 Vgl. § 1 A. II. 5.; eine analoge Entwicklung – die Abkehr von der tatbestandlichen Benennung der Gefahr – lässt sich auch für die fahrlässige Brandstiftung konstatieren. Während noch § 199 E 1848 auf die fahrlässige Schaffung eines Brandes abgestellt hatte, der Gefahr für fremdes Eigentum oder Leben verursachte, stellten Art. 206 E 1849 und § 288 preuß. StGB lediglich auf die fahrlässige Verursachung eines Brandes an einem Tatobjekt der ersten oder zweiten Klasse ab.

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gerischer Absicht und damit nicht – wie sonst in anderen Partikularstrafgesetzbüchern üblich199 – nur den Fall der ungefährlichen Eigentümerbrandstiftung, was ebenfalls als gezielte Vermeidung der tatbestandlichen Nennnung der Gefahr durch das preuß. StGB zu deuten ist. Insofern konnte § 244 preuß. StGB als atypischer Brandstiftung dritter Klasse nicht die Funktion zukommen, inzident auf die Straflosigkeit der ungefährlichen Eigentümerbrandstiftung hinzuweisen, sofern eine betrügerische Absicht fehlte, wie in anderen Partikularstrafgesetzbüchern üblich. cc) Die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung als Hintergrund der eigentumsrechtlichen Beschränkung in § 286 preuß. StGB Doch welche Konsequenzen sind letzten Endes aus der eigentumsrechtlichen Beschränkung in § 286 preuß. StGB und der damit verbundenen Unterscheidung zwischen tätereigenen und täterfremden Tatobjekten im partikularrechtlichen Brandstrafrecht mit Blick auf den Schutzzweck des § 286 preuß. StGB zu ziehen? Obwohl § 286 preuß. StGB zwischen der Inbrandsetzung fremder und tätereigener Tatobjekte differenzierte, sollte für die Anzündung tätereigener Tatobjekte kein „Freischein“ erteilt werden; vielmehr war beabsichtigt, die Strafbarkeit des Eigentümers zu seinem Vorteil erhöhten Voraussetzungen zu unterstellen, mit der Folge, dass ausnahmsweise die Gefährlichkeit des einzelnen Falls überhaupt berücksichtigt werden sollte. Hintergrund dieses Regelungsmechanismus ist nach Ansicht des Verfassers die Einschätzung, dass der Eigentümerbrandstiftung im Vergleich zur Tatbegehung durch den Nichteigentümer ein verringertes Gefährlichkeitspotential bescheinigt wurde. Allein die Anzündung des Tatobjekts wurde nicht als ausreichend erachtet, um hierauf – wie beim Nichteigentümer – ein legitimes, abstrakt gültiges Gefährlichkeitsurteil stützen zu können. Die Korrelation zwischen der Einstufung der Tat als gefährlich und dem eigentumsrechtlichen Verhältnis zwischen Täter und Tatobjekt lässt sich immherin damit (wenn auch nicht restlos) begründen, dass relevante Parameter der Brandgefahr dem Einfluss des Eigentümer-Brandstifters unterliegen. Der Eigentümer besitzt die Rechtsmacht, Dritte vom Tatobjekt auszuschließen, und wird typischweise mit „seiner“ Sache am besten vertraut sein.200 Er kann über Zeit, Art, Ort und Umfang der Brandlegung frei entscheiden und diese „öffentlich“ vornehmen, da sich die Anzündung unmittelbar nur auf sein Eigentum bezieht.201 Besteht aber keine 199 Vgl. Art. 252 StGB Bayern 1813; Art. 257 StGB Oldenburg 1814; Art. 174 CrimGB Sachsen; § 206 CrimGB Braunschweig 1840; Art. 414 StGB Hessen; Art. 408 StGB Passau 1849; Art. 163, 164 StGB Thüringen 1850; Art. 210 CrimGB Sachsen; Art. 350 1861; anders: §§ 554, 555, 557 StGB Baden 1845. 200 So auch zu § 306 StGB n. F. Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 15. 201 Auch in späterer Zeit sollte von der Rechtsprechung der Gedanke der verminderten Gefährlichkeit der Eigentümerbrandstiftung bei der schweren Brandstiftung nach

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Notwendigkeit eines verdeckten Vorgehens, dann verliert die Tat gewissermaßen ihren Charakter als heimlicher „Brandanschlag“.202 Insofern verkörpert die Brandstiftung an einer tätereigenen Sache isoliert betrachtet kein Unrecht, sondern ist – worauf bereits frühzeitig hingewiesen wurde203 – Ausdruck der freien Verfügungs- und Dispositionsbefugnis des Eigentümers. Zudem besteht in den von den Motiven zum preuß. StGB 1851 erwähnten Fällen der Eigentümerbrandstiftung typischerweise ein gewichtiges Eigeninteresse des Eigentümers an einem sachgerechten und risikominimierten Umgang mit dem Tatmittel Feuer, d. h. an einer „sozialverträglichen“ Brandlegung ohne Gefährdung Dritter oder ihres Eigentums.204 Speziell die Diskussionen im vereinigten ständischen Ausschuss und den Motiven zum preuß. StGB 1851 offenbaren, dass die dort genannten Fälle der Eigentümerbrandstiftung im land- bzw. forstwirtschaftlichen Kontext als tradierte und sozialübliche Kulturmethode angesehen wurden, zumal sie elementaren Bedürfnissen der Gemeinschaft (Nahrungsmittelversorgung) dienten.205 Dies erklärt, warum der Gesetzgeber gewillt war, ausnahmsweise die rein abstrakte Gefährlichkeit der Anzündung tätereigener Tatobjekte des § 286 preuß. StGB unterhalb der Schwelle des § 287 preuß. StGB – anders als beim Nichteigentümer – in Kauf zunehmen, was im Ergebnis auf die gezielte Überantwortung einer Einschätzungsprärogative zum Vorteil des Eigentümers verweist.206 § 306 Nr. 2 StGB a. F. aufgegriffen werden, vgl. BGH, NStZ 1981, S. 224; dazu unter § 1 B. IV. 2. c). 202 Dazu passt, dass die Tatbegehung zur Nachtzeit wegen des hier vermuteten Überraschungseffekts und der daraus folgenden verminderten Abwehrbereitschaft der Betroffenen in vielen Partikularstrafgesetzbüchern als erschwerender Strafzumessungsgrund bzw. qualifizierte Brandstiftung erster Klasse behandelt wurde, vgl. §§ 1514, 1515, 1516 Teil II, 20. Titel ALR 1794; Art. 248 Abs. 3 StGB Bayern 1813; Art. 253 Abs. 2 StGB Oldenburg 1814; Art. 183 Abs. 3 CrimGB Hannover 1840; Art. 411 StGB Hessen 1841; Art. 405 Nr. 3 StGB Passau 1849; § 167 f), g) StGB Österreich1852. 203 Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 585 f.; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 89 ff.; Thilo, StGB für das Großherzogthum Baden, Band 1, S. 439. 204 Vgl. Goltdammer, Materialien II, S. 636: „Wer in der Ausübung einer wenigstens nicht verbotenen Handlung begriffen ist, dem wird man glauben können, daß er an die dennoch eintretende Gefahr, oder den verletzenden Erfolg nicht gedacht habe; den wird daher nur die Strafe der Fahrlässigkeit treffen, besonders wenn mit dem Eintreten der Gefahr nicht ein blos ruhiges Zusehen stattfindet, sondern wenn abwehrende Anstalten getroffen werden.“ 205 Zum Einsatz von Feuer als Mittel der Schädlingsbekämpfung in Brandenburg im 18. und 19. Jahrhundert, vgl. Sperger, Die Landplage des Raupenfraßes, S. 199 f., 258; eingehend zur Entwicklung der Verwendung von Feuer in der Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts, vgl. Goltdammer/Montag/Page, Nutzung des Feuers in mittel- und nordeuropäischen Landschaften, NNA-Berichte 10, Heft 5, S. 18 ff. 206 Ein denkbarer Einwand gegenüber der These, die Beschränkung auf täterfremde Tatobjekte in § 286 preuß. StGB diene der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, könnte sich daraus ergeben, dass sich die Äußerungen der brandenburgischen Stände und des vereinigten ständischen Ausschusses nur auf die Tatobjekte der „ersten Gruppe“ (Wälder, Torfmoore und Früchte auf dem Felde) bezogen, nicht aber auf die

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Zusammenfassend vereinigen sich in der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, die in der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs in § 286 preuß. StGB ihren Niederschlag gefunden hat, verschiedene Momente, nämlich der Gedanke der gefahrmindernden Beherrschungs- und Einwirkungsmöglichkeit des Eigentümers, verbunden mit der Überantwortung eines eigenverantwortlichen Handlungsspielraums unter Respektierung der Dispositionsbefugnis des Eigentümers. Die unterschiedliche Interessen- und Sachlage in Abhängigkeit von der eigentumsrechtlichen Verbindung zwischen Tatobjekt und Brandstifter veranlasste den preußischen Gesetzgeber, diesem Umstand dadurch kriminalpolitisch Rechnung zu tragen, dass der Eigentümer nur unter der Bedingung einer besonders festgestellten Gefährlichkeit der Brandstiftung nach § 287 preuß. StGB bestraft werden sollte.207 Die abstrakte – allein an die formale Eigentümerstellung anknüpfende – Ausgestaltung dieser Privilegierung fügt sich nahtlos in die vom Einzelfall abstrahierende Ausrichtung des preußischen Brandstrafrechts: Nicht nur für das Gefährlichkeitsurteil hinsichtlich der Anzündung der in § 286 preuß. StGB genannten Tatobjekte durch den Nichteigentümer wird eine generalisierende Betrachtungsweise angelegt, sondern umgekehrt auch für den Sonderfall der Eigentümerbrandstiftung. Vollkommen zutreffend ist deshalb die Einschätzung Wanjecks, wonach bei § 286 preuß. StGB/§ 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. aus Nützlichkeitsgründen die Strafbarkeit des Eigentümers eingeschränkt worden sei und es sich hierbei um eine „. . . singuläre Vorschrift zu Gunsten des Eigentümers . . .“ 208 handele.

Objekte der „zweiten Gruppe“. Hier darf aber nicht übersehen werden, dass für die Erörterung der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ zunächst kein Anlass bestand, da § 361 E 1847 nur die Tatobjekte der „ersten Gruppe“ als Beispielsfälle für die Entstehung einer Gemeingefahr für fremdes Eigentum nannte. Ein weiterer Einwand könnte sich darauf stützen, dass bei den Tatobjekten der „zweiten Gruppe“ ein wirtschaftlich sinnvoller Einsatz der Naturgewalt Feuer – etwa zu deren Bewirtschaftung – kaum denkbar sei und diesbezügliche eine unterschiedliche Interessenlage bestehe. Trotz dieser richtigen Feststellung ist zu beachten, dass die zentralen rechtlichen Hintergründe der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung für beide Tatobjektsgruppen gleichermaßen tragen; denn die ungefährliche Eigentümerbrandstiftung als rechtmäßige Sacheinwirkung auf das Tatobjekt begründet kein Unrecht, und schließlich sind dem Eigentumer bei den punktuellen und damit leichter zu überschauenden Tatobjekten der „zweiten Gruppe“ erst recht Kontrollmöglichkeiten zuzubilligen. Diese Sicht wird auch dadurch abgesichert, dass andere Partikularstrafgesetzbücher keine dogmatische Differenzierung zwischen beiden Tatobjektsgruppen bezüglich des Umfangs der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung erkennen lassen. 207 Die Begrenzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung durch entsprechende Regelungen ist auch deshalb sinnvoll, weil der Eigentümer selbst bei Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht sicher Wirkkraft und Dynamik der Naturgewalt Feuer zu bändigen vermag. Zudem bietet die Eigentümerstellung auch keine Gewähr dafür, dass der Eigentümer bei der Brandstiftung an ihm gehörigen Tatobjekten tatsächlich sorgfältig – sprich in risikominimierender Weise – verfährt. 208 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (28).

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Die Erkenntnis, dass die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung Anliegen der eigentumsrechtlichen Begrenzung des Tatobjektskataloges ist, durchbricht die zirkuläre Argumentation, § 286 preuß. StGB verlange ein täterfremdes Handlungsobjekt und müsse daher zwangsläufig ein Sachbeschädigungsdelikt sein. Denn dem Standpunkt der „Sachbeschädigungslösung“ folgend wäre jegliche Diskussion um eine in § 286 preuß. StGB verankerte Privilegierung des Eigentümers obsolet, da eine solche zwangsläufig aus der Natur der Sachbeschädigung folgt. Infolgedessen sind allein die Prämissen der „Gefährdungslösung“ zu § 286 preuß. StGB mit dem Anliegen der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung vereinbar. dd) Zur mangelhaften Umsetzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung in § 286 preuß. StGB Die vorstehenden Überlegungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die technische Ausgestaltung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im preuß. StGB 1851 in zweifacher Hinsicht zu bemängeln ist. Zunächst ist die Begrenzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung durch § 287 preuß. StGB nur bedingt überzeugend, da die dort erfasste abstrakte Brandübertragungsgefahr nur eine Teilkomponente des umfassenderen brandbedingten Gefährlichkeitspotentials ausmacht. Dies verdeutlicht die Überlegung, dass selbst die Tötung oder Verletzung eines oder vieler Menschen durch Anzündung eines tätereigenen Waldes nach damaligem Recht keine strafbare Brandstiftung gem. § 286 preuß. StGB darstellte. Hingegen hätte schon die durch Anzündung einer beliebigen (tätereigenen) Sache ausgelöste abstrakte Brandübertragungsgefahr gem. § 287 preuß. StGB auf ein Tatobjekt der §§ 285, 286 preuß. StGB genügt, um die Strafbarkeit zu begründen. Diese Problematik vermieden andere Partikularstrafgesetzbücher, indem diese für die Straflosigkeit der Eigentümerbrandstiftung teils explizit den Nichteintritt einer Gefahr für Leib oder Leben verlangten.209 Der zweite Kritikpunkt betrifft die technische Umsetzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, denn ausgehend von der Intention, allein die Eigentümerbrandstiftung zu begünstigen, weist § 286 preuß. StGB eine überschießende Regelungstendenz auf. Der Wortlaut des § 286 preuß. StGB, der konstitutiv ein täterfremdes Tatobjekt verlangt, schloss nicht nur tätereigene, sondern auch herrenlose Tatobjekte aus. Die Anzündung herrenloser Tatobjekte war daher – wie die Fälle der Eigentümerbrandstiftung – nur unter den Voraussetzungen der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB strafbar, obwohl sich die für die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung streitenden Umstände keineswegs auf die Inbrandsetzung herrenloser Tatobjekte übertragen lassen. Da nämlich diese 209

Vgl. § 1 A. III. 4. b) bb).

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Tatobjekte niemandem gehören, besitzt der Brandstifter weder die Rechtsmacht, andere hiervon auszuschließen, noch wird er sich auf ein legitimes oder anerkennenswertes Interesse berufen können. Es besteht daher keine mit der Eigentümerbrandstiftung vergleichbare Situation, auf die sich ein Bedürfnis nach Brandlegung stützen ließe. Dieser Befund könnte nun den Schluss nahelegen, dass angesichts des notwendigerweise vorausgesetzten Angriffs auf fremdes Eigentum § 286 preuß. StGB eine Brandsachbeschädigung sei, was den Standpunkt der „Sachbeschädigungslösung“ erhärten würde. Doch bestehen begründete Zweifel daran, dass der gesetzliche Ausschluss von herrenlosen Tatobjekten tatsächlich Folge einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers war, wie die nachfolgende Untersuchung des Wortlauts von „eigen“ und „fremd“ in §§ 285, 287, 281 preuß. StGB verdeutlicht. ee) Bedeutung von „eigen“, „fremd“ und „fremdes Eigenthum“ Die Wortlautauslegung von „eigen“ fällt in ihrer Beurteilung eindeutig aus. So misst, z. B. Heyse dem Adjektiv „eigen“ die nachstehenden Bedeutungen bei: „eigen . . . bezeichnet im Allgm. ausschließlichen Besitz, sinnv. gehörig, angehörig, zuständig . . ., in unserem Besitz befindlich und zu unserem Gebrauch dienend.“ 210 Sanders definiert das Adjektiv „eigen“ wie folgt: „Eigen, a.: Einem gehörig, zu-, angehörig. 1) dem Gen. von selbst (s.d.) zur Hervorhebung einer Person oder eines Gegenstandes im Ggstz. von anderen, fremden . . .“ 211. „Eigen“ verweist daher auf ein positives Zuordnungsverhältnis zwischen einer Sache und einer Person bzw. Gruppe. Die Auslegung von „eigen“ im Sinne von „im Alleineigentum des Täters stehend“ ist deshalb für §§ 287, 285 S. 2 preuß. StGB die einzig denkbare Deutungsmöglichkeit. Der Bedeutungsgehalt von „fremd“ ist hingegen mehrdeutig. Wörterbücher des 19. Jahrhunderts beschreiben den Sinngehalt von „fremd“ als „einem nicht gehörend“ 212 und im Gegensatz zu „eigen“ bzw. als „alienus, der nicht eigen, nicht angehörig ist“ 213. Moderne Wörterbücher messen dem Adjektiv „fremd“ dagegen sowohl die Bedeutung von „einem anderen gehörend“ 214 als auch „einen anderen, nicht die eigene Person, den eigenen Besitz betreffend“ 215 bei. Dem ersten Anschein nach stimmen alle hier genannten Deutungsmöglichkeiten ihrem Sinngehalt nach überein, jedoch offenbart eine nähere Betrachtung, dass 210 211 212 213 214 215

Heyse, Handwörterbuch der Deutschen Sprache, Band 1, S. 304 f. Sanders, Wörterbuch, Band 1, S. 491. Sanders, Wörterbuch, Band 1, S. 491. Grimm/Grimm, Wörterbuch, Band 4, Teil 1, S. 126. Duden, Band 3, S. 1313. Duden, Band 3, S. 1313.

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die Auslegung von „fremd“ zwei grundsätzlich verschiedene Deutungsmöglichkeiten bietet. Die erste Option besteht darin, konstitutiv auf ein bestehendes eigentumsrechtliches Zuordnungsverhältnis zwischen einer Person und einem Objekt abzustellen, aufgrund dessen das Objekt für Dritte „fremd“ ist. Diese Deutung soll, angesichts der Anknüpfung an ein existierendes (eigentumsrechtliches) Zuordnungsverhältnis, als „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung bezeichnet werden. Die zweite Interpretationsmöglichkeit von „fremd“ leitet ihren Sinngehalt demgegenüber aus der Verneinung der Kategorie „eigen“ ab. Demgemäß ist eine Sache immer „fremd“, wenn sie „keine eigene“ ist, also nicht die eigene Person oder den eigenen Besitz betrifft. Dieses Verständnis des Wortes „fremd“ soll aufgrund der Negation von „eigen“ als „negativ-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung bezeichnet werden. Der strukturelle Unterschied zwischen beiden Auslegungsmöglichkeiten verdeutlicht sich daran, dass die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung drei verschiedene Kategorien der Zuordnung einer Sache kennt. Eine Sache kann demnach eine „eigene“, eine „fremde“ oder eine „herrenlose“, d. h. weder eine „eigene“ noch eine „fremde“, sein.216 Hingegen kennt die „negativ-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung nur die Kategorien „eigen“ und „fremd“, wobei letztere täterfremde wie herrenlose Objekte gleichermaßen inkludiert. In diesem Fall kommt der Verwendung beider Begriffe zusammengenommen die komplementäre Bedeutung von „jeder Sache“ zu.217 Dass das Wort „fremd“ im preuß. StGB 1851 sowohl im „positiv-“ als auch im „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Sinn gebraucht wurde, ohne dass dies äußerlich erkennbar war, belegt ein Vergleich der Sachbeschädigung gem. § 281 preuß. StGB mit der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB. Die Sachbeschädigung gem. § 281 preuß. StGB verlangte die Zerstörung oder Beschädigung einer „fremden“ Sache und die einzig sinnvolle Deutungsmöglichkeit ist hier die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung, nämlich dass das Tatobjekt (auch) im Eigentum einer anderen Person stehen musste, um überhaupt taugliches Objekt einer Sachbeschädigung sein zu können. Dagegen gingen Rechtsprechung und Schrifttum zu § 287 preuß. StGB einhellig davon aus, dass dem Hinweis auf die dort nicht näher spezifizierten „eigenen“ und „fremden“ Handlungsobjekte nur die klarstellende Bedeutung beigemessen 216

Kudlich/Noltensmeier, JA 2007, S. 863 (864 f.). Zum Gegensatz von „eigen“ und „fremd“, siehe Grimm/Grimm, Wörterbuch, Band 4, Teil 1, S. 126: „Fremd . . . die eigne und die fremde Herde“; Sanders, Wörterbuch, Band 1, S. 491: „Eigen, a.: Einem gehörig, zu-, angehörig. 1) dem Gen. von selbst (s.d.) zur Hervorhebung einer Person oder eines Gegenstandes im Ggstz. von anderen, fremden . . .“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 217

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werden konnte, dass jede Sache, unabhängig von ihrer eigentumsrechtlichen Zuordnung, Tatobjekt der mittelbaren Brandstiftung sein konnte.218 Allein die „negativ-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung von „fremd“ wahrt die Zielsetzung des § 287 preuß. StGB, nämlich jedwede Verursachung einer Brandübertragungsgefahr auf die in §§ 285, 286 preuß. StGB aufgezählten Tatobjekte zu erfassen.219 Die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung von „fremd“ im Rahmen des § 287 preuß. StGB hätte hingegen die fragwürdige Konsequenz, dass die Anzündung herrenloser Gegenstände, die dann weder „eigene“ noch „fremde“ sind, trotz der Schaffung einer abstrakten Brandübertragungsgefahr nicht erfasst worden wäre. Der Vergleich der §§ 287, 281 preuß. StGB ergibt somit, dass der formal identische Begriff „fremd“, je nach seiner tatbestandsspezifischen Funktion, entweder im „negativ-“ oder im „positiv-zivilrechtsakzessorischen“ Sinn ausgelegt wurde. Die fehlende Auseinandersetzung in den Gesetzesmaterialien und im Schrifttum mit den unterschiedlichen Bedeutungsmöglichkeiten des Wortes „fremd“ lässt nur den Schluss zu, dass die in Randbereichen unterschiedliche Reichweite der Begriffe „fremd“ (§§ 281, 287 preuß. StGB), „fremdes Eigenthum“ (§ 286 preuß. StGB) und „nicht Eigenthum“ des Täters (§ 285 S. 2 preuß. StGB) noch nicht erkannt und deshalb nicht berücksichtigt wurde.220 Diese – zugegeben recht subtile – Problematik ist für § 286 preuß. StGB insofern von Bedeutung, als die dort durch das Erfordernis von fremden Eigentum am Tatobjekt festgeschriebene „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung, die aus der Perspektive der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung den unbegründeten Ausschluss von herrenlosen Tatobjekten in § 286 preuß. StGB zur Folge hat, vermutlich einen missglückten Versuch bei der Umsetzung dieses Prinzips darstellt. Der Terminus „fremdes Eigentum“ in § 286 preuß. StGB wurde fälschlicherweise als Synoym

218 Beseler, Kommentar, S. 526: „Denjenigen Gegenständen, durch deren Anzünden eine Brandstiftung verübt wird, sind in Beziehung auf dieses Verbrechen solche Sachen gleichgesetzt, welche vermöge ihrer Beschaffenheit und Lage geeignet sind, jenen Gegenständen das Feuer mitzutheilen (§. 287.)“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 511, Anm. 4: „Der Ausdruck ,Sachen‘ umfasst alle Gegenstände . . .“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 29. Mai 1867, GA 15 (1867), S. 562 (565). 219 Vgl. § 1 A. III. 4. d). Insoweit zeigt auch die mittelbare Brandstiftung gem. § 196 Nr. 4 E 1848, die auf die vorsätzliche Inbrandsetzung von Gegenständen „irgend einer Art“ verwies, dass das Begriffspaar „eigen“ und „fremd“ in § 287 preuß. StGB schlicht im Sinne von „jede“ Sache zu verstehen ist. 220 Den Hinweis auf die Unbeachtlichkeit der Eigentumsverhältnisse an den Tatobjekten der Brandstiftung erster Klasse brachte § 285 S. 2 preuß. StGB dergestalt zum Ausdruck, dass es keinen Unterschied mache, „ob die in Brand gesetzten Gegenstände im Eigenthum des Thäters sind oder nicht.“ Die Struktur dieser Formulierung entspricht dem zu § 287 preuß. StGB gefundenen Auslegungsergebnis von „eigen“ und „fremd“ in ihrer komplementären Begriffsdeutung auf Basis der „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung, so dass auch herrenlose Objekte erfasst waren.

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für „nicht im Eigentum des Täters“ verstanden, was nahelegt, dass der damit verbundene Ausschluss von herrenlosen Tatobjekten nicht gezielt erfolgte.221 Diese Problematik blieb sicher auch deshalb unbemerkt, weil die Anzündung herrenloser Tatobjekte keine praktisch relevante Fallgestaltung war, da die in § 286 preuß. StGB bezeichneten Gegenstände typischerweise eigentumsrechtlich zugeordnet waren. Dass der preußische Gesetzgeber besser beraten gewesen wäre, die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung durch eine präzisere Formulierung zu verdeutlichen (z. B.: „Wer vorsätzliche eine Sache in Brand steckt, welche nicht sein Eigentum ist, wird . . . bestraft“), ist richtig, stellt aber die in den Normstrukturen angelegte Begünstigung der Eigentümerbrandstiftung nicht in Frage. Zwar stehen die Materialien zum preuß. StGB partiell in Widerspruch zu dieser Einschätzung, soweit dort hinsichtlich der Tatobjekte der „zweiten Gruppe“ in § 286 preuß. StGB der Gedanke der Eigentumsbeschädigung in den Vordergrund gerückt wurde.222 Diese Abweichung relativiert sich jedoch, da die dort befürwortete Differenzierung zwischen den Tatobjekten des § 286 preuß. StGB nicht mit der aufgezeigten Evolution des Tatobjektskatalogs und der Orientierung an der abstrakten Gemeingefährlichkeit in Einklang zu bringen ist.223 Im Gegensatz zu § 286 preuß. StGB vermieden andere Partikularstrafgesetzbücher den Ausschluss herrenloser Tatobjekte dadurch, dass sie entweder für die Brandstiftung erster und zweiter Klasse keine eigentumsrechtlichen Restriktionen der Tatobjekte postulierten und dafür den Fall der Anzündung „eigener“ Tatobjekte innerhalb einer eigenständigen Norm erfassten,224 bzw. schlicht von „fremden“ und „eigenen“ bzw. dem Täter „selbst gehörigen“ Gegenständen sprachen.225 Die tatbestandliche Anknüpfung an das „fremde Eigenthum“ in § 286 preuß. StGB anstelle von „fremd“ ist insofern ein Alleinstellungsmerkmal des preußischen Brandstrafrechts.226

221 Goltdammer, Materialien II, S. 645: „Der §. 286 ergiebt also, daß die Anzündung der eignen Sache straflos ist, wenn sie nicht eine solche ist, wie sie die §§. 285 und 287 bezeichnen.“ 222 Goltdammer, Materialien II, S. 644 f. 223 Vgl. § 1 A. III. 4. a) ee) und § 1 A. II. 5. 224 Art. 378, 380, 381 StGB Würtemberg 1839; Art. 411, 412, 414 Hessen StGB 1841; §§ 548, 549, 554 StGB Baden 1845; Art. 405, 406, 408 StGB Passau 1849; Art. 164 StGB Thüringen 1850. 225 Art. 175 CrimGB Sachsen 1838; §§ 205, 206 CrimGB Braunschweig 1840; Art. 208, 210 StGB Sachsen 1855; Art. 347, 348, 350 StGB Bayern 1861. 226 Zwar definierten Art. 247 StGB Bayern 1813 und Art. 252 StGB Oldenburg 1814 die Brandlegung als Anzündung fremden Eigentums in rechtswidrigem Vorsatz bzw. als Anzündung des eigenen Eigentums mit Gefahr. Jedoch enthielten beide Gesetze im Folgenden keine eigentumsrechtliche Beschränkung auf fremde Tatobjekte, sondern regelten ausschließlich die Tatbegehung an tätereigenen Objekten gesondert, vgl. Art. 252 StGB Bayern 1813; Art. 257 StGB Oldenburg 1814.

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ff) Die Konstellation der einverständlichen Brandstiftung Unmittelbar mit der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs ist die Frage verknüpft, ob die Tatverübung durch einen Nichteigentümer im Einverständnis mit dem Eigentümer – diese Konstellation soll nachfolgend als einverständliche Brandstiftung bezeichnet werden – einen strafbaren Fall des § 286 preuß. StGB darstellte. Diesbezüglich wurden sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung verschiedene Auffassungen vertreten, für die wiederum die teleologische Verortung des § 286 preuß. StGB vorgreiflich war. (1) Stellungnahmen des Schrifttums zur einverständlichen Brandlegung Die Gesetzesmaterialien zum preuß. StGB 1851 nehmen zur Konstellation der einverständlichen Brandstiftung unmittelbar keine Stellung und auch das Schrifttum zum preuß. StGB lässt eine eingehende Erörterung dieser Problematik vermissen. Als einziger Autor innerhalb der Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts setzte sich Wanjeck dezidiert mit dem Fall der einverständlichen Brandstiftung auseinander und ging – trotz des Einverständnisses des Eigentümers – von der Strafbarkeit des Brandstifters aus.227 Zwar bezogen sich Wanjecks Erörterungen nicht ausdrücklich auf § 286 preuß. StGB, sondern auf dessen Nachfolger § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., doch angesichts der weitgehenden Strukturidentität zwischen beiden Normen lässt sich Wanjecks These auch auf das preußische Recht übertragen. Argumentativ stützt Wanjeck die Strafbarkeit der einverständlichen Brandstiftung auf den singulären Charakter der eigentumsrechtlichen Begrenzung des Tatobjektskatalogs, die ausschließlich persönlich den Eigentümer privilegiere und nicht übertragbar sei. Deshalb müsse nach der klaren Wortfassung des Gesetzes auch der mit Genehmigung des Eigentümers handelnde Dritte bestraft werden, denn die Gefährlichkeit der Tat für die Allgemeinheit bliebe unbeschadet der Genehmigung bestehen.228 Die Strafbarkeit des im Einverständnis mit dem Eigentümer brandstiftenden Dritten ist vom Standpunkt der „Gefährdungslösung“ jedenfalls dann konsequent, wenn die Eigentümerprivilegierung als gesetzliche Ausnahme restriktiv229 gedeutet wird, da der Eigentümer hinsichtlich des Schutzzwecks der Norm – der Verhütung allgemein gefährlicher Brandstiftungen für das Eigentum Dritter – nicht 227

Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (27 f.). Wanjeck, GS 31 (1879), S. (27 f.); dagegen: Radtke, Dogmatik, S. 377. 229 So auch die Begründung der Richtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegenüber der Entscheidung des Schwurgerichtshofs, der den Eigentümer freigesprochen hatte, vgl. Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (373): „Diese Vorschrift gestatte keine Ausnahme, sie strafe jeden, welcher das fremde Gebäude anzünde . . . Nur das Verhältnis des Thäters zur Sache entscheide über die Anwendung des Gesetzes und folgerichtig auch über die Strafbarkeit des Theilnehmers.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 228

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dispositionsbefugt ist. Dieses enge Verständnis der Eigentümerprivilegierung sieht sich allerdings beachtlichen Zweifeln ausgesetzt, denn es droht die von Wanjeck offenbar nicht gesehene Gefahr, dass die Verweigerung der strafbefreienden Wirkung des Einverständnisses wiederum eine mittelbare Strafbarkeit des Eigentümers als Teilnehmer gem. §§ 286, 34, 35 preuß. StGB zur Folge hat. Auf diese Problematik ist schon frühzeitig seitens der preußischen Rechtsprechung hingewiesen worden.230 So monierte ein preußischer Schwurgerichtshof, dass die Verweigerung der strafbefreienden Wirkung des Einverständnisses in § 286 preuß. StGB zu dem abnormen Resultat führen würde, „daß der intellektuelle Urheber eines Brandes, falls er Eigenthümer des in Brand gesetzten Gebäudes ist, entweder trotz des § 35. straffrei bliebe, obwohl der Thäter nach § 286 bestraft würde, oder statt dessen als Theilnehmer mit der Strafe der Brandstiftung belegt werden müsste, obwohl er selbst das Feuer hätte anlegen können, ohne sich der strafbaren Brandstiftung schuldig zu machen.“ 231

Die Strafbarkeit des Dritten im Fall der einverständlichen Brandstiftung und die in diesem Kontext drohende Teilnehmerstrafbarkeit des Eigentümers nach §§ 286, 34, 35 preuß. StGB hätten mit anderen Worten die beabsichtigte Begünstigung des Eigentümers weitgehend konterkariert oder – im Fall der Annahme der Straflosigkeit des zustimmenden Eigentümers trotz Strafbarkeit des Dritten – zu einer dogmatisch kaum begründbaren Abweichung von den allgemeinen Regelungen der Teilnehmerstrafbarkeit geführt. Die von Wanjeck geforderte Strafbarkeit der einverständlichen Brandstiftung ist aber auch deshalb bedenklich, da bei lebensnaher Betrachtung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts (Stichwort: Arbeitsteilung) nicht unterstellt werden kann, dass der Eigentümer die Bewirtschaftung von landoder forstwirtschaftlichen Nutzflächen, wie Feldern oder Wäldern, und die in diesem Zusammenhang erforderlichen Brandlegungen stets eigenhändig vornahm. Im damaligen Königreich Preußen gehörten schließlich weite Teile des Landes Großgrundbesitzern, den sog. „Junkern“,232 und die Bewirtschaftung dieser umfangreichen Flächen erfolgte im Regelfall durch beauftragte Dritte, wie Pächter oder Tagelöhner und nicht eigenhändig durch den Eigentümer. Des Weiteren streitet gegen die These von der Indisponibilität der Eigentümerprivilegierung der Umstand, dass das Eigentumsrecht sowohl als Ganzes aber 230 Vgl. Beschluss des preußischen Obertribunals vom 21. November 1855, GA 4 (1856), S. 267 f.; Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Rechtsprechung, Band 1, S. 548 (549 f.). 231 So wiedergegeben im Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (373). 232 Schiller, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 209 ff., 238 f.; so umfasste der private Großgrundbesitz 1914 ca. 37% der Fläche der Provinz Brandenburg, dazu Schiller, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 186 ff.

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auch in Teilen, wie z. B. bei dinglichen Nutzungs-, Gebrauchs- und Verwertungsrechten, frei übertragbar ist. Das Eigentum als Anknüpfungspunkt der Privilegierung ist nicht untrennbar mit der Person des jeweiligen Eigentümers verwoben und in diesem Sinn kein (unübertragbares) höchstpersönliches Recht. Die aufgezeigten Einwände verdeutlichen, dass Wanjecks Verständnis der Eigentümerprivilegierung im Ergebnis zu eng ist und unter Umständen dem eigentlichen Anliegen der Begünstigung der Eigentümerbrandstiftung zuwiderläuft. Dennoch: Den Charakter der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs als Ausnahmevorschrift zugunsten des Eigentümers hat Wanjeck als einziger Autor klar erkannt und benannt. (2) Stellungnahmen des preußischen Obertribunals zur einverständlichen Brandlegung Das preußische Obertribunal befasste sich in mehreren Entscheidungen mit der Konstellation der einverständlichen Brandstiftung und sprach sich von Anfang an gegen die Strafbarkeit des Täters aus, wobei der gewählte Begründungsweg jedoch schwankte. Im Beschluss vom 21. November 1855 argumentierte das preußische Obertribunal zunächst wie folgt: „Für den Thäter war aber die Mühle allerdings eine fremde Sache, wie z. B. für ihn der Sohn des Anstifters, welchen er auf Geheiß des letzteren züchtigt, ein Fremder ist, dessen Züchtigung gegen ihn unter den Thatbestand der gewöhnlichen strafbaren Misshandlung fällt. Nur durch die Verneinung des dolus kann man hier einer Gesetzes-Anwendung vorbeugen, welche nach dem Wortlaut der §§. 34 und 35. geboten sein, aber dem Rechtsgefühl widersprechen würde.“ 233

Dieser Beschluss des preußischen Obertribunals, der in folgenden Entscheidungen bestätigt wurde, zeigt, dass die Straffreiheit des Dritten im Fall der einverständlichen Brandstiftung zunächst auf die Verneinung des Dolus, also des Vorsatzes, gestützt wurde.234 Der kryptische Hinweis auf den fehlenden Dolus 233 Beschluss des preußischen Obertribunals vom 21. November 1855, GA 4 (1856), S. 267 (268); zustimmend: Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 510. 234 Vgl. Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, GA 9 (1861), S. 788: „Soll das Verhältnis des Thäters zur Sache das allein bestimmende für den Charakter der strafbaren Handlung und für den Reat der mitwirkenden Personen sein, so würde dieser Grundsatz auch hier Anwendung finden müssen, wo eben die in Brand gesetzte Sache für den Thäter eine fremde war. Allerdings fehlt dem Thäter der erforderliche Dolus, wenn er mit Einwilligung oder sogar auf die Anstiftung des Eigenthümers handelt und nur auf diesem indirekten Weg kann man dazu gelangen, hier den Fehler des Systems zu umgehen.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); anders jedoch das Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (374): „Waltet nun aber in dem einzelnen Falle bei den in §. 286. genannten Gegenständen die gedachte Gefahr nicht ob, hat also der Thäter einer Brandstiftung an ihnen auch das Bewußtsein einer solchen nicht gehabt und haben können, so handelt es sich in der That in solchem Falle nur um eine Vermögensbeschädigung, bei welcher das all-

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steht vermutlich mit Äußerungen Goltdammers in den Materialien zum preuß. StGB in Zusammenhang. Demnach orientiere sich der Nachweis des Gefährdungsvorsatzes bei den gemeingefährlichen Verbrechen, wenn der Handelnde zwar die Möglichkeit der Gefahr erkannte, aber dennoch auf deren Nichteintritt vertraut hatte, sowohl an der Größe der verursachten Gefahr als auch an der Rechtmäßigkeit der (gefährlichen) Handlung.235 Da die Anzündung eines tätereigenen Tatobjekts für sich genommen als rechtmäßige Ausübung der Eigentumsbefugnisse bewertet wurde,236 übertrug das Obertribunal diesen Gedanken auf den Fall der einverständlichen Brandstiftung als rechtmäßige, da in Übereinstimmung mit dem Eigentümer vollzogene Handlung. Dennoch ist der Verweis auf den fehlenden (Gefährdungs-)Vorsatz des Täters insofern überraschend, als am Vorsatz hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung des § 286 preuß. StGB im Fall der einverständlichen Brandstiftung nicht gezweifelt werden kann: Der Brandstifter steckt gezielt ein ihm nicht gehörendes Tatobjekt in Brand. Zudem verlangte § 286 preuß. StGB weder den Eintritt einer Gefahr, noch eines korrespondierenden Gefährdungsbewusstseins, anders als z. B. die Verursachung einer Überschwemmung gem. §§ 290, 291 preuß. StGB, weshalb der Hinweis auf den fehlenden Gefährdungsvorsatz deplatziert erscheint.237 Dies gilt umso mehr, als der Hinweis auf den fehlenden Gefährdungsvorsatz im Widerspruch zum Standpunkt des Obertribunals stand, wonach die Inbrandsteckung der in § 286 preuß. StGB genannten Tatobjekte grundsätzlich nicht mit der Entstehung einer Gefahr für Leib oder Leben verbunden sei.238 Die Verneinung des (Gefährdungs-)Dolus im Rahmen der einverständlichen Brandstiftung seitens des Obertribunals belegt die handgreifliche Schwierigkeit, die als notwendig empfundene Straffreiheit des Dritten dogmatisch stringent zu begründen. Die offenkundige Begründungsschwäche der Entscheidung vom 21. November 1855 mag erklären, warum das Obertribunal im Urteil vom 25. September 1861 die Straffreiheit des Dritten auf einem anderen Weg zu begründen suchte: „Der § 286 des StGB’s setzt die Verletzung eines fremden Eigenthumsrechts voraus; er bleibt daher ausgeschlossen, wenn die That im Einverständnisse mit dem Eigenthümer geschah . . . Volenti non fit injuria, und indem im letzteren Falle der Anzünder der Sache den Willen des Eigenthümers vollzieht, steht er insoweit an dessen Statt gemeine Erforderniß der Rechtswidrigkeit, wie es der §. 281. ausdrücklich verlangt, vorhanden sein muß . . .“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 235 Goltdammer, Materialien II, S. 636 f. 236 Vgl. § 1 A. III. 4. b) aa) und bb). 237 Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 508. Wie weitgehend die Rechtsprechung §§ 286, 287 preuß. StGB vom Bewusstsein der konkreten Gefährichkeit der Tat abstrahierte, zeigt die Tatsache, dass im Falle der mittelbaren Brandstiftung auf den Vorsatz bzgl. der Brandübertragungsgefahr verzichtet wurde, vgl. § 1 A. III. 4. d). 238 Vgl. § 1 A. III. 2.

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§ 1 Die Entwicklung der Brandstiftung von 1851 bis 1998 nicht mehr in dem Verhältnisse eines Fremden zur Sache. Demgemäß konnte das Verbrennen der Scheune des A.R. durch die jetzigen Imploranten mit dem Willen und auf die Anreizung des R selbst ebenso wenig nach § 286 strafbar erscheinen, als wenn R. sie persönlich in Brand gesteckt hätte.“ 239

Nach Maßgabe dieser Entscheidung stünden nur solche Tatobjekte des § 286 preuß. StGB in „fremdem Eigenthum“, die eigentumsrechtlich einer anderen Person zugeordnet sind und darüber hinaus – und diese Aussage ist überraschend – ohne das Einverständnis des Eigentümers in Brand gesteckt wurden. Allein aufgrund der Ermächtigung seitens des Eigentümers soll es sich für Nichteigentümer nicht mehr um ein täterfremdes Tatobjekt handeln. Diese Deutung ist bemerkenswert, denn sie beinhaltet eine ungleiche Auslegung der eigentumsrechtlichen Beschränkung in § 286 preuß. StGB einerseits und bei der Sachbeschädigung gem. § 281 preuß. StGB andererseits, wo das Tatobjekt auch im Falle einer Einwilligung des Eigentümers für den Täter „fremd“ blieb und dessen Straflosigkeit auf die fehlende Rechtswidrigkeit gestützt wurde.240 Inzident gesteht das Obertribunal damit ein – wenn auch im Widerspruch zur eigenen Einordnung des § 286 preuß. StGB als Sachbeschädigungsdelikt –, dass die eigentumsrechtliche Beschränkung des § 286 preuß. StGB auf anderen Umständen beruht als im Falle der Sachbeschädigung gem. § 281 preuß. StGB. Der spätere Lösungsansatz des preußischen Obertribunals verdient insoweit Zustimmung, als die einverständliche Brandstiftung von der sachwidrigen Behandlung auf der Ebene des Dolus entkoppelt und auf die Auslegung des Merkmals „fremdes Eigentum“ gestützt wird, dessen Einfügung – wie gezeigt241 – die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung vor Augen hatte. Überraschenderweise ist die dogmatisch variierende Behandlung der Konstellation der einverständlichen Brandstiftung durch das preußische Obertribunal bis heute unkommentiert geblieben.

239 Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 ff. (Hervorhebung durch den Verfasser); ebenso die Argumentation der Vorinstanz, eines Schwurgerichtshofs, im Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (373): „Nach §. 286. ist wegen Brandstiftung nur derjenige zu bestrafen, welcher ein – unbewohntes – Gebäude, welches fremdes Eigenthum ist, in Brand steckt. Die Waldmühle, welche Kriefel in Brand gesetzt hat, gehörte nun zwar nicht diesem, sie war aber Eigenthum der Witwe Bleich, auf deren Geheiß und Anleitung er sie in Brand gesetzt hat. Kriefel hat daher ein fremdes Gebäude im Sinne des §. 286. nicht in Brand gesteckt. Denn wenn der intellektuelle Urheber des Brandes Eigenthümer des in Brand gesetzten Gebäudes ist, so hat derjenige, welcher das Feuer angelegt hat, kein fremdes Eigenthum in Brand gesetzt, eben weil er im Sinne und auf Anweisung des Eigenthümers gehandelt und nur die Ausführung des Willens des Eigenthümers übernommen hat.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 240 MwN Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 503. 241 Vgl. § 1 A. III. 4. b) cc).

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(3) Die einverständliche Brandstiftung als Fall der mittelbaren Eigentümerbrandstiftung Die These Wanjecks von der Strafbarkeit des Brandstifters trotz erklärtem Einverständnis des Eigentümers hat gezeigt, dass diese Auffassung letztlich nicht mit der Konzeption der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung zu vereinbaren ist. Vielmehr kann gerade auf Grundlage der „Gefährdungslösung“ die Straffreiheit des Dritten schlüssig begründet werden, sofern auf die Idee der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung zurückgegriffen wird. Bemerkenswert ist insoweit die bereits zitierte Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in der es erklärte, ein täterfremdes Tatobjekt sei für den mit Zustimmung des Eigentümers handelnden Täter nicht mehr als „fremde“ Sache anzusehen.242 Diese Auslegung ist insofern zielführend, als demnach der Nichteigentümer an der Begünstigung des Eigentümers partizipiert, die sich in der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs in § 286 preuß. StGB konkretisiert. Auch in diesem Fall stellt sich die Brandstiftung aufgrund der Zustimmung des Eigentümers als ein mit der Eigentümersphäre verknüpftes Ereignis dar. Insbesondere bleibt die abstrakte Beherrschungs- und Kontrollmöglichkeit des Eigentümers auch in dieser Konstellation gewahrt, denn es ist ihm unbenommen, sein Einverständnis an die Einhaltung von Bedingungen zu knüpfen. Mit Recht betonte das Obertribunal daher in der Entscheidung vom 25. September 1861 den Umstand, dass der Nichteigentümer auf Anweisung des Eigentümers gehandelt und somit die Ausführung seines Willens übernommen habe.243 Normativ betrachtet ist die einverständliche Brandstiftung folglich ein Unterfall der Eigentümerbrandstiftung und deshalb kein tatbestandsmäßiges Verhalten. Schon Feuerbach/Mittermaier betonten allgemein die Notwendigkeit der Gleichstellung der Eigentümerbrandstiftung mit dem Fall der Tatbegehung durch einen Dritten mit Zustimmung des Berechtigten.244 Um diese Erkenntnis auch terminologisch unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, wird im weiteren Verlauf der Darstellung die Brandstiftung durch den Eigentümer als unmittelbare Eigentümerbrandstiftung und die einverständlich erfolgte Brandstiftung als mittelbare Eigentümerbrandstiftung bezeichnet. Die schwankende Begründung der Straflosigkeit des Dritten seitens der Rechtsprechung macht deutlich, dass die Eigentümerprivilegierung als eigenständiges Regelungsprinzip des partikularrechtlichen Brandstrafrechts noch nicht durchge242 Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 ff. 243 Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 ff. 244 Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 586: „Hat der Eigenthümer die Sache durch einen Anderen anzünden lassen, so erscheint die That ebenso, als wenn er sie selbst angezündet hätte.“

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hend erfasst wurde, obwohl diese in den diversen Strafgesetzbüchern erkennbar Niederschlag gefunden hatte.245 Speziell die Konstellation der einverständlichen Brandlegung ist eine Bewährungsprobe für das Konzept der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung und erfordert eine präzise Abschichtung von der Begründung der Straflosigkeit im Fall einer mit Einwilligung des Eigentümers verübten Sachbeschädigung (§ 281 preuß. StGB). In beiden Fällen ist für die Einschlägigkeit des Tatbestandes zunächst die zivilrechtliche Zuordnung des Tatobjekts von Bedeutung, doch der eigentumsrechtlichen Restriktion kommt jeweils eine andere Funktion im Verhältnis zum Schutzzweck der Norm zu. Bei den Sachbeschädigungsdelikten resultiert die Straflosigkeit des Eigentümers sowie desjenigen, der mit seiner Einwilligung die Tat verübt, aus der Natur der Sachbeschädigung als widerrechtliche Eigentumsverletzung. Die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung in § 286 preuß. StGB beruht dagegen auf der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung, diese Sachlage mit Rücksicht auf die eigentumsrechtlichen Beziehung zwischen Täter und Tatobjekt nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des §§ 286, 287 preuß. StGB zu bestrafen, was daher auch für den Fall der einverständlichen Brandlegung zu gelten hat. Abschließend bleibt zu bemerken, dass die hier als notwendig erachtete Gleichbehandlung von unmittelbarer und mittelbarer Eigentümerbrandstiftung spätere Partikularstrafgesetze im Gegensatz zum preuß. StGB 1851 deutlich zum Ausdruck gebracht haben. So stellte etwa die in Art. 350 StGB Bayern 1861 geregelte Eigentümerbrandstiftung (an Tatobjekten der Brandstiftung der ersten und zweiten Klasse) explizit klar, dass der unmittelbaren Eigentümerbrandstiftung der Fall der Tatverübung durch einen Dritten „im Einverständnisse mit dem Eigenthümer“ gleichzustellen sei. Auch die Brandstiftung dritter Klasse nach Art. 210 StGB Sachsen 1855 bestrafte nicht nur den Brandstifter, der einen ihm selbst gehörenden Gegenstand der in Art. 208 StGB Sachsen 1855 bezeichneten Art in rechtswidriger Absicht in Brand steckte, sondern ausdrücklich auch einen Dritten, der die Tat mit Einwilligung des Eigentümers verübte.246 Hieraus lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass derjenige, der im Einverständnis mit

245 Dazu mag auch beigetragen haben, dass der Gedanke der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im preuß. StGB 1851 systematisch nicht so klar zum Ausdruck gebracht wurde, wie in anderen partikularrechtlichn Regelungen, die diese in einer eigenständigen Norm oder einem separaten Absatz regelten. Die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung ergab sich dagegen erst aus dem komplexen Zusammenspiel zwischen § 286 preuß. StGB und der mittelbaren Brandstiftung nach § 287 preuß. StGB; vgl. § 1 A. III. 4. b) cc) und § 1 A. III. 4. b) dd). 246 Krug, Commentar für das StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 134: „Nach der im Art. 212. (208. d.Ges.) gegebenen Begriffsbestimmung musste die Inbrandsteckung eigener Gebäude als ein besonderes, von der Brandstiftung verschiedenes Verbrechen behandelt werden. Der Begriff dieses Verbrechens ist nach Anleitung der zeitherigen Praxis auf den Fall, wo der Thäter im Einverständnisse mit dem Eigenthümer gehandelt hat, ausgedehnt worden.“

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dem Eigentümer und ohne rechtswidrige Absicht und ohne Gefahr eines der in Art. 208, 210 StGB Sachsen 1855 bezeichneten Objekte in Brand steckte, ebenfalls straflos sein sollte. c) Die Tathandlung des Inbrandsteckens Ein weiterer entscheidender Baustein bei der Analyse des § 286 preuß. StGB ist die Tathandlung des „Inbrandsteckens“. Die materiell identischen Tathandlungen des „Inbrandsteckens“ 247 in § 286 preuß. StGB und des „Inbrandsetzens“ in §§ 285, 287 preuß. StGB markierten den Eintritt der formellen Tatbestandsverwirklichung. Nach herrschender Ansicht kam es hierfür ausschlaggebend auf die physische Übertragung des Feuers vom Zündstoff auf das unmittelbare Handlungsobjekt an.248 Die Entstehung einer offenen Flamme (flamma excitata) wurde nicht gefordert, weshalb auch ein Verbrennungsprozeß ohne sichtbare Lichtentwicklung genügte.249 Die inhaltlichen Anforderungen an die Tathandlung entsprachen somit schon weitgehend dem heutigen Verständnis des „Inbrandsetzens“ in den §§ 306 ff. StGB n. F., allerdings mit dem Unterschied, dass hier einschränkend die Anzündung eines wesentlichen Bestandteils des Tatobjekts gefordert wird.250

247 Als Tathandlung setzte das preußische Brandstrafrecht in § 286 preuß. StGB voraus, dass der Täter das Tatobjekt „in Brand steckt“ bzw. nach §§ 285, 287 preuß. StGB dieses „in Brand setzt“; es handelt sich hierbei um eine bloße Variation des Sprachgebrauchs. 248 Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 508; Goltdammer, Materialien II, S. 647. Eine abweichende Bestimmung des Vollendungszeitpunkts für § 286 preuß. StGB, die sich aber nicht durchzusetzen vermochte, vertrat Temme, wonach das angezündete Tatobjekt „. . . von dem Feuer wenigstens zum Theil zerstört und zugleich eine Gefahr für Menschenleben oder aber eine gemeine Gefahr für Eigenthum herbeigeführt“ (Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1055, Hervorhebung durch den Verfasser) worden sein müsse. Die Forderung Temmes, es müsse über den Wortlaut hinaus eine wirklich gefährliche „Feuersbrunst“ entstanden sein, ist ein Relikt aus dem gemeinen Recht. Dort erachteten Teile des Schrifttums als maßgebliches Kriterium der Tatvollendung die Verursachung einer „Feuerbrunst“, vgl. Timcke, Der Straftatbestand der Brandstiftung in seiner Entwicklung, S. 44 ff.; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 104 f.; von Woringen, ACR 1843, S. 205 (218 ff.); dazu bereits näher bei § 1 A. II. 1. 249 Goltdammer, Materialien II, S. 648: „Zu beachten ist, daß das Gesetz nur „Brand“, nicht „Feuer“ sagt, weil etwas ohne Flamme brennen, den chemischen Prozeß durch zersetzen der Stoffe vollenden kann, aber Feuer ohne Flamme nicht denkbar ist. Das Gesetz umfaßt somit auch die Entzündung von Stoffen, welche nur glimmen, wie unterirdische Steinkohlenlager, Magazine von Tuch- oder Leinenwaaren u.s.w. Daß es aber ferner auch die Erregung von Wärme allein, durch welche sich selbstentzündende Stoffe in Brand gesetzt werden, mit umfaßt, ist klar.“ 250 Zur Problematik der Bestimmung der Wesentlichkeit eines Bestandteils vgl. § 2 I. 2. a).

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Ein Vergleich des preußischen Brandstrafrechts mit anderen partikularrechtlichen Strafgesetzbüchern belegt eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung, da diese ebenfalls durchgehend die „Inbrandsetzung“ oder „Inbrandsteckung“ des Tatobjekts forderten.251 Die bewusste Entscheidung des preußischen Gesetzgebers, in Übereinstimmung mit dem gesamten partikularrechtlichen Brandstrafrecht einen derart frühen Vollendungszeitpunkt festzulegen, belegt unmissverständlich die Absicht, schon die aufkeimende Gefahr als solche zu erfassen, also jenen Moment, in dem eine Verselbstständigung der brandbedingten Gefahrenlage durch Ausbreitung des Brandes möglich erschien. Diese Eigentümlichkeit des Brandstrafrechts in Hinblick auf die Fixierung des Vollendungszeitpunktes beschrieb von Woringen pointiert wie folgt: „Der Erfolg, d. i. die Gefahr, erscheint, sobald das Element sein Werk begonnen hat, als eine beständig fortschreitende Wirkung, und es gibt nur einen fixbaren Punkt, nämlich das Minimum des bewirkten Erfolges“ 252. Die aus der geforderten Inbrandsetzung des Tatobjekts resultierende frühe Tatvollendung stützt den Grundgedanken der „Gefährdungslösung“, wonach das eigentliche Unrecht des § 286 preuß. StGB in der abstrakten oder tattypischen Gefährlichkeit liegt, und offenbart zugleich ein Argumentationsdefizit der sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodelle. Denn sollte § 286 preuß. StGB teleologisch allein die Erfassung der Eigentumsverletzung am Tatobjekt intendieren, dann bliebe rätselhaft, warum das Gesetz nicht unmittelbar auf den Erfolg der „Beschädigung“ oder „Zerstörung“ des Tatobjekts durch Feuer abstellt. Gleichwohl einzuräumen ist, dass eine nachhaltige Beeinträchtigung oder Zerstörung des Tatobjekts im Fall der ungehinderten Weiterentwicklung des Brandherdes tattypisch ist, so genügte für die Tatvollendung schon eine Substanzverletzung im Bagatellbereich als Folgewirkung der Inbrandsetzung. Allein auf eine in ihrer Verletzungsintensität derart niedrige Eigentumsbeeinträchtigung den Strafgrund des § 286 preuß. StGB als Brandsachbeschädigung stützen zu wollen, ist angesichts des gegenüber der Sachbeschädigung gem. § 281 preuß. StGB drastisch erhöhten Strafrahmens wenig plausibel. Speziell § 289 preuß. StGB, der auf die §§ 285 ff. StGB verwies und verlangte, dass durch den Gebrauch „von Pulver oder anderen explodierenden Stoffen, Gebäude, Hütten, Schiffe, Magazine oder andere Räumlichkeiten zerstört“ wurden, verdeutlicht nochmals, dass der preußische Gesetzgeber bewusst zwischen der Zerstörung des Tatobjekts und dessen Inbrandsetzung differenzierte.

251 Vgl. Art. 177 CrimGB Sachsen 1838; Art. 382 StGB Würtemberg 1839; § 207 StGB Braunschweig 1840; Art. 415 StGB Hessen 1841; § 560 StGB Baden 1845; Art. 409 StGB Passau 1849; § 166 StGB Österreich 1852; Art. 211 StGB Sachsen 1855; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 105 ff. 252 von Woringen, ACR 1843, S. 205 (218).

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d) Die Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB Formell zwar als eigenständige Norm loziert, konnte die mittelbare Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB nur im Zusammenspiel mit §§ 285, 286 preuß. StGB zur Anwendung gelangen. Dem unmittelbaren Inbrandstecken eines der in den §§ 285, 286 preuß. StGB bezeichneten Tatobjekte wurde gem. § 287 preuß. StGB das Inbrandsetzen jeder „eigenen“ oder „fremden“ Sache, d. h. unbeschadet ihrer eigentumsrechtlichen Zuordnung,253 gleichgestellt, sofern diese aufgrund ihrer Lage und Beschaffenheit geeignet war, einem der in §§ 285, 286 preuß. StGB aufgezählten Tatobjekten das Feuer mitzuteilen. Insofern ist bei § 287 preuß. StGB scharf zwischen dem unmittelbar in Brand gesetzten Tatobjekt, das die Brandübertragungsgefahr vermittelt, und den hierdurch mittelbar bedrohten Tatobjekten nach §§ 285, 286 preuß. StGB zu differenzieren.254 Kontrovers diskutiert wurde zu § 287 preuß. StGB, ob allein die Anzündung einer beliebigen Sache in der Kenntnis genügte, dass diese aufgrund ihrer Lage und Beschaffenheit geeignet war, den in §§ 285, 286 preuß. StGB benannten Tatobjekten das Feuer mitzuteilen. 255 Die Rechtsprechung hielt es insoweit für ausreichend, dass sich der Täter über Lage und Beschaffenheit dieser Tatobjekte bewusst gewesen sei, denn diese Kenntnis bedinge das Bewusstsein der besonderen Gefährlichkeit der Handlung, und zwar unabhängig davon, ob der Täter eine solche Brandübertragung bezweckt habe oder nicht. Demgegenüber plädierten Teile des Schrifttums vehement für die Notwendigkeit eines entsprechenden Brandübertragungsvorsatzes auf die in §§ 285, 286 preuß. StGB bezeichneten Tatobjekte.256 Die Kritik des Schrifttums entzündete sich insbesondere daran, dass die 253

Vgl. § 1 A. III. 4. b) ee). Die Normierung der Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung war im partikularrechtlichen Brandstrafrecht zwar weit verbreitet, aber unterschiedlich ausgestaltet. Teils bezog sich die mittelbare Brandstiftung ausschließlich auf die Brandstiftung erster Klasse (vgl. Art. 248 StGB Bayern 1813; Art. 253 StGB Oldenburg 1814; Art. 171 CrimGB Sachsen 1838; Art. 378 StGB Würtemberg 1839; Art. 161 StGB Thüringen 1850), teils sowohl auf die Brandstiftung erster und zweiter Klasse (vgl. Art. 411, 412 StGB Hessen 1841; § 553 StGB Baden 1845; Art. 405, 406 StGB Passau 1849; Art. 349 StGB Bayern 1861). Systematisch wurde die mittelbare Brandstiftung entweder als eigenständige Norm oder unmittelbar im Zusammenhang mit dem jeweiligen Delikt geregelt, vgl. Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 10; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 48 ff. 255 Urteil des preußischen Obertribunals vom 15. November 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 3, S. 79 ff.; Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 29. Mai 1867, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 3, S. 345 (350); zustimmend: Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten, S. 511; umfassend zu diesem Streit: Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 ff. 256 John, GA 3 (1855), S. 58 (59 ff., 67); Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (18 ff., 23); Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1054; von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (598 f.). 254

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Verursachung des brandbedingten Todes eines anderen Menschen gem. §§ 285, 287 preuß. StGB die Todesstrafe nach sich zog, und zwar nach Auffassung des Obertribunals selbst in dem Fall, dass der Täter noch nicht einmal mit der Brandübertragung auf ein Tatobjekt der Brandstiftung erster Klasse gerechnet habe.257 aa) Die mittelbare Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB im systematischen Zusammenhang mit § 286 preuß. StGB Der systematisch-funktionale Zusammenhang der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB mit § 286 preuß. StGB wurde unterschiedlich bewertet.258 Vor allem das preußische Obertribunal deutete den Konnex des § 286 preuß. StGB mit der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB als Legitimation für die – aus der Perspektive der „Sachbeschädigungslösung“ – systemwidrige Stellung des § 286 preuß. StGB bei den gemeingefährlichen Delikten.259 Denn allein die mittelbare Brandstiftung gem. §§ 286, 287 preuß. StGB wurde aufgrund der hier verlangten Brandübertragungsgefahr als „echte“ gemeingefährliche Brandstiftung zweiter Klasse akzeptiert und war demnach ein eigenständiges Delikt gegenüber der einfachen Brandsachbeschädigung nach § 286 preuß. StGB.260 Hingegen war aus der Perspektive der „Gefährdungslösung“ die mittelbare Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB nur eine unselbständige alternative Tathandlung zu §§ 285, 286 preuß. StGB, welche ebenfalls die abstrakte Gemeingefährlichkeit in einem frühen Entwicklungsstadium zu erfassen suchte.261 Plausibel erscheint im Ergebnis nur die Einordnung der mittelbaren Brandstiftung als alternative Tathandlung zu § 286 preuß. StGB. Insbesondere der Entstehungsprozess der mittelbaren Brandstiftung in den verschiedenen Entwürfen zum preuß. StGB beweist, dass die mittelbare Brandstiftung seit jeher eng mit dem 257

Vgl. § 1 A. IV. 1. Zur Bedeutung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB als Begrenzungstatbestand für die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung vgl. § 1 A. III. 4. b) cc). 259 Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (374). 260 Dass die Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ nur unter den Voraussetzungen des § 287 preuß. StGB die Brandstiftung zweiter Klasse gem. § 286 preuß. StGB als gemeingefährlich einstuften, war dem Festhalten an der Brandausdehnung über das Tatobjekt hinaus als exklusives Charakteristikum der Gemeingefahr geschuldet. Doch in diesem, in § 38 E 1828 noch als exklusives Kennzeichen der Gemeingefahr ausgewiesenem Moment (Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 444), sahen nachfolgende Entwürfe nur noch ein Teilelement der umfassenderen Gemeingefahr, das sich nun als alternative Tathandlung in Form der mittelbaren Brandstiftung verselbständigt hatte. 261 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1054; Beseler, Kommentar, S. 526. 258

A. Das preußische Brandstrafrecht von 1851

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System der Kennzeichnung der Gemeingefährlichkeit mit Hilfe der Benennung spezieller Tatobjekten verbunden war. Sämtliche Entwürfe der Brandstiftung erster Klasse ab dem E 1843 – mit Ausnahme des § 337 E 1845 – folgten dem System der Benennung exklusiver Tatobjekte und wurden dabei von der Tathandlung der unmittelbaren und der mittelbaren Brandstiftung flankiert.262 Die Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung wurde dann erstmals im E 1849 auf die Brandstiftung zweiter Klasse gem. Art. 204 E 1849 erstreckt, die gleichfalls die abschließende Benennung bestimmter Tatobjekte vorsah.263 Der genetische Konnex zwischen dem System der abstrakten Umschreibung der Gemeingefährlichkeit einerseits und der Einfügung der Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung andererseits macht deutlich, dass die bloße Anknüpfung an die „Inbrandsetzung“ gewisser Tatobjekte als zu „eng“ empfunden wurde, um abschließend alle relevanten Gefährdungen durch Feuer zu erfassen. Wie es schon § 624 E 1833 ausdrückte, entscheidend war die Verursachung einer „bedrohenden Feuergefahr“ für die geschützten Tatobjekte. Somit kommt in der Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB – und zwar noch deutlicher als beim Erfordernis des „Inbrandsteckens“ – die Intention zum Ausdruck, alle als relevant erachteten Gefährdungslagen „im Keim“ zu erfassen.264 Angesichts dessen ist die systematische Differenzierung zwischen der Tathandlung der unmittelbaren und der mittelbaren Brandstiftung für § 286 preuß. StGB, die das preußische Obertribunal propagierte, aus dem Entstehungsprozess des preuß. StGB 1851 heraus nicht verifizierbar und überzeugt auch im Übrigen nicht. Völlig zu Recht wurde schon früh seitens des Schrifttums darauf hingewiesen, dass aus der systematischen Sonderung des § 287 preuß. StGB keine weitergehenden Schlussfolgerungen zu ziehen seien und die Norm ebenso gut unmittelbar in §§ 285, 286 preuß. StGB hätte integriert werden können.265 Die in Anknüpfung an die jeweilige Tathandlung vorgenommene Differenzierung des § 286 preuß. StGB ist in der Sache aber auch deshalb fragwürdig, weil sich schwerlich behaupten lässt, dass z. B. der direkten Inbrandsteckung eines täterfremden Gebäudes eine niedrigere Gefährlichkeit zu attestieren wäre, als im Fall der Anzündung eines Haufen Mülls neben demselben Gebäude unter Verursachung einer rein abstrakten Brandübertragungsgefahr gem. §§ 286, 287 preuß. 262 Vgl. § 719 E 1836; § 516 E 1842; § 529 E 1843; § 353 E 1846; § 360 E 1847; § 197 E 1848; zur Vorgeschichte: Beseler, Kommentar, S. 526; Goltdammer, Materialien II, S. 645 ff.; ders., GA 6 (1858), S. 307 (317 ff.). 263 Beseler, Kommentar, S. 526. 264 von Woringen, ACR 1843, S. 205 (220): „Die Gefährlichkeit ist vorhanden, wenn nach gemeiner Erfahrung das Weiterbrennen des Feuers natürlich und nothwendig ist. Sobald diese Lage der Sache eintritt, ist das Verbrechen vollendet.“ 265 Vgl. John, GA 3 (1855), S. 58 (60); Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (317): „Es würde völlig passend gewesen sein, wenn man den §. 287. als Nr. 4 dem §. 285., und ebenso als zweiten Satz dem §. 286. angeschlossen . . . hätte.“

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StGB.266 Vielmehr wird die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von weitergehenden Schäden und Gefährdungen bei der unmittelbaren Inbrandsetzung des Tatobjekts durchweg höher zu veranschlagen sein, da der Brandherd bereits unmittelbar am Tatobjekt entstanden und der Realisierungsprozess weiter gediehen ist. Die notwendige Gleichbehandlung der Fälle der unmittelbaren und der mittelbaren Brandstiftung gem. §§ 286, 287 preuß. StGB verdeutlicht, dass die Vollendung der Brandstiftung zweiter Klasse noch nicht einmal eine Eigentumsbeschädigung am geschützten Tatobjekt erforderte, was in keiner Weise mit der These konform geht, es handele sich bei § 286 preuß. StGB um eine (gemeingefährliche) Sachbeschädigung. 5. Abschließende Überlegungen zu § 286 preuß. StGB Die Untersuchung von Entstehungsgeschichte, Systematik und tatbestandlichen Strukturen des § 286 preuß. StGB verdeutlicht, dass im Anschluss an Teile des preußischen Schrifttums die „Gefährdungslösung“ das überzeugendste Erklärungsmodell ist.267 § 286 preuß. StGB wurde demnach als abstraktes Gefährdungsdelikt zum allgemeinen Schutz fremden Eigentums vor den Gefahren einer Brandlegung konzipiert.268 Besonders die Tathandlung der unmittelbaren und mittelbaren Brandstiftung sowie der Tatobjektskatalog269 unterstreichen, dass die Verursachung von gewissen Brandherden bereits in ihren frühsten Anfängen erfasst und verhindert werden sollte, womit eine rein abstrakt gedeutete situationstypische Gefährlichkeit fokussiert wurde. 266 A. A. Radtke, Dogmatik, S. 380: „§ 287 preuß. StGB normierte Tathandlungen, deren generelle Gefährlichkeit bezogen auf die mit den sekundären Brandobjekten verbundenen Rechtsgüter eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit der Verletzung aufwies als bei der gänzlich unspezifischen, nicht durch die Tatbestandsvoraussetzungen näher beschriebenen Gefährlichkeit für Rechtsgüter außerhalb des angegriffenen Tatobjekts in § 286 preuß. StGB. Mit anderen Worten: daß § 287 preuß. StGB Strafbarkeit bei Inbrandsetzen eigener und fremdes Tatobjekte anordnete, § 286 preuß. StGB dagegen auf die Tatbegehung an fremden, zudem abschließend benannten Handlungsobjekten begrenzt war, folgt aus dem höchst unterschiedlichen Grad der Gefährlichkeit der Handlungen hinsichtlich des Eintritts von Rechtsgutsverletzungen außerhalb des unmittelbar betroffenen (bzgl. § 287 preuß. StGB primären) Brandobjekts.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 267 Dazu vgl. § 1 A. III. 1.; a. A. Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (193). 268 Für die zusätzliche Einbeziehung weiterer Rechtsgüter neben dem abstrakten Eigentumsschutz, wie Leib und Leben, haben sich weder in den Materialien, noch in Schrifttum und Rechtsprechung Anhaltspunkte finden lassen. Inwieweit die Ausgrenzung von Leib und Leben tatsächlich sinnvoll ist, wird im Zusammenhang mit § 306 StGB n. F. zu beleuchten sein, vgl. § 2 I. 1. a) aa) und § 2 I. 1. c). 269 Die Untersuchung der Tatobjekte hat gezeigt, dass die Annahme einer nur partiell in § 286 preuß. StGB verankerten Gemeingefährlichkeit – auf die die Motive zum preuß. StGB verweisen – trotz der Heterogenität der beiden Tatobjektsgruppen nicht einleuchtend ist, da die Gefährlichkeit der Anzündung dieser Tatobjekte – abstrakt gesehen – vergleichbar ist, vgl. § 1 A. III. 4. a) ee).

A. Das preußische Brandstrafrecht von 1851

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Speziell die Untersuchung der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs in § 286 preuß. StGB hat sich als wegweisend für die Normauslegung erwiesen, da sich hierin eben nicht die Kennzeichnung einer konkreten Eigentumsverletzung, sondern die – letztlich im gesamten partikularrechtlichen Brandstrafrecht nachweisbare – Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung verkörperte.270 Die Eigentümerstrafbarkeit sollte – und dieser Weichenstellung dient die eigentumsrechtliche Tatbestandsrestriktion – nur unter den weitergehenden Voraussetzungen der mittelbaren Brandstiftung gem. §§ 286, 287 preuß. StGB ihre „eingeschränkte“ Berechtigung finden. In diesem Licht erweist sich die parallele Struktur des § 286 preuß. StGB mit den Sachbeschädigungsdelikten bezogen auf die gemeinsame eigentumsrechtliche Restriktion der Tatobjektskataloge als Chimäre. Überspitzt formuliert ist § 286 preuß. StGB ein in das Gewand eines Sachbeschädigungsdelikts gekleidetes abstraktes Gefährdungsdelikt, was insofern die zahlreichen Irritationen um die Normbewertung zu erklären vermag. Der partiell zu konstatierende Verlust der konzeptionell verfolgten Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im preuß. StGB 1851 ist sicherlich auch dadurch begünstigt worden, dass dieses Prinzip im preußischen Brandstrafrecht nicht so handgreiflich verankert war, wie in anderen Strafgesetzbüchern, welche die Tatbegehung durch den Eigentümer ausdrücklich regelten.271 Nicht nur die tatbestandliche Konfiguration des § 286 preuß. StGB, sondern auch dessen Entstehungsgeschichte sind eine klare Stütze für die Konzeption der „Gefährdungslösung“. Aus der umfangreich dokumentierten Evolution des preußischen Brandstrafrechts ergibt sich durchgängig die Intention, zwischen den gemeingefährlichen Gefährdungsdelikten und den tatmitteloffenen Verletzungsdelikten, vor allem den Körperverletzungs-, Tötungs- oder Sachbeschädigungsdelikten, zu unterscheiden. Den Brandstiftungsdelikten sollte allein im Falle ihrer Gemeingefährlichkeit eine eigenständige Existenzrechtfertigung zugewiesen werden.272 Eine Deutung des § 286 preuß. StGB im Sinne der „Sachbeschädigungs-“ bzw. die „Kombinationslösung“ würde insofern mit zwei wesentlichen Grundsätzen des preußischen Brandstrafrechts kollidieren, nämlich zum einen, die Brandstiftungsdelikte nur im Rahmen ihrer Gemeingefährlichkeit eigenständig unter Strafe zu stellen, und zum anderen die partikularrechtliche Gliederung der 270

Vgl. § 1 A. III. 4. b) bb) und § 1 A. III. 4. b) cc). Vgl. Art. 350 StGB Bayern 1861. 272 Beseler, Kommentar, S. 523 ff.; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (11 f.); Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 602 ff.; Goltdammer, Materialien II, S. 638 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 377 ff. Selbst Goltdammer, der sich mit der Scheidung des § 286 preuß. StGB in zwei Deliktstypen in einen gewissen Widerspruch hierzu setzt, war mit diesem Grundsatz bestens vertraut. Er verweist selbst darauf, dass „. . . Beschädigungen an Personen oder am Vermögen, gleichviel, durch welches Mittel sie hervorgebracht würden, schon durch andere Strafgesetze vorgesehen seien, dass diese daher an sich auch die Beschädigung durch Feuer umfassen.“ (Goltdammer, Materialien II, S. 639). 271

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Brandstiftungsdelikte im Rahmen des „Drei-Klassen-Systems“ sprengen.273 Denn neben der Brandstiftung erster (§ 285) und zweiter Klasse (§§ 286, 287) sowie der Brandstiftung dritter Klasse (§ 244) müsste § 286 preuß. StGB als – eigentlich systemwidrige – nicht gemeingefährliche Brandstiftung vierter Klasse gedeutet werden. Die Krux der „Sachbeschädigungslösung“ ist, dass von ihrem Standpunkt aus die Normierung des § 286 preuß. StGB letztlich auf eine unbegründete Verdoppelung des Eigentumsschutzes in Konkurrenz zu den Sachbeschädigungsdelikten hinausläuft.

IV. Die Brandstiftung erster Klasse gem. § 285 preuß. StGB Die in § 285 preuß. StGB geregelte Brandstiftung erster Klasse erfasste in Nr. 1 die vorsätzliche Inbrandsetzung von zum Gottesdienst bestimmten Gebäuden sowie von bewohnten Gebäuden, Schiffen oder Hütten. Als weitere Tatobjekte benannten § 285 Nr. 2 und 3 preuß. StGB Gebäude, Schiffe, Hütte, Eisenbahnwagen, Bergwerke oder andere zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dienende Räumlichkeiten, die zu einer Zeit in Brand gesetzt wurden, in welcher Menschen sich darin aufzuhalten pflegten. Dem unmittelbaren Inbrandsetzen dieser Tatobjekte wurde wiederum die Verursachung einer abstrakten Brandübertragungsgefahr durch Anzündung einer beliebigen Sache gem. § 287 preuß. StGB gleichgestellt. Auf Rechtsfolgenseite sah § 285 preuß. StGB eine drastische Mindeststrafe von 10 Jahren bis zu lebenslänglichem Zuchthaus und weitergehend die Todesstrafe vor, sofern durch die Brandlegung der Tod eines Menschen verursacht worden war.274 1. Zum abstrakten Lebensschutz Trotz aller Unsicherheiten hinsichtlich des Wesens der brandbedingten Gemeingefahr275 war die Zielsetzung des Lebensschutzes von Anfang an als zentrales Anliegen des § 285 preuß. StGB anerkannt.276 Lediglich bei der Kirchenbrandstiftung wurde der Bezug zur abstrakten Lebensgefährlichkeit der Tat kontrovers diskutiert.277 Die Rechtsprechung des preußischen Obertribunals vertrat im Anschluss an die Materialien zum preuß. StGB den Standpunkt, dass § 285 preuß. StGB allein die typischerweise bestehende Lebensgefährlichkeit der Tat 273

Vgl. § 1 A. I. und § 1 A. III. 4. a). Die Todesstrafe wurde aber meist nicht vollstreckt; kritisch: Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 ff. 275 Zur Frage, ob § 285 preuß. StGB eine Ausnahme vom Erfordernis des Eintritts einer gemeinen Gefahr enthielt, vgl. § 1 A. II. 3. 276 Lindenberg, Brandstiftung, S. 27 ff.; Goltdammer, Materialien II, S. 641; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (11 f.); Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 39 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 98. 277 Vgl. § 1 A. IV. 3. b). 274

A. Das preußische Brandstrafrecht von 1851

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zu erfassen suche, weshalb weder eine konkrete Lebensgefahr noch ein hierauf gerichteter Gefährdungsvorsatz des Täters erforderlich sei.278 Die Norm müsse daher selbst dann zur Anwendung gelangen, wenn sich der Täter vor Tatbegehung von der Personenabwesenheit im Tatobjekt Gewißheit verschafft habe.279 Die Tatvollendung bedinge allein die unmittelbare oder mittelbare Anzündung der in § 285 preuß. StGB genannten Tatobjekte, und die konkrete Gemeingefährlichkeit der Tat sei aussschließlich für die Strafzumessung relevant.280 Allerdings wurde die in den gesetzlichen Strukturen des § 285 preuß. StGB angelegte Zuwendung zur abstrakten Gefährlichkeit nicht einschränkungslos gebilligt. So beanstandete etwa Osenbrüggen die Bestrafung von konkret ungefährlichen Verhaltensweisen, wie beispielsweise in dem Fall, dass der Täter vor der Tat alle Bewohner aus dem Wohngebäude evakuiert habe, mit folgender Erwägung: „Wenn aber solche Gefahr in abstracto unbestrittener Weise keine Gefahr in concreto ist, also keine Gefahr für Personen und doch gestraft wird, als wäre die letztere vorhanden, so ist die vollkommenste Fiction da, die sich denken läßt, also mehr als eine Präsumtion . . .“ 281 In ähnlicher Weise sah Temme die Gefahr für das Leben in § 285 preuß. StGB bei der Anzündung von bewohnten Gebäuden, Schiffen oder Hütten sowie bei solchen Räumlichkeiten, die zum Tatzeitpunkt dem regelmäßigen Aufenthalt von Menschen dienten, als fingiert an.282 Auch hier tritt erkennbar die Auffassung zu Tage, dass § 285 preuß. StGB zwar die Erfassung einer realen und nicht bloß theoretisch denkbaren Lebensgefährdung beabsichtige, doch dass aus Praktikabilitätserwägungen auf deren konkreten Nachweis verzichtet und diese präsumiert werde. 278 Goltdammer, Materialien II, S. 643; Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 7. Januar 1857, GA 5 (1857), S. 69 ff. sowie die Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 15. November 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 3, S. 79 (80): „Der Unterschied bei diesen ist nur der, daß das Gesetz im Titl. 27 die Gemeingefährlichkeit der Handlung nicht besonders und in jedem einzelnen Fall nachgewiesen wissen will, sondern daß es, was z. B. die Brandstiftung betrifft, besondere Gegenstände, so Wohngebäude, nennt, deren Anzündung ohne weiteres als eine gemeingefährliche Handlung bestraft wird“; Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 29. Mai 1867, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 3, S. 345. 279 Goltdammer, Materialien II, S. 642; kritisch jedoch ders., GA 6 (1858), S. 307 (329); Radtke, Dogmatik S. 98 f.; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 27 ff. 280 Beseler, Kommentar, S. 523 f.: „Anders verhält es sich bei der Brandstiftung; hier besteht das gesetzliche Merkmal der Gemeingefährlichkeit der Handlung in der Anwendung des Feuers, ohne daß die gemeine Gefahr im einzelnen Falle zur Herstellung des Thatbestandes besonders nachgewiesen zu werden braucht, wenn sie auch für die Strafzumessung stets in Betracht zu ziehen ist.“ 281 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 190. 282 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1050; zum Unterschied zwischen der Fiktion und der praesumtio iuris et de jure Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 159 Fn. 90.

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Die verschiedenen Ansichten über den Umfang des von § 285 preuß. StGB verfolgten Lebensschutzes spiegeln sich auch in der Debatte um die Zurechnung des brandbedingten Todes eines Menschen im Rahmen der qualifizierten Brandstiftung erster Klasse wider. Nach Auffassung des preußischen Obertribunals stand einer Zurechnung selbst der Umstand nicht entgegen, dass der Tod des Opfers daraus folgte, dass dieses – nachdem es sich zunächst erfolgreich aus dem brenennden Haus gerettet hatte – in selbiges zurückkehrte, um Personen zu bergen, und im Zuge dieses Rettungsversuchs verunglückte.283 Entscheidend sei angesichts des klaren Wortlauts des § 285 preuß. StGB – „wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat“ – allein, dass sich der Tod als objektive bzw. historische Folge der Tat darstelle.284 Eine nach Art und Risikointensität der jeweiligen Rettungshandlung differenzierende Beurteilung ließ die Rechtsprechung des Obertribunals daher vermissen. Demgegenüber verneinte das Schrifttum die Einschlägigkeit der qualifizierten Brandstiftung erster Klasse im zuvor bezeichneten Fall. So monierte etwa Beseler, der notwendige Kausalnexus zwischen Handlung und Erfolg fehle, sofern der Tod beim Löschen des Feuers aus Unvorsicht eingetreten sei.285 Entsprechend verwies Dalcke darauf, dass es in diesen Fällen auf der Hand liege, „daß die eigene culpa des Getödteten die nächste Veranlassung seines Todes gewesen“ 286 sei und dieser daher auf einer freien Handlung des Opfers beruhe. Gegen das vom Obertribunal angeführte Kriterium, wonach sich der Tod als objektive bzw. historische Folge der Verwirklichung des § 285 preuß. StGB darstellen müsse, spreche, dass andernfalls selbst dann die Todesstrafe verhängt werden müsse, wenn sich das Opfer in selbstmörderischer Absicht ins Feuers gestützt habe.287 Daneben kritisierte Dalcke die Einschätzung der Motive, wonach § 285 preuß. StGB „auch die entfernte Möglichkeit einer Gefahr für das Leben Anderer ins Auge gefaßt“ 288 habe, und daher diese Gefahr immer vorhanden sei, selbst wenn 283 Urteil des preußischen Obertribunals vom 1. Juli 1857, GA 5 (1857), S. 659 ff.; Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 22. Dezember 1869, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 10, S. 779 ff. 284 Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 7. Januar 1857, GA 5 (1857), S. 69 (70 f.). 285 Beseler, Kommentar, S. 527. 286 Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (14). 287 Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (14 f.). Ob das preußische Obertribunal jedoch tatsächlich einen bloßen Kausalzusammenhang in allen Fällen ausreichen ließ – was die Entscheidungsgründe zumindest nahelegen – ist fraglich. Schon die Materialien zum preuß. StGB verwiesen darauf, dass es nicht genüge, sofern der Tod des Retters nur darauf beruhe, dass dieser beim Wasser holen ertrinke oder von einem zur Brandbekämpfung eingesetzten Löschgerät überrollt werde (Goltdammer, Materialien II, S. 650). Dies erhellt, dass zumindest vom Gesetzgeber ein reiner kausaler Zusammenhang zwischen Brand und dem Tod eines Dritten nicht als ausreichend erachtet wurde; vgl. Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 51. 288 Goltdammer, Materialien II, S. 643.

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die Bewohner des Hauses die Brandstifter seien, weil Fremde ohne ihr Wissen eingetreten sein könnten. Der unvorhergesehene Aufenthalt von Personen im Tatobjekt sei, so Dalcke, kein tatbestandsspezifisches Risiko der Anzündung der in § 285 preuß. StGB bezeichneten Tatobjekte.289 Auch die Inbrandsetzung der in § 286 preuß. StGB genannten Tatobjekte könne mit Gefährdungen für Leib und Leben Dritter verbunden sein, weil sich hierin – für den Täter überraschend – Personen aufhielten. Diese Kritik ist insofern berechtigt, als unvorhergesehene Gefährdungen oder Verletzungen Dritter, wie helfend eingreifender Personen, tatsächlich ein brandstiftungstypisches Risiko darstellen. Dieses Risiko ist in der Sache nicht allein auf § 285 preuß. StGB beschränkt und hätte – konsequent fortgedacht – auch für § 286 preuß. StGB Gültigkeit beanspruchen müssen; doch selbst die Vertreter der „Gefährdungslösung“ rekurrierten allein auf die abstrakte Eigentumsgefährlichkeit und blendeten mögliche Gefährdungen für Leib und Leben Dritter bei § 286 preuß. StGB systematisch aus,290 weshalb Dalckes normvergleichender Einwand in sich schlüssig ist.291 Auch Temme teilte schließlich die Auffassung, dass die in § 285 preuß. StGB enthaltene Gefährdungsfiktion entfallen müsse, wenn der Brandstifter sein eigenes Wohngebäude in Brand stecke, da die verbleibende Gefährdung Dritter, die sich möglicherweise unerkannt im Tatobjekt aufhalten, eine atypische Sachlage darstelle. Das Gesetz könne nur auf das Gewöhnliche und Regelmäßige, nicht hingegen auf Ausnahmen und Zufälligkeiten abstellen.292 Die Kritik des Schrifttums zielte im Ergebnis auf eine erhebliche Einschränkung der Reichweite der in § 285 preuß. StGB fixierten abstrakten Gemeingefährlichkeit ab. Zunächst kommt klar die Auffassung zum Ausdruck, dass die tatbestandliche Konfiguration des § 285 preuß. StGB einen widerlegbaren Vermutungstatbestand hinsichtlich der Lebensgefährlichkeit der Tat enthalte, der durch Gegenmaßnahmen des Täters, z. B. die Entfernung aller Bewohner aus dem Tatobjekt, entschärft und damit widerlegt werden könne.293 Eng gekoppelt an diese

289 Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (16 f.): „Eine solche Präsumtion aber erscheint, ganz abgesehen von ihrer so eben nachgewiesenen rechtlichen und gesetzlichen Unzulässigkeit, auch sachlich durchaus nicht unter allen Umständen gerechtfertigt . . . Die Sache liegt nicht viel anders, wenn der Thäter sein nur von ihm bewohntes, isoliert belegenes Haus, oder wenn er ein solches anzündet, nachdem er die ihm sämmtlich bekannten Bewohner vor der That aus demselben entfernt hat, denn auch in diese Fall kann von einer Gefahr für Menschenleben keine Rede sein . . . Wohin geräth man aber wohl mit einer solchen Vermuthung, zumal wenn man die Möglichkeit einer Widerlegung auschließen will.“ 290 Vgl. § 1 A. III. 1. 291 Dass es durchaus berechtigter Anlass bestanden hätte, auch die Einbeziehung von Leib und Leben in § 286 preuß. StGB zu erwägen, dazu vgl. bei § 306 StGB n. F. § 2 I. 1. a) aa) (1) und § 2 I. 1. c) bb). 292 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1051 Fn. 6. 293 Zu dieser Sichtweise bei § 306 Nr. 2 StGB a. F. vgl. § 1 B. IV. 1.

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Argumentation ist die Einschätzung, dass sich die in § 285 preuß. StGB enthaltene Gefahrpräsumtion – ergo der Schutzbereich der Norm – allein auf den Aufenthalt von Personen im Tatobjekt zum Zeitpunkt der Tatbegehung beziehe, die darin gewissermaßen vom Brand überrascht werden. Dies erklärt, warum mögliche Gefährdungen oder Verletzungen von Rettern, die das Tatobjekt in Kenntnis der Gefahr betreten und sich „sehenden Auges“ in Gefahr begeben, nicht als adäquate Folgen der von § 285 preuß. StGB fokussierten Gefährdungslage begriffen wurden. Die Tendenz, den Schutzbereich des § 285 preuß. StGB allein auf Personen innerhalb des Tatobjekts zu verengen, verdeutlicht sich auch anhand der Kritik Dalckes an der Entscheidung des Obertribunals vom 29. Mai 1867.294 In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Täter Sieg vorsätzlich eine Scheune in Brand gesetzt, an die – wie ihm bekannt war – zwei Ställe und ein Wohngebäude angrenzten. Im Zuge der Brandentwicklung fingen das Wohnhaus und beide Ställe Feuer, wobei zwei Personen verstarben, die unbemerkt in einem der Ställe übernachtet hatten. Das Obertribunal bejahte die Verwirklichung der qualifizierten mittelbaren Brandstiftung erster Klasse gem. §§ 285, 287 preuß. StGB und verurteilte den Täter – entgegen der Entscheidung der Vorinstanz – zum Tode. Dalcke kritisierte diese Entscheidung mit dem Hinweis, dass die Opfer den Tod nicht innerhalb des von § 285 preuß. StGB bezeichneten Wohngebäudes, sondern außerhalb desselben in den nicht qualifiziert genutzten angrenzenden Ställen gefunden hätten.295 Dieser Einwand gegenüber der Zurechnung des Todeserfolges ergibt jedoch nur dann Sinn, soweit allein die sich unmittelbar im qualifiziert genutzten Tatobjekt befindlichen Personen von § 285 preuß. StGB als geschützt angesehen werden und nicht auf den Brand als Gesamtgeschehen abgestellt wird. Im Streit, ob § 285 preuß. StGB eine Präsumtion der konkreten Lebensgefahr bzw. der Lebensgefährlichkeit beinhaltete, deutet sich bereits eine bis heute diskutierte Grundsatzfrage der Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte an:296 Liegt der Strafgrund abstrakter Gefährdungsdelikte allein in der abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tat begründet (sog. Theorie der abstrakten Gefährlichkeit der Handlung)297, so dass die Bestrafung von im Einzelfall ungefährlichem Ver294 Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 29. Mai 1867, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 3, S. 345 (351 f.). 295 Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (21): „Wenn nämlich das Ober-Tribunal neben der vorsätzlichen Anzündung einer bestimmten qualifizierten Sache als fernere Voraussetzung der Todesstrafe den Hinzutritt des Todes eines Menschen durch den Brand als objektive Folge der That fordert, so fragt man wohl mit Recht: durch welchen Brand? Doch wohl unzweifelhaft durch den Brand der bestimmten qualifizierten Sache? . . . Hieraus dürfte sich unwiderleglich ergeben, daß die Todesstrafe nur dann eintreten kann, wenn der Tod durch eine qualifizierte Brandstiftung, d.h. durch den Brand eines der im §. 285. genannten Gegenstände herbeigeführt worden ist und an diesem Resultate kann auch die Vorschrift des §. 287. durchaus nichts ändern.“ 296 Eingehend: Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 140 ff., 151 ff. 297 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 144 ff.

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halten als unvermeidbarer Nebeneffekt hinzunehmen ist? Oder sind abstrakte Gefährdungsdelikte zumindest theoretisch dem Erfordernis konkreter Gefahr bzw. Gefährlichkeit verhaftet, die durch die tatbestandliche Skizzierung gewisser Situationen vermutet wird (sog. Gefahr-/Gefährlichkeits-Präsumtionstheorie)?298 Letztere Auffassung, der zumindest Temme zuzurechnen ist, sieht demgemäß die vom Wortlaut des § 285 preuß. StGB nicht geforderte konkrete Gefährlichkeit bzw. Gefahr deshalb als präsumiert an, da eine Strafbarkeit von konkret ungefährlichem Verhalten nicht mehr als strafrechtlich signifikantes Unrecht, sondern als bloße Verbotswidrigkeit klassifiziert wurde.299 Im Ergebnis weisen jedoch Struktur und Normgenese des § 285 preuß. StGB erkennbar auf die Erfassung der mit der Tatbestandsverwirklichung erfahrungsgemäß verbundenen abstrakten Lebensgefährlichkeit hin, so dass die von Dalcke und Temme postulierten Restriktionen, speziell die These einer widerlegbaren Gefahr- bzw. Gefährlichkeitspräsumtion, nicht überzeugen können. Schon die Materialien sprechen explizit aus, die Gefahr sei in § 285 preuß. StGB abstrakt aufgefasst, weshalb selbst die sorgfältige Entfernung aller Personen aus dem betreffenden Wohngebäude die Anwendung der Norm nicht hindere.300 Dass es dem preußischen Gesetzgeber nicht auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ankam, belegen auch § 285 Nr. 2 und 3 preuß. StGB, welche bereits die Inbrandsetzung von Räumlichkeiten „zu einer Zeit, zu welcher sich darin Menschen aufzuhalten pflegen“, erfassten. Es kam daher nicht auf den tatsächlichen Aufenthalt von Menschen, sondern lediglich den gewöhnlichen Aufenthalt zur Tatzeit an und hierauf musste sich der Vorsatz des Täters beziehen.301 Eindeutiger kann die Absicht, mit Hilfe von § 285 preuß. StGB allein die typischerweise bestehende Lebensgefährlichkeit zu erfassen, nicht zum Ausdruck gebracht werden, wie nicht zuletzt auch die Abkehr von der Konzeption des § 337 E 1845 unterstreicht, der noch ausdrücklich die tatbestandliche Lebensgefährdung einer anderen Person durch Anzündung eines beliebigen Gebäudes verlangt hatte.302 Abzulehnen ist daher auch die Annahme, § 285 preuß. StGB beziehe sich allein auf die Gefährdung von Personen im Tatobjekt, da die qualifizierte Nutzung stellvertretend für den Personenaufenthalt im Tatobjekt stehe. Dass diese Ansicht indessen nicht zutreffend sein kann, bestätigen jene Gründe, die in den Motiven 298

Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151 ff. Zu diesem Einwand erneut bei § 1 B II. 1. 300 Goltdammer, Materialien II, S. 642; kritisch von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (589 ff., 595). 301 Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 509 f. Fn. 15 f. 302 Goltdammer, Materialien II, S. 639 f., 643; Celichowski, Gemeingefährlichkeit, S. 26: „Es hat vielmehr unter sorgfältiger Abwägung des gefährdeten Rechtsgutes nur bestimmte Thatbestände unter Strafe gestellt, andere ausser Acht gelassen. Und dieses Vorgehen des Gesetzgebers hat zu der irrtümlichen Annahme einer Praesumtion der Gefahr Anlass gegeben.“ 299

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zum E 1833 für die erstmalige Aufnahme von Wohngebäuden und gewöhnlichen Aufenthaltsorten303 von Menschen als taugliche Tatobjekte einer gemeingefährlichen Brandstiftung genannt wurden.304 Demnach war Anlass für deren Einbeziehung die erfahrungsgemäß eintretende Gefahr für Leben und Eigentum, die aus der besonderen Nutzungsbestimmung dieser Tatobjekte folgte, wobei ausdrücklich auch auf die Rechtsgüter Dritter (Nichtbewohner) Bezug genommen wurde. Die bei den genannten Tatobjekten bestehende Sachlage rechtfertigte nach Ansicht der Motive zum E 1833 die Gleichstellung ihrer Inbrandsetzung mit der Verursachung einer gemeinen Gefahr im engeren Sinn, also unter Schaffung einer unbestimmten Brandausbreitungsgefahr:305 In beiden Fällen konnte der Täter die Folgewirkungen des Brandes erfahrungsgemäß weder abschätzen noch sicher lenken. Dieser Befund verdeutlicht, dass die qualifizierte Nutzung eines Wohngebäudes kein Surrogat für den tatsächlichen Personenaufenthalt im Tatobjekt ist.306 Die Verengung des Schutzbereichs des § 285 preuß. StGB allein auf Personen im Tatobjekt ist umso weniger plausibel, als nach Auffassung der Motive zum preuß. StGB der eigentümliche Charakter der Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt darin begründet liegt, dass der Brandstifter Leben oder Eigentum Dritter durch eine in ihrer Ausdehnung unbestimmte und seiner Willkür nicht mehr unterworfenen Gefahr bedrohe.307 Kann der Täter die Schadwirkungen des Tatmittels typischerweise nicht steuern und abschätzen, dann ist eine pauschale Restriktion des Kreises der tauglichen Gefährdungsopfer auf eine bestimmte Per303 Die „gewöhnlichen Aufenthaltsorte“ von Menschen sind als Vorläufer der in § 285 Nr. 2 und Nr. 3 preuß. StGB genannten Tatobjekte zu betrachten und wurden nach Vorbild des Art. 171 CrimGB Sachsen 1838 modifiziert, vgl. Verhandlungen der Kommission des Staatsraths über den revidirten Entwurf des Strafgesetzbuchs (Berlin 1846), in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 1, S. 289. 304 Anzumerken ist, dass sich die Intention des Schutzes des „Wohnens“ bzw. der „Wohnung“ für das preuß. StGB 1851 noch nicht einmal im Ansatz nachweisen lässt (für eine entsprechende Deutung bei § 306a Abs. 1 StGB n. F. aber Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14). Vielmehr war erkennbar, dass der Wohnraum nicht um seiner selbst Willen geschützt werden sollte, sondern dass seine enge Verzahnung mit den Rechtsgütern Leben und Eigentum die abstrakte Gefährlichkeit der Tat signifikant steigert, vgl. § 1 A. II. 3. 305 Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 658. 306 Urteil des Obertribunals vom 8. November 1854, GA 3 (1855), S. 113 (114): „. . . daß aber auch die ratio legis der dem Wortsinne folgenden Auslegung zur Seite steht, da davon auszugehen ist, daß der Gesetzgeber die darin bestimmte hohe Strafe nicht von dem mehr oder minder zufälligen Umstande, ob sich gerade zur Zeit der Verübung des Verbrechens Menschen in dem Gebäude befunden haben, abhängig habe machen, dieselbe vielmehr über denjenigen habe verhängen wollen, welcher zu einer Zeit, wo er nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge die Anwesenheit von Menschen in dem Gebäude voraussetzen muß, dasselbe unbekümmert um die denselben drohende persönliche Gefahr in Brand setzt.“ 307 Goltdammer, Materialien II, S. 632.

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sonengruppe, wie etwa allein die Bewohner des Tatobjekts, nicht überzeugend.308 Es ist somit festzustellen, dass § 285 preuß. StGB generell den Schutz von Menschenleben verfolgte, die durch die Inbrandsetzung der dort genannten qualifizierten Tatobjekten gefährdet werden konnten.309 Die hiergegen gerichteten Bemühungen des Schrifttums, die streng abstrakte Tatbestandsausrichtung des § 285 preuß. StGB zu durchbrechen, erklären sich vermutlich primär aus den harten Rechtsfolgen, nämlich zehn Jahre bis lebenslänglich Zuchthaus bzw. dem Eintritt der Todesstrafe im Fall des brandbedingten Todes einer anderen Person. Angesichts dessen bestand durchaus die Gefahr der Erfassung von solchen Sachverhalten durch § 285 preuß. StGB, in denen die Rechtsfolgen in keiner angemessenen Relation mehr zum abstrakt provozierten Gefährdungsunrecht standen.310 Die Einschränkungsversuche der abstrakten Tatbestandskonfiguration sind daher vorrangig dem Anliegen der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit geschuldet. Mit anderen Worten: Es sollte im Wege einer einschränkenden Auslegung ein Ausgleich zur realen Gefährlichkeit der Tat vermittelt werden, gerade weil sich die harten Rechtsfolgen des § 285 preuß. StGB „nur“ an der abstrakten Gefährlichkeit der Tat orientierten. Allerdings ist einzuräumen, dass sich das preußische Obertribunal bei der qualifizierten Brandstiftung erster Klasse gem. § 285 preuß. StGB durchaus des Rückgriffs auf eine Präsumtion im Rahmen der subjektiven Tatseite bediente. Hierbei ging es jedoch, wie zu betonen ist, nicht um die Präsumtion der konkreten Lebensgefahr bzw. -gefährlichkeit, sondern um die Frage, inwieweit über die vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung hinaus der Täter die Möglichkeit des brandbedingten Todes in sein Bewusstsein aufgenommen haben musste oder nicht.311 Das Obertribunal hielt im Anschluss an die Motive zum preuß. StGB312 308 Goltdammer, Materialien II, S. 635: „Das Rechtsprinzip nun, welches es gestattet, diese Ungewißheit des Erfolges, das, was der Zufall so aber auch vielleicht anders gestalten konnte, in die Zurechnung des Handelnden aufzunehmen, ist die Annahme der Einwilligung in das, was geschehen kann, wie es der Zufall auch fügen mag. Sie ist anzunehmen, weil der Handelnde wissen mußte, im ersten Falle, daß er in der Unternehmung einer überhaupt verletzenden Handlung sich selbst der Fähigkeit beraubt habe, dieselbe zu leiten und zu bestimmen; im zweiten Falle, daß die Ursache auch ohne sein weiteres Zuthun fortwirken werde.“ 309 Zudem weisen die Motive zum preuß. StGB 1851 darauf hin, dass das Opfer nicht unmittelbar durch den Brand, also aufgrund der Einwirkungen von Hitze oder Rauch, umgekommen sein müsse, sondern dass es genüge, wenn der Tod mittelbar, etwa durch herabstürzende Balken, oder durch einen gescheiterten Fluchtversuch, etwa beim Herabspringen aus dem Fenster, verursacht werde, Goltdammer, Materialien II, S. 650. 310 Vgl. auch die Kritik im Rahmen der Revision des E 1843, in: Schubert, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 5, S. 755 f. 311 Die Frage, unter welchen (subjektiven) Voraussetzungen die Todesstrafe eintreten sollte, war in den Entwürfen zum preuß. StGB umstritten, vgl. Revision des E 1843, in: Schubert, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 5, S. 755; Motive E 1847, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 2, S. 967 f.

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die Inbrandsetzung der in § 285 preuß. StGB genannten Tatobjekte für so offenkundig lebensgefährlich, dass hierdurch ein ausreichender Bezug zur qualifizierenden Todesfolge vermittelt werde, weshalb die Anwendung der Todesstrafe gerechtfertigt sei, selbst wenn der Täter diese Folge nicht vorausgesehen hatte.313 Obgleich die Äußerungen des Obertribunals es nicht explizit zum Ausdruck bringen, so sind sie, worauf Graul zutreffend hingewiesen hat, als eine praesumtio doli vel culpae zu verstehen, d. h. als eine an die Anzündung der Tatobjekte anknüpfende Vermutung eines konkret vorhandenen Gefährdungsbewusstsein bezüglich der eingetretenen Lebensverletzung.314 Die Präsumtion des Gefährdungsbewusstseins hinsichtlich des Todeserfolges wurde seitens der Strafrechtswissenschaft teils generell,315 teils nur für den Fall der mittelbaren Brandstiftung gem. §§ 285, 287 preuß. StGB verworfen, da die Inbrandsetzung der nicht qualifiziert genutzten und unspezifizierten Handlungsobjekte, welche die in § 287 preuß. StGB genannte Brandübertragungsgefahr vermittelten, für den Täter nicht so offenkundig gefährlich sei, wie im Fall der unmittelbaren Inbrandsetzung der qualifiziert genutzten Tatobjekte.316 Die bisweilen vehemente Kritik an der Präsumtion des Gefährdungsbewusstseins seitens des Schrifttums fußte auf der Einschätzung, dass die Anwendung der Todesstrafe nur legitim sei, wenn der Täter die konkrete Gefährlichkeit seines Tuns in Bezug auf den eingetretenen Todeserfolg erkannt habe. Dieses Erfordernis könne nicht durch den Verweis auf ein vermutetes Gefährlichkeitsbewusstsein überspielt werden.317 Es sei unstatthaft, bewusst wie unbewusst fahrlässiges Verhalten mithilfe des Konstrukts des unbestimmten dolus (sog. dolus indeterminatus) in vorsätzliches Handeln umzudeuten.318 312 Vgl. Goltdammer, Materialien II, S. 633 f.; Verhandlungen der ersten und zweiten Kammer vom 10. Dezember 1850, S. 495 f. 313 Vgl. Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 29. Mai 1867, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 3, S. 345 (348): „Nicht das spezielle Bewußtsein einer bestimmten Gefahr, sondern das allgemeine Bewußtsein des Thäters, daß durch seine That überhaupt eine Gefahr für Menschenleben herbeigeführt werde, ist der Grund der Strafbestimmung des § 285 und insbesondere der Grund, aus welchem der Erfolg der That unbedingt dem Thäter zugerechnet werden soll.“; ähnlich bereits die Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 26. April 1858, wiedergegeben bei Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (336 f.); dazu Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 157 ff.; kritisch von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (594). 314 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 158 f.; ebenso Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (314); von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (594). 315 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1043, 1045, 1057 f. Fn. 1; von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (593 f.). 316 Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (314 ff.); Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (15 ff., 19). 317 Kritisch Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1043, 1045, 1057 f. Fn. 1. 318 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1057 f. Fn. 1; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 195 ff.

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Obwohl die Einwände des Schrifttums gegenüber einer Präsumtion des Gefährlichkeitsbewusstseins vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Todesstrafe Gewicht haben, so entspricht die Zurechnung von lediglich fahrlässig bewirkten Lebensverletzungen durchaus der teleologischen Ausrichtung des § 285 preuß. StGB, nämlich der Erfassung von unberechenbaren und von den Intentionen des Täters losgelösten Auswirkungen der eröffneten Gefahrenquelle. 2. Zum abstrakten Eigentumsschutz Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit § 285 preuß. StGB neben dem abstrakten Lebensschutz auch dem abstrakten Eigentumsschutz dienen sollte. Anlass dies zu erwägen, geben die Motive zum preußischen StGB, die in Anlehnung an die Motive zum E 1833 darauf hinwiesen, dass „die Wohnung eines Menschen, obwohl zunächst dem Bewohner und seinen Vermögensstücken gewidmet, dennoch vorübergehend, und mehr oder weniger wechselnd, auch anderen Personen zum Aufenthalte, und Vermögensstücken, bei welchen auch Andere interessiert seien, zum Bewahrungsort“ 319 diene. Die zitierte Passage veranschaulicht, dass die erstmalige Gleichstellung der Verursachung einer die Wohnung oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort von Menschen bedrohenden Feuersgefahr mit der Verursachung einer gemeinen Gefahr (im engeren Sinn) im Rahmen des § 624 E 1833, damit begründet wurde, dass bei diesen Objekten unberechenbare und breitgestreute Gefährdungen für Leben und Eigentum zu erwarten seien.320 Beachtlich ist, dass hierbei auch auf die Gefährdung von fremden Sachen neben dem eigentlichen Tatobjekt verwiesen wird, die sich innerhalb desselben befinden und dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch dienen. Die Anwesenheit dieser Objekte, die sich nicht notwendigerweise im Eigentum der Bewohner befinden müssen, erscheint als typische „Begleiterscheinung“ der dienenden Funktion der aufgezählten Tatobjekte als Stätten menschlichen Schaffens und Wirkens. Angesichts der unberechenbaren Zerstörungskraft des Tatmittels Feuer, die sich gegen alle in der Nähe des Brandherdes befindlichen physischen Körper gleichermaßen richtet, ist es aus der Perspektive der abstrakten Gemeingefährlichkeit konsequent, diese ebenfalls in den Schutzbereich der Wohnungsbrandstiftung mit einzubeziehen. Weiterhin verweisen die Motive zum E 1833 ausdrücklich auf die Übertragbarkeit dieses Gedankens auf die gewöhnlichen Aufenthaltsorte von Menschen, wel-

319 Goltdammer, Materialien II, S. 639 f. (Hervorhebung durch den Verfasser); Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 657. 320 Dafür, den abstrakten Eigentumsschutz als mitumfasst anzusehen, spricht, dass der E 1833 und E 1836 nicht zwischen der Gemeingefahr für Leben und Eigentum differenzierten.

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che die Vorläufer der in § 285 Nr. 2, 3 preuß. StGB aufgezählten Tatobjekte darstellten.321 Diese Übertragung ist vollkommen sachgerecht, da eine regelmäßige Nutzung dieser Räumlichkeiten, wie Arbeits- oder Freizeitstätten 322, darauf schließen lässt, dass sich dort wiederum dem entsprechenden Zweck dienende Sachgüter befinden, wie Arbeitsgerät, Materialien, Maschinen oder Werkzeuge. Diese Überlegungen lassen sich außerdem für die zum Gottesdienst bestimmten Gebäude gem. § 285 Nr. 1, Alt. 2 preuß. StGB fruchtbar machen, obwohl die Motive zum preuß. StGB hierzu keine Stellung beziehen. Auch in diesen Tatobjekten werden sich erfahrungsgemäß solche Gegenstände befinden, die den kultisch-religiösen Gebrauch ermöglichen und durch die Inbrandsetzung einer Gefährdung ausgesetzt werden.323 Die Einbeziehung des abstrakten Eigentumsschutzes in § 285 preuß. StGB wurde in der Rechtslehre, soweit diesbezüglich Stellungnahmen auszumachen sind, geteilt. So weist Osenbrüggen im Rahmen seiner 1854 erschienenen vergleichenden Untersuchung der Brandstiftungsdelikte in den deutschen und (deutschsprachigen) schweizerischen Strafgesetzen darauf hin, dass „. . . die zu der Gefahr für das Eigenthum hinzutretende Gefahr für Personen entscheidend und dieses . . . die Brandstiftung an bewohnten Gebäuden zu einer besonderen Gattung“ 324 mache. Hier sei zwar die Gefahr (präziser: Gefährlichkeit) für Menschenleben entscheidend, aber die Intention des Schutzes fremden Eigentums werde dadurch nicht bedeutungslos.325 In dieselbe Richtung tendierte Beseler, denn bei den Tatobjekten des § 285 preuß. StGB, deren Anzündung mit einer Lebensgefahr verbunden sei, komme es nicht darauf an, „ob sie im Eigenthume des Thäters sind oder nicht, indem die Vermögensbeschädigung in diesem Fall nur von untergeordneter Bedeutung“ 326 sei.327 Beide Stellungnahmen zeigen, dass – in Übereinstimmung mit den Motiven – neben der primär beabsichtigten Erfassung der abstrakten Lebensgefährlichkeit auch die mit der Tatverübung verbundene Eigen-

321 Vgl. Goltdammer, Materialien II, S. 640: „Alles dies trete mehr oder weniger auch hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts von Menschen ein.“ 322 Verhandlungen der Kommission des Staatsraths über den revidirten Entwurf des Strafgesetzbuchs (Berlin 1846), in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 1, S. 289: „. . . wenn Gebäude in Brand gesetzt werden, welche zur Wohnung oder auch nur zum zeitweiligen Aufenthalt von Menschen dienen, wie Schauspielhäuser, Fabrikgebäude, u.s.w.“ 323 Zu denken ist hier an Mobiliar, Kultgegenstände, Monstranz, Kelch, Statuen, Kirchenorgel, Bilder und Wandmalereien etc., denen in ihrer Gesamtheit regelmäßig ein nicht unerheblicher materieller Wert zu bescheinigen sein wird. 324 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 39. 325 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 39 ff. 326 Beseler, Kommentar, S. 524 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 327 Ähnlich Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1051: „Es ist hierbei nur zu beachten, daß es sich hier um eine doppelte Gefahr handelt, um die für jene Räumlichkeit, und durch diese um die für Menschenleben.“

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tumsgefährdung als sekundäres Moment akzeptiert wurde.328 Es ist daher festzuhalten, dass die verbreitete Bezeichnung des § 285 preuß. StGB als „Brandstiftung mit Gefahr für Personen“ angesichts der notwendigen Einbeziehung des abstrakten Eigentumsschutzes nicht als abschließende Definition des Schutzanliegens, sondern als Hinweis auf die Akzentuierung des Gefährdungsunrechts mit Blick auf den Lebensschutz zu verstehen ist. Gegen die Einbeziehung des Eigentumsschutzes in § 285 preuß. StGB spricht im Übrigen auch nicht der denkbare Einwand, dass hier – anders als bei § 286 preuß. StGB – kein täterfremdes Tatobjekt verlangt wurde. Vielmehr haben die vorangehenden Untersuchungen gezeigt, dass die eigentumsrechtliche Beschränkung des § 286 preuß. StGB allein der Begünstigung der Eigentümerbrandstiftung diente, die nur unter den verschärften Bedingungen des § 287 preuß. StGB strafbar sein sollte. Der in § 285 S. 2 preuß. StGB enthaltene Hinweis, wonach es keinen Unterschied mache, ob die in Brand gesetzten Gegenstände Eigentum des Täters seien oder nicht, kann deshalb nur so verstanden werden, dass der Gesetzgeber deklaratorisch klarstellte, dass die Eigentümerstellung bei § 285 preuß. StGB – im Gegensatz zu § 286 preuß. StGB – keine privilegierende Wirkung entfaltete. Aus der eigentumsrechtlichen Neutralität des § 285 preuß. StGB lässt sich infolgedessen kein tragfähiger Einwand gegen die Berücksichtigung des abstrakten Eigentumsschutzes gewinnen. Und mehr noch: Selbst in dem Fall, dass der Brandstifter zugleich Eigentümer des in § 285 preuß. StGB benannten Tatobjekts ist, entfällt nicht die Relevanz des abstrakten Eigentumsschutzes, der eben nicht auf das Tatobjekt beschränkt ist, sondern auch Eigentumsgefährdungen innerhalb oder außerhalb des Tatobjekts zu erfassen sucht. 3. Ausgewählte Auslegungsfragen zu § 285 preuß. StGB Abschließend sind zwei Auslegungsfragen zu § 285 preuß. StGB zu beleuchten, die erneut die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Reichweite der abstrakten Gefährlichkeit verdeutlichen, nämlich die Problematik der Anzündung einer Wohnung gem. § 285 Nr. 1, Alt. 1 preuß. StGB durch die Bewohner sowie die nähere Untersuchung des Schutzzwecks der zum Gottesdienst bestimmten Gebäude gem. § 285 Nr. 1, Alt. 2 preuß. StGB.

328 Vgl. zur Brandstiftung erster Klasse gem. §§ 546, 547 StGB Baden 1845 Thilo, StGB für das Großherzogthum Baden, S. 434: „Die Gefahr, welche theils unmittelbar für die in den brennenden Gebäuden und in deren Nähe befindlichen Menschen, theils mittelbar für die Löschenden und Rettenden entsteht; b) die Gefahr für das Eigenthum, deren Umfang der Brandstiftung im Voraus nie übersehen kann.“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

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a) Die Problematik der Anzündung einer Wohnung durch die Bewohner Die steigende Verbreitung von Feuerversicherungen im 19. Jahrhundert führte zugleich zu einer Zunahme von Eigentümerbrandstiftungen an Wohngebäuden zum Zwecke des Versicherungsbetruges.329 Im Falle der Anzündung eines Wohngebäudes durch den einzigen oder alle Bewohner war die Einschlägigkeit des § 285 Nr. 1, Alt. 1 preuß. StGB jedoch umstritten.330 Hiervon hing ab, ob der oder die Bewohner allein wegen Brandstiftung dritter Klasse gem. § 244 preuß. StGB zu bestrafen waren, die Geldstrafe oder Zuchthaus bis zu zehn Jahren vorsah, oder ob zusätzlich die verschärften Rechtsfolgen des § 285 preuß. StGB griffen, der eine Mindeststrafe von zehn Jahren Zuchthaus anordnete. Hinsichtlich der Begründung der Wohnungseigenschaft des Tatobjekts, der sog. Widmung, bestand Einigkeit, dass allein die faktische Wohnnutzung und zwar unabhängig von jeder zivilrechtlichen Berechtigung der Bewohner ausschlaggebend war.331 Ein neu errichtetes, aber noch nicht bezogenes Wohngebäude war zwar zum Wohnen bestimmt, diente aber bis zum Einzug der Bewohner noch nicht als Wohnung.332 Hingegen war umstritten, inwieweit die Anzündung eines Wohngebäudes durch den oder die Bewohner als strafbare Wohnungsbrandstiftung gem. § 285 Nr. 1 preuß. StGB bewertet werden konnte. Die Motive zum preuß. StGB klassifizierten ausdrücklich auch den Fall der einverständlichen Anzündung des eigenen Wohnhauses durch alle Bewohner als Fall der Wohnungsbrandstiftung, da die Norm auch entferntere Lebensgefahren für Dritte zu berücksichtigen suche, die ohne Wissen der Bewohner ins Tatobjekt eingetreten und durch dessen Anzündung gefährdet seien könnten.333 Auch Oppenhoff ging – allerdings ohne Begründung – davon aus, dass es für § 285 Nr. 1, Alt. 1 preuß. StGB genüge, dass „das Gebäude auch nur dem Angeklagten allein zur Wohnung dient.“ 334 Doch lässt sich beiden Stellungnahmen nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen eine zu Wohnzwecken dienende Räumlichkeit ihren Status wieder verlieren konnte. Erkennbar ist allein, dass die Anzündung des Tatobjekts durch die Bewohner offensichtlich nicht als tauglicher Deklassifizierungsakt bewertet wurde, was auf eine partiell vom aktuellen Nutzungswillen

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Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 89 f. Diese Sachlage wurde in späterer Zeit zu § 306 Nr. 2 StGB a. F., § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. unter dem Stichwort der „Entwidmungsproblematik“ diskutiert, vgl. § 1 B. IV. 2. c) und § 2 II. 2. b). 331 Goltdammer, Materialien II, S. 640; Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1050. 332 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1050 f.; Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 509. 333 Goltdammer, Materialien II, S. 643. 334 Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 509. 330

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der brandstiftenden Bewohner abstrahierte Bestimmung des Merkmals „zur Wohnung von Menschen dienen“ hindeutet.335 Für diesen Standpunkt spricht immerhin, dass der Wille zur Beendigung der Wohnnutzung, der sich durchaus in der Anzündung des Wohngebäudes manifestieren kann, für Außenstehende typischerweise nicht als Aufgabe der qualifizierten Nutzung zu erkennen sein wird. Nach außen besteht vielmehr der Eindruck, dass ein zu Wohnzwecken dienendes Gebäude brennt, so dass sich Dritte z. B. zu einem rettenden Eingreifen veranlasst sehen könnten. Die in den Materialien zum preuß. StGB zum Ausdruck gebrachte Auffassung, ein Wohngebäude sei auch im Fall der Anzündung durch den oder die Bewohner taugliches Tatobjekt des § 285 Nr. 1 preuß. StGB, entsprach einer verbreiteten Auffassung im partikularrechtlichen Brandstrafrecht. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass zahlreiche Strafgesetzbücher die Eigentümerbrandstiftung an Wohngebäuden nur unter der Voraussetzung der prozessual festgestellten Gefährlichkeit der Tat als Brandstiftung erster Klasse bewerteten.336 Zwar knüpften diese begünstigenden Sonderregelungen an die Stellung als Eigentümer und nicht an die als Bewohner an, dem Gedanken folgend, dass allein der Eigentümer mit seiner Sache nach Belieben verfahren und diese auch durch Feuer zerstören dürfe, solange Rechte Dritter nicht tangiert wurden. Doch es ist naheliegend zu vermuten, dass im Regelfall die brandstiftenden Eigentümer zugleich auch Bewohner des Tatobjekts gewesen sein dürften, so dass selbst im Falle der Anzündung seitens der Eigentümer-Bewohner das Tatobjekt weiterhin als „Wohngebäude“ klassifiziert wurde. Allerdings zeigt die in einem Teil der partikularrechtlichen Strafgesetzbücher vorgesehene Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, dass die konkret ungefährliche Eigentümer-Bewohnerbrandstiftung an einem Wohngebäude eben nicht durchgängig als strafwürdiges Brandstiftungsunrecht bewertet wurde. Im Gegensatz zur Auffassung der Motive zum preuß. StGB 1851 nahm Temme an, dass die seiner Ansicht nach in § 285 preuß. StGB enthaltene Lebensgefährdungsfiktion entfalle, sofern die Räumlichkeit nur vom Brandstifter selbst als Wohnung oder zum Aufenthalt benutzt werde.337 Die dort fixierte Gefahr beziehe sich nur auf das Leben anderer Personen, so dass – so die Essenz seiner Argumentation – der Schutzzweck der Norm bei Tatbegehung durch die brand335

Vgl. § 1 B. IV. 2. c). Vgl. zu den im Einzelnen abweichenden Voraussetzungen der Eigentümerprivilegierung Art. 252, 248, 249 StGB Bayern 1813; Art. 257, 253, 254 StGB Oldenburg 1814; Art. 174 CrimGB Sachsen 1838; Art. 381 StGB Würtemberg 1839; Art. 414 StGB Hessen 1841; § 554 StGB Baden 1845; Art. 408 StGB Passau 1849; Art. 163 StGB Thüringen 1850; Art 210 StGB Sachsen 1855; Art. 350 StGB Bayern 1861; sowie Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 585 ff.; dazu unter § 1 A. III. 4. b) bb). 337 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1051; ähnlich Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (16 f.); vgl. auch § 1 A. IV. 1. 336

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stiftenden Bewohner nicht einschlägig sei.338 Zudem diene das Gebäude in diesem Fall nicht mehr, wie vom Wortlaut des § 285 Nr. 1 preuß. StGB gefordert, als Wohnung. Inwieweit die Anzündung einer Wohnung durch den einzigen bzw. alle Bewohner § 285 Nr. 1 preuß. StGB unterfällt, muss an dieser Stelle nicht abschließend entschieden werden. Es genügt die Feststellung, dass sich die Diskussion weniger auf die Frage konzentrierte, ob ein Wohngebäude, dass durch die Bewohner angezündet wurde, mit Rücksicht auf den Wortlaut überhaupt noch als Wohnung bewertet werden konnte. Vielmehr lag der Schwerpunkt der Debatte darauf, inwieweit die Anzündung einer Wohnung durch alle Bewohner mit Blick auf mögliche Gefährdungen für das Leben Dritter ein hinreichendes Gefährdungsunrecht der Brandstiftung erster Klasse verkörperte.339 Diese Frage wird zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. und § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. erneut aufzugreifen sein.340 b) Kirchenbrandstiftung gem. § 285 Nr. 1, Alt. 2 preuß. StGB Neben der Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten erfasste § 285 Nr. 1 preuß. StGB die Inbrandsetzung eines zum Gottesdienst bestimmten Gebäudes, die sog. „Kirchenbrandstiftung“.341 Die dogmatische Bewertung dieser Tatvariante, deren Aufnahme in den Motiven mit der durch die Inbrandsetzung dieser Objekte vermittelten besonders großen Gefahr für die übrigen Gebäude des Ortes begründet wurde, war von Anfang an umstritten.342 Das Schrifttum bemängelte, der Verweis auf die Entstehung einer besonderen (Brandübertragungs-)Gefahr sei wenig stichhaltig, da es bisweilen kleine und zudem isoliert stehende Kirchen und Ka338 Mögliche Gefährdungen für Dritte bewertete Temme nicht als tatbestandsadäquates Risiko, vgl. § 1 A. IV. 1.; zustimmend Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (329). 339 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 41: „Dabei würden aber immer noch einzelne Fälle übrig bleiben, in denen ein unmittelbares Anwenden des in der ,Gefahr für Personen‘ liegenden leitenden Prinzips den Entscheid bringen müßte, z. B. wenn die das bewohnte Gebäude bewohnenden Brandstifter die einzigen Bewohner waren, die denn doch nicht als in Gefahr gebracht angesehen werden können.“ 340 Vgl. § 1 B. IV. 2. c) und § 2 II. 2. b). 341 Erwähnenswert ist, dass die Kirchenbrandstiftung erstmals in § 529 E 1843 Eingang in die Brandstiftung erster Klasse fand, und damit in einem späteren Stadium als Wohnungen oder gewöhnliche Aufenthaltsorte von Menschen, deren Anzündung bereits § 624 E 1833 als gemeingefährlich bewertet hatte. Auch die folgenden § 353 E 1846; §§ 358, 359 E 1847; § 196 E 1848 und Art. 203 E 1849 benannten zum Gottesdienst bestimmte Gebäude weiterhin als taugliche Tatobjekte der Brandstiftung erster Klasse. 342 Goltdammer, Materialien II, S. 643; vgl. auch Verhandlungen der Kommission des Staatsraths über den revidirten Entwurf des Strafgesetzbuchs (Berlin 1846), in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 1, S. 289: „Den Wohngebäuden sollen ausdrücklich gleichgestellt werden, die zum Gottesdienst bestimmten Gebäude, wie dies in Berücksichtigung der für die übrigen Gebäude des Orts, aus dem Brande einer Kirche entstehenden großen Gefahr mit 7 Stimmen gegen 4 beschlossen wurde, so wie die bewohnten Schiffe und Hütten.“; Radtke, Dogmatik, S. 267.

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pellen gebe, mit deren Anzündung eine entsprechende Gefahr nicht verbunden sei.343 Zudem sei der Bezug der zum Gottesdienst bestimmten Gebäude mit Blick auf mögliche Lebensgefährdungen Dritter im Vergleich mit den übrigen Tatobjekten des § 285 preuß. StGB deutlich schwächer ausgeprägt, da diese über die Wohnnutzung (Nr. 1) bzw. die Tatzeitklausel (Nr. 2, 3) einen deutlich engeren Bezug zum Rechtsgut Leben vermitteln würden.344 Angesichts des von Teilen des Schrifttums als defizitär erachteten Konnexs zur abstrakten Lebensgefährlichkeit der Tat, wurde – losgelöst von den Vorstellungen der Motive – die „Heiligkeit des Ortes“ als Schutzzweck der Kirchenbrandstiftung in den Vordergrund gerückt.345 Eine nähere Begriffsbestimmung der „Heiligkeit des Ortes“ findet sich zwar nicht, doch mutmaßlich handelt es sich hierbei – in der heutigen Terminologie gesprochen – um das Schutzgut des „öffentlichen (Religions-)Friedens“.346 Eine Verbindung des abstrakten Lebensschutzes mit der Bewahrung der „Heiligkeit des Ortes“ lässt sich für § 285 preuß. StGB indessen nicht nachweisen.347 Festzuhalten ist, dass die zum Gottesdienst bestimmten Räumlichkeiten im Vergleich mit anderen Partikularstrafgesetzbüchern ein untypisches Tatobjekt der 343 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 47 f., beanstandet, es wäre „. . . passend gewesen die zum Gottesdienst bestimmten Gebäude nicht in den § 285 zu bringen, in welchem die Gefahr für Personen die leitende Norm ist, wenn man nicht mit der Immed. Comm. von 1845 annimmt, dass die Gleichstellung der zum Gottesdienst bestimmten Gebäude mit den zur Wohnung dienenden sich auf die Berücksichtigung der für die übrigen Gebäude des Orts aus dem Brande von Kirchen entstehenden großen Gefahr gründe. Aber wie manche zum Gottesdienst bestimmte Gebäude, zumal in katholischen Gegenden, stehen ganz isoliert.“; kritisch auch Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 610 f.: „Das preußische Strafgesetzbuch hatte als Gegenstand der Brandstiftung ein zum Gottesdienst bestimmtes Gebäude bezeichnet, ohne Rücksicht auf den zeitweiligen Aufenthalt von Menschen in demselben, nicht um der besonderen Heiligkeit des Gebäudes willen, sondern wegen der für die übrigen Gebäude des Ortes aus dem Brande von Kirchen sich ergebenden Gefahr, eine Gefahr, welche bei abgelegenen und einsam stehenden gottesdienstlichen Gebäuden nicht vorhanden ist.“ 344 Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (16): „Mit welchem Recht vermuthet man z. B. bei dem Thäter, der zur Nachtzeit eine völlig isoliert stehende Kirche in Brand setzt, das Bewußtsein einer Gefahr für Menschenleben? Sollte sich wirklich ein Mensch zur Zeit der That in der Kirche befunden haben und durch den Brand umgekommen sein, so liegt ein solcher Fall unbedingt so sehr außerhalb jeder menschlichen Berechnung, daß er dem Thäter gewiß nicht zugerechnet werden kann.“; Radtke, Dogmatik, S. 274; a. A. bei § 2 II. 1. e) bb) (1). 345 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1051: „Dem Anzünden mit Gefahr für Menschenleben ist positiv gleichgestellt das Anzünden eines zum Gottesdienste bestimmten Gebäudes; es ist hier an die Stelle der Gefahr für Menschenleben die Heiligkeit des Ortes gestellt.“; Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 509: „Auch das gottesdienstliche Gebäude muss dieser Bestimmung zur Zeit wirklich dienen, da die Heiligkeit des Ortes und nicht die aus dem Brande einer Kirche entspringende große Gefahr das Motiv für die Vorschrift abgibt.“ 346 Zu § 306a Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F. vgl. § 2 II. 1. e) bb) (2). 347 Anders jedoch Teile des Schrifttums bei § 306 Nr. 1 StGB a. F. vgl. § 1 B. IV. 2. a).

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Brandstiftung erster Klasse waren, was erklärt, warum diese Fallgruppe besonders umstritten war. Allein § 547 StGB Baden 1845 benannte ebenfalls Kirchen als taugliche Tatobjekte der Brandstiftung erster Klasse.348 In den übrigen Partikularstrafgesetzbüchern wurden Kirchen nur relativ im Rahmen des tatsächlichen oder gewöhnlichen Aufenthalts von Menschen geschützt, ohne im Gesetz gesondert Erwähnung zu finden.349 Die Kritik des Schrifttums an der in den Motiven angegebenen Begründung, von der Kirchenbrandstifung gehe für die übrigen Gebäude des Ortes eine gesteigerte Gefahr aus, trifft insofern zu, als diese Tatobjekte nicht zwangsläufig eine zentrale Stellung in Siedlungskomplexen einnehmen und zudem schon § 287 preuß. StGB die Verursachung einer abstrakten Brandübertragungsgefahr auf die in §§ 285, 286 preuß. StGB bezeichneten Tatobjekte erfasste. Die Behauptung, dass der Bezug der Kirchenbrandstiftung zur abstrakten Lebensgefährlichkeit im Vergleich zu den übrigen Tatobjekten des § 285 preuß. StGB vollkommen aufgehoben sei, wie es Äußerungen des Schrifttums bisweilen nahelegen, geht jedoch zu weit.350 Denn diese Einschätzung erklärt sich vor allem aus der mit Skepsis zu bewertenden Ansicht, die qualifizierte Nutzung der in § 285 preuß. StGB aufgezählten Tatobjekte stehe stellvertretend für den vermuteten Personenaufenthalt im Tatobjekt. Wie einleitend dargelegt, war selbst die Wohnungsbrandstiftung als Referenzfall der Brandstiftung erster Klasse nicht der Vorstellung eines permanenten Personenaufenthalts im Tatobjekt verhaftet, sondern es ging um die erfahrungsgemäß gesteigerte Lebensgefährlichkeit der Tat, die aus dessen besonderer Nutzungsbestimmung folgte.351 Daher fügt sich die Kirchenbrandstiftung durchaus in die Konzeption des strikt abstrakten Lebens- und Eigentumsschutzes, sofern die qualifizierte Nutzung schlicht als Anknüpfungspunkt für die allgemein gesteigerte Gefährlichkeit der Tat begriffen wird. In einem zum Gottesdienst bestimmten Gebäude halten sich – ebenso wie in Wohnungen – nicht permanent Personen auf.

V. Abschließende Bemerkungen zu den §§ 285 ff. preuß. StGB 1851 Die Analyse der Strukturen und der Entstehungsgeschichte der §§ 285, 286 preuß. StGB hat wiederholt gezeigt, dass die präzise Bestimmung des Bedeu348 Vgl. aber Art. 182 CrimGB Hannover 1840, wonach bei der Strafzumessung auch auf die Heiligkeit des beschädigten Gebäudes Rücksicht zu nehmen sei. 349 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 27; Thilo, StGB für das Großherzogthum Baden, S. 435 begründet die Gleichstellung der Anzündung von Wohngebäuden und Kirchen mit der für Menschen in beiden Fällen bestehenden Gefahr. 350 Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1051; so auch zu § 306a Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F. Radtke, Dogmatik, S. 267 f. 351 Dazu eingehend vgl. § 1 A. IV. 1. a).

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tungsgehalts der abstrakten Gemeingefahr bzw. der Gemeingefährlichkeit essentielle Vorbedingung ist, um zu einer sachgerechten Beurteilung des Schutzzwecks beider Normen sowie ihres intrasystematischen Zusammenhangs zu gelangen. Die rückblickende Ermittlung des materiellen Bedeutungsgehalts der Gemeingefährlichkeit ist freilich dadurch erschwert, dass sich im Verlauf der komplexen Evolution des preußischen Brandstrafrechts in den Entwürfen von 1828–1849 sowohl eine Wandlung des materiellen Begriffsverständnisses als auch der gesetzestechnischen Implementierung dieses Anliegens feststellen lässt.352 Während § 39 E 1828 noch bemüht war, das Wesen der brandbedingten Gemeingefahr durch Anknüpfung an das Kriterium der unbestimmten Brandausbreitungsgefahr zu charaktersieren, stellte § 624 E 1833 die Bedrohung von Wohnungen und gewöhnlichen Aufenthaltsorten von Menschen durch Feuer der Erregung einer gemeinen Gefahr gleich.353 Die im E 1833 erstmals anzutreffende Technik der Kennzeichnung von als gemeingefährlich erachteten Situationen mittels Benennung ausgewählter Tatobjekte verdrängte sukzessiv die tatbestandliche Anknüpfung an die gemeine Gefahr und etablierte sich ab dem E 1848 als dominante Regelungstechnik. Ursächlich für diesen wegweisenden Systemwechsel war, dass die als maßgeblich erachteten Kriterien der Gemeingefahr im engeren Sinn, speziell die unbestimmte Brandausbreitungsgefahr,354 die Unkontrollierbarkeit des Brandes oder die vielbeschworene „Feuersbrunst“, nur Teilaspekte des heterogenen brandbedingten Gefährdungspotentials kennzeichneten und nicht die Erfassung aller als besonders gefährlich erachteten Fälle des Umgangs mit Feuer gewährleisteten.355 Sowohl die eigentümliche Unberechenbarkeit und Dynamik des Tatmittels Feuer als auch der Umstand, dass die Gefährdungsintensität maßgeblich durch die Umstände des Einzelfalls determiniert ist, vereitelten eine justiziable Konkretisierung der bisweilen phantomhaft anmutenden gemeinen Gefahr.356 Aufgrund ihres generalklauselartigen Charakters ist die Zuwendung der 352 Goltdammer, Materialien II, S. 638 ff.; Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1042 ff.; Beseler, Kommentar, S. 522 ff. 353 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 444; Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 3, S. 658 f.; Radtke, Dogmatik, S. 123. 354 Dass Teile des Schrifttums und mitunter auch die Rechtsprechung (speziell bei § 286 preuß. StGB, vgl. § 1 A. III. 2.) nach Erlaß des preuß. StGB 1851 hartnäckig an der konservativ positivistischen Deutung der Gemeingefahr im Sinne einer Brandausdehnungswahrscheinlichkeit festhielten, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass dieses Moment immerhin einen objektiven Anhaltspunkt darstellte, anhand dessen die Beurteilung als gemeingefährlich überhaupt verifiziert werden konnte, während dies bei dem zentralen Risikofaktor von Bränden, nämlich den Rauchgasen, (noch) nicht möglich war. 355 Vgl. § 1 A. II. 5. Die Verursachung einer „Feuersbrunst“, also eines in Ausdehnung begriffenen erheblichen Schadfeuers, verkörpert die höchstmögliche Verdichtung der elementaren Naturgewalt Feuer und kann als „worst case“, nicht aber als Mindestbedingung der brandbedingten Gemeingefahr angesehen werden, dazu vgl. § 1 A. II. 1. 356 Radtke, Dogmatik, S. 92, 98 ff.; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 25 f.

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§§ 285, 286 preuß. StGB zur kasuistisch-fragmentarischen Kennzeichnung typischerweise als gemeingefährlich erachteter Situationen eine nachvollziehbare Entscheidung, die zudem der gängigen Regelungstechnik des partikularrechtlichen Brandstiftungstrafrechts im 19. Jahrhundert entsprach und im Schrifftum auch auf Zustimmung stieß.357 Die Strukturen des preuß. StGB von 1851 weisen mit Bestimmtheit darauf hin, dass die Gemeingefahr letztlich nicht mehr als reales Faktum, d.h. als messbarer Zustand oder Erfolg verstanden wurde, sondern schlicht auf das Ergebnis eines prognostischen Bewertungsprozesses, ein Werturteil, verwies: Das Gesetz selbst benannte in den §§ 285, 286 preuß. StGB abschließend solche Situationen, die es abstrakt als strafwürdiges brandstiftungsspezifisches Gefährdungsunrecht einstufte.358 Der die Tatvollendung der §§ 285, 286, 287 preuß. StGB markierende Erfolg der Inbrandsetzung der genannten Tatobjekte verdeutlicht, dass schon die aufkeimende Gefahr in ihren frühsten Anfängen, weit vor der Realisierung konkreter Gefährdungen oder Verletzungen von Eigentum und/oder Leben erfasst werden sollte.359 Nicht wegen dem, was „passiert ist“, sondern wegen dem, was „hätte passieren können“ oder präziser: wegen den in solchen Fällen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit drohenden Folgen, wurde die Anzündung der in §§ 285, 286 preuß. StGB genannten Tatobjekte, bzw. deren Gefährdung durch Feuer (§ 287 preuß. StGB) mit einem strikten Verbot belegt. Die Ungefährlichkeit der Tatbestandsverwirklichung im Einzelfall stellt demnach die pauschale Bewertung der entsprechenden Handlung als gefährlich nicht in Frage. Nur soweit die abstrakte Gemeingefährlichkeit im vorbezeichnenden Sinn als der die §§ 285, 286 preuß. StGB verbindende „rote Faden“ begriffen wird, ist das weitgehend abstrahierte Verhältnis beider Tatbestände zu den jeweils mittelbar geschützten Rechtsgütern verständlich, die sich in den tatbestandlichen Hand-

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Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 164; John, GA 3 (1855), S. 58 (64 f.). Nochmals ist eindringlich darauf aufmerksam zu machen, dass sich diese Entwicklung schon bei jenen Entwürfen zum preuß. StGB im Zeitraum von 1833–1847 andeutete, die tatbestandlich noch die Verursachung einer gemeinen Gefahr erforderten. Diese ordneten durchweg Tatvollendung mit der Anzündung derjenigen Gegenstände an, die die Gefahr vermitteln konnten. Die gemeine Gefahr in diesem Sinn verwies lediglich auf die erfahrungsgemäß eintretenden Gefährdungen oder Verletzungen von Leib und/oder Eigentum und rückte damit die latente Gefährlichkeit der Tat als eigentliches Brandstiftungsunrecht in den Vordergrund. Die Gemeingefahr im Sinne einer realen, d. h. konkreten und verdichteten Gefahr, war in diesem Stadium schon weitgehend entkernt und auf den Aspekt der erfahrungsgemäß eintretenden Gefährlichkeit reduziert worden, vgl. § 1 A. II. 3 und § 1 A. II. 4. 359 von Woringen, ACR 1843, S. 205 (219 f.); MüKo-StGB/Radtke, Vor §§ 306 ff. Rn. 2; Kratzsch, JR 1987, S. 360 (363) sieht das Wesen der gemeingefährlichen Delikte in der Erfahrung begründet, dass durch die „. . . Entfesselung von Naturgewalten und Kräften wie Feuer, Überschwemmung u. a. Gefahrprozesse in Gang gesetzt werden, die – bereits frühzeitig im Vorfeld der drohenden Verletzung vom Täter nicht mehr beherrscht werden können und – zugleich ein hohes Gefährdungspotential freisetzen.“ 358

A. Das preußische Brandstrafrecht von 1851

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lungsobjekten allenfalls andeutungsweise reflektieren.360 Die Konzeption der abstrakten Gemeingefährlichkeit im preuß. StGB lässt sich folglich in der Weise zusammenfassen, dass das Gesetz in §§ 285, 286 preuß. StGB als tatbestandlichen Erfolg die Eröffnung von Gefährdungsquellen beschrieb, also von Situationen, aus denen typischerweise erhebliche Gefährdungen und/oder Verletzungen von Eigentum bzw. Leben hervorgingen.361 Für den weiteren Fortgang der Untersuchungen folgt daraus zunächst, dass die §§ 285, 286 preuß. StGB als abstrakte Gefährdungsdelikte zu klassifizieren sind. Zwischen beiden Normen besteht kein struktureller Unterschied hinsichtlich der Kennzeichnung brandbedingter Gefahrenquellen, sondern beide stehen in einem genuinen Stufenverhältnis dergestalt zueinander, dass § 285 preuß. StGB als lex specialis additiv auf dem Unrecht der in § 286 preuß. StGB skizzierten Gefährdungslage aufbaut und eine abstrakte Verdichtung der brandbedingten Gefährlichkeit beschreibt.362 Die abstrakte Eigentumsgefährdung ist demnach das beide Normen verbindende Element. Wird demgegenüber die Erfassung der Gemeingefährlichkeit als gemeinsame Intention der §§ 285, 286 preuß. StGB in Frage gestellt, dann zwingt dies zu der bedenklichen These einer „genetisch“ bedingten Spaltung des intrasystematischen Verhältnisses beider Normen. Wenn § 286 preuß. StGB auf den gegenständlich-konkreten Eigentumsschutz am Tatobjekt im Sinne der sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodelle verengt und für § 285 preuß. StGB allein der abstrakte Lebensschutz als Schutzziel akzeptiert wird, so dienen beide Normen vollkommen unterschiedlichen Belangen; ein Ergebnis, das angesichts weitgehend identischer Tatbestandsstrukturen und des engen systematischen und historischen Zusammenhangs nicht überzeugen kann.363 Dass aber die einheitliche 360 Vgl. von Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 9, S. 31 (48): „Die Beziehung der Inbrandsetzung solcher spezifischer B.-Objekte zu den hier in Frage stehenden Schutzobjekten: Leben, Körperintegrität, Eigentum kommt in der Formulierung des Tatbestandes so wenig zum Ausdruck wie das Moment der Gefahr. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß gerade die Einwirkung auf bestimmte Sachen durch das Mittel des Feuers der B. das Gepräge einer gemeinen Gefahr für die bezeichneten Rechtsgüter verursachenden Verbrechens gibt. Es genügt die abstrakte Gefahr.“; Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 507: „Die Bezeichnung der in diesem Titel behandelten Straffälle als ,gemeingefährliche Verbrechen‘ darf nicht zur Ergänzung des Thatbestandes der in den einzelnen §§ vorgesehenen Strafthaten benutzt werden. Insoweit daher die speziellen Begriffsbestimmungen einer solchen Gemeingefährlichkeit keine Erwähnung thun, bedarf es derselben auch zur Feststellung des Thatbestandes nicht; selbst der Nachweis, daß eine Gemeingefahr nicht obgewaltet habe, würde die Anwendbarkeit des betr. § nicht ausschließen.“ 361 Vgl. Radtke, Dogmatik, S. 154 f. 362 Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (21), bezeichnet § 286 preuß. StGB als „einfache“ und § 285 preuß. StGB als „qualifizierte“ Brandstiftung; Beseler, Kommentar, S. 525: „Sind also z. B. Gebäude, welche zur Wohnung von Menschen dienen, angezündet worden, so ist der Fall des § 285 Nr. 1 vorhanden, und § 286 dadurch ausgeschlossen.“ 363 An dieser Stelle sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass die frühen Entwürfe für ein preuß. StGB von 1828–1836 (noch) nicht zwischen der Brandstiftung erster und

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Orientierung der §§ 285, 286 preuß. StGB an der abstrakten Gemeingefährlichkeit von Anfang in Frage gestellt wurde, ist vermutlich nicht zuletzt auch der erheblich divergierenden Strafandrohung beider Normen geschuldet, denn § 285 preuß. StGB verfünffachte die Mindeststrafandrohung gegenüber § 286 preuß. StGB. Obwohl also die tatbestandlichen Strukturen identisch waren – es genügte die unmittelbare oder mittelbare Inbrandsetzung gewisser Tatobjekte –, deuteten die Rechtsfolgen im Gegensatz dazu darauf hin, dass zwischen beiden Normen ein massiv divergierender Unrechtsgehalt bestehen müsse. Zwar besteht – wie gezeigt – durchaus eine unterschiedlich geartete Gefährlichkeit zwischen §§ 285, 286 preuß. StGB, doch das Ausmaß der Divergenz der Strafandrohung (§ 285 preuß. StGB: zehn Jahre bis lebenslänglich Zuchthaus; §§ 286, 10 Abs. 2 preuß. StGB: zwei bis zehn Jahre Zuchthaus) lässt sich nicht überzeugend begründen. Daher ist zu vermuten, dass in den harten Rechtsfolgen des § 285 preuß. StGB die kriminalpolitische Absicht zum Ausdruck kam, die vorsätzliche Anzündung der darin genannten Tatobjekte um jeden Preis zu verhindern und Tatgeneigte durch drakonische Strafe abzuschrecken.364 Darauf deutet auch der niedrige Strafrahmen der fahrlässigen Brandstiftung gem. § 288 preuß. StGB hin, der sich gleichermaßen auf die Tatobjekte des §§ 285, 286, 287 bezog und lediglich Gefängnis bis zu sechs Monaten und, wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hatte, Gefängnis von zwei Monaten bis zu zwei Jahren vorsah. Selbst eine kritische Würdigung des preuß. StGB 1851 kann nicht verhehlen, dass das Ziel, sichere Tatbestände ohne tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu schaffen, die nicht mit den rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten der Bestimmung der (Gemein-)Gefahrlichkeit verbunden waren, durch die abstrakte Konzeption der §§ 285 ff. preuß. StGB erreicht wurde.365 Auf der anderen Seite liegt die oftmals benannte Problematik des gewählten Regelungssystems darin begründet, dass dem Rechtsanwender angesichts der so „fixierten Tatbestände“ kein Auslegungsspielraum mehr verblieb, um solche Konstellationen aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich auszuscheiden, in denen der Brandstiftung konkret keine nennenswerte Gefährlichkeit attestiert werden konnte, weshalb die harte Bestrafung des Täters dann schlicht überzogen erschien. Zweifel an der Legitimität der wortlautgetreuen Anwendung der §§ 285, 286 in diesen Konstellationen sind aus den diversen Stellungnahmen des Schrifttums immer wieder deutlich geworden.366 Diese Problematik wurde im preußischen Brandstrafrecht zweiter Klasse differenzierten, vgl. § 1 A. II. 1 und § 1 A. II. 2. Ebenso Art. 208 ff. StGB Sachsen 1855. 364 John, GA 3 (1855), S. 58 (67); kritisch von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (601). 365 Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (321); Pils, Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Brandstiftung, S. 459 f.; John, GA 3 (1855), S. 58 (64 f.). 366 Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (329): „Das System nämlich, welchem freilich auch andere Deutsche Gesetzbücher folgen, die Gefahr für Menschenleben vermöge der Eigenschaft der Sache abstrakt aufzufassen, führt zu den unverkennbaren Härten.“;

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durch die im Vergleich zu anderen Partikularstrafgesetzbüchern rigide Ausrichtung an der rein abstrakt verstandenen Gefährlichkeit noch verschärft.367 Denn diese berücksichtigten immerhin die konkrete Gefährlichkeit der Tat für Leben und/oder Eigentum als Maßstab für die Abgrenzung zwischen der strafbaren gefährlichen und der straflosen ungefährlichen Eigentümerbrandstiftung erster bzw. zweiter Klasse.368 Außerdem enthielten alle anderen Partikularstrafgesetzbücher (!) mit Ausnahme des preuß. StGB 1851 Regelungen über die tätige Reue, die voraussetzten, dass der Täter den Brand nach Ausbruch wieder löschte, mit der Folge der Straflosigkeit bzw. der erheblichen Absenkung des Strafrahmens.369 Dass das preuß. StGB 1851 im Bemühen, Gefährdungen bereits „im Keim“ zu erfassen, stellenweise „übers Ziel“ hinausgeschossen ist, tritt bei der alternativen Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB deutlich zu Tage.370 Bereits die bloße Möglichkeit einer Brandübertragung auf die in §§ 285, 286 preuß. StGB genannten Tatobjekte wurde deren unmittelbarer Inbrandsetzung gleichgestellt, was auf eine weitere Verdünnung des Prinzips der abstrakten Gefährlichkeit hinauslief und zudem die Grenze zwischen Versuch und Vollendung fast vollständig verwischte.371 Der Vorwurf, die Strenge und Rigidität der §§ 285, 286 preuß. StGB verletze bisweilen die Einzelfallgerechtigkeit, ist angesichts der hohen Strafrahmen nicht von der Hand zu weisen und erklärt zugleich die in Teilen des Schrifttums als notwendig empfundene dogmatische Restriktion der abstrakten Gemeingefährlichkeit im Wege der einschränkenden Auslegung, speziell bei § 285 preuß. StGB.372 Diese Bemühungen haben insbesondere bei § 286 preuß. StGB in den

Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 186 ff.; auch Temme forderte daher ein „Mehr“ an Gefährlichkeit, vgl. Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1052 ff. 367 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 173: „Der objektive Standpunkt der Gefährlichkeit ist in diesem G.B. viel strenger festgehalten und die Beimischung des Subjectiven gemieden, als in den übrigen neuen Strafgesetzbüchern.“ 368 Dazu vgl. § 1 A. III. 4. b) bb). 369 Zu den im Einzelnen unterschiedlichen Voraussetzungen der tätigen Reue, vgl. Art. 253 StGB Bayern 1813; Art. 258 StGB Oldenburg 1814; Art. 178 CrimGB Sachsen 1838; Art. 383 StGB Würtemberg 1839; § 208 CrimGB Braunschweig 1840; Art. 187 CrimGB Hannover 1840; § 561 StGB Baden 1845; Art. 410 StGB Passau 1849; Art. 416, 417 StGB Hessen 1841; Art. 167 StGB Thüringen 1850; § 168 StGB Österreich 1852; Art. 213 StGB Sachsen 1855; Art. 351, 352 Abs. 2 StGB Bayern 1861. 370 Vgl. § 1 A. III. 4. d). 371 Im Kontrast dazu war die Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung in anderen Partikularstrafgesetzbüchern allein auf die Brandstiftung erster Klasse beschränkt, vgl. Art. 248, 250, 251 StGB Bayern 1813; Art. 253, 255, 256 StGB Oldenburg 1814; Art. 378, 380 StGB Würtemberg 1839; Art 182, 185 CrimGB Hannover 1840; Art. 171, 174 CrimGB Sachsen 1838; Art. 161, 164 StGB Thüringen 1850. 372 Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307 (329 f.); Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1050, 1054; Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (16 f.).

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sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodellen und bei § 285 preuß. StGB in der These einer Präsumtion der konkreten Lebensgefahr/Lebensgefährlichkeit der Tat ihren Ausdruck gefunden. Doch so berechtigt die erhobene Kritik mit Blick auf die Einzelfallgerechtigkeit auch ist, so bleibt die Feststellung der de lege lata vom preuß. StGB 1851 grundsätzlich gesuchten Anknüpfung an die abstrakte Gemeingefährlichkeit davon unberührt, so dass die geschilderten Einschränkungsversuche mit der genuinen Zielsetzung der §§ 285, 286 in Konflikt geraten mussten.373

B. Die Entwicklung des Brandstrafrechts im Zeitraum von 1871 bis 1998 I. Das Brandstrafrecht im StGB 1871 Die Entstehung des StGB 1871 nimmt einen Umweg über das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Der Reichstag hatte den Bundeskanzler Bismarck mit Antrag vom 5. Juni 1868 ersucht, einen Entwurf für ein Strafgesetzbuch für den unter Vormachtstellung Preußens am 18. Juni 1866 gegründeten Norddeutschen Bund ausarbeiten zu lassen. Der mit dieser Aufgabe beauftragte preußische Justizminister Leonhardt legte schon im Juli 1869 den ersten Entwurf für ein Strafgesetzbuch (E Juli 1869) vor.374 Nach erneuter Revision dieses Entwurfs durch eine Kommission des Bundesrates entstand im Dezember 1869 ein überarbeiteter Entwurf, der am 11. Februar 1870 vom Bundesrat vorläufig angenommen und dem Reichstag vorgelegt wurde (E Reichstagsvorlage 1870).375 Dieser nahm am 25. Mai 1870 den nochmals modifizierten Entwurf an, der schließlich am 1. Januar 1871 als Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund in Kraft trat.376 Am 15. Mai 1871 wurde das Gesetz nach redaktioneller Überarbeitung 373 Letztlich war die gesetzliche Anknüpfung an die generelle Gefährlichkeit der Brandstiftung jedoch vollends gerechtfertigt, wie die spätere Analyse der brandspezifischen Risiken, insbesondere mit Blick auf die Gefährlichkeit von Rauchgasen, noch detailliert darlegen wird, vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1). 374 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 39 ff.; Schubert, GA 1982, S. 191 (194 ff.). 375 Der E Dezember 1869 und der E Reichstagsvorlage 1870 sind hinsichtlich der Brandstiftungsdelikte inhaltsgleich, weshalb im Nachfolgenden allein der E Reichstagsvorlage 1870 berücksichtigt wird, dazu Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 51 f.; Schubert, Verhandlungen des Bundesrats und des Reichstags des Norddeutschen Bundes, S. 7. 376 Für die anschließende Darstellung der §§ 306 ff. StGB a. F. wird sowohl auf die Motive zum E Juli 1869 als auch auf die Motive E Reichstagsvorlage 1870 zurückzugreifen sein, wobei anzumerken ist, dass die Ausführungen hinsichtlich des Brandstrafrechts von deutlich geringerem Umfang sind, als die ausgiebigen Materialien zum preußischen StGB 1851. Eine detaillierte Darstellung der Unterschiede zwischen dem E Juli 1869, E Dezember 1869 bzw. E Reichstagsvorlage 1870 und der endgültigen Fassung des StGB 1871 findet sich bei Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 39 ff., 43 ff., 51 ff.

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als „Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich“ (StGB a. F.) verkündet und trat am 1. Januar 1872 für das gesamte Deutsche Reich in Kraft.377 Die Brandstiftungsdelikte gem. §§ 306 ff. StGB a. F. lehnten sich konzeptionell eng an das preußische Brandstrafrecht an, wie die im E Juli 1869 vorgesehene fast wortwörtliche Übernahme der §§ 285 ff. preuß. StGB belegt.378 Auch das StGB 1871 folgte dem preußischen Strafgesetzbuch hinsichtlich der Platzierung der Brandstiftungsdelikte an der Spitze der gemeingefährlichen Delikte, und die Motive zum E Juli 1869 und zum E Reichstagsvorlage 1870 verweisen darauf, dass die dort genannten Delikte mit der „Wahrscheinlichkeit einer allgemeinen Gefahr für Menschen oder Sachen“ 379 verbunden seien.380 Die entscheidenden Modifikationen des Brandstrafrechts gegenüber den §§ 285 ff. preuß. StGB betrafen die Rechtsfolgenseite. Die schwere Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. – vormals § 285 preuß. StGB – sah anstelle einer Strafandrohung von zehn Jahren bis lebenslänglich Zuchthaus nur noch Zuchthaus von einem bis 15 Jahren vor. Im Fall der Herbeiführung des brandbedingten Todes eines Menschen, der sich zur Zeit der Tat in der in Brand gesetzten Räumlichkeit aufhielt, ordneten die §§ 306, 307 Nr. 1 StGB a. F. Zuchthaus von zehn Jahren bis lebenslänglich an, während § 285 preuß. StGB für diesen Fall noch die Todesstrafe vorgesehen hatte.381 Auch die Mindeststrafe der unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. – zuvor geregelt in § 286 preuß. StGB – wurde von zwei auf ein Jahr abgesenkt und die Tat konnte weiterhin mit maximal zehn Jahren Zuchthaus bestraft werden. Zudem konnte nun gem. § 308 Abs. 2 StGB a. F. im Falle mildernder Umstände eine Gefängnisstrafe von mindestens sechs Monaten verhängt werden, so dass die Mindeststrafe der unmittelbaren Brandstiftung mitunter auf ein Viertel der in § 286 preuß. StGB vorgesehenen Strafhöhe reduziert werden konnte. Diesselbe Sanktionsandrohung enthielt die mittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F., deren Anwendungsbereich gegenüber § 287 preuß. StGB jedoch erheblich verengt wurde.382 Die Umgestaltung der Tathandlung in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. von ehemals „in Brand gesteckt“ in jetzt „in Brand gesetzt“ war lediglich sprachlicher Natur.383 377

Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 54; Schubert, GA 1982, S. 191. Motive E Juli 1869, S. 300; Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 82 f.; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (194); Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 40, 46. 379 Motive E Juli 1869, S. 299; Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 82. 380 Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (27): „So geht der 27. Abschnitt des StGB ,Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen‘ offensichtlich von der in der späten gemeinrechtlichen Doktrin vertretenen Auffassung einer selbstständigen Deliktsgruppe aus.“; Begründung VE 1909, S. 599 f. 381 Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 83; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 52 f.; näher zu § 307 Nr. 1 StGB a. F. bei § 1 B. IV. 1. a). 382 Eingehend zu den Veränderungen bei § 1 B. III. 383 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 42. 378

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Des Weiteren beinhaltete der allein auf § 306 StGB a. F. bezogene Qualifikationstatbestand des § 307 StGB a. F. zwei neue Erschwerungsgründe, die aus anderen Partikularstrafgesetzbüchern übernommen wurden.384 § 307 Nr. 2 StGB a. F. erfasste die Verübung der Brandstiftung in der Absicht, um diese zur Begehung eines Raubes oder eines Mordes auszunutzen385 bzw. um einen Aufruhr zu erregen, und § 307 Nr. 3 StGB a. F. bezog sich auf die Entfernung oder Unbrauchbarmachung von Löschgerätschaften durch den Täter, um das Löschen des Brandes zu verhindern oder zu erschweren.386 Eine weitere relevante Veränderung war die Aufnahme der tätigen Reue in § 310 StGB a. F., so dass der Brandstifter nun straffrei blieb, wenn er den Brand löschte, bevor ein über die Inbrandsetzung des Tatobjekts hinausgehender Schaden entstanden war. Da das Brandstrafrecht in der Periode von 1871 bis zum Inkrafttreten des 6. StrRG 1998 nur minimale, für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand irrelevante, Veränderungen erfuhr, wird die Analyse der Debatten um Rechtsgüterschutz und Deliktstypus der §§ 306 ff. StGB a. F. für diesen Zeitraum „en bloc“ erfolgen.387

II. Zur unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. 1. Diskussion um Normzweck und Deliktstypus im Zeitraum von 1871–1945 Die unmittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. entsprach strukturell ihrem preußischen Vorläufer § 286 preuß. StGB,388 weshalb es nicht überrascht, dass sich die Debatte um Schutzzweck und Deliktstypus auf bekanntem Terrain bewegte, nämlich zwischen den gegenläufigen Positionen der „Gefährdungs-“ und der „Sachbeschädigungslösung“. Der schwankende Verlauf dieser Debatte, die zugunsten der „Sachbeschädigungslösung“ endete, soll in groben Zügen chronologisch nachgezeichnet werden:

384

Radtke, Dogmatik, S. 101. Vgl. Art. 171 Abs. 3 CrimGB Sachsen 1838; Art. 183 Abs. 8 CrimGB Hannover 1840; Art. 209 Abs. 1 c) StGB Sachsen 1855. 386 Vgl. Art. 171 Abs. 5 CrimGB Sachsen 1838; Art. 209 Abs. 2b) StGB Sachsen 1855. 387 So wurde durch das erste Strafrechtsreformgesetz vom 4. August 1969 [BGBl. I (1969), S. 645] die Zuchthausstrafe durch Freiheitsstrafe ersetzt, wobei der Strafrahmen unangetastet blieb [vgl. BGBl. I (1969), S. 1445, 1491]. Auch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 [BGBl. I (1974), S. 469, 493] brachte nur geringe sprachliche Modifikationen ohne inhaltliche Veränderungen mit sich, dazu Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 23 f. 388 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (25); Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 549; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (194). 385

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Die knappen Gesetzesmaterialien geben keine unmittelbare Auskunft über Schutzzweck und Deliktstypus des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.389 Doch die fortgesetzte systematische Einordnung der unmittelbaren Brandstiftung in die Reihe der gemeingefährlichen Delikte wurde im Schrifttum zunächst so gedeutet, dass § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. – in Anlehnung an § 286 preuß. StGB – als (abstraktes) Gefährdungsdelikt konzipiert worden sei.390 Daneben enthalten die Motive zum E Reichstagsvorlage 1870 zwei Hinweise darauf, dass auch durch § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. (weiterhin) die Erfassung der Gefährlichkeit beabsichtigt war. So begründen die Motive E Reichstagsvorlage 1870 die Erweiterung des Tatobjektskatalogs durch die Aufnahme von „Warenvorräthe, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern“, mit der hiermit verbundenen Gefährlichkeit der Tat, die der Anzündung von Magazinen entspräche.391 Dies erhärtet die zu § 286 preuß. StGB dargelegte These, wonach die tattypische Gefährlichkeit den Ausschlag für die Auswahl der Tatobjekte gab und nicht ein (vermuteter) besonderer Wert derselben. Ein weiteres – eher verborgenes – Indiz pro „Gefährdungslösung“ lässt sich der folgenden Äußerungen der Motive E Reichstagsvorlage 1870 entnehmen: „Bei der Brandstiftung an diesen Gegenständen [Anmerkung: den Tatobjekten des § 305 E Reichstagsvorlage 1870 = § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.] wird vorausgesetzt, daß sie nicht im Eigenthum des Thäters sich befinden, während bei den in § 303 [= § 306 StGB a. F.] aufgeführten Gegenständen der Brandstiftung es rechtlich gleichgültig ist, ob sie dem Thäter gehören oder nicht.“ 392

Parallel zu den Motiven zum preuß. StGB 1851 betonen die Motive E Reichstagsvorlage 1870 somit, dass für die Tauglichkeit der Tatobjekte der Umstand ausschlaggebend sei, dass diese „nicht im Eigenthum“ des Täters stehen.393 Die Akzentuierung des „Nichteigentums“ des Täters stützt die zu § 286 preuß. StGB dargelegte Ansicht, wonach sich hinter der eigentumsrechtlichen Restriktion des Tatobjektskatalogs (weiterhin, d. h. auch für § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.) der gezielte Ausschluss der Eigentümerbrandstiftung verbirgt. Es ging also nicht darum, der Norm hierdurch den Charakter eines Sachbeschädigungsdelikts zuzuschreiben, denn andernfalls wäre es naheliegend gewesen, die Notwendigkeit des Bestehens von täterfremden Eigentum an den Tatobjekten der unmittelbaren Brandstiftung zu betonen, auf die der Wortlaut immerhin hinwies. Die Analyse der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. und der darin

389

Vgl. Motive E Juli 1869, S. 300; Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 82 f. Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (24 f.); Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (270 ff.); mwN zu § 286 preuß. StGB bei § 1 A. III. 1. 391 Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 83; Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 49. 392 Motive, E Reichstagsvorlage 1870, S. 83 (Hervorhebung durch den Verfasser). 393 Goltdammer, Materialien II, S. 644. 390

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enthaltenen „spiegelbildlichen“ Begrenzung auf tätereigene Tatobjekte wird diesen Befund erneut bestätigen.394 Die vom StGB 1871 gesuchte Anknüpfung an das preußische Brandstrafrecht – einschließlich der Prämisse der konzeptionellen Abgrenzung der Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt gegenüber den tatmitteloffenen Verletzungsdelikten – war der Strafrechtswissenschaft zunächst allgemein gegenwärtig und demzufolge wurde § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. fast durchgehend im Sinne der „Gefährdungslösung“ gedeutet.395 von Liszt bezeichnete die unmittelbare Brandstiftung als „vorsätzliche Brandstiftung mit (abstrakter) Gemeingefahr für Eigentum oder Leben“ 396 und Olshausen sprach davon, dass „die abstrakte Gemeingefahr für Eigenthum oder Leben . . . – bei freilich vorwiegender Gefahr für fremdes Eigenthum . . . der legislatorische Grund für die Aufstellung des Thatbestandes der Brandstiftung in § 308 überhaupt und speziell auch für den ersten Fall desselben“ 397 sei.398 In diesem Kontext wurde auch der Verzicht auf die tat394

Dazu vgl. § 1 B. III. 3. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 607; Berner, Lehrbuch, S. 636: „In der gemeinrechtlichen Theorie war man zu der Erkenntnis gelangt, dass die Anzündung eines Gegenstandes nur dann eine von der Sachbeschädigung gesonderte Bedeutung gewinne und unter den Begriff der Brandstiftung zu stellen sei, wenn sie entweder mit Gefahr für die Person Anderer (oder auch nur eines Anderen), oder mit gemeiner Gefahr für Eigenthum verbunden ist. Diesen Grundgedanken des gemeinen Rechts hat die neuere Gesetzgebung festgehalten.“; Olshausen, Kommentar (1901), S. 1189: „. . . jedenfalls war die Gefährdung der leitende Gedanke des Gesetzgebers. So auch speziell im Falle der unmittelbaren Brandst. aus § 308“; Celichowski, Gemeingefährlichkeit, S. 32: „Der Typus einer gemeingefährlichen Handlung ist Brandlegung.“; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (274 f.). 396 von Liszt/Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts (1921), S. 521. 397 Olshausen, Kommentar (1901), S. 1190. 398 Ebenso Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 724: „Die unmittelbare Brandstiftung (so genannt, weil ihre Strafbarkeit nicht von weiteren Folgen oder Möglichkeiten abhängt) ist wie die des § 306 zweifellos abstraktes Gefährdungsdelikt, d.h. mit dem Brennen . . . ist die Gefahr kraft unwiderlegbarer Vermutung gegeben.“; Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 551: „. . . die Inbrandsetzung anderer Gegenstände, deren Anzündung zwar ebenfalls mit einer Gefährdung von Menschenleben verbunden sein kann, bei denen aber die Gefahr für fremdes Eigentum im Vordergrund steht.“; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 621: „Der Grund der milderen Bestrafung ist der, dass es sich hier in erster Linie um Gefährdung fremden Eigenthums handelt, und dass wenn zugleich um Gefährdung von Menschen, die Gefahr doch eine entferntere ist als in dem Falle, dass bewohnte oder solche Räumlichkeiten, die Zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen, in Brand gesetzt werden.“; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (24): „. . ., daß der Strafgesetzgeber mit der Inbrandsetzung der im § 308 (I. Fall) bezeichneten Gegenstände die Gemeingefahr für fremdes Eigenthum eingetreten ansieht.“; Wachenfeld, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 517: „Die Inbrandsetzung dieser Gegenstände (Anmerkung: die Tatobjekte des § 308 Abs. 1 StGB a. F.) wird nicht als bloße Sachbeschädigung geahndet, weil die Tat zugleich eine Gemeingefahr mit sich bringt und bei der leichten Strafe der Sachbeschädigung nicht gebührend gestraft werden könnte.“; Olshausen, Kommentar (1927), S. 1750 f.; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (274): „Den Bestimmungen des § 308 I liegt der Gesichts395

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bestandliche Anknüpfung an das Gefahrmoment korrekt bewertet, wie die Aussage Hälschners verdeutlicht, das Gesetz habe „. . . nicht darum, weil es die Gemeingefahr als für die Brandstiftung unwesentlich, sondern darum, weil es dieselbe als mit dem Brennen der bezeichneten Gegenstände von selbst gegeben und festgestellt betrachtet“ 399, von deren ausdrücklicher Benennung abgesehen.400 Trotzdem wurde die Möglichkeit einer (rechtfertigenden) Einwilligung in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. von Rechtsprechung und Schrifttum akzeptiert,401 wobei eine bekannte Exzeption allein Wanjeck darstellte, der die Beschränkung auf täterfremde Tatobjekte als singuläre, personenbezogene und indisponible Ausnahme zu Gunsten des Eigentümers begriff.402 Angesichts dieses im Ausgangspunkt homogenen Meinungsspektrums stellt sich die Frage, auf Grund welcher Umstände sich im Verlauf des 20. Jahrunderts die „Sachbeschädigungslösung“ als herrschendes Deutungsmodell etablierte und die zunächst favorisierte „Gefährdungslösung“ nahezu vollständig in Vergessenheit geriet. Dieser Meinungsumschwung zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. ist wiederum vor dem Hintergrund des Streits um die generelle Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte zu bewerten.403 Denn auch nach Erlass des StGB 1871 war in Kontinuität zu §§ 285, 286 preuß. StGB weiterhin umstritten, ob die von

punkt der abstrakten Gefahr ganz ebenso zu Grunde wie denen des § 308 II. Nur droht die Gefahr im ersten Falle vornehmlich dem Eigentum anderer . . .“; Wachenfeld, Lehrbuch, S. 516: „Es genügt hier abstrakte Gemeingefahr.“, vgl. Wolff, JR 2002, S. 94 f. 399 Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 608. 400 Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (272 ff.). 401 von Liszt/Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 521; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 724; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 615; ders., S. 612: „Wer einen der in § 308 bezeichneten Gegenstände, der fremdes Eigentum ist, mit Einwilligung des Eigentümers in Brand setzt, wird durch diese Einwilligung von Strafe befreit, sofern der betreffende Gegenstand nach Beschaffenheit und Lage nicht geeignet ist, das Feuer einem anderen jener Gegenstände mitzutheilen. Im anderen Fall ist er trotz der Einwilligung des Eigentümers strafbar, da es sich im § 308 nicht lediglich um eine Sachbeschädigung handelt, sondern um das strafbare Herbeiführen der bei dem Brennen jener Gegenstände vom Gesetz vorausgesetzten Gefahr.“; von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (602): „Wer seine eigene Sache, wenngleich vorsätzlich in Brand steckt, disponiert zunächst nur überhaupt über die Substanz seines Eigentums.“; Niethammer, BT, S. 378; Arzt/Weber, BT LH 2, S. 55: „Durch die Tat werden also lediglich Individualinteressen verletzt, so dass der Eigentümer mit rechtfertigender Wirkung einwilligen kann.“ 402 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (29); dazu bereits kritisch bei § 1 A. III. 4. b) ff) (1). 403 Bei §§ 306, 308 StGB a. F. spielte die Definition der konkreten Gemeingefahr keine Rolle, da sie nicht als Tatbestandsmerkmal enthalten war (umfassend Radtke, Dogmatik, S. 114 ff. mwN). Hinsichtlich der Definition der konkreten Gemeingefahr war umstritten, ob diese die Gefährdung einer größeren Anzahl von Personen erforderte oder ob schon die Gefährdung einer einzelnen Person ausreichte. Ungeklärt war auch, ob sich die Gefährdung auf bestimmte Personen oder einen unbestimmten Opferkreis beziehen musste, vgl. Radtke, Dogmatik, S. 122; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (256); Celichowski, Gemeingefährlichkeit, S. 40 ff.

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§ 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. erfasste „abstrakte Gemeingefahr“ schlicht als Beschreibung eines abstrakt-generell gefährlichen Verhaltens zu verstehen war404 oder ob der Eintritt einer konkreten Gemeingefahr bzw. der konkreten Gemeingefährlichkeit des Verhaltens präsumiert wurde.405 Speziell die Auffassung, der Gesetzgeber fingiere vermittels der Anknüpfung an die Inbrandsetzung kasuistisch benannter Tatobjekte unwiderleglich den Eintritt einer konkreten (Gemein-)Gefahr, wurde scharf kritisiert.406 Bemängelt wurde die sich aus der abstrakten Gesetzeskonzeption ergebende Konsequenz der Pönalisierung von in concreto ungefährlichem Verhalten, denn in diesem Fall handele es sich nicht um strafwürdiges Kriminalunrecht, sondern nur um eine bloße Verbotswidrigkeit.407 404 Celichowski, Gemeingefährlichkeit, S. 26 f.: „Es hat vielmehr unter sorgfältiger Abwägung des gefährdeten Rechtsgutes nur bestimmte Thatbestände unter Strafe gestellt, andere ausser Acht gelassen. Und dieses Vorgehen des Gesetzgebers hat zu der irrtümlichen Annahme einer Praesumtion der Gefahr Anlass gegeben.“; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 719: „Dabei ist zu beachten, daß es nach der Auffassung des Gesetzgebers Handlungen gibt, die sich immer als gemeingefährliche darstellen, bei denen also das Erfordernis der Gemeingefahr nicht der Hervorhebung im Tatbestand bedarf und auch im Einzelfalle nicht zu prüfen ist. Hierauf beruht der Begriff der abstrakten Gefährdungsdelikte im Gegensatz zu den konkreten.“; dazu kritisch: Binding, Normen I, S. 379 ff. 405 Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (270): „Die abstrakt oder objektiv gemeingefährlichen Delikte sind so geartet, daß schon in der Handlung selber, durch welche der Thatbestand des betreffenden Deliktes erfüllt wird, eine Gemeingefahr liegt oder als in ihr enthalten ohne weiteres angenommen wird, selbst wenn reel eine solche nicht vorgelegen hat.“; ders., S. 245 (273): „Danach liegt der leitende Gedanke der Gemeingefahr den Bestimmungen des StGB über Brandstiftung so sehr zugrunde, daß er sich in den §§ 306 ff. unter Umständen sogar bis zur Fiktion steigert.“; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 622: „Der Thatbestand der nach § 306 wie nach § 308 strafbaren Brandstiftung ist in allen Fällen derselbe, denn er erfordert nur das Inbrandsetzen eines der genannten Gegenstände, bei dessen Brennen das Gesetz eine Gefahr für fremdes Eigenthum oder auch für Leben und Gesundheit von Menschen als gegeben ansieht.“; von Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 9, S. 31 (39 f.); Begründung VE 1909, S. 604: „Der Hauptmangel des bisherigen Gesetzes besteht darin, daß die mit der Handlung verknüpfte Gefährdung, die ihr ihren besonderen Charakter verleiht und den Grund ihrer schweren Bestrafung bildet, nicht zum Tatbestandsmerkmal erhoben ist . . . Denn die Annahme des Gesetzgebers, daß die von ihm genau bestimmten Brandstiftungshandlungen stets in seinem Sinn gefährliche seien, erweist sich nicht immer als zutreffend, und trifft sie nicht zu, so findet die schwere Strafvorschrift Anwendung auf Grund einer gesetzlichen Fiktion, die in einzelnen Fällen als ungerecht empfunden werden kann.“; Schmölder, DJZ 1906, S. 1283 (1285, 1286); grundsätzlich hierzu: Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 144 ff.; ähnlich bereits die Diskussionsstand bei der Vorgängernorm § 285 preuß. StGB, dazu bei § 1 A. IV. 1. 406 von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (591). 407 Kritisch von Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 9, S. 31 (38 f.): „Der konkrete Tatbestand einer als Gefährdungsdelikt behandelten Tat ist in jedem Falle festgestellter Ungefährlichkeit dem Gebiete der Gefährdungsdelikte entzogen. Jeder legislative Versuch, einzelne Gefährdungsdelikte unter dem Gesichtspunkt abstrakter Gefahr zu behandeln, bedeutet in Wahrheit ein Ignorieren ihres materiellen Charakters als Kriminalunrecht.“;

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Konsequentester Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ war Binding, der insgesamt die Relevanz des Gefährdungsgedankens für die Brandstiftungsdelikte, mit Ausnahme des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F., leugnete. Als Folge seiner Fundamentalkritik an der abstrakten Gefahr im Allgemeinen und der Gemeingefahr im Besonderen,408 deutete Binding die Brandstiftung grundsätzlich als Sachbeschädigungsdelikt.409 Zwar lehnte er die Kategorie der Gefährdungsdelikte nicht generell ab – vielmehr fasste er die sog. „echten“ Gefährdungsverbrechen mit den Verletzungsdelikten innerhalb der Gruppe der Angriffsdelikte zusammen – forderte aber, dass die Gefährdung eine reale „Erschütterung der Daseinsgewissheit“ 410 des betreffenden Rechtsguts darstellen müsse, um legitimerweise als Kriminalunrecht eingestuft werden zu können.411 Da für die §§ 306, 308 StGB a. F. die Bewirkung einer „Gemeingefahr für Menschenleben oder fremdes Eigentum ganz unwesentlich“412 sei, seien diese weder ein gemeingefährliches noch ein gewöhnliches Gefährdungsverbrechen.413 Dennoch räumt auch Binding ein, dass die regelmäßig eintretende Gemeingefährlichkeit den Gesetzgeber zur Aufstellung dieser Tatbestände motiviert habe.414 Bindings Standpunkt ist insofern schlüssig, als er den Einwand der fehlenden tatbestandlichen Verankerung der (gemeinen) Gefahr sowohl gegenüber § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. als auch § 306 StGB a. F. erhob, und damit – anders als die meisten Verteter der „Sachbeschädigungslösung“ – einen einheitlichen Maßstab für beide Normen vertrat. Jedenfalls ist Bindings Kritik am Versuch der Erfassung der abstrakten Gemeingefahr in §§ 306 ff. StGB a. F. insofern aufschlussreich, als sie verdeutlicht, dass hier der Einordnung als Sachbeschädigungsdelikt eine Art Reservefunktion zukommt. Wenn in den Brandstiftungsdelikten die (konkrete) Gefahr als solche nach Auffassung Bindings nicht (ausreichend) verankert ist, dann wird der Straf-

Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 9, S. 26 f.; Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 1 (22): „Tatsächlich ungefährliches Verhalten ist eben auch ,generell‘ ungefährlich und bleibt es auch trotz eines Machtspruchs des Gesetzgebers.“ 408 Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 118, S. 1 ff.; ders., Normen I, S. 381 f. Fn. 26; dazu Brehm, JuS 1976, S. 22; ders., Zur Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte, S. 53 ff. 409 Binding, Normen I, S. 379 ff.; ders., Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 118, S. 3 ff. und § 119, S. 11 ff.; dagegen Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (3 ff.); Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (271 f.). 410 Binding, Normen I, S. 372 f. 411 Brehm, Zur Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte, S. 53 ff. 412 Binding, Normen II, S. 1116. 413 Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 119, S. 11. 414 Binding, Normen I, S. 382 Fn. 26; vgl. Begründung VE 1909, S. 602: „Sie ergibt, daß der Gesetzgeber als Brandstiftungsobjekte die Gegenstände bezeichnet hat, durch deren Brand gemeinhin leicht Gefahr für Menschenleben und schwerer Schaden an fremden Eigentum entsteht. Diese Erwägung hat jedoch nur als Motiv gewirkt und äußert sich lediglich in der Schwere der Strafandrohung.“

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grund dieser Normen behelfsweise auf ihre häufigsten Folgewirkungen gestützt, nämlich auf hieraus resultierenden Sachbeschädigungen. Doch die These vom prinzipiellen Sachbeschädigungscharakter der Brandstiftungsdelikte hat sich – angesichts der vollständigen Abstraktion vom gesetzgeberischen Willen und der verbürgten Entwicklungsgeschichte – mit Recht nicht durchzusetzen vermocht.415 Offensichtlicher Schwachpunkt der Argumentation Bindings ist der mit der Einordnung als Sachbeschädigungsdelikt evident inkompatible Umstand der Erfassung tätereigener Tatobjekte im Rahmen der §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F.416 Zudem monierten Vertreter der „Gefährdungslösung“ zurecht, dass Bindings Auffassung nicht die gegenüber den §§ 303, 305 StGB a. F. verschärfte Sanktionsandrohung der Brandstiftungsdelikte erklären könne, allzumal eine vermögensrechtlich geprägte Auswahl der Tatobjekte nicht nachweisbar sei.417 Als terminologisch prägend für die Deutung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. im Sinne der „Sachbeschädigungslösung“ erwies sich aber die Aussage Bindings, die Gemeingefährlichkeit sei lediglich ein Motiv418 des Gesetzes. Damit wurde die Gemeingefahr, deren beabsichtigte Erfassung historisch verbürgt ist, zwar formell noch als Fernziel des Brandstrafrechts bedacht (im Gegensatz zu vollständigen Leugnung dieses Gedankens durch das preußische Obertribunal419), aber zugleich die materielle Relevanz der Gemeingefahr für die Normauslegung vollständig geleugnet. Der Streit um die Legitimation der Anknüpfung an die abstrakte Gemeingefährlichkeit lässt sich auch an verschiedenen Reformentwürfen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ablesen. Parallel zum Entstehungsprozess des preuß. StGB 1851420 bestand weiterhin Uneinigkeit, auf welchem Wege technisch die beson415 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (14); Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 608 f., 613 f. 416 Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (277). 417 Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (274); Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 621: „Sofern die gedachten Gegenstände fremdes Eigenthum sind, erscheint das Entzünden derselben allerdings als Sachbeschädigung, aber ihre Beschädigung durch Feuer ist vom Gesetz nicht in Rücksicht auf ihren Werth, sondern auf ihre Beschaffenheit, nach welcher ihr Brennen ein Gefahr drohendes Feuer bewirkt.“; dies hat auch die Analyse des § 286 preuß. StGB ergeben, vgl. § 1 A. III. 4. a) aa). 418 Binding, Normen I, S. 382 Fn. 26: „Sie (die Brandstiftung) ist einfaches Sachbeschädigungsverbrechen, bei dessen Ausgestaltung gesetzgeberische Vermutungen über mögliche oder wahrscheinliche Gefährlichkeit mitgespielt haben mögen, ohne dass dieselben irgendwie zu wesentlichen Tatbestandsmerkmalen verdichtet worden wären. Sie sind lediglich im Stadium der Motive befangen geblieben.“; zur späteren Anknüpfung an diesen Ausdruck bei § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., vgl. § 1 B. II. 2., und bei § 306 StGB n. F., vgl. § 2 I. 1. a) aa). 419 Dazu vgl. § 1 A. III. 2. 420 Eingehend hierzu bereits unter § 1 A. II.

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dere Gefährlichkeit der Brandstiftungsdelikte gekennzeichnet werden sollte.421 So sah etwa der Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909 in § 189 VE 1909 einen radikalen Systemwechsel vor und knüpfte – unter Abkehr von der Benennung spezieller Tatobjekte – an die Schaffung einer brandbedingten (konkreten) Gefahr für Menschen oder fremdes Eigentum von bedeutendem Umfang an.422 Die Begründung zum VE 1909 ergibt, dass sich dessen Verfasser durchaus darüber im Klaren waren, dass die §§ 306 ff. StGB, einschließlich des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.423, in Anlehnung an das preuß. StGB 1851 die abstrakte Gemeingefahr (= die abstrakte Gemeingefährlichkeit) durch eine abschließende kasuistische Benennung gewisser Tatobjekte zu erfassen suchten.424 Diese Regelungstechnik wurde jedoch als mangelhaft erachtet. Teils seien die §§ 306, 308 StGB a. F. zu eng, da etwa die Verursachung von gefährlichen Bränden in Gebäuden durch Anzündung des Mobiliars, ohne dass es zur Inbrandsetzung des Tatobjekts gekommen sei, nur als versuchte Brandstiftung bewertet werden könne, teils seien die §§ 306, 308 StGB a. F. zu weit und würden auch ungefährliche Sachverhalte erfassen, wie etwa den Fall der Anzündung eines Wohngebäudes durch den dieses (allein) bewohnenden Eigentümer. Diese Kritik teilten auch die Verfasser des Entwurfs von 1925, der in § 202 Abs. 1 E 1925, im Anschluss an das StGB Österreich 1852, die Verursachung einer „Feuersbrunst“ an einer „fremden“ Sache, bzw. in § 202 Abs. 2 E 1925 die Verursachung einer Gemeingefahr an einer „eigenen“ Sache (oder einer „fremden“ mit Einwilligung des Eigentümers) verlangte.425 Hingegen blieben § 258 Abs. 1 E 1913 und § 254 Abs. 1 E 1919 der tradierten Tatobjektskasuistik verhaftet und setzten die Inbrandsetzung eines fremden Gebäudes, einer fremden Wohnung oder einer fremden zum Aufenthalt von Menschen dienenden Räumlichkeit, bzw. fremder Schiffe, Bergwerke, Waldungen, Heiden, Felder, Moore oder Vorräte von Waren oder Bodenerzeugnissen voraus. Die Denkschrift zum E 1919 hielt die von den §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. übernommene Tatobjektskasuistik im Grundsatz für gelungen.426 Lediglich 421 Zu den Reformbestrebungen und ihren Hintergründen: Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 61 ff. 422 Begründung VE 1909, S. 602 ff. 423 Begründung VE 1909, S. 602: „. . ., Zuchthaus bis zu zehn Jahren im Falle des § 308, wo Gefahr für fremdes Eigentum in Betracht gezogen ist.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 424 Begründung VE 1909, S. 602 ff. 425 Begründung E 1925, S. 106: „Die Regelung der Brandstiftung im geltenden Strafgesetzbuch ist wenig befriedigend . . . Die Mängel dieser Regelung sind allgemein anerkannt. Die Kasuistik führt auch hier dazu, daß manche schweren Fälle nicht bestraft werden.“ 426 Denkschrift E 1919, S. 201: „Der Kreis der Sachen, die nach den §§ 306, 308 des Strafgesetzbuchs gegen Brandstiftung geschützt sind, hat sich im allgemeinen als richtig begrenzt erwiesen. Der Entwurf übernimmt daher in der Hauptsache die Aufzählung des geltenden Rechts und vereinfacht und ergänzt sie nur in einigen Punkten.“

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für den Fall der Anzündung tätereigener Tatobjekte verlangte § 258 Abs. 2 E 1913 die Herbeiführung einer Gefahr für Leben oder fremdes Eigentum in bedeutendem Umfang, während § 254 Abs. 2 E 1919 den Eintritt einer hierdurch bedingten Gemeingefahr forderte. Trotz der dargelegten Einwände wurde die Einordnung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. als Gefährdungsdelikt vom Schrifttum, wenngleich mit kritischen Untertönen, noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein überwiegend akzeptiert. Erste Absetzbewegungen von der „Gefährdungslösung“, die sich vor allem aus der generellen Skepsis gegenüber dem Deliktstypus des abstraken Gefährdungsdelikt erklären, zeigen sich an der bisweilen anzutreffenden Deutung der unmittelbaren Brandstiftung im Sinne der „Kombinationslösung“. So führt etwa Schwartz zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. aus: „Die Brandstiftung ist ihrem eigentlichen Wesen nach Sachbeschädigung. Das ihre eigentümliche strafrechtliche Behandlung motivierende Moment ist ihre Gemeingefährlichkeit. Das Gesetz begnügt sich aber mit der sog. abstrakten Gefahr . . .“ 427. Vollkommen ungeklärt bleibt bei dieser Aussage, welche die Standpunkte der „Sachbeschädigungs-“ und der „Gefährdungslösung“ ungeordnet vermischt, in welchem Verhältnis beide Komponenten zueinander stehen. a) Die disparaten Entscheidungen RGSt 11, 345 und RGSt 12, 138 Der Meinungsstreit um die Auslegung der unmittelbaren Brandstiftung innerhalb der Rechtsprechung des Reichsgerichts kristallisiert sich nirgends so deutlich wie in den gegenläufigen Entscheidungen RGSt 11, 345 ff. und RGSt 12, 138 ff. Im Urteil vom 2. Januar 1885 (RGSt 11, 345) nahm der 2. Strafsenat erstmals ausführlich zu Normzweck und Deliktstypus der unmittelbaren Brandstiftung Stellung und erklärte, dass „auch für die Strafandrohung in dem Falle zu 1. (dem der s. g. unmittelbaren Brandstiftung) nicht ausschließlich der Gesichtspunkt des Eingriffes in fremdes Eigentumsrecht oder Vermögen leitend gewesen ist, vielmehr auch in diesem Falle eine Gemeingefahr für Eigentum oder Leben als in abstracto vorhanden unterstellt wird. Andernfalls hätte derjenige Teil des § 308 a. a. O., welcher sich auf die unmittelbare Brandstiftung bezieht, in dem Abschnitte, der von der Sachbeschädigung handelt, 427 Schwartz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 702; ähnlich unklar: Begründung VE 1909, S. 602; Finger, in: FG Frank, Band 1, S. 230 (247 f.): „Die §§ 306 ff. haben dann u. a. Sachbeschädigungen zum Gegenstande, die teils durch das Objekt, an dem die Beschädigung vorgenommen wird, teils durch die Art der Verübung mit Gemeingefahr verbunden sind.“; möglicherweise ist auch die folgende Stellungnahme Berners als Votum für die „Sachbschädigungslösung“ zu verstehen, Berner, Lehrbuch, S. 637: „In § 308 finden sich dagegen diejenigen Gegenstände, deren Anzündung nur entweder werthvolles fremdes Eigenthum trifft, oder doch nur eine entfernte (mittelbare) Gefahr für Menschenleben herbeiführt, welche darin besteht, daß das Feuer sich einem der unter Nr. 1 bis 3 des § 306 genannten Gegenstände mittheilen könnte.“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

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seine Stelle finden müssen, ganz aus demselben Grunde, aus welchem die betrügerische Inbrandsetzung einer versicherten Sache (§ 265 StGB’s) den Vorschriften über Betrug angereiht ist.“ 428 Weiter heißt es: „Die vom Gesetzgeber unterstellte Gemeingefahr besteht bei den Fällen, welche unter die erste Alternative des § 308 a. a. O. fallen, in der Entfesselung des Elements, welches häufig die von Menschenhand gesetzten Schranken durchbricht und, selbst wenn eine Ausdehnung auf die in § 308 a. a. O. bezeichneten Räumlichkeiten und Gegenstände ausgeschlossen ist, regelmäßig Mobilien und leicht auch Gesundheit oder Leben der mit der Löschung des Feuers oder mit der Bergung von Sachen befassten Personen gefährdet.“ 429

Das klar formulierte Votum von RGSt 11, 345 ff. zugunsten der „Gefährdungslösung“ überrascht, da zum einen das preußische Obertribunal430 § 286 preuß. StGB immer im Sinn der „Sachbeschädigungslösung“ gedeutet hatte und zum anderen selbst die Anhänger der „Gefährdungslösung“ überwiegend auf den abstrakten Eigentumsschutz rekurrierten, während das Reichsgericht nun sogar weitergehend die Rechtsgüter Gesundheit und Leben in den Schutzbereich des § 308 Abs. 1, Alt.1 StGB a. F. einbezog.431 Bemerkenswert ist desgleichen die explizite Erstreckung des Eigentumsschutzes auf Gegenstände jenseits des Tatobjekts, wie das ausdrücklich genannte Mobiliar. Ganz auf Linie der „Gefährdungslösung“ ist ebenfalls die Bewertung des Zusammenspiels zwischen der tatbestandlichen Beschränkung auf täterfremde Tatobjekte und dem am Gefährdungsgedanken orientierten Schutzzweck. Zwar räumt das Reichsgericht ein, dass für die unmittelbare Brandstiftung ein tatbestandlicher „Eingriff in fremdes Eigentumsrecht“ 432 erforderlich sei, leitet daraus aber keine Beschränkung des Schutzzwecks auf diesen Aspekt ab.433 Diese Eigentümlichkeit des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. hat Gerland im Lichte der „Gefährdungslösung“ zutreffend so umschrieben, dass hier „der Gedanke der Eigentumsverletzung tatbestandsmäßig mitverwendet“ 434 werde. Interessanterweise setzt sich RGSt 11, 345 ff. auch mit der eigentumsrechtlichen Restriktion der unmittelbaren Brandstiftung auseinander, denn die Vorinstanz, das Landgericht Berlin II, vertrat die Auffassung, „daß derjenige welcher im Auftrage des Eigentümers Feuer anlege, zu der angezündeten Sache nicht mehr im Verhältnisse eines Fremden stehe“ 435. Daraus folgerte das Landgericht, 428

RGSt 11, 345 (347) (Hervorhebung durch den Verfasser). RGSt 11, 345 (347) (Hervorhebung durch den Verfasser). 430 Vgl. § 1 A. III. 2. 431 Zur gebotenen Einbeziehung von Leib und Leben, vgl. § 2 I. 1. a) aa) und § 2 I. 1. c) bb). 432 RGSt 11, 345 (348). 433 Andernfalls müsste die Entscheidung RGSt 11, 345 ff. auf Linie der „Kombinationslösung“ verbucht werden, wofür aber die Ausführungen des Reichsgerichts, die den Gefährdungsgedanken besonders hervorheben, nicht sprechen. 434 Gerland, Reichsstrafrecht, S. 447. 435 RGSt 11, 345 (348) (Hervorhebung durch den Verfasser). 429

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dass auch eine im Alleineigentum des einen Ehegatten befindliche Sache für den anderen Ehegatten keine „fremde“ im Sinn des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. sei, da die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten (zu) eng verflochten seien. Zudem habe die wegen fahrlässiger Brandstiftung nach §§ 309, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. angeklagte Ehefrau bei der sorgfaltswidrigen Verursachung des Brandes am Hühnerstall ihres Ehemanns in Ausübung ihrer Tätigkeit als Hausfrau und somit als dessen Vertreterin gehandelt.436 Eine Verurteilung der Angeklagten lehnte die Vorinstanz daher ab, da der dem Ehemann gehörende Hühnerstall für dessen Ehefrau kein „fremdes“ Tatobjekt im Sinn des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. gewesen sei.437 Die Begründung des Landgerichts Berlin II orientiert sich – so darf vermutet werden – an der bereits besprochenen Entscheidungen des preußischen Obertribunals, in der es die mittelbare Eigentümerbrandstiftung der eigenhändig vorgenommenen Eigentümerbrandstiftung gleichgestellt und in diesem Fall die Fremdheit des Tatobjekts (ebenfalls) entgegen dem Wortlaut des § 286 preuß. StGB verneint hatte.438 Das Reichsgericht lehnte jedoch eine entsprechende Auslegung ab und verwies darauf, dass ein im Alleinigentum eines Ehegattens stehendes Tatobjekt auch für den anderen Ehegatten „fremdes Eigentum“ sei.439 Im Fall einer einverständlichen Brandstiftung (dieser war vorliegend nicht einschlägig) fehle es nicht, so das Reichsgericht, an einem „fremden“ Tatobjekt, sondern an der Rechtswidrigkeit der Tat. Daher verdeutlicht RGSt 11, 345 ff., dass das Reichsgericht das strukturprägende Prinzip der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, im Sinne einer tatbestandlichen Restriktion, selbst auf Grundlage der Einordnung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. auf dem Boden der „Gefährdungslösung“ verkannte. Dass der Parteinahme durch RGSt 11, 345 ff. zugunsten der „Gefährdungslösung“ rückblickend nur eine unbedeutende Rolle zukam, ist dem Umstand geschuldet, dass der 3. Strafsenat nur wenige Monate später in RGSt 12, 138 ff. eine abrupte Kehrtwende zugunsten der „Sachbeschädigungslösung“ vollzog: „Indem das Gesetz in § 308 für die an erster Stelle bezeichneten Fälle der unmittelbaren Brandstiftung ein dem Thäter fremdes Gebäude fordert, hat es das die Strafbarkeit bedingende Wesen des Reates nicht in die abstrakte Gemeingefährlichkeit, welches das zur Beschädigung oder Zerstörung der Sache angewendete Mittel des Feuers begründet, sondern in den widerrechtlichen Eingriff in fremdes Eigentumsrecht gesetzt, . . . Daraus ist aber in Übereinstimmung mit der herrschenden – auch 436

RGSt 11, 345 (346). Zu diesem Fall: Stenglein, Lexikon des Deutschen Strafrechts, S. 457 f. 438 Vgl. Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 ff.; zu diesem Lösungsansatz bereits bei § 1 A. III. 4. b) ff) (2) und erneut zu § 306 StGB n. F. bei § 2 I. 1. c) cc) (3) (a). 439 RGSt 11, 345 (348). 437

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durch die Entstehungsgeschichte des § 308 StGB’s . . . unterstützten Rechtsmeinung zu folgern, dass die gleiche Beurteilung, insbesondere bezüglich der Unanwendbarkeit der Strafbestimmung des § 308, auch demjenigen zustatten kommen muss, welcher, ohne das Vorhandensein der Voraussetzungen der mittelbaren Brandstiftung, mit dem Willen und dem Einverständnisse des Eigentümers die diesem gehörige, unter § 308 a. a. O. fallende Sache in Brand setzt, indem solchenfalls in gleicher Weise, wie bei der vom Eigentümer selbst begangenen Inbrandsetzung, das die Strafbarkeit begründende Moment rechtswidrigen Eingriffes in fremdes Eigentumsrecht objektiv und subjektiv fehlt.“ 440

Hiermit negierte der 3. Senat explizit die mit der Tatbegehung verbundene abstrakte Gefährlichkeit für Leib, Leben und Eigentum als Strafgrund des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. und stützt das Wesen dieses Verbrechens – seinen Schutzzweck – ausschließlich auf den widerrechtlichen Eingriff in fremdes Eigentum.441 Die harsche Verneinung eines jeglichen Gefährdungsmoments erscheint als unmittelbare Reaktion auf RGSt 11, 345, wobei der 3. Senat mit dem bereits bekannten Umkehrschluss operierte, dass das täterfremde Eigentum an den Tatobjekten der unmittelbaren Brandstiftung Beleg für den Sachbeschädigungscharakter der Norm sei. Obgleich sich RGSt 12, 138 ff. noch scheute, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. offen als Sachbeschädigungsdelikt zu etikettieren, bezeichnete das Reichsgericht in einer einige Jahre später ergangenen Entscheidung die unmittelbare Brandstiftung erstmals ausdrücklich als einen mit der „vorsätzlichen Sachbeschädigung verwandten Tatbestand.“ 442 Obwohl die Rechtsprechung des Reichsgerichts im Wesentlichen der durch RGSt 12, 138 vorgegebenen Richtung verhaftet blieb, deutete sich in einigen Entscheidungen ein vorsichtiges Abrücken vom Standpunkt der „Sachbeschädigungslösung“ an. So spricht der 3. Senat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1906 wiederum von der mit der Verwirklichung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. verbundenen Vermutung einer gemeinen Gefahr443 und in einer anderen Entscheidung aus dem Jahre 1928 begründet der 1. Senat die Strafandrohung des 440

RGSt 12, 138 (139 f.) (Hervorhebung durch den Verfasser). Anzumerken verbleibt, dass in dem RGSt 12, 138 ff. zugrunde liegenden Sachverhalt der Eigentümer einer Schmiedewerkstatt einen Dritten zur Anzündung dieses Objekts aufgefordert hatte, und deshalb von der Vorinstanz wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen gem. §§ 308 Abs. 1, Alt. 1, 49a StGB a. F. verurteilt wurde. Die Verurteilung wurde durch das Reichsgericht aufgehoben, weil dieses in der Aufforderung zugleich ein Einverständnis in die Tatbegehung nach § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. erblickte. Hierzu ist zu bemerken, dass die Positionierung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. im Sinne der „Sachbeschädigungslösung“ – wie schon bei § 286 preuß. StGB – mit der Problematik der einverständlichen Brandstiftung verbunden war, vermutlich weil sich unter Rückgriff auf dieses Deutungsmodell stringent(-er) die Straffreiheit des Täters begründen ließ, als im Fall der Anerkennung der Gemeingefährlichkeit, vgl. § 1 A. III. 4. b) ff) (2). 442 RG, GA 41 (1893), S. 33 (34). 443 RGSt 39, 22 (26). 441

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§ 308 StGB a. F. mit der hier entstehenden gemeinen Gefahr.444 Eine Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Einschätzung von RGSt 12, 138 lassen beide Entscheidungen indes vermissen. Die wechselnde Bejahung und Leugnung der (abstrakten) Gemeingefahr in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. durch das Reichsgericht dokumentiert anschaulich die fortwährende Unsicherheit der Rechtsprechung hinsichtlich des Umgangs mit der abstrakten Gemeingefahr. 2. Diskussionsspektrum im Zeitraum von 1945–1998 Nach Ende des 2. Weltkriegs lässt sich eine zäsurartige Wandlung des Meinungsspektrums zugunsten der „Sachbeschädigungslösung“, aufbauend auf RGSt 12, 138 ff. und RG, GA 41, S. 34 f., konstatieren. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. wurde nun durchgängig als atypischer Spezialfall eines Sachbeschädigungsdelikts bzw. als „Brandsachbeschädigung“ 445 bezeichnet und dementsprechend als Verletzungsdelikt klassifiziert.446 Ob sich hinter der Bewertung als „atypisches“ Sachbeschädigungsdelikt bisweilen die Anerkennung eines Gefährdungsmoments verbarg oder ob sich diese auf den vorgelagerten Vollendungszeitpunkt der Tathandlung des Inbrandsetzens bezog, geht aus den entsprechenden Stellungnahmen nicht klar hervor.447

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RG, JW 1929, S. 780. Schmidhäuser, BT, S. 185 Rn. 5. 446 Geppert, Jura 1989, S. 477; Otto, Grundkurs (1995), S. 395; LK/Wolff, (1988), § 308 Rn. 1: „Der erste Tatbestand ist demnach seinem Wesen nach ein Eigentumsdelikt, ein spezieller Fall der Sachbeschädigung, während der zweite Tatbestand ein abstrakt gefährliches Delikt ist . . .“; Arzt/Weber, BT LH 2, S. 47: „Der Unrechtsgehalt der einfachen Brandstiftung liegt vielmehr einerseits in der Verletzung . . . fremden Eigentums (§ 308 I 1. Alt.: Brandbeschädigung fremder Sachen)“; Maurach/Schroeder, BT 2 (1981), § 52 III Rn. 1: „Der Tatbestand ist in seiner ersten Alternative Verletzungsdelikt . . .“; Lackner, StGB (1987), § 308 Rn. 3: „In der 1. Alternative steht der Schutz fremden Eigentums . . . im Vordergrund (Spezialfall der Sachbeschädigung). Daher ist rechtfertigende Einwilligung möglich.“; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 27: „Die Fremdbrandstiftung wird in der Lehre oft als qualifizierte Sachbeschädigung gewertet, weil nur das Individualrechtsgut „Eigentum“ vor Schaden bewahrt werden soll.“; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187: „Entgegen der Systematik des Gesetzes gilt § 308 Abs. 1 StGB in seiner ersten Alternative als Spezialfall der ansonsten in den §§ 303 ff. StGB geregelten Sachbeschädigung und geht dieser gesetzeskonkurrierend vor.“; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 38. 447 Siehe etwa Welzel, Strafrecht, S. 432: „Die gemeingefährlichen Delikte werden durch eine Straftat eröffnet, die keineswegs stets ein gemeingefährliches Verbrechen ist (z. B. nicht in § 308, 1.Alternative: Eigentumsdelikt). Doch ist Brandstiftung keine bloße qualifizierte Sachbeschädigung, denn einmal wird auch Brandstiftung an eigenen Sachen bestraft (§§ 306, 308, 2. Alternative), zweitens ist der Vollendungszeitpunkt der beiden verschieden: die Sachbeschädigung kann schon vollendet sein (z. B. durch Ankohlen), während die Inbrandsetzung noch aussteht. So ist die Brandstiftung ein eigenständiges Delikt, das durch die Art des Tatmittels und des tauglichen Tatobjekts herausgehoben ist.“ 445

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Der Bundesgerichtshof setzte sich nicht näher mit der Dogmatik des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. auseinander. In einer frühen Entscheidung verwies der Bundesgerichtshof auf den erheblichen Wert der in der unmittelbaren Brandstiftung benannten Tatobjekte und deren „besondere Bedeutung für die Allgemeinheit“ 448 und knüpfte damit an einen gängigen Argumentationstopos der „Sachbeschädigungslösung“ an.449 Dementsprechend verneinte das Gericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre450 die Einschlägigkeit des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. mangels rechtswidrigen Eingriffs in ein fremdes Eigentumsrecht, sofern der Täter im Einverständnis mit dem Eigentümer handelte.451 Unter Zugrundelegung der „Sachbeschädigungslösung“ wurde der systematischen Verortung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. bei den gemeingefährlichen Delikten nun keine Bedeutung mehr für die Normauslegung zugesprochen und die Einordnung offen als Fehlplatzierung bemängelt.452 Die Stellung als gemeingefährliches Delikt wurde allenfalls noch als gesetzgeberisches Motiv akzeptiert, aus dem für die Normauslegung keine Konsequenzen zu ziehen seien.453 Doch selbst nach 1945 flackerten vereinzelt Stellungnahmen auf, die wiederum eine Berücksichtigung des Gefährdungsmoments forderten. So ordnete Dreher § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. zwar als qualifizierte Sachbeschädigung ein, ging aber zugleich davon aus, dass „mit dem Brennen das Vorhandensein 448 BGHSt 6, 107 (108): „§ 308 StGB bezweckt nicht, die im Innern eines Gebäudes usw untergebrachten Gegenstände strafrechtlich besonders zu schützen. Er stellt in seiner ersten Begehungsform die Brandstiftung an Sachen unter Strafe, die einen erheblicheren Wert oder eine besondere Bedeutung für die Allgemeinheit haben.“; ebenso Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 27. 449 So schon bisweilen die Argumentation bei § 286 preuß. StGB, vgl. § 1 A. III. 4. a) aa). 450 Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), § 308 Rn. 14a; Niethammer, BT, S. 378: „In allen Fällen des § 308 rechtfertigt die Einwilligung des Eigentümers die Tat des Täters nur dann, wenn das weitere im § 308 aus der Gefährlichkeit hergeleitete Tatmerkmal nicht gegeben ist.“; Arzt/Weber, BT LH 2, S. 55: „§ 308 I 1. Alt. (,wenn diese Gegenstände . . . fremdes Eigentum sind‘) enthält einen durch die Bedeutung der betroffenen Objekte und die Tatausführung (Brandstiftung) qualifizierten Tatbestand der Sachbeschädigung (§ 303). Durch die Tat werden also lediglich Individualinteressen verletzt, so dass der Eigentümer mit rechtfertigender Wirkung einwilligen kann.“; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 f. 451 BGH, Urteil vom 9. Januar 1952 – 1 StR 652/52 (nicht veröffentlicht). 452 Petters-Preisendanz, StGB, § 308 Rn. 1: „Diese Alternative ist ein Sonderfall der Sachbeschädigung und gehört an sich nicht zu den gemeingefährlichen Delikten . . .“; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 27 Fn. 9: „Die Brandlegung an solchen täterfremden Sachen setzt also ausdrücklich keine Gemeingefahr voraus, sondern sanktioniert die Verletzung fremder Eigentumsrechte.“ 453 Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (27 f.): „Bei dem in § 308 StGB enthaltenen Grundtatbestand ist, zumindest was fremde Sachen anlangt, die Gemeingefahr nur als gesetzgeberisches Motiv anzusehen, die Tat also im Grunde eine Sachbeschädigung besonderer Art, mit der lediglich typischerweise die Gefährdung fremden Eigentums verbunden ist.“; so schon Binding, Normen I, S. 382 Fn. 26.

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einer (abstrakten) Gefahr stets angenommen“454 werde. Ähnlich äußerte sich Welzel, wonach der Strafgrund der unmittelbaren Brandstiftung, soweit keine Gemeingefahr eintrete, in der Verletzung fremden Eigentums liege.455 Beide Autoren erläutern ihre Konzeption nicht näher und vieles spricht dafür, dass die Gemeingefahr bzw. Gemeingefährlichkeit im Ergebnis wiederum als bloß unbeachtliches Motiv verstanden wurde. Die einzige echte Wiederbelebung des Gefährdungsgedankens in der Literatur nach 1945 findet sich bei Kratzsch: „Und zwar auch in den Funktionsbereich des § 308 I 1.Alt., der entgegen der h. M. . . . nicht einen Spezialfall der Sachbeschädigung regelt, sondern der Verhinderung einer Gemeingefahr für Eigentum, Leben und Gesundheit eines anderen dient. Die Richtigkeit dieser Deutung wird nicht nur durch einen Vergleich mit § 305 und dessen Strafdrohung (für die Zerstörung von Gebäuden), sondern auch durch die Entstehungsgeschichte des § 308 . . . sowie dadurch bestätigt, daß gegenüber Nichteigentümern des Brandobjekts das Schutzbedürfnis oft größer ist als gegenüber den durch § 308 I 2. Alt. privilegierten Eigentümern.“ 456

Kratzsch bezog den Schutzzweck der unmittelbaren Brandstiftung extensiv – entsprechend RGSt 11, 345 – auf die abstrakte Gefährdung der Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum, und rückte die ursprüngliche Intention der Kennzeichnung brandbedingter Gefährdungssituationen in den Vordergerund.457 Allerdings deutete Kratzsch § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. als qualifizierte Sonderform eines abstrakten gemeingefährlichen Gefährdungsdeliktes, das „durch einen vergleichsweise stark erhöhten Erfolgsunwert (i. S. eines Gefahrerfolgs) gekennzeichnet“ 458 sei. Obwohl Kratzsch ausdrücklich den Gedanken einer Gefahrpräsumtion ablehnte, ging er davon aus, dass die §§ 306–308 StGB a. F., trotz gewisser Abstraktionen, einen (ungeschriebenen) Gefahrerfolg verlangen würden, der einem Verletzungserfolg nahekommen müsse.459 Diese Behauptung 454

Dreher, StGB (1970), S. 1171. Welzel, Strafrecht, S. 434. 456 Kratzsch, JR 1987, S. 360 (364 Fn. 38) (Hervorhebung durch den Verfasser). 457 Ob die spätere Äußerung Kratzschs, wonach § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. allein den abstrakten Eigentumsschutz intendiere, als gezielte Relativierung seiner zuvor extensiven Auslegung zu verstehen ist, lässt sich nicht sicher klären, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Klassifizierung als abstraktes Gefährdungsdelikt, vgl. Kratzsch, JuS 1994, S. 372 (378): „Wenn § 308 I. Alt. 1 auch für den Schutz von Eigentum die Form des abstrakten Gefährdungsdeliktes vorsieht, so erscheint dies heute kaum mehr begründbar.“ 458 Kratzsch, JR 1987, S. 360 (364). 459 Kratzsch, JuS 1994, S. 372 (379): „Die Verknüpfung des (abstrakten) Gefahrerfolges mit einer feststehenden Handlung und bestimmten Tatobjekten ermöglicht eine relativ genaue Ortung einer Gefahr, die sich sonst jeder individuellen Festlegung entzieht. Ihr Einsatz ist alles andere als eine bedenkliche Präsumtion oder Fiktion, sondern aus faktischen Gründen die einzig zur Verfügung stehende Form, die den Gesetzgeber in die Lage versetzt, etwas sonst nicht Fassbares greifbar zu machen . . .“; ders., JR 1987, S. 360 (363); dazu eingehend Radtke, Dogmatik, S. 45 ff., 77 f. 455

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Kratzschs wirft Zweifel auf, weil die §§ 306 ff. StGB a. F. als abstrakte Gefährdungsdelikte einen solchen verletzungsnahen Gefahrerfolg im Gegensatz zu den konkreten Gefährdungsdelikten gerade nicht verlangten, sondern die „aufkeimende Gefahr“ in ihrem frühsten Stadium zu erfassen suchten.460 Eine Nähe des Standpunkts Kratzschs zu den Forderungen nach Eintritt einer konkreten (Gemein-)Gefahr bzw. einer realen Gefährlichkeit der Tat als Legitimationsgrundlage abstrakter Gefährdungsdelikte ist jedenfalls nicht zu übersehen.461 Beifall verdient dagegen der Hinweis Kratzschs (in Anschluss an Wanjeck), wonach in der eigentumsrechtlichen Beschränkung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. zum Ausdruck komme, dass gegenüber dem Nichteigentümer des Brandobjekts ein erhöhtes Schutzbedürfnis bestehe.462 Bedauernswerterweise hat Kratzsch diesen zielführenden und das partikularrechtliche Brandstrafrecht prägenden Gedanken – die Deutung der Eigentümerstellung als ein gegenläufiges Bewertungsmoment hinsichtlich der Gefährlichkeit der Tat im Sinne der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung – nicht weiter ausgeformt. 3. Fazit zur unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. Die Bewertung der Diskussionen um Rechtsgut- und Deliktstypus der unmittelbaren Brandstiftung im Zeitraum von 1871–1998 offenbart einen diametralen Wandel des herrschenden Normverständnisses von der „Gefährdungs-“ hin zur „Sachbeschädigungslösung“. Rückblickend hat die Rechtsprechung mit RGSt 12, 138 den entscheidenden Impuls zur Etablierung der „Sachbeschädigungslösung“ gesetzt, auch wenn sich dieser erst retardiert in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Schrifttum etablierte. Inhaltlich hatte sich die Debatte im Vergleich zu § 286 preuß. StGB kaum verändert, denn Quintessenz war nach wie vor die Bewertung des Zusammenspiels von Tatbestand und Rechtsgüterschutz: Kennzeichnet § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. durch Benennung von Tatobjekt und Tathandlung abstrakt Situationen, aus denen typischerweise brandbedingte Gefährdungen für Eigentum, Leben und Gesundheit erwachsen, und weist der Schutzzweck folglich über den Angriff auf das Tatobjekt hinaus oder ist allein der Schutz des Eigentums am Tatobjekt intendiert? Verbunden damit ist die rechtsdogmatisch und rechtspolitisch bis heute virulente Frage, ob und unter welchen

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Hierzu bereits bei § 1 A. II. 5. und § 1 A. III. 5. und erneut unter § 1 A. V. Dazu passt seine Forderung, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. de lege ferenda ersatzlos zu streichen, da der abstrakte Eigentumsschutz, im Gegensatz zu dem von § 306 StGB a. F. verfolgten abstrakten Lebensschutz, nicht ausreichend sei, um das Unrecht zu legitimieren, vgl. Kratzsch, JuS 1994, S. 372 (378). 462 Näher zur Eigentümerstellung als potentiell gefahrmindernder Umstand bei § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. b) cc) und bei § 306 StGB n. F. vgl. § 2 I. 1. c) cc) (1). 461

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Bedingungen nur typischerweise gefahrträchtiges Verhalten bestraft werden darf.463 Die zunehmende Hinwendung zur „Sachbeschädigungslösung“ reflektiert die Bedenken gegenüber der ursprünglichen Normkonzeption, die mit Hilfe des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. die abstrakte Gemeingefährlichkeit (für fremdes Eigentum bzw. Leib und Leben) zu erfassen suchte.464 Ursächlich für den abnehmenden Zuspruch der „Gefährdungslösung“ ist sicherlich auch das Unvermögen ihrer Vertreter gewesen, präzise aufzuzeigen, auf welchen Gründen die eigentumsrechtliche Restriktion des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. basierte, nämlich der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung. Infolgedessen erschien die These eines teleologischen Gleichlaufs der unmittelbaren Brandstiftung mit den Sachbeschädigungsdelikten als einleuchtenderes Erklärungsmodell.

III. Zur mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. Die mittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. verlangte, dass der Täter ein in seinem Eigentum stehendes Tatobjekt des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. in Brand setzte, das nach Beschaffenheit und Lage geeignet war, das Feuer auf eines der in §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. bezeichneten Tatobjekte zu übertragen. Gedanklich ist daher – wie schon bei § 287 preuß. StGB – exakt zwischen dem (tätereigenen) Handlungsobjekt, das die Brandübertragungsgefahr vermittelt, und dem davon nur mittelbar bedrohten Tatobjekt zu unterscheiden. Im Gegensatz zu § 287 preuß. StGB war die mittelbare Brandstiftung nach § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. jedoch keine alternative Tathandlung, sondern 463

Dazu Koriath, GA 2001, S. 51 (51, 65 ff.). Wie umstritten die Ausgestaltung des Brandstrafrechts zwischen den Verfechtern einer abstrakten Orientierung und den Befürwortern der unmittelbaren Anknüpfung an die konkrete Gefahr/Gemeingefahr war, hat Lindenberg in seiner eingehenden Untersuchung der Reformdiskussionen und Gesetzgebungen zum Brandstrafrecht seit 1870 prägnant wie folgt zusammengefasst: „Zum einen ging es in den Debatten der Kommissionen und Ausschüsse immer wieder um die grundlegende Frage, ob die Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt oder als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet werden soll, also im Einzelfall darauf abgestellt werden sollte, ob aufgrund einer gesetzlichen Vermutung, daß bestimmte Verhaltensweisen für die in Betracht kommenden Schutzobjekte generell gefährlich sind, die Gefährlichkeit der Tathandlung, also des Inbrandsetzens oder neuerdings auch des ganz oder teilweisen Zerstörens durch Brandlegung, nicht Tatbestandsmerkmal, sondern quasi Grund für die Existenz der Vorschrift ist und auf eine konkrete Gefährdung eines durch den Straftatbestand geschützten Rechtsgutobjekts im Einzelfall verzichtet wird, oder ob von der Erwägung ausgegangen wird, daß ein normwidriges Verhalten für die geschützten Objekte gefährlich sein kann und nur dann strafwürdig ist, sofern die Gefahr im Einzelfall konkret in Erscheinung getreten ist.“ (Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 162). 464

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wurde zu einem eigenständigen Tatbestand aufgewertet.465 Gleichzeitig wurde der Anwendungsbereich der mittelbaren Brandstiftung gegenüber dem preußischen Recht erheblich beschnitten, denn der Kreis der tauglichen Tatobjekte, deren Anzündung die Brandübertragungsgefahr vermitteln konnte, wurde abschließend auf die in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. genannten tätereigenen Tatobjekte begrenzt. Demgegenüber hatte § 287 preuß. StGB noch jede beliebige „eigene“ und „fremde“ Sache unabhängig von den Eigentumsverhältnissen als taugliches Handlungsobjekt eingestuft, sofern dessen Inbrandsetzung mit einer abstrakten Brandübertragungsgefahr auf die Tatobjekte der §§ 285, 286 preuß. StGB verbunden war. Angesichts der einschneidenden Modifikationen der mittelbaren Brandstiftung, über deren Hintergründe sich den Gesetzesmaterialien bedauernswerterweise keinerlei Anhaltspunkte entnehmen lassen, wird mit Radtke davon auszugehen sein, dass mit Rücksicht auf die bereits dargelegte scharfe Kritik466 an § 287 preuß. StGB eine bewusste Verengung des Anwendungsbereichs erfolgte.467 1. Deliktstypus der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. Aufgrund der Anknüpfung an die durch Lage und Beschaffenheit bedingte abstrakte Brandübertragungsgefahr wurde die mittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. während ihrer gesamten Geltungsdauer fast einhellig als abstraktes Gefährdungsdelikt klassifiziert.468 Selbst Binding ordnete § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. (im Gegensatz zu den §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.) als Gefährdungsverbrechen ein.469 Vereinzelt wurde angenommen, dass die mittelbare Brandstiftung ein konkretes Gefährdungsdelikt sei, und dementsprechend wurde auf die Verursachung einer konkreten Brandübertragungsgefahr abgestellt.470 Hierbei sollten alle Um465

Vgl. § 1 A. III. 4. d). Zur Kritik vgl. § 1 A. III. 4. d) und § 1 A. V. 467 MwN Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 48 f.; Radtke, Dogmatik, S. 102 ff.; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (189); Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 93; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 614 Fn. 3. 468 Maurach/Schroeder, BT 2 (1981), § 52 III Rn. 1: „Der Tatbestand ist . . . in seiner zweiten Alternative mit ihren beiden Unterfällen, abstraktes Gefährdungsdelikt . . .“; LK/Wolff, (1988), § 308 Rn. 1; Krey, BT 1 (1983), S. 225; Dreher, StGB (1970), S. 1171: „. . . selbständiges abstraktes Gefährdungsdelikt“; Lackner, StGB (1987), § 308 Rn. 3b; Schmidhäuser, BT, S. 185; Pfeiffer/Maul/Schulte, StGB, § 308 Rn. 1; Otto, Grundkurs (1995), S. 395. 469 Binding, Normen I, S. 381 Fn. 26; zuvor noch a. A. ders., Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, BT, Band 2, Abteilung 1, S. 15: „. . . nicht wesentlich Gefährdungsverbrechen . . .“. 470 Gerland, Reichsstrafrecht, S. 448: „Die konkreten Umstände müssen mithin eine konkrete Gefährdung bewirken.“; von Liszt/Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Straf466

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stände des Einzelfalls berücksichtigt werden, wie z. B. die einer Brandübertragung entgegenstehenden Wetterverhältnisse. Einer solchen Auslegung stand jedoch der klare Wortlaut des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. entgegen, der allein darauf abstellte, ob das in Brand gesetzte tätereigene Tatobjekt nach Lage und Beschaffenheit geeignet war, dem bedrohten Tatobjekt das Feuer mitzuteilen. 471 Zwar trifft es zu, dass mit der gesetzlichen Berücksichtigung von „Lage und Beschaffenheit“ der Tatobjekte – ganz im Gegensatz zu den völlig abstrakt konzipierten §§ 308 Abs. 1, Alt. 1, 306 StGB a. F. – zumindest partiell der situationsbezogene Kontext der Tat stärker fokussiert wurde. Doch gegen eine über den Wortlaut hinausgehende Erfassung aller Umstände des Einzelfalls spricht die Intention des Gesetzgebers, das Brandstrafrecht von den situationsbedingten Zufälligkeiten des Einzelfalls zu entkoppeln, die dem Täter gerade nicht zum Vorteil gereichen sollten.472 Weiterhin war umstritten, ob nur Lage und Beschaffenheit des in Brand gesetzten Tatobjekts, von dem die Brandübertragungsgefahr ausging, oder zusätzlich auch Lage und Beschaffenheit des bedrohten Tatobjekts im Rahmen der Übertragungsklausel zu berücksichtigen waren, was für die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt letztlich ohne Belang ist und daher ungeklärt bleiben kann.473

rechts (1921), S. 522, Anm. 5: „Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände.“; Mezger, Strafrecht II, S. 228; Schönke/Schröder, StGB (1976), § 308 Rn. 13a: „Eine Beschränkung auf die Eigenschaften der in Brand gesetzten Sache, wie der BGH . . . annimmt, wäre schon deswegen sachwidrig, weil § 308 insoweit die beiden Objekte durch den Begriff der Gefahr zueinander in Beziehung setzt.“; diese Auffassung wurde später verworfen, vgl. Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), § 308 Rn. 13a. 471 Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 615: „Ob der in Brand gesetzte eigene Gegenstand nach Beschaffenheit und Lage geeignet war, das Feuer einem andern zur Verübung der Brandstiftung geeigneten Objecte mitzutheilen, hat der Richter im concreten Fall festzustellen, wobei aber zu berücksichtigen bleibt, daß die Frage lediglich in Rücksicht auf Beschaffenheit und Lage, nicht aber in Rücksicht auf andere die Mittheilung des Feuers begünstigende oder verhindernde Umstände, z. B. die Windrichtung, zu beantworten ist.“; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 724; Olshausen, Kommentar (1901), S. 1190; BGH, NJW 1951, S. 726: „Das Inbrandsetzen eines dem Brandstifter gehörenden Gebäudes ist nach § 308 StGB zwar straflos, wenn die Beschaffenheit und die Lage des Gebäudes nicht geeignet sind, das Feuer einer der im § 306 StGB bezeichneten Räumlichkeiten, im vorl. Falle den auf dem Hofe befindlichen Wohngebäuden, mitzuteilen. Um die Strafbarkeit zu begründen, genügt aber eine abstrakte Gefahr, eine konkrete Gefährdung ist nicht erforderlich. Auch kommt es nicht auf die Beschaffenheit der benachbarten Gebäude an, sondern nur auf diejenige der in Brand gesetzten Gegenstände.“; LK/Wolff, (1988), § 308 Rn. 19; Krey, BT 1 (1983), S. 225. 472 Motive E Juli 1869, S. 299: „Der Entwurf wollte jedoch bei der Brandstiftung, als einem gemeingefährlichen Verbrechen, die Strafbarkeit nicht davon abhängig machen, ob zufällig in einem einzelnen Falle erweisliche Gefahr für Dritte oder deren Eigenthum bestanden habe.“ 473 Dazu: Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 311 ff.; Schönke/Schröder, StGB (1976), § 308 Rn. 13a: „Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit ist der Richter auf Be-

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Auch der Vorschlag Schröders, § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. als abstraktkonkretes Gefährdungsdelikt oder „Eignungsdelikt“, d. h. als Mischform zwischen den abstrakten und den konkreten Gefährdungsdelikten, zu deuten, konnte sich zu Recht nicht etablieren.474 Denn die Spezifizierung bestimmter Gefährdungsfaktoren durch die an Lage und Beschaffenheit der Tatobjekte anküpfende abstrakte Brandübertragungsgefahr in § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F., diente allein der Konkretisierung des allgemein bestehenden tattypischen Gefährlichkeitspotentials.475 Der Umstand, dass die abstrakte Gefährlichkeit durch die Eignungsklausel lediglich näher umschrieben wird, gibt daher keine Veranlassung, die Norm nicht als abstraktes Gefährdungsdelikt zu klassifizieren. 2. Schutzzweck der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. Das Meinungsspektrum hinsichtlich des durch die mittelbare Brandstiftung intendierten Rechtsgüterschutzs war uneinheitlich. Diese Unsicherheit lag darin begründet, dass der Bezug zu den geschützten Rechtsgütern über die von der Brandübertragung bedrohten Tatobjekte nach §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. vermittelt wurde. Deshalb wurde verbreitet danach differenziert, ob von der abstrakten Brandübertragungsgefahr ein Tatobjekt der schweren Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. oder der unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. betroffen war, weshalb sich die Diskussionen um die Bewertung dieser Normen auch in der Deutung des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. reflektierten. So wurde der Schutzzweck des § 308 Abs. 1, Alt. 2, 1. Unterfall StGB a. F., der auf die Tatobjekte der schweren Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. verwies,

schaffenheit und Lage des in Brand gesetzten und des gefährdeten Objekts beschränkt. Eine Beschränkung auf die Eigenschaft der in Brand gesetzten Sache, wie der BGH . . . annimmt, wäre schon deswegen sachwidrig, weil § 308 insoweit die beiden Objekte durch den Begriff der Gefahr zueinander in Beziehung setzt.“ 474 Schröder, JZ 1967, S. 522 (524): „So wie man nun beim abstrakten Gefährdungsdelikt den Gegenbeweis der Ungefährlichkeit zuassen will, muß auch bei § 308 2. Alt. dem Richter gestattet sein, trotz genereller Gefährlichkeit der Brandstiftung den Tatbestand nicht anzuwenden, wenn auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls feststeht, daß eine Gefahr tatsächlich nicht eingetreten ist.“; ders., ZStW 81 (1969), S. 7 (19): „Stellt man sich auf den Standpunkt der Rechtsprechung, so bedeutet dies, daß § 308 eine gewisse Kombination von abstrakten und konkreten Gefahrelementen enthält, indem zwar Beschaffenheit und Lage nach ihrer individuellen Bedeutung für den konkreten Fall zu berücksichtigen sind, andere Umstände dagegen, die für die konkrete Gefahr ebenso bedeutsam sein könnten, außer Betracht bleiben müssen.“; Schünemann, JA 1975, S. 787 (793): „Zum einen gibt es Mischgebilde, ,abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte‘ wie z. B. § 308 2. Alt. StGB . . ., bei denen der Gesetzgeber auf die ,generelle Eignung‘ der Handlung abstellt, schädliche Erfolge zu verursachen.“; kritisch: Gallas, in: FS Heinitz, S. 171 f. 475 Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 3; Roxin, AT I, § 11 Rn. 162 f.; BGH, NJW 1951, S. 726.

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überwiegend im abstrakten Lebensschutz476 gesehen, während z. B. Wanjeck „Leben, Gesundheit und fremdes Eigentum“ 477 als geschützt ansah.478 Entsprechend der später vorherrschenden Klassifizierung der unmittelbaren Brandstiftung als atypischer Fall einer Sachbeschädigung wurde der hierauf bezugnehmende § 308 Abs. 1, Alt. 2, 2. Unterfall StGB a. F. als „Eigentumsgefährdungsdelikt“ 479 bzw. als „Eigentumsdelikt in der seltenen Form eines abstrakten Sachgefährdungstatbestandes“ 480 und insoweit als „Vorstufe zu § 308 1. Alt.“ 481 gedeutet.482 Demgemäß wurde die Einwilligung des Eigentümers des von der Brandübertragungsgefahr bedrohten Tatobjekts gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. auch im Rahmen der mittelbaren Brandstiftung für beachtlich gehalten.483 476 Berner, Lehrbuch, S. 637: „In §. 308 finden sich dagegen diejenigen Gebäude, deren Anzündung eine entfernte (mittelbare) Gefahr für Menschenleben herbeiführt, welche darin besteht, daß das Feuer sich einem der unter Rn. 1. bis 3 des §. 306 genannten Gegenstände mittheilen könnte.“ 477 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (30). 478 Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245 (274); von Liszt, Reichsstrafrecht (1881), S. 336: „Mit abstrakter Gemeingefahr für Eigenthum oder Leben.“; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 26: „Die sog. mittelbare Brandstiftung untergliedert sich wiederum in zwei unterschiedliche Tatbestände, zum einen die Gefährdung der in § 308 genannten Objekte (insoweit also Eigentumsgefährdung) oder von Räumlichkeiten nach § 306 (insoweit menschengefährdende Brandstiftung) . . .“; Maurach/Schroeder, BT 2 (1981), § 51 I Rn. 2: „Die zweite Alternative zerfällt wiederum in zwei unterschiedliche Tatbestände, nämlich die Gefährdung der in der ersten Alternative aufgeführten Objekte (insoweit Eigentumsgefährdung) oder von Räumlichkeiten nach § 306 (insoweit Gefahr der menschengefährdenden Brandstiftung!)“. 479 Krey, BT 1 (1983), S. 229. 480 Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (188). 481 Schönke/Schröder, StGB (1976), § 308 Rn. 1. 482 Arzt/Weber, BT LH 2, S. 47: „Der Unrechtsgehalt der einfachen Brandstiftung liegt vielmehr einerseits in der Verletzung oder Gefährdung fremden Eigentums (§ 308 I 1. Alt.: Brandbeschädigung fremder Sachen; § 308 I 2. Alt. 2. Fall: Brandgefährdung fremder Sachen), andererseits in der Herbeiführung einer Brandgefahr für die Objekte des § 306 (§ 308 I 2. Alt. 1. Fall: mittelbare Lebensgefährdung)“; Krey, BT 1 (1983), S. 225; Geppert, Jura 1989, S. 473 (478): „Demzufolge handelt es sich bei der auf dem Gedanken der Feuerübertragung basierenden ,mittelbaren‘ (einfachen) Brandstiftung – nochmals: im Gegensatz zur 1. Alternative! – anerkanntermaßen um ein gemeingefährliches Delikt, das wiederum in zwei Varianten aufgeteilt werden muss . . . Soweit eine Brandübertragung auf die in § 306 genannten Objekte in Rede steht (1. Unterfall) erweist sich § 308 I/2. Alt. als ein – über das Versuchsstadium der schweren Brandstiftung hinaus vorverlagertes – abstraktes Lebens-Gefährdungsdelikt . . . Der 2. Unterfall bezweckt demgegenüber ebenso wie die unmittelbare Brandstiftung den Schutz fremden Sacheigentums, ist also partiell Eigentumsdelikt in der seltenen Form eines abstrakten Sachgefährdungstatbestandes.“ 483 BGH, Urteil vom 9. Januar 1953 – 1 StR 652/53 (nicht veröffentlicht): „Denn hat der Angeklagte den Strohhaufen im Einverständnis mit S. in Brand gesetzt, so konnte er mangels rechtswidrigen Eingriffs in ein fremdes Eigentumsrecht nicht wegen Brandstiftung nach § 308 StGB strafbar sein . . ., auch nicht in der Begehungsform der sog. mittelbaren Brandstiftung (Inbrandsetzung eigener Gegenstände), weil der einzige Gegenstand, dem der in Brand gesetzte Strohhaufen nach seiner Beschaffenheit und Lage das Feuer möglicherweise mitteilen konnte, eine dem Angeklagten selbst gehörende Feld-

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Die Frage, ob die mittelbare Brandstiftung insgesamt als gemeingefährliches Delikt zu bewerten sei, wurde unterschiedlich beurteilt. Teilweise wurde die Übertragungsgefahr als tatbestandliche Verkörperung der Gemeingefährlichkeit interpretiert und demgemäß die mittelbare Brandstiftung vollumfänglich als gemeingefährliches Delikt klassifiziert. So betonte das Reichsgericht in GA 41, S. 33 f., dass „,hier die ,Beschaffenheit und Lage bedingte gemeine Gefahr zum Deliktsmerkmal erhoben“ 484 worden sei.485 Diese Auffassung überrascht nicht, da die Bewertung der Brandübertragungsgefahr als exklusives Wesensmerkmal der brandbedingten Gemeingefahr im engeren Sinn ein vertrauter, wenngleich problematischer, Gedankengang ist, der bereits von der Erörterung des § 39 E 1828 und des § 287 preuß. StGB bekannt ist.486 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich indessen eine Erosion der Auffassung feststellen, dass § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. einen eigenständigen gemeingefährlichen Tatbestand darstellt. So wurde zunehmend von Teilen des Schrifttums die Einordnung des § 308 Abs. 1, Alt. 2, 2. Unterfall StGB a. F. als gemeingefährliches Delikt aufgrund der Überlegung bestritten, dass soweit schon die intensivere Angriffsform, das unmittelbare Inbrandsetzen eines fremden Tatobjekts gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., nicht als gemeingefährlich bewertet werden könne, dies erst recht für die schwächere Angriffsform durch Verursachung einer bloß abstrakten Brandübertragungsgefahr auf dasselbe Objekt gelten müsse.487 Im Gegensatz dazu wurde aber der mittelbare Angriff auf die Tatobjekte der schweren Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. weiterhin als gemeingefährlich eingeordnet. In dieser Aufspaltung des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F.

scheune war.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); LK/Wolff, (1988), § 308 Rn. 20; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (188 Fn. 8); Pfeiffer/Maul/Schulte, StGB, § 308 Rn. 4. 484 RG, GA 41(1893), S. 33 (34 f.). 485 Oppenhoff, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 718: „Wird die That vom (Allein-)Eigenthümer der Sache begangen, so ist die Anwendbarkeit des § durch die Gemeingefährlichkeit der Handlung im Sinne des Schlußsatzes des Abs. 1 bedingt. Die angedeutete Gefahr muß in der ,Beschaffenheit und Lage‘ (kumulativ) des in Brand gesetzten Gegenstandes ihren Grund haben.“; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (188): „Bei der auf dem Gedanken der Feuerübertragung beruhenden ,mittelbaren‘ Brandstiftung handelt es sich nun in der Tat um ein gemeingefährliches Delikt.“; Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (28): „Bei dem ergänzenden 2. Tatbestand [Anmerkung: des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F.], der sich auf dem Täter gehörende Sachen bezieht, muss allerdings eine konkrete Gemeingefahr für die bei der ersten Begehungsweise des § 308 StGB und die in § 306 StGB genannten Objekte vorliegen.“ 486 Vgl. § 1 A. II. 1. und § 1 A. III. 4. d) aa). 487 Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), § 308 Rn. 1: „Der zweite Tatbestand, der die Inbrandsetzung eigener Sachen erfaßt, enthält sehr unterschiedliche Fälle. Soweit durch die Brandstiftung die Gefahr geschaffen wird, daß fremde Sachen i. S. des § 308 vom Feuer ergriffen werden, handelt es sich um ein Delikt der Eigentumsgefährdung (also eine Vorstufe zu § 308 1. Alt.). Soweit dagegen das Feuer auf Objekte des § 306 übergreifen kann, enthält diese Alt. ein gemeingefährliches Delikt.“; Arzt/Weber, BT LH 2, S. 47; ähnlich Geppert, Jura 1989, S. 473 (478).

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in ein teils gemeingefährliches, teils nicht gemeingefährliches Delikt reflektiert sich die Genese der mittelbaren Brandstiftung aus § 287 preuß. StGB, die ursprünglich als unselbständige ergänzende Tathandlung zu §§ 285, 286 preuß. StGB konzipiert war. 3. Die „berichtigende Auslegung“ – eine Analyse von RG, GA 41, S. 33 f. Da der Wortlaut des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. voraussetzte, dass das Tatobjekt, von dem die Übertragungsgefahr ausging, dem „Brandstifter eigenthümlich“ gehörte, bestand nach Erlass des StGB 1871 zunächst Einigkeit, dass die Tatverübung an herrenlosen und fremden Tatobjekten ausgeschlossen war.488 Dennoch erweiterte das Reichsgericht 1893 überraschend den Kreis der tauglichen Objekte und bezog neben den ausdrücklich benannten tätereigenen auch die nicht benannten täterfremden und herrenlosen Tatobjekte in den Anwendungsbereich der mittelbaren Brandstiftung ein. Dadurch kam es auf die Eigentumslage am unmittelbar in Brand gesetzten Tatobjekt als Quelle der Brandübertragungsgefahr – wie zuvor in § 287 preuß. StGB – nicht mehr an. Die sog. „berichtigende Auslegung“, die sich in späterer Zeit zum herrschenden Standpunkt entwickelte, dokumentiert plastisch die Auswirkungen der sachbeschädigungsorientierten Interpretation des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. auf die mittelbare Brandstiftung. Insoweit reflektiert sich in ihr – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – erneut die Verkennung des grundlegenden Prinzips der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung. a) Hintergründe der „berichtigenden Auslegung“ Das Reichsgericht stützte die Erweiterung des Tatobjektskatalogs in GA 41, S. 33 f. auf die folgenden Überlegungen: „Die Strafnorm des § 308, welche in ziemlich willkürlicher Weise zwei wesentlich verschieden geartete Tatbestände zusammengefaßt und durcheinander gemischt hat, unterscheidet die sog. unmittelbare Brandstiftung der ersten Alternative von der sog. mittelbaren Brandstiftung der zweiten Alternative äußerlich nur dadurch, daß dort ,fremdes Eigenthum‘, hier die ,Beschaffenheit und Lage‘ bedingte gemeine Gefahr zum Deliktsmerkmal erhoben ist. Um jedoch die Unterscheidung auch sprachlich noch schärfer hervorzuheben, wird im Gegensatz zu dem eben gebrauchten Ausdruck ,fremdes Eigenthum für die zweite Alternative bezüglich der mit gemeiner Gefahr in Brand zu setzenden, im § 308 spezifizierten Gegenstände hinzugefügt: ,wenn sie zwar dem Brandstifter eigenthümlich gehören.‘ . . . Die Eigenthumsverhältnisse der in Brand gesetzten, im § 308 aufgeführten Gegenstände erscheinen wesentlich und für die erste Alternative des § 308, die hier außer Frage ist: Sie erscheinen aber 488 Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, S. 16 f.; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (189).

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materiell unwesentlich für die zweite Alternative. Daß derjenige, welcher ein ,fremdes Eigenthum‘ darstellendes Gebäude, welches durch seine Beschaffenheit und Lage geeignet ist, das Feuer einem zur Wohnung von Menschen dienenden Gebäude mitzutheilen, in Brand setzt, der Strafbestimmung des § 308 in der zweiten Alternative nicht weniger unterliegt, wie derjenige, welcher im gleichen Falle sein eigenes Eigenthum in Brand setzt, kann nicht zweifelhaft sein.“ 489

Zusammenfassend basierte die „berichtigende Auslegung“ des Reichsgerichts auf der Annahme, dass die durch den Wortlaut vorgegebene Beschränkung auf tätereigene Tatobjekte teleologisch sinnwidrig sei und deshalb überspielt werden müsse. Isoliert betrachtet ergibt die Begrenzung der mittelbaren Brandstiftung auf tätereigene Tatobjekte tatsächlich keinen Sinn, denn die Brandübertragungsgefahr, die vom unmittelbar in Brand gesetzten Handlungsobjekt gegenüber den in §§ 308 Abs. 1, Alt. 1, 306 StGB a. F. benannten Objekten vermittelt wird, steht in keinem sachlogischen Konnex zur Eigentumslage am Handlungsobjekt.490 Auf Grundlage dieser (vermeintlichen) Unwucht nahm das Reichsgericht schließlich an, es könne nicht zweifelhaft sein, dass derjenige, der ein täterfremdes Tatobjekt in Brand setzt und dadurch eine Brandübertragungsgefahr auf die §§ 308 Abs. 1, Alt. 1, 306 StGB a. F. verursache, ebenso nach § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. bestraft werden müsse wie derjenige, der sein eigenes Tatobjekt in Brand setzt.491 b) Zur Rezeption der „berichtigenden Auslegung“ Der berichtigenden Auslegung folgten anfangs nur wenige Autoren, und wesentliche Teile der Strafrechtswissenschaft wie von Liszt, Schwartz und Frank hielten mit Rücksicht auf den Wortlaut weiterhin nur tätereigene Tatobjekte für tauglich. Dennoch wurde die Beschränkung auf tätereigene Tatobjekte in Übereinstimmung mit dem Reichsgericht kritisiert, da – so Binding – durch den Ausschluss der herrenlosen Tatobjekte eine „böse Lücke im Gesetz“ 492 drohe.493 Erst

489 RG, GA 41 (1893), S. 33 f. (Hervorhebung durch den Verfasser); bestätigt durch RG, JW 1930, S. 924 Nr. 33; JW 1934, S. 171; DJ 1940, S. 549: „denn daß derjenige, der ein in fremdem Eigentum stehendes Gebäude, das er irrtümlich als ihm selbst gehörig ansieht, das aber durch seine Beschaffenheit und Lage geeignet ist, das Feuer einem zur Wohnung von Menschen dienenden Gebäude mitzuteilen, in Brand setzt, der Strafbestimmung des § 308 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB nicht weniger unterliegen kann als derjenige, der im gleichen Falle sein eigenes Eigentum in Brand setzt, kann nicht zweifelhaft sein.“ 490 Zu einer ähnlichen Argumentation mit Blick auf die eigentumsrechtliche Restriktion des § 306 StGB n. F. vgl. § 2 I. 1. c) cc). 491 Vgl. Begründung VE 1909, Band 2 (1909), S. 604: „Endlich erscheint es als eine Lücke, daß im § 308, zweite Alternative, mit Strafe bedroht ist die Inbrandsetzung nur der eigenen Sachen des Täters, nicht aber auch diejenigen herrenloser Sachen. Durch die Inbrandsetzung der im Gesetz genannten Gegenstände kann, auch wenn sie herrenlos sind, eine ebenso große Gefahr herbeigeführt werden.“ 492 Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 119 S. 16.

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in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schlossen sich weite Teile der Lehre der „berichtigenden Auslegung“ an und ihre teleologische Zielrichtung wurde begrüßt, da die Beschränkung auf tätereigene Tatobjekte schlicht als unsinnig erachtet wurde.494 In der Folgezeit lehnten nur noch wenige Autoren die „berichtigende Auslegung“ ab und begründeten dies mit der hier drohenden Verletzung des in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Bestimmtheits- und Analogieverbots.495 Teile der Lehre vertraten zudem eine abgemilderte Variante der „berichtigenden Auslegung“ die sog. „kleine berichtigende Auslegung“.496 Mit Rücksicht auf Art. 103 Abs. 2 GG sollte § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. neben den tätereigenen 493 Olshausen, Kommentar (1901), S. 1191; Oppenhoff, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 719 Rn. 14: „Die Schlußbestimmung des Abs. 1 ist unvollständig, und wäre besser zum Gegenstande eines besonderen allgemeiner gefaßten § gemacht worden. Da hier die Gemeingefährlichkeit den Grund der Bestrafung bildet, so ist nicht abzusehen, warum die Vorschrift auf den Fall beschränkt wurde, wo die Brandstiftung einen der im Eingange des § aufgezählten Gegenstände betraf. Vgl. Pr. StGB. § 287“; von Liszt/Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts (1921), S. 521; Schwartz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 706: „Da das Gesetz ausdrücklich bei der unmittelbaren Brandstiftung fremdes, bei der mittelbaren Eigentum des Täters, in jedem Fall also ein Stehen im Eigentum verlangt, kann das Delikt des § 308 an herrenlosen Sachen nicht begangen werden.“; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 724; Gerland, Reichsstrafrecht, S. 448: „Herrenlose Sachen können stets in Brand gesteckt werden und zwar mangels einer ausdrücklichen Bestimmung auch dann, wenn ihr Brand fremdes Eigenthum usw. gefährdet.“ 494 Schmidhäuser, BT, S. 186; Petters-Preisendanz, StGB, § 308 Rn. 1: „Anders die sogenannte mittelbare Brandstiftung der 2. Alt. des Tatbestandes. Hier macht sich auch der strafbar, der eine unter § 308 fallenden eigene (oder herrenlose) Sache in Brand setzt, die nach ihrer Beschaffenheit und Lage geeignet ist, das Feuer einer der in § 306 Nr. 1–3 bezeichneten Räumlichkeiten oder einer durch § 308 geschützten fremden Sache mitzuteilen.“; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 29; Mühlmann/Bommel, StGB, § 308 Rn. 1; Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (42): „Gegenstandslos würde ferner – insoweit ist dem Entwurf zuzustimmen – die heute in § 308 StGB verwirrend wirkende Unterscheidung von eigenen und fremden Sachen, weil unerheblich wäre, was in Brand gesetzt wird, sofern nur fremdes Eigentum oder gar Menschen durch die Tat gefährdet bzw. verletzt werden.“; Welzel, Strafrecht, S. 434: „Sie [Anmerkung: die mittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F.] umfaßt auch die Brandstiftung an herrenlosen Sachen, da Strafgrund die Gemeingefahr ist.“; Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), § 308 Rn. 1: „Da ratio legis der 2. Alt. ausschließlich die Gefährdung anderer Objekte ist, ist die Begrenzung der ,Gefährdungsmittel‘ auf die Sachen des § 308 unsinnig.“; Blei, BT II, S. 301: „. . . die Worte „zwar Eigentum des Täter sind“ sind lediglich als Hinweis auf den Regelfall und als negative Abgrenzung gegenüber der 1. Alternative, d.h. dem Zweck des Gesetzes nach nicht als positives Erfordernis zu verstehen.“ 495 Mit Recht kritisch: Krey, BT 1 (1983), S. 225; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 92: „Die Rechtsprechung hat die dritte Tatbestandsvariante unter Verstoß gegen das Analogieverbot dennoch angewandt.“; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (197): „Eine solche Berichtigung wäre zwar teleologisch richtig und entspräche gewiß auch den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers, überschreitet indes die heikle Grenze zur verfassungsrechtlich verbotenen Analogie . . .“; Freund, Strafrecht AT, S. 16. 496 Welzel, Strafrecht, S. 434; Schmidhäuser, BT, S. 186; Dalcke/Fuhrmann, Strafrecht und Strafverfahrensrecht, S. 380.

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auch herrenlose, nicht aber die § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. vorbehaltenen täterfremden, Tatobjekte erfassen. Dies überzeugt nicht, weil der gesetzlich vorgegebenen „positiv-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. folgend herrenlose Tatobjekte ebensowenig fremde wie tätereigene sind, allzumal zwischen der Eigentümerbrandstiftung und der Brandstiftung an herrenlosen Tatobjekten – wie bereits erläuterte497 – strukturelle Unterschiede bestehen. c) Dogmatische Konsequenzen der „berichtigenden Auslegung“ Hinter der „berichtigenden Auslegung“ stand letztlich der Versuch des Reichsgerichts, § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. zur eigentlichen gemeingefährlichen Brandstiftung zweiter Klasse aufzuwerten. Dieses Bestreben erklärt sich, sofern in Rechnung gestellt wird, dass durch RGSt 12, 138 die unmittelbare Brandstiftung letztlich als Sachbeschädigungsdelikt klassifiziert wurde. Demnach fehlte aus der Perspektive der „Sachbeschädigungslösung“ die tradierte gemeingefährliche Brandstiftung zweiter Klasse. Durch die „berichtigende Auslegung“ wurde die mittelbare Brandstiftung nach § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. – anstelle der unmittelbaren Brandstiftung – zum eigentlichen gemeingefährlichen Brandstiftungstatbestand zweiter Klasse aufgewertet, obwohl sie historisch gesehen nur eine Variante derselben war, die allein die Eigentümerbrandstiftung regeln sollte. Infolgedessen wurden vermittels der „berichtigenden Auslegung“ zwei Mängel geheilt, die die Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ gegenüber der Einstufung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., § 286 preuß. StGB als gemeingefährliches Delikt seit jeher moniert hatten:498 Einerseits die fehlende tatbestandliche Fixierung des Gefährdungsmoments – nun verkörpert durch die abstrakte Brandübertragungsgefahr – und zum anderen die fehlende eigentumsrechtliche Neutralität der Handlungsobjekte – die nun vermittels der „berichtigenden Auslegung“ für § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. erzwungen wurde.499 Insofern steht die Extension des Anwendungsbereichs der mittelbaren Brandstiftung im Wege der „berichtigenden Auslegung“ mit der Einordnung der unmittelbaren Brandstiftung als Sachbeschädigungsdelikt in einem konzeptionellen Zusammenhang. Sie steht zu497 Dazu bei § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. b) ee) und bei § 306 StGB n. F. vgl. § 2 I. 1. c) cc) (2). 498 So auch: Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 26: „. . . und zum anderen die Eigenbrandstiftung, der eigentliche Grundtatbestand der vorsätzlichen Brandstiftungsdelikte. Erst bei diesem Deliktstyp kommt es auf die vom Feuer ausgehende Gefahr für andere Sachen an, so dass die diese Deliktsgruppe prägende Komponente der Gemeingefahr nur in diesem zweiten Tatbestand des § 308 eine Rolle spielt.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); ders., S. 26 Fn. 6: „Man hat es also nicht mit unselbständigen Begehungsweisen, sondern mit zwei selbstständigen Deliktstypen zu tun.“; vgl. zu § 286 preuß. StGB bei § 1 A. III. 2. und § 1 A. III. 4. d) aa). 499 Zu ähnlichen Überlegungen de lege ferenda Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (194 f.).

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dem auch in direkter Kontinuität zur Rechtsprechung des preußischen Obertribunals, das allein die mittelbare Brandstiftung zweiter Klasse gem. §§ 286, 287 preuß. StGB (= § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F.) wegen der dort verlangten tatbestandlichen Übertragungsgefahr als echtes gemeingefährliches Delikt anerkannte, nicht jedoch § 286 preuß. StGB (= § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.).500 d) Kritik der „berichtigenden Auslegung“ Die „berichtigende Auslegung“ ist – wie die nachfolgenden Ausführungen belegen werden – verfehlt und im Ergebnis abzulehnen. Zunächst lässt sich der Wortlaut des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. „wenn diese Gegenstände . . . zwar dem Brandstifter eigenthümlich gehören“ nicht so verstehen, dass das hervorgehobene tätereigene Eigentum am Tatobjekt unbeachtlich sei.501 Vielmehr drückt „wenn“ die Bedingung des Bestehens von tätereigenem Eigentum am Tatobjekt aus, und „zwar“ weist erkennbar darauf hin, dass „trotz“ der Tatbegehung an einem tätereigenen Objekt ausnahmsweise die Strafbarkeit angeordnet wird. Dies lässt auf eine bewusste Verengung des Anwendungsbereichs auf tätereigene Tatobjekte schließen, weshalb die Wortlautauslegung des Reichsgerichts gekünstelt wirkt und offenkundig den natürlichen Wortsinn verzerrt.502 Die materielle Legitimation der „berichtigenden Auslegung“ steht und fällt hingegen mit der Beantwortung der Frage, ob die tatbestandliche Beschränkung auf tätereigene Tatobjekte innerhalb des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. einer überzeugenden Erklärung zugänglich ist. Bereits ein kurzer Blick in die ansonsten knappen Gesetzesmaterialien stützt die durch den Wortlaut induzierte Annahme einer intentionalen Begrenzung auf tätereigene Tatobjekte. So heißt es in den Motiven zum E Reichstagsvorlage 1870: „Ausnahmsweise nimmt der Entwurf jedoch auch eine Brandstiftung an den in § 305 [= 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.] aufgeführten Gegenständen, wenn sie im Eigenthume des Thäters sich befinden, dann an, wenn der Gegenstand seiner Beschaffenheit und 500 Vgl. das Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (374) und zu dieser Interpretation des § 286 preuß. StGB bei § 1 A. III. 2. und § 1 A. III. 4. d) aa). 501 A. A. Olshausen, Kommentar (1927), S. 1752: „Die Worte ,wenn diese . . . Gegenstände . . . zwar dem Brandstifter eigentümlich gehören‘ stellen kein selbständiges Deliktsmerkmal auf, sagen vielmehr lediglich im Gegensatz zum Falle der sog. unmittelbaren B., daß die Eigenschaft der in Brand gesetzten Sache als ,fremde‘ im zweiten Falle keine Bedingung sei, daß vielmehr die Inbrandsetzung der bezeichneten Gegenstände sonst – d.h. falls sie nicht fremdes sind – unter gewissen anderen Voraussetzungen strafbar sei; jene Worte sind daher materiell entbehrlich . . .“ 502 Wie problematisch diese Interpretation (Umgehung) des Wortlautes letztlich ist, zeigt die Äußerung von RG, DJ 1940, S. 549: „Zweifel in dieser Beziehung könnten nur entstehen, wenn die Worte des § 308 StGB ,oder zwar dem Brandstifter eigentümlich gehören‘ einen Teil des Tatbestandes bilden würden, wie dies dem Wortlaut nach angenommen werden könnte.“

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Lage nach geeignet ist, das Feuer einer der in § 303 [= § 306 StGB a. F.] aufgeführten Räumlichkeiten oder einem der in § 305 [= § 308 Abs. 1, Alt, 1 StGB a. F.] aufgeführten fremden Gegenstände mitzutheilen, und so nach Gefahr vorhanden ist, daß eine solche Räumlichkeit oder ein solcher Gegenstand, an welchem nach § 303 (im Eingange) [= § 306 StGB a. F.] und nach § 305 [= § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.] eine Brandstiftung begangen werden kann, in Brand gerathe. Es liege in diesem Fall eine so schwere Verschuldung des Brandstifters, wenngleich er zunächst seine eigene Sache in Brand gesetzt hat, gegenüber der Gefahr für die bedrohte Sache vor, daß hierdurch eine Gleichstellung seiner That mit den übrigen Fällen der Brandstiftung [exakter § 305, Alt. 1 E Reichstagsvorlage 1870 = § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.] gerechtfertigt erscheint.“ 503

Die Gesetzesmaterialien zeigen damit in aller Klarheit, dass die mittelbare Brandstiftung gezielt die Strafbarkeit der Tatbegehung an tätereigenen Tatobjekten anordnete, wenn und soweit hierdurch eine Brandübertragungsgefahr für andere geschützte Tatobjekte geschaffen wird. Die entscheidende Frage ist nun die: Von welchem Grundsatz stellt § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. eine Ausnahme dar? Der Ausnahmecharakter der mittelbaren Brandstiftung erklärt sich schlüssig als Kompensation für die in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. angelegte und von § 286 preuß. StGB übernommene Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung.504 Demnach sollte die Brandstiftung an tätereigenen Tatobjekten im Rahmen der Brandstiftung zweiter Klasse nur unter der Bedingung ihrer Gefährlichkeit strafbar sein und die mittelbare Brandstiftung erfasste genau den Fall der gefährlichen Eigentümerbrandstiftung zweiter Klasse. Die unmittelbare und die mittelbare Brandstiftung stehen daher in einem genuinen Regel-Ausnahme-Verhältnis, weshalb sich beide Normen komplementär ergänzen und ihre Zusammenfassung in § 308 StGB a. F. daher erklärbar ist.505 Mit anderen Worten rechtfertigt sich die eng umrissene Beschränkung auf tätereigene Tatobjekte in § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. allein aus der Berücksichtigung jener Gründe, die mit der Beschränkung auf täterfremde Tatobjekte in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. in Zusammenhang stehen. Demzufolge ist die teleologische Extension des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. im Wege der „berichtigenden Auslegung“ abzulehnen, da es sich um einen Sondertatbestand für den Fall der gefährlichen Eigentümerbrandstiftung handelte, so dass noch nicht einmal die materielle Voraussetzung für eine (ohnehin unzulässige) Analogie zu Lasten des Täters, das Bestehen einer planwidrigen 503 Motive zum E Reichstagsvorlage E 1870, S. 83 (Hervorhebung durch den Verfasser), vgl. auch Rubo, Kommentar zum RStGB, S. 964. 504 Dazu bereits bei § 1 A. III. 4. b) und zu § 306 StGB n. F. bei § 2 I. 1. c) cc). 505 Ähnlich Kratzsch, JR 1987, S. 360 (364). Ein weiteres Indiz für die gezielte Begrenzung auf tätereigene Tatobjekte in § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. ist der Vergleich mit dem preußischen Vorläufer § 287 preuß. StGB, der noch ausdrücklich jede beliebige „eigene“ oder „fremde“ Sache erfasste. Dass sich § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. im Gegensatz dazu „nur“ auf tätereigene Tatobjekte bezog, verdeutlicht erneut, dass die Beschränkung gezielt erfolgte.

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Regelungslücke durch Ausschluss täterfremder und herrenloser Objekte, vorlag. Die „berichtigende Auslegung“ beweist den Verständnisverlust des Reichsgerichts für die partikularrechtliche Unterscheidung zwischen der Eigentümer- und der Nichteigentümerbrandstiftung, sofern es behauptet, § 308 enthalte „zwei wesentlich verschieden geartete Tatbestände“ 506, die willkürlich durcheinander gemischt seien. Das Gegenteil war der Fall. Mit Blick auf die Ausgestaltung des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. verbleibt zu bemerken, dass dieser eine frappierende Ähnlichkeit zu § 198 Abs. 1 E 1848 zum preuß. StGB aufweist, der ebenfalls strikt auf tätereigene Tatobjekte der Brandstiftung zweiter Klasse gem. § 197 E 1848 (= § 286 preuß. StGB) beschränkt war und deren Inbrandsetzung mit Verursachung einer Gefahr für fremdes Eigentum erforderte. Somit ist zu konstatieren, dass die Funktion der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. wieder „nur“ noch in der Begrenzung der straffreien Eigentümerbrandstiftung bestand und die Funktion als alternative Tathandlung, die hingegen noch Art. 205 E 1849 und § 287 preuß. StGB zukam, offenbar gezielt aufgegeben wurde. Im Gegensatz zum preuß. StGB 1851 enthielt das StGB 1871 somit wieder, wie zuvor die meisten Partikularstrafgesetzbücher,507 eine explizite Normierung der gefährlichen Eigentümerbrandstiftung zweiter Klasse.508 Auch einige nicht Gesetz gewordene Reformentwürfe zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wie der E 1913, E 1919 oder der E 1925, zeigen, dass auch hier noch gezielt zwischen der Tatbegehung an „eigenen“ und „fremden“ Tatobjekten differenziert und höhere Voraussetzungen für die Tatvollendung im Fall der Eigentümerbrandstiftung postuliert wurden.509 So bewertete etwa § 254 Abs. 1 E 1919 die Inbrandsetzung von fremden Gebäuden, Wohnungen oder zum Aufenthalt von Menschen dienenden Räumlichkeiten, sowie von fremden Schiffen, Bergwerken, Waldungen, Heiden, Felder, etc. als strafbare Brandstiftung. Die Strafbarkeit der Inbrandsetzung tätereigener Sachen dieser Art stand hingegen unter der weiteren Bedingung der Verursachung einer Gemeingefahr. § 258 Abs. 2 E 1913 hatte hingegen noch auf die Verursachung einer Gefahr für Menschenleben oder für fremdes Eigentum in bedeutendem Umfang abgestellt.510 Das Anliegen der Begünstigung der Eigentümerbrandstiftung erstreckte § 254 Abs. 1 E 1919 sogar weitergehend als § 308 Abs. 1, Alt. 1

506

RG, GA 41 (1893), S. 33 f. Vgl. § 1 A. III. 4. b) bb). 508 Vgl. § 1 A. III. 4. d). 509 Dagegen enthielten § 189 VE 1909 und § 225 E 1925 keine Sonderregelung der Egentümerbrandstiftung. 510 Zur Kritik an der Regelungstechnik des § 189 VE 1909, der auf die Herbeiführung einer brandbedingten Gefahr für Menschenleben oder fremdes Eigentum in bedeutendem Umfang abgestellt hatte, und zu den Gründen für die Rückkehr zur tradierten Tatobjektskasuistik der §§ 306, 308 StGB a. F., vgl. Schubert, Protokolle der Kommission für die Reform des Strafgesetzbuches, Band 2, S. 512 ff. 507

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StGB auf die Inbrandsetzung der Tatobjekte der Brandstiftung erster Klasse wie Wohngebäude und dem Aufenthalt von Menschen dienenden Räumlichkeiten. Aufschlussreich ist in diesem Kontext auch die folgende Aussage in der Denkschrift zum E 1919 hinsichtlich der Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte in § 254 Abs. 1 E 1919: „Eine Erweiterung der Brandstiftungsobjekte liegt gegenüber dem geltenden Recht auch darin, daß der Entwurf im Abs. 1 schlechthin von fremden Sachen spricht. Danach fällt das Inbrandsetzen einer der im Abs. 1 aufgeführten Sachen auch dann unter die Strafandrohung, wenn die Sache herrenlos ist.“ 511 Diese Stellungnahme ist beachtenswert, weil sie dokumentiert, dass der Ausschluss von herrenlosen Tatobjekten in § 308 StGB a. F., der – wie ausgiebig zu § 286 preuß. StGB dargelegt – aus der prekären Beschränkung auf Tatobjekte in „fremdem Eigentum“ folgte, von den Entwurfsverfassern des E 1919 als Konstruktionsfehler erkannt wurde. „Fremd“ sollte also explizit im „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Sinn als „nicht im Eigentum des Täters stehend“ gedeutet werden, um die von § 308 Abs. 1 StGB a. F. exkludierten herrenlosen Tatobjekte zu erfassen.512 Ähnliche Feststellungen lassen sich auch für § 201 E 1925 treffen, der zwischen der Verursachung einer „Feuersbrunst“ an einer „fremden“ Sache in Abs. 1 und der Verursachung einer „Gemeingefahr“ an einer „eigenen“ Sache bzw. an einer „fremden“ Sache mit Einwillung des Eigentümers in Abs. 2 unterschied und damit ausdrücklich die unmittelbare Eigentümerbrandstiftung der mittelbaren Eigentümerbrandstiftung513 gleichstellte.514 Die Begründung zum E 1925 verweist für die unterschiedliche Behandlung beider Tätergruppen darauf, dass der Eigentümer grundsätzlich frei über sein Eigentum disponieren könne und dass dieser Freiheit nur dort Grenzen gezogen werden müssten, sofern die Interessen Dritter gefährdet seien;515 auch dies ist ein bekanntes Begründungsmuster. Der E 1919 und der E 1925 dokumentieren also, dass die partikularrechtliche Unterscheidung zwischen der Tatbegehung durch den Nichteigentümer und den Eigentümer Anfang des 20. Jahrhunderts (noch) nicht vollständig verloren gegan511

Denkschrift E 1919, S. 201 (Hervorhebung durch den Verfasser). Zur problematischen Umsetzung der eigentumsrechtlichen Restriktion in § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. b) ee) und bei § 306 StGB n. F. vgl. § 2 I. 1. c) cc). 513 Vgl. § 1 A. III. 4. b) ff) (3). 514 Begründung E 1925, S. 107: „Beide Vorschriften stimmen darin überein, daß sie sich auf Sachen jeder Art beziehen. Sie decken sich in ihren Gründzügen auch insofern, als sowohl im Abs. 1 wie im Abs. 2 ein Brand von größerer Bedeutung nach Umfang und Gefährlichkeit vorausgesetzt wird. Für den Abs. 1 ergibt sich dies aus dem Erfordernis einer ,Feuersbrunst‘, also eines Brandes von erheblicher Ausdehnung; für den Abs. 2 folgt es daraus, daß nur solche Handlungen unter die Vorschrift falllen, die eine Gemeingefahr – also Gefahr für Menschenleben oder in bedeutenderem Umfange für fremdes Eigentum – herbeiführen.“ 515 Begründung E 1925, S. 107. 512

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gen war, weshalb die nivellierende „berichtigende Auslegung“ durch das Reichsgericht umso weniger einleuchtend erscheint. 4. Fazit zur mittelbaren Brandstiftung Rückblickend ist die Extension des Anwendungsbereichs der mittelbaren Brandstiftung im Wege der „berichtigenden Auslegung“ das handgreiflichste Symptom für die tiefgreifende Verständniskrise der Systematik des Brandstrafrechts im Zeitraum von 1871 bis 1998 und dem Verlust des strukturellen Zusammenhangs zwischen beiden Fällen des § 308 Abs. 1 StGB a. F. Der „Knackpunkt“ liegt in der verkannten flankierenden Funktion des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. gegenüber § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., weshalb entgegen der herrschenden Normbewertung niemals eine „kriminalpolitische Lücke“516 im Anwendungsbereich der mittelbaren Brandstiftung bestand. Die von der herrschenden Ansicht vermutete Lücke lag nicht in § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. begründet, sondern vielmehr im unbedachten Ausschluss der herrenlosen Tatobjekte durch den Wortlaut des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F./§ 286 preuß. StGB, weil dieser ein in täterfremden Eigentum stehendes Tatobjekt verlangte.517

IV. Die schwere Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. Die schwere Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. knüpfte unmittelbar an § 285 preuß. StGB an und die Veränderungen betrafen primär die Rechtsfolgen.518 Die noch in § 285 S. 2 preuß. StGB enthaltene Klarstellung, wonach die Eigentumslage an den Tatobjekten unbeachtlich sei, wurde als überflüssig erachtet und deshalb gestrichen.519 Die vorsichtige Umgestaltung des Tatobjektskatalogs der schweren Brandstiftung diente im Wesentlichen der Gesetzesvereinfachung.520 So wurde etwa auf die ausdrückliche Benennung von Bergwerken und Eisenbahnwagen in § 306 Nr. 3 StGB a. F. verzichtet, da diese Objekte ohnehin unter den umfassenderen Begriff der Räumlichkeit fielen.521 Erwähnenswert ist, dass schon die Motive zum E Juli 1869 ausdrücklich erklären, die Strafbarkeit der schweren Brandstiftung als gemeingefährliches Verbrechen solle nicht davon abhängen, ob im Einzelfall zufällig eine Gefahr bestanden habe, weshalb die Strafbarkeit der Eigentümerbrandstiftung an den Tatobjekten 516

So Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (189). Vgl. § 1 A. III. 4. b) dd). 518 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 46 f. 519 Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 82; Schwarze, Commentar, S. 732. 520 Dazu Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 47. Eine Ausnahme stellte lediglich § 306 Nr. 1 StGB a. F. dar, vgl. § 1 B. IV. 2. a). 521 Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 83. 517

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des § 285 E Juli 1869 (= § 306 StGB a. F.) bewusst nicht unter die Bedingung der Verursachung einer Gefahr für Menschen oder das Eigentum Dritter, wie etwa in Art. 350 StGB Bayern 1861, gestellt worden sei.522 Auch hieran manifestiert sich mithin das Festhalten an der restriktiven preußischen Beschränkung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung „nur“ auf die Brandstiftung zweiter Klasse nach § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.523 1. Zum Schutzzweck der schweren Brandstiftung a) Umfang und Grenzen des abstrakten Lebensschutzes Die Anerkennung des abstrakten Lebensschutzes als Telos der schweren Brandstiftung stellte im Zeitraum von 1871 bis 1998 die herrschende Auffassung dar, basierend auf der Annahme, dass aus der Zweckbestimmung der in § 306 StGB a. F. genannten Tatobjekte und ihres Zusammenhangs mit dem menschlichen Leben und Wirken die eigentümliche Lebensgefährlichkeit der Tat resultiere.524 Auf hiervon abweichende Einschätzungen wird im Rahmen der Kirchen- und der Wohnungsbrandstiftung gem. § 306 Nr. 1 und 2 StGB a. F. noch gesondert einzugehen sein.525 Allerdings darf der vordergründige Konsens hinsichtlich des Schutzzwecks des § 306 StGB a. F. nicht darüber hinwegtäuschen, dass Umfang und Ausformung des intendierten Schutzes, wie schon zu § 285 preuß. StGB, in wesentlichen Punkten umstritten waren. Reichsgericht und Bundesgerichtshof sahen – in Übereinstimmung mit den Motiven zum preuß. StGB 1851526 und zum StGB 1871527 sowie Teilen des Schrifttums – in der typischerweise mit der Tatbegehung verbundenen Lebensgefährlichkeit das wesenhafte Unrecht des § 306 StGB a. F.528 522

Motive E Juli 1869, S. 300; Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (192 Fn. 27). Vgl. § 1 A. III. 4. b) bb) und § 1 A.V. 524 RGSt 9, 384 (386): „. . . denn die Inbrandsetzung eines zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmten Gebäudes wird nicht aus dem Gesichtspunkte der Verletzung bestimmter Personen an Leib oder Gut, sondern aus dem Gesichtspunkte der gemeinen Gefahr mit Strafe bedroht . . .“; RGSt 60, 136 (137 f.); BGHSt 26, 121 ff.; 34, 115 ff.; von Liszt/Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 520: „Vorsätzliche Brandstiftung mit abstrakter Gemeingefahr für das Leben.“; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (13); Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), § 306 Rn. 2; Arzt/Weber, BT LH 2, S. 51; LK/Wolff (1988), § 306 Rn. 3; Bohnert, JuS 1984, S. 182 ff.; Geppert, Jura 1989, S. 417 (418 f.); Kratzsch, JuS 1994, S. 372 (378). 525 Vgl. § 1 B. IV. 2. a) und § 1 B. IV. 2. b). 526 Goltdammer, Motive II, S. 642 f. 527 Motive zum E Reichstagsvorlage 1870, S. 82. 528 Hahn, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 442; BGHSt 26, 121 (123); BGHSt 34, 115 (118): „306 Nr. 2 StGB ist abstraktes Gefährdungsdelikt . . . Die selbst von einem Sachkundigen oft kaum zuverlässig vorauszuberechnende Entwicklung eines einmal entfachten Feuers läßt es zum Schutz des Rechtsguts geboten erscheinen, schon 523

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Hierbei wurde im Wesentlichen auf die Unkontrollier- und Unberechenbarkeit des Tatverlaufs verwiesen, weshalb der (zufällige) Nichteintritt konkreter Gefahr den Täter nicht vom Vorwurf der generellen Gefährlichkeit seines Tuns entlasten könne.529 Die strikte Fokussierung auf die abstrakte Gemeingefährlichkeit stieß im Schrifttum weiterhin auf Widerstand, das seinerseits zahlreiche Vorschläge mit dem Ziel entwickelte, die strenge Tatbestandsausrichtung der schweren Brandstiftung zu durchbrechen. Besonders deutlich tritt dies bei den diversen Forderungen nach einer teleologischen Normreduktion des § 306 StGB a. F. im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu Tage. Diese basierten auf der Annahme, dass der Normwortlaut in bestimmten Konstellationen über den zugrunde liegenden Regelungszweck hinausweise, und deshalb eine Beschneidung des formalen Anwendungsbereichs notwendig sei.530 Klarzustellen ist, dass nachfolgend keine umfassende Analyse und Bewertung der verschiedenen Reduktionsvorschläge zu den abstrakten Gefährdungsdelikten intendiert ist – insoweit sei auf diesbezüglich bestehende Abhandlungen verwiesen531 –; von Interesse ist allein, welche Rückschlüsse sich aus den diversen Reduktionsmodellen bezüglich der Ausprägung des von § 306 StGB a. F. intendierten Lebensschutz ableiten lassen. Die ersten Autoren, die für eine entsprechende Restriktion des § 306 StGB a. F. eintraten, waren Rabl und Schröder, die den prozessualen Gegenbeweis der Ungefährlichkeit der Tat im Einzelfall zulassen wollten.532 Rabl hielt die strafrechtliche Sanktionierung von „gefährlichen“ Handlungen nur unter der Bedingung für akzeptabel, dass im Einzelfall die reale Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung bestand.533 Nach Auffassung Rabls präsumierte nämlich das Gesetz bei den abstrakten Gefährdungsdelikten und auch bei § 306 StGB a. F. den Eindie abstrakte Gefährdung unter erhöhte Strafdrohung zu stellen. Diese Gefährdung liegt vor, sobald ,das Gebäude‘ brennt.“; BGH, StV 1990, S. 161 f.; Brehm, Zur Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 71; Bohnert, JuS 1984, S. 182 ff. 529 Kratzsch, JR 1987, S. 360 (362 f.); Blei, BT, S. 298. 530 Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), § 306 Rn. 2; Arzt/Weber, BT LH 2, S. 49; Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 114; kritisch: Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 355 ff. 531 Dazu Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 144 ff., 151 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 229 ff., 240 ff.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 82 ff.; Bohnert, JuS 1984, S. 182 (182, 184 ff.); Kratzsch, JR 1987, S. 360 (362); Geppert, Jura 1989, S. 417 (424 f.). 532 Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 20 ff.; Schröder ZStW 81 (1969), S. 7 (15 ff.); Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 4; kritisch dazu: Radtke, Dogmatik, S. 218 ff.; Hilger, NStZ 1982, S. 421 (422); Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 188 ff., 199 ff.; zu ähnlichen Überlegungen bei § 285 preuß. StGB siehe § 1 A. IV. 1. 533 Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 22; vgl. auch die der Sache nach identischen Einwände gegenüber der Bewertung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. als abstraktes Gefährdungsdelikt bei § 1 B. II. 1.

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tritt eines Gefahrerfolgs.534 Deshalb genüge es keineswegs, das „bloße Verwirklichtsein der Ausführungshandlung allein zu konstatieren, weil etwa wie in den Fällen der sog. ,abstrakten‘ Gefährdungsdelikte vom Erfolg im Gesetzestext ausgesprochenermaßen nicht die Rede“ 535 sei. Auch Schröder räumte dem Tatgericht die Befugnis ein, den Gegenbeweis der Ungefährlichkeit im Einzelfall zu führen.536 Indes haben zahlreiche Autoren dargelegt, dass sowohl der Umfang der präsumierten Lebensgefährdung als auch die Anforderungen an ihre Widerlegung bei Rabl und Schröder unscharf geblieben sind und zudem mit dem Grundsatz in dubio pro reo kollidieren, sofern dem Täter die Widerlegung der Ungefährlichkeit seines Tuns aufgebürdet würde.537 Die Auffassung, das Gesetz präsumiere in § 306 StGB a. F. den Eintritt einer (konkreten) Gefahr bzw. der Gefährlichkeit der Tat, war im Schrifttum bis in die erste Hälfte des 20. Jahhunderts hinein weit verbreitet.538 Mit dieser Sicht verbunden war aber zugleich der Einwand, die abstrakte Tatbestandskonfiguration sei nur ein (illegitimer) gesetzgeberischer Kunstgriff zur Überwindung der praktischen Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des Eintritts konkreter Gefahr, einschließlich eines hierauf gerichteten Gefährdungsvorsatzes.539 Obwohl in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Deliktstypus des abstrakten Gefährdungsdeliktes nicht mehr prinzipiell in Frage gestellt wurde, ent-

534 Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 20 f.: „. . . bei allen Gefährdungsdelikten ohne Ausnahme wird der Erfolg vom Gesetzgeber präsumiert. Diese Präsumtion ist im Prozeß beweisbedürftig und wiederlegbar.“ 535 Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 20. 536 Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7 (16); dazu: Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 103 f. 537 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 187 ff., 199 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 218 ff., 224 ff.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 83 f.; Schünemann, JA 1975, S. 787 (797 f.); Roxin, AT I, § 11 Rn. 154; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 25 f. 538 von Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 9, S. 31 (39 ff.); Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 21 f.; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 721: „Freilich beruht das Gesetz insofern auf einer Fiktion, als es annimmt, daß diese Gemeingefahr nur durch Inbrandsetzung bestimmter Objekte (§§ 306. 308), bei diesen aber auch immer eintrete.“; Berner, Lehrbuch, S. 639: „Präsumtionen führen im Strafrecht leicht zu Verletzungen der Gerechtigkeit. Dies gilt auch von den Präsumtionen der Gefährlichkeit, welche das Gesetz mit den von ihm aufgezählten Gegenständen der Brandstiftung verknüpft.“; Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7 (16 f.); Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (27): „Gefahr für Leib oder Leben wird vermutet.“ 539 Die von Binding vertretene Einordnung des § 306 StGB a. F. als Sachbeschädigungsdelikt [Binding, Normen I, S. 381 f. Fn. 26; Schwartz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 702; Olshausen, Kommentar (1901), S. 1183] ist vor diesem Hintergrund eine durchaus konsequente Schlussfolgerung, soweit einerseits ein realer Gefährdungserfolg gefordert, andererseits aber die Annahme der Gefahrpräsumtion als „Fiktion“ abgelehnt wird, vgl. auch § 1 B. II. 1.

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wickelte das Schrifttum weitere Reduktionsvorschläge.540 Diesen lag insbesondere die Erwägung zugrunde, dass die Strafbarkeit aus § 306 StGB a. F. dann nicht (mehr) gerechtfertigt sei, sofern sich der Täter vor der Inbrandsetzung des Tatobjekts durch ausgiebige Kontrollmaßnahmen vergewissert habe, dass sich in diesem keine Personen aufhalten und dadurch eine Lebensgefährdung bei Tatbegehung zuverlässig ausgeschlossen werden könne.541 Eine dennoch eintretende Strafbarkeit verleihe § 306 StGB a. F. – auch dies ist ein bekannter Einwand – den Charakter einer bloßen „Ordnungswidrigkeit“ 542 bzw. eines Ungehorsams-543 oder Formaldelikts544 und sei eine „Unrechtsfiktion“545.546 Begründet wurde die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung teils auch mit dem Hinweis, dass die wortlautgetreue Anwendung des § 306 StGB a. F. und die dadurch bedingte Folge der Strafbarkeit von ungefährlichem Verhalten das in Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verbürgte Schuldprinzip verletzte.547 In diesem Sinn sah Cramer die abstrakten Gefährdungsdelikte nur unter der Voraussetzung als legitime Konstrukte an, dass die Geeignetheit zur Herbeiführung einer Rechtsgütergefährdung bestand, die gewissermaßen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hineingelesen werden müsse. Die abstrakte Gefahr sei als die Wahrscheinlichkeit einer (konkreten) Rechtsgütergefährdung zu begreifen, und die abstrakten Gefährdungsdelikte bildeten eine Vorstufe zu den konkre-

540 Zu berücksichtigen ist, dass die diversen Reduktionsmodelle zwar nicht spezifisch auf das Brandstrafrecht gemünzt waren, sondern sich generell auf den Typus des abstrakten Gefährdungsdelikts bezogen. Jedoch war § 306 StGB a. F. als „Referenzfall“ der abstrakten Gefährdungsdelikte bevorzugtes Objekt der Reduktionsbemühungen, vgl. Radtke, Dogmatik, S. 215; Brehm, Zur Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte, S. 126; ders., JuS 1976, S. 22 ff.; Cramer, Vollrausch, S. 50 ff., 69 ff.; Schünemann, JA 1975, S. 787 (797 f.); Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 100 ff.; für die Lösung dieser Problematik auf der Ebene der Strafausschließungsgründe: Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 361 f. 541 Schneider, Jura 1988, S. 460 (465 ff.); Geppert, Jura 1989, S. 417 (424); Blei, JA 1976, S. 99; Brehm, JuS 1976, S. 22; Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 294 ff.; Horn/Hoyer, JZ 1987, S. 965 (966); Radtke, Dogmatik, S. 215 ff.; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 97 f. 542 Rudolphi, in: FS Maurach, S. 51 (60). 543 Jakobs, AT, 6. Abschn. Rn. 88. 544 Brehm, Zur Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 126. 545 Schünemann, JA 1975, S. 787 (797). 546 Das Unbehagen, die abstrakten Gefährdungsdelikte überhaupt als Gefährdungsdelikte zu klassifizieren, kommt selbst noch in der Sympathie erheischenden Forderung Hirschs zum Ausdruck, der diese terminologisch als Gefährlichkeitsdelikte bezeichnen will. Diese seien keine (echten) Gefährdungsdelikte „da es bei ihnen nicht um die Generalisierung des Eintritts der Gefahr als Erfolg, sondern [um] Merkmale des Handelns“ gehe, so Hirsch, in: FS Kaufmann, S. 545 (558). 547 Kaufmann, JZ 1963, S. 425 (432); zu diesem Einwand: Radtke, Dogmatik, S. 240 ff.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 82 ff.

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ten Gefährdungsdelikten.548 Von dieser Forderung ausgehend verneinte Cramer die Anwendbarkeit des § 306 StGB a. F., sofern die Tat wegen der Besonderheit des Einzelfalls nach menschlichem Erfahrungswissen mit Sicherheit nicht zu dem schädlichen Erfolg habe führen können.549 Rudolphi meinte, dass im Falle desjenigen Täters, der jedwede Gefährdungen für Personen im Tatobjekt sicher ausgeschlossen habe, nicht nur jeder für § 306 StGB a. F. relevante Erfolgsunwert im Sinne einer Verletzung oder konkreten Gefährdung des geschützten Rechtsgutes, sondern auch jeglicher Handlungsunwert fehle; der Wille des Täters sei geradezu auf die Vermeidung des für § 306 StGB a. F. relevanten Sachverhaltsunwertes gerichtet.550 Ebenso verneint Wolter die Einschlägigkeit des § 306 Nr. 2 StGB a. F., sofern die von ihm als notwendig erachtete Schaffung eines objektiv-adäquaten Lebensgefährdungsrisikos aufgrund (ex ante) ausreichender Gegenmaßnahmen des Täters entfalle. Der Standpunkt Wolters ist besonders radikal, als seiner Auffasung nach selbst der entgegen den Erwartungen und Vorkehrungen des Täters eintretende Tod eines Menschen in dem in Brand gesetzten Gebäude einem Tatbestandsausschluss nicht entgegenstehe.551 Auch Volz hielt die für abstrakte Gefährdungsdelikte zu fordernde relevante Risikoeingehung in Bezug auf das geschützte Rechtsgut nicht (mehr) für gegeben, falls der Täter bei Verwirklichung des § 306 StGB a. F. alles daran gesetzt habe, seinem Verhalten die Gefährlichkeit zu nehmen.552 Andere Autoren begründeten eine teleologische Reduktion der schweren Brandstiftung damit, dass der Täter bei der Verwirklichung abstrakter Gefährdungsdelikte sorgfaltswidrig in Bezug auf das gefährdete Rechtsgut habe handeln müssen.553 Demnach seien abstrakte Gefährdungsdelikte Fälle folgenloser Fahrlässigkeit im Sinne des Nichteintritts konkreter Gefahr bzw. einer Rechtsgutsverletzung. Auf dieser Grundlage vertrat etwa Brehm die Ansicht, der Täter könne die in § 306 StGB a. F. aufgestellte Verhaltenspflicht der Nichtanzündung der Tatobjekte durch die Versicherung, es werde niemand durch die Tat verletzt oder gefährdet, substituieren und somit die tatbestandsimmanente Pflichtwidrigkeit widerlegen.554 548 Cramer, Vollrausch, S. 67 ff., 74; dazu kritisch: Brehm, Zur Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 75 ff.; Schünemann, JA 1975, S. 787 (797 f.); ähnlich zu § 306 StGB a. F. Schmidhäuser, BT, S. 186: „eine konkrete Gefährdung von Menschen ist jedoch nicht vorausgesetzt, unter dem Aspekt des Schuldgrundsatzes wohl aber, daß eine solche Gefährdung nicht schlechthin ausgeschlossen war.“ 549 Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 3a, § 306 Rn. 2. 550 Rudolphi, in: FS Maurach, S. 51 (59). 551 Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 281; kritisch dazu: Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 358 f. 552 Volz, Unrecht und Schuld abstrakter Gefährdungsdelikte, S. 162 ff. 553 Schünemann, JA 1975, S. 787 (798); Jakobs, AT, 6. Abschn. Rn. 89. 554 Brehm, Zur Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 126 f.; ders., JuS 1976, S. 22 (24 f.); zustimmend Roxin, AT I, § 11 Rn. 155.

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Aus den verschiedenen tatbestandseinschränkenden Auslegungsvorschlägen zu § 306 StGB a. F., die sich unter dem Rubrum der teleologischen Reduktion zusammenzufassen lassen, ist ein zentrales Prinzip destillierbar, nämlich dass das Gesetz mit Hilfe der qualifizierten Nutzung der in § 306 StGB a. F. genannten Tatobjekte den tatsächlichen Aufenthalt von Personen im Tatobjekt im Zeitpunkt der Inbrandsetzung (und damit letztlich die Gefährdungseignung bzw. Sorgfaltswidrigkeit der Tat) vermute. So spricht Cramer offen aus, dass (seiner Ansicht nach) der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass in Wohngebäuden (Nr. 2) und gottesdienstlichen Versammlungsstätten (Nr. 1) stets Menschen anzutreffen seien, was Cramer freilich als unzutreffende Unterstellung kritisiert.555 Viele Wohnungen würden nur zeitweise, z. B. während der Sommermonate oder nur am Wochenende, genutzt, weshalb deren Inbrandsetzung außerhalb der Zeiten ihrer tatsächlichen Benutzung keine abstrakte Lebensgefahr herbeiführe. Auch Rudolphi sah den Schutzzweck des § 306 Nr. 2 StGB a. F. in der Bewahrung der in dem in Brand gesetzten Gebäude wohnenden Menschen vor Verletzung und Tod.556 Selbiges gilt für Wolter, nachdem es unbestrittener Sinn und Zweck des § 306 Nr. 2 StGB a. F. sei, „die in dem in Brand gesetzten Gebäude wohnenden Menschen vor Lebensgefährdungen und Tod zu bewahren“ 557.558 Doch die These, die qualifizierte Nutzung verweise auf eine Präsumtion des Personenaufenthalts im Tatobjekt, ist mit Blick auf die Normgenese – wie schon zu § 285 preuß. StGB ausgeführt – letztlich unhaltbar.559 Hierdurch würde der Normappell des § 306 StGB a. F. eine weitreichende inhaltliche Veränderung erfahren, so dass er lautete: „Gefährde nicht (vorsätzlich) durch Anzündung der im Gesetz genannten Räumlichkeiten andere Personen, die sich hierin aufhalten.“ 560 Jedoch hat weder der Gesetzgeber von 1851 noch der von 1871 zu erkennen gegeben, dass die qualifizierte Nutzung ein Surrogat für den tatsächlichen Personenaufenthalt darstellen solle, und schon die Motive zum preuß. StGB 1851 betonten, dass „die Gefahr für Menschenleben abstrakt aufgefaßt ist, daß es also gleichgültig ist, ob in den §. 285 bezeichneten Gegenständen zur Zeit des Brandes sich wirklich Menschen befunden haben, oder nicht . . ., ja ob sie zur Abwen-

555

Cramer, Vollrausch, S. 71. Rudolphi, in: FS Maurach, S. 51 (59). 557 Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 278 f. 558 Derselbe Standpunkt lässt sich mittelbar den Äußerungen Schröders entnehmen, vgl. ders., ZStW 81 (1969), S. 7 (16). 559 Vgl. § 1 A. IV. 1. 560 Ähnlich auch Radtke, Dogmatik, S. 226 f. „Angesichts dieses Schutzzwecks würde der in § 306 Nr. 2 a. F. enthaltene Normbefehl . . . nicht als das Verbot zum Wohnen dienende Gebäude etc. in Brand zu setzen, sondern als Verbot, Menschen zu töten oder . . . zu verletzen, bestimmt.“ 556

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dung jeder Gefahr zuvor sorgfältig daraus entfernt“ 561 wurden. Explizit wurden selbst gefahrmindernde Gegenmaßnahmen des Täters für unbeachtlich erklärt und sogar die Tatbegehung an einem menschenleeren Tatobjekt des § 285 preuß. StGB als strafbar angesehen. Ganz auf dieser Linie betonen die Motive E Reichstagsvorlage 1870, dass die Strafbarkeit aus § 303 E Reichstagsvorlage 1870 (= § 306 StGB a. F.) unabhängig davon ausgestaltet sei, ob „auch wirklich im einzelnen Falle eine Gefahr für Menschenleben vorhanden war“ 562. Somit ist zu konstatieren, dass Gesetzesstruktur und Normgenese des § 306 StGB a. F. klar auf die irreversible Bewertung der Tat als gefährlich im Vollendungszeitpunkt verweisen, und zwar unter bewusster Inkaufnahme der Erfassung auch konkret ungefährlicher Verhaltensweisen.563 Vermittels der Deutung der qualifizierten Nutzung als Präsumtion eines Personenaufenthalts im Tatobjekt bzw. einer wie auch immer bestimmten Gefährlichkeit der Tat, wird der strikt unter dem Gedanken der abstrakten Gefährlichkeit geformten Tatbestandsstruktur des § 306 StGB a. F. eine systemfremde und inkompatible Zielsetzung aufgepfropft, die auf eine einschneidende Revision der ursprünglich verfolgten Konzeption – Erfassung der generellen Gefährlichkeit der Tat – hinausläuft.564 Problematisch ist die Lesart der qualifizierten Nutzung als Vermutungstatbestand für den Aufenthalt von Personen im Tatobjekt (bei Tatbegehung) auch deshalb, weil hieraus zugleich eine scharfe Beschränkung des Schutzzwecks allein auf diesen Personenkreis folgte.565 Auch wenn hauptsächlich Personen, die sich im Tatobjekt aufhalten, durch die Tat gefährdet sind, so ist nicht zu übersehen, dass regelmäßig auch anderen Personen Gefahr drohen kann, wie Helfern, die erst nach Tatvollendung an den Tatort gelangen, oder Personen, die sich z. B. in einem benachbarten Gebäude befinden und durch Brandübertragung oder Brandgase gefährdet werden.566 Allein Blei 567 weist auf diesen im Schrifttum oftmals verkannten Aspekt im Zusammenhang mit den Forderungen nach teleogischer 561

Goltdammer, Materialien II, S. 642 (Hervorhebung durch den Verfasser). Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 83. 563 Geppert, in: FS Weber, S. 427 (430); ebenfalls eine Reduktion ablehnend: Radtke, Dogmatik, S. 245 f.; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 297 ff. 564 Radtke hat die zentralen Schwächen der Ansätze von Wolter und Brehm herausgearbeitet, nämlich „daß es auf die (sorgfaltswidrige) Schaffung eines Lebens- oder Leibesrisikos durch jede einzelne Tathandlung überhaupt“ (Radtke, Dogmatik, S. 230) ankomme. Vielmehr soll der Brandstifter, ohne die Auswirkungen auf das geschützte Rechtsgut zu beurteilen, die Tatbestandshandlung überhaupt unterlassen, so Radtke, Dogmatik, S. 235 Fn. 273. 565 Die Verengung des durch § 306 StGB a. F. geschützten Personenkreises ist auch mit Rücksicht auf die konzeptionelle Abgrenzung zwischen der Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt und den (tatmitteloffenen) Tötungsdelikten problematisch, da die schwere Brandstiftung hierdurch eine deutliche Annäherung an die Zielsetzung der §§ 211, 212 StGB erfährt, vgl. § 1 A. II. 566 Dazu vgl. § 2 II. 1. b) und § 2 II. 1. d). 567 Blei, BT II, S. 298; zustimmend: Krey, BT 1 (1983), S. 227. 562

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Reduktion hin, nämlich dass „hinter § 306 Nr. 2 nicht nur der Gedanke der Gefährdung der Bewohner steht; andere, insbesondere Feuerwehrleute, werden sich vielmehr sogar eher größeren Gefahren aussetzen, wenn die Bewohner nicht am Schauplatz zu finden sind, sich also möglicherweise noch in dem brennenden Gebäude befinden.“ 568 Für die Annahme, § 306 StGB a. F. diene allein dem Schutz von Personen im Tatobjekt, spricht des Weiteren nicht die Umgestaltung des § 307 Nr. 1 StGB a. F., der im Gegensatz zu § 285 preuß. StGB nicht nur die brandbedingte Todesverursachung eines anderen Menschen, sondern ausdrücklich den Aufenthalt des Opfers bei Tatbegehung in der in Brand gesetzten Räumlichkeit forderte.569 Dahinter stand die Absicht, gezielt den Fall auszugrenzen, dass ein Helfer im Zuge der Brandbekämpfung bzw. der Rettung von Personen oder Gegenständen tödlich verunglückte, gerade weil diese Folge nach der umstrittenen aber schutzzweckkonformen Rechtsprechung des preußischen Obertribunals von der qualifizierten Brandstiftung erster Klasse gem. § 285 preuß. StGB – mit der Folge der Todesstrafe – erfasst wurde.570 Der Abgeordnete Lasker forderte während den Beratungen des Reichstags zur E Reichstagsvorlage 1870, dass in § 304 Nr. 1 E Reichstagsvorlage 1870 (= § 307 Nr. 1 StGB a. F.) noch deutlicher klargestellt werden müsse, dass der „Aufenthalt die Ursache gewesen ist, weshalb der Getödtete beim Brand umgekommen ist.“ 571 Lasker befürchtete, dass unter den Wortlaut des § 304 Nr. 1 E Reichstagsvorlage 1870 (= § 307 Nr. 1 StGB a. F.) weiterhin der Sachverhalt subsumiert werden könne, dass ein Bewohner, der sich zunächst bei Inbrandsetzung im Haus befunden habe, dann geflüchtet, zurückgekehrt und schließlich bei Rettungsmaßnahmen im Tatobjekt verunglückt sei.572 Der Antrag Laskers wurde jedoch mit Stimmen der Mehrheit abgelehnt, da man offenbar davon ausging, dass gerade dieser Fall hinreichend deutlich durch den Wortlaut des § 304 Nr. 1 E Reichstagsvorlage 1870 (= § 307 Nr. 1 StGB a. F.) ausgeschlossen werde.573 568

Blei, BT II, S. 299. Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 53 f.; so aber: Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 296. 570 Vgl. § 1 A. IV. 1. 571 So Lasker in der 37. Sitzung des Reichstags (zweite Beratung) vom 7. April 1870, in: Schubert, Verhandlungen des Bundesrats und des Reichstags des Norddeutschen Bundes, S. 405; eingehend dazu: Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 52 ff. 572 Zu einem solchen Fall vgl. das Urteil des preußischen Obertribunals vom 1. Juli 1857, GA 5 (1857), S. 659 (661 f.). Lasker schlug dagegen für § 304 Nr. 1 E Reichstagsvorlage 1870 (= § 307 Nr. 1 StGB a. F.) die folgende Fassung vor: „wenn beim Brande der Tod eines Menschen dadurch herbeigeführt worden ist, daß derselbe zur Zeit der That in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten sich aufgehalten hat.“ (Hervorhebung durch den Verfasser), in: Schubert, Verhandlungen des Bundesrats und des Reichstags des Norddeutschen Bundes, S. 405. 573 Schubert, Verhandlungen des Bundesrats und des Reichstags des Norddeutschen Bundes, S. 405; Oppenhoff, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 716. 569

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Als Hintergrund der gesetzgeberischen Einschränkung des § 307 Nr. 1 StGB a. F. ist vermutlich die vehemente Kritik des preußischen Schrifttums an der Einbeziehung des Todes von Rettern in § 285 preuß. StGB auszumachen, da die freiwillige Konfrontation des verunglückten Retters mit den Gefahren des Brandherds der Zurechenbarkeit des Todeserfolges zu Lasten des Täters entgegenstehe und der dolus indeterminatus nicht zur Verhängung der Todesstrafe ausreiche.574 Daher lässt sich auch aus § 307 Nr. 1 StGB a. F. mit Blick auf § 306 StGB a. F. kein überzeugender Rückschluss auf eine Begrenzung des Schutzzwecks allein auf Personen im Tatobjekt ziehen. Vielmehr lässt der in § 307 Nr. 1 StGB a. F. einschränkend aufgenommene Zusatz vermuten, dass sich der Schutzzweck des § 306 StGB a. F. eben nicht allein auf Personen bezog, die sich bei Tatbegehung im Tatobjekt aufhielten. Andernfalls wäre eine entsprechende Restriktion bei § 307 Nr. 1 StGB a. F. überflüssig gewesen, sofern sich § 306 Nr. 2 StGB a. F. ohnehin nur auf die „Bewohner“ bezogen hätte. Das Gesetz gibt in § 307 Nr. 1 StGB a. F. selbst zu erkennen, inwieweit es den unbestimmten Kreis tauglicher Gefährdungsopfer ausnahmsweise einschränkte.575 Die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs verwehrte sich deshalb mit Recht gegen die Bemühungen des Schrifttums, den Schutzzweck des § 306 StGB a. F. in einen Brandanschlag auf Personen in den darin bezeichneten Räumlichkeiten umzudeuten.576 So betonte die Entscheidung RGSt 60, 136 ff., dass der Vorschrift des § 306 Nr. 2 StGB a. F. die Erwägung zugrunde liege, „daß von Menschen bewohnte Gebäude mehr oder weniger der Mittelpunkt eines Verkehrs nicht bloß der Inwohner, sondern aller der Personen sind, die durch mannigfache unmittelbare oder mittelbare Beziehungen zu diesen solche Gebäude aufzusuchen veranlasst werden. Das Gesetz dient hiernach nicht in erster Linie dem Schutz des Eigentums und auch nicht bloß dem der Hausbewohner.“ 577 Diesem Standpunkt folgend bekräftigte BGHSt 26, 121, 123, dass 574 Dalcke, GA 16 (1868), S. 13 (14 f.); Beseler, Kommentar, S. 527; Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts, S. 1057 Fn. 1; dazu bereits bei § 1 A. IV. 1. 575 Anzumerken ist, dass die hM zu § 307 Nr. 1 StGB a. F. nicht die Kenntnis des Täters hinsichtlich des Personenaufenthaltes im Tatobjekt verlangte, vgl. Olshausen, Kommentar (1927), S. 1185 f.; Schwartz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 705; BGHSt 7, 37: „Die Kenntnis von der Anwesenheit eines Menschen im Gebäude zur Tatzeit gehört nicht zum Vorsatz.“; Sch/Sch/Cramer (1982), § 307 Rn. 7; LK/Wolff, (1988), § 307 Rn. 4; Maruach/Schroeder, BT 2 (1981), § 52 II Rn. 5a; a. A. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, S. 619 f.: „Bildet der durch den Brand verursachte Tod eines Menschen einen die Strafe erhöhenden Umstand, so folgt hieraus unvermeidlich, dass dieser Umstand dem Täter nicht zugerechnet werden kann, wenn er in der Ueberzeugung handelte, daß sich zur Zeit der That ein Mensch in der in Brand gesetzten Räumlichkeit nicht aufhalte.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); von Liszt/ Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts (1921), S. 521 Rn. 4. 576 RGSt 23, 102 (103); OGHSt 1, 244 (245); BGHSt 26, 121 (123 f.); 34, 115 ff.; Lackner, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289 (292 f.); Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 295 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 240 ff. 577 RGSt 60, 136 (137) (Hervorhebung durch den Verfasser).

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§ 306 Nr. 2 StGB a. F. als abstraktes Gefährdungsdelikt der Erfassung solcher Handlungen diene, die typischerweise das Leben von Bewohnern und anderen Personen gefährde, die durch mannigfaltige Beziehungen zu den Bewohnern oder zu dem Gebäude veranlasst würden, dieses aufzusuchen. Die Zahl und Art dieser Beziehungen seien in der Regel unübersehbar und umfassten die nach dem Rechten sehende Nachbarin ebenso wie Gäste, den widerrechtlich eingedrungenen Dieb oder den Landstreicher, der gerade die leerstehende Wohnung als Unterschlupf benutzen wolle.578 Auch BGHSt 34, 115, 119 unterstrich, dass jederzeit und selbst entgegen den Erwartungen des Täters mit der Anwesenheit von Menschen zu rechnen sei. Intendiert sei der absolute Schutz derartiger Mittelpunkte menschlichen Lebens, ohne dass es auf die konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsguts im Einzelfall ankomme. Zwar erwog der Bundesgerichtshof in BGHSt 26, 121, 124 f. in einem obiter dictum erstmals den Ausschluss der schweren Brandstiftung gem. § 306 Nr. 2 StGB a. F. unter der Voraussetzung, dass sich der Täter durch absolut zuverlässige und lückenlose Maßnahmen vergewissert habe, dass eine Lebensgefährdung für Dritte mit Sicherheit nicht eintreten könne. Solch eine Gewissheit könne der Täter, so der Bundesgerichtshof, allenfalls bei kleinen Tatobjekten, insbesondere bei einräumigen Hütten oder Häuschen, erlangen, bei denen mit einem Blick erkennbar sei, dass sich Menschen darin nicht aufhalten.579 Jedoch hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bis heute diese vorsichtig angedachte Kehrtwendung niemals vollzogen, und es ist bislang kein Fall bekannt geworden, in dem die Rechtsprechung den Täter trotz formeller Verwirklichung der schweren Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F./§ 306a Abs. 1 StGB n. F. aufgrund der Vornahme gefahrmindernder Gegenmaßnahmen freigesprochen hätte.580 Damit hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs – anders als bei § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. – die tradierte Ausrichtung des § 306 StGB a. F. an der abstrakten Gefährlichkeit der Tat im Ergebnis konserviert. b) Zur Einbeziehung des Gesundheitsschutzes Während des Geltungszeitraums des § 306 StGB a. F. fällt auf, dass im Schrifttum auch der abstrakte Gesundheitsschutz als Teil des Schutzzwecks gesonderte Erwähnung fand, während die Rechtsprechung zu dieser Frage keine Stellung bezog.581 Der Erfassung von Leben und Leib lag – argumentum a maiore ad minus – die zutreffende Überlegung zugrunde, dass die Gesundheitsgefährdung ein 578 Zur Berücksichtigung von Retterverletzungen, vgl. BGHSt 39, 322 (325 f.) und § 2 III. 2. b). 579 BGHSt 26, 121 (125); dazu Radtke, Dogmatik, S. 234 f. 580 Geppert, in: FS Weber, S. 427 (430 f.); beachte allerdings BGH, NStZ 1981, S. 224, dazu unter § 1 B. IV. 2. b). 581 Radtke, Dogmatik, S. 169.

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zwangsläufiges Durchgangsstadium einer jeden Lebensgefährdung sei.582 Soweit ersichtlich sprachen sich allein Wolter und Schröder explizit gegen die zusätzliche Berücksichtigung des abstrakten Gesundheitsschutzes aus.583 Wolter begründet dies – wenig überzeugend – mit der drastischen Strafandrohung des § 306 StGB a. F. und dem systematischen Zusammenhang mit §§ 307 Nr. 1, 309 StGB a. F. Allerdings blieb die Einbeziehung des Gesundheitsschutzes vielfach unerörtert, weil es sich hierbei letztlich „nur“ um eine theoretische Fragestellung handelte, der für die Normauslegung scheinbar keine Bedeutung zukam. c) Zur Einbeziehung des Eigentumsschutzes Ebenso wie die Einbeziehung des Gesundheitsschutzes wurde die Berücksichtigung des abstrakten Eigentumsschutzes als ein weiteres Schutzziel des § 306 StGB a. F. im Geltungszeitraum der Norm von 1871 bis 1998 nur rudimentär erörtert, obwohl die Anknüpfung an die Vorgängernorm § 285 preuß. StGB durchaus Anlass geboten hätte, diese Frage aufzugreifen.584 Die für die Einbeziehung der Sachgefährlichkeit sprechenden Stellungnahmen sind ebenso knapp gehalten, wie die ablehnende Gegenauffassung, offenbar weil auch dieser Frage allenfalls eine theoretische Relevanz zugesprochen wurde, allzumal die Eigentumsverhältnisse an den Tatobjekten des § 306 StGB a. F. nach zutreffender herrschender Aufassung irrelevant waren.585 Ein früher Verfechter der Berücksichtigung des abstrakten Eigentumsschutzes war indes Wanjeck, der aus der Einordnung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. im Sinne der „Gefährdungslösung“ folgerte, dass wenn schon das Gesetz „das Inbrandsetzen eines Gebäudes als gemeingefährlich für fremdes Eigenthum“ 586 ansehe, dies erst recht für ein bewohntes Gebäude gem. § 306 Nr. 2 StGB a. F. gelten müsse.587 Diese Einschätzung verdeutlicht, dass Wanjeck § 306 StGB a. F. historisch korrekt als Steigerung der in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. angelegten abstrakten Gemeingefährlichkeit bewertete. Ganz ähnlich stützte Blei die Strafandrohung des § 306 StGB a. F. darauf, „daß das Inbrandsetzen der hier in Betracht 582 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (29 f.); Kindhäuser, StV 1990, S. 161 (162); Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (27). 583 Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 296 f.; Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7 (16 f.). 584 Vgl. § 1 A. IV. 2. Die Erfassung des abstrakten Eigentumsschutzes ist aber strikt von der Auffassung Bindings zu separieren, die §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. seien als Sachbeschädigungsdelikte zu klassifizieren, da es ihnen an einer hinreichenden tatbestandlichen Verankerung des Gefahrmoments mangele, so Binding, Normen I, S. 381 f. Fn. 26. 585 Hahn, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 443; Olshausen, Kommentar (1927), S. 1743; Schwartz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 703. 586 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (30). 587 So im Anschluss an Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 39 f.

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kommenden Objekte generell unüberschaubare Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen sowie für Sachwerte herbeiführt“ 588 und auch Kindhäuser spricht sich dafür aus, „auch Sachen von Wert in den Schutzbereich der Vorschrift einzubeziehen.“ 589 Der Standpunkt der Rechtsprechung zur Einbeziehung des Eigentumsschutzes war schwankend. In RGSt 60, 136 f. erklärte das Reichsgericht, § 306 StGB Nr. 2 a. F. diene nicht in erster Linie dem Schutz des Eigentums, was inzident auf die Anerkennung des abstrakten Eigentumsschutzes als sekundären Aspekt hinweist. Dagegen sah der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. – wiederum ohne Begründung – das in einem Gebäude befindliche Mobiliar als nicht geschützt an, was klar den Ausschluss der Sachgefährlichkeit dokumentiert.590 Den Eigentumsschutz befürwortende Stellungnahmen lassen sich in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof jedenfalls nicht nachweisen. Mühlmann/Bommel sprachen sich explizit gegen die Einbeziehung des abstrakten Eigentumsschutzes aus und begründeten dies mit der eigentumsrechtlichen Neutralität des Tatobjektskatalogs des § 306 StGB a. F., die im Gegensatz zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. beweise, dass der Eigentumsschutz nicht intendiert sei.591 An dieser Stelle macht sich eine Rückwirkung der Deutung der unmittelbaren Brandstiftung im Sinne der „Sachbeschädigungslösung“ auf § 306 StGB a. F. bemerkbar. Denn auf Grundlage der „Sachbeschädigungslösung“, die die Bedeutung der abstrakten Eigentumsgefährlichkeit für § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. leugnet, liegt der Schluss nahe, die Relevanz dieses Aspekts für § 306 StGB a. F. ebenfalls in Frage zu stellen. Inwieweit diese bis heute verbreitete Schlussfolgerung in der Sache berechtigt ist, wird für § 306a Abs. 1 StGB n. F. zu untersuchen sein.592 Bereits an dieser Stelle ist jedenfalls festzuhalten, dass der nahezu vollständige Verlust der ursprünglich beabsichtigten Erfassung des abstrakten Eigentumsschutzes in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu führte, dass ein entscheidendes teleologisches Verbindungselement zwischen den §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. verloren ging.593

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Blei, BT II, S. 298 (Hervorhebung durch den Verfasser). Kindhäuser, StV 1990, S. 161 (162), vgl. aber ders., Gefährdung als Straftat, S. 295: „Die von der Norm des § 306 Nr. 2 geschützte Verfügungsweise über Güter ist das Wohnen. Ob die relevanten Güter Leib, Leben und eventuell auch Sachen von Wert sind oder allein das Leben erfaßt wird, mag hier dahinstehen.“; Spöhr, MDR 1975, S. 193: „Diese Vorschrift, wie auch § 306 Ziff. 3 StGB, stellt nicht allein die Verletzung des Eigentums unter Strafe, vielmehr auch die Gefährdung menschlicher Lebensbetätigung . . .“ 590 BGH, NStZ 1984, S. 455. 591 Mühlmann/Bommel, StGB, § 306 Rn. 1. 592 Kritisch dazu bei § 2 II. 1. a) und § 2 II. 1. c). 593 Diese Entwicklung hatte sich jedoch bereits bei der Auslegung der §§ 285 ff. preuß. StGB angedeutet, vgl. § 1 A. V. 589

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2. Ausgewählte Auslegungsfragen zu § 306 StGB a. F. a) § 306 Nr. 1 StGB a. F. – Kirchenbrandstiftung Die Bestimmung der durch § 306 Nr. 1 StGB a. F. geschützten Rechtsgüter war wie schon zu § 285 Nr. 1 preuß. StGB umstritten, da die Kirchenbrandstiftung nach verbreiteter Ansicht keinen hinreichenden Bezug zur Gefährdung des menschlichen Lebens vermittele.594 Diese Einschätzung wurde insbesondere von jenen geteilt, die den Schutzzweck des § 306 StGB a. F. generell auf den Schutz von Personen im Tatobjekt (bei Tatbegehung) beschränkten.595 Daher sahen Teile des Schrifttums durch § 306 Nr. 1 StGB a. F. auch die Bewahrung der „Dignität“ bzw. der „Heiligkeit des Ortes“ anstelle oder neben dem Schutz von Leib und Leben als intendiert an.596 Repräsentativ hierfür ist die folgende Stellungnahme Wanjecks: „So verbinden sich zwei Gesichtspunkte in der Bestimmung des Objekts ad 1: Die Rücksicht sowohl auf die Heiligkeit desselben, als auch auf die Gefahr für das Leben vieler, da ja zeitweise Menschen sich in demselben aufhal-

594 So etwa Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 611 ff.; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 48: „Dieser besondere Schutz kirchlicher Einrichtungen paßt jedoch aus heutiger Sicht nicht zu den beiden anderen Fällen des § 306. Für § 306 Nr. 1 ist allein die Zweckbestimmung für den Gottesdienst maßgebendes Kriterium, wobei es weder auf die Art der Religionsgemeinschaft noch darauf ankommt, ob der Brand zu einer Zeit gelegt wird, zu der üblicherweise gottesdienstliche Versammlungen stattfinden. Gehört demnach eine solche Tatbestandsalternative jedenfalls nicht in einen auf die Gefährdung von Menschen abstellenden Qualifikationstatbestand, so liegen außerdem die historische Überholtheit und die politische Irrelevanz in einem Strafgesetzbuch moderner Prägung auf der Hand.“; Arzt/Weber, BT LH 2, S. 48; Cramer, Vollrausch, S. 71; Einwände gegen diese Kritik bei § 2 B. II. 1. e) bb) (1). 595 Cramer, Vollrausch, S. 71. Die These einer defizitären Anbindung der Kirchenbrandstiftung hinsichtlich der abstrakten Lebensgefährlichkeit wurde jedoch nicht durchgehend geteilt. So verwies etwa Blei darauf, dass (auch) bei § 306 Nr. 1 StGB a. F. die tatsächliche Anwesenheit von Menschen im Gebäude nicht erforderlich sei, da ein solcher Brand auch Gefährdungen für Dritte, insbesondere die Feuerwehr und sonstige Rettungswillige herbeiführe, vgl. Blei, BT II, S. 298. Entsprechend die Sicht bei § 2 I. 1. a) aa) (1), § 2 II. 1. e) bb) (1) sowie § 2 III. 2. b). 596 Schwarze, Commentar, S. 734: „Die Zweckbestimmung des Gebäudes und mit ihr die Heiligkeit des Ortes entscheidet; – die Gefährdung anderer Gebäude ist hier gleichfalls nicht maßgebend (z. B. bei isoliert stehenden Kirchen)“; Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (28); Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 549 Fn. 12: „Es modifiziert sich übrigens bei den in § 306 unter 1 genannten Objecten der Gesichtspunct der vorwaltenden Gefahr für Menschleben insofern, als derselbe bei diesen noch überboten wird durch die besondere Dignität der betreffenden Gegenstände.“; Berner, Lehrbuch, S. 637: „Bei der ersten Klasse trifft die Heiligkeit des Gebäudes mit seiner Bedeutung als Versammlungsort von Menschen zusammen. Bei den beiden anderen kommt nur die Bedeutung als Wohnort oder Aufenthaltsort von Menschen in Betracht.“; Kratzsch, JuS 1994, S. 372 (378): „Im übrigen dient § 306 noch anderen Nebenzielen: so z. B. dem Ziel der Rechtssicherheit durch Objektivierung der Grundlagen der Gefahrprognose; dem Religionsfrieden durch § 306 Nr. 1“; vgl. Radtke, Dogmatik, S. 267 ff.

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ten.“ 597 Die kumulative Verbindung beider Aspekte ist eine Weiterentwicklung gegenüber dem Diskussionsstand zu § 285 Nr. 1 preuß. StGB. Nach den Gewalttaten der Nationalsozialisten und den systematischen Brandstiftungen an jüdischen Gotteshäusern festigte sich in der Folgezeit weiter die Bereitschaft, den herausgehobenen Schutz der zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmten Gebäuden neben dem Lebensschutz zu akzeptieren.598 Die (exklusive) Orientierung an der Dignität des Ortes wurde jedoch von Hälschner mit dem Hinweis in Frage gestellt, dass hierdurch die hohe Strafandrohung des § 306 Nr. 1 StGB a. F. nicht erklärt werden könne und der Schutz sakraler Lokalitäten in diesem Fall unvollkommen sei, weil diese nicht allgemein vor Zerstörung, sondern nur speziell durch den Angriff mittels Feuer geschützt seien.599 Stellungnahmen der Rechtsprechung zum Schutzzweck der „Kirchenbrandstiftung“ sind rar gesät und nur in einem Urteil aus dem Jahre 1884 äußerte sich das Reichsgericht dahingehend, dass der besondere Schutz dieser Objekte „. . . nicht aus dem Gesichtspunkte der Verletzung bestimmter Personen an Leib und Gut, sondern aus dem Gesichtspunkte der gemeinen Gefahr . . .“ 600 folge. Dies könnte eventuell als Anknüpfung an die Motive zum preuß. StGB 1851 interpretiert werden, die die Aufnahme der Kirchenbrandstiftung mit der für die übrigen Gebäude des Ortes verbundenen Gefahr – ein problematisches Argument – begründeten.601 Indessen ist die Umgestaltung des Wortlauts der Kirchenbrandstiftung von zum „Gottesdienst bestimmte(n) Gebäude“ in § 285 Nr. 1, Alt. 2 preuß. StGB hin zu „gottesdienstlichen Versammlungen bestimmte(n) Gebäude“ gem. § 306 Nr. 1 StGB a. F. ein klares Indiz für die gezielte Aufwertung des abstrakten Lebensschutzes durch den historischen Gesetzgeber, auch wenn die Materialien zum StGB 1871 zu den Hintergründen dieser Modifikation schweigen.602 Dafür 597

Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (14). Maurach/Schroeder, BT 2 (1981), § 52 II Rn. 1: „Daher ist mit Recht für die Nr. 1 auf den mindestens mitspielenden Gesichtspunkt des Schutzes sakraler Räume ähnlich § 243 Abs. 1 Nr. 4 hingewiesen worden . . . Dieser Schutzzweck hat in der Kristallnacht eine eindringliche Aktualisierung erfahren.“; a. A. Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 48. 599 Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 610 f.; gegen diesen Einwand bei § 306a Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F., vgl. § 2 II. 1. e) bb) (2). 600 RGSt 9, 384 (386). 601 Goltdammer, Materialien II, S. 643; kritisch Radtke, Dogmatik, S. 267; Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (26 Fn. 175); vgl. auch § 1 A. IV. 3. b). 602 Vgl. Motive E Juli 1869, S. 299 f.; Motive E Reichstagsvorlage 1870, S. 83; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (14); Olshausen, Kommentar (1927), S. 1742: „möglich ist immerhin, daß ein ,zum Gottesdienst bestimmtes Gebäude‘ (§ 243 N. 4) nicht gleichzeitig ,zu gottesdienstl. Versammlungen‘ bestimmt sei . . .; man denke z. B. an eine Waldkapelle, die so klein ist, daß die Menge der Andächtigen vor ihr sich versammelt.“; LK/ Wolff, (1988), § 306 Rn. 3. 598

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spricht jedenfalls, dass ein zu „gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes“ Gebäude nach herrschender Auffassung dessen Eignung verlangte, eine größere Anzahl von Menschen aufzunehmen, so dass die noch von § 285 Nr. 1 preuß. StGB erfassten kleineren Andachtskapellen – ein häufig kritisierter Sachverhalt603 – aus dem Anwendungsbereich der Kirchenbrandstiftung ausgegrenzt werden konnten. Doch auch diese Modifikation änderte nichts daran, dass der (vermeintlich) schwache Bezug der Kirchenbrandstiftung mit Blick auf die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Tat im Schrifttum weiterhin kritisiert wurde.604 b) Das „Wohnen“ als Schutzzweck des § 306 Nr. 2 StGB a. F.? Eine von der traditionellen Deutung der Wohnungsbrandstiftung gem. § 306 Nr. 2 StGB a. F. als abstraktes Lebensgefährdungsdelikt abweichende Konzeption wurde von Maurach/Schroeder unterbreitet und hierbei die Bewahrung des Wohnraums um seiner selbst Willen zumindest auch zum Normanliegen erhoben: „Der spezifische Unrechtsgehalt liegt jedenfalls auch in der Vernichtung einer fremden menschlichen Wohnung als Lebensgrundlage und persönlicher Lebensbereich. Ohne diese Auffassung entstünde eine Systemwidrigkeit, daß zwar das Eindringen in eine fremde Wohnung unter Strafe gestellt ist . . ., nicht aber die Zerstörung der Wohnung selbst!“ 605

Dieser Vorschlag zielt im Ergbnis darauf ab, in § 306 Nr. 2 StGB a. F. eine Kongruenz zwischen Handlungsobjekt und Rechtsgut dergestalt zu begründen, dass mit Tatvollendung – der Inbrandsetzung des Tatobjekts – zwangsläufig eine konkrete Gefahr bzw. eine Verletzung des geschützten Rechtsguts „Wohnraum“ verbunden ist. Dieser Sicht gelingt es somit, die strukturelle Abstraktion der Wohnungsbrandstiftung von jeder konkreten Lebensgefahr oder Lebensgefährlichkeit zu durchbrechen und so die Problematikk der Legitimation der Bestrafung ungefährlicher Verhaltensweisen geschickt zu umgehen.606 Freilich ist dieser Auffassung, die keine weitergehende Anhängerschaft gefunden hat, entgegen603

Vgl. § 1 A. IV. 3. b). Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 611: „Abweichend vom preußischen, spricht das deutsche Strafgesetzbuch von einem zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmten Gebäude, und wenn darin eine Hindeutung auf die Gefährdung von Menschen gefunden werden könnte, so steht dem wieder entgegen, daß nicht ein Inbrandsetzen zu einer Zeit während welcher Menschen in dem Gebäude sich aufzuhalten pflegen gefordert wird. . . . und es erscheint somit die gesetzliche Bestimmung allerdings als eine anomale und irrationale.“ 605 Maurach/Schroeder, BT 2 (1981), § 52 II Rn. 1 (Hervorhebung durch den Verfasser); ähnlich zu § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. Geppert, in: FS Weber, S. 427 (435). 606 Vgl. Maurach/Schroeder, BT 2 (1981), § 51 IV, 52 II Rn. 1: „Als Schutzzweck des § 306 wird überwiegend der Schutz von Menschen vor Brandgefahren angesehen . . . Diese Auffassung hat indessen zur Folge, daß die nur auf die Zweckbestimmung der Gebäude abstellenden Nr. 1 und 2 als sehr abstrakte Gefährdungen angesehen werden müssen und insofern berechtigte Bedenken auf Grund des Schuldprinzips hervorrufen.“ 604

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zuhalten, dass sie auf eine vollkommene Neuinterpretation des Telos des § 306 Nr. 2 StGB a. F. hinausläuft und die Umstände der Normgenese vollkommen außer Acht lässt.607 Diesselben Einwände sind auch der Überlegung Kindhäusers entgegenzuhalten, wonach § 306 Nr. 2 StGB a. F. nicht den physischen Wohnraum, sondern das „Wohnen“ selbst schütze, weil die Gewährleistung von Sicherheit hinsichtlich der durch die jeweilige Norm gewährleisteten Verfügungsweise die Zielsetzung der abstrakten Gefährdungsdelikte sei.608 c) Die Entwidmungsproblematik Die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Wohngebäude entwidmet werden konnte und hierdurch dem Schutz des § 306 Nr. 2 StGB a. F. entzogen wurde, blieb auch nach Erlass des StGB 1871 Gegenstand einer kontroversen Debatte.609 Teile der Lehre plädierten weiterhin für die Annahme einer Entwidmung in dem Fall, dass der Brandstifter einziger Bewohner des Tatobjekts sei, denn allein dessen Wille zur Wohnnutzung sei für die Tauglichkeit des Tatobjekts maßgebend.610 Berner etwa argumentierte, dass sich die in § 306 StGB a. F. enthaltene (Präsumtion einer) Gefahr – mithin der Schutzzweck der Norm – nur auf die Bewohner, nicht aber auf andere Personen beziehe; infolgedessen sei § 306 Nr. 2 StGB a. F. bei Tatverübung durch den bzw. die Bewohner unanwendbar.611

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Hierzu nochmals bei § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. vgl. § 2 II. 1. e) aa). Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 280 sowie 295: „Die von der Norm des § 306 Nr. 2 geschützte Verfügungsweise über Güter ist das Wohnen. Ob die relevanten Güter Leib, Leben und eventuell auch Sachen von Wert sind oder allein das Leben erfaßt wird, mag hier dahinstehen. Jedenfalls lassen sich unter dem Aspekt der Sicherheit Leibes- und Lebensschutz kaum sinnvoll von einander trennen, und der Begriff des Wohnens umfasst wiederum mehr als die bloße körperliche Präsenz in einer Räumlichkeit.“; ders., StV 1990, S. 161 (163); kritisch Radtke, Dogmatik, S. 162 ff. 609 von Liszt/Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts (1921), S. 520; zu § 285 preuß. StGB 1851 vgl. § 1 A. IV. 3. a). 610 Schwartz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 703: „Wird sie aber nur von dem Thäter selbst bewohnt und ist dieser zugleich befugt, über die Bestimmung zu entscheiden, so wird sie durch die Inbrandsetzung ihrer Bestimmung, zur Wohnung zu dienen, entkleidet.“; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 612. 611 Berner, Lehrbuch, S. 639: „Der Richter würde sich aber einer mechanischen, den Grundgedanken der gesetzlichen Präsumtion verkennenden Auslegung schuldig machen, wenn er den §. 306, Nr. 3 auch in dem Falle zur Anwendung brächte, wo jene Hütte dem Thäter selbst gehört und nur ihm selbst zum Aufenthalt dient; denn jene Präsumtion ist nur Präsumtion einer Gefahr für die Person Anderer. Die Anzündung der eigenen Sache, wenn dadurch nichts Fremdes gefährdet wird, enthält an sich nichts Strafbares. Wer eine ihm gehörige und nur von ihm bewohnte Hütte auf freiem Felde abbrennt, etwa um sie schneller wegzuschaffen, wäre ein Opfer kurzsichtiger Buchstaben-Interpretation, wenn er als Brandstifter behandelt würde. Dagegen wäre die Bestrafung aus §. 306 sofort begründet, wenn der Thäter sein eigenes, zwar auch einzeln stehendes, aber nicht von ihm allein bewohntes Haus in Brand gesetzt hätte.“; ähnlich von Ullmann, GS 30 (1878), S. 589 (601 f.). 608

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Demgegenüber gingen weite Teile des Schrifttums bis Mitte des 20. Jahrhunderts von der Einschlägigkeit des § 306 Nr. 2 StGB a. F. im Falle der EigentümerBewohnerbrandstiftung aus, denn auch bei dieser Sachlage diene das Tatobjekt noch dem Brandstifter als Wohnung.612 Das Reichsgericht befasste sich in RGSt 60, 136 ff. erstmals mit der Entwidmungsporblematik und schloss sich dem zuletzt genannten strengen Standpunkt an: „Der Vorschrift (Anmerkung: § 306 Nr. 2 StGB a. F.) liegt die Erwägung zugrunde, daß von Menschen bewohnte Gebäude mehr oder weniger der Mittelpunkt eines Verkehrs nicht bloß der Inwohner, sondern aller der Personen sind . . . Für seinen Tatbestand ist es deshalb belanglos, daß der Eigentümer und Alleinbewohner die Brandlegung verübt. Auch er handelt strafbar, sofern er zur Zeit seines Tuns noch als Bewohner des Hauses anzusehen ist . . . Der Willensentschluß der Angeklagten, ihr Haus nicht mehr als Wohnung benutzen zu wollen, könnte nur Bedeutung gewinnen, wenn er in die Tat umgesetzt, also äußerlich erkennbar als vollzogene Tatsache in Erscheinung getreten war, als sie zur Anzündung schritt.“ 613

Die Bewertung des zitierten Urteils fällt zwiespältig aus. Zutreffend ist zunächst das klare Bekenntnis des Reichsgerichts (in erkennbarem Anschluss an die Motive zum preuß. StGB 1851) zum unbeschränkten, nicht allein auf die „Bewohner“ begrenzten Lebensschutz durch § 306 Nr. 2 StGB a. F.614 Die Forderung einer nach außen hin erkennbar vollzogenen Aufgabe der Wohnnutzung respektiert die äquivalente Gewichtung des Lebensschutzes der Bewohner und Dritter und wird der typischerweise bestehenden Verflechtung von Wohnräumlichkeiten als Konzentrationspunkte der menschlichen Sozialsphäre gerecht. Die Eröffnung eines solchen Knotenpunkts erzeugt eine Außenwirkung, die demgemäß als actus contrarius die öffentliche „Räumung der Wohnung“ 615 erfordert. 612 Schwarze, Commentar, S. 735: „Nach der Allgemeinheit der Fassung, welche die Zweckbestimmung als das Maßgebende hinstellt . . . wird selbst das lediglich vom Thäter bewohnte Haus hergehören.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Olshausen, Kommentar (1901), S. 1182: „Zweifellos ist eine Räumlichkeit als zur Wohnung von ,Menschen‘ dienend anzusehen, wenn sie auch nur von einem Menschen, also insb. vom Thäter selbst . . ., bewohnt wird.“; kritisch aber im Ergebnis zustimmend: Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 119, S. 13: „Diese wenig glückliche Kasuistik hat zur Folge, daß der einzige Bewohner des Hauses oder der Hütte oder des Zeltes, falls er die genannten Gegenstände vorsätzlich rechtswidrig anzündet, nur durch die Gnade vor überstrenger Ahndung gerettet werden kann . . . Dieser unserem Gerechtigkeitsgefühl höchstlich widerstrebende Konsequenz durch Auslegung zu entfliehen, giebt es keine Möglichkeit. Es geht nicht an, mit Hälschner . . . zusagen, wenn der einzige Bewohner der Hütte sie anzündet, habe sie aufgehört, bewohnt zu sein. Nur wenn er vorher ausgezogen, also gerade nicht mehr Bewohner ist, kann er das Verbrechen des § 306 Nr. 2 nicht mehr begehen.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 720; Gerland, Reichsstrafrecht, S. 448. 613 RGSt 60, 136 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 614 Zu RGSt 60, 136 ff. vgl. Radtke, Dogmatik, S. 187 f. 615 So der passende Ausdruck von Geppert, Jura 1989, S. 417 (420).

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Die „nachhallenden“ Effekte der Wohnnutzung, die partiell gegenüber dem tatsächlichen Bewohnen im eigentlichen Sinn verselbständigt sind, müssen beseitigt werden. Nur hierdurch können abstrakt gesehen Dritte z. B. davon abgehalten werden, dass Tatobjekt zu betreten, weil sie (berechtigterweise) annehmen dürfen, dieses werde (weiterhin) bewohnt.616 Doch so schutzzweckkonform die Überlegungen von RGSt 60, 136 ff. auch sein mögen, so hat es das Reichsgericht jedoch versäumt, griffige Kriterien für die Zulässigkeit einer Entwidmung herauszuarbeiten. Ungeklärt bleibt, unter welchen Bedingungen der Willensentschluss zur Aufgabe der Wohnnutzung als „äußerlich erkennbar vollzogene Tatsache“ angesehen werden konnte. Selbst darauf, dass die Angeklagte ihre gesamte Habe aus dem Haus geschafft habe, sollte es nach Auffassung von RGSt 60, 136 ff. nicht wesentlich ankommen, da sie sich vor der Inbrandsetzung ihres Hauses noch innerhalb desselben zu schaffen gemacht habe.617 Und auch, ob etwa ein längerer Zeitraum zwischen der Verwirklichung dieses Entschlusses (dem Auszug) und der Brandlegung bestehen müsse, um das Gebäude als nicht mehr bewohnt im Sinn des § 306 Nr. 2 StGB a. F. anzusehen, ließ das Reichsgericht ausdrücklich offen.618 Mit Recht monierte daher BGHSt 16, 394, 396 f., dass in dem RGSt 60, 136 ff. zugrunde liegenden Sachverhalt die Annahme einer Entwidmung durchaus nahegelegen hätte, zumal die Angeklagte vor der Brandlegung ihre Habseligkeiten in einen Handkorb gepackt und vor dem Haus bereitgestellt hatte. Und in der Tat kann eine solche Handlung als erkennbare Aufgabe der Wohnnutzung gedeutet werden, denn was hätte die Angeklagte sonst noch tun sollen? Darauf, ob sich die Angeklagte nach Bereitstellung des Handkorbs (dem Auszugsakt) noch im Gebäude zu schaffen gemacht habe, könne es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht entscheidend ankommen, da ansonsten bloße Zufälle und Äußerlichkeiten über die Strafbarkeit entscheiden würden. Aufgrund dieser schlagenden Einwände akzeptierte BGHSt 16, 394 ff. erstmals die Möglichkeit der Entwidmung des Tatobjekts im Fall der Inbrandsetzung durch den einzigen Eigentümer und Bewohner.619 Ausschlaggebend sei allein dessen Wille zur Aufgabe der Wohnnutzung, denn die Eigenschaft eines Gebäudes, zur Wohnung von Menschen zu dienen, sei ein Merkmal tatsächlicher Art. Sei der Eigentümer der einzige Bewohner des Tatobjekts, dann könne er jederzeit die Woh-

616 So auch Radtke, Dogmatik, S. 188. Allerdings stellte das Reichsgericht in diesem Kontext zutreffend klar, dass es für die Tatobjektseigenschaft von Wohngebäuden im Grundsatz aber nicht darauf ankomme, ob Dritte das Gebäude (irrtümlich) für bewohnt halten, so RGSt 60, 136 (137). 617 RGSt 60, 136 (138). 618 RGSt 60, 136 (137). 619 Zu BGHSt 16, 394 ff. vgl. auch die Ausführungen bei § 2 II. 2. b).

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nungseigenschaft beseitigen, zumal seinem Willen nicht der Gebrauch des Tatobjekts durch andere entgegenstehe. Dabei sei unerheblich, ob und in welchem Umfang der Täter vor der Anzündung seine bewegliche Habe entfernt habe. Diese wegweisende Entscheidung fand ihre Fortsetzung in BGHSt 23, 114620, in der der Bundesgerichtshof erstmals die sog. „Fremdentwidmung“ anerkannte, d. h. den Verlust der Tatobjektsqualität durch gewaltsame Tötung des letzten Bewohners vor der Brandstiftung.621 Im Folgenden billigte der Bundesgerichtshof in NStZ 1981, S. 224622 auch die Entwidmung durch den lediglich schuldrechtlich besitzberechtigten Mieter, sofern dieser einziger Bewohner des Tatobjekts war. Die Analyse der „entwidmungsfreundlichen“ Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt ein „zweigleisiges“ Argumentationsmuster. Zunächst wurde der (fortbestehende) Wille zur Wohnnutzung als entscheidendes Kriterium angesehen, um davon sprechen zu können, dass das Tatobjekt zur Wohnung eines Menschen dient. Dies ist vollkommen zutreffend, weil der Wille der Bewohner zur Begründung der Wohnnutzung, ebenso wie der Wille diese zu beenden, die Grundlage der Zweckbestimmung der in § 306 Nr. 2 StGB a. F. genannten Tatobjekte bildet.623 Die davon abweichende Deutung des Reichsgerichts und des älteren Schrifttums trug diesem Faktum nicht hinreichend Rechnung. Parallel dazu war der Bundesgerichtshof aber bemüht, die Akzeptanz der Entwidmung mit der von ihm vertretenen Einbeziehung des Schutzes von Nichtbewohnern in § 306 Nr. 2 StGB a. F. zu versöhnen.624 In diesem Kontext beachtlich sind Äußerungen, wonach der Anzündung eines Wohngebäudes durch den dinglich oder schuldrechtlich legitimierten Besitzberechtigten ein vermindertes Gefährlichkeitspotential zu bescheinigen sei. So stützte BGHSt 16, 394, 396 die Billigung der Entwidmung ergänzend auf die Erwägung, dass im Falle der Inbrandsetzung durch den einzigen Eigentümer und Bewohner der Gebrauch durch andere nicht entgegenstehe und ergo die Tat für Dritte weniger gefährlich sei, da der Täter diese Personen rechtmäßig ausschließen könne.625 Auch die Akzeptanz 620 BGHSt 23, 114 (115): „Ist ein Wohnhaus jedoch verlassen oder aus anderen Gründen unbewohnt, findet § 306 Nr. 2 StGB keine Anwendung. Das muss auch gelten, wenn der einzige Bewohner gestorben ist.“ 621 Dazu erneut bei § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. vgl. § 2 II. 2. b) cc). 622 BGH, NStZ 1981, S. 224: „Daß der Angekl. nur Mieter und nicht Eigentümer des Gartenhauses war, ist nicht entscheidend. Vielmehr kann auch der alleinige unmittelbare und besitzberechtigte Fremdbesitzer die Aufhebung der Wohneigenschaft durch Inbrandsetzen in die Tat umsetzen . . .“ 623 BGHSt 23, 114: „Vielmehr muss es tatsächlich bewohnt werden, mag auch der Bewohner zur Tatzeit abwesend sein.“ 624 BGHSt 26, 121 (123); 34, 115 (119); BGH, NStZ 1982, S. 420 f.; BGH, MDR 1986, S. 865; BGH, StV 1990, S. 160 (161). 625 BGHSt 16, 394 (396); ähnlich zuvor schon BGHSt 10, 208 (214): „Bei kleinen sofort übersehbaren Räumlichkeiten ist der besitzende Eigentümer regelmäßig in der Lage, diese der bisherigen Aufgabe, dem Aufenthalt von Menschen zu dienen, durch

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der Entwidmung des „nur“ besitzberechtigen Mieters verteidigte der Bundesgerichtshof in NStZ 1981, S. 224 mit dem Hinweis, dass dieser im Besitz aller Schlüssel zum Tatobjekt war und er allein „Macht und Möglichkeit“ 626 gehabt habe, über den Zugang zum Tatobjekt, einem Gartenhaus, zu bestimmen. Zudem habe dem Angeklagten auch die rechtlich abgesicherte Möglichkeit zugestanden, Dritte gem. §§ 861, 862 BGB abzuwehren und dem Eigentümer sein Besitzrecht gem. § 986 BGB entgegenzuhalten.627 Die Rechtsposition des berechtigten unmittelbaren Fremdbesitzers sei insofern nicht schwächer, als die des Eigentümers. In diesem Falle sei der Gesichtspunkt der abstrakten Gefährdung, der die ratio legis des § 306 Nr. 2 StGB a. F. bilde, folglich nicht mehr einschlägig, da jede auch bloß abstrakt gedachte Möglichkeit (!) einer Gefahr ausgeschlossen erscheine.628 Der Hinweis auf die Rechtsmacht des besitzberechtigten Brandstifters, Dritte vom Tatobjekt ausschließen zu können, verweist auf eine Säule des partikularrechtlichen Prinzips der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung. Wie zu § 286 preuß. StGB dargelegt, wurde der Eigentümerbrandstiftung in den deutschen Partikularstrafgesetzbüchern abstrakt ein geringeres Gefährlichkeitspotential bescheinigt, zumal „isoliert“ betrachtet die Anzündung tätereigener Tatobjekte als durch die Verfügungsbefugnis gedeckte rechtmäßige Handlung eingestuft wurde.629 Deshalb wurde bei tätereigenen Tatobjekten verbreitet, wenngleich nicht durchgehend, über die Inbrandsetzung hinaus zusätzlich die (allerdings unterschiedlich veranschlagte) besondere Gefährlichkeit der Tat gefordert. Im Unterschied zum partikularrechtlichen Brandstrafrecht, das die Einschätzung der Tat als vermindert gefährlich an die Eigentümerstellung des Täters knüpfte, stellt der Bundesgerichtshof nunmehr auf den unmittelbaren Alleinbesitz des Brandstifters ab. Der durch den Bundesgerichtshof entwickelte Gedanke verweist, und dies kommt in BGH NStZ 1981, S. 224 besonders deutlich zum Ausdruck, auf die rechtliche und faktische Kontrolle des Täters über das Tatobjekt dergestalt, dass er „gefahrmindernd“ Dritte vom Brandherd tatsächlich ausschließen kann und darf. Die Verwandtschaft dieses Begründungsmusters mit hierzu geeignete Maßnahmen ohne weiteres zu entziehen und damit die Grundlage für eine Anwendbarkeit des § 306 Nr. 3 StGB zu beseitigen.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 626 BGH, NStZ 1981, S. 224. 627 Anzumerken ist, dass der Verweis des Bundesgerichtshofs auf §§ 861, 862 BGB insoweit befremdet, als diese Normen – anders als § 859 BGB – keine Gewaltrechte verleihen, sondern in einem gerichtlichen Verfahren geltend zu machen sind, vgl. NKBGB/Hoeren, § 861 Rn. 1 f. Insofern hätte ein Hinweis auf § 859 BGB deutlich näher gelegen, da es dieser dem Besitzer, unabhängig von jeglichem Besitzrecht, erlaubt, sich mit Gewalt gegen verbotene Eigenmacht Dritter nach § 858 Abs. 1 BGB zur Wehr zu setzen, NK-BGB/Hoeren, § 859 Rn. 1 f.; Jauernig/Berger, § 859 Rn. 1. 628 BGH, NStZ 1981, S. 224. 629 Vgl. § 1 A. III. 4. b) bb) und § 2 I. 1. c) cc).

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den die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung tragenden Erwägungen – die Berücksichtigung der Beziehung zwischen Täter und Tatobjekt als abstrakt gefahrminderndes Moment – ist trotz unterschiedlicher Akzentuierung unübersehbar. Problematisch ist die Argumentation des Bundesgerichtshofs in NStZ 1981, S. 244 freilich insoweit, als allein die Rechtsmacht des Brandstifters, Dritte vom Tatobjekt auszuschließen, nicht zwangsläufig mit dem Ausschluss jeglicher Gefahr für diese Personen gleichgesetzt werden kann. Vermutlich begünstigte die Annahme der Nichteinschlägigkeit des Schutzzwecks des § 306 Nr. 2 StGB a. F. in BGH NStZ 1981, S. 224, neben der konkreten Ungefährlichkeit der Tat, auch der Umstand, dass der Angeklagte nur ein kleines in Festbauweise errichtetes Gartenhaus bewohnte und angezündet hatte, also genau solch ein gering dimensioniertes Tatobjekt, das BGHSt 26, 121, 124 f. zuvor als Exempel für eine teleologische Normreduktion in Erwägung gezogen hatte. Die durch BGHSt 16, 394 ff. eingeleitete Wende wurde im Schrifttum überwiegend begrüßt,630 da die unterschiedslose Gleichbehandlung der Wohnungsbrandstiftung durch den/die Bewohner und durch Dritte als Beleg für die übertriebene Fokussierung auf die abstrakte Gefährlichkeit verstanden wurde.631 Die großzügige Akzeptanz der Entwidmung durch den Bundesgerichtshof stieß daher nur sporadisch auf Widerspruch. So kritisierte Geppert die vorbehaltslose Gleichbehandlung der Konstellationen der Selbst- und Fremdentwidmung, da in den Tötungsfällen möglichen Irrtümern des Täters bzw. unwiderlegbaren Irrtumsausreden Tür und Tor geöffnet werde, obschon die abstrakten Gefährdungsdelikte solche Zufälligkeiten ausschalten sollten.632 Dieser Befund trifft insofern zu, als medizinische Laien eine verletzte bewusstlose Person von einer „frisch“ verstorbenen Person nicht sicher unterscheiden können. Nimmt der Täter irrtümlich an,

630 LK/Wolff (1988), § 306 Rn. 9; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 43 f.; Krey, BT 1 (1983), S. 225; Sch/Sch/Cramer, StGB (1982), § 306 Rn. 6; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 295 f. 631 Begründung VE 1909, S. 603: „Die kasuistische Bestimmung der einzelnen Brandstiftungsobjekte kann zu unbilligen Ergebnissen führen . . . So würde ferner nach verbreiteter Ansicht aus § 306 Nr. 2 zu bestrafen sein der alleinige Eigentümer und Bewohner eines Gebäudes, eines Schiffes oder einer Hütte, der diese in Brand setzt, weil sie dadurch, daß er in ihnen wohnt, im Sinne des Gesetzes Menschen zur Wohnung dienen.“; Begründung E 1925, S. 107: „Andererseits führt der Umstand, daß § 306 die Inbrandsetzung gewisser Gegenstände schlechthin mit Strafe bedroht, also auch dann, wenn sie dem Täter gehören, und ohne Rücksicht darauf, ob durch die Tat fremdes Eigentum oder andere fremde Interessen berührt werden, zu unbilligen Härten. So ist es nicht zu rechtfertigen, daß derjenige, der seine eigene Wohnhütte in Brand setzt, ohne hierdurch die Interesssen irgendeines anderen zu schädigen, vielleicht nur, um an Stelle der angebrannten Hütte eine andere aufzubauen, wegen Brandstiftung mit Zuchthaus bestraft werden muss.“; Berner, Lehrbuch, S. 639; Schwartz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 703. 632 Vgl. Geppert, Jura 1989, S. 417 (420).

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den einzigen Bewohner bereits getötet zu haben, der in Wirklichkeit aber nur schwer verletzt ist, und zündet er darauf hin das Tatobjekt an, dann konnte er – trotz Tötung des einzigen Bewohners durch die Brandstiftung – weder wegen versuchter, noch vollendeter Wohnungsbrandstiftung gem. § 306 Nr. 2 StGB a. F. bestraft werden. Deshalb forderte Geppert, in den Fällen des natürlichen und des gewaltsamen Todes des letzten Bewohners zur strengeren Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückzukehren und die Wohnungseigenschaft bis zum Abtransport der Leiche, verstanden als Räumung der Wohnung, andauern zu lassen.633 Nach allem ist festzuhalten, dass die entwidmungsfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. rückblickend zu begrüßen ist, allzumal diese vom erkennbaren Bemühen getragen war, auch dem vom Gesetz beabsichtigten Schutz von Nichtbewohnern Rechnung zu tragen. Auf die Problematik der Entwidmung von Wohngebäuden wird abschließend im Rahmen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. zurückzukommen sein.634

V. Fazit zur Entwicklung der einfachen und schweren Brandstiftung im Zeitraum von 1851 bis 1998 Die Modifkationen der §§ 285 ff. preuß. StGB durch das StGB 1871 sind im Ergebnis als gelungenene Weiterentwicklung des preußischen Brandstrafrechts zu bewerten, da zentrale Mängel, insbesondere die Ausgestaltung der Rechtsfolgenseite, korrigiert wurden.635 Die Absenkung der exorbitant hohen Mindeststrafandrohung des § 285 preuß. StGB durch § 306 StGB a. F., die Ermäßigung der Mindeststrafe des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. auf ein Jahr Zuchthaus, die Aufnahme einer Strafmilderung in § 308 Abs. 2 StGB a. F. im Falle mildernder Umstände sowie die Einführung der tätigen Reue gem. § 310 StGB a. F. trugen der durch die abstrakte Konfiguration der §§ 306, 308 Abs. 1 StGB a. F. bedingten Erfassung von Sachverhalten mit höchst unterschiedlichen Gefährlichkeitspotentialen angemessener Rechnung als das preuß. StGB 1851. Selbiges gilt für die Reduktion des ausufernden Anwendungsbereichs des § 287 preuß. StGB durch § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. und dessen Begrenzung auf den Sachverhalt der Eigentümerbrandstiftung.636 Werden die durch die Analyse der Debatten um die dogmatische Verortung der §§ 306, 308 StGB a. F., §§ 285 ff. preuß. StGB im Zeitraum von 1851 bis 1998 gewonnenen Erkenntnisse abschließend bewertet, so lässt sich diese Entwicklung

633 Geppert, Jura 1989, S. 417 (420); zustimmend zu § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. Radtke, Dogmatik, S. 187. Näher zur Kritik an diesem Standpunkt bei § 2 II. 2. b) cc). 634 Vgl. § 2 II. 2. b). 635 Dazu vgl. § 1 A. V. 636 Dazu vgl. § 1 B. III. 3. d).

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vielleicht am plastischsten mit dem Schlagwort „Konkretisierungstendenz“ zusammenfassen. Diese „Konkretisierungstendenz“ – mehr vielschichtiges Phänomen denn konzeptionell-systematische Theorie – verdeutlicht sich anhand der mannigfaltigen Versuche, zu einer einschränkenden Interpretation der in den §§ 285 ff. preuß. StGB, §§ 306, 308 StGB a. F. angelegten abstrakten Gemeingefährlichkeit zu gelangen. Die vorangehenden Betrachtungen haben die zahlreichen Bedenken gegenüber der von jeglicher konkreten Gefährlichkeit der Tat und den jeweiligen Absichten und Vorstellungen des Täters entkoppelten Perspektive des Brandstrafrechts wiederholt aufgezeigt. Ursache der Konkretisierungstendenz ist letztlich der persistente Einwand, die Gefahr respektive Gefährlichkeit müsse (de lege ferenda) in stärkerem Maße auf Tatbestandsebene verankert werden.637 Nur aus dieser Grundsatzkritik erklären sich letztlich die zahlreichen Versuche, eine einschränkende Konkretisierung des Schutzzwecks der §§ 308, 306 StGB a. F. entgegen den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers zu erzielen und bisweilen sogar zu erzwingen. Diese interpretatorischen Revisionsversuche der de lege lata tradierten Normstrukturen des Brandstrafrechts haben sich zum Teil erfolgreich etablieren können, speziell bei der unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. Diese ursprünglich als gemeingefährliches Gefährdungsdelikt konzipierte Norm (§ 286 preuß. StGB), die dem Schutz von Eigentum, (und je nach Auffassung auch von) Leib und Leben dienen sollte, wurde in eine schlichte Brandsachbeschädigung, d. h. in ein Verletzungsdelikt umgedeutet. Dadurch wurde die bewusste Entscheidung für die strikt abstrakte Ausrichtung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. an der tattypischen (nicht: konkreten) Gefährlichkeit konterkariert und die Überzeugungskraft der gerade auf diesem Anliegen aufbauenden tatbestandlichen Strukturen nachhaltig getrübt, obgleich es auch die „Sachbeschädigungslösung“ nicht vermocht hat, vermittels ihrer Deutungskonzeption zu einer effektiven Restriktion des Normanwendungsbereichs zu gelangen. Nur konsequent erscheinen daher die im späteren Schrifttum geäußerten Zweifel an der Existenzberechtigung der unmittelbaren Brandstiftung als Brandsachbeschädigung, da dann im Verhältnis zu den Sachbeschädigungsdelikten eine (scheinbar) unsinnige Verdoppelung des Eigentumsschutzes am Tatobjekt vorliegt.638 Dass demgegenüber die schwere Brandstiftung gem. §§ 285 preuß. StGB, 306 StGB a. F. im Gegensatz zu §§ 286 preuß. StGB, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. als abstraktes (Lebens-)Gefährdungsdelikt akzeptiert wurde, lag darin begründet, dass eine von der konkreten Gefährlichkeit des Einzelfalls losgelöste Tatbe637 Vgl. Cramer, Vollrausch, S. 70: „So erscheint es bei der Brandstiftung nach § 306 erforderlich, die Vorschrift in weiterem Umfang als bisher mit dem in Nr. 3 zum Ausdruck kommenden Gedanken zu durchdringen.“; mwM bei § 1 B. II. 1. und § 1 B. IV. 1. a). 638 Geppert, in: FS Schmitt, S. 187; selbst auf Grundlage der „Gefährdungslösung“ kritisch: Kratzsch, JuS 1994, S. 372 (378).

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§ 1 Die Entwicklung der Brandstiftung von 1851 bis 1998

standsorientierung in Bezug auf das höchstwertige Rechtsgut Leben leichter zu akzeptieren war, als die in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. schwerpunktmäßig angelegte abstrakte Sachgefährdung.639 Trotz der Bereitschaft, die schwere Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. prinzipiell als abstraktes Lebensgefährdungsdelikt einzuordnen, dokumentieren die diversen Bemühungen um eine teleologische Normreduktion, dass die Anknüpfung an die abstrakte Gefährlichkeit in „Reinform“ von weiten Teilen des Schrifttums nicht mehr grenzenlos gebilligt wurde. Dies belegen vor allem die Forderungen, in § 306 StGB a. F. – entgegen der Gesetzesbegründung – das Erfordernis des tatsächlichen Personenaufenthaltes hineinzulesen, oder der Vorschlag von Maurach/Schroeder, in § 306 Nr. 2 StGB a. F. (auch) die Wohnung selbst zum geschützten Rechtsgut zu erheben.640 Weitere Konkretisierungsbestrebungen manifestierten sich in den Vorschlägen, die abstrakte Brandübertragungsklausel in § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. in eine konkrete Brandübertragungsklausel umzudeuten641 bzw. die Norm im Wege der „berichtigenden Auslegung“ zum eigentlichen Grundtatbestand der Brandstiftung zweiter Klasse aufzuwerten.642 Prekäre Konsequenz der partiellen Rezeption der „Konkretisierungstendenz“ durch die herrschende Auffassung ist die – bis heute fortwirkende643 – systematische Fragmentarisierung des Brandstrafrechts. Dies betrifft speziell das Verhältnis zwischen der unmittelbaren und der schweren Brandstiftung, denn ausgehend von der Einordnung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. als Brandsachbeschädigung bestehen mit § 306 StGB a. F. weder auf der Ebene des Schutzzwecks, noch in Bezug auf den Deliktstypus Gemeinsamkeiten. Beiden Delikten liegen (scheinbar) völlig verschiedene Intentionen zugrunde, nämlich der konkrete Eigentumsschutz auf der einen und der abtrakte Lebensschutz auf der anderen Seite. Diese Sicht negiert freilich die enge systematische Verflechtung der §§ 306, 308 Abs. 1, 639 In dieses Bild passt auch, dass die Tatobjekte der schweren Brandstiftung gem. § 306 Nr. 2 und 3 StGB a. F. während der Entstehungsgeschichte des preuß. StGB die ersten Tatobjekte waren, deren Bedrohung durch Feuer der Verursachung einer Gemeingefahr im engeren Sinn gleichgestellt wurde, vgl. § 1 A. II. 2. Die verbreitete Akzeptanz der mit der menschengefährdenden schweren Brandstiftung verbundenen abstrakten Regelungstechnik lässt sich auch daran ablesen, dass § 320 Abs. 1 E 1960, § 320 Abs. 1 E 1962, § 306 Abs. 1 E 6. StrRG und § 306 Abs. 1 E 6. StrRG BR den Tatobjektskatalog des § 306 StGB a. F. beibehielten und sogar erheblich erweiterten. Hingegen sollte § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. durch Tatbestände ersetzt werden, die die Verursachung einer konkreten Individualgefahr für Leib, Leben oder fremdes Eigentum in bedeutendem Umfang durch Verursachung einer „Feuersbrunst“ (§ 320 Abs. 2 E 1960), einem „Feuer von erheblichem Ausmaß“ (§ 320 Abs. 2 E 1962; § 306 Abs. 2 E 6. StrRG) oder eines nicht mehr beherrschbaren Brandes (§ 306 Abs. 2 E 6. StrRG BR) vorsahen. 640 Vgl. § 1 B. IV. 1. a) und § 1 B. IV. 2. b). 641 Vgl. § 1 B. III. 1. 642 Vgl. § 1 B. III. 3. c) und § 1 B. III. 3. d). 643 Vgl. § 2 I. 1. a) cc) (3).

B. Die Entwicklung des Brandstrafrechts im Zeitraum von 1871 bis 1998

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Alt. 1 StGB a. F., die nicht nur in der gemeinsamen Bezugnahme der §§ 308 Abs. 1, Alt. 2, 309, 310 StGB a. F. auf beide Normen zum Ausdruck kommt, sondern auch in der identischen Tathandlung und einer gleichlautenden Mindeststrafandrohung, inklusive sich umfangreich überlappender Strafrahmen.644 Die nachhaltige Demontage des ursprünglich angedachten intrasystematischen Zusammenhangs veranschaulicht sich im Kontrast zur aufgezeigten ursprünglichen Konzeption der §§ 285, 286 preuß. StGB als im Kern gleichgerichtete gemeingefährliche Brandstiftung erster und zweiter Klasse.645 Gleichermaßen ist der herrschenden Deutung der Sinnzusammenhang zwischen den beiden komplementären und sich gezielt nicht überschneidenden Alternativen des § 308 Abs. 1 StGB a. F. letztlich vollständig abhanden gekommen.646 Auch dies überrascht letztlich nicht, da die Bedeutung der partikularrechtlichen Differenzierung zwischen der Brandstiftung durch den Eigentümer und den Nichteigentümer, einschließlich der damit verbundenen Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, bereits Ende des 19. Jahrhunderts nur noch sporadisch erkannt wurde. Verständlich sind daher die Schwierigkeiten der herrschenden Meinung, zu einer überzeugenden Bewertung des verbürgten intrasystematischen Zusammenhangs beider Normen und den Hintergründen ihrer eigentumsrechtlichen Restriktionen zu gelangen. Vollkommen zutreffend ist angesichts dessen die Feststellung Kratzschs, dass die §§ 306–310 StGB a. F. in ihrer Gesamtheit ein System bilden, das mehr verkörpert als die Summe seiner Elemente und das nur unter Berücksichtigung dieser Tatsache adäquat zu verstehen sei.647

644 So ging etwa RGSt 64, 273 (279) und RG, JW 1929, S. 2735 f. davon aus, dass im Falle des Zusammentreffens von unmittelbarer und schwerer Brandstiftung gem. §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. Tateinheit anzunehmen sei und – entgegen der Vorinstanz – keine Gesetzeskonkurrenz vorliege. 645 Vgl. § 1 A. V. 646 RG, GA 41 (1893), S. 33 (34). 647 Kratzsch, JuS 1994, S. 372 (374).

§ 2 Die einfache und die schwere Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n. F. Durch das am 1. April 1998 in Kraft getretene 6. StrRG 19981 haben die Brandstiftungsdelikte die umfassendste Veränderung seit ihrer Genese im preuß. StGB 1851 erfahren. Eckpunkte der Reform waren neben der Umgestaltung der einfachen Brandstiftung gem. § 306 StGB n. F.2 (vormals die unmittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.) und der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 (vormals § 306 StGB a. F.) die Einführung der (Erfolgs-) Qualifikationen der besonders schweren Brandstiftung und der Brandstiftung mit Todesfolge gem. §§ 306b, 306c sowie Modifikationen der fahrlässigen Brandstiftung gem. § 306d (vormals § 309 StGB a. F.) und der tätigen Reue gem. § 306e (vormals § 310 StGB a. F.). Die umstrittene mittelbare Brandstiftung nach § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. wurde gestrichen und durch eine neue Variante der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2 ersetzt.3 Trotz dieser Modifikationen sind die Normstrukturen der einfachen und der schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a Abs. 1 im Grundsatz erhalten geblieben, nämlich der Angriff auf abschließend benannte Tatobjekte mittels Feuer, weshalb zahlreiche von den Vorgängernormen §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. bekannte Auslegungsfragen grundsätzlicher Natur durch das 6. StrRG 1998 unberührt geblieben sind. Obwohl der Reformgesetzgeber mit der Modernisierung des Brandstrafrechts eine Vereinfachung desselben bezweckte, sind durch dessen Umgestaltung zahlreiche neue Probleme und Auslegungsfragen geschaffen worden, die z. T. auf eklatante gesetzliche Mängel und logische Friktionen zurückzuführen sind, in denen sich die Hast der Gesetzesreform widerspiegelt.4 In Schlagworten sei hier vorweg auf die „Verweisungsproblematik“ 5 bei §§ 306, 306b Abs. 1, 306c, das „Strafrahmenrätsel“ 6 bei der fahrlässigen Brandstiftung gem. § 306d oder die Unbestimmtheit des Tatobjektskatalogs der einfachen Brandstiftung7 verwiesen. Das Schrifttum bewertet die Reform des Brandstrafrechts dementsprechend mehrheitlich als missglückt.8 1

BGBl. I (1998), S. 160 ff. §§ ohne Gesetzesbezeichnung beziehen sich auf das geltende StGB nach dem 6. StrRG 1998. 3 Eingehend zu dieser neuen Variante der schweren Brandstiftung bei § 2 III. 4 Kritisch Hettinger, in: FS Küper, S. 95 (97 f.) mwN. 5 Vgl. § 2 I. 3. 6 Fischer, NStZ 1999, S. 13; dazu vgl. § 2 IV. 1. c). 2

§ 2 Einfache und die schwere Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n. F.

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Die nachfolgende Untersuchung bezweckt freillich nicht die erschöpfende Darstellung aller Veränderungen des Brandstrafrechts durch das 6. StrRG 1998 – insoweit sei auf andere Arbeiten verwiesen9 –, sondern konzentriert sich weiterhin auf die Analyse des Schutzzwecks und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a sowie damit zusammenhängender Auslegungsfragen.

I. Die einfache Brandstiftung gem. § 306 Obwohl der Reformentwurf der Bundesregierung zunächst vorsah, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. in Anlehnung an § 320 E 1962 durch ein konkretes Gefährdungsdelikt (§ 306 Abs. 2 E 6. StrRG; ähnlich auch § 306 Abs. 2 E 6. StrRG BR)10 zu ersetzen, das auf die Verursachung eines Feuers von erheblichem Ausmaß und einer dadurch geschaffenen (konkreten) Gefährdung für Leib, Leben oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert abstellte, so führte die Kritik des Bundesrates an diesem angedachten Systemwechsel zur Beibehaltung der bewährten Tatbestandskonfiguration der unmittelbaren Brandstiftung.11 Demgemäß knüpft die einfache Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 weiterhin an die abschließende Aufzählung bestimmter Tatobjekte an, die mittels Feuer angegriffen werden.12 Jedoch erfuhr der Tatobjektskatalog durch Aufnahme neuer Objekte eine erhebliche Erweiterung, da die Kasuistik des § 308 Abs. 1 Alt. 1 StGB a. F. als antiquiert und unzeitgemäß bewertet wurde.13 Weiter wurde der tradierten Tathandlung des Inbrandsetzens die neue Alternative der völligen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung an die Seite gestellt.14 Die eigentumsrechtliche Beschränkung des Tatobjektskatalogs wurde beibehalten, der Wortlaut jedoch von „fremdes Eigentum“ in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. in 7

Vgl. § 2 I. 2. c). SSW/Wolters, § 306 Rn. 1: „Durch die Reform sind derart viele neue Auslegungsfragen begründet worden, dass in der Gesamtschau keine Vereinfachung eingetreten ist.“; Fischer, NStZ 1999, S. 13 f.; Schroeder, GA 1998, S. 571 (571, 576); Immel, StV 2001, S. 477 ff.; Knauth, Jura 2005, S. 230; NK-StGB/Herzog, Vor §§ 306 ff. Rn. 1 ff.; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 949. 9 Zu den Veränderungen gegenüber dem alten Recht, vgl. Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (850 ff.); Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 76 ff., 90 ff., 98 ff.; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 25 ff.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 36 ff. 10 BT-Drucks. 13/8587, S. 11, 25 ff. 11 Zu den Einwänden des Bundesrates, BT-Drucks. 13/8587, S. 69, und zur Rezeption dieser Kritik durch die Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8587, S. 86 ff. 12 Zu den Veränderungen des § 306 näher: LK/Wolff, § 306 Rn. 20 ff.; Kreß, NJW 1998, S. 633 (640); Geppert, Jura 1998, S. 597 (598 f.). 13 BT-Drucks. 13/8587, S. 87; eingehend: Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 95 ff. 14 BT-Drucks. 13/8587, S. 88; LK/Wolff, § 306 Rn. 12 f. 8

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„fremd“ geändert, womit aber keine inhaltlichen Veränderungen bezweckt waren.15 Somit ist zu konstatieren, dass § 306 Abs. 1 in direkter Kontinuität zu §§ 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., 286 preuß. StGB steht, weshalb auch für die einfache Brandstiftung immer wieder auf die dort gewonnenen Erkenntnisse zurückzugreifen sein wird. Das 6. StrRG 1998 hat allerdings die Debatte um die dogmatische Bewertung der einfachen Brandstiftung nicht beendet, sondern im Gegenteil neu entfacht. Ursächlich hierfür sind vor allem die ambivalenten Aussagen des Reformgesetzgebers. Zwar heißt es in der Gegenäußerung der Bundesregierung, § 306 Abs. 1 trete an die Stelle des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. und sei wie dieser ein „Spezialfall der Sachbeschädigung“ 16, doch im selben Kontext wird betont, dass der Norm ein „Element der Gemeingefährlichkeit“ 17 anhafte, das im Anschluss an § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. durch eine Kasuistik von Tatobjekten konkretisiert werden solle. Somit greifen die Reformmaterialien im selben Atemzug sowohl Argumentationstopoi der „Sachbeschädigungs-“ als auch der „Gefährdungslösung“ auf, weshalb der Streit darüber neu entbrannt ist, ob und inwieweit der (abstrakten) Gemeingefährlichkeit bei der Auslegung der durch § 306 Abs. 1 geschützten Rechtsgüter und der Bestimmung des Deliktstypus Rechnung zu tragen ist. Daher wird nachfolgend zu überprüfen sein, inwieweit die beiden dominierenden Deutungsmodelle zu § 306 Abs. 1, die „Sachbeschädigungs-“ und die „Kombinationslösung“, geeignet sind, die Normstrukturen einer befriedigenden Deutung zuzuführen. Auf Grundlage der zu §§ 286 preuß. StGB, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. gewonnenen Erkenntnisse wird schließlich zu erörtern sein, inwieweit die heute nahezu vollständig in Vergessenheit geratene „Gefährdungslösung“ eine akzeptable Alternative darstellt. Erst im Anschluss an die dogmatische Grundpositionierung des § 306 Abs. 1 werden ausgewählte Auslegungsprobleme untersucht. 1. Deliktstypus und Rechtsgüterschutz der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 a) Die „Sachbeschädigungslösung“ Auch nach dem 6. StrRG 1998 stößt die „Sachbeschädigungslösung“ im Schrifttum auf breite Zustimmung und dementsprechend wird § 306 Abs. 1 verbreitet als „Spezialform eines Sachbeschädigungsdelikts“ 18, als „Sachbeschädi15 Zu den durch die Modifikation des Wortlauts des § 306 Abs. 1 eröffneten Möglichkeiten im Wege der Auslegung, vgl. § 2 I. 1. c) cc) (2). 16 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 17 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 18 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 93.

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gung durch Feuer“ 19 oder als eine durch „die besondere Tathandlung herausgehobene Sachbeschädigung“ 20 klassifiziert.21 Der Standpunkt der „Sachbeschädigungslösung“ hat sich gegenüber §§ 286 preuß. StGB, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. inhaltlich nicht verändert, so dass die diesbezüglichen Ausführungen der Sache nach auf § 306 Abs. 1 übertragbar sind.22 Nach wie vor basiert die Einordnung als Eigentumsverletzungsdelikt auf der Annahme, dass sich in der Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte der beabsichtigte Eigentumsschutz am Tatobjekt manifestiere, weshalb der Einwilligung des Eigentümers rechtfertigende Kraft beigemessen wird. Die abschließende Untersuchung der „Sachbeschädigungslösung“ zu § 306 Abs. 1 wird sich dabei auf drei Schwerpunkte fokussieren: • Die „Sachbeschädigungslösung“ basiert auf der These, dass es sich bei § 306 Abs. 1 materiell betrachtet um kein gemeingefährliches Delikt handele, mit der Folge der Unbeachtlichkeit des Gedankens der Gemeingefährlichkeit für die Normauslegung. Der Analyse von Funktion und Bedeutung der Gemeingefährlichkeit wird daher besondere Aufmerksamkeit zu zollen sein, denn sollte sich die Verneinung der Gemeingefährlichkeit als falsch erweisen, wäre das Fundament der dominierenden „Sachbeschädigungslösung“ nachhaltig erschüttert. • In einem zweiten Schritt wird zu klären sein, inwieweit die Einordnung als Sachbeschädigungsdelikt die Sanktionsspanne der einfachen Brandstiftung zu legitimieren vermag. • Abschließend werden die systematischen Folgewirkungen der „Sachbeschädigungslösung“ für das gesamte Brandstrafrecht aufzuzeigen und kritisch zu würdigen sein.

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NK-StGB/Herzog, Vor § 306 ff. Rn. 2; Fischer, § 306 Rn. 1. LK/Wolff, § 306 Rn. 3. 21 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1; SSW/Wolters, § 306 Rn. 1; Fischer, § 306 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 306 Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 I Rn. 3; Wolff, JR 2002, S. 94 ff.; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 93; Wessels/ Hettinger, BT 1, Rn. 956; Eisele, BT I, Rn. 721; Rengier, BT II, § 40 Rn. 1: „Grundsätzlich sollte man in Brandstiftungsfällen darauf achten, dass die Sachbeschädigungsdelikte und die gemeingefährlichen Delikte getrennt werden. Sachbeschädigungsdelikte sind die §§ 303, 305 und § 306“; Knauth, Jura 2005, S. 231: „Ansonsten ist § 306 unumstritten ein eigenständiger sachbeschädigendes Branddelikt.“; Hörnle, Jura 1998, S. 169 (180); Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 35; Lesch, JA 1998, S. 474 (478); Otto, Grundkurs, § 79 Rn. 6: „Da der Schutz fremden Eigentums im Vordergrund steht, nicht aber die Abwehr einer Gemeingefahr, handelt es sich hier um ein qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt.“; Küper, BT, S. 217. 22 Vgl. § 1 A. III. 5. und § 1 B. II. 3. 20

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aa) Zur (fehlenden) Gemeingefährlichkeit der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 Die Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ verneinen entweder kategorisch ein über den Angriff auf das Eigentum am Tatobjekt hinausgehendes Gefährlichkeitsmoment oder akzeptieren die Gemeingefährlichkeit allenfalls unter der Bedingung, dass es sich hierbei um ein unbeachtliches „Motiv des Gesetzgebers“ 23 handele, das weder für die Bestimmung der geschützten Rechtsgüter noch des Deliktstypus Relevanz entfalte.24 Daher sei die „Stellung von § 306 innerhalb der Brandstiftungsdelikte . . . ohne Aussagekraft“ 25, und der gegenwärtige Regelungsstandort bei den gemeingefährlichen Delikten wird bisweilen in scharfer Form als „irrationale“ 26 Fehlentscheidung gerügt.27 Die systematische Einordnung des § 306 Abs. 1 bei den gemeingefährlichen Delikten sei – auch dies ein von § 286 preuß. StGB vertrauter Einwand28 – allein dem formalen Umstand der identischen Tathandlungen des „Inbrandsetzens“ bzw. der „Zerstörung durch Brandlegung“ geschuldet, der die einfache Brandstiftung mit § 306a verbinde.29 Den Einwänden gegen die Beachtlichkeit der Gemeingefährlichkeit liegt die Ein23

Wolff, JR 2002, S. 94 (96). Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 54 f.; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 956; gegen dieses Argument bei § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. siehe § 1 B. II. 1. und § 1 B. II. 2. 25 Wolff, JR 2002, S. 94 (96); LK/Wolff, § 306 Rn. 3. 26 SSW/Wolters, § 306 Rn. 1: „Die gesetzgeberische Entscheidung, diese Vorschrift dennoch im Abschnitt der ,gemeingefährlichen Delikte‘ und im Katalog der Brandstiftungstatbestände zu belassen . . ., lässt sich nicht ohne weiteres rational fassen, sondern dürfte letztlich in der Urangst des Menschen vor den unbeherrschbaren Gefahren des Feuers gründen . . .“; Sinn, Jura 2001, S. 803 (809): „§ 306 StGB ist nicht der Grundtatbestand der Brandstiftungsdelikte, sondern ein Sachbeschädigungsdelikt, das durch bestimmte Tatobjekte und eine spezifische Tathandlung qualifiziert ist. Insoweit ist er systemwidrig unter die Überschrift des 28. Abschnitts ,gemeingefährliche Straftaten‘ eingeordnet worden.“ 27 Rengier, BT II, § 40 Rn. 1, 3; Wolff, JR 2002, S. 94 (96); Gössel/Dölling, BT 1, § 41 Rn. 1: „Die Brandstiftung gem. § 306 dient als Spezialfall der Sachbeschädigung dem Eigentumsschutz. Außerdem haftet dem Delikt nach der gesetzgeberischen Konzeption ein Element der Gemeingefährlichkeit an.“; dies., § 41 Rn. 3: „Obwohl es sich bei dem Delikt schwerpunktmäßig um einen Spezialfall der Sachbeschädigung handelt . . .“; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 35, 79 ff. 28 Vgl. dazu § 1 A. III. 2. und § 1 A. III. 4. d) aa). 29 Fischer, § 306 Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 50 I Rn. 3; Wolters, JR 1998, S. 271 (272): „Die Voranstellung könnte jedoch auch den fälschlichen Eindruck vermitteln, die einfache Brandstiftung sei systematisch als Grundtatbestand der Brandstiftungsdelikte und eben nicht als an sich systemfremder Sachbeschädigungstatbestand zu begreifen.“; Sinn, Jura 2001, S. 803 (804): „Denn der materielle systematische Gehalt des Deliktes wird vom inneren System her bestimmt. Im Tatbestand ist die Feuergefährlichkeit für ein bestimmtes Tatobjekt oder Leib und Leben eines anderen selbst nicht weiter beschrieben, wie dies etwa in § 306a Abs. 2 StGB geschehen ist . . . Den systematischen Zusammenhang zwischen § 306 StGB und §§ 306a ff. StGB stellt einzig das Feuer – die Tathandlung – her.“ 24

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schätzung zugrunde, dass der Inbrandsetzung bzw. der Zerstörung durch Brandlegung der in § 306 Abs. 1 genannten Tatobjekte typischerweise kein beachtliches Gefahrenpotential zu bescheinigen sei. Erst Recht folge aus der Tatbegehung nicht die Entstehung einer Gemeingefahr, weshalb Regelungszweck – Erfassung von Brandsachbeschädigungen – und Regelungsstandort – bei den gemeingefährlichen Delikten – auseinanderfielen. Die Überzeugungskraft der „Sachbeschädigungslösung“ steht und fällt demgemäß mit der Berechtigung der Hypothese vom mangelnden Gefährlichkeitspotential der einfachen Brandstiftung. Um zu einer sachgerechten Bewertung des tattypischen Gefährlichkeitspotentials des Tatmittels Feuer zu gelangen, ist es zunächst notwendig, auf sachverständige Erkenntnisse der Brandschutzforschung zurückzugreifen, an denen sich etwa das Vorgehen der Feuerwehren bei der Brandbekämpfung und der Brandschutz im Baurecht orientieren. (1) Das sachliche Gefahrenpotential einer Brandlegung Die Erfassung der feuerspezifischen Risiken setzt in einem ersten Schritt die Vergegenwärtigung der typischen Entwicklung eines Brandverlaufs voraus. Obwohl jedes Brandgeschehen durch im Einzelfall variierende Faktoren geprägt wird, kann der Brandverlauf grob in die sog. Entstehungsbrandphase und die sog. Vollbrandphase eingeteilt werden. Charakteristisch für den Entstehungsbrand ist zunächst die Bildung eines Schwelbrandes, d. h. eines lokal begrenzten Brandherdes, der Wärmeenergie und Rauchgase freisetzt.30 Während der Entstehungsbrandphase gilt ein Brandherd im Regelfall – zumindest für professionelle Brandbekämpfer – noch als beherrschbar im Sinne von „löschbar“. Den Übergang von der Entstehungsbrand- zur Vollbrandphase markiert der sog. „flash over“ oder „Feuerübersprung“.31 Dies ist definitionsgemäß derjenige Zeitpunkt im Verlauf einer Brandentwicklung, in dem die meisten brennbaren Materialien eines Systems durch die in der Schwelbrandphase gebildete Wärme ihre Entzündungstemperatur (ca. 500 Grad Celsius) erreicht haben und nahezu simultan in Brand geraten.32 Mit Eintritt in das Stadium des Vollbrandes bilden sich nun massive Wärme- und Rauchgasmengen. Bei Raumbränden steigt dann die Temperatur oftmals auf über 800 Grad Celsius an, weshalb nach Eintritt des Feuerübersprungs der wirtschaftliche Totalschaden innerhalb des betroffenen Raumes unvermeidlich ist.33 Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einem gewöhnlichen Wohnungsbrand schon innerhalb einer Zeitspanne von drei bis sieben Mi30

Krawietz/Heimke, Physik im Bauwesen, S. 198. Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 130, S. 21 ff. 32 Grellmann/Seidler, Kunststoffprüfung, S. 600 f.; Usemann, Brandschutz in der Gebäudetechnik, S. 4 f. 33 Pulm, Falsche Taktik, S. 30; Usemann, Brandschutz in der Gebäudetechnik, S. 4 f.; Werner, Bautechnischer Brandschutz, S. 50 f. 31

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nuten nach Brandentstehung der Eintritt in die Vollbrandphase erreicht werden kann, was die zeitliche Dynamik der Brandentwicklung eindrucksvoll illustriert.34 Das Ende der Vollbrandphase markiert schließlich die sog. Abkühlungsphase, die entweder durch Sauerstoffmangel oder durch die Aufzehrung der Brandlast, d. h. dem lokal zur Verfügung stehenden Brennmaterial, eingeleitet wird. (a) Gefahrenquelle Rauchgase Entgegen eines verbreiteten Vorurteils, lassen sich die meisten Verletzungen und Todesopfer bei Bränden nicht auf das sinnbildliche „Verbrennen in den Flammen“, sondern auf das Einatmen giftiger Rauchgase in Verbindung mit Sauerstoffmangel zurückführen. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 80% der bei Gebäudebränden getöteten Personen Opfer von Verrauchungen geworden sind („Brandtote sind Rauchtote“).35 Ähnlich stellt sich die Lage bei brandbedingten Verletzungen dar, die ebenfalls überwiegend durch Rauchgase verursacht werden.36 Die besondere Gefährlichkeit der Rauchgase liegt in ihrem gasförmigen Aggregatzustand begründet, da hierdurch die gesamte Schadstofffracht räumlich mobil ist und sich binnen kurzer Zeit über den unmittelbaren Brandherd hinaus ausbreitet. Rauchgase bestehen – in Abhängigkeit vom verbrennenden Material, Belüftung, Verbrennungstemperatur, etc. – aus einem variablen Cocktail verschiedener Stoffe, wie Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO), Teerkondensaten, Ruß, Schwefeldioxid, Blau- und Salzsäure, Dioxinen oder Halogenen, um nur einige der prominentesten toxischen Vertreter zu benennen.37 Diese Substanzen, die je nach Konzentration ätzende, reizende, cancerogene oder unmittelbar tödliche Effekte aufweisen, werden nicht allein durch die Atemwege, sondern teils auch über die Hautoberfläche vom menschlichen Organismus absorbiert.38 Selbst noch während der Abkühlungsphase können Rauchgase freigesetzt wer34

Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 130, S. 27 ff., 61. Werner, Brandtechnischer Bauschutz, S. 346; Gressmann, Abwehrender und Anlagetechnischer Brandschutz, S. 83. 36 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 4; Usemann, Brandschutz in der Gebäudetechnik, S. 3. 37 Vfdb-Richtlinie 10/03: Schadstoffe bei Bränden, S. 10; Kemper, Vorbeugender Brandschutz, S. 86; Brein/Hegger, Brand Aktuell 13/2002, S. 1; Usemann, Brandschutz in der Gebäudetechnik, S. 3: „Typisch für alle heutigen Brände ist die Erzeugung großer Mengen ,schweren‘ Rauches. Die Hauptursache liegt in der zunehmenden Verwendung synthetischer Stoffe. Dies gilt sowohl für das Inventar neuzeitlicher Gebäude, aber auch für die brennbaren und z. T. sehr stark qualmenden Bau- und Hilfsstoffe, namentlich im Bereich der gebäudetechnischen Installationen. Bei der Verbrennung synthetischer Stoffe entstehen Rauchgasmengen, die bis zum 250fachen größer sein können als bei Holz. Hinzu kommt, dass in diesen Rauchgasen auch die Konzentration des gefährlichen Kohlenmonoxids sehr hoch ist.“ 38 Vfdb-Richtlinie 10/03: Schadstoffe bei Bränden, S. 3. 35

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den, weshalb für Einsatzkräfte die Empfehlung gilt, noch ein bis zwei Stunden nach Erlöschen eines Brandes bei Begehung des Brandorts einen Atemschutz zu verwenden. Festzuhalten ist: Durch Verbrennungsprozesse werden alltägliche Materialien in erheblichem Umfang in tödliche Gase transformiert; so erzeugt z. B. die Verbrennung einer 10 kg schweren Holzspanplatte rund 6.000 m3 Brandrauch, was einer Grundfläche von 600 m2 bei einer Deckenhöhe von 10 m entspricht. Speziell synthetische Materialien (Kunststoffe, Plastik, etc.) produzieren enorme Mengen toxischen „schweren Rauchs“. Schon bei der Verbrennung von 10 kg Schaumstoff, der sich in handelsüblichen Matratzen oder anderen Möbeln befindet, entstehen bis zu 30.000 m3 Brandrauch, was einer Grundfläche von 3.000 m2 bei einer Deckenhöhe von 10 m entspricht.39 Besondere Gefahren gehen von den geruchlosen und dadurch für potentielle Opfer nicht sinnlich wahrnehmbaren Gasen Kohlendioxid (CO2) und Kohlenmonoxid (CO) aus, die praktisch bei jedem Brand entstehen. Beide Gase sind, obwohl in geringem Umfang natürlicher Bestandteil der Atmosphäre (CO2: 0,03–0,05%; CO: 0,0001%)40, in höheren Konzentrationen effektive Atemgifte. Eine Exposition von Atemluft, die etwa 5% Kohlendioxid (CO2) enthält, bewirkt innerhalb weniger Minuten Atemnot und Bewusstlosigkeit (sog. CO2-Narkose).41 Nochmals gefährlicher ist Kohlenmonoxid (CO), das das für den Sauerstofftransport zuständige Protein Hämoglobin, das in den roten Blutkörpern enthalten ist, nachhaltig blockiert.42 Bereits eine Konzentration von 1,2% CO in der Atemluft bewirkt bei einer Expositionszeit von ein bis drei Minuten bei Betroffenen Bewusstlosigkeit, die tödlich enden kann. Bei einer Konzentration von 0,64% CO gilt schon eine Expositionszeit von fünf bis zehn Minuten als ausreichend.43 In Rechnung zu stellen ist, dass auch nicht-letale CO-Konzentrationen Kopfschmerzen, Schwindel, Verwirrung und Kurzatmigkeit verursachen und so die Chance für Betroffene mindern, sich aus eigener Kraft zu evakuieren. Selbst milde Kohlenmonoxid-Intoxikationen bewirken häufig Spätschäden an Herz und Nervensystem.44 Zudem weisen insbesondere Kinder eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber Rauchgasen auf.45

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Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 76. Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 9. 41 Eingehend zu den Risiken durch beide Gase, Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 9 ff. 42 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 9 ff., 25; Buchfelder/ Buchfelder, Handbuch der Ersten Hilfe, S. 244; diesen Gedanken berücksichtigt zutreffend die Entscheidung BGE 105 IV 127 (131). 43 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 17. 44 Blomeyer, Brand Aktuell 27/2010, S. 1. 45 Wirth/Strauch, Rechtsmedizin, S. 197. 40

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Wie real die Bedrohungen durch Brandgase sind, haben Untersuchungen eines simulierten Wohnraumbrandes gezeigt. Hier entstanden in weniger als drei Minuten tödliche Brandgaskonzentrationen von 7–12% (!) Kohlenmonoxid (CO) in Verbindung mit einer kritischen Sauerstoffkonzentration von 1–5%.46 Zum Vergleich: Bereits eine Verminderung des Luftsauerstoffs um knapp die Hälfte des durchschnittlichen Wertes von 21% auf 12% gilt für sich genommen als problematisch. Erschwerend ist in Rechnung zu stellen, dass sich die schädigenden Effekte der diversen Rauchgase in Verbindung mit Sauerstoffmangel und Hitze bei Opfern in kaum berechenbarer Weise synergistisch verstärken.47 Zudem wird die medizinische Behandlung von Rauchgasopfern praktisch dadurch erheblich erschwert, dass viele Rauchgase (im Blut) nicht oder nur unvollkommen analytisch nachweisbar sind. Hinsichtlich der Gefährlichkeit von Rauchgasen ist zu konstatieren, dass bereits wenige Atemzüge von massiv mit Rauchgasen kontaminierter Luft zu erheblichen körperlichen Schädigungen, wenn nicht gar zum Tode führen können.48 Das Alarmstichwort „Feuer“ signalisiert der Einsatzleitung der Feuerwehr daher, dass an der Einsatzstelle mit allen Atemgiften zu rechnen ist, weshalb die Rettungskräfte prinzipiell gehalten sind, beim Innenangriff, der Brandbekämpfung in geschlossenen Räumen, umgebungsluftunabhängigen Atemschutz (Pressluftatmer) zu verwenden.49 Bei Bränden in geschlossenen Räumen verdichten sich zwar die Gefährdungen durch Rauchgase exponentiell auf Grund ihrer räumlichen Kumulation, aber auch bei Bränden im Freien, z. B. einem Pkw- oder einem Waldbrand, kann Brandrauch auf Einsatzkräfte oder Unbeteiligte geweht

46 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 34; Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 130, S. 2 ff.; Werner, Bautechnischer Brandschutz, S. 50 f.; zutreffend begründen die Materialien zum 6. StrRG 1998 die Aufnahme der neuen Tathandlung der Zerstörung durch Brandlegung mit dem Hinweis auf „Personen- und Sachgefährdungen, die infolge großer Ruß-, Gas- und Rauchentwicklung sowie durch starke Hitzeeinwirkung entstehen können, ohne daß wesentliche Gebäudebestandteile selbstständig brennen.“, vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 26; Rempe/ Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 76: „In der Einsatztaktik ist zu berücksichtigen, dass auch relativ kleine, an sich unbedeutende Brandereignisse zu einer vergleichsweise erheblichen Gefahr durch Brandrauch führen können. Das liegt im Wesentlichen an drei Ursachen: Brandrauch breite sich in der Regel erheblich schneller aus als der Brand selbst. Auch kleinere Brände erzeugen große Mengen an Rauch, dies trifft vor allem für Kunststoffe zu, zum Beispiel in der Form von Schaumstoffen (Möbelpolster, Matratzen). Faustregel: ein Kilogramm Schaumstoffe erzeugt etwa 3000 Kubikmeter Rauch.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 47 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 4 f. 48 Blomeyer, Brand Aktuell 27/2010, S. 1. 49 Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 75; Vfdb-Richtlinie 10/03: Schadstoffe bei Bränden, S. 3 f.

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werden und diese gefährden.50 Zudem sind Sichtbehinderungen durch Brandrauch ein weiteres Problem, das Opfer wie Retter gleichermaßen tangiert,51 aber auch nachteilig auf den Straßenverkehr einwirken kann. Doch nicht nur Leib und Leben werden durch Rauchgase bedroht, sondern auch Sachwerte sind durch Akkumulation von Schadstoffen in Ruß- oder Rauchkondensaten gefährdet, die sich auf Raumoberflächen ablagern und diese kontaminieren.52 Im Extremfall können Schadstoffe, wie durch Verbrennung von PVC (Polyvinylchlorid) gebildete Dioxine, sogar zur dauerhaften Belastung benachbarter Grundstücke führen.53 (b) Gefahrenquelle thermische Effekte Die zweithäufigste Ursache brandbedingter Verletzungen und Todesfälle ist die bei einem Brand freigesetzte Wärmeenergie.54 Neben Hitzeschock und Hautverbrennung sind innere Verbrennungen des Atmungsapparates durch Inhalation heißer Luft als Hauptrisiken zu benennen.55 Da Verbrennungen auch durch Wärmestrahlung und/oder erhitzte Luft verursacht werden können, bedarf es hierfür keines unmittelbaren physischen Kontakts zwischen Opfer und dem eigentlichen Brandherd. Besonders fatal ist das Zusammentreffen von Verbrennungen und Rauchvergiftungen, das die Überlebenschance von Betroffenen erheblich verschlechtert.56 Dass Wärmeenergie ansonsten grundsätzlich geeignet ist, Sachschäden von erheblichem Umfang hervorzurufen, bedarf als evidentes Faktum keiner näheren Darlegung.

50 Kemper, Gefahren der Einsatzstelle, S. 33: „Durch unkontrolliertes Austreten oder chemische Reaktionen entstandene giftige oder ätzende Gase oder Dämpfe sowie durch einen Brand entstandene Atemgifte breiten sich vornehmlich in Windrichtung aus. Sie können je nach Art, Konzentration und Ausbreitungsverhalten nicht nur Einsatzkräfte, sondern auch Personen, Tiere und die Umwelt gefährden, die noch unmittelbar dem Schadenereignis ausgesetzt sind.“; Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 76: „Auch im Freien können Einsatzkräfte und andere Personen durch Brandrauch gefährdet sein.“ 51 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 130, S. 3 f. 52 Rodewald, Brandlehre, S. 193; Kemper, Vorbeugender Brandschutz, S. 86. 53 Bayrisches Landesamt für Umwelt, in Umweltwissen: Schadstoffe bei Brandereignissen, S. 4. 54 Eine Untersuchung aus den Jahren 2000/2001 gelangt zum Ergebnis, dass etwa nur 5% aller brandbedingten Verletzungen (allein) auf Verbrennungen zurückgeführt werden können, vgl. Brein/Hegger, Brand Aktuell, 13/2002, S. 1; zu anderen Zahlen Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 4 f. 55 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 23 f. 56 Brein/Hegger, Brand Aktuell, 13/2002, S. 1; Steinau, Brand Aktuell, 13/2002, S. 2.

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(c) Weitere Gefahrenquellen: Nachfolgend sei noch auf einige Risikoaspekte von Bränden hingewiesen: • Als „back draft“ wird ein Phänomen bezeichnet, das bei Bränden in abgedichteten Räumen auftritt, sofern der Verbrennungsprozess wegen mangelnder Sauerstoffzufuhr oder zu starker Abkühlung nicht vollständig fortschreiten kann und sich dadurch unverbrannte Brennstoffdämpfe ansammeln.57 Wird dann die Sauerstoffkonzentration, beispielsweise durch Öffnen von Fenstern oder Türen, plötzlich erhöht, kann dies zu einer explosionsartigen Verpuffung der in der Luft befindlichen Brennstoffdämpfe, dem sog. „back draft“ (Rauchexplosion) führen. • Die Brandübertragungsgefahr, d. h. die Ausdehnung des Brandes über den unmittelbaren Brandherd hinaus, ist ein weiteres Teilrisiko, das sich auf vielfältigen Wegen realisieren kann, wie durch Funkenflug (aufgewirbelte kleinste glühende Teilchen), Flugfeuer (brennende Teile, die mit heißen Brandgasen aufsteigen, dann niederfallen und so andere Objekte entzünden), Feuerbrücken (brennbare Stoffe, die das brennende Objekt mit anderen noch nicht brennenden Objekten verbinden) oder Feuerüberschlag (horizontale oder vertikale Brandausdehnung).58 Zusätzlich kann auch die bei einem Brand freigesetzte Wärme zur Brandausbreitung beitragen, nämlich durch Wärmestrahlung (elektromagnetische Wellenstrahlung, die ein brennender Stoff ausstrahlt und die erhebliche Wärmemengen auch über größere Entfernungen übertragen können), Wärmeleitung (Wärmeübertragung durch feste Stoffe, wie z. B. Metalle) oder Wärmeströmung (Wärmeübertragung durch flüssige oder gasförmige Stoffe).59 Ein typisches Beispiel einer durch Wärmeströmung vermittelten Brandübertragung ist die bei einem Kellerbrand gebildete heiße Luft, die bis unter das Dach aufsteigt, sich dort sammelt und schließlich den Dachstuhl in Brand setzt. • Eine weitere Gefahrenquelle sind Angstreaktionen von Menschen: „Angstreaktionen entstehen durch das subjektive Empfinden einer Gefahr. Das Eingeschlossensein, die Entwicklung von Rauch oder Feuer, die Versperrung der Rückzugswege, das Bemerken von Atemgiften oder auch akustische Wahrnehmungen, wie beispielsweise Knall, Bersten, Rauschen oder Ähnliches, können Angst hervorrufen. Ausschlaggebend für diese Gefahr ist nicht unbedingt eine objektive Gefahrenlage, sondern eventuell nur das subjektive Empfinden der bedrohten Person. Angstreaktionen können zu unüberlegten Handlungen führen und somit eine Gefahrenquelle darstellen.“ 60

57 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 130, S. 6 ff., 52; Kemper, Gefahren an der Einsatzstelle, S. 64. 58 Kemper, Gefahren der Einsatzstelle, S. 29 ff. 59 Kemper, Gefahren der Einsatzstelle, S. 30 f. 60 Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 80.

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Führt man sich vor Augen, dass ein Brand für akut betroffene Personen eine katastrophenähnliche und (potentiell) existenzbedrohende Situation ist, stellen Angst- und Panikreaktionen, die mitunter in selbstschädigendem Verhalten münden, ein typisches Reaktionsmuster dar, wie z. B. ein verfrühter Sprung aus dem Fenster oder ein auswegloser (tödlicher) Fluchtversuch durch einen mit Brandrauch gefüllten Gang. Das Auftreten von Angst- und Panikreaktionen sind daher bei der Einsatzplanung und der Durchführung von Brandbekämpfungsmaßnahmen stets in Rechnung zu stellen. (d) Pars pro toto: Das Gefahrenpotential einer Pkw-Brandstiftung Nachfolgend gilt es noch die Gefährlichkeit von Brandstiftungen an Pkw, die seit dem 6. StrRG 1998 ebenfalls durch die einfache Brandstiftung erfasst sind, näher zu betrachten, denn die Aufnahme dieser Tatobjekte in § 306 Abs. 1 Nr. 4, Var. 1 ist auf scharfe Kritik gestoßen. So meint etwa Liesching, dass zwar jederzeit die Möglichkeit bestehe, dass „sich Menschen in Kraftfahrzeugen . . . aufhalten“ 61, doch sei dies nicht typisch. Vielmehr sei „im Gegenteil die Gefährdung von Rechtsgütern jenseits des Eigentums am Tatobjekt etwa bei abgestellten Kraftfahrzeugen . . . eher unwahrscheinlich.“ 62 Radtke beanstandet – trotz prinzipieller Akzeptanz der (Gemein-)Gefährlichkeit für § 306 Abs. 1 – ebenfalls die Aufnahme von Kraftfahrzeugen, weil „von einer Gemeinschädlichkeit . . . bei dem Brand eines PKW selbst dann kaum gesprochen werden [könne], wenn man die besondere Bedeutung des Autos als Instrument der Ausübung exzessiver individueller Fortbewegungsfreiheit in unserer Gesellschaft in Rechnung“ 63 stelle. Dies wirft, angesichts der Existenz von ca. 40 Millionen Pkw allein in den deutschen Privathaushalten64 und der aktuellen Serie von Brandanschlägen an Pkw der Ober- und Mittelklasse, speziell in Berlin und Hamburg65, mit Nachdruck die Frage auf, ob das durch die Inbrandsetzung eines Pkw verursachte Gefährdungspotential tatsächlich so niedrig zu veranschlagen ist, wie es die Kritik suggeriert. Die Untersuchung der Pkw-Brandstiftung ist gewissermaßen eine bekannte Grundsatzfrage der (einfachen) Brandstiftung, nämlich inwieweit Brände an kleinen „punktuellen“ Tatobjekten auf Grundlage des gegenwärtigen Kennt-

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Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 80. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 80; ähnlich auch: Krey/Heinrich, BT 1, Rn. 747a. 63 Radtke, Dogmatik, S. 371. 64 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes, Nr. 123 vom 26. März 2009. 65 So gab es in Berlin im Jahr 2010 rund 221 Brandanschläge auf Pkw (PKS Berlin 2010, S. 100), im Jahr 2009 rund 320 (PKS Berlin 2009, S. 18) und 2008 etwa 215 Taten (PKS Berlin 2008, S. 95). Zu den Pkw-Brandstiftungen in Hamburg, Meyer, Kriminalistik 2011, S. 595 ff. 62

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nisstandes berechtigterweise als ein generell gefährlicher Sachverhalt klassifiziert werden können.66 Jedenfalls weist die Einschätzung der Brandforschung eindeutig darauf hin, dass der Brandstiftung an Pkw durchaus die Eignung zuzusprechen ist, die Rechtsgüter Leib, Leben und Eigentum zu gefährden, soweit sich diese im Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle „brennender Pkw“ befinden. Experten warnen ausdrücklich davor, die hierbei bestehenden Gefahren zu unterschätzen.67 Auch wenn die Inbrandsetzung eines Pkw – anders als es zahlreiche Spielfilme nahelegen – (fast) nie in dessen Explosion mündet, so ist wiederum die Bildung toxischer Rauchgase durch die Verbrennung von Treibstoff, Motorölen, Gummireifen und Kunststoffen als wesentlicher Risikofaktor in Betracht zu ziehen. Ein moderner Pkw besteht zudem im Schnitt aus 10–20% Kunststoffen, so dass selbst ein Kleinwagen mit einem Gewicht von 1 t ca. 100–200 kg diverser Kunststoffe enthält.68 Wird in Rechnung gestellt, dass schon die Anzündung von 1 kg Schaumstoff etwa 3.000 m3 schweren Rauchs erzeugt,69 so ist es evident, dass die Inbrandsetzung eines Kleinwagens – allein schon mit Blick auf die darin verbauten Kunststoffmengen – regelmäßig die Bildung erheblicher Mengen giftiger Gase erwarten lässt. Solche Mengen schweren Rauchs produzieren beachtliche Risiken für Rettungskräfte, Passanten oder Bewohner benachbarter Gebäude, die gezwungen sein werden, die Fenster zu schließen, um eine Rauchgasvergiftung abzuwenden. Diese Risiken exponenzieren sich freilich bei Pkw-Bränden in umschlossenen Räumen, wie einer Tiefgarage oder einem Tunnel.70 Zur Vermeidung von Atemvergiftungen sind die an der Löschung von Pkw-Bränden beteiligten Einsatzkräfte deshalb gehalten, generell umgebungsluftunabhängige Atemschutzgeräte (Pressluftatmer) zu verwenden.71 Auch Schutzkleidung mit ausreichendem 66

Zu dieser Fragestellung bei den Tatobjekten des § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III.

4. a). 67 Südmersen/Cimolino/Heck/Heyne/Springer, Technische Hilfeleistung bei PKWUnfällen, S. 277: „Fahrzeugbrände gehören heute zu den Routineeinsätzen der Feuerwehr. Leider werden diese Einsätze nach Meinung der Autoren in ihrer Gefährlichkeit häufig unterschätzt. Eine Vielzahl von Komponenten im Fahrzeug können, nicht zuletzt seit der zunehmenden Präsenz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, bei einem Brand zu einer Gefahr für die Einsatzkräfte werden.“ 68 Braess/Seiffert, Handbuch Kraftfahrzeugtechnik, S. 734 ff.; nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes lag das durchschnittliche Gewicht von neu zugelassenen Pkw im Jahr 2010 bei 1.445 kg. 69 Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 76. 70 Zudem können Sichtbehinderung durch Brandrauch den Straßenverkehr beeinträchtigen und auf diesem Wege wiederum mittelbar Leib, Leben und Eigentum gefährden. 71 Kemper, Atemschutzgeräteträger, S. 61; Südmersen/Cimolino/Heck/Heyne/Springer, Technische Hilfeleistung bei PKW-Unfällen, S. 277: „Wegen der bekannten Gefährlichkeit von Brandrauch . . . insbesondere bei Kunststoffbränden, müssen alle Einsatzkräfte mit Pressluftatmern ausgerüstet sein, sobald sie im (Brandrauch-)Bereich eines brennenden PKWs arbeiten.“

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Flammenschutz ist für die unmittelbar im Bereich eines Unfallfahrzeuges arbeitenden Rettungskräfte obligatorisch, weil jederzeit Kraftstoff auslaufen und sich plötzlich entzünden kann.72 Im Übrigen wird davor gewarnt einen brennenden Pkw aus nächster Nähe zu löschen: „Berstende Reifen, Stoßdämpfer, Gasdruckfedern und platzende Scheiben können zu völlig unnötigen Verletzungen der Einsatzkräfte und zu Beschädigungen der persönlichen Schutzausrüstung führen. Kaum einzuschätzen ist bei Pkw-Bränden der Inhalt des Insassen- und des Kofferraums, der u. a. aus Feuerzeugen, Spraydosen und Campinggas-Behältern bestehen kann. Zunehmend werden auch Fahrzeuge mit Flüssiggas betrieben . . . Ein Kraftfahrzeugbrand ist aus sicherer Entfernung, mit vollständiger persönlicher Schutzausrüstung – inklusive Atemschutzgerät – zu löschen.“ 73

Eine zusätzliche Gefahrenquelle stellen Leichtmetalle wie Magnesium oder Aluminium dar, die im modernen Kraftfahrzeugbau zum Zwecke der Gewichtsreduzierung Verwendung finden. Beim Kontakt von brennendem oder heißem Leichtmetall mit Wasser kommt es zu einer chemischen Reaktion, bei der Wasserstoff (H2) entsteht, der in Verbindung mit Luftsauerstoff verbrennt („Knallgasreaktion“), wodurch Fahrzeugteile explosionsartig herumgeschleudert werden können.74 Zudem liegt es gerade im Fall der Pkw-Brandstiftung nahe, dass neben dem direkt angezündeten Pkw parkende Fahrzeuge durch freigesetzte Wärmeenergie beschädigt werden oder Feuer fangen. Immerhin wurden laut Angaben des LKA Berlin im Jahr 2008 bei 104 (vermutlich) politisch motivierten Brandstiftungen an Pkw weitere 60 Fahrzeuge beschädigt, die neben den angegriffenen Fahrzeugen abgestellt waren.75 Die PKS Berlin 2009 zeigt, dass bei den 145 politisch motivierten Brandstiftungen im Jahre 2009, bei denen 221 Kfz direkt angegriffen wurden, weitere 74 Pkw in Mitleidenschaft gezogen wurden.76 Obwohl beide Zahlen nur Stichproben sind – eine umfassende Statistik der durch Pkw-Brandstiftung verursachten Schäden liegt gegenwärtig nicht vor –, zeigen sie, dass im 72 HK/Weiler, § 306 Rn. 4: „Die Anknüpfung an den maschinellen Antrieb der Kraftfahrzeuge erklärt zumindest im Ansatz die Gemeingefährlichkeit der Tat mit Blick auf die Gefahr von Treibstoffbränden oder -explosionen.“; Südmersen/Cimolino/Heck/ Heyne/Springer, Technische Hilfeleistung bei PKW-Unfällen, S. 277: „Prinzipiell gilt, dass die Schutzkleidung aller im unmittelbaren Bereich des Unfallfahrzeugs arbeitenden Personen ausreichenden Flammschutz bieten muss. Nur dadurch wird z. B. das Sanitätspersonal bei einem plötzlichen Brandausbruch geschützt. Der Sicherungstrupp, der zum Brandschutz eingeteilt ist, muss neben der vollständigen Feuerwehrschutzkleidung inkl. Handschuhen . . . auch Kopfschutzhauben und je nach Gefährdungslage durch auslaufende Kraftstoffe sogar Atemschutz tragen, um bei Bedarf ohne Verzögerung tätig werden zu können.“ 73 De Vries, Brandbekämpfung mit Wasser und Schaum: Technik und Taktik, S. 38. 74 Südmersen/Cimolino/Heck/Heyne/Springer, Technische Hilfeleistung bei PKWUnfällen, S. 112, 277. 75 Vgl. Lagedarstellung der politisch motivierten Kriminalität in Berlin für das Jahr 2008 (LKA 5), S. 30. 76 PKS Berlin 2009, S. 90.

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Mittel bei jedem zweiten bis dritten Brandanschlag ein weiteres Fahrzeug durch die mittelbaren Einwirkungen des Brandes zerstört oder beschädigt wird und dass dies mithin als tattypische Folgewirkung einzustufen ist. Angesichts dessen, ist die Behauptung Lieschings, bei Pkw-Brandstiftungen seien Gefährdungen jenseits des Tatobjekts eher unwahrscheinlich, in der Sache widerlegt.77 Die heterogenen Gefährdungsaspekte einer Pkw-Brandstiftung zeigen, dass es sich hierbei verallgemeinernd um einen gefährlichen Sachverhalt handelt, weshalb die Aufnahme dieser Tatobjekte in § 306 Abs. 1 unter dem Rubrum der Gemeingefährlichkeit durchaus berechtigt ist.78 Ergänzend sei angemerkt, dass die das Gefahrenpotential einer Pkw-Brandstiftung prägenden Aspekte auch auf andere in § 306 Abs. 1 Nr. 4 benannte Tatobjekte übertragen lassen, wie Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge. Diese Transportmittel bestehen ebenfalls aus komplexen funktionalen Verbindungen verschiedener Stoffe wie Metalle, Holz, Kunstund Treibstoffen etc., deren Anzündung analoge Gefährdungsszenarien erwarten lässt.79 (e) Fazit zum sachlichen Gefährdungspotential Die Aufschlüsselung einzelner Bedrohungsaspekte des Tatmittels Feuer verdeutlicht, dass ein Brandgeschehen (typischerweise) eine vielschichtige und ex ante nicht sicher prognostizierbare Gefahrenlage darstellt.80 Die Feuergefährlichkeit manifestiert sich in einem breit gefächerten Gefahrenspektrum, dessen wesentliche Aspekte abschließend nochmals benannt seien: • Die Verselbstständigungstendenz des Tatmittels Feuer im Sinne einer thermisch-chemischen Kettenreaktion, sowie die zeitliche und räumliche Dynamik der Brandentwicklung. 77

Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 80. Aufschlussreich ist in diesem Kontext auch ein Blick in die Schweiz. So hat das Schweizer Bundesgericht die Anzündung eines Pkw am Rande einer Straße auf offenem Feld als Herbeiführung einer „Feuersbrunst“ gem. Art. 221 StGB Schweiz bewertet, weil „der Brand vom Urheber nicht mehr selber bezwungen werden“ [BGE 85 IV, S. 224 (227 f.)] könne und wegen des im Wagen vorhandenen Benzinvorrates Explosionsgefahr bestanden habe. Polizei und Publikum seien gezwungen, sich vom Brandobjekt entfernt zu halten und von jedem Löschungsversuch abzusehen. Unbeschadet der Frage, ob es der Wortlaut tatsächlich erlaubt, einen brennenden Pkw unter das Merkmal der „Feuersbrunst“ zu subsumieren, so deckt sich die durch das Bundesgericht getroffene materielle Gefahrbewertung, einschließlich der Orientierung an der typischerweise bestehenden Handlungsgefährlichkeit mit den hier getroffenen Feststellungen. Zum Begriff der „Feuersbrunst“ und seinen verschiedenen Deutungsmöglichkeiten im partikularen Brandstrafrecht des 19. Jahrhunderts bereits bei § 1 A. II. 1. 79 Ähnlich mit Blick auf die Gefahren des Brandrauchs auch: Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 79 f.; näher zu den Tatobjekten des § 306 Abs. 1 Nr. 4, vgl. § 2 I. 2. c) cc). 80 So verstarben im Jahr 2008 insgesamt 398 Personen aufgrund der Einwirkung von Rauch, Feuer und Flammen, Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 4, 2008, 2.1.1. 78

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• Die vielfältigen Ausbreitungsgefahren, verbunden mit der fehlenden Steuerbarkeit des Tatmittels. • Die Streuwirkung der Gefahrenquelle, verbunden mit der Eignung, simultan und undifferenziert auf die Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum durch Hitze und Rauch schädigend einzuwirken. • Keine Abschwächung des Tatmittels durch Bewirkung von multiplen Schädigungen. Drastisch ausgedrückt brennt ein Gebäude unbeeindruckt davon, ob dieses leer steht oder ob sich darin ein, zwei oder 20 Personen aufhalten. • Die Provokation von selbstschädigendem Verhalten gefährdeter Personen durch Angst und Panik. • Die Herausforderung von mitunter riskanten Brandbekämpfungsmaßnahmen. • Emission schädlicher Umweltwirkungen. Hervorzuhebendes Charakteristikum ist die diffuse Streuwirkung der brandbedingten Schadeffekte, die sich nicht räumlich auf den lokalen Brandherd im engeren Sinn, die Gefahrenquelle, beschränken lassen, sondern darüber hinausreichen und die Eignung in sich tragen, undifferenziert die physisch verkörperten Individualrechtsgüter Leib, Leben und Eigentum zu gefährden.81 Diese eigentümlichen Risiken des Tatmittels bestehen unabhängig von jeglicher Typisierung der Tatobjekte und sind prinzipiell dieselben, einerlei ob es sich um „flächige“ Tatobjekte wie Wälder, Heiden und Moore oder um „punktuelle“ Tatobjekte wie Gebäude, Warenlager, Pkw, etc. handelt. Die moderne Brandforschung beweist, dass selbst kleinere Raumbrände frühzeitig erhebliche Gefährdungspotentiale freisetzen und die betreffende Örtlichkeit binnen Minuten in eine „Todesfalle“ verwandeln können, so dass jede Person mit Tod oder Verletzung zu rechnen hat, die diese ohne Atemschutz und weitere Schutzmittel aufsucht. Außerdem ist in Rechnung zu stellen, dass die Verwirklichung der in § 306 Abs. 1 beschriebenen Situationen eine bis zur Tatbeendigung fortwirkende Provokation für die zuständigen Rettungskräfte darstellt, entsprechende Brandbekämpfungsmaßnahmen einzuleiten. Deshalb ist zunächst die Tatsache festzuhalten, dass das Anzünden der in § 306 Abs. 1 aufgezählten Tatobjekte typischerweise mit einer latenten Gefährlichkeit für Leib und Leben der an der Löschung beteiligten Einsatzkräfte verbunden ist, die zum Zweck der Brandbekämpfung strafbewehrt verpflichtet82 sind, sich „an vorderster Front“ in den Wirkungsbereich der 81 Dies sieht immerhin Piel, die diesen Gedanken aber leider nur für § 306a Abs. 1 fruchtbar macht, Piel, StV 2012, S. 502 (506). 82 Die professionellen Brandbekämpfer – die Angehörigen der Freiwilligen und der Berufsfeuerwehren – machen sich ihrerseits gem. § 323c wegen unterlassener Hilfeleistung, bzw. wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung durch Unterlassen gem. §§ 229, 222, 13 strafbar, sofern sie die gebotenen und zumutbaren Rettungsanstrengungen nicht vornehmen und dadurch Leib oder Leben Dritter verletzt werden, vgl. § 2 III. 2. b) cc).

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Gefahrenquelle zu begeben. Die umfangreichen Schutzmaßnahmen der professionellen Brandbekämpfer (wie z. B. die Pflicht, bei einem „Innenangriff“ einen umgebungsluftunabhängigen Atemschutz und Feuerschutzkleidung zu tragen) illustrieren das real bestehende Risikopotential von Bränden. Ob das Tatobjekt dem dauerhaften oder regelmäßigen Aufenthalt von Menschen dient, spielt zunächst keine Rolle, denn auch bei Bränden in unbewohnten Gebäuden ist die Feuerwehr gehalten – freilich nur im Rahmen der Zumutbarkeit – festzustellen, ob sich nicht wider Erwarten Personen im Einwirkungskreis der Gefahrenquelle befinden, wie z. B. ein Obdachloser, der eine Scheune oder Gartenlaube heimlich zum Aufenthalt nutzt.83 Die verbreitete Annahme, wonach die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 im Gegensatz zu denen des § 306a Abs. 1 keinen Bezug zur abstrakten Lebensgefährlichkeit aufwiesen, greift zu kurz, da – wie Radtke in anderen Zusammenhängen richtig bemerkt – die Risiken für Leib und Leben der Brandbekämpfer unabhängig von der Typisierung der Tatobjekte bestehen.84 Die Berücksichtigung von Rettern wird erneut im Zusammenhang mit der Zurechenbarkeit von Rettergefährdungen gem. § 306a Abs. 2 zu problematisieren sein.85 (2) Zum Wesen der abstrakten brandbedingten Gemeingefährlichkeit Nachdem die vorangegangenen Ausführungen eine sachliche Grundlage für die Bewertung der durch Brände drohenden Risiken geschaffen haben, steht noch die Beurteilung derjenigen Einwände aus, mit denen die „Sachbeschädigungslösung“ die dogmatische Einordnung des § 306 Abs. 1 in die Reihe der gemeingefährlichen Delikte in Frage stellt. Repräsentativ für die Einwände der „Sachbeschädigungslösung“ ist die folgende Stellungnahme Steins: „Ferner sind die Tatobjekte (Anmerkung: jene des § 306) offensichtlich auch nicht danach ausgewählt worden, daß ihr Inbrandsetzen typischerweise gemeingefährlich ist (d.h. daß der Brand sich in unbeherrschbarer Weise auf unbestimmte weitere Objekte ausbreiten könnte). Natürlich kann im Einzelfall eine solche Gemeingefährlichkeit vorliegen, diese resultiert dann aber aus den näheren Umständen, insbesondere dem Ort des Inbrandsetzens (zündet man technische Einrichtungen, Warenvorräte, Fahrzeuge, landwirtschaftliche Erzeugnisse usw. auf freier, nicht brennbarer Fläche und in Abwesenheit anderer Personen an, so kann von einer Gemeingefährlichkeit nicht die Rede sein).“ 86 Die Anforderungen an die Gefährlichkeit mit Blick auf 83

Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 73 ff. Radtke, Dogmatik, S. 325. 85 Vgl. § 2 III. 2. b) cc). 86 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 94; ähnlich Radtke, Dogmatik, S. 375 f.: „Denn wenn es sich um ein abstraktes (gemeingefährliches) Gefährdungsdelikt handeln soll, kann die Gefährdung nicht mit der zur Tatbestandserfüllung notwendigen Eigentumsverletzung zusammenfallen, sondern muß aus einer Gefährlichkeit für weitere Rechtsgutsträger unabhängig von dem unmittelbar inbrandgesetzten Tatobjekt, d.h. einer abstrakten Möglichkeit der Weiterverbreitung des Feuers resultieren (Hervorhebung durch den Verfasser).“ 84

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§ 306 Abs. 1 präzisiert Stein wie folgt: „Worin man auch immer die prinzipielle Berechtigung eines Verbrechenstatbestands der sachbeschädigenden Brandstiftung sehen mag – legitim kann er allenfalls dann sein, wenn er auf besonders schwerwiegende Fälle beschränkt ist und dies wiederum läßt sich erreichen, wenn man sich bei der Interpretation am tatbestandlichen Leitbild des Großbrandes orientiert.“ 87

Werden die Einwände Steins und anderer Autoren zusammengefasst, so kristallisiert sich ein bekanntes Argumentationsmuster:88 • Nur Brände ab einer gewissen quantitativen Dimensionierung („Großfeuer“; „Brand von erheblichem Ausmaß“) bzw. solche mit „Brandausbreitungsgefahr“ 89, d. h. die die Möglichkeit der Entstehung eines Großbrandes in sich tragen, könnten als gemeingefährlich eingestuft werden.90 • Die Gemeingefahr sei nicht ausreichend in den tatbestandlichen Strukturen des § 306 Abs. 1 (im Sinne der Herbeiführung eines konkreten Erfolges) verankert, und deshalb unbeachtliches Motiv.91 Der verbreiteten Auffassung, aus der formalen Einordnung der einfachen Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt seien keine Konsequenzen für die Normauslegung zu ziehen, muss sowohl auf Grundlage der sachlichen Analyse der brandbedingten Risiken als auch vor dem Hintergrund der historischen Evolution der Vorgängernormen (§ 286 preuß. StGB; § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.) mit Nachdruck widersprochen werden. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die brandspezifischen Gefahren mit Blick auf § 306 Abs. 1 nicht allein auf Situationen beschränken lassen, die mit den Begriffen des „Großbrandes“, der „Feuersbrunst“ oder damit verbundenen Kriterien (Ausbreitungsgefahr, Unbeherrschbarkeit des Brandes, etc.) charakterisiert werden können.92 Die simple These einer fixen Korrelation zwischen der quantitativen Dimensionierung des Brandherdes

87 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 95 (Hervorhebung durch den Verfasser); ähnlich: Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 64 f.; Wolff, JR 2002, S. 94 (96): „Mustert man auf dieser Grundlage den Katalog der Tatgegenstände des § 306 Abs. 1 StGB durch, so findet man mit Wäldern, Heiden und Mooren solche, bei denen es auf der Hand liegt, dass eine derartige Gemeingefahr entsteht, wenn sie in Brand gesetzt werden. Dies ist auch in der Vergangenheit nicht in Zweifel gezogen worden. Zweifelhaft wird eine Gemeingefahr als typische Folge einer Brandstiftung schon bei Gebäuden, Hütten, Warenlagern oder Vorräten.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 88 So schon zu § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 2. und zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. vgl. § 1 B. II. 89 Zu diesem Aspekt im E 1828 bei § 1 A. II. 1. 90 Dass die Inbrandsetzung der flächigen Tatobjekte wie Wälder, Heiden und Moore selbst von den Vertretern der „Sachbeschädigungslösung“ als gemeingefährlich klassifiziert wird, passt ins Bild, so etwa Wolff, JR 2002, S. 94 (96); ähnlich auf Grundlage der „Kombinationslösung“ auch Radtke, Dogmatik, S. 381. 91 Sinn, Jura 2001, S. 803 (804). 92 So schon die Sachlage im preuß. StGB 1851, vgl. § 1 A. II. 5. und § 1 A. V.

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und den daraus resultierenden Gefährdungen greift schlicht zu kurz. Nicht die räumliche Beschaffenheit des Brandes, sondern die durch diesen vermittelten schädigenden Effekte, speziell die freigesetzten Brandgase und Wärmeenergie, determinieren die generelle Gefährlichkeit. Daher muss scharf zwischen dem Brandherd als Gefahrenquelle und den hieraus vermittelten Auswirkungen differenziert werden. Vor allem die durch mobile Brandgase geschaffenen Gefahren für Leib und Leben, letztlich der Hauptrisikofaktor für diese Rechtsgüter bei Bränden, werden von der „Sachbeschädigungslösung“ nicht bedacht. Außerdem illustrieren gerade Raumbrände, dass schon im Vorfeld der Vollbrandphase erhebliche rauchgasbedingte Gefährdungen für Leib und Leben entstehen können.93 Außerdem kann ein beherrschbarer Brand binnen kürzester Zeit in einen unbeherrschbaren Brand (Ausbruch der Vollbrandphase) umkippen.94 Die von der „Sachbeschädigungslösung“ postulierten Anforderungen an die brandbedingte Gefährlichkeit in § 306 Abs. 1 sind im Ergebnis überzogen und reduzieren das breitgefächerte, heterogene und multifaktorielle Gefahrenpotential von Bränden willkürlich auf Teilaspekte. Fernerhin dokumentieren auch die Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren zwischen Bundesregierung und Bundesrat, dass sich § 306 Abs. 1 bewusst nicht am Leitbild des Großbrandes orientieren sollte. Ursprünglich hatte § 306 Abs. 2 E 6. StrRG – in Anlehnung an § 320 Abs. 2 E 1962 – auf die konkrete Gefährdung für Leib, Leben oder einer Sache von bedeutendem Wert „durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß“ abstellen wollen.95 Erwähnenswert ist, dass die aus § 320 Abs. 2 E 1962 übernommene „Verursachung eines Feuers von erheblichem Ausmaß“ die zuvor in § 320 Abs. 2 E 1960 enthaltene Verursachung einer „Feuersbrunst“ ersetzen sollte, da die Verfasser des E 1962 diesen Terminus für zu eng hielten.96 Jedoch wandte sich der Bundesrat im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gegen die für § 306 Abs. 2 E 6. StrRG vorgesehene Aufnahme der „Beschädigung durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß“ mit der folgenden aufschlussreichen Begründung: 93 Insofern ist zu konstatieren, dass die umstrittene Aufnahme von punktuellen (und potentiell isolierten) Tatobjekten in § 286 preuß. StGB, wie Gebäuden und Hütten, mit Rücksicht auf die Gefährlichkeit von Raumbränden rückblickend als vollkommen sachgerechte Entscheidung zu billigen ist, vgl. § 1 A. III. 4. a) ee). Die Gefährlichkeit durch Rauchgase konnte bei der Entstehung des partikularrechtlichen Brandstrafrechts aufgrund fehlender Sachkenntnis noch nicht analytisch nachgewiesen und demzufolge nicht dogmatisch berücksichtigt werden. 94 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 152, S. 77 und § 2 I. 1. a) aa) (1). Eine zutreffende Bewertung des brandspezifischen Gefährlichkeitspotentials findet sich jedoch bei Heghmanns, BT, Rn. 928. 95 BT-Drucks. 13/8587, S. 11, 26 f. 96 Zu den damit verbundenen Absichten, vgl. Begründung E 1962, S. 499; Lackner, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289 (292). Zur Bedeutung der Anknüpfung an die „Feuersbrunst“ im 19. Jahrhundert vgl. § 1 A. II. 1.

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„Der aus dem E 1962 übernommene Begriff des ,Feuers von erheblichem Ausmaß‘ wird von der Praxis nachhaltig kritisiert. Namentlich wird darauf hingewiesen, daß das Abstellen auf die Beherrschungsmöglichkeit des Täters (S. 163 f. der Begründung) sowohl im Rahmen des Absatzes 1 als auch des Absatzes 2 ein problematischer Ansatzpunkt ist. Denn es gebe Brände, die zwar vom Täter im Grunde beherrschbar seien, in denen aber gleichwohl die Gefahren für Leib und Leben von Menschen, die die Norm im Auge habe, gegeben seien. Das Abstellen auf das ,Feuer von erheblichem Ausmaß‘ könnte deshalb dazu führen, daß die Brandstiftungsdelikte sogar dann ausschieden, wenn der Täter Brand an Räumlichkeiten legt, in denen sich – wie er weiß – Menschen befinden . . . Hinzuweisen ist schließlich darauf, daß der Maßstab, nach dem die Beherrschungsmöglichkeiten zu beurteilen werden könnten, unklar ist. Zudem handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal, das vom Vorsatz erfaßt sein müsste.“ 97

Die vorgenannte Kritik des Bundesrates verdient insofern Beifall, als selbst (noch) kontrollierbare kleinere Brandherde mitunter sehr gefährlich sein können. Aufgrund dieser Einwände, denen sich schließlich auch die Bundesregierung anschloss, wurde auf das „Feuer von erheblichem Ausmaß“ verzichtet. Auch die Abkehr von der durch den Bundesrat ins Spiel gebrachten Überlegung, auf die Verursachung eines nicht mehr beherrschbaren Brandes (§ 306 E 6. StrRG BR) abzustellen, war sachgerecht, da die schädigenden Effekte eines Brandes ihrerseits allenfalls in einem beschränkten sachlogischen Bedingungszusammenhang zu den Beherrschungsmöglichkeiten des Täters über den Brandherd stehen.98 Stattdessen kehrte man auf Anregung der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zur traditionellen, von § 286 preuß. StGB und § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. übernommenen Kennzeichnung der Gemeingefährlichkeit vermittels Benennung von Tatobjekten und Tathandlung zurück.99 Dies unterstreicht auch die Erweiterung des Tatobjektskatalogs des § 306 Abs. 1 durch das 6. StrRG 1998 und die damit verbundene Aufnahme zahlreicher neuer „punktueller“ Tatobjekte (vgl. Nr. 2, 4, 6), da die Anzündung dieser Objekte nicht typischerweise die Entstehung eines Groß- oder Flächenbrands zur Folge hat. Soweit Stein und Teile des Schrifttums die Gemeingefährlichkeit des § 306 Abs. 1 durch Anlehnung an die Verursachung eines Großfeuers zu bestimmen suchen, wird mit Kriterien operiert, die weder den (tradierten) tatbestandlichen Strukturen immanent sind noch den Intentionen des Reformgesetzgebers entsprechen.

97 Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drucks. 13/8587, S. 69 (Hervorhebung durch den Verfasser). 98 A. A. Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 59 ff. 99 Gegenäußerung der Bundesregierung in BT-Drucks. 13/8587, S. 87: „Die Bundesregierung erachtet die Kritik an dem Vorschlag, den geltenden § 308 Abs. 1 durch einen einheitlichen konkreten Gefährdungstatbestand (§ 306 Abs. 2 E) zu ersetzen, als berechtigt. Dies gilt insbesondere für die Formulierung ,Feuer von erheblichem Ausmaß‘. Gleichzeitig vermag sie kein Merkmal zu erkennen, das in hinreichend bestimmter Weise geeignet wäre, die dem ,Feuer von erheblichem Ausmaß‘ zugedachte Funktion zu erfüllen, eine gemeingefährliche Tathandlung zu bezeichnen.“

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Auch der seit Mitte des 19. Jahrhunderts erhobene Einwand, die einfache Brandstiftung bzw. § 286 preuß. StGB, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. sei deshalb kein gemeingefährliches Delikt, weil die (konkrete) Gemeingefahr nicht als Tatbestandsmerkmal verankert sei, muss als widerlegt gelten.100 Der Verzicht des preuß. StGB 1851 auf die Anknüpfung an die Gemeingefahr als Taterfolg der Brandstiftung leitet seine Berechtigung gerade daraus ab, dass die Feuergefährlichkeit ein buntscheckiges Gefahrenbündel ist, das sich einer griffigen und zugleich erschöpfenden Definition entzieht. Die Versuche der Reduktion der Gemeingefahr/Gemeingefährlichkeit auf einzelne Merkmale, wie etwa in § 39 E 1828, waren, wie rasch erkannt wurde, unbefriedigend.101 Gerade deshalb favorisierte das preuß. StGB 1851 zur Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die abstrakt-fragmentarische Kennzeichnung brandbedingter Gefahrensituationen und entschied sich somit für ein System, das den Rechtsanwender nicht mit der Konkretisierung der generalklauselartigen Gemeingefahr belastete.102 Zudem ist in Erinnerung zu rufen, dass jene Entwürfe zu einem preuß. StGB, die tatbestandlich den Eintritt einer Gemeingefahr (für fremdes Eigentum) forderten, diesen Erfolg (präziser: die Gefährlichkeit der Tat) schon mit der Anzündung solcher Tatobjekte als eingetreten ansahen, von denen die Vermittlung einer Brandübertragung über das Handlungsobjekt hinaus bzw. eine erhebliche Brandausdehnung an demselben zu befürchten war.103 Aus dem Verzicht auf die tatbestandliche Anknüpfung an die Gemeingefahr, auf deren Bedeutungslosigkeit für die Auslegung des § 306 Abs. 1 zu schließen, hieße daher, die genuine Intention des deutschen Brandstrafrechts zu verkennen, fragmentarisch nur typischerweise gemeingefährliche Handlungen zu pönalisieren.104 Abschließend ist der Negation der Gemeingefährlichkeit der einfachen Brandstiftung – dem tragenden Eckpfeiler der „Sachbeschädigungslösung“ – in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht scharf zu widersprechen, denn die komplexe Gefährdungsdynamik des Tatmittels Feuer bestätigt die systematische Einordnung des § 306 Abs. 1 als gemeingefährliches Delikt, die der Reformgesetzgeber

100 A. A. Wolff, JR 2002, S. 94 ff.; LK/Wolff, § 306 Rn. 1: „Keine der Vorschriften enthält die Gemeingefährlichkeit als Tatbestandsmerkmal.“; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 68 ff.; zweifelnd auch Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 956: „Dass der Gesichtspunkt der Gemeingefährlichkeit durch die ,modernisierte‘ Kasuistik von Tatobjekten konkretisiert werde . . ., lässt sich schwerlich begründen.“; dagegen zu § 286 preuß. StGB, vgl. § 1 A. III. 5. und § 1 A. V., sowie zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. unter § 1 B. II. 101 Vgl. § 1 A. II. 1. 102 Ähnlich auch Radtke, Dogmatik, S. 97 ff. Zu den Problemen bei der Konkretisierung der Auslegung der Tatbestandsmerkmale der „Feuersbrunst“ bzw. einer „Gemeingefahr“ in Art. 221 StGB Schweiz und § 169 StGB Österreich, Rex, Der Strafgrund der Brandstiftung, S. 42 ff., 68 ff. 103 Vgl. § 1 A. II. 2., § 1 A. II. 3. und § 1 A. II. 4. 104 Zu diesem Anliegen des preuß. StGB 1851 bereits bei § 1 A. V.

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– trotz der zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. massiv geäußerten Kritik, die systematische Stellung sei verfehlt – beibehielt.105 Zudem bleibt zu bemerken: Würden die Kriterien, mit denen die Gemeingefährlichkeit der einfachen Brandstiftung in Frage gestellt wird, konsequent auch auf die schwere Brandstiftung gem. § 306a übertragen, deren Gemeingefährlichkeit durchweg akzeptiert wird, dann dürfte auch diese Norm eigentlich nicht als gemeingefährliche Brandstiftung klassifiziert werden. Hier ist die Tatbestandsverwirklichung ebenfalls nicht zwangsläufig mit der Entstehung eines (drohenden) Großbrandes oder dem Eintritt einer konkreten Gemeingefahr verbunden.106 Auch dies ist übrigens – argumentum a maiore ad minus – ein weiterer Beleg dafür, dass dem Brandstrafrecht im Allgemeinen und § 306 Abs. 1 im Besonderen nicht das Leitbild der „Feuersbrunst“ bzw. des „Großbrandes“ zugrunde liegt.107 bb) Legitimation der Rechtsfolgen im Lichte der „Sachbeschädigungslösung“ Die Legitimation des scharfen Strafrahmens der einfachen Brandstiftung, der Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht, ist auf Grundlage der „Sachbeschädigungslösung“ höchst problematisch.108 Bedenken ergeben sich insbesondere aus der Strafrahmendivergenz zwischen § 306 Abs. 1 und den „echten“ Sachbeschädigungsdelikten. So ist der Strafrahmen der als Vergehenstatbestand ausgestalteten einfachen Sachbeschädigung gem. § 303 und der Sachbeschädigungsqualifikation der Zerstörung von Bauwerken nach § 305 mit einer Höchststrafe von zwei bzw. fünf Jahren Freiheitsstrafe und einer Mindeststrafe von fünf Tagessätzen (§ 40) signifikant niedriger, obwohl aus der Perspektive der „Sachbeschädigungslösung“ eine mit § 306 Abs. 1 identische Schutzrichtung besteht. Diese Unwucht auf Rechtsfolgenseite weist erkennbar darauf hin, dass sich das in § 306 Abs. 1 beschriebene Unrecht von dem der §§ 303, 305 qualitativ unterscheiden muss. Die Befürworter der „Sachbeschädigungslösung“ sind freilich bemüht, diese Unrechtssteigerung entweder mit Hinweis auf die herausgehobene Gefährlichkeit der Tathandlung des „Inbrandsetzens“ oder mit Verweis auf die Auswahl der Tatobjekte zu rechtfertigen. Inwieweit diese Überlegungen zielführend sind, wird im Folgenden zu überprüfen sein.

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Vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 25 f. und § 1 B. II. 2. Hierzu bei § 2 II. 1. 107 Die vorgenannte Konsequenz zog allein Binding, der die Brandstiftungsdelikte fast durchweg nicht als gemeingefährliche Delikte einordnen wollte, sondern diese als Sachbeschädigungsdelikte auswies, vgl. § 1 B. II. 1. mwN. 108 Kritisch: Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 92; Radtke, Dogmatik, S. 373 f.; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 3 ff.; Rengier, BT II, § 40 Rn. 3; Krey/Heinrich, BT 1, Rn. 747a; so bereits zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band 2, S. 613 f. 106

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(1) Rechtfertigung des Strafrahmens durch gesteigerte Einwirkungsintensität der Tathandlung des Inbrandsetzens? Liesching und Wolters – beide sind dem Lager der „Sachbeschädigungslösung“ zuzuordnen – stützen den verschärften Strafrahmen des § 306 auf die Überlegung, dass der Einwirkungsgrad der Tathandlung des „Inbrandsetzens“ auf das Tatobjekt regelmäßig denjenigen der (tatmitteloffenen) völligen oder teilweisen Zerstörung nach §§ 303, 305 übertreffe.109 Der unmittelbare Wirkungseffekt der Tathandlung bei §§ 303, 305 erschöpfe sich typischerweise in der Einwirkung auf das Tatobjekt, so dass eine weitergehende Eignung, dasselbe komplett zu zerstören, nicht zu befürchten sei.110 Demgegenüber drohe im Falle der Inbrandsetzung regelmäßig die denkbar intensivste Form der Einwirkung, nämlich die vollständige Zerstörung des Tatobjekts.111 Wolters formuliert dies so, dass „die bei der Brandstiftung unternommene Tathandlung – im Vergleich zum Normalfall der Sachbeschädigung – für das Individualrechtsgut Eigentum eben signifikant gefährlicher ist“ 112. Daher hafte diesem Delikt ein unrechtserhöhendes Element der gesteigerten Individualgefahr an. Zwar ist beiden Autoren darin beizupflichten, dass das Tatmittel Feuer eine erhebliche Gefährlichkeit aufweist, weswegen der Schlussfolgerung, es drohe regelmäßig die vollständige Vernichtung des Tatobjekts, durchaus zuzustimmen ist.113 Doch gerade angesichts der Unberechenbarkeit der diffusen Streuwirkung des Tatmittels ist der Versuch nicht überzeugend, die vom Brandherd vermittelten Gefährdungen auf der Ebene des Schutzzwecks allein auf das Tatobjekt selbst zu begrenzen, da prinzipiell alle im Einwirkungsbereich des Brandherds (d.h. auch außerhalb des Tatobjekts!) befindlichen Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum bedroht sind. Insofern stützt sich die These der „gesteigerten Einwirkungsintensität“ auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Beschneidung des brandbedingten Gefährdungspotentials auf das unmittelbar angegriffene Tatobjekt. Weitere Zweifel ergeben sich daraus, dass die Tathandlung des Inbrandsetzens nach herrschender Ansicht bereits dann vollendet ist, wenn (wesentliche) Bestandteile des Tatobjekts derart vom Feuer ergriffen sind, dass diese selbstständig, d. h. ohne Fortwirken des Zündstoffs, weiterbrennen.114 Setzt der Täter aber die einzige Holzsäule innerhalb eines komplett aus Stahlbeton errichteten Gebäu-

109 SSW/Wolters, § 306 Rn. 1; SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 1; ähnlich auch Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 74; LK/Wolff, § 306 Rn. 3: „. . . eine durch die besondere Tathandlung herausgehobene Sachbeschädigung . . .“ 110 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 73 ff. 111 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 74. 112 SSW/Wolters, § 306 Rn. 1. 113 Vgl. § 2 I. 1. a) aa). 114 Eingehend zur Tathandlung des Inbrandsetzens bei § 2 I. 2. a).

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des in Brand, so ist die Tat – trotz vorliegend fehlender Eignung zur Gesamtzerstörung – vollendet, sofern die Holzsäule einen wesentlichen Bestandteil des Tatobjekts darstellt. Wäre jedoch die drohende (Gesamt-)Zerstörung des Tatobjekts tatsächlich der entscheidende Unterschied zwischen § 306 Abs. 1 und §§ 303, 305, dann müsste – wird der Gedanke Wolters konsequent fortgedacht – die Tatbestandsvollendung teleologisch ausgeschlossen werden, soweit der Tathandlung objektiv die Eignung zur Gesamtzerstörung des Tatobjekts fehlt. Und spätestens im Fall der völligen Zerstörung des Tatobjekts durch dessen Inbrandsetzung kann nicht mehr schlüssig erklärt werden, worin der Unterschied zwischen der Zerstörung einer fremden Gartenlaube gem. § 305, beispielsweise mittels einer Planierraupe, und dem Abbrennen derselben bis auf die Grundmauer gem. § 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 1 gefunden werden soll. Die Tatobjektsverletzung hat dann jede weitere denkbare Gefährdung vollständig aufgezehrt. Die These von der gesteigerten Einwirkungsintensität versucht die mit nahezu jeder Rechtsgutsverletzung verbundene latent drohende Schadensintensivierung, zu einem selbstständigen Unrechtselement zu erheben, um damit den Strafrahmen des § 306 Abs. 1 zu rechtfertigen, was in dieser Form eine fragwürdige „Doppelverwertung“ des Angriffs auf das Eigentum am Tatobjekt unter Verletzungs- und Gefährdungsgesichtspunkten darstellt. Letzten Endes steht die These der „gesteigerten Einwirkungsintensität“ in einem strukturellen Widerspruch zum Ausgangspunkt der „Sachbeschädigungslösung“, die die einfache Brandstiftung dem Wesen nach als Eigentumsverletzungsdelikt begreift. Denn wird die drohende (Gesamt-)Zerstörung des Tatobjekts als entscheidender Unterschied gegenüber den §§ 303, 305 begriffen, so läuft dies auf die Erhebung der tattypischen Gefährlichkeit als unrechtskonstitutives Element des § 306 Abs. 1 hinaus. An diesem Punkt zeigt sich ein beachtlicher Dissens zwischen Wolters und Liesching. Während Wolters, trotz der Einordnung des § 306 als Spezialfall der Sachbeschädigung, immerhin offen einräumt, dass die Norm im Hinlick auf den Eintritt erheblicher Eigentumsverletzungen (auch) abstraktes Gefährdungsdelikt sei,115 verweigert sich Liesching diesem Eingeständnis, obgleich auch er die Inbrandsetzung als typischerweise gefährliches Verhalten klassifiziert.116 Dass Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ im Ergebnis doch auf den Gefährdungsgedanken zurückgreifen, um das im erhöhten Strafrahmen des § 306 115

SSW/Wolters, § 306 Rn. 1, 11. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 81: „Daß es sich beim Inbrandsetzen eines Tatobjekts nach § 306 I um typischerweise gefährliches Verhalten handelt, wurde bereits festgestellt.“; ders., S. 84: „Trotz einiger Anhaltspunkte, die auf den ersten Blick dafür sprechen, die einfache Brandstiftung als ,höchst‘ abstraktes Gefährdungsdelikt zu begreifen, muß es letztlich bei der Einordnung des § 306 als qualifizierter Fall der Sachbeschädigung und damit als ,bloßes‘ Verletzungsdelikt bleiben.“ 116

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Abs. 1 verkörperte Unrecht zu deuten, erweist sich als (unfreiwilliges) Eingeständnis, dass eine allein an der konkreten Eigentumsverletzung am Tatobjekt orientierte Normdeutung dessen Rechtsfolgenseite nicht zu rechtfertigen vermag. Aus dem Blickwinkel der „Sachbeschädigungslösung“ bleibt zudem weiterhin ungeklärt, warum sich § 306 Abs. 1 als das Delikt mit dem schärferen Sanktionsrahmen beim Inbrandsetzen mit einem früheren Vollendungszeitpunkt und einem niedrigeren Einwirkungsgrad auf das Tatobjekt begnügt, während § 305 als Delikt mit dem niedrigeren Strafrahmen umgekehrt einen viel höhreren Einwirkungsgrad auf das Tatobjekt fordert, nämlich dessen völlige oder teilweise Zerstörung.117 Zwar könnte prima facie die neu eingefügte Tathandlung der völligen oder teilweisen Zerstörung durch Brandlegung als Indiz für die strukturelle Verwandtschaft des § 306 Abs. 1 mit § 305 Abs. 1 verstanden werden, ist doch der Erfolg bei beiden Delikten – ausweislich der Gesetzesbegründung – der gleiche.118 Doch selbst von Seiten der „Sachbeschädigungslösung“ wird dieser Schluss – völlig zu Recht – nicht gezogen, denn die Gesetzesmaterialien belegen in aller Deutlichkeit, dass der neuen Tathandlungsalternative eine ergänzende Funktion zukommen sollte, um brandbedingte Schadwirkungen jenseits des überkommenen Inbrandsetzens zu erfassen, wie z. B. die vorzeitige Explosion des Zündstoffs oder die Verrußung des Tatobjekts.119 Im Übrigen wurde die neue Tathandlung auch in § 306a aufgenommen, was nochmals verdeutlicht, dass ihre Einfügung nicht auf der Absicht beruhte, hiermit § 306 Abs. 1 den Charakter eines Sachbeschädigungsdelikts beizumessen.120 (2) Rechtfertigung des Strafrahmens durch Auswahl wertvoller Tatobjekte? Gelegentlich wird das in der Strafrahmendivergenz gegenüber §§ 303, 305 zum Ausdruck kommende erhöhte Unrecht auf die Auswahl der in § 306 Abs. 1 Nr. 1–6 genannten Tatobjekte gestützt, denn diese seien von volkswirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Bedeutung121 bzw. besäßen einen erheblichen Wert122 und 117

Radtke, Dogmatik, S. 373 f. MüKo-StGB/Wieck-Noodt, § 305a Rn. 21; dies., § 305 Rn. 14; Fischer, § 305 Rn. 5, § 306 Rn. 14; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 10; näher zur Tathandlung der Zerstörung durch Brandlegung bei § 2 I. 2. b). 119 BT-Drucks.13/8587, S. 88; 13/9064, S. 22; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 86 ff. 120 So zutreffend: SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 12. 121 So aber zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. der Bundesgerichtshof in BGHSt 6, 107 (108). 122 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 16: „Maßgebend für die gegenüber der Sachbeschädigung strengere Strafandrohung ist zum einen die Bedeutung der Tatobjekte, zum anderen die Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung.“; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 II Rn. 11: „Die Vorschrift schützt bestimmte fremde Sachen und Anlagen mit einem erhöhten wirtschaftlichen Wert.“ 118

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zudem sei die Tatbegehung typischerweise mit hohen Schäden verbunden.123 Zunächst ist festzustellen, dass sich das Erfordernis eines erheblichen Wertes der Tatobjekte weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte der Vorgängernormen ableiten lässt.124 Der Wortlaut erfasst sowohl wirtschaftlich wertvolle als auch wertlose Tatobjekte. Daher räumen andere Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ mit Recht ein, dass im Rahmen des § 306 Abs. 1 ein einheitliches leitendes Prinzip bei der Auswahl der Tatobjekte – insbesondere unter Wertgesichtspunkten – nicht erkennbar sei.125 Zwar wird seit der Extension des Tatobjektskatalogs durch das 6. StrRG 1998 von einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung gefordert, den Anwendungsbereich durch Beschränkung auf Tatobjekte von erheblichem Wert restriktiv zu begrenzen, doch dass es sich dabei um ein untaugliches Kriterium handelt, wird noch an anderer Stelle darzulegen sein.126 Die Sanktionsdrohung des § 306 Abs. 1 wird auch nicht durch die bisweilen zur Vorgängernorm § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. von der Rechtsprechung vertretene These gerechtfertigt, wonach die hier benannten Tatobjekte solche mit einer besonderen Bedeutung für die Allgemeinheit seien.127 Dagegen spricht der unmittelbare Vergleich mit § 305a (Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel), der sowohl das Eigentum an den Tatobjekten aber auch das öffentliche Interesse an der Versorgung mit Leistungen der in § 316b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 genannten Betriebe schützt.128 Denn § 305a Abs. 1 Nr. 1 setzt nicht nur die völlige oder teilweise Zerstörung eines fremden technischen Arbeitsmittels voraus, sondern verlangt kumulativ sowohl dessen bedeutenden Wert als auch dessen wesentliche Bedeutung für die Errichtung einer Anlage oder eines Unternehmens im Sinne des § 316b Abs. 1 Nr. 1 oder 2.129 Trotzdem ist die Strafrahmenobergrenze des § 305a, die bei fünf Jahren Freiheitsstrafe liegt, deutlich unter der des § 306 123 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 74 mit Verweis auf Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 86 Fn. 86. 124 Zu § 286 preuß. StGB, vgl. § 1 A. III. 4. a) aa), und zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., vgl. § 1 B. II. 125 LK/Wolff, § 306 Rn. 21; eingehend ders., in: FS Rüping, S. 29 (31 ff., 47 f.); Fischer, § 306 Rn. 2: „Eine geschlossene Systematisierung der Schutzgegenstände ist kaum möglich; die Reform verbindet in willkürlich anmutender Weise historisch bedingte Gesichtspunkte der Gemeingefahr mit solchen des volkswirtschaftlichen und des Eigentumsschutzes.“ 126 Dazu bei § 2 I. 1. b) dd) und § 2 I. 2. c) dd) (1). 127 BGHSt 6, 107 (108), a. A. Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 93 f.: „Im übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, worin beispielsweise generell oder auch nur typischerweise das besondere öffentliche Interesse bei land- und ernährungswirtschaftlichen Erzeugnissen in Zeiten der Nahrungsmittel-Überproduktion bestehen soll; ähnliches gilt jedenfalls für einen Teil der übrigen Tatobjekte.“ 128 Fischer, § 305a Rn. 2. 129 NK-StGB/Zaczyk, § 305a Rn. 1: „In ihr (Anmerkung: § 305a) mit enthalten ist vielmehr der Gedanke der Gemeinschädlichkeit der beschriebenen Handlungen.“

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Abs. 1 angesiedelt, so dass die Strafrahmendivergenz zwischen beiden Normen selbst dann nicht erklärbar wäre, falls in § 306 Abs. 1 kumulativ ein erheblicher Wert und eine (wie auch immer bestimmte) Bedeutung des Tatobjekts für die Allgemeinheit gefordert würde.130 Zudem bliebe, sollte auf die besondere Bedeutung der Tatobjekte für die Allgemeinheit rekurriert werden, ungeklärt, warum die Verletzung des öffentlichen Interesses nur bei einer gleichzeitigen Eigentumsverletzung strafbar wäre.131 (3) Fazit zur Rechtfertigung des Strafrahmens Aus der Perspektive der „Sachbeschädigungslösung“ können weder Tathandlung noch Tatobjektskatalog plausibel die Sanktionsspanne des § 306 im Vergleich zu den §§ 303, 305, 305a legitimieren. Deutlich geworden ist die – von der Kernprämisse der „Sachbeschädigungslösung“ abweichende – Tendenz, die Strafandrohung auch auf das Gefährlichkeitspotential der Tat zu stützen, wenngleich in einer nachhaltig beschnittenen Form. Entweder die Gefährlichkeit wird allein auf das Eigentum am Tatobjekt begrenzt – so Wolters im Rahmen der These von der gesteigerten Einwirkungsintensität – oder die Gefährlichkeit wird trotz ihrer Akzeptanz für die dogmatische Normbewertung für unbeachtlich gehalten – so Liesching. Doch beide Standpunkte überzeugen nicht, da sie die tattypische Gefährlichkeit von Bränden im Rahmen der Normauslegung nicht angemessen berücksichtigen. cc) Folgewirkungen der „Sachbeschädigungslösung“ Anliegen des nachfolgenden Abschnitts ist die Untersuchung der Folgewirkungen der „Sachbeschädigungslösung“, denn zahlreiche Normen des Brandstrafrechts wie §§ 306b Abs. 1, 306c, 306d Abs. 1, 306e Abs. 1 verweisen auf § 306. Hieran wird sich zeigen, ob die „Sachbeschädigungslösung“ der systematischen Einbettung des § 306 Abs. 1 in das Brandstrafrecht gerecht wird. (1) Die Problematik der fahrlässigen und der erfolgsqualifizierten Sachbeschädigung Unmittelbare Folge der Einordnung des § 306 Abs. 1 als Sachbeschädigungsdelikt ist die Entstehung von dogmatischen Konstrukten, die im StGB bislang einzigartig sind. Im Falle des Verweises der Erfolgsqualifikationen der besonders schweren Brandstiftung gem. § 306b Abs. 1 und der Brandstiftung mit Todesfolge gem. § 306c auf § 306 Abs. 1 entsteht die fragwürdige Figur einer körperverletzungs- (§§ 306, 306b Abs. 1) bzw. todeserfolgsqualifizierten Sachbeschädi130 131

Ähnlich Radtke, Dogmatik, S. 374. So zu Recht Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 93 f.

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gung (§§ 306, 306c).132 Zwar ist einzuräumen, dass weder die Existenz einer fahrlässigen bzw. einer körperverletzungs- oder todeserfolgsqualifizierten Sachbeschädigung per se zwingend die Konzeption der „Sachbeschädigungslösung“ zu § 306 Abs. 1 in Frage stellt. Doch befremdlich ist, dass die Strafbarkeit der Verletzung der höherrangigen Rechtsgüter Leib und Leben demnach (soweit nur § 306 Abs. 1 und nicht § 306a einschlägig ist) von der Verletzung des niederrangigen Rechtsguts Eigentum abhängt, allzumal die §§ 303, 305 ihrerseits keine todes- oder körperverletzungserfolgsqualifizierten Abwandlungen kennen. Eine weitere Fragwürdigkeit ergibt sich daraus, dass die „Sachbeschädigungslösung“ § 306d Abs. 1, Var. 1 als fahrlässige Brandsachbeschädigung einordnen muss, obwohl die Sachbeschädigung gem. §§ 303, 305 nur vorsätzlich verwirklicht werden kann.133 Auch dies führt vor dem Hintergrund der Einordnung des § 306d Abs. 1, Var. 1 als Brandsachbeschädigung zu dem prekären Ergebnis, dass die fahrlässige Inbrandsetzung eines fremden Pkw nach § 306d Abs. 1, Var. 1 mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren deutlich härter bestraft werden kann, als dessen vorsätzliche Zerstörung, die gem. § 303 Abs. 1 maximal mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren sanktioniert werden kann. Unbeschadet der rechtlichen Klassifikation des § 306d Abs. 1, Var. 1 ist diese Regelung insofern hoch problematisch, als es durch die Kombination des umfassenden Tatobjektskatalogs des § 306 Abs. 1 mit der fahrlässigen Begehungsweise zur weitgefächerten und kriminalpolitisch fragwürdigen Erfassung von Alltagsfällen kommt.134 So verweist z. B. Heine auf die Problematik eines Monteurs, der bei Schweißarbeiten fahrlässig einen (fremden) Pkw in Brand setzt und sich dadurch wegen fahrlässiger Brandstiftung gem. § 306d Abs. 1, Var. 1 (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre!) strafbar macht.135 Hätte der Monteur jedoch den Pkw (fahrlässig) auf andere Art und Weise beschädigt, z. B. durch eine unsachgemäße Handhabung der Hebebühne, dann wäre er hierfür strafrechtlich nicht haftbar zu machen, sondern allenfalls schadensersatzpflichtig. 132 Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 1; SK-StGB/Wolters, § 306c Rn. 2; kritisch: Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 3, 46 f.; Kudlich, NStZ 2003, S. 458 (459): „Dabei wird mit einem gewissen Befremden konstatiert, dass § 306c i. V. mit § 306 StGB eine ,todeserfolgsqualifizierte Sachbeschädigung‘ enthält.“; Murmann, Jura 2001, S. 258 (262 Fn. 42). 133 LK/Wolff, § 306d Rn. 6 Fn. 6: „Der Charakter als Sachbeschädigungsdelikt wird durch den Wechsel vom Vorsatz- zum Fahrlässigkeitsdelikt nicht in Frage gestellt.“; Sch/Sch/Heine, § 306d Rn. 3; Knauth, Jura 2005, S. 230 (233): „. . . fahrlässige sachbeschädigende Brandstiftung an fremden Sachen.“ 134 Sch/Sch/Heine, § 306d Rn. 1: „§ 306d gehört zu den besonders missglückten Vorschriften des 6. StrRG.“ 135 Beispiel nach Geppert, Jura 1998, S. 597 (604); kritisch auch: Sch/Sch/Heine, § 306d Rn. 1; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 118; zu weiteren Unstimmigkeiten der Vorschriften: Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 30 f.; zu § 306d siehe auch § 2 III. 2. d).

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Selbiges gilt auch für andere Konstellationen, wie etwa einen fahrlässig verursachten Verkehrsunfall, bei dem ein fremder Pkw in Brand gerät, oder wenn der Leasingnehmer eines (für ihn eigentumsrechtlich fremden) Pkw fahrlässig vergisst, Motoröl nachzufüllen und dadurch das Fahrzeug zu brennen beginnt. In beiden Fällen bestehen an der Verwirklichung des § 306d Abs. 1, Var. 1 aus der Perspektive der „Sachbeschädigunglösung“ jedenfalls keine Zweifel. (2) Tätige Reue bei einem Verletzungsdelikt? Der persönliche Strafaufhebungs- bzw. Strafmilderungsgrund der tätigen Reue gem. § 306e Abs. 1 erlaubt es dem Gericht, in den Fällen der §§ 306, 306a, 306b von Strafe abzusehen, bzw. diese nach Ermessen zu mildern, wenn der Täter freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist. In den Fällen der fahrlässigen Brandstiftung nach § 306d ist gem. § 306e Abs. 2 sogar zwingend von Strafe abzusehen, wenn der Täter den Brand freiwillig löscht, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist. Die tätige Reue, die erstmals in § 310 StGB a. F. 1871136 Eingang in das Brandstrafrecht fand, wurde durch das 6. StrRG 1998 umfassend modifiziert.137 Bei der Bestimmung des erheblichen Schadens geht die herrschende Auffassung davon aus, dass jeweils auf den Schutzzweck der zugrundeliegenden Brandstiftungsnorm abzustellen sei, weshalb es bei § 306 Abs. 1 auf Grundlage der „Sachbeschädigungslösung“ allein auf die Erheblichkeit des Schadens am Tatobjekt ankomme.138 Dessen Konkretisierung ist nach wie vor umstritten, insbesondere ob ein Fixwert anzulegen139 oder auf die Relation zwischen dem eingetretenen und dem vom Täter verhinderten Schaden abzustellen ist.140 Unabhängig von der Bestimmung der Erheblichkeit des Schadens gibt der Verweis der tätigen Reue auf § 306 Abs. 1 erneut Anlass, die Konzeption der „Sachbeschädigungslösung“ zu hinterfragen. Diese Problematik verdeutlicht sich, soweit der Regelungszweck der tätigen Reue als persönlicher Strafaufhebungsgrund im Kontrast zur Einordnung des § 306 Abs. 1 als Brandsachbeschädigung betrachtet wird.141 Verallgemeinernd handelt es sich bei der tätigen Reue um eine Sonderregelung, die für den Täter Vergünstigungen in Form von Strafbefreiung oder Strafmilderung vorsieht, wenn er nach formeller Tatbestandsverwirklichung bestimmte außertatbestandliche Schadensfolgen, deren Verhinderung materiell Anliegen der zugrundeliegenden Norm ist, abwendet oder abmildert. Die 136

Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 49 f. Dazu LK/Wolff, § 306e Rn. 1; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 119. 138 Fischer, § 306e Rn. 3; SSW/Wolters, § 306e Rn. 10; NK-StGB/Herzog, § 306e Rn. 4; kritisch: LK/Wolff, § 306e Rn. 12 ff.; MüKo-StGB/Radtke, § 306e Rn. 14. 139 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 59; Lackner/Kühl, § 306e Rn. 2. 140 Geppert, Jura 1998, S. 597 (605); Rengier, JuS 1998, S. 397 (401); Sch/Sch/ Heine, § 306e Rn. 8. 141 Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 138 ff. 137

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Berechtigung des Instituts der tätigen Reue ergibt sich daraus, dass zahlreiche Tatbestände, speziell Gefährdungs- (vgl. §§ 84, 99, 129, 129b, 142, 153, 154, 239b, 306, 308) und Unternehmensdelikte (vgl. §§ 81, 82, 307, 309) bzw. Vorfeldtatbestände (vgl. §§ 83, 149, 310), aus verschiedenen Gründen den Vollendungszeitpunkt zeitlich weit vor den Eintritt einer materiellen Rechtsgutsverletzung vorverlagert haben, so dass für die Anwendung der allgemeinen Rücktrittsregelungen gem. § 24 kein bzw. nur ein sehr „schmaler“ Spielraum verbleibt.142 Infolgedessen ist die tätige Reue als Kompensation für das Auseinanderfallen von formeller Tatbestandsverwirklichung und materiellrechtlicher Rechtsgutsverletzung zu verstehen, weshalb die Abwendung bzw. Abmilderung der materiellen Rechtsgutsbeeinträchtigung typische Voraussetzung dieses Strafaufhebungsgrundes ist (vgl. §§ 83a, 84 Abs. 5, 85 Abs. 3, 87 Abs. 3, 98 Abs. 2, 142 Abs. 4, 158, 239a Abs. 4, 239b Abs. 2, 264 Abs. 5, 306e, 314a).143 Dementsprechend existieren im StGB keine Vorschriften über eine tätige Reue bei klassischen Verletzungsdelikten, wie den Sachbeschädigungs-, Körperverletzungs- oder Tötungsdelikten, denn hier ist mit Vollendung das normspezifische Unrecht irreversibel verwirklicht. Vor diesem Hintergrund konfligiert der Standpunkt der „Sachbeschädigungslösung“ mit dem Rechtsgedanken der tätigen Reue, soweit § 306 Abs. 1 als Brandsachbeschädigung gedeutet wird. Mit Tatvollendung – der Inbrandsetzung bzw. der völligen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung – ist die materielle Rechtsgutsverletzung bewirkt, so dass für die tätige Reue eigentlich kein Raum mehr verbleiben dürfte, sofern es sich bei § 306 Abs. 1 „nur“ um eine Sachbeschädigung handelt. Der Verweis der tätigen Reue auf die einfache Brandstiftung ergibt lediglich dann einen Sinn, wenn das materielle Unrecht im Zeitpunkt der Tatvollendung eben regelmäßig noch nicht vollständig realisiert wurde. Infolgedessen indiziert die Bezugnahme des § 306e Abs. 1 auf § 306 Abs. 1, dass nicht die Eigentumsverletzung des Tatobjekts, sondern vielmehr die Verhinderung der Realisierung weitergehender Gefährdungen von Leben, Leib und Eigentum das eigentliche Motiv der einfachen Brandstiftung darstellt.144 142 Blöcker, Tätige Reue, S. 41 f.; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 54; SSW/Wolters, § 306e Rn. 2. 143 Blöcker, Tätige Reue, S. 133, 146 ff.; 85: „Tätige Reue kann somit als ein in speziellen Regelungen umschriebenes, freiwilliges und aktives Eintreten des Täters zur Verhinderung der (materiellen) Vollendung seiner Tat beschrieben werden. Ziel muß die Abwendung bestimmter außertatbestandlicher Schadensfolgen in den Fällen sein, in denen der Zeitpunkt der formellen Deliktsvollendung vor den Zeitpunkt des Eintritts dieser Folgen vorverlagert sind.“; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 119: „§ 310 a. F. bzw. § 306e n. F. sollen Härten vermeiden, die dadurch entstehen, daß sich die Tat bei materieller Betrachtung dann häufig noch weit im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung befindet.“ 144 Dies räumt auf der Grundlage der These der gesteigerten Einwirkungsintensität des Inbrandsetzens [vgl. § 2 I. 1. a) bb) (1)] letztlich auch Wolters ein, der die Berechtigung der tätigen Reue für § 306 so erklären möchte, dass hierdurch die Verhinderung

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(3) Zum Verhältnis des § 306 zu § 306a Die materielle Ausklammerung aus der Reihe der gemeingefährlichen Delikte auf Grundlage der „Sachbeschädigungslösung“ spiegelt sich auch in der Beurteilung des dogmatischen Verhältnisses zwischen § 306 und der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 wider, die unisono als gemeingefährliches Delikt anerkannt ist.145 Im Schrifttum wird stereotyp darauf verwiesen, dass weder § 306a Abs. 1 noch Abs. 2 – entgegen dem durch die gesetzliche Systematik nahegelegten Verständnis – formal eine Qualifikation des § 306 Abs. 1 darstellen, weil die dafür notwendige Voraussetzung, die unveränderte Wiederkehr der Merkmale des Grundtatbestandes (§ 306 Abs. 1) bei der Qualifikation (§ 306a), nicht gegeben seien.146 Zwar seien die Tathandlungen nicht aber die Tatobjektskataloge kongruent.147 Während § 306a Abs. 1 nämlich einerseits enger als § 306 Abs. 1 gefasst ist, weil dessen Tatobjekte einer speziellen Nutzung dienen müssen, ist § 306a Abs. 1 andererseits zugleich weiter gefasst, weil er keinen eigentumsrechtlichen Beschränkungen unterworfen ist. Ähnliches trifft auf die schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 2 zu, deren Tatobjektskatalog zwar an den des § 306 Abs. 1 anknüpft, ohne jedoch der eigentumsrechtlichen Beschränkungen auf „fremde“ Tatobjekte unterworfen zu sein. Liesching hat sich dezidiert mit dem Verhältnis zwischen § 306 Abs. 1 und § 306a auseinandergesetzt und gelangt auf Grundlage der „Sachbeschädigungslösung“ zu dem allein folgerichtigen Ergebnis, dass beide Absätze des § 306a gegenüber § 306 Abs. 1 als delicta sui generis einzuordnen seien.148 Kennzeichnend für ein delictum sui generis ist, dass zwei Tatbestände einerseits unterschiedliche Rechtsgüter schützen, andererseits aber eine gewisse Verwandtschaft in Form gemeinsamer Tatbestandsmerkmale aufweisen, wie z. B. der einen au-

einer „. . . weitergehenden Verletzung für den das geschützte Rechtsgut verkörpernden Gegenstand . . .“ (SK-StGB/Wolters, § 306e Rn. 2) beabsichtigt sei. 145 Vgl. § 2 II. 1. mwN. 146 Roxin, AT I, § 10 Rn. 133. 147 Rengier, BT II, § 40 Rn. 1: „Keinesfalls bildet § 306 den Grundtatbestand zu § 306a“; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 1: „Grunddelikt gemeingefährlicher Brandstiftung ist wie bisher die schwere Brandstiftung . . . § 306a I ist wie bisher keine Qualifikation des § 306, sondern der eigentliche Grundtatbestand.“; LK/Wolff, § 306 Rn. 3: „Auch wenn der Gesetzgeber die Bestimmung, wie die Überschriften von § 306 und §§ 306a und 306b zeigen, als allgemeinen Grundtatbestand der Brandstiftungsdelikte angelegt hat, ist sie dies deshalb in Wirklichkeit nicht.“; SSW/Wolters, § 306 Rn. 1: „Die Vorschrift . . . ist mithin ein Spezialfall der Sachbeschädigung und nicht als Grundtatbestand der folgenden Brandstiftungsdelikte der §§ 306a bis 306c anzusehen.“; Fischer, § 306 Rn. 1; a. A. der Bundesgerichtshof, der in der Entscheidung NJW 2001, S. 765 f. ausdrücklich § 306 als Grundtatbestand zu § 306a Abs. 1 bezeichnet hat; zum Verhältnis beider Normen bei § 2 II. 2. c) und § 2 IV. 1. a). 148 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 37 f., 51 f., 60; Roxin, AT I, § 10 Rn. 136.

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tonomen Unwertgehalt verkörpernde Raub gem. § 249 im Verhältnis zu den §§ 242, 240, aus deren Tatbestandsmerkmalen er sich zusammensetzt.149 Die Voraussetzung für die Einordnung als delicta sui generis – die andersgeartete Schutzrichtung – sieht Liesching auch im Verhältnis zwischen § 306 und § 306a gegeben, weil die einfache Brandstiftung entsprechend der Deutung als Brandsachbeschädigung allein dem konkreten Eigentumsschutz und die schwere Brandstiftung gem. § 306a in Abs. 1 dem abstrakten Lebensschutz, bzw. in Abs. 2 dem konkreten Gesundheitsschutz diene. Zwar kennzeichne die genannten Tatbestände eine gewisse Verwandtschaft, die in der identischen Tathandlung, den teilweise identischen Tatobjekten und der systematischen Stellung zum Ausdruck komme. Dennoch müsse – und diesen Standpunkt teilen viele Autoren – zwischen § 306 und § 306a Abs. 1 Tateinheit angenommen werden, um den autonomen Unwertgehalt der Delikte im Tenor zum Ausdruck zu bringen.150 (4) Konkurrenzverhältnis zwischen § 306 Abs. 1 und § 303 Auf Basis der „Sachbeschädigungslösung“ wird § 306 Abs. 1 ganz überwiegend (und insoweit konsequent) als lex specialis zu § 303 gedeutet, so dass die einfache Brandstiftung im Wege der Spezialität vorgehe.151 Uneinig sind sich jedoch die Verteter der „Sachbeschädigungslösung“ hinsichtlich der Frage, ob vorsätzliche Eigentumsverletzungen jenseits des Tatobjeks aus Klarstellungsgründen tateinheitlich mit § 306 zusammentreffen oder durch diesen konsumiert werden. Von der Einordnung des § 306 Abs. 1 als Brandsachbeschädigung ausgehend, erscheint allein die Annahme von Tateinheit konsequent, da dann durch eine Handlung verschiedene Eigentumsrechte tangiert werden.152 Bisweilen wird 149 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 37 ff., 51; Roxin, AT I, § 10 Rn. 135: „Von den Qualifizierungen und Privilegierungen zu unterscheiden sind auch die sog. eigenständigen Delikte, die zwar sämtliche Merkmale eines anderen Deliktes in sich enthalten, aber nicht erschwerte oder gemilderte Fälle dieses anderen Delikts, sondern selbstständige Tatbestände mit eigenem Unrechtstyp sind.“; LK/Vogel, § 249 Rn. 1. 150 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 60 ff.; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 24; LK/Wolff, § 306a Rn. 39; SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 21; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 II Rn. 12 f.; ebenso, wenngleich auf Basis der „Kombinationslösung“: Kreß, JR 2001, S. 315 (318); a. A. Gesetzeskonkurrenz: Lackner/Kühl, § 306 Rn. 6; Fischer, § 306 Rn. 25; unklar NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 37: „Außerdem kann sie mit dem § 306a Abs. 1 tateinheitlich zusammentreffen, da sie sich gegen verschiedene Rechtsgüter richten, wird aber wohl in der Regel verdrängt werden . . .“ 151 LK/Wolff, § 306 Rn. 52; Sch/Sch/Heine § 306 Rn. 24; SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 21; Lackner/Kühl, § 306 Rn. 6; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 11 ff.; nur für den Fall, dass § 306 im Versuchsstadium steckengeblieben ist, hierdurch aber bereits eine vollendete Sachbeschädigung am Tatobjekt gem. § 303 Abs. 1 eingetreten ist, wird herrschend von Tateinheit aus Klarstellungsgründen ausgegangen. 152 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 24; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 37; Fischer, § 306 Rn. 24; LK/Wolff, § 306 Rn. 52.

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jedoch auch auf Grundlage der „Sachbeschädigungslösung“ die Auffassung vertreten, dass weitere Sachbeschädigungen durch § 306 konsumiert würden. Die Zerstörung oder Beschädigung weiteren fremden Sacheigentums sei, so Wolters, eine „typische Begleitfolge“ 153 des § 306 Abs. 1, was bedeutet, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des § 306 Abs. 1 den des § 303 Abs. 1 auch hinsichtlich anderer Eigentumsrechte jenseits des Tatobjekts mitumfassen soll.154 Dies beinhaltet aber zugleich das Eingeständnis, dass weitergehende Sachgefährdungen und Verletzungen jenseits des Tatobjekts typische Tatfolgen sind, weshalb es dann nicht einleuchten mag, warum dieser Aspekt bei der Normauslegung nicht angemessen berücksichtigt wird und Wolters § 306 weiterhin nur als Spezialfall der Sachbeschädigung klassifiziert. (5) Fazit Problematische Folgewirkung der „Sachbeschädigungslösung“ ist die Spaltung des Brandstrafrechts in gemeingefährliche und nicht gemeingefährliche Brandstiftungsdelikte, obwohl Systematik und Entstehungsgeschichte auf die teleologische Verbundenheit der §§ 306 ff. hinweisen. Die schon für das Brandstrafrecht im Zeitraum von 1851 bis 1998 festgestellte „Konkretisierungstendenz“ hat sich durch die Bezugnahmen anderer Normen auf die einfache Brandstiftung im Wege des 6. StrRG 1998 noch weiter vertieft, so dass die Folgewirkungen der „Sachbeschädigungslösung“ nun weit über § 306 Abs. 1 hinausreichen. Die gehäufte Anzahl dogmatischer Atypizitäten, verwiesen sei hier auf die fahrlässige Sachbeschädigung (306d Abs. 1, Var. 1), die todes- bzw. körperverletzungserfolgsqualifizierte Sachbeschädigung (§§ 306b Abs. 1, 306c) oder die Möglichkeit der tätigen Reue gem. § 306e Abs. 1 bei einem Verletzungsdelikt, erhärten die Zweifel an der Stimmigkeit der „Sachbeschädigungslösung“. dd) Abschließende Bewertung der „Sachbeschädigungslösung“ Die eingehende Analyse der „Sachbeschädigungslösung“ hat ihre Schwäche offenbart, die Normstrukturen des § 306 mit Blick auf Unrecht und Deliktstypus einer überzeugenden Beurteilung zuzuführen. Fundamentales Dilemma ist die grundsätzliche Leugnung des real existierenden – wenngleich höchst heterogenen – Gefährlichkeitspotentials der Tat für die Normauslegung, wodurch die „Sachbeschädigungslösung“ die der einfachen Brandstiftung zugewiesene Funktion verkennt, gemeingefährliche – oder schlicht: erfahrungsgemäß als besonders gefährlich bewertete – Situationen durch Anknüpfung an die Handlungsgefährlichkeit und losgelöst vom Eintritt konkreter Individual- oder Gemeingefahr zu kenn153 154

SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 21; SSW/Wolters, § 306 Rn. 22. LK/Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 144.

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zeichnen. Die Negation der Gefährlichkeit beruht, wie aufgezeigt, auf einer unvollkommenen Erfassung des typischerweise bestehenden Gefahrenpotentials. Inkonsequent ist der Umgang mit der Gefährlichkeit insoweit, als bisweilen selbst die Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ eine typische Eigentumsgefährlichkeit der Tatbegehung anerkennen und dennoch – unter Leugnung der dogmatischen Relevanz der Gefährlichkeit – auf der Einordnung als Sachbeschädigungsdelikt beharren.155 Dieser ambivalente Standpunkt beinhaltet das konkludente Eingeständnis, dass die Fixierung auf die Eigentumsverletzung des Tatobjekts, immerhin das Kernelement der „Sachbeschädigungslösung“, nicht das vollständige Unrecht des § 306 Abs. 1 zu erfassen vermag. Mithin nötigen die Normstrukturen zur Anerkennung des Gedankens der (Gemein-)Gefährlichkeit. Dass im Ergebnis die vorsätzliche Verursachung eines umfangreichen Wald- oder Gebäudebrandes nach § 306 Abs. 1, der den massiven Einsatz von Rettungskräften erfordert, in dieselbe strafrechtliche Kategorie fallen soll, wie die vorsätzliche Zerstörung eines Fahrrads gem. § 303 Abs. 1 durch Zerlegung in dessen Einzelteile, ist schwer vermittelbar.156 Zudem steht die „Sachbeschädigungslösung“ grundlegenden Deutungsfragen, wie den Motiven für die Auswahl der Tatobjekte, hilflos gegenüber. Auch ist der von Kritikern erhobene Vorwurf, die „Sachbeschädigungslösung“ vermöge es nicht, die Rechtsfolgenseite des § 306 Abs. 1 mit dem verfassungsrechtlichen Gebot einer unrechts- und schuldangemessenen Strafe in Einklang zu bringen, nicht von der Hand zu weisen.157 Fernwirkung der Verkennung des Gefährdungsgedankens ist die erosionsartige Auflösung des systematischen Zusammenhangs zwischen § 306 und § 306a, sowie die Entfremdung der einfachen Brandstiftung von jenen Vorstellungen, die die Entstehung der strukturanalogen Vorgängernorm § 286 preuß. StGB prägten.158 Aus der Perspektive der „Sachbeschädigungslö155 Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (32): „. . . kann eine typischerweise im Brandfall eintretende Gemeingefahr bei der Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale keine Rolle spielen.“ 156 Wie groß das Risiko einer Brandstiftung an flächigen Tatobjekten wie Wäldern, Heiden oder Mooren (Nr. 5) ist, beweisen nicht zuletzt die mit bedrückender Regelmäßigkeit auftretenden Waldbrände in Südeuropa, Nordamerika und Australien, die auf Seiten der Retter zahlreiche Tote und Verletzte fordern. 157 Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (857); ders., Dogmatik, S. 373 f., 381 f.; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 95. 158 Ein Umstand, der in der Diskussion um die „Sachbeschädigungslösung“ übersehen wurde, ist die Streichung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. durch das 6. StrRG 1998. Denn die historische Untersuchung hat aufgezeigt, dass sich die von der Rechtsprechung initiierte „Sachbeschädigungslösung“ zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F./§ 286 preuß. StGB traditionell auf den systematischen Zusammenhang zwischen der unmittelbaren (= einfachen) und der mittelbaren Brandstiftung stützte. Die mittelbare Brandstiftung gem. §§ 286, 287 preuß. StGB/§ 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. wurde unter Hinweis auf die tatbestandlich geforderte abstrakte Brandübertragungsgefahr fast durchgehend als gemeingefährliches Delikt gedeutet. Die tatbestandliche Verkörperung der Gefahr zeige im Umkehrschluss – so die Argumentation

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sung“ bewirkt § 306 letztlich eine sinnlose Verdopplung des Eigentumsschutzes am Tatobjekt gegenüber §§ 303, 305. Auch die angebotene Deutung des § 306 als atypischer Spezialfall einer Sachbeschädigung ist vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen Verletzungsund abstrakten sowie konkreten Gefährdungsdelikten nebulös und wirft das Bedürfnis nach inhaltlicher Präzisierung des „Atypischen“ auf. Dies ist der „Sachbeschädigungslösung“ bislang nicht überzeugend gelungen.159 Das „Atypische“ bleibt vage und vieles spricht dafür,160 dass sich dahinter nichts anderes als das oftmals geleugnete Gefährlichkeitsmoment verbirgt. Dass die „Sachbeschädigungslösung“ trotz der aufgezeigten Einwände auch gegenwärtig im Schrifttum noch auf eine positive Resonanz trifft, beruht – wie schon bei § 286 preuß. StGB, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. gezeigt161 – darauf, dass sie scheinbar eine plausible Erklärung für die Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte und die damit im Zusammenhang stehende Einwilligungsproblematik bietet, der Sicht folgend, im „fremden“ Tatobjekt manifestiere sich das geschützte Eigentum.162 Die Akzeptanz der „Sachbeschädigungslösung“ hat daher sicherlich vom Unvermögen gefährdungsorientierter Deutungsmodelle profitiert, die eigentumsrechtliche Beschränkung des Tatobjektskatalogs in Einklang mit dem Gefährdungsgedanken zu bringen.163 Aus der dargelegten Kritik an der „Sachbeschädigungslösung“ erwachsen zugleich die Anforderungen an jede Konzeption, die dogmatisch auf der Ebene des Schutzzwecks das Gefährdungsmoment zu berücksichtigten sucht, nämlich eine der „Sachbeschädigungslösung“ –, dass es auf das Gefahrmoment im Rahmen der unmittelbaren Brandstiftung nicht ankommen könne [vgl. § 1 A. III. 4. d) aa), § 1 B. III. 3. c) und § 1 B. III. 3. d)]. Mit Streichung der weitgehend missverstandenen mittelbaren Brandstiftung nach § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. fällt dieser Umkehrschluss vollends in sich zusammen, zumal er ohnehin jeder sachlichen Überzeugungskraft entbehrte, weil die Bedrohung eines Tatobjekts durch eine abstrakte (!) Brandübertragung als gemeingefährlich eingestuft wurde, nicht aber die direkte Inbrandsatzung der in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. genannten Tatobjekte. 159 Kritisch auch: Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 4. 160 Vgl. § 2 I. 1. b) dd). 161 Zu § 286 preuß. StGB bei § 1 A. III. 2. und § 1 A. III. 5. sowie zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. bei § 1 B. II. 3. 162 Jedoch wird im weiteren Verlauf noch zu zeigen sein, dass der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs eine – bislang von der hM verkannte – Funktion zukommt, dazu noch bei § 2 I. 1. c) cc). 163 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1: „Vor allem wird nicht erklärt, weshalb eine Gemeingefahr nur bei gleichzeitiger Verletzung fremden Eigentums strafbar sein soll.“; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 78, 84 f.; Rengier, BT II, § 40 Rn. 4; Geppert, Jura 1998, S. 597 (601); Kreß, JR 2001, S. 315 (319); LK/Wolff, § 306 Rn. 22: „. . . weil das mit den Tatobjekten des § 306 Abs. 1 verbundene Merkmal fremd zeigt, dass der Gesichtspunkt der Gemeingefahr für die Auswahl der Tatobjekte keine wesentliche Rolle gespielt haben kann; denn diese hängt nicht von der Eigentumslage ab.“; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 2 ff.

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plausible Begründung für die eigentumsrechtliche Restriktion des § 306 Abs. 1 zu finden. Ob und ggf. wie das Spannungsverhältnis zwischen der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs und dem Gefährdungsgedanken aufgelöst werden kann, wird noch eingehend zu thematisieren sein.164 b) Die „Kombinationslösung“ Zeitgleich mit dem 6. StrRG 1998 hat Radtke die stagnierende Debatte um die dogmatische Bewertung der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 mit einem neuen Deutungsmodell, der sog. „Kombinationstheorie“ oder „Kombinationslösung“, wiederbelebt, die eine Synthese aus Elementen der herrschenden „Sachbeschädigungs-“ und der vergessenen „Gefährdungslösung“ darstellt. Das Unrecht der einfachen Brandstiftung interpretiert Radtke als Kombination aus konkreter Eigentumsverletzung am Tatobjekt – insoweit trage die Norm den Charakter eines Sachbeschädigungsdelikts – und aus mit der Tatverwirklichung verbundener genereller Gemeingefährlichkeit für Eigentum, Leben und Gesundheit, weshalb die Norm diesbezüglich abstraktes Gefährdungsdelikt sei.165 Das so definierte Unrecht – inhaltlich klar zu unterscheiden von Goldtammers166 Kombinationslösung – reflektiert sich in der Klassifikation des § 306 Abs. 1 als janusköpfiges Kombinationsdelikt, partiell sowohl Eigentumsverletzungsdelikt, bei dem der Angriff auf das Handlungsobjekt und das geschützte Rechtsgut Eigentum zusammenfallen, als auch partiell abstraktes Gefährdungsdelikt, das zugleich die mit der Tatbestandsverwirklichung verknüpfte abstrakte Gefährlichkeit für Leib, Leben und Eigentum jenseits des Tatobjekts zu erfassen suche.167 Die „Kombinationslösung“ ist in Teilen des Schrifttums auf Zustimmung gestoßen und möglicherweise auch vom Bundesgerichtshof rezipiert worden.168 So 164

Vgl. § 2 I. 1. c) cc). Radtke, Dogmatik, S. 378 f.; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 8 ff.; ders., ZStW 110 (1998), S. 848 (856 f., 860 f.). 166 Dazu unter § 1 A. III. 3. 167 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 8 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 371 ff. 168 BGH, NJW 2001, S. 765 f.; Kreß, JR 2001, S. 315 ff.; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1; Duttge, Jura 2006, S. 15 (16): „. . . eine (eigentümliche) Kombination aus Gemeingefährlichkeits- und Eigentumsdelikt . . .“; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 7: „Nach all dem stehen die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums zu Recht auf dem Standpunkt, dass § 306 StGB auch die Verhinderung einer abstrakten Gemeingefahr bezweckt.“; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 8: „Die Bedrohung der Sachbeschädigung in § 306 I mit gegenüber §§ 303, 305 deutlich strengerer (Verbrechens-)Strafe lässt sich mit der Verletzung fremden Eigentums an wichtigen Tatobjekten allein nicht erklären, sondern nur mit der Brandstiftungen generell innewohnenden Gefährlichkeit für Leben und Gesundheit unbestimmter Einzelner, mit der Folge einer Betroffenheit der Allgemeinheit.“; dieselb., BT, § 37 Rn. 16: „Maßgebend für die gegenüber der Sachbeschädigung strengere Strafandrohung ist zum einen die Bedeutung der Tatobjekte, zum anderen die Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung.“; Gössel/Dölling, BT 1, § 41 Rn. 3. 165

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führt der Bundesgerichtshof in der Entscheidung NJW 2001, S. 765 aus, dass „der Grundtatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht etwa ausschließlich als ,qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt‘ zu charakterisieren“ 169 sei, sondern ihm vielmehr auch „ein Element der Gemeingefährlichkeit“ 170 anhafte, was durch die systematische Stellung bei den gemeingefährlichen Straftaten bestätigt werde. Obwohl die Äußerungen des Bundesgerichtshofs von Teilen des Schrifttums als Bekenntnis zur „Kombinationslösung“ verstanden werden,171 ist anzumerken, dass der erste Senat weitgehend wortwörtlich die Äußerungen der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen hat.172 Eine ausdrückliche Anerkennung der Figur des Kombinationsdelikts, dem entscheidenden Baustein der „Kombinationslösung“, enthält der Beschluss indes nicht. Inwieweit die Gesetzesmaterialien tatsächlich als Plädoyer für die „Kombinationslösung“ zu verstehen sind, wird an anderer Stelle eingehend zu untersuchen sein.173 Nachfolgend werden die Strukturelemente der „Kombinationslösung“, so wie sie von Radtke initiiert wurde, näher zu beleuchten sein. Von besonderem Interesse ist dabei sein Verständnis der abstrakten Gemeingefährlichkeit, einschließlich der These, § 306 weise eine zweifache Schutzrichtung auf. Daneben wird die Verletzungs- und Gefährdungsdelikt verbindende Figur des „Kombinationsdeliktes“ einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und abschließend die systematischen Folgewirkungen der „Kombinationslösung“ zu beurteilen sein. aa) Erneut: Zur Gemeingefährlichkeit der einfachen Brandstiftung Radtke hat – in Übereinstimmung mit den hier gefundenen Ergebnissen174 – dargelegt, dass die abstrakt-generelle Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer, mit Rücksicht auf dessen ex ante unkalkulierbaren Wirkungen, die Grundlage der systematischen Einordnung der einfachen Brandstiftung in die Reihe der gemeingefährlichen Delikte bildet.175 Es ist ein nicht zu leugnendes Verdienst Radtkes, diesen die Normstrukturen prägenden Gedanken innerhalb der Diskussion um § 306 Abs. 1 wiederbelebt zu haben. Insoweit folgerichtig weist Radtke den gegen die Einordnung der einfachen Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt erhobenen Einwand, die Gemeingefährlichkeit bzw. Gemeingefahr sei nicht hinreichend in den tatbestandlichen Strukturen verankert, treffend zurück. Die Ge-

169 170 171

BGH, NJW 2001, S. 765. BGH, NJW 2001, S. 765. Kreß, JR 2001, S. 315 f.; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1; Duttge, Jura 2006, S. 15

(16). 172 173 174 175

BT-Drucks. 13/8587, S. 87. Vgl. § 2 I. 1. b) bb). Zum Gefahrenpotential von Bränden, vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1). MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 6 ff.; ders., Dogmatik, S. 376 ff.; 428 ff.

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meingefährlichkeit sei – im Anschluss an das preuß. StGB 1851 – durch den Angriff vermittels Feuer auf exklusiv benannte Tatobjekte in § 306 Abs. 1 konkretisiert und bewusst vom Eintritt konkreter Individual- oder Gemeingefahr abstrahiert worden.176 Sachgerecht ist desgleichen seine aus den Eigenheiten der Naturgewalt Feuer abgeleitete Einschätzung, wonach sich die tattypische Gefährlichkeit des § 306 Abs. 1 nicht allein auf fremdes Eigentum beschränken lasse, sondern undifferenziert Eigentum, Leib und Leben erfasse.177 Obgleich Radtkes Bewertung der Gemeingefährlichkeit hinsichtlich der zuvor genannten Punkte zuzustimmen ist, begegnet seine Definition derselben Bedenken. Die Gemeingefährlichkeit zeichnet sich seiner Auffassung nach dadurch aus, dass spezielle Handlungen nach der Lebenserfahrung in einer bestimmten Anzahl von Fällen eine Gefahr der Verletzung für eine ex ante unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger produzieren.178 Zwar fordert Radtke nicht, dass diese Handlungen jeweils konkret die Gefahr der Verletzung für eine ex ante unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger verursachen. Vielmehr stellt er nur auf die 176 Radtke, Dogmatik, S. 150 ff., 374 ff., 380: „Überwindbar ist auch der Einwand, Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 sei nicht auch abstraktes Gefährdungsdelikt, weil ein Moment genereller (Gemein-)Gefährlichkeit für die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum wie es sich den Strukturen von § 306 a Abs. 1 entnehmen läßt, fehlt. Richtig ist, daß die Möglichkeit einer Ausdehnung des Feuers über das intentional angegriffene Tatobjekt hinaus und damit eine mögliche Verletzung von weiteren bzw. anderen Rechtsgütern als Eigentum am Handlungsobjekt höchst abstrakt ist.“; MüKo-StGB/ Radtke, Vor §§ 306 ff. Rn. 2 f.; ders., § 306 Rn. 10; ders., Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 8 ff.; zustimmend: Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 5 f.; zum preuß. StGB 1851, vgl. § 1 A. II. 5. und § 1 A. III. 5. 177 Radtke, Dogmatik, S. 376, 378 f.; ders., Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 10 f.; vgl. auch § 2 I. 1. a) aa) und § 2 I. 1. c) aa) und bb). 178 Radtke, Dogmatik, S. 150 ff., 156, 372 f.; MüKo-StGB/Radtke, Vor §§ 306 ff. Rn. 3; ähnlich: Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 19; kritisch gegenüber Radtke aber Fischer, GA 2001, S. 499 (501): „In der umstrittenen Frage, ob der Begriff der ,Gemeingefahr‘ die Gefährdung einer unbestimmten Vielzahl von Rechtsgutsträgern voraussetzt oder ob schon die Gefahr für einen individuell unbestimmten Rechtsgutsträger ausreichend ist, liegt nach Ansicht Radtkes eine fehlerhafte Verkürzung: Nach seiner Auffassung liegt ,generelle Gemeingefahr‘ in keinem der beiden Fälle, sondern nur dann vor, wenn kumulativ (156) ,die Gefahr der Verletzung einer unbestimmten Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger eintreten kann‘ (150, 153, 155 u. öfter). Das erschließt sich mir nicht: Es gibt einerseits Gefahren für eine bestimmte Anzahl von Rechtsgutsinhabern – diese können entweder individuell bestimmt (Beispiel: Vergiftung des Essens für drei Menschen) oder individuell unbestimmt sein (Beispiel: Ansägen des Kabels einer jeweils mit 10 zufällig einsteigenden Personen besetzten Seilbahn) –; andererseits Gefahren für eine unbestimmte Anzahl von Rechtsgutsinhabern (Beispiel: Bombe in einem Kaufhaus), deren Individualität notwendig unbestimmt ist. Eine unbestimmte Vielzahl individuell konkretisierter Personen gibt es nicht; Daher hat die von Radtke als Spezifikum genereller Gemeingefährlichkeit eingeführte Kategorie einer ,unbestimmten Vielzahl unkonkretisierter Rechtsgutsträger‘ keinen weiterführenden Sinn.“; kritisch zum Kriterium der Unbestimmtheit im Rahmen der gemeinen Gefahr nach § 323c auch MüKo-StGB/Freund, § 323c Rn. 70.

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typischerweise bestehende Eignung der Handlung ab, eine entsprechende Sachlage zu bewirken.179 Dennoch ist zweifelhaft, ob das Merkmal der Verletzung einer ex ante unbestimmten Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger tatsächlich das konstitutive Wesensmoment der Gemeingefährlichkeit verkörpert, wie das folgende Beispiel verdeutlicht. Beispielsfall 1: T und O überqueren in einem kleinen offenen Segelboot (ohne Kabine) den Bodensee. Einen Kilometer vor der Küste setzt T, während O einen Mittagsschlaf hält, das dem O gehörende Boot in Brand. T, ein guter Schwimmer, rettet sich an Land, während der Nichtschwimmer O im Schlaf von den Flammen überrascht wird und verstirbt, noch bevor das Boot nach einem kurzen, aber heftigen Brand sinkt. Den Tod des O nahm T wissentlich in Kauf. Eine Gefährdung Außenstehender hat auszuscheiden, weil das Boot durch Brand schneller vernichtet wurde, als Hilfe hätte herbeieilen können, wie T zutreffend erkannte.

Hier hat T – neben §§ 211, 212, 303 Abs. 1 – unzweifelhaft auch §§ 306 Abs. 1 Nr. 4, Var. 4, 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, Alt. 1, 306c verwirklicht. Dass der Täter nicht eine (ex ante) unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger gefährdet, sondern nur die Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum einer einzigen Person verletzt hat, stellt die herausgehobene Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer im konkreten Fall nicht ernsthaft in Frage. Genau jene Kriterien, die nach Auffassung Radtkes abstrakt die Gemeingefährlichkeit der Tat konstituieren, liegen konkret nicht vor, und dennoch ist nicht zweifelhaft, dass sich das brandspezifische Schädigungspotential – die Gefahr der massiven Beeinträchtigung der im Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle befindlichen Rechtsgüter – realisiert hat. Die ex ante bestehende Unbestimmbarkeit des Kreises der gefährdeten Rechtsgüter ist letztlich ein rein prognostisches Problem und sollte nur als symptomatische Begleiterscheinung der Eröffnung brandbedingter Gefahrenquellen, nicht aber als deren konstituierendes Element, bewertet werden. Leib, Leben und Eigentum werden durch die Verursachung von Bränden regelmäßig in erheblichem Ausmaß gefährdet und zwar unbeschadet der ex ante fehlenden oder vorhandenen Bestimmbarkeit des Kreises der gefährdeten Rechtsgüter, weshalb das Kriterium der Unbestimmtheit nicht per definitionem verabsolutiert werden sollte. Zudem ist in Erinnerung zu rufen, dass zunächst beabsichtigt war, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. durch § 306 Abs. 2 E 6. StrRG, § 306 Abs. 2 E 6. StrRG BR zu ersetzen, die beide die konkrete Gefährdung von Leben, Leib oder fremden Eigentum von bedeutendem Wert ausreichen ließen und keinen tatbestandlichen Bezug zu den Kriterien der Unbestimmtheit bzw. einer Vielzahl der ge179 Radtke, Dogmatik, S. 156: „Generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung abstrahiert aber gerade von der einzelnen Tathandlung und stellt auf die Gefährlichkeit des Tathandlungstypus ab.“

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fährdeten Rechtsgüter aufwiesen. Ganz in diesem Sinne haben zahlreiche weitere Reformvorschläge des 20. Jahrhunderts anstelle oder neben der Inbrandsetzung gewisser Tatobjekte die vorsätzliche brandbedigte Verursachung einer konkreten Gefährdung eines einzelnen Individualrechtsguts als ausreichend eingestuft (vgl. § 189 Abs. 1 VE 1909; § 258 Abs. 2 E 1913; § 320 Abs. 2 E 1960; § 320 Abs. 2 E 1962). Die Bezugnahme Radtkes auf die Unbestimmtheit einer Vielzahl gefährdeter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger für die Bestimmung der Gemeingefährlichkeit ist vermutlich der Anlehnung an die Definition der konkreten Gemeingefahr geschuldet. Diese wird etwa bei §§ 323c, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 verbreitet als Zustand beschrieben, bei dem für eine (unbestimmte) Mehrzahl von Menschen die konkrete Gefahr des Todes, eines erheblichen Körperschadens oder einer Schädigung bedeutender Sachwerte besteht.180 Die Reduktion der abstrakten brandbedingten Gemeingefährlichkeit auf die typischerweise bestehende Möglichkeit oder Eignung, den Eintritt einer konkreten Gemeingefahr im vorbezeichneten Sinn zu bewirken, greift zu kurz. Das Konzept der abstrakten Gemeingefährlichkeit, für die sich das preuß. StGB nach langem Ringen durchgehend entschied, sollte nämlich gerade der Erfassung von Situationen unterhalb der Schwelle der konkreten Gemeingefahr, damals verstanden als Brand mit drohender unbestimmter Ausbreitung, dienen.181 Daher ist auch die Einschätzung Radtkes fragwürdig, wonach der Versuch der Konkretisierung der Gemeingefährlichkeit der Tat dem historischen Gesetzgeber in § 286 preuß. StGB nur bei Bergwerken, Bau- und Brennmaterialien, Früchten auf dem Felde, Waldungen und Torfmooren, sowie bei (feuerempfänglichen) Warenvorräten und Vorräten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen gelungen sei, da aufgrund der Beschaffenheit dieser Tatobjekte typischerweise die Möglichkeit einer unkontrollierbaren Brandausdehnung drohe.182 Denn der Versuch, in § 38 E 1828 die (unbestimmte) Brandausdehnungswahrscheinlichkeit tatbestandlich zum kennzeichnenden Merkmal der Gemeingefahr zu erheben,183 wurde bereits mit dem E 1830 gezielt aufgegeben, da die drohende unbestimmte Brandausdehnung ihrerseits nur einen Teilaspekt des umfassenden Gefahrenbündels von Bränden ausmacht.184 Insofern trägt Radtkes Definition der Gemeingefährlichkeit weder ihrer historischen Entwicklung noch dem vielschichtigen Gefahrenpotenial von Bränden mit der gebotenen Präzision Rechnung.

180

NK-StGB/Wohlers, § 323c Rn. 8; Fischer, § 243 Rn. 21. Dazu bereits bei § 1 A. II. 5., § 1 A. III. 5 und § 1 A. V. 182 Radtke, Dogmatik, S. 156 f., 381. 183 Motive E 1828, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 2, S. 442 f. 184 Vgl. § 1 A. II. 1. und § 1 A. II. 2. 181

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bb) Zur problematischen These der zweifachen Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte Fragwürdig erscheint des Weiteren Radtkes These, wonach §§ 306, 306a aufgrund der Einordnung als gemeingefährliche Delikte neben der individualistischen Ausprägung des Schutzzwecks auch eine überindividuelle Schutzrichtung kollektivistischen Einschlags und somit eine „zweifache Schutzrichtung“ zukomme. Die Besonderheit der gemeingefährlichen Delikte liegt nach Radtke darin begründet, Rechtsgüter in Situationen gegen deliktische Angriffe zu schützen, die für die Wahrnehmung und Ausgestaltung der Güter von individueller und gesellschaftlicher Bedeutung sind.185 Beispielhaft verweist Radtke auf die Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1. Gleichwohl das „Wohnen“ kein tauglicher Schutzgegenstand sei, schütze § 306a Abs. 1 Nr. 1 das Rechtsgut Leben „nicht nur in seiner Funktion als dem einzelnen zugewiesenes Rechtsgut, sondern in Anbetracht der zentralen Bedeutung des Wohnens für die ,Ausübung‘ von Leben innerhalb der Gemeinschaft überhaupt auch in seiner Funktion als Komponente des Gemeinschaftslebens.“ 186 Dabei bezieht sich Radtke auf Dedes, der bezüglich der gemeingefährlichen Straftaten im griechischen StGB annimmt, aus der Beschreibung der strafbaren (gemeingefährlichen) Handlung gehe hervor, „dass der Gesetzgeber Faktoren des sozialen Lebens schützen wollte, die das Wesen der Gemeinschaft ausmachen.“ 187 Jedoch misst Radtke – im Gegensatz zu Dedes – dem Faktor des Gemeinschaftslebens keine primäre, sondern nur eine sekundäre, reflexive Bedeutung bei. Es gehe – so Radtke – nur um den nachrangigen Schutz von Leben, Leib oder Vermögen als Komponenten des Gemeinschaftslebens, weshalb die These von der zweifachen Schutzrichtung nicht als materielle Gleichwertigkeit beider Aspekte zu verstehen sei.188 Die These von der zweifachen Schutzrichtung der gemeingefährlichen Delikte erweckt Bedenken, weil kein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der spezifischen Gefährlichkeit des Tatmittels und dem Hinzutreten einer zusätzlichen überindividuellen Schutzrichtung (Komponente des Gemeinschaftslebens) neben dem Schutz der Individualrechtsgüter besteht.189 Denn jede strafbewehrte 185

Radtke, Dogmatik, S. 147. Radtke, Dogmatik, S. 166. 187 Dedes, MDR 1984, S. 100 f. 188 Radtke, Dogmatik, S. 147 ff., 158 ff. 189 Kritisch auch Fischer, GA 2001, S. 499 (501): „Durch die Brandstiftung werde aber die Gefahr von Fremdverletzungen geschaffen. Deshalb (?) sei hier der Schutz der Rechtsgüter Leib, Leben und Eigentum ,nicht nur für die . . . betroffenen Mitglieder der Gemeinschaft elementar, sondern für die Gemeinschaft selbst‘ (147); die Individualrechtsgüter seien hier (auch) ,als Faktoren des Gemeinschaftslebens‘ geschützt. Diese These scheint mir begründungsbedürftig; zumindest zweifelhaft ist, daß sich der unterschiedliche (Rechts-)Wert von ,Faktoren des Gemeinschaftslebens‘ aus der Unterscheidung von individueller Selbst- und Fremdgefährdung ergeben könnte. Radtke äußert sich hierzu nicht.“ 186

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Verletzung eines Individualrechtsguts wird regelmäßig eine mittelbar-reflexive Beeinträchtigung verschiedener gesellschaftlicher Allgemeinbelange bewirken, baut doch eine funktionierende Gesellschaftsordnung naturgegeben auf der Summe der den einzelnen Mitgliedern zugewiesenen Individualrechtsgütern auf, die in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen eingebettet sind und dadurch in einem reziproken Konnex stehen.190 Die „Komponente des Gemeinschaftslebens“ ist daher nur ein Synonym für die allgemeine Sozialschädlichkeit der Tat und kein Spezifikum der gemeingefährlichen Delikte. Ob ein Wohngebäude mittels Brandlegung gem. § 306a Abs. 1 oder mittels einer Abrissbirne gem. § 305 Abs. 1 zerstört und dadurch das Leben von Bewohnern gefährdet wird, macht für die Gemeinschaft im Ergebnis keinen Unterschied. Mittels des Verweises auf die „Komponente der Gemeinschaftslebens“ ließe sich grundsätzlich jedem individualschützenden Delikt eine kollektivistische Schutzrichtung „anheften“. Zudem bezog sich die abstrakte Gemeingefährlichkeit im preuß. StGB konzeptionell eindeutig immer nur auf die Erfassung der Gefährlichkeit für die Individualrechtsgüter Leben (Brandstiftung erster Klasse) bzw. Eigentum (Brandstiftung erster und zweiter Klasse).191 Ein „echter“ Schutz überindividueller Belange ist für das preußische Brandstrafrecht von 1851 jedenfalls nicht belegbar. Allzumal Radtke aus der These von der zweifachen Schutzrichtung keine unmittelbaren Konsequenzen für die Auslegung des § 306 zieht – dies wird die Einwilligungsproblematik noch illustrieren – bleibt offen, welcher Erkenntniswert ihr überhaupt zukommen soll.192 Würde die These von der doppelten Schutzrichtung der gemeingefährlichen Delikte ernst genommen, dann müsste § 306 Abs. 1 genau genommen eine siebenfache Schutzrichtung besitzen, weil neben dem konkreten Eigentumsschutz am Tatobjekt noch die abstrakt geschützten Individualrechtsgüter Leib, Leben und Eigentum sowohl in ihrer individuellen, wie überindividuellen Bedeutung als Komponenten des Gemeinschaftslebens erfasst wären. cc) Zur Figur des „Kombinationsdelikts“ Die Grundlage der „Kombinationslösung“ bildet die Einschätzung, § 306 Abs. 1 sei eine Synthese aus einem klassischen Eigentumsverletzungsdelikt und 190 Radtke, Dogmatik, S. 147: „Der Schutz der Rechtsgüter Leben, Leib, Eigentum gegen besonders gefahrträchtige Handlungen für eine unbestimmte Vielheit von Rechtsgütern unbestimmter Individuen ist eben nicht nur für die nach Vornahme der Tathandlung betroffenen Mitglieder der Gemeinschaft elementar, sondern auch für die Gemeinschaft selbst.“ 191 Radtke, Dogmatik, S. 117 ff., 145 ff., 158; a. A. Dedes, MDR 1984, S. 100 ff.; ders., in: FS Oehler, S. 265 (269). 192 A. A. Radtke, Dogmatik, S. 149: „Der überindividuelle Ansatz der geschützten (Individual)Rechtsgüter in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens tritt als weitere spezifische Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte und als ergänzender Argumentationstopos in dem Disput um die Legitimität abstrakter (generell gemeingefährlicher) Gefährdungsdelikte hinzu.“

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einem abstrakten Gefährdungsdelikt.193 Immerhin, so scheint es, kann die „Kombinationslösung“ die Reformmaterialien zum 6. StrRG 1998 für sich reklamieren. Die Bundesregierung bezeichnete im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens § 306 ausdrücklich als Spezialfall einer Sachbeschädigung und verwies zugleich auf ein in der Norm enthaltenes Element der Gemeingefährlichkeit, das mit Hilfe der von § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. übernommenen Tatobjektskasuistik konkretisiert werden solle.194 Die simultane Bezugnahme auf Gedankengut der „Sachbeschädigungs-“ und der „Gefährdungslösung“ legt unbesehen die Vereinigung dieser beiden Standpunkte in einem Deliktstypus nahe. Andererseits bekennen sich die Reformmaterialien nirgends explizit zur Figur des „Kombinationsdelikts“, immerhin ein neuartiger Deliktstypus ohne Vorbild im deutschen StGB, dessen materielle Charakteristika und dogmatische Legitimität bislang ungeklärt sind.195 Zweifel daran, dass die ambivalenten Äußerungen der Reformmaterialien vermittels der Figur des „Kombinationsdelikts“ einer schlüssigen Sinngebung unterworfen werden können, erwachsen aus der vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigten Weiterentwicklung und Modernisierung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. Im Wege der historisch-subjektiven Auslegung lässt sich weder für die Entstehung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. noch für § 286 preuß. StGB nachweisen, dass diese als gemeingefährliches Sachbeschädigungsdelikt konzipiert waren. Vielmehr war – wie die eingehende Analyse beider Normen gezeigt hat – im Kern umstritten, ob diese alternativ auf dem Boden der „Sachbeschädigungs-“ oder der „Gefährdungslösung“ zu verorten waren, da beide Konzeptionen in einem theoretischen Ausschließlichkeitsverhältnis stehen.196 Mit anderen Worten: § 286 preuß. StGB und § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. wurden von Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung deswegen als Sachbeschädigungsdelikte eingeordnet, weil diese gerade nicht als gemeingefährlich eingestuft wurden, da eine Klassifizierung als Gefährdungsdelikt an der fehlenden bzw. mangelhaften tatbestandlichen Verankerung der Gemeingefahr scheitern sollte.197 Zwar existieren im Schrifttum zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. sporadisch Stellungnahmen, die eine kumulative Anknüpfung an Sachbeschädigungs- und Gefährdungsaspekte implizieren, wie etwa die Behauptung Gepperts, § 308 193 Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (855); MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 8 ff.: „Für die Einordnung als Kombinationsdelikt aus Verletzungsdelikt plus (generellem) Gefährlichkeitsdelikt spricht neben der systematischen Stellung des § 306 im 28. Abschnitt bei subjektiv-historischer Auslegungszielbestimmung die Gegenäußerung der Bundesregierung . . .“ 194 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 195 Kritisch auch: Wolff, JR 2002, S. 94 (96). 196 Zu § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 1. und 2. sowie zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. bei § 1 B. II. 197 Vgl. RGSt 12, 138 ff. und hierzu bei § 1 B. II. 1. a).

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Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. sei ein „strafrechtsdogmatischer Zwitter“ 198. Allerdings wurde diese Beimengung eines Gefährlichkeitsmoments von Seiten der „Sachbeschädigungslösung“ meistens so verstanden, dass § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. im Kern Sachbeschädigungsdelikt sei, während die Gemeingefahr, respektive Gemeingefährlichkeit, lediglich als Fernziel und unbeachtliches Motiv eingestuft wurde.199 Die nicht näher begründete Fusion dieser beiden konträren Sichtweisen seitens des Reformgesetzgebers von 1998 wäre jedenfalls ein Novum, das dem Tatbestand die Doppelfunktion der Kennzeichnung einer Sachbeschädigung und der Gefährlichkeit der Tat aufbürdet. Jedoch kann die Äußerung der Bundesregierung auch so verstanden werden, dass einerseits an die Regelungstechnik § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. angeknüpft werden sollte, andererseits aber der zentralen Grundannahme der (damals) herrschenden „Sachbeschädigungslösung“ – der vollständigen Negierung einer auslegungsrelevanten Gefährlichkeit der Tatbegehung – eine klare Absage erteilt werden sollte. Ein solches Ansinnen ist angesichts der engen systematischen Einbettung des § 306 in das Brandstrafrecht und der Tatsache, dass § 306 Abs. 2 E 6. StrRG und § 306 E 6. StrRG BR noch als konkrete Gefährdungsdelikte (zum Schutz von Leben, Leib und Eigentum) konzipiert waren, durchaus naheliegend. Die Reformmaterialien können daher auch in dem Sinn gedeutet werden, dass der Gesetzgeber klarstellen wollte, dass die im Verlauf der Beratungen des 6. StrRG 1998 erfolgte Rückkehr zur tradierten Regelungstechnik des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., unter Verzicht auf die Anknüpfung an eine konkrete Gemein- bzw. Individualgefahr in § 306, immer noch nicht als prinzipielle Abkehr vom ursprünglichen Gefährdungsgedanken begriffen werden sollte. Daher bezweifele ich, dass die Reformmaterialien von der Bemühung getragen waren, den unbekannten Deliktstypus des Kombinationsdeliktes zu initiieren, sondern vielmehr sollte – entgegen der herrschenden „Sachbeschädigungslösung“ – das Gefährlichkeitsmoment in § 306 reinitiiert werden, unbeschadet der Frage des hierfür „passenden“ Deliktstypus. Entschieden ist jedenfalls der Behauptung Radtkes zu widersprechen, dass die Synthese aus Sachbeschädigung und genereller Gemeingefährlichkeit angeblich schon in § 286 preuß. StGB enthalten war.200 Diese Sicht missachtet das zen198 Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 (193); kritisch jedoch Radtke, Dogmatik, S. 376 Fn. 21. 199 Geppert, in: FS Schmitt, S. 187 und dazu bei § 1 B. II. 2. 200 Radtke, Dogmatik, S. 380: „Die übereinstimmende Strafandrohung beider Vorschriften [Anmerkung: der §§ 286, 287 preuß. StGB] lag darin begründet, daß § 286 preuß. StGB (§ 306 Abs. 1) außer der generellen Gemeingefährlichkeit die Eigentumsverletzung am Tatobjekt notwendig voraussetzte und als weitere Unrechtskomponente sanktionierte.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); ders., ZStW 110 (1998), S. 848 (857 Fn. 38): „Der damit angesprochene Gedanke eines Kombinationsdeliktes entspricht einem in der Dogmengeschichte gemeingefährlichen Delikte zu beobachtenden Verständnis dieses Deliktstypus, wie es etwa in der Bezeichnung des einschlägigen Ab-

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trale, auch von Radtke gebilligte201 Anliegen des preuß. StGB, die Brandstiftungsdelikte allein unter der Bedingung ihrer Gemeingefährlichkeit unter Strafe zu stellen, um so eine klare Abgrenzung von den tatmitteloffenen Verletzungsdelikten zu gewährleisten.202 Selbst Goltdammer differenzierte in den Motiven zum preuß. StGB 1851 bei § 286 preuß. StGB scharf zwischen solchen Tatobjekten („erste Gruppe“), bei deren Anzündung seiner Auffassung nach der Eintritt einer Gemeingefahr vermutet werden könne, und solchen Tatobjekten („zweite Gruppe“), bei denen eine entsprechende Vermutung nicht gerechtfertigt sei.203 Sachbeschädigungs- und Brandstiftungsdelikte wurden, zumindest konzeptionell, scharf getrennt. Insofern ist die Figur des Kombinationsdeliktes jedenfalls nicht in den genetischen Strukturen des § 306 verankert.204 Das Konzept Radtkes, die einfache Brandstiftung sei Kombinationsdelikt, ist vielmehr eine Neuschöpfung und – trotz aller Kritik – insoweit begrüßenswert, als sie die zuvor ignorierte Gemeingefährlichkeit wenigstens partiell für die Auslegung von Schutzzweck und Deliktstypus fruchtbar macht. Die „Einwilligungsproblematik“ wird die Schwächen des hybriden „Kombinationsdelikts“ noch weiter veranschaulichen. dd) Folgewirkungen der „Kombinationslösung“ Trotz der aufgezeigten Bedenken stellt die Wiederbelebung des Gefährdungsgedankens durch die „Kombinationstheorie“ einen unleugbaren Gewinn dar, weil schnittes des preußischen ALR von 1794 als ,Beschädigungen mit gemeiner Gefahr‘ seinen Ausdruck gefunden hat.“ 201 Radtke, Dogmatik, S. 376, 428. 202 Vgl. § 1 A. II. und § 1 A. V. 203 Zur Problematik dieser Differenzierung und warum sie abzulehnen ist vgl. § 1 A. III. 4. a). 204 Zwar trifft es zu, dass der 17. Abschnitt des 20. Titels des II. Teils des ALR 1794, in dem die Brandstiftungsdelikte geregelt waren, von „Beschädigung mit gemeiner Gefahr“ sprach und insoweit die Verbindung von Sachbeschädigung mit genereller Gemeingefährlichkeit nahe legt (so Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Band 9, S. 1 ff.). Dass jedoch die Brandstiftungsdelikte im ALR als Kombinationsdelikte klassifizierbar sind, ist zu bestreiten, da die Tatbegehung auch hier nicht durchgehend ein täterfremdes Tatobjekt erforderte (vgl. Art. 1522 Teil II, 20. Titel ALR 1794). Dass die Tatbegehung entgegen dem durch die systematische Stellung suggerierten Verständnis nicht notwendigerweise mit einer Sachbeschädigung verbunden sein musste, räumt in anderen Zusammenhängen auch Radtke ein, vgl. ders., Dogmatik, S. 118 ff. Eine entsprechende Feststellung lässt sich auch für das StGB Bayern 1813 und das StGB Oldenburg 1814 treffen, die beide die Brandstiftungsdelikte formell im systematischen Zusammenhang mit den Sachbeschädigungsdelikten normierten („Von der Beschädigung des Eigenthums), aber gleichermaßen die Tatbegehung an täterfremden und tätereigenen Tatobjekten erfassten. Eine Eigentumsverletzung setzten die Brandstiftungsdelikte auch hier nicht voraus. Näher zu den Hintergründen für die systematisch „unpassende“ Platzierung der Brandstiftungsdelikte in einigen Partikularstrafgesetzbüchern bei § 1 A. II.

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dieser die §§ 306 ff. als „roter Faden“ verbindet und so die materielle Wiedereingliederung des § 306 in die Reihe der gemeingefährlichen Delikte erlaubt und die durch die Bewertung als reine Brandsachbeschädigung bewirkte systematische Spaltung des Brandstrafrechts zumindest abmildert.205 Auch die Problematik der todes- bzw. körperverletzungserfolgsqualifizierten Sachbeschädigung gem. §§ 306, 306b Abs. 1, 306c wird partiell entschärft, da die einfache Brandstiftung eben auch ein abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz von Leib und Leben ist.206 Insofern stärkt die offene Berücksichtigung der abstrakten Gefährlichkeit der Tatbegehung die Legitimierung des Strafrahmens des § 306 im Hinblick auf das Gebot einer unrechts- und schuldangemessenen Strafe und kann die Strafrahmendivergenz gegenüber §§ 303, 305 immerhin erklären.207 Desgleichen ergibt die Bezugnahme der tätigen Reue gem. § 306e Abs. 1 auf § 306 Abs. 1 Sinn, da ein wesentlicher Teil des Tatunrechts bis zum Eintritt eines erheblichen Schadens noch abstrakt geblieben ist und keine (vollständige) Realisierung erfahren hat.208 (1) Die Einwilligungsproblematik – Achillesferse der „Kombinationstheorie“ Die Debatte um die Akzeptanz der rechtfertigenden Einwilligung im Rahmen des § 306 Abs. 1 hat sich zur zentralen Bewährungsprobe der „Kombinationstheorie“ entwickelt, die die Problematik der Vereinbarkeit von Sachbeschädigungs- und Gefährdungskomponente auf den Prüfstand stellt. Radtke misst – trotz der abstrakten Gefährlichkeit der Tatbegehung – der Einwilligung des Eigentümers in die Anzündung seines Tatobjekts durch einen Dritten rechtfertigende Kraft bei, weil dadurch die unrechtskonstitutive Sachbeschädigungskomponente wegbreche und somit das spezifische Gesamtunrecht der Tat entfalle.209 Dieser Standpunkt ist teils scharfer Kritik unterworfen worden, weil hierin eine Verletzung der Grundsätze über die Zulässigkeit der Erteilung einer rechtfertigenden Einwilligung gesehen wird.210 Bemängelt wird, dass der Rechtfertigungs205

Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (857); Kreß, JR 2001, S. 315 (316 ff.). Kreß, JR 2001, S. 315 f.; Radtke, Dogmatik, S. 310 Fn. 6. 207 Radtke, Dogmatik, S. 382 f.; ders., ZStW 110 (1998), S. 848 (857); Kreß, JR 2001, S. 315 (317); Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 3 f. 208 Zum unterschiedlichen Verhältnis der beiden Tathandlungsalternativen in Bezug auf das Institut der tätigen Reue vgl. § 2 I. 2. b) bb). 209 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 60 f.; ders., Dogmatik, S. 382; ders., ZStW 110 (1998), S. 848 (861); zustimmend: Kreß, JR 2001, S. 315 (317); HK/Weiler, § 306 Rn. 14; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 16. 210 LK/Wolff, § 306 Rn. 46: „Letztlich inkonsequent . . . kommen aber auch diejenigen Autoren, die der Brandstiftung eine doppelte Schutzrichtung – Eigentumsschutz und Schutz vor Gemeingefahr – zumessen und damit § 306 neben dem Verletzungsdelikt zugleich als abstraktes Gefährdungsdelikt ansehen, teilweise zu dem Ergebnis, dass die Einwilligung des Eigentümers rechtfertigt.“; Fischer, § 306 Rn. 21: „Die Möglich206

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grund der Einwilligung nur dann greife, soweit dem Einwilligenden die alleinige Dispositionsbefugnis über das der jeweiligen Norm zugrundeliegende Rechtsgut zustehe. Diese Bedingung sei im Falle der Klassifikation des § 306 Abs. 1 als Kombinationsdelikt nicht erfüllt, da die Norm auch dem abstrakten Schutz der für den Eigentümer fremden Individualrechtsgüter Leib, Leben und Eigentum diene, die nicht seiner Disposition unterfielen. Dementsprechend verneint die herrschende Ansicht beispielsweise im Rahmen der Falschverdächtigung gem. § 164 die Wirksamkeit der Einwilligung der falsch verdächtigten Person211 oder der konkreten gefährdeten Person im Rahmen der Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1, da beide Normen nicht allein den Schutz des Einwilligenden verfolgen würden.212 Im Ergebnis ist der Vorwurf, dass der Eigentümer des Tatobjekts vermittels der Einwilligung auch über die abstrakte Gefährdung der Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum Dritter disponiert, nicht von der Hand zu weisen, allzumal Radtke zusätzlich den überindividuellen Schutz der genannten Individualrechtsgüter als Komponenten des Gemeinschaftslebens als gegeben ansieht.213 Die Auffassung Radtkes, dass Sachbeschädigungs- und Gefährdungselement in § 306 Abs. 1 auf der Einwilligungsebene isoliert nebeneinanderstehen, begegnet Zweifeln, weil die „Kombinationslösung“ zunächst mit großem Begründungsaufkeit einer rechtfertigenden Einwilligung soll auch auf der Grundlage der zur Legitimation der Strafandrohung herangezogenen These von einer zweifachen Schutzrichtung (Eigentumsschutz und Schutz vor Gemeingefahr) gelten . . ., weil die Anwendung des Verbrechenstatbestand die kumulative Verletzung beider Rechtsgüter voraussetze. Diese Begründung trägt, auch wenn sie die ,einzig tragfähige Legitimation‘ sein mag . . . nur mühsam: Da das ,Element der Gemeingefahr‘ . . . vom Eigentum des Täters gerade unabhängig ist, bleibt als unrechtsbegründende Unterscheidung zwischen vorsätzlichen in Brand gesetzten fremden und eigenen (oder herrenlosen) Hütten allein das fremde Eigentum.“; SK-StGB/Wolters, § 306 Rn.1: „Möchte man aus dieser systematischen Einordnung mehr als ein gesetzgeberisches Motiv ableiten und dem Delikt ,ein Element der Gemeingefährlichkeit‘ anheften . . . müsste dies konsequenter Weise dazu führen, dass der Eigentümer zur Disposition über das (Gesamt-)Rechtsgut nicht befugt ist . . .“; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 9 f.; Duttge, Jura 2006, S. 15 (17). 211 Die Falschverdächtigung gem. § 164 soll nach herrschender Ansicht eine doppelte Schutzrichtung aufweisen und alternativ nicht nur den Einzelnen vor unbegründeten Zwangsmaßnahmen des Staates, sondern auch das Universalrechtsgut der inländischen Rechtspflege schützen. Daher schließt selbst die Einwilligung desjenigen, gegen den sich die Falschverdächtigung richtet, die Rechtswidrigkeit der Tat nicht aus, so Wessels/ Hettinger, BT 1, Rn. 686 ff.; NK-StGB/Vormbaum, § 164 Rn. 7 ff. 212 Rechtsprechung und Teile des Schrifttums versagen bei der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c der Einwilligung der gefährderten Person jede rechtfertigende Kraft, da die Norm allein dem Universalrechtsgut der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs diene, vgl. BGHSt 23, 261 (262 ff.); LK/König, § 315c Rn. 3, 161; NKStGB/Herzog, § 315c Rn. 23; Fischer, § 315c Rn. 17; a. A. Sch/Sch/Cramer/SternbergLieben, § 315c Rn. 43; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 9 f. 213 Radtke sieht in der zweifachen (individuellen und kollektivistischen) Schutzrichtung des § 306 Abs. 1 kein Hindernis für die Akzeptanz einer rechtfertigenden Einwilligung, Radtke, Dogmatik, S. 382.

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wand das Gefahrelement als Teil des Schutzzwecks anerkennt, dann aber bei der praktisch einzig relevanten Auslegungsfrage die Bedeutung des Gefahrelements mit Verweis auf den unklaren und auch historisch nicht abgesicherten Typus des „Kombinationsdeliktes“ relativiert.214 (2) Konsequenz Einwilligungssperre? Aus der dargelegten Kritik werden verschiedene Konsequenzen gezogen. Einige Autoren sehen hierin einen Beleg, dass die Prämissen der „Kombinationslösung“ insgesamt nicht schlüssig seien.215 Andere Autoren wie Duttge und Börner halten demgegenüber an der These von kombinierter Eigentumsverletzung und abstrakter Gefährlichkeit fest, wollen jedoch der Einwilligung ihre rechtfertigende Kraft aberkennen.216 Duttge beruft sich darauf, dass die gemeingefährliche Dimension der Brandstiftungsdelikte einer rechtfertigenden Einwilligung ausnahmslos entgegenstehe, da sich das Allgemeininteresse am Schutz von Leib und Leben nicht durch Hinzutreten der eigentumsspezifischen Schutzrichtung verflüchtige.217 Jedoch will Börner die Einwilligung des Eigentümers insoweit berücksichtigen, als eine solche zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 306 Abs. 2 führe.218 So konsequent die Annahme einer „Einwilligungssperre“ auch ist, so sprechen hiergegen gleichfalls schwerwiegende Bedenken, wenn deren Folgewirkungen ins Auge gefasst werden. Die Ablehnung der strafbefreienden Wirkung der Einwilligung resultiert – wie schon zu § 286 preuß. StGB dargelegt219 – in dem problematischen Ergebnis, dass sich der Eigentümer eines Tatobjekts gem. § 306 Abs. 1 seinerseits wegen Anstiftung zur einfachen Brandstiftung gem. §§ 306, 26 strafbar macht, wenn er einen Dritten anstiftet, das für diesen „fremde“, aber dem Anstifter gehörende Tatobjekt anzuzünden. Im Übrigen – sollte der Dritte zur Tatbegehung bereits entschlossen gewesen sein – muss die Einverständniserklärung des Eigentümers in die Tat als Bestärkung des Tatentschlusses und damit als psychische Beihilfe gem. § 27 bewertet werden, soweit diese umstrittene Beihilfeform akzeptiert wird.220 Und die Teilnehmerstrafbarkeit des Eigentümers gem. §§ 306, 26, 27 ist zwingend, weil er sich an der abstrakten Gefährdung der für ihn fremden Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum beteiligt. Dies markiert 214

SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 1; Fischer, § 306 Rn. 21. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 70 ff.; SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 1; LK/Wolff, § 306 Rn. 46. 216 Duttge, Jura 2006, S. 15 ff.; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 8 ff. 217 Duttge, Jura 2006, S. 15 (16, 18); Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 2 ff. 218 Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 10. 219 Eine Einwilligungsperre forderte bereits Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (28 f.). Dagegen bereits bei § 1 A. III. 4. b) ff) (1). 220 Vgl. LK/Schünemann, § 27 Rn. 14 f. 215

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den grundlegenden Unterschied zur im Ergebnis straflosen Teilnahme des Eigentümers an der gem. §§ 303, 305 strafbaren Sachbeschädigung eines Dritten zum Nachteil des Eigentümers, da hier ausschließlich seine eigenen – disponiblen – Belange tangiert sind. Eine Einwilligungssperre im Rahmen des § 306 Abs. 1 wirft auch bei bestehendem Miteigentum zweier Personen an einem Tatobjekt Probleme auf, denn das Tatobjekt ist für jeden der Miteigentümer täterfremd. In letzter Konsequenz müsste daher bei bestehendem Miteigentum an einem Tatobjekt gem. § 306 Abs. 1 – folgt man den Prämissen Duttges – selbst die durch die Eigentümer gemeinsam verübte Brandstiftung prinzipiell strafbar sein, da eine wechselseitige Erteilung einer rechtfertigenden Einwilligung auszuscheiden hat. Dies erschiene bedenklich, denn die straflose Eigentümerbrandstiftung an Tatobjekten, die eigentumsrechtlich mehreren Personen gehören, wäre damit für § 306 Abs. 1 generell ausgeschlossen, ohne dass für dieses Ergebnis eine sachliche Rechtfertigung erkennbar wäre. Und selbst in dem Fall, dass der nicht beteiligte (da nicht in die Tat einwilligende) Eigentümer221 lediglich vom Vorhaben Dritter erfährt, sein Tatobjekt anzuzünden, so wäre er wegen Nichtanzeige einer geplanten Straftat gem. § 138 Abs. 1 Nr. 8 strafbar, sofern er es unterlässt, durch eine rechtzeitige Anzeige gegenüber den Behörden222 die Tat zu verhindern. Zwar genügt gem. § 138 Abs. 1 auch die Anzeige gegenüber der durch die Tat bedrohten Person, doch da § 306 Abs. 1 nach Auffassung Duttges nicht nur dem Schutz des Eigentümers dient, sondern auch dem Schutz von Leben, Leib und Eigentum Dritter, müsste selbst der Eigentümer zur Anzeige gegenüber den Behörden verpflichtet sein, da es (auch) um die Abwendung einer Gefahr für die Allgemeinheit geht. (3) Fazit Die Einwilligungsproblematik erweist sich als Dilemma der „Kombinationslösung“. Einerseits kann sie das als „richtig“ empfundene (und auch sinnvolle) Ergebnis – die Akzeptanz der Straffreiheit desjenigen, der mit Einwilligung des Eigentümers die Tat verübt – nicht stringent begründen, weil hierdurch entgegen den Prinzipien der Einwilligungsdogmatik dem Eigentümer eine Dispositionsbefugnis über die abstrakte Gefährdung fremder Individualrechtsgüter eingeräumt würde. Andererseits bewirkt die aus der Akzeptanz des Gefährdungsmoments dogmatisch stringent deduzierte „Einwilligungssperre“, dass im Rahmen des § 306 Abs. 1 allein die eigenhändige Anzündung des Alleineigentümers nicht tat221 Nur an der Tat unbeteiligte Personen können Täter dieses echten Unterlassungsdelikts sein (Fischer, § 138 Rn. 18), das nach hM die in den Katalogtatbeständen geschützten Rechtsgüter im Wege einer Vorverlagerung schützt (Fischer, § 138 Rn. 3; SSW/Jeßberger, § 138 Rn. 4 mwN; a. A. Rengier, BT II, § 52 Rn. 1). 222 Fischer, § 138 Rn. 17.

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bestandsmäßig ist, während die Erteilung einer Einwilligung durch den Eigentümer in die Tatbegehung eines Dritten in der Teilnehmerstrafbarkeit des Eigentümers gem. §§ 306, 26, 27 mündet. Dass dieses Ergebnis wenig sachgerecht ist, liegt auf der Hand, hätte doch der Eigentümer sein Tatobjekt selbst in Brand setzen können, ohne sich strafbar zu machen. Dass die drohende Kriminalisierung des Eigentümers mit der historisch intendierten Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung – ein zentrales Prinzip der Vorgängernormen der einfachen Brandstiftung – inkompatibel ist, lässt sich nicht leugnen.223 Die Vermeidung dieses sinnwidrigen Ergebnisses erklärt auch, weshalb selbst die Anhänger der „Gefährdungslösung“ zu § 286 preuß. StGB/§ 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. trotz der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt – von Wanjeck abgesehen224 – durchgehend von der strafbefreienden Wirkung der Einwilligung ausgegangen sind, ohne die heikle Problematik der Dispositionsbefugnis des Eigentümers über das geschützte Rechtsgut näher zu erörtern.225 Da sowohl gegen die Anerkennung der Einwilligung, als auch gegenüber ihrer Ablehnung jeweils durchgreifende Bedenken bestehen, liegt die Einschätzung nahe, dass die „Kombinationslösung“ nicht geeignet ist, die Normstrukturen des § 306 Abs. 1 einer befriedigenden und in sich widerspruchfreien Erklärung zuzuführen. Jedenfalls verdeutlicht die Einwilligungsfrage, warum das Gefährdungsmoment so lange seitens der „Sachbeschädigungslösung“ geleugnet wurde, nämlich weil der Gefährdungsgedanke mit der als notwendig empfundenen Akzeptanz der Einwilligung kollidiert. ee) Abschließende Bewertung der „Kombinationslösung“ Als entscheidendes Verdienst der „Kombinationstheorie“ ist die Reintegration des Gefahrelements in § 306 Abs. 1 und dessen Berücksichtigung bei der Bestimmung der geschützten Rechtsgüter sowie dem Deliktstypus zu benennen. Die Reanimation des Gefährdungsmoments deckt sich mit dem Willen der Gesetzgeber von 1851, 1871 bzw. 1998, die einfache Brandstiftung – unbeschadet der Diskussionen um ihren Deliktstypus – nicht nur systematisch, sondern auch materiell als gemeingefährliches Brandstiftungsdelikt zu klassifizieren.226 Kritisch zu bemerken ist, dass die „Kombinationslösung“ enger mit dem Standpunkt der „Sachbeschädigungslösung“ verwoben ist, als dies zunächst den Anschein haben mag, bleibt sie doch deren Kernthese verhaftet, indem sie die tatbestandliche Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte als Manifestation des konkreten Eigentumsschutzes deutet. Radtke räumt offen ein, dass § 306 Abs. 1 223 So bereits das Ergebnis der Eröterungen zu § 286 preuß. StGB unter § 1 A. III. 4. b) ff). Erneut zu § 306 bei § 2 I. 1. c) cc) (3) (a). 224 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (28 f.). 225 Vgl. § 1 A. III. 4. b) ff) und § 1 B. II. 1. a). 226 Vgl. § 1 A.V., § 1 B. II. und BT-Drucks. 13/8587, S. 87 f.

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„übergeordnet dem Eigentumsschutz“ 227 diene und demgegenüber die abstrakte Gemeingefährlichkeit dem „Eigentumsschutz untergeordnet“ 228 sei, so dass – anders als die Bezeichnung „Kombinationslösung“ suggeriert – beide Unrechtskomponenten nicht als gleichrangig erachtet werden. Der atypische Charakter der Brandsachbeschädigung wird offen – das ist ein begrüßenswerter Fortschritt – als unselbstständige Gefährdungskomponente ausgewiesen, weshalb die „Kombinationslösung“ letztlich eine dogmatisch ausgeformtere Variante der „Sachbeschädigungslösung“ ist.229 Pikant gesprochen, hat die „Sachbeschädigungslösung“, unter Aufgabe der rigorosen Leugnung der abstrakten Gefährlichkeit der Tat, in der „Kombinationslösung“ ihre Reifung gefunden. Das Atypische der Brandsachbeschädigung verlagert sich nun, auch daran ist die Verwandtschaft beider Konzeptionen erkennbar, in den Deliktstypus des Kombinationsdeliktes, einer fragwürdigen Sonderkategorie, die ihrerseits eine „atypische“ Zusammenfassung von Gefährdungs- und Verletzungsdelikt ist. Jedoch ist die Verbindung der ungleichen Anliegen des konkreten Eigentumsschutzes und der abstrakten Gefährlichkeit die „Achillesferse“ der „Kombinationstheorie“, wie die Einwilligungsfrage in aller Deutlichkeit gezeigt hat. Eine äquivalente Berücksichtigung dieser beiden widerstreitenden Aspekte ist nicht möglich, weil im Konfliktfall immer einem der beiden Elemente auf Kosten des anderen der Vorzug gegeben werden muss. Dieses dem Standpunkt der „Kombinationstheorie“ inhärente Spannungsverhältnis kann nicht überzeugend aufgelöst werden, einerlei ob das Gefährlichkeits- oder das Eigentumsverletzungsmoment dominiert, weshalb die Vereinigung von abstrakter Gemeingefährlichkeit und Sachbeschädigung in einem Delikt der „Quadratur des Kreises“ gleicht.230 Kritiker monieren mit Recht, dass es unschlüssig ist, die mit der Tat verbundene abstrakte Gefährdung der Rechtsgüter Leib, Leben und Eigentum, die den wesentlichen Unterschied gegenüber den Sachbeschädigungsdelikten ausmachen soll, im Ergebnis nur als unselbstständigen reflexiven Aspekt zu berücksichtigen, der vom Sachbeschädigungselement überlagert wird.231 Wenn das Gefährdungs227

MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 61 Fn. 195. MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 61. 229 Ähnlich Radtke, Dogmatik, S. 381: „Anders ist die häufig zu lesende Formulierung vom ,Spezialfall der Sachbeschädigung‘ oder vom der ,qualifizierten Sachbeschädigung‘ nicht zu verstehen. Das qualifizierende Element besteht gerade in der Verwendung eines Tatmittels, dessen Einsatz wenigstens unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen generell gemeingefährlich ist.“ 230 Kritisch auch: Fischer, § 306 Rn. 2: „Eine geschlossene Systematisierung der Schutzgegenstände ist kaum möglich; die Reform verbindet in nach wie vor eher willkürlich anmutender Weise historisch bedingte Gesichtspunkte der Gemeingefahr mit solchen des volkswirtschaftlichen und des Eigentumsschutzes.“; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1. 231 Ähnlich auch Fischer, § 306 Rn. 11: „Die Auswahl der Schutzobjekte, die systematische Stellung der Vorschrift im 28. Abschnitt sowie die gegenüber §§ 303, 305, 228

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moment ohnehin so unbedeutend und dem Sachbeschädigungselement weitgehend nachgelagert ist, dann ist der Vorwurf nicht von der Hand zu weisen, dass die Berücksichtigung der höchst abstrakten Gemeingefährlichkeit nur ein „Feigenblatt“ ist, das allein der Legitimierung des Sanktionsrahmens und der Systematik dient. Wie gering Radtke das Gefährlichkeitsmoment letztlich veranschlagt, zeigt sich auch bei der Auslegung des Tatobjektskatalogs des § 306 Abs. 1. Obwohl Radtke den zu weit geratenen Tatobjektskatalog auch durch gefährlichkeitsbezogene Kriterien begrenzen will, so fordert er zugleich die Ausgrenzung solcher Tatobjekte aus dem Anwendungsbereich des § 306 Abs. 1, die nur einen völlig unbedeutenden wirtschaftlichen Wert besitzen.232 Die Problematik dieses Standpunktes veranschaulicht der folgende Beispielsfall: Angenommen, A verwirklicht § 306 Abs. 1 Nr. 1, indem er ein fremdes leerstehendes mehrstöckiges Gebäude anzündet, das aufgrund von Schadstoffbelastungen des Grundstücks und des Gebäudes keinen wirtschaftlichen Wert besitzt, da die notwendigen Sanierungskosten den Grundstücks- und Gebäudewert übersteigen. Dennoch wird die Inbrandsetzung eines solchen, wirtschaftlich wertlosen, Gebäudes abstrakt gesehen ebenso gefährlich für Leib und Leben sein (Rettergefährdung), wie im Falle der Inbrandsetzung eines vergleichbaren, aber wirtschaftlich wertvollen Gebäudes. Radtkes Standpunkt nötigt selbst dazu, die Einschlägigkeit des § 306 im vorgenannten Fall zu verneinen, soweit durch die Tat leichtfertig ein Mensch sein Leben verliert, so dass § 306c mangels Grundtatbestand nicht einschlägig wäre.233 Entgegen Radtke ist der wirtschaftliche Wert kein die Gemeingefährlichkeit der Tat indizierendes Kriterium, denn das faktische Gefährdungspotential einer Brandlegung steht in keiner logischen Relation zum normativ ermittelten wirtschaftlichen Wert des Tatobjekts. 305a erheblich erhöhte Strafandrohung (selbst die geringfügige Beschädigung von in I geschützten Sachen durch Brandstiftung wird höher bestraft als die vollständige Zerstörung wertvoller anderer Sachen) . . . deuteten darauf hin, dass das SachbeschädigungsElement des Tatbestandes gegenüber dem Gesichtspunkt der Gemeingefährlichkeit zurücktritt.“; Duttge, Jura 2006, S. 15 (16): „Aufgeworfen ist damit allerdings zugleich die Frage, ob dieser (im Vergleich zu § 303 StGB) ,überschießende Anteil‘ nicht die Betroffenheit eines weiteren Rechtsguts ausweist. Blickt man auf die gravierend erhöhte Strafandrohung (Verbrechen, § 12 I StGB!), die systematische Stellung der Vorschrift im 28. Abschnitt (,gemeingefährliche Straftaten‘) und die (bei ,reinem‘ Eigentumsschutz nicht ohne weiteres verständliche) Auswahl der Tatobjekte (siehe dagegen §§ 242, 246, 249, 303 StGB), so drängt sich der Gedanke auf, dass die mit der Brandlegung zwangsläufig einhergehende (hoch-)abstrakte Gefährdung einer unbestimmten Vielzahl von Personen und/oder Sachen einen Wertaspekt darstellt, der den Tatbestand mindestens ebenso gewichtig prägt.“ 232 Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (862); MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 19: „Unter dem Aspekt der Eigentumsverletzung rechtfertigt dies allenfalls eine Strafbarkeit bei der Tatbegehung an solchen Objekten zu verneinen, deren Wert wirtschaftlich völlig unbedeutend ist.“ 233 Vgl. hierzu auch § 2 I. 2. c) dd) (1).

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c) Die „Gefährdungslösung“ Die Analyse der „Sachbeschädigungs-“ und der „Kombinationslösung“ hat gezeigt, wie unbefriedigend deren Erklärungsmodelle zu § 306 Abs. 1 sind, da erste an der weder sachlich noch historisch begründbaren Negation des Gefährdungsmoments krankt, während letztere im unauflösbaren Spannungsverhältnis von Verletzungs- und abstraktem Gefährdungsdelikt gefangen bleibt. Daher ist zu überprüfen, inwieweit die in Vergessenheit geratene „Gefährdungslösung“ und die damit verbundene Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt eine überzeugendere Deutung der Norm ermöglicht. aa) § 306 Abs. 1 ist abstraktes Gefährdungsdelikt – zur notwendigen Abstraktion von Tatbestand und geschützten Rechtsgütern Die hartnäckig proklamierte Aussage, die Gemeingefährlichkeit sei für die Auslegung der einfachen Brandstiftung ohne Bedeutung und lediglich ein unbeachtliches Motiv, hat sich als Fehleinschätzung erwiesen.234 Vielmehr hat die Betrachtung der spezifischen Feuergefahren die Berechtigung dargetan, selbst die Inbrandsetzung eines Pkw oder eines unbewohnten freistehenden Gebäudes generell als ein gefahrträchtiges Geschehen zu bewerten.235 Aus der durch die Analyse der brandspezifischen Bedrohungen gewonnenen Erkenntnisse leitet sich wie von selbst die Notwendigkeit ab, präzise zwischen dem unmittelbaren Brandherd, der Gefahrenquelle, und den dadurch vermittelten Schadwirkungen, hauptsächlich Rauchgase und freigesetzte Wärmeenergie, zu differenzieren, da die schädigenden Effekte räumlich über den Ort der unmittelbaren Feuerentfaltung wirksam sind. Dementsprechend ist bei der Auslegung des § 306 Abs. 1 zwischen der Tatbestandsverwirklichung – der Eröffnung der brandbedingten Gefahrenquelle – und den hierdurch (potentiell) gefährdeten Rechtsgütern zu unterscheiden.236 Unter Beachtung dieser Maxime erschöpft sich das Unrecht des § 306 Abs. 1 nicht im Vorwurf, der Täter habe fremdes Eigentum durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, bzw. durch Inbrandsetzen verletzt – so aber die Quintessenz der sachbeschädigungsorientierten Lösungsansätze –, sondern der Vorwurf liegt allein darin begründet, durch die Tatbestandsverwirklichung eine brandbedingte Gefahrenquelle eröffnet zu haben, deren Auswirkungen erfahrungsgemäß geeignet sind, die Rechtsgüter Leib, Leben und fremdes Eigentum im räumlichen Umkreis des Brandherds zu bedrohen. Demnach ist der Tatbestand des § 306 Abs. 1 selbst nur Mittel zum Zweck, um fragmentarisch die

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Kritik an dieser Einschätzung bei § 2 I. 1. a) aa). Vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1) (d). 236 Ähnlich Radtke, Dogmatik, S. 201: „Der Angriff gegen das Tatobjekt durch Feuer vermittelt den Rechtsgutangriff.“ 235

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typischerweise bestehenden unberechenbaren und unkontrollierbaren Risiken des Tatmittels zu umreißen. Diesem Anliegen trägt allein die Einbettung des § 306 Abs. 1 in den Deliktstypus des abstrakten Gefährdungsdeliktes adäquat Rechnung, ist es doch Kennzeichen abstrakter Gefährdungsdelikte, tatbestandlich an generell gefährliche Verhaltensformen anzuknüpfen, ohne dabei den Eintritt eines (konkreten) Gefahr- oder Verletzungsfolges zu verlangen.237 Der tradierte systematische Regelungsstandort des § 306 Abs. 1 bei den gemeingefährlichen Delikten ist dann als klarer Hinweis an den Rechtsanwender zu begreifen, der gegenüber den Verletzungsdelikten „gelockerten“ Beziehung zwischen dem die Gefahrenquelle kennzeichnenden tatbestandlichen Erfolg und der erst dadurch vermittelten Bedrohungslage für die geschützten Rechtsgüter Leib, Leben und Eigentum bei der Normauslegung Rechnung zu tragen.238 Die Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt entkräftet zudem den seit über 100 Jahren erhobenen Einwand, die Gemeingefährlichkeit sei bloßes „Motiv“ 239 des Gesetzgebers und daher für die Normauslegung irrelevant. Roxin hat die abstrakten Gefährdungsdelikte dahingehend charakterisiert, dass bei diesem Delitkstypus der (mittelbare) Schutz bestimmter Rechtsgüter zugleich das Motiv (!) für die Schaffung der entsprechenden Strafvorschrift bilde.240 Ist § 306 Abs. 1 abstraktes Gefährdungsdelikt, dann ist die Gemeingefährlichkeit der Tat – genauer der Schutz von Leib, Leben und Eigentum vor den Streuwirkungen des Tatmittels – eben nicht „nur“ Motiv, sondern als solches zu-

237 Jescheck/Weigend, AT, § 26 I Rn. 4; Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 22: „. . . besteht . . . im Ausgangspunkt Übereinstimmung in der Straftrechtswissenschaft dahingehend, daß Merkmal des abstrakten Gefährdungsdelikts die Bestrafung eines bloß typischerweise gefährlichen Verhaltens sein soll.“; Koriath, GA 2001, S. 51 (74): „(Abstrakte) Gefährdungsdelikte lassen sich mit der Gefährlichkeit der Handlung gut begründen. Das generelle Verbot bedarf keiner Einschränkung. Das Schutzkonzept (,abstrakte Gefährdungsdelikte‘) enthält keine rechtsstaatlichen Probleme.“; LK/Walter, Vor § 13 Rn. 65: „Abstrakte Gefährdungsdelikte sind demgegenüber eigentlich keine Gefährdungsdelikte, da sie auf eine tatsächliche Gefahr verzichten.“; Sch/Sch/Heine, Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 3: „der Unterschied zu den konkreten Gefährdungsdelikten liegt also darin, dass kein konkretes Angriffsobjekt in seiner Existenz oder Sicherheit effektiv betroffen zu sein braucht . . . Die hierzu zählenden Vorschriften umschreiben daher nur die wegen ihrer generellen Gefährlichkeit vom Gesetz mißbilligten Handlungen oder Zustände . . .“; Radtke, Dogmatik, S. 98: „Der Typus abstraktes Gefährdungsdelikt setzt, weil der Eintritt der Gefahr nicht Tatbestandsmerkmal ist, Klarheit darüber, wie konkrete Gefahr inhaltlich auszufüllen und wann in einer bestimmten Tatsituation ein Zustand konkreter Gefahr eingetreten ist, nicht voraus.“ 238 Dies verdeutlicht die Problematik der „Kombinationslösung“, die zwar das Anliegen der Kennzeichnung gefährlicher Situationen anerkennt, den Tatbestand aber durch die angesonnene Doppelfunktion – konkrete Eigentumsverletzung plus Kennzeichnung abstrakter Gefährlichkeit – schlicht überfrachtet. 239 Binding, Normen I, S. 382 Fn. 26; Geerds, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15 (27 f.); Wolff, JR 2002, S. 94 (96); vgl. § 1 B. II. 1. und § 1 B. II. 2. 240 Roxin, AT I, § 2 Rn. 68 ff.

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gleich der Schutzzweck der Norm und von höchster Relevanz für deren Auslegung.241 Im Übrigen vermag die Klassifizierung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt den Einwand zu entschärfen, die Norm pönalisiere in erheblichem Umfang ungefährliches Verhalten, genauer Situationen, in denen konkrete Rechtsgutsgefährdungen oder -verletzungen fernliegend seien. Dieses Faktum ist vielmehr eine unvermeidbare Nebenwirkung abstrakter Gefährdungs- oder präziser Gefährlichkeitsdelikte242, deren Wesen in der pauschalen Ausblendung der konkreten Tatumstände zum Tragen kommt.243 So wird z. B. die abstrakte Gefährlichkeit einer Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich konkret nur um eine kurze folgenlose Fahrt zur Nachtzeit ohne verkehrskritische Situationen gehandelt hat und dass der mit 1, 3 Promille alkoholisierte und alkoholerfahrene Fahrer die Lage „sicher“ beherrschte.244 Und ein Meineid gem. § 154 ist nach hM auch dann verwirklicht, wenn der gesamte Gerichtssaal einschließlich der Richter um die Falschheit der beeideten Zeugenaussage weiß, so dass das Rechtsgut des öffentlichen Interesses an der wahrheitsgemäßen Tatsachenfeststellung in gerichtlichen und anderen Verfahren245 nicht gefährdet ist. Die Problematik der Strafbarkeit von konkret „ungefährlichem“ Verhalten ist deshalb kein spezifisches Problem der einfachen Brandstiftung, sondern Wesensmerkmal der ohnehin kontrovers beurteilten Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte.246 Somit bietet die „Gefährdungslösung“ zumindest eine schlüssige Erklärung dafür, warum § 306 Abs. 1 „systembedingt“ auch konkret ungefährliches Verhalten umfasst, allzumal in diesem Zusammenhang erneut daran zu erinnern ist, dass das Ausbleiben einer konkreten Gefahr eben oft dem Zufall geschuldet ist und nicht notwendigerweise das Verdienst des Täters sein muss. Der Einordnung der einfachen Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt stehen im Ergebnis auch nicht die Gesetzesmaterialen zum 6. StrRG 1998 entge241 Anerkannte abstrakte Gefährdungsdelikte, wie die Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 (zwar ist umstritten, ob hier Leben, Leib und Eigentum – so SK-StGB/Horn/Wolters, § 316 Rn. 1 – oder das Universalinteresse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs – so Fischer, § 316 Rn. 2 f.; LK/König, § 316 Rn. 3 – geschützt sind) oder die uneidliche Falschaussage § 153 (Rechtsgut ist hier die staatliche Rechtspflege, vgl. Fischer, Vor § 153 Rn. 2) benennen nicht die geschützten Rechtsgüter, sondern diese müssen erst im Wege der Auslegung ermittelt werden. 242 Hirsch, in: FS Kaufmann, S. 545 (558). 243 Radtke, Dogmatik, S. 154 ff.; Koriath, GA 2001, S. 51 (69 f.); Sch/Sch/Heine, Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 3a. 244 Koriath, GA 2001, S. 51 (69); MüKo-StGB/Groeschke, § 316 Rn. 2; SK-StGB/ Horn/Wolters, § 316 Rn. 2. 245 Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 738; Sch/Sch/Lenckner/Bosch, Vorbem. §§ 153 ff. Rn. 2 mwN. 246 Vgl. Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 349 ff.

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gen, in denen § 306 Abs. 1 als „Spezialfall der Sachbeschädigung“ 247 bezeichnet wird. Unumwunden ist einzuräumen, dass der Reformgesetzgeber von 1998 sicher nicht die Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt vor Augen hatte, zumal die „Gefährdungslösung“ im Reformzeitpunkt 1998 nahezu vollständig abhanden gekommen war. Die Materialien sind vielmehr ein beredtes Zeugnis für die Unsicherheit des Gesetzgebers, indem er die konträren Konzeptionen der „Sachbeschädigungslösung“ und der auf der Konkretisierung der abstrakten Gemeingefährlichkeit durch Benennung gewisser Tatobjekte aufbauenden „Gefährdungslösung“ bedenkenlos verband.248 Die Analyse der „Kombinationstheorie“ hat gezeigt, dass sich die beiden konträren Elemente der Sachbeschädigung und der abstrakten Gemeingefährlichkeit aber nicht sinnvoll fusionieren lassen.249 Festzuhalten ist jedenfalls, dass der Reformgesetzgeber von 1998 bemüht war, den Aspekt der Gemeingefährlichkeit in § 306 Abs. 1 entgegen der zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. herrschenden „Sachbeschädigungslösung“ zu reiinitieren, weshalb die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt jedenfalls diesem Anliegen vollständig gerecht wird.250 Die (Wieder-)Anknüpfung an die „Gefährdungslösung“ legitimiert sich aber auch aus der Tatsache, dass die Reformmaterialien § 306 Abs. 1 als bewusste Weiterentwicklung der strukturanalogen Vorgängernorm § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. ausweisen, für die bis in das 20. Jahundert hinein die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt vorherrschend war.251 Der zu erwartenden Einwand, die eigentumsrechtliche Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte sei mit der Zielsetzung der Erfassung der abstrakten Gefährlichkeit nicht in Einklang zu bringen, wird an anderer Stelle noch zu entkräften sein.252 bb) Zum Wesen des abstrakten Individualrechtsgüterschutzes Die Gemeingefährlichkeit als Topos für die spezifische Feuergefährlichkeit weist zugleich den Weg zur Bestimmung der durch § 306 Abs. 1 geschützten Rechtsgüter. Da die Naturgewalt Feuer eine undifferenzierte „gleichgerichtete“ Schadwirkung auf alle in ihrem Einwirkungsbereich befindlichen Objekte entfaltet, seien es belebte Körper, wie Menschen und Tiere, oder unbelebte Sachen, ist es deshalb zwingend, sowohl Leib, Leben als auch Eigentum gleichermaßen als geschützt anzusehen.253 Soweit nämlich dem Täter prinzipiell eine Einschät247

BT-Drucks. 13/8587, S. 87. BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 249 Vgl. § 2 I. 1. b) bb) und § 2 I. 1. b) dd). 250 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 251 Vgl. § 1 B. II. 1. mwN. 252 Vgl. § 2 I. 1. c) cc). 253 So mit Recht schon RGSt 11, 345 ff. und zum sachlichen Gefahrenpotential von Bränden bereits bei § 2 I. 1. a) aa). 248

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zungsprärogative über den Tatverlauf mit Verweis auf die tattypische unberechenbare Dynamik verwehrt wird, ist auch eine Eingrenzung der Gefährlichkeit auf spezielle Rechtsgüter nicht begründbar. Trotz unterschiedlicher Vulnerabilität der geschützten Individualrechtsgüter sind diese prinzipiell auf dieselbe Linie gestellt, weshalb sich eine generelle Eingrenzung auf einzelne Rechtsgüter aus dem Wesen des Tatmittels heraus verbietet.254 Allein eine derart breit angelegte Schutzrichtung des § 306 Abs. 1 ist ein angemessenes normatives Korrelat zum vielschichtigen brandspezifischen Gefährdungsspektrum unter Berücksichtigung des Faktums der institutionalisierten Brandbekämpfung. Insbesondere die Einbeziehung von Leib und Leben in den Schutz des § 306 Abs. 1 rechtfertigt sich aus dem Faktum, dass der Angriff mittels Feuer auf die dort genannten Tatobjekte, selbst wenn diese nicht dem Personenaufenthalt dienen, das Eingreifen professioneller Retter und deren räumliche Konfrontation mit den Gefahren des Brandes heraufbeschwört.255 Im Übrigen lassen sich aus den Reformdiskussionen weitere Hinweise für die Berechtigung einer derart breit angelegten Schutzrichtung der einfachen Brandstiftung entnehmen. So sahen § 306 Abs. 2 E 6. StrRG und § 306 Abs. 2 E 6. StrRG BR ursprünglich vor, § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. in Anknüpfung an § 320 Abs. 2 E 1960 und § 320 Abs. 2 E 1962 durch ein konkretes Gefährdungsdelikt zu ersetzen, das alternativ die konkrete Gefährdung von Leib, Leben oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert forderte. Obwohl sich dieser Vorschlag nicht durchsetzte, stützt er die Einschätzung, dass die genannten Individualrechtsgüter durch Brände typischerweise gleichermaßen gefährdet sind. Auch andere gemeingefährliche Delikte, wie der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 oder die Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1, knüpfen alternativ an die konkrete Gefährdung von Leib, Leben oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert an, eben weil die dort beschriebenen Handlungen gleichermaßen gefährlich für die genannten Rechtsgüter sind.256 Daneben impliziert die systematische Bezugnahme der §§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3, 306b Abs. 1, 306c auf § 306 Abs. 1, dass der Gesetzgeber den Eintritt von Gefährdungen bzw. Schäden an Leib und Leben als naheliegende Verdichtung der in der einfachen Brandstiftung angelegten Grundgefährdung versteht. Außerdem erfordert der spezifische Gefahr- oder Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Grundtatbestand (§ 306 Abs. 1) und Erfolgsqualifikation 254 Selbstverständlich ist, dass der gleichrangige Schutz von Leib, Leben und Eigentum nicht bedeutet, konkret eine kumulative Gefährdung der genannten Individualrechtsgüter zu verlangen. 255 Zur Berücksichtigung von Retterschäden und -gefährdungen bei § 306a Abs. 2 vgl. § 2 III. 2. b) cc). 256 Vgl. auch §§ 307 Abs. 1, 308 Abs. 1, 311 Abs. 1, 312 Abs. 1, 313 Abs. 1, 315 Abs. 1.

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(§§ 306b Abs. 1, 306c), dass der Eintritt der schweren Folge eine Manifestation der im Grundtatbestand angelegten eigentümlichen Gefahr ist, was einen weiteren Anhaltspunkt für die in § 306 Abs. 1 angelegte abstrakte Leibes- und Lebensgefährlichkeit darstellt.257 Zudem ermöglicht die Loslösung von der Fixierung auf den Eigentumsschutz am Tatobjekt die angemessene Erfassung der regelmäßig aus der Tatbegehung folgenden erheblichen Sachgefährdungen. Die in § 306 Abs. 1 genannten Tatobjekte, wie Gebäude und Hütten (Nr. 1), Warenlager und Warenvorräte (Nr. 3) oder die in Nr. 4 genannten Fortbewegungsmittel, sind oftmals (freilich nicht zwingend) in einen wirtschaftlichen bzw. sozialen Sinnbezug menschlichen Schaffens und Wirkens eingebettet, was zugleich eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines räumlichen-funktionalen Zusammenhangs zu weiteren (fremden) Sachgegenständen nahelegt, die im Brandfall ebenfalls bedroht sind. Dass durch die Verwirklichung des § 306 Abs. 1 provozierte Sachgefährdungen und -verletzungen eine naheliegende Folgewirkungen der Tat sind, wird selbst von Vertretern der „Sachbeschädigungslösung“ zugestanden.258 Zu betonen ist, dass die hier vorgeschlagene Deutung des Schutzzwecks des § 306 Abs. 1 kein Novum ist, sondern, wie die historische Analyse der Vorgängernormen gezeigt hat, in Kontinuität zu entsprechenden Einschätzungen in Schrifttum und Rechtsprechung zu §§ 286 preuß. StGB, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. steht.259 Bereits das Reichsgericht führte in Bezug auf die unmittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. mit Recht aus, dass hier durch die Tat „regelmäßig Mobilien und leicht auch Gesundheit oder Leben der mit der Löschung des Feuers oder mit der Bergung von Sachen befassten Personen gefährdet“ 260 seien.

257 So auch: Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 7; zum gefahrspezifischen Zusammenhang: Sch/Sch/Cramer/Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 4; SSW/Wolters, § 306b Rn. 5, § 306c Rn. 3. Dabei genügt es, dass die schwere Folge, also der Tod (§ 306c) bzw. die Personenverletzung (§ 306b Abs. 1), entweder aus der spezifischen Gefährlichkeit der Brandstiftungshandlung, der sog. Handlungsgefährlichkeit, bzw. des Brandstiftungserfolgs, der sog. Erfolgsgefährlichkeit, erwächst (MüKo-StGB/Radtke, § 306c Rn. 11; Rengier, JuS 1998, S. 397, 400; Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 2; SK-StGB/Wolters, § 306c Rn. 3), was bei § 307 Nr. 1 StGB a. F. heftig umstritten war, vgl. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 126 ff. Der spezifische Gefahrzusammenhang ist demnach gewahrt, wenn das Opfer durch eine unbeabsichtigte Explosion des Zündmittels beim Versuch der Brandlegung getötet wird oder wenn aufgrund des Brandes gelöste Gebäudeteile das Opfer erschlagen. 258 SSW/Wolters, § 306 Rn. 22. 259 Kratzsch, JR 1987, S. 360 (364): „Und zwar auch in dem Funktionsbereich des § 308 I 1. Alt., der entgegen der h. M. . . . nicht einen Spezialfall der Sachbeschädigung regelt, sondern der Verhinderung einer Gemeingefahr für Eigentum, Leben und Gesundheit eines anderen dient.“; Wolff, JR 2002, S. 94 f.; zu den Vorgängernormen: § 1 A. III. 1. und § 1 B. II. mwN. 260 RGSt 11, 345 (347).

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Die Feststellung, dass die einfache Brandstiftung den abstrakten Schutz von Leib, Leben und Eigentum intendiert, erfordert eine klarstellende Abgrenzung gegenüber der Schutzrichtung der tatmitteloffenen Lebens-, Körperverletzungsund Eigentumsdelikten.261 Die Betrachtung der individuellen Dispositionsbefugnis der jeweiligen Rechtsgutsträger kontrastiert die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Schutzzweckperspektive dabei am klarsten. Während bei den §§ 223 ff., 303, 305 der Rechtsgutsträger grundsätzlich im Wege der Einwilligung über seine Rechtsgüter disponieren darf – bei §§ 223 ff. nur innerhalb der Grenzen des § 228 –, so scheidet für § 306 Abs. 1 auf Basis der „Gefährdungslösung“ die Erteilung einer rechtfertigenden Einwilligung durch den Eigentümer mit Rücksicht auf dessen fehlende Dispositionsbefugnis aus; denn § 306 Abs. 1 schützt die Individualrechtsgüter Leib, Leben und Eigentum verschiedener Rechtsgutsträger vor den Streuwirkungen gewisser Brände. Diese Rechtsgüter werden daher nicht individualisiert, sondern „gattungsmäßig“ vor einer unspezifischen Bedrohung diffuser Natur geschützt. Es geht nicht – wie bei den tatmitteloffenen Verletzungsdelikten – um den Schutz einer bestimmten Person bzw. eines bestimmten Rechtsguts. Dieses Spezifikum des § 306 Abs. 1 verbirgt sich offenbar auch hinter der gelegentlich geäußerten Einschätzung, die Brandstiftungsdelikte dienten dem Schutz der Allgemeinheit, bzw. die Allgemeinheit sei durch den Angriff betroffen.262 Terminologisch ist der Verweis auf die Allgemeinheit insofern unglücklich, als er zur Annahme verleiten könnte, die Allgemeinheit selbst bzw. ein Universalrechtsgut seien das Schutzanliegen der §§ 306 ff.263 Allerdings ist der Verweis auf den Schutz der Allgemeinheit legitim, wenngleich terminologisch unscharf, sofern damit auf den generalisierenden und unkonkretisierten (und in diesem Sinn: allgemeinen) Schutz von Leib, Leben und Eigentum im Gegensatz

261 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 75: „Die Brandstiftungsnormen dienen dem Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum und haben insofern denselben Zweck wie die Verbotsnormen, die in den Tötungs-, Körperverletzungsund Sachbeschädigungsnormen mit Strafe bewehrt sind.“ 262 Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 211 f.; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 8: „Die Bedrohung der Sachbeschädigung in § 306 I mit gegenüber §§ 303, 305 deutlich strengerer (Verbrechens-)Strafe lässt sich mit der Verletzung fremden Eigentums an wichtigen Tatobjekten allein nicht erklären, sondern nur mit der Brandstiftungen generell innewohnenden Gefährlichkeit für Leben und Gesundheit unbestimmter Einzelner, mit der Folge der Betroffenheit der Allgemeinheit.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); ähnlich bereits Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 719: „Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen. I. In diesem Abschnitt behandelt das Gesetz eine Reihe von Delikten, die sich nicht nur gegen einzelne, sondern auch gegen die Gesellschaft richten und gerade unter diesem letzterem Gesichtspunkt zu würdigen sind.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); ähnlich zu § 306a Abs. 1 StGB: Rengier, BT II, § 40 Rn. 18: „Es handelt sich um ein klassisches abstraktes Gefährdungsdelikt, das dem Schutz der Allgemeinheit vor den von den Tathandlungen ausgehenden unberechenbaren (Lebens-)Gefahren dient . . .“ 263 Kritisch zur These eines kollektivistischen Einschlags bei § 2 I. 1. b) aa).

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zu den tatmitteloffenen Verletzungsdelikten der §§ 211, 212, 223 ff., 303, 305 Bezug genommen wird. cc) Plädoyer für eine schutzzweckkonforme Auslegung der Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte Die Rechtfertigung der Begrenzung auf „fremde“ Tatobjekte ist vor dem Hintergrund der Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt eine Bewährungsprobe, da die eigentumsrechtliche Beschränkung gewohnheitsmäßig als Beweis für die analoge Struktur zu den Sachbeschädigungsdelikten bewertet wird.264 Die Beschränkung auf „fremde“ Objekte spreche, so ein verbreiteter Einwand, gegen die Akzeptanz des Gefährdungsgedankens, stünden doch die eigentumsrechtlichen Verhältnisse am Tatobjekt in keinem Konnex zu der durch die Tatbegehung verursachten Gefährdung.265 Für die „Gefährdungslösung“ besteht, wie Kreß passend bemerkt hat, die wesentliche Aufgabe ihres Deutungsmodells darin, die Hintergründe, auf denen die Beschränkung auf fremde Tatobjekte beruht, aufzuschlüsseln.266 Die Erfassung der eigentumsrechtlichen Beschränkung des § 306 Abs. 1 kann jedoch nur gelingen, sofern die im historischen Teil gewonnenen Erkenntnisse zur Genese des § 286 preuß. StGB, der erstmals diese Restriktion enthielt, rekapituliert werden. (1) Die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung – ein vergessenes konzeptionelles Anliegen des Brandstrafrechts Die Entstehungsgeschichte des § 286 preuß. StGB unter Berücksichtigung der partikularrechtlichen Brandstiftungsdogmatik hat belegt, dass ursprüngliches Anliegen der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs die Begünstigung des Eigentümers für den Fall der Inbrandsetzung eigener Objekte war, die sog. Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung.267 So verweisen die Motive zum preuß. StGB 1851 ausdrücklich darauf, dass die Anzündung tätereigener Tatobjekte, wie Wälder, Torfmoore oder von Früchten auf dem Feld durchaus geboten sein könne, „um den Verheerungen der Raupen ein Ziel zu setzen oder eine bessere wirthschaftliche Benutzung möglich zu machen“ 268, und stützten darauf die eigentumsrechtliche Restriktion der Tatobjekte in § 286 preuß. StGB. 264 Vgl. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 73: „Eindeutig stellt § 306 auf die Inbrandsetzung fremder Tatobjekte und damit auf die Verletzung eines bestimmten Angriffsobjekt und des Rechtsguts Eigentum ab.“; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 38; vgl. § 2 I. 1. a) und zu den Vorgängernormen § 1 A. III. 2. und § 1 B. II. 2. 265 Exemplarisch Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1. 266 Kreß, JR 2001, S. 315 (319); Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 14 ff. 267 Eingehend dazu vgl. § 1 A. III. 4. b). 268 Goltdammer, Materialien II, S. 644; Bleich, Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses, Band 4, S. 442 f.

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Dass der Ausschluss der Anzündung tätereigener Tatobjekte aus dem Anwendungsbereich des § 286 preuß. StGB eine weitreichende Exzeption von jenen Grundsätzen darstellt, die das preußische Brandstrafrecht konzeptionell prägten, wird daran deutlich, dass die Inbrandsetzung eines Waldes (und zwar unbeschadet der Eigentumsverhältnisse hieran) in den Entwürfen zu einem preuß. StGB von 1843 bis 1847 noch als gesetzliches Beispiel für die Verursachung einer Gemeingefahr für fremdes Eigentum benannt wurde.269 Mit der Inbrandsetzung eines solchen „flächigen“ Tatobjekts drohe, so die damalige Sicht, regelmäßig die Entstehung eines unkontrollierbaren Großbrandes, also einer gemeinen Gefahr im engeren Sinn.270 Deshalb war der preußische Gesetzgeber trotz entsprechender Forderungen zunächst nicht gewillt, eine Ausnahmeregelung zugunsten der Eigentümer der betreffenden Tatobjekte aufzunehmen.271 Erst in § 197 E 1848 und Art. 204 E 1849 wurde der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im Sinne des Ausschlusses tätereigener Tatobjekte Rechnung getragen, da es – so die Überlegungen – für die Anzündung eigener Tatobjekte durchaus berechtigte Gründe geben könne. Klarzustellen ist, dass die Eigentümerbrandstiftung nicht beabsichtigte, den Eigentümer prinzipiell aus dem Anwendungsbereich der Brandstiftung zweiter Klasse auszuschließen, sondern dass hiermit lediglich bezweckt war, die Strafbarkeit des Eigentümers gesonderten, höheren Voraussetzungen zu unterwerfen. Die Anzündung eines tätereigenen Tatobjekts des § 286 preuß. StGB sollte nur dann gem. § 287 preuß. StGB strafbar sein, wenn eine abstrakte Brandübertragungsgefahr auf ein Tatobjekt der §§ 285, 286 preuß. StGB geschaffen wurde.272 Die Tatverübung am tätereigenen Tatobjekt war – anders als im Fall der Tatbegehung seitens des Nichteigentümers – durch den Nachweis der Verursachung einer abstrakten Brandübertragungsgefahr als Beleg für die Gefährlichkeit der Handlung bedingt. Die Eigentümerbrandstiftung sollte also nur unter der Bedingung ihrer Ungefährlichkeit straflos bleiben. Andere Partikularstrafgesetzbücher aber auch § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. haben diese Intention konzeptionell dagegen klar zum Ausdruck gebracht, denn dort war der Fall der Eigentümerbrandstiftung gesondert geregelt. Das preuß. StGB hingegen verschmolz aus Praktikabilitätserwägungen die alternative Tathandlung der mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB mit den Voraussetzungen der strafbaren Eigentümerbrandstiftung zweiter Klasse, was die bezweckte Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im preuß. StGB systematisch kaschierte.273 269 Goltdammer, Materialien II, S. 643; vgl. § 530 E 1843; § 338 E 1845; § 354 E 1846; § 361 E 1847. Dazu eingehend bei § 1 A. II. 4. 270 So auch noch heute Wolff, JR 2002, S. 94 (96). 271 Motive E 1847, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, Band 6, Teil 2, S. 970. 272 Vgl. § 1 A. III. 4. b) dd). 273 Vgl. § 1 A. III. 4. b) bb) und § 1 A. III. 4. b) dd).

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Dieser, an die eigentumsrechtliche Zuordnung der Tatobjekte anknüpfende Regelungsmechanismus kam auch noch in § 308 Abs. 1 StGB a. F. deutlich zum Ausdruck, da sich § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. nur auf täterfremde Tatobjekte bezog, während die mittelbare Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. allein den Fall der Eigentümerbrandstiftung regelte.274 Auch einige Reformentwürfe zu Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. § 254 E 1919; § 201 E 1925) hielten an der Unterscheidung zwischen beiden Tätergruppen fest und forderten für den Fall der Anzündung eigener Tatobjekte höhere Voraussetzungen für die Tatvollendung als beim Nichteigentümer.275 Für den Fortgang der Untersuchung ist somit festzuhalten, dass sich die partikularrechtliche und preußische Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, deren Bedeutung als eigenständiges Prinzip schon für § 286 preuß. StGB weitgehend verkannt wurde, materiell auf verschiedene Momente stützt. Zunächst konnte mit der Anzündung eigener Tatobjekte ein legitimer und sozialadäquater Zweck verfolgt werden, wie der Gebrauch von Feuer als Kulturmittel in der Landwirtschaft.276 Ziel der Brandstiftung ist in diesen Fällen nicht die Schädigung oder Gefährdung Dritter, sondern die Nutzung und Erhaltung des eigenen Eigentums. Zudem wurde seitens der Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts immer wieder darauf verwiesen, dass die Anzündung eigener Sachen grundsätzlich durch die Befugnis des Eigentümers gedeckt sei, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren.277 Des Weiteren basierte die Privilegierung des Eigentümers auf der Einschätzung, dass die Anzündung tätereigener Objekte typischerweise weniger gefährlich sei, als deren Inbrandsetzung durch Dritte, so dass die Eigentümerstellung als abstrakt gefahrmindernder Umstand bewertet wurde. Dafür spricht, dass der Eigentümer als rechtlich befugte Person Dritte vom Tatobjekt ausschließen kann und darf, da ihm grundsätzlich die (zivil-)rechtlich legitimierte Kontroll- und Einwirkungsbefugnis zusteht.278 Fernerhin kann der Eigentümer offen über Zeit, Art und Umfang der Brandlegung bestimmen und gefahrmindernde Gegenmaßnahmen in die Wege leiten, zumal angesichts der legitimen Zwecksetzung – un-

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Vgl. § 1 B. III. 3. d). Vgl. § 1 B. III. 3. d). 276 Goltdammer, Materialien II, S. 644; vgl. auch § 1 A. III. 4. b) cc). 277 Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 585 f. 278 Ähnlich Kratzsch, JR 1987, S. 360 (364); MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 61 Fn. 195; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 15. Die Sicht, wonach der rechtlich geschützte Sachbesitz einen gefahrmindernden Umstand darstellt, teilt auch der Bundesgerichtshof zur schutzzweckkonformen Begründung der Akzeptanz der Entwidmung eines Wohngebäudes gem. § 306 Nr. 2 StGB a. F. (= § 306a Abs. 1 Nr. 1) durch den einzigen, nur schuldrechtlich besitzberechtigten, Mieter, BGH, NStZ 1981, S. 224; hierzu unter § 1 B. IV. 3. a). 275

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mittelbar betroffen ist zunächst nur das disponible Eigentum des Brandstifters – nicht die Notwendigkeit eines heimlichen Vorgehens besteht und der Eigentümer typischerweise das Interesse an einem sachgerechten risikominimierten Gebrauch des Tatmittels besitzt. In den geschilderten Fällen der Eigentümerbrandstiftung fehlt der Tat letztlich der Charakter eines „feigen“ Brandanschlags. Das Konzept der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung läuft im Ergebnis auf die gesetzliche Überantwortung eines eigenverantwortlichen Handlungsfreiraums zugunsten des Eigentümers hinaus, dem somit die Anzündung gewisser Tatobjekte in Grenzen gestattet war, deren Inbrandsetzung für Dritte ohne Ausnahme strafbar war. Ohne eine entsprechende eigentumsrechtliche Restriktion des Tatobjektskatalogs des § 286 preuß. StGB wären sozial akzeptierte und wirtschaftlich sinnvolle Fälle der Eigentümerbrandstiftung strafrechtlich erfasst worden. Nur unter Berücksichtigung dieser komplexen historischen Hintergründe ist die eigentumsrechliche Eingrenzung des Tatobjektskatalogs, die § 306 Abs. 1 von § 286 preuß. StGB und § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. „ererbt“ hat und die aus dem Blickwinkel der „Gefährdungslösung“ zunächst als systemwidriger Fremdkörper erscheint, überhaupt erklärbar. Einzig das Eingeständnis, dass die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung auch eine rechtspolitisch motivierte und an praktischen Bedürfnissen orientierte Ausnahmebestimmung zugunsten des Eigentümers ist, kann das Faktum der gesetzlichen Akzeptanz von konkret gefährlichen, aber dennoch straffreien Fällen der Eigentümerbrandstiftung an den Tatobjekten des § 306 Abs. 1 überhaupt erklären. Dies wird daran deutlich, dass nach geltendem Recht die Inbrandsetzung eines eigenen Waldes selbst dann straflos gestellt ist, wenn hierdurch ein Großbrand im Sinne einer voll realisierten „Feuersbrunst“ entsteht, der den Einsatz von hunderten Rettungskräften notwendig macht. Sofern die Tat nicht fahrlässig (§ 306d Abs. 1, Var. 3) oder vorsätzlich (§ 306a Abs. 2) die konkrete Gesundheitsgefährdung einer anderen Person provoziert oder hierdurch Tatobjekte der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 fahrlässig in Brand setzt (§ 306d Abs. 1, Var. 1 und 2) bzw. eine Brandgefahr nach § 306f herbeigeführt wird, bleibt selbst eine derart gefährliche Eigentümerbrandstiftung straflos. Das 6. StrRG 1998 hat die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung zudem faktisch ausgeweitet, indem die mittelbare Brandstiftung nach § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. und die darin enthaltene abstrakte Sachgefährlichkeit gestrichen wurde, und stattdessen nun die vorsätzlich bzw. fahrlässig bewirkte konkrete Gesundheitsgefährdung einer anderen Person (§§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3 und Abs. 2) bzw. die fahrlässig oder vorsätzlich bewirkte Inbrandsetzung oder völlige oder teilweise Zerstörung anderer Tatobjekte (§§ 306d Abs. 1 Var. 1 und 2) die Grenze der Straffreiheit des Eigentümers markieren. Weiter ist zu beachten, dass die allein an den eigentumsrechtlichen Verhältnissen orientierte Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung nahtlos in die ab-

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strakte Grundkonzeption des § 306 Abs. 1 passt.279 Ebensowenig, wie es darauf ankommt, ob die Verwirklichung des § 306 Abs. 1 konkret gefährlich ist – ausschlaggebend ist allein die generelle Gefährlichkeit solcher Taten – ebensowenig ist es für die abstrakt gewährte Begünstigung des Eigentümers entscheidend, dass er konkret gefahrmindernd gehandelt hat oder mit der Anzündung des Tatobjekts einen legitimen Zweck verfolgt, so lange nicht die durch §§ 306a, 306d gezogenen Grenzen überschritten werden. Die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung als Grundlage für die eigentumsrechtliche Restriktion der Tatobjektskataloge des § 286 preuß. StGB und seiner Nachfolger ist in ihrer Bedeutung letztlich nur von Wanjeck erfasst worden. Frühzeitig bewertete er die eigentumsrechtliche Begrenzung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. als „singuläre Vorschrift zugunsten des Eigentümers“ 280, d. h. als Ausnahmeregelung, die erstmals in § 286 preuß. StGB aus „Nützlichkeitsgründen“ 281 aufgenommen worden sei. Spätere Stellungnahmen haben sich zumindest dem Gesichtspunkt der verminderten Gefährlichkeit der Eigentümerbrandstiftung als Grund für die eigentumsrechtliche Restriktion der Tatobjekte angenähert. So hat Kratzsch mit Blick auf § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. darauf verwiesen „daß gegenüber Nichteigentümern des Brandobjekts das Schutzbedürfnis oft größer ist“ 282 als gegenüber dem Eigentümer. Ebenso meint Radtke, dass sich tätereigene Tatobjekte im Fall des § 306 Abs. 1 regelmäßig im Einwirkungsbereich des Eigentümers befänden, weshalb „aufgrund der möglichen ständigen Sachherrschaft und Sachkontrolle eine höchst abstrakte Gemeingefahr typischerweise ausgeschlossen“ 283 sei. Auch Börner schätzt die aus der Eigentümerbrandstiftung hervorgehenden Gefahren als geringer ein, da dem Eigentümer nicht nur die tatsächliche Sachherrschaft zukomme, sondern er typischerweise mit seiner Sache am besten vertraut sei und die aus einem Brand entstehenden Gefahren besser abzuschätzen vermöge, als ein beliebiger Dritter.284 Obwohl die vorgenannten Äußerungen zutreffend die Eigentümerbrandstiftung als ein abstrakt gefahrminderndes Bewertungsmoment beurteilen, so bleiben Radtke und Börner trotzdem der Anschauung verhaftet, dass sich in der Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte letztlich die Sachbeschädi-

279 Übrigens exisitiert eine vergleichbare abstrakte Einschränkungen auch bei der Trunkenheit im Verkehr gem. § 316, sofern davon ausgegangen wird, dass diese Norm Leben, Gesundheit und fremdes Eigentum schützt (so SK-StGB/Wolters, § 316 Rn. 2). Fährt der Täter mit einem Geländewagen auf offenem Feld im fahruntüchtigen Zustand, dann bewegt er sich außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums und handelt daher nicht tatbestandsmäßig, selbst wenn er dabei Leib, Leben und Eigentum Dritter gefährdet, dazu LK/König, § 316 Rn. 6, § 315b Rn. 4 ff. 280 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (28). 281 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (25). 282 Kratzsch, JR 1987, S. 360 (364). 283 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 61 Fn. 195. 284 Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 15.

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gungskomponente des § 306 Abs. 1 manifestiere.285 Bei Radtke dient der Verweis auf die abstrakt verminderte Gefährlichkeit der Eigentümerbrandstiftung aber lediglich zur Absicherung der seiner Ansicht nach möglichen Erteilung einer rechtfertigenden Einwilligung bei § 306 Abs. 1, um insofern die Bedeutung der Gefährlichkeitskomponente abzuschwächen und den Einwand zu relativieren, der Eigentümer sei zur Disposition über die Gefährdung fremder Individualrechtsgüter befugt.286 Jedoch beweist die Entstehungsgeschichte des § 286 preuß. StGB, dass nicht die Kennzeichnung eines Sachbeschädigungselements der Hintergrund der eigentumsrechtlichen Beschränkung war, sondern vielmehr die Überführung der Eigentümerbrandstiftung an den Tatobjekten des § 286 preuß. StGB in den Anwendungsbereich des § 287 preuß. StGB. Zudem war die abstrakt verminderte Gefährlichkeit der Eigentümerbrandstiftung nur ein, wenngleich zentrales, Element der partikularrechtlichen Konzeption der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, was Radtke und Börner verkennen. (2) Zur Auslegung von „fremd“ als tatbestandseinschränkendes Regulativ Die den Normanwendungsbereich begrenzende Regelungsfunktion der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs in § 306 Abs. 1 wirft weitergehend die Frage auf, ob die überkommene Auslegung von „fremd“ im Sinn von „in fremden Eigentum stehend“ der intendierten Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung überhaupt gerecht wird. Im Rahmen der Darstellung des § 286 preuß. StGB wurde bereits gezeigt, dass zwei strukturell verschiedene Auslegungsvarianten des Wortes „fremd“ bestehen.287 Die Vergegenwärtigung dieser unterschiedlichen Möglichkeiten bildet die Grundlage für die sachgerechte Auslegung des Merkmals „fremd“ vor dem Hintergrund der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung. Die erste Auslegungsoption, die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung, entspricht der herrschenden Deutung von „fremd“ in § 306 Abs. 1 im Sinne von „in fremden Eigentum stehend“ und stellt konstitutiv darauf ab, dass das Tatobjekt eigentumsrechtlich zumindest auch einer anderen Person als dem Täter zugeordnet ist.288 Dem folgend ist ein Objekt für Dritte „fremd“, weil es eigentums285 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 61 Fn. 195; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 3, 7. 286 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 61 Fn. 195. 287 Duden, Band 3, S. 1313: „Fremd (Adj.) . . . 2. Einem anderen gehörend; einen anderen, nicht die eigene Person, den eigenen Besitz betreffend.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); vgl. § 1 A. III. 4. b) ee). 288 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 46: „. . . müssen für den Täter fremd sein. Die Beurteilung richtet sich – wie im Rahmen der §§ 242 ff. – streng akzessorisch nach den Eigentumsregeln des bürgerlichen Rechts.“

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rechtlich (auch) einer anderen Person zugeordnet ist, und es ist somit strikt zwischen den drei Kategorien tätereigen, täterfremd und herrenlos zu differenzieren. Die zweite Auslegungsoption des Wortes „fremd“ baut demgegenüber auf der Negation der Kategorie „eigen“ auf. Eine Sache ist, der „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung folgend, dann „fremd“, soweit sie „keine eigene“ ist, d. h. nicht im (Allein-)Eigentum des Täters steht. „Eigen“ und „fremd“ bilden mithin ein komplementäres Begriffspaar, da auch eigentumsrechtlich herrenlose Gegenstände als „nicht eigene“ für jedermann „fremd“ sind. Nicht die Existenz von täterfremdem Eigentum an einem Objekt ist für die Begriffsbildung von „fremd“ infolgedessen ausschlaggebend, sondern das Nichtbestehen von tätereigenem Alleineigentum am Tatobjekt. Welche der beiden Auslegungsformen für § 306 Abs. 1 sachgerecht ist, hängt maßgebend davon ab, welche Funktion der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm zukommt. Unbestritten ist die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung für die Eigentumsdelikte (§§ 242 ff., 303, 305), deren Schutzzweck im konkreten Eigentumsschutz am jeweiligen Tatobjekt liegt, allein sachgerecht. Nur dadurch lassen sich schutzzweckkonform die tauglichen „täterfremden“ Tatobjekte, die eigentumsrechtlich (auch) einer anderen Person als dem Täter zugeordnet sind, von den untauglichen herrenlosen und tätereigenen Tatobjekten separieren.289 Gänzlich konträr stellt sich jedoch die Situation in Bezug auf die einfache Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 dar, denn hier soll die aus § 286 preuß. StGB übernommene Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte, die aus der Absicht der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung hervorgegangen ist, den originären Normanwendungsbereich verengen. Demgemäß trägt allein die „negativ-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung dem Charakter einer einschränkenden Ausnahmeregelung Rechnung, weil nur diese „passgenau“ das Eigentum als restingierende Tatsache bewertet.290 Ein Tatobjekt im Sinn des § 306 Abs. 1 ist deshalb nur dann „fremd“, wenn es nicht alleine dem Täter gehört. Die eigentumsrechtliche Zuordnung des Tatobjekts zu einer anderen Person ist deshalb, entgegen der ganz herrschenden Meinung, nicht erforderlich. Bedeutsame Konsequenz der „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung von „fremd“ ist die Einbeziehung von herrenlosen Tatobjekten in den Schutzbereich der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1. Zwar wird die praktische Bedeutung der Einbeziehung von herrenlosen Tatobjekten eher als gering zu veranschlagen sein, doch dies zeigt, dass die „negativ-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung keine ungebührende Ex289

Vgl. MüKo-StGB/Wieck-Noodt, § 303 Rn. 14. Wolff, JR 2002, S. 94 (95): „Es kommt hinzu, dass vermieden werden sollte, die Strafbarkeit nach § 286 auf das Anzünden eigener Tatgegenstände (Hervorhebung durch den Verfasser) zu erstrecken, wenn damit keine Gefahr für Personen oder fremde Sachen verbunden war.“ 290

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tension des Anwendungsbereichs der einfachen Brandstiftung, sondern lediglich eine moderate, aber teleologisch gebotene, Erweiterung in Randbereichen zur Folge hat. Entscheidend ist, dass sich in der Erfassung von herrenlosen Tatobjekten die endgültige Aufgabe des Dogmas manifestiert, wonach die Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte der Kennzeichnung des Sachbeschädigungscharakters der Norm diene. Diesem notwendigen Perspektivwechsel kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass auch die herrschende „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung mit der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung kompatibel sei, da sie ebenfalls den Ausschluss der tätereigenen Tatobjekte gewährleiste. Zwar ist richtig, dass die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung die Begünstigung des Eigentümers garantiert, doch ihre Problematik liegt an anderer Stelle begründet. Die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung von „fremd“ pervertiert dogmatisch die den Normanwendungsbereich begrenzende Funktion dieses Tatbestandsmerkmals, indem täterfremdes Eigentum am Tatobjekt zur Bedingung der Tatbestandsverwirklichung erhoben wird. Hierdurch wird zugleich die Tatbegehung an herrenlosen Tatobjekten vom Normanwendungsbereich ausgeschlossen, d. h. privilegiert, obwohl der Aspekt der rechtlich abgesicherten Kontroll- und Einwirkungsbefugnis, auf dem die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung (auch) gründet, hier fehlt. Ein weiterer Einwand könnte darauf abzielen, dass sich die „positiv-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung im Laufe der Zeit verfestigt habe, zumal die Vorgängernormen § 286 preuß. StGB und § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. dem Wortlaut nach ausdrücklich „fremdes Eigentum“ am Tatobjekt verlangten. Zudem hat der Reformgesetzgeber von 1998 mit der Modifikation des Wortlautes von „fremdem Eigentum“ in schlicht „fremd“, die erst die Wiederbelebung der „negativ-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung ermöglicht,291 nur das Anliegen einer sprachlichen Modernisierung bezweckt. Die Analyse des § 286 preuß. StGB, aus dem die Beschränkung auf „fremdes Eigenthum“ übernommen wurde, und ein Vergleich mit §§ 281, 285, 287 preuß. StGB haben allerdings zahlreiche Anhaltspunkte zutage gefördert, die nahelegen, dass der preußische Gesetzgeber offenbar kein Problembewusstsein hinsichtlich der verschiedenen Auslegungsoptionen des Wortes „fremd“ besaß und zudem „fremdes Eigenthum“ schlicht als Synonym für den (mehrdeutigen) Ausdruck „fremd“ verstand. Und dass eine weitreichende Divergenz zwischen den Formulierungen „fremdes Eigentum“ und „fremd“ besteht, soweit der „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung gefolgt wird, ist eine subtile Differenzierung, deren Konsequenzen sich nicht ohne

291 Eine „negativ-zivilrechtsakzessorische“ Auslegung des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. hätte das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG verletzt, da dort ausdrücklich das Bestehen von täterfremdem Eigentum gefordert war.

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Weiteres aufdrängen.292 Daher überrascht es nicht, dass diese Problematik in der Vergangenheit nur vereinzelt erkannt wurde.293 Immerhin verweist die Denkschrift zum E 1919 darauf, dass in § 254 Abs. 1 E 1919 (in Abweichung zu § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.) gezielt nur von „fremden“ Tatobjekten (anstelle von Tatobjekten in fremden Eigentum) gesprochen werde, um hierdurch die Einbeziehung von herrenlosen Tatobjekten zu gewährleisten.294 Der Konstruktionsfehler der unmittelbaren Brandstiftung wurde also nur vereinzelt erkannt. (3) Spezielle Konstellationen der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung Nachdem die Notwendigkeit aufgezeigt wurde, den Bedeutungsgehalt von „fremd“ im „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Sinne auszulegen, steht noch die Präzisierung des Umfangs der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung in speziellen Konstellationen aus. So wird zu erörtern sein, inwieweit ein Dritter, der im Einverständnis mit dem Eigentümer § 306 Abs. 1 verwirklicht, ebenfalls an der gesetzlich vorgesehenen Begünstigung des Eigentümers partizipiert und wer von der angesonnenen Privilegierung profitiert, wenn formelle und materielle Eigentümerstellung durch die Existenz eines dinglichen Anwartschaftsrechts auseinanderfallen. (a) Die einverständliche Brandlegung – ein Fall der Eigentümerbrandstiftung? Die einverständliche Brandstiftung an täterfremden Tatobjekten gem. § 306 Abs. 1 ist ein praktisch relevanter Sachverhalt, wie die zahlreichen Entscheidungen der Obergerichte in der Vergangenheit dokumentieren.295 Ausgehend von der 292 Zudem konnte gezeigt werden, dass die tatbestandliche Beschränkung auf Tatobjekte in „fremdem Eigentum“ eine Besonderheit des preuß. StGB 1851 war und dass die übrigen Partikularstrafgesetzbücher diese Problematik durch eine andere Regelungstechnik bzw. eine andere Formulierung vermieden; vgl. § 1 A. III. 4. b) ee). 293 Selbst die Problematik der „berichtigenden Auslegung“ im Rahmen der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. konnte als Folgewirkung der undifferenzierten Verwendung der Begriffe „eigen“ und „fremd“ bzw. „fremdes Eigentum“ entlarvt werden, vgl. § 1 B. III. 3) d). 294 Denkschrift E 1919, S. 201: „Hiernach ergibt sich folgende Gestaltung des Tatbestandes. Gegenstand der Brandstiftung sind nur gewisse im Gesetze aufgezählte Sachen. Gehören die Sachen nicht dem Täter, so ist das Verbrechen mit dem Inbrandsetzen vollendet; die Gefahr ist hier gesetzgeberisches Motiv, nicht Tatbestandsmerkmal (Abs. 1). Wer eigene Sachen in Brand setzt, wird wegen Brandstiftung nur bestraft, wenn eine Gemeingefahr entstanden ist . . .“ 295 Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548; Urteil des preußischen Obertribunals vom 13. März 1868, GA 16 (1868), S. 372 (374); RGSt 11, 345 (348 f.); RGSt 12, 138 ff.; BGH, Urteil vom 9. Januar 1953 – 1 StR 652/52 – (unveröffentlicht); BGH, MDR 1989, S. 493.

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Einordnung des § 306 Abs. 1 im Sinne der „Gefährdungslösung“ ist die Erteilung einer rechtfertigenden Einwilligung von vornherein exkludiert, da dem Eigentümer, wie bereits dargelegt, die Dispositionsbefugnis für die Gefährdung fremder Individualrechtsgüter fehlt.296 Damit ist aber noch nicht entschieden, dass das Einverständnis des Eigentümers in die Tatbegehung rechtlich als unbeachtliches Faktum zu qualifizieren wäre. Vielmehr legt es der Grundgedanke der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung nahe, auch Dritte, die im Einverständnis mit dem Eigentümer dessen Tatobjekt in Brand setzen bzw. dieses durch Brandlegung zerstören, an dieser Vergünstigung partizipieren zu lassen. Dafür spricht die bereits zu § 286 preuß. StGB dargestellte Überlegung, dass das Einverständnis des Eigentümers in die Tatbegehung eines Dritten zur Folge hat, dass auch die Tat gem. § 306 Abs. 1 noch normativ der Eigentümersphäre zugerechnet werden kann.297 Bezogen auf das Eigentum am Tatobjekt stellt sich dessen Inbrandsetzung sowohl für den Eigentümer, als auch für den Brandstifter als rechtmäßige Handlung dar. Auch bleibt die, ohnehin nur abstrakt zu verstehende, zivilrechtlich legitimierte Kontroll- und Einwirkungsbefugnis des Eigentümers grundsätzlich gewahrt, denn der Eigentümer kann sein Einverständnis jederzeit an Bedingungen, wie z. B. seine Anwesenheit bei der Tatbegehung oder sonstige Auflagen, knüpfen.298 Letztlich würde die Verweigerung einer tatbestandsausschließenden Wirkung des Einverständnisses des Eigentümers die Problematik aufwerfen, dass dieser ansonsten als Teilnehmer an der Brandstiftung am eigenen Tatobjekt gem. §§ 306, 26 oder 27 zu bestrafen wäre.299 In diesem Fall würde die gesetzlich intendierte Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung nachhaltig konterkariert, da sie nur auf den Fall der eigenhändigen Tatbegehung durch den Eigentümer verengt würde.300 Ein entsprechend restriktives Verständnis der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung lässt sich in den Motiven zum preuß. StGB 1851 jedoch nicht finden und wäre – auch mit Rücksicht auf den land- und forstwirtschaftlichen Gebrauch des Tatmittels Feuer und der dort gängigen Arbeitsteilung (Bewirtschaftung durch Angestellte oder Pächter) – höchst unpraktikabel.301 Im Ergebnis ist die in Übereinkunft mit dem Eigentümer erfolgende Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 als ein Fall der mittelbaren Eigentümerbrandstiftung zu 296

Vgl. § 2 I. 1. b) cc) (1) und § 2 I. 1. c) bb). Vgl. Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 ff. Hierzu bereits bei § 1 A. III. 4. b) ff) (2). 298 In eine ähnliche Richtung weisen offenbar auch Überlegungen Radtkes, MüKoStGB/Radtke, § 306 Rn. 61 Fn. 195. 299 Vgl. hierzu § 1 A. III. 4. b) ff) (1) und § 2 I. 1. b) cc) (1). 300 A. A. Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1 (27); Duttge, Jura 2006, S. 15 f.; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 8 ff. 301 Vgl. § 1 A. III. 4. b) ff) (3). 297

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bewerten, so dass auch der Nichteigentümer, vermittels des Einverständnisses des Eigentümers, an der gesetzlichen Eigentümerprivilegierung partizipiert. Ein solcher Sachverhalt ist demnach ebenso wenig tatbestandsgemäß wie eine eigenhändig vorgenommene Eigentümerbrandstiftung. Festzuhalten ist also, dass ein Tatobjekt des § 306 Abs. 1 nur dann für den Täter „fremd“ ist, wenn es nicht im Alleineigentum des Brandstifters steht (Fall der unmittelbaren Eigentümerbrandstiftung) oder der Brandstifter die Tat ohne das Einverständnis des Eigentümers verübt (Fall der mittelbaren Eigentümerbrandstiftung). Die hier zu § 306 Abs. 1 vorgeschlagene „Tatbestandslösung“ steht in Tradition zu einer entsprechenden Auffassung im partikularrechtlichen Brandstrafrecht. Schon Feuerbach/Mittermaier verwiesen darauf, dass es keinen Unterschied machen dürfe, ob ein Objekt direkt vom Eigentümer oder durch einen Dritten im Auftrag des Eigentümers angezündet werde.302 Ebenso entschied das preußische Obertribunal zu § 286 preuß. StGB, dass der im Einverständnis mit dem Eigentümer handelnde Brandstifter bei Anzündung des Tatobjekts nur den Willen des Eigentümers vollziehe, weshalb der Nichteigentümer in diesem Falle (entgegen dem Wortlaut des § 286 preuß. StGB) „nicht mehr in dem Verhältnisse eines Fremden zur Sache“ 303 stehe. Einige Partikularstrafgesetzbücher, wie das StGB Bayern 1861 oder das StGB Sachsen 1855, stellten den Fall der mittelbaren Eigentümerbrandstiftung explizit der eigenhändigen Anzündung durch den Eigentümer gleich.304 Ähnlich fordert noch heute § 169 Abs. 1 StGB Österreich die Verursachung einer „Feuersbrunst“ an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers.305 Einzuräumen ist, dass dem Eigentümer damit nur scheinbar eine Dispositionsbefugnis mit Blick auf die abstrakte Gefährdung fremder Rechtsgüter zugebilligt wird, soweit sein Einverständnis in die Anzündung seines Eigentums die Tatbestandsverwirklichung eines Dritten suspendiert. Dieses Ergebnis ist aber systembedingt und folgt daraus, dass der Gesetzgeber dem Eigentümer bewusst einen Handlungsspielraum überantwortet hat. Technisch gesehen, geht es nicht um die Zubilligung einer Dispositionsbefugnis des Eigentümers über die abstrakte Gefährdung Dritter im Rahmen einer Einwilligung, sondern um die Teilhabe Dritter

302 Feuerbach/Mittermaier, Lehrbuch des Gemeinen Rechts, S. 586; ebenso: Krug, Commentar für das StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 134. 303 Urteil des preußischen Obertribunals vom 25. September 1861, in: Oppenhoff, Rechtsprechung des königlichen Obertribunals, Band 1, S. 548 ff. (Hervorhebung durch den Verfasser). Dazu und zu hiervon abweichenden Entscheidungen des preußischen Obertribunals bereits bei § 1 A. III. 4. b) ff) (2). 304 Vgl. Art. 210 StGB Sachsen 1855; Art. 350 StGB Bayern 1861 und zu § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. b) ff) (3). 305 Dazu Rex, Der Strafgrund der Brandstiftung, S. 46 f.; Kienapfel/Schmoller, BT III, §§ 169–170 Rn. 23.

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an einem dem Eigentümer gesetzlich eingeräumten Tatbestandsausschluss. Zudem entfaltet die Anknüpfung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung an das zivilrechtliche Institut des Eigentums, das seinerseits ein verfüg- und übertragbares Recht ist, notgedrungen eine Rückwirkung auf die Auslegung des Privilegs der Eigentümerbrandstiftung.306 Die in praktischer Hinsicht aus der „Tatbestandslösung“ folgenden Veränderungen gegenüber der herrschenden „Einwilligungslösung“ sind gering, können aber dann zum Tragen kommen, soweit der Eigentümer sein Einverständnis, z. B. aufgrund wesentlicher Willensmängel erteilt, was die Wirksamkeit einer Einwilligung entfallen lassen würde,307 nicht aber das Einverständnis des Eigentümers in die Tatbegehung tangiert. Hier kommt es in erster Linie auf den natürlichen Willen des Eigentümers an, der aber gegenüber dem brandstiftenden Nichteigentümer zum Ausdruck gebracht worden sein muss, um den notwendigen Konnex zur Eigentümersphäre zu vermitteln. (b) Partizipation des Anwartschaftsrechts an der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung? Die gegenwärtige Wirtschaftsordnung ist sowohl im Privat- wie im Geschäftsverkehr nicht nur vom regelmäßigen Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz gekennzeichnet, wie im Falle von Pacht, Miete oder Leihe, sondern auch von der Konkurrenz zwischen Eigentum und Anwartschaftsrecht an ein und derselben Sache. Besteht ein dingliches Anwartschaftsrecht, dann erfährt das Volleigentum als dingliches Recht eine Rechtsteilung, wodurch mit Blick auf § 306 Abs. 1 die Frage aufgeworfen ist, ob sich der Eigentümer, der Anwartschaftsberechtigte, beide oder keiner von beiden auf die historische Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung berufen kann. Zu beachten ist, dass der Tatobjektskatalog des § 306 Abs. 1 sowohl bewegliche Sachen (Nr. 3, 4, Var. 1) als auch unbewegliche Sachen (vgl. Nr. 1, Alt. 1, 5) umfasst. Da die Entstehung des Anwartschaftsrechts von der gesetzlich vorgeschriebenen Form der Eigentumsübertragung abhängt, muss die nachfolgende Betrachtung zwischen beweglichen Sachen, deren Übertragung sich nach den §§ 929 ff. BGB richtet, und unbeweglichen Sachen, deren Übertragung in den §§ 873, 925 BGB geregelt ist, differenzieren.

306 Der Eigentümer eines Tatobjekts gem. § 306 Abs. 1 könnte dieses, selbst wenn man eine eigenhändige Tatbegehung durch den Eigentümer fordert, dem Täter vor der Tat gem. §§ 929 ff. BGB übereignen, sofern es sich um eine bewegliche Sache handelt, wodurch die Verwirklichung des § 306 Abs. 1 durch den Brandstifter, nunmehr Eigentümer, ausgeschlossen wäre. 307 Fischer, Vor § 32 Rn. 3b, § 228 Rn. 7 mwN.

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(aa) Anwartschaftsrechte an beweglichen Sachen Praktisch relevant ist die im Wege der Rechtsfortbildung entstandene Figur des Anwartschaftsrechts speziell beim Kauf beweglicher Sachen unter Eigentumsvorbehalt, sowie bei bestimmten Konstellationen der Sicherungsübereignung, sofern ein automatischer Rückfall des Eigentums an den Sicherungsgeber bei Erreichen des Sicherungszwecks vereinbart wude.308 Die Institute der Sicherungsübereignung und des Kaufs unter Eigentumsvorbehalt haben heute das gesetzliche Pfandrecht nach §§ 1204 ff. BGB weitgehend verdrängt, da sie dem Sicherungsnehmer bzw. dem Eigentumsvorbehaltsverkäufer einerseits ein valides Sicherungsrecht – das Volleigentum – verschaffen, andererseits aber den Bedürfnissen des Sicherungsgebers bzw. des Eigentumsvorbehaltskäufers an der wirtschaftlichen Nutzung der Sache Rechnung tragen.309 Demgegenüber ist das Fortbestehen des gesetzlichen Pfandrechts an den Besitz des Pfandgläubigers an der Sache gebunden und erlischt nach § 1253 Abs. 1 BGB, sobald der Pfandgläubiger das Pfand dem Verpfänder oder dem Eigentümer zurückgibt. Das dingliche Anwartschaftsrecht an beweglichen Sachen ist nach herrschender Meinung gegenüber dem Eigentum kein aliud, sondern ein wesensgleiches Minus zum Eigentum und ein „eigentumsähnliches“ Recht.310 Kennzeichnend für das Anwartschaftsrecht als verselbstständigte Rechtsposition ist, dass der Eigentümer die Erstarkung des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht in der Person des Anwartschaftsberechtigten im Grundsatz311 nicht mehr verhindern kann.312 Das Anwartschaftsrecht ist daher kein beschränkt dingliches Recht,313 das nur Teilbefugnisse gewährt, sondern es steht dem Eigentum insoweit gleich, als es dem Berechtigten absolute Herrschaftsmacht gegenüber jedermann verleiht.314 Auf Grund der wesensmäßigen Gleichstellung des Anwartschaftsrechts mit dem Volleigentum315 finden zahlreiche eigentumsrechtliche Vorschriften entsprechende Anwendung, wie z. B. §§ 929 ff. BGB oder die Drittwiderspruchsklage

308 Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 4 Rn. 10 ff.; AnwK-BGB/Schilken, § 929 Rn. 14. 309 Prütting, Sachenrecht, Rn. 389. Zur Anerkennung des Anwartschaftsrechts als dingliches Recht BGHZ 35, 85 (89). 310 Prütting, Sachenrecht, Rn. 392; NK-BGB/Meller-Hannich/Schilken, § 929 Rn. 13. 311 Daran ändert im Übrigen der Umstand nichts, dass die Existenz des Anwartschaftsrechts von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts abhängt, das seinerseits durch rechtsgestaltende Einwendungen (und dadurch mittelbar auch das Anwartschaftsrecht) vernichtet werden kann. 312 Prütting, Sachenrecht, Rn. 389. 313 Prütting, Sachenrecht, Rn. 17. 314 Prütting, Sachenrecht, Rn. 18; AnwK-BGB/Schilken, § 929 Rn. 81; Soergel/ Henssler, Anh. § 929 Rn. 69 ff. 315 AnwK-BGB/Schilken, § 929 Rn. 13.

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gem. § 771 ZPO.316 Bei Beschädigung der Sache durch einen Dritten kann nach herrschender Lehre sowohl der Eigentümer als auch der Anwartschaftsberechtigte Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB geltend machen – und zwar jeweils in voller Höhe.317 Auch steht dem Anwartschaftsberechtigten gegenüber Dritten und nach umstrittener Auffassung sogar im Verhältnis zum Eigentümer ein dingliches Recht zum Besitz gem. § 985 BGB zu.318 Zusammenfassend läuft die Anerkennung des Anwartschaftsrechts auf eine Rechtsteilung des Eigentums dergestalt hinaus, dass dem Verkäufer die Sicherungsfunktion zugeordnet bleibt, während der Käufer die Nutzungsfunktion erhält.319 Deshalb ist nun für § 306 Abs. 1 zu entscheiden, wie die dingliche Aufspaltung des Eigentums zwischen dem Eigentümer und dem Anwartschaftsberechtigten mit der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung in Einklang zu bringen ist. Wird entsprechend der herrschenden Meinung allein an die formale Eigentumsposition angeknüpft, dann ist ein Tatobjekt gem. § 306 Abs. 1 für den Anwartschaftsberechtigten immer „fremd“, so dass der Vorbehaltskäufer, der sorgfaltswidrig vergisst, „sein“ Fahrzeug mit ausreichend Kühlwasser oder Motoröl zu befüllen und dadurch einen Fahrzeugbrand verursacht, wegen fahrlässiger Brandstiftung gem. § 306d Abs. 1, Var. 1 strafbar ist. Ein Ergebnis, das angesichts einer Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe nicht überzeugt, zumal die einschlägige Sanktionsandrohung der fahrlässigen Tötung gem. § 222 entspricht. Die Annahme einer Strafbarkeit des Anwartschaftsberechtigten aus §§ 306 Abs. 1, 306d Abs. 1, Var. 1 wäre zudem mit der Zielsetzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung unvereinbar, weil diese (auch) auf dem Gedanken fußt, dass durch die dinglich fundierte Besitzposition und die daraus folgende Kontroll- und Einwirkungsbefugnis die abstrakte Gefährlichkeit der Tatbegehung regelmäßig gemildert ist. Diese Befugnis kommt aber bei Bestehen eines Anwartschaftsrechts an beweglichen Sachen nicht (mehr) dem Eigentümer, sondern allein dem Anwartschaftsberechtigten zu, denn „das im Eigentum enthaltene Recht zum Besitz und zur Nutzung und damit eine Teilfunktion des Eigentums“ 320 ist ihm schon übertragen worden. Er kann sich auf ein dingliches Besitzrecht mit absoluter Ausschlusswirkung gegenüber dem Eigentümer und Dritten berufen.321 Daraus folgt, dass die formale Eigentumsposition in diesen Fällen durch das Anwartschaftsrecht als „aufkeimendes Eigentum“ oder „wesensglei-

316 Prütting, Sachenrecht, Rn. 397; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 43 Rn. 16 f., 24 f. 317 Soergel/Henssler, Anh § 929 Rn. 81. 318 Soergel/Henssler, Anh § 929 Rn. 78 f.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 11 Rn. 40. 319 Soergel/Henssler, Anh § 929 Rn. 2. 320 Soergel/Henssler, Anh § 929 Rn. 79. 321 Prütting, Sachenrecht, Rn. 392 ff.

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ches Minus“ fundamental entkernt ist, weil das Anwartschaftsrecht die typische Kongruenz von Eigentum und dinglich legitimierten Besitz durchbricht. Anstatt des Eigentümers muss deshalb der Anwartschaftsberechtigte als begünstigte Person angesehen werden, so dass sich selbst der Eigentümer eines der in § 306 Abs. 1 genannten Tatobjekte strafbar macht, wenn er vorsätzlich ein dem Anwartschaftsberechtigten zugewiesenes und damit für ihn „fremdes“ Tatobjekt in Brand setzt.322 Einzuräumen ist, dass im Wege dieser Deutung ein Aspekt, auf den sich ursprünglich auch die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung stützte, in den Hintergrund treten muss, nämlich die Rechtmäßigkeit der Eigentümerbrandstiftung mit Blick auf das Tatobjekt.323 Der Anwartschaftsberechtigte ist, anders als der Eigentümer gem. § 903 S. 1 BGB, gerade nicht dinglich befugt, die Sache zu zerstören.324 Doch die dinglich legitimierte Sachherrschaft des Anwartschaftsberechtigten ist mit Rücksicht auf die damit verbundene (dinglich legitimierte) Kontroll- und Einwirkungsbefugnis, an die die abstrakte Vermutung einer verminderten Gefährlichkeit der Tat gekoppelt ist (und die dem Eigentümer nicht mehr zusteht), das „gefahrspezifischere“ und somit das vorzugswürdigere Kriterium, ist doch § 306 Abs. 1 ein abstraktes Gefährdungs- und kein Sachbeschädigungsdelikt. Die Teilhabe des Anwartschaftsberechtigten an der Eigentümerprivilegierung ist daher eine zeitgemäße Adaption dieses Prinzips an die gegenwärtige Wirtschaftsordnung und die Weiterentwicklung des Sachenrechts, vor der das Strafrecht nicht die Augen verschließen darf.325 Dafür spricht auch, dass aus der Parallelwertung in der Laiensphäre heraus der Eigentumsvorbehaltskäufer das Tatobjekt als „eigene“ – grundsätzlich ihm zugewiesene – und nicht als „fremde“ Sache wahrnehmen wird. Zudem sind die Interessen des Eigentümers an der Respektierung seiner – wenn auch umfangreich entkernten – Eigentumsposition, die nur noch ein besitzloses Pfandrecht darstellt, durch die Sachbeschädigung gem. § 303 ausreichend gesichert.326 322 Freilich kann auch der Anwartschaftsberechtigte gegenüber einem Dritten sein Einverständnis in die Tatbegehung erklären, so dass dann wiederum ein Fall der straflosen mittelbaren Brandstiftung durch den Anwartschaftsberechtigten gegeben ist. 323 Zu diesem Aspekt bei § 286 preuß. StGB unter § 1 A. III. 4. b) cc). 324 NK-BGB/Ring, § 903 Rn. 30. 325 Dafür spricht auch die Überlegung, dass das Eigentum des Sicherungsgebers respektive des Vorbehaltsverkäufers letztlich einem besitzlosen Pfandrecht gleichkommt. Würde aber der Pfandschuldner „seine“ im Besitz des Pfandgläubigers befindliche bewegliche Sache, z. B. einen Pkw, anzünden, würde er sich ebenfalls nicht gem. § 306 Abs. 1 strafbar machen. 326 Auch ein Vergleich mit der Pfandkehr nach § 289 stützt dieses Ergebnis, denn diese setzt in Abs. 3 ebenso wie § 303c einen Strafantrag voraus und der Strafrahmen, der bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, liegt mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe nahe bei dem des § 303 Abs. 1.

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(bb) Anwartschaftsrechte an unbeweglichen Sachen Anders stellt sich jedoch die Rechtslage bei Anwartschaftsrechten an unbeweglichen Sachen, also Grundstücken und deren wesentlichen Bestandteilen gem. §§ 93, 94 BGB dar, wozu die mit Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude und die mit dem Boden zusammenhängenden Erzeugnisse zu rechnen sind. Ob im Rahmen des dinglichen Eigentumserwerbs der Käufer eines Grundstückes ein Anwartschaftsrecht erlangt und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, ist lebhaft umstritten.327 Rechtsprechung und Teile der Literatur akzeptieren die Entstehung eines Anwartschaftsrechts unter der Bedingung, dass die Auflassung nach § 925 Abs. 1 BGB erfolgt ist und zusätzlich entweder vom Erwerber ein Antrag auf Eigentumsumschreibung gem. §§ 13, 19, 20 GBO gestellt oder eine Eigentumsvormerkung gem. § 883 BGB im Grundbuch eingetragen wurde.328 In beiden Fällen sei dann die Rechtsposition des Erwerbers soweit gediehen, dass der Verkäufer die Erstarkung zum Volleigentum nicht mehr einseitig verhindern könne. Doch trotz der Akzeptanz des Anwartschaftsrechts bei Grundstücken ist es nicht angezeigt, die Konkurrenz zwischen Anwartschaftsberechtigten und dem Eigentümer mit Blick auf § 306 Abs. 1 zu Gunsten des Anwartschaftsberechtigten aufzulösen. Während die Entstehung des Anwartschaftsrechts bei unbeweglichen Sachen die zwangsläufige Folge des gestreckten, mehraktigen Erwerbstatbestandes ist, da der Eigentumsübergang nicht allein von der Auflassung gem. § 925 Abs. 1 BGB, sondern zusätzlich von der Eintragung in das Grundbuch gem. § 873 Abs. 1 StGB abhängt, deren Vornahme die Parteien nur veranlassen aber nicht unmittelbar selbst herbeiführen können, beruht das Anwartschaftsrecht bei beweglichen Sachen auf autonomer Parteivereinbarung durch Bedingung des dinglichen Rechtsübergangs. Im Gegensatz dazu ist die dingliche Auflassung gem. § 925 Abs. 2 BGB ausdrücklich bedingungsfeindlich. Wirtschaftlich betrachtet ist das Anwartschaftsrecht an beweglichen Sachen ein besitzloses Pfandrecht, so dass die formale Eigentumsposition des Eigentumsvorbehaltsverkäufers bzw. des Sicherungsnehmers ein reines Sicherungsmittel darstellt, während dem Eigentumsvorbehaltskäufer bzw. dem Sicherungsgeber Besitz und Nutzung der Sache – durch das Anwartschaftsrecht dinglich legitimiert – zugewiesen sind. Demgegenüber verleiht das Anwartschaftsrecht an unbeweglichen Sachen dem Inhaber kein dingliches Recht zum Besitz gem. § 986 BGB, sondern das Besitzrecht bleibt nach herrschender Ansicht weiterhin an das Volleigentum gebun-

327 MüKo-BGB/Kanzleiter, § 925 Rn. 925; Staudinger/Pfeifer, § 925 Rn. 120 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 15 ff.; gegen die Anerkennung des Anwartschaftsrechts Habersack, JuS 2000, S. 1145 (1148 ff.). 328 Staudinger/Pfeifer, § 925 Rn. 123; Jauernig/Berger, § 925 Rn. 17 f.; BGHZ 114, 161.

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den.329 Der dinglich fundierte und legitimierte Besitz am Tatobjekt, auf dem eine Säule der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung beruht, steht dem Anwartschaftsberechtigten bei unbeweglichen Sachen daher nicht zu. Trotz des Bestehens eines Anwartschaftsrechts bei unbeweglichen Sachen bleibt allein der Volleigentümer begünstigt. (4) Abschließende Überlegungen zur eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs Unter Berücksichtigung der mittelbaren Eigentümerbrandstiftung und von Anwartschaftsrechten an beweglichen Sachen kann das Tatbestandsmerkmal „fremd“ in § 306 Abs. 1 abschließend definiert werden: Ein Tatobjekt des § 306 Abs. 1 ist dann „fremd“, wenn es (1.) nicht im Alleineigentum des Täters steht oder wenn (2.) der Täter ohne das erklärte Einverständnis des Eigentümers die Tat verübt. Besteht an beweglichen Sachen ein dingliches Anwartschaftsrecht, so tritt der Anwartschaftsrechtsberechtigte an die Stelle des Eigentümers.

Die hier vorgeschlagene Deutung von „fremd“ stellt einen radikalen Wechsel mit der überkommenen Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals dar, an dem sich die notwendige Emanzipation von der problematischen Kernprämisse der „Sachbeschädigungslösung“ verdeutlicht, dass „fremd“ auf einen von § 306 Abs. 1 verfolgten ausschließlichen Eigentumsschutz am Tatobjekt hinweise. Die „negativzivilrechtsakzessorische“ Auslegung respektiert (weiterhin) die gesetzlich vorgesehene Anknüpfung an das Eigentum als Abschichtungskriterium, nur wird dieses in einen umgekehrten Bezug zum Schutzzweck der Norm gesetzt und das tätereigene Eigentum als den Tatbestand restringierender Umstand (Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung) bewertet.330 Sofern die ursprünglich mit der Einführung der eigentumsrechtlichen Beschränkung in § 286 preuß. StGB verbundenen Zielsetzungen außer Acht gelassen werden, verführt die Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte fast zwangsläufig zur Annahme eines – wie auch immer gearteten – Sachbeschädigungscharakters des § 306 Abs. 1, wie die aktuelle Dominanz der sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodelle belegt. dd) Zusammenfassende Überlegungen zur „Gefährdungslösung“ Die Deutung der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 auf Grundlage der „Gefährdungslösung“ ermöglicht die Rückbesinnung auf die Gefährlichkeit der

329 Palandt/Bassenge, § 925 Rn. 28; Vieweg/Werner, § 13 Rn. 64; Erman/Lorenz, § 925 Rn. 66. 330 Zutreffend bemerkt Börner, dass § 306 zur Umsetzung des Regelungszwecks „auf das zivilrechtliche Eigentum als Bestimmungsmerkmal des Tatobjekts“ (Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 4) zurückgreift.

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Tat, die entscheidend die historische Genese der Vorgängernormen §§ 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., 286 preuß. StGB prägte.331 Denn das Unrecht des § 306 Abs. 1 basiert nicht auf realisierten Rechtsgutsverletzungen, sondern liegt in der tattypischen Gefährlichkeit für Leib, Leben und Eigentum durch Eröffnung brandbedingter Gefahrenquellen mit „Streuwirkung“. Nur die scharfe Unterscheidung zwischen der mittels Benennung von Tathandlung und Tatobjekten charakterisierten vielfältigen und höchst heterogenen abstrakten Gefährlichkeit der Tat erlaubt die widerspruchslose Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt. Dieser Perspektivwechsel kulminiert in der „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung des Tatbestandsmerkmals „fremd“ im Sinne einer den Eigentümer privilegierenden Beschränkung des Normanwendungsbereichs, wodurch eine hinreichende Erklärung für das § 306 Abs. 1 immanente Spannungsverhältnis zwischen den konträren Elementen der abstrakten Gemeingefährlichkeit und der eigentumsrechtlich beschränkten Auswahl der Tatobjekte angeboten werden kann. Zudem gewährleistet allein die „Gefährdungslösung“ eine – zumindest theoretisch – klare Abschichtung des normspezifischen Unrechts des § 306 Abs. 1 im Gegensatz zum Unrecht der Sachbeschädigung. Die im preuß. StGB 1851 zum Ausdruck gebrachte Auffassung, die Brandstiftungsdelikte hätten nur unter der Bedingung ihrer Gemeingefährlichkeit eine eigenständige Legitimation gegenüber den tatmitteloffenen Lebens-, Körper- und Eigentumsverletzungsdelikten, besitzt auch für das gegenwärtige Recht noch Gültigkeit.332 Außerdem wird die Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt noch wertvolle Impulse für die Auslegung des § 306a liefern,333 und dogmatisch zweifelhafte Figuren wie die Deutung der §§ 306, 306b Abs. 1, 306c als körperverletzungsbzw. todeserfolgsqualifizierte Sachbeschädigung oder des § 306d Abs. 1, Var. 1 als fahrlässige Brandsachbeschädigung können so nicht nur teilweise,334 sondern restlos aufgegeben werden. Auch für zahlreiche Auslegungsfragen wird die Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährlichkeitsdelikt noch fruchtbar zu machen sein.

331 So auch Radtke, Dogmatik, S. 378: „Die Entstehungsgeschichte des § 286 preuß. StGB legt trotz der Einschränkung Goltdammers über die Reichweite der Gefahrpräsumtion die Einordnung des § 308 Abs. 1 1. Alt. a. F., der mit § 286 preuß. StGB inhaltlich deckungsgleichen Nachfolgevorschrift, als abstraktes (gemeingefährliches) Delikt nahe.“ 332 Ähnlich Radtke, Dogmatik, S. 428 f.; vgl. § 1 A. II. 5. und § 1 A. V. 333 Zu § 306a Abs. 1 bei § 2 II. 1. und zu § 306a Abs. 2 bei § 2 III. 1. b). 334 Aus der Perspektive Radtkes ist bspw. § 306, 306b Abs. 1 eine gemeingefährliche körperverletzungserfolgsqualifizierte Sachbeschädigung und § 306d Abs. 1, Alt. 1 eine fahrlässig bewirkte gemeingefährliche Sachbeschädigung, MüKo-StGB/Radtke, § 306d Rn. 2 f.

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2. Tathandlung und Tatobjekte des § 306 Abs. 1 nach dem 6. StrRG 1998 Die auf Benennung von Tathandlung und Tatobjekten basierende Tatbestandskonfiguration der unmittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. hat durch das 6. StrRG 1998 einschneidende Modifikationen erfahren. Während einerseits der Tatobjektskatalog der einfachen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 auf höchst problematische Weise ausgedehnt wurde, behielt der Gesetzgeber die tradierte Tathandlung der Inbrandsetzung bei und ergänzte diese durch die Alternative der völligen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung. Vor dem Hintergrund der Einordnung des § 306 Abs. 1 auf dem Boden der „Gefährdungslösung“ steht noch eine Bewertung dieser Veränderungen aus.335 a) Die Inbrandsetzung des Tatobjekts Die unveränderte Tathandlung des Inbrandsetzens wird in Rechtsprechung und Lehre nahezu einhellig als die Anzündung eines wesentlichen Bestandteils des Tatobjekts definiert, wobei erforderlich sei, dass das Feuer aus eigener Kraft, d. h. unter Ausschluss des zur Anzündung gebrauchten Mittels, fortbrenne.336 Der Ausgangspunkt, das Inbrandsetzen als Verselbständigung des Brandes und dessen Fortbrennen aus eigener Kraft zu begreifen, ist sachgerecht, denn nur soweit sich das Feuer vom Zündmittel emanzipiert hat, ist es dem Wortlaut nach berechtigt, vom In-Brand-Setzen des Tatobjekts zu sprechen.337 Das bloße Verkohlen von Bestandteilen des Tatobjekts oder deren Beschädigung durch Hitze ist folglich keine tatbestandsmäßige Inbrandsetzung wie schon das Reichsgericht zutreffend entschied.338 Des Weiteren kann nicht bezweifelt werden, dass prinzipiell schon die Inbrandsetzung eines Bestandteils genügt, um von der Inbrandsetzung des Tatobjekts sprechen zu können, sind doch die in §§ 306, 306a genannten Objekte typischerweise aus einer Vielzahl von Einzelelementen komponiert. Auf ein (mögliches) Brennen des gesamten Tatobjekts kommt es daher richtigerweise nicht an.339

335 Die Ausführungen zu den Tathandlungen beanspruchen gleichermaßen Gültigkeit für § 306a, ebenso wie die Erörterung der Tatobjekte für § 306a Abs. 2. 336 Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 957; Eisele, BT I, Rn. 727; Gössel/Döllig, BT 1, § 41 Rn. 7; Küpper, BT 1, § 5 Rn. 6; HK/Weiler, § 306 Rn. 8; Rengier, BT II, § 40 Rn. 7; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 13; Wrage, JR 2000, S. 360 (362 f.); BGHSt 48, 14 (18) mwN; eingehend zur Tathandlung des Inbrandsetzens Radtke, Dogmatik, S. 196 ff. 337 So schon Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 119 S. 15 f. 338 RGSt 7, 131 (132 f.). 339 Ingelfinger, JR 1999, S. 211 f.; Kindhäuser, StV 1991, S. 161 (163); Radtke, Dogmatik, S. 199; BGHSt 18, 363 (365).

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Heute wird jedoch einhellig verlangt, dass – anders als noch bei der Auslegung des Inbrandsetzens im Rahmen des § 286 preuß. StGB340 – ein wesentlicher Bestandteil des Tatobjekts in Brand gesetzt worden ist. Ob ein Bestandteil wesentlich ist, bestimmt die herrschende Anschauung nicht nach zivilrechtlichen Vorgaben, z. B. §§ 93, 94 BGB, sondern unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung. Gefordert wird, dass der betreffende Bestandteil für den „bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung“ 341 sei.342 Jedenfalls dann, wenn der betreffende Bestandteil nicht ohne Beeinträchtigung des Tatobjekts entfernt werden könne, müsse er als wesentlich eingestuft werden.343 Die Rechtsprechung hat – insbesondere im Zusammenhang mit den die Praxis regelmäßig beschäftigenden Raum- und Gebäudebränden – eine umfangreiche Kasuistik zum Kriterium der Wesentlichkeit entwickelt, da bei solchen Bränden die Notwendigkeit besteht, die Inbrandsetzung des Tatobjekts vom Brand anderer Gegenstände im Tatobjekt abzugrenzen.344 Als wesentliche Bestandteile eines Gebäudes sieht die Rechtsprechung Treppen345, Holzfußböden346, Teppichböden, die mit dem Untergrund fest verbunden sind,347 und Türrahmen348 an. Unwesentliche Bestandteile seien hingegen Fußbodensockelleisten349, Tapeten350 oder Deckenverkleidungen351. Als Nicht-Bestandteil bewertete die Rechtsprechung die Anzündung eines mit Nägeln befestigten Wandregals.352 Erhöhte Anfordungen stellt hingegen Radtke, der weitergehend fordert, dass der angezündete Bestandteil für den Bestand des Tatobjekts bedeutsam sein müsse.353 Bei Gebäuden seien dies nur Wände, Mauern, Dach, Treppen, einschließlich tragender Konstruktionen, nicht hingegen Fenster- oder Türrahmen, was im Ergebnis auf die Forderung nach Inbrandsetzung substantiell strukturtra340 Vgl. Oppenhoff, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 508: „Die Inbrandsetzung ist vollendet, sobald der Brand von dem Zünstoffe dem zu entzündeten Gegenstand mitgetheilt ist.“ 341 BGHSt 48, 14 (18); Radtke, Dogmatik, S. 197: „Die Wesentlichkeit ist an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Objekts zu messen.“ 342 BGHSt 16, 109 (110); BGH, NJW 1987, S. 140; BGHR, StGB, § 306 Nr. 2 – Inbrandsetzen 1. 343 BGH, StV 2002, S. 145; BGHSt 16, 109 (110). 344 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 13; Beckemper, JA 2003, S. 925 (926); MüKo-StGB/ Radtke, § 306 Rn. 51 mwN. 345 BGHR, StGB § 306 Nr. 2 – Inbrandsetzen 3. 346 OLG Hamburg, NJW 1953, S. 117. 347 BGH, StV 1988, S. 530. 348 BGHSt 20, 246 (247). 349 BGH, NStZ 1994, S. 130 (131). 350 BGH, NStZ 1981, S. 220 (221). 351 BGH, StV 1990, S. 548. 352 BGHSt 16, 109. 353 Radtke, Dogmatik, S. 202 f.

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gender Elemente des Tatobjektes hinausläuft. Dass Radtkes restriktive Auslegung indes sachgerecht ist, muss bezweifelt werden, wie – argumentum a minore ad maius – die folgende kritische Würdigung der verbreiteten Forderung nach der Inbrandsetzung eines wesentlichen Bestandteils des Tatobjekts belegen wird. Während der Bundesgerichtshof ursprünglich allein darauf abgestellt hatte, ob ein (beliebiger) Bestandteil des Tatobjekts in Brand gesetzt wurde,354 differenziert die ständige Rechtsprechung seit BGHSt 18, 363, mit Billigung des Reformgesetzgebers, zwischen der Inbrandsetzung wesentlicher und unwesentlicher, d. h. nicht tauglicher, Bestandteile.355 Der Entscheidung BGHSt 18, 363, in der der Bundesgerichtshof erstmals das Kriterium der Wesentlichkeit aufgriff, lag verkürzt der folgende Sachverhalt zugrunde: Die Angeklagte hatte zweimal im Keller eines Mehrfamilienhauses eine mit Sackleinwand verkleidete Lattentür angezündet. Beim ersten Mal erlosch das Feuer von selbst, ohne dass es zu einem selbstständigen Fortbrennen der Kellertür gekommen war, anders als beim zweiten Versuch. Obwohl der Bundesgerichtshof, ebenso wie die Vorinstanz, die Kellertür offenbar als Bestandteil des Wohngebäudes ansah und das Feuer hieran selbstständig fortbrannte, verneinte er dennoch ein erfolgreiches Inbrandsetzen der Kellertür im Sinn des § 306 Nr. 2 StGB a. F., da diese nur ein unwesentlicher Bestandteil des Tatobjekts sei und allein ihre Vernichtung gedroht habe. Die Inbrandsetzung solcher unwesentlichen Bestandteile sei nur unter der Bedingung als tatbestandsmäßig zu erachten, dass sich das Feuer wesentlichen Bestandteilen mitteilen könne, bzw. dass das Feuer mehrere (unwesentliche) Teile erfassen könne.356 Letzteres Kriterium, die drohende Brandausdehnung auf weitere un-

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BGHSt 16, 109 (110). BT-Drucks. 13/8587, S. 26. 356 BGHSt 18, 363 (365 f.). Dass schon das Reichsgericht die Inbrandsetzung eines wesentlichen Bestandteils forderte, wie der Bundesgerichthof glaubt, ist jedoch nicht sicher (so auch die Bewertung von Schmitt, JZ 1963, S. 189 f. mwN). Die Rechtsprechung des Reichsgerichts war vielmehr uneinheitlich. So hatte das Reichsgericht in GA 39 (1891), S. 442 (443), in einem obiter dictum den Standpunkt vertreten, dass die Anzündung eines nicht völlig unwesentlichen Bestandteils eines Gebäudes den Anforderungen an die Inbrandsetzung nicht genüge. In der Entscheidung RG, JW 1931, S. 3281 heißt es sogar weitergehend, ein Gebäude sei nur dann in Brand gesetzt, wenn einem nicht völlig unwesentlichen Bestandteil das Feuer mitgeteilt worden sei, so dass ein Fort- und Niederbrennen des gesamten Gebäudes möglich sei. Andere Entscheidungen des Reichsgerichts verzichten dagegen auf die Wesentlichkeit des angezündeten Bestandteils [vgl. RG JW 1930, S. 835; RGSt 7, 131 (132): „Die Flamme muß sich ihm [Anmerkung: dem Gebäude] durch den Zündstoff in einer Weise mitgeteilt haben, welche ein Fortbrennen des Gebäudes ermöglicht, auch wenn der Zündstoff entfernt wird.“] oder stellen – anders als heute – faktisch keine Anforderungen an die Wesentlichkeit, vgl. RGSt 18, 362 (363): „Dazu ist, soviel den Brand eines Gebäudes anlangt, erforderlich, daß ein wesentlicher Bestandteil desselben ,gebrannt habe‘ und dies wird . . . jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn dem Gebäude das Feuer durch den Zündstoff in einer Weise mitgeteilt worden ist, welche ein Fortbrennen ermöglicht, auch wenn der Zündstoff entfernt oder erloschen ist.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 355

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wesentliche Bestandteile, haben spätere Entscheidungen nicht mehr aufgegriffen, sondern exklusiv auf die drohende Brandausbreitung auf wesentliche Bestandteile rekurriert.357 Der in BGHSt 18, 363 geäußerte Standpunkt, schon die drohende Ausdehnung des Brandes auf wesentliche Bestandteile des Tatobjekts zur Vollendung der Inbrandsetzung genüge, hat im Schrifttum regen Widerspruch hervorgerufen.358 Herzog kritisiert, dass die bloße Eignung, den Brand wesentlichen Gebäudeteilen mitzuteilen, nicht den gleichen Erfolgsunwert aufweise, wie die direkte Inbrandsetzung von wesentlichen Bestandteilen.359 Hettinger sieht zudem durch die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des Versuchs der Inbrandsetzung unbotmäßig verengt360 und Range verweist auf Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen.361 Diese Einwände geben Anlass, sich näher mit der allgemein befürworteten Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen auseinanderzusetzen. Der Streit, ob es auf die Inbrandsetzung eines wesentlichen Bestandteils des Tatobjekts ankommt, oder ob auch die Möglichkeit der Brandausdehnung von einem unwesentlichen Bestandteil auf einen wesentlichen ausreicht, wäre hinfällig, sofern prinzipiell schon die Inbrandsetzung eines (beliebigen) Bestandteils des Tatobjekts genügen würde. Die herrschende These von der geforderten Wesentlichkeit des Bestandteils sieht sich bei genauer Betrachtung Bedenken ausgesetzt, denn es stellt sich die Frage, welche Merkmale diese konstituieren. Der Verweis auf die Verkehrsauffassung verleiht dem Kriterium der Wesentlichkeit jedenfalls keine greifbare Substanz, allzumal sich aus dem Wortlaut der Inbrandsetzung keine Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen ableiten lässt. Auch die Anknüpfung an die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit362 des Tatobjekts als Maßstab für die Wesentlichkeit eines Bestandteils ist unklar und ein sachlicher Zusammenhang zur Brandgefährlichkeit der Tat lässt sich nicht erkennen. Das Kriterium, ob der Bestandteil des Tatobjekts für dessen bestimmungsgemäße Brauchbarkeit erforderlich ist, ist jedoch teils zu eng, soweit dieses einschränkende Merkmal ernst genommen wird. Zahlreiche Bestandteile, z. B. eine (Innen-)Tür, der Fußboden, ein mit dem Untergrund fest verbundener Teppichboden und selbst nicht tragende Wände können entfernt werden, ohne dass hierdurch die Benutzbarkeit eines Ge-

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Vgl. BGH NJW 1987, S. 140; NStZ 2007, S. 270 f.; BGHSt 48, 14 (18). LK/Wolff, § 306 Rn. 7; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 8; Rengier, BT II, § 40 Rn. 8; Ingelfinger, JR 1999, S. 211 f.; Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306 Rn. 14 f.; SSW/Wolters, § 306 Rn. 11; Heghmanns, BT, Rn. 942; Radtke, Dogmatik, S. 197 f. 359 NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 24. 360 Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 957; ähnlich: Ingelfinger, JR 1999, S. 211 f. 361 Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 45. 362 BGH, StV 2002, S. 145; NStZ 2007, S. 270 (271). 358

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bäudes, bspw. zur Lagerung von Gegenständen oder zum Personenaufenthalt, ernsthaft in Zweifel gestellt wäre.363 Allenfalls kann hier von einer qualitativen Beeinträchtigung des Nutzungskomforts, nicht aber von einer nachhaltigen Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit des Tatobjekts gesprochen werden, weshalb dieses Kriterium nicht zielführend ist. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des natürlichen Wortsinns und des Schutzzwecks der Norm kann es für die Verwirklichung der Inbrandsetzung des Tatobjekts nur darauf ankommen, dass (irgend-)ein Bestandteil des Tatobjekts in Brand gesetzt wurde. Mit BGHSt 16, 109, 110 sind daher – entgegen BGHSt 18, 363 – prinzipiell alle Bestandteile des Tatobjekts als gleichermaßen tauglich zu erachten. Anzumerken ist, dass BGHSt 18, 363 auf eine problematische Einschränkung der Reichweite der Tathandlung des Inbrandsetzens hinausläuft, die die beabsichtigte Erfassung der abstrakten Gefährlichkeit in § 306 StGB a. F. (und dies gilt auch für § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., § 306 Abs. 1) nicht hinreichend würdigt. Die Differenzierung zwischen der Inbrandsetzung unwesentlicher und wesentlicher Bestandteile ist erkennbar vom Bemühen geprägt, mit Hilfe des Kriteriums der Wesentlichkeit solche Brände aus dem Anwendungsbereich des Brandstrafrechts auszuscheiden, die (nach Auffassung des Bundesgerichtshofs) nicht mit einem nennenswerten Brandausdehnungspotential verbunden und deshalb „ungefährlich“ sind. Dies verdeutlicht auch die Erwägung des Bundesgerichtshofs, es seien nur solche Fälle der Inbrandsetzung unwesentlicher Bestandteile des Tatobjekts nicht erfasst, bei denen nur die Vernichtung eines unbedeutenden Teils des Tatobjekts drohe.364 Doch die damit implizierte Annahme, kleine Brände ohne Brandübertragungsgefahr seien „automatisch“ ungefährlich, greift zu kurz und beruht auf einem unvollkommenen Verständnis der brandbedingten Gefährlichkeit. Auch Brände, bei denen nur die Vernichtung eines unbedeutenden Teils des Tatobjekts droht, können – speziell bei Raumbränden – schon erhebliche schädliche Auswirkungen in Form von Hitze und Rauchgasen für die im Umkreis der Gefahrenquelle befindlichen Personen entfalten. Auch hier ist wiederum zwischen der Eröffnung einer Gefahrenquelle und den Auswirkungen des Brandes zu differenzieren, die sich eben nicht allein auf den Aspekt einer (drohenden) Ausbreitungsgefahr des Brandes auf weitere Teile des Tatobjekts begrenzen lassen. Daher trifft die Kritik des Schrifttums365 an BGHSt 18, 363 letztlich nicht den Kern der Problematik und verkennt, dass diese Entscheidung den Anwendungsbereich des Inbrandsetzens sogar partiell verengt und nicht erweitert hat.366 Der 363 A. A. mit Blick auf Fußböden, die zum Betreten des Tatobjekts notwendig seien, Radtke, Dogmatik, S. 202. 364 BGHSt 18, 363 (365). 365 NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 24. 366 Zutreffend: Schmitt, JZ 1964, S. 189 (190 f.).

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Vorwurf gegenüber BGHSt 18, 363 lautet daher nicht, die Inbrandsetzung unwesentlicher Bestandteile genügen zu lassen, sofern eine Brandübertragungsgefahr auf wesentliche Bestandteile bestand, sondern wurzelt darin, überhaupt eine teleologisch nicht gefährdungskonforme und unbestimmte Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen getroffen zu haben.367 Hinter der herrschenden Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen verbirgt sich letztlich der Versuch, eine griffige Abgrenzung zwischen echten Bestandteilen des Tatobjekts und Nicht-Bestandteilen, also nur mit dem Tatobjekt physisch verbundenen Objekten, zu formulieren. Offenbar besteht bei den Tatgerichten die Neigung, bei der Verursachung von Bränden im Tatobjekt vorschnell von einem Inbrandsetzen des Tatobjekts auszugehen.368 Letztlich ist der Rückgriff auf die Wesentlichkeit überflüssig, weil bereits mit Hilfe des Wortlauts Bestandteile des Tatobjekts scharf von solchen Sachen und Objekten differenziert werden können, die nur physisch mit diesem verbunden sind, ohne dadurch zu einem Bestandteil desselben zu werden.369 Dekorationselemente, Inneneinrichtungen, Zubehör oder andere Sachen, die aus Zweckmäßigkeit mit dem Tatobjekt fest (wie z. B. ein mit Hilfe von Dübeln und Nägeln befestigtes Wandregal, Schränke, Gardinen. etc.) oder lose (wie Mobilien) verbunden sind, bewahren bereits nach allgemeiner Anschauung begrifflich ihre Eigenständigkeit gegenüber der Hauptsache. Auch eine Fußbodensockelleiste ist als dekoratives Raumgestaltungselement kein Bestandteil370 des Tatobjekts.371 Demgegenüber sind Fußböden, Tapeten, Wandverkleidungen, Tür- und Fensterrahmen sowie nichttragende (Trenn-)Wände Bestandteile des Tatobjekts, unbeschadet der hypothethischen Überlegung, inwieweit deren Entfernung Einfluss auf das vage Kriterium der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit des Tatobjekts ausübt. In Zweifelsfällen wird dem Grad der physischen Integration zwischen dem Tatobjekt und dem fraglichen Gegenstand (Festigkeit der Verbindung, Aufwand und Folgen ihrer Trennnung) der Ausschlag zukommen müssen.372 367 Weiter gedacht wirft BGHSt 18, 363 ff. – die Richtigkeit der dort geäußerten Prämissen zunächst unterstellt – die Frage auf, warum es nicht prinzipiell, d.h. auch bei wesentlichen Bestandteilen des Tatobjekts, darauf ankommen sollte, ob deren Inbrandsetzung geeignet ist, dem gesamten Tatobjekt das Feuer mitzuteilen bzw. eine wesentliche Beschädigung des Tatobjekts zu bewirken. Zu einer ähnlichen Tendenz bei der Bewertung der Inbrandsetzung gemischt genutzter Tatobjekte nach § 306a Abs. 1 vgl. § 2 II. 2. a). 368 Wolff, JR 2003, S. 391. 369 Dies verdeutlicht bspw. die Begründung von BGHSt 16, 109 (110 f.). 370 A. A.: unwesentlicher Bestandteil BGH, NStZ 1994, S. 130 (131). 371 Ähnlich BGH NStZ 1994, S. 130 (131): „Eine solche Leiste gehört aber nicht zu den ,tragenden Teilen‘ eines Hauses. Sie ist in der Regel leicht entfernbar und dient lediglich dazu, den Übergang zwischen Wand und Fußboden zu verdecken. Sie hat demnach üblicherweise die Funktion einer bloßen, ohne besonderen Aufwand zu entfernenden ,Verkleidung‘.“ 372 Ähnlich Beckemper, JA 2003, S. 925 (926).

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Mit Hilfe der Unterscheidung der Inbrandsetzung von Bestandteilen des Tatobjekts und von Bränden am/innerhalb des Tatobjekts lässt sich auch die Anzündung eines hölzernen Kellerverschlages – eine offenbar häufig auftretende Sachverhaltskonstellation373 – bewältigen.374 Die Anzündung eines leichten hölzernen Kellerverschlags ist dann nicht als Anzündung des Tatobjekts zu verstehen, wenn dieser als grober Bretterverschlag (Holzlattenrost) nur ein „luftiger“ Raumteiler ist und insofern eher mit einer fest montierten raumübergreifenden Regalkonstruktion, also Zubehör, zu vergleichen ist. Der Abbau einer solchen Konstruktion ist mit wenig Aufwand zu bewerkstelligen. Anders muss hingegen entschieden werden, wenn ein einheitlicher Kellerraum durch geschlossene, massive und wandartige Holz- oder Rigipsplatten in selbstständige Räume unterteilt wird, so dass hier das Gebilde den Charakter einer (nichttragenden) Wand aufweist und dementsprechend als Bestandteil des Tatobjekts zu bewerten ist. Der Verzicht auf das Kriterium der Wesentlichkeit wird sich letztlich kaum von den bisherigen Ergebnissen unterscheiden und ist daher in erster Linie von theoretischer Bedeutung. Denn viele bislang als unwesentlich eingestufte Bestandteile entpuppen sich – zumindest bei einem restriktiven Verständnis – noch nicht mal als Bestandteile des Tatobjekts, und die bislang als wesentlich eingestuften Bestandteile genügen demnach auch weiterhin.375 Im Gegensatz zur bisherigen normativen Abgrenzung (Wesentlichkeit des Bestandteils für die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit des Tatobjekts) bietet die deskriptiv orientierte Unterscheidung zwischen Bestandteilen und Zubehör, ein gedanklich klares Abgrenzungskriterium und befreit von der prozessual schwierigen Tatfeststellung, ob im Einzelfall eine Brandübertragungsgefahr von einem unwesentlichen auf einen wesentlichen Bestandteil des Tatobjekts bestand. Der Gedanke der Brandübertragung ist – wie Radtke treffend sieht – der abstrakten Tatbestandskonfiguration der §§ 306, 306a nicht (mehr) immanent,376 da sich der Gesetzgeber bewusst vom Kriterium der abstrakten Brandübertragungsgefahr in § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. abwandte. Daher ist mitunter selbst die Inbrandsetzung von solchen Bestandteilen als tatbestandsmäßig zu erachten, bei denen es auf der Hand liegt, dass der Brand nur auf diesen Bestandteil beschränkt bleibt und eine (dauerhafte) Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit des Tatobjekts eher unwahrscheinlich ist. Wer die einzige Holzsäule eines ansonsten komplett aus Beton gebauten Gebäudes in Brand setzt, der hat § 306 Abs. 1 Nr. 1 verwirklicht. Auch hier ist wieder in Erinnerung zu rufen, dass schon durch die 373

Vgl. BGHSt 18, 363 (364); 44, 175; 48, 14 (16) und BGH, NStZ 2003, S. 266. Ähnlich SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 11. 375 Zutreffend, wenngleich in der Sache nicht weiterführend, wird in BGHSt 16, 109 (110) insofern dargelegt, dass als wesentliche Bestandteile eines Tatobjekts im Sinn des § 94 Abs. 2 BGB jedenfalls solche Bestandteile einzuordnen seien, deren Inbrandsetzung zur Tatvollendung des § 306 StGB a. F. (= § 306a Abs. 1) genügt. 376 Radtke, Dogmatik, S. 197. 374

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Anzündung einer Holzsäule erhebliche Mengen gefährlicher Rauchgase erzeugt werden können, die sich in geschlossenen Räumen in kritischen Konzentrationen akkumulieren.377 So erzeugt die Verbrennung von 10 kg Holz bis zu 3000 m3 Brandrauch; genug um ein größeres Einfamilenhaus komplett zu verrauchen. Eine moderate Restriktion der Tathandlung des Inbrandsetzens lässt sich dadurch bewerkstelligen, dass der Erfolg des selbstständigen Fortbrennens aus eigener Kraft nicht zu niedrig veranschlagt wird. Angesichts des durch § 306 Abs. 1 intendierten Schutzes von Leib, Leben und Eigentum vor den Auswirkungen einer brandspezifischen Gefahrenquelle ist zu fordern, dass der Täter vermittels der Inbrandsetzung des Tatobjekts eine solide Verselbstständigungsbasis für die thermisch-chemische Kettenreaktion Brand (im Sinne eines aufkeimenden Gefahrenherds) schafft. Daher ist eine gewisse Stabilität des selbstständigen Fortbrennens aus eigener Kraft zu verlangen, so dass ein kurzes Fortbrennen oder Glimmen aus eigener Kraft für lediglich 20 oder 30 Sekunden an einem Bestandteil des Tatobjekts nicht genügt, um den tatbestandlichen Erfolg einer Inbrandsetzung im Sinn der §§ 306, 306a zu bejahen.378 Mögliche Härten aufgrund des frühen Vollendungszeitpunkts des Inbrandsetzens kompensiert immerhin die tätige Reue gem. § 306e Abs. 1, die dem Täter die Chance eröffnet, die Inbrandsetzung durch Löschung rückgängig zu machen, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist. b) Zur Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung Die Reformmaterialien zum 6. StrRG 1998 begründen die Aufnahme der neuen Tathandlung der Zerstörung durch Brandlegung damit, dass die zunehmende Verwendung feuerbeständiger und -hemmender Baustoffe und Bauteile wie Stahl, Beton, Glas und diverser Kunststoffe, dazu führe, dass ein Inbrandsetzen des Tatobjekts häufig nicht möglich sei, da dessen (wesentliche) Bestandteile selbst nicht mehr brennbar seien. Der Gesetzgeber schätzte Brandlegungen an in feuerbeständiger Bauweise errichteten Tatobjekten jedoch als gleichermaßen gefährlich für die Rechtsgüter Leib, Leben und Eigentum ein, da sich – so die berechtigte Annahme – die schädigenden Effekte Ruß, Gas, Rauch und Hitze auch jenseits des Inbrandsetzens manifestieren könnten.379 Die neue Tathandlung setzt sich aus zwei Elementen zusammen, die gesondert zu betrachten sein werden, nämlich der Brandlegung und dem Erfolg der dadurch bewirkten völligen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts. 377

Dazu vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1) (a). Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 119 S. 15 f.: „Das Haus, die Hütte, das Holzlager muß brennen, d. h. das Brennen des Gegenstandes muß gegenüber dem des Zündstoffs selbständig geworden sein, und der Brand in sich selbst die Kraft der Fortdauer, vielleicht auch des Fortschreitens erlangt haben.“ 379 BT-Drucks. 13/8587, S. 26, 69; Wrage, JR 2000, S. 360 ff. sowie § 2 I. 1. a) aa) (1). 378

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aa) Der Begriff der Brandlegung Der Terminus der Brandlegung wird gemeinhin als Synonym für den Begriff Brandstiftung gedeutet.380 Daraus ist abzuleiten, dass zumindest die kurzfristige Verursachung eines Brandes im Sinne einer chemisch-thermischen Kettenreaktion zu verlangen ist.381 Ein Brennen mit heller Flamme ist auch hier nicht erforderlich. Mit dem Wortlaut ist es aber unvereinbar, auch bloße Vorbereitungshandlungen, wie das Ausgießen von Benzin (ohne dessen Anzündung), als Brandlegung zu bewerten.382 Teile des Schrifttums definieren die Brandlegung als jede die Verursachung eines Brandes intendierende Handlung.383 Dagegen wird zu Recht eingewendet, dass das finale Moment – im Sinne einer die Verursachung eines Brandes intendierenden Handlung – kein begriffskonstituierendes Merkmal der Brandlegung sein könne, weil auch die fahrlässige Verwirklichung einer Brandlegung gem. § 306d möglich sei. Vorzugswürdig ist daher die Defintion, die die Brandlegung als die Anwendung eines Brandmittels beschreibt, das unmittelbar darauf gerichtet oder dazu geeignet ist, den Brand einer Sache zu bewirken oder sie zu zerstören.384 Ein fundamentaler Unterschied zwischen der Brandlegung und dem Inbrandsetzen, der selten in aller Deutlichkeit ausgesprochen wird, ist, dass die möglichen Handlungsobjekte der Brandlegung, unbeschränkt sind. Denn der Wortlaut der §§ 306, 306a erfordert nur die völlige oder teilweise Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung, nicht aber, dass die Brandlegung an einem Bestandteil des Tatobjekts erfolgt.385 Somit sind die in § 306 Abs. 1 benannten Tatobjekte ebenso umfasst wie inner- oder außerhalb des Tatobjekts befindliche bewegliche oder unbewegliche Objekte. Selbst unkörperliche Gegenstände, wie ein gasförmiges Benzin-Luft-Gemisch, sind tauglicher Ausgangspunkt einer Brandlegung. Ob der Wortlaut „Brandlegung“ auch explosionsartige Verpuffungen bzw. Explosionen des Zündmittels erfasst, wie vom Reformgesetzgeber beabsichtigt, 380 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 88; LK/Wolff, § 306 Rn. 16; Küper, BT, S. 219 f. 381 Wrage, JR 2000, S. 360 (361 f.); Fischer, § 306 Rn. 16. 382 So aber Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 87. 383 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 53; Lackner/Kühl, § 306 Rn. 4; ähnlich HK/Weiler, § 306 Rn. 11. 384 Küper, BT, S. 216; Wrage, JR 2000, S. 360 (362). 385 Zwischen der heutigen Tathandlung der Zerstörung durch Brandlegung und der alten mittelbaren Brandstiftung gem. § 287 preuß. StGB, § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F., die auf die Schaffung einer abstrakten Brandübertragungsgefahr auf ein Tatobjekt der schweren bzw. unmittelbaren Brandstiftung nach §§ 285, 286 preuß. StGB, §§ 308 Abs. 1, Alt. 1, 306 StGB a. F. abstellte, bestehen insofern strukturelle Parallelen, als maßgeblich die Auswirkungen auf das eigentlich geschützte Tatobjekt fokussiert werden. Dass der Taterfolg der völligen oder teilweisen Zerstörung durch Brandlegung das vage Kriterium der abstrakten Brandübertragungsgefahr substituiert hat, ist ein begrüßenswerter Fortschritt.

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wird dagegen von Teilen des Schrifttums bestritten. Die Herbeiführung einer Explosion könne, so Wrage, dem Wortlaut nach nicht als „Brandlegung“ gedeutet werden.386 Der Einwand gegen die Einbeziehung von Explosionen in den Begriff der Brandlegung wäre nur stichhaltig, sofern den Termini „Brandlegung“ und „Explosion“ ein sich nicht überschneidender Wortsinn beizumessen wäre, was jedoch nicht der Fall ist. So wird eine Explosion im Rahmen der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gem. § 308 Abs. 1 als das plötzliche Auslösen von Druckwellen beschrieben, die eine außergewöhnliche Beschleunigung aufweisen. Nicht entscheidend ist, wodurch die Druckwelle ausgelöst wird, denn es kommt allein auf den verursachten Effekt an.387 Dies eröffnet einen weiten Anwendungsbereich, der insofern problematisch ist, als jede Benutzung eines Feuerwerkskörpers eine tatbestandsmäßige Explosion darstellt, ebenso wie ein durch Überdruck platzender Autoreifen oder Schnellkochtopf.388 Demgegenüber setzt eine Brandlegung als maßgebendes Kriterium lediglich das Vorhandensein eines (selbst geringfügigen) Brandes voraus, d. h. einer thermisch-chemischen Kettenreaktion, die unter Freisetzung von Energie abläuft. Jedoch kann eine Brandlegung zugleich in der Form einer Explosion auftreten, falls der Verbrennungsprozess zeitlich so beschleunigt abläuft, dass sich die freigesetzte Energie in Form von Druckwellen manifestiert. Die Explosion ist in diesem Fall eine Folgewirkung der Brandlegung, wie auch das Phänomen des „flashovers“ beweist, bei dem eine explosionsartige Verpuffung unverbrannter Rauchgase in geschlossenen Räumen eintritt.389 Die Begriffe der Brandlegung und der Explosion stehen daher weder nach Wortlaut noch nach Wortsinn in einem Ausschließlichkeitsverhältnis, sondern können sich partiell überlappen. In Anbetracht dessen sind auch explosive Verpuffungen des Zündmittels unter den Begriff der Brandlegung zu subsumieren.390 bb) Der Taterfolg der gänzlichen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts Durch die Brandlegung muss der Erfolg der gänzlichen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts bewirkt worden sein. Die Rechtsprechung stellt mit Billigung des Schrifttums hohe Anforderungen an den Zerstörungsgrad.391 Bloße Substanz386 Wrage, JR 2000, S. 360 (361): „Die Fälle, in denen der Zündstoff statt zu brennen explodiert (bzw. explosionsartig verpufft), sind demgegenüber durch die Einführung der neuen Tathandlung nicht vom Wortlaut des Begriffes der Brandlegung erfasst.“; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 34 ff.; a. A. Stein, in: Dencker/ Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 85; Fischer, § 306 Rn. 15 f. 387 Kritisch: SK-StGB/Wolters, § 308 Rn. 5. 388 LK/Wolff, § 308 Rn. 4. 389 Dazu § 2 I. 1. a) aa) (1) (c). 390 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 84 f. 391 BT-Drucks. 13/8587, S. 88.

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verletzungen am Tatobjekt genügen demnach nicht, sondern verlangt wird die vollständige oder teilweise Aufhebung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit des Tatobjekts für eine nicht unbeträchtliche Zeit, d h. eine reelle Beeinträchtigung von einigem Gewicht im Sinn der §§ 305, 305a. In BGHSt 48, 14 ff. hat der Bundesgerichtshof mit Blick auf § 306a Abs. 1 Nr. 1 entschieden, dass bei einer Brandlegung an einem Mehrfamilienhaus eine teilweise Zerstörung von Gewicht zu fordern sei, weshalb mindestens ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes, also eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene „Untereinheit“, durch die Brandlegung für einen nicht nur unbeträchtlichen Zeitraum für Wohnzwecke unbrauchbar geworden sein müsse.392 Grundsätzlich besteht dahingehend Einigkeit, dass sich der Zerstörungserfolg auf die Gefährlichkeit der Brandlegung, also die spezifische Feuergefährlichkeit, zurückführen lassen muss.393 Demzufolge genügen am Tatobjekt eingetretene Beschädigungen durch Aktivierung der automatischen Sprinkleranlage, indem der Täter ein Feuerzeug an den Auslösesensor hält, ebensowenig wie eine durch Ausgießen eines toxischen Brandbeschleunigers bewirkte teilweise Zerstörung des Tatobjekts durch dessen nachhaltige Kontamination. In ersterem Fall fehlt es – soweit die Benutzung des Feuerzeugs als Brandlegung begriffen wird – bereits daran, dass sich die Beschädigung des Tatobjekts nicht auf das brandspezifische Schädigungspotential im Sinne der Eröffnung einer brandbedingten Gefahrenquelle zurückführen lässt, sondern auf die Irreführung eines Sensors. In letzterem Fall fehlt es dagegen an der Verusachung eines Brandes (im Sinne einer thermisch-chemischen Kettenreaktion), und das Ausgießen des Brandbeschleunigers ist lediglich eine Vorbereitungshandlung. Im Schrifttum ist umstritten, ob auch dann eine tatbestandsrelevante gänzliche oder teilweise Zerstörung des Tatobjekts vorliegt, wenn diese Folgen allein im Löschmitteleinsatz begründet liegen.394 Einige Autoren verneinen in diesem Fall 392 BGH, NJW 2003, S. 202 (203); BGHSt 48, 14 (19 f.); dazu Martin, JuS 2003, S. 409 f.; zustimmend: Radtke, NStZ 2003, S. 432 ff.; Hagemeier/Radtke, NStZ 2008, S. 198 (199); Wolff, JR 2003, S. 391 ff.; SSW/Wolters, § 306 Rn. 14; Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306 Rn. 20 ff. 393 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 88; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 15 mwN. 394 Für eine Zurechnung: SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 15 ff.; LK/Wolff, § 306 Rn. 15 ff.; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 30; Sinn, Jura 2001, S. 803 (807); Sch/Sch/ Heine, § 306 Rn. 17; Rengier, BT II, § 40 Rn. 16; Eisele, BT I, Rn. 736; Müller/Hönig JA 2001, S. 517 (519); Schröder, JA 2002, S. 367 (369); dagegen: Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT 2, § 51 I Rn. 7: „Die Schäden durch Löschung sind zwar durch die Brandlegung verursacht und von dem Täter auch regelmäßig vorausgesehen, aber nicht mehr seine Zerstörung bzw. ihm nicht zurechenbar.“; Radtke, NStZ 2003, S. 432 (433): „So kann von einer Zerstörung durch Brandlegung lediglich dann die Rede sein, wenn die spezifische Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer den Taterfolg der vollständigen oder teilweisen Zerstörung des jeweiligen Tatobjekts herbeigeführt hat . . . Dementsprechend gehören entgegen verbreiteter Auffassung in der Literatur . . . Zerstörungserfolge, die

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den Zurechnungszusammenhang und wollen nur solche Schäden als brandspezifisch anerkennen, die unmittelbar durch das Feuer, d. h. durch Hitze und Rauch, entstanden sind.395 Zwar ist dieses Ansinnen vom Bemühen einer restriktiven Auslegung getragen, lässt aber unberücksichtigt, dass der Täter durch die Brandlegung die Vornahme von mitunter ihrerseits potentiell schädigenden Gefahrabwehrmaßnahmen, wie dem Löschmitteleinsatz, herausgefordert hat. Die innere Rechtfertigung dafür, auch reguläre Löschwasserschäden dem Täter im Rahmen des brandspezifischen Zurechnungszusammenhang als sein Werk zuzurechnen, leitet sich daraus ab, dass sich diese als notwendiges Mittel zur Eindämmung der brandbedingten Gefahrenquelle darstellen, um (weitergehende) Beeinträchtigung von Leib, Leben und Eigentum zu verhindern. Im Übrigen legt ein so umfangreicher Löschmitteleinsatz, dass (allein) dadurch das Tatobjekt beschädigt oder zerstört wurde, wiederum die Vermutung nahe, dass konkret ein gefährlicher Brandherd geschaffen wurde.396 Daher drückt sich in löschwasserbedingten Schädigungen grundsätzlich die spezifische Gefährlichkeit der Tat aus und zwar auch dann, wenn die tatbestandsrelevante Beschädigung des Tatobjekts ausschließlich hierauf beruht! Freilich muss die Zurechnung von Löschwasserschäden dann versagt werden, wenn die professionellen Brandbekämpfer – trotz Zubilligung eines großzügigen Einschätzungsspielraums – in nicht mehr vertretbarem Umfang, d. h. grob fehlerhaft, Löschmittel eingesetzt haben und die Zerstörung des Tatobjekts ursächlich allein hierin begründet ist. Dann realisiert sich in der völligen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts normativ allein das sachwidrige Vorgehen der Rettungskräfte. cc) Abschließende Überlegungen zur Tathandlung Im Ergebnis stellt die Aufnahme der neuen Tathandlung397 der Brandlegung eine begrüßenswerte Ergänzung der tradierten Tathandlung der Inbrandsetzung dar, die dem Anliegen der Erfassung der vielschichtigen Gefährdungspotentiale des Tatmittels Feuer angemessen Rechnung trägt.398 Zwar ist einzuräumen, dass die Konturen des Begriffs der „Brandlegung“ weit weniger scharf umrissen sind durch die Einwirkung des mittels Brand hervorgerufenen Löschmitteleinsatzes hervorgerufen werden, gerade nicht zu den von §§ 306, 306a StGB erfassten Zerstörungen durch Brandlegung.“; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 54. 395 So zu § 306a Abs. 1 Piel, StV 2012, S. 502 (507): „Dass § 306a Abs. 1 StGB nicht vor der Einwirkung von Löschmitteln auf Sachgegenstände schützen soll, liegt auf der Hand.“ 396 Zu berücksichtigen ist nämlich, dass auch das bei der Brandbekämfung eingesetzte Löschwasser mitunter toxisch sein kann, indem dieses die beim Brand gebildeten Schadstoffe ausspült und dadurch z. B. das Tatobjekt oder dessen Umgebung kontaminiert, De Vries, Brandbekämpfung mit Wasser und Schaum, S. 313 ff. 397 So zutreffend: SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 12 ff. 398 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 90.

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als die des Inbrandsetzens und insofern ein heterogeneres Tatbild umfassen.399 Andererseits erfährt die Weite der Tathandlung jedoch ein wirksames einschränkendes Korrektiv durch den verlangten Taterfolg der völligen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts. Die ergänzende Funktion der Zerstörung durch Brandlegung verdeutlicht sich anschaulich im Vergleich zur Tathandlung des Inbrandsetzens, die entscheidend an das selbstständige Fortbrennen aus eigener Kraft an einem Bestandteil des Tatobjekts anknüpft. Der frühe Vollendungszeitpunkt ist hier gerechtfertigt, da die Verselbständigung des Brandherdes die Überschreitung der Gefahrschwelle im Sinne der Eröffnung einer Gefahrenquelle markiert.400 Insofern trägt der frühe Vollendungszeitpunkt bei der Inbrandsetzung dem Faktum Rechnung, dass selbst kleine Brände innerhalb kurzer Zeit ein nicht mehr beherrschbares Ausmaß annehmen und frühzeitig massive Schadwirkungen verursachen können.401 Demgegenüber prägt die Tathandlung der Brandlegung in zeitlicher Hinsicht eine andere Perspektive, weil Tatvollendung erst mit der (fortgeschrittenen) Realisierung des brandspezifischen Schädigungspotentials durch Beschädigung bzw. Zerstörung des Tatobjekts eintritt. Während das Inbrandsetzen des Tatobjekts in die Zukunft gewandt eine Gefährlichkeitsprognose begründet, ohne dass die Gefährdung schon irgend einen weitergehenden Niederschlag gezeigt haben müsste, orientiert sich die Tathandlung der Brandlegung an der realen Manifestation des Gefahrenpotenial in Form der Zerstörung oder Beschädigung des Tatobjekts, die retrospektiv einen klaren Beweis für die Gefährlichkeit der Tat liefert.402 Dass eine Brandlegung, die das Tatobjekt ganz oder teilweise zerstört hat, prinzipiell als gefährlich zu bewerten ist, kann nicht in Abrede gestellt werden. Die Kritik Radtkes, die Einfügung der neuen Tathandlung der Brandlegung müsse als Aufgabe der überkommenen Schutztechnik des Brandstrafrechts ver399

LK/Wolff, § 306 Rn. 16. So bereits von Woringen, ACR 1843, S. 205 (218 ff.). 401 Vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1) (a). 402 Zutreffend Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 6: „All jene Umstände aber, die eine solche Zerstörung des Gebäudes bewirken, tragen auch für Personen eine der Inbrandsetzung entsprechende abstrakte Gemeingefahr in sich.“; ders., S. 34: „Während also die erste Tatvariante konkret die Gefahrenquelle benennt, beschreibt die zweite Tatvariante die entstandene abstrakte Gefährlichkeit des Brandes anhand seiner Auswirkungen.“; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 86: „Die Gleichstellung der Zerstörung mit dem Inbrandsetzen erscheint insofern plausibel, als der Zerstörungseintritt typischerweise in zweierlei Hinsicht auf eine Gefährlichkeit für Personen hindeutet. Erstens können von einer zerstörten (ähnlich wie von brennenden) Räumlichkeiten Gefahren für darin anwesende Personen ausgehen, beispielsweise durch herabfallende Bauteile, durch schädliche Substanzen, die bei dem Zerstörungsvorgang freigesetzt worden sind, usw. Wo dies einmal nicht der Fall sein sollte (etwa weil eine so heftige Explosion stattgefunden hat, daß die Räumlichkeit ,dem Erdboden gleichgemacht‘ ist), deutet gerade dieser Umstand auf den zweiten Gefährlichkeitsaspekt hin, nämlich die mit dem Zerstörungsvorgang (starke Druckwelle, Hitzeentwicklung, Rauchbildung) verbundene Gefahr für Personen.“ 400

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standen werden, weil mit Blick auf § 306 Abs. 1 nur die unmittelbare Rechtsgutsgefährlichkeit für das Eigentum am Tatobjekt erfasst sei, lässt unberücksichtigt, dass beide Tathandlungen, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven, der Kennzeichnung der Eröffnung brandbedingter Gefährdungsquellen dienen, aus denen weitergehende Bedrohungen für die Rechtsgüter Eigentum, Leib und Leben erwachsen.403 Insoweit fügt sich die neue Tathandlung der Brandlegung durchaus in die traditionelle Konzeption des Brandstrafrechts.404 Zudem erfasst das Gesetz selbst vermittels der Tathandlung der Brandlegung nicht alle Fälle der Realisierung der Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer. Wird die Inneneinrichtung eines Gebäudes in Brand gesetzt, ohne dass hierdurch Bestandteile des Tatobjekts in Brand gesetzt wurden, bzw. dessen völlige oder teilweise Zerstörung eingetreten ist, so sind die §§ 306, 306a, 306d nicht verwirklicht, selbst wenn durch die Tat mehrere Personen durch Rauchvergiftungen verletzt wurden oder verstarben. Und fehlt dem Brandstifter zudem ein entsprechender auf die Inbrandsetzung des Tatobjekts oder dessen Zerstörung durch Brandlegung gerichteter Vorsatz, dann sind auch §§ 306, 306a Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 nicht einschlägig, sondern allenfalls §§ 222, 229, 303, 52.405 Dennoch kann nicht von einer kritischen Lücke gesprochen werden, denn vielmehr ist dies die Konsequenz der abstrakt-fragmentarischen Konstruktion des Brandstrafrechts. Desgleichen kann die Kritik Radtkes, dass der unterschiedliche Vollendungszeitpunkt zwischen beiden Tathandlungen zu nicht akzeptablen Konsequenzen bei der Anwendung des Rücktritts gem. § 24 und der tätigen Reue gem. § 306e Abs. 1 führe, nicht geteilt werden.406 Zwar trifft es zu, dass wegen des frühen Vollendungszeitpunkts des Inbrandsetzens der Täter weitgehend auf die tätige Reue gem. § 306e Abs. 1 verwiesen wird, die – anders als § 24 – nur ein fakultatives Absehen von Strafe bzw. Strafmilderung anordnet. Hingegen ist die Brandlegung erst mit Eintritt der völligen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts vollendet, so dass bis zum Eintritt dieses Erfolges noch ein Rücktritt von der Tat 403

Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (871 f.). Aus der verschiedenen Struktur der beiden Tathandlungen lassen sich aber aufgrund ihrer gemeinsamen Zielsetzung keine weitergehenden dogmatischen Schlussfolgerungen ableiten, wie etwa die problematische These Bayers, § 306 Abs. 1 sei bezüglich des Inbrandsetzens abstraktes Gefährdungsdelikt und hinsichtlich der völligen oder teilweisen Zerstörung durch Brandlegung ein Erfolgsdelikt, vgl. Bayer, in: Bochumer Erläuterungen zum 6. StrRG, S. 104 Rn. 4; ähnlich auch Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 48. 405 Allein aus dem Vorsatz hinsichtlich einer Inbrandsetzung kann nicht automatisch auf einen Vorsatz hinsichtlich der Zerstörung durch Brandlegung geschlossen werden. Beabsichtigt der Täter die Inbrandsetzung des Tatobjekts und verwirklicht er dadurch die teilweise Zerstörung des Tatobjekts, dann muss auch der Zerstörungserfolg von seinem Vorsatz umfasst sein, was meist naheliegend, aber per se nicht zwingend ist, Fischer, § 306 Rn. 19; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 58. 406 Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (872); dagegen: Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 33 ff. 404

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gem. § 24 möglich ist und zwar unabhängig davon, ob bereits ein erheblicher Schaden im Sinn des § 306e eingetreten ist. Im Gegenzug wird mit Vollendung der Brandlegung tätige Reue regelmäßig ausgeschlossen sein, soweit die völlige oder teilweise Zerstörung des Tatobjekts zugleich einen erheblichen Schaden gem. § 306e Abs. 1 hervorgerufen hat.407 Dazu passt, dass die tätige Reue historisch eng mit der Tathandlung der Inbrandsetzung verbunden ist und gezielt den frühen Vollendungszeitpunkt dieser Tathandlung kompensieren sollte.408 c) Zur problematischen Extension des Tatobjektskatalogs durch das 6. StrRG 1998 Die Modernisierung des Tatobjektskatalogs des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F., dessen Struktur noch der Wirtschaftsordnung des 19. Jahrhunderts entlehnt war, hat nicht nur eine erhebliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 306 Abs. 1 bewirkt, sondern zugleich schwierige Auslegungsfragen aufgeworfen.409 Der neu gestaltete Tatobjektskatalog des § 306 Abs. 1 erfasst nun fremde Gebäude und Hütten (Nr. 1), Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen (Nr. 2), Warenlager oder -vorräte (Nr. 3), Kraft-, Schienen-, Luftund Wasserfahrzeuge (Nr. 4), Wälder, Heiden oder Moore (Nr. 5) sowie land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse (Nr. 6). Obwohl die Erweiterung des Katalogs vereinzelt als gelungene Anpassung an die moderne Wirtschaftsordnung begrüßt wird, ist der Tenor im Schrifttum eindeutig: Die Neugestaltung wird überwiegend als ausufernde Aufblähung des Normanwendungsbereichs ohne kriminalpolitische Berechtigung kritisiert, die zudem unter technischen Mängeln – nämlich der fehlenden Bestimmbarkeit einiger Tatobjekte – leide.410 Während die tradierten Tatobjekte, wie Gebäude und Hütten (Nr. 1), Warenlager und Warenvorräte (Nr. 3) und Wälder, Heiden und Moore (Nr. 5), an die bereits § 286 preuß. StGB und § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. anknüpften, weiterhin keine nennenswerten Schwierigkeiten aufwerfen und daher keiner Untersuchung bedürfen,411 so konzentriert sich die Kritik speziell auf die Bestimmbarkeit der neuen Nr. 2, 4 und 6. Daher wird zu überprüfen sein, 407

A. A. NK-StGB/Herzog, § 306e Rn. 4; BGHSt 48, 14 (22 f.). Dazu vgl. § 1 A. V., § 1 B. I. und § 1 B. V. 409 Eingehend: Wolff, in: FS Rüping, S. 29 ff.; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/ Stein, Einführung, S. 95 ff. 410 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 91: „Insoweit ist es dem Gesetzgeber zumindest gelungen, die Vorschrift an die heutige Wirtschaftsordnung anzupassen, wenngleich die hiermit verbundene Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 306, vor dem Hintergrund der Strafandrohung von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, kriminalpolitisch bedenklich erscheint.“; kritisch: Schroeder, GA 1998, S. 571; LK/Wolff, § 306 Rn. 21; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 1; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 23; Fischer, § 306 Rn. 2. 411 Eingehend zu § 306 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5 Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (33, 38 f. und 44). 408

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inwieweit Wortlaut und Wortsinn der Nr. 2, 4 und 6 selbst effektive Einschränkungsmöglichkeiten beinhalten oder ob der Vorwurf der Unbestimmbarkeit zutrifft. aa) § 306 Abs. 1 Nr. 2 – Betriebsstätten oder technische Einrichtung, namentlich Maschinen (1) § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1 – Betriebsstätten Im allgemeinen Sprachgebrauch wird ein Betrieb als „Wirtschaftsgüter produzierende od. Dienstleistungen erbringende wirtschaftliche Einrichtung“ 412 und eine Betriebsstätte dementsprechend als „Stätte, an der ein Betrieb sich befindet“ 413 definiert. Es ist offensichtlich, dass eine Betriebsstätte den Ort bezeichnet, an dem eine wirtschaftliche Funktionseinheit angesiedelt ist. Doch bereits daraus wird deutlich, wie umfassend dieser rein wirtschaftlich geformte Begriff ist, der die verschiedensten Produktionsstufen, -bereiche und Dienstleistungen umfasst. Eine mehrere Hektar große Chemiefabrik ist ebenso eine Betriebsstätte, wie ein Steinbruch, eine Gärtnerei, ein Biergarten, ein Kiosk oder ein Bootsverleih. Im Schrifttum wird diskutiert, inwieweit ein Rückgriff auf andere Rechtsnormen, wie §§ 325 Abs. 2, 325a Abs. 1, 2, 327 Abs. Nr. 2, § 12 S. 1 AO oder § 3 Abs. 5 Nr. 1, Alt. 1 BImSchG zulässig ist, die ebenfalls an den Terminus der „Betriebsstätte“ anknüpfen, oder ob § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1 ein eigenständiger Begriff der „Betriebsstätte“ zugrunde zu legen ist.414 Den in Bezug auf die Reform des Tatobjektskatalogs nicht aussagekräftigen Gesetzesmaterialien lassen sich jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine Anknüpfung an eine der vorgenannten Normen entnehmen.415 Einige Autoren favorisieren dennoch die Orientierung an der Legaldefinition des § 12 S. 1 AO, der als Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage beschreibt, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.416 Dieser Rückgriff sieht sich, angesichts der abgabenrechtlichen Zielsetzung des § 12 S. 1 AO, Bedenken ausgesetzt, inwieweit er auf den am Gefährdungsgedanken ausgerichteten § 306 Abs. 1 übertragbar ist.417 Außerdem ist zweifelhaft, ob sich aus § 12 AO tatsächlich eine relevante Präzisierung ableiten lässt, weil § 12 S. 2 AO, als Beispiele für Betriebsstätten, z. B. die Stätte der Geschäftsleitung, Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabrikations- oder Werk412

Duden, Band 2, S. 570. Duden, Band 2, S. 571. 414 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 26 ff.; Fischer, § 306 Rn. 4; HK/Weiler, § 306 Rn. 4; LK/Wolff, § 306 Rn. 26; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 5; eingehend: Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (33 ff.). 415 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 416 Lackner/Kühl, § 306 Rn. 2; SSW/Wolters, § 306 Rn. 4. 417 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 91 f.; LK/Wolff, § 306 Rn. 26. 413

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stätten, Warenlager, Ein- oder Verkaufsstellen, Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen rechnet. Selbst die „Büroecke“ im Wohnzimmer unterfällt demnach dem Begriff der Betriebsstätte, weshalb die Anlehnung an § 12 AO jedenfalls keinen erkennbaren Nutzung für die Konkretisierung dieses unklaren Begriffs aufweist.418 Daher plädiert Wolff dafür, den Begriff der Betriebsstätte im Rahmen des § 306 Abs. 1 eigenständig auszulegen und als eine meist räumlich abgegrenzte Sachgesamtheit zu bestimmen, die einer auf Dauer angelegten gewerblichen Unternehmung dient und die regelmäßig ein Grundstück oder einen Grundstücksteil zum Mittelpunkt haben wird.419 Dem ähnelt der Vorschlag Heines, die Betriebsstätte als räumlich-gegenständliche Funktionseinheiten zu beschreiben, die auf längere Dauer angelegt ist und der Tätigkeit eines Unternehmens dient.420 Fischer spricht sich zudem für die Ausgrenzung von räumlich getrennten Teilen des Betriebes aus, die nur der Verwaltung oder als Lagerhallen dienen, ohne diese Einschänkung aber näher zu begründen.421 Festzuhalten ist, dass der Begriff der Betriebsstätte kaum einschränkbar ist und im Vergleich zu den in Nr. 1, 3 und 5 benannten Objekten keine greifbaren Konturen aufweist. Im Schrifttum sind wesentliche Merkmale der Betriebsstätte nach wie vor unklar, insbesondere welchem (wirtschaftlichen) Zweck diese dienen muss, also ob exklusiv industrielle und handwerkliche Produktionsbereiche, oder auch Stätten des Handelsgewerbes umfasst sind.422 Dass der Begriff der Betriebsstätte nur auf produzierende Betriebsformen beschränkt sei, wie gelegentlich behauptet wird, lässt sich dem Gesetz jedenfalls nicht entnehmen. Vielmehr spricht eine am Gefährdungsgedanken orientierte Auslegung tendenziell dafür, auch Orte handelsgewerblicher Tätigkeiten, wie Warenhäuser und Geschäfte, unter den Begriff der Betriebsstätte zu fassen.423 Ob Orte rein freiberuflicher Tätigkeit unter den Begriff der „Betriebsstätte“ subsumierbar sind, ist mit Blick auf den Wortlaut unklar, ebenso wie die Einbeziehung mobiler Tatobjekte, z. B. ein in einem Lieferwagen integrierter Imbisswagen oder Fahrgeschäfte auf der Kirmes.424 Auch 418

Fischer, § 306 Rn. 4; Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (34). LK/Wolff, § 306 Rn. 26. 420 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 5. 421 Fischer, § 306 Rn. 4; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 27. 422 Gegen eine solche Restriktion: MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 27; LK/Wolff, § 306 Rn. 27; NK-StGB/Herzog § 306 Rn. 5; Sinn, Jura 2001, S. 803 (804); dafür aber: Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 96; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 92. 423 Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (35). 424 Sinn, Jura 2001, S. 803 (805): „Allerdings wäre dann nicht mehr zu rechtfertigen, warum der fahrbare Imbisswagen gegenüber einem fest installierten Imbissstand weniger schutzwürdig sein soll. Die hohe Strafandrohung rechtfertigt sich auch aus der Objekteigenschaft heraus.“; Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (35). 419

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die Bewertung zeitlich begrenzter Unternehmungen, wie Bau- und Montagestellen, ist noch nicht abschließend geklärt.425 Obwohl ein unbesehener Rückgriff auf den in den §§ 325 Abs. 1 und 2, 325a Abs. 1 und 2, 327 Abs. Nr. 2 gebrauchten Begriff der Betriebsstätte426 wegen deren im Vergleich zu § 306 Abs. 1 divergierender Schutzrichtung fragwürdig ist, die §§ 324 ff. schützen die Funktion der Umwelt als gegenwärtige und künftige Lebensgrundlage des Menschen,427 so kontrastiert aber die dortige Begriffsverwendung nachhaltig die Unbestimmbarkeit dieses Terminus im Rahmen des § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1. Denn der Begriff der Betriebsstätte erfährt z. B. in § 327 Abs. 1 Nr. 2 dadurch eine erhebliche Restriktion, dass die Betriebsstätte der Verwendung von Kernbrennstoffen dienen muss und die Tathandlung ohne die erforderliche Genehmigung bzw. entgegen einer vollziehbaren Untersagung vorgenommen wird. Gleichermaßen begnügen sich die Luftverunreinigung gem. § 325 Abs. 1, 2 und das Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen gem. § 325a Abs. 1 und 2 nicht mit der Anknüpfung an die Betriebsstätte, die auch dort nur als Unterfall der „Anlage“ benannt ist. Beide Normen verlangen weitergehend, dass unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten die dort jeweils genannten schädlichen Wirkungen verursacht werden. Durch die Anknüpfung an weitere Tatbestandsmerkmale erfährt der weit gefasste Begriff der Betriebsstätte bei den §§ 325 Abs. 2, 325a Abs. 1, 2, 327 Abs. 1 Nr. 2 eine mehrstufige Einschränkung. Solche vergleichbaren Restriktionen sind § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1, der zudem einen deutlichen höheren Strafrahmen als die vorgenannten Normen aufweist, jedoch völlig fremd.428 Es genügt hier die vorsätzliche Inbrandsetzung jeder „fremden“ Betriebsstätte bzw. ihre Zerstörung durch Brandlegung. (2) § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 2 – technische Einrichtung Neben den Betriebsstätten benennt Nr. 2, Alt. 2 technische Einrichtungen, insbesondere Maschinen, als taugliche Tatobjekte. Eine Einrichtung wird im Duden schlicht als technische Vorrichtung oder Anlage beschrieben.429 Das Schrifttum 425 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 92; Fischer, § 306 Rn. 4; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 29; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 5; Sinn, Jura 2001, 803 (804 f.). 426 Zu den Anlagen im Sinn des § 325 Abs. 1 und 2 rechnet Alt Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, die örtlich begrenzt, d. h. an ein bestimmtes Grundstück gebunden, sind, vgl. MüKo-StGB/Alt, § 325 Rn. 11. 427 NK-StGB/Ransiek, Vor §§ 324 ff. Rn. 7. 428 Vgl. § 325 Abs. 1 und Abs. 2: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren; § 325a Abs. 1: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre, Abs. 2: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren; § 327 Abs. 1 Nr. 2: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. 429 Duden, Band 3, S. 970.

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definiert eine technische Einrichtung verbreitet als eine aus Sachen zusammengesetzte, industriell oder handwerklich hergestellte Funktionseinheit, die Naturgesetze oder natürliche Abläufe durch menschliche Entwicklung nutzbar machen soll430 bzw. als gegenständlich zusammengesetzte Hilfsmittel, die durch menschliche Einwirkung in produktions- oder organisationsbezogenen Prozessen einsetzbar sind.431 Das Spektrum der durch die technischen Einrichtungen umfassten Objekte ist vielfältig und der Wortlaut erlaubt es, hierunter sehr kleine Geräte, wie einen Standmixer, Kaffeemaschinen, PCs oder eine Handbohrmaschine, aber auch Großgeräte wie Planierraupen, Pumpen, Walzen, Industrieroboter, Transport- und Förderanlagen oder ein 50 Meter hohes Windrad zu subsumieren.432 Der naheliegende Befund, wonach der Wortlaut auch hier zu weit geraten und daher eine Einschränkung von Nöten sei, wird allgemein geteilt.433 Im Bemühen um Eingrenzung werden diverse Restriktionskriterien vorgeschlagen. Teils werden nur ortsfeste Anlagen, nicht aber bewegliche Einrichtungen, als taugliche Tatobjekte erachtet,434 oder es wird aus dem systematischen Zusammenhang mit Nr. 2, Alt. 1 (Betriebsstätten) abgeleitet, dass allein betriebsbezogene technische Einrichtungen, nicht hingegen privat genutzte Einrichtungen erfasst seien.435 Andere Vorschläge wollen – in Entsprechung zu den Betriebsstätten – eine Beschränkung auf gewerblichen bzw. handelsgewerblichen Zwecken dienende Einrichtungen vornehmen, was sich jedoch weder mit Verweis auf die Systematik noch auf den Wortlaut begründen lässt. Gleiches gilt für den Vorschlag Herzogs, nur technische Einrichtungen zu erfassen, die zur Fertigung von Produkten bestimmt sind.436 Gegen die Anknüpfung an die Betriebsbezogenheit der technischen Einrichtung spricht der Vergleich mit § 305a Abs. 1 Nr. 1, der unter430

LK/Wolff, § 306 Rn. 29. MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 31. 432 Schroeder, GA 1998, S. 571; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 96: „Auf der anderen Seite würde es der Wortsinn von ,technische Einrichtungen, namentlich Maschinen‘ sogar erlauben (aber wiederum nicht erzwingen), private Notstromaggregate, Wasserpumpen, automatische Garagen- oder Gartentore usw. einzubeziehen.“ 433 Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (37): „Damit ist der Begriff technische Einrichtung aber so weit gezogen, daß eine Einschränkung notwendig ist, denn es kann nicht Sinn der Regelung sein, die zum Inventar eines Betriebs gehörende Schreibmaschine oder gar die privat genutzte fremde Bohrmaschine mit der Strafdrohung des § 306 StGB gegen vorsätzlich herbeigeführte Brandschäden zu schützen.“; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 32: „Die Weite dieses Begriffes bietet ein Beispiel par Exellence für die gebotene restriktive Auslegung der einfachen Brandstiftung.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 434 MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 32; LK/Wolff, § 306 Rn. 29; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 5; Fischer, § 306 Rn. 5. 435 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 96; NK-StGB/Herzog § 306 Rn. 7; Fischer, § 306 Rn. 5. 436 NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 6; dagegen MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 33; Fischer, § 306 Rn. 5. 431

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streicht, dass das Gesetz selbst zu erkennen gibt, wenn es die Betriebsbezogenheit als ausschlaggebendes Kriterium berücksichtigt wissen will. Auch in Bezug auf Nr. 2, Alt. 2 ist deshalb zu konstatieren, dass sich eine überzeugende Einschränkung aus Wortlaut bzw. Wortsinn nicht finden lässt. bb) § 306 Abs. 1 Nr. 6 – land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse (1) § 306 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 1 – Anlage Eine Anlage wird vornehmlich als sachliche Funktionseinheit oder Einrichtung definiert, die der Erzeugung und Verarbeitung von Produkten der genannten Wirtschaftszweige, also land-, ernährungs- oder forstwirtschaftlichen Zwecken, der sog. Urproduktion, dient.437 Die „uferlose Weite“ 438 des Wortlauts umfasst demgemäß Maschinen, wie z. B. einen Traktor oder einen Mähdrescher, ebenso wie einen Stall oder eine Scheune, aber auch Grundstücke, wie bestellte Felder, Weinberge oder eine Obstwiese. Die strukturelle Diversität der dem Begriff der „Anlage“ unterfallenden Objekte (Mobilien sowie Immobilien) zeigt, dass die Anknüpfung an das Kriterium der „sachlichen Funktionseinheit“ keine Anhaltspunkte für eine wirksame Restriktion vermittelt, denn allein die wirtschaftlichfunktionale Zweckbestimmung der Sache ist dann maßgebend.439 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Synonym des Wortes „Anlage“ der Begriff der „Einrichtung“ (vgl. Nr. 2, Alt. 2) ist, so dass es nicht überrascht, hier wie dort auf dieselbe Problematik der Präzisierung der Begriffsbestimmung zu stoßen.440 Unklar sind aber nicht nur die begrifflichen Grenzen der „Anlage“, sondern offen ist auch die – bis heute noch nicht einmal ansatzweise erörterte – Frage, wie das Verhältnis einer Hauptanlage gegenüber ihren „Untereinheiten“ zu bestimmen ist, die ihrerseits durchaus als selbständige Anlagen im Sinn des § 306 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 1 begriffen werden können. Hierzu sei ein Beispiel genannt: Ein Bauernhof, der aus einem Stall, einer Scheune, einer umzäunten Weide und einem entsprechenden Maschinenpark besteht, stellt in seiner Gesamtheit eine 437 Duden, Band 1, S. 226 (Anlage): „3. Nach einem Plan für einen bestimmten Zweck gestaltete Flächen, Bauten o.Ä.: städtische, öffentliche -n (Grünflächen, Parks)“; LK/Wolff, § 306 Rn. 40: „Der gesetzlich nicht definierte Begriff Anlage, der im StGB auch an anderer Stelle, aber nicht in je gleicher Bedeutung verwendet wird und wenig präzise ist, ist im Rahmen des § 306 Abs. 1 Nr. 6 als aus körperlichen Gegenständen bestehende Funktionseinheit . . . zu verstehen.“; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 9; Fischer, § 306 Rn. 9; SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 8. 438 Fischer, § 306 Rn. 9. 439 Fischer, § 306 Rn. 9; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 41. 440 Duden, Band 1, S. 226 (Anlage): „4. Vorrichtungen, Einrichtungen: eine technische, elektronische A.“

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landwirtschaftliche Organisationseinheit und somit eine Anlage im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 1 dar. Die entscheidende Frage ist, ob die einzelnen Bestandteile, also Untereinheiten wie Stall, Scheune, Traktor, ihrerseits als selbständige landwirtschaftliche Anlagen und somit als taugliche Tatobjekte der einfachen Brandstiftung anzusehen sind oder nur als (unselbständige) Bestandteile der Gesamtanlage. Denn wird z. B. eine Scheune oder eine Maschine durch Brandlegung zerstört, so kommt es für die Verwirklichung des § 306 Abs. 1 entscheidend darauf an, ob eine teilweise Zerstörung des Tatobjekts, im Sinne einer nachhaltigen Beeinträchtigung von einigem Gewicht, entstanden ist. Dann ist zu entscheiden, ob allein die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit der (Gesamt-)Anlage „Bauernhof“ und/oder auf die Beeinträchtigung der Scheune/ Maschine abzustellen ist. Wiederum lässt sich diesbezüglich weder aus dem Wortlaut noch aus der Begriffsbezeichnung eine eindeutige Antwort entnehmen. (2) § 306 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 2 – Erzeugnis Den Gipfel möglicher Unbestimmtheit verkörpert der Begriff des land-, forstoder ernährungswirtschaftlichen Erzeugnisses, worunter der Wortlaut ohne Einschränkung jede in diesen Wirtschaftsbereichen produzierte Sache fasst.441 Zu den forstwirtschaftlichen Erzeugnissen sind deshalb, z. B. Rindenmulch, Holzschnitzel, Brennholz oder Weihnachtsbäume ebenso zu rechnen, wie Samen und Setzlinge.442 Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind dagegen alle abgeernteten, unter Ausnutzung von Grund und Boden gewonnen Rohprodukte, die bei ihrer Gewinnung der Substanz nach unverändert bleiben, wie Gemüse, Obst, Tabak, Baumwolle, Heu und Stroh, nicht aber die Substanz des Bodens selbst, wie Steine, Torf oder Erde.443 Ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse beziehen sich z. B. auf die Produkte der Milch- und Fleischwirtschaft, aber prinzipiell – das ist umstritten – auch auf alle verarbeiteten Lebensmittel, einschließlich der als Sinnbild für diese Problematik berühmt gewordenen „Tüte Cornflakes“.444 Die Abgrenzung zwischen land- und ernährungswirtschaftlichen Erzeugnissen bereitet 441 Duden, Band 3, S. 1107 (Erzeugnis): „. . . etw., was erzeugt worden ist; Produkt: landwirtschaftliche, industrielle.“; kritisch: Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 96 f.; Schroeder GA 1998, S. 571; Sinn, Jura 2001, S. 803 (806): „An der Verfassungsmäßigkeit einer solch weiten Vorschrift lässt sich deshalb mit Recht zweifeln.“; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 95: „Demgegenüber scheint mit der Aufnahme der ,Erzeugnisse‘ in den Tatbestand eine Uferlosigkeit in dessen Anwendungsbereich eingetreten zu sein, die so kaum gewollt sein kann.“; Lackner/Kühl, § 306 Rn. 2. 442 Beispiele nach: LK/Wolff, § 306 Rn. 42. 443 NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 22; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 97; Wolff in: FS Rüping, S. 29 (42). 444 Schroeder, GA 1998, S. 571; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 97; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 95; a. A. Sch/ Sch/Heine, § 306 Rn. 10; Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (41).

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Schwierigkeiten, allzumal erstere oftmals zu ernährungswirtschaftlichen Erzeugnissen verarbeitet werden. Vorweg: Gegen den naheliegenden Gedanken, nur eine gewisse Mindestmenge der genannten Erzeugnisse als taugliche Tatobjekte zu berücksichtigen, spricht die Tatsache, dass § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. noch explizit von „Vorräten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen“ sprach, aber der Reformgesetzgeber diese quantitative Restriktion für § 306 Abs. 1 Nr. 6 ohne Begründung445 aufgegeben hat.446 Dem zuwider eine erhebliche Menge von Erzeugnissen zu verlangen, verbietet sich deshalb.447 Im Bemühen um Einschränkung des uferlosen Wortlautes differenzieren manche Autoren nach dem Grad der Verarbeitungsstufe eines Erzeugnisses.448 So schlägt Fischer vor, zu den Erzeugnissen allein Rohprodukte zu rechnen, d. h. Erzeugnisse wären demnach nur solche Sachen, deren unmittelbarer Produktionsprozess beendet ist und die noch nicht verarbeitet wurden. Ein gefällter Baum wäre demnach noch ein forstwirtschaftliches Produkt, nicht mehr aber die daraus hergestellten Bretter im Sägewerk.449 Allerdings soll nicht jeder Weiterverarbeitungsprozess die Einordnung als Erzeugnis in Frage stellen, sondern es sei nach Intensität und Umfang der Weiterverarbeitung zu differenzieren. Das nötigt zur schwierigen Entscheidung, ab welchem Zeitpunkt im Rahmen eines mehrstufigen Verarbeitungsprozesses die Eigenschaft als Rohprodukt und damit die Einordnung als „Erzeugnis“ endet. Dies belegt die problematische Einschätzung Wolffs, wonach zwar zu Holzschnitzeln verarbeitete Baumstämme noch zu den forstwirtschaftlichen Erzeugnissen zu rechnen seien, nicht hingegen die aus dem Baum hergestellten Bretter.450 Eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen Holzschnitzeln und Brettern, erschließt sich nicht. Dass sich die Notwendigkeit der Eingrenzung nach Produktionsstufen daraus ergebe, dass es sich in der Phase zwischen (Ur-)Produktions- und Weiterverarbeitungprozess um besonders schutzbedürftige Eigentumsgegenstände handele, erscheint fragwürdig.451 Letztlich lässt 445

BT-Drucks. 13/8587, S. 87 f. So auch SK-StGB/Wolters, § 306 Rn. 8; LK/Wolff, § 306 Rn. 43. 447 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 97, der dennoch an das quantitative Kriterium anknüpfen möchte. Korrekturvorschlag de lege ferenda von Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 29. 448 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 10 und so schon RGSt 39, 22 ff. 449 Fischer, § 306 Rn. 10; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 22: „Eine systematische Auslegung spricht dafür, Lebensmittel auf der Endstufe der Verarbeitung nicht als erfasst anzusehen . . . Die bestimmte Abgrenzung von Rohprodukten zu nicht mehr tatbestandsmäßigen Veredelungsstufen ist jedoch außerordentlich schwierig, wenn man etwa den Schritt von den Haferflocken zum Müsli betrachtet.“ 450 So aber Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (43). 451 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 10. 446

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sich die Unbestimmtheit der Nr. 6, Alt. 2 nicht durch das unbestimmte Kriterium der Differenzierung nach dem Verarbeitungsgrad des Erzeugnisses heilen, zumal sich eine solche Einschränkung weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik schlüssig ableiten lässt. Ebenso lässt die von Wolff vorgeschlagene Einschränkung, wonach Erzeugnisse ihren Bezug zur Urproduktion verlieren und keine tauglichen Tatobjekte der Nr. 6, Alt. 2 seien, sobald sie in den Handelsverkehr übergegangen und damit als Waren zu klassifizieren seien (deren Schutz allein Nr. 3 vorbehalten sei), außer Acht, dass sich nach Wortlaut und Wortsinn die Begriffe Ware und Erzeugnis überschneiden können.452 cc) § 306 Abs. 1 Nr. 4 – Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge Die Nr. 4 benennt insgesamt vier verschiedene Gattungen von Verkehrsfahrzeugen, nämlich Kraftfahr-, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge. Die Bestimmung der Schienenfahrzeuge (Nr. 4, Alt. 2) ist unproblematisch, da diese in Anlehnung an § 315 Abs. 1 als Transportmittel zu definieren sind, welche sich auf einem Schienenstrang durch Motorkraft oder mechanisch fortbewegen, wie z. B. Eisen-, Berg- Hoch- und Untergrundbahnen.453 Umstritten ist allein, ob hierzu auch Magnetschwebebahnen zählen.454 Hingegen wirft die Definition des Kraftfahrzeugs (Nr. 4, Var. 1) in Randbereichen Probleme auf. Eine Anknüpfung an die in § 248b Abs. 1 und 4 gewählte Begriffsbestimmung von Kraftfahrzeugen, die neben Autos und Motorrädern auch Motorboote und motorbetriebene Flugzeuge erfasst,455 erscheint in zweierlei Hinsicht verfehlt. Einerseits, weil § 248b den Schutz vor Gebrauchsanmaßungen bezweckt und damit eine andere Schutzrichtung als die einfache Brandstiftung aufweist, und andererseits, da § 306 Abs. 1 Nr. 4 explizit zwischen verschiedenen Fahrzeuggattungen unterscheidet, die § 248b – wie Autos und Motorboote – jedoch innerhalb eines Begriffes zusammenfasst.456 Deshalb wird zu Recht die Anknüpfung an § 1 Abs. 2 StVG favorisiert, der Kraftfahrzeuge als nicht schienengebundene, motorgetriebene Landfahrzeuge beschreibt und dazu Pkw, Lkw und Motorräder rechnet.457 Allerdings umfasst § 1 Abs. 2 StVG auch Kleinfahrzeuge, wie Mofas, Minimotorräder, Fahrräder mit Hilfsmotor oder elektrisch be-

452 453 454

Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (42); dagegen Sinn, Jura 2001, S. 803 (806). NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 11. Dafür: Sinn, Jura 2001, S. 803 (805 f.); dagegen: Wolff, in: FS Rüping, S. 29

(46). 455 NK-StGB/Kindhäuser, § 248b Rn. 2; Fischer, § 248b Rn. 3; MüKo-StGB/Hohmann, § 248b Rn. 7 ff. 456 A. A. SSW/Wolters, § 306 Rn. 6. 457 LK/Wolff, § 306 Rn. 34; Fischer, § 306 Rn. 7; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 10.

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triebene Rollstühle, was die Frage aufwirft, ob die Einbeziehung dieser kleinen Fahrzeugtypen überhaupt intendiert und berechtigt ist.458 Zwar konnte gezeigt werden, dass die legislative Einschätzung der Anzündung eines Pkw als prinzipiell gefährlich – entgegen vielfach geäußerten Bedenken – durchaus sachlich legitimiert ist, aber angesichts der geringen Ausmaße, z. B. eines Mofas oder Fahrrades mit Hilfsmotor im Vergleich zu der Dimensionierung eines Pkw, wird hier eine Anzündung typischerweise keine vergleichbare Gefahrenquelle darstellen. Da – trotz berechtigter Bedenken – auch Mofas qua definitionem Kraftfahrzeuge und damit taugliche Tatobjekte der Nr. 4 sind und sich aus dem Wortlaut selbst keine Einschränkung begründen lässt, vermag allein die Annahme eines minder schweren Falls gem. § 306 Abs. 2 Härten abzumildern. Eine Ausgrenzung solcher Kleinstfahrzeuge wäre de lege ferenda wünschenswert. Immerhin ließen sich für § 306 Abs. 1 Nr. 4, Var. 1 elektrisch betriebene Rollstühle, soweit diese § 1 Abs. 2 StVG unterfallen, anhand der Überlegung ausscheiden, dass es sich um eine die natürliche Fortbewegung aus eigener Kraft substituierende Maschine handelt, der funktional eine „prothesenähnliche“ Funktion zukommt und die sich insofern von der Zweckbestimmung eines Pkw, der als Verkehrsmittel die natürliche Fortbewegungsfreiheit erweitert, funktional unterscheidet. Eine vergleichbare Problematik – nämlich die durch den Wortlaut eröffnete Einbeziehung von sehr kleinen Tatobjekten – stellt sich auch bei den Wasser(Nr. 4, Var. 4) und Luftfahrzeugen (Nr. 4, Var. 3). Wasserfahrzeuge sind Schiffe, Boote, Flöße und zwar unabhängig von ihrer Größe und der Antriebsart.459 Paradefall der dadurch aufgeworfenen Abgrenzungsfrage ist, ob auch die Anzündung eines Schlauchboots aus dem Supermarkt (Wert: 20 A) die einfache Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 Nr. 4 verwirklicht.460 Das wird im Ergebnis einhellig verneint, aber unterschiedlich begründet. In diesem Fall lässt sich ein überzeugendes Einschränkungskriterium aus einem systematischen Vergleich aller in Nr. 4 aufgezählten „Fahrzeuge“ ableiten, nämlich dass es sich bei den in der Nr. 4 benannten Objekten um Beförderungsmittel für Personen oder Güter handeln muss.461 Bei kleinen Schlauchbooten, Luftmatratzen, Schwimmreifen, Surf- und Bodyboards handelt es sich jedoch primär um Spiel- und Freizeitgerät und nicht um vollwertige Transportmittel, denn niemand wird damit ernsthaft von A nach B „reisen“ oder Gegenstände transportieren. Anders ist die Sachlage natürlich wie458

Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Janker, StVR, § 1 StVG Rn. 8. NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 14; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 7. 460 Für die Einbeziehung MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 37; dagegen: Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 94 Fn. 3. 461 Treffend Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (45): „Es geht also bei § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB um Beförderungsmittel für Menschen und Güter.“; SSW/Wolters, § 306 Rn. 6; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 7; Fischer, § 306 Rn. 7; teils weiter Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 93 f.: „Es muss sich dem Wortsinn nach lediglich um einen Gegenstand handeln, der zur Fortbewegung von Menschen bestimmt und geeignet ist . . .“. 459

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derum dann, wenn es sich um ein stabiles, seetaugliches Schlauchboot handelt, das insofern ein echtes Transportmittel ist.462 Bei Luftfahrzeugen ist umstritten, ob für § 306 Abs. 1 Nr. 4, Var. 3 an § 1 Abs. 2 LuftVG anzuknüpfen ist, der neben Flugzeugen und Luftschiffen ausdrücklich auch Fesselballone, Luftsportgeräte, z. B. Gleitschirme und Fallschirme, und bestimmte Flugmodelle erfasst.463 Doch auch hier ermöglicht ein systematischer Vergleich aller in Nr. 4 genannten Objekte, dass bei reinem Sport- und Freizeitgeräten, wie flugfähigen Flugzeugmodellen, Drachen und Gleitschirmen, der Beförderungsgedanke für Menschen und Güter weitgehend in den Hintergrund gedrängt wird, so dass sie aus dem Kreis der tauglichen Tatobjekte herausfallen. Anderes gilt hingegen für Fesselballone, mit denen durchaus weite Strecken überwunden werden können. Zusammenfassend ist festzustellen, dass § 306 Abs. 1 Nr. 4 durch die Einbeziehung kleinster Tatobjekte, wie einem Mofa, in Randbereichen fraglos zu weit geraten ist, aber dennoch ein fester Kernbereich der aufgezählten Tatobjektsvarianten im Wege der Auslegung bestimmbar ist, nämlich der des Transportes von Menschen und Gütern. Insoweit ist die Bestimmbarkeit der aufgezählten Tatobjekte insgesamt noch gewährleistet, da Wortlaut und Wortsinn der Nr. 4 wenigstens partiell Einschränkungskriterien vermitteln. dd) Zur Verletzung des Bestimmtheitsgebotes durch § 306 Abs. 1 Nr. 2 und 6 Die Untersuchung der in § 306 Abs. 1 Nr. 2 und 6 benannten „Betriebsstätten und technische Einrichtungen“ und „land-, ernährungs- und forstwirtschaftliche Anlagen und Erzeugnisse“ fällt hinsichtlich deren Bestimmbarkeit vernichtend aus, da es sich um generalklauselartige Begriffe handelt, die aus sich selbst heraus keiner schlüssigen Eingrenzung zugänglich sind. Das illustrieren nachdrücklich die in Nr. 6, Alt. 1 genannten Anlagen, die Gebäude, Grundstücke, Felder, Wiesen und Maschinen, also ihrerseits höchst heterogene Tatobjekte (Mobilien und Immobilien), umfassen. Die abstrakt-wirtschaftliche Zwecksetzung der in § 306 Abs. 1 Nr. 2 und 6 genannten Tatobjekte ist letztlich Kern des Problems, da sich hieraus eben keine vernünftigen Eingrenzungskriterien gewinnen lassen. Angesichts dessen ist der Frage näherzutreten, ob die in § 306 Abs. 1 Nr. 2, 6 benannten Tatobjekte überhaupt mit dem verfassungsrechtlich geforderten Be-

462 Ein nicht aufgeblasenes Schlauchboot ist ebenso wenig taugliches Tatobjekt, wie ein in seine Einzelteile zerlegter Pkw. Ein gefaltetes Schlauchboot ist deshalb nicht mit einem geparkten Pkw vergleichbar; so aber: Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 94; SSW/Wolters, § 306 Rn. 6. 463 SSW/Wolters, § 306 Rn. 6; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 7; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 36 f.

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stimmtheitsgebot gem. Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang zu bringen sind.464 Seitens des Schrifttums sind diesbezüglich wiederholt Bedenken geäußert worden, ohne eine solche Verletzung mit der Folge der Nichtigkeit ausdrücklich zu bejahen.465 Eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes liegt vor, wenn der Normanwendungsbereich der Nr. 2 und 6 so unscharf wäre, dass es dem Bürger als Normadressaten nicht mehr möglich ist, diesen zu bestimmen und sein Verhalten dementsprechend dem Normappell anzupassen.466 Freilich dürfen die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot nicht überspannt werden, weshalb allein der Umstand, dass es sich bei den in Nr. 2 und Nr. 6 benannten Sachen um generalklauselartige Tatobjektsgruppen handelt, nicht automatisch eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots begründet. Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, kann das Strafrecht nicht darauf verzichten, Begriffe zu verwenden, die nur allgemeingültig umschrieben werden können und mithin in besonderem Maße einer richterlichen Deutung bedürfen. Daher zwingt das Gebot der Gesetzesbestimmtheit den Gesetzgeber nicht, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit rein deskriptiven, exakt erfassbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben, da dies der Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeit nicht gerecht würde.467 Hingegen ist eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes durch Rückgriff auf derartige Tatbestandsmerkmale naheliegend, falls sich mit Hilfe üblicher Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung keine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt.468 Da eine gefestigte Rechtsprechung zu den noch jungen Nr. 2 und Nr. 6 nicht existiert, kommt es

464 Kritisch: Schroeder, GA 1998, S. 571: „Was sich der moderne Gesetzgeber bei seiner galoppierenden Extension gedacht hat, bleibt unerfindlich. Daß auch Schreibmaschinen (§ 306 Abs. 1 Nr. 2) und Paddelboote (Nr. 4) vor Inbrandsetzung mit Androhung von Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren geschützt werden, fügt sich ins Bild.“ 465 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 95: „Der Wortlaut der Neufassung ist in dem Bestreben, die heute nicht mehr plausible, teilweise sehr ,antiquiert‘ wirkende Auswahl von Tatobjekten zu korrigieren, in manchen Punkten so extrem ausgeweitet worden, daß eine restriktive Interpretation nicht mehr möglich ist, sondern nur noch eine teleologische Reduktion helfen könnte, die aber so weitgehend wäre, daß sie mit der vom Gesetzgeber gewählten Fassung nur wenig gemein hätte; jedenfalls bei diesem Punkt müßte man einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit nähertreten.“; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 95 f.; Eisele, BT I, Rn. 725; HK/Weiler, § 306 Rn. 2. 466 LK/Dannecker, § 1 Rn. 181 ff.; Fischer, § 1 Rn. 5. 467 BVerfGE 48, 48 (56); 92, 1 (19); BVerfG, NJW 1977, S. 1815 ff.; NJW 2004, S. 739 (745); SK-StGB/Rudolphi, § 1 Rn. 13 f.; Sch/Sch/Eser/Hecker, § 1 Rn. 19; Fischer, § 1 Rn. 5c. 468 BVerfGE 92, 1 (18 f.); BVerfG, NJW 2009, S. 2370 (2372).

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entscheidend darauf an, ob sich im Wege der systematischen oder teleologischen Auslegung der zu weit geratene Wortlaut effektiv eingrenzen lässt. Im Schrifttum werden verschiedene Wege diskutiert, um die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 zu restringieren. (1) Wertorientierte Einschränkungen Favorisiertes Einschränkungskriterium für die Tatobjekte der einfachen Brandstiftung ist die Forderung nach einem erheblichen oder bedeutenden Wert derselben.469 Die Notwendigkeit eines solchen Mindestwerts wird regelmäßig auf die (problematische) Einordnung des § 306 Abs. 1 als Sachbeschädigungsdelikt gestützt, weshalb Bagatellsachverletzungen ausscheiden müssten. Aus der Perspektive der hier favorisierten „Gefährdungslösung“ scheidet eine Anknüpfung an einen wie auch bestimmten Wert der Tatobjekte per se aus, denn der Schutzzweck der Norm will nicht Sachbeschädigungen erfassen, sondern typischerweise besonders gefahrträchtiges Verhalten unter Strafe stellen. Der Verkehrswert eines Tatobjekts steht aber in keinem logischen Konnex zum Ausmaß der durch die Anzündung eröffneten Gefahrenquellen, ebensowenig wie die Größe des Tatobjekts, zumal auch wertvolle Gegenstände klein und umgekehrt große Tatobjekte wertlos seien können.470 So wird eine ausgedehnte Betriebsstätte, unbeschadet ihrer Größe, wirtschaftlich keinen relevanten Wert besitzen, soweit erforderliche Sanierungskosten die positiven Vermögenswerte bilanziell aufzehren. Sollte eine solche Betriebsstätte allein aufgrund (schwankender) bilanzieller Bewertungen kein taugliches Tatobjekt des § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1 sein? Das zeigt, dass die Orientierung am erheblichen Wert des Tatobjekts den tatbestandlichen Anwendungsbereich mitunter unbotmäßig verengt und den Gefährdungsgedanken konterkariert.

469 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 3; Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306 Rn. 6.1: „Einerseits muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für das Sachbeschädigungsmoment im Unterschied zu § 303 StGB der Bagatellgrundsatz bereits auf Objektsebene gelten. Wirtschaftlich betrachtet wertlose Sachen können demnach kein taugliches Tatobjekt bilden.“; SSW/Wolters, § 306 Rn. 9; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 95 f.; Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (862); Eisele, BT I, Rn. 725; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 95 f.; LPK/Kindhäuser, § 306 Rn. 3; Schroeder, GA 1998, S. 571 (572): „Man wird den Tatbestand auf Gegenstände von nicht unerheblichem Wert beschränken müssen.“; Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (36): „Dennoch wird man aus der zuvor umrissenen Begriffsbestimmung ableiten können und müssen, daß eine Betriebsstätte einen nennenswerten wirtschaftlichen Wert zu verkörpern hat, um dem § 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu unterfallen.“; ders., S. 38: „Für eine Anwendung von § 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist daher zu fordern, daß eine durch Brandstiftung zerstörte fremde technische Einrichtung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einer Betriebsstätte entspricht.“ 470 A. A. MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 19. Zur Kritik an der Sicht, dass der Wert eines Tatobjekts zugleich ein Indiz für die Gemeingefährlichkeit ist, bei § 2 I. 1. b) dd).

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Außerdem räumen selbst Vertreter der „Sachbeschädigungslösung“ ein, dass sich eine Auswahl der Tatobjekte des § 306 Abs. 1 unter dem Gedanken eines besonderen Vermögenswertes als Auswahlkriterium für die Tatobjekte nicht nachweisen lässt.471 Warum dann aber ein Kriterium, das die Auswahl der Tatobjekte nicht prägte, in Zweifelsfällen den Ausschlag für deren Tauglichkeit geben soll, bleibt ein Rätsel.472 Zudem hat der Gesetzgeber in zahlreichen Normen wie §§ 315b Abs. 1, 315c Abs. 1, 305a Abs. 1 Nr. 1 explizit einen „bedeutenden Wert“ der dort aufgelisteten Tatobjekte vorausgesetzt, was zeigt, dass das Gesetz unzweifelhaft zu erkennen gibt, sofern es einen besonderen Wert der Tatobjekte verlangt. Auch die praktischen Ergebnisse dieser Restriktion überzeugen nicht, wie zwei Beispiel verdeutlichen mögen. So wird ein neuer Pkw – gleich welcher Marke – fraglos einen erheblichen Wert besitzen, dessen Mindestgrenze etwa bei §§ 315 ff. zwischen 750 A473 und 1.300 A474 veranschlagt wird. Jedoch würde derselbe Pkw im Lauf der Zeit aufgrund des natürlichen Wertverlustes zu einen untauglichen Tatobjekt degradiert werden, sobald sein Wert die Erheblichkeitsschwelle unterschreitet. Ebenfalls ist nicht einsichtig, warum derjenige, der ein Kilo Champignons flambiert (Wert: ca. 5 A) und damit dem Wortlaut nach ein land- bzw. ernährungswirtschaftliches Erzeugnis gem. Nr. 6, Alt. 2 in Brand setzt, sich nicht gem. § 306 Abs. 1 strafbar macht, wohl aber derjenige, der ein Kilo fremder PerigordTrüffel (Wert: ca. 2.500 A) flambiert und dadurch in Brand setzt. Die Tat ist gleichermaßen ungefährlich. Die Beschränkung des Tatbestands auf Objekte von erheblichem Wert lässt sich nicht plausibel begründen und ist auch nicht in der Entstehungsgeschichte der Vorgängernormen verankert.475 (2) Quantitative Einschränkung Auch die Ansicht, kumulativ zum erheblichen Wert oder an dessen Stelle ein gewisses quantitatives räumliches Ausmaß der in Nr. 2 und 6 aufgezählten Tatobjekte zu fordern, sieht sich im Ergebnis durchgreifenden Einwänden ausgesetzt.476 Völlig ungeklärt ist, wie ein solches quantitatives Kriterium im Wege 471

LK/Wolff, § 306 Rn. 21; Fischer, § 306 Rn. 2. Vgl. § 1 A. III. 4. a) aa) und § 2 I. 1. a) bb) (2). 473 Fischer, § 315 Rn. 16a; NK-StGB/Herzog, § 315 Rn. 26; BGH, NStZ 2011, S. 215 f. mwN. 474 Sch/Sch/Heine, Vor § 306 Rn. 15. 475 Kritisch auch Sinn, Jura 2001, S. 803 (805): „Jedoch ist, wie bei den Montagestellen, eine Orientierung am Wert der Stätte von Zufälligkeiten abhängig und als Begrenzung deshalb ungeeignet.“; zu dieser Frage bei der Vorgängernorm § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. a) aa). 476 Lackner/Kühl, § 306 Rn. 2; SSW/Wolters, § 306 Rn. 4, 9; Geppert, Jura 1998, S. 597 (601); Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 96: „Sowohl für Betriebsstätten als auch für technische Einrichtungen ist ferner eine gewisse Größe . . . und ein erheblicher Wert zu verlangen.“; Schroeder, GA 1998, S. 571 f.; Liesching, 472

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der Auslegung zu konkretisieren wäre. Kommt es auf eine bestimmte flächenmäßige Mindestausdehnung an oder ist ein bestimmtes Volumen des Tatobjekts erforderlich? Ist gleichfalls die Feuerempfänglichkeit des Tatobjekts zu berücksichtigen, so dass bei besonders vulnerablen Objekten auch solche von geringerer Größe erfasst sind? Fraglich ist zudem, woraus das Erfordernis einer quantitativen Mindestgröße dogmatisch abgeleitet wird.477 Wolff verweist hinsichtlich der technischen Einrichtungen (Nr. 2, Alt. 2) auf den systematischen Zusammenhang mit den in Nr. 2, Alt. 1 genannten Betriebsstätten und schließt daraus, dass keine Kleingeräte erfasst seien.478 Dagegen spricht, dass das Gesetz einerseits für die Betriebsstätte keine bestimmte Größe verlangt und zudem als Beispiel für eine technische Einrichtung explizit eine „Maschine“ (Singular!) ohne weitere Einschränkungen nennt. Die Bemerkung Fischers, dass sich das Erfordernis eines erheblichen Ausmaßes einer Betriebsstätte (Nr. 2, Alt. 1) nicht überzeugend begründen lässt, weil der Gesetzeswortlaut schon einzelne Maschinen, Hütten, Kleinfahrzeuge sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse – etwa einen Sack Kartoffeln (Nr. 6, Alt. 2) – erfasst, weshalb keine Berechtigung bestehe, den Begriff der Betriebsstätte auf Großanlagen zu beschränken, trifft den Kern der Problematik.479 Fernerhin sind solche Großanlagen regelmäßig Gebäude und damit ohnehin von Nr. 1, Alt. 1 erfasst. Der höchst heterogene Tatobjektskatalog des § 306 Abs. 1 lässt die Ermittlung eines quantitativen Mindestkriteriums im Wege eines systematischen Vergleichs deshalb nicht zu.480

Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 93: „Betriebsstätten sind Einrichtungen von nicht nur unerheblichem Wert und Größe . . . Technische Einrichtungen sind . . . Funktionseinheiten von nicht unerheblichem Wert und Ausmaß.“; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 23: „Es sind damit nur Gegenstände von größerer Menge oder nicht unerheblichem Wert bzw. nicht unerheblicher Bedeutung vom Schutzbereich erfasst.“; für Nr. 6 auch LK/Wolff, § 306 Rn. 43 und für Nr. 2, Alt. 1 ders., § 306 Rn. 28; LPK/Kindhäuser, § 306 Rn. 3. 477 Zudem ist es nicht überzeugend, eine quantitative Beschränkung bei den land-, forst- und ernährungswirtschaftlichen Erzeugnisse (Nr. 6, Alt. 2) zu reimplementieren, da die in § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. enthaltene Begrenzung auf „Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder von Bau- oder Brennmaterialien“ durch den Reformgesetzgeber aufgegeben wurde; so auch: LK/Wolff, § 306 Rn. 32; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 9; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 35; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 97. 478 LK/Wolff, § 306 Rn. 30: „Schließlich spricht der mit Betriebsstätte gleichgestellte Begriff technische Einrichtung (weniger allerdings das gesetzliche Beispiel Maschine) dafür, dass damit keine einzelnen Kleingeräte gemeint sind.“ 479 Fischer, § 306 Rn. 4. 480 Gerade der Vergleich mit Nr. 1 und 5 zeigt, dass sich hier bereits aus den Tatobjekt selbst die Notwendigkeit einer gewissen Mindestgröße ableiten lässt. Eine Hütte oder ein Gebäude (Nr. 1) muss von Menschen betreten werden können und dass eine Grünfläche, die mit einer Handvoll Bäumen bewachsen ist, keinen Wald (Nr. 5) darstellt, ist evident [vgl. RGSt 9, 381 (382)].

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(3) Gemeingefährlichkeit als Einschränkungskriterium Radtke hat vorgeschlagen, in Zweifelsfällen die Gemeingefährlichkeit als Korrekturkriterium innerhalb des § 306 Abs. 1 heranzuziehen.481 Sei mit der Brandstiftung an den Tatobjekten des § 306 Abs. 1 „bereits typenmäßig aufgrund Beschaffenheit, Größe usw. keine generelle Gemeingefährlichkeit einer Beeinträchtigung von Rechtsgütern außer dem Eigentum am Tatobjekt selbst verbunden“ 482, dann müssten solche Handlungsobjekte aus dem Tatbestand ausgeschieden werden. Die Anlehnung an die abstrakt-generelle Gefährlichkeit der Anzündung des Tatobjekts erscheint prima facie als schutzzweckkonformes und damit vorzugswürdiges Kriterium, soweit § 306 Abs. 1 im Sinne der „Kombinations-“ oder der „Gefährdungslösung“ gedeutet wird. Allerdings müsste der Rechtsanwender dann entscheiden, ob die Tatverübung am in Rede stehenden Tatobjekt hypothetisch betrachtet in einer Vielzahl von über den Einzelfall hinausgehenden Fällen als gemeingefährlich eingestuft werden müsste, was mitunter komplexe brandspezifische Risikoanalysen erforderlich macht. Dabei ist offen ist, welche Maßstäbe anzulegen wären, da die die Gemeingefährlichkeit konstituierenden Kriterien bis heute umstritten sind.483 Eine solche Einschränkung würde neue Unklarheiten und Abgrenzungsprobleme aufwerfen, bestreiten doch Teile des Schrifttums – einschließlich Radtke484 – schon die Gemeingefährlichkeit der Anzündung eines Pkw.485 Fernerhin basiert die hier getroffene Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt auf der Prämisse, dass der Gesetzgeber selbst abschließend die Entscheidung getroffen habe, an welchen Tatobjekten er die Tatbegehung als typischerweise gefährlich und deshalb strafwürdig erachtet.486 Die Technik der

481 Radtke, Dogmatik, S. 384 ff.; Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 3: „Für verbleibende Restfälle ist im Hinblick auf das Motiv des Gesetzgebers, mittels den Tatobjekten ,Elemente der Gemeingefährlichkeit‘ zu erfassen, ein objektiver Strafausschließungsgrund . . . mangels fehlendem hinreichenden qualifizierten Strafbedürfnis (Abs. 2!) in Betracht zu ziehen, wenn auf Grund der Gesamtumstände, insbes. dem Tatort bei Nr. 4 und Nr. 6, im Einzelfall ausnahmsweise keinerlei abstrakte Gefährlichkeit zu besorgen ist . . .“; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 29: „Im Übrigen ist insgesamt bei der Gesetzesanwendung der Aspekt der Unüberschaubarkeit und Unbeherrschbarkeit gekennzeichneten abstrakten Gemeingefährlichkeit zu berücksichtigen.“; vorsichtig zustimmend: Wrage, JuS 2003, S. 985 (987). 482 Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (862). 483 Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (32): „Außerdem ist das Ausmaß der mit der Inbrandsetzung der verschiedenen Tatobjekte verbundenen Gemeingefahr im Durchschnittsfall als durchaus unterschiedlich einzustufen; ja selbst die Brandstiftung an beispielsweise einem Gebäude muß nicht zwangsläufig zu einer Gemeingefahr führen.“; vgl. hierzu § 1 A. III. 5. und § 2 I. 1. a) aa) (2). 484 Radtke, Dogmatik, S. 371. 485 Zur Gefährlichkeit der Pkw-Brandstiftung bereits bei § 2 I. 1. a) aa) (1) (d). 486 Vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 87.

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Benennung von Tathandlung und ausgewählten Tatobjekten sollte – so zumindest der Grundgedanke der §§ 285 ff. preuß. StGB – den Rechtsanwender von der delikaten Aufgabe der Gefährlichkeitsquantifizierung der Tat entbinden und zugleich die generalklauselartige Gemeingefährlichkeit konkretisieren.487 Soweit nun dem Gesetzesanwender aufgebürdet würde, die Tatobjekte der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 Nr. 2 und 6 auf ihre prinzipielle Gemeingefährlichkeitseignung zu überprüfen und damit selbst eine Gefährlichkeitsprognose zu treffen, dann liefe dies im Ergebnis auf die Implementierung einer konkreten Gefährlichkeitseignung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinaus.488 Dass sich die Problematik der Unbestimmtheit der genannten Tatobjekte durch Rückgriff auf das umstrittene, wenngleich teleologisch passende Kriterium der abstrakten Gemeingefährlichkeit effektiv heilen lässt, muss bezweifelt werden.489 Diesselben Einwände gelten, falls die konkrete (Gemein-)Gefährlichkeit der Tat als Tauglichkeitskriterium herangezogen würde, da diese nicht nur von der Beschaffenheit des Tatobjekts, sondern maßgeblich vom Kontext der Tatbegehung abhängt. So mag die Gefährlichkeit der Anzündung eines fremden, betrieblich genutzten PC mit Benzin auf der freien asphaltierten Fläche eines Innenhofs, dem Wortlaut des § 306 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 2 gemäß eine technische Einrichtung, als niedrig bis unbeachtlich zu veranschlagen sein, wohingegen das gleiche Szenario in einem geschlossenen Raum, wegen der Gefahr der Akkumulation giftiger Rauchgase und des Übergreifens des Brandes auf das Gebäude, ein reales Gefahrenpotential aufweisen kann. Entsprechend müsste die Anzündung eines kleinen Ruderbootes zwar als ungefährlich zu beurteilen sein. Ganz anders stellt sich die Lage aber dar, wenn sich in diesem mehrere Personen, darunter Nichtschwimmer, befinden und die Anzündung in der Mitte eines größeren Sees

487

Vgl. § 1 A. II. 5. Das verdeutlicht der Vorschlag Radtkes, bei den Tatobjekten der Nr. 4, Var. 4 solche Boote als taugliche Tatobjekte auszuscheiden, die ausschließlich der privaten Freizeitgestaltung dienen und nur einzelnen oder wenigen Menschen Platz bieten, da er die Gemeingefährlichkeit als die Möglichkeit eines Schadens an Leib, Leben oder bedeutenden Sachwerten unbestimmt vieler Personen definiert, vgl. MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 37. Warum demnach z. B. große Rennboote, die lediglich einer Person Platz bieten, prinzipiell keine tauglichen Tatobjekte seien sollen, belegt die drohende ungebührende Verengung des Tatobjektskatalogs. Kritisch auch Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 96: „Eine teleologische Reduktion auf Fahrzeuge, die einer größeren Zahl von Personen oder einer größeren Menge von Transportgütern Platz bietet (ähnlich wie bei ,Schiffen‘ in der früheren Fassung), kommt wohl kaum in Frage, denn sie würde hinsichtlich der Wasserfahrzeuge die Umformulierung des Gesetzes mißachten und außerdem den größten Teil (!) der Landfahrzeuge, nämlich alle Pkw und motorisierten Zweiräder aus dem Anwendungsbereich herausnehmen“; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 94. 489 Im Übrigen beweist § 306f Abs. 1, der ausdrücklich an feuergefährdete Betriebe oder Anlagen anknüpft, dass es im Rahmen der Nr. 2, Alt. 1 und Nr. 6, Alt. 1 nicht auf das Kriterium der Feuergefährlichkeit (hierzu Fischer, § 306f Rn. 3) ankommt. 488

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erfolgt.490 Die Tauglichkeit der Tatobjekte hinge dann nicht in erster Linie von deren abstrakt bestimmbarer Beschaffenheit, sondern von den Umständen des Einzelfalls ab, was die dargelegten Unsicherheiten sogar noch weiter verstärken würde. (4) Abschließende Überlegungen Die Problematik der Nr. 2 und Nr. 6 wurzelt darin, dass diese Tatobjekte aufgrund der Weite des Wortlautes und ihrer wirtschaftlich orientierten Zwecksetzung nicht effektiv bestimm- und erfassbar sind. Denn Betriebsstätten und technische Einrichtungen (Nr. 2) sowie land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse (Nr. 6) sind abstrakt-funktionale Sammelbezeichnungen wirtschaftlicher Natur für höchst heterogene Sachen und Sachgesamtheiten. Dies verdeutlicht der problematische Begriff der Betriebsstätte (Nr. 2 Alt. 1), der mithin Mobilien und Immobilien, also Grundstücke einschließlich ihrer Bebauung, kennzeichnet, ganz im Gegensatz zu den übrigen Tatobjekten (Nr. 1, 3, 4, 5), die sich jeweils in mobile (Nr. 3, Alt. 2, Nr. 4) und immobile Objekte (Nr. 1, Nr. 3 Alt. 1, Nr. 5) unterteilen lassen. Eine aus dem Wortsinn abgeleitete effektive Restriktion ist schon deshalb unmöglich, weil dem gemeinsamen Nenner der Nr. 2 und Nr. 6 eine primär wirtschaftlich geprägte Perspektive zugrunde liegt, anders als den übrigen Tatobjekten, deren Kennzeichnung deskriptiv geprägt und dem natürlichen Sprachgebrauch entlehnt ist. Besonders der Vergleich mit Nr. 1, 3, 4 und 5, die z. T. schon in den Vorgängernormen enthalten waren (vgl. § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F.: Gebäude, Hütten, Wälder, Moore und Warenvorräte, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern) und deren Auslegung keine vergleichbaren Probleme aufwirft, verdeutlicht den prekären Ansatzpunkt des Reformgesetzgebers, nämlich so umfassende (Rechts-)Begriffe zu verwenden, dass Wortlaut und Wortsinn einer mit Blick auf den Schutzzweck überzeugenden Eingrenzung indifferent gegenüberstehen. Die buntgemischten Vorschläge für eine einschränkende Auslegung der Nr. 2 und 6 illustrieren nachdrücklich den bestehenden Handlungs- und Korrekturbedarf, offenbaren aber zugleich einen frappierenden Dissens, wie der Unbestimmtheit zu begegnen ist. De lege ferenda mag die Anknüpfung an quantitative, qualitative oder gefährlichkeitsspezifische Kriterien durchaus diskutabel sein, doch lassen sich diese Einschränkungsvorschläge de lege lata methodisch nicht überzeugend begründen.491 Es drängt sich der Eindruck auf, dass bei zahlreichen Vorschlägen das Bemühen im Vordergrund steht, überhaupt zu einer Restriktion

490 A. A. NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 23: „. . . erscheint es weiterhin sehr zweifelhaft, ob bei Fehlen jeglicher Gemeingefahr aus dem Verbrechenstatbestand zu bestrafen ist, etwa wenn ein kleines Boot auf der Mitte eines Sees in Brand gesetzt wird.“ 491 So auch hinsichtlich der Nr. 6 Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (33, 40 ff.).

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des offensichtlich überdehnten Tatobjektskatalogs zu gelangen.492 Das ist zwar nachvollziehbar, doch das Bedürfnis nach Einschränkung legitimiert eben nicht jedes einschränkende Kriterium. Die Kakophonie der methodischen Restriktionsbemühungen beweist, dass sich ein klares Einschränkungskriterium weder den Tatbestandsstrukturen, noch dem Schutzzweck oder der Systematik entnehmen lässt, denn teils wird die Forderung nach einem Mindestumfang und/oder Mindestwert des Tatobjekts als „teleologische Reduktion“ 493 bezeichnet und damit schutzzweckorientiert argumentiert, teils wird schlicht von einer restriktiven Auslegung494 gesprochen oder werden entsprechende Einschränkungen aus dem Wortsinn der Nr. 2 und 6 abgeleitet.495 Heine will für Bagatellfälle sogar einen „objektiven Strafausschließungsgrund“ 496 mangels fehlenden Strafbedürfnisses annehmen. Zutreffend konstatiert Rengier daher, dass die Diskussion um die Restriktion des Tatbestandsobjektskatalogs „noch keine klaren Ergebnisse gebracht“ 497 hat. Doch wenn Rechtsanwender und Normadressaten keine methodisch fundierten und aus der Norm ableitbaren Möglichkeiten zur Verfügung stehen, anhand denen sie den aufgezeigten Unsicherheiten begegnen können, dann ist die rechtsstaatlich gebotene Folge die Teilnichtigkeit des Tatobjektskatalogs in Bezug auf Nr. 2 und 6 wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebotes gem. Art. 103 Abs. 2 GG.498 Nochmals: die Problematik der Nr. 2 und Nr. 6 besteht nicht in der übli492 A. A. LK/Wolff, § 306 Rn. 22: „Gegen eine generelle Restriktion auf Tatobjekte von erheblichem Wert und/oder von größerer Menge spricht, dass sich, sieht man von land-, ernährungs- oder forstwirtschaftlichen Erzeugnissen ab, bereits aus dem Gesetz sinnvolle Einschränkungen ableiten lassen.“; ders., in: FS Rüping, S. 29 (31): „Zunächst ist festzuhalten, daß sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen läßt, nach welchen Kriterien der Katalog der Tatobjekte zusammengestellt worden ist.“; ders., S. 29 (32): „Der mit dem Katalog des § 306 Abs. 1 StGB erreichte (und wohl auch angestrebte) umfassende Schutz von wirtschaftlich bedeutsamen Sachen oder Sachgesamtheiten vor Brandstiftung hat allerdings eine Folge, die sich aus dem Gesetzestext nicht unmittelbar auflösen läßt: Es werden auch Objekte erfaßt, deren vorsätzliche Inbrandsetzung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt – Gefahrmomente für Personen oder weitere Sachen, Schäden – eine Anwendung von § 306 StGB und auch nicht von § 306 Abs. 2 StGB, rechtfertigt.“ 493 HK/Weiler, § 306 Rn. 5; ähnlich Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306 Rn. 6 f.; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 19: „Gefährlichkeitsbezogene Begrenzung der Tatobjektsqualität.“; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 95. 494 Rengier, BT II, § 40 Rn. 6; NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 7; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 95 f.; Eisele, BT I, Rn. 725; Geppert, Jura 1998, S. 597 (601). 495 Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (32 ff.); SSW/Wolters, § 306 Rn. 4, 8. 496 Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 3. 497 Rengier, BT II, § 40 Rn. 6. 498 BVerfG, NJW 2009, S. 2370 (2371): „Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber gezwungen ist, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit deskriptiven, exakt erfassbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben . . . Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht

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chen Abschichtung des Normanwendungsbereichs in Grenzfällen, sondern darin, überhaupt dem Kernbereich der betreffenden Tatobjekte sichere und greifbare Konturen zu verleihen.499 Solch eine klare Grenzziehung wäre dem Gesetzgeber auch ohne Weiteres möglich gewesen, wie die übrigen bestimmten Tatobjekte des § 306 Abs. 1 beweisen, d. h. die Unbestimmtheit der Nr. 2 und 6 ist durch keine äußeren Sachzwänge determiniert. Übrigens bedeutet dies nicht, dass es dem Gesetzgeber per se verwehrt wäre, im StGB an Begriffe, wie den der „Betriebsstätte“ in §§ 325 Abs. 1, 2, 325a Abs. 1, 2 oder der „technischen Einrichtungen“ in § 319 Abs. 2, anzuknüpfen, denn dort erfahren die genannten Begriffe durch weitere Tatbestandsmerkmale eine effektive Restriktion.500 Maßgeblich ist immer der Gesamtzusammenhang, in dem das jeweilige Tatbestandsmerkmal eingebettet ist und der so zur Bestimmbarkeit für sich unbestimmter Rechtsbegriffe beitragen oder diese – wie im Fall des § 306 Abs. 1 – vereiteln kann.501 Soweit die vom Bundesverfassungsgericht vertretene – allerdings im Schrifttum kritisierte – These, wonach die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot umso höher ausfallen müssten, je schwerer die angedrohte Strafe ist, geteilt wird, verdeutlicht sich die volle Brisanz der Unbestimmtheit der § 306 Abs. 1 Nr. 2, 6.502 Nicht nur, dass § 306 Abs. 1 als Verbrechenstatbestand mit einer Höchststrafandrohung von zehn Jahren ausgestaltet ist. Hinzukommt, dass noch zahlreiche weitere Normen, wie §§ 112a Abs. 1 Nr. 2a, 100a Abs. 2 Nr. 1s StPO und § 138 Abs. 1 Nr. 8 auf die einfache Brandstiftung verweisen. Zudem knüpfen noch vier weitere Brandstiftungsnormen an den Tatobjektskatalog der einfachen Brandstiftung an. So ist gem. § 306d Abs. 1, Var. 1 die fahrlässige Tatbegehung möglich, die immerhin eine Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren vorsieht. Auch die Erfolgsqualifikation der besonders schweren Brandstiftung und der Brandstiftung mit Todesfolge gem. §§ 306b Abs. 1, 306c baut – in bestimmten Konstellationen sogar exklusiv503– auf der Verwirklichung der einfachen Brandstiftung auf, und die einschneidenden Rechtsfolgen, die eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei (§ 306b Abs. 1) bzw. zehn (§ 306c) Jahren vorsehen, unterstreisind nicht von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden. Gegen ihre Verwendung bestehen jedenfalls dann keine durchgreifenden Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes und durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs, oder auf Grund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt, so dass der Einzelne die Möglichkeit hat, den durch die Strafnorm geschützten Wert sowie das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatliche Reaktion vorauszusehen . . .“ 499 Heintschel-Heinegg/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 10. 500 Vgl. § 2 I. 2. c) aa) (1). 501 BVerfG, NJW 2009, S. 2370 (2371). 502 BVerfGE 75, 329 (342 f.); kritisch: LK/Dannecker, § 1 Rn. 186 mwN. 503 Zu diesen Konstellationen vgl. § 2 I. 3.

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chen die Dringlichkeit der Unbestimmtheit der Nr. 2 und 6. Zudem knüpft auch der Tatobjektskatalog der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe von ein bis zu 15 Jahren vorsieht, vollumfänglich an § 306 Abs. 1 an.504 Dass gem. §§ 306 Abs. 1, 306c eine Mindeststrafandrohung von zehn Jahren unter Umständen allein von ungeschriebenen und kaum bestimmbaren Kriterien wie der Verarbeitungsstufe des ernährungswirtschaftlichen Erzeugnisses (Nr. 6, Alt. 2), oder vom erheblichen Wert bzw. der (wie auch immer bestimmten) Größe der technischen Einrichtung (Nr. 2, Alt. 1) abhängen soll, ist rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbar. Der Gesetzgeber hat die zentrale Aufgabe der Grenzziehung der Tauglichkeit der Tatobjekte, von der abhängt, ob der Täter „nur“ wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gem. §§ 303, 305 oder wegen des Verbrechens der Brandstiftung gem. §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 2 bestraft wird, selbst zu treffen und darf sie nicht im dargestellten Umfang dem Rechtsanwender überantworten. Von einer Erkennbarkeit des Normanwendungsbereichs für den Bürger kann, soll diese Forderung kein bloßes Lippenbekenntnis bleiben, bei Nr. 2 und 6 keine Rede mehr sein.505 Vermutlich war der Gesetzgeber rechtspolitisch motiviert, allen nur im Entferntesten wirtschaftlich relevanten Objekten den Schutz des § 306 Abs. 1 zuteil werden zu lassen, ohne jedoch der Prüfung näherzutreten, ob die neuen Tatobjekte überhaupt schutzbedürftig sind bzw. sich in die tradierten Strukturen des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. integrieren lassen.506 Doch im Bemühen, den Tatobjektskatalog des § 306 Abs. 1 zu modernisieren und Strafbarkeitslücken zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Überzeugungskraft der klaren abstrakt-fragmentarischen Umschreibung gemeingefährlicher Gefahrenlagen unbesehen dadurch verwässert, dass er generalklauselartige Öffnungen in den Tatobjektskatalog eingefügt hat. Die mangelnde Bestimmtheit der Nr. 2 und 6 ist nicht nur Symptom einer überhasteten Gesetzesreform, sondern dokumentiert, dass die die ursprüngliche Tatbestandskonfiguration prägende Regelungstechnik vom Reformgesetzgeber nur noch unvollkommen erfasst wurde, obwohl er dennoch an sie anknüpfte, nämlich die fragementarische und präzise Benennung der Tatobjekte als notwendigen Kontrapunkt gegenüber dem Ziel der Erfassung abstrakt gemeingefährlicher Brandstiftungen zu verstehen.507 Die Unbestimmtheit und Weite der Nr. 2 und 6 führt letztlich zu einer nicht mehr zu beherrschenden Ausuferung ihres Anwendungsbereichs und ist deshalb keine taugliche Basis für das in § 306 Abs. 1 festgeschriebene Gefährlichkeitsurteil. 504

Dazu vgl. § 2 III. 2. a) bb). Sch/Sch/Eser/Hecker, § 1 Rn. 16; SSW/Satzger, § 1 Rn. 18; Heintschel-Heinegg/ Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 9. 506 Vgl. Wolff, in: FS Rüping, S. 29 (31). 507 Vgl. § 1 A. II. 5. und § 1 A. V. 505

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Letztlich wird vielleicht allein die gebotene Annahme der Nichtigkeit der Nr. 2 und Nr. 6 den Gesetzgeber dazu bewegen, in Zukunft die tatbestandliche Grenzziehung mit der gebotenen Sorgfalt vorzunehmen.508 Unterlassenen vehementen Widerspruch gegen diesen frappierenden Missstand muss der Gesetzgeber zwangsläufig als Ermutigung begreifen, auf bisherigem und nach verbreiteter Ansicht wohl (noch) nicht verfassungswidrigen – und damit zulässigen – Niveau weiter zu operieren. Das von anderen gescheute Verdikt der Verletzung des Bestimmtheitsgebotes gem. Art. 103 Abs. 2 GG ist umso weniger schmerzhaft, als ohnehin Überlappungen der in Nr. 2 und 6 genannten Tatobjekte mit Nr. 1, 3 und 4 bestehen, so dass im Ergebnis noch nicht einmal unerträgliche Strafbarkeitslücken aufgeworfen werden. 3. Die Verweisungsproblematik Liesching hat zuerst auf ein durch das 6. StrRG 1998 neu geschaffenes Problem aufmerksam gemacht, das sowohl mit der eigentumsrechtlichen Beschränkung des Tatobjektskatalogs des § 306 Abs. 1 als auch dem Verweis der Erfolgsqualifikationen §§ 306b Abs. 1, 306c auf § 306 Abs. 1 als Grundtatbestand im Zusammenhang steht. In bestimmten Konstellationen, soweit allein § 306 Abs. 1, nicht aber § 306a Abs. 1 oder 2, einschlägig ist und zusätzlich eine der in §§ 306b Abs. 1, 306c genannten schweren Folgen eintritt, hängt die Höhe der dem Täter drohenden Strafe entscheidend von der eigentumsrechtlichen Zuordnung des Tatobjekts respektive der Einwilligung bzw. dem Einverständnis des Eigentümers in die Tat ab.509 Diese Problematik besteht unabhängig davon, ob das Tatbestandsmerkmal „fremd“ „positiv-zivilrechtsakzessorisch“ oder „negativzivilrechtsakzessorisch“ ausgelegt wird, wobei letztere Alternative die Problematik insofern abmildert, als sie neben täterfremden auch herrenlose Tatobjekte von § 306 Abs. 1 als erfasst ansieht.510 Die „Verweisungsproblematik“ illustriert anschaulich der folgende, von Liesching gebildete, Fall. Beispielsfall 2: T setzt vorsätzlich einen ihm gehörenden Geräteschuppen in Brand, in dem aber – wie T fahrlässig verkennt – der Obdachlose L übernachtet, der durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung erleidet, die eine mehrmonatige stationäre Behandlung notwendig macht.511 508 Zutreffend: Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 959: „Das hier wie anderwärts zu beobachtende Verfahren des Gesetzgebers, Strafvorschriften so weit zu fassen, dass die Rechtsprechung bei ihren gesetzgebungsvertretenden Konkretisierungsbemühungen jedenfalls nicht gegen das Analogieverbot verstößt, bedarf grundsätzlicher Überprüfung. Die Strafzumessungsvorschrift (§ 306 II) zeigt an, dass mit – vielen – Fällen zu rechnen ist, in denen die Anwendung des Regelstrafandrohung unangemessen wäre.“ 509 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 52 ff.; dazu: MüKoStGB/Radtke, § 306 Rn. 12 f. 510 Vgl. § 2 I. 1. c) cc) (4). 511 Vgl. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 55.

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Obwohl die Verletzung des L eine schwere Gesundheitsschädigung gem. § 306b Abs. 1, Alt. 1 darstellt, hat eine Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung auszuscheiden, da der tätereigene Schuppen kein taugliches fremdes Tatobjekt nach § 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 ist. Auch die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 3 ist nicht einschlägig, weil T nicht wusste, dass sich in der Hütte, die eine Räumlichkeit im Sinn des § 306a Abs. 1 Nr. 3 ist,512 zur Tatzeit ein Mensch aufhielt. Dementsprechend scheidet auch § 306a Abs. 2 mangels einer vorsätzlich bewirkten konkreten Gesundheitsgefährdung des L aus. Deshalb hat T sich allein wegen fahrlässiger Brandstiftung gem. § 306d Abs. 1, Var. 3 strafbar gemacht, weil er fahrlässig eine konkrete Gesundheitsgefährdung zum Nachteil des L als logisches Durchgangsstadium der konkreten Gesundheitsschädigung verursacht hat. In Tateinheit dazu steht die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229. Die Mindeststrafe liegt gem. §§ 306d Abs. 1, Var. 3, 229, 52, 40 Abs. 1 bei einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen und bei einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe. Wird nun der Ausgangsfall dahingehend abgewandelt, dass der in Brand gesetzte Schuppen für den T ein „fremdes“ und somit taugliches Tatobjekt des § 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 ist, dann hätte er sich wegen besonders schwerer Brandstiftung gem. §§ 306, 306b Abs. 1 strafbar gemacht, mit der drastischen Folge der Anhebung der Mindestfreiheitsstrafe auf zwei Jahre und einer Verdreifachung der möglichen Höchststrafe auf 15 Jahre Freiheitsstrafe. Noch krasser fällt der Strafrahmensprung aus, sofern T im Beispielsfall (fahrlässig) den Tod des Landstreichers L verursacht hätte. Bei Tatbegehung an einem tätereigenen Schuppen käme – mangels Einschlägigkeit der §§ 306, 306a – allein eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 in Tateinheit mit fahrlässiger Brandstiftung gem. §§ 306d Abs. 1, Var. 3 in Betracht, mit der Konsequenz einer Mindeststrafe gem. § 40 Abs. 1 von fünf Tagessätzen und einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe.513 Befände sich der angezündete Schuppen im Eigentum einer anderen Person und wäre somit ein taugliches fremdes Tatobjekt gem. § 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2, dann hätte sich T (auch) wegen Brandstiftung mit Todesfolge gem. §§ 306, 306c strafbar gemacht, mit der Folge einer Mindestfreiheitsstrafe von zehn Jahren. Selbst die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist nach § 306c möglich. Der von Liesching aufgezeigte Strafrahmensprung tritt auch in der Konstellation auf, dass der Eigentümer eines Tatobjekts nach § 306 Abs. 1 sein Einverständnis bzw. seine Einwilligung in die Tat gem. § 306 Abs. 1 erklärt hat, hierdurch aber der Tod (§ 306c) oder die schwere Gesundheitsschädigung (§ 306b Abs. 1, Alt. 1) eines anderen Menschen verursacht wurde. Nach überwiegender

512 513

SSW/Wolters, § 306a Rn. 6. Fall 3 nach Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 57.

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Auffassung fehlt es dann an der Rechtswidrigkeit des § 306 Abs. 1 und somit an dessen Einschlägigkeit.514 Die allein durch die eigentumsrechtliche Zuordnung des Tatobjekts in § 306 Abs. 1 bedingte Strafrahmenpotenzierung wirft unweigerlich die Frage nach Sinn und Berechtigung dieses „Mechanismus“ auf. Die Antwort fällt im Ergebnis eindeutig aus, nämlich dass eine sachliche Legitimation für eine so drastische Strafrahmenverschärfung durch das Hinzutreten der Eigentumskomponente nicht erkennbar ist, beruht doch die Strafschärfung durch die §§ 306b Abs. 1, 306c auf der Verletzung der Rechtsgüter Leib und Leben.515 Speziell die schwere Brandstiftung gem. § 306a, bei der die Eigentumsverhältnisse an den in Abs. 1 und 2 genannten Tatobjekten gleichgültig sind, dokumentiert, dass im Falle der abstrakten Lebens-, bzw. der konkreten Gesundheitsgefährdung den Eigentumsverhältnissen am Tatobjekt selbst keine Bedeutung zukommen soll, weil hier der Schutz der höherwertigen Rechtsgüter Leib und Leben den Eigentumsschutz am Tatobjekt als niederrangiges Rechtsgut überlagert.516 Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Reformgesetzgeber von 1998 im neu geschaffenen Verweisungsgeflecht geradezu verirrt und diese – nur in speziellen Konstellationen auftretende – Problematik schlichtweg übersehen hat. a) Lieschings Vorschlag zur Auflösung der „Verweisungsproblematik“ Zur Vermeidung der durch die „Verweisungsproblematik“ aufgeworfenen Friktionen hat Liesching einen umfangreichen Korrekturvorschlag entwickelt, der auf die endgültige Entkoppelung der einfachen Brandstiftung als Grundtatbestand der §§ 306b Abs. 1, 306c hinausläuft.517 Bei der Brandstiftung mit Todesfolge gem. § 306c will er im Wege einer teleologischen Reduktion all jene Fälle ausscheiden, in denen die Einschlägigkeit der Erfolgsqualifikation allein von § 306 und damit von der Fremdheit des Tatobjektes abhängt. Dem liegt die These zugrunde, dass es mit dem am Lebensschutz ausgerichteten Normzweck des § 306c nicht zu vereinbaren sei, dessen Anwendbarkeit von der Eigentumsverletzung am Tatobjekt abhängig zu machen.518 514 Zur Begründung dieses Ergebnisses auf Grundlage der „Sachbeschädigungslösung“ bei § 2 I. 1. a) und auf dem Boden der „Kombinationslösung“ bei § 2 I. 1. b) dd) (1). 515 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 56, 58. 516 Vgl. Knauth, Jura 2005, S. 230 f. 517 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 58 ff.; MüKo-StGB/ Radtke, § 306 Rn. 12: „Wenn § 306c wegen der Einbeziehung des § 306 im Hinblick auf das Gebot unrechts- und schuldangemessenen Strafens für verfassungswidrig gehalten wird, ist die Vorschrift nichtig. Eine Korrektur könnte lediglich durch den Gesetzgeber erfolgen, nicht aber in offener Abkehr vom Gesetz durch den Rechtsanwender.“ 518 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 57 ff.; dazu MüKoStGB/Radtke, § 306c Rn. 6.

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Demgegenüber schlägt Liesching in Bezug auf § 306b Abs. 1 vor, in Abweichung von § 18 nur Vorsatz anstelle der sonst üblichen Fahrlässigkeit hinsichtlich der Herbeiführung der schweren Folge genügen zu lassen.519 Dadurch wäre § 306b Abs. 1 mit § 306a Abs. 2 „gleichgeschaltet“, weil die vorsätzliche Bewirkung einer konkreten Gesundheitsgefährdung gem. § 306a Abs. 2 logisches Durchgangsstadium einer (vorsätzlichen) schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen bzw. der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen gem. § 306b Abs. 1 wäre. Angesichts der eigentumsrechtlichen Neutralität des Tatobjektskatalogs des § 306a Abs. 2 wäre die besonders schwere Brandstiftung gem. § 306b Abs. 1 von der eigentumsrechtlichen Begrenzung des § 306 „entkoppelt“, d. h. auf ihre Einschlägigkeit käme es nicht mehr an.520 Gleichwohl überzeugt der von Liesching vorgeschlagene Weg zur Auflösung der „Verweisungsproblematik“ weder im Ergebnis noch in der Begründung. Der Vorschlag, die Verweisungsproblematik im Zusammenhang mit § 306c durch eine teleologische Reduktion aufzulösen, übersieht, dass es bereits an den Voraussetzungen für dieses Institut fehlt, da der Normwortlaut nicht weiter reicht, als es der innere Regelungszweck gebietet.521 Denn der Schutzzweck des § 306c liegt nach einhelliger Ansicht in der Bewahrung des menschlichen Lebens, weshalb dessen Einschlägigkeit zunächst nicht dadurch in Abrede gestellt wird, dass in bestimmten Konstellationen die Strafbarkeit (sinnwidrigerweise) von der Verwirklichung des § 306 Abs. 1 und damit vom Angriff auf ein fremdes Tatobjekt bzw. vom Einverständnis des Eigentümers abhängt. Vielmehr liegt auf der Hand, dass der am Lebensschutz orientierte Regelungszweck des § 306c durch die eigentumsrechtliche Restriktion des § 306 Abs. 1 ungebührend verkürzt wird. Nicht eine teleologische Reduktion, sondern im Gegenteil eine – freilich mit Rücksicht auf Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 unzulässige – teleologische Extension, d. h. eine Analogie zu Lasten des Täters, wäre dergestalt geboten, dass die Eigentumsverhältnisse an den Tatobjekt des § 306 Abs. 1 unbeachtlich sind, soweit eine schwere Folge gem. § 306c eintritt.522 Auch die Forderung Lieschings, für die Bewirkung der schweren Folge gem. § 306b Abs. 1 in Abweichung von § 18 Vorsatz zu verlangen, ist bereits deshalb sachwidrig, weil der von § 306b Abs. 1 intendierte Gesundheitsschutz ungebührend verengt würde. Derjenige, der z. B. vorsätzlich einen fremden Wald gem. 519

Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 53 ff. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 56. 521 Bydlinski, Methodenlehre, S. 480. 522 Die vom Schutzzweck gebotene Extension bejaht auch Liesching bei § 306c StGB (vgl. ders., Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 59), weshalb seine im Ergebnis vertretene Forderung nach einer teleologischen Reduktion nicht nachvollziehbar ist, da eine Analogie als teleologische Extension (analoge Normanwendung über den Wortlaut hinaus) das Gegenteil einer teleologischen Reduktion (keine Normanwendung entgegen dem Wortlaut) darstellt. 520

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§ 306 Abs. 1 Nr. 5 in Brand setzt und dadurch fahrlässig eine große Zahl von Menschen an der Gesundheit schädigt, wird völlig zu Recht der harten Sanktionsandrohung von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe gem. §§ 306, 306b Abs. 1 unterworfen, zumal es tattypisch ist, dass die schwere Folge als Manifestation der unkalkulierbaren Brandstiftungsrisiken fahrlässig und nicht vorsätzlich herbeigeführt wird.523 Nach Lieschings Auffassung läge dann allenfalls eine einfache Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 in Tateinheit mit fahrlässiger Brandstiftung gem. § 306d Abs. 1, Var. 3 und fahrlässiger Körperverletzung gem. § 229 vor. Zwar hat Liesching hinsichtlich der Verweisungsproblematik den Finger in eine offene, wenn auch verborgene, Wunde des Brandstrafrechts in seiner gegenwärtigen Gestalt gelegt, aber der rigorosen Ausgrenzung des § 306 Abs. 1 als Grundtatbestand der §§ 306b Abs. 1, 306c kann nicht gefolgt werden. Liesching versucht, die aus der Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte innerhalb des § 306 resultierenden Probleme, auf Kosten des gesetzlich vorgesehenen Anwendungsbereichs der §§ 306b Abs. 1, 306c aufzulösen.524 Die „Entkoppelung“ der einfachen Brandstiftung überspielt den im Verweis der §§ 306b Abs. 1, 306c auf § 306 zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, die einfache und die schwere Brandstiftung im Gegensatz zur Rechtslage vor dem 6. StrRG 1998525 als gleichwertige Grundtatbestände zu behandeln. Jedoch ist zu bemerken, dass aus der Perspektive der „Sachbeschädigungslösung“ die (in speziellen Konstellationen auftretende) Abhängigkeit der Anwendung der §§ 306b Abs. 1, 306c von den Eigentumsverhältnissen an den in § 306 Abs. 1 benannten Tatobjekten ein systemkonformes Resultat ist. Auch der Raub mit Todesfolge gem. §§ 249, 251 baut notwendigerweise auf der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache auf und verbindet so – vollkommen legitim – die unterschiedlichen Belange des Eigentums- und Lebensschutz mit dem Schutz der Willensfreiheit.526 Die von Liesching vorgeschlagene Eliminierung des § 306 Abs. 1 als tauglichen Grundtatbestand der §§ 306b Abs. 1, 306c fügt sich aber nahtlos in die Sicht der „Sachbeschädigungslösung“ ein, die § 306 Abs. 1 und seine Vorgänger als systematisch deplatzierte Brandsachbeschädigung und nicht als echtes gemeingefährliches Brandstiftungsdelikt begreift.

523 Zudem wird es praktisch schwierig sein, den Vorsatz bezüglich einer schweren Gesundheitsschädigung nachzuweisen, weshalb sich der Täter dann auf (bewusste) Fahrlässigkeit zurückziehen kann. 524 A. A. MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 12 f., der aber meint, dass Lieschings Korrekturvorschlag de lege ferenda durchaus eine Berechtigung finden könnte. 525 Vor dem 6. StrRG 1998 konnte allein die schwere Brandstiftung gem. § 306 StGB a. F. durch § 307 StGB a. F. qualifiziert werden, nicht aber die unmittelbare oder die mittelbare Brandstiftung nach § 308 Abs. 1 StGB a. F. 526 Vgl. NK-StGB/Herzog, § 249 Rn. 1, § 251 Rn. 5.

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b) Die Verweisungsproblematik als fahrlässige Extension der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung Die Einordnung des § 306 Abs. 1 auf dem Boden der „Gefährdungslösung“ unter Berücksichtigung der „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung des Tatbestandsmerkmals „fremd“ ermöglicht eine exakte Analyse der Ursachen der „Verweisungsproblematik“. Da diese Problematik eine Konsequenz aus der eigentumsrechtlichen Restriktion der Tatobjekte der einfachen Brandstiftung ist, ist erneut auf das dahinter liegende Prinzip der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung zurückzukommen. Wie bereits im historischen Teil dargelegt, wurde die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im alten Recht nicht unbeschränkt gewährt, sondern erfuhr durch die mittelbare Brandstiftung gem. §§ 285, 286, 287 preuß. StGB; § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. eine Begrenzung. Sofern durch die Inbrandsetzung eines tätereigenen Tatobjekts eine abstrakte Brandübertragungsgefahr auf ein Tatobjekt der §§ 285, 286 preuß. StGB, §§ 306, 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. geschaffen wurde, sollte der Eigentümer-Brandstifter bestraft werden.527 Allein die ungefährliche Eigentümerbrandstiftung – so ein Grundsatz der partikularrechtlichen Brandstiftungsdogmatik528 – sollte straflos bleiben. Doch das Gesetz in seiner gegenwärtigen Gestalt stellt – soweit § 306a nicht einschlägig ist – die vorsätzliche Anzündung eines tätereigenen (und nach herrschender Meinung auch eines herrenlosen) bzw. eines fremden Tatobjekts nach § 306 Abs. 1 im Einverständnis mit dem Eigentümer nur im Rahmen der fahrlässigen Brandstiftung gem. § 306d Abs. 1, Var. 3 unter Strafe, auch wenn durch den Brand die in §§ 306b Abs. 1, 306c genannten Folgen eingetreten sind. Somit ergibt sich als Kern des Problems, dass die in §§ 306a, 306d Abs. 1, Var. 3 angelegte Begrenzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung lückenhaft ist und ungerechtfertigterweise den Brandstifter begünstigt, der durch die Anzündung tätereigener (und nach herrschender Ansicht auch herrenloser) Tatobjekte des § 306 Abs. 1 die in §§ 306b Abs. 1, 306c genannten Folgen verursacht. Die durch die gegenwärtigen Gesetzesstrukturen geschaffene, in bestimmten Konstellationen auftretende Abhängigkeit der Anwendbarkeit der §§ 306b Abs. 1, 306c von der Eigentumslage an den Tatobjekten des § 306 Abs. 1 steht insoweit in einem elementaren Widerspruch zum ungeschriebenen Prinzip, dass die Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung in der Verursachung einer weitergehenden Gefährdung oder Verletzung von Leben, Leib und Eigentum Dritter ihre Grenze finden müsse. Die „Verweisungsproblematik“ lässt sich demgemäß als unberechtigte und unbeabsichtigte Extension der in § 306 Abs. 1 angelegten Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung verstehen. Einzuräumen ist, dass eine Korrektur dieses Ergebnisses de lege lata nicht möglich ist, da die teleolo527 Zu § 286 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. b) und zu § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. vgl. § 1 B. III. 4. 528 Hierzu vgl. § 1 A. III. 4. b) bb).

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gisch gebotene Aufhebung der Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen an den Tatobjekten des § 306 Abs. 1, sobald eine der in den §§ 306b Abs. 1, 306c beschriebenen schweren Folgen eintritt, eine unzulässige Analogie zu Lasten des Täters darstellen würde. De lege ferenda lässt sich die „Verweisungsproblematik“ konstruktiv auf zwei unterschiedlichen Wegen entschärfen. Entweder es könnte in § 306 ein neuer Abs. 3 eingefügt werden, der wie folgt lautet: § 306 StGB n. F. (1) . . . (2) . . . (3) Soweit eine der in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichneten Sachen in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch eine der in §§ 306b Abs. 1 und 306c bezeichneten Folgen herbeigeführt wird, ist es unerheblich, ob die in Abs. 1 bezeichneten Gegenstände im Eigentum des Täters stehen oder nicht.

Durch die Einfügung dieses Zusatzes kann die gesetzlich vorgesehene Einbindung des § 306 in das Verweisungsgeflecht des Brandstrafrechts vollumfänglich erhalten bleiben, und zugleich wird durch die Formulierung „unerheblich, ob die in Abs. 1 bezeichneten Objekte im Eigentum des Täters stehen oder nicht“ klargestellt, dass sowohl tätereigene, als auch täterfremde und herrenlose Tatobjekte tauglich sind, falls eine der genannten schweren Folgen eintritt.529 Diese Option, die die eigentumsrechtliche Restriktion des § 306 Abs. 1 partiell relativiert – genauer begrenzend korrigiert –, ist den sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodellen freilich verschlossen, da das dort geforderte fremde Tatobjekt für den Sachbeschädigungscharakter der Norm unrechtskonstitutiv und darum unverzichtbar ist. Allein die „Gefährdungslösung“ kann die durch einen neuen Abs. 3 eröffnete Einschlägigkeit des § 306 Abs. 1 auch bei tätereigenen Tatobjekten ohne logische Friktionen begründen. Die zweite de lege ferenda diskutable Korrekturoption könnte in einer Modifikation des § 306a Abs. 2 dergestalt bestehen, dass gem. § 18 schon die fahrlässige, anstelle der vorsätzlichen Herbeiführung der Gefahr einer konkreten Gesundheitsschädigung einer anderen Person genügt. Dadurch wäre § 306a Abs. 2 (neu), immer einschlägig, sofern die Anzündung eines der in § 306 Abs. 1 benannten Tatobjekte (und zwar unabhängig von den Eigentumsverhältnissen hieran) eine schwere Folge gem. §§ 306b Abs. 1, 306c verursacht. Zum einen ist § 306a Abs. 2 eigentumsrechtlich neutral530 ausgestaltet, und zum anderen ist die (fahrlässig bewirkte) konkrete Gesundheitsgefährdung notwendiges Durchgangsstadium für den Eintritt der (fahrlässig bzw. leichtfertig bewirkten) schwe-

529 Daraus folgt auch, dass in diesen Fällen dem Einverständnis bzw. der Einwilligung des Eigentümers in die Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 keine Wirkung zukommt. 530 Vgl. § 2 III. 2. a) aa).

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ren Folgen nach §§ 306b Abs. 1, 306c. Demnach würde der geltende § 306d Abs. 1, Var. 3 an die Stelle des § 306a Abs. 2 treten und wäre ein eigenständiger Grundtatbestand des Brandstrafrechts.531 Dieser Lösungsansatz der „Verweisungsproblematik“ ist auch für die sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodelle gangbar, da § 306 Abs. 1 in seiner gegenwärtigen Form unverändert bliebe.

II. Die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 entspricht weitgehend dem alten § 306 StGB a. F.532 Neben der neu eingefügten Tathandlung der Zerstörung durch Brandlegung wurde der Tatobjektskatalog durch das 6. StrRG 1998 nur moderat umgestaltet und erweitert, wobei auf einzelne Veränderungen der Tatobjekte später genauer einzugehen sein wird. Neu aufgenommen wurde daneben die Möglichkeit einer Strafmilderung in minder schweren Fällen nach § 306a Abs. 3. Obwohl § 306a Abs. 1 von der herrschenden Auffassung weiterhin als gemeingefährliches abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz von Leben und Leib klassifiziert wird, sind Umfang und Grenzen dieses Schutzanliegens – wie bereits bei § 285 preuß. StGB und § 306 StGB a. F.533 – präzisierungsbedürftig.534 Kontrovers beurteilt wird nach wie vor das Hinzutreten einer weiteren Schutzrichtung neben oder anstelle des Schutzes von Leib und Leben, die z. T. aus der speziellen Zweckbestimmung der Tatobjekte der Wohnraum- und Kirchenbrandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1, 2 abgeleitet wird.535 Unter Berücksichtigung der zu den Vorgängernormen §§ 306 StGB a. F., 285 preuß. StGB gewonnenen Erkenntnisse wird deshalb zunächst der Schutzzweck des § 306a Abs. 1 exakt zu umreißen sein, bevor ausgewählte Auslegungsfragen, wie die Anforderungen an die Entwidmung einer Wohnräumlichkeit oder die Bewertung der gemischt genutzten Tatobjekte, fokussiert werden.

531 In diesem Zusammenhang müsste freilich der aktuelle Strafrahmen des § 306a Abs. 2 erheblich abgesenkt werden, da § 306d Abs. 1, Var. 3 nur Geldstrafe bzw. Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht. Der ursprünglich für § 306 Abs. 2 E 6. StrG BReg (= § 306a Abs. 2) vorgesehene Strafrahmen von ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe hätte genügt, wurde jedoch auf Grund der Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Drucks. 13/9064, S. 22) an den des § 306a Abs. 1 angepasst. 532 Weiter zu den Veränderungen durch das 6. StrRG 1998: Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 26 f. 533 Zu § 285 preuß. StGB vgl. § 1 A. IV. 1. und zu § 306 StGB a. F. vgl. § 1 B. IV. 1. 534 MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 3; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 1; Rengier, BT II, § 40 Rn. 18; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 961; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 1; LK/Wolff, § 306a Rn. 1; Fischer, § 306a Rn. 1; SSW/Wolters, § 306a Rn. 3; Eisele, BT I, Rn. 747; Gössel/Dölling, BT 1, § 41 Rn. 1. 535 Zu § 306a Abs. 1 Nr. 1 vgl. § 2 II. 1. e) aa) und zu § 306a Abs. 1 Nr. 2 vgl. § 2 II. 1. e) bb).

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1. Das Gefährdungsunrecht der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Für die Erfassung des in § 306a Abs. 1 beschriebenen Unrechts ist die Deutung der einfachen Brandstiftung im Sinne der „Gefährdungslösung“ 536 wegweisend, denn erst die Einordnung des § 306 Abs. 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt kontrastiert den eigentümlichen Unwertgehalt der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1. So ist abermals die Tatsache hervorzuheben, dass die §§ 306, 306a Abs. 1 eine identische „Gefährdungsstruktur“ besitzen, denn beide Normen beschreiben den Angriff auf abschließend benannte Tatobjekte vermittels der Tathandlung des Inbrandsetzens bzw. der Zerstörung durch Brandlegung.537 Beide lassen die reale Gefährlichkeit der Tatbegehung unberücksichtigt und intendieren allein die Erfassung abstrakt als gefährlich eingestufter Verhaltensweisen. Hinweise für das übereinstimmende Schutzanliegen der §§ 306, 306a Abs. 1 sind nicht nur die tradierte systematische Stellung bei den gemeingefährlichen Brandstiftungsdelikten und die gemeinsame Entstehungsgeschichte im preuß. StGB 1851, sondern auch der sich in weiten Teilen überschneidende Strafrahmen: Während die Strafrahmenobergrenze des § 306 Abs. 1 bei 10 Jahren angesiedelt ist, ermöglichen §§ 306a Abs. 1, 38 Abs. 2 die Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren. Auch die Ausgestaltung beider Normen als Verbrechenstatbestände und die identische Strafandrohung für minder schwere Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 legen nahe, dass sich in diesen Sachverhalten das strafwürdige (Gefährdungs-)Unrecht beider Normen nicht substantiell unterscheidet.538 Aus der analogen Normstruktur der §§ 306, 306a Abs. 1 und der gemeinsamen Intention der Skizzierung brandbedingter Gefährdungslagen folgt, dass allein der Deliktstypus des abstrakten Gefährdungsdelikts für beide Normen sachgerecht ist, so dass die herrschende Auffassung zu 306a Abs. 1 – anders als zu § 306 Abs. 1 – jedenfalls im Grundsatz zutreffend ist. Die Charakterisierung des durch § 306a Abs. 1 umrissenen Unwertgehaltes erfordert demzufolge die konsequente Differenzierung zwischen dem tatbestandlichen Angriff auf das Handlungsobjekt – der Eröffnung der Gefahrquelle – und der hierdurch vermittelten abstrakten Gefährlichkeit für die tatbestandlich nicht benannten und erst im Wege der Auslegung zu ermittelnden Rechtsgüter. Der erhöhte Strafrahmen und die gesetzliche Benennung als „schwere Brandstiftung“ machen deutlich, dass § 306a Abs. 1 gegenüber der einfachen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 ein typisiert gesteigertes Gefährdungsunrecht zu erfassen sucht, das sich nach den Geboten der Logik – angesichts der identischen 536

Dazu vgl. § 2 I. 1. c). Vgl. § 1 A. V. und § 1 B. V. 538 Näher zur Bestimmung der minder schweren Fälle nach §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 bei § 2 IV. 2. 537

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Tathandlung – einzig aus den Eigenschaften der in § 306a Abs. 1 benannten Tatobjekte abzuleiten vermag. Die Tatobjekte des § 306a Abs. 1 unterscheiden sich gegenüber denen des § 306 Abs. 1 durch zwei Aspekte, die gemeinsam den erhöhten Unrechtsgehalt des § 306a Abs. 1 begründen, nämlich erstens deren Einordnung als Räumlichkeiten und zweitens die in § 306a Abs. 1 Nr. 1–3 bezeichnete spezielle Nutzungsform der Tatobjekte. a) Gefahren durch Raumbrände Nicht hinreichend gewürdigt wird bislang, dass § 306a Abs. 1 exklusiv Raumbrandszenarien erfasst, denn alle dort genannten Tatobjekte sind Räumlichkeiten, d. h. ein dreidimensionales, allseits abgeschlossenes, unbewegliches oder bewegliches Gebilde, das eine Fläche umgrenzt.539 Zwar benennen nur Nr. 1 und Nr. 3 ausdrücklich „Räumlichkeiten“ als Tatobjekte. Doch auch die in Nr. 2 genannten „Kirchen“ und „Gebäude“ sind lediglich spezielle Räumlichkeiten, denn ein Gebäude wird als ein mit Grund und Boden verbundenes Bauwerk definiert, das zum Betreten von Menschen geeignet und bestimmt ist und dem Schutz von Menschen oder Sachen dient und Unbefugte abwehren soll.540 Gebäude sind daher bestimmte baulich befestigte Räumlichkeiten. Auf dieses Verständnis weist im Übrigen der Wortlaut des § 306a Abs. 1 Nr. 1 hin, der von Gebäude, Schiff, Hütte oder einer anderen Räumlichkeit spricht.541 Die ausschließliche Anknüpfung an Räumlichkeiten durch § 306a Abs. 1 ist für die Bewertung der tattypischen Gefährlichkeit insofern relevant, als die Analyse der feuerspezifischen Gefahren verdeutlicht hat, dass sich bei Raumbränden die schädigenden Effekte von Rauchgasen und Hitze durch Akkumulation potenzieren.542 Zusätzlich existieren bei Raumbränden spezielle Risiken, wie Rauchexplosionen („back-draft“)543, herabstürzende Bauteile als Folge schädigender Einwirkungen sowie die Erschwerung der Flucht von Personen aus dem Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle aufgrund der räumlichen Umgrenzung des Tatobjekts bzw. der Bergung von Personen aus der betreffenden Räumlichkeit. Ein Raumbrand ist also generell – mit Blick auf die Auswirkungen am und im Tatobjekt – ein besonders gefährlicher Sachverhalt. Der Umstand, dass § 306a Abs. 1 exklusiv das besondere Gefahrenpotential von Raumbränden umfasst, ist ein grundlegender Unterschied zum heterogenen Katalog der einfachen Brandstiftung, der auch Tatobjekte benennt, die, wie z. B. Warenvorräte (Nr. 3, Alt. 2), manche Kraftfahrzeuge (Nr. 4, Var. 1) sowie Wälder, Heiden oder Moore (Nr. 5), keine Räumlichkeiten sind. 539 LK/Wolff, § 306a Rn. 18; Geppert, Jura 1989, S. 417 (421): „,Räumlichkeiten‘ in diesem Sinn sind allseits begrenzte, d.h. kubisch abgeschlossene Räume“. 540 NK-StGB/Herzog, § 306 Rn. 2; ähnlich LK/Wolff, § 306 Rn. 24, 306a Rn. 8. 541 So auch Geppert, in: FS Weber, S. 427 (438). 542 Vgl. dazu § 2 I. 1. a) aa) (1). 543 Vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1) (c).

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b) Zur gesteigerten Personengefährlichkeit Allerdings zeigt § 306 Abs. 1, der ebenfalls Räumlichkeiten umfasst (vgl. Nr. 1, 3, Alt. 2), dass das gesteigerte Gefährdungsunrecht des § 306a Abs. 1 nicht allein mit dem generellen Gefährdungspotential von Raumbränden zu erklären ist. Die herrschende Anschauung folgt der im Grundsatz zutreffenden Überlegung, dass sich aus der qualifizierten Nutzung der Tatobjekte des § 306a Abs. 1 eine besondere Gefährlichkeit der Tat für Leben und Leib ableite, und stützt hierauf die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt.544 Bei § 306a Abs. 1 Nr. 1 werde dieser Zusammenhang durch die Wohnnutzung vermittelt, im Rahmen des § 306a Abs. 1 Nr. 3 durch die Tatzeitklausel, da hier die Tatbegehung zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, in dem sich regelmäßig Menschen im Tatobjekt aufzuhalten pflegen.545 Bei den Tatobjekten der sog. Kirchenbrandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 2 ist – mehr dazu später – schon seit Mitte des 19. Jahrhundert umstritten, inwieweit allein die Widmung dieser Objekte zu religiösen Zwecken geeignet ist, die herausgehobene Beziehung zum menschlichen Leben zu vermitteln, was aber letztlich zu bejahen ist.546 Somit fokussiert die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 die Verursachung von Bränden in solchen Räumlichkeiten, die – abstrakt gesehen – intensiv mit der menschlich-sozialen Lebenswirklichkeit verflochten sind, wodurch die Wahrscheinlichkeit der Anwesenheit von Personen im Einwirkungsbereich des Brandherdes und damit ihre Gefährdung gegenüber § 306 Abs. 1 zweifellos erhöht ist.547 Jedoch darf die durch die qualifizierte Nutzung der Tatobjekte vermittelte Gefahrerhöhung – wie bereits zu § 285 preuß. StGB und § 306 StGB a. F. dargelegt548 – weder als Tatsachenvermutung für den tatsächlichen Personenaufenthalt, noch als Präsumtion einer konkreten (Lebens-)Gefährdung verstanden werden, ist doch diese Einschätzung eng mit der anzufechtenden These verbunden, der Schutzzweck des § 306a Abs. 1 diene ausschließlich dem Schutz von Personen im Tatobjekt.549 Das Anliegen des § 306a Abs. 1 ist die generelle Erfassung der 544 Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 2: „Gegenstand der schweren Brandstiftung nach Abs. 1 können nur bestimmte Räumlichkeiten sein, die ihrer Bestimmung oder ihrem Gebrauche nach Menschen zum Aufenthalt dienen, so dass diese durch den Brand gefährdet werden können.“; Küpper, BT 1, § 5 Rn. 7: „Der § 306a I stellt ein Tun unter Strafe, das typischerweise das Leben von Bewohnern oder Besuchern gefährdet.“; HK/ Weiler, § 306a Rn. 2: „Das Gesetz knüpft daran an, dass sich in den genannten Bauwerken oder Räumen üblicherweise Menschen aufhalten können.“; Rengier, BT II, § 40 Rn. 18; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 5; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 961. 545 MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 4 f.; SSW/Wolters, § 306a Rn. 3. 546 LK/Wolff, § 306a Rn. 14 f.; SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 3, 10. Zu § 306a Abs. 1 Nr. 2 siehe § 2 II. 1. e) bb). 547 LK/Wolff, § 306 Rn. 6. 548 Vgl. § 1 A. IV. 1. und § 1 B. IV. 1. a). 549 Schlothauer, StV 2007, S. 585 (586): „Geschützt werden sollen allein die Bewohner des Gebäudes, für die die Wohnung ,Lebensmittelpunkt‘ bzw. ,Lebensgrundlage‘

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Gefährlichkeit für Leib und Leben und nicht der Schutz einer speziellen Personengruppe, mögen auch gewisse Personen, wie z. B. die Bewohner im Falle der Nr. 1, besonders gefährdet sein. Eine Verengung des Schutzzwecks auf einen speziellen Personenkreis, wie z. B. im Rahmen der Nr. 1 auf die Bewohner, entbehrt jeder Rechtfertigung und kollidiert mit der historischen gesuchten Erfassung der abstrakten Gefährlichkeit solcher Taten. Zunächst spricht die Dynamik sowie die Unberechen- und Unkontrollierbarkeit des Tatmittels Feuer gegen das Ansinnen, nur Leib und Leben einer bestimmten Personengruppe als geschützt anzusehen. Zwar wird die Gefahrenquelle im/am Tatobjekt eröffnet, doch deren diffuse Schadwirkungen beschränken sich nicht allein auf das Tatobjekt, sondern sind oftmals darüber hinaus wirksam. Rauchgase, einstürzende Wände oder die Gefahr einer Brandübertragung können leicht auch Leib und Leben von Nichtbewohnern bedrohen. Dass sich unter Umständen selbst entgegen den Erwartungen des Täters Personen in den Tatobjekten des § 306a Abs. 1 aufhalten können oder dieses erst nach Tatvollendung betreten, ist ein Umstand, auf den seit jeher immer wieder hingewiesen wurde.550 Mit Recht hat Radtke die Erstreckung des Schutzzwecks auf Menschen außerhalb des Tatobjekts als eine „recht naheliegende Konsequenz der generellen Gemeingefährlichkeit“ 551 bezeichnet. Abermals darf das für (professionelle) Retter bestehende Gefährdungspotential nicht übersehen werden, zumal deren Risiko bei den in § 306a Abs. 1 genannten Tatobjekte besonders erhöht ist, wie frühzeitig Blei zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. erkannt hat.552 Denn die professionellen Retter sind – allein begrenzt durch den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit – verpflichtet sicherzustellen, dass sich im Tatobjekt keine Personen befinden, die sich z. B. deshalb aus eigener Kraft nicht retten können, weil sie durch Rauchgase bewusstlos geworden oder Rettungswege blockiert sind. Dies gilt insbesondere bei bewohnten oder sonst von Menschen genutzten Tatobjekten. In der Einsatzpraxis der Feuerwehr gelten (unbe-

und persönlicher Lebensbereich ist.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Koriath, JA 1999, S. 298 (301): „Das Inbrandsetzen eines menschenleeren Hauses enthält einen geringeren Unrechtsgehalt, weil eben das spezifische Unrecht des § 306a I StGB, die Gefährdung von Menschen, ausgeschlossen ist.“ 550 BGHSt 26, 121 (123); 34, 115 (118 f.); MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 42; vgl. auch § 1 A. II. 3., § 1 A. IV. 1. und § 1 B. IV. 1. 551 Radtke, Dogmatik, S. 171 f. 552 Blei, JA 1976, S. 99; ders., JA 1975, S. 585 (589 f.): „Es ist nämlich zu bedenken, daß es bei Inbrandsetzung einer der in § 306 [Anmerkung: StGB a. F.] genannten Räumlichkeiten nicht nur um die Gefährdung der Bewohner oder der sich darin regelmäßig aufhaltenden Personen geht, sondern auch um die Gefahren, welche Außenstehenden drohen, die sich als freiwillige Helfer oder als besonders Verpflichtete (Feuerwehr) u. U. mit viel höheren Risiken einsetzen oder einsetzen müssen, wenn ein Wohnhaus brennt, dem man es ja nicht von außen ansieht, ob sich Menschen darin befinden und dringend der Hilfe bedürfen.“; ähnlich Heghmanns, BT, Rn. 973.

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stimmte) Personen bei Wohnungsbränden grundsätzlich als gefährdet und zwar selbst dann, wenn zunächst keine konkreten Anhaltspunkte für den Personenaufenthalt im betroffenen Wohngebäude existieren. Diese Vermutung ist so lange gültig, bis sie durch geeignete Erkundungsmaßnahmen entkräftet wird, was eine Inaugenscheinnahme durch die Feuerwehr und somit die Begehung des Tatobjekts – sprich die Konfrontation mit den Auswirkungen der Gefahrenquelle „Raumbrand“ – notwendig macht.553 Daher korrespondiert die qualifizierte Nutzung der Tatobjekte in § 306a Abs. 1 prinzipiell (auch) mit einem erhöhten Risiko für die Retter, die ihrerseits höhere Selbstgefährdungen in Kauf nehmen werden, soweit eine Gefahr für das höchstwertige Rechtsgut Leben zu vermuten ist. Selbiges gilt dem Grunde nach auch für die Tatobjekte der Nr. 2 und 3, bei denen aufgrund ihrer Zweckbestimmung aus der Perspektive der Rettungskräfte ebenfalls die Anwesenheit von Personen im Tatobjekt als eine naheliegende Möglichkeit in Rechnung zu stellen ist. Die Berücksichtigung des Schutzes von Personen außerhalb des Tatobjekts bzw. von Personen, die dieses nach Tatvollendung betreten, ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern entfaltet als Vorfrage bei §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c Bedeutung, soweit im Rahmen der gefahrspezifischen Zurechnung von Retterschäden und -gefährdungen über die Verursachung einer rechtlich missbilligten Gefahr für diese Personen zu entscheiden ist.554 Die vorangegangenen Überlegungen weisen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der qualifizierten Nutzung der Tatobjekte in § 306a Abs. 1 und der hierdurch geschaffenen abstrakten Gefährlichkeit für Leib und Leben auf einen gewichtigen, bislang unbeachteten, Umstand hin. Entgegen der herrschenden Auffassung vermittelt nicht erst die qualifizierte Nutzung der Tatobjekte in § 306a Abs. 1 konstitutiv die abstrakte Gefährlichkeit der Tatbegehung für Leib und Leben, sondern die spezielle Nutzungsbestimmung verweist funktional auf eine Intensivierung der abstrakten Gefährlichkeit für Leben, Leib und Eigentum im Vergleich zu § 306 Abs. 1. Gerade an diesem Punkt beweist sich, wie entscheidend die Einordnung des § 306 Abs. 1 auf Grundlage der „Gefährdungslösung“ für das Verständnis der von § 306a Abs. 1 geforderten qualifizierten Nutzung der Tatobjekte ist.555 Zudem lässt sich, wie die nachfolgenden Ausführun553 Rempe/Klösters, Das Planspiel als Entscheidungstraining, S. 73: „Es wird ein Brand in einem Wohnhaus festgestellt. Konkrete Hinweise auf eine Gefährdung für Menschen gibt es nicht. Gleichwohl ist eine Gefahr für Menschen zu vermuten, weil grundsätzlich die Annahme von vornherein gerechtfertigt ist, dass sich in einem Wohnhaus Menschen befinden und bei einem Brand mindestens eine Gefahr durch Rauch für diese Menschen gegeben ist. Aus dieser in seiner solchen Lage immer gerechtfertigten Vermutung leitet sich die anzuwendende taktische Regel ab, dass der Einsatz erst dann als beendet gelten kann, wenn diese Vermutung durch geeignete Erkundungsmaßnahmen widerlegt ist.“ 554 Dazu näher vgl. § 2 III. 2. b) cc). 555 An dieser Stelle sei in Erinnerung gerufen, dass § 258 Abs. 1 E 1913 und § 254 Abs. 1 E 1919 vorsahen, die Inbrandsetzung von fremden Gebäuden und fremden Wohnungen in einer Norm zu regeln. Offenbar wurde beiden Fällen eine vergleichbare Ge-

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gen darlegen werden, der Gedanke der abstrakt intensivierten Gefährlichkeit des § 306a Abs. 1 auch für den Aspekt des Eigentumsschutzes fruchtbar machen. c) Zur gesteigerten Eigentumsgefährlichkeit Die Einbeziehung des abstrakten Eigentumsschutzes in § 306a Abs. 1 wird im Schrifttum überwiegend verworfen.556 Wiederholt wird in diesem Kontext auf die eigentumsrechtliche Neutralität des Tatobjektskatalogs des § 306a Abs. 1 verwiesen, die im Umkehrschluss zur eigentumsrechtlichen Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte in § 306 Abs. 1 belege, dass der Eigentumsschutz (am Tatobjekt) nicht intendiert sein könne.557 Der Hinweis auf die eigentumsrechtliche Neutralität der Tatobjekte wäre allein dann ein schlagkräftiges Argument, wenn die Einordnung des § 306a Abs. 1 als Sachbeschädigungsdelikt558 mit Blick auf das Eigentum am Tatobjekt im Raum stünde. Doch angesichts der eigentumsrechtlichen Neutralität des § 306a Abs. 1 ist ohnehin allein die Berücksichtigung der generellen Sachgefährlichkeit als ein Teilaspekt des Normzwecks diskutabel.559 Jedenfalls ist dem Einwand Radtkes, wonach die Übertragungsgefahr in § 306a Abs. 1 – anders als in § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. – nicht tatbestandlich verankert sei und deshalb fremde bedeutende Sachwerte außerhalb des Tatfährlichkeit attestiert, ähnlich auch Art. 208 StGB Sachsen 1855, dazu vgl. Krug, Commentar für das StGB Sachsen 1855, Band 1, S. 124 ff. 556 Exemplarisch: Piel, StV 2012, S. 502 (506); a. A. zu § 306 StGB a. F. Kindhäuser, StV 1990, S. 161 f.; Spöhr, MDR 1975, S. 193; dazu bereits bei § 1 B. IV. 1. c). 557 SSW/Wolters, § 306a Rn. 3; Krey/Heinrich, BT 1, Rn. 759; Stein, in: Dencker/ Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 76; Radtke, Dogmatik, S. 168: „Gegen eine Ausdehnung des Schutzzwecks auf bedeutende Sachwerte spricht der systematische Vergleich mit § 306 Abs. 1. Die Beschränkung der in dieser Vorschrift aufgeführten Tatobjekte auf in fremden Eigentum stehende zeigt – unabhängig von einer möglichen generellen Gemeingefährlichkeit in Bezug auf andere Rechtsgüter als das Eigentum am Tatobjekt – unmißverständlich den vom Gesetzgeber primär intendierten Schutz an: Schutz des Eigentums am Brandobjekt. Das Eigentumsrecht an welchen Gegenständen sollte angesichts dessen von § 306a Abs. 1 Nr. 1 geschützt werden?“ 558 Dieser Standpunkt wurde zuletzt von Binding zu § 306 StGB a. F. vertreten (dazu bei § 1 B. II. 1. mwN) und steht – aufgrund berechtiger Bedenken – seit Längerem nicht mehr zur Debatte. Sympathie für Binding bekundet aber Koriath, GA 2001, S. 51 (66). 559 Zutreffend bemerkt das BVerfG zu § 306a Abs. 1 im Beschluss vom 16. November 2011 – 2 BvL 12/09 –, BeckRS 2011, 48101, dort Rn. 96: „Auch das Eigentum an dem Brandobjekt ist in Anbetracht der Schutzgüter der Norm – Leib und Leben anderer Menschen – für die Tatbestandserfüllung unerheblich . . ., wobei das Brandobjekt häufig jedenfalls teilweise fremdfinanziert und damit zu prüfen sein wird, inwieweit der Brand einen Schaden des Darlehensgebers verursacht hat. Davon abgesehen handelt es sich beim Abbrennen eines Wohnhauses, das regelmäßig einen relativ hohen (Versicherungs-) Wert verkörpert, in aller Regel um einen Fall, der gerade nicht am unteren Rand des weiten Strafrahmens des § 306a Abs. 1 StGB angesiedelt ist; denn hierzu bedarf es eines Feuers von erheblichem Ausmaß und damit einhergehend naturgemäß auch mit einem erhöhten Gefährdungspotential.“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

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objekts nicht geschützt seien,560 insofern Inkonsequenz zu bescheinigen, als Radtke bei § 306 Abs. 1 den abstrakten Eigentumsschutz als Teilintention durchaus anerkennt, obschon eine Übertragungsgefahr hier ebensowenig verankert ist wie in § 306a Abs. 1.561 Eine Legitimation, die abstrakte Eigentumsgefährdung in § 306a Abs. 1 Nr. 1 allein aufgrund der zusätzlichen qualifizierten Nutzung eines Gebäudes gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 entfallen zu lassen, ist nicht erkennbar. Der Standpunkt der Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Eigentumsschutzes ist widersprüchlich. Während der Bundesgerichtshof zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. – anders als noch das Reichsgericht562 – ausdrücklich den Schutz von Mobiliar und damit inzident das Anliegen des abstrakten Eigentumsschutzes verneinte,563 hat sich der 1. Senat des Bundesgerichtshofs in NJW 2001, S. 765 mit überzeugenden Erwägungen gegen die These gesperrt, wonach aus der eigentumsrechtlichen Neutralität des § 306a Abs. 1 auf die Irrelevanz des Eigentumsschutzes zu schließen sei. Denn § 306a Abs. 1 Nr. 1 erweitere den Schutz des § 306 Abs. 1 Nr. 1, und soweit durch die Tatbegehung ein in fremden Eigentum stehendes Tatobjekt betroffen sei, sei „zwangsläufig neben Leib und Leben auch das fremde Eigentum geschützt“ 564, weshalb § 306a Abs. 1 Nr. 1 die einfache Brandstiftung im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdränge. Beifall verdient der Standpunkt des Bundesgerichtshofs, soweit er § 306a Abs. 1 Nr. 1 als einen im Unrecht gesteigerten Fall des § 306 Abs. 1 Nr. 1 bewertet, und damit zumindest partiell von einem teleologischen Gleichlauf beider Normen ausgeht.565 Abgesehen von dieser Stellungnahme, die eine gewisse Sympathie für die Berücksichtigung der Eigentumsgefährlichkeit mit Blick auf das Tatobjekt erkennen lässt, hat der Bundesgerichtshof ein klares Bekenntnis zum abstrakten Eigentumsschutz in § 306a Abs. 1 Nr. 1 vermissen lassen. Das hier referierte Verständnis der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 als ein besonders gefährlicher Fall des § 306 Abs. 1 hat bereits die Grundlagen für die Einbeziehung des abstrakten Eigentumsschutzes gelegt.566 Denn das kennzeichnende Charakteristikum der Naturgewalt Feuer ist ihre eigentümliche und undifferenzierte Einwirkungskraft auf die Rechtsgüter Eigentum, Leib und Leben, zumal aufgrund der charakteristischen Unbeherrschbarkeit des Tatmittels eine Begrenzung dieser breiten Gefährdungseignung dem Täter im Regelfall nicht möglich ist. Dementsprechend ist – wie bei § 306 Abs. 1 – die abstrakte 560

Radtke, Dogmatik, S. 168 f. Radtke, Dogmatik, S. 378 f. 562 Vgl. § 1 B. IV. 1. c). 563 BGH, NStZ 1984, S. 455. 564 BGH, NJW 2001, S. 765. 565 BGH, NJW 2001, S. 765: „Während der Grundtatbestand des § 306 Nr. 1 StGB lediglich fremde Gebäude vor dem Inbrandsetzen schützen soll, erweitert der Tatbestand des § 306 a I Nr. 1 StGB diesen Schutz.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 566 A. A. Radtke, Dogmatik, S. 168. 561

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Eigentumsgefährlichkeit tattypische Folgewirkung. Geschützt ist daher fremdes Sacheigentum als solches, sei es bezüglich des Tatobjekts, darin lagernder oder seiner Zweckbestimmung dienender Gegenstände oder hinsichtlich eines gefährdeten benachbarten Gebäudes.567 Dass im Einzelfall einige Tatobjekte im Eigentum des Täters stehen, so dass er durch die Tat auch sein Eigentum gefährdet, stellt die abstrakte, d. h. von den Umständen des jeweiligen Falls absehende, Sachgefährlichkeit natürlich nicht in Frage, ebensowenig wie das Anliegen des abstrakten Lebensschutzes dadurch in Frage gestellt wäre, dass der Brandstifter durch die Tat nicht nur das Leben Dritter, sondern auch sich selbst gefährdet. Gegen die Berücksichtigung des abstrakten Eigentumsschutzes spricht auch nicht das für § 306 Abs. 1 dargelegte Anliegen der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung. Denn diese sollte im preuß. StGB 1851 – anders als in anderen partikularrechtlichen Strafgesetzbüchern568 – nur begrenzt für die Brandstiftung zweiter Klasse gem. § 286 preuß. StGB gelten, da die Anzündung der qualifiziert genutzten Tatobjekte des § 285 preuß. StGB als generell gefährlich erachtet wurde.569 Somit gilt mit Rücksicht auf die beabsichtigte Erfassung der abstrakten Eigentumsgefährlichkeit: Ebenso wenig, wie die eigentumsrechtliche Beschränkung innerhalb des § 306 Abs. 1 gegen die Erfassung des abstrakten Eigentumsschutzes spricht,570 ebenso wenig streitet die eigentumsrechtliche Neutralität des § 306a Abs. 1 gegen die Berücksichtigung des abstrakten Eigentumsschutzes. An diesem Punkt manifestiert sich erneut die Notwendigkeit einer klaren Differenzierung zwischen der Eröffnung der tatbestandlichen Gefahrenquelle und der Ermittlung der hierdurch gefährdeten Rechtsgüter. In Erinnerung zu rufen ist, dass sich diese Forderung bereits für die Vorgängernorm § 285 preuß. StGB historisch eindeutig nachweisen lässt.571 So verweisen die Motive zum preuß. StGB 1851 explizit darauf, dass „die Wohnung eines Menschen, obwohl zunächst dem Bewohner und seinen Vermögensstücken gewidmet, dennoch vorübergehend, und mehr oder weniger wechselnd, auch anderen Personen zum Aufenthalte, und Vermögensstücken, bei welchen auch andere interessiert seien, zum Bewahrungsorte diene.“ 572 Angesichts dieser speziellen Gemengelage, dem unberechenbaren Zusammentreffen von Eigentums- und Lebensgefährdung, wurde die Anzündung von Wohnräumlichkeiten schon im Entwurf 567

So bereits zu § 306 Abs. 1 bei § 2 I. 1. c) aa) und § 2 I. 1. c) bb). Vgl. Art. 247, 252 StGB Bayern 1813; Art. 174 CrimGB Sachsen 1838; § 554 StGB Baden 1845; Art. 408 StGB Passau 1849; Art. 350 StGB Bayern 1861. 569 Vgl. § 1 A. III. 4. b) bb) und Goltdammer, Materialien II, S. 645: „Der §. 286 ergiebt also, daß die Anzündung der eignen Sache straflos ist, wenn sie nicht eine solche ist, wie sie die §§. 285 und 287 bezeichnen.“ 570 Dazu vgl. § 2 I. 1. c) cc). 571 Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 39 ff.; Beseler, Kommentar, S. 524 f.; zu § 285 preuß. StGB vgl. die Ausführungen bei § 1 A. IV. 2. 572 Goltdammer, Materialien II, S. 639 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 568

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von 1833 losgelöst vom Eintritt einer konkreten Gemeingefahr unter Strafe gestellt.573 Dass der Eintritt einer abstrakten Eigentumsgefährdung eine beachtenswerte Begleiterscheinung der Verwirklichung des § 306a Abs. 1 und speziell der Nr. 1 ist, ist eine überprüfbare Tatsache, sofern der Zusammenhang zwischen der Wohnnutzung und der dadurch indizierten Anwesenheit von weiteren Gegenständen (im Tatobjekt) in Rechnung gestellt wird. So befinden sich in einer Wohnung typischerweise Möbel, Küchengeräte, Maschinen, technische Geräte (TV, Computer), Bekleidung, Dokumente, Kunstgegenstände, Erinnerungsstücke und sonstige Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie Nahrungsmittelvorräte. Der Gesamtheit der Objekte, die die Wohnnutzung begleiten und ermöglichen, kommt regelmäßig ein erheblicher Vermögenswert zu, wie den nachfolgenden Angaben zu entnehmen ist. So wird von Seiten der Versicherungswirtschaft der Versicherungswert (also der Wiederbeschaffungswert) des Hausrats einer Familie, die eine 80 m2 große Wohnung bewohnt, bei durchschnittlich ca. 52.000 A veranschlagt.574 Die Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik 2002 zeigt, dass sich im Nachlass des Erblassers im Mittel aller positiven Fälle Bargeld im Wert von 2.800 A und Hausrat im Wert von 7.700 A befinden, wobei zu berücksichtigen ist, dass hier der deutlich niedrigere Verkehrswert und nicht der höhere Wiederbeschaffungswert angesetzt ist.575 Neben Bargeld und Hausrat enthält der Nachlass noch weitere bewegliche körperliche Gegenstände im durchschnittlichen Wert von 11.700 A, die sich zumindest teilweise in den Wohnräumlichkeiten befinden und somit durch die Tat gefährdet sein dürften. Auf die Existenz von relevanten Vermögenswerten verweisen auch Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, wonach der durchschnittliche Wert langlebiger Gebrauchsgüter576 in deutschen Privathaushalten im Jahr 2009 bei 24.500 A lag.577 Zu den langlebigen Gebrauchsgütern zählen Fahrzeuge, Möbel, Teppiche, elektrische Haushaltsgroßgeräte, audiovisuelle, fotografische und EDV-Geräte, sowie Güter für Kommunikation, Gesundheit, Unterhaltung und Freizeit, Uhren und Schmuck. Selbst wenn hiervon der Wert für Kraftfahrzeuge abgezogen wird, die über ein Drittel (ca. 35%) des Gesamtwertes ausmachen und die sich typischerweise nicht im Tatobjekt befinden werden, so besitzen die übrigen Gegenstände, von denen angenommen werden darf, dass sie sich im Regelfall in den 573 Motive E 1833, in: Regge, Gesetzesrevision (1825–1848), I. Abteilung, 3. Band, S. 658; eingehend hierzu § 1 A. II. 3. 574 Haufe, Business Kompass 2012, S. 134. 575 Quelle: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 9/2006, S. 964. 576 Der Begriff der langlebigen Gebrauchsgüter ist nicht mit dem Begriff des Hausrats deckungsgleich. Nicht zu den langlebigen Gebrauchsgütern zählen Goldbarren, Münzen, Antiquitäten und ähnliche Güter einschließlich eines Teils des Schmucks, die nicht zu Gebrauchszwecken, sondern in erster Linie als Wertaufbewahrungsmittel dienen. 577 Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 325 vom 3. September 2009.

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Wohnräumlichkeiten befinden, einen durchschnittlichen Wert von ca. 15.925 A. Dies enspricht für sich genommen bereits dem 12–20fachen dessen, was im Rahmen der §§ 315b, 315c als erheblicher Wert für die dort genannten Gefährdungsobjekte veranschlagt wird, nämlich je nach Auffassung 750 bis 1300 A.578 Diese Zahlen belegen, dass – unabhängig davon, wie hoch der durchschnittliche Wert der in einer Wohnung befindlichen Gegenstände statistisch exakt zu veranschlagen ist – die Wohnnutzung eine zuverlässige Vermutungsgrundlage dahingehend begründet, dass der Täter durch die Tatbegehung eine erhebliche Sachgefährdung provoziert, selbst wenn der Wert des Tatobjekts und von Gegenständen außerhalb desselben unberücksichtigt bleibt. Die Idee der mit der Wohnnutzung verbundenen Kumulation von Sachwerten lässt sich desgleichen auf die Tatobjekte des § 306a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 übertragen. Denn unter die in § 306a Abs. 1 Nr. 3 beschriebenen Räumlichkeiten fallen Bildungsstätten (Universitäten, Schulen, Kindergärten, etc.), Wirtschaftsbetriebe (Werkstätten, Büros, Fabriken, Supermärkte, etc.) und Orte der Freizeitgestaltung (Theater, Museen, Gastronomie, Diskotheken, etc.).579 Dass diese Räumlichkeiten mit jeweils ihrer Zweckbestimmung dienenden Einrichtungsgegenständen, wie Möbeln, technischen Geräten, Maschinen, Büchern, Waren, Vorräten, etc. ausgestattet sind, so dass die Anzündung des Tatobjekts typischerweise mit erheblichen Sachgefährdungen verbunden ist, liegt auf der Hand. Entsprechendes gilt für die Tatobjekte des § 306a Abs. 1 Nr. 2, verfügen doch Kirchen oder der Religionsausübung dienende Gebäude typischerweise über eine entsprechende Innenausstattung, wie Stühle, Tische, Bänke, Gebetsteppiche, sakrale Kunstwerke, Ritualgegenstände, etc. Die besondere Zweckbestimmung und die damit typischerweise verbundene Vermutung der Existenz weiterer Gegenstände unterscheidet § 306a Abs. 1 von den in § 306 Abs. 1 Nr. 1 benannten Tatobjekten, die einer vergleichbaren Zweckbestimmung nicht notwendigerweise unterworfen sein müssen. Abschließend ist anzumerken, dass die von Binding vertretene Einschätzung, die §§ 306, 308 StGB a. F. seien ihrem Wesen nach Sachbeschädigungsdelikte, durchaus auf einen zutreffenden Punkt hinweist, obschon seine dogmatische Bewertung der Brandstiftungsdelikte abzulehnen ist.580 Die Verwirklichung der §§ 306, 306a wird oftmals mit umfangreichen Sachbeschädigungen und -gefährdungen verbunden sein und diese sind wahrscheinlicher als Personengefährdungen oder -verletzungen, denn Zubehör, wie Einrichtungsgegenstände, etc. befin578 MüKo-StGB/Barnickel, § 315 Rn. 69: 850 A; Fischer, § 315 Rn. 16a; Wessels/ Hettinger, BT 1, Rn. 990 und NK-StGB/Herzog, § 315 Rn. 26: 750 A; SK-StGB/Wolters, Vor § 306 Rn. 11: 1.200 A; Sch/Sch/Heine, Vor § 306 Rn. 15; Burmann/Heß/ Jahnke/Janker/Burmann, StVR, § 315c StGB Rn. 7: 1.300 A. 579 Fischer, § 306a Rn. 7; LK/Wolff, § 306a Rn. 18 f. 580 Binding, Normen I, S. 381 f. Fn. 26.

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den sich im Regelfall – anders als Personen – permanent in den Tatobjekten des § 306a Abs. 1. Deshalb kann nur eine solche Normdeutung des § 306a Abs. 1 überzeugen, die auch das reale Bedrohungspotential von Bränden für fremdes Sacheigentum als Teil des Schutzzwecks – ganz im Sinne der Schöpfer des § 285 preuß. StGB581 – anerkennt. d) Teleologische Reduktion oder teleologische Korrektur? Die Diskussion um die Zulässigkeit einer teleologischen Reduktion des § 306a Abs. 1 ist im Zusammenhang mit dem Schutzzweck der schweren Brandstiftung von besonderem Interesse, weil sich in den Bedingungen, unter denen eine solche Begrenzung des Normanwendungsbereichs für zulässig erachtet wird, das jeweilige Schutzzweckverständnis als „Negativ“ widerspiegelt. Die Frage nach der Berechtigung einer solchen Restriktion ist auch nach dem 6. StrRG von 1998 nicht abgeklungen, denn der Standpunkt der Gesetzesmaterialien ist widersprüchlich und infolgedessen reklamieren sowohl Gegner als auch Befürworter einer teleologischen Reduktion die Gesetzesmaterialien für ihren Standpunkt.582 Die Unsicherheit des Gesetzgebers im Umgang mit dieser Frage zeigt sich daran, dass er ausdrücklich von der Aufnahme einer tatbestandseinschränkenden Klausel entsprechend § 151 Abs. 1 StGB AE absah und im Übrigen auf die Entscheidung BGHSt 26, 121 ff. verwies. Hier hatte der 4. Senat erstmals – allerdings nur in einem obiter dictum – eine teleologische Reduktion der Vorgängernorm § 306 Nr. 2 StGB a. F. erwogen. Bedingung hierfür sei die auf absolut zuverlässigen und lückenlosen Maßnahmen basierende Vergewisserung des Täters, dass eine Personengefährdung mit Sicherheit nicht eintreten könne, was allein bei kleinen, insbesondere einräumigen Hütten oder Häuschen möglich sei.583 In diesem Fall könne durch einen Blick überprüft werden, dass sich hierin keine Menschen aufhalten. Pikant ist die Tatsache, dass der Reformgesetzgeber offenbar übersehen hat, dass der BGH in dieser Entscheidung nicht das Rechtsinstitut der teleologischen Reduktion anerkannt, sondern allenfalls als Möglichkeit ins Spiel gebracht hat, ohne darüber abschließend zu entscheiden, weshalb der Hinweis auf eine an-

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Vgl. § 1 A. II. 3., § 1 A. IV. 2. und § 1 A. V. Radtke, Dogmatik, S. 215 ff.; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 49 f.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 82 ff., 88 ff.; Geppert, in: FS Weber, S. 427 ff.; Gössel/Dölling, BT 1, § 41 Rn. 22; Eisele, BT I, Rn. 762: „Fraglich ist letztlich, ob die Strafbarkeit angesichts des hohen Strafrahmens bei Ausschluss jeglicher Gefährdung zu verneinen ist. Dies ist vor allem in Fällen von Bedeutung, in denen sich der Täter vor der Tatausführung vergewissert, dass eine Gefährdung von Menschenleben nicht eintreten kann, weil sich niemand im Gebäude aufhält.“; LPK/Kindhäuser, § 306a Rn. 8; Roxin, AT I, § 11 Rn. 153 ff.; zu § 306 StGB a. F. Schünemann, JA 1975, S. 792 (797 ff.). 583 BT-Drucks. 13/8587, S. 47; BGHSt 26, 121; BGH, JR 1999, S. 205 (207); dazu vgl. § 1 B. IV. 1. a). 582

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erkannte Rechtsprechung ins Leere greift, denn der Bundesgerichtshof hat bis heute den Anwendungsbereich des § 306a Abs. 1 niemals effektiv teleologisch reduziert.584 Die Konfusion der Reformmaterialien zeigt sich weiter daran, dass als Anwendungsbeispiel für den neu eingefügten minder schweren Fall gem. § 306a Abs. 3 auf die Konstellation des sicheren Ausschlusses der Gefährdung von Menschenleben verwiesen wird, was sich aber mit den Voraussetzungen der in BGHSt 26, 121 erwogenen teleologischen Reduktion überschneidet.585 Zudem wurde die Beibehaltung von „Hütten“ als Tatobjekte der Wohnungsbrandstiftung – nun als Unterfall des Oberbegriffs der Räumlichkeiten – mit der Erwägung begründet, dass diese häufig Obdachlosen als Nachtunterkunft oder Behausung dienen und deshalb weiterhin durch die schwere Brandstiftung uneingeschränkt geschützt sein sollten.586 Da „Hütten“ aber typischerweise kleine einräumige Raumgebilde sind und den Referenzfall des in BGHSt 26, 121 erwogenen Maßstabs für eine teleologische Reduktion bilden, illustrieren sich hieran nachhaltig die Unsicherheiten des Gesetzgebers im Umgang mit der abstrakten Gefährlichkeit und dem von § 306a Abs. 1 veranschlagten Mindestgefährdungsunrecht. Anliegen ist nicht die Darstellung und Bewertung der vielfältigen Reduktionsmodelle. Hier kann auf die Ausführungen zu § 306 StGB a. F. verwiesen werden, da sich der Diskussionsstand insofern nicht verändert hat, sowie auf bereits existierende Abhandlungen, die den diversen Reduktionsbemühungen überwiegend kritisch gegenüber stehen.587 Kern der Kritik ist, dass die zentrale Problematik der Reduktionsmodelle im Umstand wurzelt, dass der Täter das gesetzliche Verbot der Anzündung der in § 306a Abs. 1 benannten Tatobjekte durch eigene Sicherheitsvorschriften substituieren kann, so dass mögliche Irrtümer des Täters über die Eignung seiner „Gegenmaßnahmen“ potentiellen Opfern aufgebürdet werden.588 Nachfolgend soll allein überprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion in den diskutierten Fallgestaltungen tatsächlich einschlägig sind, denn dieses Institut ist per Definition an die Voraussetzung geknüpft, dass der formale Normanwendungsbereich unbeabsichtigt weiter reicht, als es der zugrundeliegende materielle Regelungszweck gebietet. Erst hieraus leitet

584 Geppert, in: FS Weber, S. 427 (430 f.); Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/ Stein, Einführung, S. 89 f.; Koriath, JA 1999, S. 298 (299). 585 BT-Drucks. 13/8587, S. 48; Geppert, in: FS Weber, S. 427 (433). 586 BT-Drucks. 13/8587, S. 68. 587 Kritisch: Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 155 f., 355 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 216 ff.; Geppert, in: FS Weber, S. 427 ff.; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 96 ff.; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 88 ff.; LK/Wolff, § 306a Rn. 3 f.; Eisele, BT I, Rn. 763; Heghmanns, BT, Rn. 973; a. A. Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 88 ff. 588 Kratzsch, JA 1983, S. 420 (428); Radtke, Dogmatik, S. 243; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 102; Geppert, in: FS Weber, S. 427 (433).

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sich die Berechtigung ab, den zu weit geratenen Wortlaut zu beschneiden.589 Diese Problematik verdeutlicht der nachfolgende Sachverhalt. Beispielsfall 3: A zündet das ihm und seiner Ehefrau B gehörende freistehende dreigeschossige Einfamilienhaus an (Wohnfläche: 200 m2) und zerstört es durch Brandlegung, während sich die übrigen Bewohner (einschließlich der B), die nicht in die Pläne des A eingeweiht sind, im Urlaub in der Karibik befinden. Vor der Tat hat A per Videotelefonie sichergestellt, dass sich die übrigen Bewohner auch tatsächlich dort aufhalten. Dann kontrolliert A das Haus durch eine ausführliche, zeitintensive Begehung und stellt mit Hilfe von Infrarotsensoren, die körpereigene Wärmestrahlung selbst durch Wände hindurch registrieren können, sicher, dass sich keine Personen mehr darin aufhalten. Die Sicherheitsvorkehrungen des A hinsichtlich der Personenabwesenheit im Zeitpunkt der Anzündung sind objektiv wie subjektiv optimal.

A hat durch die Anzündung, neben § 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 1 auch § 306a Abs. 1 Nr. 1 verwirklicht, da eine Entwidmung des Tatobjekts mangels Zustimmung der übrigen Bewohner in die Anzündung nicht vorliegt.590 Unabhängig davon, welche Anforderungen an eine teleologische Reduktion gestellt werden, sei es prozessual den Gegenbeweis der konkreten Ungefährlichkeit der Tat zuzulassen591 oder die Schaffung eines objektiv-adäquaten Lebensgefährdungsrisikos592 bzw. die generelle Eignung der Tatbegehung zur Verletzung von Leib und Leben zu verlangen593, so werden alle Reduktionsmodelle darin übereinstimmen, die jeweiligen Bedingungen als erfüllt anzusehen. A hat durch zuverlässige und lückenlose Maßnahmen optimal sichergestellt, dass sich im Tatobjekt bei Tatbegehung keine Personen mehr aufhalten.594 589 Bydlinski, Methodenlehre, S. 480: „,Die teleologische Reduktion‘ (oder ,Restriktion‘) verschafft der ratio legis nicht gegen einen zu engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (,verdeckte‘) Lücke besteht hier im Fehlen einer nach der ,ratio legis‘ notwendigen Ausnahmeregel.“ 590 Zu den umstrittenen Anforderungen an die Entwidmung bei § 2 II. 2. b). 591 Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7 (16 f.): „Man wird daher annehmen müssen, daß in solchen Fällen die gesetzliche Vermutung der Gefährlichkeit nicht unwiderleglich ist, vielmehr dem Gericht die Befugnis zusteht, den Gegenbeweis gegen die Gefährlichkeit im Einzelfall zu führen und den Tatbestand dann nicht anzuwenden, wenn festgestellt werden kann, daß die Tat zu keiner denkbaren Gefährdung von Menschenleben geführt hat.“; ähnlich bereits Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 19 f. 592 SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 17: „Notwendig sind absolut zuverlässige und lückenlose Maßnahmen, die – ex ante gesehen – mit Sicherheit verhindern, dass durch die Brandstiftung das Leben oder die Gesundheit anderer (auch etwa unerlaubt im Hause befindlicher) Menschen verletzt werden können.“; zu § 306 StGB a. F. Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 281; Brehm, Zur Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 126. 593 Cramer, Vollrausch, S. 67 f. 594 NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 3: „Jedenfalls ist aus dem Schuldprinzip eine tatbestandliche Restriktion abzuleiten, sofern im Einzelfall nach objektiver Sachlage zum Zeitpunkt des Inbrandsetzens eine Gefährdung von Menschenleben absolut ausgeschlossen war und der Täter sich vor der Tat davon durch zuverlässige, lückenlose Maßnah-

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Unklar ist allein der Standpunkt der Rechtsprechung, die in BGHSt 26, 121, 124 f. die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion nur unter der Bedingung in Erwägung gezogen hatte, dass das Tatobjekt eine einräumige Hütte oder ein Häuschen sei, so dass sich der Täter mit einem Blick Gewissheit von der Abwesenheit von Personen im Tatobjekt verschaffen könne. Jedoch ist das von A in Brand gesetzte Einfamilienhaus dreigeschossig und damit nicht auf einen Blick überschaubar, doch andererseits hat A mit Hilfe von technischen Geräten sein Überprüfungsvermögen erweitert. Sollte BGHSt 26, 121 tatsächlich so zu verstehen sein – was durchaus ungewiss ist –, dass es auf die objektiv und subjektiv sicher festgestellte Personenabwesenheit unabhängig von der Dimensionierung des Tatobjekts ankäme, so müssten die Reduktionsvoraussetzungen zu bejahen sein. Doch darauf kommt es letztlich nicht an, denn die Forderungen nach einer teleologischen Normreduktion des § 306a Abs. 1 müssen ohnehin als unzulässige Verkürzung des Schutzanliegens zurückgewiesen werden, soweit der umfassende Schutz von Leib, Leben und Eigentum vor den Auswirkungen der Gefahrenquelle als Anliegen ernst genommen wird. Schon eine oberflächliche Analyse der Bedingungen, unter denen eine teleologische Reduktion befürwortet wird, zeigt, dass die Einschlägigkeit des Schutzzwecks des § 306a Abs. 1 meist allein auf die vom Täter sicher festgestellte Personenabwesenheit gestützt wird.595 Dahinter steht die problematische und bereits zu § 285 preuß. StGB, § 306 StGB a. F. kritisierte Anschauung, das Gesetz vermute vermittels der qualifizierten Nutzung (mehr oder weniger) den tatsächlichen Personenaufenthalt im Tatobjekt und dadurch weitergehend eine Gefährdung von Leib und Leben.596 Würde dies zutreffen, dann wäre es naheliegend, die Einschlägigkeit des Schutzzwecks zu verneinen, soweit der Täter die gesetzliche Vermutung der brandbedingten Personengefährdung durch eigene Maßnahmen „entkernt“ hat.597 Aber diese zunächt schlüssig erscheinende Argumentation ist mit einer logischen Unwucht behaftet, sofern allein auf das Verhalten des Täters im Zeitpunkt der Tatbegehung, d. h. der Initialisierung des tatbestandsmäßigen Brandherdes, abgestellt wird. Dadurch bleibt unberücksichtigt, dass die Tat im Falle des § 306a Abs. 1 zwar mit Inbrandsetzung bzw. der völligen oder teilweisen Zerstö-

men vergewissert hat.“; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 82 ff.; dazu vgl. auch § 1 B. IV. 1. 595 Rudolphi, in: FS Maurach, S. 51 (59); Cramer, Vollrausch, S. 71; Brehm, JuS 1976, S. 22 (24 f.). 596 Zu § 285 preuß. StGB vgl. § 1 A. IV. 1. und zu § 306 StGB a. F. vgl. § 1 B. IV. 1. a). 597 Deutlich wird diese Beschneidung des Schutzzwecks auch bei Kindhäuser, der meint, die durch § 306 Nr. 2 StGB a. F. geschützte Verfügungsweise über Güter sei das Wohnen. Auch das läuft im Ergebnis auf den exklusiven Schutz der Bewohner hinaus, vgl. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 295.

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rung durch Brandlegung vollendet, aber erst mit dem vollständigen Verlöschen des Brandes beendet ist.598 § 306a Abs. 1 ist aber kein Verletzungsdelikt, das mit Vollendung zugleich beendet ist, sondern ein abstraktes Gefährdungsdelikt, denn der Täter eröffnet eine Gefahrenquelle, die selbständig Gefahrenpotentiale für Leben, Leib und Eigentum emittiert. Somit wäre eine teleologische Reduktion des § 306a Abs. 1 nur unter der Bedingung diskutabel, dass der Täter auch zwischen Voll- und Beendigung permanent Gewähr für den Ausschluss einer Gefährdung von Leib, Leben und Eigentum Dritter bieten könnte. Dass der Brandstifter dies überhaupt zu leisten vermag, muss ernsthaft bezweifelt werden, zumal Feuerwehr oder spontane Helfer (die auch durch § 306a Abs. 1 geschützt sind) erst nach Anzündung des Tatobjekts am Tatort eintreffen werden, so dass der Täter mit diesen bei Tatvollendung erst zukünftigen Ereignissen nicht sicher zu kalkulieren vermag. Angesichts des rechtlichen wie tatsächlichen Unvermögens des Täters, die Intervention Dritter, insbesondere der Feuerwehren, die zur Brandbekämpfung befugt und verpflichtet sind, zu verhindern, bleibt ungeklärt, warum und wie er berechtigterweise darauf vertrauen dürfen soll, dass auch nach Tatvollendung eine Personengefährdung generell ausgeschlossen ist.599 Selbst der Einlassung des Täters, sofern ihn die Rettungskräfte nach Tatvollendung überhaupt antreffen werden, er habe sich vor der Tat vergewissert, dass sich niemand im Tatobjekt aufhält, werden professionelle Helfer weder Glauben schenken können noch dürfen.600 Ein weiterer Aspekt, der gegen die Zulässigkeit einer teleologischen Reduzierung des § 306a Abs. 1 streitet, ist die aufgezeigte Berücksichtigung des abstrakten Eigentumsschutzes. Demnach wäre eine teleologische Reduktion allenfalls denkbar, sofern (auch) jedwede Eigentumsgefährdung sicher ausgeschlossen werden könnte, sei es hinsichtlich des Tatobjekts selbst, sofern dieses in fremdem Eigentum steht, oder darin befindlichem Inventar oder benachbarter Gebäude. Daran fehlt es auch im Beispielsfall 3, denn das Tatobjekt gehört auch der B, und A ist nicht alleiniger Hausbewohner, so dass die die Wohnnutzung flankierenden Gegenstände der übrigen Mitbewohner ebenfalls gefährdet sind. All dies führt unweigerlich zur Einsicht, dass durch die Einordnung der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 als gemeingefährliches abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Forderung nach einer teleologischen Reduktion weitgehend der Boden entzogen ist. Es sind kaum Sachverhalte denkbar, in denen der Täter ex ante im Zeitpunkt der Tatbegehung eine 100%ige Gewähr dafür bieten kann, dass sich die umfassenden Gefahren598 Eine Ausnahme mag hier eine Brandlegung darstellen, die sich z. B. in einer bloßen Verpuffung des Zündmittels erschöpft, ohne einen weitergehenden Brand zu verursachen. 599 So auch Heghmanns, BT, Rn. 973. 600 Ähnlich schon Blei, JA 1976, S. 99.

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potentiale im Zeitraum von Tatvoll- und Tatbeendigung nicht zumindest teilweise realisieren. Die Versicherung des Täters hinsichtlich der Abwesenheit von Personen im Tatobjekt kann Teilrisiken ausschließen, aber das umfassende Gefährlichkeitspotential nicht in dem Umfang beseitigen, der für die Einschlägigkeit einer den Wortlaut einschränkenden Gesetzesauslegung erforderlich wäre. Allein die Versicherung des Täters, es befänden sich vor Tatbegehung im Tatobjekt keine Personen, schließt z. B. nicht aus, dass der Brand überraschenderweise auf ein benachbartes Wohngebäude übergreift und dort Personen und Sachwerte zu Schaden kommen. Möglich ist allerdings eine Berücksichtigung gefahrmindernder Gegenmaßnahmen auf der Ebene der Strafzumessung bzw. durch Annahme eines minder schweren Falls gem. § 306a Abs. 3.601 Das gebotene extensive Verständnis des Schutzzwecks des § 306a Abs. 1 lässt die von 1851 bis heute „gebetsmühlenartig“ wiederholte Aussage, dass der Verwirklichung der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 nicht die (vom Täter erkannte) Abwesenheit von Personen im Tatobjekt entgegenstehe,602 in einem verständlicheren Licht erscheinen, denn es wird generell der Schutz von Leib, Leben und Eigentum Dritter verfolgt.603 Allein Blei hat frühzeitig erfasst, dass die Berücksichtigung der Belange Dritter, speziell mit Blick auf Retter, entscheidend gegen eine teleologische Normreduzierung spricht.604 Dies deckt sich mit dem allgemeinen Rechtsempfinden, denn einem Bewohner, dessen Haus bei einer Brandlegung bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde, wird kaum nachvollziehbar zu erklären sein, dass kein Fall einer schweren Brandstiftung an einer Wohnräumlichkeit gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 vorgelegen habe, da sich der Täter über die Abwesenheit der Bewohner Gewissheit verschafft habe. Die Forderungen nach einer teleologischen Reduktion sind ein weiteres Symptom der problematischen „Konkretisierungstendenz“ 605 innerhalb des Brandstrafrechts und beruhen auf einem verkümmerten Schutzzweckverständnis des § 306a Abs. 1, dergestalt, dass nur ein Teilrisiko – die Gefährdung von Personen, die sich bei 601 Eisele, BT I, Rn. 763; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 968; zu den minder schweren Fällen vgl. § 2 IV. 2. 602 So schon Goltdammer, Materialien II, S. 642 f. 603 Die Befürworter einer teleologischen Reduktion sind zudem vor die Schwierigkeit gestellt, zu entscheiden, ob die Verwirklichung des § 306a Abs. 1 als durchschnittlich gefährlich (§ 306a Abs. 1), vermindert gefährlich (§ 306a Abs. 3) oder vollkommen ungefährlich zu bewerten ist. Dadurch sind umfangreiche Gefahrquantifizierungsund Abgrenzungsprobleme vorprogrammiert, die theoretisch wie praktisch kaum zu bewerkstelligen sein dürften. 604 Blei, BT II, S. 298; ders., JA 1975, S. 585 (590); JA 1976, S. 99; zutreffend: Heghmanns, BT, Rn. 973: „Die für ein solches Delikt relativ hohe Strafandrohung rechtfertigt sich aus der potenziellen Gefährlichkeit jeder Brandstiftung, u. a. auch für das zum Eingreifen verpflichtete Rettungspersonal (das bei einem brennenden Wohnhaus höhere Risiken eingeht als bei einem ersichtlich unbewohnten Objekt). Gegen dessen Gefährdung vermag ein Brandstifter ohnehin keinerlei Vorkehrung zu treffen.“ 605 Vgl. § 1 B. V. und auch § 1 B. IV. 1. a).

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Tatbegehung im Tatobjekt aufhalten – als allein maßgeblich bewertet wird. Dieser beschränkte Standpunkt sollte endlich aufgegeben werden.606 e) Besondere Schutzrichtungen einzelner Tatobjekte aa) Zum Schutz der Wohnung durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 Die von Maurach/Schroeder/Maiwald zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. vertretene Auffassung, der tatspezifische Unrechtsgehalt der Wohnungsbrandstiftung sei nicht (nur) in der abstrakten Gefährdung von Leib und Leben zu suchen, sondern liege auch in der Vernichtung einer fremden menschlichen Wohnung als Lebensgrundlage und persönlicher Lebensbereich, stößt auch für § 306a Abs. 1 Nr. 1 vereinzelt auf Resonanz.607 Unbesehen könnten auch einige jüngst ergangene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs so gedeutet werden, dass § 306a Abs. 1 Nr. 1 (auch) die Bewahrung des Wohnraums intendiert, spricht doch BGHSt 48, 14, 20 erstmals von dem auf das Wohnen als Mittelpunkt menschlichen Lebens bezogenen primären Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1. Hieraus leitete das Gericht für den Erfolg der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung eines Mehrfamilienhaus das Erfordernis der Unbrauchbarmachung einer zum Wohnen bestimmten, abgeschlossenen Untereinheit des Wohngebäudes ab.608 In weiteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof wiederholt von dem auf das Wohnen bezogenen Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 gesprochen,609 und Maurach/ Schroeder/Maiwald bewerten die genannte Entscheidung demgemäß als Bestätigung ihrer Sicht, dass dem Schutz des Wohnraums teleologisch eine eigenständige Bedeutung beizumessen sei.610 Die These einer durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 auf der Ebene des Schutzzwecks intendierten Bewahrung des Wohnraumes ist abzulehnen, da sie auf einer Verkehrung des ursprünglichen angesonnenen Verhältnisses zwischen Tatbestand und den hierdurch bedrohten Rechtsgütern hinausläuft.611 Die Genese der Woh-

606

Vgl. auch Bachmann, NStZ 2009, S. 667 (670 f.). Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14; Geppert, in: FS Weber, S. 427 (435 f.); ähnlich auch zu § 306 StGB a. F. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 280, 295; ders., StV 1990, S. 161 (163). 608 BGHSt 48, 14 (20). 609 BGH, NStZ 2007, S. 270 (271); NJW 2011, S. 2148 (2149); dazu Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 964. 610 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14. 611 Radtke, Dogmatik, S. 165: „§ 306a Abs. 1 Nr. 1 schützt nicht das Wohngebäude in seiner Funktion als Lebensmittelpunkt von Menschen als solches.“; zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. Spöhr, MDR 1975, S. 193: „Gebäude, Hütten oder Schiffe, die zur Wohnung von Menschen dienen (§ 306 Ziff. 2 StGB), unterliegen erhöhtem gesetzlichen Schutz, weil sie durch vielgestaltige Lebensbeziehungen der Benutzer zum Schnittpunkt menschlicher Lebensverwirklichung werden. Diese Vorschrift, wie auch § 306 Ziff. 3 607

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nungsbrandstiftung gem. § 285 preuß. StGB hat in aller Deutlichkeit bewiesen, dass der Gesetzgeber niemals um den Schutz des Wohnraums um seiner selbst willen bemüht war, sondern dass sich die Wohnungsbrandstiftung als Referenzfall der menschengefährdenden Brandstiftung erster Klasse dem Gedanken folgend entwickelte, dass ein so genutztes Tatobjekt als Fixpunkt des sozialen Lebens in enger räumlicher Verflechtung mit den Individualrechtsgütern Leben, Gesundheit und Eigentum steht und deshalb eine Brandstiftung mit einem besonderen Gefährlichkeitspotential verbunden ist.612 Die tatbestandliche Anknüpfung an die Wohnnutzung und das hier vermutete unüberschaubare „Beziehungsgeflecht“ 613 ist daher bloßer Indikator für die herausgehobene Gefährlichkeit der Tat, verkörpert aber nicht das geschützte Rechtsgut. Zudem müsste § 306a Abs. 1 Nr. 1 nach Maurauch/Schroeder/Maiwald eigentümlicherweise auch als abstraktes Wohnungsgefährdungsdelikt klassifiziert werden, da die Tathandlung des Inbrandsetzens keine reale Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Wohnraumes verlangt. Zudem bliebe dann offen, warum das Gesetz nur den Schutz des Wohnraums vor Angriffen durch Feuer, nicht aber vor anderen Angriffsformen anordnet. Daher ist – entgegen Maurach/Schroeder/Maiwald – fragwürdig, ob der Bundesgerichtshof tatsächlich den Schutz des Wohnraums als eigenständigen Normzweck anerkennen wollte, auch wenn dies die Entscheidungsgründe auf den ersten Blick nahelegen. Denn BGHSt 48, 14, 20 knüpft ausdrücklich an die Entscheidung BGHSt 26, 121 an, wo der Bundesgerichtshof zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. ausführte, Wohngebäude seien als „Mittelpunkte menschlichen Lebens absolut geschützt“ 614.615 Im selben Atemzug verweist BGHSt 26, 121, 123 auf die Motive zum preuß. StGB 1851 und führt aus, die Norm sei als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet worden und sanktioniere ein Tun, das typischerweise das Leben von Bewohnern und anderen Personen gefährde, die durch mannigfaltige unmittelbare und mittelbare Beziehungen zu den Bewohnern oder zu dem Gebäude veranlaßt werden, dieses aufzusuchen.616 Aus der Entscheidung BGHSt 26, 121, 123 ergibt sich also nur, dass Wohnungen in dem Sinn „absolut“ geschützt sind, als außer der Widmung des Gebäudes zu Wohnzwecken keine weiteren Anforderungen an die Tauglichkeit des Tatobjekts zu erheben sind.617 Der

StGB, stellt nicht allein die Verletzung des Eigentums unter Strafe, vielmehr auch die Gefährdung menschlicher Lebensbetätigung, die sich sächlicher Mittel bedient.“ 612 Vgl. § 1 A. II. 3. und § 1 A. IV. 1. 613 Radtke, Dogmatik, S. 165, 169 ff.; ders., ZStW 1998 (110), S. 848 (865); zustimmend: Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 48 f.; Geppert, in: FS Weber, S. 427 (434 f.). 614 BGHSt 26, 121 (123). 615 Ebenso BGH, Beschl. vom 10. Mai 2011 – 4 StR 659/10 –, HRRS 2011 Nr. 469. 616 Vgl. § 1 A. II. 3. und § 1 A. IV. 1. 617 Dazu BT-Drucks, 13/8587, S. 47.

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Verweis auf den auf das Wohnen als Mittelpunkt des menschlichen Lebens bezogenen Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 in BGHSt 48, 14, 20 meint der Sache nach nichts anderes, auch wenn er terminologisch ungeschickt ist. Denn der Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 ist nicht auf das Wohnen als Mittelpunkt des menschlichen Lebens bezogen, sondern präziser auf die Erfassung der Gefährlichkeit für Leben, Leib und Eigentum, die mit der Anzündung eines solchen Tatobjekts verbunden ist. Dass BGHSt 48, 14 ff. – entgegen BGHSt 26, 121 ff. – das Wohnen als eigenständige Schutzrichtung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 anerkennen wollte, ist nicht anzunehmen.618 Der Vorschlag, das Wohnen bzw. den Schutz des Wohnraums als Normzweck anzuerkennen, ist dennoch lehrreich, weil er den „Gegenpol“ zu der hier vorgeschlagenen Auslegungsperspektive der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 bildet und sich in die „Konkretisierungstendenz“ 619 einreiht, nämlich den Versuch, das geschützte Rechtsgut unmittelbar aus den Spezifika des angegriffenen Tatobjekts abzuleiten: Bei der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 wird auf den konkreten Eigentumsschutz am fremden Tatobjekt angeknüpft, bei § 306a Abs. 1 Nr. 1 an den Schutz des Wohnraums und bei § 306a Abs. 2 allein an den Gesundheitsschutz.620 Andererseits ist das Bemühen, das Wohnen bzw. die Bewahrung des Wohnraums als Schutzzweck anzuerkennen, der nachvollziehbare Versuch, der verbreiteten Deutung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 als strikt abstraktes Lebensgefährdungsdelikt in dem Sinn entgegenzutreten, dass allein der Schutz der Bewohner verfolgt sei. Vor dem Hintergrund eines so verstandenen Schutzzwecks wäre die Rechtfertigung eines abstrakten Gefährdungsdelikts, das als Verbrechenstatbestand mit einem Strafrahmen von bis zu 15 Jahren droht, mit Blick auf das Schuldprinzip tatsächlich problematisch, soweit der Täter effektive Sicherungsmaßnahmen getroffen hat, die eine Gefährdung der Bewohner mit höchster Wahrscheinlichkeit ausschließen.621 Demgegenüber kann die Anknüpfung an den Schutz des Wohnraums immerhin erklären, warum der Täter unabhängig vom tatsächlichen Personenaufenthalt im Tatobjekt strafbar ist. Doch dieses scheinbare Legitimationsdefizit der Wohnungsbrandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 wird durch die

618 Auch die zu BGHSt 48, 14 ff. ergangenen Anmerkungen lassen nicht erkennen, dass hier an das Wohnen als eigenständige Schutzrichtung angeknüpft wurde, vgl. Wolff, JR 2003, S. 391 ff.; Radtke, NStZ 2003, S. 432 ff. 619 Vgl. § 1 B. V. 620 Zu § 306a Abs. 2 noch bei § 2 III. 1. 621 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14: „§ 306a wird daher als abstraktes Gefährdungsdelikt angesehen. Diese Auffassung kann jedoch nicht überzeugend begründen, warum bei den Nr. 1 und 2 auch noch das Erfordernis der Nr. 3 ,zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen‘ verzichtet wurde. Sie muß die Nr. 1 und 2 daher als sehr abstrakte Gefährdungsdelikte ansehen, was berechtigte Bedenken aufgrund des Schuldprinzips hervorruft.“

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Akzeptanz einer weit verstandenen Gefährlichkeit der Tat für Leib, Leben und Eigentum behoben, und die Gefährdung einer „fremden menschlichen Wohnung als Lebensgrundlage und persönlicher Lebensbereich“ 622 kann als Teilaspekt der abstrakten Eigentumsgefährlichkeit, die sich sowohl auf den Wohnraum als auch auf die darin befindlichen Mobilien bezieht, befriedigend berücksichtigt werden. Die Kritik Radtkes, dass der Schutz des Wohnraums auf die Schaffung eines überflüssigen Zwischenrechtsguts hinauslaufe, trifft daher zu.623 bb) Die Kirchenbrandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 2 Das 6. StrRG 1998 hat den Anwendungsbereich des § 306a Abs. 1 Nr. 2 durch die Zuwendung zu einer weltanschaulich neutraleren Formulierung der Tatobjekte „Kirche oder der Religionsausübung dienendes Gebäude“ 624 anstelle von „zu einer gottesdienstlichen Versammlung bestimmten Gebäude“ in § 306 Nr. 1 StGB a. F. vorsichtig erweitert, weil nun nicht mehr vorausgesetzt ist, dass das Gebäude für eine Versammlung, also die Zusammenkunft einer größeren Anzahl von Personen, bestimmt ist.625 Dadurch ist wieder die von § 285 Nr. 1 preuß. StGB bekannte Problematik der Einbeziehung von kleinen Kapellen in den Normanwendungsbereich eröffnet, die die Verfasser des StGB 1871 mit § 306 Nr. 1 StGB a. F. bewusst zu meiden suchte.626 Davon unberührt bleibt jedoch die seit dem 19. Jahrhundert umstrittene Frage, ob § 306a Abs. 1 Nr. 2 neben oder anstelle des abstrakten Schutzes von Leib, Leben und Eigentum eine weitere Schutzrichtung aufweist, nämlich das Universalrechtsgut des „öffentlichen Friedens“.627 Hintergrund der bis heute schwelenden Diskussion ist die These, dass die Widmung eines Tatobjekts zur Religionsausübung einen strukturell schwächeren Bezug zur Gefährdung von Leib und Leben vermittele, als die in den Nr. 1 und Nr. 3 beschriebenen Nutzungsformen, weshalb Unrecht und Sanktionsspanne der Kirchenbrandstiftung nur durch Berücksichtigung des Rechtsguts des öffentlichen Friedens legitimiert werden könn622

Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14. Radtke, Dogmatik, S. 164 f.; Roxin, AT I, § 11 Rn. 156 f. 624 Umstritten ist, inwieweit nicht unmittelbar sakralen Handlungen gewidmete Gebäude, wie Gemeinde- oder Seminarhäuser, ebenfalls der Religionsausübung dienen. Der überwiegende Standpunkt im Schrifttum tendiert offenbar zu einer restriktiven Auslegung und will allein Orte als geschützt ansehen, in denen die eigentlichen sakralen Handlungen vorgenommen werden, so Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 82; LK/Wolff, § 306a Rn. 15; Radtke, Dogmatik, S. 273. 625 LK/Wolff, § 306a Rn. 14; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 81. 626 Vgl. § 1 B. IV. 2. a). 627 Zum alten Recht: Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 27; Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 47; zu § 285 Nr. 1 preuß. StGB vgl. § 1 A. IV. 3. b) und zu § 306 Nr. 1 StGB a. F. bei § 1 B. IV. 2. a). 623

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ten.628 Angesichts dessen ist vorgelagert die These eines Vermittlungsdefizits des § 306a Abs. 1 Nr. 2 hinsichtlich der Gefährlichkeit für Leib und Leben zu überprüfen. (1) Strukturell defizitärer Schutz von Leib und Leben? Der Annahme einer defizitären Erfassung der Gefährdung von Leib und Leben durch Nr. 2 liegt der Vergleich mit § 306a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 zugrunde.629 Während bei der Wohnungsbrandstiftung (Nr. 1) der Konnex dadurch vermittelt werde, dass dort generell mit dem Aufenthalt von Personen und weitergehend mit deren Gefährdung durch die Tatbegehung gerechnet werden müsse, formuliere die Nr. 3 anhand der Tatzeitklausel („. . . zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen“) eine vergleichbare Erwartung. Demgegenüber werde durch die Nutzung zur Religionsausübung eine entsprechende Vermutungswirkung nicht begründet, denn ein ständiger Personenaufenthalt in einem der Religionsausübung dienenden Gebäude sei eher fernliegend, zumal die Besuchsmöglichkeiten zeitlich limitiert seien.630 Dem dagegen gerichteten Hinweis auf das regelmäßig zu erwartende Zusammentreffen einer größeren Anzahl von Menschen zur gemeinsamen Religionsausübung wird entgegnet, dass andere Räumlichkeiten, die ebenfalls dem Aufenthalt vieler Personen dienen, wie Hörsäle, Schulen, Diskotheken etc., nur durch die relative Tatzeitklausel des § 306a Abs. 1 Nr. 3 geschützt seien. Jedoch vermag die dargestellte Kritik nicht zu überzeugen. Zunächst beschreibt die Brandstiftung an den in Nr. 2 benannten Tatobjekten das für § 306a Abs. 1 typische Szenario eines Brandes an einem Raum, der einem besonders intensiven Nutzungsverhältnis unterworfen ist. Wiederum verweist die qualifizierte Nutzung in Nr. 2 auch auf die Steigerung der abstrakten Gefährlichkeit (für Leib und Leben) gegenüber § 306 Abs. 1, denn hier ist – anders als bei Nr. 1 – regelmäßig mit der Zusammenkunft einer größeren Anzahl von Personen zu 628 MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 5, 22; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 103 f.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 74 f.; Heghmanns, BT, Rn. 963; HK/Weiler, § 306a Rn. 6; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 13. 629 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 103; LPK/Kindhäuser, § 306a Rn. 5: „Dem Wortlaut nach ist es nicht erforderlich, dass sich zum Tatzeitpunkt üblicherweise Menschen in dem Gebäude aufhalten, was nur schwer mit dem Schutzzweck von Abs. 1 zu vereinbaren ist.“; Fischer, § 306a Rn. 6. „Unter dem Gesichtspunkt der abstrakten Gefährlichkeit und damit des vorverlagerten Lebensschutzes ist die Heraushebung gegenüber anderen Gebäuden, in denen sich eine Vielzahl von Menschen zu versammeln pflegen, nicht plausibel.“; Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (868); ders., Dogmatik, S. 266: „Es fehlt aber auch hier die für Wohnnutzung typische Unübersehbarkeit des Beziehungsgeflechts zwischen Bewohnern, deren Kontaktpersonen und der Wohnräumlichkeit.“; HK/Weiler, § 306a Rn. 6; Heghmanns, BT, Rn. 962 f.; Freund, ZStW 109 (1997), S. 455 (484 f.); Kindhäuser, BT I, § 65 Rn. 8. 630 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 103; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 73 f.

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rechnen, ist doch die kollektive Andacht zu bestimmten periodisch fixierten Zeiten für nahezu alle Religionsgemeinschaften kennzeichnend.631 So wird in einer Moschee fünf Mal am Tag gebetet, wobei das Frühgebet vor Sonnenaufgang und das Abendgebet nach Einbruch der Nacht stattfindet, und auch christliche Glaubensgemeinschaften pflegen jenseits des Sonntagsgottesdientes traditionell Andachten und Gottesdienste zu verschiedenen Tageszeiten. Schließlich verfängt auch nicht der Einwand, die Tatobjekte der Nr. 2 seien nur zu bestimmten Zeiten geöffnet, denn es ist nicht unüblich, das Kirchen durchgehend geöffnet sind, um dem Einzelnen einen Raum zur stillen Sammlung oder zur Andacht zu eröffnen.632 In Rechnung zu stellen ist des Weiteren, dass die der Religionsausübung dienenden Gebäude Knotenpunkte des sozialen Lebens sind, in denen zahlreiche Aktivitäten neben den unmittelbar religiös-kultischen Handlungen stattfinden. Zu denken ist an Chor- oder Orgelproben, Konzerte, verschiedene soziale Aktivitäten, Gesprächskreise, die Tätigkeit von Reinigungskräften, oder sonstige Veranstaltungen, wie Vorträge oder Theatervorführungen in den ansonsten sakral genutzten Räumlichkeiten. Während eine Wohnung primär dem oder den Bewohnern zur privaten Lebensgestaltung zugewiesen ist, sind die der Religionsausübung gewidmeten Gebäude einer Glaubensgemeinschaft zugewiesen, d. h. der „halb-öffentlichen“ Nutzung durch einen nicht von vornherein scharf begrenzten Personenkreis. Soweit stereotyp darauf hingewiesen wird, dass der Täter bei der Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten nicht sicher auf die Abwesenheit der Bewohner vertrauen dürfe, dann ist nicht nachvollziehbar, warum dieser Grundsatz angesichts der zu erwartenden vielschichtigen Nutzungsmöglichkeiten nicht auf die Nr. 2 übertragbar sein soll.633 631 Ähnlich Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 51, der meint, diese Gebäude seien typischerweise groß und zentral gelegen. 632 Zutreffend Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 81 f.: „Da die Anwendbarkeit von Nr. 2 ebenso wie diejenige von Nr. 1 (n. F.) nicht auf übliche Nutzungszeiten o. ä. beschränkt ist, kann die Funktion der Tatobjektsbeschreibung hier wie dort nur darin bestehen, diejenigen Gebäude zu erfassen, bei denen typischerweise die Anwesenheit von Personen nie ausgeschlossen ist. Davon kann allenfalls die Rede sein, wenn das Gebäude oder einzelne Räume desselben den für die jeweilige Religion spezifischen rituellen Handlungen, Andachten usw. dienen, denn unter solchen Voraussetzungen liegt es nicht fern, daß auch außerhalb der üblichen Versammlungszeiten einzelne Personen sich zur stillen Andacht oder inneren Sammlung dort aufhalten.“; beachte Felsenstein-Roßberg, Den Kirchenraum entdecken, in: Sonntagsblatt, evangelische Sonntagszeitung für Bayern, Ausgabe 28/2011: „Mehr Menschen besuchen Kirchen außerhalb des Gottesdiensts. Dass jetzt auch viele evangelische Kirchen durchgehend geöffnet sind – in Bayern schon über 600 – und sich daher auch als öffentliche Räume verstehen, kommt grundlegenden Bedürfnissen von Menschen heute sehr entgegen.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 633 Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 50: „Andererseits ist § 306a Abs. 1 Nr. 2 StGB der Nr. 1 so unähnlich nicht, was die Gefährdung der zu dem Gebäude in Beziehung stehenden Personen angeht. Ebenso wie bei einer Wohnung kann man sich

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Zu konstatieren ist, dass das behauptete Legitimationsdefizit der Kirchenbrandstiftung hinsichtlich des (abstrakten) Schutzes von Leib und Leben nicht existiert, denn auch die übrigen Tatobjekte setzen weder einen tatsächlichen noch einen permanenten Personenaufenthalt voraus. So ist vor allem die Wohnungsbrandstiftung als Referenzfall der schweren Brandstiftung weitgehend vom tatsächlichen Bewohntwerden entkoppelt, denn nach herrschender Meinung ist selbst ein „nur“ sporadisch genutztes Wochenendhaus oder eine Wohnung während der mehrere Monate dauernden urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit der Bewohner noch als taugliches Tatobjekt der Nr. 1 einzustufen.634 Die Kirchenbrandstiftung liegt, was die Mindestanforderungen an den regelmäßig zu erwartenden Personenaufenthalt anbelangt, mit § 306a Abs. 1 Nr. 1 und 3 auf einer Linie, da ein tatsächlicher Personenaufenthalt gerade nicht verlangt ist. Angesichts dessen ist die rigorose Annahme Radtkes, die Anbindung an Leben und Gesundheit sei in § 306a Abs. 1 Nr. 2 vollständig aufgehoben, weshalb im Wege einer teleologischen Reduktion die Tatzeitklausel des § 306a Abs. 1 Nr. 3 auf die Nr. 2 zu übertragen sei, nicht überzeugend, zumal Radtke der einfachen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 eine abstrakte Gefährlichkeit für Leib und Leben konzediert.635 Die Annahme einer hochgradigen „Verdünnung des Individualrechtsgüterschutzes“ 636 hinsichtlich der Gefährlichkeit für Leib und Leben in § 306a Abs. 1 Nr. 2 basiert letztlich auf der widerlegten Anschauung, dass die qualifizierte Nutzung ein Surrogat für den tatsächlichen Personenaufenthalt im Tatobjekt darstelle und so auf eine Gefährdung der darin vermuteten Personen verweise.637 Dass andere, ebenfalls regelmäßig von einem größeren Personenkreis frequentierte Tatobjekte nur relativ im Rahmen der Tatzeitklausel der Nr. 3 geschützt werden, stellt diesen Befund nicht Frage. Zwar ist der durch § 306a Abs. 1 Nr. 2 vorgesehene absolute Schutz keine zwingend gebotene Entscheiauch bei religiösen Stätten der Abwesenheit von Personen nie ganz sicher sein. Beide Orte bieten steten Anreiz zum Aufenthalt und das führt ebenfalls zu einem extern unübersichtlichen Beziehungsgeflecht zwischen Sache und Person.“; BT-Drucks. 13/8587, S. 47 f. 634 Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 6; SSW/Wolters, § 306a Rn. 9; Fischer, § 306a Rn. 4; LK/Wolff, § 306a Rn. 13. 635 Radtke, Dogmatik, S. 268: „Die Brandstiftung an Gotteshäusern ist mangels eines die Gefährdung von Menschen ausreichend vermittelnden Elementes kein generell gemeingefährliches Delikt unter dem Gefährlichkeitsaspekt dieses Deliktstypus, sondern ein gemeinschädliches Delikt.“; ähnlich auch: Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 103 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14; Fischer, § 306a Rn. 6; ders., GA 2001, S. 499 (504); dagegen mit berechtigten Einwänden: SSW/Wolters, § 306a Rn. 10; Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306a Rn. 10; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 75 f. 636 NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 13. 637 So explizit Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 103: „Im Unterschied zu Wohnungen weisen Kirchenräume aber nicht typischerweise einen ständigen Aufenthalt von Menschen auf.“; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 73 f.

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dung des Gesetzgebers, aber durch die legislative Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit durchaus gedeckt.638 Auch die Berücksichtigung des abstrakten Eigentumsschutzes als Teil des tattypischen Unrechts stärkt die Legitimität der Kirchenbrandstiftung, weil diese Gebäude selbst oft wertvolle Tatobjekte sind, deren Innenausstattung ein nicht unerheblicher Wert zukommen wird.639 Zudem wird der Täter typischerweise nicht der Eigentümer eines Tatobjekts gem. § 306a Abs. 1 Nr. 2 sein. (2) Zur Berücksichtigung des öffentlichen Friedens Vor dem Hintergrund der verbreiteten Annahme eines schwächeren Rechtsgutsbezugs der Nr. 2 gegenüber dem Lebensschutz der „Internen“ wird von zahlreichen Autoren zusätzlich – gelegentlich auch exklusiv – auf „den in der Brandstiftung an Gotteshäusern enthaltenen besonderen Angriff auf den öffentlichen Frieden“ 640 als Schutzzweck abgestellt.641 Schroeder642 hat in diesem Zusammenhang auf das Schlagwort der Reichskristallnacht verwiesen und Wolters/ Horn sprechen von einem sich im Gotteshaus manifestierenden religiösen Tabu gegen Brandanschläge.643 Herzog will zudem in der Brandschatzung von Gotteshäusern die Bereitschaft erkennen, auch den Mitgliedern der Religionsgemeinschaft lebensverachtend entgegenzutreten.644 Obwohl eine Rechtfertigung der Kirchenbrandstiftung allein anhand der abstrakten Gefährdung von Leib, Leben und Eigentum möglich ist, so ist dennoch der kumulativen Berücksichtigung des öffentlichen Friedens vollumfänglich zuzustimmen.645 Es sprechen gute Gründe dafür, den Schutz der Nr. 2 flankierend auf die Bewahrung des öffentlichen Friedens zu stützen, denn das Tatmittel Feuer ist nicht nur besonders gefährlich, sondern einem „Brandanschlag“ gegenüber einem der Religionsausübung dienenden Gebäude kommt vielmehr auch eine nicht zu unterschätzende Symbolkraft zu, die eine scharfe Missachtung und Stigmatisierung der der jeweiligen Religionsgemeinschaft zugehörigen Personen638 Die Reformmaterialien zum 6. StrRG 1998 belegen, dass in § 306a Abs. 1 Nr. 2 und 3 solche Tatobjekte benannt sind, die für das menschliche Zusammenleben von ähnlicher Bedeutung sind, wie die in Nr. 1 bezeichneten Objekte, vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 47. 639 Vgl. § 2 II. 1. c). 640 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14. 641 MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 5, 22; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 103 f.; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 74 f.; Heghmanns, BT, Rn. 963; HK/Weiler, § 306a Rn. 6; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 13. 642 Schroeder, GA 1998, S. 571 (572); kritisch Fischer, § 306a Rn. 6: „. . . moralisch nahe liegend, dogmatisch aber vage.“ 643 SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 3. 644 NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 13. 645 Heghmanns, BT, Rn. 963.

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gruppe impliziert. Solche Angriffe sind offensichtlich geeignet, erhebliche gesellschaftliche Verwerfungen zu provozieren. Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht, dass das Tatmittel Feuer im Rahmen politisch, religiös oder sonst ideologisch motivierter Meinungskämpfe immer wieder gegen Menschen (Scheiterhaufen) und Sachen (Bücher-, Flaggenverbrennung) instrumentalisiert wird und wurde. Angesichts der latenten Spannungen, die das Zusammenleben von Menschen verschiedener ethnischer und religiöser Prägung in einer multikulturellen Einflüssen unterworfenen Gesellschaft mit sich bringt, ist der absolute Schutz dieser Tatobjekte rechtspolitisch geboten. Dass der Schutzzweck der Nr. 2 ausschließlich auf die Bewahrung des religiösen Friedens gestützt werden kann, wie gelegentlich behauptet wird, trifft dagegen nicht zu.646 Normen, die exklusiv dem Schutz der ungestörten Ausübung von Religion und Weltanschauung in einem institutionalisierten Rahmen dienen, wie die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen gem. § 166 oder die Störung der Religionsausübung gem. § 167, sehen als Vergehen maximal Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor.647 Demgegenüber ist § 306a Abs. 1 Nr. 2 als Verbrechenstatbestand ausgestaltet und droht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren, was beweist, dass der Schutz des religiösen Friedens nur ein Begleitaspekt nicht aber das zentrale Normanliegen sein kann.648 Auch der Einwand Wolffs gegenüber der Erfassung des öffentlichen Friedens, es sei nicht erklärbar, warum der Gesetzgeber die der Reiligionsausübung dienenden Gebäude nur vor der Bedrohung mittels Feuer, nicht aber vor Angriffen mit anderen Tatmitteln schütze, verfängt nicht.649 Diese Sonderstellung rechtfertigt sich daraus, dass das Tatmittel Feuer eine hoch effektive, selbstständig fortwirkende, symbolträchtige („Niederbrennen bis auf die Grundmauern“; „Verbrennung des Unreinen“) und leicht verfügbare Angriffswaffe ist, die, wie z. B. ein Molotow-Cocktail, aus alltäglichen Gebrauchsgegenständen gefertigt werden 646 SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 3; SSW/Wolters, § 306a Rn. 3; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 14. 647 LPK/Kindhäuser, Vorbem. §§ 166–168 Rn. 1; Fischer, § 166 Rn. 2, § 167 Rn. 1; Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (867 f.). 648 Die Ansicht, wonach die Ausweitung des Tatobjektskatalogs des § 306a Abs. 1 Nr. 2 durch das 6. StrRG 1998 einen Beleg für die exklusive Orientierung am Schutz des öffentlichen Friedens biete (so Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 III Rn. 16), weil dem Wortlaut nach auch Votivkapellen erfasst seien, die nur gelegentlich von Einzelpersonen betreten werden könnten (und demzufolge eine Personengefährdung unwahrscheinlich sei), verfängt ebenfalls nicht. Zunächst hat der Gesetzgeber mit der Umgestaltung des Wortlautes erkennbar keine Änderung der Schutzrichtung des § 306a Abs. 1 Nr. 2 bezweckt (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 47 f., 88) und auch die Nr. 1 kann mitunter sehr kleine einräumige Objekte wie z. B. einen Wohnwagen erfassen, dazu vgl. BGH, NStZ 2010, S. 519, sowie die Anmerkung von Bachmann/Goeck, JR 2011, S. 41 f. 649 LK/Wolff, § 306a Rn. 1 Fn. 1.

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kann. Die Handhabung des Tatmittels Feuer bedarf – anders als Sprengstoffe – keiner Sonderkenntnisse und erlaubt dem Täter einen heimlichen aber nachhaltigen Angriff auf das Tatobjekt. (3) Fazit Die Kirchenbrandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 2 ist insofern eine Anomalie im Gefüge der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1, als sie neben dem abstrakten Schutz von Leib, Leben und Eigentum eine zusätzliche Schutzrichtung aufweist, nämlich die Bewahrung des öffentlichen Religionsfriedens. Die Einbeziehung des öffentlichen Friedens ist mit der Konzeption des § 306a Abs. 1 kompatibel, da ebenfalls allein der abstrakte Schutz dieses immateriellen Universalrechtsguts verfolgt wird. Ob diese spezielle Schutzrichtung von den Schöpfern des preuß. StGB 1851 ursprünglich intendiert war oder nicht, kann letztendlich dahingestellt bleiben.650 Denn die Sozialschädlichkeit der Tatbegehung an der Religionsausübung dienenden Gebäuden ist, angesichts der Symbolkraft einer solchen Tat, so verdichtet, dass ihr ein auf der Ebene des Normzwecks zu berücksichtigendes Eigengewicht zu attestieren ist. Nicht grundlos ist der absolute Schutz der Tatobjekte des § 306a Abs. 1 Nr. 2 seit über 160 Jahren ein tradierter Eckpfeiler der schweren Brandstiftung.651 2. Ausgewählte Auslegungsprobleme im Rahmen der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 a) Die gemischt genutzten Tatobjekte Die nachfolgende Analyse der Problematik der sog. gemischt genutzten Tatobjekte im Rahmen der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 wird verdeutlichen, wie entscheidend die eingangs vorgenommene Schutzzweckbestimmung unter Berücksichtung des brandspezifischen Gefahrenpotentials für diese praktisch höchst relevante Auslegungsfrage ist.652 Der Begriff der „gemischt genutzten“ Tatobjekte bezeichnet solche Gebäude (denkbar aber auch bei Schiffen), in denen verschiedene Räumlichkeiten jeweils verschiedenartigen Nutzungen unterworfen sind, wobei nur ein Teil der Räumlichkeiten im Sinn des § 306a Abs. 1 Nr. 1–3 qualifiziert genutzt wird. Alltägliches Beispiel für ein gemischt genutztes Tatobjekt ist ein mehrstöckiges Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich ein Ladenlokal mit gewerblicher Nutzung befindet, während die oberen Stockwerke Wohn650 Die Motive verweisen „auf die Berücksichtigung der für die übrigen Gebäude des Ortes aus dem Brande von Kirchen entstehende große Gefahr.“ (Goltdammer, Materialien II, S. 643), vgl. hierzu § 1 A. IV. 3. b). 651 Kritisch jedoch: Fischer, § 306a Rn. 6; Freund, ZStW 109 (1997), S. 455 (484 f.). 652 Umfassend dazu Radtke, Dogmatik, S. 189 ff.; Piel, StV 2012, 502 ff.

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zwecken dienen. Setzt der Täter das Ladengeschäft nachts in Brand, so ist § 306a Abs. 1 Nr. 3 nicht einschlägig, soweit sich im Tatzeitpunkt keine Personen in dieser Räumlichkeit aufzuhalten pflegen. Bleibt der Brandherd allein auf das Ladenlokal beschränkt, ohne auf den bewohnten Bereich überzugreifen oder diesen ganz oder teilweise zu zerstören, so hängt die Strafbarkeit des Täters wegen vollendeter schwerer Brandstiftung davon ab, ob schon die Anzündung des Ladenlokals als Inbrandsetzung eines Wohngebäudes bzw. als dessen teilweise Zerstörung durch Brandlegung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 begriffen werden kann. Andernfalls käme nur eine Strafbarkeit gem. §§ 306a Abs. 1, 23 Abs. 1, 22; 306 Abs. 1; 52 in Betracht, soweit es sich um ein „fremdes“ Tatobjekt handelt und der Täter ein Übergreifen des Brandes vom Ladenlokal auf den Wohnbereich oder zumindest dessen teilweise Zerstörung billigend in Kauf genommen hat.653 Die Konstellation der gemischt genutzten Tatobjekte nötigt zur Entscheidung, ob für die Tauglichkeit der in Brand gesetzten Räumlichkeiten restriktiv nur auf die Zweckbestimmung der unmittelbar angegriffenen Räumlichkeit abzustellen ist oder ob extensiv die qualifizierte Nutzung von einzelnen Gebäudeteilen auf das gesamte Gebäude, einschließlich der nicht qualifiziert genutzten Räumlichkeiten, durchschlägt. aa) Standpunkte in Lehre und Rechtsprechung Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertrat bis vor Kurzem, unterstützt von Teilen der Lehre, den Standpunkt, dass das gesamte Gebäude an der qualifizierten Nutzung einzelner Räumlichkeiten im Sinn des § 306a Abs. 1 partizipiere, vorausgesetzt, die verschiedenartig genutzten Räumlichkeiten seien nach der natürlichen Lebensauffassung Teil eines einheitlichen zusammenhängenden Gebäudes.654 Dafür genüge nicht jede bauliche Verbindung zwischen zwei Räumlichkeiten, weshalb dicht aneinander gebaute Reihenhäuser – trotz physischer Berührungspunkte – kein Gesamtgebäude, sondern mehrere Gebäude im Sinn des § 306a Abs. 1 Nr. 1 seien.655 Als Indizien für die Einheitlichkeit hat die Rechtsprechung, z. B. einen beide Räumlichkeiten verbindenden Dachstuhl, ein Treppenhaus oder einen gemeinsamen Flur genügen lassen.656 Hingegen 653 Zu einem solchen Fall BGH, Beschluss vom 10. Mai 2011 – 4 StR 659/10, HRRS 2011 Nr. 469. 654 RG, JW 1931, S. 3281: „Besteht ein einheitliches zusammenhängendes Gebäude aus zwei Teilen, von denen nur der eine zu Wohnzwecken dient, so ist es doch im ganzen ein zur Wohnung von Menschen dienendes Gebäude . . .“; BGH, GA 1969, S. 118; BGHSt 34, 115 (118); 35, 283 (286); BGH, StV 2001, S. 576 f.; StV 2002, S. 145; NStZ 2011, S. 214; LK/Wolff, § 306a Rn. 12; Gössel/Dölling, BT 1, § 41 Rn. 16; Rengier, BT II, § 40 Rn. 25; Lackner/Kühl, § 306a Rn. 2; Fischer, § 306a Rn. 5; Geppert, Jura 1989, S. 417 (425); ders., Jura 1998, S. 597 (602); Bachmann, NStZ 2009, S. 667 (669 f.). 655 BGH, StV 2001, S. 576 (577). 656 BGH, NStZ 1991, S. 433 f.

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seien Brandschutzvorrichtungen, wie z. B. Brandmauern, ein Umstand, der indiziell gegen die Einheitlichkeit des Tatobjekts spreche.657 Zusätzlich hat der Bundesgerichtshof wiederholt, aber nicht durchgehend gefordert, dass die Inbrandsetzung des nicht qualifiziert genutzten Teils nur unter der Bedingung zur Verwirklichung des § 306a Abs. 1 genüge, dass ein Übergreifen des Brandes auf den qualifiziert genutzten Gebäudeteil möglich bzw. nicht auszuschließen sei.658 Diesen tradierten Standpunkt hat der 3. Strafsenat in seiner in NStZ 2010, S. 452 abgedruckten Entscheidung grundlegend modifiziert und differenziert nun bei den gemischt genutzten Tatobjekten des § 306a Abs. 1 zwischen den Tathandlungsalternativen des Inbrandsetzens und der Zerstörung durch Brandlegung.659 Für das Inbrandsetzen genüge demnach weiterhin auch die Anzündung von nicht qualifiziert genutzten Gebäudeteilen zur Verwirklichung des § 306a Abs. 1, vorausgesetzt, die vorgenannten Bedingungen seien erfüllt. Demgegenüber komme es für den Erfolg der völligen oder teilweisen Zerstörung durch Brandlegung darauf an, dass der Zerstörungserfolg direkt am qualifiziert genutzten Teil des Tatobjekts eintrete. Nicht ausreichend sei deshalb die teilweise Zerstörung durch Brandlegung von nicht qualifiziert genutzten Gebäudeteilen und zwar selbst dann, wenn die Gefahr des Übergreifens des Brandes auf qualifiziert genutzte Räumlichkeiten bestand.660 Übertragen auf das eingangs erwähnte Beispiel folgt daraus, dass zwar die Inbrandsetzung des Ladenlokals zur Vollendung § 306a Abs. 1 Nr. 1 genügt, im Falle der völligen oder teilweisen Zerstörung des Ladenlokals durch Brandlegung dagegen kein tauglicher Taterfolg gegeben wäre. Damit hat sich der Bundesgerichtshof partiell dem von Teilen des Schrifttums vertretenen Standpunkt angeschlossen, wonach sich die Tathandlung prinzipiell auf den unmittelbar qualifiziert genutzten Teil des Gebäudes beziehen müsse.661 657

BGH, NStZ 1984, S. 455 f.; StV 2001, S. 576 (577); StV 2002, S. 145. BGHR, § 306a Abs. 1 Nr. 1, Wohnung 1; BGH, NJW 1987, S. 141 f.; NStZ 2000, S. 197 (198); NStZ 2003, S. 204 (205); NStZ 2010, S. 452; zustimmend: Eisele, BT I, Rn. 760. 659 BGH, NStZ 2010, S. 452; NJW 2011, 2148 f.; HRRS 2011, S. 139 f.; mittelbar ergibt sich dies auch aus BGHSt 56, 94 ff.; kritisch zum neuen Standpunkt der Rechtsprechung: Börner, ZJS 2011, S. 288 ff.; Bachmann/Goeck, ZIS 2010, S. 445 f., dies., NJW 2011, S. 1092. 660 BGH, NStZ 2010, S. 452; NJW 2011, S. 2148 f. 661 So SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 15: „Vielmehr ist der tatbestandsmäßige Erfolg auch hier erst eingetreten, wenn ein wesentlicher Bestandteil der ,eigentlichen‘, also gerade dem Wohnen etc. dienenden Räumlichkeit (wie die Wohnungstür) tatsächlich vom Feuer ergriffen oder durch eine Brandlegung (teilweise) zerstört worden ist.“; Sch/Sch/ Heine, § 306a Rn. 11: „Richtigerweise kommen § 306a I Nr. 1 oder Nr. 3 in der Variante des vollendeten Inbrandsetzens nur dann in Betracht, wenn das Feuer den Wohnoder Aufenthaltsbereich ergriffen hat.“; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 12: „Um der übermäßigen Ausdehnung des Instituts der abstrakten Gefährdungen entgegenzuwirken, ist es jedoch sachgerechter, den tatbestandlichen Erfolg erst dann zu bejahen, wenn die 658

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cc) Überlegungen zum Wortlaut des § 306a Abs. 1 Bevor die verschiedenen Auffassungen hinsichtlich der gemischt genutzten Tatobjekte auf ihre Vereinbarkeit mit dem Schutzzweck des § 306a Abs. 1 zu überprüfen sind, ist eine nähere Betrachtung des Wortlauts geboten, der eine – bislang übersehene – Weichenstellung zu dieser Problematik enthält. Wie eingangs dargelegt, geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Inbrandsetzung einer nicht im Sinn des § 306a Abs. 1 qualifiziert genutzten Räumlichkeit zur Verwirklichung des § 306a Abs. 1 genüge, sofern sich in demselben einheitlichen Gebäude auch eine qualifiziert genutzte Räumlichkeit befindet und die Möglichkeit der Brandausdehnung auf diesen Gebäudeteil besteht. Infolgedessen erlaubt es erst die tatbestandliche Anknüpfung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 und 2 an den Begriff des „Gebäudes“ 662 (bzw. des „Schiffs“ in Nr. 1), verschiedenartigen Nutzungen unterworfene Räumlichkeiten ohne Verletzung des Wortlauts als ein Tatobjekt zu begreifen. Somit kommt – entgegen der Auffassung der Reformmaterialien663 und der Rechtsprechung664– der Benennung von Gebäuden im Rahmen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 im Verhältnis zum Begriff der Räumlichkeit keine exemplarische, sondern eine eigenständige, nämlich mehrere Räumlichkeiten verbindende Bedeutung zu. Zudem lässt sich weder dem natürlichen Sprachgebrauch noch dem Wortsinn der Nr. 1 und 2 entnehmen, dass das Gesetz nur Gebäude bezeichnen wollte, die ausschließlich qualifiziert genutzt werden. Ein Wohngebäude kann auch gewerblichen Zwecken dienen und umgekehrt.665 Andernfalls wäre die ausdrückliche Benennung von Gebäuden überflüssig. Jedoch knüpft § 306a Abs. 1 Nr. 3 allein an den allgemeineren Begriff der „Räumlichkeit“ und (anders als Nr. 1) nicht auch an den spezielleren Begriff des Gebäudes an, der es erlaubt, verschiedene Räumlichkeiten als Teil desselben Gebäudes zu begreifen. Es mangelt der Nr. 3 also am verbindenden Begriff des Ge-

,eigentliche‘, als Wohnung dienende Räumlichkeit tatsächlich vom Feuer ergriffen wurde.“; Kratzsch, JR 1987, S. 360 ff. 662 Dies erscheint grundsätzlich auch für Hütten möglich, allerdings werden diese – anders als Gebäude – oftmals einräumige Gebilde sein. Zum Verhältnis der Begriffe „Gebäude“ und „Räumlichkeit vgl. § 2 II. 1. a). 663 BT-Drucks. 13/8587, S. 88. 664 BGHSt 48, 14 (18); BGH, NStZ-RR 2005, S. 76. 665 Zutreffend: BGHSt 34, 115 (117): „§ 306 Nr. 2 StGB stellt den Täter unter Strafe, der ein Gebäude in Brand setzt, welches zur Wohnung von Menschen dient. Daß es sich im vorliegenden Fall um ein – einheitliches – Gebäude handelte, stellt die Strafkammer fest. Außer Zweifel steht auch, daß dieses Gebäude zur Wohnung von Menschen diente; daran ändert nichts, daß diese Zweckbestimmung nur für einen Teil des Gebäudes galt.“; a. A. Kindhäuser, StV 1990, S. 161 (163), der zu § 306 Nr. 1 StGB a. F. (= § 306a Abs. 1 Nr. 2) einwendete, dass ein Gebäude, das neben einem gottesdienstlichen Versammlungen dienenden Raum noch und vielleicht sogar überwiegend gewerblich genutzte Räume beherbergt, insgesamt nicht als ein zum Gottesdienst dienendes Gebäude angesehen werden könne.

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bäudes, weshalb es sich hier verbietet, die Inbrandsetzung einer nicht qualifiziert genutzten Räumlichkeit in die Anzündung einer im Sinn der Nr. 3 qualifiziert genutzten Räumlichkeit umzudeuten, selbst wenn sich beide Räumlichkeiten Tür an Tür in demselben einheitlichen Gebäude befinden.666 In diesem Fall handelt es um zwei verschiedene Tatobjekte im Sinn des § 306a Abs. 1 Nr. 3, weshalb unabhängig von teleologischen Überlegungen zu fordern ist, dass der Taterfolg der Inbrandsetzung bzw. der völligen oder teilweisen Zerstörung an der qualifiziert genutzten Räumlichkeit eintritt.667 Diese Wortlautgrenze übersieht die ständige Rechtsprechung, die in § 306a Abs. 1 Nr. 3 (und auch schon bei § 306 Nr. 3 StGB a. F.) explizit mit dem verbindenden Begriff „Gebäude“ operiert, obwohl der Tatbestand nur den Begriff der „Räumlichkeit“ nennt.668 dd) Zur schutzzweckkonformen Behandlung der gemischt genutzten Tatobjekte Inwieweit die vom Wortlaut gedeckte Erfassung der gemischt genutzten Gebäude hinsichtlich des Schutzzwecks der § 306a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 geboten ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Befürworter der vollumfänglichen Einbeziehung gemischt genutzter Tatobjekte verweisen auf den Charakter des § 306a Abs. 1 als abstraktes Gefährdungdelikt.669 So führt der Bundesgerichtshof in BGHSt 34, 115, 118 aus, dass so wenig es bei einem nur mit Wohnungen belegten Gebäude von Bedeutung sei, ob das Feuer ein Stockwerk oder mehrere Stockwerke zu erfassen drohe, ebensowenig komme es bei einem gemischt genutzten Gebäude darauf an, in welchem Stockwerk sich die zu Wohnzwecken dienenden Räume befinden und ob sie durch das Feuer selbst in Gefahr geraten. Es genüge, dass (wesentliche) Bestandteile des Gebäudes in Brand gerieten. Radtke kritisiert diesen Standpunkt, da seiner Auffassung nach allein die qualifizierte Nutzung die gesteigerte Lebensgefährlichkeit vermittele, weshalb die Tat unmittelbar an der qualifiziert genutzten Räumlichkeit verübt werden müs666 Allenfalls – soweit durch die Anzündung der nicht qualifiziert genutzten Räumlichkeit vorsätzlich die Inbrandsetzung der qualifiziert genutzten Räumlichkeit verursacht würde – käme eine Strafbarkeit nach § 306a Abs. 1 Nr. 3 in Betracht. 667 A. A. LK/Wolff, § 306a Rn. 21. 668 Zu § 306 Nr. 3 StGB a. F. vgl. BGHSt 35, 283 (285 f.): „Hiernach genügt es für die Anwendung des § 306 Nr. 2 StGB [Anmerkung: a. F.], daß ,von einem nach natürlicher Auffassung einheitlichen zusammenhängenden Gebäude, das außer zu Wohnzwecken auch gewerblich benutzt wird, nur der Wirtschaftsteil in Brand gesetzt ist‘ . . . Diese Grundsätze müssen auch bei § 306 Nr. 3 StGB Anwendung finden.“; und zu § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB n. F. vgl. BGH, NStZ 2011, S. 214: „Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Tatbestand des § 306a I Nr. 3 StGB indes auch dann erfüllt sein, wenn ein einheitliches zusammenhängendes Gebäude nur zu einem Teil Räumlichkeiten enthält, die zum zeitweisen Aufenthalt von Menschen dienen.“ 669 BGHSt 34, 115 (118); Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306a Rn. 13.1 f.; Bachmann/Goeck, ZIS 2010, 445 f.; Bachmann/Goeck, NStZ 2011, S. 214 f.

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se.670 Dieser Einwand wäre nur dann stichhaltig, wenn die Inbrandsetzung eines nicht qualifiziert genutzten Gebäudeteils im Erdgeschoss mit einem signifikant niedrigerem Gefährdungspotential für Personen in den Wohnräumlichkeiten im ersten Stockwerk verbunden wäre, als im Fall ihrer direkten Inbrandsetzung.671 Angesichts der räumlichen Distanz zwischen der Wohnräumlichkeit und der Eröffnung der Gefahrenquelle im Erdgeschoss könnte dieser Einwand scheinbar verfangen. Doch solch eine Sicht verkennt grundlegende Charakteristika von Gebäudebränden. Die toxischen Rauchgase – der Hauptrisikoaspekt für Leib und Leben – breiten sich innerhalb eines einheitlichen Gebäudekomplexes durch Türen, Abluft- und Kabelschächte ungleich schneller als der eigentliche Brandherd aus. So ist es ein bekanntes Phänomen, dass ein Kellerbrand, vermittels der aufsteigenden erhitzten Rauchgase, den Dachstuhl in Brand setzt oder dass Personen, die sich in den oberen Stockwerken aufhalten, Rauchgasvergiftungen erleiden.672 Verschiedene Untersuchungen belegen zudem, dass über die Hälfte aller durch Gebäudebrände getöteten Personen nicht im eigentlichen Brandraum, sondern in Räumen zu Tode kamen, die teils in unmittelbarer Nähe und teils in weiterer Entfernung vom Brandherd lagen.673 Angesichts dessen wird die Feuerwehr bei einem (nicht bloß unerheblichen) Gebäudebrand regelmäßig das gesamte Tatobjekt evakuieren lassen, da die Auswirkungen des Brandes eben nicht nur auf den Ort des eigentlichen Brandherds begrenzt sind. An diesem Punkt verdeutlicht sich erneut die Notwendigkeit, auch im Rahmen der Bewertung der gemischt genutzten Tatobjekte exakt zwischen der eigentlichen Gefahrenquelle – dem Brandherd – und den hiervon abstrahlenden und innerhalb des Tatobjekts wirksamen und mobilen Effekten zu differenzieren. Die einheitliche bauliche Verbindung zwischen verschiedenen Räumlichkeiten vermittelt grundsätzlich allen Räumlichkeiten eines Gebäudes (oder eines Schiffs) die elementaren brandspezifischen Risiken (Brandrauch, erhitzte Luft, etc.) und zwar unabhängig davon, an welchem Ort innerhalb des Gebäudes die Gefahrenquelle „Brandherd“ eröffnet wurde.674

670 Radtke, Dogmatik, S. 194; ähnlich auch: SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 15; Sch/ Sch/Heine, § 306a Rn. 11; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 12; Kraatz, JuS 2012, S. 691 (693). 671 Radtke, Dogmatik, S. 195: „Einerseits bewirkt das Abstellen auf die bauliche Einheitlichkeit des Brandobjekts in echten Mischnutzungsfällen eine Strafbarkeitsausdehnung auf Sachverhaltskonstellationen, in denen die Tathandlungen noch nicht einmal generalisierend als gefährlich für das geschützte Rechtsgut anzusehen ist. Damit aber verlöre die Bestrafung aus § 306a Abs. 1 Nr. 1 tendenziell ihre Legitimation . . .“ 672 Ähnlich Börner, ZJS 2011, S. 288 (291 f.); eingehend zu den brandspezifischen Gefahren bei § 2 I. 1. a) aa) (1). 673 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 145, S. 6 f. mwN. 674 Ähnlich Bachmann/Goeck, NStZ 2011, S. 214 (215).

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Angesichts dieser Befundlage ist die jüngst durch den Bundesgerichtshof vollzogene Differenzierung zwischen den Tathandlungsalternativen des Inbrandsetzens und der Zerstörung durch Brandlegung bei gemischt genutzten Tatobjekten entschieden abzulehnen.675 Soweit der Bundesgerichtshof erklärt, dass die teilweise Zerstörung von nicht qualifiziert genutzten Räumlichkeiten durch Brandlegung typischerweise nicht mit einer Gefährdung von Personen in den qualifiziert genutzten (Wohn-)Räumlichkeiten verbunden sei, weil die Zerstörung auch durch Löschwasserschäden bewirkt worden sein könne,676 geht diese Einschätzung fundamental am realen Gefahrenpotential von Bränden für Leib und Leben – dem besonderen Anliegen des § 306a Abs. 1 – vorbei.677 Dies belegt beispielsweise der Sachverhalt der Entscheidung BGHSt 56, 94. Dort bestätigte der Bundesgerichtshof die Verneinung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 durch die Vorinstanz, obwohl der Täter den Kellerraum eines Wohnhauses durch Brandlegung zerstörte hatte und im Zuge des Brandes acht Personen in den oberen Wohnräumlichkeiten Rauchvergiftungen erlitten. Plastischer kann die in BGH NStZ 2010, S. 452 aufgestellte Behauptung der Ungefährlichkeit der teilweisen Zerstörung einer nicht qualifiziert genutzten Räumlichkeit durch Brandlegung wohl kaum widerlegt werden. Der Auffassung des Bundesgerichtshofs ist daher mit den Reformmaterialien entgegenzuhalten, dass Brandlegungen in Gebäuden für Leben und Gesundheit der Bewohner, aber auch für bedeutende Sachwerte, insbesondere die betroffenen Gebäude selbst, oft ebenso gefährlich wie Brandstiftungen herkömmlicher Art sind.678 Zudem ist in Erinnerung zu rufen, dass die teilweise Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung einen viel konkreteren Beweis für die – bereits partiell realisierte – Gefährlichkeit der Tat liefert, als die bloße Inbrandsetzung des Tatobjekts, da erhebliche Mengen an Wärmeenergie bzw. Rauchgasen notwendig sind, um den geforderten Zerstörungsgrad zu bewirken.679 Eine schutzzweckkonforme Behandlung der Problematik der gemischt genutzten Tatobjekte gebietet es, der in der Gemeingefährlichkeit des Tatmittels begründeten Spreizung von Handlungsobjekt und geschützten Rechtsgütern dadurch Rechnung zu tragen, dass die gemischt genutzten Tatobjekte generell als taug675 BGHSt 56, 94 ff.; BGH, NStZ 2010, S. 452; kritisch auch: Bachmann/Goeck, NJW 2011, S. 1092; dieselb., NStZ 2011, S. 214 f.; Börner, ZJS 2011, S. 288 (291 f.); Piel, StV 2012, S. 502 (506). 676 BGH, NStZ 2010, S. 452: „Eine (teilweise) Zerstörung kann auf vielfältigen durch die Brandlegung ausgelösten Umständen beruhen, etwa wie hier auf einer Rußentwicklung oder auf der Einwirkung von Löschmitteln . . . Sie ist deshalb, wenn sie die gewerblichen Räume betrifft, nicht typischerweise auch mit einer Gefährdung der Person verbunden, die sich in dem zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil aufhalten. Auf diesen Gebäudeteil bezogen liegt der Sachverhalt nicht anders als bei einer Brandlegung, deren Erfolg ausgeblieben ist.“ 677 Ebenfalls kritisch Piel, StV 2012, S. 502 (505 ff.). 678 BT-Drucks. 13/8587, S. 26. 679 Bachmann/Goeck, ZIS 2010, S. 445 (446); vgl. auch § 2 I. 2. b).

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liche Tatobjekte des § 306a Abs. 1 Nr. 1 und 2 zu klassifizieren sind.680 Deshalb gilt für die Tathandlung der Zerstörung durch Brandlegung, dass es genügt, wenn sich der Zerstörungserfolg im Schweregrad des § 305 Abs. 1 an einem Teil des Gebäudes verwirklicht. Nicht entscheidend ist, dass qualifiziert genutzte Räumlichkeiten betroffen sind.681 Für die Tathandlung der Inbrandsetzung ist zu berücksichtigen, dass es – entgegen der Rechtsprechung – irrelevant ist, ob konkret eine Brandübertragungsgefahr von den nicht qualifiziert genutzten Räumlichkeiten auf die qualifiziert genutzten Räumlichkeiten bestand,682 da die Brandübertragungsgefahr – wie die Betrachtung der Inbrandsetzung gezeigt hat – nur eine Teilkomponente683 des umfassenden brandspezifischen Gefährdungspotentials ist, die den tatbestandlichen Strukturen der §§ 306 ff. nicht (mehr) immanent.684 Bei § 306a Abs. 1 Nr. 3 sind jedoch dem teleologisch gebotenen extensiven Verständnis durch Art. 103 Abs. 2 GG unüberwindbare Schranken gesetzt, weshalb hier die qualifiziert genutzte Räumlichkeit selbst in Brand gesetzt, bzw. durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört worden sein muss. De lege ferenda sollte aber auch die Aufnahme von Gebäuden in § 306a Abs. 1 Nr. 3 erfolgen, um den teleologisch sinnvollen Gleichlauf aller Varianten des § 306a Abs. 1 zu gewährleisten. Abschließend verbleibt zu bemerken, dass die jüngste Rechtsprechung bezüglich der Zerstörung durch Brandlegung ein weiteres Symptom der nach wie vor virulenten „Konkretisierungstendenz“ im Brandstrafrecht ist. Indem hier eine reale Verletzung der qualifiziert genutzten Räumlichkeit gefordert wird, wird auf Kosten der abstrakten Gefährlichkeit der Tat für Leben, Leib und Eigentum der Einwirkung des Brandes auf das Handlungsobjekt eine überproportionale Bedeutung zugesprochen.685 Die teilweise Zerstörung eines (Wohn-)Gebäudes im Sinn des § 306a Abs. 1 Nr. 1 bedeutet – schutzzweckkonform gedacht – nicht, dass

680

Im Ergebnis auch LK/Wolff, § 306a Rn. 12; Piel, StV 2012, S. 502 (507 f.). Klarzustellen ist, dass auch der Wortlaut des § 306a Abs. 1 Nr. 1 hier kein Hindernis darstellt. Soweit von der Inbrandsetzung eines Wohngebäudes auch dann gesprochen werden kann, wenn allein nicht unmittelbar qualifiziert genutzte Teile des Tatobjekts angezündet werden, dann kann auch von einer teilweisen Zerstörung eines Wohngebäudes gesprochen werden, soweit nur nicht qualifiziert genutzte Gebäudeteile zerstört wurden. 682 So aber: BGHSt 48, 14 (18); BGH, NStZ 2007, S. 270; NStZ 2010, S. 452. 683 Vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1). 684 Gegen das Erfordernis einer solchen Brandübertragungsgefahr und gegen das Erfordernis der Wesentlichkeit des in Brand gesetzten Bestandteils vgl. § 2 I. 2. a). Zur (abstrakten) Brandübertragungs- bzw. Brandausdehnungsgefahr als kennzeichnendes Moment der Gemeingefährlichkeit im 19. Jahrhundert vgl. § 1 A. II. 1. und zu § 287 preuß. StGB vgl. § 1 A. III. 4. d) und zu § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. vgl. § 1 B. III. 4. 685 Ähnlich auch Piel, StV 2012, S. 502 (506). 681

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zwangsläufig die Wohnräumlichkeit oder die Wohnnutzung konkret nachteilig tangiert sein müssten, sondern meint „nur“, dass ein Gebäude, das (auch) Wohnzwecken dient, im Schweregrad des § 305 eine brandbedingte Beeinträchtigung erfahren hat. § 306a Abs. 1 Nr. 1 verfolgt teleologisch gesehen eben nicht den Schutz des Wohnraums im Sinne einer eigenständigen Schutzrichtung.686 Bedenklich ist der Standpunkt der Rechtsprechung auch deshalb, weil demnach die Tathandlung der Zerstörung durch Brandlegung für § 306a Abs. 1 und §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 2 unterschiedlich auszulegen ist,687 was der im Kern einheitlichen Zielsetzung dieser Normen – dem abstrakten Schutz von Leben, Leib und Eigentum vor den komplexen Schadwirkungen von Bränden – nicht gerecht wird.688 Die in NStZ 2010, S. 452 eingeschlagene und inzwischen mehrfach bestätigte Kurskorrektur bei § 306a Abs. 1 ist ein bedauernswerter Rückschritt, der allenfalls dann als in sich konsequent, wenngleich nicht schutzzweckkonform, bezeichnet werden könnte, sofern – wie von Teilen des Schrifttums seit langem gefordert689 – auch die Inbrandsetzung des qualifiziert genutzten Gebäudeteils verlangt würde. b) Die Entwidmungsproblematik Die Voraussetzungen, unter denen ein Tatobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 die Eigenschaft, zu Wohnzwecken zu dienen, einbüßt, die sog. Entwidmung, ist eine bereits von § 306 Nr. 2 StGB a. F. bekannte und ihren Grundzügen dort dargestellte Problematik.690 Die rechtliche wie praktische Relevanz dieser Frage liegt nach wie vor darin begründet, dass die Anzündung einer Wohnräumlichkeit häufig durch die Bewohner mit dem Ziel erfolgt, einen Versicherungsfall zu fingieren. Soweit § 306a Abs. 2 nicht verwirklicht wurde, weil es an der vorsätzlichen Herbeiführung der konkreten Gesundheitsgefährdung einer anderen Person mangelt, ist die Einschlägigkeit des § 306a Abs. 1 Voraussetzung für die Anwendung des wegen seines scharfen Sanktionsrahmens umstrittenen Qualifikationstatbestandes der besonders schweren Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 2, der eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht.691 aa) Grundlagen: Widmung und Entwidmung Da die Entwidmung eng mit den Anforderungen an die Begründung der Tatobjektseigenschaft gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 verquickt ist, gilt es zunächst darzu686 687 688 689 690 691

Vgl. § 2 II. 1. e) aa). Vgl. BGHSt 56, 94 ff.; BGH, NJW 2011, S. 2148 (2149). Vgl. § 2 III. 1. und § 2 IV. 1. SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 15; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 11. Vgl. § 1 B. IV. 2. c). Hierzu vgl.: LK/Wolff, § 306b Rn. 20 ff.; Börner, ZJS 2011, S. 288 (292).

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legen, welche Voraussetzungen an die Widmung des Tatobjekts zu stellen sind. Allgemein geteilter Ausgangspunkt ist, dass die Eigenschaft des Tatobjekts, als Wohnung zu dienen, faktischer Natur und daher unabhängig von jeder zivilrechtlichen Berechtigung bzw. der ursprünglichen Zweckbestimmung der Räumlichkeit zu beurteilen ist.692 Auch ein Stall oder eine Gartenlaube kann demnach bewohnt und mithin taugliches Tatobjekt sein. Gleichwohl sich der Begriff des „Wohnens“ angesichts der Vielgestaltigkeit der menschlichen Lebensformen einer abschließenden Definition entzieht, wird in Abgrenzung zum bloß regelmäßigen Aufenthalt im Tatobjekt (Nr. 3) verbreitet darauf abgestellt, dass die Räumlichkeit zumindest zeitweise als privater Lebensmittelpunkt dient.693 Auch ein (nur) für wenige Tage angemietetes und bezogenes Ferienhaus ist deshalb mit Beginn der Aufnahme der Nutzung taugliches Tatobjekt der Wohnungsbrandstiftung, wohingegen dies bei einer bloß einmaligen Übernachtung in einem Hotelzimmer umstritten ist.694 Unbestritten ist dagegen, dass die bloße Absicht, ein leerstehendes oder neu gebautes Haus zu bewohnen, für sich genommen nicht ausreicht, denn maßgebend ist die Aufnahme der tatsächlichen Wohnnutzung, d. h. die Realisierung dieses Entschlusses.695 Demnach konstituieren zwei Komponenten die Eigenschaft eines Tatobjekts gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1, nämlich der Wille zur Wohnnutzung und die korrespondierende tatsächliche Wohnnutzung. Daraus leiten sich zugleich die Anforderungen an die Entwidmung als actus contrarius ab. Da der herausgehobene Schutz der in § 306a Abs. 1 Nr. 1 benannten Tatobjekte an die Nutzung durch die Bewohner anknüpft, können selbige die Wohnnutzung tatsächlich aufgeben und so das Tatobjekt entwidmen.696 Bei mehreren Bewohnern müssen alle der Entwidmung zustimmen, wobei es die Rechtsprechung Eltern gestattet, stellvertretend für ihre minderjährigen Kinder das Tatobjekt zu entwidmen.697 Die vom Reichsgericht vertretene Forderung, dass „die 692 SSW/Wolters, § 306a Rn. 7 f.; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 10 f.; Sch/Sch/ Heine, § 306a Rn. 5; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 14 ff.; ders., Dogmatik, S. 180 ff. 693 BGH, NStZ 2010, S. 519; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 10 ff.; SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 7: „Wann eine Räumlichkeit in diesem Sinne tatbestandsmäßig (geworden) ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben.“; Rengier, BT II, § 40 Rn. 20: „Die Räumlichkeit ,dient der Wohnung von Menschen‘, wenn sie ihrer konkreten Verwendung nach zumindest vorübergehend zur Unterkunft von Menschen vorgesehen ist, d.h. zum Mittelpunkt des Aufenthalts gemacht wird . . . Entscheidend ist der rein tatsächliche Wohnzweck, die reale Widmung zum Wohnen.“ 694 Dafür MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 13; dagegen: SSW/Wolters, § 306a Rn. 7. 695 Zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. BGH, NStZ 1984, S. 455: „Nach § 306 Nr. 2 StGB muß das in Brand gesetzte Gebäude ,zur Wohnung von Menschen dienen‘. Es genügt nicht, daß es hierzu bestimmt oder geeignet ist. Vielmehr muß es tatsächlich bewohnt werden.“ 696 BGH, JR 1999, S. 205 (207); StV 2007, S. 584 f. 697 BGH, NStZ 2008, S. 99, 100; zustimmend: Schlothauer, StV 2007, S. 585 (586 f.); SSW/Wolters, § 306a Rn. 8.

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Aufhebung jener Eigenschaft vor der Brandlegung verwirklicht worden“ 698 sein müsse und infolgedessen nicht mit der Tatbegehung zusammenfallen könne, findet heute in dieser Form keine Unterstützung mehr.699 Die Anforderungen an die Umsetzung des Willens zur Aufgabe der Wohnnutzung werden im Schrifttum jedoch unterschiedlich veranschlagt. Manche Autoren lassen für eine wirksame Entwidmung den bloßen Willen zur Aufgabe der Wohnnutzung im Sinne eines Realaktes genügen,700 während andere einen nach außen hin wahrnehmbaren Akt des Endes der Wohnungseigenschaft, d. h. eine Manifestation des Aufgabewillens fordern.701 Unklar ist bisweilen, ob die Forderung nach einem nach außen wahrnehmbaren Akt tatsächlich als eigenständiges Erfordernis im Sinne einer „Veröffentlichung“ oder lediglich als Beweisanzeichen für den Entwidmungswillen der Bewohner bewertet wird. Die verschiedenen Standpunkte führen in dem Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen, dass ein Dritter eine fremde Wohnung anzündet, die Bewohner dieses Vorhaben aber zuvor erkennen und insgeheim billigen, weil sie sich die Auszahlung der Versicherungssumme erhoffen. Teile des Schrifttums verneinen dann eine Manifestation des Entwidmungswillens der Bewohner.702 Dagegen will Wolters auch in diesem Fall von einer wirksamen Entwidmung ausgehen, denn eine nach außen gerichtete Kundgabe des Aufgabewillens sei – obwohl regelmäßig vorliegend – prinzipiell nicht erforderlich.703 Dies erfordert eine Klärung, ob die weithin geteilte Forderung nach einer äußerlich wahrnehmbaren Umsetzung des Entwidmungswillens sachgerecht ist und woraus sich dieses Erfordernis ableitet. Radtke hat die Notwendigkeit eines wahrnehmbaren Aktes mit Hinweis auf den Schutzzweck der Wohnungsbrandstiftung und deren Klassifikation als gemeingefährliches Delikt begründet. § 306a Abs. 1 Nr. 1 intendiere nicht nur den Schutz der Bewohner, sondern auch den Außenste698

RGSt 60, 136 (138). LK/Wolff, § 306a Rn. 13; Fischer, § 306a Rn. 4a mwN; zur Rechtsprechung des Reichsgerichts zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. siehe § 1 B. IV. 2. c). 700 HK/Weiler, § 306a Rn. 5; SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 8: „Der Wille, einer Räumlichkeit die Wohnungseigenschaft abzuerkennen, wird zwar in der Regel nach außen . . . kundgetan, notwendig ist dies aber nicht.“; Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306a Rn. 8.2: „Die Entwidmung ist Realakt.“; Rengier, BT II, § 40 Rn. 21; Fischer, § 306a Rn. 4a. 701 Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 5: „Erforderlich ist aber, dass die Aufgabe der Zweckbestimmung der Wohnung hinreichend deutlich objektiv manifestiert wird.“; Geppert, Jura 1989, S. 417 (420); Radtke, Dogmatik, S. 187: „Die Notwendigkeit eines nach außen wahrnehmbaren ,Entwidmungsaktes‘ gilt auch für die Fallgestaltungen des Inbrandsetzens des Objekts durch den bzw. die Bewohner selbst oder in deren Auftrag.“; ders., NStZ 2008, S. 100 (102): „Entwidmung ist ein tatsächliches Verhalten, das das Ende des Beziehungsgeflechts zwischen Bewohnern und deren sozialen Kontakten sowie dem Brandobjekt markiert.“ 702 Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 5; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 17. 703 SSW/Wolters, § 306a Rn. 8. 699

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hender. Das Tatobjekt stehe aufgrund der Wohnnutzung in einer unüberschaubaren Interaktion mit der Sozialsphäre, so dass der nach außen hin wahrnehmbare Entwidmungsakt zur Beseitigung dieser Außenwirkung notwendig sei, was der Sache nach an den Standpunkt von RGSt 60, 136 ff. anknüpft.704 Obwohl der Schutzzweck des § 306a Abs. 1 nach der hier vertretenen Auffassung dem Schutz von Leben, Leib und Eigentum dient und damit nicht nur auf die Bewohner beschränkt ist, überzeugt die aus der Einordnung als gemeingefährliches Delikt deduzierte Notwendigkeit der Veröffentlichung der Entwidmung zur Beseitigung des Beziehungsgeflechts nicht. Zunächst ist die Existenz eines Beziehungsgeflechtes kein konstitutives Merkmal für die Begründung der Tatobjektseigenschaft, sondern „nur“ eine regelmäßige Folgewirkung und Begleiterscheinung der Wohnnutzung. Wird die Entwidmung konsequenterweise als actus contrarius zum Widmungsakt im Sinne der realen Aufgabe der Wohnnutzung begriffen, dann ist kein Grund ersichtlich, die Deklassifikation des Tatobjekts an die öffentlich erkennbare Aufgabe der Wohnnutzung zu ketten. Ebensowenig wie die Begründung der Wohnnutzung nach außen hin erkennbar sein muss, z. B. wenn Obdachlose ein scheinbar leerstehendes Haus bewohnen, sondern nur typischerweise erkennbar sein wird, ebensowenig muss die Aufgabe der Wohnnutzung vom Standpunkt eines außenstehenden Dritten offenkundig sein. Die Notwendigkeit einer Manifestation des Entwidmungswillens leitet sich vielmehr aus dem Umstand ab, dass der Wille zur Aufgabe der Wohnnutzung so lange unbeachtliches Internum und damit eine reine Absicht bleibt, bis dieser Ausdruck in einem korrespondierenden Umsetzungsakt gefunden hat und dadurch Realität geworden ist. Zentral ist auch hier die Bewertung der Entwidmung als actus contrarius, denn der bloße Wille, ein leerstehendes Haus zu bewohnen, erhebt dieses nicht zu einem tauglichen Tatobjekt der Wohnungsbrandstiftung.705 Entscheidend ist also nicht die Erkennbarkeit des Willens zur Aufgabe der Wohnnutzung für Dritte, sondern schlicht die tatsächliche Aufgabe der Wohnnutzung, weshalb der erforderliche Umsetzungsakt vielfältiger Art sein kann. In vielen Fällen dürfte sich dieser als klassischer Auszug aus dem Tatobjekt samt Hab und Gut darstellen, aber es sind auch ungewöhnliche Aufgabeformen denkbar, wie z. B. das bloße Unterlassen der Weiternutzung des Tatobjekts, wenn ein Obdachloser seine selbstgebaute Hütte schlicht nicht mehr bewohnt und weiterzieht, 704 Radtke, Dogmatik, S. 187 ff.; Geppert, in: FS Weber, S. 427 (436): „Der Standpunkt des Bundesgerichtshofes ist eher fragwürdig, wenn man als maßgebliches Schutzziel der schweren Brandstiftung allein die Gefährdung von Menschenleben ansieht, erweist sich jedoch als konsequent, wenn man als zusätzlichen Schutzzweck auch die ,Wohnungs‘-Komponente mitbedenkt.“; ähnlich RGSt 60, 136 ff.; dazu vgl. § 1 B. IV. 2. c). 705 BGHSt 16, 394: „Eine entsprechende Bestimmung oder Widmung ist, wie in Rechtsprechung und Rechtslehre allgemein anerkannt wird, weder genügend noch erforderlich.“

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oder wenn ein „Mietnomade“ in eine neue Wohnung wechselt und Teile seiner Güter in der alten Wohnung zurücklässt. Auf Grundlage der vorstehenden Erkenntnisse, die die Eckpunkte der Entwidmung als spiegelbildlichen actus contrarius zur Widmung des Tatobjekts skizziert haben, sollen im Folgenden zwei spezielle Konstellationen untersucht werden: die bedingte Entwidmung und die „Entwidmung“ des Tatobjekts durch den Tod des letzten Bewohners. bb) Zur Problematik der „bedingten“ Entwidmung Die Anzündung einer zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeit mit dem Ziel des Vortäuschens eines Versicherungsfalls weist bisweilen die Besonderheit auf, dass den Bewohnern bewusst ist, dass die beabsichtige Zerstörung ihrer Wohnung vom nicht sicher berechenbaren Brandverlauf abhängt, weshalb sie sich für den Fall des Scheiterns der Tat vorbehalten, das Tatobjekt weiter zu bewohnen.706 Nach anfänglichem Zögern hat sich die ständige Rechtsprechung – unter Billigung des Schrifttums707 – auf den Standpunkt gestellt, dass der Vorbehalt der Bewohner, im Falle der ausbleibenden Zerstörung des Tatobjekts selbiges weiter zu nutzen, die Wirksamkeit der Entwidmung nicht in Frage stelle.708 Zur Veranschaulichung der damit verbundenen Problematik sei auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NStZ 2008, S. 99 ff. verwiesen, der verkürzt der folgende Sachverhalt zugrunde lag:709

706 Vgl. die Sachverhalte der Entscheidungen BGHSt 26, 121 (122); BGH, NStZ-RR 2001, S. 330 f.; NStZ-RR 2005, S. 76 f.; NStZ 2008, S. 99 ff. 707 Zustimmend: Eisele, BT I, Rn. 753: „Die Entwidmung kann auch konkludent durch die Brandstiftung selbst, die Beauftragung eines Dritten zur Brandstiftung oder durch die Einwilligung in die Brandstiftung erfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass ein die Zweckbestimmung aufgebender Nutzer das Gebäude für den Fall des Fehlschlagens der Brandlegung doch weiter bewohnen möchte.“; SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 8: „Der ,Entwidmung‘ steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der (frühere) Bewohner die Räumlichkeit für den Fall des Fehlschlags wieder bewohnen möchte.“; Fischer, § 306a Rn. 4a; NK-StGB/Herzog, § 306a Rn. 11. 708 Restriktiver dagegen noch BGHSt 26, 121 (122): „Hier lag es jedoch insofern anders, als L. das Hotel nur in der Hoffnung verlassen hatte, daß es demnächst angezündet, die Tat diesmal also gelingen würde, für den Fall aber, daß das nicht so sein sollte, wieder dort wohnen wollte und mußte. Schon deshalb ist zweifelhaft, ob L. das Hotel wirklich als Wohnung aufgegeben hatte.“; anders: BGH, NStZ-RR 2001, S. 330; NStZRR 2005, S. 76; Geppert, in: FS Weber, S. 427 (435): „Diese Deutung der schweren Brandstiftung, d.h. die Einbeziehung einer weiteren Schutzrichtung (Schutz der Wohnung) erlaubt es auch, mit einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes konform zu gehen, an der man sich – jedenfalls wenn man das spezifische Schutzziel der schweren Brandstiftung allein in der Gefährdung von Menschen sieht – strafrechtsdogmatisch reiben musste.“ 709 Vgl. die Anmerkung von Jahn, JuS 2007, S. 1056 ff.

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Die Angeklagten, ein unverheiratetes Paar, hatten beschlossen, das von ihnen gemeinsam bewohnte, aber nur der Frau gehörende, Wohnhaus anzuzünden, um das Obergeschoss zu zerstören, während das Untergeschoss nach der Tat weiter bewohnt werden sollte. Beabsichtigt war, durch Vortäuschung eines Versicherungsfalles den geplanten Umbau des Obergeschosses zu finanzieren. Jedoch nahmen beide auch die Möglichkeit einer umfassenden Zerstörung des gesamten Gebäudes billigend in Kauf. Nachdem der erste Versuch einer Brandlegung fehlgeschlagen war, das Feuer verlosch von alleine, hatte der zweite Versuch Erfolg und das Obergeschoss brannte aus.

Das Landgericht Osnabrück stützte die Verurteilung der Angeklagten unter anderem auf § 306a Abs. 1 Nr. 1, weil angesichts des fortbestehenden Willens zur Wohnnutzung hinsichtlich des Untergeschosses keine Entwidmung des gesamten Tatobjekts vorgelegen habe. Demgegenüber hob der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Verurteilung mit der Begründung auf, dass angesichts der in Kauf genommenen Gesamtzerstörung des Tatobjekts eine wirksame Entwidmung vorgelegen habe.710 Zwar ist einzuräumen, dass Bewohner, die ihre eigene Wohnräumlichkeit in Brand setzen, unbedingten Handlungswillen besitzen und durch die Zerstörung des Tatobjekts die Grundlage ihrer Wohnnutzung beseitigen wollen. Dennoch muss eine rechtswirksame Entwidmung des Tatobjekts verneint werden, weil es trotz der Inbrandsetzung des Tatobjekts an einer reellen Aufgabe der Wohnnutzung als Voraussetzung für dessen Deklassifikation fehlt.711 Die zentrale Problematik dieser Fallgestaltung besteht darin, dass die Bewohner im Zeitpunkt der Brandlegung zwei einander ausschließende Szenarien in ihr Bewusstsein aufgenommen und gebilligt hatten. Im Fall der völligen Zerstörung des Tatobjekts sollte die Wohnnutzung (bis zum Ende der Renovierung) ganz aufgegeben werden, während für den Fall, dass die Tat nicht in der völligen Zerstörung des Tatobjekts mündet, die Wohnnutzung, wenn möglich, fortgeführt werden sollte. Nur falls die Renovierung des Tatobjekts dies erfordern sollte, war beabsichtigt, bei Verwandten unterzukommen. Eine solche Sachlage genügt indes nicht den Anforderungen an eine Entwidmung, denn wer sich im Zeitpunkt der Inbrandsetzung des Tatobjekts dessen kontinuierliche Weiternutzung vorbehält, der hat die Wohnnutzung (noch) nicht endgültig aufgegeben, sondern die spätere Aufgabe des Lebensmittelpunkts auf-

710 Klarzustellen ist, dass der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung nicht die Möglichkeit einer Teilentwidmung anerkannt hat, sondern vielmehr auf eine wirksame (Gesamt-)Entwidmung abstellt, weil die Angeklagten die Zerstörung des gesamten Gebäudes in Kauf genommen hatten, vgl. BGH, NStZ 2008, S. 99; mit zustimmender Anmerkung Schlothauer, StV 2007, S. 585 ff. 711 Zutreffend: Sch/Sch/Heine, § 306 Rn. 5: „Jedoch fehlt es an einem hinreichenden äußeren Manifestationsakt, wenn . . . die Bewohner durch Verbleib im Tatobjekt keinen actus contrarius demonstrieren.“; Radtke, NStZ 2008, S. 100 (102 f.).

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schiebend bedingt an die zukünftige und nur beabsichtigte und noch ungewisse Beschädigung des Tatobjekts gebunden.712 Dass solch eine an den Ausgang des Tatverlaufs gebundene, aufschiebend bedingte Entwidmung keine tatsächliche Aufgabe der Zweckbestimmung ist, belegt auch das folgende hypothetische Gedankenspiel: Würden die Täter im Zeitpunkt der Tatbegehung gefragt, ob sie morgen noch in dem angezündeten Tatobjekt wohnen würden, dann würden diese mit Sicherheit antworten, dass sie es nicht wüssten, weil dies vom noch unbestimmten Ausgang der Tat abhinge, d. h. die Verlagerung des Lebensmittelspunktes ist bei Tatbegehung alles andere als sicher.713 Insbesondere die eingangs referierte Beschreibung der Entwidmung als spiegelbildlicher actus contrarius gegenüber der Begründung der Wohnungseigenschaft macht deutlich, warum eine unbedingte Aufgabe der Wohnnutzung zu verlangen ist.714 Ebenso wenig wie es eine bedingte Begründung der Wohnnutzung gibt – entweder ein Tatobjekt wird bewohnt oder nicht –, existiert eine bedingte Entwidmung, denn die Tatobjektsqualifikation basiert auf einem faktischen und keinem rechtlichen Verhältnis, das willkürlich an Bedingungseintritte geknüpft werden kann. Radtke hat hinsichtlich des der Entscheidung NStZ 2008, 99 zugrundliegenden Sachverhalts pointiert eingewendet, dass der Verbleib der Angeklagten im Tatobjekt unter Vorspiegelung, während des Brandausbruchs in Unterwäsche geschlafen zu haben, gerade das Gegenteil dessen ist, was Entwidmung bedeutet.715 Wer das Tatobjekt auch noch nach dessen Inbrandsetzung nutzt, um den Eindruck eines überraschenden Unglücksfalls zu erhärten, der hat die Wohnnutzung – wie auch der Aufenthalt im Tatobjekt belegt – faktisch nicht aufgegeben. Der Wille zur zukünftigen Aufgabe der Wohnnutzung – in Abhängigkeit vom Ausgang der Brandstiftung – ist folglich irrelevant. Der Standpunkt der Rechtsprechung hinsichtlich der Entwidmung ist unbefriedigend, weil er dem „Spiel“ mit der (Schein-)Entwidmung Tür und Tor öffnet. Für das Erfordernis der Unbedingtheit der Entwidmung streitet auch das bewusst 712 Schlothauer, StV 2007, S. 585 (586): „Der BGH stellt deshalb vorliegend zutreffend allein auf den Willen des/der Bewohner des Gebäudes zum Tatzeitpunkt ab.“ 713 Daher würde auch nicht die Argumentation verfangen, dass die Bewohner das Tatobjekt zunächst entwidmet und sich lediglich eine spätere Neubegründung der Wohnnutzung im Falle des Scheiterns der Tat vorbehalten hätten, da die bestehende Nutzung gerade noch nicht beendet wurde. 714 Radtke, NStZ 2008, S. 100 (102): „Selbst wenn man generell bereit ist, für die Konstellationen der Brandstiftung durch sämtliche Bewohner oder mit deren Einverständnis oder in deren Auftrag die Ausführung der Brandtat selbst als den die bisherige Wohnnutzung aufgebenden Akt zu werten, lässt das Urteil des 3. Senats angesichts der Spezifika des zu Grunde liegenden Sachverhalts einerseits eine notwendige Differenzierung und andererseits eine klare Rückführung der Bedingungen der Entwidmung als einen actus contrarius zu der Begründung der Tatobjektseigenschaft auf die Voraussetzungen, die für eine Begründung der Wohnnutzung notwendig sind, vermissen.“ 715 Radtke, NStZ 2008, S. 100 (102).

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zweideutige Gebaren der brandstiftenden Bewohner, die gegenüber Ermittlungsbehörden, Hilfskräften, Versicherungen und Nachbarn bewusst den Eindruck eines Unglücksfalls vorspiegeln. Auch wenn es nach dem zuvor Gesagten keine bedingte Entwidmung gibt und § 306a Abs. 1 Nr. 1 verwirklicht ist, so kann unter Umständen dennoch ein minder schwerer Fall gem. § 306a Abs. 3 einschlägig sein.716 Die Unwirksamkeit der bedingten Entwidmung verhindert zudem Strafbarkeitslücken, wenn z. B. Rettungskräfte, deren Schutz § 306a Abs. 1 ebenfalls intendiert, bei Löscharbeiten an Leib und Leben gefährdet oder verletzt werden. Der Einschlägigkeit des § 306a Abs. 1 Nr. 1 kommt hier entscheidende Bedeutung zu. Denn ist der Täter – wie so oft in den Fällen des „warmen Abrisses“ – nicht nur Bewohner, sondern auch Eigentümer des Tatobjekts, dann scheitert eine Strafbarkeit gem. § 306 Abs. 1 daran, dass das Tatobjekt kein „fremdes“ ist. Im Rahmen des § 306a Abs. 2 wird regelmäßig der Gesundheitsgefährdungsvorsatz fehlen oder nicht nachweisbar sein. Mangels Einschlägigkeit der §§ 306, 306a ist ein Rückgriff auf §§ 306b Abs. 1, 306c verwehrt, so dass der Tod oder die Verletzung eines professionellen Helfers nur über §§ 222, 229, 306d Abs. 1, Var. 2 geahndet werden kann. Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Die Anzündung des Tatobjekts durch die Bewohner kann durchaus eine rechtswirksame Entwidmung begründen, soweit sich darin der unbedingte Wille zur Aufgabe der Wohnnutzung dokumentiert. Dies gilt natürlich auch dann, wenn das Inbrandsetzen eines Wohngebäudes durch die Bewohner zum Zwecke des Versicherungsbetruges erfolgt, vorausgesetzt die Aufgabe zur Wohnnutzung ist unbedingt und wird spätestens mit der Tatbegehung als Realakt umgesetzt. Eine eindeutige Entwidmung lag deshalb in BGHSt 16, 394 ff. vor. Hier hatte der wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306 Nr. 2 StGB a. F. (§ 306a Abs. 1 Nr. 1) angeklagte Eigentümer eines allein von ihm bewohnten Hauses dieses spontan angezündet, um fortan auf der Straße zu leben, nachdem seine Frau verstorben war und sich Aufnahmemöglichkeiten bei Verwandten zerschlagen hatten. Er nahm einige Habseligkeiten an sich und setzte das Gebäude in Brand. Der Brand konnte gelöscht werden, ohne größeren Schäden anzurichten. An der Ernsthaftigkeit der Entscheidung des Brandstifters, die Wohnnutzung aufzugeben, kann vorliegend nicht gezweifelt werden und dieser Entschluss manifestiert sich unzweideutig im Inbrandsetzen des Tatobjekts. Selbst wenn der Angeklagte die Möglichkeit erkannt hätte, dass die Tat u. U. nicht zur Zerstörung des Gebäudes führt, würde dies nichts am Bestehen einer Entwidmung ändern, eben weil sein Entschluss zur Aufgabe der Wohnnutzung bei Tatbegehung unabhängig vom Ausgang des Tatverlaufs feststand.

716

Vgl. § 2 IV. 2.

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cc) Die sog. Fremdentwidmung Die überwiegende Auffassung im Schrifttum teilt den Standpunkt von BGHSt 23, 114, wonach mit dem Tod des letzten Bewohners die Eigenschaft eines Tatobjekts, gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 zu Wohnzwecken zu dienen, ende.717 Die Todesursache sei unbeachtlich und selbst die Tötung des letzten Bewohners durch den (späteren) Brandstifter müsse als rechtswirksame Entwidmung bewertet werden. Zunächst ist anzumerken, dass die Behandlung des todesbedingten Wegfalls des letzten Bewohners als „Entwidmung“ terminologisch ungenau ist, denn es fehlt hier an einer willentlichen Aufgabe der Wohnnutzung durch den Berechtigten im Sinne eines „actus contrarius“ zur vorangegangenen Widmung. Der Wegfall der Wohnnutzung durch den Tod des oder der Bewohner sollte präziser unter der Fragestellung erörtert werden, inwieweit das durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 vorausgesetzte Merkmal „zu Wohnzwecken dienen“ prinzipiell an die Existenz von Bewohnern gekoppelt ist. Der automatische Verlust der Tatobjektsqualität durch den Tod des letzten Bewohners ist nicht unumstritten. Einige Autoren wenden ein, dass das durch die Wohnnutzung begründete Beziehungsgeflecht nicht abrupt mit dem Tod des letzten Bewohners ende, sondern vielmehr fortwirke.718 Im Hinblick auf den von § 306a Abs. 1 Nr. 1 verfolgten abstrakten Lebenschutz müsse berücksichtigt werden, dass sich die besondere Gefährlichkeit der Tatbegehung einer Wohnungsbrandstiftung aus dem durch die Wohnnutzung begründeten Beziehungsgeflecht ableite. Infolgedessen entfalle die Eigenschaft des Tatobjekts, zu Wohnzwecken zu dienen, nicht schon mit dem Tod des letzten Bewohners, sondern erst im Zeitpunkt des Abtransports der Leiche, da hierdurch das Ende der Wohnnutzung nach außen hin wahrnehmbar werde. Den Einwänden gegen einen unmittelbaren Verlust der Tatobjektsqualität im Todesfall ist gemein, dass nicht allein die tatsächliche Wohnnutzung als ausschlaggebendes Moment bewertet wird, sondern dass es entscheidend auf die Beseitigung der durch die ursprüngliche Wohnnutzung begründeten (abstrakt vermuteten) Einbettung des Tatobjekts in soziale Zusammenhänge ankommen soll. Nachvollziehbar ist dies durchaus, da das Beziehungsgeflecht am Tatobjekt tatsächlich über den Tod des letzten Bewohners hinaus fortbesteht und gegenüber der tatsächlichen Wohnnutzung somit partiell abstrahiert ist.719 So werden sich 717 BGHSt 23, 114 f.; Rengier, BT II, § 40 Rn. 21; LK/Wolff, § 306a Rn. 13; Sch/ Sch/Heine, § 306a Rn. 5; zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. vgl. § 1 B. IV. 2. c). 718 Radtke, Dogmatik, S. 187; Geppert, Jura 1989, S. 417 (420): „Insofern liegt es in den durch ,Fremd-Entwidmung‘ gekennzeichneten Tötungskonstellationen ebenso wie in den vergleichbaren Fällen eines natürlichen Todes angesichts der ratio legis der §§ 306 ff. durchaus nahe, zur strengeren Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückzukehren und die Wohnungseigenschaft postmortal jedenfalls bis zum Abtransport des Toten – gleichsam verstanden als Räumung der Wohnung – andauern zu lassen.“ 719 Radtke, Dogmatik, S. 187.

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an den Tod des letzten Bewohners eventuell noch Aktivitäten im Tatobjekt anschließen, wie z. B. das Aufbahren der Leiche, eine Trauerfeier, der Besuch von Angehörigen, die Putzfrau, die weiterhin das Tatobjekt reinigt, oder die Auflösung der Wohnung durch die Erben. All diese Aktivitäten sind notwendigerweise mit dem Personenaufenthalt von „Nichtbewohnern“ im Tatobjekt verbunden, deren Schutz vor den Gefahren der Tatbegehung auch Anliegen des § 306a Abs. 1 ist. Daneben werden sich in der Wohnräumlichkeit regelmäßig noch Sachwerte von erheblichem Wert befinden.720 Obwohl mit Blick auf den Schutzzweck berechtigte Gründe dafür sprechen, Wohnräumlichkeiten auch nach dem Tod des letzten Bewohners als taugliche Tatobjekte zu klassifizieren, so ist es mit dem natürlichen Wortsinn des § 306a Abs. 1 Nr. 1 unvereinbar, eine unbewohnte Räumlichkeit als eine zu Wohnzwecken dienende Räumlichkeit zu bezeichnen, denn diese dient keiner Person mehr als Lebensmittelpunkt.721 Das tatsächliche Bewohntwerden des Tatobjekts ist die Grundlage der Wohnnutzung, an die sich das soziale Beziehungsgeflecht als typische aber unselbstständige Folgewirkung anschließt. Dieses auf der Wohnnutzung beruhende Beziehungsgeflecht ist jedoch seines konstitutiven Bezugspunktes beraubt, sobald der letzte Bewohner verstirbt. Zwar mag mitunter der Verlust der Tatobjektsqualität durch den Tod des letzten Bewohners nach außen hin für die Allgemeinheit nicht erkennbar sein, so dass der Schein einer andauernden Wohnnutzung besteht. Aber ein scheinbar bewohntes Gebäude ist eben kein tatsächlich bewohntes Gebäude, weshalb es auf zusätzliche Anforderungen im Sinne der Erkennbarkeit der Beendigung der Wohnnutzung durch Abtransport der Leiche nicht ankommt.722 Zudem hätte diese Auffassung die fragwürdige Konsequenz, dass das Tatobjekt solange als bewohnt gilt, bis die Leiche des letzten Bewohners entdeckt wird, mag dies Wochen, Monate oder Jahre dauern.

III. Die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2 Die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2, neu eingeführt durch das 6. StrRG von 1998, unterscheidet sich partiell von der tradierten Konzeption der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1. Zwar verweist § 306a Abs. 2 auf die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 (nicht aber auf das Merkmal „fremde“)723 und setzt ebenfalls deren Inbrandsetzung bzw. deren völlige oder teilweise Zerstörung durch Brandlegung 720

Vgl. § 2 II. 1. c). Im Ergebnis auch Schlothauer, StV 2007, S. 585 (586). 722 Dies gilt auch für den Fall, dass der Täter irrtümlich annimmt, den letzten Bewohner getötet zu haben, während dieser in Wahrheit nur bewusstlos ist, und dann die tatsächlich noch bewohnte Räumlichkeit in Brand setzt. Hier fehlt es am subjektiven Tatbestand, so dass § 306a Abs. 1 Nr. 1 weder vollendet noch versucht wurde. Dieses Irrtumsrisiko, auf das Geppert frühzeitig hingewiesen hat [vgl. Geppert, Jura 1989, S. 417 (420)], ist jedoch notgedrungen in Kauf zu nehmen. 723 Näher dazu bei § 2 III. 2. a) aa). 721

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voraus, verlangt aber weitergehend die hierdurch bewirkte vorsätzliche Gesundheitsgefährdung einer anderen Person.724 Die Koppelung des konkreten Gefahrerfolges mit der Anknüpfung an abschließend benannte Tatobjekte unterscheidet § 306a Abs. 2 konzeptionell nicht nur von den streng abstrakt formulierten §§ 306 Abs. 1, 306a, sondern auch von solchen Reformvorschlägen zum Brandstrafrecht, die auf die Benennung spezieller Tatobjekte verzichteten und im Gegenzug an die konkrete Gefährdung von Leib, Leben oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert durch Verursachung einer „Feuersbrunst“ 725 oder eines „Feuer von erheblichem Ausmaß“ 726 anknüpften.727 Infolgedessen weist die schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2, die nach Aussagen des Reformgesetzgebers an die Stelle der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. treten sollte,728 durch Verbindung von Tatobjektskasuistik und konkreter Gefahr einen hybriden Charakter auf. Diese eigentümliche Misch-Konstruktion erfordert eine nähere Auseinandersetzung mit dem Gefährdungsunrecht des § 306a Abs. 2, speziell im Kontrast zu §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1. Im Anschluss an die teleologische Positionierung des § 306a Abs. 2 werden wiederum einzelne, mit dem Schutzzweck zusammenhängende Auslegungsfragen zu beleuchten sein. 1. Unrecht und Deliktstypus des § 306a Abs. 2 Das Meinungsspektrum zu Schutzzweck und Deliktstypus des § 306a Abs. 2 ist rasch skizziert. Die Gesetzesmaterialien selbst sind diesbezüglich nur wenig ergiebig und verweisen einerseits auf die Gemeingefährlichkeit bzw. -schädlichkeit der Anzündung der benannten Objekte, andererseits darauf, dass § 306a Abs. 2 aufgrund seiner unterschiedlichen Schutzrichtung im Falle des Zusammentreffens mit § 306a Abs. 1 neben diesem anwendbar sei.729 Rechtsprechung und Lehre sehen angesichts der tatbestandlich geforderten konkreten Gesundheitsgefährdung einer anderen Person (fast) ausschließlich den Gesundheitsschutz der gefährdeten Person als Schutzziel an, denn § 306a Abs. 2 stelle – so exemplarisch Wirsch – „kein Delikt zum Schutz vor abstrakten Gemeingefahren dar“ 730.731 Dagegen räumen einige Autoren immerhin ein, dass die Gesundheits724

Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 91 ff.; Stein, in: Dencker/ Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 98 ff.; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 27, 105 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 276 ff.; a. A. Hörnle, Jura 1998, S. 169 (181): „Die Gefahr muß fahrlässig herbeigeführt worden sein, § 18.“ 725 Vgl. § 320 Abs. 2 E 1960. 726 Vgl. § 320 Abs. 2 E 1962 und § 306 Abs. 2 E 6. StrRG. 727 Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 137 ff., 144 ff. 728 BT-Drucks. 13/8587, S. 13. 729 BT-Drucks. 13/8587, S. 87 f. 730 Wirsch, JuS 2006, S. 400 (401); ähnlich: Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 21: „Dies ergibt sich daraus, dass bei Abs. 2 nicht die abstrakte Gemeingefahr maßgebend ist . . ., sondern die konkrete Individualgefahr.“

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gefährdung aus einem gemeingefährlichen Angriff auf die in § 306a Abs. 2 benannten Tatobjekte erwachse, begrenzen aber den Schutzzweck trotz dessen allein auf den Gesundheitsschutz der gefährdeten Person.732 Die Gemeingefährlichkeit der Anzündung der Handlungsobjekte wird lediglich als unselbständige Voraussetzung der Gesundheitsgefährdung bewertet, der keine Relevanz für die Bestimmung des Schutzzwecks zukommt. Vorweg ist für den Fortgang der Untersuchung festzuhalten, dass angesichts der tatbestandlich geforderten konkreten Gesundheitsgefährdung die Intention des § 306a Abs. 2, (auch) den Gesundheitsschutz der gefährdeten Person zu verfolgen, nicht zu bestreiten ist. Doch entgegen der herrschenden Meinung lässt sich das in § 306a Abs. 2 beschriebene Unrecht nicht allein auf das Anliegen des Gesundheitsschutzes (einer einzelnen Person) reduzieren, sondern umfasst – ebenso wie § 306 Abs. 1 – auch den abstrakten Schutz von Leib, Leben und Eigentum, wie im Nachfolgenden gezeigt wird. a) Strafrahmenvergleich Einschneidende Bedenken gegenüber dem herrschenden Deutungskonzept des § 306a Abs. 2 ergeben sich aus einem Strafrahmenvergleich mit Normen, die ebenfalls, wenngleich nicht ausschließlich, den Gesundheitsschutz einer einzelnen Person verfolgen. So verlangt der Tatbestand der Aussetzung gem. § 221 Abs. 1, dass der Täter eine andere Person entweder in eine hilflose Lage versetzt (Nr. 1) oder diese in einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er sie in seiner Obhut hat und ihr beizustehen verpflichtet ist (Nr. 2), und dadurch vorsätzlich eine konkrete Todesgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung für die betroffene Person herbeiführt. Der Gefahrerfolg der „schweren Gesundheitsschädigung“ in § 221 Abs. 1 ist nicht mit den in § 226 Abs. 1 beschriebenen schweren Folgen identisch, sondern erfasst weitergehend jede drohende physische oder psychische Gesundheitsbeeinträchtigung, die von qualitativ einschneidender, langwieriger, qualvoller oder lebensbedrohender Natur ist.733 Der 731 Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 16: „konkretes Gefährdungsdelikt . . . zum Schutz der Gesundheit“; NK-StGB/Herzog, Vor § 306 ff. Rn. 4; SSW/Wolters, § 306a Rn. 23; Heghmanns, BT, Rn. 952; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 969; Wrage, JuS 2003, S. 985 (989): „. . . kein Delikt zum Schutz überindividueller Interessen, sondern ein konkretes Gefährdungsdelikt zum Schutz der individuellen Gesundheit eines anderen Menschen . . .“; Cantzler, JA 1999, S. 474 (476); Müller/Hönig, JA 2001, S. 517 (520). 732 Radtke, Dogmatik, S. 278: „§ 306 a Abs. 2 schützt damit das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit vor der generellen (Gemein)Gefährlichkeit der Ausführung einer Brandstiftung an oder in den Tatobjekten des § 306 Abs. 1“; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 3; Rengier, BT II, § 40 Rn. 35; LK/Wolff, § 306a Rn. 26. Lediglich hinsichtlich der Zulässigkeit einer Einwilligung der konkret gefährdeten Personen wird der Gemeingefährlichkeit bisweilen eine Sperrwirkung zugebilligt, dazu bei § 2 III. 2. b) bb) mwN. 733 NK-StGB/Neumann, § 221 Rn. 33; Fischer, § 221 Rn. 16, § 239 Rn. 15a.

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Schweregrad der Gesundheitsgefährdung nach § 221 Abs. 1 ist somit deutlich über dem der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 2 angesiedelt, die sich mit drohenden einfachen Körperverletzungen, wie leichten Verbrennungen, begnügt. Auf Basis der Einordnung des § 306a Abs. 2 als exklusiv dem Gesundheitsschutz dienendes Delikt bleibt unerfindlich, wie die gegenüber § 221 Abs. 1 vervierfachte (!) Mindeststrafandrohung von drei Monaten auf ein Jahr und die verdreifachte (!) Strafrahmenobergrenze von fünf auf 15 Jahre zu rechtfertigen ist. Selbst der berechtigte Einwand, dass angesichts der unberechenbaren Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer eine einfache Gesundheitsgefährdung leicht in eine schwerwiegendere Gesundheitsgefährdung oder gar eine Lebensgefährdung umschlagen könne, vermag dieses Gefälle nicht zu beseitigen, da § 221 Abs. 1 sowohl drohende schwere Gesundheitsschädigungen als auch Lebensgefährdungen umfasst. Ein ähnliches Bild ergibt der Vergleich mit der Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1 und dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1, die jeweils die (vorsätzliche) Verursachung einer konkreten Gefährdung für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert durch die dort beschriebenen Tathandlungen fordern. Auf Rechtsfolgenseite drohen beide Normen lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von maximal fünf Jahren an, obwohl die bislang herrschende (wenngleich nicht unbestrittene) Auffassung neben Leib, Leben und Eigentum vorrangig noch das Universalrechtsgut der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs als geschützt ansieht.734 Auch hier besteht aus der Perspektive der herrschenden Meinung eine erhebliche Diskrepanz im Kontrast zum scharfen Strafrahmen des § 306a Abs. 2, der angeblich allein dem Gesundheitsschutz dienen soll. Die dargelegten Bedenken verstärken sich nochmals beim Vergleich des § 306a Abs. 2 mit der schweren Körperverletzung gem. § 226. Diese sieht zwar in Abs. 2 – äquivalent zu § 306a Abs. 2 – eine Strafandrohung von ein bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe vor, verlangt aber im Gegenzug die absichtliche oder wissentliche Herbeiführung einer der in Abs. 1 beschriebenen schweren Folgen. Bei gleicher Strafandrohung wie § 306a Abs. 2 fordert § 226 Abs. 2 somit ein erheblich verschärftes Erfolgsunrecht – die Bewirkung einer tiefgreifenden und nachhaltigen Rechtsgutsverletzung und nicht bloß eine Rechtsgutsgefährdung – und ein gesteigertes Handlungsunrecht – nämlich absichtliches oder wissentliches Handeln.

734 Vgl. Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 978; Fischer, § 315b Rn. 2; NK-StGB/Herzog, § 315b Rn. 1: „Primäres Schutzgut ist somit die Sicherheit des Straßenverkehrs, die Rechtsgüter der einzelnen Verkehrsteilnehmer sind nachgeordnet vom Schutz erfasst . . .“; a. A. LK/König, § 315 Rn. 4: „Schutzgut der §§ 315b, 315c (316) ist die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs.“

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Der Strafrahmen- und Unrechtsvergleich zwischen § 306a Abs. 2 und §§ 221 Abs. 1, 226 Abs. 2, 315b Abs. 1, 315c Abs. 1 erzwingt jedenfalls dann die Einsicht, dass die Deutung des § 306a Abs. 2 als reiner „Leibesgefährdungstatbestand“ mit einer Strafobergrenze von 15 Jahren nicht legitimierbar ist, sofern die Prämisse Gültigkeit beansprucht, dass der Ausgestaltung der gesetzlichen Strafrahmen eine unrechtsproportionale Orientierung zugrunde liegt.735 Die verglichenen Normen, die (auch) der Bewahrung der körperlichen Integrität dienen, besitzen bei identischem (§§ 315b Abs. 1, 315c Abs. 1: konkrete Gesundheitsgefährdung) bzw. höherem Gefährdungsunrecht (§ 221 Abs. 1: konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung; §§ 221 Abs. 1, 315b Abs. 1, 315c Abs. 1: konkrete Lebensgefährdung) einen signifikant niedrigeren Strafrahmen als § 306a Abs. 2 oder sie setzen bei identischem Strafrahmen eine erhebliche Rechtsgutsverletzung (§ 226 Abs. 2) voraus. Angesichts dieses eklatanten Missverhältnisses ist es überraschend, dass die Legitimation des Strafrahmens des § 306a Abs. 2 auf Basis der herrschenden Deutung nur vereinzelt als problematisch wahrgenommen wird.736 Die aufgezeigte Strafrahmendiskrepanz lässt indiziell nur den Schluss zu, dass neben dem Gesundheitsschutz der konkret gefährdeten Person noch weitere Aspekte das Unrecht des § 306a Abs. 2 konstituieren müssen. b) Die konkrete Gesundheitsgefahr als Verdichtungsprodukt der abstrakten Gemeingefährlichkeit Die Strafrahmendiskrepanz zwischen § 306a Abs. 2 und §§ 221 Abs. 1, 315b Abs. 1, 315c Abs. 1, 226 Abs. 2 erinnert vor dem Hintergrund der These, § 306a Abs. 2 verfolge allein den Gesundheitsschutz, frappierend an die parallel gelagerte Problemstellung der Rechtfertigung des verschärften Strafrahmens des § 306 Abs. 1 gegenüber den §§ 303, 305, soweit die einfache Brandstiftung als Brandsachbeschädigung bewertet wird.737 Wie die Betrachtung des § 306 Abs. 1 ergeben hat, ist die unterschiedliche Sanktionsspanne zwischen § 306 Abs. 1 und den §§ 303, 305 durchaus erklärbar, denn erstere ist abstraktes gemeingefährliches Gefährdungsdelikt zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum, so dass hier höher gewichtete Schutzziele verfolgt werden. Indem § 306a Abs. 2 das zentrale Strukturmerkmal der §§ 306, 306a Abs. 1 aufgreift, gemeingefährliche Situationen (Gefahrenquellen) abstrakt vermittels des brandbedingten Angriffs auf spezifische Tatobjekte zu charakterisieren, wird deutlich, dass dieser Aspekt – die abstrakte Gefährlichkeit für Leib, Leben und Eigentum – auch bei der Bestimmung des normspezifischen Unrechts des § 306a Abs. 2 zu berücksichtigen

735

BVerfG, NJW 2002, 1779 (1783); Hettinger, in: FS Küper, 95 (98 ff.). Ebenfalls kritisch Radtke, Dogmatik, S. 276; a. A. Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 101. 737 Vgl. § 2 I. 1. a) bb). 736

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ist.738 Insofern passend verweisen die Reformmaterialien zu § 306a Abs. 2 – wiederum parallel zu § 306 Abs. 1 – explizit auf die Gemeingefährlichkeit bzw. -schädlichkeit der Tathandlung.739 In diesem Kontext verdeutlicht sich erneut, wie wegweisend die Entkoppelung des Schutzzwecks des § 306 Abs. 1 von der eigentumsrechtlichen Beschränkung der Tatobjekte und die Zuwendung zur „Gefährdungslösung“ auch für die Auslegung des § 306a Abs. 2 ist. Denn wird die abstrakte Gemeingefährlichkeit als eigentliches Unrecht des § 306 Abs. 1 geleugnet, so lässt sich dieser Gedanke eben für § 306a Abs. 2 nicht mehr fruchtbar machen, der ersichtlich auf den Strukturen der einfachen Brandstiftung basiert. Die herrschende Sicht muss sich zudem die Frage gefallen lassen, aufgrund welcher Umstände sie § 306a Abs. 2 – im Gegensatz zu § 306 Abs. 1 – als gemeingefährliches Delikt klassifiziert.740 Es ist nicht plausibel, § 306a Abs. 2 (im Gegensatz zu § 306 Abs. 1) allein aufgrund des Eintritts einer vorsätzlichen konkreten Individualrechtsgutsgefährdung als gemeingefährliches Delikt anerkennen zu wollen. Die Berücksichtigung der abstrakten Gefährlichkeit als ein unrechtskonstitutiver Aspekt des § 306a Abs. 2 wird schließlich nicht durch die zugleich geforderte konkrete Gesundheitsgefährdung eines anderen Menschen in Frage gestellt. Ein Brandherd, verstanden als abstrakte Gefahrenquelle, beinhaltet ein hetereogenes Bündel diverser Risiken, von denen sich einzelne zu nahegerückten Gefährdungen oder Verletzungen konkretisieren können, ohne dass hierdurch die generelle Gefährlichkeit als solche aufgezehrt würde. Die konkrete Leibesgefährdung als Verdichtungsprodukt der abstrakten Grundgefährlichkeit ist – bildlich gesprochen – die über der Wasseroberfläche herausragende „Spitze des Eisbergs“, verkörpert jedoch nicht den „gesamten Eisberg“, die Summe aller abstrakt möglichen Gefährdungen. Die abstrakte generelle Gefährlichkeit der Tat wird vielmehr durch die partielle Konkretisierung einzelner Risiken zu konkreten Gesundheitsgefährdungen bestätigt und erfährt hierdurch eine Akzentuierung. Passgenau bemerken Gössel/Dölling, dass der konkreten Gesundheitsgefährdung in § 306a Abs. 2 nicht die Aufgabe zufallen könne, „. . . die schwere Brandstiftung partiell von einem gemeingefährlichen Delikt in einen dem Schutz von Individualrechtsgütern dienenden Tatbestand umzuwandeln.“ 741 738 Für eine stärkere Berücksichtigung der Gemeingefährlichkeit in § 306a Abs. 2 plädiert auch Fischer, § 306a Rn. 10b. 739 BT-Drucks. 13/8587, S. 87: „Jedoch wird in Abs. 2 [Anmerkung = § 306 Abs. 2 E 6. StrRG BReg = § 306a Abs. 2 StGB n. F.] nicht auf die Eigentumslage am Tatobjekt abgestellt, weil letzteres hier nicht selbst Schutzgut ist, sondern ausschließlich dazu dient, die Gemeingefährlichkeit bzw. -schädlichkeit der Tathandlung zum Ausdruck zu bringen. Auch eine Beschränkung auf tätereigene Tatobjekte ist nicht geboten. Vielmehr erscheint es im Hinblick auf die entsprechenden Auslegungsprobleme beim geltenden § 308 zweite Alternative . . . sachgerecht klarzustellen, daß auch herrenlose und solche fremden Tatobjekte erfaßt sind, die mit Einwilligung ihres Eigentümers angezündet werden.“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 17. 740 Rengier, BT II, § 40 Rn. 1; Kindhäuser, BT 1, § 64 Rn. 1 741 Gössel/Dölling, BT 1, § 41 Rn. 25; Fischer, § 306a Rn. 10b.

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Letztlich berücksichtigt die herrschende Auffassung immerhin die abstrakte Gemeingefährlichkeit der Tat, wenngleich aber nicht offen auf der Ebene des Schutzzwecks, indem einhellig gefordert wird, dass die konkrete Gesundheitsgefährdung im Wege des spezifischen Gefahrzusammenhangs aus der allgemeinen Grundgefährdung, der Inbrandsetzung bzw. der Zerstörung durch Brandlegung der in § 306a Abs. 2 genannten Tatobjekte, erwachsen müsse.742 Die so geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr muss sich also im konkreten Gefährdungserfolg realisiert haben. Zu konstatieren ist damit, dass das tatspezifische Unrecht des § 306a Abs. 2 sowohl auf der konkreten Gesundheitsgefährdung einer anderen Person als auch auf der abstrakt-generellen Gefährlichkeit der Tat für Leib, Leben und Eigentum beruht.743 c) Fazit zu Unrecht und Deliktstypus des § 306a Abs. 2 Zusammenfassend ist § 306a Abs. 2 als Unikum zu bezeichnen, weil sich das normspezifische Unrecht aus unterschiedlich verdichteten Gefährdungsgraden komponiert. Einerseits baut § 306a Abs. 2 auf dem Gedanken der abstrakten – sehr weit gezogenen – brandbedingten Grundgefährdung für Leib, Leben und Eigentum entsprechend zu § 306 Abs. 1 auf, und knüpft andererseits zugleich an die vorsätzlich bewirkte konkrete Gesundheitsgefährdung einer anderen Person an. Obwohl die Bezugnahme auf die konkrete Individualrechtsgutsgefährdung eine Durchbrechung der abstrakten Natur der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 beinhaltet, so lässt sich § 306a Abs. 2 im Ergebnis doch nahtlos in die Systematik des Brandstrafrechts integrieren.744 Der Eintritt konkreter Gefahr qualifiziert das von §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 2 beschriebene brandbedingte Grundunrecht und die Tat ist, wie der Brandstifter auch erkannt hat, konkret gefährlich. Demgegenüber verlangen §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 nicht, dass der Täter überhaupt die 742 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 100; Fischer, § 306a Rn. 11; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 47 f.; Geppert, Jura 1998, S. 597 (602); Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 37 Rn. 36: „Die Bewertung der Tat nach § 306a Abs. 2 als schwere Brandstiftung ist deshalb gerechtfertigt, weil sich die (auch) der Inbrandsetzung von Gegenständen nach § 306 I innewohnende (gegenüber § 306a I abgeschwächte) abstrakte Gefährlichkeit zu einem konkreten Gefahrerfolg (Gesundheitsgefährdung) verdichtet hat.“; Duttge, Jura 2006, S. 15 (17): „. . . lässt sich gegenüber dieser zunächst noch immer bloß abstrakten Gefährdung bei einer Verdichtung der Gefährdungssituation i. S. d. § 306a II (konkrete Gesundheitsgefahr) teleologisch eine Unrechtssteigerung erkennen.“ 743 Der Standpunkt Radtkes zu dieser Frage ist, wie schon bei § 306a Abs. 1 [vgl. § 2 II. 1. c)] inkonsequent, denn einerseits sieht er (auch) Leib, Leben und Eigentum durch § 306 Abs. 1 als geschützt an [vgl. § 2 I. 1. b)], anderseits negiert er diesen Gedanken für die Auslegung § 306a Abs. 2, da allein durch den konkreten Gefährdungserfolg der notwendige Rechtsgutbezug vermittelt werde (MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 4). 744 A. A. MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 43.

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Möglichkeit von Gefährdungen und/oder Verletzungen (abgesehen von eventuellen Eigentumsverletzungen des Handlungsobjekts) in sein Bewusstsein aufgenommen hat. Entgegen bisweilen geäußerter Kritik ist die gesetzliche Anknüpfung an eine einfache Gesundheitsgefährdung durchaus plausibel, denn deren Eintritt bedingt notwendigerweise den vom Täter in Kauf genommenen Personenaufenthalt im Einwirkungsbereich des Gefahrenherdes.745 Da die Auswirkungen des Brandes und somit der konkrete Gefährdungsgrad nicht sicher kalkulierbar sind, wird in nicht wenigen Fällen die (einfache) vorsätzliche Gesundheitsgefährdung zugleich mit einer drohenden schweren Gesundheitsschädigung bzw. einer Lebensgefährdung verbunden sein. Letztlich ist die teleologischen Versteifung auf den konkreten Gesundheitsschutz einer einzigen Person in § 306a Abs. 2 ein weiterer Beleg für die anhaltende sachwidrige Verengung des Schutzzwecks eines Brandstiftungsdelikts, aufgrund der Negation der generellen (Gemein-)Gefährlichkeit der Tat für Leib, Leben und Eigentum. Insoweit ist § 306a Abs. 2 jüngstes „Opfer“ der bereits zu §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 aufgezeigten „Konkretisierungstendenz“.746 Fischer beklagt zu Recht, dass die Deutung des § 306a Abs. 2 als allgemeines Gesundheitsgefährdungsdelikt die abstrakte Gefährlichkeit der Tat vollends negiere.747 Obwohl die (mittlerweile aufgegebene) Einschätzung Rengiers, § 306a Abs. 2 sei abstraktes Gefährdungsdelikt,748 angesichts des verlangten konkreten Gefahrerfolgs in dieser Form nicht haltbar war, so liegt dieser Auffassung doch die berechtigte Erkenntnis zugrunde, dass die abstrakte Gefährlichkeit nicht nur faktische Grundlage der konkreten Gefährdung, sondern zugleich Unrechtsfundament des § 306a Abs. 2 ist, das bei der Bestimmung des Deliktstypus entsprechend zu würdigen ist.749 Um der besonderen Ausformung des Gefährdungsunrechts angemessen Rechnung zu tragen, ist § 306a Abs. 2 als gemeingefährliches abstraktes Gefährdungsdelikt zu klassifizieren, das zusätzlich durch eine vorsätzlich bewirkte konkrete Gesundheitsgefährdung qualifiziert wird.750 § 306a Abs. 2 ist somit eine Kombination aus abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt, aber kein neuer Deliktstypus. Der Normappell des § 306a Abs. 2 lautet daher nicht: 745

Kritisch: Schroeder, GA 1998, S. 571 (573). Vgl. § 1 B. V. und § 2 II. 2. b) cc). 747 Fischer, § 306a Rn. 10b. 748 Rengier, JuS 1998, S. 397 (399): „306a II ersetzt – mit inhaltlichen Änderungen – den früheren § 308 I Alt. 2. Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bei dem der eingetretene konkrete Gefahrerfolg dazu dient, die Gemeingefährlichkeit zum Ausdruck zu bringen.“ 749 Rengier, BT II, § 40 Rn. 35. 750 So zutreffend: Jäger, BT, Rn. 513; vgl. auch König, der mit Blick auf die §§ 315b Abs. 1, 315c Abs. 1 die Einschätzung vertritt, diese würden als konkrete Gefährdungsdelikte Züge abstrakter Gefährdungsdelikte aufweisen, LK/König, § 315c, Rn. 1, § 315b Rn. 2. 746

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„Gefährde nicht vorsätzlich die Gesundheit einer anderen Person durch Feuer“, sondern: „Eröffne nicht vorsätzlich eine brandbedingte Gefahrenquelle und gefährde nicht hierdurch vorsätzlich die Gesundheit einer anderen Person.“

2. Auslegungsfragen zu § 306a Abs. 2 a) Der Tatobjektskatalog des § 306a Abs. 2 aa) Zum Verweis auf die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 Eine der zunächst strittigen Auslegungsfragen des neuen § 306a Abs. 2 war der Umfang der Bezugnahme auf die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 Nr. 1–6. Unklar war, ob sich der Verweis in § 306a Abs. 2 („Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache . . .“) allein auf die in Nr. 1–6 genannten Tatobjekte oder zusätzlich auch auf die eigentumsrechtliche Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte bezieht oder ob – so zunächst Fischer751 – im Wege einer einschränkenden Auslegung nur tätereigene und herrenlose Tatobjekte erfasst seien. Mittlerweile gehen Rechtsprechung und Lehre einhellig davon aus, dass sich der Verweis in § 306a Abs. 2 auf „eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache“ exklusiv auf die Tatobjekte, nicht aber auf das räumlich vor der Nr. 1 angesiedelte Adjektiv „fremd“ bezieht, so dass tätereigene, täterfremde und herrenlose Tatobjekte tauglich sind.752 Obwohl einzuräumen ist, dass sich die ausschließliche Bezugnahme auf die Tatobjekte nicht zwingend aus dem Wortlaut ableiten lässt, so ist dies die einzige sinnvolle Auslegungsoption.753 Denn eine Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte wäre unter teleologischen Gesichtspunkten mit dem Schutzzweck der Norm inkompatibel und zwar unabhängig davon, ob § 306a Abs. 2 allein oder auch dem Gesundheitsschutz der durch die Tatbegehung gefährdeten Person dient.754 Im Fall der Existenz einer eigentumsrechtlichen Beschränkung der Tatobjekte in § 306a Abs. 2 wäre nicht recht erklärbar, in welchem Kontext die eingetretene konkrete Personengefährdung zu den Eigentumsverhältnissen am Tatobjekt steht.755 Diese Annahme stützen auch

751 So Fischer, NStZ 1999, S. 13 (14); aufgegeben in: Fischer, § 306a Rn. 10a; kritisch: Immel, StV 2001, S. 477 (479). 752 BGH, NStZ 1999, S. 32 (33); NStZ-RR 2000, S. 209; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 91 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 281; Geppert, Jura 1998, S. 597 (602); Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 17; SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 25; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 98. 753 Kritisch: Schroeder, GA 1998, S. 571 (573): „Jedenfalls handelt es sich um ein Gesetz, das nur von Juristen lesbar ist.“; Fischer, NStZ 1999, S. 13 (14). 754 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 107; Knauth, Jura 2005, S. 230 (231). 755 Zudem müsste im Falle der Lesart der Beschränkung des § 306a Abs. 2 auf „fremde“ Tatobjekte die Norm als qualifizierte Brandsachbeschädigung gedeutet werden. Dies wäre eine fragwürdige Deutung, auch wenn erneut kritisch anzumerken ist,

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die Reformmaterialien, in denen explizit die Intention zum Ausdruck kommt, § 306a Abs. 2 unabhängig von den Eigentumsverhältnissen am Tatobjekt zu gestalten, um gezielt die Probleme, die aus der Beschränkung des § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. auf tätereigene Tatobjekte folgten und die in der umstrittenen „berichtigenden Auslegung“ gipfelten, zu vermeiden.756 Auch die hier vertretene Deutung der Beschränkung auf „fremde“ Tatobjekte in § 306 Abs. 1 als Ausdruck der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung stützt die Unbeachtlichkeit der Eigentumsverhältnisse in § 306a Abs. 2, denn die exzeptionelle Begünstigung des Eigentümers stand konzeptionell immer unter der Bedingung, dass durch die Tatbegehung keine weitergehenden Gefährdungen geschaffen wurden.757 Von einer ungefährlichen Eigentümerbrandstiftung kann dann nicht mehr die Rede sein, sofern eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer konkreten Gesundheitsschädigung gebracht wurde. Insoweit nimmt § 306a Abs. 2 im Falle der vorsätzlichen und § 306d Abs. 1, Var. 3 im Falle der fahrlässigen Verursachung der konkreten Gesundheitsgefährdung auch die Funkion der mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. ein, die Straffreiheit des Eigentümers im Rahmen des § 306 Abs. 1 zu begrenzen.758 Ein markanter Unterschied zu dem allein an tätereigene Tatobjekte anknüpfenden § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. ist jedoch, dass § 306a Abs. 2 – wie gezeigt – unabhängig von der Eigentumslage am Tatobjekt ausgestaltet ist. Somit ist das Anliegen der „berichtigenden Auslegung“ zu § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F. schlussendlich Gesetz759 geworden und § 306a Abs. 2 hat sich so zu einem eigenständigen dritten Grundtatbestand des Brandstrafrechts neben §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 entwickelt. Die komplementäre Ergänzung des § 306 Abs. 1 im Sinne der Beschränkung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung ist deshalb nur (noch) eine Teilfunktion.760 dass die hM an anderer Stelle durchaus bereit ist, sogar weitergehend das Konstrukt einer körperverletzungs- und todeserfolgsqualifizierten Sachbeschädigung gem. §§ 306 Abs. 1, 306b Abs. 1, 306c zu akzeptieren, dazu vgl. § 2 I. a) cc) (1). 756 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 757 Ähnlich Knauth, Jura 2005, S. 230 (231): „Man kann folgendes konstatieren: Grundsätzlich dann, wenn der strafrechtliche Schutz der Gesundheit oder des Leibes eines Brandgefährdeten im Vordergrund steht, werden die Eigentumsverhältnisse an dem tauglichen Tatobjekt (tätereigen, herrenlos, fremd) irrelevant.“; hierzu bereits bei § 1 A. III. 4. b) bb). 758 Ähnlich SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 26; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/ Stein, Einführung, S. 98; zur Begrenzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im gegenwärtigen Recht bei § 2 I. 1. c) cc) (1). 759 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 760 Im Unterschied zur mittelbaren Brandstiftung gem. § 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F., die vom Strafrahmen her auf dem Niveau der unmittelbaren (einfachen) Brandstiftung nach § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. angesiedelt war (Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren), ist § 306a Abs. 2 diesbezüglich der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 gleichgestellt, vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 22.

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bb) Zum Verweis auf den partiell nichtigen Tatobjektskatalog des § 306 Abs. 1 Die teilweise Nichtigkeit des Tatobjektskatalogs der § 306 Abs. 1 Nr. 2 und 6 aufgrund der Verletzung des Bestimmtheitsgebotes gem. Art. 103 Abs. 2 GG gilt auch, soweit § 306a Abs. 2 auf § 306 Abs. 1 verweist.761 Eine überzeugende systematische oder teleologische Einschränkung des zu weit geratenen Wortlauts der Nr. 2 und 6 ist auch im Falle der Bezugnahme durch § 306a Abs. 2 nicht möglich, denn die schwere Brandstiftung basiert – ebenso wie § 306 Abs. 1 – auf der Intention der Erfassung des brandspezifischen Gefährdungsunrechts. Schließlich bestätigt auch der Verweis des § 306a Abs. 2 auf die Tatobjekte des § 306 Abs. 1, dass § 306 Abs. 1 nicht der Gedanke des konkreten Eigentumsschutzes am Tatobjekt zugrunde liegen kann. Denn wäre deren Auswahl tatsächlich unter vermögensrechtlichen Gesichtspunkten erfolgt, dann erschiene die Anknüpfung an die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 durch § 306a Abs. 2 unverständlich, wie denn auch von Teilen des Schrifttums kritisiert wird, da beide Normen vollkommen ungleiche Anliegen verfolgen.762 Soweit die einfache Brandstiftung im Sinne der „Gefährdungslösung“ gedeutet wird, ist hingegen die Anknüpfung des § 306a Abs. 2 an die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 ohne weitere Komplikationen nachvollziehbar. Eine bislang noch unerörterte Fragestellung hinsichtlich der Tatobjekte des § 306a Abs. 2 ist, inwieweit diese einer einschränkenden Auslegung unter Wert-, Quantitäts- bzw. Gemeingefährlichkeitsgesichtspunkten zugänglich sind.763 Im Schrifttum begnügen sich die zahlreichen Ausführungen in diesem Kontext lediglich mit dem Verweis auf die Darstellungen zu § 306 Abs. 1, ohne dass sich hieraus klar entnehmen lässt, inwieweit die Vorschläge einer restriktiven Handhabung des Tatobjektskatalogs des § 306 Abs. 1 auch auf § 306a Abs. 2 übertragbar sind.764 Sollte jedoch eine Orientierung an der einschränkenden Voraussetzung eines erheblichen Wertes der Tatobjekte des § 306a Abs. 2 erwogen werden, so wäre ein solcher Vorschlag nicht gangbar, da dieses Einschränkungskriterium eng mit der verbreiteten Einordnung des § 306 Abs. 1 als Sachbeschädigungsdelikt verbunden ist, während § 306a Abs. 2 demgegenüber ausschließlich dem Gesundheitsschutz verhaftet sein soll.765 Es wäre eine offensichtliche Unstim761

Dazu bereits eingehend bei § 2 I. 2. c). Kritisch: Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 99; Radtke, Dogmatik, S. 281. 763 Zu dieser Frage bei § 306 vgl. § 2 I. 2. c) dd). 764 LK/Wolff, § 306a Rn. 28; Lackner/Kühl, § 306a Rn. 7; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 16 f.; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 44; Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306a Rn. 16. 765 LPK/Kindhäuser, § 306a Rn. 11; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 98 f.; Fischer, § 306a Rn. 10; SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 23; Sch/Sch/ Heine, § 306a Rn. 16. 762

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migkeit, bei einem (nach herrschender Ansicht ausschließlich) dem Gesundheitsschutz dienenden Delikt wertorientierte Einschränkungskriterien zu postulieren. So hinge die Strafbarkeit gem. § 306a Abs. 2 – wohl gemerkt ein Verbrechenstatbestand mit einer Strafobergrenze von 15 Jahren – davon ab, ob der Wert eines in Brand gesetzten Pkw, durch den eine konkrete Gesundheitsgefährdung verursacht wird, bei 300 A – dann untauglich – oder bei 1.500 A – dann tauglich – zu veranschlagen wäre. Und selbst bei tätereigenen oder herrenlosen Tatobjekten müssten dann vermögensrechtliche Bewertungen ausschlaggebend sein, was zeigt, dass Forderungen nach einer vermögensrechtlich gefärbten Einschränkung für § 306a Abs. 2 schlicht absurd wären. Im Übrigen wäre in dem Fall, dass für die Tatobjekte des § 306a Abs. 2 – in Gegensatz zu denen des § 306 Abs. 1 – auf wertorientierte Einschränkungen verzichtet würde, ein partielles Auseinanderdriften der Tatobjektskataloge unvermeidbar. Die Anzündung eines fremden Pkw, der nur einen Verkehrswert von 300 A und damit keinen erheblichen Wert besitzt, würde dann nicht zur Verwirklichung des § 306 Abs. 1 Nr. 4 ausreichen, wohl aber für die Einschlägigkeit des § 306a Abs. 2 genügen, soweit der Täter vorsätzlich eine konkrete Gesundheitsgefahr hervorruft. Auch dies kann offensichtlich nicht überzeugen. Da §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 2 nach der hier vertretenen Sichtweise einem prinzipiell identischen Anliegen dienen, nämlich vermittels der Inbrandsetzung bzw. der Zerstörung durch Brandlegung der Tatobjekte die Gemeingefährlichkeit der Tat zu kennzeichnen, ist eine einheitliche Bestimmung der Tatobjekte für beide Normen nicht nur begründbar, sondern geboten. b) Der konkrete Gefährdungserfolg § 306a Abs. 2 setzt die konkrete Gefahr der Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen voraus, d. h. den Eintritt eines Zustandes, in dem die nahegerückte – nicht bloß theoretische – Wahrscheinlichkeit einer Gesundheitsschädigung besteht. Das Rechtsgut muss in eine kritische und existenzbedrohende Situation geraten und der Nichteintritt des Schadens darf letztlich allein dem Zufall zu verdanken sein.766 Die inhaltlichen Anforderungen an den konkreten Gefahrerfolg unterscheiden sich nicht von dem anderer konkreter Gefährdungsdelikte und bedürfen daher keiner näheren Erörterung.767 Allein der Einschätzung Schroeders, dass ein solcher Gefährdungserfolg regelmäßig durch die Personenanwesenheit in der Nähe des Tatorts begründet werde, so dass bereits ein gewöhnlicher Feuerwehreinsatz zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals genüge,

766 Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848 (874); Fischer, § 306a Rn. 11; BGH, NStZ 1999, S. 32 (33) mwN. 767 Sch/Sch/Heine, Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 5 f.

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muss eine klare Absage erteilt werden.768 Zum einen ist immer der prozessuale Nachweis einer konkreten Gesundheitsgefahr erforderlich, was z. B. hinsichtlich der Gefährdungen durch Rauchgase mitunter schwierige Sachverhaltsauslotungen erfordert, da Gase höchst flüchtig sind und ihre Gefährlichkeit maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls (Zusammensetzung, Konzentration, Expositionszeit der betroffenen Person) abhängt. Daher kann die Anwesenheit von professionellen Helfern am Tatort und deren Konfrontation mit toxischen Rauchgasen nicht „automatisch“ als Eintritt einer konkreten Gesundheitsgefahr bewertet werden, zumal diese Personen entsprechende Vorkehrungen getroffen haben werden (umgebungsluftunabhängigen Atemschutz und Brandschutzkleidung), um unmittelbar drohende Gefahren zu neutralisieren.769 In diesem Fall kann der Situation nur noch eine abstrakte, nicht tatbestandsrelevante Gefährlichkeit attestiert werden. Im Hinblick auf den Zusammenhang des konkreten Gefahrerfolgs mit dem Schutzzweck des § 306a Abs. 2 sind dogmatisch drei Probleme von besonderem Interesse, nämlich ob Tatbeteiligte – analog zur Debatte bei §§ 315b Abs. 1, 315c Abs. 1 – generell als taugliche Gefährdungsopfer klassifiziert werden können und ob durch das Einverständnis bzw. die Einwilligung des Gefährdeten die Tatbestandsverwirklichung bzw. deren Rechtswidrigkeit exkludiert ist. Schlussendlich wird die Zurechenbarkeit von Rettergefährdungen im Rahmen des § 306a Abs. 2 zu thematisieren sein. aa) Tatbeteiligte als taugliche Gefährdungsopfer Umstritten und von der Rechtsprechung bislang noch nicht entschieden ist, inwieweit Tatbeteiligte taugliche Gefährdungsopfer des § 306a Abs. 2 sind.770 Teile des Schrifttums betrachten alle Tatbeteiligten als taugliche Gefährdungsopfer, freilich mit Ausnahme des unmittelbar handelnden Täters, der gegenüber sich selbst kein „anderer Mensch“ ist.771 Demgegenüber plädiert die Gegenauffassung dafür, jedenfalls Mittäter nach § 25 Abs. 2 von vornherein aus dem Kreis der tauglichen Gefährdungsopfer auszugrenzen.772 Diese seien aufgrund ihrer Stel768 Schroeder, GA 1998, S. 571 (573); Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 98; ähnlich: Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 7. 769 Ähnlich: Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 19; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 45; Eisele, BT I, Rn. 792. 770 Müller/Hönig, JA 2001, S. 517 (521); Wirsch, JuS 2006, S. 400 ff. 771 Wirsch, JuS 2006, S. 400 (401 f.); Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 2; Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306a Rn. 21. 772 Diese Frage ist dann relevant, wenn z. B. aus Versehen ein Mittäter anstelle einer dritten Person gefährdet wird. Dann ist zunächst zu entscheiden, ob die Gefährdung des Mittäters grundsätzlich zurechenbar ist, bevor zu überprüfen ist, ob eine gem. § 16 Abs. 1 S. 1 wesentliche Abweichung des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf vorliegt.

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lung als Mittäter dem Wortlaut nach nicht als anderer Mensch im Sinn des § 306a Abs. 2 anzusehen.773 Dagegen wird zutreffend eingewandt, dass aus der Perspektive des die Gefahr eigenhändig verursachenden Mittäters der gefährdete Mittäter noch immer wortlautkonform ein „anderer“ Mensch ist.774 Die gemeinschaftliche Verwirklichung einer Straftat gem. § 25 Abs. 2 führt nicht dazu, dass die Mittäter als eine (fiktive) Person im Rechtssinne zu behandeln wären.775 Weitergehend erwägen Müller/Hönig den pauschalen Ausschluss von Teilnehmern gem. §§ 26, 27 als taugliche Gefährdungsopfer in Entsprechung zu Forderungen bei § 315c Abs. 1, denn diese seien keine „Repräsentanten der Allgemeinheit“ und stünden auf der Seite des Täters.776 Aber auch diese Überlegung erweist sich als nicht zielführend, zumal der Diskussionsstand bei § 315c Abs. 1 nicht unbesehen auf § 306a Abs. 2 übertragen werden kann. Die Rechtsprechung hatte den Ausschluss von Tatbeteiligten als taugliche Gefährdungssubjekte bei der Vorgängernorm des § 315c Abs. 1, der Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315a StGB a. F., unter anderem damit begründet, dass diese keine „Repräsentanten der Allgemeinheit“ seien.777 § 315a StGB a. F. verlangte nämlich die Herbeiführung einer konkreten Gemeingefahr, die in § 315 Abs. 3 StGB a. F.778 als die Gefahr für Leib und Leben, sei es auch nur eines einzelnen Menschen, oder

773 MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 50; Lackner/Kühl, § 306a Rn. 7; Wrage, JuS 2003, S. 985 (989). 774 Rengier, BT II, § 40 Rn. 37; SK-StGB/Wolters, Vor § 306 Rn. 9; Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 2; Wirsch, JuS 2006, S. 400 (401); entsprechend zu § 315c Hillenkamp, JuS 1977, S. 166 (169). 775 Wirsch JuS, 2006, S. 400 (401); BGHSt 11, 268 (270); dazu mwN LK/Schünemann, § 25 Rn. 177. 776 Müller/Hönig, JA 2001, S. 517 (521): „Problematisch ist – wie auch bei § 315c StGB – ob Tatbeteiligte auch Tatobjekt des § 306 II StGB sein können. Nach wohl überwiegender Ansicht scheiden Tatbeteiligte aus, da sie nicht die Allgemeinheit repräsentieren und folglich nicht Schutzobjekt des gemeingefährlichen Delikts des § 306 a II StGB sein können.“; a. A. Wirsch, JuS 2006, S. 400 (402). 777 BGHSt 6, 100 (102); 11, 199 (203): „Gefährdet der betrunkene Kraftfahrer nur sich selbst, so führt er dadurch schon nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Gemeingefahr herbei. Aus dem geschützten Personenkreis sind aber auch die an sich zum Publikum gehörenden Tatteilnehmer im Sinne der §§ 47–49 StGB auszunehmen (BGHSt 6, 100). Sie stehen für die rechtliche Beurteilung auf der Seite des Täters und nicht stellvertretend für die Gemeinschaft. Dem Wortlaut des § 315 Abs. 3 StGB ist diese Ausnahmestellung des genannten Personenkreises zwar nicht zu entnehmen; sie folgt jedoch aus rechtslogischen Erwägungen. Denn der Kraftfahrer selbst und etwaige Teilnehmer im Sinne der §§ 47 ff. StGB, die nur sich selbst auf eine der in § 315a beschriebenen Begehungsweisen in Gefahr bringen, können des strafrechtlichen Schutzes nicht teilhaftig werden, den das Gesetz gerade anderen, durch sie gefährdeten Verkehrsteilnehmern zugedacht hat.“; dazu Bender, NJW 1959, S. 326 f.; Hartung, NJW 1960, S. 1417 ff.; Horn, JZ 1964, S. 646 ff.; ähnlich BGHSt 27, 40 (43); kritisch: LK/ König, § 315c Rn. 160, § 315b Rn. 71 ff. 778 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935, RGBl. I (1935), S. 839 ff.; dazu LK/König, § 315 Entstehungsgeschichte IV 2.

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für bedeutende Sachwerte, die im fremden Eigentum stehen oder deren Vernichtung gegen das Gemeinwohl verstößt, legal definiert wurde.779 Dadurch bestand die Notwendigkeit, die so per Legaldefinition „individualisierte“ konkrete Gemeingefahr (die eben nicht – wie heute – als die konkrete Gefährdung einer unbestimmten [Mehr-]Zahl von Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert verstanden wurde)780 von der ordinären konkreten Individualgefährdung abzuschichten. Um diese Abgrenzung zu gewährleisten, knüpfte die Rechtsprechung bei § 315a StGB a. F. an das Kriterium der Repräsentation der Allgemeinheit durch die konkret gefährdete Person an und qualifizierte Tatbeteiligte als untaugliche (Gemein-)Gefährdungsopfer.781 Seit der Aufspaltung des § 315a StGB a. F. in §§ 315b, 315c782 und der Streichung der konkreten Gemeingefahr in § 315 Abs. 3 StGB a. F. unter Zuwendung zur konkreten Individualgefahr, hält die Rechtsprechung – trotz vielfach geäußerter Kritik783 – im Ergebnis am Ausschluss von Tatbeteiligten fest, operiert argumentativ aber nicht mehr mit dem Kriterium der „Repräsentation der Allgemeinheit“.784 Vielmehr verweist der Bundesgerichtshof darauf, dass der Ausschluss von Tatbeteiligten teleologisch geboten sei, da die Norm dem Schutz Dritter diene, die durch die Tat überrascht würden, und nicht dem Schutz einer sich an der Gefährdung Dritter beteiligenden Person.785 Daher überzeugt es nicht, das von der konkreten Gemeingefahr gem. § 315a Abs. 3 StGB a. F. abgeleitete Kriterium der Repräsentation der Allgemeinheit, das dazu diente, diese von der konkreten Individualgefährdung abzugrenzen, nun auf die konkrete Individualgefahr innerhalb des neu geschaffenen § 306a Abs. 2 zu übertragen.786 Zudem dient § 306a Abs. 2, anders als § 315c Abs. 1 nach überwiegender Ansicht,787 nicht auch dem Schutz eines Universalrechtsguts, son-

779

Eingehend zu § 315 StGB a. F. Radtke, Dogmatik, S. 129 ff. Fischer, § 243 Rn. 21; NK-StGB/Kindhäuser, § 243 Rn. 38, vgl. § 2 I. 1. b) aa). 781 BGHSt 11, 199 (203). 782 So geschehen durch das zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26. November 1964, BGBl. I (1964), S. 921 ff. Kritisch zur Ausgestaltung der konkreten Gemeingefahr nach § 315 Abs. 3 StGB a. F. Radtke, Dogmatik, S. 133: „Entweder man betreibt Etikettenschwindel und läßt Individualgefahr als Gemeingefahr firmieren oder die Ergebnisse, wann konkrete Gemeingefahr als eine eine Vielzahl von Rechtsgutsträgern betreffende vorliegt, sind zu einem guten Teil zufällig.“ 783 Eingehend: LK/König, § 315b Rn. 74, § 315c Rn. 160. 784 Vgl. BGH, NJW 1989, S. 1227 f.; zu § 315b Abs. 1 siehe BGH, NJW 1991, S. 1120; kritisch: Rengier, BT II, § 44 Rn. 8. 785 BGH, NJW 1991, S. 1120. 786 Geppert, Jura 1998, S. 597 (602 f.). 787 Zur umstrittenen Frage der Berücksichtigung des Universalinteresses an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs bei § 315c Abs. 1, LK/König, § 315c Rn. 3 mwN. 780

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dern allein dem Schutz der Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum. Beide Normen sind teleologisch nicht vergleichbar. Der Ausschluss von Tatbeteiligten bei § 315c Abs. 1 beruht – unbeschadet der Frage, ob dieser sachgerecht ist – auf Gründen, die nicht unbesehen auf den neu geschaffenen § 306a Abs. 2 aufgepfropft werden können. Somit sind Tatbeteiligte grundsätzlich taugliche Gefährdungsopfer und ein pauschaler Ausschluss dieser Personengruppe allein aufgrund ihrer Beteiligung am Tatgeschehen lässt sich weder aus dem Schutzzweck des § 306a Abs. 2 noch aus dem Charakter als gemeingefährliches Delikt ableiten.788 Zudem ist dem Strafrecht eine Verwirkung des strafrechtlichen Schutzes allein aufgrund der Beteiligtenstellung fremd.789 Ein Zurechnungsausschluss bzw. das Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes kann jedoch aufgrund der Zustimmung des gefährdeten Beteiligten in seine Gefährdung zu erwägen sein. bb) Zur Beachtlichkeit der Zustimmung des Gefährdeten Inwieweit die Verwirklichung der schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 2 durch die Zustimmung der konkret gefährdeten Person ausgeschlossen wird, ist umstritten. Überwiegend wird danach differenziert, ob sich der Gefahrerfolg als eigenverantwortliche Selbst- oder einverständliche Fremdgefährdung darstellt. In ersterem Fall entfalle bereits die tatbestandliche Zurechenbarkeit des Gefährdungserfolgs zum Nachteil des Täters, während im Rahmen der Fremdgefährdung die Zustimmung der gefährdeten Person als rechtfertigende Einwilligung wirke, da nach herrschender Auffassung § 306a Abs. 2 eben allein dem disponiblen Gesundheitsschutz diene. 790 Neuerdings lehnen einige Autoren die Erteilung einer rechtfertigenden Einwilligung bei § 306a Abs. 2 mit Verweis auf den Charakter als gemeingefährliches Delikt ab.791 Speziell Duttge hat sich – ebenso wie zu § 306 Abs. 1792 – gegen die Zulässigkeit der rechtfertigenden Einwilligung bei § 306a Abs. 2 ausgesprochen, „weil allein die Körperverletzungsdimension, nicht aber der weiterrei788 Rengier, BT II, § 40 Rn. 38; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 102. 789 Wirsch, JuS 2006, S. 400 (402); Geppert, Jura 1998, S. 597 (603). 790 Rengier, BT II, § 40 Rn. 37 f.; Wirsch, JuS 2006, S. 400 ff.; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 21; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 55; LK/Wolff, § 306a Rn. 34; Fischer, § 306a Rn. 11; Eisele, BT I, Rn. 775; SSW/Wolters, § 306a Rn. 30: „Da es sich bei dem Tatbestand nicht um ein Eigentums-, sondern ausschließlich um ein konkretes Gesundheitsgefährdungsdelikt handelt, kommt allein der Einwilligung der gefährdeten Person, nicht jedoch der des Eigentümers rechtfertigende Wirkung zu.“; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 103. 791 Ebenso Gössel/Dölling, BT 1, § 41 Rn. 25; Duttge, Jura 2006, S. 15 (17); Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 8 ff. 792 Vgl. § 2 I. 1. b) cc) (2).

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chende Unrechtsgehalt der Brandstiftung zur Disposition des Gefährdeten steht, und damit auch nicht jener Rechtsgutsangriff, in dem sich entsprechend der vorgegebenen tatbestandlichen Ausformung beide Aspekte verknüpft finden.“ 793 Duttge begreift die von § 306a Abs. 2 geforderte Individualgefahr somit als indisponiblen „Gradmesser“ für die abstrakte Gefährlichkeit der Tat, was jedenfalls der Verquickung von abstrakter und konkreter Gefährlichkeit konzeptionell Rechnung trägt.794 Anders hingegen Weiler, der die Erteilung einer Einwilligung als unwirksam, da sittenwidrig, ansieht und dies mit dem pauschalen Verweis auf die Einordnung des § 306a Abs. 2 als gemeingefährliches Delikt begründet.795 Ob die Zustimmung der gefährdeten Person im Rahmen des § 306a Abs. 2 beachtlich ist, kann nur unter Berücksichtigung des normzweckspezifischen Zusammenhangs zwischen abstraktem Gefährdungsunrecht und konkretem Gefahrerfolg entschieden werden. Wie eingangs dargelegt, dient die konkrete Gesundheitsgefährdung dazu, die hervorgehobene Gefährlichkeit der Tat zu kennzeichnen, weshalb sich im Gefahrerfolg die spezifische Gefährlichkeit der Inbrandsetzung bzw. der Zerstörung durch Brandlegung der Tatobjekte manifestieren muss.796 Es ist evident, dass bloße Kausalität zwischen der Anzündung der in §§ 306a Abs. 2, 306 benannten Tatobjekte und dem Eintritt der konkreten Gefahr nicht genügt, sondern ein normativer Konnex bestehen muss. Die konkrete Gesundheitsgefährdung im Sinn der §§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3, Abs. 2 weist indes nur dann einen hinreichenden Zusammenhang zur abstrakten Gemeingefährlichkeit der Tat auf, soweit die konkrete Gefahr eine tattypische Verdichtung der brandspezifischen Gefährlichkeit ist. Mit anderen Worten: Der konkrete Gefahrerfolg ist ein tauglicher Gradmesser für das von § 306a Abs. 2 veranschlagte Gefährdungsunrecht, wenn die Gefahr dem Verantwortungsbereich des Brandstifters zugewiesen werden kann. Ist die gefährdete Person aber kein „Opfer“, weil sie sich bewusst und eigenverantwortlich in Gefahr begeben hat, dann fällt der Gefahrerfolg in ihren Verantwortungsbereich.797 Dagegen verfängt auch nicht der Hinweis, dass § 306a Abs. 2 ein gemeingefährliches Delikt sei, denn §§ 306, 306a bezwecken nicht den Schutz der Allge793

Duttge, Jura 2006, S. 15 (17). Ähnlich zum parallelen Problem der Einwilligung im Rahmen der §§ 315b, 315c, vgl. LK/König, § 315c Rn. 161, § 315b Rn. 74a: „Geht man auf dieser Linie davon aus, dass sich in der Herbeiführung einer konkreten Gefahr für fremde Individualrechtsgüter die besondere Gefährlichkeit der Tat für die Gemeinschaft ausprägt, dass der Herbeiführung der Gefahr also indizielle Bedeutung zukommt und dass der mitverwirklichte Schutz des Einzelnen nur eine Nebenwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, so kann das Einverständnis des Gefährdeten weder unter dem Blickwinkel der Einwilligung . . . noch im Rahmen der Zurechnung ausschlaggebend sein.“ 795 HK/Weiler, § 306a Rn. 12. 796 LK/Wolff, § 306a Rn. 30; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 20; MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 47 f.; ders., Dogmatik, S. 287 ff. 797 Ähnlich Rengier, BT II, § 40 Rn. 38. 794

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meinheit, sondern sie schützen ausschließlich die Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum abstrakt vor einer Gefahrenquelle, deren Angriffsrichtung nicht konkretisiert und höchstens in diesem Sinn „allgemein“ oder gemeingefährlich ist. Indem § 306a Abs. 2 aber (auch) an die konkrete Gesundheitsgefährdung einer anderen Person anknüpft, wird die abstrakte Perspektive der §§ 306, 306a Abs. 1, die grundsätzlich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls absieht, verlassen und auf die reale Gefährdung einer einzelnen Person abgestellt. Daher ist es geboten, das individuelle Verhältnis der konkret gefährdeten Person zur Gefahrenquelle unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit in Rechnung zu stellen. Anzumerken ist aber, dass diese Überlegungen nicht unbesehen auf die Problematik der Rettergefährdung übertragbar sind, die im Anschluss gesondert zu betrachten sein wird.798 Zu klären ist somit, ob der autonome Entschluss des Gefährdeten, sich in Gefahr zu begeben, dogmatisch bereits der Zurechnung des Gefährdungserfolgs entgegensteht oder erst als rechtfertigende Einwilligung Wirksamkeit entfaltet. Auf Grundlage der hier getroffenen Einordnung des § 306a Abs. 2 als abstraktes und konkretes Gefährdungsdelikt ist anzumerken, dass der Qualifizierung der Zustimmung als rechtfertigende Einwilligung der Weg verschlossen ist; hinsichtlich des abstrakten Schutzes von Leib, Leben und Eigentum mangelt es der konkret gefährdeten Person an einer entsprechenden Dispositionsbefugnis, wie Duttge mit Recht bemerkt hat.799 Eine Einwilligung kann nur in solche Delikte erteilt werden, die ausschließlich Rechtsgüter des Einwilligenden schützen.800 Dem folgend, wäre bei §§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3 und Abs. 2 die Abgrenzung zwischen der einverständlichen Fremd- und der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung die entscheidende Weichenstellung für die rechtliche Relevanz des Einverständnisses. Alle Sachverhalte, in denen der Gefahrerfolg als eigenverantwortliche Selbstgefährdung zu bewerten ist, wären noch nicht einmal tatbestandsgemäß, während alle Sachverhalte, die als einverständliche Fremdgefährdung zu klassifizieren wären – mangels „Einwilligungsfähigkeit“ des § 306a Abs. 2 – zur Strafbarkeit des Brandstifters führen würden. Dieses Ergebnis überzeugt aber nicht, sofern der Gefährdungserfolg jeweils das Produkt einer bewussten Risikoexposition und damit Ausdruck einer autonomen Entscheidung der gefährdeten Person ist.

798

Vgl. § 2 III. 2. b) cc). Dies ist ein elementarer Unterschied zwischen § 306a Abs. 2 und § 315c Abs. 1, wo die (noch) herrschende Auffassung die Möglichkeit der Erteilung einer Einwilligung deshalb ablehnt, weil die Norm neben den Individualrechtsgütern Leben, Gesundheit und Eigentum zusätzlich das Universalrechtsgut der Sicherheit im Straßenverkehr schütze, so BGH, NJW 1989, S. 2550; Lackner/Kühl, § 315c Rn. 1; Sch/Sch/Cramer/ Sternberg-Lieben, § 315c Rn. 1; SSW/Ernemann, § 315c Rn. 1. 800 Insoweit treffend Duttge, Jura 2006, S. 15 (16 f.); vgl. die Lage bei § 306 Abs. 1 unter § 2 I. 1. b) dd) (1), a. A. Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 103. 799

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Diese Unwucht gibt Anlass zu hinterfragen, ob das favorisierte Abgrenzungskriterium der Tatherrschaft als „Trennlinie“ 801 zwischen der tatbestandslosen Selbst- und der tatbestandsmäßigen Fremdgefährdung für § 306a Abs. 2 als gemeingefährliches Delikt überhaupt ein adäquater Beurteilungsmaßstab ist.802 Ständige Rechtsprechung und Teile des Schrifttums grenzen die tatbestandslose eigenverantwortliche Selbstgefährdung von der tatbestandsmäßigen einverständlichen Fremdgefährdung anhand der Grundsätze von Täterschaft und Teilnahme ab. Ausschlaggebend sei, ob dem Täter oder dem Opfer die Herrschaft über die Gefährdungs- bzw. die Schädigungshandlung zukomme.803 Kennzeichnend für die einverständliche Fremdgefährdung sei die Beherrschung der gefahrverursachenden Handlung durch den Täter, so dass sich der Gefährdete freiwillig und bewusst dem fremdgesteuerten Risiko exponiere, während im Rahmen der Selbstgefährdung die gefährdete Person das gefahrträchtige Geschehen in den Händen halte. Zu beachten ist aber, dass sich diese Unterscheidung speziell im Zusammenhang mit den tatmitteloffenen Körperverletzungs- und Tötungsdelikten entwickelt hat. Hier kann durchaus davon gesprochen werden, dass der Täter die Kontrolle über die den tatbestandlichen Erfolg herbeiführende Handlung besitzt, wenn er dem Opfer eine tödliche Spritze mit Heroin verabreicht804 oder ein riskantes Überholmanöver im Rahmen eines Autorennens vornimmt, bei dem das Opfer als begleitender Beifahrer verstirbt.805 Doch angesichts der Tatsache, dass § 306a Abs. 2 als tatmittelspezifisches und gemeingefährliches Delikt eine bestimmte Angriffsform pönalisiert, nämlich die Verursachung von gefährlichen Bränden, deren diffuse Schädigungswirkungen der Täter typischerweise nicht gezielt steuern kann,806 erscheint es problematisch, ob hier noch von einer realen Beherrschung der Schädigungswirkungen durch den Täter gesprochen werden kann.807 Klarzustellen ist, dass der Alleintäter unbestreitbar Tatherrschaft in Form von Handlungsherrschaft hinsichtlich der Eröffnung der Gefahrenquelle, d. h. der Tathandlung der Inbrandsetzung bzw. der Brandlegung, besitzt.808 801

BGHSt 53, 55 (60). Kritisch Murmann, Grundkurs, § 23 Rn. 99. 803 Roxin, AT I, § 11 Rn. 107 ff., 121 ff.; ders., AT II, § 25 Rn. 10 ff.; Kühl, AT, § 4 Rn. 89; Murmann, Grundkurs, § 23 Rn. 95 ff.; ders., Selbstverantwortung, S. 408 ff., 415 ff.; Fischer, Vor § 13 Rn. 36 f.; BGHSt 53, 55 ff. 804 BGHSt 49, 35 (39). 805 BGHSt 53, 55 ff. 806 Heghmanns, BT, Rn. 929; Kratzsch, JR 1987, S. 360 (362 f.); Zopfs, JuS 1995, S. 686 (688); dazu bereits ausführlich bei § 2 I. 1. a) aa) (2). 807 Dementsprechend folgerichtig behandelt die ganz hM die Problematik der Retterschäden im Rahmen der §§ 306b Abs. 1, 306c, die regelmäßig erst nach der Verselbstständigung des Brandes auftritt, als Fall der Selbst- und nicht der Fremdgefährdung, vgl. Rengier, BT II, § 40 Rn. 40 ff.; SK-StGB/Wolters, § 306c Rn. 4; Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 5 ff. mwN. 802

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Während bei den tatmitteloffenen Verletzungsdelikten der §§ 212, 223, 222, 229, 303 Tatvollendung und Tatbeendigung also notwendigerweise zusammenfallen, ausschlaggebend ist hier der Eintritt der Rechtsgutsverletzung, markiert bei den §§ 306, 306a die Tatvollendung die Eröffnung der Gefahrenquelle, deren Auswirkungen sich überwiegend erst zwischen Vollendung und Beendigung manifestieren. Der mittelbare Angriff auf Leben, Leib und Eigentum, der einen Umweg über die Eröffnung der brandbedingten Gefahrenquelle nimmt, lässt somit das Kriterium der Handlungsherrschaft als Abgrenzung zwischen der eigenverantwortlichen Selbst- und der einverständlichen Fremdgefährdung bei § 306a Abs. 2 als ungeeignet erscheinen, da es an einer direkten Steuerung der Rechtsgutsbeeinträchtigung seitens des Täters fehlt. Im Ergebnis kann es daher keinen Unterschied begründen, ob ein Tatbeteiligter in Kenntnis aller Risiken durch eine vom Haupttäter unbeabsichtigt ausgelöste Verpuffungsexplosion bei Tatvollendung gefährdet wird – im bisherigen Verständnis eine tatbestandsmäßige und deshalb nicht einwilligungsfähige Fremdgefährdung – oder aufgrund seines Aufenthaltes am Brandort im Stadium zwischen Voll- und Beendigung eine Rauchgasvergiftung erleidet – im bisherigen Verständnis ein Fall einer tatbestandslosen eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Die Sachlage ist in beiden Fällen dieselbe, soweit sich der Gefährdete selbstverantwortlich in den Einwirkungsbereich der brandbedingten Gefahrenquelle begeben hat. Infolgedessen ist für § 306a Abs. 2 entgegen der hM ausnahmsweise die Gleichstellung der einverständlichen Fremd- mit der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung geboten, mit der Konsequenz der Durchbrechung des Zurechnungszusammenhangs in beiden Konstellationen.809 Selbiges gilt der Sache nach auch für §§ 306b Abs. 1, 306c. Die Diskussion um die generelle bzw. partielle Gleichbehandlung von Fremd- und Selbstgefährdung ist noch im Fluss.810 Roxin hat darauf hingewiesen, dass eine pauschale Gleichstellung von Fremd- und Selbstgefährdung nicht angezeigt und jeweils zu überprüfen sei, inwieweit der Schutzzweck der Norm auch Fälle der einverständlichen Fremdgefährdung erfasse.811 Eine Gleichstellung verlange überdies, so Roxin, dass die Fremdgefährdung der Selbstgefährdung unter allen relevanten Aspekten gleichsteht, d. h. dass Täter wie Opfer die Gefahr gleichermaßen überblicken und sich im Erfolg allein diese Gefahr realisiert.812 Beide Forderungen sind im Fall des § 306a Abs. 2 jedenfalls erfüllt, da der Täter die Gefahrenquelle im Regelfall nach ihrer Eröffnung nicht mehr beherrscht und ihre Auswirkungen nicht lenken kann. Hellmann stützt die Rechtfertigung für die Gleichstellung beider Fallgruppen auf das Prinzip der Ei808 809 810 811 812

Roxin, AT II, § 25 Rn. 38 ff. Roxin, in: FS Gallas, S. 241 (249 ff.); Hellmann, in: FS Roxin, S. 271 (281 ff.). LK/Walter, Vor § 13 Rn. 122. Roxin, AT I, § 11 Rn. 107 ff. und 123 f. Roxin, AT I, § 11 Rn. 124.

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genverantwortlichkeit, was zumindest mit Blick auf § 306a Abs. 2 bestätigt werden kann.813 Die Erkenntnis, dass die Eigenverantwortlichkeit der sich in Gefahr begebenden Person grundsätzlich einer Zurechnung zum Nachteil des Täters entgegensteht, erfordert eine Präzisierung ihrer inhaltlichen Anforderungen. Im Schrifttum ist umstritten, ob sich die Selbstverantwortlichkeit im Sinn der „Exkulpationslösung“ an den gesetzlichen Vorgaben der §§ 19, 20, 35 bzw. § 3 JGG orientiert, oder ob vielmehr auf die „strengeren“ Einwilligungskriterien abzustellen ist, so dass etwa wesentliche Willensmängel die Selbstverantwortlichkeit entfallen lassen.814 Dieser Streit kann für § 306a Abs. 2 ungeklärt bleiben, da die Anforderungen an die Selbstverantwortlichkeit nicht abstrakt, sondern schutzzweckkonform konkretisiert werden müssen. Im Ausgangspunkt wird zu verlangen sein, dass sich die gefährdete Person bewusst und freiwillig mit der Gefahrenquelle konfrontiert hat, denn nur eine solche Sachlage steht – von den Retterfällen abgesehen – außerhalb des Zurechnungszusammenhangs. Das erfordert jedenfalls die Abwesenheit von Zwang, denn wer unter Zwang oder unter den Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes gem. § 35 handelt, der ist in seiner Entscheidungsfreiheit grundlegend beeinträchtigt. Problematisch ist, inwieweit Irrtümer der gefährdeten Person die Eigenverantwortlichkeit in Frage stellen, denn dass sich ein Brandgeschehen, wider Erwarten als gefährlicher erweist als zunächst angenommen, ist tattypisch. Wie aber ist dieses aus den Eigenheiten des Tatmittels resultierende strukturelle Erkenntnisdefizit mit Blick auf die Selbstverantwortlichkeit zu bewerten? Jedenfalls wird zu fordern sein, dass eine Person, die sich in den Einwirkungsbereich des Brandes begibt, erkannt hat, dass es sich bei dem Brandherd um ein potentiell gefahrträchtiges Geschehen handelt, z. B. durch Wahrnehmung erheblicherer Mengen von Hitze oder Rauch. Ist die Gefahr als solche wenigstens in groben Umrissen erkannt und hält sich die betreffende Person dennoch in deren Einwirkungsbereich auf, dann handelt sie auf eigenverantwortlicher Grundlage, weil allgemein bekannt ist, dass Brände gefährlich sind. Auch die wider Erwarten eintretende Verdichtung der konkreten Gefahr in einen Verletzungserfolg schließt die Eigenverantwortlichkeit nicht aus, denn das Realisierungs- und Irrtumsrisiko hat der sich in Gefahr Begebende schon übernommen.

813 Hellmann, in: FS Roxin, S. 271 (285): „Es trifft somit zu, dass der aus einer Fremdgefährdung resultierende Erfolg dem Dritten nicht zugerechnet werden kann, wenn sich der Gefährdete bewusst dem Risiko ausgesetzt hat.“; kritisch hierzu: Murmann, Selbstverantwortung, S. 425 ff. 814 LK/Walter, Vor § 13 Rn. 113; Kühl, AT, § 4 Rn. 88.

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Von einer eigenverantwortlichen Gefährdung kann jedoch nicht die Rede sein, falls der Gehilfe einer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, der vor dem Tatobjekt „nur Schmiere steht“ und glaubt, das Wohngebäude werde schlicht in Brand gesetzt, durch eine vom Haupttäter verursachte Verpuffungsexplosion verletzt wird, weil dieser großflächig 15 Liter Benzin im Tatobjekt verschüttet und entzündet hat.815 Hier ist die gefährdete Person, trotz ihrer Tatbeteiligung, von den Effekten der Gefahrenquelle überrascht worden und wähnte sich außerhalb der Wirkungen der Gefahrenquelle. Demnach wäre in diesem Fall auch der Tatbeteiligte ein tattypisches „Opfer“ der generellen Feuergefährlichkeit. Schlussendlich ist noch anzumerken, dass eine Kundgabe der Zustimmung der (später) gefährdeten Person gegenüber dem Täter nicht erforderlich ist, denn eine solche tangiert nicht deren autonom getroffene Entscheidung pro Gefahr, die letztlich den Grund für die Verschiebung der Verantwortungsbereiche zum Nachteil des Gefährdungsopfers bildet. cc) Die Zurechenbarkeit von Rettergefährdungen Die Zurechnung brandbedingter Gesundheitsgefährdungen im Rahmen des § 306a Abs. 2 ist umstritten, sofern es sich beim Gefährdungsopfer um einen Retter, d. h. um eine Person handelt, die sich zum Zwecke der Bewahrung fremder Rechtsgüter den Gefahren des Brandes exponiert und infolgedessen gefährdet wird.816 Die Bedeutung dieser Frage tangiert gleichermaßen § 306d Abs. 1, Var. 3 und Abs. 2 sowie die Zurechenbarkeit der in §§ 306b Abs. 1, 306c benannten schweren Folgen, einschließlich der Erfolgszurechnung im Rahmen der §§ 222, 229.817 Die hier erforderliche Abgrenzung zwischen dem Verantwortungsbereich des Brandstifters, der die Gefahrenquelle eröffnet hat, und dem Verantwortungsbereich des sich mit dem Brandherd bewusst konfrontierenden Retter erfordert die delikate Entscheidung, inwieweit hieraus resultierende Gefährdungs- oder Verletzungsfolgen dem Brandstifter zuzuweisen sind oder ob auch hier eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Retters anzunehmen ist, mit der Konsequenz einer den Brandstifter entlastenden Durchbrechung des Zurechnungszusammenhangs.

815

NK-StGB/Herzog, § 306c Rn. 2; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 21. LK/Walter, Vor § 13 Rn. 116 ff.; MüKo-StGB/Radtke, § 306b Rn. 11; ders., § 306c Rn. 16 ff.; Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 5 f.; Thier, Zurechenbarkeit von Retterschäden, S. 180 ff.; Radtke/Hoffmann, GA 2007, S. 201 ff.; Radtke, Dogmatik, S. 288 ff.; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 116; Geppert, Jura 1998, S. 597 (602 ff.); Puppe, Jura 1998, S. 21 (30); Murmann, Grundkurs, § 23 Rn. 87 ff.; Fischer, § 306c Rn. 4. 817 Radtke/Hoffmann, GA 2007, S. 201 (202). 816

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(1) Standpunkte in Rechtsprechung und Lehre Der Bundesgerichtshof hat bislang über die Zurechenbarkeit von Retterschäden oder -gefährdungen im Rahmen der §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c, 306d noch nicht entschieden. Jedoch bejahte BGHSt 39, 322 ff. für die fahrlässige Tötung nach § 222 die Zurechenbarkeit einer tödlichen Retterverletzung anlässlich des Brandes eines Wohngebäudes. Dort erlag ein Retter, der mit über 2 Promille alkoholisiert in das obere Stockwerk des brennenden Hauses eindrang, um dort entweder seinen zwölfjährigen Bruder oder Sachwerte zu retten, im Flur des Obergeschosses einer tödlichen Kohlenmonoxidvergiftung. Der Bundesgerichtshof begründete die Zurechnung des Todeserfolges – trotz des „freiwilligen“ Eingreifens des Opfers – mit der Erwägung, der Brandstifter habe durch seine deliktische Handlung ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen Dritter geschaffen, indem er ohne das Einverständnis des Opfers eine erhebliche Gefahr für dessen Rechtsgüter und die ihm nahestehender Personen begründet habe. Da das Gelingen der Rettungsbemühungen den Täter entlaste, habe er grundsätzlich auch für nachteilige Folgen dieser Bemühungen einzustehen.818 Ein Ausschluss der Zurechnung könne nur dann erwogen werden, wenn sich die Rettungsmaßnahme als offenkundig sinnlose und unvernüftige Verhaltensweise des Helfers darstelle.819 Der Standpunkt des Bundesgerichtshofs ist auf ein geteiltes Echo gestoßen, sowohl in Bezug auf die Begründung als auch das Ergebnis.820 Teile des Schrifttums sind erkennbar gewogen, die Anforderungen von BGHSt 39, 322 auch auf die Erfolgszurechnung von Retterschäden, bzw. -gefährdungen gem. §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c, 306d Abs. 1 Var. 3 und Abs. 2 zu übertragen.821 Entscheidend sei, dass die Absicht zur Rettung Dritter grundsätzlich ein einsichtiges Motiv zum Eingreifen bilde. Ein solches durch eine äußere Notlage erzwungenes oder herausgefordertes Eingreifen stehe prinzipiell der Einstufung von Rettungshandlungen als eigenverantwortliche Selbstgefährdung entgegen.822 Ausnahmen hiervon werden nur für „Extremfälle“ akzeptiert. 818 BGHSt 39, 322 (325); ähnlich OLG Stuttgart, NJW 2008, S. 1971 f.; kritisch gegenüber diesem Umkehrschluss: LK/Walter, Vor § 13 Rn. 117; Roxin, AT I, § 13 Rn. 117. 819 BGHSt 39, 322 (326); ähnlich OLG Stuttgart, NJW 2008, S. 1971 (1972); Stief, JuS 2009, S. 716 (719). 820 Vgl. Amelung, NStZ 1994, S. 338 ff.; Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775 ff.; Puppe, Jura 1998, S. 21 (30). 821 Für die Übertragung dieses Gesichtspunkts auf §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c: LK/Wolff, § 306a Rn. 31; § 306c Rn. 5; Geppert, Jura 1998, S. 597 (602); und i. E. wohl auch Heintschel-Heinegg/Norouzi, § 306a Rn. 21, § 306b Rn. 9, § 306c Rn. 9.1.; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 117; Cantzler, JA 1999, S. 474 (477); Eisele, BT I, Rn. 791 f.; SWW/Wolters, § 306c Rn. 3. 822 LK/Walter, Vor § 13 Rn. 116 f.; SK-StGB/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 81; Puppe, Jura 1998, S. 21 (30); Amelung, NStZ 1994, S. 338; Geppert, Jura 1998, S. 597 (602): „es

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Hingegen favorisieren weite Teile des Schrifttums eine differenzierende Betrachtungsweise. Als wesentliches Beurteilungskriterium, ob Rettungshandlungen, die in einer Gefährdung oder Verletzung des Retters münden, als beachtliche Selbstgefährdung zu klassifizieren seien, komme es auf das Bestehen einer rechtlich geforderten Hilfspflicht auf Seiten des Retters an.823 Bestehe eine solche Pflicht zum Eingreifen, die sich aus der allgemeinen Hilfeleistungspflicht nach § 323c oder aus einer Garantenstellung nach § 13 Abs. 1 ableiten könne, seien Retterschäden dem Brandstifter prinzipiell zurechenbar. Von einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung könne in diesen Fällen nicht gesprochen werden, denn der strafbewehrte Handlungsapell, die Rechtspflicht zur Hilfeleistung, lasse die Freiwilligkeit der Entscheidung entfallen.824 Richtschnur für die Bestimmung des Umfangs der Rettungspflichten im Einzelfall bilde, so etwa wäre nachgerade zynisch zu sagen, ein Retter habe in solcher Situation (die schließlich andere verursacht und daher zu verantworten haben!) vor der freien Entscheidung gestanden, entweder sich selbst in Gefahr zu begeben oder andere retten zu wollen (z. B. Angehörige) oder gar zu müssen (z. B. Feuerwehr).“; LK/Walter, Vor § 13 Rn. 117: „Jemandem, der sich gesellschaftlich erwünscht verhält und dem dabei etwas zustößt, lässt sich nicht ohne Weiteres sagen, er habe seine Schäden selbst zu verantworten.“ 823 Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 130 ff.; MüKo-StGB/ Radtke, § 306c Rn. 21; Radtke/Hofmann, GA 2007, S. 201 (211 ff.); Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 7. 824 Anzumerken ist jedoch hinsichtlich der Orientierung an der Existenz von Rettungspflichten, dass rechtlich geforderte Verhaltenspflichten im Rahmen der unechten oder echten Unterlassungsdelikte prinzipiell unter der Bedingung der Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens stehen. Niemand soll, so der Grundgedanke der Zumutbarkeit, durch gesetzlich geforderte und strafbewehrte Handlungsgebote in die Gefahr des Todes oder einer schweren Verletzung getrieben werden, was eine billigenswerte Begrenzung des Handlungsappells ist, vgl. LK/Weigend, § 13 Rn. 69; BGH, JR 1994, S. 510 (511); Loos, JR 1994, S. 511 f.; Roxin, AT II, § 31 Rn. 211 ff. und 229 ff.; NKStGB/Wohlers, § 323c Rn. 11 f.; Fischer, § 323c Rn. 7; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 1048; Radtke/Hoffman, GA 2007, S. 201 (211); SSW/Schöch, § 323c Rn. 17 f. Die Beurteilung der Zumutbarkeit im Rahmen des § 323c ergibt sich aus der Abwägung der widerstreitenden Interessen des potentiellen Helfers mit den durch die gemeine Gefahr oder den Unglücksfall tangierten Rechtsgütern. Gefordert wird hierbei kein wesentliches Überwiegen der Interessen des potentiellen Helfers, sondern es genügt, dass auf seiner Seite anzuerkennende Interessen der Hilfspflicht entgegenstehen. Doch bei Bränden dürfte die im Rahmen der unterlassenen Hilfeleistung gem. § 323c gesetzlich geforderte Handlungspflicht allein in der Herbeirufung professioneller Hilfe bestehen, da eine aktive Eingriffspflicht in gefährliche Brände unzumutbar ist. Da vor allem Gebäudebrände [vgl. § 2 II. 1. a)] typischerweise schon kurz nach Ausbruch des Brandes eine höchstgefährliche Sachlage darstellen, wird sich – angesichts der unsichtbaren und tödlichen Gefahr von Rauchgasen – noch nicht einmal die Pflicht zum Betreten eines brennenden Gebäudes, beispielsweise um eine gehbehinderte Person zu evakuieren, begründen lassen (vgl. MüKo-StGB/Freund, § 323c Rn. 95). Selbst der Löschung eines brennenden Pkw ist solch ein Risikopotential zu bescheinigen, dass nicht professionelle Helfer eine eigenhändige Löschung tunlichst unterlassen sollten, vgl. Kemper, Atemschutzgeräteträger, S. 61; Südmersen/Cimolino/Heck/Heyne/Springer, Technische Hilfeleistung bei PKW-Unfällen, S. 277, § 2 I. 1. a) aa) (1) (d). Doch da konkret gefährliche Rettungshandlungen – und um deren Bewertung geht es allein im Kontext der Zurechnung von Retterschäden und Gefährdungen im Rahmen der §§ 306a Abs. 2 ff. – von

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Radtke/Hoffmann, die Abwägung zwischen den Erfolgsaussichten der Rettungshandlung und den dadurch dem Retter drohenden Risiken.825 Demzufolge werden von Teilen des Schrifttums überobligationsmäßige, d. h. rechtlich nicht (mehr) geforderte, Rettungsversuche, die zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung des Retters nach § 306a Abs. 2 führen, als eigenverantwortlich und damit dem Brandstifter nicht zurechenbar qualifiziert. Dies soll selbst dann gelten, wenn die überobligationsmäßige Rettungshandlung des Brandstifters nicht vollkommen sinnlos ist, weil trotz erheblicher Risiken zugleich beachtliche Erfolgsaussichten bestehen.826 Weitgehende Einigkeit besteht im Schrifttum insoweit, als die Eigenverantwortlichkeit der Selbstgefährdung des Retters dann verneint wird – und zwar unbeschadet einer fehlenden Rettungspflicht zum Eingreifen –, wenn eine Gefahr für Leib oder Leben von Angehörigen oder für nahestehende Personen nach § 35 Abs. 1, S. 1, Alt. 2 bestand. Die Rechtsordnung zeige unter den dort genannten Voraussetzungen Verständnis für den psychischen Druck der betroffenen Person, und entbinde diese sogar von der Verantwortung eines rechtswidrigen Eingriffs in die Rechtsgüter Dritter, so dass dies im Umkehrschluss erst recht für die Preisgabe eigener Rechtsgüter gelten müsse.827

§ 323c nicht gefordert sind, besteht für Dritte keine Hilfspflicht. Ähnliche Überlegungen werden auch für den Umfang der Hilfspflichten von Garanten gem. § 13 Abs. 1 gelten, die keine professionellen Helfer sind [LK/Weigend, § 13 Rn. 68 f.; BGH, JR 1994, S. 510 (511)]. Lediglich von professionellen Helfern kann eine Pflicht zur Vornahme von solchen Rettungshandlungen verlangt werden, die mit gewissen Risiken für Leib und Leben verbunden sind (Radtke/Hoffmann, GA 2007, S. 201 (214 f.); a. A. Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 131 f.). Aufgrund ihrer Ausbildung, Ausrüstung und dem arbeitsteiligem Vorgehen können diese einen effektiven Selbstschutz entfalten, der die eingegangen Risiken partiell kompensiert und die Gefährdungsintensität unterhalb der Schwelle der Zumutbarkeit absenkt, wie auch § 35 Abs. 1, S. 2 zeigt. Jene Autoren, die – von § 35 Abs. 1 S. 1 abgesehen – entscheidend auf das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung des Retters als Voraussetzung für eine nicht freiverantwortete Selbstgefährdung abstellen (so Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 131 f.), schützen faktisch ausschließlich professionelle Retter, indem sie deren Rettungsversuche als „unfrei“ deklarieren; kritisch auch Fischer, § 306c Rn. 4a. 825 Radtke/Hoffmann, GA 2007, S. 201 (213 ff.); MüKo-StGB/Radtke, § 306c Rn. 20 f. 826 Radtke/Hoffmann, GA 2007, S. 201 (213 ff.); LK/Wolff, § 306c Rn. 5; a. A. SKStGB/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 81: „Man wird aber wohl noch einen Schritt weitergehen und den durch eine Rettungshandlung Sich-selbst-Gefährdenden auch dann noch in den Schutzbereich der strafrechtlichen Normen einbeziehen müssen, wenn eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Rechtsgüter einschließlich des Grades ihrer Gefährdung ergibt, daß der verfolgte Rettungszweck höher zu bewerten ist als die Selbstgefährdung.“; Puppe, Jura 1998, S. 21 (30). 827 Amelung, NStZ 1994, S. 338; Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775; Puppe, Jura 1998, S. 21 (30); dies., NStZ-RR 2009, S. 52 (53); Radtke/Hoffmann, GA 2007, S. 201 (217 f.); Roxin, AT I, § 11 Rn. 117; SSW/Wolters, § 306c Rn. 3.

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Diesen Standpunkt teilt selbst Roxin, der mit anderen Autoren ansonsten die Zurechenbarkeit von Rettergefährdungen und -verletzungen generell ablehnt und zwar auch dann, wenn eine Rechtspflicht des Retters zum Eingreifen bestand.828 Die zuletzt genannten Erfolge unterfielen grundsätzlich nicht dem Schutzzweck der Norm. Der Schadens- bzw. Gefährdungseintritt falle bei professionellen Helfern allein in deren Verantwortungsbereich, weil diese Berufsträger im Rahmen ihrer Kompetenz für die Überwachung und Beseitigung von Gefahrenquellen zuständig seien.829 Deren Pflicht zum Eingreifen stelle eine Risikoabnahme durch gesetzlich verantwortete Hilfsanordnung da.830 Daher meint Roxin zur Zurechnung der Rettertötung bei § 229, dem Gedanken nach wohl auf §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c übertragbar: „Wenn also etwa ein Feuerwehrmann sich bei den Löscharbeiten Brandwunden zuzieht, wird man den fahrlässigen Brandstifter nicht auch noch wegen fahrlässiger Körperverletzung bestrafen dürfen, obwohl die Verletzungsmöglichkeit von vornherein sehr nahe lag und man auch nicht von einer freiwilligen Selbstgefährdung sprechen kann, da ja die Löscharbeiten dienstlich geboten waren.“ 831

Heine hingegen differenziert und geht jedenfalls mit Blick auf § 306a Abs. 2 davon aus, dass konkrete Gefährdungen der Gesundheit von Feuerwehrleuten als typische Berufsrisiken gesellschaftlich akzeptiert seien und von den Betroffenen individuell hingenommen würden. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung dieser Personen genüge daher nicht zur Verwirklichung des § 306a Abs. 2.832 (2) Die Brandverursachung als Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos für Retter Hinsichtlich der Bewertung der Selbstgefährdung von Helfern in § 306a Abs. 2 ist zunächst festzuhalten, dass der von Roxin postulierte pauschale Ausschluss von Rettern833 im Ergebnis verfehlt ist und deshalb zu recht überwiegend 828 Roxin, AT I, § 11 Rn. 115 f.; ders., in: FS Honig, S. 133 (143 f.); ders., in: FS Gallas, S. 241 (246 ff.); ebenso: Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775 (778 f.); Schünemannn, GA 1999, S. 207 (223). Dass der Rechtsgedanke des § 35 Abs. 1 S. 1 die Eigenverantwortlichkeit entfalle lasse, stellt jedoch Furukawa [GA 2010, S. 169 (173 ff.)] in Frage. 829 Roxin, AT I, § 11 Rn. 137 ff. 830 Roxin, in: FS Honig, S. 133 (143). 831 Roxin, in: FS Gallas, S. 241 (247) (Hervorhebung durch den Verfasser); ders., AT I, § 11 Rn. 139. 832 Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 7. 833 Roxin, AT I, § 11 Rn. 115 f.; ders., in: FS Honig, S. 133 (143 f.); ders. in: FS Gallas, S. 241 (246 ff.); ähnlich Rengier, JuS 1998, S. 397 (400): „Die Zurechnung entfällt aber auch deshalb, weil das Eingriffsrisiko allgemein – d.h. grundsätzlich bei allen Unglücken und Straftaten – besteht und daher keine gerade den §§ 306, 306a anhaftende ,tatbestandsspezifische‘ Besonderheit darstellt.“; mittlerweile aufgegeben, Rengier, BT II, § 40 Rn. 44d.

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abgelehnt wird.834 Ansonsten bliebe die Verursachung von Rettergefährdungen und -verletzungen grundsätzlich straflos. Warum Retter, überspitzt gesagt, „vogelfrei“ sein sollen, ist vollkommen unverständlich, allzumal die vom unmittelbaren Brandherd betroffenen Personen meistens gar nicht in der Lage sein werden, die Beseitigung der Gefahrenquelle aus eigener Kraft zu bewerkstelligen, und daher zwangsläufig auf die Hilfe Dritter angewiesen sind, die in fremden Interesse tätig werden. Es ist nicht die Rechtsordnung, wie Rudolphi treffend einwendet, die dem Täter risikoreiche Rettungsmaßnahmen aufbürdet, sondern es ist der brandstiftende Erstverursacher, der die Retter hierzu veranlasst.835 Roxin und die seinem Standpunkt nahestehenden Autoren lassen unberücksichtigt, dass der Brandstifter durch die Eröffnung einer Gefahrenquelle im Sinn der §§ 306, 306a, 306d immer (auch) ein rechtlich missbilligtes Risiko für die Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum Dritter, einschließlich der Retter verursacht, die im Zuge der Gefahrabwendung den Wirkungen der Gefahr selbst anheimfallen.836 Aus der abstrahierenden Perspektive der §§ 306 ff. folgt nämlich, dass das gesamte brandbedingte Geschehen in all seinen tattypischen Facetten ins Blickfeld zu nehmen ist, weshalb die selbstschädigende Intervention Dritter als tattypische Folgewirkung dem Schutzweck dieser Normen unterfällt und a priori dem Verantwortungsbereich des Brandstifters zugewiesen ist.837 Dies dokumentiert, dass die Ausrichtung der §§ 306, 306a an der abstrakten Gemeingefährlichkeit838 nicht nur für den Umfang der geschützten Rechtsgüter wegweisend ist, sondern auch maßstabsbildend auf die Beurteilung des (abstrakt) geschaffenen Risikos im Rahmen der Zurechnungsfrage durchschlägt, wenn es um die Verdichtung der abstrakten Gefährlichkeit zu konkreten Gefährdungs- oder Verletzungserfolgen geht.839 834

Radtke/Hoffmann, GA 2007, S. 201 (208 f., 211 f.); LK/Walter, Vor § 13 Rn. 117 f.; SK-StGB/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 80 f.; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 131; Range, Neufassung der Brandstiftungsdelikte, S. 109. 835 SK-StGB/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 80. 836 Ebenso MüKo-StGB/Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 404, 423 f.; Stein, in: Dencker/ Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 117: „Man wird also kaum umhinkommen, die ,Helfer-Unfälle‘ grundsätzlich in die Qualifikationstatbestände einzubeziehen.“ 837 Für die Bewertung der Rettergefährdung als tattypisch: Heghmanns, BT, Rn. 956; Eisele, BT I, Rn. 792. Ähnlich SSW/Wolters, § 306c Rn. 3. Auch das BVerfG bemerkt zu § 306b Abs. 2 Nr. 1, dass es weder Schutzzweck noch Wortlaut der Norm gebieten, Retter aus dem Schutzbereich der Vorschrift herauszunehmen, so BVerfG, Beschluss vom 16. November 2010 – 2 BvL 12/09 – (dort Rn. 69), BeckRS 2011, 48101. 838 Vgl. § 2 I. 1. a) aa), § 2 I. 1. c) aa), § 2 II. 1. und § 2 III. 1. 839 Dass die Involvierung Dritter bei Bränden durch das Gesetz in Rechnung gestellt ist, deuten auch die §§ 323c, 138 Abs. 1 Nr. 8 an. Die in den §§ 306 Abs. 1, 306a beschriebenen Brandsituationen stellen häufig zugleich eine gemeine Gefahr im Sinn des § 323c dar, soweit ein Zustand eintritt, in dem ex ante betrachtet die konkrete Möglichkeit eines erheblichen Schadens an Leib und Leben oder an bedeutenden Sachwerten für unbestimmt viele Personen naheliegt (NK-StGB/Wohlers, § 323c Rn. 8). Bereits das Gesetz selbst fordert also „jedermann“ (strafbewehrt) zum Eingreifen auf, sei es – so-

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Klarzustellen ist, dass hiermit nicht generell über die Zurechenbarkeit von Retterschäden, etwa im Rahmen der §§ 222, 229 entschieden ist, denn angesichts der anders gearteten Schutzrichtung dieser tatmitteloffenen Verletzungsdelikte ist eine an die jeweilige Sorgfaltspflichtverletzung anknüpfende differenzierende Betrachtungsweise geboten.840 Wer fahrlässig beim Fußball durch ein grobes Foul eine andere Person an ihrer Gesundheit schädigt, dem ist die Verletzung eines Sanitäters, der beim Abtransport der verletzten Person umknickt und sich einen Bänderriß zuzieht, natürlich nicht im Rahmen des § 229 zurechenbar. Zwar ist auch hier das helfende Eingreifen Dritter naheliegend und vorhersehbar, doch Rettergefährdungen oder gar -verletzungen sind – anders als bei den §§ 306 ff. – tatuntypisch. Die durch die Verletzung sportlicher Regeln sorgfaltswidrig geschaffene und rechtlich missbilligte Gefahr bezieht sich nur auf den Gesundheitsschutz der durch das „Foul“ betroffenen Person und reicht nicht darüber hinaus, so dass sich in der Retterverletzung allein die Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos reflektiert. Anders ist jedoch im Rahmen der §§ 222, 229 zu entscheiden, wenn ein Brandstifter Retter durch die Schaffung einer brandbedingten Gefahrenquelle tötet oder verletzt. Hier entfaltet die im Sinne der §§ 306, 306a, 306b Abs. 1, 306c, 306d gemeingefährliche Begehungsweise der Tat, die zugleich eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt, eine Rückwirkung auch auf die Zurechnungsfrage von Drittschäden bei §§ 222, 229 und die dort vorzunehmende Bestimmung des geschaffenen rechtlich missbilligten Risikos. In diesem Fall ist die Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen der §§ 222, 229 hinsichtlich des dort verfolgten Schutzes von Leben bzw. Leib teilkongruent mit dem umfassenderen Schutzzweck der §§ 306 ff. Von vornherein außerhalb eines jeglichen Rettungskonnexes und damit außerhalb der rechtlich missbilligten Gefahrschaffung steht aber derjenige, der sich in selbstmörderischer Absicht in die Flammen stürzt, oder sich – bar jeder Vernunft – nur als „Gaffer“ in den Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle begibt, um seine Sensationsgier zu befriedigen.841 Damit verbundene Verletzungs- oder Gefährdungsfolgen werden von der Zielsetzung der §§ 306 ff. nicht erfasst, da sie das Resultat einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung sind. Selbiges gilt mangels tatmittelspezifischen Gefährlichkeitskonnexes für den Fall, dass ein zur Brandstelle eilender Retter vor Erreichen der Unfallstelle im Verkehr verunglückt.842 weit erforderlich und zumutbar – selbst rettend tätig zu werden (was wie gezeigt selten der Fall sein dürfte) oder die zuständigen Stellen zu informieren. Zudem besteht nach § 138 Abs. 1 Nr. 8 auch für jedermann eine Anzeigepflicht, der vom Vorhaben oder der Ausführung Dritter erfährt, eine Brandstiftung gem. §§ 306 ff. zu verüben, soweit diese Tat durch eine Anzeige abgewendet werden kann. 840 Roxin, AT I, § 11 Rn. 115. 841 Vgl. Puppe, Jura 1998, S. 21 (30); SSW/Wolters, § 306c Rn. 3. 842 Zutreffend: MüKo-StGB/Radtke, § 306c Rn. 15; LK/Wolff, § 306c Rn. 5 Fn. 9. In diese Richtung bereits Goltdammer, Materialien II, S. 650.

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(3) Realisierung der brandspezifischen Rettergefährdung Für die Zurechnung kommt es des Weiteren entscheidend darauf an, ob sich die rechtlich missbilligte Gefahr auch in der Gesundheitsgefährdung (§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3 und Abs. 2) bzw. der Leibes- oder Lebensverletzung (§§ 306b Abs. 1, 306c) realisiert hat.843 Erst in diesem Kontext ist zu überprüfen, inwieweit der normativ indizierte Zurechnungszusammenhang unter dem Gesichtspunkt einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung von Rettern eine Durchbrechung erfährt. Der Einwand Roxins, der die Zurechnung von Gefährdungen und Verletzungen professioneller Helfer generell ablehnt, da sie aufgrund eines freien Willensentschlusses einen riskanten Beruf übernommen hätten und hierfür bezahlt würden, sieht letztlich in der Vornahme einer jeden Rettungshandlung eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung im Sinne einer autonomen Entscheidung pro Gefahr.844 Daran ist richtig, dass jeder Rettungshandlung letztlich ein gewisses Maß an faktischer Freiwilligkeit in dem Sinn zu attestieren ist, dass eine individuelle Entscheidung für die (gefährliche) Rettung getroffen wurde, mag dabei auch ein strafbewehrter Zwang oder ein psychologischer Handlungsdruck im Hintergrund stehen.845 Doch reicht eine derart beschnittene Freiwilligkeit aus, um von einer beachtlichen eigenverantwortlich getroffenen Entscheidung „pro Gefahr“ auszugehen, die die Verantwortung des Brandstifters überspielt? Dagegen bestehen durchgreifende Bedenken, denn sind Rettergefährdungen als ein Teilrisikoaspekt vom Schutzzweck der §§ 306 ff. umfasst, dann ist die ontologisch „freiwillige“ Entscheidung des Retters, sich in Gefahr zu begeben, schon denknotwendigerweise inkludiert. Die Entscheidung „pro Gefahr“ kann deshalb für sich genommen nicht der Zurechnung von Retterschäden entgegenstehen, so lange sich die konkrete Ausführung im Rahmen dessen hält, was nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise in Rechnung zu stellen ist.846 Dies ver843

MüKo-StGB/Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 350. Roxin, AT I, § 11 Rn. 139; ähnlich: Furukawa, GA 2010, S. 169 (173 f.). 845 Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775 (779). 846 Dies verkennt auch Heine, der meint, bloße Gefährdungen der Gesundheit von Feuerwehrleuten seien als typische Berufsrisiken gesellschaftlich akzeptiert und würden von den Betroffenen individuell hingenommen, weshalb deren Gefährdung zur Verwirklichung des § 306a Abs. 2 nicht genüge (Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 7). Hier geht es jedoch nicht um die Frage der sozialen Akzeptanz dieser Berufe und der damit notwendigerweise verbundenen Risiken, sondern darum, ob die konkrete Gefährdung normativ dem jeweiligen Retter zuzuweisen ist. Dass die berufliche Konfrontation mit Bränden als täterbegünstigende Preisgabe eigener Rechtsgüter gedeutet werden soll, erscheint lebensfremd. Eine partielle Verwirkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes allein aufgrund der Stellung als professioneller Helfer ist abzulehnen, zumal bei Bränden einfache und schwere Gesundheitsgefährdungen bzw. -verletzungen dicht beieinander liegen und der Täter die Auswirkungen des Tatmittels – wie gezeigt – überhaupt nicht zu steuern vermag. 844

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schiebt die Argumentation um die Legitimität der Einbeziehung von Retterschäden und -gefährdungen in einem entscheidenden Punkt, denn nicht deren Zurechnung ist begründungsbedürftig, etwa durch den Verweis auf eine wie auch immer geartete Unfreiwilligkeit des Helfers, sondern der Ausschluss der jeweiligen Rettergefährdung bzw. Retterverletzung aus dem Verantwortungsbereich des Brandstifters bedarf einer Rechtfertigung. Erst diese in den gesetzlichen Strukturen verankerte Einrechnung des Eingriffs Dritter kann plausibel erklären, warum auch überobligationsmäßige Rettungshandlungen, die weder aus einem gesetzlichen (§§ 13, 323c), noch einem psychologischen Handlungsdruck (§ 35 Abs. 1 S. 1, Alt. 2) erwachsen, auch für eine Zurechnung genügen und zwar unabhängig davon, ob der Rettungsversuch optimal oder suboptimal ist.847 Es bedarf im Kontext der §§ 306a Abs. 2, §§ 306b Abs. 1, 306c, 306d als gemeingefährliche Delikte somit einer schutzzweckspezifischen Restriktion des ansonsten anerkennenswerten Selbstverantwortungsprinzips mit Rücksicht auf die Typizität des naheliegenden Eingriffs Dritter. Die Abgrenzung von verschiedenen Verantwortungsbereichen kann nicht allgemeingültig im „luftleeren Raum“ erfolgen, sondern muss immer normspezifisch orientiert sein.848 Daher wird die Zurechnung einer Gefährdung oder Verletzung des Retters nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Retter bewusst erhebliche Gefährdungen von Leib und Leben auf sich nimmt, wenn zugleich erhebliche Erfolgschancen bestehen, Leib und Leben eines oder mehrerer Dritter erfolgreich zu retten. Es wäre lebensfremd, überobligationsmäßige Rettungsversuche generell als grob unvernünftiges Verhalten einzuordnen, denn es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Helfer mehr tut, als von Rechtswegen verlangt werden kann. Typisch sind aber auch Rettungshandlungen, die riskant und mit erheblichen Gefahren für den Retter verbunden sind, ohne dass dieser die Gefahr erkannte. Denn Laienretter (ebenso wie die unmittelbar gefährdeten Personen) werden die Gefährlichkeit von Bränden oftmals unterschätzen und Risiken eingehen, die aus der Perspektive eines Expertens oder ex post betrachtet als höchst lebensgefährlich und eigentlich „unvernünftig“ beurteilt werden müssen.849 Der Brandstifter schafft daher nicht nur die Veranlassung zum Eingreifen Dritter, sondern er verleitet diese 847 Trefffend MüKo-StGB/Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 425: „Indessen lässt sich selbst dann eine spezifische Vermeidepflicht begründen, wenn es an einer Rechtspflicht zur Rettung fehlt. Denn auch wer ohne Rechtspflicht einen – nicht gänzlich unvernünftigen – Rettungsversuch unternimmt, geht keineswegs seinem ,Privatvergnügen‘ nach. Auch haben wir es nicht mehr mit einer in dem Sinne ,freiwilligen‘ Gefährdung oder Preisgabe eigener Güter zu tun, dass der Betreffende in Bezug auf die entsprechende Herausforderung nicht mehr schutzwürdig ist.“; SSW/Kudlich, Vor §§ 13 ff. Rn. 57; a. A. MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 156 f. 848 MüKo-StGB/Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 409. 849 Mit Recht bemerkt Roxin, dass Rettungshandlungen, die sich im Rahmen des pflichtgemäß Gebotenen halten, von überobligationsmäßigen und freiwilligen Wagnissen kaum abzugrenzen sind, vgl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 139. Der Grad zwischen nur drohenden leichten und vielleicht sogar tödlichen Verletzungen ist in der Tat extrem

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auch zu Fehleinschätzungen, weil für eine ordnungsgemäße Gefährlichkeitsbewertung häufig Sonderkenntnisse erforderlich sind, die akut nicht verfügbar sind. Das mitunter fehlende Risikobewusstsein privater Helfer ist zudem ein Umstand, der gegen die verbreitete Annahme spricht, solche Gefährdungen seien Ausdruck einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung,850 denn wer das Ausmaß der Gefahr in wesentlichen Teilen nicht überblickt, der leidet unter einem relevanten Beurteilungsdefizit. Anzumerken ist, dass die verbreitete Differenzierung nach Retterpflichten auch deshalb nicht sachgerecht ist, weil in bestimmten Situationen die nicht professionell ausgebildeten und überobligationsmäßig handelnden Helfer oftmals temporär die einzig verfügbaren Retter sind. Denn insbesondere Gebäude- und Zimmerbrände weisen, wie entsprechende Untersuchungen bewiesen haben, eine außergewöhnliche Dynamik auf, und lebensgefährliche Situationen in diesen Räumlichkeiten können schneller entstehen, als überhaupt professionelle Hilfe herbeieilen kann.851 Die Selbstrettung der betroffenen Personen oder die „amateurhafte“ Rettung durch Dritte ist im Zeitraum vor dem Eintreffen organisierter Hilfe die einzig verfügbare Option. Warum die Gefährdung oder Verletzung solcher Retter allein aufgrund ihrer fehlenden Professionalität oder dem Fehlen eines Näheverhältnisses zur gefährdeten Person nach § 35 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 einen täterentlastenden Umstand darstellen soll, erscheint willkürlich, allzumal diese couragierten Helfer unerfahren und deshalb besonders schützbedürftig sind. Wer mehr Zivilcourage und Mut aufbringt, als gefordert, darf deshalb nicht demjenigen gleichgestellt werden, der sich in Selbsttötungsabsicht in die Flammen stürzt.852 Anlass für eine Auflockerung des gesetzlich vorgezeichneten Zurechnungszusammenhangs besteht nur, soweit die Rettungshandlung vollkommen atypisch ist schmal und besonders Laien werden Brände und ihre Risiken oftmals vollkommen falsch einschätzen. 850 So etwa MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 156 f. 851 Brandschutzforschung der Bundesländer, Bericht Nr. 152, S. 77: „Innerhalb weniger Minuten bilden sich hinsichtlich thermischer und toxischer Exposition kritische Situationen aus, wodurch die Überlebenschancen von im Brandraum befindlichen Personen bei Wohngebäuden rapide sinken. Die für die Rettung aus dem Brandraum zur Verfügung stehende Zeitspanne unterschreitet die mögliche Eintreffzeit der Hilfskräfte der Feuerwehr im Normalfall. Vor dem Hintergrund der Veränderungen durch generelle Energiesparmaßnahmen wird die Entwicklung unterventilierter Brände im Wohnbereich unterstützt. Es kommt deutlich schneller zu kritischen Situationen für die Bewohner. In Brandräumen, in denen das Feuer seinen Ausgangspunkt hat, können die Bewohner diesen Situationen fast ausschließlich durch Selbstrettung entgehen . . . Die Aufklärung der Bevölkerung muss auch umfassen, dass sich in Nachbarschaft zum Brandraum kritische Verhältnisse entwickeln können und die Überlebenschancen in diesen Räumen ebenfalls schneller sinken können, als die Feuerwehr einzutreffen vermag und daraus die Notwendigkeit der Selbstrettung erwächst.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 852 In diesem Sinne aber offenbar LK/Walter, Vor § 13: „Doch soweit die Hilfe eigentlich unzumutbar ist oder kein Unglücksfall vorliegt, wird ein Rettungsversuch oft schon ganz unvernünftig und unverhältnismäßig sein.“

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und außerhalb dessen liegt, was vernünftigerweise in Rechnung zustellen ist. Eine die Zurechnung durchbrechende atypische und daher eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Retters ist beispielsweise gegeben, wenn ein Angehöriger der Feuerwehr, trotz seines berufsbedingten Kenntnisstandes, ein stark verrauchtes Gebäude ohne Atemschutz und aus purem Leichtsinn betritt und hierbei verunglückt.853 Solche jenseits des rechtlich Geforderten und menschlich Nachvollziehbaren liegenden „Rettungsbemühungen“ können dem Brandstifter nicht in Rechnung gestellt werden und sind im Rahmen ihrer Atypizität als autonome, sprich selbstverantwortete Entscheidung zu klassifizieren. Aber auch von professionellen Rettern wird nicht durchgehend sorgfaltsgemäßes Handeln zu fordern sein.854 Leichte Sorgfaltspflichtwidrigkeiten werden auch hier die grundsätzliche Zuweisung des Geschehens in den Verantwortungsbereich des Brandstifters rechtfertigen können, wobei die Maßstäbe der Typizität freilich deutlich strenger sind, als bei den ungeschulten Laienrettern. Bei der Bewertung von „Extremfällen“, die zu einem Zurechnungsausschluss führen, ist also durchaus eine differenzierende Behandlung zwischen beiden Retterguppen geboten. (4) Zusammenfassende Überlegungen zur Rettergefährdung Die Zurechnungsproblematik von Retterschäden im Rahmen von Bränden gebietet es, den Schutzzweck der §§ 306, 306a bei der Beurteilung, ob der Brandstifter für diese Personen eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, weitaus stärker in den Fokus zu rücken als bisher geschehen. Das – untechnisch gesprochen – „freiwillige“ Eingreifen Dritter zur Rettung von Individualrechtsgütern ist teleologisch schon als tattypischer Umstand eingerechnet, denn die §§ 306, 306a differenzieren nicht abstrakt zwischen der Gefährlichkeit der Tat für bestimmte Personenkreise, sondern alle tattypischen Gefährdungen für Leib, Leben und Eigentum, einschließlich ihrer Konkretisierungen, sind erfasst.855 Aus dieser Haftung für das rettende Eingreifen Dritter, die ihre verfassungsrechtliche Legitimation mit Rücksicht auf das Schuldprinzip in der Gemeingefährlichkeit solcher Taten und der offensichtlichen Vorhersehbarkeit des dadurch induzierten Eingreifens Dritter findet, kann der Brandstifter nur ausnahmsweise mit Blick auf unvertretbare Rettungshandlungen entlassen werden. Im Ergebnis ist daher die vom Bundesgerichtshof in BGHSt 39, 322 ff. vertretene Auffassung auch für §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c, 306d Abs. 1, Var. 3 und Abs. 2 zustim853 Zur Problematik der Bewertung von Fehlern professioneller Helfer im Rahmen einer arbeitsteiligen Brandbekämpfung, vgl. OLG Stuttgart, NStZ 2008, S. 462; mit Anmerkung Puppe, NStZ-RR 2009, S. 52 ff. 854 Insoweit ist auch im Rahmen der §§ 212, 223, 222, 229 anerkannt, dass nicht jeder leichte ärztliche Kunstfehler den Zurechnungszusammenhang gegenüber dem Erstverursacher aufzuheben vermag, vgl. nur LK/Walter, Vor § 13 Rn. 105; NK/Puppe, Vor §§ 13 ff. Rn. 252. 855 Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 117.

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mungswürdig, so dass Retter hier grundsätzlich taugliche Tatopfer sind und nur in „Extremfällen“ anders zu entscheiden ist. Der hier vorgeschlagene schutzzweckspezifische Lösungsansatz erfordert daher grundsätzlich keine Risikoabwägung zwischen Chancen und Risiken des rettenden Eingriffs als Grenzziehung einer Hilfspflicht. Die verbreitete Anknüpfung an das Bestehen einer Rechtspflicht zur Hilfeleistung verdeckt die eigentliche Problematik dieser Thematik, nämlicher welcher „Partei“ grundsätzlich die brandspezifischen Retterschäden zugewiesen sind. Diesbezüglich treffend bemerkt Puppe, dass auch ein verunglückter Retter vernünftigt handele, obgleich er sich selbst in Gefahr gebracht habe, und deshalb den Schutz des Strafrechts (genauer der §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c, 306d Abs. 1, Var. 3 und Abs. 2) verdiene. Puppe ist darin zuzustimmen, dass nicht eine – ich möchte hinzufügen: der Realität solcher Situationen entfremdete und schematische – Aufrechnung von Risiken und Chancen des Rettungsversuchs für die Zurechnung schädigender Folgen ausschlaggebend sein dürfe.856

IV. Konkurrenzen und minder schwere Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 1. Zum Verhältnis der §§ 306, 306a Ausgehend von der Kongruenz der Schutzrichtung der §§ 306, 306a hinsichtlich der Verhinderung der abstrakten brandbedingten Gemeingefährlichkeit für Leben, Leib und Eigentum ist die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse weitgehend determiniert.857 Sofern die §§ 306, 306a in Handlungseinheit zusammentreffen, verdrängen beide Fälle des § 306a die einfache Brandstiftung im Wege der Gesetzeskonkurrenz, da die in § 306 angelegte abstrakte „Grundgefährlichkeit“ im Rahmen des § 306a Abs. 1 und 2 eine unrechtssteigernde Akzentuierung erfährt, so dass der Unrechts- und Schuldgehalt des § 306 – entgegen der herrschenden Deutung858 – von der schweren Brandstiftung voll mitum856 857

Puppe, Jura 1998, S. 21 (30). Zur Einordnung des § 306 auf dem Boden der „Gefährdungslösung“ vgl. § 2 I.

1. c). 858 Der herrschenden Auffassung ist diese Sicht freilich verwehrt, weshalb auf Grundlage der Einordnung des § 306 Abs. 1 als Sachbeschädigungs- bzw. Kombinationsdelikt überwiegend von Tateinheit zwischen § 306 und § 306a ausgegangen wird, so LK/Wolff, § 306a Rn. 39; SSW/Wolters, § 306 Rn. 22; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 62; Kreß, JR 2001, S. 315 (318): „Denn auch ausgehend von der Einordnung des § 306 Abs. 1 StGB als gemeingefährliche Sachbeschädigung sind dieser Tatbestand und § 306a Abs. 1 StGB in ihrer Schutzrichtung lediglich teilkongruent. Damit behält der die Idealkonkurrenzlösung tragende Gesichtspunkt der Unrechtsausschöpfung im Urteilstenor seine Beachtlichkeit.“; a. A. MüKo-StGB/ Radtke, § 306 Rn. 69: „Bei Brandstiftung an ein und demselben fremden Tatobjekt

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fasst ist, weshalb eine Verurteilung aus § 306a das Tatgeschehen erschöpfend würdigt.859 Doch auch auf dieser Grundlage ist jedenfalls im Ergebnis die herrschende Auffassung zutreffend, wonach beim Zusammentreffen der beiden Absätze des § 306a Tateinheit bestehe.860 Während die Akzentuierung der gegenüber § 306 Abs. 1 gesteigerten Gefährlichkeit bei § 306a Abs. 1 aus der qualifizierten Nutzung der Tatobjekte folgt, knüpft § 306a Abs. 2 an die vorsätzlich herbeigeführte Gesundheitsgefährdung einer anderen Person an. Es liegen somit zwei verschieden geartete, aber hinsichtlich des erfassten Unrechts gleich gewichtete Fälle einer besonders gefährlichen Brandstiftung vor, weshalb es die Klarstellungsfunktion der Tateinheit gebietet, das jeweils unterschiedlich ausgeformte Gefährdungsunrecht im Tenor zum Ausdruck zu bringen.861 Die vorstehenden Überlegungen, denen rein schutzzweckspezifische Erwägungen zugrunde liegen, haben zunächst eine interessante Frage hinsichtlich des dogmatischen Verhältnisses von § 306 Abs. 1 und § 306a außen vor gelassen: Besteht zwischen diesen Normen Gesetzeskonkurrenz in Form von Spezialität oder materieller Subsidiarität?862 Wie ist also die materielle Konvergenz des Unrechtsgehalts der §§ 306, 306a dogmatisch zu übersetzen? Denn sind beide Varianten der schweren Brandstiftung jeweils eine Qualifikation der einfachen Brandstiftung, dann wäre die Annahme von Gesetzeskonkurrenz in Form von Spezialität zwingend. a) § 306a – eine Qualifikation des 306 Abs. 1? Die auf Basis der hier entwickelten Sicht intuitiv naheliegende Annahme, beide Fälle der schweren Brandstiftung gem. § 306a als unselbstständige Abwandlung, d. h. als eine Qualifikation der einfachen Brandstiftung, zu klassifizieren, kann sich zunächst darauf stützen, dass in weiten Teilen eine Überschneidung des Unrechtsgehaltes dieser Normen besteht, so dass sich materiell betrachtet von einer qualifikationsartigen Verdichtung des Gefährdungsunrechts in den Fällen des § 306a sprechen lässt. Dies steht freilich in diametralem Gegensatz zur überwiegenden Meinung, die aufgrund des von ihr angenommenen fehlenden teleologischen Gleichlaufs die §§ 306, 306a – wie gezeigt – als eigenständige

wird § 306 Abs. 1 durch § 306a Abs. 1 oder Abs. 2 im Wege der Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) verdrängt.“; BGH, NJW 2001, S. 765 f. 859 Zu den Voraussetzungen der Gesetzeskonkurrenz, Roxin, AT II, § 33 Rn. 170; LK/Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 89; Sch/Sch/Stree/Sternberg-Lieben, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 102. 860 MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 60; Rengier, BT II, § 40 Rn. 39a. 861 Roxin, AT II, § 33 Rn. 109. 862 LK/Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 98 ff., 129 f.

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Delikte deuten muss.863 Ergänzend wird gegen die Bewertung des § 306a als Qualifikation des § 306 Abs. 1 eingewendet, dass es hierfür bereits an einer wesentlichen formalen Voraussetzung fehle, denn die Merkmale des Grundtatbestandes müssten nach allgemeiner Auffassung im Rahmen des Qualifikationstatbestandes unverändert und mit derselben Auslegung wiederkehren.864 Daran fehlt es nun unbestreitbar mit Blick auf das Verhältnis von § 306 Abs. 1 zu § 306a, denn der Tatobjektskatalog der schweren Brandstiftung ist umfassender, weil die Tatobjekte des § 306a – anders als § 306 Abs. 1 – keiner eigentumsrechtlichen Beschränkung unterworfen sind. Außerdem ist der Tatobjektskatalog des § 306a Abs. 1 teils enger als der des § 306 Abs. 1, weil er sich nur auf bestimmte Räumlichkeiten bezieht. Infolgedessen scheint sich das Verhältnis zwischen §§ 306, 306a nicht so recht in die klassische Unterscheidung von Grund- und Qualifikationstatbestand zu fügen. Zwar lässt sich einerseits eine materielle Unrechtssteigerung beschreiben, doch andererseits scheint die Einordnung des § 306a als Qualifikation des § 306 Abs. 1 allein an der formellen Voraussetzung zu scheitern, dass dessen Tatbestandsmerkmale in § 306a nicht unverändert wiederkehren.865 Dieser Befund gibt Anlass, zu hinterfragen, ob die Annahme, wonach die wesenstypische graduelle Unrechtssteigerung, die der Qualifikation als strafschärfende Abwandlung gegenüber dem Grunddelikt innewohnt, durch das Gesetz ausschließlich durch die Addition von Merkmalen zum Grundtatbestand zum Ausdruck gebracht werde, überhaupt mit Blick auf die §§ 306, 306a sachgerecht ist.866 Diese Sicht ist unbestritten für Verletzungsdelikte zutreffend, wie beispielsweise im Verhältnis der §§ 223, 224 und §§ 212, 211. Dort wird die Rechtsgutsverletzung – die vorsätzliche Tötung oder Verletzung einer anderen Person nach §§ 212, 223 – durch weitere objektive Unrechtselemente, wie den Gebrauch einer Waffe (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1) oder die heimtückische Tataus863 LK/Wolff, § 306a Rn. 39; SSW/Wolters, § 306a Rn. 24 f.; LK/Wolff, § 306a Rn. 39; Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 26; SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 26: „die Vorschrift steht damit nach ihrer Schutzrichtung völlig selbstständig neben der sachbeschädigenden Brandstiftung.“; zur daraus folgenden Bewertung beider Normen als delicta sui generi Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 84 f. und hierzu bei § 2 A I. 1. a) cc) (3). 864 Roxin, AT I, § 10 Rn. 133; Gropp, AT, § 3 Rn. 45a; Jescheck/Weigend, AT, § 26 III Rn. 1; Börner, Vorschlag zum Brandstrafrecht, S. 12: „Allein der Umstand, dass § 306a StGB sowohl eigene als auch fremde Sachen erfasst, hat mit einer Einordnung als Qualifikation nichts zu tun, sondern beschreibt lediglich die Überschneidung zweier Tatbestände.“ 865 Roxin, AT I, § 10 Rn. 133. 866 Rissing-van Saan gibt eine ähnliche Begriffsbestimmung für die Gesetzeskonkurrenz in Form der Spezialität, die verlange, dass ein Strafgesetz alle Merkmale einer anderen Strafvorschrift aufweise, und zumindest ein weiteres Merkmal enthalte, das den in Frage kommenden Sachverhalt unter einem genaueren Gesichtspunkt erfasse, LK/ Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 98; ebenso Sch/Sch/Stree/Sternberg-Lieben, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 105.

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führung (§ 211 Abs. 2) bzw. durch subjektive Unrechtselemente, wie die Habgier oder die Verdeckungsabsicht (§ 211 Abs. 2), „additiv“ qualifiziert.867 Allerdings sollte die Einordnung der §§ 306, 306a Abs. 1 als abstrakte Gefährdungsdelikte bzw. des § 306a Abs. 2 als abstraktes und konkretes Gefährdungsdelikt Anlass geben, die Forderung nach einer unveränderten Wiederkehr der Merkmale des Grundtatbestandes im Rahmen des Qualifikationstabtestandes kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Zunächst ist daran zu erinnern, dass § 306a nur deshalb partiell umfassender ist, weil § 306 Abs. 1 gezielt nicht tätereigene Tatobjekte erfasst, um den Fall der Eigentümerbrandstiftung zu privilegieren.868 Die Berechtigung dieses Privilegs entfällt nach der gesetzlichen Regelungslogik aber in den besonders gefährlichen Fällen des § 306a – der Tatbegehung an speziell genutzten Räumlichkeiten (Abs. 1) oder unter vorsätzlicher Gefahrverursachung für Dritte (Abs. 2) –, was die Unbeachtlichkeit der Eigentumsverhältnisse am Tatobjekt erklärt. Mit anderen Worten ist die Atypizität der Existenz zweier Qualifikationstatbestände (§ 306a), die in Teilbereichen formal nicht mit dem Grundtatbestand (§ 306) deckungsgleich sind, letztlich eine Folgewirkung der durch das preuß. StGB 1851 konzeptionell gewählten fragmentarischen Regelungstechnik zur Kennzeichnung gefährlicher Brände unter Berücksichtigung des Prinzips der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung, einschließlich seiner Begrenzung. Wird diese historisch gewachsene Eigentümlichkeit der §§ 306, 306a Abs. 1 gewürdigt, dann ergibt sich ohne Weiteres, dass § 306a eine Qualifikation des § 306 Abs. 1 darstellt, obwohl der Qualifikationstatbestand formal nicht vollumfänglich auf dem Grundtatbestand des § 306 Abs. 1 aufbaut.869 Bei den hier in Rede stehenden abstrakten Gefährdungsdelikten verengt sich also der Anwendungsbereich der Qualifikation gezielt nur auf bestimmte Situationen des Grundtatbetandes und reicht teils – hinsichtlich der tätereigenen Tatobjekt – sogar darüber hinaus, d.h. die Kennzeichnung der Unrechtssteigerung in § 306a findet durch eine selektive Fokussierung auf besonders gefährliche Situationen statt und nicht – wie sonst bei Verletzungsdelikten üblich – durch eine schematische Addition qualifizierender Merkmale zu dem die Rechtsgutsverletzung beschreibenden Grundtatbestand. Dies erklärt, warum nicht alle Merkmale des § 306 als 867

LK/Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 108. Vgl. § 2 I. 1. c) cc). 869 Im Schrifttum wird vereinzelt vertreten, dass § 306a Abs. 2 eine Qualifikation des § 306 Abs. 1 sei, vgl. Bayer, in: Bochumer Erläuterungen zum 6. StrRG, S. 108: „§ 306a Abs. 2 ist Qualifikation des § 306 Abs. 1 StGB.“; Fischer, NStZ 1999, S. 13: „Nach dem Wortlaut der Vorschriften gilt daher das für § 308 I Alt. 1 a. F. und § 306 a. F. ganz überwiegend angenommene Verhältnis nicht mehr: § 306 a II ist als Qualifikationstatbestand des § 306 I formuliert.“; aufgegeben: Fischer, § 306 Rn. 1; ders., § 306a Rn. 10a, 13; a. A. MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 43: „Abs. 2 weist eine Doppelfunktion als Gefahrerfolgsqualifikation von § 306 Abs. 1 einerseits und eigenständiger Tatbestand andererseits auf; er lässt sich in die Gesamtsystematik des Brandstrafrechts nicht bruchlos einordnen.“; ders., ZStW 110 (1998), S. 848 (874). 868

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Grundtatbestand unverändert beim Qualifikationstatbestand des § 306a wiederkehren, und macht deutlich, dass die von den Verletzungsdelikten gewohnten Maßstäbe nicht unbesehen auf die (weitgehend) als abstrakte Gefährdungsdelikte konzepierten §§ 306, 306a übertragen werden dürfen. Demzufolge verdrängen beide Absätze des § 306a die einfache Brandstiftung im Wege der Spezialität.870 b) Konkurrenzverhältnis zwischen §§ 306, 306a und §§ 303, 305 Für die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zwischen §§ 306, 306a und §§ 303, 305 könnte zunächst die Annahme von Tateinheit aus Klarstellungsgründen naheliegen. Das tatbestandliche Unrecht ist formal betrachtet nicht deckungsgleich, denn während die §§ 303, 305 Eigentumsverletzungen erfassen, beziehen sich die §§ 306, 306a (auch) auf die abstrakte Eigentumsgefährlichkeit solcher Taten. Andererseits kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Verwirklichung der §§ 306, 306a regelmäßig mit Sachbeschädigungen am Tatobjekt871 und/oder an sonstigen fremden Sacheigentum im Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle Brandherd verbunden ist.872 Die Realisierung der abstrakten Gefährlichkeit in Form von Eigentumsverletzungen ist daher eine wahrscheinlichere Folge als die Verletzung von Leib und Leben. Eine Brandstiftungen nach §§ 306, 306a ohne eine daraus folgende Sachbeschädigungen ist zwar denkbar, aber sicher selten.873 Auf der Ebene der Konkurrenzen – und nur in diesem eingeschränkten Sinn – ist es angebracht, die ansonsten abzulehnende Einschätzung Bindings aufzugreifen, wonach die Brandstiftung „den Typus der Sachbeschädigung“ 874 in sich trage. Diesem tattypischen Umstand ist konkurrenzrechtlich durch die Annahme von Konsumtion der §§ 303, 305 durch die §§ 306, 306a Rechnung zu tragen, weil die Brandstiftungsdelikte die Sachbeschädigung dann 870 Im Ergebnis ebenso, wenngleich mit anderer Begründung, MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 69; anders zuvor ders., Dogmatik, S. 390: „Da das Gefährlichkeitselement des § 306 Abs. 1 vollständig über § 306a Abs. 1 abgedeckt ist und die eingetretene Eigentumsverletzung über §§ 303 ff. erfasst wird, lässt sich in Übereinstimmung mit der von Geppert zum bisherigen Recht vertretenen Auffassung § 306 Abs. 1 als typisch mitbestrafte Begleittat des § 306a Abs. 1 verstehen.“ 871 Dagegen streitet nicht, dass beide Fälle der schweren Brandstiftung gem. § 306a eigentumsrechtlich neutral ausgestaltet sind und nach der hier zugrunde gelegten „negativ-zivilrechtsakzessorischen“ Auslegung des Merkmals „fremd“ [vgl. § 2 I. 1. c) cc)] auch herrenlose Tatobjekte von § 306 Abs. 1 erfasst sind, denn die §§ 306, 306a schützen das Eigentum abstrakt und nicht nur mit Blick auf das Tatobjekt, zumal im Regelfall diese Tatobjekte in fremden Eigentum stehen werden. 872 Hinsichtlich fremder Sachen im Tatobjekt auch MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 68. 873 So wenn der Eigentümer eines Wohngebäudes, das von Dritten bewohnt wird, dieses gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 in Brand setzt und das Feuer dann von selbst erlischt, bevor das Eigentum der Bewohner beeinträchtigt wurde. 874 Binding, Strafrecht BT, Band 2, Abteilung 1, § 119, S. 11; sowie ders., Normen I, S. 381 f. Fn. 26.

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so umfassen, dass diese in ihnen aufgehen.875 Im Übrigen gibt der durch die §§ 306, 306a eröffnete Strafrahmen ausreichend Raum, vorsätzlich (wie auch fahrlässig) begangene brandbedingte Eigentumsverletzung zu berücksichtigen. Dessen ungeachtet ist die Annahme von Konsumtion nicht auf das Konkurrenzverhältnis zu den §§ 211, 212, 223, 224, 226, 222, 229 übertragbar. Vielmehr ist beim Zusammentreffen der §§ 306, 306a mit diesen Delikten grundsätzlich die Annahme von Tateinheit geboten.876 Der Unterschied zur Lösung bei den §§ 303, 305 ist, dass zwar auch die Verletzung von Leib und Leben tattypisch, aber keine so regelmäßige Begeleiterscheinung von Brandstiftungen ist, wie der Eintritt von Eigentumsverletzungen. Dass Verletzungen von Leib und Leben – auch wenn sie vom Schutzzweck der §§ 306, 306a als Folgewirkungen in Betracht gezogen sind – nicht konkurrenzrechtlich von den §§ 306, 306a konsumiert werden können, belegt nun klar die Existenz der §§ 306b Abs. 1, 306c, die qualifizierend an die Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter anknüpfen. c) Zur Problematik des § 306d – vom Mut zur Anwendung fehlerhafter Gesetze Die eklatante gesetzgeberische Fehlgestaltung der fahrlässigen Brandstiftung gem. § 306d, die unter dem Schlagwort des „Strafrahmenrätsels“ 877 bekannt geworden ist und der die fehlerhafte Abstimmung mit den Strafrahmen der §§ 306, 306a zugrunde liegt, ist bereits Gegenstand zahlreicher Ausführungen gewesen, die diese Problematik erschöpfend beleuchtet haben.878 Dennoch macht es die hier angenommene Verdrängung des § 306 Abs. 1 durch § 306a Abs. 2 im Wege der Gesetzeskonkurrenz notwendig, auch die Auswirkungen auf das konkurrenzrechtliche Verhältnis von § 306 Abs. 1 zu § 306d Abs. 1, Var. 3 zu thematisieren. Denn verwirklicht der Täter § 306 Abs. 1 und bewirkt er dadurch fahrlässig die konkrete Gesundheitsgefährdung einer anderen Person, so ist zusätzlich der Tatbestand der fahrlässigen Brandstiftung gem. § 306d Abs. 1, Var. 3 erfüllt. Aufgrund der Verdrängung des § 306 Abs. 1 durch § 306a Abs. 2 im Wege der Ge875 Fischer, Vor § 52 Rn. 43; LK/Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 144 f. Hingegen ist von Tateinheit zwischen §§ 306, 306a und § 305a Abs. 1 auszugehen, da der Schutzzweck der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel nicht allein auf den Eigentumsschutz am Tatobjekt beschränkt ist, sondern auch das Allgemeininteresse an der Funktionstüchtigkeit lebenswichtiger Betriebe und Einrichtungen umfasst, dazu MüKo-StGB/WieckNoodt, § 305a Rn. 1 f.; Fischer, § 305a Rn. 2. Dieses zusätzliche Unrecht muss im Wege der Tateinheit im Tenor selbständig zum Ausdruck kommen. 876 Eine Einschränkung ist nur im Verhältnis von § 306b Abs. 1 zu § 229 und von § 306c zu § 222 zu machen, da hier die §§ 222, 229 im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten, so auch: Fischer § 306c Rn. 7; Sch/Sch/Heine, § 306c Rn. 11; MüKoStGB/Radtke, § 306c Rn. 31. 877 Fischer, NStZ 1999, S. 13. 878 Umfassend: Immel, StV 2001, S. 477 ff.

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setzeskonkurrenz gilt dies zwangsläufig auch für die Vorsatz-FahrlässigkeitsKombination des § 306d Abs. 1, Var. 3 mit der ungewöhnlichen Konsequenz, dass die zusätzliche Bewirkung einer fahrlässigen Gesundheitsgefährdung den Täter privilegiert. Schließlich sieht § 306d Abs. 1, Var. 3 lediglich eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von maximal fünf Jahren vor, während das verdrängte Delikt – § 306 Abs. 1 – als Verbrechenstatbestand eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren androht.879 Die herrschende Meinung vermeidet diese Folge im Wege der „Konkurrenzlösung“ und gelangt auf der Grundlage der These, § 306 Abs. 1 diene dem Eigentumsschutz und §§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3 allein dem Gesundheitsschutz, zur Annahme von Tateinheit nach § 52, so dass der Täter letztlich doch dem höheren Strafrahmen des § 306 Abs. 1 unterworfen bleibt.880 Angesichts der aufgezeigten Verdrängung des § 306 Abs. 1 durch die spezielleren §§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3 ist dieser Weg nicht gangbar. Das zwingende, wenn auch zunächst fern jeder Logik liegende Ergebnis ist, dass die Herbeiführung einer fahrlässigen Gesundheitsschädigung nach § 306d Abs. 1, Var. 3 den Täter durch Verdrängung des § 306 Abs. 1 effektiv privilegiert.881 Selbiges gilt dann auch im Verhältnis von § 306d Abs. 1, Var. 1 zur FahrlässigkeitFahrlässigkeits-Kombination des § 306d Abs. 2. Einer an den Geboten der Logik orientierten Rechtsanwendung muss es zwar befremdlich erscheinen, zusätzlich geschaffenes Gefährdungsunrecht als privilegierenden Umstand anzurechnen, zumal ersichtlich ist, dass es sich hierbei um ein Versehen des Gesetzgebers handelt, der sich im Verweisungsgeflecht und der Abstimmung der Strafrahmen zwischen §§ 306, 306a, 306d verheddert hat.882 Doch entscheidend ist, dass der Gesetzgeber mit § 306d Abs. 1, Var. 3 faktisch einen Privilegierungstatbestand zu § 306 Abs. 1 geschaffen hat. Dabei muss es sein Bewenden haben, denn es erscheint mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot fragwürdig, die in § 306d Abs. 1, Var. 3 festgeschriebene entlastende Wirkung dem Täter mit dem Hinweis zu versagen, der Gesetzgeber habe dies „eigentlich“ so nicht gemeint, obwohl er diese begünstigenden Rechtsfolgen im Gesetz fest879 Die gleiche Problematik – nämlich die strafmildernde Wirkung einer zusätzlich fahrlässig bewirkten Gesundheitsgefährdung – besteht im Verhältnis zwischen § 306d Abs. 1, Var. 1 – der fahrlässigen Verwirklichung des 306 Abs. 1 – und § 306d Abs. 2. § 306d Abs. 2 begünstigt die zusätzliche fahrlässige Herbeiführung der konkreten Gesundheitsgefährdung einer anderen Person durch fahrlässige Anzündung der in § 306a Abs. 2 benannten Objekte durch eine unverständliche Absenkung des Höchststrafrahmens in § 306d Abs. 1, Var. 1 von fünf Jahren Freiheitsstrafe auf lediglich drei Jahre; dazu kritisch: Sch/Sch/Heine, § 306d Rn. 1; Fischer, NStZ 1999, S. 13; Immel, StV 2001, S. 477 (478). 880 SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 24, § 306d Rn. 12; Eisele, BT I, Rn. 800; Immel, StV 2001, S. 477 (481). 881 Im Ergebnis ähnlich, wenngleich auf anderer Grundlage, Immel, StV 2001, S. 477 (482). 882 Zu den vermuteten Ursachen dieses Fehlers im Gesetzgebungsverfahren Immel, StV 2001, S. 477 (478).

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geschrieben hat. Eine korrigierende Gesetzesauslegung stößt naturgegeben dort an ihre Grenzen, wo die gesetzlichen Strukturen selbst einer stimmigen Normendeutung entgegenstehen.883 Hier ist allein der Gesetzgeber befugt und verpflichtet, diesen Fehler zu revidieren. Die strikte Umsetzung der in das Gesetz gegossenen (Un-)Logik ist vielleicht das einzige Heilmittel, das den Gesetzgeber dazu motivieren mag, das Niveau der verabschiedeten Gesetze zu erhöhen und erkannte Fehler zeitnah zu beseitigen. Warum sollte sich der Gesetzgeber ansonsten veranlasst sehen, die Qualität seiner Regelungstechnik zu verbessern, wenn Praxis und Lehre bereitwillig an der Korrektur unsinniger Gesetze mitwirken, auch da, wo es nichts zu korrigieren gibt, außer dem Gesetz? Der eigentliche Skandal ist nicht die grob missglückte Regelungssystematik des § 306d, sondern die seit 1998 währende legislative Lethargie, einem vielfach angemahnten und evidenten Missstand nicht Abhilfe zu leisten.884 Klarzustellen ist, dass die Ursache dieses sinnwidrigen Regelungsmechanismus nicht in der hier getroffenen Schutzzweckbestimmung der §§ 306, 306a wurzelt, sondern in der mangelnden Abstimmung des Strafrahmens des § 306d.885 Die „Konkurrenzlösung“, die ihrerseits auf der Verkennung des gemeinsamens Schutzanliegens der §§ 306, 306a beruht, hat es bislang nur ermöglicht, diese Problematik beim Zusammentreffen von §§ 306 Abs. 1, 306d Abs. 1, Var. 3 zu überspielen, während das hier dargelegte Rechtsgutskonzept die logischen Fehler des Gesetzes konsequent zu Tage treten lässt.886 Deshalb sollte in der verunglückten Regelung des § 306d Abs. 1, Var. 3 keine Bestätigung der Annahme erblickt werden, § 306 Abs. 1 sei Sachbeschädigungs- und § 306a Abs. 2 nur ein Gesundheitsgefährdungsdelikt. 883

Immel, StV 2001, S. 477 (483). Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 199; Immel, StV 2001, S. 477 (483). 885 Zutreffend die Analyse von Immel, StV 2001, S. 477 (478): „Die Probleme des § 306 d gründen in seiner mangelhaften bzw. fehlerhaften Abstimmung mit den §§ 306, 306a“, ders. S. 479: „Quell des Übels ist vielmehr die Rechtsfolgenebene: Das Fehlen einer Abstimmung der einzelnen Strafrahmen.“; HK/Weiler, § 306d Rn. 1; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 118: „Das gesetzgeberische Bemühen um Strafrahmenharmonisierung hat in diesem Punkt eine leider besonders schrill klingende Disharmonie erzeugt.“; teils anders SK-StGB/Wolters, § 306a Rn. 24: „Ein derart sinnwidriges Ergebnis hat seine Ursache jedoch nicht – wie man meinen könnte – in der missverständlichen Bezeichnung der Tatobjekte . . ., sondern in einem unzutreffenden Verständnis des systematischen Verhältnisses der § 306 Abs. 1 und § 306a Abs. 2 zueinander.“ 886 Exakt die Kritik von Immel, StV 2001, S. 477 (481): „Man greift einen Widerspruch heraus, proklamiert dessen Beseitigung und verschleiert dabei, daß das systematische Problem nach wie vor im Raum steht. Das befriedigt nicht.“; Fischer, § 306a Rn. 10b: „So überzeugt die Begründung der Konkurrenzlösung nicht, soweit sie iErg den Unrechtsgehalt der abstrakt gefährlichen Brandstiftung bei § 306a II außer Betracht lässt und §§ 306a II, 306f II als ,allgemeine Gesundheitsgefährdungsdelikte‘ behandelt.“ 884

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Zudem sind die praktischen Auswirkungen der Akzeptanz einer privilegierenden Wirkung einer fahrlässig verursachten Gesundheitsgefährdung weniger gravierend, als dies zunächst den Anschein haben mag. Die durch § 306d Abs. 1, Var. 3 ermöglichte Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bietet ausreichend Spielraum, um auch schwere Fälle angemessen zu ahnden. Zudem gehen §§ 306a, 306b Abs. 1, 306c im Falle ihrer Einschlägigkeit ohnehin § 306d Abs. 1, Var. 3 vor. Ein Vorteil der Annahme von Gesetzeskonkurrenz zwischen § 306 Abs. 1 und §§ 306a Abs. 2, 306d Abs. 1, Var. 3 ist zudem, dass dadurch immerhin eine Gleichbehandlung aller Fälle erzielt wird, in denen der Täter durch Anzündung eines der in § 306 Abs. 1 benannten Tatobjekte nach § 306d Abs. 1, Var. 3 fahrlässig die konkrete Gesundheitsgefährdung einer anderen Person verusacht. Denn die herrschende Konkurrenzlösung hat zur Folge, dass ein Täter, der vorsätzlich die einfache Brandstiftung durch Inbrandsetzung eines fremden Tatobjekt verwirklicht und zusätzlich fahrlässig die Gesundheit einer anderen Person nach § 306d Abs. 1, Var. 3 konkret gefährdet, im Ergebnis dem Strafrahmen der einfachen Brandstiftung unterworfen bleibt. Dagegen ist nach herrschender Meinung bei der Tatverübung an herrenlosen und tätereigenen Tatobjekten unter fahrlässiger Herbeiführung einer konkreten Gesundheitsgefährdung allein § 306d Abs. 1, Var. 3 mit seinem ermäßigten Strafrahmen einschlägig, ohne dass für diese Differenzierung eine plausible Rechtfertigung ersichtlich ist. 2. Minder schwere Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 Die minder schweren Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 ordnen eine Verschiebung des Regelstrafrahmens von einem bis zu zehn (§ 306 Abs. 1) bzw. fünfzehn Jahren (§ 306a Abs. 1 und 2) Freiheitsstrafe auf sechs Monate von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe an. Der identische Strafrahmen für minder schwere Fälle der einfachen und schweren Brandstiftung ist – entgegen bisweilen geäußerter Kritik887 – nach der hier vertetenen Sicht durchaus begründbar, da sich das Unrecht der §§ 306, 306a wie gezeigt weitreichend – wenngleich nicht qualitativ vollumfänglich888 – deckt. Angesichts dessen kann die Bestimmung der minder schweren Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 im Wesentlichen anhand einheitlicher Kriterien erfolgen. Allgemein wird vom Vorliegen eines minder schweren Falls ausgegangen, wenn eine Gesamtwürdigung des konkreten Tatbilds ergibt, dass dieses in so erheblichem Maße vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle abweicht, dass die Anwendung des Sonderstrafrahmens 887 Kritisch Fischer, § 306a Rn. 12; SSW/Wolters, § 306a Rn. 31; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 969: „§ 306a III sieht für minder schwere Fälle . . . den gleichen Strafrahmen vor wie § 306 II; begründbar ist das wohl kaum.“ 888 Vgl. § 2 II. 1. und § 2 III. 1. c).

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geboten ist.889 Dabei sind nicht nur die Umstände der Tat, gleichgültig, ob sie dieser innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder ihr folgen, sondern auch die Täterpersönlichkeit zu berücksichtigen. Einschränkend ist anzumerken, dass nachfolgend allein überprüft werden soll, wann mit Blick auf die §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 von einem derart geminderten Erfolgs- und Handlungsunrecht gesprochen werden kann, dass die Annahme eines minder schweren Falls gerechtfertigt ist. Die Eröffnung einer Gefahrquelle als eigentliches Unrecht der §§ 306, 306a bietet zunächst einen tragfähigen Ansatzpunkt für die Bestimmung von minder schweren Fällen gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3. Infolgedessen muss es sich um eine Brandstiftung handeln, der konkret ein erheblich minimiertes Gefährlichkeitspotential für Leben, Leib und Eigentum im Vergleich zum Regelfall zu attestieren ist. Dies erfordert nicht nur eine umfassende Würdigung der Gemeingefährlichkeit unter allen in Betracht kommenden Aspekten, sondern auch die Berücksichtigung der Wertigkeit der tangierten Rechtsgüter.890 Je mehr Risikoaspekte auf Grund der Tatumstände oder von Gefahrvermeidungsmaßnahmen des Täters im Einzelfall ausgegrenzt werden können, desto naheliegender ist ein minder schwerer Fall. Dabei kommt es nicht primär auf die Größe des Brandherds an, sondern in erster Linie sind die durch den Brand verursachten oder drohenden Auswirkungen hinsichtlich der im Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle befindlichen Personen oder Sachgegenstände zu bemessen.891 Auf Gefahren für Retter oder Anwohner benachbarter Gebäude wird ein besonderes Augenmerk zu richten sein.892 Die Größe, die Lage und die Feuerempfänglichkeit des Tatobjekts sind ebenfalls bedeutende Indizien im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau.893 Überhaupt erscheint die Einstufung einer Brandstiftung nach §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 und Abs. 2 als minder schwerer Fall jedenfalls dann naheliegend, wenn der Täter begründeterweise damit rechnen durfte und auch gerechnet hat, dass durch die Brandstiftung im Zeitraum zwischen Tatvollendung und Tatbeendigung keine relevante Gefährdung von Leib, Leben und Eigentum vermittelt werden.894 Hier kann der Sachbesitz des Brandstifters am Tatobjekt einen gefahr889 Schäfer/Sander/van Gemmern, Praxis der Strafzumessung, Rn. 576 ff.; Fischer, § 46 Rn. 85; LK/Theune, § 46 Rn. 301 f. 890 Vgl. § 2 I. 1. a) aa). 891 Allein die Feststellung, dass die Brandstiftung konkret folgenlos – im Sinne einer Nichtverletzung von Leben, Leib oder Eigentum – geblieben ist, genügt nicht, um einen minderschweren Fall nach §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 bejahen zu können. Auch eine derart „folgenlose“ Verwirklichung der §§ 306, 306a Abs. 1 wird aus der abstrakten Perspektive dieser Normen schließlich gerade als gefährlich und strafwürdig klassifiziert, vgl. Koriath, JA 1999, S. 298 (301 f.). 892 Vgl. § 2 I. 1. a) aa) (1), § 2 II. 1. b) und § 2 III. 2. b) cc). 893 Ähnlich Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 25. 894 Vgl. MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 66, § 306a Rn. 59; a. A. Sch/Sch/Heine, § 306a Rn. 25: „Maßgebender Zeitpunkt ist die Ausführung der Tathandlung . . .“

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mindernden Umstand begründen, soweit der Täter hierdurch Dritte effektiv aus dem Einwirkungsbereich des Brandherdes ausschließen konnte und ausgeschlossen hat.895 Jedoch wird – anders als im Rahmen der Forderungen nach einer teleologischen Normreduktion bei § 306a Abs. 1896 – keine absolute Gewissheit oder Sicherheit verlangt werden können, da die Beurteilung der konkreten Tatsituation und des prognostizierten Verlaufs des Brandes für den Täter immer mit unvermeidbaren Gefahrquantifizierungsunschärfen behaftet ist. Erhebliche Risiken, die der Täter nicht erkannte, streiten indiziell gegen die Annahme eines minder schweren Falles, weil dieser das Risiko trägt, dass sich seine Gefahrbewertung als zutreffend erweist. Daher würde etwa die Inbrandsetzung eines unbewohnten fremden Gebäudes, in dem vom Täter unerkannt größere Menge hochbrennbarer Lösungsmittel lagern (besondere Gefahr für Retter), die Annahme eines minder schweren Falls nicht rechtfertigen können und zwar selbst dann, wenn die Lösungsmittel nicht Feuer fingen. Für Brände im Außenbereich, beispielsweise an einem Wald, einer Heide oder einem Moor gem. § 306 Abs. 1 Nr. 4, wird die Entstehung eines flächigen „Großbrandes“ einen minder schweren Fall ausschließen, denn ein solcher Gefahrenherd und seine Effekte lassen sich nicht eingrenzen, da die Entstehung erheblicher Mengen von Rauchgasen und dadurch eine Gefährdung für Dritte zu erwarten ist. Daher wird selbst die gewissenhafte Versicherung des Täters, dass sich in einem von § 306a Abs. 1 erfassten Tatobjekt bei Tatbegehung keine Personen aufhielten, nicht automatisch zur Einschlägigkeit des § 306a Abs. 3 genügen, wenn es sich um ein mehrstöckiges Gebäude handelt. Hier werden die professionellen Retter das Tatobjekt auf mögliche Brandopfer absuchen und dieses dafür betreten müssen. Kann aber von einem minder schweren Fall einer Brandstiftung gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 gesprochen werden, wenn durch die Tat vorsätzlich eine andere Person in die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht wurde? Davon ist auszugehen, da das Gesetz in § 306a Abs. 3, der sich auch auf § 306a Abs. 2 bezieht, klar zu erkennen gibt, dass selbst der Eintritt einer vorsätzlich bewirkten konkreten Gesundheitsgefährdung nicht der Annahme eines minder schweren Falls entgegensteht, was demgemäß auch auf § 306 Abs. 2 Rückwirkung entfaltet. Es wäre schließlich befremdlich, einen minder schweren Fall der einfachen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 2 mit dem Hinweis auf eine solche Gefahr zu verneinen und zugleich einen minder schweren Fall der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 3 zu bejahen. Jedoch ist einschränkend zu fordern, dass allenfalls die Gefahr einer leichten Gesundheitsschädigung die Annahme eines minder schweren Falls zu rechtfertigen vermag. Bestand hingegen konkret eine Lebensgefahr oder die Gefahr einer erheblichen Körperverletzung,

895 896

Vgl. § 1 B. IV. 2. c) und § 2 I. 1. c) cc) (1). Vgl. § 1 B. IV. 1. a) und § 2 II. 1. c).

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so schließt dies die Annahme eines minder schweren Falls aus. Dies gilt erst recht, soweit durch die Tat Leib oder Leben Dritter verletzt wurden. Hinsichtlich der Realisierung von Eigentumsverletzungen ist hingegen davon auszugehen, dass selbst der Eintritt erheblicher Sachschäden von mehreren tausend Euro einen minder schweren Fall per se nicht ausschließt, denn solche Folgen sind vollkommen tattypisch, wie schon die Überlegungen zur Konsumtion der §§ 303, 305 durch §§ 306, 306a gezeigt haben, wobei anzumerken ist, dass sich eine absolute Grenze hier nicht schematisch bestimmen lässt. Nachfolgend einige Beispiele, in denen die Annahme eines minder schweren Falls in Erwägung zu ziehen ist. Wenn A den Pkw des B (Verkehrswert: 12.000 A) entwendet und diesen auf einem umzäunten und abgelegenen, dem A gehörenden Privatgrundstück in Brand setzt und dadurch zerstört, dann wird sich die Annahme eines minder schweren Falles gem. § 306 Abs. 2, trotz des erheblichen Sachschadens, förmlich aufdrängen, denn § 306 Abs. 1 ist wie gezeigt kein Sachbeschädigungsdelikt. Aufgrund der Abgeschiedenheit des Tatorts, der zudem im Herrschaftsbereich des A liegt, sind Gefährdungen für Leib, Leben und Eigentum Dritter unwahrscheinlich. Die Tat nähert sich in diesem Beispiel dem Charakter einer reinen Brandsachbeschädigung an. Bei § 306a Abs. 1 wird die Annahme eines minder schweren Falls jedenfalls bei kleineren Raumgebilden und Gebäuden in Betracht kommen, also jenen Tatobjekten, für die bereits BGHSt 26, 121, 125 in einem obiter dictum eine teleologische Reduktion erwogen hat. Zu denken ist hier an die Inbrandsetzung einer bewohnten Gartenlaube, eines Campingmobils, einer selbstgebauten Obdachlosenhütte oder einer kleinen, isoliert stehenden Kapelle gem. § 306a Abs. 1 Nr. 2.897 Hier können sich Täter, ebenso wie Helfer, leicht von der Abwesenheit von Personen im Tatobjekt überzeugen und es droht regelmäßig kein größerer Brandherd, dessen Eindämmung für professionelle Helfer nur mit Risiken zu bewerkstelligen wäre. Vorausgesetzt ist freilich, dass der Täter sich von der Abwesenheit von Personen im Tatobjekt überzeugt und auch ansonsten keine relevanten Gefährdungen Dritter verursacht hat. Der Prüfung eines minder schweren Falles nach § 306a Abs. 3 ist auch im Fall einer „bedingten“ und somit unwirksamen Entwidmung einer zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeit gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 näher zu treten.898 Hier fehlt es regelmäßig an der Gefährdung der Bewohner und auch der Aspekt der Eigentumsgefährdung wird abgeschwächt sein, soweit Tatobjekt und Inneneinrichtung im Eigentum der Bewohner stehen. Den entscheidenden Ausschlag werden hier naheliegende Gefährdungen für Leben, Leib und Eigentümer Dritter geben.

897 898

Radtke, Dogmatik, S. 249 ff.; Koriath, JA 1999, S. 298 (301 f.). Vgl. § 2 II. 2. b) bb).

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Abschließend ist mit Blick auf die §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 zu bemerken, dass der Gesetzgeber sicher besser beraten gewesen wäre, die Strafrahmen der §§ 306, 306a unmittelbar auf sechs Monate Freiheitsstrafe abzusenken. Hierdurch könnte den Umständen des Einzelfalls, die die §§ 306, 306a strukturell ausblenden und dadurch diverse Gefährlichkeitsgrade umfassen, auf der Ebene der Strafzumessung besser Rechnung getragen werden, ohne „müheselig“ den Rückgriff auf die §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 begründen zu müssen. Denn durch die problematische Aufnahme von sehr kleinen Tatobjekten in §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 2, wie beispielsweise von Motorrädern, die Kraftfahrzeuge im Sinn des § 306 Abs. 1 Nr. 4, Var. 1 sind,899 wird in einer beachtlichen Zahl von Fällen, die somit keineswegs atypisch sind, die Annahme eines minder schweren Falles geboten sein. Damit ragen die minder schwere Fälle nach §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 partiell noch in den typischen Normanwendungsbereich der §§ 306, 306a hinein. Kurz, der Rückgriff auf minder schwere Fälle seitens des Gesetzgebers ist in der Sache verfehlt, sofern dadurch die tendenziell zu hoch bemessenen Strafrahmen der §§ 306, 306a kompensiert werden sollen.900 Dass die §§ 306, 306a damit de lege ferenda ihren tradierten Charakter als Verbrechenstatbestände verlören, ist zwar mit Blick auf den an das Vorliegen eines Verbrechens anknüpfenden § 30 problematisch – hier könnte eine § 159 entsprechende Regelung helfen –, wäre aber ein angebrachtes Korrelat auf Rechtsfolgenseite für die vom Gesetzgeber in extenso bemühte abstrakt fragmentarische Regelungstechnik.

V. Abschließende Bemerkungen Die vorstehend referierte Konzeption zu Schutzzweck und Deliktstypus der §§ 306 Abs. 1, 306a ist in Teilen ein radikaler Bruch mit der überkommenen Deutung dieser Normen. Doch lohnenswert ist dieser Perspektivwechsel vor allem deshalb, weil hierdurch der gemeinsamen Ausrichtung der §§ 306, 306a am Ziel der Erfassung der abstrakten Gemeingefährlichkeit von Bränden, die bereits für die (weitgehend) strukturanalogen Vorgängernormen der §§ 285 ff. preuß. StGB, §§ 306, 308 StGB a. F. verbürgt ist,901 wieder dogmatisch angemessen Rechnung getragen wird. Denn das gemeinsame Strukturmerkmal der §§ 306, 306a ist die abschließende und fragmentarische Kennzeichnung solcher Brände, die erfahrungsgemäß vielfältige, simultan eintretende, unberechenbare und indifferente Risiken für die Rechtsgüter Leib, Leben und Eigentum hervorrufen.902

899

Vgl. § 2 I. 2. c). cc). Kritisch zur grundsätzlichen Vereinbarkeit von § 306a Abs. 1 mit § 306a Abs. 3, Koriath, JA 1999, S. 298 (301 f.). Zur Kritik am grassierenden „Missbrauch“ der minder schweren Fällen, Hettinger, in: FS Küper, S. 95 (109 ff.). 901 Vgl. § 1 A. V. und § 1 B. V. 902 Ähnlich Radtke, Dogmatik, S. 428 f. 900

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Zentral für die sachgerechte Charakterisierung der brandstiftungstypischen Gemeingefährlichkeit ist dabei, dass diese nicht primär durch die äußere Dimensionierung des Brandherds determiniert ist, sondern sich aus den diffusen feuerbedingten Schädigungswirkungen ergibt, vor allem aus den in ihrer Bedeutung unterschätzten mobilen Brandgasen, dem wesentlichen Risikofaktor für Leib und Leben.903 Zur Erinnerung: Selbst ein lokal begrenzter Brand innerhalb eines einzigen Raumes kann – ohne dass eine Ausbreitungsgefahr auf das gesamte Gebäude besteht – dennoch dasselbe durch Verrauchung innerhalb einer kurzen Zeitspanne komplett „durchdringen“, mit potentiell tödlichen Effekten. In Umkehrung eines alten Sprichworts lässt sich daher sagen: „Wo Feuer ist, da ist auch Rauch.“ Allein eine rechtliche Bewertung der §§ 306 Abs. 1, 306a, die sich an den faktischen Eigentümlichkeiten der Naturgewalt Feuer orientiert, kann die im Kern einheitliche teleologische Zielsetzung dieser drei Delikte erkennen und konzeptionell zusammenführen. Der einzige „passende“ Deliktstypus, der diesem Ansinnen gerecht wird, ist der des abstrakten Gefährdungsdelikts und zwar sowohl für §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 als auch für § 306a Abs. 2, freilich für letztere Bestimmung mit der Besonderheit einer hinzutretenden konkreten Gefährdungskomponente. Nur die Figur des abstrakten Gefährdungsdelikts trägt der scharfen Spreizung zwischen der tatbestandlich skizzierten Eröffnung einer Gefahrenquelle und den hierdurch mittelbar bedrohten, tatbestandlich nicht benannten und erst durch Auslegung zu ermittelnden Rechtsgütern Leib, Leben und Eigentum adäquat Rechnung. Das strikte gesetzliche Verbot, die in den §§ 306, 306a benannten Tatobjekte in Brand zu setzen bzw. durch Brandlegung zu zerstören, ist die legislative Reaktion auf die Unkalkulier- und Unkontrollierbarkeit des Tatmittels Feuer und den hiermit einhergehenden Zufälligkeiten des Tatverlaufs.904 Es ist das Wesen der §§ 306, 306a als abstrakte Gefährdungsdelikte – oder je nach Standpunkt ihre genuine Problematik – höchst unterschiedlich verdichtete und heterogene Risikosituation zu erfassen, die von „homöopathisch“ verdünnten Gefährdungsgeraden bis hin zu kumulierten Verletzungen von Leib, Leben und Eigentum reichen. Folglich liegt die Bedeutung der Gemeingefährlichkeit für die §§ 306, 306a weder primär noch sekundär in einem wie auch immer gearteten Schutz der Allgemeinheit – eine Ausnahme stellt hier nur die Berücksichtigung des Universalrechtsguts des öffentlichen Religionsfriedens im Rahmen des § 306a Abs. 1 Nr. 2 dar –905, sondern „allgemein“, im Sinne von unspezifisch, sind lediglich die fak-

903

Vgl. § 2 I. 1. a) aa). Kratzsch, JR 1987, S. 360 (362); ders., JA 1983, S. 420 (428); Koriath, JA 1999, S. 298 (300). 905 Vgl. § 2 II. 1. e) bb). 904

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tischen Streuwirkungen der Gefahrenquelle Feuer für die Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum.906 Den Referenzfall für die unerlässliche Systembereinigung des Brandstrafrechts bildet § 306 Abs. 1, der entgegen der herrschenden Ansicht keine Brandsachbeschädigung, sondern formell und materiell Ausgangstatbestand des Brandstrafrechts und ein klassisches abstraktes Gefährdungsdelikt ist.907 Selbst das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf § 306 Abs. 1 angemerkt, dass die Ausgestaltung der einfachen Brandstiftung als Verbrechenstatbestand mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe als gesetzgeberische Wertentscheidung zu respektieren sei, und ihren sachlichen Grund in der besonderen Gefährlichkeit sowie der Unberechenbarkeit des Zerstörungsmittels Feuer finde, das leicht außer Kontrolle geraten und immense Schäden verursachen könne.908 Diese bislang kaum beachtete Aussage bewegt sich in der Sache ganz auf Linie der hier wiederbelebten „Gefährdungslösung“ zu § 306 Abs. 1. Weiter konnte nachgewiesen werden, dass die eigentumsrechtliche Restriktion der Tatobjekte in § 306 Abs. 1 ihren Ursprung in dem heute vergessenen partikularrechtlichen Prinzip der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung findet. Deshalb dient die Beschränkung auf fremde Tatobjekte in § 306 Abs. 1 nicht der Kennzeichnung der Verletzung eines fremden Eigentumsrechts – so aber die abzulehnenden These der herrschenden sachbeschädigungsorientierten Deutungsmodelle –, sondern hierin verkörpert sich eine tradierte Restriktion des Tatbestands, deren historische und teleologischen Hintergründe mehrfach ausgiebig dargelegt wurden und die konzeptionell allein aus der Perspektive der „Gefährdungslösung“ erfasst werden kann.909 Die hier vorgeschlagene Partizipation des Anwartschaftsberechtigten (bei beweglichen Sachen) an der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung ermöglicht zudem eine zeitgemäße Adaptierung dieses Konzepts an die Wirklichkeit des heutigen Wirtschaftslebens.910 Die Wiederbelebung des abstrakten Gefährlichkeitsunrechts als alleinige teleologische Basis des § 306 Abs. 1 entfaltet zugleich eine weitreichende Rückwirkungen auf die Auslegung der schweren Brandstiftung nach § 306a, denn ist bereits die einfache Brandstiftung ein abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum, dann gilt dies erst recht für beide Fälle des § 306a.911 Der Gewinn einer konsequenten Ausrichtung an der abstrakten Ge906

Vgl. § 2 I. 1. b) aa) und § 2 I. 1. c) bb). Daher ist § 306d Abs. 1, Var. 1 keine fahrlässige Brandsachbeschädigung, sondern pönalisiert ebenfalls allein die fahrlässige Eröffnung einer gemeingefährlichen Gefahrenquelle. 908 BVerfG, Beschluss vom 16. November 2010 – 2 BvL 12/09 – Rn. 80, BeckRS 2011, 48101. 909 Vgl. § 2 I. 1. c) cc) und § 1 A. III. 4. b) mwN. 910 Vgl. § 2 I. 1. c) cc) (3). 911 Zum Verhältnis der §§ 306, 306a bei § 2 IV. 1. a). 907

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meingefährlichkeit von Bränden liegt in der konzeptionell klaren Abgrenzung der Brandstiftungsdelikte gegenüber den klassischen Verletzungsdelikten, denn die Konfiguration der tatmittelspezifischen §§ 306, 306a ist in einem Maß von der Eigentümlichkeit des Tatmittels durchdrungen, die den tatmitteloffenen Verletzungsdelikten notwendigerweise wesensfremd ist. Zudem ermöglicht allein das hier dargelegte Verständnis der Gemeingefährlichkeit eine stimmige und in sich schlüssge Gesamtinterpretation der §§ 306, 306a. So lässt sich – neben der gesetzlichen Systematik – zwanglos erklären, warum die drei zentralen Tatbestände des Brandstrafrechts eine identische Mindeststrafandrohung besitzen, sich die Strafrahmen großzügig überschneiden und die minder schweren Fälle nach §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 denselben Strafrahmen aufweisen. Fernerhin ist einsichtig, dass der extrem weit gespannte Strafrahmen der §§ 306, 306a mit der Unterschiedlichkeit der real erfassten Brandherde korrespondiert. Doch auch für einzelne Auslegungsfragen der §§ 306 ff. kommt der beabsichtigten Erfassung der Gemeingefährlichkeit des Tatmittels der entscheidende Ausschlag zu, wie etwa die grundsätzliche Überantwortung von Retterschäden und -gefährdungen bei §§ 306a Abs. 2, 306b Abs. 1, 306c, 306d Abs. 1, Var. 3 und Abs. 2 in den Verantwortungsbereich des Brandstifters,912 die Begründung der Straflosigkeit des mit „Einwilligung“ des Eigentümers handelnden Brandstifters bei § 306 Abs. 1 und zwar trotz Anerkennung der Gefährlichkeit der Tat (weil es sich normativ um einen Fall der ebenfalls privilegierten mittelbaren Eigentümerbrandstiftung handelt)913 oder bei der Bewertung der gemischt genutzten Tatobjekte in § 306a Abs. 1.914 Die verfestigte Negation der abstrakten Gemeingefährlichkeit als strukturprägendes Leitmotiv der §§ 306, 306a mündet dagegen unabwendbar in der Feststellung, dass es sich hier um ein eigentümliches und nicht recht erklärbares Konglomerat von Normen handelt, die teleologisch nichts verbindet.915 Dementsprechend überrascht es nicht, dass die herrschende Sicht auf Grundlage ihrer eigenen Prämissen nicht zu einer stimmigen Gesamtdeutung der §§ 306, 306a gelangt. Verwiesen sei hier nur auf die Schwierigkeit, den gesteigerten Strafrahmen des § 306 Abs. 1 im Vergleich zu den §§ 303, 305 oder den Strafrahmen des § 306a Abs. 2 im Vergleich zu den §§ 221 Abs. 1, 233, 224, 226, 315b Abs. 1, 315c Abs. 1 auch nur ansatzweise einer überzeugenden Deutung zuzuführen.916 Ebensowenig gelungen ist die dogmatische Bewertung der §§ 306, 306b Abs. 1, 306c als körperverletzungs- bzw. todeserfolgsqualifizierte Sachbeschädigung 912

Vgl. § 2 III. 2. b) cc); a. A. Radtke, Dogmatik, S. 430 f. Vgl. § 2 I. 1. b) cc) (1) und § 2 I. 1. c) cc) (3) (a). 914 Vgl. § 2 II. 2. a). 915 Zu dieser – hier „Konkretisierungstendenz“ genannten – Fehlententwicklung und ihren Ursachen unter § 1 B. V. 916 Zu § 306 vgl. § 2 I. 1. a) bb); zu § 306a Abs. 2 vgl. § 2 III. 1. a). 913

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und des § 306d Abs. 1, Var. 1 als fahrlässige Sachbeschädigung.917 Die Ursachen für die materielle Fragmentarisierung der §§ 306, 306a, deren Anfänge sich bereits im 19. Jahrhundert für die §§ 285, 286 preuß. StGB nachweisen lassen,918 liegen hauptsächlich in der unvollkommenen Erfassung der Wirkkraft des Tatmittels Feuer und der daraus folgenden Verkennung der abstrakten Gemeingefährlichkeit.919 Nochmals, notwendig ist die restlose Aufgabe der antiquierten Vorstellung, wonach sich die wesentliche Gefährlichkeit für Leib, Leben und Eigentum nur aus dem eigentlichen Brennen, gewissermaßen einem Menschen und Sachen „verzehrenden“ Feuer, ableite, und der hierauf basierenden Schlussfolgerung, nur große oder erhebliche Brände seien gefährlich. Würden die Forderungen nach dem Eintritt einer „Feuersbrunst“ oder einer konkreten Gemeingefahr als Inbegriff der Gemeingefährlichkeit ernst genommen, dann gäbe es überhaupt keine gemeingefährlichen Brandstiftungsdelikte, weil eine derartige Situation mit formeller Tatvollendung der §§ 306, 306a typischerweise (noch) nicht gegeben ist. Gerade deshalb ist die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung, die sich in der Klassifikation der §§ 306, 306a als abstrakte Gefährdungsdelikte manifestiert, strikt vom (ohnehin nicht tatbestandsgemäßen) Eintritt einer konkreten Gemeingefahr zu unterscheiden. Obwohl Teile des Schrifttums und der Rechtsprechung die Bedeutung der Gemeingefährlichkeit für die Interpretation der Brandstiftungsdelikte immerhin ansatzweise erkennen, mangelt es hier an einer stringenten und homogenen Umsetzung dieses Prinzips.920 Dies verdeutlicht etwa die Konzeption Radtkes, der bei § 306 Abs. 1 neben der Sachbeschädigungskomponente zwar auch ein Moment der abstrakten Gemeingefährlichkeit der Tat für Leib, Leben und Eigentum anerkennt,921 bei § 306a Abs. 1 aber den abstrakten Eigentumsschutz ausklammert und bei § 306a Abs. 2 teleologisch allein den konkreten Gesundheitsschutz in den Vordergrund rückt.922 Das kann nicht überzeugen, denn warum soll der Inbrandsetzung eines fremden Gebäudes nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 eine fundamental anders geartete Gefährlichkeit zu bescheinigen sein, als der Inbrandsetzung desselben – nun bewohnten – Gebäudes nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, zumal sich nach zutreffender herrschender Meinung bei Tatbegehung noch nicht mal Menschen hierin aufhalten müssen? Und auch die Gewissheit des Täters von der Abwesenheit von Personen im Tatobjekt soll nach überwiegender, wenngleich nicht unumstrittener Ansicht der Anwendung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 nicht entgegenstehen. Gerade dies verdeutlicht doch, dass eben unabhängig davon, ob ein Gebäude be-

917 918 919 920 921 922

Vgl. § 2 I. 1. a) cc) (1) und (5). Vgl. § 1 A. V. Vgl. § 1 A. II.5. Vgl. § 2 I. 1. b) mwN. MüKo-StGB/Radtke, § 306 Rn. 8. Radtke, Dogmatik, S. 429, 431 f.; MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 3.

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wohnt ist oder nicht, im Regelfall erhebliche Risiken für Leib und Leben einer jeden Person bestehen, die sich zwischen Tatvollendung und Tatbeendigung im räumlichen Umfeld des mittels Feuer angegriffenen Tatobjekts bewegt. Die faktische Basis für die Gefährdung Dritter, der Brand als Gefahrenquelle, ist in beiden Fällen gelegt. Das Unrecht beider Normen ist daher keineswegs ein aliud, sondern § 306a Abs. 1 Nr. 1 beschreibt lediglich eine abstrakte Steigerung des in § 306 Abs. 1 angelegten Gefährlichkeitsunrechts mit Rücksicht auf die qualifizierte Benutzung des Tatobjekts. Die verbreitete Zurückhaltung hinsichtlich der Akzeptanz der abstrakten Gemeingefährlichkeit als teleologisch leitendes Prinzip der §§ 306, 306a ist sicher auch dem generellen Misstrauen gegenüber dem Deliktstypus des abstrakten Gefährdungsdelikts geschuldet, das besonders in den Forderungen nach einer teleologischen Reduktion des § 306a Abs. 1 zum Ausdruck kommt. Dass die verschiedenen Reduktionsmodelle jedoch weder dem sachlichen Gefahrenpotential des § 306a Abs. 1 noch der Zielbestimmung der Norm – Erfassung von Gefahren auch nach Tatvollendung – Rechnung tragen und daher als eine teleologische Korrektur abzulehnen sind, ist im Verlauf dieser Darstellung ebenfalls deutlich geworden.923 Sofern im Schrifttum moniert wird, die „holzschnitzartige“ Kennzeichnung der Gemeingefährlichkeit mittels Tathandlung und abschließend aufgelisteter Tatobjekte sei zu starr, unflexibel und willkürlich, so ist diese Kritik letztlich nicht überzeugend.924 In diesem Punkt sind die gegenwärtigen Strukturen der §§ 306 Abs. 1, 306a weitaus besser als ihr Ruf. Die Vorteile des gegenwärtigen Systems der abstrakten Umschreibung gemeingefährlicher Gefahrenlagen offenbaren sich in aller Klarheit, wenn die Nachteile des Alternativmodells analysiert werden, nämlich die tatbestandliche Anknüpfung an die Verursachung einer konkreten Individualgefahr, wie sie beispielsweise § 306 Abs. 2 E 6. StrRG, § 320 Abs. 2 E 1960 und E 1962 anstelle des § 308 Abs. 1, Alt. 1 StGB a. F. vorsahen. Ein solches System ist durchgängig mit dem prozessualen Nachweis einer Individualgefahr und eines hierauf gerichteten Gefährdungsvorsatzes des Brandstifters belastet, was mit Rücksicht auf die volatilen und mitunter geruchlosen Rauchgase, dem Hauptbedrohungsaspekt für Leib und Leben, ein nur schwer zu bewerkstelligendes Unterfangen ist. Die Anknüpfung der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 allein 923

Vgl. § 1 B. IV. 1. a) und § 2 II. 1. d). SSW/Wolters, § 306 Rn. 2: „Die Vorschrift ordnet die Tatobjekte nach Nr. Die Aufzählung ist abschließend, was angesichts der Schutzrichtung kaum einleuchtet.“; Kienapfel/Schmoller, BT III, §§ 168–170 Rn. 2; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte nach dem 6. StrRG, S. 26: „Allerdings bleiben die grundsätzlichen Schwierigkeiten, die die kasuistische Abfassung der einfachen Brandstiftung mit sich bringt, bestehen: Nach wie vor ist zu befürchten, daß der Eindruck von Willkür entsteht, wenn bestimmte Einzelfallgestaltungen von § 306 nicht erfasst werden, obwohl sie doch mindestens ebenso strafwürdig erscheinen wie das Inbrandsetzen eines der in § 306 aufgeführten Tatobjekte.“ 924

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an die vorsätzliche Eröffnung der Gefahrenquelle und nicht an die durch den Brand (vorsätzlich) vermittelten Gefährdungen oder Verletzungen ist sachgerecht, weil es vollkommen typisch ist, dass der Brandstifter zwar vorsätzlich eine Gefahrenquelle eröffnet, aber den Umfang der drohenden Tatfolgen nicht erkennt oder leichtfertig unterschätzt. Gerade weil es im Wesen brandbedingter Gefährdungen liegt, dass eine erschöpfende und justiziable Benennung aller relevanten Einzelrisiken im Gesetz technisch nicht realisierbar ist, erweist sich die kasuistisch-fragmentarische Fixierung der Gemeingefährlichkeit durch Benennung von Tathandlung und Tatobjekten als sachlich legitime Konzeption. Dass die Grundstrukturen der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1 trotz andauernder Kritik seit über 160 Jahren im Wesentlichen unverändert bestehen und der oftmals geforderte Systemwechsel hin zur konkreten Individual- bzw. Gemeingefahr, nur flankierend bei § 306a Abs. 2 vollzogen wurde, ist ein klarer Beleg für die Anwendungssicherheit des gesetzlichen Regelungsmechanismus.925 Obwohl die §§ 306 Abs. 1, 306a vermittels Auslegung einer in sich schlüssigen Deutung zugänglich sind, soll nicht verhehlt werden, dass die Ausgestaltung des Brandstrafrechts in seiner gegenwärtigen Gestalt vielfach an Mängeln leidet. Zu benennen ist hier nochmals die unvollständig umgesetzte Begrenzung der Privilegierung der Eigentümerbrandstiftung im Zusammenspiel des § 306 Abs. 1 mit §§ 306b Abs. 1, 306c („Verweisungsproblematik“)926, die fehlerhafte Abstimmung der Strafrahmen von § 306d Abs. 1 mit §§ 306, 306a, 306d Abs. 2 („Strafrahmenrätsel“)927 oder die überdimensionierten Mindeststrafandrohungen der §§ 306b Abs. 2, 306c. De lege ferenda erscheint auch eine Absenkung der Mindeststrafandrohung der §§ 306, 306a auf sechs Monate Freiheitsstrafe unter gleichzeitiger Streichung der minder schweren Fälle gem. §§ 306 Abs. 2, 306a Abs. 3 diskutabel.928 Die Rufe nach Abhilfe durch den Gesetzgeber werden – so eine realistische Prognose – wohl noch lange ungehört bleiben. Immerhin kann der gravierendsten gesetzgeberischen Fehlleistung, der inflationären Überdehnung des Tatobjektskatalogs in § 306 Abs. 1, durch die Annahme von Nichtigkeit der § 306 Abs. 1 Nr. 2 und 6 aufgrund der Verletzung des Bestimmtheitsgebotes nach Art. 103 Abs. 2 GG in ihren ärgsten Auswüchsen begegnet werden.929

925 926 927 928 929

Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 163 ff. Vgl. § 2 I. 3. Vgl. § 2 IV. 1. c). Vgl. § 2 IV. 2. Vgl. § 2 II. 2. c).

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht1 A. Vorentwürfe zum StGB Preußen 1851 I. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1828)2 § 39 E 1828 Jede Brandstiftung, welche mit der Gefahr eines unbestimmten Umfanges von Rechtsverletzungen bedroht, ist als gemeinschädliche zu strafen, sobald die entzündete Sache, sie sey eigene oder fremde, den Brand weiter verbreiten kann. § 40 E 1828 Jede vorsätzliche, gemeinschädliche Brandstiftung soll mit dem Tode bestraft werden, wenn ein Mensch durch den Brand, oder bei Gelegenheit desselben, das Leben verlor. § 41 E 1828 Eine solche Brandstiftung ist mit lebenswieriger Zwangsarbeit zu bestrafen: 1. wenn jemand durch den Brand, oder bei Gelegenheit desselben, einen erheblichen Nachteil an seiner Gesundheit erleidet, 2. wenn die Absicht des Verbrechers dahin gieng, Menschen an Leib oder Leben zu beschädigen, 3. wenn die Brandstiftung zur Zeit einer anderen, gemeinen Gefahr geschah, 4. wenn sie in Städten, Flecken oder Dörfern sich über mehr bewohnte Besitzungen, als eine, verbreitete, 5. wenn die Brandstiftung wissentlich in der Nähe eines Vorrathes von Stoffen, erfolgt, welche die Gefahr der Verbreitung besonders erhöhen, 6. wenn sie an bei einanderliegenden Schiffen, 7. wenn sie an Steinkohlengruben geschah, 8. bei dem Rückfalle in das Verbrechen der gemeinschädlichen Brandstiftung § 42 E 1828 Außer den Fällen der §§. 39. 40. ist vorsätzliche und gemeinschädliche Brandstiftung mit zwölf bis zwanzigjähriger Zwangsarbeit zu belegen. 1 Hinweis: Die Brandstiftungsdelikte der nachfolgenden Gesetze und Gesetzentwürfe sind aus Raumgründen nur auszugsweise abgedruckt. 2 Vgl. Quellenverzeichnis B. I.

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Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

§ 43 E 1828 War die Brandstiftung Mittel zur Verübung eines anderen Verbrechens, so sind beide Strafen nach den Vorschriften von zusammentreffenden Verbrechen in Anwendung zu bringen. Treffen Todesstrafen zusammen, so ist auf Strafschärfung zu erkennen. ... § 48 E 1828 Wer durch Brand vorsätzlich und rechtswidrig einzeln stehende Wohnungen, Schiffe oder andere menschliche Aufenthaltsorte beschädigt, und dadurch die Gesundheit oder das Leben von Menschen in Gefahr bringt, ohne gemeine Gefahr (§. 39) zu verursachen, ist mit Zuchthaus zu bestrafen. § 49 E 1828 Lag die Absicht einer Beschädigung an Leib oder Leben zum Grunde, oder wurde ohne die Absicht Jemand an seiner Persom durch einen solchen Brand (§. 48.) beschädigt, so ist die deshalb verwirkte Strafe durch die im §. 48. bestimmte Ahndung zu schärfen, wer aber eine Brandstiftung auf einem bemannten Schiffe auf offener See vorsätzlich verursacht, hat lebenswierige Zwangsarbeit verwirkt, wenn auch niemand dabei an seiner Person Schaden litt. § 50 E 1828 Fahrlässige, aber nicht gemeinschädliche Brandstiftung, welche Menschen an Leben oder Gesundheit bedroht, ist mit Gefängniß bis zu sechs Monaten zu ahnden.

II. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1830)3 § 475 E 1830 Wer in rechtswidrigem Vorsatze eine eigne oder fremde Sache in Brand setzt, ist der Brandstiftung schuldig. § 476 E 1830 Das Verbrechen der Brandstiftung ist vollendet, wenn sich die Entzündung dem betreffenden Gegenstand mitgetheilt hat. § 477 E 1830 Der Brandstifter ist mit dem Tode zu bestrafen: 1. wenn ein Mensch durch den Brand oder bei Gelegenheit desselben das Leben verloren hat; 2. wenn die Brandstiftung zur Verübung eines anderen Verbrechens begangen wurde, welches gesetzlich mit Arbeitshaus oder schwererer Strafe bedroht ist; 3

Vgl. Quellenverzeichnis B. III.

A. Vorentwürfe zum StGB Preußen 1851

387

3. wenn das Feuer in der Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang in oder an Gebäuden entweder angelegt oder ausgebrochen ist; 4. wenn zur Zeit einer Feuersnoth in derselben Ortschaft Feuer angelegt wurde; 5. wenn die Brandstiftung wissentlich in oder an einem Pulvervorrath, einem Krankenhause, oder einer Gefangenanstalt, oder auch nur in der Nähe derselben geschehen ist; 6. bei dem Rückfalle in das Verbrechen der Brandstiftung, wenn das frühere Verbrechen mit Zwangsarbeit bestraft worden, und das zu bestrafende wenigstens mit Zwangsarbeit bedroht ist. § 479 E 1830 Außer den Fällen der §§. 477. und 478. wird die Brandstiftung mit zwölf bis zwanzigjähriger Zwangsarbeit bestraft. § 480 E 1830 Wenn der Brandstifter jedoch bewegliche Sachen, oder auch unbewegliche Gegenstände dergestalt angezündet hat, daß die Flamme nach aller Wahrscheinlichkeit sich nicht weiter verbreiten, oder keine Gefahr für Personen herbeiführen konnte, so ist er mit Zuchthaus zu bestrafen; war die Gefahr der weitern Verbreitung oder die Gefahr für Personen nicht wohl möglich, so ist auf Arbeitshausstrafe oder Gefängniß, jedoch nicht unter einem Monat zu erkennen. § 482 E 1830 Wer fahrlässigerweise einen Brandschaden an seinem oder fremden Eigenthume verursacht hat, der mit gemeiner Gefahr verbunden war, soll, wenn es durch Übertretung einer Polizei-Strafvorschrift gegen Feuer-Verwahrlosung geschahe, mit Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten, oder Geldbuße von hundert funfzig bis zwei tausend Thalern bestraft werden; sind keine solche Polizei-Strafvorschriften übertreten, so ist auf Gefängnißstrafe von einem Monate bis zu einem Jahre, oder auf Geldbuße von dreißig bis tausend Thalern zu erkennen.

III. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1833)4 § 624 E 1833 Wer eigene, oder fremde Sachen, durch deren Brand gemeine, oder doch eine, die Wohnung oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort anderer Menschen bedrohende Feuersgefahr entsteht, mit der Absicht anzündet, Brand zu erregen, ist des Verbrechens der Brandstiftung schuldig. Als vollendet wird dasselbe angesehen, sobald die Flamme denjenigen Gegenstand ergriffen hat, durch dessen Brand die Gefahr entsteht. 4

Vgl. Quellenverzeichnis B. IV.

388

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

§ 625 E 1833 Der Brandstifter ist mit dem Tode zu bestrafen: 1. wenn durch den Brand, oder bei Gelegenheit desselben ein Mensch das Leben verloren hat; 2. wenn das Verbrechen verübt wurde um einen Mord, Raub oder Diebstahl zu begehen; 3. wenn es wissentlich an Gebäuden, in welchen Pulvervorräthe aufbewahrt werden, oder die zu Kranken- oder Gefangenen-Anstalten dienen, oder an VersammlungsOrten, während in denselben eine große Zahl von Menschen anwesend ist, oder in der Nähe solcher Gebäude und Orte, und mit der Absicht, diesselben in Brand zu stecken, verübt wird; 4. beim Rückfalle in das Verbrechen der Brandstiftung. § 629 E 1833 Wer eigene Sachen, durch deren Brand die §. 624. bezeichnete Gefahr nicht entsteht, zum Zwecke eines gegen den Versicherer zu verübenden Betrugs in Brand steckt, hat die Strafe des qualifizirten Betrugs (§. 488.) verwirklicht.

IV. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1836)5 § 719 E 1836 Wer eigene, oder fremde Sache, durch deren Brand gemeine, oder doch eine, die Wohnung oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort anderer Menschen bedrohende Feuersgefahr entsteht, mit der Absicht anzündet, Brand zu erregen, ist des Verbrechens der Brandstiftung schuldig. Als vollendet wird dasselbe angesehen, sobald die Flamme denjenigen Gegenstand ergriffen hat, durch dessen Brand die Gefahr entsteht. § 720 E 1836 Der Brandstifter ist mit dem Tode zu bestrafen: 1. wenn durch den Brand, oder bei Gelegenheit desselben ein Mensch das Leben verloren hat; 2. wenn das Verbrechen verübt wurde um einen Mord, Raub oder Diebstahl zu begehen 3. wenn es wissentlich an Gebäuden, in welchen Pulvervorräthe aufbewahrt werden, oder die zu Kranken- oder Gefangenen-Anstalten dienen oder an Versammlungs-Orten, während in denselben eine große Zahl von Menschen anwesend ist, oder in der Nähe solcher Gebäude und Orte, und mit der Absicht, dieselben in Brand zu stecken, verübt wird; 4. beim Rückfalle in das Verbrechen der Brandstiftung.

5

Vgl. Quellenverzeichnis B. VI.

A. Vorentwürfe zum StGB Preußen 1851

389

§ 721 E 1836 Der Brandstifter ist zu lebenswieriger Zwangsarbeit zu verurtheilen: 1. wenn Jemand durch den Brand, oder bei Gelegenheit desselben, einen erheblichen, wenn auch nicht bleibenden Nachtheil an der Gesundheit oder eine erhebliche Verstümmelung erlitten hat; 2. wenn das Verbrechen zum Zweck eines gegen den Versicherer zu verübenden Betrugs; oder 3. zur Zeit einer gemeinen Noth verübt wurde; 4. wenn die Anlegung oder der Ausbruch des Feuers in oder an Gebäuden zur Nachtzeit (§. 715. No. 1.) erfolgte; 5. wenn in, oder an einem von mehreren neben einander liegenden Wohngebäuden, es sey in, oder außer Städten, Vorstädten, Flecken oder Dörfern, das Feuer angelgt worden ist; 6. Wenn Jemand mehr als eine Brandstiftung verübt hat. ... § 724 E 1836 Wer eigene Sachen, durch deren Brand die §. 719. bezeichnete Gefahr nicht entstehet, zum Zwecke eines gegen den Versicherer zu verübenden Betruges in Brand steckt, hat die Strafe des qualifizierten Betrugs (§. 612.) verwirkt.

V. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1843)6 § 529 E 1843 Wer zum Gottesdienst bestimmte oder bewohnte Gebäude (§. 407. No. 1.) oder solche unbewohnte Gebäude, welche sich in dem umschlossenen Hofraum (§. 408.) eines bewohnten Gebäudes befinden oder an letzteres angrenzen, vorsätzlich in Brand setzt, hat zehnjährige bis lebenslängliche Zuchthausstrafe verwirkt. Hat in Folge des Brandes ein Mensch das Leben verloren, so ist gegen den Brandstifter auf die Todesstrafe zu erkennen. Diese Bestimmungen finden auch dann Anwendung, wenn Gegenstände, welche sich in der Nähe der gedachten Gebäude befinden, angezündet worden sind, und aus den Umständen erhellet, daß ein solches in der Absicht geschehen ist, diese Gebäude in Brand zu setzen. § 530 E 1843 Wer vorsätzlich einen Brand verursacht, welcher mit gemeiner Gefahr für fremdes Eigenthum, jedoch nicht mit Gefahr für menschliche Wohnungen oder Aufenthaltsorte 6

Vgl. Quellenverzeichnis B. VII.

390

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

(§. 516) verbunden ist, insonderheit wer Waldungen, Torfmoore, Kohlengruben, noch nicht abgeerndtete Früchte u. in Brand setzt, hat Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren verwirkt. § 531 E 1843 Wer eine Wohnung oder Sache ohne Gefahr für Menschen oder fremdes Eigenthum anzündet, hat, wenn dies zum Zwecke eines Betruges geschieht, Zuchthaus bis zu zehn Jahren verwirkt. § 532 E 1843 Das Verbrechen der Brandstiftung §§. 529–531. ist vollendet, sobald sich das Feuer andern Gegenständen, als dem gebrauchten Zündstoffe, mitgetheilt hat. § 533 E 1843 Brandstiftung, welche nicht zu den in den §§. 529–531. bezeichneten gehören, werden nach Vorschrift des §. 500. bestraft. § 534 E 1843 Wer durch Fahrlässigkeit eine Feuersbrunst der im §§. 529. und 530. bezeichneten Art veranlaßt, hat Gefängniß nicht unter sechs Wochen oder Strafarbeit bis zu fünf Jahren verwirkt.

VI. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1845)7 § 337 E 1845 Wer vorsätzlich mit Gefahr für das Leben Anderer ein Gebäude in Brand setzt, soll mit zehnjähriger bis lebenswieriger Zuchthausstrafe, und wenn ein Mensch dadurch das Leben verliert, mit dem Tode bestraft werden. Wird der Schuldige zu zeitiger Zuchthausstrafe verurtheilt, so ist zugleich auf Stellung unter besondere Polizeiaufsicht zu erkennen. Den Gebäuden sind hierin alle andere Räume (Schiffe, Hütten u.s.w.) gleich zu achten, wenn dieselben zur Wohnung von Menschen benutz werden. § 338 E 1845 Wer vorsätzlich mit gemeiner Gefahr für fremdes Eigenthum, jedoch nicht mit Gefahr für das Leben Anderer, einen Brand an Gebäuden, Waldungen, Torfmooren, Kohlengruben, noch nicht abgeerndteten Früchten oder anderen Gegenständen verursacht, soll mit Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren bestraft und unter besondere Polizeiaufsicht gestellt werden.

7

Vgl. Quellenverzeichnis B. VIII.

A. Vorentwürfe zum StGB Preußen 1851

391

§ 339 E 1845 Wer in betrügerischer Absicht eine Wohnung oder eine Sache anzündet, ohne dadurch Menschenleben zu gefährden oder fremdes Eigenthum gemeiner Gefahr auszusetzen, soll mit dem Verluste der Ehrenrechte und mit Strafarbeit oder Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft, und unter besondere Polizeiaufsicht gestellt werden. § 340 E 1845 Jedes Verbrechen vorsätzlicher Brandstiftung (§§.337 bis 339.) ist als vollendet anzusehen, sobald der Gegenstand der Brandstiftung von dem Feuer ergriffen worden ist. § 341 E 1845 Wer fahrlässigerweise mit Gefahr für das Leben Anderer, oder mit gemeiner Gefahr für fremdes Eigenthum einen Brand verursacht und dadurch einen Schaden stiftet, soll mit Gefängniß bestraft werden.

VII. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1846)8 § 353 E 1846 Wer vorsätzlich ein Gebäude in Brand setzt, welches zur Wohnung von Menschen dient, imgleichen wer ein zum Aufenthalt von Menschen zeitweise dienendes Gebäude zu einer solchen Zeit vorsätzlich in Brand setzt, in welcher in demselben Menschen sich aufzuhalten pflegen, soll mit zehnjähriger bis lebenswieriger Zuchthausstrafe, und wenn ein Mensch dadurch das Leben verliert, mit dem Tode bestraft werden. Dieselbe Strafe soll eintreten bei der vorsätzlichen Brandstiftung an Gebäuden, welche zum Gottesdienst bestimmt sind, imgleichen an solchen, in der Nähe bewohnter Gebäude befindlichen, unbewohnten Gebäuden oder anderen Gegenständen, durch deren Entzündung leicht Feuersgefahr für bewohnte Gebäude entstehen kann, wie z. B. an Vorräthen von Holz, Heu oder Stroh Imgleichen soll diese Strafe eintreten bei der vorsätzlichen Brandstiftung an irgendeinem Aufenthaltsorte, welcher zwar nicht unter die Gebäude gehört, wohl aber: 1. entweder von Menschen bewohnt wird (wie bewohnte Schiffe oder Hütten), oder 2. nur zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dient (wie Eisenbahnwagen oder Bergwerke). In diesem Falle wird jedoch zur Anwendung der Strafe vorausgesetzt, daß der Brand zu einer Zeit erfolgt ist, zu welcher daselbst Menschen sich aufzuhalten pflegen. In all diesen Fällen macht es keinen Unterschied, ob die in Brand gesetzten Gebäude oder anderen Gegenstände im Eigenthum des Thäters sind, oder nicht.

8

Vgl. Quellenverzeichnis B. IX.

392

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

§ 354 E 1846 Wer vorsätzlich in anderen als den im §. 353. bezeichneten Fällen einen Brand mit gemeiner Gefahr für Eigenthum, z. B. an Waldungen, Trofmooren, Früchten auf dem Felde, verursacht, soll mit Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren bestraft werden. § 355 E 1846 Das Verbrechen der vorsätzlichen Brandstiftung (§§. 353. 354) ist als vollendet anzusehen, sobald der Gegenstand der Brandstiftung von dem Feuer ergriffen worden ist. § 356 E 1846 Wer wegen vorsätzlicher Brandstiftung (§§. 353. 354) zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurtheilt wird, soll unter besondere Polizeiaufsicht gestellt werden. § 357 E 1846 Wer fahrlässiger Weise mit Gefahr für das Leben Anderer oder mit gemeiner Gefahr für Eigenthum einen Brand verursacht, soll mit Gefängniß oder mit Strafarbeit bis zu drei Jahren bestraft werden. In milderen Fällen soll der Richter ermächtigt sein, auf Geldbuße bis zu fünfhundert Thalern zu erkennen.

VIII. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1847)9 § 358 E 1847 Wer ein Gebäude vorsätzlich in Brand setzt, welches zum Gottesdienste bestimmt ist, oder zur Wohnung von Menschen dient, imgleichen wer ein zum Aufenthalte von Menschen zeitweise dienendes Gebäudes zu einer solchen Zeit vorsätzlich in Brand setzt, zu welcher in demselben Menschen sich aufzuhalten pflegen, soll mit zehnjähriger bis lebenswieriger Zuchthausstrafe und, wenn ein Mensch dadurch das Leben verliert, mit dem Tode bestraft werden. § 359 E 1847 Eben diese Strafbestimmungen (§. 358.) sind anzuwenden auf denjenigen, welcher: 1. ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit zu einer Zeit, in welcher dieselben zum Aufenthalte von Menschen dienen, vorsätzlich in Brand setzt, oder 2. Eisenbahnwagen, Bergwerke oder andere zum Aufenthalte von Menschen zeitweise dienende Räumlichkeiten zu einer Zeit vorsätzlich in Brand setzt, zu welcher sich Menschen darin aufzuhalten pflegen.

9

Vgl. Quellenverzeichnis B. X.

A. Vorentwürfe zum StGB Preußen 1851

393

§ 360 E 1847 Die Strafvorschriften des §. 358. sind auch auf Denjenigen anwendbar, welcher Gegenstände irgend einer Art, die vermöge ihrer Lage geeignet sind, das Feuer den in den §§. 358. und 359. bezeichneten Gebäuden oder Räumlichkeiten mitzutheilen, mit Kenntniß dieser Gefahr, vorsätzlich in Brand setzt, wie z. B. benachbarte unbewohnte Gebäude, Vorräthe von Holz, Heu oder Stroh. § 361 E 1847 Wer in anderen als den in den §§. 358–360. bezeichneten Fällen vorsätzlich einen Brand verursacht, welcher mit gemeiner Gefahr für Eigenthum, z. B. für Waldungen, Torfmoore, Früchte auf dem Felde, verbunden ist, soll mit Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren bestraft werden. § 362 E 1847 In allen vorstehenden (§§. 358–361.) aufgeführten Fällen macht es in der Bestrafung keinen Unterschied, ob die in Brand gesetzten Gebäude, Räumlichkeiten oder andere Gegenstände dem Thäter gehören oder nicht. § 363 E 1847 Das Verbrechen der vorsätzlichen Brandstiftung (§§. 358 bis 361) ist als vollendet anzusehen, sobald der Gegenstand der Brandstiftung von dem Feuer ergriffen ist. § 365 E 1847 Wer fahrlässiger Weise mit Gefahr für das Leben Anderer oder mit gemeiner Gefahr für Eigenthum einen Brand verursacht, soll mit Gefängniß oder mit Strafarbeit bis zu drei Jahren bestraft werden. In milderen Fällen soll der Richter ermächtigt sein, auf Geldbuße bis zu fünfhundert Thalern zu erkennen.

IX. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1848)10 § 196 E 1848 Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus von fünf bis zu fünfzehn Jahren, und wenn infolge des Brandes ein Mensch das Leben verliert, mit Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren bestraft: 1. wer vorsätzlich ein Gebäude in Brand setzt, welches zur Wohnung von Mensch dient oder zum Gottesdienst bestimmt ist; 2. wer vorsätzlich ein zum Aufenthalt von Menschen zeitweise dienendes Gebäude, Schiff oder Hütte zu einer solchen Zeit in Brand setzt, in welcher darin Menschen sich aufzuhalten pflegen; 10

Vgl. Quellenverzeichnis B. XII.

394

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

3. wer Eisenbahnwagen, Bergwerke oder andere zum Aufenthalte von Menschen zweitweise dienende Räumlichkeiten zu einer Zeit vorsätzlich in Brand setzt, zu welcher sich Menschen darin aufzuhalten pflegen; 4. wer vorsätzlich Gegenstände irgend einer Art, welche vermöge ihrer Lage geeignet sind, das Feuer den vorgenannten Gebäuden oder Räumlichkeiten (Nr. 1–3) mitzutheilen, in Brand setzt. In allen diesen Fällen macht es keinen Unterschied, ob die in Brand gesetzten Gebäude oder anderen Gegenstände ein Eigenthum des Thäters sind oder nicht. § 197 E 1848 Wer vorsätzlich unbewohnte Gebäude, Magazine, Vorräte von Früchten, von Bau- und Brenn-Materialien, Früchte auf dem Felde, Büsche, Waldungen oder Torfmoore, welche fremdes Eigenthum sind, in Brand setzt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. § 198 E 1848 Wer vorsätzlich unbewohnte Gebäude, Magazine, Vorräte von Früchten, von Bau- oder Brenn-Materialien, Früchte auf dem Felde, Büsche, Waldungen oder Torfmoore, welche sein Eigenthum sind, mit Gefahr für fremdes Eigenthum in Brand setzt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Wer vorsätzlich eigene Sachen dieser Art, ohne Gefahr für fremdes Eigenthum, in Brand steckt, um dadurch sich oder Dritten einen rechtswidrigen Vortheil zu verschaffen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. § 199 E 1848 Wer einen Brand, wodurch Gefahr für das Leben anderer oder Gefahr für fremdes Eigenthum entsteht, durch Fahrlässigkeit verursacht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahr, und wenn dadurch ein Mensch das Leben verliert, mit Gefängniß von einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft.

X. Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1849)11 Art. 171 E 1849 Wer vorsätzlich zum Nachtheil des Versicherers eine gegen Feuersgefahren versicherte Sache in Brand setzt, oder ein Schiff, welches als solches oder in seiner Ladung versichert ist, sinken oder stranden macht, wird mit Zuchthaus bis zu fuenf Jahren bestraft. ... Art. 203 E 1849 Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus von fuenf bis zu funfzehn Jahren, und wenn in Folge des Brandes eine Mensch das Leben verloren hat, mit Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren bestraft: 11

Vgl. Quellenverzeichnis B. XIII.

B. Das StGB Preußen 1851

395

1. wer vorsaetzlich ein Gebaeude, ein Schiff oder eine Huette, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder ein zum Gottesdienst bestimmtes Gebaeude in Brand setzt; 2. wer vorsaetzlich ein Gebaeude, ein Schiff oder eine Huette, welche Zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen, zu einer Zeit in Brand setzt, in welcher darin Menschen sich aufzuhalten pflegen; 3. wer vorsaetzlich Eisenbahnwagen, Bergwerke oder andere zum Aufenthalt von Menschen zweitweise dienende Raeumlichkeiten zu einer Zeit vorsaetzlich in Brand setzt, zu welcher sich Menschen darin aufzuhalten pflegen. In allen Faellen macht es keinen Unterschied, ob die in Brand gesetzten Gegenstaende ein Eigenthum des Thaeters sind oder nicht. Art. 204 E 1849 Wer vorsaetzlich Gebaeude, Magazine, Vorraethe von Fruechten, von Bau- und BrennMaterialien, Fruechte auf dem Felde, Buesche, Waldungen oder Torfmoore, welche fremdes Eigenthum sind, in Brand steckt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Art. 205 E 1849 Wer vorsaetzlich eigene oder fremde Sachen, welche vermoege ihrer Beschaffenheit und Lage geeignet sind, den in den Art. 203. und 204. genannten Gegenstaenden das Feuer mitzutheilen, in Brand setzt, soll ebenso bestraft werden, wie derjenige, welcher jene Gegenstaende unmittelbar in Brand setzt. Art. 206 E 1849 Wer durch Fahrlaessigkeit einen Brand der in den Art. 203. bis 205. erwaehnten Art verursacht, wird mit Geldbuße von zehn bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefaengniss bis zu sechs Monaten, und wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat, mit Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft.

B. Das StGB Preußen 185112 § 34 preuß. StGB 1851 Als Theilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens wird bestraft: 1. wer den Thäter durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohungen, Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrthums oder durch andere Mittel zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens anreizt, verleitet oder bestimmt hat; 2. wer dem Thäter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens Anleitung gegeben hat, imgleich wer Waffen, Werkzeuge oder andere Mittel, welche zu der That gedient haben, wissend, daß sie dazu dienen sollten, verschafft hat, oder wer ein den Hand12

Vgl. Quellenverzeichnis A. XII.

396

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

lungen, welche die That vorbereiteten, erleichtert oder vollendet haben, dem Thäter wissentlich Hülfe geleistet hat. § 35 preuß. StGB Auf den Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen, oder an einem strafbaren Versuche eines Verbrechens oder Vergehens ist dasselbe Strafgesetz anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Wird festgestellt, daß im Falle des §. 34., Nr. 2., die Theilnahme keine wesentliche war, so tritt statt der Todestrafe oder lebenslänglichen Zuchthaustrafe zeitige Zuchthaustrafe, und wenn außerdem festgestellt wird, daß mildernde Umstände vorhanden sind, Gefängniß von zwei bis zu zehn Jahren ein. ... § 215 preuß. StGB Einen Diebstahl begeht, wer eine fremde bewegliche Sache einem Anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zu zueignen. ... § 244 preuß. StGB Wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte Sache in Brand setzt, oder ein Schiff, welches als solches oder in einer Ladung versichert ist, sinken oder stranden macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldbuße von Einhundert bis zu zweitausend Thalern bestraft. ... § 281 preuß. StGB Wer vorsätzlich und rechtswidrig fremde Sachen beschädigt oder zerstört, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Wird festgestellt, daß mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldbuße bis zu fünfzig Thalern zu erkennen. ... § 285 preuß. StGB Wegen Brandstiftung wird mit zehnjähriger bis lebenslänglicher Zuchthausstrafe, und wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat, mit dem Tode bestraft: 1. wer vorsätzlich ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dient, oder ein zum Gottesdienste bestimmtes Gebäude in Brand setzt; 2. wer vorsätzlich ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen, zu einer Zeit in Brand setzt, in welcher darin Menschen sich aufzuhalten pflegen; 3. wer vorsätzlich Eisenbahnwagen, Bergwerke oder andere zum Aufenthalt von Menschen zeitweise dienende Räumlichkeiten zu einer Zeit in Brand setzt, zu welcher sich Menschen darin aufzuhalten pflegen.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

397

In allen diesen Fällen macht es keinen Unterschied, ob die in Brand gesetzten Gegenstände im Eigenthum des Thäters sind oder nicht. § 286 preuß. StGB Wer vorsätzlich Schiffe, Gebäude, Hütten, Bergwerke, Magazine, Vorräthe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Bau- oder Brenn-Materialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore, welche fremdes Eigenthum sind, in Brand steckt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. § 287 preuß. StGB Wer vorsätzlich eigene oder fremde Sachen, welche vermöge ihrer Beschaffenheit und Lage geeignet sind, den in den §§. 285. und 286. genannten Gegenständen das Feuer mitzutheilen, in Brand setzt, soll ebenso bestraft werden, wie derjenige welcher jene Gegenstände unmittelbar in Brand setzt. § 288 preuß. StGB Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand der in den §§. 285. bis 287. erwähnten Art verursacht, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten, und wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat, mit Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft. § 289 preuß. StGB Die in den §§. 285. bis 288. bestimmten Strafen kommen nach den dort aufgestellten Unterscheidungen auch gegen denjenigen zur Anwendung, welcher durch Gebrauch von Pulver oder anderen explodierenden Stoffen, Gebäude, Hütten, Schiffe, Magazine oder andere Räumlichkeiten zerstört.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher I. Das ALR 179413 § 1510 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Wer in Wohnhäusern, Schiffen, oder andern Gebäuden, vorsätzlich Feuer anlegt, um dadurch Jemanden zu beschädigen, wird als ein Brandstifter angesehn. § 1511 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Jede vorsätzliche Brandstiftung, wodurch das Leben eines oder mehrerer Menschen, oder ganze Städte, Flecken, Dörfer, und sonst bei einander liegende Wohngebäude, oder Schiffe in Gefahr gesetzt worden, zieht in der Regel Todesstrafe nach sich. 13

Vgl. Quellenverzeichnis A. I.

398

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

§ 1514 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Sind dergleichen Grausamkeiten zwar nicht begangen; ist aber die Feuersbrunst an einem bewohnten Orte, und zu einer Zeit angelegt worden, da die Einwohner gewöhnlich schon im Schlafe liegen: so hat der Thäter die Strafe des Feuers verwirkt, wofern Menschen in einem solchen Brande, oder bei Gelegenheit desselben, ihr Leben verloren, oder einen bleibnden Nachtheil an ihrer Gesundheit erlitten haben; wenn auch der Thäter die §. 1512. gedachte mordbrennerische Absicht nicht gehabt hätte. § 1515 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Ist bei einem solchen zur Nachtzeit angelegten Brande weder die §. 1512. bemerkte mordbrennerische Absicht vorhanden gewesen; noch ein Mensch an Leben oder Gesundheit auf vorstehende Art beschädigt; gleichwohl aber durch Einäscherung von Häusern und Gebäuden ein Schade von Fünfhundert Thalern oder mehr verursacht worden: so findet die Strafe des Schwerdtes nebst der Verbrennung des Körpers statt. § 1516 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Eben diese Todesstrafe wird, jedoch ohne Verschärfung, erkannt, wenn zwar Menschen das Leben verloren, oder einen bleibenden Nachtheil an ihrer Gesundheit erlitten haben, der Brand aber am Tage, und ohne die im §. 1512. gedachte Absicht angelegt worden. § 1517 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Ist durch eine in bewohnten Gegenden vorsätzlich, jedoch ohne mordbrennerische Absicht, (§. 1512.) am Tage erregte Feuersbrunst zwar kein Mensch an Leben oder Gesundheit verletzt worden; dennoch aber an Häusern, Gebäuden, Gütern und Vermögen der Einwohner ein Verlust von Fünfhundert Thalern oder mehr entstanden: so wird der Thäter mit lebenswieriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt. § 1520 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Wer durch Ansteckung seines Eigenthums das Feuer weiter zu verbreiten, oder Andere zu betrügen sucht, wird gleich dem, welcher fremdes Eigenthum in Brand steckt, bestraft. § 1521 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Wer Wälder vorsätzlich in Brand steckt, soll zu einer sechs- bis zehnjährigen, oder auch, wenn dadurch ein sehr erheblicher Schaden verursacht worden, in lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verurtheilt werden. § 1522 Teil II, 20. Titel ALR 1794 Wer einzeln stehende unbewohnte Gebäude oder andere Behältnisse, Holzvorräthe, Feld- oder Gartenfrüchte, dergestalt anzündet, daß die Flammen nach dem natürlichen Laufe der Dinge, bewohnte Gegenden nicht ergreifen können, der soll, nach Verhältniss des angerichteten Schadens, mit drei- bis sechsjähriger Festungshaft belegt werden.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

399

II. Das StGB Bayern 181314 Art. 244 StGB Bayern 1813 (Von unerlaubter Beschädigung überhaupt) Vorsätzliche rechtswidrige Zerstörung oder Beschädigung des Eigenthums wird, wenn dieselbe mit gemeiner wiewohl entfernter Gefahr verbunden, nach folgenden Gesezen als Verbrechen, ausserdem aber nach den Bestimmungen des III. Buchs als Vergehen bestraft. Art. 247 StGB Bayern 1813 (Von Brandlegung) Wer in rechtswidrigem Vorsatze fremdes Eigenthum, oder sein Eigenthum, mit Gefahr für dessen Bewohner oder für fremde Wohnungen in Brand sezt, wird des Verbrechens der Brandlegung schuldig, wenn gleich das Feuer nur geringen Schaden gestiftet hat, oder bald nach seinem Ausbruche wieder gedämpft worden ist. Art. 248 StGB Bayern 1813 (Erster und höchster Grad der Brandstiftung) Ist der Brand erregt worden an Wohnungen und anderen Aufenthaltsorten von Menschen, oder solchen Gebäuden oder Sachen, welche menschlichen Wohnungen und Aufenthaltsorten nahe sind, und diesen das Feuer mittheilen konnten, solche That sey geschehen in Städten, Flecken, Dörfern oder nur an einsam stehenden, jedoch bewohnten menschlichen Aufenthaltsorten, so soll der Missethäter, wenn dabei zugleich der eine oder andere der nach benannten beschwerenden Umstände eintritt, die Strafe des Todes leiden . . . III. wenn das Feuer gelegt worden oder ausgebrochen ist zu einer Zeit, wo die Einwohner gewöhnlich im Schlaf liegen; . . . Art. 249 StGB Bayern 1813 (Zweiter Grad) Eine Brandlegung, welche an menschlichen Wohnungen und Aufenthaltsorten, jedoch ohne einen der im vorhergehenden Art. 248. aufgezählten beschwerenden Umstände, begangen worden ist, diese That sey übrigens in Städten, Flecken Dörfern oder an einsam stehenden, wiewohl bewohnten menschlichen Aufenthaltsorten geschehen, soll mit Kettenstrafe, und bei minderer Strafbarkeit mit Zuchthaus; jedoch nicht unter sechzehn Jahren bestraft werden. Art. 250 StGB Bayern 1813 (Dritter Grad) Wer Waldungen oder noch nicht abgeärndete Fruchtfelder mit rechtswidrigem Vorsatze, wiewohl ohne Gefahr für Menschen und menschliche Aufenthaltsorte, in Brand steckt, soll mit acht- bis zwölfjährigem Zuchthause bestraft werden. Art. 251 StGB Bayern 1813 (Vierter Grad) Wer einsam stehende unbewohnte Gebäude oder Behältnisse, abgesonderte Holzvorräthe, abgeärndete und im Freien stehende Feld-, Wiesen- oder Gartenfrüchte, von de14

Vgl. Quellenverzeichnis A. II.

400

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

ren Anzündung nach aller Wahrscheinlichkeit keine Verbreitung des Feuers, noch Gefahr für bewohnte menschliche Aufenthaltsorte zu besorgen ist, mit rechtswidrigem Vorsaze anzündet, leidet ein- bis vierjährige Strafe des Arbeitshauses. Art. 252 StGB Bayern 1813 (Anzündung eigener Sache) Wer sein Eigenthum mit Gefahr für die Bewohner desselben oder mit Gefahr für fremde Wohnungen in rechtswidrigem Vorsaze anzündet, soll jedem andern Brandstifter nach Unterschied der Fälle (Art. 248. ff.) gleich bestraft werden. Geschah diese Handlung ohne Gefahr für Menschen oder fremdes Eigenthum, in der Absicht eines Betruges an Brandkassen oder ähnlicher Betrügereien wegen, so kommt die Strafe des gesetzlich ausgezeichneten Betruges (Art. 263.) in Anwendung. Art. 253 StGB Bayern 1813 (Von den Wirkungen thätiger Reue) Wer nach gelegtem Brande, durch Reue bewogen, vor Ausbruch des Feuers die Brandmaterialien wieder hinweggenommen oder getilgt hat, unterliegt zwar keiner peinlichen Strafe, jedoch vorbehaltlich polizeilicher Strafe und Auffsicht. Ist das Feuer nach geschehenem Ausbruche von dem Brandstifter selbst, oder durch seine Veranstaltung sogleich wieder gedämpft und dadurch aller Schaden verhütet worden, dann soll derselbe bei Brandlegungen des vierten und dritten Grades zu ein- bis sechsmonatlichem Gefängnisse; bei Brandlegungen des zweiten und ersten Grades auf ein bis drei Jahre in das Arbeitshaus verurtheilt werden. Wenn er drch seine thätig bewiesene Reue nur die weitere Ausbreitung des Feuers, jedoch nicht allen Schaden abgewendet hat, so kommt ihm dieses weiter nicht zu Statten, als daß er in den Fällen des Art. 248. (den ersten ausgenommen) mit Kettenstrafe, bei Brandlegungen des zweiten Grades hingegen höchstens mit Zuchthaus auf unbestimmte Zeit belegt wird.

III. Das StGB Oldenburg 181415 Art. 252 StGB Oldenburg 1814 Dazu vgl. den identischen Art. 247 StGB Bayern 1813. Art. 253 StGB Oldenburg 1814 Dazu vgl. den identischen Art. 248 StGB Bayern 1813. Art. 254 StGB Oldenburg 1814 Dazu vgl. den identischen Art. 249 StGB Bayern 1813. Art. 255 StGB Oldenburg 1814 Dazu vgl. den identischen Art. 250 StGB Bayern 1813. 15

Vgl. Quellenverzeichnis A. III.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

401

Art. 256 StGB Oldenburg 1814 Dazu vgl. den identischen Art. 251 StGB Bayern 1813. Art. 257 StGB Oldenburg 1814 Dazu vgl. den identischen Art. 252 StGB Bayern 1813. Art. 258 StGB Oldenburg 1814 Dazu vgl. den identischen Art. 253 StGB Bayern 1813.

IV. Das CrimGB Sachsen 183816 Art. 171 CrimGB Sachsen 1838 Wer eine Feuersbrunst in bewohnten oder anderen Gebäuden erregt, wo sich gewöhnlich oder wenigstens zu der Zeit, wenn dieselbe ausbrechen soll, Menschen aufhalten, und zwar ohne Unterschiede, ob die dazu angewendete Materie an diesen selbst angebrachtnist, oder an anderen Gegenständen, durch welche das Feuer dahin fortgepflanzt werden konnte, soll mit dem Tode bestraft werden: 1. Wenn durch das enstandene Feuer ein Mensch getödtet oder lebensgefährlich beschädigt worden ist, und dieser Erfolg unter den im vorliegenden Falle vorhandenen Umständen von dem Verbrecher vorausgesehen werden konnte; ... Art. 173 CrimGB Sachsen 1838 Ist die Brandstiftung an einem der Art. 171 bezeichneten Gegenstände ohne Hinzutritt eines der in den Art. 171, 172 gedachten erschwerenden Umstände verübt worden, so tritt gegen den Brandstifter funfzehn- bis zwanzigjährige Zuchthausstrafe ersten Grades ein. Art. 174 CrimGB Sachsen 1838 Hat jedoch Jemand ein ihm eigenthümlich gehöriges Wohngebäude ohne Gefahr für Personen oder fremde Gebäude in irgend einer rechtswidrigen Absicht angezündet, so ist er nur mit ein- bis sechsjähriger Zuchthausstrafe zweiten Grades zu belegen. Art. 175 CrimGB Sachsen 1838 Die Brandstiftung an fremden unbewohntne Gebäuden oder anderen Bauwerken, Waldungen, Fruchtfeldern, Holzvorräthen, Getreidekeimen und ähnlichen Gegenständen ist nach Verhältniß des verursachten Schadens und der möglichen Gefahr durch Verbreitung des Feuers mit Arbeitshaus von Einem bis zu Drei Jahren oder Zuchthaus zweiten Grades bis zu Zehn Jahren zu bestrafen. Wer eigne solche Gegenstände in rechtswidriger Absicht in Brand steckt, ist mit Arbeitshausstrafe bis zu drei Jahren zu belegen. 16

Vgl. Quellenverzeichnis A. IV.

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Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

Art. 176 CrimGB Sachsen 1838 Den Gebäuden sind im Sinne der Art. 171 bis 175 Schiffe und Schiffmühlen, Pulvermühlen, Pulvermagazine und Pulverwagen gleich zu achten. Art. 177 CrimGB Sachsen 1838 Das Verbrechen der Brandstiftung ist für vollbracht zu achten, solbald der von dem Verbrecher gebrauchte Brennstoff den Gegenstand, an welchem die Brandstiftung verübt werden soll, oder welcher geeinget ist, das Feuer dahin zu verbreiten, ergriffen hat. Art. 178 CrimGB Sachsen 1838 Hat der Thäter das ausgebrochene Feuer auf der Stelle und, ohne daß es weiteren Schaden verursacht hat, selbst wieder gelöscht, so ist in den Art. 171, 172, 173 angegebenen Fällen auf Arbeitshausstrafe von Sechs Monaten bis zu Einem Jahre, in den Fällen Art. 174, 175 auf Gefängnißstrafe von Vier bis zu Acht Wochen zu erkennen.

V. Das StGB Würtemberg 183917 Art. 378 StGB Würtemberg 1839 Wenn Jemand an Wohnungen oder andern Aufenthaltsorten von Menschen, oder an solchen Gebäuden oder Sachen, welche menschlichen Wohnungen und Aufenthaltsorten, nach ihrer Lage, das Feuer mittheilen könnten, Brand gelegt hat, und das Feuer an diesen Gegenständen ausgebrochen ist, so soll derselbe nach folgenden Bestimmungen gestraft werden: 1. . . . 3. Ist die Brandstiftung von keinem der vorerwähnten Umstände begleitet, so ist der Thäter mit zehn- bis zwanzigjährigem Zuchthause zu bestrafen. In den unter Ziff. 2. und 3. angeführten Fällen hat der Richter bei Ausmessung der Strafe hauptsächlich auf die größere oder geringere Gefahr für Menschenleben, auf die nähere entferntere Gefahr der Verbreitung des Feuers, und auf die Größe des verursachten Schadens Rücksicht zu nehmen. Art. 379 StGB Würtemberg 1839 Wer Handlungen vornimmt, durch welche eine Brandstiftung (Art. 378.) erst vorbereitet wird, ist mit Arbeitshaus bis zu drei Jahren zu bestrafen. Art. 380 StGB Würtemberg 1839 Wer Waldungen, Torfmoore, noch nicht abgeerntete Fruchtfelder, einsam stehende unbewohnte Gebäude, abgesonderte Holzvorräthe, oder andere dergleichen Gegenstände ohne Gefahr für Wohnungen oder andere Aufenthaltsorte von Menschen (vergl. Art. 378.) in Brand steckt, soll mit Rücksicht auf die durch Verbreitung des Feuers etwa begründete Gefahr für Menschenleben, auf den Umfang der Gefahr Eigenthum und die 17

Vgl. Quellenverzeichnis A. V.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

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Größe des verursachten Schadens zu Einjährigem Arbeitshause bis zehnjährigem Zuchthause, in leichtern Fällen zu Kreisgefängniß bis zu Einem Jahre verurtheilt werden. Art. 381 StGB Würtemberg 1839 Das Anzünden der eigenen Wohnung oder Sache, ohne Gefahr für Menschen oder fremdes Eigenthum, hat nur dann gerichtliche Strafe zur Folge, wenn solches in betrüglicher Absicht geschehen ist. In diesem Falle tritt die Strafe des erschwerten Betrugs (Art. 353.) ein. Art. 382 StGB Würtemberg 1839 Das Verbrechen (Art. 378.–381.) ist vollendet, sobald die Sache, an welche Brand gelegt worden, hierdurch in Flammen gerathen ist. Bei dem Anzünden von Waldungen und Torfmooren genügt es, wenn das Feuer, auch ohne Flamme, den Gegenstand zu verzehren begonnen hat. Art. 383 StGB Würtemberg 1839 Wenn das angelegte Feuer zwar ausgebrochen war, jedoch der Thäter dasselbe auf der Stelle wieder gelöscht hat, so daß, außer dem durch den Ausbruch des Feuers selbst verursachten Schaden, kein weiterer entstanden ist, so hat der Richter auf Kreisgefängniß, nicht unter drei Monaten, zu erkennen. Ist das angelegte Feuer durch den Thäter gelöscht worden, ehe es zum Ausbruche gekommen, so finden die Bestimmungen des Art. 73 Anwendung.

VI. Das CrimGB Braunschweig 184018 § 204 CrimGB Braunschweig 1840 Wer bewohnte Gebäude oder gewöhnliche Aufenthaltsorte von Menschen, und zwar insofern sie nur zum zeitlichen Aufenthalte dienen, zu einer Zeit, wo, seiner Wissenschaft nach, Personen sich in denselben befinden, oder Gegenstände, welche das Feuer dahin leiten konnten, in Brand steckt, soll folgendermaßen bestraft werden: . . . 3. Mit zeitlicher Kettenstrafe bis von zehn Jahen in anderen durch obige Umstände nicht erschwerten Fällen § 205 CrimGB Braunschweig 1840 Wer fremde nicht bewohnte Gebäude oder Aufenthaltsorte, oder nur zum zeitlichen Aufenthalte für Menschen bestimmte Orte zu einer Zeit, wo, seiner Wissenschaft nach, solche sich nicht darin befinden, Bergwerke, Waldungen, Torfmoore, Fruchtdimmen, Holzvorräthe und ähnliche Sachen oder Gegenstände, welche dahin das Feuer leiten konnten, in Brand steckt, ohne daß das Feuer bewohnte Gebäude oder Aufenthaltsorte ergreifen konnte, soll, wenn durch Verbreitung des Feuers Menschenleben in Gefahr 18

Vgl. Quellenverzeichnis A. VI.

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Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

gebracht sind, oder der angerichtete Schaden fünfhundert Thaler übersteigt, mit Zwangsarbeit nicht unter Ein Jahr; bei geringerem Betrage mit Zwangsarbeit bis von Einem Jahre bestraft werden. § 206 CrimGB Braunschweig 1840 Wer, ohne Gefahr für Personen oder fremdes Eigenthum, eigene Gebäude, Bergwerke, Waldungen, Torfmoore, Fruchtdimmen, Holzvorräthe, und der gleichen in Brand steckt, soll, wenn dieses in betrüglicher Absicht geschehen und der angerichtete Schaden fünfhundert Thaler übersteigt, Zuchthaus, wenn er fünfzehn Thaler übersteigt, Zwangsarbeit nicht unter Ein Jahr; bei minderem Betrage, oder bei sonstiger rechtswidriger Absicht, Zwangsarbeit bis von Einem Jahre erleiden. § 207 CrimGB Braunschweig 1840 Das Verbrechen der Brandstiftung ist vollendet, sobald der gebrauchte Zündstoff den anzuzündenden Gegenstand durch Entflammen oder Glimmen ergriffen hat. § 207 CrimGB Braunschweig 1840 Hat der Thäter das ausgebrochene Feuer gleich selbst gelöscht, so daß, außer dem durch den Ausbruch des Feuers selbst und unmittelbar entstandenen, ein weiterer Schaden nicht verursacht worden, so ist auf Gefängniß bis von Einem Jahre zu erkennen.

VII. Das CrimGB Hannover 184019 Art. 181 CrimGB Hannover 1840 Wer aus rechtswidrigem Vorsatze eine Sache mit Gefahr für andere Personen oder deren Eigenthum in Brand setzt, der ist der Brandstiftung schuldig. Zu dem rechtswidrigen Vorsatze bei diesem Verbrechen gehört die Absicht, einen Brand mit Feuersgefahr für Andere zu verursachen. Das Verbrechen ist vollendet, wenn das Feuer ausgebrochen ist; der Ausbruch des Feuers aber tritt ein, sobald die vom Thäer gebrauchten Brenn-Materialien die in Brand zu setzende Sache gezündet haben. Art. 182 CrimGB Hannover 1840 Ist die Brandstiftung an Gebäuden verübt, so tritt, wenn dabei keine der in dem folgenden Artikel benannten Erschwerungen vorhanden ist, Kettenstrafe dafür ein; bei deren Zumessung vorzüglich auf den aus den Umständen zu beurtheilenden Grad der Gefährlichkeit und auf die Größe des daraus entstandenen Schadens, sowie auf die Heiligkeit des beschädigten Gebäudes zu achten ist. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Brand unmittelbar an Gebäuden selbst, oder an solchen Gegenständen erregt ist, welche ihn denselben mitgetheilt haben. ... 19

Vgl. Quellenverzeichnis A. VII.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

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Art. 184 CrimGB Hannover 1840 Von Brandstiftung an anderen Gegenständen,als Gebäuden, sollen als ausgezeichnet mit dem Tode bestraft werden: I. Brandstiftungen in Bergwerken, welche noch wirklich in Betrieb stehen; II. Brandstifungen an mit Mannschaft besetzten Schiffen, oder bewohnten Schiffsmühlen. Art. 185 CrimGB Hannover 1840 Die übrigen hieher gehörenden Brandstifungen werden nach folgenden Grundsätzen bestraft: I. Wenn sie an Waldungen, noch nicht abgeärnteten Fruchtfeldern, Heiden oder Tormooren verübt werden, sollen sie, unter Berücksichtigung der Größe der Gefahr und des Schadens, mit Zuchthaus, oder mit Kettenstrafe nicht über fünfzehn Jahre bestraft werden, unter besonders mildernden Umständen aber mit Arbeitshaus. II. Wenn sie verübt werden an unbemannten Schiffen, unbewohnten Schiffsmühlen, abgeärnteten im Freien stehenden Feld-, Wiesen- oder Gartenfrüchten, Deichbekleidungen, abgesonderten Vorräthen von Bau- oder Brenn-Materialien, oder anderen solchen abgesondert liegenden, zu Gebäuden im gewöhnlichen Sinne nicht zu rechnenden Gegenständen, so soll die Strafe des Arbeitshauses oder des Zuchthauses eintreten. Bei besonderer Größe der Gefahr und des Schadens findet jedoch auch Kettenstrafe bis zu fünfzehn Jahren statt. Auch sind die Gerichte ermächtigt, wenn Gefahr und Schaden sehr gering waren, auf Gefängniß jedoch nicht unter Einem Monate, zu erkennen. Art. 186 CrimGB Hannover 1840 Wer seine eigene Sache, in der Absicht eines Betruges an Brandkassen oder anderer Betrügereien, unter solchen Umständen in Brand steckt, bei welchen aus deren Anzündung eine Gefahr für Menschen oder fremdes Eigenthum nicht entstehen kann, ist nach den Gesetzen wieder den ausgezeichneten Betrug zweiter Klasse zu bestrafen. (Art. 317.) Art. 187 CrimGB Hannover 1840 I. Wer nach gelegtem Brande den Ausbruch des Feuers aus eigenem Antriebe verhindert, ist von Strafe frei, jedoch vorbehaltlich polizeilicher Maßregeln. II. Wer das eben ausgebrochene Feuer auf der Stelle wieder gelöscht, und sonach, außer dem durch den bloßen Ausbruch des Feuers bewirkten, allen weitern Schaden verhütet hat, der soll in den Fällen der Art. 182. 183. und 184. nur mit Arbeitshaus, im Falle des Art. 185. aber mit Gefängniß gestraft werden. III. Ist das Feuer erst nach dem Ausbruche und nachdem es bereits einigen weitern Schaden gestiftet hat, jedoch vor dessen fernerer Verbreitung und ohne daß dabei ein Mensch schwer verletzt wurde, von dem Brandstifter selbst, oder durch seine Veranstaltung aus eigenem Antriebe gelöscht worden; so soll anstatt der in den vorstehenden Artikeln (182–185.) bestimmten Todes- und Kettenstrafe auf Zuchthaus, statt der Zuchthausstrafe auf Arbeitshaus, und statt des Arbeitshauses auf Gefängniß erkannt werden.

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Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

VIII. Das StGB Hessen 184120 Art. 411 StGB Hessen 1841 Wer Wohnungen oder andere Aufenthaltsorte von Menschen, oder solche Gebäude oder Sachen, welche menschlichen Wohnungen oder Aufenthaltsorten nahe sind und diesen das Feuer mittheilen könnten, vorsätzlich in Brand gesetzt hat, soll bestraft werden: ... 3. mit Zuchthaus von acht bis sechzehn Jahren in allen übrigen Fällen. In den Fällen Nr. 3. haben die Gerichte bei Zumessung der Strafe hauptsächlich auf die größere odere geringere Gefährlichkeit für Menschnleben, und unter Anderen auch auf die nähere oder entferntere Gefahr der Verbreitung des Feuers, ob insbesondere die Brandstiftung bei Tag oder Nach verübt wurde, und auf die Größe des verursachten Schadens Rücksicht zu nehmen. Art. 412 StGB Hessen 1841 Wer Waldungen, Torfmoore, Kohlengruben, noch nicht abgeerndtete Fruchtfluren, einsam stehende unbewohnte Gebäude, unbewohnte Schiffe oder Schiffsmühlen, abgesondert liegende Magazine, Vorräthe von Früchten, von Bau- oder Brennmaterialien oder ähnlichen Gegenständen, oder solche Sachen, wodurch jenen genannten Gegenständen das Feuer mitgetheilt werden könnte, ohne Gefahr für das Leben Anderer, sowie für Wohnungen oder Aufenthaltsorte von Menschen, vorsätzlich in Brand gesetzt hat, soll, nach der größeren oder geringeren, mit seiner Handlung verbundenen Gefahr für Eigenthum, und nach der Größe des verursachten Schadens, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft werden. Sollte jedoch der gestiftete Schaden gering sein und sollten noch sonstige strafmindernde Umstände eintreten, so können die Gerichte auf Correctionshausstrafe von Ein bis zwei Jahren erkennen. Art. 413 StGB Hessen 1841 Alle anderen durch die Art. 411. und 412. nicht vorgesehenen Fälle von Brandstiftung werden nach den im Tit. LII., von der Eigenthumsbeschädigung aus Bosheit, enthaltenen Bestimmungen bestraft. Art. 414 StGB Hessen 1841 Das Anzünden der eigenen Wohnung oder Sache, ohne Gefahr für Menschen oder fremdes Eigenthum, ist nur dann strafbar, wenn es in der Absicht, dadurch ein anderes Verbrechen, namentlich einen Betrug an einer Brandversicherungsanstalt zu verüben, geschehen ist; in diesem Falle tritt Correctionshausstrafe bis zu drei oder Zuchthaus bis zu vier Jahren ein. Hat der Brandstifter diese betrügerische Absicht wirklich erreicht, so können die Gerichte die Zuchthausstrafe bis auf zehn Jahre erhöhen. 20

Vgl. Quellenverzeichnis A. VIII.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

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Art. 415 StGB Hessen 1841 In allen Fällen ist die Brandstifung für vollendet (das Feuer für ausgebrochen) zu erachten, sobald sich dasselbe anderen Sachen, außer den Brandmaterialien, mitgetheilt hat. Art. 416 StGB Hessen 1841 Der Brandstifter, welcher das eben ausgebrochene Feuer auf der Stelle, aus freier Entschließung, wieder gelöscht hat, so daß außer dem durch den bloßen Ausbruch desselben bewirkte Schaden kein weiterer entstanden ist, soll zu Correctionshausstrafe bis zu Einem Jahre verurtheilt werden. Art. 417 StGB Hessen 1841 Ist das Feuer erst nach dem Ausbruche und nachdem es bereits einigen weiteren Schaden gestiftet hat, jedoch vor dessen fernerer Verbreitung, und ohne daß ein Mensch dabei verletzt wurde, aus freier Entschließung des Brandstifters von diesem selbst oder durch seine Veranstaltung gelöscht worden, so soll eine Verminderung der bestimmten Strafe in der Art eintreten, daß statt der Zuchthausstrafe auf Lebenszeit eine solche von fünf bis zehn Jahren, statt der im Art. 411. Nr. 3 bestimmten Strafen Zuchthaus bis zu vier und statt der im Art. 412. bestimmten Strafen Correctionshausstrafe bis zu zwei Jahren stattfindet.

IX. Das StGB Baden 184521 § 546 StGB Baden 1845 (Anzündung: 1. von Wohngebäuden u.) Wer Wohngebäude absichtlich in Brand steckt, oder Schiffe mit Wohnungsräumen, oder Flöße mit Wohnungen, oder Schiffsmühlen, Pulverthürme, Pulvermagazine oder Pulvermühlen, wird wegen Brandstiftung mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft. § 547 StGB Baden 1845 (2. von Kirchen u.) Die Brandstiftung an Kirchen, Theatern, Fabriken oder anderen, nicht zur Wohnung, wohl aber zur Versammlung oder zum zeitlichen Aufenthalt einer größeren Anzahl von Menschen bestimmten Gebäuden oder an Gebäuden, worin öffentliche Bibliotheken, Kunst- oder Naturaliensammlungen, oder Archive oder Registraturen aufbewahrt werden, wird bestraft: 1. ebenfalls mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren, wenn sich zur Zeit der Brandlegung, oder zur Zeit des Brandausbruchs Menschen darin befanden, und der Thäter dies vermuthen konnte; 2. außerdem mit Zuchthaus bis zu sechzehn Jahren. § 548 StGB Baden 1845 (3. von Waldungen u.) Zuchthausstrafe bis zu sechzehn Jahren trifft auch die Brandstiftung an Waldungen, an Fruchtfeldern, an Torfmooren und an Steinkohlen-, oder anderen, gleicher Feuersgefahr ausgesetzten, Bergwerken. 21

Vgl. Quellenverzeichnis A. IX.

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Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

§ 549 StGB Baden 1845 (4. von anderen Gebäuden) Wird die That an anderen, als den in den §§. 546. und 547. bezeichneten Gebäuden oder Schiffen verübt, oder an großen Vorräthen von Holz, Torf, Steinkohlen, Heu, oder von ähnlichen Gegenständen, so wird der Thäter, insofern von dem Brand ein erheblicher Schaden zu besorgen war, mit Arbeitshaus nicht unter Einem Jahre oder Zuchthaus bis zu sechs Jahren bestraft, außerdem nach den Bestimmungen des Titels XL. § 550 StGB Baden 1845 (Strafmilderung) Ist im einzelnen Falle durch die Brandstiftung nur unbedeutender Schaden verursacht worden, so kann die Strafe bis zur Hälfte des durch die §§. 546. bis 549. gedrohten niedersten Maßes herabgesetzt werden. ... § 553 StGB Baden 1845 (Gegenstand der Brandstiftung.) Wenn der Gegenstand, woran die Brandstiftung verübt wurde (§§. 547. bis 549.), einem anderen Gegenstande, hinsichtlich dessen die Brandstiftung mit höherer Strafe bedroht ist, so nahe liegt, daß sich das Feuer auf denselben voraussichtlich leicht fortpflanzen kann, so ist die Strafe, die sonst zu erkennen wäre, zu erhöhen, und kann bis zu demjenigen Maße ansteigen, welches eintreten müßte, wenn der Thäter den letzteren Gegenstand selbst in Brand gesteckt hätte. § 554 StGB Baden 1845 (Anzündung des eigenen Hauses u.) Wer einen ihm selbst gehörenden Gegenstand der in den §§ 546. bis 549. bezeichneten Art unter Umständen absichtlich in Brand steckt, daß daraus eine von ihm vorherzusehende Gefahr für Menschenleben hervorgeht, wird von der nämlichen Strafe getroffen, als wenn der in Brand gesteckte Gegenstand fremdes Eigenthum wäre. § 555 StGB Baden 1845 Wer ohne die Voraussetzungen des vorhergehenden §. 554. einen ihm selbst gehörenden Gegenstand der in den §§. 546. bis 549. bezeichneten Art unter Umständen absichtlich in Brand steckt, daß daraus eine von ihm vorherzusehende Gefahr für gleiches Eigenthum Anderer hervorgeht, wird mit Zuchthaus von Einem Jahre bis zu sechs Jahren bestraft; jedoch kann in den Fällen, wo das gefährdete Eigenthum Anderer zu den in den §§. 548. und 549. bezeichneten Gegenständen gehört, auf Arbeitshausstrafe erkannt werden. § 556 StGB Baden 1845 Hat sich in einem Falle des vorhergehenden §. 555. das Feuer auf fremdes Eigenthum der in den §§. 546. bis 548. bezeichneten Art fortgepflanzt, so kann die Strafe bis zu demjenigen Maße erhöht werden, welches eintreten müßte, wenn der letztere Gegenstand selbst in Brand gesteckt worden wäre. § 557 StGB Baden 1845 Wer einem ihm selbst gehörenden Gegenstand der in den §§. 546 bis 548. bezeichneten Art zur Beeinträchtigung der Rechte Anderer in Brand steckt, wird mit Zuchthaus von

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

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Einem Jahre bis zu acht Jahren, und, wenn es ein Gegenstand der im §. 549. bezeichneten Art war, mit Arbeitshaus oder mit Zuchthaus von Einem Jahre bis zu sechs Jahren bestraft, insofern nicht in dem einen oder anderen Falle nach den §§. 554. bis 556. eine höhere Strafe zu erkennen ist. ... § 560 StGB Baden 1845 Das Verbrechen (§§. 546. Bis 557.) gilt als vollendet, sobald die Flamme den Gegenstand der Brandstiftung ergriffen, oder solches, durch Glimmen verzehrt zu werden, angefangen hat. § 561 StGB Baden 1845 Hat jedoch der Brandstifter das Feuer aus freiem Antriebe selbst wieder gelöscht, so tritt, insofern der entstandene Schaden nur unbedeutend ist, blos Kreisgefängnißstrafe gegen ihn ein.

X. Das StGB Passau 184922 Art. 405 StGB Passau 1849 Wer Wohnungen oder andere Aufenthaltsorte von Menschen, oder solche Gebäude oder Sachen, welche menschlichen Wohnungen oder Aufenthaltsorten nahe sind und diesen das Feuer mittheilen könnten, vorsätzlich in Brand setzt hat, soll bestraft werden: 1. mit lebenslänglichem Zuchthaus: wenn in Folge des ausgebrochenen Feuers ein Mensch getödtet worden ist, sofern der Brandstifter diesen Erfolg vorhersehen konnte; 2. mit Zuchthaus von zwölf bis achtzehn Jahren: a) wenn der Verbrecher in Städten, Dörfern oder Flecken an verschiedenen Orten zugleich Brand gelegt hat und das Feuer wenigestens an einem Orte ausgebrochen ist; b) wenn an einem Gebäude Brandstiftung verübt worden ist, in welchem bedeutende Pulvervorräthe vorhanden waren, vorausgesetzt, daß der Brandstifter hervon Wissenschaft hatte; c) wenn in der Folge des ausgebrochenen Feuers ein Mensch lebensgefährlich beschädigt worden ist, sofern der Brandstifter diesen Erfolg voraussehen konnte; d) wenn die Brandstiftung zur Begehung eines Mordes verübt wutrde, insofern zur Vollführung des letzteren Verbechens wenigstens ein strafbarer Versuch gemacht worden ist; 3. mit Zuchthas von sechs bis zwölf Jahren in allen übrigen Fällen. In den Fällen Nr. 3. haben die Gerichte bei Zumessung der Strafe hauptsächlich auf die größere oder geringere Gefährlichkeit für Menschenleben, und unter Anderem auch auf die nähere oder entferntere Gefahr der Verbreitung des Feuers, ob insbesondere die 22

Vgl. Quellenverzeichnis A. X.

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Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

Brandstiftung bei Tag oder Nacht verübt wurde, und auf die Größe des verursachten Schadens Rücksicht zu nehmen. Art. 406 StGB Passau 1849 Wer Waldungen, Torfmoore, Kohlengruben, noch nicht abgeerntete Fruchtfluren, einsam stehende unbewohnte Gebäude, unbewohnte Schiffe oder Schiffsmühlen, abgesondert liegende Magazine, Vorräthe von Früchten, von Bau- oder Brennmaterialien oder ähnlichen Gegenständen, oder solche Sachen, wodurch jenen genannten Gegenständen das Feuer mitgetheilt werden könnte, ohne Gefahr für das Leben Anderer, sowie für Wohnungen oder Aufenthaltsorte von Menschen, vorsätzlich in Brand gesetzt hat, soll nach der größeren oder geringeren, mit seiner Handlung verbundenen Gefahr für Eigenthum, und nach der Größe des verursachten Schadens, mit Zuchthaus bis zu acht Jahren bestraft werden. Sollte jedoch der gestiftete Schaden gering sein und sollten noch sonstige strafmindernde Umstände eintreten, so können die Gerichte auf Correctionshausstrafe von Ein bis zwei Jahren erkennen. Art. 407 StGB Passau 1849 Alle anderen durch die Art. 405. und 406. nicht vorgesehenen Fälle von Brandstiftung werden nach den im Titel. L., von der Eigenthumsbeschädigung aus Bosheit, enthaltenen Bestimmungen bestraft. Art. 408 StGB Passau 1849 Das Anzünden der eigenen Wohnung oder Sache, ohne Gefahr für Menschen oder fremdes Eigenthum, ist nur dann strafbar, wenn es in der Absicht, dadurch ein anderes Verbrechen, namentlich einen Betrug an einer Brandversicherungsanstalt zu verüben, geschehen ist; in diesem Falle tritt Correctionshausstrafe bis zu drei oder Zuchthausstrafe bis zu vier Jahren ein. Hat der Brandstifter diese betrügerische Absicht wirklich erreicht, so können die Gerichte die Zuchthausstrafe bis auf acht Jahre erhöhen. Art. 409 StGB Passau 1849 In allen Fällen ist die Brandstiftung für vollendet (das Feuer für ausgebrochen) zu erachten, sobald die Flamme den Gegenstand der Brandstiftung ergriffen, oder solcher durch Glimmen verzehrt zu werden angefangen hat. Art. 410 StGB Passau 1849 Der Brandstifter, welcher das eben ausgebrochene Feuer auf der Stelle aus freier Entschließung, wieder gelöscht hat, so daß außer dem dadurch den bloßen Ausbruch desselben bewirkten Schaden kein weiter entstanden ist, soll zu Correctionshausstrafe bis zu Einem Jahre verurtheilt werden. Art. 411 StGB Passau 1849 Ist das Feuer erst nach dem Ausbruche, und nachdem es bereits einigen weiteren Schaden gestiftet hat, jedoch vor dessen fernerer Verbreitung, und ohne daß ein Mensch da-

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

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bei verletzt wurde, aus freier Entschließung des Brandstifters von diesem selbst oder durch seine Veranstaltung gelöscht worden, so soll eine Verminderung der bestimmten Strafe in der Art eintreten, daß statt der Zuchthausstrafe Art. 405. Nr. 2 eine solche von drei bis fünf Jahren, statt der im Art. 405. Nr. 3 bestimmten Strafen Correctionshausstrafe bis zu achtzehn Monaten stattfindet.

XI. Das StGB Thüringen 185023 Art. 161 StGB Thüringen 1850 Wer bewohnte Gebäude, oder andere Gebäude, wo sich gewöhnlich Menschen aufhalten, oder zum zeitlichen Aufenthalte dienende Gebäude zu einer Zeit, wo sich seiner Wissenschaft nach Personen in denselben befinden, oder Gegenstände, durch welche das Feuer an Gebäude der angegebenen Art fortgepflanzt werden kann, vorsätzlich in Brand steckt, wird mit lebenslänglichem Zuchthause bestraft, wenn: 1. durch das entstandene Feuer ein Mensch getödtet oder lebensgefährlich beschädigt worden ist und dieser Erfolg den Umständen nach von dem Verbrecher vorauszusehen war; ... Art. 162 StGB Thüringen 1850 Tritt keiner der im vorigen Artikel aufgezählten erschwerenden Umstände ein, oder ist in dem Falle des vorigen Artikels unter 5.) nur Ein Gebäude niedergebrannt, wie welchem seiner Lage nach keine Gefahr der Weiterverbreitung des Feuers zu befürchten war, so ist der Brandstifter mit fünf- bis zwanzigjähriger Zuchthausstrafe zu belegen. Art. 163 StGB Thüringen 1850 Wird eine Brandstiftung an einem Gebäude verübt, welches dem Thäter eigenthümlich gehört, ohne daß eine Gefahr für Personen oder fremde Gebäude vorhanden ist, so soll derselbe, wenn er sonst irgend eine Beeinträchtigung der Rechte Anderer beabsichtigte, mit Arbeitshaus nicht unter Einem Jahre oder Zuchthaus bis zu sechs Jahren, und wenn auch eine solche Absicht ermangelte, die Brandstiftung aber, um Andere zu schrecken, geschah, mit Gefängniß bestraft, in anderen Fällen jedoch mit Strafe verschont werden. Art. 164 StGB Thüringen 1850 Wer unbewohnte Gebäude oder andere Bauwerke, Waldungen, Fruchtfelder, Holzvorräthe, aufgespeichertes Getreide (Getreidekeimen), oder ähnliche Gegenstände in Brand steckt, ist nach Verhältniß des verursachten Schadens und der dabei vorhandenen Gefahr weiterer Verbreitung des Feuers mit Arbeitshaus bis zu drei Jahren, oder mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Wenn Jemand aber eigene solche Gegenstände in Brand steckt, ohne daß Gefahr der weitern Verbreitung des Feuers zum Nachtheil dritter Personen vorhanden ist, so soll er 23

Vgl. Quellenverzeichnis A. XI.

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Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

nur dann und zwar mit Arbeitshaus bis zu drei Jahren bestraft werden, falls er eine Beeinträchtigung der Rechte Anderer dabei beabsichtigte. Art. 165 StGB Thüringen 1850 Schiffe, Schiffmühlen, Pulvermühlen, Pulvermagazine und Pulverwagen werden bei der Brandstiftung den Gebäuden gleich erachtet. Art. 166 StGB Thüringen 1850 Die Brandstiftung wird als vollendet angesehen, sobald der von dem Verbrecher gebrauchte Brennstoff den anzuzündenden Gegenstand durch Entflammen oder Glimmen ergriffen hat. Art. 167 StGB Thüringen 1850 Hat der Thäter auf der Stelle, oder doch, bevor weiterer Schaden verursacht war, selbst wieder gelöscht oder die Löschung durch Andere veranlaßt, so soll in den Fällen der Art. 161. und 162. auf Arbeitshausstrafe von sechs Monaten bis zu Einem Jahre und in den Fällen der Art. 163. und 164. auf Gefängnißstrafe bis zu acht Wochen erkannt werden.

XII. Das StGB Österreich 185224 § 166 StGB Österreich 1852 Das Verbrechen der Brandlegung begeht derjenige, der eine Handlung unternimmt, aus welcher nach seinem Anschlage an fremden Eigenthume eine Feuersbrunst entstehen soll, wenn gleich das Feuer nicht ausgebrochen ist oder keinen Schaden verursacht hat. § 167 StGB Österreich 1852 Die Strafe ist nach folgendem Unterschiede auszumessen: a) Wenn das Feuer ausgebrochen und dadurch ein Mensch, da es von dem Brandleger vorhergesehen werden konnte, getödtet wird; oder wenn der Brand durch besondere auf Verheerungen gerichtete Zusammenrottung bewirkt worden, ist die Strafe der Tod; ... f) wenn das Feuer zwar nich ausgebrochen, aber zur Nachtzeit, oder an einem solchen Orte, wo es bei dem Ausbrechen sich leicht hätte verbreiten können, oder unter solchen Umständen, wobei zugleich menschliches Lebens augenscheinlicher Gefahr ausgesetzt war, angelegt worden, soll der Thäter mit schwerem kerker von fünf bis zehn Jahren bestraft werden; g) ist die That bei Tag und ohne besondere Gefährlichkeit unternommen worden, und das gelegte Feuer ohne auszubrechen, erloschen, oder wenn ausgebrochen, ohne Schaden gelöscht worden, so hat der Thäter schwere Kerkerstrafe zwischen Einem und fünf Jahren verwirkt. ... 24

Vgl. Quellenverzeichnis 4 A. XIII

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

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§ 168 StGB Österreich 1852 Wenn bei einem gelegten Brande der Thäter selbst aus Reue und noch zur rechten Zeit sich so verwendet hat, daß aller Schaden verhütet worden ist, so soll er mit aller Strafe verschont werden. § 169 StGB Österreich 1852 Wer durch die, aus was immer für einer bösen Absicht unternommene Ansteckung seines Eigenthumes, auch fremdes Eigenthum der Feuersgefahr aussetzt, wird ebenfalls der Brandlegung schuldig und nach der in dem §. 167. bestimmten Ausmessung zu bestrafen sein. § 170 StGB Österreich 1852 Wer sein Eigenthum in Brand steckt, ohne daß dabei fremdes Eigenthum Gefahr läuft, von dem Feuer ergriffen zu werden, ist zwar nicht der Brandlegung, wohl aber des Betruges schuldig, insofern er dadurch Rechte eines Dritten zu verkürzen oder Jemanden Verdacht zuzuziehen sucht.

XIII. Das StGB Sachsen 185525 Art. 208 StGB Sachsen 1855 Wer fremde Gebäude, wohin auch Schiffe, Schiff- und Windmühlen, Wachhütten, Brücken und andere dergleichen Bauwerke zu rechnen, ingleich wer fremde Holzvorräthe, Waldungen, Anpflanzungen, Fruchtfelder, Getreidekeimen, Stein- und Braunkohlelager oder andere dergleichen Gegenstände in Brand steckt, begeht das Verbrechen der Brandstiftung. Art. 209 StGB Sachsen 1855 Das Verbrechen der Brandstiftung wird geahndet: 1. mit dem Tode: a) wenn durch das entstandene Feuer ein Mensch um das Leben gekommen ist und dieser Erfolg unter den obwaltenden Umständen von dem Thäter vorausgesehen werden konnte; ... 2. mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe: a) wenn durch das entstandene Feuer ein Mensch eine schwere Körperverletzung (Art. 167. 1. 2. Art. 168) erlitten hat, und dieser Erfolg von dem Thäter unter den obwaltenden besonderen Umständen vorausgesehen werden konnte; b) wenn der Verbrecher, um die Löschung zu verhüten, die Löschmittel entfernt oder unbrauchbar gemacht hat; ...

25

Vgl. Quellenverzeichnis A. XIV.

414

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

3. ohne die unter 1. und 2. erwähnten Erschwerungsgründe mit Zuchthausstrafe von zehn bis zu dreißig Jahren. In Fällen der unter 3. gedachten Art kann jedoch der Richter, wenn weder eine besondere Gefahr vorhanden gewesen, noch ein erheblicher Schaden entstanden ist, bis auf Arbeitshaus von Einem Jahre herabgehen. Art. 210 StGB Sachsen 1855 Hat Jemand einen ihm selbst gehörigen Gegenstand der im Art. 208. gedachten Art, oder einen fremden dergleichen Gegenstand mit Einwilligung des Eigenthümers, in rechtswidriger Absicht in Brand gesteckt, so tritt, und zwar in dem letzteren Falle sowohl für den Thäter, als für den einwilligenden Eigenthümer, Arbeits- bis zu zehn oder Zuchthausstrafe bis zu fünfzehn Jahren ein. War jedoch eine besondere Gefahr für fremde Gebäude oder für Menschen vorhanden, so kann die Strafe bis auf dreißig Jahre gesteigert werden. Tritt bei diesem Verbrechen einer der im Art. 209. Unter 1. a. bis d. oder unter 2. a. bis mit c. gedachten Erschwerungsgründe ein, so ist auf die daselbst angedrohten Strafen zu erkennen Art. 211 StGB Sachsen 1855 Die in Art. 208. und 210. erwähnten Verbrechen sind vollendet, sobald der Gegenstand, welcher in Brand gesteckt werden sollte, von dem Feuer ergriffen worden ist, und daher entweder in heller Flamme gebrannt oder doch geglimmt hat. Art. 212 StGB Sachsen 1855 Wenn Jemand Sachen, welche sich in oder an Gegenständen der in Art. 208. 201. gedachten Art befinden, oder irgend einen anderen Gegenstand, außer den in Art. 208. 210. genannten, in rechtswidriger Absicht angezündet hat und dadurch ohne seine Absicht einer der in Art. 208. 210. genannten Gegenstände in Brand gerathen ist, so kann die nach Art. 335. oder sonst verwirkte Strafe bis um die Hälfte erhöht werden. Ist das Anzünden unter Umständen geschehen, wo es an sich nicht strabar sein würde, und dadurch einer der in Art. 208. 210. genannten Gegenstände in Brand gerathen, so tritt die Strafe der Brandstiftung aus Unbedachtsamkeit (Art. 220) ein. Art. 213 StGB Sachsen 1855 Hat der Thäter das ausgebrochene Feuer auf der Stelle und ohne daß es einen erheblichen Schaden verursacht hat, selbst wieder gelöscht, so ist der Fall einem nach Art. 42. Nr. 1. zu beurtheilenden Versuche gleich zu achten.

C. Weitere Partikularstrafgesetzbücher

415

XIV. Das StGB Bayern 186126 Art. 347 StGB Bayern 1861 Wer fremde Wohngebäude oder denselben gesetzlich gleichgestellte Gebäude oder Räumlichkeiten (Art. 277) rechtswidrig in Brand setzt, desgleichen wer solche Brandstiftung an andern Räumlichkeiten verübt, in welchen sich zur Zeit der Anlegung oder des Ausbruches des Feuers Menschen aufhalten, soll mit Zuchthaus nicht unter acht Jahren bestraft werden. Art. 348 StGB Bayern 1861 Wer außer dem Falle des Art. 347 fremde Gebäude, Schiffe, Magazine, Bergwerke, Torfmoore, Waldungen oder Fruchtfelder rechtswidrig in Brand setzt, ist mit Zuchthaus bis zu sechzehn Jahren zu bestrafen. In leichteren Fällen kann auf Gefängniß nicht unter zwei Jahren erkannt werden, womit die Straffolgen des Art. 28 verbunden werden können. Art. 349 StGB Bayern 1861 Der Brandstiftung an den in den Art. 347 und 348 bezeichneten Gegenständen ist es gleich zu achten, wenn in der Absicht, einen dieser Gegenstände rechtswidrig in Brand zu setzen, solche Sachen in Brand gesteckt werden, welche vermöge ihrer Lage und Beschaffenheit geeignet sind, jenen Gegenständen das Feuer mitzutheilen. Art. 350 StGB Bayern 1861 Die Bestimmungen der Art. 347–349 kommen auch bei demjenigen, welcher eine Brandstiftung der in diesen Artikeln bezeichneten Art an seiner eigenen Sache oder an einer fremden Sache im Einverständnisse mit dem Eigenthümer verübt hat, dann zur Anwendung, wenn mit der Brandstiftung Gefahr für Menschen oder das Eigenthum Dritter verbunden war. Wenn eine solche Gefahr nicht vorhanden war, die Handlung aber zum Zwecke eines Betruges oder einer Verletzung fremder Rechte verübt worden ist, so tritt, vorbehaltlich der durch den Betrug etwa verwirkten höheren Strafe, Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein, womit Geldstrafe bis zu tausend Gulden, sowie die im Art. 28 bezeichneten Straffolgen verbunden werden können. Der Versuch dieess Vergehens ist strafbar. Art. 351 StGB Bayern 1861 Wenn der Brandstifter das ausgebrochene Feuer sogleich wieder gelöscht hat, so daß ein weiterer Schaden nicht entstanden ist, so soll auf Gefängniß bis zu einem Jahre erkannt werden.

26

Vgl. Quellenverzeichnis A. XV.

416

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

Art. 352 StGB Bayern 1861 Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand der in den Art. 347, 348 und 350 Abs. 1 bezeichneten Art verursacht, soll, wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren oder eine der in Art. 239 Abs. 1 bezeichneten Beschädigungen erlitten hat, mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder an Geld bis zu fünfhundert Gulden, andernfalls mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder an Geld bis zu zweihundert Gulden bestraft werden. Wurde das ausgebrochene Feuer sogleich wieder gelöscht, so daß ein weiterer Schaden nicht entstanden ist, so unterbleibt die Bestrafung.

D. Entwürfe für ein StGB für den Norddeutschen Bund und das StGB 1871 I. Entwurf Juli 186927 § 285 E Juli 1869 Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren bestraft: 1. wer vorsätzlich ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude in Brand steckt; 2. wer vorsätzlich ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen, zu einer Zeit in Band steckt, in welcher darin Menschen sich aufzuhalten pflegen; 3. wer vorsätzlich Eisenbahnwagen, Bergwerke oder andere zum Aufenthalt von Menschen dienen, zu einer Zeit in Brand steckt, in welcher darin Menschen sich aufzuhalten pflegen. Ist in Folge der Brandstiftung der Tod eines Menschen erfolgt, der sich zur Zeit der That in einem der in Brand gesteckten Räumlichkeiten befand, so trifft den Schuldigen lebenslängliches Zuchthaus. Ist die Brandstiftung mit dem Vorsatze zu tödten verübt, so kommen die Strafen des Mordes oder des Versuches dieses Verbrechens zur Anwendung. In allen diesen Fällen macht es keinen Unterschied, ob die in Brand gesteckten Gegenstände Eigenthum des Thäters sind oder nicht. § 286 E Juli 1869 Wer vorsätzlich Schiffe, Gebäude, Hütten, bergwerke, Magazine, Vorräthe von landwirtscahftlichen Erzeugnissen, Bau- oder Brenn-Materialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore, welche fremdes Eigenthum sind, in Brand steckt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

27

Vgl. Quellenverzeichnis C. I.

D. Entwürfe für ein StGB für den Norddeutschen Bund und das StGB 1871

417

§ 287 E Juli 1869 Wer vorsätzlich eigene oder fremde Sachen, welche vermöge ihrer Beschaffenheit und Lage geeignet sind, den in den §§. 285. und 286. genannten Gegenständen das Feuer mitzutheilen, in Brand steckt, soll ebenso bestraft werden, wie derjenige, welcher jene Gegenstände unmittelbar in Brand steckt. § 288 E Juli 1869 Wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte Sache in Brand steckt, wird mit Zuchthaus bestraft. § 289 E Juli 1869 Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand der in den §§. 285–287. erwähnten Art verursacht, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und, wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat, mit Gefängniß von Einem Monate bis zu Einem Jahre bestraft.

II. Entwurf Reichstagsvorlage 187028 § 303 E Reichstagsvorlage 1870 Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bestraft, wer vorsätzlich in Brand setzt 1. ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude;ein Gebäude; 2. ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder 3. eine Räumlichkeit, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dient, und zwar zu einer Zeit, während welcher Menschen in derselben sich aufzuhalten pflegen. § 304 E Reichstagsvorlage 1870 Die Brandstiftung wird mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft, wenn 1. durch den Brand der Tod eine Menschen verursacht worden ist, welcher zur Zeit der That sich in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten befand; 2. das Feuer an verschiedenen Stellen einer Ortschaft zugleich angelegt worden ist; 3. die Brandstiftung in der Absicht begangen worden ist, um unter Begünstigung derselben Mord oder Raub zu begehen oder einen Aufruhr zu erregen, oder 4. der Brandstifter, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu erschweren, die Löschgeräthschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. § 305 E Reichstagsvorlage 1870 Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine, Waarenvorräthe, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern, Vorräthe von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore in Brand setzt, wenn diese Gegenstände entweder fremdes Ei28

Vgl. Quellenverzeichnis C. III.

418

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

genthum sind, oder zwar dem Branstifter eigentümlich gehören, jedoch ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, das Feuer einer der im § 303 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend bezeichneten fremden Gegenstände mitzutheilen. § 306 E Reichstagsvorlage 1870 Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand der in den §§ 303 und 305 bezeichneten Art herbeiführt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu Dreihundert Thalern und, wenn durch den Brand der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß von einem Monate bis zu drei Jahren bestraft. § 307 E Reichstagsvorlage 1870 Hat der Thäter den Brand, bevor derselbe entdeckt und ein weiterer als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte Schaden entstanden war, wieder gelöscht, so tritt Straflosigkeit ein.

III. StGB 187129 § 306 StGB a. F. Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bestraft, wer vorsätzlich in Brand setzt: 1. ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude 2. ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder 3. eine Räumlichkeit, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dient, und zwar zu einer Zeit, während welcher Menschen in derselben sich aufzuhalten pflegen § 307 StGB a. F. Die Brandstiftung (§306) wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft, wenn 1. der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht hat, daß dieser zur Zeit der That in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten sich befand 2. die Brandstiftung in der Absicht begangen worden ist, um unter Begünstigung derselben Mord, oder Raub zu begehen oder einen Aufruhr zu erregen, oder 3. der Brandstifter, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu erschweren, Löschgeräthschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. § 308 StGB a. F. (1) Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, wer vorsätzlich Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine, Warenvorräthe, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern, Vorräthe von landwirthschaftlichen Er29

Vgl. Quellenverzeichnis C. VI.

E. Ausgewählte Reformentwürfe ab 1871 bis zum 6. StrRG 1998

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zeugnissen oder von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore in Brand setzt, wenn diese entweder fremdes Eigenthum sind, oder zwar dem Brandstifter eigenthümlich gehören, jedoch ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, das Feuer einer der im § 306 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Räumlichkeiten oder einem der vorstehenden bezeichneten fremden Gegenstände mitzutheilen. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein.

E. Ausgewählte Reformentwürfe ab 1871 bis zum 6. StrRG 1998 I. Vorentwurf von 190930 § 189 VE 1909 Wer vorsätzlich einen Brand, eine Explosion, einen Einsturz oder eine Überschwemmung und dadurch Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfange für fremdes Eigentum herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft. War durch die Handlung nur fremdes Eigentum gefährdet und ist der entstandene Schaden gering oder sind andere mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Gefängnis nicht unter drei Monate zu erkennen. In besonders schweren Fällen (§ 84) ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus.

II. Entwurf der Strafrechtskommission 191331 § 258 E 1913 Wer fremde Gebäude, fremde zur Wohnung oder zum Aufenthalt von Menschen dienende Räumlichkeiten oder fremde Schiffe, Bergwerke, Waldungen, Heiden, Felder, Moore oder Vorräte von Waren oder Bodenerzeugnissen in Brand setzt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft Ebenso wird bestraft, wer eigene Sachen der im Abs. 1 bezeichneten Art in Brand setzt und dadurch Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeiführt. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren. Wer die Tat fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter freiwillig den Brand vor Entstehung eines Schadens gelöscht, so ist er straflos.

30 31

Vgl. Quellenverzeichnis D. I. Vgl. Quellenverzeichnis D. III.

420

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

III. Entwurf von 191932 § 254 E 1919 Wer fremde Gebäude, fremde Wohnungen oder zum Aufenthalt von Menschen dienende Räumlichkeiten oder fremde Schiffe, Bergwerke, Waldungen, Heiden, Felder, Moore oder Vorräte von Waren oder Bodenerzeugnissen in Brand setzt, wird mit Zuchthaus bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eigene Sache dieser Art in Brand setzt und dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt.

IV. Entwurf von 192233 § 201 E 1922 Wer an einer fremden Sache eine Feuersbrunst verursacht, wird mit strengem Gefängnis bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine eigene Sache oder eine Sache eines anderen mit dessen Einwilligung in Brand setzt und dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt.

V. Entwurf von 192534 § 202 E 1925 Wer an einer fremden Sache eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Zuchthaus bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine eigene Sache oder eine Sache eines anderen mit dessen Einwilligung in Brand setzt und dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt.

VI. Entwurf von 196035 § 320 E 1960 (1) Mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, das Menschen als Wohnung, Stätte der Religionsausübung, Versammlungsraum oder Raum für Besichtigungen oder vielen Menschen als Arbeitsstätte dient, oder 2. ein Schiff, das Menschen als Wohnung dient, in Brand setzt. (2) Ebenso wird bestraft, wer sonst eine Sache in Brand setzt, so daß eine Feuersbrunst droht, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet. 32 33 34 35

Vgl. Quellenverzeichnis D. IV. Vgl. Quellenverzeichnis D. VI. Vgl. Quellenverzeichnis D. VII. Vgl. Quellenverzeichnis D. X.

E. Ausgewählte Reformentwürfe ab 1871 bis zum 6. StrRG 1998

421

(3) In besonders schweren Fällen (§ 338) ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.

VII. Entwurf von 196236 § 320 E 1962 Brandstiftung (1) Mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren wird bestraft, wer 1. ein Gebäude oder Schiff in Brand setzt, das als Wohnung oder vielen Menschen als Arbeitsstätte dient, oder 2. ein Gebäude in Brand setzt, das a) als Kirche oder sonst als Stätte der Religionsausübung, b) zum Unterricht, zu Vorträgen, zu Aufführungen oder sonst zu Versammlungen oder c) zu Ausstellungen oder sonst zu Besichtigungen dient. (2) Ebenso wird bestraft, wer sonst eine Sache in Brand setzt, so daß ein Feuer von erheblichem Aumaß droht, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. (3) In besonders schweren Fällen (§ 338) ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.

VIII. Alternativ-Entwurf 37 § 151 StGB AE Verursachung gemeiner Gefahr (1) Wer 1. einen Brand von erheblichem Ausmaß, insbesondere in einem Gebäude, verursacht, ... ohne daß im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben auszuschließen ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) . . .

36 37

Vgl. Quellenverzeichnis D. XI. Vgl. Quellenverzeichnis D. XII.

422

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

F. Das 6. StrRG und das geltende Recht I. Entwurf des 6. StrRG38 § 306 Brandstiftung E 6. StrRG (1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude oder ein Schiff, das Menschen als Wohnung oder Arbeitsstätte dient, 2. ein Gebäude, das dem Gottesdienst oder einer gottesdienstlichen Handlung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft oder entsprechenden Feiern einer Weltanschauungsvereinigung dient, 3. ein Gebäude, das zum Unterricht, zu Vorträgen, zu Aufführungen oder sonst zu Besichtigungen dient, zu einer Zeit, in der Menschen in einem solchen Gebäude sich aufzuhalten pflegen, in Brand setzt, durch Feuer zerstört oder ein Feuer von erheblichem Ausmaß beschädigt. (2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet. (3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat leichtfertig eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht. (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt oder in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) Wer in den Fällen des Absatzes 2 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 306a E 6. StrRG schwere Brandstiftung Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306 Abs. 1 1. einen anderen Menschen, der sich zur Zeit der Tat in einer der dort bezeichneten Räumlichkeiten aufhielt, durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt, 2. in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder 3. das Löschen des Feuers verhindert oder erschwert.

38

Vgl. Quellenverzeichnis E. I., dort S. 11 f.

F. Das 6. StrRG und das geltende Recht

423

§ 306b E 6. StrRG Brandstiftung mit Todesfolge Verursacht der Täter durch eine vorsätzliche Brandstiftung nach den §§ 306 oder 306a leichtfertig den Tod eines Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

II. Entwurf zum 6. StrRG nach den Stellungnahmen des Bundesrates39 § 306 E 6. StrRG BR Brandstiftung (1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, das dem Gottesdienst oder einer gottesdienstlichen Handlung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft oder entsprechenden Feiern einer Weltanschauungsvereinigung dient, 2. eine Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, oder 3. eine Räumlichkeit, die zweitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen, in Brand setzt, durch Feuer zerstört oder durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß beschädigt. (2) Wer sonst an eine Sache Brand anlegt, so daß ein von ihm nicht beherrschbarer Brand droht und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) In besondesr schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, 2. das Löschen des Feuers verhindert oder erschwert oder 3. durch die Tat leichtfertig eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht. § 306b E 6. StrRG BR Brandstiftung mit Todesfolge Verursacht der Täter durch die Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 und 2) leichtfertig den Tod eines Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Wer in den Fällen des § 306 Abs. 1 durch die Brandstiftung leichtfertig den Tod eines anderen Menschen verursacht, der sich zur Zeit der Tat in einer der dort bezeichneten Räumlichkeiten aufhielt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft. 39

Vgl. Quellenverzeichnis E. I., dort S. 68 ff.

424

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

III. Entwurf zum 6. StrRG nach den Gegenäußerungen der Bundesregierung40 § 306 E 6. StrRG BReg Brandstiftung (1) Wer fremde 1. Gebäude oder Hütten, 2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen, 3. Warenlager oder -vorräte, 4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge, 5. Wälder, Heiden, Moore oder 6. land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse in Brand setzt oder durch Feuer ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine in Absatz 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch Feuer ganz oder teiweise zerstört und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. (3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. § 306a E 6. StrRG BReg Schwere Brandstiftung (1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hüte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, 2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder 3. eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen, in Brand setzt oder durch Feuer ganz oder teilweise zerstört. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. § 306b E 6. StrRG BReg Besonders schwere Brandstiftung (1) Wer durch eine Brandstiftung nach den §§ 306 oder 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. (2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a 40

Vgl. Quellenverzeichnis E. I., dort S. 86 f.

F. Das 6. StrRG und das geltende Recht

425

1. einen anderen Menschen, der sich zur Zeit der Tat in einer der dort bezeichneten Räumlichkeiten aufhält, durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt, 2. in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder 3. das Löschen des Feuers verhindert oder erschwert. § 306c E 6. StrRG BReg Brandstiftung mit Todesfolge Verursacht der Täter durch eine Brandstiftung nach den §§ 306 bis 306b wenigstens leichtfertig den Tod eines Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. § 306d E 6. StrRG BReg Fahrlässige Brandstiftung (1) Wer in den Fällen des § 306 Abs. 1 oder des § 306a fahrlässig handelt oder in den Fällen des § 306 Abs. 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer in den Fällen des § 306 Abs. 2 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 306e E 6. StrRG BReg Tätige Reue (1) Das Gericht kann in den Fällen der §§ 306, 306a und 306b die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe absehen, wenn der Täter freiwillig den Brand oder das Feuer löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. (2) Nach § 306d wird nicht bestraft, wer freiwillig den Brand oder das Feuer löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. (3) Wird der Brand oder das Feuer ohne Zutun des Täters gelöscht, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

IV. Das geltende Recht nach dem 6. StrRG41 § 306 StGB n. F. einfache Brandstiftung (1) Wer fremde 1. Gebäude oder Hütten, 2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen, 3. Warenlager oder -vorräte, 4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge, 5. Wälder, Heiden oder Moore oder 6. land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse 41

Vgl. Quellenverzeichnis E. III.

426

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. § 306a StGB n. F. Schwere Brandstiftung (1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, 2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder 3. eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen, in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt. (3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. § 306b StGB n. F. Besonders schwere Brandstiftung (1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. (2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a 1. einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt, 2. in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder 3. das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert. § 306c StGB n. F. Brandstiftung mit Todesfolge Verursacht der Täter durch eine Brandstiftung nach den §§ 306 bis 306b wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. § 306d StGB n. F. Fahrlässige Brandstiftung (1) Wer in den Fällen des § 306 Abs. 1 oder des § 306a Abs. 1 fahrlässig handelt oder in den Fällen des § 306a Abs. 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

G. Ausländische StGB

427

(2) Wer in den Fällen des § 306a Abs. 2 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 306e StGB n. F. Tätige Reue (1) Das Gericht kann in den Fällen der §§ 306, 306a und 306b die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. (2) Nach § 306d wird nicht bestraft, wer freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. (3) Wird der Brand ohne Zutun des Täters gelöscht, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

G. Ausländische StGB I. StGB Österreich42 § 169 StGB Österreich Brandstiftung (1) Wer an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer an einer eigenen Sache oder an der Sache eines anderen mit dessen Einwilligung eine Feuersbrunst verursacht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) des anderen oder eines Dritten oder für das Eigentum eines Dritten in großem Ausmaß herbeiführt. (3) Hat die Tat den Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs. 1) einer größeren Zahl von Menschen zur Folge oder sind durch die Tat viele Menschen in Not versetzt worden, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat sie aber den Tod einer größeren Zahl von Menschen nach sich gezogen, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen. § 170 StGB Österreich Fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst (1) Wer eine der im § 169 mit Strafe bedrohten Taten fahrlässig begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. (2) Hat die Tat den Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs. 1) einer größeren Zahl von Menschen zur Folge oder sind durch die Tat viele Menschen in Not versetzt worden, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, hat sie aber den Tod einer größeren Zahl von Menschen nach sich gezogen, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

42

Vgl. Quellenverzeichnis F. I.

428

Anhang – Gesetzestexte zum Brandstrafrecht

II. StGB Schweiz43 Art. 221 StGB Schweiz Brandstiftung Wer vorsätzlich zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. Bringt der Täter wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe erkannt werden. Art. 222 StGB Schweiz Fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst Wer fahrlässig zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Bringt der Täter fahrlässig Leib und Leben von Menschen in Gefahr, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

43

Vgl. Quellenverzeichnis F. II.

Quellenverzeichnis I. Partikularrechte I.

Das Allgemeine Landrecht für die Preussischen Staaten von 1794, in: Mannkopff, Adolph Julius: Das Allgemeine Landrecht für die Preussischen Staaten, Siebenter Band, enthaltend: Theil II. Tit. 18–20, Berlin 1838, zit.: ALR 1794.

II.

Das Bayrische Strafgesetzbuch 1813 vom 6. Mai 1813, in: Stenglein, Melchior: Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Band 1, Nr. I, München 1858, zit.: StGB Bayern 1813.

III. Strafgesetzbuch für die Herzoglich-Oldenburgischen Lande vom 10. September 1814, in: Stenglein, Melchior: Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Band 1, Nr. II, München 1858, zit.: StGB Oldenburg 1814. IV.

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Strafgesetzbuch für das Herzogthum Passau vom 14. April 1849, in: Stenglein, Melchior: Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Band 2, Nr. IX, München 1858, zit.: StGB Passau 1849.

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II.

Motive zu dem, von dem Revisor vorgelegten, Ersten Entwurfe des Criminal-Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, Vierter Band, enthaltend die Strafgesetze wider Verbrechen gegen das Vermögen, Berlin 1828, in: Regge, Jürgen (Hrsg.): Gesetzesrevision (1825–1848) I. Abteilung Straf- und Strafprozeßrecht, Band 2 Straf- und Strafprozeßrecht (Ministerium Danckelmann; 1828–1830), S. 440–465, Vaduz 1981, zit.: Motive E 1828.

III. Entwurf des Straf-Gesetz-Buches für die Preußischen Staaten, Erster Theil Criminal-Straf-Gesetze, Berlin 1830, in: Regge, Jürgen (Hrsg.): Gesetzesrevision (1825– 1848) I. Abteilung Straf- und Strafprozeßrecht, Band 2, Straf- und Strafprozeßrecht (Ministerium Danckelmann; 1828–1830), S. 542–544, Vaduz 1981, zit.: E 1830. IV.

Revidirter Entwurf des Strafgesetzbuches für die Königl. Preußischen Staaten, Erster Theil. Kriminal-Strafgesetze, Berlin 1833, in: Regge, Jürgen (Hrsg.): Gesetzesrevision (1825–1848) I. Abteilung Straf- und Strafprozeßrecht, Band 3, Strafund Strafprozeßrecht (Ministerium Kamptz; 1833–1837), S. 118–120, Vaduz 1984, zit.: E 1833.

V.

Motive zum revidirten Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, Erster Theil. Kriminal-Strafgesetze, Berlin 1833, in: Regge, Jürgen (Hrsg.): Gesetzesrevision (1825–1848) I. Abteilung Straf- und Strafprozeßrecht, Band 3, Strafund Strafprozeßrecht (Ministerium Kamptz; 1833–1837), S. 656–666, Vaduz 1984, zit.: Motive E 1833.

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Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst dem Entwurf des Gesetzes über die Einführung des Strafgesetzbuchs, zur Vorlegung an die vereinigten Ständischen Ausschüsse bestimmt (Berlin 1847), in: Regge, Jürgen/Schubert, Werner (Hrsg.): Gesetzesrevision (1825–1848) I. Abteilung Straf- und Strafprozeßrecht, Band 6, Teil 2, Entwurf eines Strafgesetzbuchs (1845–1848), Gesetz vom 17.7.1846, betreffend das Verfahren in den bei dem Kammergericht und dem Kriminalgericht zu Berlin zu führenden Untersuchungen, S. 803 ff., Vaduz 1996, zit.: E 1847.

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Motive zu dem Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, in: Schubert, Werner/Regge, Jürgen/Schmid, Werner/Schröder, Rainer (Hrsg.): Kodifikationsgeschichte Strafrecht – Quellen zum Strafgesetzbuch von 1870, Band 1, S. 299 ff., zit.: Motive E Juli 1869.

III. Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund Entwurf (Aktenstücke Nr. 5 der Session 1870 des Reichstages des Norddeutschen Bundes, 1. Legislaturperiode), abgedruckt in: Schubert, Werner/Regge, Jürgen/Schmid, Werner/Schröder, Rainer (Hrsg.): Kodifikationsgeschichte Strafrecht – Quellen zum Strafgesetzbuch von 1870, Band 2, S. 20 ff., zit.: E Reichstagsvorlage 1870. IV.

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II.

Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, Begründung, Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständingen-Kommission, veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizministeriums, Berlin 1909, zit.: Begründung VE 1909.

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Sachverzeichnis abstraktes Gefährdungsdelikt 48, 90, 133, 156, 207, 224, 231, 248, 291, 341, 380 Anlage 268 Anwartschaftsrecht 242–247

Gemeingefahr 31, 40, 44, 48, 52, 54, 56, 65, 109, 118, 124, 188–193, 208–213

back draft 182 Bestimmtheitsgebot 273–284 Betriebsstätte 264 Brandlegung 256 Brandstiftung – an Wohnungen 40, 68, 101, 104, 161, 296, 308, 321 – dritter Klasse 30 – einfache 173 – erster Klasse 26–28 – mittelbare (§ 287 preuß. StGB) 88 – mittelbare (§ 308 Abs. 1, Alt. 2 StGB a. F.) 132 – schwere 146, 291, 334 – unmittelbare 116 – zweiter Klasse 28–30 Brandübertragungsgefahr 29, 50, 55, 57, 88, 132, 133, 137, 182, 253, 324

konkretes Gefährdungsdelikt 133, 351 Konkurrenzen 203, 298, 366, 370, 371

delictum sui generis 202 Eigentümerbrandstiftung 67–77, 231–236 Einrichtung 266–268 Einwilligung 82, 84, 119, 136, 217, 219, 222, 230, 240, 284, 349, 351 Erzeugnis 269–271 fahrlässige Sachbeschädigung 199 flash over 177 fremd, zivilrechtsakzessorische Auslegung 75, 145, 236, 248 Gefahrpräsumtion 96

Inbrandsetzen 85, 87, 194, 249

minder schwerer Fall 332, 374 öffentlicher Friede 311 Pkw-Brandstiftung 185 Privilegierung 372 Qualifikation 116, 172, 198, 284, 367 Rauchgase 178, 184, 256, 293 Räumlichkeit 293, 317 Reichsstrafgesetzbuch 114–116 Retterschäden/-gefährdung 356 Sachbeschädigungslösung 49, 88, 116, 121, 126, 128, 131, 169, 174, 188, 204 Strafrahmenrätsel 371 tätige Reue 200 Tatobjekte – erste Gruppe (§ 286 preuß. StGB) 54–56 – gemischt genutzt 317 – zweite Gruppe (§ 286 preuß. StGB) 56–58 teleologische Reduktion 148, 281, 302 Unmittelbarkeitszusammenhang 228 Versicherungsbetrug 104, 332 Verweisungsproblematik 284