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German Pages 959 [960] Year 1985
Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen
Herausgegeben von Horst Heinrich Jakobs und Werner Schubert
w DE
G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York
Sachenrecht I SS 854-1017
w _G DE
1985 Walter de Gruyter · Berlin · New York
Bearbeiter dieses Bandes: Horst Heinrich Jakobs
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs: in systemat. Zsstellung d. unveröff. Quellen/hrsg. von Horst Heinrich Jakobs u. Werner Schubert. Berlin; New York: de Gruyter I S B N 3-11-010074-6 (gültig für Allgemeiner Teil, Teilbd. 1 u. 2) N E : Jakobs, Horst Heinrich [Hrsg.] Sachenrecht. 1. §§ 854—1017. - 1985 Sachenrecht. — Berlin; New Y o r k : de Gruyter (Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs) 1. SS 854—1017/[Bearb. dieses Bd.: Horst Heinrich Jakobs]. — 1985 I S B N 3-11-010456-3 N E : Jakobs, Horst Heinrich [Bearb.]
© C o p y r i g h t 1985 by Walter de G r u y t e r & C o . , Berlin 3 0 . Alle R e c h t e , insbesondere das R e c h t der Vervielfältigung und Verbreitung sowie Ü b e r s e t z u n g , vorbehalten. Kein T e i l des Werkes darf in irgendeiner F o r m (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes V e r f a h r e n ) o h n e schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in G e r m a n y S a t z und D r u c k : H . Heenemann G m b H & C o , Berlin 42 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe G m b H , Berlin 61
Inhalt Abkürzungsverzeichnis
VII
Quellenverzeichnis
IX
Herausgabeschema
XII
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
1
Beratungen zu Vorfragen in der Hauptkommission 1. Vorlagen Johows 2. Anträge von Kommissionsmitgliedern 3. Protokolle der Kommissionsberatungen
30 30 63 68
DRITTES BUCH Sachenrecht Erster Abschnitt. Besitz. SS 854 bis 872
103
Zweiter Abschnitt. Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken. §§ 873 bis 902
223
Dritter Abschnitt. Eigentum. SS 903 bis 1011
441
Erster Titel. Inhalt des Eigentums. §§ 903 bis 924
441
Zweiter Titel. Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken. §§ 925 bis 928 . . .
523
Dritter I. II. III. IV. V. VI.
581 581 620 642 666 690 704
Titel. Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen. §S 929 bis 984 Übertragung. SS 929 bis 936 Ersitzung. SS 937 bis 945 Verbindung. Vermischung. Verarbeitung. SS 946 bis 952 Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache. SS 953 bis 957 Aneignung. §§ 958 bis 964 Fund. SS 965 bis 984
Vierter Titel. Ansprüche aus dem Eigentume. SS 985 bis 1007
760
Fünfter Titel. Miteigentum. SS 1008 b i s 1011
875
Vierter Abschnitt. Erbbaurecht. SS 1012 bis 1017
905
Register der Antragsteller
931
Nachweis der Abgedruckten Protokolle der 1. Kommission
933
Nachweis der Paragraphen des Teilentwurfs zum Sachenrecht
940
Zusammenstellung der Paragraphen des 1. Entwurfs mit den Paragraphen des Teilentwurfs, der ZustSachR, des Kommissionsentwurfs, des 2. Entwurfs und des Gesetzbuches
942
V
Abkürzungsverzeichnis ADHGB ALR Art. Bayr. HStA BGB BGBl. CPO Dresd. E.
EI Ε I-RJA
Ε I-ZustRedKom
Ε I-VorlZust
Ell
Ε II rev EIII
EGBGB (EG-BGB) H G B (H.G.B.) KE (Κ. E.)
KO(K.O.) Kom. Motive
Mugdan Prot. I
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Allgemeines Landrecht f ü r die Preußischen Staaten von 1794 Artikel Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 18. 8. 1896 (RGBl. 1896, 195) Bundesgesetzblatt (1867 —1871; 1949 ff.) Civilprozeßordnung vom 30. 1. 1877 (RGBl. 1877, 83) Entwurf eines für die deutschen Bundesstaaten gemeinsamen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866 (sogn. Dresdener Entwurf) Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches f ü r das Deutsche Reich. Erste Lesung. 1888 (1. Entwurf) BGB-Entwurf in der Paragraphenzählung des Ε I nach den Beschlüssen der Vorkommission des Reichsjustizamtes (1891-1893) BGB-Entwurf in der Paragraphenzählung des Ε I nach der „Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission" der 2. Kommission (1891 — 1895) BGB-Entwurf in der Paragraphenzählung des Ε I nach der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission f ü r die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs" von Planck (1891 — 1895) Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs f ü r das Deutsche Reich. Nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, Zweite Lesung, 1894, 1895; sogn. 2. Entwurf Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches f ü r das Deutsche Reich — Zweite Lesung (1895; sogn. Bundesratsvorlage) Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896, Reichstagsvorlage oder 3. Entwurf; Reichstagsdrucksache N r . 87 der Session 1895/1897) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBl. 1896, 604) Handelsgesetzbuch Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der ersten Beratung der 1. Kommission (1884—1887; sogn. Kommissionsentwurf) Konkursordnung (vom 10. 2. 1877; RGBl. 1877, 351) Kommission Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches f ü r das Deutsche Reich (1888). — Sofern die Motive der Redaktoren zu den Teilentwürfen zitiert sind, ist dies besonders vermerkt bzw. ergibt es sich aus dem Zusammenhang. Die gesamten Materialien zum BGB (1899; enthaltend die Motive zum 1. Entwurf und die Protokolle der 2. Kommission). Protokolle der [1.] Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches (1881 — 1889; zitiert nach der metallographierten Abschrift).
VII
Abkürzungsverzeichnis Prot. II
Prot-RJA RedKom RedVorl RGBl. RJA sächs. BGB TE-AllgT TE-ErbR TE-FamR TE-OR TE-SachR VorlZust
W O (W.O.) ZPO ZustRedKom ZustSachR
Protokolle der [2.] Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (1890—1896; abgedruckt in der amtlichen Ausgabe von 1 8 9 7 - 1 8 9 9 und bei Mugdan) Protokolle der Vorkommission des Reichs-Justizamts (1891 — 1893) Redaktionskommission der 2. Kommission Redaktionsvorlage für den Redaktionsausschuß der 1. Kommission für das Sachenrecht von Johow Reichsgesetzblatt Reichsjustizamt Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863 Teilentwurf zum Allgemeinen Teil von Gebhard (1881); 1981 im Nachdruck erschienen (hrsg. von W. Schubert) Teilentwurf zum Erbrecht von v. Schmitt (1879) Teilentwurf zum Familienrecht von Planck (1880); 1983 im Nachdruck erschienen (hrsg. von W. Schubert) Teilentwurf zum Obligationenrecht von v. Kübel (1882); 1980 im Nachdruck erschienen (hrsg. von W. Schubert) Teilentwurf zum Sachenrecht von Johow (1880); 1982 im Nachdruck erschienen (hrsg. von W. Schubert) „Vorläufige Zusammenstellung" zu einzelnen Materien des Sachenrechts. Sie wurde von Pape erstellt und diente neben der RedVorl als weitere Redaktionsvorlage für den Redaktionsausschuß der 1. Kommission Wechsel-Ordnung Zivilprozeßordnung in der Fassung vom 20. 5. 1898 (RGBl. 1898, 410) siehe Ε I-ZustRedKom Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen des Sachenrechts nach den Beschlüssen des Redaktionsausschusses der 1. Kommission (1884—1885)
Die Anträge zum Sachenrecht werden nach ihrer ursprünglichen Numerierung und deren Untergliederung zitiert. Soweit sie sich auf andere Bücher des BGB beziehen, ist dies besonders vermerkt. Die Autorenschaft und die Numerierung der Anträge sind nicht Bestandteil der Kommissionsprotokolle. — Sofern Anträge keine Nummern tragen und die Quelle nicht ausdrücklich genannt wird, stammen sie aus den Randvermerken der Originalprotokolle (ZStA Potsdam).
VIII
Verzeichnis der Quellen zum Sachenrecht Α. 1. Kommission 1. Textskizzen des Redaktors des Sachenrechts, Johow, aus den Jahren 1874/75, die er f ü r die Redaktorenkonferenzen anfertigte. Die Textskizzen liegen nur in metallographierter Form vor und entstammen dem Nachlaß Plancks (Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen). 2. Die Vorschläge des Redaktors von 1875—1879 für die jeweils im Herbst stattfindenden Sitzungen der Gesamtkommission. Die Vorschläge von 1875 liegen nur in metallographierter Form vor; die Vorschläge von 1876 an sind als Manuskript für den internen Gebrauch der Kommission gedruckt worden. Mitgeteilt werden folgende sich auf das Sachenrecht beziehende Vorlagen von 1875: Nr. 6 von Johow: Übertragung des Eigentums an Grundstücken. Nr. 7 von Johow: Rechtsgrund der Eintragung des Grundstückserwerbers in dem Grundbuche. Nr. 7 a von Johow: Die Ungültigkeit der Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuche. Nr. 8 von Johow: Verfolgbarkeit des Eigentums an beweglichen Sachen. Nr. 9 von Johow: Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen. Zu den Vorschlägen Johows wurden ein Gegenvorschlag sowie zwei Anträge von Kommissionsmitgliedern eingebracht: Gegenvorschlag v. Kübel: Eigentumsübertragung an Grundstücken. Antrag v. Weber zur Vorlage Nr. 2. Antrag v. Kübel: Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen. Die sachenrechtlichen Vorlagen von 1876—1879 sind im dritten Band der Vorentwürfe zum Sachenrecht in dem durch den Hrsg. Schubert betreuten Nachdruck als Anhang wiedergegeben. Sie betreffen: Nr. 3/1876: Ansprüche aus verlorenem Besitz eines Grundstücks. Nr. 8/1876: Pfandrecht an Grundstücken. Nr. 9/1876: Zwangs-und Baurechte und Realgewerbeberechtigungen. Nr. 13/1876: [Kein Übergang des Besitzes auf Erben]. Nr. 5/1877: Pfandrecht an Schiffen. Nr. 6/1877: Erwerbung der Dienstbarkeitsrechte. Nr. 1/1878: Superficies. Nr. 2/1878: Familienfideikommiß. Nr. 3/1878: Familienfideikommiß. Nr. 2/1879: Pfandrecht an beweglichen Sachen. Pfandverkauf. Nr. 3/1879: Zurückhaltungsrecht. 3. Protokolle der Kommissionsberatungen des Sachenrechts betreffen.
von 1875—1879, soweit sie Materien
4. D e r Teil- bzw. Vorentwurf des Sachenrechts ist einschließlich einer Begründung zwischen 1880 und 1883 als Manuskript gedruckt worden. Ein Nachdruck ist
IX
Verzeichnis der Quellen zum Sachenrecht
1982 unter dem Titel: „Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches", Sachenrecht, hrsg. von Werner Schubert, Teil 1 bis 3, erschienen. 5. Protokolle der [1.] Kommission zur Ausarbeitung des [1.] Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. Beratungen des Sachenrechts: 2 8 8 . - 4 2 4 . Sitzung vom 11. 2. 1884—23. 3. 1885, (S. 3297 ff.), 4 4 7 . - 4 5 2 . Sitzung vom 10.6.1885-19.6.1885 (S. 6 2 0 7 - 6 3 8 2 ) , 715.-722. Sitzung vom 4. 11. 1887—17. 11. 1887 (S. 1 1 9 2 3 - 1 2 0 3 2 ) . Weitere Protokolle werden auszugsweise mitgeteilt, soweit sie Materien des Sachenrechts betreffen. 6. Anträge von Kommissionsmitgliedern (metallographierte Abschriften). Die Anträge sind chronologisch nach Ziffern geordnet und umfassen f ü r das Sachenrecht 481 Nummern (ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, N r . 3905). 7. Vorläufige Zusammenstellung der Beschlüsse zu den Materien des Sachenrechts. Es handelt sich um eine von Pape verfaßte Vorlage f ü r die Redaktionskonferenz. Sie ist nur teilweise erhalten. 8. Redaktionsvorlage Johows. Sie wurde unter Berücksichtigung der Vorläufigen Zusammenstellung verfaßt und lag neben dieser der Redaktionskommission als Formulierungsvorschlag vor. 9. Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen des Sachenrechts, 217 Seiten, Nachtrag, Berichtigungen (metallographiertes Exemplar). 10. Kommissionsentwurf als Manuskript für den internen Gebrauch gedruckt unter dem Titel: „Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Erste Berathung. Erstes Buch. Allgemeiner Theil. Zweites Buch. Recht der Schuldverhältnisse. Drittes Buch. Sachenrecht." Berlin, 1885, S. 210 ff. 11. Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, Berlin 1887 (VIII, 646 Seiten), veröffentlicht als Drucksache des Bundesrathes N r . 2 der Session von 1888. Diese Ausgabe des 1. Entwurfs enthält für jeden Paragraphen genaue Hinweise darüber, wann die einzelnen Bestimmungen des Teilentwurfs und des Kommissionsentwurfs von der Kommission beraten worden sind. Diese Nachweise bilden die Grundlage der vorliegenden Edition. Sie sind nicht in der amtlichen Ausgabe des ersten Entwurfs von 1888 enthalten. B. Vorkommission des Reichsjustizamtes Protokolle der „Vorkommission des Reichs-Justizamtes für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich". — Das Sachenrecht ist in der Zeit vom 26. 9. 1892—7. 4. 1893 (S. 600—970) beraten worden. Anträge zum Sachenrecht sind teilweise in den Protokollen mitgeteilt, liegen aber nicht gesondert in metallographierter Form vor. C. 2. Kommission 1. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Beratungen des Sachenrechts umfassen die Protokolle Nr. 176 (2. Teil) - 264 ( l . T e i l ) vom 9. 1. 1893 - 15. 11. 1893. Im Rahmen der
X
Verzeichnis der Quellen zum Sachenrecht
Revision des 2. Entwurfs (Protokolle der 419.—422. Sitzung) wurde das Sachenrecht nochmals behandelt. 2. Anträge von Mitgliedern der 2. BGB-Kommission. Die Anträge sind chronologisch geordnet und umfassen f ü r das Sachenrecht die Nrn. 1—265 (Nr. 1 im Nachlaß des Kommissionsmitgliedes v. Gagern im Schloß Neuenburg bei Erlangen, Nr. 2 ff. im ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, N r . 623). 3. „Vorläufige Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission f ü r die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs" (metallographiert). Diese „Vorläufige Zusammenstellung" stammt vom Generalreferenten Planck, der auf S. 1 folgendes anmerkt: „Die Zusammenstellung beschränkt sich auf die sachlichen Beschlüsse. Die Fassung derselben soll durch die Redaktionskommission erfolgen. Die in der Zusammenstellung aufgenommene Fassung ist nur ein vorläufiger Vorschlag. Nicht besonders erwähnt sind die Beschlüsse, durch welche Anträge zur Berücksichtigung bei der Redaktion an die Redaktionskommission verwiesen sind." 4. „Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission" (metallographiert). Diese von der Redaktionskommission erarbeitete Fassung hat folgende Vorbemerkung: „Die Paragraphenfolge ist die des Entwurfs. Soweit Paragraphen des Entwurfs an anderer Stelle als früher inhaltliche Aufnahme gefunden haben, ist dies an der betreffenden Stelle durch Hinzufügung der betreffenden Paragraphenzahlen des Entwurfs kenntlich gemacht. Die Zahlen in den eckigen Klammern bezeichnen die Paragraphenzahlen der auf Grund der Kommissionsbeschlüsse von dem Generalreferenten gefertigten Zusammenstellung. Die Hinweisungen beziehen sich auf die Beratungsprotokolle der Kommission." 5. Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Zweite Lesung. Nach den Beschlüssen der Redaktionskommission. Auf amtliche Veranlassung. Berlin 1894—1895. — Ferner existiert noch eine frühere Fassung des 2. Entwurfs, die unter folgendem Titel als Manuskript gedruckt wurde: „Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs f ü r das Deutsche Reich. Zweite Lesung. Nach den Beschlüssen der Redaktionskommission. l . B u c h . Allgemeiner Theil." Berlin 1892 (55 Seiten und 2 unpaginierte Seiten). Dieser Entwurf wurde, soweit dies in Ausnahmefällen erforderlich erschien, mitherangezogen. 6. Der „Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. — Zweite Lesung" (sog. Ε II rev.) ist zunächst erschienen als Drucksache des Bundesrates vom 22. 10. 1895 (Nr. 103 der Session 1895). Allgemein zugänglich ist dieser Entwurf erst seit der „auf amtliche Veranlassung besorgten Ausgabe" von 1898. Der in der Bundesrats-Drucksache abgedruckte Entwurf enthält zu jedem Paragraphen genaue Hinweise auf die Protokolle der Kommission. Diese Hinweise bilden neben den Verweisungen von Gottlieb Planck in seinem Kommentar zum BGB die Grundlage für die Anordnung der Edition. D. (Bundesrat) und E. (Reichstag). Hinsichtlich der Quellen wird auf den Einleitungsband, Quellen unter C. IV und V verwiesen.
XI
Herausgabeschema Α. 1. Kommission (1881 —1889) I. Protokolle über die Beratungen der Bestimmungen der Teilentwürfe (im Schuldrecht zum Teil des Dresdener Entwurfs). Die Protokolle beginnen grundsätzlich mit der Mitteilung der Bestimmung des T E und der Anträge, deren Autorenschaft, soweit möglich, anhand der separaten Anträge ermittelt wird. Ferner werden mitgeteilt die Protokolle von Beratungen über Grundsatzfragen in den Jahren 1875 bis 1879. II. 1. Redaktionsvorlage von Pape und des jeweiligen Redaktors, soweit vorhanden. 2. „Vorläufige Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen" zu den einzelnen Büchern des Entwurfs. 3. Beratung über Änderungen der „Zusammenstellung". III. Kommissionsentwurf. 1. und 2. Beratung des Kommissionsentwurfs. IV. 1. Entwurf (1887). B. Vorkommission des Reichsjustizamtes (1891 —1893) (nur für den Allgemeinen Teil, das Schuldrecht und Teile des Sachenrechts). I. Anträge von Mitgliedern der Vorkommission mit den Namen der Antragsteller. Diese Anträge sind nicht Bestandteil der Protokolle der Vorkommission. II. Protokoll der Vorkommission. C. 2. Kommission ( 1 8 9 0 - 1 8 9 6 ) I. Anträge der Kommissionsmitglieder und der Reichskommissare in der Reihenfolge der amtlichen Protokolle und Mitteilung des Ergebnisses der Beratung. II. Vorläufige Zusammenstellung der Beschlüsse (Redaktionsvorlage von Planck). III. Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktionskommission. IV. Ε II. Revision des Ε II: Mitteilung der Anträge von Kommissionsmitgliedern und Kommissaren in der Reihenfolge der amtlichen Protokolle und des Ergebnisses der Beratung. V. Ε II rev. D. Bundesrat (Justizausschuß) 1895 I. Anträge und Anregungen der Bundesregierungen. II. Berichte von Ausschußmitgliedern über die Verhandlungen. III. Ε III.
XIII
Herausgabeschema
Ε. Reichstag (1896) I. Anträge, die in der XII. Kommission gestellt wurden, unter Mitteilung der Autorenschaft (bislang unbekannt). II. Bericht von Heller über die Ausschußberatung. III. Anträge zum Ε III im Plenum des Reichstags (2. und 3. Lesung). Wegen der Quellen im einzelnen verweisen wir auf das kommentierte Quellenverzeichnis. Die Rechtschreibung folgt, soweit nichts anderes vermerkt, dem Original.
XIV
Vorentwürfe Johows aus den Jahren 1874/75 für die Redaktorenkonferenz Kommission zur Aufstellung des Entwurfs eines Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs:
Pensum: Sachenrecht Textskizze . . . Buch. Sachenrecht Inhaltsverzeichniß Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen. Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen über Sachen. Zweiter Titel. Allgemeine Bestimmungen des Grundbuchrechtes. Zweiter Abschnitt. Besitz. Erster Titel. Sachbesitz. Zweiter Titel. Rechtsbesitz. Dritter Titel. Grundsätze der Ersitzung. Dritter Abschnitt. Eigenthum. Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen. Zweiter Titel. Beschränkungen des Eigenthumsrechtes an Grundstücken. I. Gesetzliche Beschränkungen. II. Nachbarrecht. III. Beschränkungen durch Ansprüche, Anwartschaften auf die Erwerbung des Eigenthums. Dritter Titel. Erwerbung des Eigenthums an unbeweglichen Sachen. I. Erwerbung durch Eintragung im Grundbuche. II. Erwerbung ohne Eintragung im Grundbuche. Vierter Titel. Erwerbung des Eigenthums an beweglichen Sachen. I. Uebertragung. II. Fruchterwerbung. III. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung. IV. Zuerkennung durch Urtheil. V. Ersitzung. VI. Zueignung. VII. Fund und Schatz. Fünfter Titel. Klagen des Eigenthümers. Vierter Abschnitt und folgende: Rechte an fremden Sachen. Den letzten Abschnitt soll das materielle Recht der Zwangsversteigerung, insbesondere der Subhastation, bilden. 1
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen Erster Titel Allgemeine Bestimmungen über Sachen
S.i.
Alle Sachen welche nicht durch Status oder Gesetz dem Verkehr entzogen sind, können Gegenstand von Rechten sein. S-2. Die f ü r Sachen gegebenen Vorschriften finden auf Rechte nur nach Maßgabe besonderer gesetzlicher Bestimmung Anwendung.
Wenn unsere Sachen als ein zusammengehöriges Ganzes (Gesammtsache), Gegenstand von Rechtsverhältnissen werden, so bleiben die an einzelnen darunter begriffenen Sachen bestehenden besonderen Rechtsverhältnisse in der Regel unberührt.
S. 4.
Eine Sache ist untheilbar, wenn entweder N a t u r oder Gesetz der Absonderung von Theilen entgegenstehen. Die Theilung eines Gebäudes ist nur in der Weise zulässig, daß jeder Theil ein selbstständiges Gebäude wird. Unzulässig ist es, durch Theilung eines Grundstücks ein selbstständiges Grundstück zu bilden, dessen Fläche kleiner als Geviermeter sein würde.
§.5. Unbewegliche Sachen sind die Grundstücke. Die Vorschriften über die Erwerbung des Eigenthums an Grundstücken und über die dinglichen Belastungen derselben finden, soweit nicht etwas Anderes in diesem Gesetzbuch besonders bestimmt ist, Anwendung auf verliehene Bergwerke, selbstständige Kohlenabbaugerechttigkeiten, Schiffsmühlen, Platzrechte und solche Gerechtigkeiten, welche ein Blatt im Grundbuche haben. Wieweit bei Schiffen das Recht der Grundstücke stattfindet, wird im Handelsgesetzbuch bestimmt. s. 6.
Bestandtheile des Grundstücks sind insbesondere: Die Erzeugnisse desselben, so lange sie mit dem Boden zusammenhängen; 2
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
die mit dem Boden fest verbundenen Gebäude und deren Bestandtheile; die mit dem Boden fest und auf die Dauer verbundenen beweglichen Sachen, wie Pfosten, Zäune, Röhrenleitungen. S-7. Bestandtheile eines Gebäudes sind die mit demselben fest und auf die Dauer verbundenen beweglichen Sachen. $.8. Eine Sache verliert die Eigenschaft als Bestandtheil des Grundstücks oder des Gebäudes, sobald sie von demselben in der Absicht dauernder Lösung der Verbindung getrennt wird. Auch die nur zu vorübergehenden Zwecken getrennte Sache gilt als bewegliche Sache, soweit sie als selbstständiger Gegenstand der Rechtsverwertung und der Rechtsverfolgung in Betracht kommt. S- 9.
Jedes Grundstück, welches in dem Stockbuch des Grundbuchamtes eine besondere Nummer führt, bildet in der Regel eine für sich bestehende unbewegliche Sache. Hiervon wird durch die Eintragung mehrerer Grundstücke auf demselben Grundbuchblatte nichts geändert. S-10. Mehrere demselben Eigenthümer gehörige und auf demselben Grundbuchblatte eingetragene Grundstücke werden als ein Gesamtgrundstück (Besitzung) behandelt, wenn diese Eigenschaft im Grundbuche vermerkt ist. In diesem Falle sind die einzelnen Grundstücke Bestandtheile der Besitzung. Grundstücke, welche nicht zu der Besitzung gehören, dürfen auf dem Grundbuchblatte der Besitzung nicht eingetragen werden. 11. Die Vereinigung mehrerer Grundstücke einer Besitzung und die Uebertragung eines Grundstücks auf das Grundbuchblatt einer Besitzung sind unzulässig, wenn die Grundstücke mit eingetragenen Rechten verschieden belastet sind.
12.
Durch die Abschreibung eines Grundstücks von dem Grundbuchblatte einer Besitzung verliert dasselbe die Eigenschaft als Bestandtheil der Besitzung.
13.
Sollen die zu einem Eisenbahnunternehmen erworbenen Grundstücke die Eigenschaft einer Besitzung erhalten, so sind dieselben auf Antrag der Eisenbahrtverwal3
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
tung bei dem Grundbuchamte ihres Sitzes auf einem Grundbuchblatte einzutragen und als Besitzung zu bezeichnen. Die §§11 und 12 finden auch in diesem Falle Anwendung.
§. 14. Die Rechte an einem Grundstücke ergreifen die Bestandteile, nur bei Mangel besonderer Festsetzung auch die Zubehör der Sache ohne Weiteres. Als Zubehör im Sinne dieser Bestimmung gelten nur die in den §§ 15 bis 17 bezeichneten beweglichen Sachen. §.15. Zubehör eines Gebäudes sind diejenigen beweglichen Sachen, welche ohne Bes t a n d t e i l e desselben zu sein, dazu bestimmt sind, dem Gebäude auf die Dauer zu dienen, ζ. B. die Schlüssel zu den Thürschlössern, die Vorfenster, Feuerlöschgeräthe. Ist das Gebäude zu einem gewerblichen Zwecke auf die Dauer besonders eingerichtet, ζ. B. als Mühle, Brauhaus, Papierfabrik, so sind auch die dem gewerblichen Zwecke gewidmeten Geräthschaften Zubehör des Gebäudes.
§· 16.
Zubehör eines Grundstücks, auf welchem Bäume, Rebstöcke, Hopfenpflanzen und andere dauernde Gewächse wurzeln, sind die zur Befestigung derselben dienenden Gegenstände, wie Stangen, Pfähle, Spaliere.
§•17. Zubehör einer Besitzung sind außerdem in den §§15 und 16 bezeichneten Sachen die der wirthschaftlichen Bestimmung der Besitzung dienenden Gegenstände (Inventar). Beispielsweise ergreift: das Inventar einer landwirthschaftlichen Besitzung das zum Wirthschaftsbetriebe erforderliche Geräth und Vieh nebst dem nöthigen Dünger sowie die landwirthschaftlichen Erzeugnisse, welche zur Fortsetzung der Wirthschaft bis zur nächsten Ernte erforderlich sind; das Inventar einer Fabrikbesitzung die dem Fabrikbetriebe dienenden Karren, W a gen und Zugvieh, sowie die zur Fortsetzung des Betriebes erforderlichen Vorräthe, inbesondere an Brennmaterial und zu verarbeitenden Stoffen. das Inventar einer Eisenbahnbesitzung (§ 13) die dem Unternehmen dienenden Zugmaschinen und Wagen aller Art nebst deren Ausrüstung, sowie die zur Fortsetzung des Betriebes erforderlichen Vorräthe.
§· 18.
Die in den §§ 15 bis 17 bezeichneten beweglichen Sachen haben die Zubehöreigenschaft nicht, wenn sie einem Andern als dem Eigenthümer der unbeweglichen Sache gehören. 4
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
$. 19. Ein Zubehörstück verliert diese Eigenschaft, wenn der Eigenthümer demselben auf die Dauer eine andere, die Zubehöreigenschaft nicht begründende Bestimmung giebt. Zweiter Titel Allgemeine Bestimmungen des Grundbuchrechts $.1.
Rechte an Grundstücken erlangen Rechtswirkung gegen Dritte, sofern das Gesetz nicht etwas anderes besonderes bestimmt, nur durch Eintragung im Grundbuche. Persönlichen Rechten kann diese Wirkung durch die Eintragung nur nach Maßgabe besonderer Vorschrift des Gesetzes verschafft werden.
S-2. Beschränkungen der Berechtigten in der Verfügung über das eingetragene Recht können einem Dritten nur entgegengesetzt werden, wenn sie im Grundbuch eingetragen oder Dritten bekannt gewesen sind.
§•3. Der Erwerbung des Rechts an einem Grundstück steht nicht entgegen die Kenntniß des Erwerbers von einem älteren Rechtsgeschäfte, durch welches für einen Andern der Anspruch auf Einräumung eines Rechtes an diesem Grundstück begründet wird. §•4. Die Einsicht des Grundbuchblattes steht Jedem frei, welcher ein Recht an dem Grundstück hat, oder von einem eingetragenen Berechtigten dazu ermächtigt worden ist, oder dem Grundbuchamte ein rechtliches Interesse an der Einsicht glaubhaft macht. Oeffentliche Beamte können die Grundbücher einsehen, wenn der amtliche Zweck der Einsichtnahme dem Grundbuchamte angezeigt wird.
$. 5.
Die Behauptung, den Inhalt des Grundbuches nicht gekannt zu haben, ist ungeeignet zur Begründung einer Klage und einer Einrede. Unberührt hiervon bleibt das Verhältniß der Vertragsschließenden zueinander. Das Grundbuch hat öffentlichen Glauben. Auf eine unrichtige Einschreibung kann sich aber nicht berufen, wer die Unrichtigkeit gekannt hat. 5
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
S. 7. Rechte an Grundstücken können, wenn der Berechtigte im Grundbuche eingetragen ist, weder durch Ersitzung eines entgegenstehenden Rechts noch durch Verjährung aufgehoben werden. Die auf einem eingetragenen Rechte beruhenden Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, ζ. B. Naturalabgaben, Renten, Zinsen, unterliegen der Verjährung.
Die Einschreibungen in das Grundbuch erfolgen auf Grund der Bewilligung desjenigen, gegen dessen Recht die Einschreibung gerichtet ist. Die Bewilligung der Einschreibung muß entweder zum Protokoll des Grundbuchamtes erklärt oder in der Form einer öffentlichen Urkunde (Civilprozeßordnung S. 367) oder in einer gerichtlich oder notariell beglaubigten Privaturkunde vorgelegt sein. Bei Beglaubigungen bedarf es weder der Aufnahme eines besonderen Protokolls noch der Zuziehung von Zeugen. Diese Bestimmungen gelten auch f ü r Vollmachten, auf Grund deren eine Einschreibung bewilligt wird.
§. 10.
Die Bewilligung muß enthalten: 1, die Bezeichnung des Ausstellers, 2, die grundbuchmäßige Bezeichnung des Grundstücks, aus dessen Blatt im Grundbuche die Einschreibung erfolgen soll, 3, den Inhalt der Einschreibung, welche bewilligt wird, 4, den O r t und das Datum der Ausstellung und die Unterschrift des Ausstellers. Die Einschreibungsbewilligung ist abgesondert von der Urkunde über den Vertrag, auf welchem sie beruht, auszustellen und darf keine die bewilligte Einschreibung nicht berührende Willenserklärung enthalten.
§•11. Wenn die Einschreibungsbewilligung vor der Erwerbung des Rechtes, gegen welches die Einschreibung gerichtet ist, ausgestellt wird, so erlangt sie Wirksamkeit mit der Einrichtung des von dem Bewilligenden erworbenen Rechtes.
§•12. Fehlt die Bewilligung des Berechtigten (§ 8), so erfolgt die Einschreibung: 1, auf Grund eines rechtskräftigen Endurtheils, durch welches die Einschreibung angeordnet oder der Berechtigte zur Bewilligung derselben verurtheilt worden ist; 2, auf Ersuchen einer zuständigen Behörde; 3, von Amtswegen in den durch das Gesetz bestimmten Fällen. 6
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$.13. Ist der Berechtigte verstorben, so werden die eingetragenen Rechte desselben auf Grund eines gerichtlichen Erbscheins auf die Erben umgeschrieben. Der Umschreibung auf die Erben bedarf es nicht, wenn dieselben die Eintragung eines Miterben, eines Vermächtnißnehmers oder eines Dritten an Stelle des Erblassers bewilligen. Lehns- und Fideikommißfolger erhalten die Eintragung auf Grund einer ihr Nachfolgerecht bezeugenden Bescheinigung des Lehns- und der Fideikommißbehörde. S- 14. Anträge auf Vollziehung einer bewilligenden Einschreibung können bei dem Grundbuchamte schriftlich oder zu Protokoll angebracht werden. W e n n Gerichte oder Notare, welche eine Einschreibungsbewilligung aufgenommen oder beglaubigt haben, im Namen der Betheiligten die Einschreibung beantragen, so bedarf es der Vorlegung einer Vollmacht nicht.
$• 15Aus mehreren dasselbe Grundstück betreffenden Anträgen erfolgt die Einschreibung in der Reihenfolge, in welcher die Anträge bei dem Grundbuchamt angebracht worden sind. Aus gleichzeitig angebrachten Anträgen erfolgt die Eintragung zu gleichem Recht, wenn nicht in denselben eine andere Reihenfolge bestimmt ist. Bei dem Widerstreit einer Auflassung mit einer andern Eintragungsbewilligung des Veräußerers ist beiden Anträgen stattzugeben. Dem Erwerber des Grundstücks steht jedoch die Klage auf Löschung zu, wenn er nachweist, daß der eingetragene Berechtigte zur Zeit der ihm ertheilten Bewilligung Kenntniß von der Auflassung gehabt hat.
$.16. Die Wirkung einer im ordnungsmäßigen Geschäftsgange des Grundbuchamtes geschehenen Einschreibung wird auf den Zeitpunkt zurückbezogen, in welchem der Einschreibungsantrag bei dem Grundbuchamte angebracht ist, jedoch unbeschadet den in der Zwischenzeit von Dritten im redlichen Glauben an die Richtigkeit des Grundbuches gegen Entgelt erworbenen dinglichen Rechten.
$.17. Zur Sicherung eines Anspruches auf Auflassung, auf Eintragung oder auf Löschung kann eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen werden. Die Vormerkung hindert denjenigen, gegen dessen eingetragenes Recht sie gerichtet ist, über dasselbe zum Nachtheil des vorgemerkten Anspruches zu verfügen.
$. 18. Die Eintragung einer Vormerkung erfolgt, soweit nicht die Bestimmung der §§ 8 und 12 Platz greifen, nur auf Ersuchen des Prozeßrichters. 7
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Der Prozeßrichter hat dies Ersuchen an das Grundbuchamt zu richten, wenn der Anspruch, welcher durch die Vormerkung gesichert werden soll, glaubhaft gemacht ist.
S- 19. Auf den Antrag der Gegenpartei hat der Prozeßrichter die Löschung der Vormerkung bei dem Grundbuchamte nachzusuchen, wenn derjenige, für den dieselbe eingetragen ist, nicht innerhalb der auf den Tag seiner Benachrichtigung von der Eintragung folgenden drei Monaten die Klage wegen des vorgemerkten Anspruches erhoben, oder die erhobene Klage zurückgenommen hat, oder mit derselben rechtskräftig abgewiesen ist.
S· 20.
W e r durch eine Einschreibung in seinen Rechten verletzt ist, kann dieselbe im Rechtswege anfechten. Dies gilt insbesondere, 1, wenn die Einschreibung gegen die Vorschriften der §§ 8, 12, 13, 15 verstößt; 2, wenn die Urkunde, auf Grund deren die Einschreibung geschehen, falsch, nichtig oder anfechtbar ist; 3, wenn es der Einschreibungsbewilligung an den Erfordernissen einer gültigen Willenserklärung fehlt. Die in der Zwischenzeit von Dritten im redlichen Glauben an die Richtigkeit des Grundbuches gegen Entgelt erworbenen dinglichen Rechte bleiben jedoch in Kraft.
§•21.
Die Entscheidung des Prozeßrichters, durch welche eine angefochtene Einschreibung für unrichtig oder für ungültig erklärt wird, ist zugleich darauf zu richten, wer demzufolge in dem Grundbuche einzuschreiben ist.
$. 22.
Zur Beseitigung von Versehen, welche das Grundbuchamt in Bezug auf eine Einschreibung begangen hat, können Einschreibungen von Amtswegen vorgenommen werden, sofern entgegenstehende Rechte Dritter noch nicht erworben sind oder in der Einschreibung ausdrücklich gewahrt werden.
$.23. Grundbuchbeamte haften für jedes bei Wahrnehmung ihrer Amtspflichten begangene Versehen, soweit der Geschädigte Ersatz anderweitig nicht zu erlangen vermag. Soweit von dem Grundbuchbeamten Ersatz nicht zu erlangen ist, haftet dem Beschädigten der Notar. 8
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Zur Erläuterung der Textskizze Vorbemerkungen Die mitgetheilten Abschnitte der Entwürfe sind insofern skizzenhaft, als sie weder vollständig noch in der Form fertig sind. Der Inhalt beschränkt sich meistens auf die wesentlichen Grundzüge. Aus den Entwürfen der anderen Theile des bürgerlichen Gesetzbuchs, aus der Bearbeitung der noch nicht in Angriff genommenen Abschnitte des Sachenrechts, und aus den Studien über die besonderer Erörterung vorbehaltenen Spezialfragen wird sich das Bedürfniß ergeben, noch manche Bestimmung in die mitgetheilten Abschnitte aufzunehmen. Die Unfertigkeit der Form, namentlich hinsichtlich des Gleichmaßes in der Ausführung, wird erst nach Entwerfung sämmtlicher Abschnitte, bei dem Zusammenbringen des Ganzen, völlig erkannt werden können. Daß gleichwohl die bisher entworfenen Abschnitte mitgetheilt werden, hat nur den Zweck, meinen Herrn Collegen Einblick in meine W e r k statt zu gewähren, und dadurch nicht nur die Ubereinstimmung unserer Arbeiten zu befördern, sondern auch mir die Vortheile ihres Beirathes zu verschaffen. Die Begründung des Textes soll nach meinem Plane erst ausgearbeitet werden, wenn der Entwurf im Wesentlichen fertig sein wird. Das zur künftigen Begründung angesammelte Material eignet sich zur Mittheilung nicht. Zur mündlichen Begründung, w o sie gewünscht wird, bieten unsere Zusammenkünfte Gelegenheit. Somit werden für jetzt einige orientirende Bemerkungen genügen. Zur Erläuterung der auf unbeweglichen Sachen bezüglichen Bestimmungen ist noch Folgendes vorweg zu bemerken: Oeffentliche Bücher zur Beurkundung und Veröffentlichung des Rechtszustandes der Grundstücke werden, mit ganz unbedeutenden Ausnahmen, in allen Staaten des Deutschen Reiches geführt. Die Anlage und die Führung der Bücher ist indeß verschieden je nach der Gestaltung des materiellen Rechts. Diese Verschiedenheit aber hat wesentlich an Schärfe verloren, seit die Gesetzgeber der einzelnen Staaten als ihre Aufgabe auf dem vorliegendem Gebiete mehr und mehr die Schaffung eines vollständigen GrawiAmches erkannt haben. Während man früher meist davon ausging, daß das öffentliche Buch nur zur Verbesserung und Ausbildung des Hypothekenwesens diente, die Wirkung und die Bedeutung der Einschreibungen daher in der Rücksicht auf die Sicherheit des Hypothekenverkehrs ihre natürliche Begrenzung fänden (Pfandsystem), sind die neueren Gesetzgebungen zu dem Grundbuchsystem übergegangen. Nach diesem System ist das Buch dazu bestimmt, nicht blos die Hypotheken, welche auf einem Grundstück haften, sondern auch das Eigenthum und die übrigen dinglichen Rechte Allen, die es angeht, erkennbar zu machen. Die Konsequenz der Grundbuchsysteme führt dahin, die Erwerbung der dinglichen Rechte (nicht allein deren Wirkung gegen Dritte) an die Einschreibung zu knüpfen. Damit ist der Tradition, als Erwerbsart, im Gebiet des Immobiliar-Sachenrechts die Bedeutung entzogen. Das Grundbuchsystem in diesem Sinne ist angenommen: von den beiden Mecklenburg in den Hypothekenordnungen für den ländlichen Kleingrundbesitz und in den Stadtbuchordnungen; von dem Königreich Sachsen in dem Gesetz vom 6. N o vember 1843 und dem bürgerlichen Gesetzbuch vom 2. Januar 1863; von Hamburg in dem Gesetz vom 4. Dezember 1868; von Preußen in den Gesetzen vom 5. Mai 1872; ferner in den Entwürfen eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Großherzogthum Hessen (1845) und für das Königreich Bayern (1864). Andere Staaten, namentlich einige sächsische und thüringische Herzogthümer, haben in ihren Gesetzen sich mehr oder weniger eng an die vorhandenen Vorbilder angelehnt. In Würt9
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temberg und in Weimar gilt das Pfandbuchsystem, in ersterem Staate freilich mit einer gewissen Hinneigung zum Grundbuchsystem. Es darf hiernach behauptet werden, daß das bürgerliche Gesetzbuch f ü r das deutsche Reich nur die allgemeine Rechtsüberzeugung zum Ausdruck bringt, wenn es das Grundbuchsystem annimmt, beziehungsweise einführt. Zu einer vollständigen Grundbucheinrichtung gehört m. Ε. 1, ein Verzeichniß aller in der Markung, für welche das Grundbuch bestimmt ist, belegenen rings begrenzten Grundstücke (Parzellen) nach der O r d n u n g ihrer Lage (Stockbuch, Flurbuch, Realregisterium), 2, das Grundbuch selbst. Letzteres muß a, über die Eigenthumsverhältnisse und b, über die Rechte Dritter an dem Grundstücke (mit Einschluß der Beschränkung der betreffenden Rechte) nach Maßgabe des Gesetzbuchs Auskunft geben können. Für das zu erstrebende Ziel erachte ich die Herstellung aller deutschen Grundbücher nach demselben Folienformular, bescheide mich aber, daß abweichende Einrichtungen, sofern sie nur alle nach dem bürgerlichen Gesetzbuche vorkommenden Operationen ermöglichen, zunächst beizubehalten und in diesem Falle Folien nach dem neuen Formular nur allmählich anzulegen werden. Es wird vorausgesetzt, daß gleichzeitig mit dem bürgerlichen Gesetzbuche Bestimmungen in Kraft treten, welche die Herstellung der Grundbücher, soweit dieselben erforderlich, anordnen und die nöthigen materiellen Uebergangsbestimmungen enthalten. Im Gesetzbuch selbst wird überall nur von dem nach der Fertigstellung der Grundbücher geltenden Rechte zu reden sein. Das materielle Grundbuchrecht ist mit dem formellen vielfach so eng verknüpft, daß man es nicht zu scheuen haben wird, auch Formularvorschriften in das Gesetzbuch aufzunehmen. Es soll später besonders erwogen werden, ob nicht vielfach alle Formularvorschriften in das Gesetzbuch aufzunehmen seien, welche unabhängig von etwa bestehen bleibenden Verschiedenheiten in den Bucheinrichtungen und der Behördenverfassung und nicht lediglich reglementarisch sind. W o in dem Text oder in der Erläuterung auf „die Grundbuchordnung" Bezug genommen wird, ist die noch neben dem Gesetzbuche erforderliche Regelung des Verfahrens gemeint, ohne eine bestimmte Art dieser Regelung andeuten zu wollen; meine Arbeiten sind noch nicht so weit gediehen, um nach dieser Richtung eine Perspektive eröffnen zu können. Dasselbe gilt von der Behördenverfassung. Mit dem Ausdruck Grundbuchamt ist die Behörde gemeint, welcher die Führung der Grundbücher obliegen wird. Einstweilen ist es mein Bestreben, f ü r die Grundbuchoperationen und deren Grundlagen so einfache Formen zu gewinnen, daß der leitende Grundbuchbeamte der richterlichen Qualifikation entbehren kann und nur einer besonderen Ausbildung bedarf.
Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen Erster Titel Allgemeine Bestimmungen über Sachen Es sind bisher nur solche allgemeinen Bestimmungen über Sachen entworfen, die f ü r das Sachenrecht nöthig erscheinen. Sollte das Bedürfniß anderer Rechtsgebiete noch weitere allgemeine Bestimmungen über Sachen erfordern, so bleibt zu erwägen, ob dieser Titel nicht in den Allgemeinen Theil des Gesetzbuches zu verpflanzen sei. 10
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Für das Sachenrecht entbehrlich erschienen allgemeine Bestimmungen 1, über Theilung des Vermögens in bewegliches und unbewegliches; 2, über den Werth; 3, über Verbrauchbarkeit, Abnutzbarkeit, Vertretbarkeit; 4, über Früchte; 5, über die Arten der Verwendungen (nothwendige, nützliche, verschönende); 6, über Erwerbungsart und Rechtsgrund. Was hierüber im Sachenrecht zu sagen ist, wird bei den einzelnen Rechtsinstituten eine passende Stelle finden. Den Begriff der Sache zu definiren, ist unterlassen; der Sprachgebrauch ergiebt sich aus § 2. Eine besondere Art der im § 3 behandelten Gesammtsache ist das Gesammtgrundstück (§ 10). Aus § 4 Absatz 2 ergiebt sich, daß die partikularrechtlich vorkommende Anerkennung eines Eigenthums an räumlich ausgeschiedenen Theilen eines Gebäudes, ζ. B. an Stockwerken, m. v. in das Gesetzbuch nicht aufzunehmen ist. Vergl. in dem Abschnitt vom Eigenthum Tit. 1 §§ 3 und 6. Die der Zersplitterung des Bodens zu setzende Grenze (S. 4 Abs. 3) zu beziffern, bleibt vorbehalten. $ 5 Abs. 2 ist dem Preußischen Recht entnommen, es wird noch geprüft werden, ob anderweitig bestehende Zustände eine Ergänzung erheischen. 5 5 Absatz 3 soll für jetzt nur andeuten, daß an anderer Stelle zu ordnen sei, wieweit die f ü r Grundstücke geltenden Vorschriften auf Schiffe (mit Einschluß der Strom und d e r Binnensee- Schiffe) Anwendung finden sollen, vorausgesetzt ist, daß bei der Revision des Handelsgesetzbuches dieser Gegenstand erschöpfend werde geordnet werden. Die Vorschriften über Bestandtheile (§ 6 bis 8) erhalten eine Ergänzung im § 10 Abs. 2. In Betreff der Zusammengehörigkeit mehrerer in der Hand desselben Eigenthümers demselben wirtschaftlichen Zwecke dienenden Grundstücke bestehen in Deutschland zwei Anschauungsweisen, deren Unterschied im Rechtsleben von weitgreifender Bedeutung ist. Nach der einen Anschauungsweise hat die Zusammengehörigkeit keinen Einfluß auf die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Grundstücke, nach der andern bildet die Gesammtheit der wirthschaftlich vereinigten Grundstücke eine einheitliche unbewegliche Sache, ein Gesammtgrundstück (Besitzung, Gut, H o f , Stelle, Colonat und was dergleichen Bezeichnungen mehr sind). Die §§ 9 und 10 lassen jeder der beiden Anschauungsweisen Spielraum. Zur technischen Bezeichnung des Gesammtgrundstücks ist der Ausdruck „Besitzung" wegen seiner Farblosigkeit gewählt. Zur Verminderung von Verwirrungen muß das Grundbuchblatt einer Besitzung auf die zu derselben gehörigen Grundstücke beschränkt bleiben, (§ 10 Abs. 3). Die in § 11 vorgesehene Vereinigung mehrerer demselben Eigenthümer gehörigen selbständigen Grundstücke zu einer Besitzung geschieht im Grundbuch entweder dadurch, daß auf dem Blatte, auf welchem diese Grundstücke eingetragen stehen, die Besitzungseigenschaft vermerkt wird, oder dadurch, daß auf dem Blatte einer bereits bestehenden Besitzung ein neues Grundstück zugeschrieben wird. In beiden Fällen muß zur Bewahrung einfacher, leicht zu übersehender Realrechtsverhältnisse vermieden werden, daß die einzelnen Bestandtheile einer Besitzung verschieden belastet sind. Der § 13 ebnet den Eisenbahnverwaltungen die Wege, den sqgen. Prioritätsobligationen durch Eintragung im Grundbuche Realsicherheit und dadurch eine feste Stellung im Konkurse zu gewähren. In der Grundbuchordnung wird dem Zusammenschreiben des gesammten 11
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Grundbuchbesitzes des betreffenden Eisenbahnunternehmens auf einem Blatte die unentbehrliche Erläuterung in den Formalien verschafft werden können. Bei den Bestimmungen über die Zubehöreigenschaft (§§ 14 ff.) ist davon Abstand genommen, Regeln f ü r die Auslegung von Willenserklärungen, insbesondere von Testamenten und Verträgen, aufzustellen. Für das Sachenrecht interessiert nur die Regelung des Zubehörverhältnisses beweglicher Sachen zu unbeweglichen. Eine unbewegliche Sache und die durch die wirthschaftliche Bestimmung mit derselben verknüpften beweglichen Sachen bilden im Verkehr ein Ganzes, eine Art von Gesammtsache. W e n n nun die Rechte an unbeweglichen Sachen mit der Annahme des Grundbuchsystems durchgreifend verschieden zu gestalten sind von den Rechten an beweglichen Sachen, so muß geordnet werden, wieweit die bewegliche Zubehör den an der unbeweglichen Sache erworbenen Rechten folgt. Die erheblichsten Unterschiede zwischen den beiden Sachenarten bestehen in Betreff der Eigenthumserwerbung und in Betreff der Verpfändung. Bei der Erwerbung des Eigenthums durch Uebertragung kann der Uebergang des Eigenthums an der unbeweglichen Sache auf den Erwerber nach dem Grundbuchsysteme nur durch die Eintragung im Grundbuch bewirkt, die Uebergabe als Erforderniß aber nicht beibehalten werden, während bei beweglichen Sachen der Uebergang des Eigenthums im Falle der Uebertragung meines Dafürhaltens von dem Uebergabeakte nicht zu lösen ist. Es würde aber zu den größten Unzuträglichkeiten führen, wenn durch die Eintragung des Erwerbers im Grundbuche nur an dem nackten Grundstück Eigenthum erworben würde und das Eigenthum an der beweglichen Zubehör erst noch besonders durch Uebergabe erworben werden müßte. In Betreff der Verpfändung kann Einverständniß darüber vorausgesetzt werden, daß Hypothek nur an Immobilien, nicht an beweglichen Sachen zuzulassen. Auch hier liegt das Bedürfniß auf der H a n d , die bewegliche Zubehör mit dem Immobile zu identifiziren, die praktische Wichtigkeit, welche das Prinzip namentlich für das Subhastations- und das Konkursrecht hat, bedarf keiner Ausführung. In diesem Sinne wollen die §§15 bis 17 feste, an Beispielen erläuterte Normen aufstellen. Bei § 17 ist daran zu erinnern, daß überall da, wo der Verkehr auf der Anschauung beruht, daß eine wirthschaftliche Vereinigung mehrerer Grundstücke die sachenrechtliche Individualität der einzelnen Grundstücke sinnvoll aufhebt, wo also der Begriff eines Gesammtgrundstücks nicht heimisch ist, nur die bewegliche Zubehör der Einzelgrundstücke mit Einschluß der Gebäude (§§ 15, 16) sachenrechtlich in Betracht kommen kann, nicht aber auch die nur dem wirthschaftlichen Zwecke des Ganzen dienenden beweglichen Sachen, für deren Zubehöreigenschaft es an der einheitlichen Hauptsache fehlen würde. Von der Mithaftung des Gutinventars f ü r die Hypothekenschulden ist deshalb nur da die Rede, wo die zu dem Gute gehörigen Grundstücke als ein Gesammtgrundstück aufgefaßt und sachenrechtlich behandelt werden. (Wenn in der Begründung zu § 664 Nr. 5 des Entwurfs der Civilprozeßordnung S. 428 behauptet ist, daß die fraglichen Gegenstände als Zubehör des Grundstücks mit diesem der Zwangsvollstreckung unterliegen, so ist dies für einen großen Theil Deutschlands unrichtig). Bemerkt sei noch, daß nach meiner Auffassung ein Grundstück niemals Zubehör eines anderen oder einer Besitzung sein, sondern nur als Bestandtheil einer Besitzung seine sachenrechtliche Selbständigkeit verlieren kann.
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Zweiter Titel Allgemeine Bestimmungen des Grundbuchrechts
Während in dem ersten Titel dieses Abschnitts der Sachbegriff in seinen verschiedenen Gestaltungen und rechtlichen Beziehungen behandelt ist, beschäftigt sich der zweite Titel ausschließlich mit dem Recht der unbeweglichen Sachen, und zwar mit derjenigen Seite dieses Rechts, deren thatsächliche Voraussetzung das Grundbuch ist, — dem sogenannten Grundbuchrecht. Die Art und Weise, wie das Grundbuchsystem, auf welchem der Entwurf beruht, von mir durchgeführt ist, kann der N a t u r der Sache nach vollständig erst dann übersehen werden, wenn die einzelnen Institute des Immobiliensachenrechts durchweg in formulierten Sätzen vorliegen. Indessen werden doch schon die allgemeinen Bestimmungen des Grundbuchrechts, aus denen der vorliegende Titel besteht, die Hauptprinzipien, durchblicken lassen, welche die Arbeit durchdringen. Ich habe versucht, in diesen Bestimmungen eine Anzahl Rechtsnormen aufzustellen, deren Herrschaft über das ganze Immobiliarsachenrecht oder doch wenigstens über mehr als ein Institut desselben sich erstreckt. Der Entwurf soll dadurch an Durchsichtigkeit und Knappheit gewinnen, die leitenden Grundsätze leicht erkennen lassen und Wiederholungen möglichst vermindern. Zur Erläuterung der einzelnen Paragraphen mögen hier folgende Bemerkungen Platz finden: 1. Die §§ 1 bis 7 kennzeichnen die Bedeutung des Grundbuches überhaupt. Das Prinzip ist, daß das Buch die alleinige Erkenntnißquelle f ü r die Rechte an einem Grundstück bildet. (§§ 1, 3, 7). Was nicht im Grundbuch steht, gilt nicht, was in demselben steht, gilt gegen Jeden. (§ 5). Diese streng formale Bedeutung des Grundbuches erleidet indeß eine wesentliche Milderung durch die Rücksicht auf Treu und Glauben. Das Gesetz schützt nur den Redlichen. W e r weiß, daß das Buch etwas Unrichtiges beurkundet, darf sich auf den öffentlichen Glauben desselben nicht berufen. (§§ 2 und 6). Das Grundbuch ist eine Einrichtung des Sachenrechts. Persönliche Rechte mithin eignen sich grundsätzlich nicht zur Eintragung. Die Geschlossenheit der dinglichen Rechte und die Rücksicht auf die Bedürfnisse des Verkehrs gestatten jedoch nicht die ausnahmslose Durchführung dieser Regel. Der Pacht und der Miethe, der Anwartschaft eines Dritten auf die Erwerbung des Eigenthums, dem sogenannten Titel zum dinglichen Recht u.s.w. muß durch die Eintragung einer Verfügungsbeschränkung oder einer Vormerkung Rechtswirkung gegen Dritte verschafft werden können. Diesem Bedürfniß wird durch den zweiten Satz des § 1 die Befriedigung gesichert. Der § 2 bezieht sich lediglich auf gewöhnliche Verhältnisse. Das eingetragene Recht selbst ist hier in voller Wirkung vorausgesetzt. Der Berechtigte indeß ist in der Verfügung über dasselbe beschränkt, sei es, daß er überhaupt nicht verfügungsfähig ist, wie der Minderjährige und derjenige, welcher f ü r einen Verschwender oder f ü r geisteskrank erklärt worden, sei es, daß ihm nur die Befugniß zur V e r f ü gung — ζ. B. durch Arrest, Konkurseröffnung, Subhastation — entzogen ist. Der § 3 entspricht dem gemeinen Recht. Die Bestimmung ist eine Konsequenz der Unabhängigkeit des dinglichen Rechts von den obligatorischen Beziehungen des Berechtigten. Sie ist nothwendig, weil partikularrechtlich, ζ. B. nach dem Preußi13
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sehen Landrecht, die Vorstellung besteht, daß die Erwerbung des dinglichen Rechts durch die Kenntniß des Erwerbers von dem Titel eines Anderen gehindert werde. Die Beschränkungen der durch den § 4 gesicherten Oeffentlichkeit des Grundbuches rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß der Neugier und der Schikane entgegengetreten werden muß. Die Berufung einer Partei auf ihre thatsächliche Unkenntniß der Grundbuchinhalte ist nach § 5 unzulässig. Dieser Grundsatz leidet indeß dann keine Anwendung, wenn die Partei vertragsmäßig Anspruch darauf hatte, von der Gegenpartei die erforderlichen Mittheilungen über den Rechtszustand des Grundstücks zu erhalten. In diesem Fall würde die Gegenpartei die Pflicht der Redlichkeit verletzen, wenn sie ihre Pflichtwidrigkeit durch den Hinweis auf die Öffentlichkeit des Grundbuches beschönigen wollte. Dem soll durch den zweiten Satz des § 5 vorgebeugt werden. 2. Die §§ 8 bis 16 handeln von den Einschreibungen. Durch den § 8 wird das sogenannte Konsensprinzip zur Geltung gebracht. Das Wesen dieses Prinzips liegt darin, daß ohne Zustimmung desjenigen, dem die Einschreibung präjudizirt, nichts in das Grundbuch eingeschrieben werden darf, daß aber diese Zustimmung für das Grundbuchamt regelmäßig auch genügt, um die bewilligte Einschreibung auszuführen, der Nachweis des Rechtsgrundes mithin, der den Berechtigten zu der Einschreibungsbewilligung verpflichtet, nicht erforderlich ist. In letzterer Beziehung enthält das Prinzip für die meisten Staaten eine Neuerung. Preußen hat dieselbe, nach dem Vorgang Mecklenburgs, durch die Gesetze vom 5. Mai 1872 eingeführt. Das Konsensprinzip wird bei den einzelnen dinglichen Rechten näher begründet werden. Hier sei nur hervorgehoben, daß dasselbe eine vollständige Scheidung des Sachenrechts von den obligatorischen Beziehungen der Betheiligten, abgesehen vielleicht von der Hypothek, ermöglicht und damit nicht blos eine prompte Erledigung der Grundbuchsachen seitens des Grundbuchamts, sondern zugleich eine Sicherheit des Rechtsverkehrs verbürgt, wie sie bei der Abhängigkeit der Existenz des dinglichen Rechts von dem Rechtsgrunde, der die Eintragung veranlaßt hat, nicht denkbar ist. Die §§12 und 13 enthalten die nothwendigen Ergänzungen des Prinzips. Zu § 12 ist nur zu bemerken, daß die Behörde zuständig ist, welcher das Gesetz die Befugniß beilegt, eine Einschreibung nachzusuchen. In § 13 ist des Testamentes nicht gedacht. Dies ist absichtlich geschehen. Auch der Testamentserbe soll sich einen Erbschein beschaffen, weil dem Grundbuchbeamten nicht zugemuthet werden kann, sich der oft schwierigen Prüfung des Inhalts und der Rechtsbeständigkeit letztwilliger Verfügung zu unterziehen. Aus demselben Grunde ist die Bewilligungsurkunde in § 10 möglichst einfach konstruirt und ihre Verbindung mit jeder anderen Urkunde untersagt. Die Bestimmung des § 11 ist hier nur vorläufig aufgenommen; sie wird gestrichen werden können, wenn das Konvaleszenzprinzip in dem allgemeinen Theil des Gesetzbuches eine Regelung findet, die auch die Fälle des Sachenrechts trifft. Jede Einschreibung, welche überhaupt einschreibungsfähig ist, muß, soweit dies nach dem ordnungsmäßigen Geschäftsgange ausführbar ist, unverzüglich vorgenommen werden. Der frühere Antrag ist daher vor dem späteren zu erledigen. Prior tempore potior jure. Auf diesem einfachen und gerechten Prinzip beruht der § 15. Nur der Fall, in welchem eine Auflassungerklärung des Veräußerers zugleich mit einer anderen Eintragungsbewilligung desselben eingeht, ist nicht ohne Schwierigkeiten. Er ist dahin zu entscheiden, daß, weil weder der Erwerber, dem aufgelassen, noch der Berechtigte, dem die Eintragung bewilligt ist, bisher ein dingliches Recht erworben hat, den Eintragungsanträgen Beider stattgegeben werden muß. Dem Er14
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werber des Grundstücks steht jedoch die Klage auf Löschung zu gegen den aus der Eintragung Berechtigten, wenn dieser zur Zeit der ihm ertheilten Eintragungsbewilligung die Auflassung gekannt, also die Eintragung mala fide erlangt hat. Der § 16 ist nöthig, um dem nachtheiligen Einflüsse von Verzögerungen im Geschäftsgange des Grundbuchamtes die Rechte der Parteien zu entziehen. Man setze folgendes Beispiel: Dem Grundbuchamt liegt der Antrag auf Eintragung einer Hypothek vor. Noch ehe die Eintragung erfolgt, geht das Ersuchen des Gerichtes um Eintragung der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Eigenthümers ein. Hier ist zuerst die Hypothek und dann die Konkurseröffnung einzutragen. Jene kann nach § 16 nicht angefochten werden, wenn nicht etwa der Konkurs schon eröffnet war, als der Eintragungsantrag dem Grundbuchamt vorgelegt wurde. Denn mit der Vorlegung des Antrags hatte der Gläubiger die (später eingetragene) Hypothek bereits erworben. 3. Die §§ 17—19 geben die allgemeinen Regeln über die Vormerkungen. Der öffentliche Glaube des Grundbuches setzt denjenigen, dem ein Anspruch auf Einschreibung zusteht, der Gefahr aus, diesen Anspruch zu verlieren, wenn dessen Einschreibung verzögert wird. Liegt die Schuld der Verzögerung an dem Berechtigten, so hat er sich selbst den Schaden zuzuschreiben, der ihm daraus entsteht. Die Schuld kann aber auch den Verpflichteten treffen. Für diesen Fall muß das Gesetz dem Berechtigten ein Mittel bieten, durch welches derselbe der Gefahr des Verlustes seines Rechtes vorbeugen kann. Dieses Mittel bietet der Entwurf in den Vormerkungen. D a die Vormerkung denjenigen, gegen dessen eingetragenes Recht sie gerichtet ist, in der Verfügung über dasselbe beschränkt, so kann sie, wenn nicht die Voraussetzungen des § 8 oder des § 12 gegeben sind, nur durch Vermittlung des Prozeßrichters eingetragen werden. 4. Die §§ 20 bis 22 ordnen den Schutz gegen unrichtige und ungültige Einschreibungen. Die Einschreibung macht nicht unter allen Umständen Recht. Sie hat rechtswirkende Kraft nur insofern, als sie dem Gesetze gemäß erfolgt ist. Deshalb gestattet der § 20 die Anfechtung im Wege des Prozesses, jedoch selbstverständlich nur mit Wahrung der wohlerworbenen Rechte Dritter. Der § 21 ist nothwendig, um unklare oder unvollständige, zur Berichtigung des Grundbuches ungeeignete Entscheidungen zu verhindern. Der § 22 legt den Schutz in den Fällen, in welchen die unrichtige oder ungültige Einschreibung eine Folge des Versehens des Grundbuchbeamten ist, in die Hand des Amtes. H a t der Beamte einen Fehler begangen, so hat er ihn wieder gut zu machen oder doch wenigstens weiteren Schaden zu verhindern. Zu dem Ende sind ihm Einschreibungen von Amtswegen gestattet, soweit dadurch Rechte Dritter nicht verletzt werden. 5. Der § 23 endlich regelt die Haftung für Versehen. Die Rücksicht auf das Publikum, welches genöthigt ist, die Täthigkeit des Amtes in Anspruch zu nehmen, fordert, daß die Grundbuchbeamten für jedes Versehen bei Wahrnehmung ihrer Amtspflichten aufkommen müssen. Für das Unvermögen des Beamten zum Schadensersatz haftet der Staat, weil er es ist, der seine Unterthanen zwingt, sich seinen Beamten anzuvertrauen. Das Prinzip gilt bereits in mehreren Staaten, in Preußen ist es durch die Grundbuch-Ordnung vom 5. Mai 1872 eingeführt.
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Kommission zur Aufstellung des Entwurfs eines Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs Pensum: Sachenrecht Textskizze (:Fortsetzung:)
Zweiter Abschnitt Besitz (:Noch nicht entworfen:)
Dritter Abschnitt Eigenthum Erster Titel Allgemeine Bestimmungen
Das Eigenthum gewährt das Recht der vollständigen und ausschließlichen Verfügung über die Sache, soweit nicht Beschränkungen dieses Rechts auf Gesetz oder durch Rechte Dritter begründet sind. §•2. Die Scheidung der in dem Eigenthum liegenden Befugnisse in Obereigenthum und Nutzeigenthum ist nicht zulässig. Die bisher begründeten Rechtsverhältnisse dieser Art bleiben hiervon unberührt.
Das Eigenthum an einer Sache kann Mehreren zu derselben Zeit nur auf Antheilen zustehen (Miteigenthum). Ein besonderes Eigenthum an den einzelnen Bestandtheilen einer Sache findet nicht statt.
Die Früchte der gemeinschaftlichen Sache gebühren jedem Miteigenthümer nach der Größe seines Antheils. Nach demselben Maßstabe hat jeder Eigenthümer zu den auf der Sache haftenden Lasten beizutragen, ingleichen zu den Verwendungen, welche zu der Erhaltung und zu der regelmäßigen Benutzung der Sache erforderlich sind.
S-5. Der Gebrauch der gemeinschaftlichen Sache steht jedem Miteigenthümer frei, wenn derselbe ohne Beeinträchtigung der übrigen Miteigenthümer stattfinden kann.
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S- 6. Den einzelnen Miteigenthümern eines Gebäudes kann auf die Dauer der Gemeinschaft das Recht der ausschließlichen Benutzung räumlich ausgeschiedener Theile zustehen. In diesem Falle hat jeder Miteigenthümer den Aufwand für die Erhaltung der seiner ausschließlichen Benutzung unterliegenden Theile für sich allein zu bestreiten.
$. 7 .
Die Antheile der Miteigenthümer sind im Zweifel als gleich anzusehen. In dem Falle des § 6 bestimmen sich die Antheile nach Verhältniß des Werthes der Benutzungsrechte.
Zu einer Verfügung über die gemeinschaftliche Sache bedarf es, wenn nicht durch Gesetz oder Vertrag etwas anderes bestimmt ist, der Einwilligung aller Miteigenthümer. Ueber seinen Antheil kann jeder Miteigenthümer frei verfügen.
§•9. Im Uebrigen ist das Rechtsverhältniß der Miteigenthümer zueinander nach den gesetzlichen Bestimmungen über die durch Erbschaft, durch Vermächtniß, durch Vertrag oder durch Zufall begründeten Gemeinschaften und über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu beurtheilen.
$. 10. Bei Grundstücken erstreckt sich das Eigenthum auch auf den Luftraum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter derselben. Ein von dem Eigenthum von Grund und Boden getrenntes Bergwerkseigenthum ist hierdurch nicht ausgeschlossen.
SS. 11 bis X. (Bestimmungen darüber, wieweit das Eigenthum an Grundstücken, welche Wasser liegen, sich erstreckt).
S.X+1. Der bei der Veräußerung einer Sache bedungene Vorbehalt des Eigenthums hindert den Uebergang des Eigenthums auf den Erwerber nicht und begründet für den Veräußerer kein Recht an der Sache. 17
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Zweiter Titel Beschränkungen des Eigenthumsrechts an Grundstücken I. Gesetzliche Beschränkungen (:noch nicht entworfen:) II. Nachbarrecht (:noch nicht entworfen:) III. Beschränkungen durch Ansprüche (Anwartschaften) auf die Erwerbung des Eigenthums
S-i. Beschränkungen des Eigenthums, welche durch Ansprüche (Anwartschaften:) auf die Erwerbung des Eigenthums entstehen, können demjenigen, welchem der eingetragene Eigenthümer oder dessen Erbe ein Recht an dem Grundstück eingeräumt hat, nur entgegengesetzt werden, wenn sie im Grundbuche eingetragen sind. Gesetzliche Vorkaufsrechte sind auch ohne Eintragung im Grundbuche gegen Dritte wirksam.
S.2. Vormerkungen zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung oder auf Eintragung des Eigenthumsüberganges, Bedingungen und Zeitbestimmungen, mit deren Eintritt das Eigenthum einem Andern zufallen soll, hindern den Eigenthümer, das Grundstück ohne Zustimmung des Berechtigten aufzulassen oder zu belasten. Der Eintritt der Bedingung oder Zeitbestimmung verpflichtet den Eigenthümer zur Auflassung an den Berechtigten.
Durch eingetragene Vorkaufs- oder Wiederverkaufsrechte wird der Eigenthümer an der Auflassung und der Belastung des Grundstücks nicht gehindert. Wenn jedoch die Vorkaufs- oder die Wiederverkaufssumme im Voraus bestimmt und mit eingetragen ist, so darf die Belastung diese Summe nicht übersteigen.
S-4. Solange das Vorkaufs- oder das Wiederverkaufsrecht gegen den Erwerber des Grundstücks ausgeübt werden kann, ist derselbe nicht befugt, das Grundstück zu belasten. Im Falle der Ausübung des Rechts ist der Erwerber zur Auflassung des Grundstücks an den Berechtigten verpflichtet.
§.5. Die Bestimmungen der §§ 3 und 4 finden auch auf gesetzliche Vorkaufsrechte entsprechende Anwendung. 18
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Unter mehreren Vorkaufsrechten geht das gesetzliche dem eingetragenen vor; unter mehreren eingetragenen wird der Vorzug durch die Reihenfolge der Eintragungen bestimmt.
SS- 7 bis X. (Bestimmungen über die Beschränkungen durch Lehns-, Fideikommiß- etc. Anwärter:)
Dritter Titel Erwerbung des Eigenthums an Grundstücken I. Erwerbung durch Eintragung
§•1. Das Eigenthum an einem Grundstück wird durch die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch erworben. Ausnahmen von dieser Regel bestimmt das Gesetz. Die Eintragung des Erwerbers erfolgt: 1, im Falle der Zwangsversteigerung auf Ersuchen der den Zuschlag ertheilenden Behörde; 2, im Falle der Enteignung auf Ersuchen derjenigen Behörde, welche die Enteignung ausgesprochen hat; 3, wenn Grundstücke zur Errichtung trigonometrischer Marksteine vom Staate erworben werden, auf Ersuchen der zuständigen Behörde; 4, wenn in Theilungs- und Grenzscheidungsprozessen einer Partei ein Grundstück zugesprochen worden ist, auf den Antrag dieser Partei; dem Antrage muß eine Ausfertigung des rechtskräftigen Endurtheils beigefügt werden; 5, in den Fällen der Gemeinheitstheilung, der zwangsweisen Zusammenlegung von Grundstücken, der Regulirung gutsherrlicher und bäuerlicher Verhältnisse und der Ablösung von Reallasten, wenn die Berechtigten in Land abgefunden werden, auf Ersuchen der den Regreß bestätigenden Behörde; 6, in anderen Fällen auf Grund der Auflassung.
S-3. Rechtsgeschäfte des Eigenthümers, welche auf Uebertragung des Eigenthums gerichtet sind, begründen für den Berechtigten einen Anspruch auf Auflassung.
S. 4. Die Auflassung eines Grundstückes erfolgt dadurch, daß der Eigenthümer die Eintragung des Erwerbers bewilligt und der Erwerber dieselbe beantragt. Diese Erklärungen unterliegen der Formvorschrift des § . . . (Abschn. 1 Tit. 2 $9.)
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S-5. H a t der Eigenthümer das Grundstück an Mehrere nach einander aufgelassen, so ist derjenige als Erwerber einzutragen, dessen Auflassung zuerst dem Grundbuchamt vorgelegt worden ist. Diese Eintragung kann von dem, an welchen das Grundstück früher aufgelassen ist, nur angefochten werden, wenn der eingetragene Erwerber zur Zeit der ihm ertheilten Auflassung Kenntniß von der älteren Auflassung gehabt hat.
S-6. Der Veräußerer kann die Eintragung des Erwerbers und die auf dieselbe sich gründenden weiteren Eintragungen auch auf Grund des Rechtsgeschäfts anfechten, in dessen Veranlassung die Auflassung vollzogen ist. Der Schlußsatz des § . . . (Abschn. 1 Tit. 2 § 20) kommt auch in diesem Falle zur Anwendung.
II. Erwerbung ohne Eintragung des Erwerbers 1. Erwerbung durch Erbschaft
S- 7. Das Eigenthum an Grundstücken des Erblassers geht mit der Erbschaft kraft Gesetzes auf den Erben über. Für die Eintragung des Erben als Eigenthümer ist die Vorschrift des § . . . (Abschn. 1 Tit. 2 § 13.) maßgebend.
2. Erwerbung herrenloser Grundstücke
Herrenlose Grundstücke fallen dem Gemeindeverbande zu, in dessen unmittelbarem Bezirk sie belegen sind.
s. 9. Ein Grundstück wird durch Verlassen herrenlos, wenn der Eigenthümer desselben vor der Orts- oder der Bezirkspolizeibehörde zu Protokoll erklärt, daß er das Eigenthum aufgebe. Auf Grund einer Ausfertigung dieses Protokolls erhält der Gemeindeverband die Eintragung als Eigenthümer.
S-10. Herrenlose Grundstücke, welche nicht in dem Bezirk eines Gemeindeverbandes liegen, können durch Besitzergreifung von Jedem zu Eigenthum erworben werden. 20
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3. Erwerbung des Bergwerkseigenthums
$.11. Die Erwerbung des Bergwerkseigenthums durch Verleihung oder durch bestätigte Konsolidation, Theilung oder Vertauschung von Grubenfeldern und Feldtheilung bestimmt sich nach den Landesgesetzen. In diesen Fällen erfolgt die Anlegung des Grundbuchblattes und die Eintragung des Eigenthümers auf Ersuchen der f ü r die Verleihung oder die Bestätigung zuständigen Behörde. Im übrigen finden die §§ 1 bis 6 auch auf das Bergwerkseigenthum Anwendung.
4. Eintragung des Eigenthümers
S. 12. In den Fällen, in denen das Eigenthum ohne Eintragung erworben wird, erlangt der Eigenthümer das Recht der Auflassung und der Belastung des Grundstücks erst durch seine Eintragung im Grundbuch. Erben können jedoch ein ererbtes Grundstück auflassen, auch wenn sie nicht als Eigenthümer desselben eingetragen sind.
§•13. Die Anlegung eines Grundbuchblattes f ü r ein im Grundbuche noch nicht eingetragenes Grundstück und die Eintragung des Eigenthümers erfolgt auf Grund eines von dem Amtsgericht der belegenen Sache ertheilten Eigenthumsscheins. Das Amtsgericht hat den Eigenthumsschein zu ertheilen, wenn der Antragsteller die schriftliche Auskunft des Grundbuchamtes, daß das Grundstück im Grundbuche noch nicht eingetragen ist, beibringt und die Erwerbung des Eigenthums überzeugend nachweist. Zur Ergänzung des Nachweises kann das Gericht ein öffentliches Aufgebot erlassen. In dem Aufgebot sind alle diejenigen, welche Eigenthumsansprüche an dem Grundstück zu haben vermeinen, zur Anmeldung ihrer Ansprüche bis zu einem bestimmten Termine aufzufordern, und zwar unter der Verwarnung, daß nach Ablauf des Termins die Ausstellung des Eigenthumsscheins erfolgen werde. Der Termin ist mindestens auf drei Monate hinaus zu bestimmen. Eines Ausschlußurtheils bedarf es nicht. Im Uebrigen kommen die §§ 769—777 und 781 der Civilprozeßordnung zur Anwendung. §•14. Der Eigenthümer kann zur Eintragung seines Eigenthums angehalten werden, wenn dieselbe 1, von einer zuständigen Behörde oder 2, von einem dinglich oder zu einer Eintragung Berechtigten beantragt wird. Das Grundbuchamt hat in einem solchen Falle den Eigenthümer unter abschriftlicher Mittheilung des Antrages aufzufordern, binnen einer bestimmten Frist zur 21
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Vermeidung der Zwangsvollstreckung sich eintragen zu lassen. Läßt der Eigenthümer die Frist fruchtlos verstreichen und macht auch nicht Hinderungsgründe glaubhaft, welche einen ferneren Aufschub rechtfertigen, so kann der Antragsteller bei dem zuständigen Amtsgericht die Zwangsvollstreckung nach näherer Bestimmung der Civilprozeßordnung §§ 719, 720, 722 und 724 zum Zwecke der Eintragung nachsuchen. Bestreitet der Eigenthümer in den Fällen der N° 2 das Recht des Antragstellers, so ist letzterer zum Prozeß zu verweisen.
Sachenrecht Erläuterung der Textskizze (: Fortsetzung:)
Zweiter Abschnitt Besitz (: Noch nicht entworfen:) Dritter Abschnitt Eigenthum Erster Titel Allgemeine Bestimmungen Unter diesem Titel sind — nach dem Vorgange des Sächsischen Gesetzbuchs und der Entwürfe f ü r Hessen und für Bayern — gewisse allgemeine Grundsätze des Eigenthums zusammengefaßt. 1. Die § § 1 — 3 beschäftigen sich mit dem Inhalte des Eigenthums. Das Prinzip enthält der § 1. Die Fassung ist möglichst konkret gewählt. Eine Abweichung von der gemeinrechtlichen Theorie ist nicht beabsichtigt. Der Entwurf kennt nur ein Eigenthum. Die aus demselben fließenden Rechte sind untheilbar. Deshalb verbietet der § 2 die Scheidung dieser Rechte in Obereigenthum und Nutzeigenthum. Das Verbot betrifft indeß nur die Zukunft. Wie das B.G.B, sich zu den bestehenden Formen des getheilten Eigenthums verhalten soll, wird sich erst nach einer eingehenden Untersuchung des gegenwärtigen Rechtszustandes und der Bedürfnisse desselben bestimmen lassen. Darnach wird auch der zweite Satz des §. 2, der es bei den bisher begründeten Rechtsverhältnissen beläßt, vielleicht gestrichen oder geändert werden müssen. Der §. 3 zieht gleich dem ersten Satz des §. 2 Folgerungen aus der Unt e i l b a r k e i t des Eigenthums, nur nach einer anderen Richtung hin. Ein Eigenthum Mehrerer an derselben Sache ist, seinem Wesen nach nur nach ideellen Antheilen, als Miteigenthum im Sinne des römischen Rechts, zu rechtfertigen. Der §. 3, der dies in seinem ersten Satz ausspricht, schließt deshalb sowohl das Gesammteigenthum als auch das sogen.: Gemeinschaftliche Eigenthum (Condominium plurium in solidum:) aus. Der zweite Satz des Paragraphen bringt das Prinzip der U n t e i l b a r keit in Bezug auf das Objekt zur Geltung. Die Bestandtheile einer Sache können nicht Gegenstand von Rechten sein, welche die Sache in ihrer Totalität nicht ergreifen. Dies Prinzip ist bereits in dem Abschn. 1 Tit. 1 §§ 6 ff. 14 ausgesprochen. Hier wird eine Anwendung desselben auf das Eigenthum gemacht. Darnach findet ein 22
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besonderes Eigenthum weder an den Früchten, so lange dieselben nicht von dem Boden getrennt sind, noch an den verschiedenen Stockwerken eines Hauses statt. 2. Die §§ 4—9 regeln die aus dem Miteigenthum entspringenden Rechtsverhältnisse, soweit dies f ü r das Sachenrecht Bedürfniß ist. Die §§ 4 und 5 geben im Wesentlichen das im größten Theile Deutschlands geltende Recht wieder. Der § 6 füllt die Lücke aus, welche der zweite Satz des § 3 in denjenigen Rechtsgebieten hervorrufen muß, in denen bisher die Stockwerke eines Hauses verschiedenen Personen als Eigenthümer gehören konnten. Es liegt in der Natur des Verhältnisses, daß derjenige Miteigenthümer, dem die Benutzung eines räumlichen ausgeschiedenen Theils des gemeinschaftlichen Hauses ausschließlich zusteht, f ü r die Erhaltung dieses Theils ohne Konkurrenz der übrigen Miteigenthümer sorgen muß. Deshalb ist in dem zweiten Satz des §. 6 das Prinzip des §. 4 für den gesetzten Fall ausgeschlossen worden. Auch die Vorschrift des §. 7, daß die Antheile der Miteigenthümer im Zweifel als gleich anzusehen sind, erleidet in dem Fall des § 6 der N a t u r der Sache nach keine Anwendung. Der Antheil desjenigen, dem ein räumlich begrenzter Theil des Hauses angewiesen ist, kann nur nach dem Verhältniß bestimmt werden, in welchem der Nutzungswerth dieses Theils zu dem Nutzungswerth des Ganzen oder anderer Theile desselben steht. Dies soll durch den zweiten Satz des § 7 außer Zweifel gestellt werden. Der erste Satz des § 8 folgt aus dem Eigenthumsbegriff (§ 1) in dessen Anwendung auf das Miteigenthum. Die in dem zweiten Satz dem Miteigenthümer zugestandene Verfügung über seinen Antheil richtet sich nach denselben Regeln, denen die Verfügung über das Alleineigenthum unterliegt. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß die in diesem Abschnitt Tit. 3 § 12 den nicht eingetragenen Erben beigelegte Befugniß zur Auflassung eines ererbten Grundstücks auf den einzelnen Miterben in Ansehung seines Antheils zukäme. Der Miteigenthümer, der bei dem Grundbuch verfügen will, muß vielmehr in allen Fällen zunächst die Eintragung seines Antheils herbeiführen. Die obligatorischen Beziehungen der Miteigenthümer zu einander werden, wie in § 9 vorausgesetzt ist, in anderen Stellen des Gesetzbuchs ihre Regelung finden. Dort dürfte auch das zum Schutz gegen fremde Eindringlinge in eine Gemeinschaft erforderliche gesetzliche Vorkaufsrecht der Miteigenthümer hervorzuheben sein. 3. Der § 10 enthält eine Ergänzung des Eigenthumsbegriffs f ü r das Grundeigenthum. Die volle Herrschaft über ein Grundstück ist undenkbar, wenn man sie auf die Oberfläche beschränken wollte. Das in dem Eigenthum liegende Nutzungsrecht ist bedingt durch die Befugniß des Eigenthümers zur Ausschließung Anderer von dem Luftraum über dem Grundstück. Ingleichen erstreckt sich das Grundeigenthum an sich bis in die unendliche Tiefe. N u r durch das Bergwerkseigenthum wird ihm nach manchen Landesrechten eine Schranke gesetzt. Hieran etwas zu ändern, liegt nicht in der Absicht des Entwurfs. 4. Die §§11 bis X sollen den Anfang des Eigenthumsrechts an Grundstücken, welche an nicht im Privateigenthum befindlichen Gewässern liegen, näher bestimmen. Ich nehme indeß zur Zeit Abstand, die entworfenen Rechtssätze mitzutheilen, weil dieselben mit dem Wasserrecht in Beziehung stehen, über dieses aber die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. 5. Die von mir befolgten sachenrechtlichen Prinzipien gestatten nicht, dem Vorbehalt des Eigenthums bei der Veräußerung eine dingliche Wirkung beizu23
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messen. (§. X + 1) Sache des Obligationenrechts wird es sein, die persönlichen Rechte zu bestimmen, welche der Vorbehalt dem Veräußerer gegen den Erwerber gewähren soll.
Zweiter Titel Beschränkungen des Eigenthumsrechts an Grundstücken I. Gesetzliche Beschränkungen II. Nachbarrecht Der Entwurf der Rechtssätze, welche unter die beiden vorstehenden Ueberschriften gehören, ist von der Erörterung verschiedener das Sachenrecht betreffenden Spezialfragen abhängig. Diese Erörterung aber ist noch nicht in Angriff genommen.
III. Beschränkungen durch Ansprüche (Anwartschaften:) auf die Erwerbung des Eigenthums Während die Beschränkungen, welche der Eigenthümer nach Abschn. 1 Tit. 2 § 2 erleiden kann, lediglich dessen Fähigkeit oder Befugniß zur Verfügung über das an sich unbeschränkte Recht betreffen, wird hier von solchen Beschränkungen gehandelt, deren Tendenz gegen das Eigenthumsrecht selbst gerichtet ist, und zwar von denjenigen, welche nicht in dem Gesetz, beziehungsweise dem Nachbarrecht, auch nicht in dinglichen Rechten, sondern in persönlichen Ansprüchen Dritter ihren Grund haben. Die Nothwendigkeit, diesen Ansprüchen durch Eintragung absolute Wirkung zu sichern, ergiebt sich meines Erachtens daraus, daß dieselbe alle auf die Erwerbung des Eigenthums oder gar auf die Eintragung des bereits vollzogenen Eigenthumsüberganges abzielen, mithin im Fall der Veräußerung des Grundstücks durch den eingetragenen Eigenthümer schutzlos sein würden, wenn ihnen nicht die Eintragung im Grundbuch gestattet wäre. (Man vergl. § 1 Satz 2 a. a. O.). Die Durchführung dieses Gesichtspunktes ergeben die einzelnen Paragraphen. 1. In dem § 1 ist, entsprechend der Vorschrift des Abschn. 1 Tit. 2 § 1, die Regel aufgestellt, daß die Rechtswirkung gegen Dritte durch die Eintragung im Grundbuch bedingt ist. Der Kenntniß des Dritten von dem die Beschränkung veranlassenden Anspruch kann nicht, wie im § 2 a. a. O. die Wirkung der Eintragung zugestanden werden. Denn die Kenntniß reicht hier nicht aus, einen Dolus zu unterstellen. Der Dritte, dem der persönliche Anspruch bekannt ist, weiß deshalb noch nicht, ob der Berechtigte es angezeigt findet, auf Grund seines Anspruchs das Recht des Eigenthümers zu beschränken. Im Gegentheil: der Umstand, daß der Berechtigte die Beschränkung nicht eintragen läßt, muß die Meinung hervorrufen, daß auf die W a h r u n g des Anspruchs auf Erwerbung des Eigenthums Dritten gegenüber kein Gewicht gelegt wird. (Man vergl. § 3 a. a. O.) N u r die gesetzlichen Vorkaufsrechte bedürfen der Eintragung nicht, weil die absolute Wirkung des Gesetzes sich von selbst versteht, die thatsächlichen Voraussetzungen aber, mit denen das Gesetz ein Vorkaufsrecht verbindet, aus dem Grundbuche erkennbar sind. Ich gehe hierbei davon aus, daß das bürgerliche Gesetzbuch nur die Vorkaufsrechte der Miteigenthümer und der Expropriaten aufrecht erhalten wird. Die Frage wird indeß noch eingehender untersucht werden. 24
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2. Wegen der Vormerkung ist im Allgemeinen auf Abschn. 1 Tit. 2 § 17 zu verweisen. Die Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung bildet ein Korrektiv gegen den § 3 daselbst. Die Eintragung des Eigenthumsüberganges wird durch die Vormerkung gesichert, wenn das Eigenthum ohne Eintragung erworben ist, die letzteren aber, weil die Erwerbung nicht gleich urkundlich nachreichbar ist, noch nicht erfolgen kann. Ahnlich wie mit den Vormerkungen zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung verhält es sich mit den Bedingungen und Zeitbestimmungen, mit deren Eintritt das Eigenthum einem Anderen zufallen soll. Alle diese Beschränkungen des Eigenthumsrechts müssen zu einem Verbot der Auflassung und der Belastung des Grundstücks führen, weil anderenfalls dem Berechtigten die Erwerbung des Eigenthums nicht in dem rechtlichen Zustand, in welchem dasselbe sich zur Zeit der Vormerkung oder der Eintragung der Bedingung oder der Zeitbestimmung befand, gewährleistet werden könnte. Ließe man dem Eigenthümer die Verfügung, so könnte das nur mit Vorbehalt der Rechte des Vorgemerkten oder des sub conditione oder sub die Berechtigten geschehen. Die Verfügung des Eigenthümers würde dann Eintragungen hervorrufen, welche in ihrer rechtlichen Existenz ungewiß wären, — ein Zustand, der mit dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs schlecht harmoniren würde. Durch den § 2 wird einer solchen Unzuträglichkeit vorgebeugt. 3. Die Vorkaufs- und die Wiederkaufsrechte, von denen in den §§ 3 bis 6 gehandelt wird, erheischen nicht eine solche Rücksicht, wie sie der Entwurf in dem § 2 hat vorwalten lassen. Während der Berechtigte in den Fällen des § 2 durch die Eintragung bereits zu erkennen gegeben hat, daß er von dem ihm durch dieselbe gesicherten Rechte Gebrauch machen will, steht dies in den Fällen des § 3 noch dahin. Es erscheint deshalb nicht gerechtfertigt, auch dem Eigenthümer, dessen Eigenthum nur durch Vorkaufs- oder Wiederkaufsrechte beschränkt ist, das Recht der Belastung und der Auflassung zu entziehen. N u r das Recht der Belastung erfordert zu Gunsten des Vorkaufs- und des Wiederkaufsberechtigten insofern eine Einschränkung, als die Belastung die Vorkaufs- oder die Wiederkaufssumme, falls diese im Voraus bestimmt und mit eingetragen ist, nicht übersteigen darf. Im Uebrigen dürfte der Berechtigte durch den § 4 ausreichend gesichert sein. Der § 6 regelt die Kollision zwischen mehreren Vorkaufsrechten. Dem unmittelbar aus dem Gesetz entspringenden Recht darf durch die Eintragung widerstreitender Rechte kein Abbruch geschehen. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht kann mit einem anderen gesetzlich nicht in Widerstreit gerathen, wenn die gesetzlichen V o r kaufsrechte auf die Miteigenthümer und die Expropriaten beschränkt werden. (Vergl. N° 1 a. E.) Anderenfalls ist bei jedem einzelnen Recht dessen Stellung in der Rangordnung festzusetzen. Die Rangordnung der eingetragenen Rechte kann nach dem Grundbuchsystem nur durch die Reihenfolge der Eintragungen bestimmt werden. 4. Die Mittheilung derjenigen Rechtssätze, welche die Beschränkungen des Eigenthumsrechts durch Lehn-, Fideikommiß- etc. -Anwärter regeln, bleibt aus dem unter N° I und II angeführten Grunde vorbehalten. Dritter Titel Erwerbung des Eigenthums an Grundstücken Die Beantwortung der Frage, wie die Erwerbung des Eigenthums an Grundstükken zu ordnen ist, kann unter der (von mir festgehaltenen) Voraussetzung, daß das 25
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bürgerliche Gesetzbuch das Grundbuchsystem annehmen werde, f ü r die weitaus häufigsten Erwerbungsfälle nur dahin gegeben werden, daß die Eintragung im Grundbuch entscheiden muß. Wollte man an der römischen Theorie, daß das Eigenthum durch Uebergabe auf Gund einer justa causa von dem Einen auf den Anderen übergehe, festhalten, so müßte man dieselbe doch aus Rücksicht auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches wesentlich enschränken. Man würde die V o r schrift des Abschn. 1 Tit. 2 § 1, nach welcher dem Recht an der Sache nur durch Eintragung Rechtswirkung gegen Dritte verschafft werden kann, nicht aufgeben dürfen und damit zu einem doppelten Eigenthum gelangen, zu einem wahren Eigenthum, dessen Wirkung keine absolute wäre, und einem Bucheigenthum, welches Dritten gegenüber für das wahre gälte. Ein so prinzipwidriger Zustand aber würde nicht blos überaus unerquicklich, sondern geradezu gefährlich f ü r die nothwendige Sicherheit und Festigkeit des Grundbucheigenthums sein. Der Entwurf hat deshalb die Eintragungstheorie mit all ihren Konsequenzen durchgeführt und folgeweise von der Eintragung als Erforderniß der Erwerbung nur da abgesehen, wo die T h e o rie, ohne den Verhältnissen Zwang anzuthun, nicht angewendet werden kann.
I. Erwerbung durch Eintragung 1. Die Tragweite der Regel des § 1 ist die, daß das rechtsbegründende Moment bei der Erwerbung lediglich die Eintragung des Erwerbers als Eigenthümer ist. Das obligatorische Verhältniß zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber kommt dabei nicht in Betracht. Aus demselben kann nur ein Grund zur Anfechtung der Eintragung oder ein Anspruch auf Zurückübertragung des Eigenthums hergeleitet werden. Darin liegt eine erhebliche Abweichung von anderen Entwürfen und Gesetzen, nach denen die Eintragung das Eigenthum nur unter der Voraussetzung eines auf die Uebertragung gerichteten Rechtsgrundes überträgt. Diese Abweichung aber kann nicht vermieden werden, wenn anders das Gesetz das Eigenthum des Eingetragenen verbürgen soll. Eine vor der Eintragung von dem Grundbuchamt vorzunehmende Untersuchung des Rechtsgrundes kann diese Bürgschaft nicht bieten. 2. Der § 2 bestimmt die Voraussetzungen, welche vorliegen müssen, wenn das Grundbuchamt zu der Eintragung des Erwerbers berechtigt und auch verpflichtet sein soll. Juristische Untersuchungen von einiger Schwierigkeit sollen dem Vorsteher des Amtes so viel als möglich erspart bleiben. Deshalb ist der Schwerpunkt der Prüfung, abgesehen von der Auflassung, in eine andere Behörde verlegt. Bei N° 2 deutet die Fassung an, daß die Zuständigkeit der Behörde auf die Fälle beschränkt ist, in denen es wirklich zu einer zwangsweisen Enteignung kommt. Einigen sich die Betheiligten vor Verkündung des Enteignungs-Beschlusses über die Abtretung des Grundstücks, so ist Auflassung erforderlich. Bei N° 3 dagegen, wo es sich nicht nur um ganz kleine Parzellen handelt, ist aus Zweckmäßigkeitsgründen eine solche Untersuchung unterblieben. N° 5 ist zur Zeit nur Lückenbüßer. 3. Die §§3—6 beschäftigen sich mit der Auflassung. Das Institut ist dem geltenden Recht der meisten Staaten fremd. Der Gedanke jedoch, auf welchem dasselbe beruht, liegt nicht so fern. Was f ü r die römische traditio die causa ist, das ist für die Eintragung des Erwerbers die Auflassung. Freilich giebt die Tradition kein Eigenthum, wenn sie der causa entbehrt, während der Eigenthumsübergang wegen Mangels der Auflassung in den Fällen, in welchen es derselben nach $ 2 bedarf, nur angefochten werden kann. Allein dieser Unterschied betrifft blos die negative Seite, nicht den positiven Inhalt. 26
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
Letzterer besteht hier wie dort in dem auf die Uebertragung und die Erwerbung des Eigenthums gerichteten Willen, dessen rechtserzeugende Kraft von der Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, als dessen Resultat dieser Wille betrachtet werden kann, nicht abhängig ist. Die Auflassung ist gleichsam die Brücke zwischen dem obligatorischen Rechtsverhältniß und dem dinglichen Recht. O h n e Auflassung kann das Veräußerungsgeschäft nicht zur Eintragung des Erwerbers führen, daraus folgt, daß dieses Geschäft den Veräußerer zur Auflassung verpflichten muß. Die Bestimmung des § 3, die dies ausspricht, ist vielleicht selbstverständlich, aber darum nicht weniger zweckmäßig, da sie geeignet erscheint, Zweifeln und Mißverständnissen vorzubeugen. Die Auflassung ist eine Anwendung des Konsensprincips. Deshalb unterliegt sie der Formvorschrift des Abschn. 1 Tit. 2 § 9. Das Prinzip zeigt sich hier in anderer Gestalt. Die Bewilligung des Eigenthums genügt nicht zur Eintragung des Erwerbers. Hinzutreten muß noch der Antrag des letzteren. Der Eintragungsantrag, der sonst nur die formelle Bedeutung hat, daß er das Offizialverfahren des Grundbuchamtes ausschließt, gehört bei der Auflassung zur Vollendung des Aktes. Der Grund hierfür ist der, daß das Grundeigenthum eine Quelle nicht blos von Rechten ist, sondern auch von Pflichten, die der Eigenthümer auf einen Anderen ohne dessen Willen nicht übertragen darf. Das Preußische Gesetz vom 5. Mai 1872 hat im § 2 dieses von dem Vertrage gelöste Rechtsgeschäft der Eingenthumsübertragung, abweichend von der für die Erwerbung anderer dinglicher Rechte an Grundstücken gegebenen Bestimmungen, an die strenge Formvorschrift geknüpft, daß bei der Auflassung die Erklärungen des Eigenthümers und des Erwerbers mündlich und gleichzeitig vor dem zuständigen Grundbuchamte abzugeben sind. Von der Nothwendigkeit dieser vielfach als lästige Fessel empfundene Formstrenge kann ich mich nicht überzeugen. Man sollte die Auflassung und die Eintragung zu einem Rechtsakte verschmelzen, so daß die Auflassung in Verbindung mit der unmittelbar folgenden Eintragung den Wechsel des Eigenthums herbeiführen sollte. Es ist indessen schon bei der Berathung der Gesetze als die übereinstimmende Ansicht der gesetzgebenden Faktoren ausgesprochen, daß es f ü r die Wirkung der Eintragung nicht darauf ankomme, ob dieselbe in continenti mit der Auflassung geschehen sei, und in der Praxis liegt sehr häufig zwischen Auflassung und Eintragung eine nicht nach Minuten oder Stunden, sondern nach Tagen und selbst nach Wochen zählende Zwischenzeit, bei verwickelten Parzellierungen ist die Festhaltung der Einheit der Handlung geradezu unmöglich. Auch begrifflich fallen die Momente der Auflassung und der Eintragung auseinander. Die Eintragung vollendet erst den Uebergang des Eigenthums, die Auflassung ist das auf dieses Ziel gerichtete, dasselbe vorbereitende und ermöglichende Rechtsgeschäft, beide stehen in demselben Verhältniß wie bei anderen dinglichen Rechten die Eintragung zu der Eintragungsbewilligung. Handelt es sich hiernach nicht um eine aus der N a t u r der Sache abzuleitende Vorschrift, so können nur Zweckmäßigkeitsgründe in Betracht kommen. Als ein solcher ist f ü r die Preußische Vorschrift die Vereinfachung der Rechtsverhältnisse anzuführen, welche darin liegt, daß der Erwerber gegen unredliche Verfügungen des Veräußerers über das Grundstück gesichert wird. Betrug ist aber im Vergleich mit der Zahl der redlichen Geschäfte eine seltene Ausnahme und ohnehin durch keine Gesetzesvorschrift ganz abzuschneiden. Die Eigenthumsübertragung von Grundstücken f ü r alle Fälle an eine lästige Formvorschrift zu knüpfen, blos um den Betrug zu erschweren, ist m. E. ebensowenig rathsam, wie man dies hinsichtlich der Erwerbung anderer dinglicher Rechte in Preußen für nöthig gehalten hat. Das Gesetz hat die aus dem Grundbuchsystem sich 27
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz
ergebenden Normen dafür, wie bei Vorlegung widerstreitender Akte formal zu verfahren und im Rechtsstreit von dem Richter zu entscheiden sei, aufzustellen — dies ist im § 5 dies. Tit. und im Abschn. 1 Tit. 2 § 15 versucht —; im Uebrigen kann den Betheiligten überlassen bleiben, sich vor Hintergehungen zu hüten. Sollte die Annahme der Preußischen Formstrenge beliebt werden, so würde der zweite Satz des § 4 die Fassung erhalten müssen: Diese Erklärungen sind mündlich und gleichzeitig vor dem Grundbuchamte abzugeben. Außerdem würden der § 5 dies. Tit. und der § 15 im Abschn. 1 Tit. 2 zu modifiziren sein. Das Anfechtungsrecht des Veräußerers wird durch den § 6 in Ergänzung des § 20 Abschn. 1 Tit. 2 bestimmt.
II. Erwerbung ohne Eintragung des Erwerbers 1. Erwerbung durch Erbschaft Der Erbe tritt an die Stelle des Erblassers. Er erwirbt die Erbschaft als Ganzes. Das Eigenthum an den einzelnen Nachlaßsachen muß daher, wenn das Prinzip der Universalsuccession gewahrt bleiben soll, durch die Erwerbung der Erbschaft auf den Erben übergehen. Hierüber keine Zweifel zu lassen, wie solcher ζ. B. in Sachsen besteht, ist der Zweck des .§ 7. 2. Erwerbung herrenloser Grundstücke Das Recht des Fiskus auf bona vacantia ist bei dem heutigen Kulturzustande kaum von irgend welcher Bedeutung. Aus Rechtsgründen aber läßt es sich nicht rechtfertigen. Der Entwurf empfiehlt, dem Gemeindeverbande die in dessen Bereich belegenen Grundstücke, welche im gewöhnlichen Sinne herrenlos sind oder werden, zu überlassen. Es entspricht dies dem alten Weichbildsrecht und auch wohl dem natürlichen Rechtsgefühle. Besitzergreifung ist nicht erforderlich. Das herrenlose Grundeigenthum fällt vielmehr, wie § 8 ergiebt, kraft Gesetzes dem Gemeindeverbande zu. Dieser kann sich der Erwerbung nicht entziehen. Für die Fälle des § 9 ist das von Wichtigkeit, aber nicht bedenklich. Herrenlose Grundstücke, welche nicht in dem Bezirk eines Gemeindeverbandes liegen, ζ. B. Inseln, welche im Meere sich bilden, können ohne Anstand der freien Okkupation überlassen werden. § 10. 3. Erwerbung des Bergwerkseigenthums. Das Bergwerkseigenthum, welches da, w o es von dem Grundeigenthum getrennt ist, durch Verleihung, Konsolidation u.s.w. begründet wird, ist neues Eigenthum. Dasselbe entsteht durch Akte des staatlichen Hoheitsrechts. Es erscheint nicht zweckmäßig, hieran etwas zu ändern. Der Entwurf hält deshalb die Landesgesetze insoweit aurrecht. Im Uebrigen bedarf der § 11 keiner Erläuterung. 4. Eintragung des Eigenthümers. Der § 12 erfüllt eine Forderung des Grundbuchsystems, die nicht wohl abgelehnt werden könne. (Abschn. 1 Tit. 2 § 1). Der Eigenthümer darf, auch wenn er zur Erwerbung seines Eigenthums die Eintragung nicht nöthig hat, das Grundstück doch erst auflassen und belasten, wenn er eingetragen ist. N u r wenn dies außer Zweifel 28
Vorentwürfe Johows für die Redaktorenkonferenz ist, läßt sich erwarten, daß das Grundbuch den wahren Rechtszustand der Grundstücke nachweisen wird. Die Ausnahme, welche zu Gunsten der Erben gemacht ist, beruht auf der Erwägung, daß die Eintragung der Erben, welche ein Grundstück nicht behalten wollen, ohne Nutzen den Raum auf dem Grundbuchblatte in Anspruch nehmen und Kosten für einen Akt veranlassen würde, dessen Zweck eigentlich nicht abzusehen ist. Durch den § 13 soll dem Grundbuchamt die Prüfung des Eigenthums bei der ersten Anlegung des Grundbuchblattes erspart und die Anlegung des Blattes erleichtert werden. Diese Erleichterung findet nach der Fassung des Paragraphen auch bei der Einführung des B.G.B, überall da, wo noch keine Grundbücher vorhanden sind, in Ansehung aller Grundstücke statt, sofern nicht das Einführungsgesetz noch weiter gehende Erleichterungen festsetzen wird. D e r Entwurf geht davon aus, daß in der Regel ein Zwang zur Eintragung nicht nöthig ist, weil der Eigenthümer das Recht der Auflassung und der Belastung nur durch seine Eintragung verlangen kann, daraus aber ein Motiv zur Herbeiführung der Eintragung entnehmen wird. Es können jedoch Fälle vorkommen, in denen die Rücksicht auf die Rechte Dritter die Anwendung von Zwangsmaßregeln erheischt, um den Eigenthümer zur Eintragung zu nöthigen. Der § 14 beschränkt diese Fälle auf das geringste Maß und ordnet das Verfahren im Anschluß an den Entwurf der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich.
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Beratungen zu Vorfragen 1. Vorlagen Johows von 18751 für die Hauptkommission I. Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken Vorschlag Die Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken unter Lebenden erfolgt durch Eintragung in ein öffentliches Buch.
Bemerkungen 1. Das Recht an der Sache ist äußerlich nicht ohne Weiteres erkennbar. Die thatsächlich geübte Herrschaft kann rechtlich unbegründet sein. Wird mit Verletzung des dinglichen Rechts über die Sache verfügt, so entsteht ein Widerstreit der Interessen, einerseits des verletzten Berechtigten, andererseits dessen, dem der Unbefugte ein Recht eingeräumt hat, des Erwerbers. An sich enhält der Begriff der berechtigten Willensherrschaft über eine Sache den Anspruch auf Schutz gegen jeden Eingriff (absolute Wirkung des dinglichen Rechts). Der Verkehrswerth des dinglichen Rechts sinkt aber naturgemäß um so mehr, je weniger Rücksicht das Gesetz auf den Erwerber nimmt. Das Interesse des Berechtigten selbst erheischt deshalb Einschränkungen der dinglichen Wirkung zu Gunsten des Erwerbers. Der Interessenstreit zwischen dem Berechtigten und dem Erwerber löst sich einfach, wenn das dingliche Recht einem Jeden erkennbar gemacht wird. Bei unbeweglichen Sachen kann dies geschehen. Das Grundstück — es genügt für jetzt, nur von dieser Hauptart unbeweglicher Sachen zu reden — kann wegen seiner örtlichen Stetigkeit durch Beschreibung so gekennzeichnet werden, daß die Identität derselben Jedermann ersichtlich bleibt. Daß diese Eigenschaft den beweglichen Sachen abgeht, nöthigt zu getrennter Behandlung beider Arten von Sachen. Das Immobilien-Sachenrecht des bürgerlichen Gesetzbuches wird von dem Grundsatz der Erkennbarkeit beherrscht sein müssen. Μ. E. ist dieser Gedanke auch bei dem Eigenthum durchzuführen. Hierauf zielt der die richtigste Art der Eigenthumserwerbung, die Uebertragung der Eigenthümer unter Lebenden, betreffende Vorschlag ab. 2. Die Vorschrift des römischen Rechts, daß die Uebertragung des Eigenthums durch Uebergabe der Sache vollzogen wird, sofern der Wille des übergebenden Eigenthümers und des Empfängers auf diesen Erfolg gerichtet ist, bezweckt zwar die Herstellung eines physischen Herrschaftsverhältnisses zu der Sache, entbehrt aber der sicheren Erkennbarkeit der Eigenthumserwerbung, da durch die Ueber1
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Die Vorlagen ab 1876 s. in: Vorentwürfe zum BGB (ed. Schubert), Sachenrecht, Bd. 3 im Anhang.
Vorlagen Johows für die Hauptkommission
gäbe, sofern sie nicht nothwendig mit einer äußeren Einwirkung auf das Grundstück verbunden ist, nicht einmal der Besitzwechsel, und sofern aus dem Besitzwechsel noch nicht der rechtliche Zweck desselben ersichtlich ist, keinesfalls der Eigenthumsübergang offenkundig wird. Dagegen galt bei den Germanen von älterer Zeit her der Grundsatz, daß das Eigenthum an einem Grundstücke nur durch eine feierliche öffentliche Handlung gültig übertragen werden könne. 3. Das französische Recht hat einerseits auf das in dem römischen Erforderniß der Tradition immerhin, wenn auch unvollkommen, vorhandene Moment der Erkennbarkeit verzichtet, indem der Uebergang des Eigenthums lediglich durch den Veräußerungsvertrag vermittelt wird (Code civil art. 1138), und andererseits den germanischen Gedanken nur unvollkommen ausgebildet. Der Erwerber ist berechtigt, seinen Erwerbungstitel von dem Hypothekenbewahrer in das dazu bestimmte öffentliche Buch transskribiren zu lassen (Code civil art. 2181 ff.). Die Transskription geschieht ohne Feststellung der Existenz des veräußerten Grundstückes und der Berechtigung des Veräußerers, bietet mithin keine Gewähr f ü r die Richtigkeit des Inhalts. Sie soll auch nur dem Erwerber ein Mittel bieten, die auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeit festzustellen und eine weitere unbefugte Belastung zu verhindern. Nach dem Gesetze vom 11. Brumaire VII konnten Verträge, durch welche Eigenthum an unbeweglichen Sachen übertragen wurde, vor ihrer Transskription Dritten, welche nach Abschluß derselben Eigenthum oder Hypothekenrechte an dem Grundstück erworben hatten, nicht entgegengehalten werden. Dieser Grundsatz ist indessen bei der Berathung des Code als Landrecht wieder aufgenommen (II Einf. Ed. § 25, L. R. Zusatz 1583a) und auch sonst dahin gestrebt, das Transskriptionsregister — Grundbuch — f ü r das materielle Recht nutzbar zu machen (vergleiche L. R. Zusätze 526% 939 a , 1002% 2127 a und Beck dingliche Rechte nach französischem und badischem Recht § 21 ff.). Auch das französische Gesetz vom 23. März 1855 ist zu dem Grundsatz des Gesetzes vom 11. Brumaire VII zurückgekehrt. Aber dessenungeachtet gewährt weder die französische noch die badische Einrichtung Gewähr, daß der, dessen Erwerbungstitel transskribirt worden, wirklich Eigenthum erworben habe. 4. Reifere Früchte hat der gemanische Rechtsgedanke in den deutschen Ländern heimischen Rechts gezeitigt. Ursprünglich bedurfte es zu der feierlichen Uebertragung des Eigenthums nur der Zuziehung freier Zeugen, aber noch vor der Zeit der Rechtsbücher bildete sich die allgemeine Regel aus, daß die feierliche Handlung, um den beabsichtigten Erfolg zu haben, vor dem Gerichte der belegenen Sache vorgenommen werden müsse. Hierauf beruht das Institut der gerichtlichen Auflassung, welches bis zur Aufnahme der fremden Rechtsquellen das Recht des Grundbesitzers beherrscht hat. Später pflegte man über die Auflassung eine besondere Urkunde aufzunehmen. Dies führte allmählig, zu der Eintragung der Veräußerungsakte in die öffentlichen Bücher, Stadt-, Erbe-, Gerichtsbücher. Die Keime dieser Bucheinrichtung entwickelten sich so sicher und schnell, daß, als das römische Recht in Deutschland einzudringen begann, die meisten Städte und verschiedene Gebiete förmliche Grundbücher führten. Freilich datiert auch von dieser Epoche schon der Rückgang des deutsch-rechtlichen Instituts. Seit das römische Recht in Deutschland gemeines Recht geworden war, mußten die Grundbücher ihre Bedeutung verlieren. Die Auflassungs- und Eintragungstheorie war mit der Traditionstheorie nicht vereinbar; sie erhielt sich nur in wenige Städte u. a. bis in die neuere Zeit in Städten der althannoverschen Provinzen des ehemaligen Königreichs Hannover (: A. Leonhardt, zur Lehre von den Rechtsverhältnissen am Grundeigenthum I § 6 ff. :). 31
Beratungen zu Vorfragen
Die Territorialgesetzgebung verkannte vielfach den prinzipiellen Gegensatz zwischen den beiden Theorien. Man verwechselte den Akt der Eigenthumsübertragung mit dem Veräußerungsvertrage und wandte auf diesen die alte Gerichtsöffentlichkeit, welche man in der Auflassung erkannt hatte, in dem Sinne an, daß man die Gültigkeit des Kontrakts von dessen gerichtlicher Vollziehung oder wohl gar von der Bestätigung durch das Gericht der belegenen Sache abhängig machte. Die Verträge wurden von den Gerichten gesammelt oder von vornherein in Büchern niedergeschrieben. Auf diese Weise entstanden die Konsensbücher und die Protokollbücher. In anderen Ländern gelangt man zu der Einrichtung mehr oder weniger übersichtlicher Bücher (: Grund-, Hypotheken-, Unterpfands-Bücher), auf deren Grundlage sich während der letzten Jahrzehnte in Landesgesetzen und Entwürfen ein ausgebildetes Grundbuchsystem entwickelt hat. 5. Die f ü r die Verhältnisse des Grundbesitzes in Deutschland ergangenen vorgeschritteneren Gesetze gehören theils dem Pfandbuchsystem, theils dem Grundbuchsystem an. I. Die Gruppe des Pfandbuchsystems Das Pfandbuchsystem liegt u. a. folgenden Gesetzen zu Grunde: Dem Allg. Landrecht für die preußischen Staaten vom 5. Februar 1794, dem Hypothekengesetz des Königreichs Bayern vom 1. Juni 1822, dem Pfandgesetz des Königreichs Württemberg vom 15. April 1825, dem Großherzoglich sächsischen Gesetz über das Recht an Faustpfändern und Hypotheken vom 6ten Mai 1839, den Mecklenburgischen Hypotheken-Ordnungen für Landgüter (:Rittergüter:) und f ü r die Erbpachtstellen in den Klostergütern. Gemeinsam ist diesen Gesetzen, daß das Eigenthum nicht erst durch die Eintragung in das öffentliche Buch erworben wird, daß aber die Eintragung als Eigenthümer zur gültigen Belastung des Grundstücks mit Hypotheken ausschließlich legitimirt, und daß eine Hypothek nur durch Eintragung entstehen kann. Nach dem Preußischen Allgemeinen Landrecht I 10. § 1 „erfordert die mittelbare Erwerbung des Eigenthums einer Sache, außer dem dazu nöthigen Titel, auch die wirkliche Uebergabe derselben." „Wer jedoch über ein Grundstück vor Gerichte Verfügungen treffen will, der muß sein darauf erlangtes Eigenthumsrecht dem Richter der Sache nachweisen und dasselbe in dem Hypothekenbuche vormerken lassen." (§ 6). Und die Wirkung dieser Eintragung, der sog. Besitztitelberichtigung, soll nach den §§ 7 ff. die sein, daß „der eingetragene Besitzer in allen mit einem Dritten über das Grundstück geschlossenen Verhandlungen als der Eigenthümer desselben angesehen wird", dergestalt, daß das Recht des Dritten, welches bona fide von dem eingetragenen Besitzer hergeleitet wird, weder von dem nicht eingetragenen Eigenthümer noch von dessen Rechtsnachfolger angefochten werden kann. Die Praxis hat nach anfänglichem Schwanken diese Bestimmungen so aufgefaßt, daß der eingetragene Besitzer kraft seiner Eintragung alle Verfügungen über das Grundstück vornehmen darf, deren Wirksamkeit nicht durch die Uebergabe bedingt ist, daß dagegen die Veräußerung gültig nur von demjenigen vollzogen werden kann, der das Eigenthum durch Titel und Uebergabe erworben hat. Erk. des Ober-Tribunals in Berlin vom 7. Juli 1851 und vom 6. März 1854, Entscheid. 21 S. 10 und 27. S. 287. 32
Vorlagen Johows für die Hauptkommission
Die übrigen Gesetzgebungen, die auf dem Pfandbuchsystem beruhen, haben sich mehr oder weniger eng dem altpreußischen Recht angeschlossen. Auch nach ihnen ist die Tradition das Moment, durch welche die Uebertragung des Eigenthums vermittelt wird. In Bayern ist „der Eigenthumserwerb an einer Liegenschaft durch seine Eintragung im Hypothekenbuche weder bedingt noch gesichert. Man erwirbt außerhalb des Hypothekenbuches und unabhängig von demselben Eigenthum durch die allgemeinen civilrechtlichen Erwerbsthatsachen, denen nur das Notariatgesetz Art. 14 als weiteres Erforderniß die notarielle Verlautbarung beigefügt hat." Regelsberger, das Bayerische Hypothekenrecht S. 46. „Die Eintragung des Eigenthümers ist also nicht als die nothwendige Form der Eigenthumsübertragung aufzufassen; sie hat nur die Bedeutung einer Legitimation für die mit dem Hypothekenwesen in Verbindung stehenden Rechtsgeschäfte. Für diese ist jeder, der in der II. Rubrik als Eigenthümer vorgetragen ist, als legitimirt anzusehen, auch wenn er in Wirklichkeit zur Zeit der Eintragung nicht Eigenthümer war, oder wenn sich seine Eintragung als Eigenthümer nachträglich als nicht gerechtfertigt herausstellt, und die auf Grund dieser Legitimation geschehenen Einträge sind f ü r Dritte, welche Rechte darauf begründen, rechtswirksam." Roth, Bayerisches Civilrecht § 188 Bd. 2 S. 417. In Württemberg scheidet sich die Buchführung in Güterbücher, Vertragsbücher und Unterpfandsbücher. In den Güterbüchern werden die steuerpflichtigen Immobilien, in den Vertragsbüchern die Urkunden über die Veräußerungen und in den Unterpfandsbüchern die Verschuldungen der Grundstücke vermerkt. Die Güterbücher sind dadurch von besonderer Wichtigkeit, daß in der Regel zur Verpfändung eines Grundstücks nur derjenige verstattet wird, der als Eigenthümer desselben im Güterbuche verzeichnet ist. Aber die Eintragung des Erwerbers ist nicht Bedingung der Erwerbung des Eigenthums. Das Eigenthum wird außerhalb des Güterbuches erworben. Wer indeß mit dem als Eigenthümer Eingetragenen sich einläßt, ist gegen den nicht eingetragenen wahren Eigenthümer gesichert. Maier, Comment, des Pfandgesetzes Art. 5 5 - 6 0 , Bd. 1. S. 325 ff.
II. Die Gruppe des Grundbuchsystems Die Gesetzgebungen, welche das Grundbuchsystem angenommen haben, kommen darin mit einander überein, daß sie die Tradition als Mittel zur Erwerbung des Eigenthums an Grundstücken verwerfen und dafür den Satz aufstellen, daß diese Erwerbung grundsätzlich nur durch Eintragung in das dazu bestimmte Buch, Grundbuch oder Grund- und Hypothekenbuch genannt, erfolgen kann. Dieser Satz bildet den Abschluß der Entwicklung, der die deutsche Auflassungstheorie im Laufe der Jahrhunderte unterworfen gewesen ist. Wir finden ihn u. a. anerkannt: in dem größten Theile Preußens, in Sachsen, Bremen, Hamburg, Mecklenburg. Für das Königreich Sachsen verordnete das Gesetz vom 6. November 1843 § 2: Das bürgerliche Eigenthum an Grundstücken als dingliches Recht wird nur durch Eintragung in das Grund- und Hypothekenbuch erlangt. (: Die nämliche Bestimmung findet sich in dem Gesetz des Herzogthums Sachsen-Altenburg vom 13ten Oktober 1852 und dem Gesetz des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen vom 20. Juli 1857 § 2 :) Die hier noch festgehaltene Unterscheidung zwischen bürgerlich und natürlichem Eigenthum, welche in dem älteren sächsischen Recht ihre Wurzel hat, ist in 33
Beratungen zu Vorfragen
dem bürgerlichen Gesetzbuch f ü r das Königreich Sachsen aufgegeben. Dasselbe bestimmt vielmehr ganz allgemein: § 276. Eigenthum an Grundstücken wird durch Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch erworben, ohne daß es dazu der Erwerbung des Besitzes bedarf. In Hamburg ist am 4. Dezember 1868 ein Gesetz erlassen, dessen § 6 so lautet: Das Eigenthum an Grundstücken wird durch Zuschreibung im Grundbuch erworben. Der Uebergabe des Besitzes bedarf es daneben für diesen Zweck nicht. Für Mecklenburg verordnet die revidirte Stadtbuchordnung vom 21. Dezember 1857 § 5: Das Eigenthum der städtischen Grundstücke kann nur durch die Verlassung — die Eintragung des neuen Eigenthümers in die erste Rubrik — übertragen und erworben werden. In Preußen bestimmt für die Landestheile, in welchen das Allg. Landrecht gilt, das Gesetz über den Eigenthumserwerb etc. vom 5. Mai 1872: § 1. Im Fall einer freiwilligen Veräußerung wird das Eigenthum an einem Grundstück nur durch die auf Grund einer Auflassung erfolgte Eintragung des Eigenthumsüberganges im Grundbuch erworben. § 5. Außerhalb der Fälle einer freiwilligen Veräußerung wird Grundeigenthum nach dem bisher geltenden Recht erworben. Das Recht auf Auflassung und Belastung des Grundstücks erlangt aber der Erwerber erst durch seine Eintragung im Grundbuch. Miterben können jedoch ein ererbtes Grundstück auflassen, auch wenn sie nicht als Eigenthümer desselben im Grundbuch eingetragen sind. Die Gesetzgebung vom 5. Mai 1872 ist im Jahre 1873 auch in den übrigen Provinzen, mit Ausschluß der Bezirke des Appelationsgerichtshofes zu Köln und der Appelationsgerichte zu Frankfurt a / M . und zu Wiesbaden, eingeführt worden. Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Großherzogthum Hessen (: 1845 :) hat folgende Sätze vorgeschlagen: Art. 53. Das Eigenthum an Sachen wird erworben durch Uebertragung im Gefolge eines rechtmäßigen Erwerbstitels. Art. 56. Die Uebertragung des Eigenthums an unbeweglichen Sachen ist vollzogen, sobald der Erwerbtitel von der zuständigen Behörde in das dazu bestimmte öffentliche Buch eingetragen worden ist. Der Entwurf eines b. Gesetzb. für das Königreich Bayern (1864) nimmt nachstehende Vorschriften in Aussicht: T h . III. 2. Art. 56. Der Erwerb von Eigenthum und anderen Rechten an Liegenschaften wird, vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Bestimmungen, bewirkt durch rechtsförmliche Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch nach den näheren Vorschriften dieses Gesetzbuches und der Grundbuchordnung. Art. 57. Die zu einer Erbschaft gehörigen Rechte an Liegenschaften gehen auf den Erben mit der Erwerbung der Erbschaft über. Der Erbe kann jedoch erst dann grundbuchmäßig über diese Rechte verfügen und sie gegen Dritte geltend machen, wenn er die Eintragung seiner Berechtigung in das Grundbuch bewirkt hat. Th. III. 3. Art. 149. Das Eigenthum einer Liegenschaft wird erworben: 1, durch die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch als Eigenthümer; 2, durch Erbschaft, vorbehaltlich der Bestimmung des Art. 57; 3, durch Zuwachs in den Fällen des Gesetzes vom 28. Mai 1852, die Benutzung des Wassers betreffend, Art. 23, 30, 32, 42, 43, 44 und 45. 34
Vorlagen Johows für die Hauptkommission Auch außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches hat das Grundbuchsystem gesetzliche Anerkennung gefunden, so namentlich in Oesterreich durch das bürgerliche Gesetzbuch §§ 431 und 444, und in der Schweiz insbesondere durch die Gesetzbücher für Solothurn und für Zürich und durch die Baseler Grundbuchgesetze. Der Unterschied zwischen dem Pfand- und den Grundbuchsystemen giebt v. Meibom (das Mecklenburgische Hypotheken-Recht S. 44 f.) dahin an: „Das erstere System berücksichtigt ausschließlich die Bedürfnisse des Realkredits, indem es von dem Grundsatz ausgeht, daß das Buch eine vollständige Uebersicht über die Hypotheken und die ihnen gleichgestellten Beschwerungen des Grundstücks gewähren soll, wogegen die Eintragung des Eigenthums und anderer dinglicher Rechte nur wegen ihrer Beziehung zu den Hypotheken vorgeschrieben oder zugelassen ist. Das zweite System berücksichtigt außer dem Realkredit auch die übrigen Bedürfnisse des Immobiliarverkehres, indem es von dem Grundsatz ausgeht, daß das Buch eine vollständige Uebersicht über alle dinglichen Rechtsverhältnisse, deren Gegenstand das Grundstück ist, gewähren soll, so daß nicht blos die Hypotheken und die ihnen gleichgestellten Beschwerungen, sondern auch das Eigenthum und andere dingliche Rechte um ihrer selbst willen eingetragen werden." Das Pfandbuchsystem fingirt denjenigen, welcher als Eigenthümer in dem öffentlichen Buche eingetragen ist, als Eigenthümer im Interesse des Hypothekenwesens; das Grundbuchsystem läßt überhaupt als Eigenthümer nur denjenigen gelten, der die Eintragung als solcher erlangt hat. Die Grenzen zwischen beiden Systemen sind freilich in den einzelnen Gesetzgebungen nicht immer streng inne gehalten. 6. Ein gemeinsames Immobiliarsachenrecht für das Deutsche Reich kann meines Erachtens nur auf das Grundbuchsystem aufgebaut werden; es wird — konkret ausgedrückt — von dem Satze auszugehen haben, daß die Uebertragung des Grundeigenthums unter Lebenden nur durch Eintragung erfolgen kann. Dafür sprechen folgende Erwägungen: a, Das Pfandbuchsystem verbürgt nicht die Gewißheit und Erkennbarkeit des Grundeigenthums. Denn es läßt die Möglichkeit offen, daß derjenige, welcher in dem Hypothekenbuch als Eigenthümer aufgeführt ist, in Wirklichkeit das Eigenthum nicht erworben hat. Nach diesem System können also zu gleicher Zeit zwei Eigenthümer desselben Grundstücks vorkommen, ein natürlicher und ein BuchEigenthümer, ersterer mit dem Recht der Veräußerung, letzterer mit der Befugniß der Belastung des Grundstücks. Eine solche Duplicität kann zu großen Unzuträglichkeiten führen; sie leuchtet dem Volke nicht ein und schädigt, wo sie der Richter anerkennen muß, die Achtung vor dem Gesetz. Vergl. die Motive zu dem Bayerischen Entw. (: 1864 :) S. 29 und 30, sowie die Mot. zu dem Pr: Gesetz vom 5. Mai 1872, bei Werner, die Preuß. Grundbuch- und Hypothekengesetze etc. 2. S. 14. Das Grundbuchsystem vermeidet diese Unzuträglichkeiten. Das Pfandbuchsystem kann schwierige Untersuchungen über die Eigenthumsfrage nicht ausschließen. Das Grundbuchsystem hat sich mit solchen Untersuchungen principiell nur Einmal zu befassen, nämlich bei der Anlegung eines Blattes für ein bestimmtes Grundstück. Ist das Grundbuchblatt einmal angelegt und die erste Eintragung des Eigenthümers erfolgt, so ist die Eigenthumsfrage überhaupt im Wesentlichen erledigt, da ein Wechsel in der Person des Eigenthümers sich nur durch das Medium des Grundbuches vollziehen kann. Lührsen, Gutachten, in den Verhandl. des 3. d. Juristenkongreß Bd. 1. S. 88. Die so erzielte Sicherheit des Eigenthums kommt auch dem Realkredit zu Gute. Mag immerhin in den Staaten, in denen das Pfandbuchsystem gilt, dieses System den Kreditbedürfnissen der Grundbesitzer Rechnung tragen. Kenner der Verhält35
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nisse in verschiedenen Staaten wollen jedoch behaupten, „daß der Kredit am meisten da gesichert und die Klage über Nachtheile seltener ist, wo das System ohne Halbheit konsequent durchgeführt ist, so daß Jeder weiß, daß Niemand Eigenthümer einer Liegenschaft ist, auf deren Beurtheilung es ankommt, als derjenige, welcher als Eigenthümer eingetragen ist, daß dieses Eigenthum auch die Beschaffenheit hat, wie sie im Buche eingetragen ist, und wo Jeder sicher ist, daß die Eintragung, welcher er traute, nicht umgestoßen werden kann." Mittermaier, im Arch, für die civil. Praxis 36. S. 427. b, Das Grundbuchsystem bildet den Abschluß der geschichtlichen Entwicklung, welche die Auflassung des Deutschen Rechts durchlaufen hat. Beseler, System des gem. d. Privatrechts 3. Aufl. S. 335 ff.; Mittermaier a. a. O. S. 421, Stobbe, die Auflassung des Deutschen Rechts, in den Jahrb. für die Dogmatik des heut. röm. und deutschen Privatrechts Bd. 12 S. 137—272. Es ist der Ausdruck der im deutschen Volke begründeten Rechtsüberzeugung, daß das Grundeigenthum unter öffentlicher Kontrolle stehen muß. Wissenschaft und Praxis stimmen hierin überein. Angesehene Rechtsgelehrte sind für das Grundbuchsystem eingetreten; so namentlich Bluntschli in seinem deutschen Privatrecht (: 2. Aufl.) § 6 3 , Mittermaier, a. a. Ο., Bähr in seiner Schrift „die preußischen Gesetzentwürfe über die Rechte am Grundvermögen" (bes. Abdruck aus den Jahrb. für die Dogmatik etc. II. Bd.) 1870, Regelsberger, das bayerische Hypothekenrecht S Die vereinigten 1. und 2. Abtheilungen des Dritten Deutschen Juristentages haben am 26. August 1862 mit überwiegender Mehrheit dieses System als Grundlage für die künftige Gesetzgebung Deutschlands erkannt. (Vergl. die Verhandl. 2. S. 187:). Die Partikulargesetzgebungen der neuesten Zeit haben mit der allgemeinen Rechtsüberzeugung Schritt gehalten. Das Grundbuchsystem ist in dem größten Theile Deutschlands entweder bereits eingeführt oder doch wenigstens f ü r den Fall einer allgemeinen Kodifikation des Privatrechts in Aussicht genommen. Widerspruch aus dem Volke gegen die Neuerung ist kaum zu erwarten. Als dieselbe im Jahre 1873 in denjenigen Provinzen Preußens, welche 1866 dem Staate einverleibt sind, eingeführt wurde, geschah dies durchweg mit Zustimmung der zur Aeußerung darüber aufgeforderten Provinzialvertretungen. 7. Die Formulirung des vorgeschlagenen Satzes ergiebt, daß derselbe keine Anwendung finden soll: α, auf die Fälle, in denen das Eigenthum nicht mit dem (erklärten oder nach Vorschrift des Gesetzes ersetzten) Willen des eingetragenen Eigenthümers erworben, also auf die Fälle, in denen das Privateigenthum überhaupt erst begründet wird, (das sind die Fälle der Erwerbung herrenloser Grundstücke und der Erwerbung des Bergwerkseigenthums) oder das bereits begründete Grundeigenthum durch Zuwachs in Folge der Veränderung des Wassers eine Erweiterung erleidet, ß, auf die Erwerbung des Eigenthums durch Erbschaft. 8. Konsequenzen des Prinzips (: innerhalb des Gebietes seiner Herrschaft) sind: W e r auf Grund eines Veräußerungsvertrages ein Grundstück von dem eingetragenen Eigenthümer sich hat übergeben lassen, erlangt dadurch kein dingliches Recht, sondern nur diejenigen obligatorischen Ansprüche, welche der Vertrag für ihn begründet. Das Eigenthum bleibt so lange, bis er eingetragen wird, bei dem Veräußerer. Dieser ist nach wie vor zur Veräußerung und zur Belastung legitimirt. Veräußert er das Grundstück an einen Anderen, und dieser wird eingetragen, so kann der erstere Erwerber sich nur an seinen Kontrahenten halten. 36
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Der Eigenthümer, dem das Grundstück dadurch entzogen wird, daß rechtswidrig ein Anderer die Eintragung erlangt, kann dennoch die Verfügungen des falschen Eigenthümers gegen Dritte Personen, welche im redlichen Glauben von demselben gegen Entgelt ein Recht erworben haben, nicht anfechten. Die Anfechtungsklage steht ihm nur gegen den Beschädiger und diejenigen zu, welche von diesem mit Kenntniß der wahren Sachlage oder auf Grund eines lukrativen Titels erworben haben. Ob man dieses Anfechtungsrecht als (wahres) Eigenthum, wie Bähr a. a. O. 45 ff. 66 ff. 75 ff. annimmt, oder als Condictio, wie Stobbe a. a. O. S. 263 thut, charakterisiren muß, was namentlich f ü r den Fall des Konkurses über das Vermögen des Beklagten von praktischem Interesse ist, erscheint zweifelhaft. Die Konsequenz des Grundbuchsystems spricht für die Stobbesche Auffassung; die Gerechtigkeit dagegen f ü r die Bährsche Meinung. Es wird sich empfehlen, der letzteren Rechnung zu tragen, aber es zu vermeiden, in dem Gesetzbuch von einem Eigenthum des Anfechtungsklägers zu sprechen. Die Ersitzung des Grundeigenthums ist mit dem aufgestellten Prinzip unverträglich. Ein besonderer Besitzschutz ist entbehrlich, da das Eigenthum sofort liquide gemacht werden kann. Soweit noch ein Bedürfniß richterlichen Besitzschutzes bestehen bleibt, genügen die nach dem Entwurf der deutschen Civilprozeßordnung § 731 ff. zulässigen einstweiligen Verfügungen. (Vergl. Meischeider, Besitz und Besitzschutz § 38.)
II. Rechtsgrund der Eintragung des Grundstücks-Erwerbers in dem Grundbuche. Vorschlag Die Eintragung des Erwerbers eines Grundstücks in dem Grundbuche erfolgt, wenn dieselbe von dem eingetragenen Eigenthümer bewilligt und von dem Erwerber beantragt wird (Auflassung).
Bemerkungen 1. Wird angenommen, daß der die Uebertragung des Eigenthums an Grundstükken vermittelnde Akt die Eintragung in dem Grundbuche sein soll, so ist weiter der Rechtsgrund der Eintragung zu bestimmen. Die am meisten zu beachtenden Gesetzgebungen bezeichnen als solchen theils den Veräußerungsvertrag (mit oder ohne Tradition), theils einen von dem obligatorischen Rechtsgeschäfte sich abhebenden dinglichen Vertrag 2 . 2. Das französische Recht legt den Veräußerungsvertrag in der Weise zum Grunde, daß der Beamte lediglich den Wortlaut desselben in das öffentliche Buch einträgt, und zwar auf bloßen Antrag des Erwerbers, ohne die Einwilligung des Veräußerers zu fordern, und ohne Prüfung des Vertragsinhaltes, Code civil art. 2181 ff. Gönner Kommentar zum Bayr. Hypothekengesetz II S. 24. Mit solcher 2
Mit diesem nicht unanfechtbaren Ausdrucke sollen der Kürze halber bezeichnet werden: beiderseitige, nur auf die Uebertragung und die Erwerbung des Eigenthums durch Eintragung gerichtete Willenserklärungen.
37
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Einrichtung kann selbstredend das Ziel, das Eigenthum des eingetragenen Erwerbers zu gewährleisten, nicht erreicht werden. 3. Nach den deutschen Landesgrenzen, welche ein öffentliches Buch zur Kundmachung des Eigenthums an Grundstücken kennen, geht in der Regel der Eintragung eine Prüfung der Eigenthumsfrage voraus, die sich je nach den Erfordernissen des Eigenthumsüberganges auf den Veräußerungsvertrag und die Uebergabe oder auf den dinglichen Vertrag, immer aber auf die Legitimation des Veräußernden und meist auch dessen Willen, daß die Eintragung des Erwerbers geschehe, erstreckt. Letzteres ist bei dem Grundbuchsysteme unabweisbar, da die Eintragung eines Andern dem bisher eingetragenen Eigenthümer das Eigenthum nimmt und auf den Andern überträgt, also nur mit der Einwilligung des bisher eingetragenen Eigenthümers vorgenommen werden darf. 4. Von den übrigen Gegenständen der P r ü f u n g möge zunächst die Tradition in Betracht gezogen werden. Nach den auf dem Pfandbuchsystem beruhenden Gesetzen erstreckt sich die Prüfung der Eigenthumsfrage (vergl. über dieselbe Preuß. Hyp. Ο. v. 1783 Tit. 2 § 49 ff., Preuß. L. R. I. § 6; Bayr. Hyp. Ges. §§ 96. 97. 138 ff.; Württemb. Pfandges. v. 15. April 1825 Art. 56—60 u. Ges. v. 23. Juni 1853 Art. 1 ff.) auch auf die Uebergabe des Grundstücks an den Erwerber, als eine wesentliche Voraussetzung der Eigenthumsübertragung. Nach dem Grundbuchsysteme kann zwar die Uebergabe als Akt der Eigenthumsübertragung nicht in Betracht kommen, das würde aber nicht ausschließen, die Eintragung des Erwerbers von der vorgängigen Uebergabe abhängig zu machen. Es läßt sich auch, wenn man die Beziehungen der Kontrahenten zueinander in den Vordergrund stellt, nicht verkennen, daß der Veräußerungswille des bisherigen Eigenthümers in dem Aufgeben der thatsächlichen Herrschaft über das Grundstück zu Gunsten des Erwerbers seine Festigkeit bethätigt. Dies würde aber f ü r das Grundbuchrecht nur dann von Werth sein, wenn der Grundbuchbeamte in der Lage wäre, die geschehene Uebergabe objektiv festzustellen. Das Verfahren in Grundbuchsachen kann aber nicht prozessualisch konstruirt werden, demselben können immer nur die Erklärungen der Betheiligten zu Grunde liegen. Derartige Erklärungen haben die Natur der Versicherung einer Thatsache, ob die Versicherung richtig ist, steht dahin. In Preußen ist es vor den neuen Grundbuchgesetzen häufig vorgekommen, daß, um die Kosten einer zweiten Urkunde zu ersparen, schon in dem Veräußerungsvertrage die Uebergabe als geschehen bezeichnet ist, obgleich sie in Wirklichkeit erst später geschehen sollte, Förster, Grundbuchrecht S. 79. Es ist daher nicht rathsam, den Nachweis der Uebergabe zur Voraussetzung der Eintragung des Erwerbers zu machen. 5. Die Mehrzahl der Gesetzgebungen bezeichnet den Erwerbungstitel, also im Falle der Uebertragung des Eigenthums unter Lebenden den Veräußerungsvertrag, als den Rechtsgrund der Eintragung des Erwerbers und unterwirft denselben der Prüfung der Buchbehörde. Ältere Gesetze erstrecken diese Prüfung sogar auf die Zweckmäßigkeit der Veräußerung und forderten eine Bestätigung des Geschäfts durch das Gericht der belegenen Sache. (Stobbe, die Auflassung, in dem Jahrb. f ü r Dogmatik etc. X I I S. 235 u. 256; Beseler, System, § 90 Note 19; Gerber, System § 89, 11. Aufl. S. 240). Von solcher Bevormundung kann nach den heute geltenden Staatsmaximen nicht mehr die Rede sein. In Preußen machte die Hypothekenordnung von 1783 in Tit. 1 § 76 f. u. Tit. 2 § 11 — 13 der Behörde die Prüfung der ihr zur Eintragung vorgelegten Akte im Allgemeinen zur Pflicht und schrieb für die Besitztitelberechtigung im Besonderen Folgendes vor: 38
Vorlagen Johows für die Hauptkommission Tit. 2 § 58. W e r seinen Titulum possessionis in dem Hypothekenbuche berichtigen lassen will, muß dem Collegio, wo das Buch befindlich ist, das Erwerbungs-Instrument, es sei nun solches ein Kauf-Brief, Tausch-Kontrakt, Schenkungs-Instrument, letztwillige Disposition, Adjudications-Bescheid, oder wie es sonst N a m e n hat, im Original übergeben. § 59. Das Kollegium muß bei Prüfung dieses Gesuchs die allgemeinen Vorschriften des 1. Abschnitts § 11. sequ. befolgen und also darauf sehen; ob demjenigen, von welchem der neue Besitzer das Eigenthum überkommen zu haben vorgiebt, die Befugniß solchergestalt zu disponiren zustehe und für ihn selbst der Titulus possessionis berichtigt sei; ferner, ob der sich angebende neue Eigenthümer nach allgemeinen und Provinzial-Landes-Gesetzen besitzfähig sei, ob das Negotium selbst so beschaffen, daß dadurch die Uebertragung des Eigenthums auf den neuen Besitzer rechtlicher Art noch begründet werden könne; und endlich, ob das darüber errichtete Instrument mit den gesetzmäßigen Erfordernissen versehen sei. Das in dieser Weise auf die Spitze getriebene Legalitätsprinzip bot den Reformbestrebungen mancherlei Angriffspunkte dar. Im vorigen Jahrhundert, als der Verkehr noch in der Kindheit lag, mochte man es als weise Fürsorge für das Wohl der Unterthanen preisen, wenn der Gesetzgeber die Verträge über Grundstücke der bevormundenden Kritik der Hypothekenbehörde unterstellte. Je mehr aber in dem gegenwärtigen Jahrhundert der Verkehr sich entwickelte und diejenige Ausdehnung anzunehmen begann, welcher er in der jüngsten Zeit erreicht hat, desto lästiger wurden die Bestimmungen der Gesetze empfunden, welche der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine so ausgibige Einwirkung auf die Rechtsgeschäfte gestatteten und dadurch die Privaten in der Verfügung über den Grundbesitz oftmals hemmten und schädigten. Es ist auch noch nicht zu leugnen, daß die strenge Prüfungspflicht des Hypothekenrichters, die durch den im Hintergrunde drohenden Regreß noch bedeutend verstärkt wurde, einen Beamten von peinlicher und ängstlicher Gemüthsart zu Bedenken und Umständen verleiten konnte, welche den davon Betroffenen nicht einleuchteten, vielmehr nur als eine ungerechtfertigte Verzögerung und Erschwerung ihrer Geschäfte erschienen. Thatsache ist, daß der Verkehr bei dem Hypothekenbuch durch die Prüfung der den Eintragungsgesuchen zu Grunde liegenden obligatorischen Rechtsverhältnisse etwas Unsicheres und Langsames erhalten hatte. Vergl. die Mot. zu dem Entw. des Ges. über den Eigenthumserwerb etc. und die Verhandlungen des Herrenhauses über diesen Entw. bei Berner, die Preußischen Grundbuch- und Hypothekengesetze vom 5. Mai 1872 T h . 2. S. 10, 11, 71, 72, 93, 94; Förster, Preußisches Grundbuchrecht S. 7 und 21, Theorie und Praxis § 191 (3. Aufl.) 3 S. 390. Jene, in Preußen durch die Grundbuchgesetze von 1872 beseitigten Grundsätze über die Verpflichtungen der Behörde zur Prüfung der zur Eintragung angemeldeten Akte beherrschen, mehr oder weniger modifizirt, noch das geltende Recht in den Staaten, welche die öffentlichen Bücher nach dem Pfandbuchsystem eingerichtet haben. Man vergleiche für Bayern das Hypothekengesetz vom 1. Juni 1822. §§ 96 ff. und 136 ff., f ü r Württemberg das Pfandgesetz vom 15. April 1825 Art. 56— 60, 153, 180, dazu die Vollziehungs-Neuordnung (Hauptinstruktion) vom 14. Dezember 1825 Abschn. 2. §§21 und 24, die Verordnung vom 21. Mai 1825 §§ 23 ff., und das Gesetz vom 23. Juni 1853; f ü r Baden die Anleitung zur Führung der Grund- und Pfandbücher vom 6-/23. April 1868, §§ 17 ff., 54 ff.; für Weimar das Gesetz vom 20. April 1833. Auch nach dem Grundbuchsystem ist die Eintragung des Eigenthümers in mehreren Staaten von dem Nachweise des Erwerbstitels abhängig gemacht worden. 39
Beratungen zu Vorfragen
So verordnete für das Königreich Sachsen das Gesetz vom 6. November 1843 § 136: „Vor jedem Eintrage in das Grund- und Hypothekenbuch und vor jeder Löschung haben die Grund- und Hypothekenbehörden die Gültigkeit und Richtigkeit des angegebenen Rechtstitels zur Eintragung oder Löschung und des Anbringers Legimitation zur Sache und beziehentlich zur Verhandlung (§ 144) nach dem, was darüber beigebracht worden (§ 142), sorgfältig zu prüfen und, wenn sich hierbei Anstände und Mängel ergeben, derenthalber die Eintragung oder Löschung nicht geschehen kann, den Anbringer dessen unter deren Angabe zu bescheiden, ihm auch, insofern die Mängel gehoben werden können, die Herbeischaffung des Ermangelnden aufzugeben." Aehnliche Bestimmungen finden sich in den dem Königlich Sächsischen H y p o thekengesetz nachgebildeten Gesetzen des Herzogthums Altenburg vom 13. O k t o ber 1852 und der Fürstenthümer Reuß jüngerer Linie vom 20. November 1858 und älterer Linie vom 27. Februar 1873. Das bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863 verordnet f ü r den Fall der Eintragung des Eigenthümers: 276 bung voraus."
„Die Eintragung setzt einen Rechtsgrund zur Eigenthumserwer-
§. 277. „Einen Rechtsgrund zur Eigenthumserwerbung geben: auf Eigenthumsübertragung gerichtete Rechtsgeschäfte unter Lebenden, Erbfolge, Vermächtniß und Anwartschaft." Und der vom 9. Januar 1865 publicirte Theil der Gerichts-Ordnung hat folgende Vorschriften: §. 133. „In die zweite Rubrik" des Grundbuches gehören: 1.) der N a m e des Eigenthümers, 2.) der Rechtsgrund zur Eigenthumserwerbung". . . . §. 169. „Mit dem Antrage auf eine Eintragung in das Grund- und Hypothekenbuch ist die Nachweisung des Rechtsgrundes, nicht minder die Rechtfertigung des Antragstellers zu verbinden." Hiernach erstreckt sich, wie Siegmann in seinem Kommentar S. 155 ausführt, die der Behörde obliegende Prüfung auch auf die Zulässigkeit und Vollständigkeit des ihr vorgetragenen Geschäfts. Dasselbe ist anzunehmen für das Herzogthum Meiningen nach dem Gesetze vom 15. Juli 1862 Art. 25 und 26. Für das Großherzogthum Hessen macht der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches im III. Titel die Eintragung des Erwerbtitels (Art. 56) von dessen Vorlegung (Art. 57) in Form einer gerichtlichen U r k u n d e und von der Einwilligung des Veräußerers (Art. 58) abhängig. Das Gesetz vom 21. Februar 1852 hat die ausdrückliche Einwilligung nur f ü r gewisse Ausnahmefälle als Erforderniß der Eintragung des Erwerbers beibehalten und demgemäß das Hauptgewicht auf die Prüfung des Titels gelegt. Nach dem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern setzt die Eintragung als Eigenthümer einen zur Erwerbung des Eigenthums zustehenden Rechtstitel voraus. Einen solchen gewähren nach Art. 150 u. a. „Rechtsgeschäfte unter Lebenden, durch welche der Eigenthümer der Liegenschaft die Uebertragung des Eigenthums auf den Erwerber verwilligt." „Der Vollzug der Eintragung kann aber nach Art. 68 regelmäßig" nur erfolgen: 40
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1) auf Vorlage der öffentlichen Beurkundung des Rechtsgrundes der Eintragung und der Einwilligung zur Eintragung von Seite desjenigen, gegen welchen der Eintrag gerichtet ist; oder 2) auf Vorlage eines rechtskräftigen, die Eintragung anordnenden, richterlichen Unheiles oder Beschlusses." Ueber die Verpflichtung der Buchbehörde zur Prüfung des Erwerbstitels nach dessen materieller Gültigkeit und Rechtsbeständigkeit enthält der Entwurf eine Bestimmung nicht. Vermuthlich ist derselben ihre Stelle in der „Grundbuchordnung", auf welcher der Art. 56 verweise, vorbehalten. 6. Den oben angedeuteten Unzuträglichkeiten, welche von einer der Behörde zur Pflicht gemachten Prüfung des Erwerbstitels untrennbar sind, werden vermieden, wenn der Rechtsgrund f ü r die Eintragung nicht mehr in dem obligatorischen Titel, sondern lediglich in dem Willen des bisherigen Eigenthümers und des Erwerbs gesucht wird. Neuere Gesetzgebungen haben diesen Weg betreten und dadurch wieder angeknüpft an die durch das römische Recht unterbrochene oder doch wenigstens getrübte Entwicklung eines echt deutschen Rechtsinstituts. Die Auflassung, durch welche vor dem Eindringen des römischen Rechts in Deutschland das Eigenthum an Grundstücken erworben wurde, beruhte auf einer strengen Sonderung des dinglichen Rechts von den obligatorischen Beziehungen der Betheiligten zu einander. „Man unterschied zwischen dem Rechtsgeschäft, durch welches der Veräußerer sich verpflichtet, künftig auf den Anderen Eigenthum zu übertragen, und dem Geschäft, in welchem auf Grund jenes Moments der Veräußerer erklärt, sein dingliches Recht dem Anderen abzutreten." (Leonhardt, Rechtsverhältnisse am Grundeigenthum I. § 6 ff., S. 12. ff.; Stobbe a. a. Ο. S. 220.) Unter dem Einfluß des römischen Rechts wurden aber beide Geschäfte vielfach mit einander verwechselt und in Folge dessen die Mitwirkung des Gerichts, unter welcher die Auflassung vollzogen wurde, auf den Veräußerungsvertrag übertragen. (Beseler, Syst. § 90 und 91 Na VII. 3. Aufl. S. 338, 349; Stobbe S. 221 ff.). Zahlreiche Gesetze ließen jedoch die Auflassung in dem Sinne eines Verzichtes auf das Eigenthum bestehen, ohne gerade die alten Formen zu konserviren. (Stobbe S. 228 ff.) Mit der steigenden Bedeutung der öffentlichen Bücher aber mußte das Institut seine ursprüngliche Tendenz verlieren. Der die Uebertragung des Eigenthums vermittelnde Akt wurde in die Eintragung verlegt. Die Auflassung sank entweder zu einer leeren Form herab, oder sie beurkundete fortan nur noch die Willenseinigung des Veräußerers und des Erwerbers über den Eigenthumsübergang, ohne den letzteren selbst zu vollenden. (Gerber § 89.) So gestaltet, hat das Institut bis auf den heutigen Tag sich erhalten. Für Lübeck bestimmten die revidirten Statuten III. 6. Art. 2: „Wenn einer liegende Gründe, stehende Erbe, auch Rente verkaufft, die sollen dem käuffer f ü r den sitzenden Rath verlassen werden. Stürbe aber der Verkäuffer, ehe die Verlassung in der Stadt Erb-Buch geschrieben würde, so sollen doch nichts desto weniger desselben Erben dem Käuffer nochmals verlassen und zu Buch bringen lassen." Die Stadtbuchs-Ordnung vom 6. Juni 1818 behielt die Verlassung vor dem sitzenden Rath noch bei. Erst die Verordnung vom 25. Juli 1868 beseitigte die alte Formalität. Das Wesen der Verlassung, der Konsens der Betheiligten, als Voraussetzung der Eintragung des Erwerbers in das Stadtbuch, blieb bestehen. In der Stadt Braunschweig sind nach einer von dem Großherzoglichen Ministerium eingesandten Skizze — bestimmte Verlaßtage in Uebung. Das Gericht hält an jedem Donnerstag Audienz zur Entgegennahme der Verlassung. Hier erscheinen 41
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die Parteien persönlich in Assistenz von Anwälten oder durch Bevollmächtigte, um die Veräußerung zu verlautbaren. Dies geschieht dadurch, daß unter Erwähnung des Veräußerungsvertrages die Eintragung des Erwerbers bewilligt und beantragt wird. D a ß das Gericht vor der Eintragung Kenntniß von dem Inhalt des Vertrages nehme, ist in jener Skizze nicht gesagt. Die bloße Erwähnung des Erwerbstitels in der Auflassungserklärung aber ändert die rechtliche Natur der letzteren nicht. Entscheidend ist, daß die abstrakte Erklärung der Betheiligten, nicht das obligatorische Rechtsgeschäft die Grundlage für die Eintragung bildet. In Hamburg war die öffentliche Verlassung vor dem Rath von Alters her die regelmäßige Bedingung der Erwerbung eines Grundstücks. Schon in dem Stadtrecht von 1270 aber erscheint als zweite wesentliche Bedingung die Einschreibung in das Erbebuch der Stadt. Damit stimmt auch das (neueste) Stadtrecht von 1863 überein. Die Verlassung (Auflassung) konnte nur an einem der sieben Verlaßtage des Jahres erfolgen. Ursprünglich Schloß sich die Eintragung an die Verlassung an. Später aber, als der Verkehr wuchs, konnten wohl die vielen in derselben Rathssitzung vorkommenden Verlassungen aufgezeichnet, nicht aber die Eintragungen ordnungsmäßig bewirkt werden. Die Eintragung wurde deshalb einer besonderen Behörde (der Schreiberei) überwiesen. Bei dieser Behörde mußte nach der Verlassung die Einschreibung besonders beantragt und die Berechtigung des Verlassenden nachgewiesen werden. Der Schwerpunkt der Auflassung gelangte auf diese Weise in die Buchführung. Die Verlassung vor dem Rath verlor ihre innere Bedeutung. Der immer mehr zunehmende Verkehr drängte dahin, ganz unbestimmte Erklärungen, wie die: „A. verläßt ein Erbe", als Verlassung anzusehen. Die nähere Bezeichnung des Erbe und des Erwerbers wurde bei dem Buchführer nachgeholt. Die vielen Veräußerungen, welche das Jahr über in einer großen Stadt wie Hamburg vorkommen, ließen sich nicht auf sieben Tage zusammenzwängen. Vergl. den Aufsatz über das Hypothekenwesen der Stadt Hamburg, in dem Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung etc. 1848 S. 33 ff. Gegenwärtig sind die alten Formen und Beschränkungen weggefallen. Das Gesetz vom 4. Dezember 1868 verordnet: §. 1. Die bisher unter dem Namen „Verlassung" erforderlich gewesenen Aufrufungen von Grundeigenthum und Hypothekenposten werden hiermit aufgehoben. Eintragungen in die Grund- und Hypothekenbücher haben in Z u k u n f t nach Maßgabe des gegenwärtigen Gesetzes die nämlichen rechtlichen Wirkungen, welche sie bisher nach vorangegangener Verlassung erlangten. Die Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken, welche nach § 6 durch Zuschreibung im Grundbuch erworben wird, setzt nach § 4 „regelmäßig einen von demjenigen, welchem das Grundstück darin zugeschrieben steht, seinen gesetzmäßigen Vertretern oder Rechtsnachfolgern, an das Hypothekenbüreau gerichteten Antrag oder demselben ertheilten Konsens voraus." Das Gesetz schreibt weiter vor: §. 7. Zur Zuschreibung eines Grundstücks ist die ausdrücklich erklärte Zustimmung auch desjenigen erforderlich, auf den dadurch das Eigenthum übertragen werden soll. 49. Die wegen Eintragungen in die öffentlichen Bücher zu stellenden Anträge oder zu ertheilenden Konsense (§ 4) können nicht von den Betheiligten schriftlich eingesandt, sondern müssen in den auf dem Hypothekenbüreau dazu angesetzten Audienzen vorgebracht und von den Beamten nach Prüfung der Legitimation zu Protokoll genommen werden. V o n dem Veräußerungsvertrage nimmt die Behörde nach diesem Gesetz ebensowenig Kenntniß wie nach dem älteren Recht. 42
Vorlagen Johows für die Hauptkommission Die Mecklenburgischen Gesetze bezeichnen durch das W o r t „Verlassung" die Eintragung des Eigenthümers, nicht den derselben vorausgehenden Akt. Der Rechtszustand ist in beiden Großherzogthümern wesentlich derselbe. Die Stadtbuchordnung vom 21. Dezember 1857 bestimmt, im Anschluß an die früheren Gesetze unter §. 8 Ns. 3, daß die Verlassung bei Geschäften unter Lebenden nur geschieht auf die ausdrückliche Erklärung des aus dem Buche sich ergebenden Eigenthümers oder dessen gesetzlichen Vertreters, daß er sein Eigenthum dem neuen Erwerber auflasse, und des letzteren, daß er solches annehme. Die Vorlegung oder die Offenlegung des obligatorischen Rechtsgeschäfts, in Erfüllung dessen etwa die Auflassung erfolgt, ist nicht vorgeschrieben. Doch muß nach § 9 in der Regel „bei der Verlassung eine bestimmte und vollständige Erklärung der Betheiligten darüber vorliegen: ob und welche Kaufgelder oder dem ähnliche für den Uebergang des Grundstücks festgesetzte Leistungen oder Beschränkungen zu entrichten sind. In dem Falle „einer übereinstimmenden Angabe werden solche Rechte, wenn nicht eine entgegenstehende Erklärung ihres Inhabers vorliegt, vor allen neuen Intabulationen in die betreffende Rubrik eingetragen." Das Auflassungsprinzip liegt auch den Preußischen Gesetzen vom 5. Mai 1872 zu Grunde. Nachdem in dem §. 1 des Gesetzes über den Eigenthumserwerb etc. vorgeschrieben ist, daß im Fall einer freiwilligen Veräußerung des Eigenthums an einem Grundstück nur durch die auf Grund einer Auflassung erfolgte Eintragung des Eigenthumsüberganges im Grundbuch erworben wird, heißt es unter §. 2: Die Auflassung eines Grundstücks erfolgt durch die mündlich und gleichzeitig vor dem zuständigen Grundbuchamt abzugebenden Erklärungen des eingetragenen Eigenthümers, daß er die Eintragung des neuen Erwerbers bewillige, und des Letzteren, daß er diese Eintragung beantrage. Und die Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 bestimmt unter § 48: Der Grundbuchrichter darf die Auflassungserklärung erst entgegennehmen, wenn er nach Prüfung der Sache dafür hält, daß der sofortigen Eintragung des Eigenthums ein Hinderniß nicht entgegensteht. In der Auflassungserklärung können die Betheiligten das Rechtsgeschäft, welches der Auflassung zu Grunde liegt, bezeichnen, und sind dieselben befugt, eine Ausfertigung oder Abschrift der über das Rechtsgeschäft errichteten Urkunde zu den Akten zu geben. Die Eintragung des Eigenthumsüberganges muß sich unmittelbar an die Auflassung anschließen. Das Legalitätsprinzip der Hypothekenordnung von 1783 ist wesentlich eingeschränkt. Die Grundbuch-O. gibt nämlich unter § 46 folgende Vorschriften : Der Grundbuchrichter ist verpflichtet, die Rechtsgültigkeit der vollzogenen Auflassung, Eintragungs- oder Löschungsbewilligung nach Form und Inhalt zu prüfen. Ergiebt diese Prüfung für die beantragte Eintragung oder Löschung ein Hinderniß, so hat der Grundbuchrichter dasselbe dem Antragsteller bekannt zu machen. Mängel des Rechtsgeschäfts, welches der vollzogenen Auflassung, Eintragungsoder Löschungsbewilligung zu Grunde liegt, berechtigen nicht, die beantragte Eintragung oder Löschung zu beanstanden. Alle diese Bestimmungen kommen darin mit einander überein, daß sie, wenn der eingetragene Eigenthümer sein Grundstück in das Eigenthum eines Anderen über43
Beratungen zu Vorfragen
gehen lassen will, die Eintragung des Erwerbers und folglich den Eigenthumsübergang lediglich auf Grund der Erklärung dieses Uebertragungswillens des Veräußerers und der Annahmeerklärung — beziehungsweise des Eintragungsantrages — des Erwerbers geschehen lassen. 7. Diesen lediglich dinglichen Vertrag, der nach dem Vorgange der Preuß. Grundbuchgesetze passend mit dem alten Ausdruck Auflassung bezeichnet wird (wenngleich die alte und die neue Bedeutung dieses Ausdrucks sich nicht decken), entspricht der Unabhängigkeit des Sachenrechts von dem Obligationsrechte, welche bei der heutigen wissenschaftlichen Einsicht in die Natur des Rechts in dem bürger. Gesetzbuche zu voller Geltung wird gelangen müssen. Die Gesetze, welche die Eintragung des Eigenthümers auf den Erwerbungstitel desselben gründen, verücken die Grenze zwischen den Gebieten des Sachen- und Obligationenrechts. Damit das formale Recht, welches die Eintragung erzeugt, zugleich das materielle Recht sei, welches aus dem obligatorischen Titel entspringt, machen sie der das Grundbuch führenden Behörde eine genaue Prüfung dieses Titels zur Pflicht. Aber indem sie so eine Garantie für die Deckung des Bucheigenthums durch die materielle Berechtigung des Eingetragenen übernehmen, versprechen sie mehr, als sie leisten können. Denn die amtliche Prüfung des Rechtsgrundes findet ihre Begründung in den Urkunden, deren Vorlegung gefordert wird. Eine hierüber hinausgehende Untersuchung ist bei dem Grundbuchverfahren nicht ausführbar. Die Ungültigkeit oder die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts aber ist meist nicht aus der darüber errichteten Urkunde erkennbar, sondern in der Regel eine Folge von nicht beurkundeten Thatsachen, welche der Beurkundung des Geschäfts vorhergegangen oder nachgefolgt sind. Kann aber das Gesetz diese Thatsache nicht kontrolliren, so entspricht es weit mehr seiner Würde, wenn es auf eine Prüfung der obligatorischen Beziehungen überhaupt verzichtet und diese Prüfung den Betheiligten selbst überläßt. Die Parteien allein sind, so lange sie die Entscheidung des Prozeßrichters nicht angerufen haben, in der Lage, zu bestimmen, welche Rechte aus ihren Geschäften hervorgehen. Die relativ beste Bürgschaft dafür, daß nur der zur Erlangung des Eigenthums wirklich Berechtigte als Eigenthümer eingetragen wird, gewährt mithin das Gesetz, wenn es diese Eintragung von der Zustimmung des bisherigen Eigenthümers abhängig macht. Liegt diese Zustimmung vor, so hat Niemand ein Interesse daran, nach ihren Motiven zu fragen. Jede Forschung der Behörde nach den letzteren erscheint als eine ungerechtfertigte Bevormundung der Parteien. Dem Eintragungsantrage des Erwerbers kann stattgegeben werden, weil derjenige, dem allein die Verfügung über das Grundstück zusteht, die neue Eintragung will, also Niemandem einen Vorwurf machen kann, wenn er durch dieselbe in seinen persönlichen Ansprüchen an den Erwerber verletzt werden sollte. Die nicht zu vermeidende Causae cognitio wird durch Annahme der Auflassungstheorie sehr vereinfacht. Der Belästigung der Parteien, welche mit der Prüfung des obligatorischen Rechtsgrundes verbunden ist, wird der Boden entzogen. Die Behörden, welchen jetzt diese Prüfung obliegt, werden durch deren Wegfall von einer Menge mühevoller und schwieriger — oftmals unnützer — Arbeiten entlastet. 8. Die Form der Auflassung in den Kreis der Erörterung zu ziehen, ist nicht die Absicht. Dieselbe betrifft keinen Rechtsgrundsatz, der für den Entwurf von besonderer Tragweite wäre, und steht im Zusammenhange mit den Bestimmungen über die Form der übrigen Einschreibungsbewilligung und mit den Einrichtungen der 44
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Grundbuchführung; nur auf eine der künftigen Entscheidung zu unterbreitende Frage gestatte ich mir ihrer praktischen Wichtigkeit halber schon jetzt hinzuweisen. Es giebt drei Arten möglicher Formen für die Einschreibungsbewilligungen: mündliche Erklärung vor dem Grundbuchamte, beglaubigte Urkunde, Privatschrift. Meinerseits ist eine generelle Vorschrift folgenden Inhalts in Aussicht genommen: Die Bewilligung der Einschreibung ist entweder zum Protokoll des Grundbuchamtes zu erklären oder in der Form einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 367 der Civilprozeßordnung oder in einer gerichtlichen oder notariell beglaubigten Privaturkunde vorzulegen. Diese Bestimmungen gelten auch für Vollmachten, auf Grund deren eine Einschreibung bewilligt wird. Die Preuß. Grundbuchgesetze stimmen hiermit sachlich überein, haben indessen für die Auflassung die strengste Form, die von den Betheiligten mündlich und gleichzeitig vor dem zuständigen Grundbuchamte abzugebende Erklärung, vorgeschrieben. Es wird damit bezweckt, die Auflassung und Eintragung zu einem einheitlichen, ungetrennten Rechtsakt zu verbinden, welcher an die Stelle der Tradition den Eigenthumsübergang bewirkt. Man nehme an, ein zeitliches Auseinanderfallen der beiden Bestandtheile dieses Rechtsaktes könne und dürfe nicht vorkommen. Insbesondere sollte auch die Gefahr vermieden werden, daß in der Zwischenzeit zwischen der Ausstellung einer schriftlichen Auflassung und der Eintragung noch eine fernere Auflassung für eine andere Person oder Anträge auf hypothekarische Eintragungen seitens des noch als Eigenthümer eingetragenen Veräußerers eingehen können und dadurch Betrügereien möglich werden. Förster, Grundbuchrecht, S. 81. Es ist indessen zu bedenken, daß die Auflassung als Thätigkeit der Parteien und die Eintragung als Thätigkeit des Grundbuchbeamten nothwendig zeitlich auseinanderfallen, das Gesetz auch die Wirksamkeit der Eintragung nicht davon abhängig gemacht hat, noch davon abhängig machen kann, wie groß die Spanne Zeit ist, welche zwischen der Auflassung und der Eintragung verläuft, ob eine Minute, ein Tag oder ein Monat. Die unitas actus der Auflassung und Eintragung ist also nicht ein materielles Erforderniß, sondern eine Anforderung an die Geschäftsführung des Grundbuchbeamten. Genügt er dieser Anforderung nicht, oder liegt es — was insbesondere bei Parzellirungen die Regel bildet — gar nicht in seiner Macht derselben zu genügen, so ist die später erfolgende Eintragung nicht minder gültig. Kann somit ein zeitliches Auseinanderfallen der Anforderung und Eintragung vorkommen und ist dasselbe sogar in einzelnen Fällen unvermeidlich, so kann es auch vorkommen, daß in der Zwischenzeit der noch als Eigenthümer eingetragene Veräußerer noch einem Andern aufläßt oder die Eintragung einer Hypothek bewilligt. Es werden daher jedenfalls — was in den Preuß. Grundbuchgesetzen im Vertrauen auf die unitas actus unterblieben ist — in das bürgerliche Gesetzbuch Bestimmungen aufzunehmen sein, nach denen die aus solchen Vorkommnissen sich ergebenden Konflikte zu entscheiden sind. Betrügereien können von dem besten Gesetze nicht ausgeschlossen werden. Die vorgeschriebene unitas actus aber führt zu einer nicht zu unterschätzenden Belästigung des Publikums. Der Grundbuchbeamte soll die Auflassungserklärung erst entgegennehmen, wenn der sofortigen Eintragung nichts mehr im Wege steht. Der geringste Mangel, ein Schreibfehler in der Vollmacht eines Vertreters, reicht hin, daß sämmtliche Erschienene, nachdem sie vielleicht stundenlang gewartet haben, bis die Reihe an sie gekommen ist, unverrichteter Sache fortgehen und an einem anderen Tage wiederkommen müssen. Dergleichen kommt insbesondere bei den durch Erben des eingetragenen Eigenthümers vorzunehmenden Auf45
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lassungen nicht selten vor. Ein Glück für die Betheiligten, wenn der Grundbuchbeamte den Mangel erst nach der Entgegennahme der Auflassungserklärungen entdeckt, sie haben dann nicht nöthig wiederzukommen, sondern die Eintragung wird einfach von der Beseitigung des Mangels abhängig gemacht. Wird die Einschreibung einer Auflassungsurkunde zugelassen, so ist der Erwerber in der Lage, sich sofort nach dem Abschluß des Veräußerungsvertrages die Auflassung zu verschaffen und dieselbe ohne Verzug dem Grundbuchamte vorzulegen; er ist damit allen Weiterungen enthoben, die ihm sonst aus der Lässigkeit oder gar aus dem übelen Willen des Veräußerers, oder durch den T o d desselben erwachsen können. Es wird zu erwägen sein, ob dieser Umstand nicht mehr geeignet ist, den Erwerber vor Hintergehungen zu schützen, als das Festhalten der unitas actus. Bevor aber in dieser zweifelhaften Frage eine Entscheidung nach der einen oder anderen Richtung beantragt werden kann, werden die in Preußen gemachten Erfahrungen noch näher festzustellen sein. 9. In Mecklenburg erfolgt die Eintragung auf Grund der Auflassung erst nach Erlaß einer öffentlichen Bekanntmachung. Es bestimmt nämlich die Stadt-O. vom 21. Dezember 1857 unter § 8 N£ 1: „Um den Betheiligten Veranlassung zu geben, ihre etwaigen Widerspruchsrechte in Bezug auf die zu ertheilende Verlassung gerichtlich, erforderlichen Falles durch Ausbringung von Inhibitorien, geltend zu machen, soll die Verlassung nicht ander» geschehen, als wenn sie unter spezieller Angabe des zu verlassenden Grundstückes, des abtretenden Besitzers und des neuen Erwerbers vier Wochen vorher mittelst Anschlages an die Rechtstafel und entweder durch die Schwerinischen Anzeigen oder in einem Lokalblatte öffentlich verkündiget werden. Dergleichen Verkündigungen finden nur an dem ersten Dienstage jedes Monats statt." Ein solches Verfahren ist außer in den beiden Mecklenburg meines Wissens nur noch in Bremen eingeführt. Dasselbe in die Reichsgesetzgebung aufzunemen, dürfte nicht rathsam sein. Die Verkündigung kann, wenn sie nicht zu einem kostspieligen und zeitraubenden Ediktalverfahren führen soll, nur f ü r einen beschränkten Kreis die erwartete Wirkung äußern. (Beseler S. 347.) Sie ist überdies entbehrlich, wenn das Grundbuchrecht so gestaltet wird, daß jeder Dritte, der durch die Veräußerung eines Grundstücks benachtheiligt zu werden besorgt, Gelegenheit hat, durch Vormerkungen oder Arreste seinem Recht die absolute Wirkung zu sichern. 10. Die Auflassung ist ihrer Natur nach nur bestimmt für die Fälle, in denen der Eigenthümer sein Grundstück einem Anderen übertragen will. Der Titel, sei es ein Vertrag oder eine letztwillige Verfügung, begründet die Verpflichtung des Eigenthümers, die Uebertragung des Eigenthums herbeizuführen, also die Auflassung zu erklären. Wird die Abgabe dieser Erklärung verweigert, so bleibt dem Berechtigten nur übrig, den Verpflichteten dazu im Rechtswege zu zwingen und inzwischen sein Recht durch Eintragung einer Vormerkung zu wahren. Der Richterspruch, durch welchen der eingetragene Eigenthümer oder dessen Erbe zur Auflassung verurtheilt wird, ersetzt den Willen und folglich die Auflassungserklärung des Veräußerers. Auf Grund des rechtskräftigen Endurtheils erfolgt dann die Eintragung des Erwerbers, sobald dieser sie beantragt. 11. Die Auflassung ist anfechtbar, und zwar nicht nur, wenn sie eines der wesentlichen Erfordernisse entbehrt, welche jede Willenserklärung haben muß, um bestehen zu können, sondern auf Grund des Rechtsgeschäftes, in dessen Veranlassung das Grundstück aufgelassen ist. Die begründete Anfechtung verpflichtet den mittelst 46
Vorlagen Johows für die Hauptkommission
der Auflassung zur Eintragung Gelangten, die Wiedereintragung des Anfechtenden herbeizuführen. Es geschieht dies dadurch, daß der Verpflichtete das Grundstück dem Berechtigten zurückaufläßt. Die Rücksicht auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches fordert aber, daß die Anfechtung die gegen Entgelt und bona fide erworbenen Rechte Dritter, welche in der Zwischenzeit eingetragen sind, nicht berührt.
(Anschließend an die sachenrechtlichen Vorlagen I und II.) Die Ungültigkeit der Eintragung des Eigenthumsüberganges im Grundbuche Vorschlag Die aus dem Grundbuche nicht ersichtliche Ungültigkeit und die Unwirksamkeit der Eintragung des Eigenthumüberganges kann von demjenigen, gegen welchen die Eintragung erfolgt ist, wenn ihm nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Anspruch gegen Dritte zusteht, gleichwohl nicht geltend gemacht werden, 1, gegen einen Dritten, welcher ohne Kenntniß der die Ungültigkeit oder die Unwirksamkeit begründenden Thatsachen von dem Eingetragenen das Eigenthum oder ein anderes Recht an dem Grundstücke gegen Entgelt erworben hat, 2, gegen die Rechtsnachfolger eines solchen Dritten.
Bemerkungen 1. In den Bemerkungen zu der Vorlage I ist unter N £ 8 der Fall berührt, wenn dem Eigenthümer das Grundstück dadurch entzogen wird, daß ein Anderer rechtswidrig die Eintragung erlangt, und in den Bemerkungen zu der Vorlage II ist unter Ν 2 11 von der Anfechtbarkeit der Auflassung die Rede. Nachdem der Referent inzwischen von der Vorlage des H e r r n Redaktors des allgemeinen Theils über die Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts Kenntniß erlangt hat, ist hieraus Anlaß genommen, auf der Grundlage der in dieser Vorlage vertretenen Rechtsanschauung die Folgen einer ungültigen Eintragung des Eigenthumsüberganges im Zusammenhange zu untersuchen. Der H e r r Redaktor des allgemeinen Theils hat von der Erörterung ausgeschlossen neben den familienrechtlichen Verträgen auch die durch das Grundbuchrecht bedingten Modifikationen. Dem Referenten galt es, diese Modifikationen festzustellen. Es erscheint angemessen, die Ergebnisse der Untersuchung, soweit dieselben den Gegenstand der Vorlagen I und II, die auf Grund der Auflassung erfolgte Eintragung des Eigenthumsüberganges, betreffen, nachträglich vorzulegen und durch einen formulirten Vorschlag Gelegenheit zu geben zur Feststellung der Tragweite, welche der öffentliche Glaube der Grundbücher in dieser Materie haben soll. Den Vorlagen I und II liegt der Gedanke zu Grunde, daß das öffentliche Buch zuverlässige Auskunft auch über den Eigenthümer eines jeden gebuchten Grundstückes geben soll. Zuverlässig ist die Auskunft nur, soweit das Gesetz dafür sorgt, daß 1, wenn Alles in Ordnung zugeht, das Grundbuch stets den wahren Eigenthümer angiebt, es neben dem Bucheigenthümer einen anderen — wahren — Eigenthümer nicht geben kann und 2, die Ungültigkeit der Eintragung des Eigenthumsüberganges gegen den auf das Grundbuch sich verlassenden Dritten nicht geltend gemacht werden kann, der 47
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öffentliche Glaube des Buches dem Dritten schützend zur Seite steht. Um dem ersten Postulate zu genügen, ist unter Ν - I und II vorgeschlagen, daß die Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken durch die Eintragung im Grundbuche erfolgen und die Auflassung den Rechtsgrund der Eintragung bilden solle. Die Auflassung ist gedacht als ein — von dem obligatorischen Anlaß sich selbständig abhebendes — zweiseitiges Rechtsgeschäft, dessen Inhalt sich beschränkt auf diejenigen Willenserklärungen der Parteien, welche den Eigenthumsübergang durch Eintragung bezwecken, nämlich auf die Erklärung des Veräußerers, daß er die Eintragung des Erwerbers bewillige, und auf die Erklärung des Erwerbers, daß er die ihm bewilligte Eintragung beantrage. Letztere Erklärung enthält zugleich dem Veräußerer gegenüber die Annahme der Eintragungsbewilligung. Die Auflassung hat daher die N a t u r eines Vertrages. Die mit diesem Vertrage bezweckte Rechtsänderung wird erst herbeigeführt durch die Eintragung im Grundbuche. Das Zusammentreffen beider Momente, der Willenserklärungen der Betheiligten und der Eintragung, stellt den Eigenthumsübergabevertrag her, leistet also dasselbe, was die Tradition bei beweglichen Sachen. (Insofern die Auflassung Alles enthält, was von Seiten der Kontrahenten geschehen kann, um die Eigenthumsübertragung herbeizuführen, ist in den Bemerkungen der Vorlage II die Auflassung — zur Unterscheidung von dem obligatorischen Anlaß — der Kürze halber „dinglicher Vertrag" genannt.) Bei diesem Verhältnisse der Eintragung zu der Auflassung kann die Eintragung ungültig, bezw. unwirksam sein, a, aus sich selbst, b, wegen Ungültigkeit der Auflassung und c, wegen Ungültigkeit des der Auflassung zum Grunde liegenden Vertrages. 2. Wollte man hierauf die in der Vorlage über die Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts vertretenen Grundsätze ohne Berücksichtigung des dem Grundbuche gebührenden öffentlichen Glaubens anwenden, so würden sich folgende Sätze ergeben: a. Die Eintragung, welche gegen eine wesentliche Formvorschrift verstößt, ist nichtig. Die wesentlichen Formvorschriften sind im Interesse der öffentlichen Rechtsordnung gegeben. N u r eine „rechtsförmliche Eintragung" (Bayr. Entw. Thl. III. Art. 56. 74) erzeugt rechtliche Wirkung. Nicht rechtsförmlich ist beispielsweise die Eintragung, welche in einer dazu nicht bestimmten Abtheilung des Grundbuches geschehen, ferner die Eintragung, welche den Rechtsgrund des Eigenthumsüberganges (in unserem Falle die Auflassung) nicht angiebt etc. b. H a t die in der Eintragung bezeichnete Auflassung gar nicht stattgefunden, oder weicht die Eintragung von dem Inhalte der erfolgten Auflassung ab, so ist die Eintragung nichtig. Dies betrifft rechtsförmliche Eintragungen, deren Inhalt falsch ist. Auch hierbei ist gegen Gesetze verstoßen, welche im Interesse der öffentlichen Rechtsordnung gegeben sind. In den Fällen der Sätze a und b beruht die Nichtigkeit stets auf Verschuldung des Grundbuchbeamten. c. Ist die der Eintragung zum Grunde liegende Auflassung nichtig, so ist die Eintragung nichtig, ist die Auflassung anfechtbar, so ist die Eintragung anfechtbar. Die Eintragung hat nur die Bestimmung, der gültigen Auflassung Wirksamkeit zu verleihen, die aus einer ungültigen Auflassung erfolgte Eintragung ist in demselben Umfange unwirksam wie die Auflassung selbst. d. Ist das der Auflassung zum Grunde liegende Rechtsgeschäft nichtig oder anfechtbar, und hat dessen Ungültigkeit nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die U n 48
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Wirksamkeit der Auflassung wegen mangelnder Voraussetzung zur Folge, so ist die Eintragung unwirksam. Die Auflassung ist als selbstständiges Rechtsgeschäft an sich nicht bedingt durch die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, in dessen Erfüllung sie erklärt worden ist. Kannte der Auflassende die Ungültigkeit dieses Rechtsgeschäfts, so ist und bleibt sie gültig; in der Auflassung liegt, wenn das Rechtsgeschäft anfechtbar war, ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht, so daß auch das Rechtsgeschäft gültig wird; wenn das Rechtsgeschäft nichtig war, so kann zwar die Nichtigkeit derselben nicht getheilt werden, es bleibt nichtig, aber die Auflassung kann nicht angefochten werden, weil das Erforderniß der mangelnden Voraussetzung fehlt. W a r aber dem Auflassenden die Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts unbekannt, so ist sie wegen mangelnder Voraussetzung unwirksam und demzufolge auch die Eintragung unwirksam, ein Fall, der rechtlich ebenso liegt wie die Anfechtbarkeit. e. Die nichtige Eintragung wird so angesehen, als ob sie nicht vorhanden wäre. Derjenige, welcher bei Nichtberücksichtigung der nichtigen Eintragung sich aus dem Grundbuche als Eigenthümer ergiebt, hat nicht nur den persönlichen Anspruch (Vindikation) gegen die Konkursgläubiger des Mitkontrahenten und gegen jeden Dritten, welcher aus der nichtigen Eintragung ein Recht für sich herleitet. f. Die anfechtbare Eintragung ist gültig, so lange sie nicht angefochten ist. Die Anfechtung begründet nur einen persönlichen Anspruch (Kondiktion) gegen den Mitkontrahenten, in dem Konkurse des Mitkontrahenten kann der Berechtigte nur sein Interesse liquidiren, und zwar als Konkursgläubiger. Wieweit dem Anfechtenden ein Anspruch gegen Dritte zusteht, welche aus der anfechtbaren Eintragung ein Recht herleiten, bestimmt sich nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Dies alles gilt auch von der unwirksamen Eintragung (Satz d). Ihren besonderen Inhalt erhalten die in den Sätzen e und f bezeichneten Ansprüche aus der Individualität des zwischen den Betheiligten obwaltenden Konfliktes. Soweit es hierbei auf die grundbuchmäßige W a h r u n g oder Wiederherstellung des Eigenthumsrechtes, insbesondere auch auf Beseitigung derjenigen dinglichen Rechte ankommt, welche auf Bewilligung des in der ungültigen Eintragung bezeichneten Erwerbers eingetragen sind, geht der Anspruch auf die Bewilligung der hierzu erforderlichen Einschreibung im Grundbuche. 3. Der Zweck des Grundbuches würde verfehlt werden, wenn die unter 2 gefundenen Sätze nicht modifizirt würden zu Gunsten des auf das Grundbuch sich verlassenden Dritten, d. h. desjenigen, welcher ohne Kenntniß der Thatsachen, aus denen die Ungültigkeit oder die Unwirksamkeit der Eintragung des Eigenthumserwerbers sich ergiebt, von demselben das Eigenthum oder ein das Eigenthum beschränkendes Recht erworben hat. Hält man dieses Postulat mit den einzelnen Sätzen zusammen, so ergiebt sich Folgendes: α. Der Satz a widerspricht dem öffentlichen Glauben des Grundbuches nicht. Die aus der mangelnden Rechtsförmlichkeit der Eintragung folgende Nichtigkeit derselben ist Jedem ersichtlich. W e r durch Unaufmerksamkeit oder Rechtsunkenntniß die Nichtigkeit nicht bemerkt, hat den ihm daraus erwachsenden Schaden sich selbst beizumessen. ß. Auch bei den Sätzen b und c lassen sich Fälle konstruiren, in denen die Ungültigkeit der rechtsförmlichen Eintragung des Eigenthumserwerbers aus der Eintragung selbst ersichtlich ist. Von solchen Fällen würde das unter α Gesagte ebenfalls gelten. In der Regel aber wird bei rechtsförmlicher Eintragung deren Ungültigkeit aus ihr selbst nicht ersichtlich sein. Die Akten, auf Grund deren die Eintragung gesche49
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hen, insbesondere das von dem Grundbuchbeamten über die von ihm erklärte Auflassung aufgenommene Protokoll, kommen nicht in Betracht. Das Grundbuch für sich allein, ohne die Akten, bildet das öffentliche Buch, aus welchem zuverlässige Auskunft über die an den gebuchten Grundstücken bestehenden Rechte zu erlangen sein soll. Wer bei der Erwerbung eines Rechts an dem Grundstücke den Inhalt des Grundbuches für sich hatte, verdient den mit dem öffentlichen Glauben der Grundbücher verbundenen Schutz. Das Grundbuch soll aber nicht ein Deckmantel der Unredlichkeit sein. Wer bei der Erwerbung eines Rechtes anderweitig die Thatsachen kennt, aus welchen sich ergiebt, daß die Eintragung dessen, von welchem er das Recht erworben, keine Wahrheit ist, hat keinen Anspruch auf Schutz. γ. In den Fällen des Satzes b geschieht die unrechtmäßige Eintragung ohne Zuthun des bisher eingetragenen Eigenthümers. Auch bei dem Satz c kann die Auflassung deshalb nichtig sein, weil dieselbe nur scheinbar, nicht wirklich von dem bisher eingetragenen Eingenthümer erklärt ist, ζ. B. wenn ein anderer sich fälschlich für die eingetragene Person ausgegeben oder unter Vorlegung einer falschen Vollmacht als Vertreter des Eingetragenen gehandelt hat. Es ist die Meinung vertreten worden, es sei eine Uebertreibung des auf den öffentlichen Glauben bezüglichen Prinzips, auch der wider den Willen des bisher eingetragenen Eigenthümers geschehenen, falschen oder erschlichenen Eintragung eines Anderen zu Gunsten des redlichen Dritten Wirksamkeit zu belassen. (Ziebarth, Realexekution und Obligation, Seite 245: „Wer dagegen wider Willen die Eintragung verliert, sei es durch gefälschte Urkunden, sei es durch Versehen des Büchführers, dem bleibt sein absolutes Recht gegen jeden Dritten"; vergl. auch Note 26 daselbst). Hierfür scheint zu sprechen, daß der ohne sein Zuthun die Eintragung verlierende Eigenthümer eher Schutz zu beanspruchen habe als derjenige, welcher von dem fälschlich Eingetragenen ein Recht im Vertrauen auf das Grundbuch erwirbt; dieser hätte vielleicht bei sorgfältigerer Erkundigung den wahren Sachverhalt in Erfahrung bringen können, während jener kein Mittel hatte, die falsche Eintragung zu verhindern. Trotzdem dürften gewichtigere Gründe der strengen Durchführung des Prinzips zur Seite stehen. Um einen großen praktischen Zweck zu erreichen, dem Immobiliarverkehr wegen seiner besonderen Wichtigkeit für das Gemeinwesen soviel als mögliche Sicherheit zu verschaffen, muß zu Gunsten des redlichen Dritten die absolute Wirkung des dinglichen Rechts eine Beschränkung erfahren. Bei einem geordneten Grundbuchwesen wird es zu den größten Seltenheiten gehören, daß durch Fälschung eine Eintragung erschlichen oder gar durch den Grundbuchbeamten betrüglich eine falsche Eintragung bewirkt wird. Dem Referenten ist weder amtlich noch durch Rückfrage bei älteren Richtern irgend ein Fall dieser Art bekannt geworden. Und wenn aus einem Versehen des Grundbuchbeamten eine unrichtige Eintragung geschieht, was an sich schon selten vorkommt, so wird es die fast ausnahmslose Regel bilden, daß das Versehen entdeckt und das Grundbuch berichtigt wird, ohne daß der fälschlich Eingetragene inzwischen das Versehen sich bereits betrüglich zu Nutze gemacht hätte. Wollte man um solcher äußerst seltenen Fällen willen den öffentlichen Glauben des Grundbuches beschränken, so würde dadurch der Werth der Grundbucheinrichtung unverhältnismäßig verringert, da Niemand mehr ein Recht an einem Grundstücke mit der Zuversicht würde erwerben können, daß dasselbe gegen Jedermann wirksam sei; dem Immobiliarverkehr würde hieraus eine bedrückende Unsicherheit erwachsen. Ueberdies ist es ein geringeres Uebel, wenn die falsche Eintragung den Einen, gegen dessen Recht sie gerichtet ist, schädigt, als wenn sie den redlichen Erwerber und alle seine Rechtsnachfolger schädigt; dort 50
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handelt es sich um einen einzelnen Konflikt, hier droht bei später Entdeckung der Nichtigkeit eine ganze Kette von Konflikten. Die Härte, zu welchen die strenge Durchführung des Prinzips in einzelnen seltenen Fällen führen kann, wird noch erheblich gemildert, wenn man die subsidiäre H a f t u n g des Staates f ü r die von dem Grundbuchbeamten verschuldeten Beschädigungen in Aussicht nimmt (vergl. ζ. B. Preuß. Grundbuchordnung § 29, sämmtliche in den Großherzogthümern Mecklenburg— Schwerin und Strelitz geltenden Hypotheken- und Stadtbuchordnungen, das Fürstlich. Reuß'sche Gesetz vom 20. November 1858 S. 141); das Interesse des Staates erheischt auch hier, Verwicklung soweit als möglich zu vermeiden, die falsche Eintragung also lieber einmal rückwärts beschädigend wirken zu lassen. Die hier vertretende strenge Durchführung des Prinzips findet sich insbesondere in dem Preußischen Gesetz über den Eigenthumsvertrag vom 5. Mai 1872 § 9 , in dem Sächsischen bürg. Gesetz, ξ 278, in dem Bayr. Entw. Th. III. Art. 75 in Verbindung mit Art. 59, in den verschiedenen Hypotheken- und Stadtbuchordnungen der Großherzogthümer Mecklenburg—Schwerin und Strelitz (vergl. Schwerinsche Domanial—Hyp. Ord. vom 2. Januar 1854 § 32, Strelitzsche Hypothekenordn. für Privatgrundstücke in dem Domanium pp. vom 24. Dezember 1872 § 5 und 7, Strelitzsche Hyp. Ord. für die Grundstücke der ritterschaftlichen Hintersassen vom 3. Februar 1855 § 9, Revid. Stadtbuchordn. vom 21. Dezember 1857 § 36; Revid. Hyp. Ordn. f ü r Ratzeburg § 11), in den Hypothekengesetzen für Altenburg (13. Oktober 1852 § 20, 21), f ü r Meiningen (15. Juli 1862), für Sondershausen (vom 20. Juli 1857 § 18 ff.), für Weimar (20. April 1833 § 3 und 6. Mai 1839 § 133 f.) für R e u ß Plauen (27. Februar 1873), Reuß jüngere Linie (20. November 1858 § 5) und für H a m b u r g ( 4. Dezember 1868). In manchen das Grundbuchsystem befolgenden Gesetzen ist der öffentliche Glaube des Grundbuches nicht in generellen Gesetzesbestimmungen zur Geltung gebracht. Eine beschränkende Bestimmung in dem Sinne des oben bekämpften Gedankens habe ich bisher nirgends gefunden. δ. Soweit die Richtigkeit der Eintragung gegen den redlichen Dritten nicht geltend gemacht werden kann, hat die Eintragung Gültigkeit. Im Uebrigen bleiben die im Satz e aufgestellten Folgen der Nichtigkeit bestehen; insbesondere behält der Anspruch des Berechtigten die dingliche Wirksamkeit gegen die Konkursgläubiger des Mitkontrahenten und gegen jeden Dritten, welchem die Berufung auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches versagt ist. Die gegen den redlichen Dritten nicht wirkende Nichtigkeit verwandelt sich, da die Eintragung nicht mehr als nicht vorhanden betrachtet werden kann, in eine Anfechtung mit beschränkt dinglicher Wirkung. ε. Bei der anfechtbaren Eintragung kommt die Rücksicht auf den redlichen Dritten nur insoweit in Betracht, als dem Anfechtenden nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Anspruch gegen Dritte zusteht, das Anfechtungsrecht in rem wirkt. Auch in diesen Fällen ist der Anspruch gegen den redlichen Dritten zu versagen. Im Uebrigen verbleibt es bei den in Satz f aus der Anfechtbarkeit der Eintragung hergeleiteten Folgen. Hiermit stimmt die Vorschrift im § 9 des cit. Preuß. Ges. überein, welche dahin geht: „Die Eintragung des Eigenthumsüberganges und deren Folgen können nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts angefochten werden. Es bleiben jedoch die in der Zwischenzeit von Dritten Personen gegen Entgelt und im redlichen Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs erworbenen Rechte in Kraft". Der Ausdruck „anfechten" bedeutet hier das Geltendmachen der Ungültigkeit, also nicht nur der Anfechtbarkeit, sondern auch der Nichtigkeit. Wieweit ein An51
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spruch gegen Dritte erhoben werden kann, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und nur wenn danach der Anfechtende einen dinglichen oder in rem wirkenden Anspruch hat, kommt der zweite, den redlichen Dritten schützende Satz in Betracht. In anderen Modifikationen ist bei der Anfechtbarkeit der Eintragung nicht auseinanderzuhalten, ob nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Anspruch in rem geht oder nicht, sondern in allen Fällen derselbe gegen Dritte zugelassen, welche zur Zeit ihrer Eintragung von der Richtigkeit oder Anfechtbarkeit der früheren Eintragung Kenntniß hatten, vergl. Sachs. Ges. B. §218; Bayr. Entw. Thl. III Art. 75 in Verbindung mit Art. 59. Begründet ist es in den Motiven nicht, daß hier ein Anspruch gegen Dritte auch dann stattfinden soll, wenn nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur ein persönlicher Anspruch gegen den Mitkontrahenten stattfindet. Die Bestimmung wäre gerechtfertigt, wenn man jedes persönliche Recht zur Sache (jus ad rem) gegen den dasselbe kennenden Dritten wirken ließe, wie im Preuß. L. R. Dieser Grundsatz ist aber weder in dem Sächs. Ges. B. (vergl. §§ 764, 773 ff. und Siebenhaars Kommentar zu § 278) noch in dem Bayr. Entw. (vergl. Thl. III Art. 78) angenommen und auch in Preußen für das Grundbuchrecht aufgegeben (vergl. §§4, 15 des cit. Gesetzes). Von einer Unredlichkeit des Dritten kann nicht die Rede sein, wenn es wahr ist, daß das anfechtbare Rechtsgeschäft gültig ist, bis es angefochten wird, und die Anfechtung nur einen persönlichen Anspruch gegen den Mitkontrahenten erzeugt; der Dritte, welcher die Anfechtbarkeit kannte, wußte, daß trotzdem der Eingetragene ein Recht an dem Grundstück gültig bestellen konnte. Hiervon abzuweichen, ist von der Grundbuchordnung nicht geboten, dieselbe kann wohl die Versagung eines Anspruchs gegen Dritte, aber nicht die Zulassung eines solchen über das Maß der allgemeinen Rechtsgrundsätze hinaus rechtfertigen. 4. Bei der Ausschließung des Anspruchs gegen den redlichen Dritten kommen noch zwei bisher nicht erwähnte Fragen in Betracht A. Soll auch derjenige redliche Dritte gegen den Anspruch geschützt sein, welcher das Recht ohne Entgelt erworben? Diese Frage dürfte zu verneinen sein. Die Grundbucheinrichtung genügt ihrem Zweck, wenn sie dem regelmäßigen, auf Leistung und Gegenleistung beruhenden Verkehre Sicherheit verleiht. Es sprechen alle Gründe der Billigkeit dagegen, den öffentlichen Glauben des Grundbuches auch dem zu Gute kommen zu lassen, dem das Recht geschenkweise übertragen ist. Dies stimmt überein mit dem cit. Preuß. Ges. § 9 („von Dritten Personen gegen E n t g e l t . . . . erworbene Recht"), dem Bayr. Entw. Art. 59 („oder wenn ihr Erwerb auf einem freigebigen Titel beruht") und mehreren Thüringenschen Gesetzen. Abweichend: das Sächs. Gesetzb. § 278, das Hamburgische Gesetz vom 4. Dezember 1868, die verschiedenen Mecklenb. Hyp. und Stadtbuch—Ordnungen und ein Theil der dem Königl. Sächs. Ges. von 1843 nachgebildeten Thüringenschen Gesetze. B. Soll derjenige, welcher von dem redlichen Dritten ein Recht an dem Grundstücke herleitet, denselben Schutz wie sein Auetor unter allen Umständen genießen, oder in dem Falle nicht, wenn er die Ungültigkeit der Eintragung des Auetors seines Auetors kannte? Man wird sich für die erste Alternative entscheiden müssen. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs fordert, daß das von dem redlichen Dritten erworbene Recht bei vollen Kräften bleibe. Er muß über dasselbe mit voller Wirkung verfügen können und darf darin nicht beschränkt sein durch eine Bestimmung, welche unter Umständen das Recht unveräußerlich machen würde. Wie ihm selbst die 52
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nachträglich erlangte Kenntniß von der Ungültigkeit der Eintragung seines Auetors nicht schadet, ebenso irrelevant ist es, ob und wann hiervon derjenige Kenntniß erlangt hat, an den er das einmal gültig erworbene Recht veräußerte. Auch die Kenntniß des Erben des redlichen Dritten kommt nicht in Betracht. Daß der § 9 des cit. Preuß. Ges. in diesem Sinne zu verstehen ist, folgt aus dem gebrauchten Ausdruck: „Die Rechte bleiben in Kraft". Zweifelhaft ist der Sinn des Satzes im § 278 des Sachs. Ges. B.: „Sind Dritte später als Eigenthümer eingetragen worden, so kann eine Löschung ihrer Eintragung nur verlangt werden, wenn sie zur Zeit derselben von der Nichtigkeit Kenntniß hatten." Die Motive erörtern die in Rede stehende Frage nicht. Die hierher bezüglichen Sätze des Bayr. Entw. (Thl. III Art. 59, 75) sprechen nur von dem redlichen Dritten selbst („gegen den Sondernachfolger sowie gegen denjenigen, zu dessen Gunsten von dem eingeschriebenen Rechte an der Liegenschaft bestellt sind"), nicht von denen, welche von demselben ein Recht an dem Grundstücke herleiten, lassen somit die in Rede stehende Frage offen. Dasselbe gilt, soviel dem Referenten ersichtlich, von den übrigen das Grundbuchprinzip befolgenden Modifikationen und Landesgesetzen.
III. Verfolgbarkeit des Eigenthums an beweglichen Sachen Vorschlag Der Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache steht dem Eigenthümer gegen Jeden zu, der ihm dieselbe vorenthält. Der redliche Erwerber ist zu der Herausgabe nur verpflichtet gegen Erstattung dessen, was er für die Erwerbung der Sache gegeben oder geleistet nat. Bemerkungen 1. Der f ü r die dinglichen Rechte an unbeweglichen Sachen zur Geltung gebrachte Grundsatz der Öffentlichkeit kann in dem Mobilar—Sachenrecht nicht in gleicher Weise verwirklicht werden, weil es unausführbar ist, die dinglichen Rechte an beweglichen Sachen durch ein öffentliches Buch erkennbar zu machen. Der Widerstreit der Interessen des Berechtigten und des Erwerbers bedarf einer anderen Lösung. Die Vorschläge des Unterzeichneten beschränken sich auch hier auf das Eigenthum und betreffen in dem vorliegenden Satze die Verfolgbarkeit desselben. 2. Das Römische Recht giebt auch bei beweglichen Sachen dem Eigenthümer den Anspruch auf Herausgabe gegen Jeden, der ihm die Sache vorenthält, selbst gegen den redlichen Erwerber. L. 10 D. de rei vind. (VI. 1.). 3. In dem germanischen Rechte haben sich auf Wegen, die noch nicht völlig aufgedeckt sind, dem Erwerber günstigere Grundsätze gebildet. Es ist die Art des germanischen Rechts, von der Erscheinung des Rechts auf dessen Dasein zurückzugehen und unter Abwägung alles dessen, was von den Parteien zur Darlegung des besseren Rechts vorgebracht wird, darüber Entscheidung zu treffen, wer die Sache behalten soll. (Meischeider Besitz und Besitzschutz S. 181). Diese Anschauung spricht sich in dem Gebrauch des Wortes Gewere aus und liegt dem „anefang" zu Grunde, jener Clage auf Zurückgabe fahrender Habe, bei welcher vorausgesetzt zu werden pflegte, daß der belangte Besitzer die Sache durch Raub oder Diebstahl an sich gebracht habe. (Gerber Deutsches Privatrecht §§ 72. 102.). Die Clage „ane53
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fang" war nicht an den Beweis des Eigenthums gebunden, sondern hatte die N a t u r der Deliktsklage, daher konnte sie selbst dem Eigenthümer versagen, wenn sich die Voraussetzung eines Delikts des Belangten als unbegründet erwies. Aus solchen Anefang-Fällen scheint der Satz des Sachsenspiegels II, 60 abstrahirt zu sein. „Welch man einem andern leihet oder setzet pferd oder cleit oder icheinerhande varnde habe (zu welcher weis her die uz sinen Geweren let mit sinen willen), verkauft sie der, der si in geweren hat, oder versetzt her si, oder verspielt her si, oder wird si ihm verstolen oder abgeraubt, jene die si verligen oder versatzt hat, der en mac da incheine vorderunge uf haben, ane uffe den, deme her si leicht oder versetzte." Aus solchen in den mittelalterlichen Rechtsquellen sich o f t wiederholenden Aeußerungen bildete sich die Anschauung, es bestehe in Deutschland die Beschränkung der rei vindicatio, daß dem Eigenthümer einer beweglichen Sache, die mit seinem Willen in den Besitz eines Andern gelangt ist, gegen den Drittbesitzer eine Clage auf Herausgabe nicht zustehe („Hand muß Hand wahren"), er sich vielmehr an den ursprünglichen Empfänger zu halten habe. („Wo man seinen Glauben gelassen hat, muß man ihn wiedersuchen"). Es kann dahin gestellt bleiben, ob wir es hier mit einer irrigen Wortstellung zu thun haben, welche nur, soweit sie in Partikularrechte Eingang gefunden, die Bedeutung eines Rechtssatzes hat (Gerber a. a. O. § 102), oder ob diese Sätze ein Grundprinzip des deutschen Sachenrechts enthalten (Beseler Deutsches Privatr. § 86), jedenfalls haben dieselben schon früh in einzelnen Rechtsquellen mildernde Beschränkungen erfahren, insbesondere durch Zulassung der Vindikation von Sachen, die zu getreuer H a n d ausgethan worden, und von gestohlenen Sachen, durch die Bestimmung, daß die Sache nicht bei dem Empfänger von dessen Gläubigern gepfändet werden dürfe, durch die Beschränkung der Regel auf die Erwerbung der Sache im guten Glauben, durch die Bestimmung, daß auch in diesem Fall die H e r ausgabe der Sache gegen Erstattung des dafür Gegebenen gefordert werden könne, (dies namentlich im Alt—Lübischen Recht cod II Art. 194, H a c h S. 346), und daß Sachen, die einem Handwerker zur Verarbeitung hingegeben sind, durch Bezahlung des daran verdienten Lohnes eingelöst werden können (Vergl. Beseler a. a. O. S. 307). Dies Alles hielt dem Rom. Rechte, in welchem auch bei beweglichen Sachen die an sich so einfache und einleuchtende Natur des Eigenthums streng festgehalten ist, bei der Rezeption desselben nicht Stand. Selbst in dem gemeinen Sachenrecht hat sich der Satz „ H a n d muß Hand wahren" nicht erhalten können, und findet, abgesehen von den Bestimmungen der neueren Gesetzbücher, nur in dem Recht der H a n sestädte und in verwandten Statuten volle Anwendung. Hier hat sich auch die Lehre in reicher Kasuistik entfaltet, auf deren Darstellung hier verzichtet werden muß; es genüge der Hinweis auf das Revid. Lübische Recht lib. III, Tit. II Art. 2 Tit. VII Art. 17, H a m b u r g e r Stadtrecht p. II Art. 7 und Tit. 8 Art. 8, Rostocker Stadtrecht III. Th. II. Tit., Culmische Recht L. 3 Tit. 5 cap. 1 und L. 4 Tit. 2 cap. 3. Die partikularrechtlich häufig vorkommende Bestimmung, daß öffentliche Leihhäuser eine versetzte Sache dem Eigenthümer nur gegen Erstattung der Pfandforderung herauszugeben brauchen (vergl. Heimbach Lehrbuch des partikul. Privatrechts I § 188 Note 5), hat die Natur eines Privilegiums. 4. Ein größeres Herrschaftsgebiet als in Deutschland hat der Grundsatz „Hand muß H a n d wahren" durch das französische Recht erlangt. In dem Code civil Art. 2279 ist als Regel ausgesprochen: En fait de meubles, la possession vaut titre, d. h. zu Gunsten des Erwerbers gilt der veräußernde Besitzer als Eigenthümer, und 54
Vorlagen Johows für die Hauptkommission zwar mit solcher Strenge der Vermuthung, daß nicht einmal der Beweis zugelassen ist, der Erwerber habe die Nichtbefugniß des Veräußerers gekannt („Elle etablit une presomption juris et de jure, contre laquelle aucune preuve ne peut etre admise." C. C. Paris 4 juillet 1816, Decreps jeune). Ausgenommen sind gestohlene und verlorene Sachen.— Art. 2279. Neanmoins celui, qui a perdu, ou auquel il a ete vole une chose, peut la revendiquer pendant trois ans, ä compter du jour de la perte ou vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve; sauf ä celui-ci son recours contre celui, duquel il la tient. — Jedoch mit der Einschränkung, daß der Besitzer die Erstattung des Preises verlangen kann, wenn er die Sache auf einer Messe oder einem Markte oder bei einem öffentlichen Verkauf oder bei einem Kaufmann, welcher mit dergleichen Sachen handelt, gekauft hat. Art. 2280. Die Bestimmungen stehen außer in Frankreich insbesondere auch in den zum Deutschen Reiche gehörigen Gebietstheilen französischen Rechts mit Einschluß Badens noch jetzt in Geltung. Sie haben mit dem Code und durch das Ansehen desselben auch weiter Verbreitung erlangt; jedoch mehrfach mit Einschränkung auf den gutgläubigen Besitzer, ζ. B. Codice italiano art. 708 und 709; de Filippis diritto civile italiano II S. 266. Noch weiter weicht von seinem Vorbilde ab der Codigo mexicano art. 1197. Para la prescripcion de los bienes muebles, el justo titulo y buena fe se presumen siempre. Leon de Montluc sagt hierüber in seinem examen critique du nouveau code civil de Mexico, pag. 23: „Le code Mexicain ne reproduit pas la maxime, si justement attaquee, de l'art. 2279 du Code Napoleon: en fait de meubles, la possession vaut titre; il la remplace par cette autre, beaucoup plus sage et plus equitable: en fait de prescription de meubles, le juste titre et la bonne foi se presument toujours; l'interet de la facile circulation des meubles est par la suffisamment protege et en meme temps est sauvegardee la notion du juste et de l'injuste, ä laquelle la disposition de l'art. 2279, de quelque f a f o n qu'on cherche ä l'interpreter, fera toujours effrontement violence." 5. Auf das Vorbild des Code civil ist auch die Bestimmung im Oesterreichischen Bürgerlichen Gesetzbuche § 367 zurückzuführen: Die Eigenthumsklage findet gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht Statt, wenn er beweiset, daß er diese Sache entweder in einer öffentlichen Versteigerung, oder von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmann, oder gegen Entgelt von jemanden an sich gebracht hat, dem sie der Kläger selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für einer Absicht anvertraut hatte. In diesen Fällen wird von den redlichen Besitzern das Eigenthum erworben, und dem vorigen Eigenthümer stehet nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind, das Recht der Schadloshaltung zu. Mit dem Vorbilde verglichen enthält diese Bestimmung die Verbesserung, daß gegen den unredlichen Besitzer die Eigenthumsklage nicht ausgeschlossen und daß die Ausschließung derselben an die Voraussetzung des Erwerbs gegen Entgelt geknüpft ist. Aber auch so noch geschieht dem Eigenthum nicht zu rechtfertigender Abbruch. Demjenigen, welcher die Sache ohne Entgelt erworben hat, steht derjenige gleich, welchem das für die Sache Gegebenen erstattet wird. Die Rücksicht auf die Sicherheit des Verkehrs geht über das Ziel hinaus, wenn sie dem redlichen Erwerber mehr als Sicherung gegen Verlust gewährt. Glaubt man aber dem Erwerber solche Sicherung schuldig zu sein, so ist es hierfür unerheblich, auf welche Art die Sache aus der Gewahrsam des Eigenthümers gekommen ist, ob durch Verlieren oder durch Diebstahl oder mit dem Willen des Eigenthümers. 55
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6. Auf diesem Standpunkte steht das Preuß. Landrecht. Es bestimmt in Thl. I. Tit. 15: § 1. D e r wahre Eigenthümer hat das Recht, seine Sache, die seiner Gewahrsam ohne seinen Willen entnommen ist, oder vorenthalten wird, von jedem Inhaber oder Besitzer zurückzufordern. § 24. W e r die entfremdete Sache zwar redlicher Weise aber unentgeltlich an sich gebracht hat, muß sie gleichergestalt unentgeltlich dem rechtmäßigen Eigenthümer oder Besitzer verabfolgen. § 25. W e r die dem rechtmäßigen Eigenthümer oder Besitzer abhanden gekommene Sache, von einer unverdächtigen Person, durch einen lästigen Vertrag an sich gebracht hat, muß dieselbe zwar ebenfalls zurückgeben; § 26. Er kann jedoch dagegen die Erstattung alles dessen, was er dafür gegeben, oder geleistet hat, fordern. und in Thl. I. Tit. 20. § 8 0 : Ist der Gläubiger zum Besitze des Pfandes nach der Bestimmung Tit. 15 § 25. redlicher Weise gelangt, so ist er zur Ausantwortung des Pfandes an den Eigenthümer, nur gegen Entrichtung dessen, was er dem Schuldner darauf wirklich gegeben hat, verpflichtet. Die W o r t e im § 1. „ohne seinen Willen" sind eine Reminiscenz an den Satz „ H a n d muß H a n d wahren", haben aber im System das A. L. R. die Bedeutung dieses Satzes nicht. O b sie eine andere oder gar keine Bedeutung haben, ist streitig. Vgl. Erk. des O b e r - T r i b . in den Entsch. Bd. 34 S. 61, 39 S. 47, 50 S. 86, 64 S. 88 u. in Strieth. Arch. 82 S. 296 auch Gruch. Beitr. 17 S. 269. Bei den Vorarbeiten zum Landrecht führte Suarez aus: die römische Theorie begünstige ausnehmend die Sicherheit des Eigenthums, sie beschränke aber zu sehr die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Verkehrs; die Theorie des deutschen Rechts begünstige ausnehmend die Freiheit und Lebhaftigkeit des Verkehrs, dagegen scheine sie auf die Rechte des Eigenthums zu wenig Rücksicht zu nehmen; durch diese Betrachtung sei man bewogen worden, über die Vindikation eine neue T h e o rie zu bilden, welche zwischen der römischen und altdeutschen den Mittelweg halte, v. Kamptz Jahrb. Bd. 41 S. 84. Gegen die Beibehaltung der cit. Bestimmungen, welche bei den Vorarbeiten zum L. R. nicht unbeanstandet geblieben waren, hat sich später bei den Revisionsarbeiten auch nicht eine Stimme erhoben. Ges. Revis. zu L. R. I. 15 (Pens. XIII. I. B. S. 185). 7. V o n den neueren Kodifikationen haben das Sachs. Bürg. Gesetzb. und der ßayr. Entw. ebenfalls an dem Grundsatz der Vindizirbarkeit bewegl. Sachen festgehalten und zugleich das Interesse des redlichen Erwerbers berücksichtigt, letzteres jedoch in geringerem Umfange als das Pr. L. R. Nach dem Sächs. B. G. B. § 315 hat der Vindikationsbeklagte „Ersatz des für die Sache gezahlten Preises" zu verlangen, „wenn er die Sache aus einer öffentlichen Versteigerung, welche von einer Behörde oder von einer zur Abhaltung öffentlicher Versteigerungen verpflichteten Person bewirkt worden ist, oder im Meß- oder Marktverkehr von einer zum Handelsbetriebe damit befugten Person in redlichem Glauben erworben hat." In dem Bayr. Entw., Thl. III. Art. 171 ist dem Beklagten ein „Gegenanspruch auf Ersatz der Auslagen, welche ihm die Erwerbung verursacht hat" zugebilligt, wenn derselbe „die herauszugebende bewegliche Sache in einer öffentlichen Versteigerung oder von Demjenigen, welchem sie der Eigenthümer anvertraut, in gutem Glauben auf Grund eines rechtmäßigen Titels erworben hatte." Vgl. die Ausführungen in den Motiven zum Bayr. Entw. Thl. III, und zwar S. 44 zu Art. 93 u. S. 60 f. zu Art. 170, 171. 56
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Das Privatrechtliche Gesetzbuch für den Canton Zürich kommt dem Preuß. Landrecht sehr nahe. Nach § 654 kann der unrechtmäßige dritte Besitzer oder wer den Besitz unredlich erworben hat, weder dem klagenden Eigenthümer noch einem andern zu einer dinglichen Klage Berechtigten gegenüber die unentgeltliche Herausgabe verweigern. Sachen, welche auf öffentlichen und amtlich geleiteten Versteigerungen oder auf öffentlichen Märkten bei einer Marktbude von dem mit derlei Waaren handelnden Kaufmann oder Krämer gekauft werden, können von dem Eigenthümer nur gegen Ersatz des Preises zurückbegehrt werden. (§ 654.) Im Uebrigen wird zwischen Sachen, welche gegen den Willen des Eigenthümers aus seinem Besitz gekommen, und Sachen, welche er freiwillig dem Besitze eines Andern anvertraut hat, unterschieden; bei Sachen der zweiten Art hat der redliche Erwerber den Gegenanspruch auf Ersatz des auf die Sache verwendeten Preises, bei Sachen der ersten Art nicht. (§§ 651, 652.) Zu den anvertrauten Sachen werden jedoch nicht gerechnet Sachen, welche einem Handwerker oder einem Arbeiter zur Bearbeitung oder einem Familiengliede oder Dienstboten zur Besorgung überlassen werden. (§ 653.) Wenn der Besitzer einen rechtmäßigen Erwerbungstitel nachgewiesen hat, gilt die Sache als anvertrautes Gut, wenn der Eigenthümer es nicht aus den Umständen mindestens wahrscheinlich machen kann, daß ihm die Sache wider seinem Willen weggekommen sei. (§ 656.) Der Großh. Hess. Entw. folgt in Bd. 2. S. 20. Art. 7 und 8 dem Code civil, beschränkt jedoch die Nichtvindizirbarkeit auf den Fall der redlichen Erwerbung. Auch in dem Deutschen Handelsgesetzbuche Art. 306 und 307 ist für den Waarenverkehr der Grundsatz „Hand muß H a n d wahren" angenommen, und zwar mit Beschränkung auf den redlichen Erwerber und mit der Erweiterung, daß Papiere auf Inhaber gegen den redlichen Erwerber auch dann nicht vindizirt werden können, wenn die Veräußerung nicht von einem Kaufmann in dessen Handelbetriebe geschehen ist, und wenn die Papiere gestohlen oder verloren waren. Soweit die letztere Bestimmung über das Gebiet des Handelsrechts hinausgreift und einen Grundsatz des allgemeinen Civilrechts aufstellt, fällt sie in den Kreis des gemeinen Sachenrechts, wir werden uns daher mit derselben noch zu beschäftigen haben; im Uebrigen muß es der Revision des Handelsgesetzbuches überlassen bleiben, die gegen die Art. 306 und 307 etwa obwaltenden Bedenken in Betracht zu ziehen. 8. Die dinglichen Klagen des englischen Rechts sind noch ganz in jener unvollkommenen altgermanischen Anschauung befangen. Einen Eigenthumsschutz im Sinne der rei vindicatio giebt es gar nicht, man hilft sich mit Besitzklagen, deren Tragweite sich nach der Strenge der Voraussetzungen bemißt. Gegen Denjenigen, welcher die Sache ohne Titel oder Berufung auf Erbschaft noch nicht ein Jahr lang besitzt, steht dem früheren Besitzer Selbsthilfe zu. Besitz mit Titel oder mit Berufung auf Erbschaft oder von längerer Dauer als einem Jahr heißt seisin und wird geschützt 3 : 1. mit der assisa novae disseisinae gegen injusta et sine judicio disseisina, 2. mit der assisa mortis antecessoris, wenn der Kläger Intestaterbe desjenigen geworden welcher seisin von der Sache gehabt hat, 3. mit der Klage breve de ingressu, wenn der Kläger oder sein Vorfahr seisin gehabt, und der Beklagte oder dessen V o r f a h r den Besitz der Sache unter gewissen, die Verpflichtung der Rückgabe begründenden Voraussetzungen erlangt hat; 4. als ownership wird der Besitz mit der magna assisa oder breve de recto geschützt, wenn der Kläger die Sache geerbt und Derjenige, von welchem er das Erbrecht herleitet, seisin gehabt und die Sache in ge3
Dazu ist angemerkt: Meine Nachforschungen danach, wieweit diese Klagen auf Mobilien Anwendung finden, sind noch nicht beendigt.
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wisser Weise benutzt hat. (Grundmann, englisches Privatrecht, I S. 145. 318 ff.) T r o t z der weiten Verbreitung des englischen Rechts werden derartige Institute, welche Gedanken des Sachenrechts, des Obligationenrechts und des Erbrechts in unklarer Mischung enthalten, f ü r das Deutsche Recht nicht verwerthbar sein. 9. In denjenigen Rechtssystemen, welche das Eigenthum an beweglichen Sachen durch den gegen jeden Besitzer wirksamen Anspruch auf Herausgabe schützen, sind Ausnahmen zugelassen, und zwar bald durch Versagung des Anspruchs auf Herausgabe, bald durch die schärfer durchgreifende Bestimmung, daß der Empfänger auch bei der Veräußerung durch einen Unberechtigten Eigenthum erwirbt, bald mit, bald ohne Beschränkung auf die Redlichkeit des Erwerbers. Diese Ausnahmen beziehen sich auf Sachen, welche von dem Fiskus, von dem Regenten und seiner Gemahlin, oder in einer öffentlichen Versteigerung erworben sind, auf baares Geld und Papiere auf Inhaber. Eine Entscheidung darüber, ob derartige Ausnahmen in das Bürgerl. Gesetzb. aufzunehmen seien, schon jetzt herbeizuführen, ist nicht die Absicht; der vorgeschlagene Grundsatz soll die Regel bilden, ohne der Zulassung von Ausnahmen zu präjudiziren. 10. Der Vorschlag ist nicht so gemeint, daß bei dem Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache der Kläger stets den Beweis des Eigenthums zu führen habe, es bleibt vielmehr vorbehalten, in den Entwurf eine Bestimmung des Inhalts aufzunehmen, daß die Ansprüche des Eigenthümers wegen Vorenthaltung der Sache auch dem redlichen Erwerber einer beweglichen Sache zustehen, der Anspruch des redlichen Erwerbers aber entkräftet werde, wenn der Besitzer Eigenthümer der Sache ist oder dieselbe auch seinerseits redlich erworben und früher als der Kläger den Besitz redlich erlangt hat. Zu einem von allem Recht zum Besitze absehenden Besitzschutze ist kein Bedürfniß; bedarf ein Besitzstreit schleuniger Schlichtung, so reicht die nach § 731 ff. des Entwurfs der Deutschen Civilprozeßordnung zulässige einstweilige Verfügung aus. Durch Bestimmung einer kurzen Ersitzungsfrist, deren Bemessung vorbehalten bleibt, wird der Beweis des Eigenthums die dem Mobiliarverkehr entsprechende Erleichterung erfahren.
IV. Uebertragung des Eigenthums an beweglichen Sachen Vorschlag Zu der Uebertragung des Eigenthums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, daß in der auf diesen Zweck gerichteten Absicht beider Theile die Uebergabe der Sache von dem bisherigen Eigenthümer an den Erwerber erfolgt. Bemerkungen 1. D a ß in der Regel nur der Eigenthümer Eigenthum an einer beweglichen Sache übertragen kann, ergiebt sich aus dem auf die Verfolgbarkeit des Eigenthums an Mobilien bezüglichen Vorschlage. Der vorstehende Vorschlag bezweckt nur die Feststellung der übrigen Erfordernisse. Die Uebertragung — im Sinne eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden — setzt mit Nothwendigkeit bei dem Veräußerer wie bei dem Erwerber den auf den Uebergang des Eigenthums von Jenem auf diesen gerichteten Willen und dessen (ausdrückliche oder stillschweigende) Erklärung voraus. In jedem Rechtssystem findet 58
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sich diese Voraussetzung, keines begnügt sich mit demselben. Nach der Art des weitergehenden Erfordernisses folgen die Rechtssysteme entweder dem Traditionsoder dem Vertragsprinzipe. 2. Das Traditionsprinzip findet sich vor Allem im römischen Rechte. Traditionibus dominia rerum, non nudis pactis transferuntur. L. 20 C. de pactis (11,3). Der Uebergabe muß jene beiderseitig auf den Eigenthumsübergang gerichtete Absicht zum Grunde liegen. Dies der Sinn der Stelle: Nunquam nuda traditio transfert dominium, sed ita, si venditio, aut aliqua justa causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. L. 31 pr. D. de acquir. R. D. (XLI, 1). Die ehemals herrschende Ansicht, daß zu der Erwerbung jedes dinglichen Rechts ein titulus und modus erforderlich sei und zwar für die Eigenthumserwerbung durch Uebertragung als titulus der hierauf abzweckende Vertrag und als modus die Uebergabe der Sache, ist aufgegeben. Der auf den Eigenthumsübergang gerichtete Wille beider Theile muß dargethan sein und findet meistens in den der Uebergabe vorangehenden oder sie begleitenden Abreden Ausdruck. Aber das Zustandekommen eines rechtsgültigen Vertrages ist nicht Voraussetzung des Eigenthumsüberganges, derselbe vollzieht sich unabhängig von der obligatorischen Vorbereitung. Dies wird auch von denen anerkannt, welche die Auffassung, die Uebergabe sei die Form und zugleich der Inhalt eines besonderen Eigenthumsübertragungsvertrages (Windscheid Pandekten I. § 171 Note 3), bekämpfen und betonen, daß die zu der Eigenthumserwerbung erforderlichen causa traditioni in dem Veräußerungsgeschäfte liege. (Förster Theorie und Praxis pp. III § 178, insbesondere Note 4. 7.17. 22). Es hindert die Eigenthumserwerbung nicht, wenn die Betheiligten bei der Aeußerung ihres Willens, den Eigenthumsübergang zu bewirken, über die Art der Veräußerungsgeschäfte im Irrthum sind oder die Existenz einer den Veräußerer zur Uebertragung des Eigenthums verpflichtenden Obligation irrthümlich voraussetzen. L. 36 D. de acquir. R. D. (XLI, 1), welche zwar mit 1. 18 pr. D. de reb cred. (XII, 1) nicht zu vereinigen ist, aber die Entscheidung aus dem Prinzip für sich hat. 3. Bei der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland stießen diese Bestimmungen auf widerstrebende einheimische Rechtsgedanken nicht, in der älteren deutschen Anschauung fielen das Eigenthum als die absolute Herrschaft über eine Sache und der Besitz als die Verkörperung dieser Herrschaft fast ganz zusammen. Die Traditionstheorie gilt in dem ganzen Reiche mit Ausnahme der Länder französischen Rechts. Insbesondere ist auch das Preußische Landrecht dieser Theorie gefolgt. Thl. I Tit. 9 § 2. Zur Erwerbung des Eigenthums wird die Besitznehmung gefordert. § 6: Geht das Eigenthum erst durch die Erledigung des Besitzes von Seiten des vorigen und durch die Ergreifung desselben von Seiten des neuen Eigenthümers über, so heißt die Erwerbungsart mittelbar. — Nach dem damaligen Stande der Wissenschaft erfordert das Landrecht für die Erwerbung dinglicher Rechte Titel und Erwerbungsart (Thl. I. Tit. 2 §§ 131 — 134) und bestimmt demgemäß in Tit. 10 §. 1: Die mittelbare Erwerbung des Eigenthums einer Sache erfordert, außer dem dazu nöthigen Titel, auch die wirkliche Uebergabe derselben. — Was den Titel betrifft, so ist in der Wissenschaft und in der Praxis angenommen, daß, wie im gemeinen Recht, eine justa causa traditionis darunter zu verstehen sei. Koch Lehrbuch des Preußischen Privatrechts I §. 254. Förster Theorie und Praxis III. § 178 (4. Auflage S. 222.). Entscheidungen des Obertribunals Bd. 6 S. 287, Bd. 34 S. 57 ff. (61), Bd. 39 S. 47, Bd. 40. S. 54. Die theilweise ab59
Beratungen zu Vorfragen
weichenden Meinungen Baron's und Gruchot's — vergl. auch Dernberg Lehrb. des Pr. Privatrechts I S. 509 unter b — widerlegt Förster a. a. O. Note 23. Die Bestimmungen des Sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs stimmen mit der heutigen gemeinrechtlichen Theorie überein. Es heißt in dem § 253: Durch Uebergabe wird das Eigenthum einer beweglichen Sache erworben, wenn der Besitz derselben in der Absicht, Eigenthum zu übergeben, übertragen wird; in dem §254: „Die Eigenthumserwerbung durch Uebergabe setzt voraus, daß der Besitz in der Absicht, Eigenthum zu übertragen und zu erlangen, übergeben und empfangen wird, oder ein der Uebergabe gleichstehender Fall vorliegt;" und in dem § 256: „Irrtum über die Art des Geschäfts hindert den Uebergang des Eigenthums nicht, wenn Uebereinstimmung vorhanden ist, daß Eigenthum übergehen soll." Dasselbe gilt von dem Bayrischen Entwurf, vergl. Th. III. Art. 93 und 94 (Abs. 1 des Art. 94 lautet: Durch die Meinungsverschiedenheit des Gebers und Empfängers hinsichtlich der Uebertragung oder durch die irrige Voraussetzung eines zur Eigenthumsübertragung verpflichtenden Rechtsgeschäftes wird der Eigenthumsübergang nicht gehindert). Auch der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs f ü r das Großherzogthum Hessen folgt der Traditionstheorie (Bd. 2 Tit. III. § 53—56). 4. Dagegen wird nach dem französischen Rechte der Uebergang des Eigenthums durch die Obligationen vermittelt. Im Code civil ist bestimmt: Art. 711. La propriete des biens s'acquiert et se transmet. . . . par l'effet des obligations. Art. 1136. L'obligation de donner empörte celle de livrer la chose et de la conserver jusque'ä la livraison etc. Art. 1138. L'obligation de livrer la chose est parfaite par le seul consentement des parties contractantes. Elle rende le creancier proprietaire et met la chose ä ses risques des l'instant ou eile a du etre livree encore que la tradition n'en ait point ete faite, ä moins que le debiteur ne soit en demeure de la livrer; auquel cas chose reste aux risque de ce dernier. D a ß durch das bloße Zustandekommen des Vertrages demjenigen Kontrahenten, welcher die Sache erwerben will, nicht blos ein obligatorischer Anspruch gegen den Veräußerer, sondern ohne Weiteres Eigenthum erworben werde, war eine den Schöpfern des Code durchaus geläufige Vorstellung. In den von dem Staatsrath Bigot Preameneu ausgearbeiteten Motiven heißt es: „Ce n'est plus alors un simple droit ä la chose, qua'ä le creancier, c'est un droit de propriete (jus in re)." Favart sagt in dem an das Tribunal erstatteten Berichte von diesem Grundsatze: „Ces principes ont ete consacrees de tous temps 4 parmi nous." Wieweit diese Behauptung richtig ist, kann hier dahin gestellt bleiben. (L. de Montluc, examen critique du nouveau Code de Mexico, nennt den Grundsatz des Code Napoleon „contraire a l'ancienne jurisprudence francaise;" pag. 26). Jedenfalls wurde den deutschen Landen, welche das französische Recht erhielten, ein ihnen bis dahin unbekannter Grundsatz octroyirt. W o eine Sache im Vertrage nur der Gattung nach bestimmt ist, kann Eigenthum naturgemäß nicht vor der Bestimmung der Spezies übergehen. Die Bestimmung der Spezies wird in der Regel mit der Uebergabe zusammenfallen, sie kann aber auch durch consentement geschehen, und dann findet die Regel ebenfalls Anwendung. Stabel, Instit. des franzs. Civilrechts S. 121.
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Im Original steht „teras".
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Daß durch die Veräußerung allein, ohne Besitzübertragung, Eigenthum erworben wird, hat man mit dem römischen Rechte durch die Unterstellung vermitteln wollen, mit dem Eigenthum gehe auch der juristische Besitz auf den Erwerber über, da der Veräußerer nach der Uebertragung des Eigenthums auf einen Andern unmöglich den animus rem sibi habendi fortführen könne, es sei daher mit jedem Veräußerungsvertrage ipso jure ein constitutum possessorium verbunden. Stabel a. a. O. S. 120. Das constitutum possessorium setzt jedoch den thatsächlichen Vorgang voraus, daß der, welcher bisher für sich besessen hat, nunmehr für den Andern besitzen zu wollen erklärt. L. 18 pr. D. de adquir. poss. (XLI, 2) Puchta Pand. §. 130 a. E. Dergleichen fordert der Art. 1138 nicht. Nach dem Code unterscheidet sich übrigens hinsichtlich der beweglichen Sachen das durch bloßen Vertrag auf den Erwerber übergehende Eigenthum nur wenig von dem obligatorischen Anspruch auf Uebergabe. Wäre jenes Eigenthum völlig wirksam, so würde der im Besitz gebliebene Veräußerer nicht mehr in der Lage sein, an der Sache einem Andern Eigenthum zu verschaffen. Es ist aber im Art. 1141 bestimmt: Si la chose, qu'on s'est oblige de donner ou de livrer a deux personnes succesivement, est purement mobiliere, Celle des deux qu'en a ete mise en possession rfeelle est preferee et en demeure proprietaire, encore que son titre soit posterieur en date, pourvue toutefois que la possession soit de bonne foi. Hiernach werden zwar beide Erwerber durch den Vertrag Eigenthümer, aber nur derjenige bleibt Eigenthümer, d. h. hat ein gegen den Andern wirksames Eigenthum, der wirklichen Besitz erlangt hat. Ueberdies verschließt der Grundsatz: En fait de meubles, la possession vaut titre dem nicht in den Besitz gelangten Erwerber die Geltendmachung des Eigenthums gegen jeden Dritten, die zu Gunsten der verlorenen oder gestohlenen Sachen geltende Ausnahme kann einem nichtbesitzenden Eigenthümer nicht zu Gute kommen. Die in der Natur der Sache liegende Bedeutung der Uebergabe für die Eigenthumserwerbung tritt, trotz des Art. 1138, nicht nur in dem soeben erwähnten Art. 1141 sondern auch in einer andern Bestimmung des französischen Rechts hervor. Nach Art. 2102 N 2 4 des C. c. kann der Verkäufer bei einer vente sans terme die verkauften beweglichen Sachen revindiziren, wenn der Preis nicht rechtzeitig bezahlt ist. Die Revindikation findet jedoch nur so lange statt als der Käufer die Sache noch im Besitze hat. Die dingliche Wirkung der Revindikation kann sich daher nur im Fallissement zeigen, und zwar dadurch, daß die Sache den persönlichen Gläubigern des Käufers entzogen wird. Das Französische Fallissementsgesetz hat aber im Art. 550 dem Vindikationsprivileg diese Wirkung genommen. Bestehen geblieben ist indessen die Revindikation nach Art. 576 ff. des Code de commerce, welche stattfindet: pendant que les marchandises expediees seront encore en route, soit par terre, soit par eau, et avant qu'elles soient dans les magasins du failli ou dans les magasins du commissionnaire charge de les vendre pour le compte de failli (Art. 577); dem Gelangen in die Magazine steht gleich: si, avant leur arrivee, elles ont ete vendues sans fraude, sur factures et connaissements 5 ou leures de voiture (Art. 578). Auch hier ist der Rückübergang des Eigenthums an den Veräußerer an die Voraussetzung geknüpft, daß die Waare sich noch unter seiner thatsächlichen Herrschaft befindet, eine Bestimmung, der nur die Vorstellung zum Grunde liegen kann, daß das durch den Vertrag erworbene Eigenthum des Käufers erst durch die
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Im Original steht „connaissemens".
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Beratungen zu Vorfragen Besitzerlangung ein völlig wirksames, eine dinglich wirkende Revindikation des Veräußerers ausschließende geworden ist. In dem durch bloßen Vertrag erworbenen Eigenthum an einer beweglichen Sache ist mithin das jus in re schwer erkennbar. 5. Der französische Grundsatz hat, abgesehen von einigen neueren Gesetzbüchern, welche dem code civil nachgebildet sind, in den hervorragenderen Rechtssystemen anderer Länder keinen Eingang gefunden. In dem Oesterreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche ist bestimmt: §. 425. Der bloße Titel giebt noch kein Eigenthum. §. 426. Bewegliche Sachen können in der Regel nur durch körperliche Uebergabe von Hand zu Hand an einen Andern übertragen werden. Die §§. 427 und 428 handeln von der Eigenthumsübertragung vermittelst Uebergabe durch Zeichen und durch Erklärung. In dem Privatrechtlichen Gesetzbuch für den Canton Zürich lauten: §. 646. Das Eigenthum an einer beweglichen Sache wird von dem Eigenthümer auf seinen Nachfolger übertragen durch die Uebergabe des Besitzes in Folge eines auf Uebergang des Eigenthums gerichteten Rechtsgeschäftes, ζ. B. Kauf, Tausch, Schenkung. § 647. Der Vertrag für sich allein bewirkt keinen Uebergang des Eigenthums. Vielmehr muß die Uebergabe und Uebernahme des Besitzes hinzukommen. Daß auch dem spanischen Rechte der französische Grundsatz fremd sei, entnehme ich aus L. de Montluc, examen critique du nouveau code civil de Mexico pag. 26. Das Niederländische Burgerlijk Wetboek hat, obgleich das Französische Recht zum Muster gedient hat, die Traditionstheorie angenommen. Es heißt im Art. 639: Eigendom van zaken kan op geene andere wijze worden verkregen, dan. . . . door opdragt of levering ten gevolge van eenen regtstitel van eigendomsovergang, afkomstig van dengenen die geregtigd was over den eigendom te beschikken. Vergl. auch Asser, het nederlandsch burg, wetboek vergeleken met het wetboek Napoleon, pag. 471. Festzustellen, wie sich das englische Recht zu der in Rede stehenden Frage verhält, ist mir noch nicht gelungen. 6. Citate zur Begründung der Traditionstheorie, Puchta, Institutionen II §. 241: Es ist der Act der Besitzerwerbung, an welchen das Jus Gentium die Wirkung des Eigenthumserwerbs unter gewissen Voraussetzungen anknüpft, und in der That ist es das Natürlichste, die rechtliche Herrschaft die jemand erwerben soll, mit der physischen beginnen zu lassen." Förster, Theorie und Praxis, III $ 178 Note 4: „Daß die causa (traditionis) allein nicht genügt, sondern der äußere Akt der Tradition hinzukommen muß, ergiebt sich aus der Nothwendigkeit, auch die Herschaft über die Sache, die durch den Erwerb erlangt werden soll, zu verwirklichen." Bayrischer Entwurf, Motive zu Theil III S. 43: „Das System des französischen Civilgesetzbuches. . . scheint sich wohl als einfach und bequem für den Verkehr zu empfehlen; es gefährdet aber auf der anderen Seite die Sicherheit desselben. Für jeden Dritten bildet in der Regel der Besitz das Kennzeichen des Eigenthums an beweglichen Sachen, es ist daher am natürlichsten, daß für die Uebertragung desselben als charakterisirende Thatsache die Uebergabe des Besitzes bezeichnet werde."
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2. Anträge von Kommissionsmitgliedern Zum Sachenrecht Eigenthumsübertragung an Grundstücken Gegenvorschlag
v. Kübel
Das Eigenthum an Grundstücken wird im Falle eines Geschäftes unter Lebenden nur durch die Eintragung im Grundbuch und durch diese dann erworben, wenn der Erwerber in gutem Glauben auf Grund vertragsmäßiger Einwilligung des in dem Grundbuch als Eigenthümer Eingetragenen die Eintragung auf sich erwirkt hat. Bemerkungen hierzu Der H e r r Redaktor des Sachenrechts hat die zwei Sätze aufgestellt: I. Die Uebertragung des Eigenthums von Grundstücken unter Lebenden erfolgt durch Eintragung in ein öffentliches Buch, II. Die Eintragung des Erwerbes erfolgt, wenn dieselbe von dem eingetragenen Eigenthümer bewilligt und von dem Erwerber beantragt wird (: Auflassung). Der Satz, daß das Eigenthum an Grundstücken unter Lebenden nur durch die Eintragung im Grundbuch erworben wird, dürfte, wenn man auch den dafür angeführten Gründen durchaus beizupflichten Anstand nehmen kann, kaum einer Beanstandung unterliegen, wohl aber werden die Voraussetzungen zu präzisiren sein, unter welchen die Eintragung den Eigenthumserwerb bewirkt, und das hierfür maßgebende Princip scheint in dem Vorschlag nicht ausgedrückt zu sein, was sich insbesondere daraus ergiebt, was auf der vorletzten Seite der Bemerkungen zu Satz I von der Anfechtungsklage gesagt ist, wo ungewiß bleibt, ob auch demjenigen, der eine Eintragung in bösem Glauben fälschlich erwirkt, durch die Eintragung Eigenthum erworben wird, während meines Erachtens bei richtiger Aufstellung des Princips die Entscheidung aus diesem folgen wird. Zunächst wird man vermeiden müssen, auf dem Boden des Grundbuchsystems von einer Uebertragung des Eigenthums zu reden, denn übertragen kann nur derjenige ein Recht, der solches hat, das Gegentheil ist juristisch undenkbar, während nach dem Grundbuchsystem auch ohne den Willen des Eigenthümers erworben werden kann und nicht dieser, sondern die Eintragung im Grundbuch den Eigenthumserwerb bewirkt, wenn der Eintrag unter den gesetzlichen Voraussetzungen erfolgt ist. Man wird daher nur von dem Erwerbe (und Verluste) des Eigenthums reden können, wie dies auch in allen auf demselben Boden mit der Vorlage stehenden Gesetzen geschieht. Der Grund, welcher dafür spricht, f ü r den Erwerb des Eigenthums an unbeweglichen Sachen die Eintragung in ein öffentliches Buch entscheiden zu lassen und von der Tradition abzusehen, liegt in dem Verkehrsbedürfniß eines äußerlichen Merkmals, an welches der Erwerber mit Sicherheit sich halten kann, um, wenn das Merkmal zutrifft, gegen jeden Angriff gesichert zu sein. Es soll dadurch, daß der Schwerpunkt in die Eintragung gelegt wird, der Erwerber gegen die Ungewißheit geschützt 63
Beratungen zu Vorfragen werden, ob derjenige, der ihm das Eigenthum überträgt, hierzu auch befugt sei, er soll in dieser Beziehung auf den Eintrag in dem öffentlichen Buche vertrauen dürfen und soll es daher für seinen Eigenthumserwerb genügen, daß der im Grundbuch als Eigenthümer Eingetragene in den neuen Eintrag eingewilligt und der neue Erwerber im Vertrauen hierauf den neuen Eintrag erwirkt hat. Aus dieser Begründung ergibt sich von selbst das aufzustellende Prinzip und dessen Begrenzung. N u r in dem Falle, w o der neue Eintrag auf dem Vertrauen in dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs basirt, wird durch den neuen Eintrag Eigenthum erworben, wo somit der Erwerber in dem guten Glauben, daß der im Grundbuch Eingetragene der Eigenthümer sei, auf Grund der vertragsmäßigen Einwilligung von diesem den neuen Eintrag erwirkt hat. Als die Voraussetzung f ü r die Bewirkung des Eigenthumserwerbs durch die Eintragung im Grundbuch stellt sich daher dar 1, daß der als Eigenthümer Eingetragene (:im Wege des Vertrages mit dem neuen Erwerber:) eingewilligt und 2, der Erwerber in gutem Glauben war, daß der Eingetragene auch wirklich Eigenthümer sei. Erfolgt der neue Eintrag ohne Einwilligung des bis dahin als Eigenthümer Eingetragenen, so kann der neu Eingetragene getäuscht sein, indem er einen Dritten, der sich f ü r den Eingetragenen ausgegeben, dafür gehalten hat. In diesem Falle wird jedoch nicht das Vertrauen des neu Eingetragenen auf den Eintrag im öffentlichen Buche getäuscht, sondern sein Vertrauen auf denjenigen, der sich fälschlich für den Eingetragenen ausgegeben hat; der öffentliche Glaube des Grundbuchs kommt dabei gar nicht in Frage, und kann daher auch der einer wesentlichen Voraussetzung, nämlich der Einwilligung des als Eigenthümer Eingetragenen, ermangelnde neue Eintrag den neu Eingetragenen das Eigenthum nicht erwerben. Lediglich dieser ist der Getäuschte und Betrogene und der Vertrag, auf welchen der Eintrag gebaut ist, nichtig. Der Eigentühmer kann daher mit der Eigenthumsklage die Vernichtung des Eintrags dem neu Eingetragenen gegenüber bewirken. Dasselbe gilt, wenn der neu Eingetragene selbst in schlechtem Glauben war und wußte, daß der Einwilligende nicht der im Grundbuche als Eigenthümer Eingetragene sei. Hier ist der neu Eingetragene gar nicht getäuscht, er hat nicht im Vertrauen auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs, sondern betrügerischer Weise, den Eintrag erwirkt, und seine betrügliche Handlung kann ihm das Eigenthum nicht erwerben. Auch hier hat daher der bisherige Eigenthümer die Eigenthumsklage gegen den neu Eingetragenen behufs Vernichtung des Eintrags. Ebenso verhält es sich aus demselben Grunde, wenn auf Grund der Bestimmung des fälschlicher Weise neu Eingetragenen ein weiterer Eintrag von einem Dritten mit Kenntniß der wahren Sachlage erwirkt wird. Denn der Dritte ist hier lediglich Theilnehmer am Betrüge, wodurch er das Eigenthum nicht erwerben kann. Der Bemerkung zu dem Vorschlag I des Herrn Redaktors des Sachenrechtes auf der vorletzten Seite, daß die Konsequenz des Grundbuchsystems dazu führe, in den gedachten Fällen nur eine Kondiktion zu gestatten, dürfte hier noch nicht beizutreten sein. Es muß dasselbe gelten, wie bei der Tradition, wenn der Nichtigkeitsgrund sich nicht blos auf deren causa, sondern auf den Akt derselben erstreckt. Anders dagegen ist es, wenn in dem zuletzt gedachten Falle der Dritte in gutem Glauben ist, wenn er im Vertrauen auf den nach seiner äußeren Erscheinung zu Recht bestehenden Eintrag im Grundbuch und den öffentlichen Glauben des Letzteren auf Grund der Einwilligung des (fälschlich:) als Eigenthümer Eingetragenen den Eintrag auf sich erwirkt hat. Hier treffen die Voraussetzungen für den Eigenthumserwerb durch Eintragung vollständig zu, nämlich guter Glauben und Einwilli64
Anträge von Kommissionsmitgliedern
gung des Eingetragenen und es erwirbt daher der neu Eingetragene durch den Eintrag das Eigenthum und ist geschützt gegen jede Klage des bisherigen Eigenthümers, welcher sich nur mit der in diesem Falle auf Leistung des Interesse gehenden Eigenthumsklage an den Betrüger, unter Umständen mit der Syndikatsklage an den Grundbuchbeamten halten kann (wobei die Frage der Haftung des Staates für denselben entstehen wird:) In diesem letzteren Falle zeigt sich evident, daß der Erwerb des Eigenthums auf dem Boden des Grundbuchs nicht auf eine Uebertragung des Eigenthums zurückgeführt werden kann, da hier der neu eingetragene Dritte Eigenthümer wird, obwohl derjenige, auf Grund dessen Einwilligung der neue Eintrag erfolgt ist, niemals Eigenthümer war. Es wird sich dies juristisch auch konstruiren lassen, wenn man diese Art des Eigenthumserwerbes als ein der Usukapion analoges Institut auffaßt, wonach die neue Eintragung den Besitz, die vom dem Erwerber acceptirte Einwilligung des in dem Grundbuch Eingetragenen (:der Vertrag zwischen denselben:) den gerechten Titel vertritt und hierzu der gute Glaube des Erwerbers, der im Vertrauen auf das Grundbuch gehandelt, hinzutritt. Wie bemerkt, soll es zur wirksamen Eintragung des neuen Erwerbers genügen, wenn solche auf dessen, mit Einwilligung des in dem Grundbuch als Eigenthümer Eingetragenen gemachten Antrag erfolgt ist, wenn somit ein den Eigenthumsübergang bezweckender Vertrag zwischen dem Erwerber und dem als Eigenthümer Eingetragenen die Grundlage des neuen Eintrags bildet. Hiervon geht auch das preußische Gesetz vom 5ten Mai 1872 aus, denn durch die mündliche und gleichzeitig vor dem zuständigen Grundbuchamte abgegebene Erklärung des eingetragenen Eigenthümers, daß er die Eintragung des neuen Erwerbers bewillige, und des Letzteren, daß er diese Eintragung beantrage, wird der Auflassung benannte Vertrag geschlossen. Daß hierbei von der causa des Eigenthumserwerbes, dem Veräußerungsvertrage abgesehen wird, rechtfertigt sich dadurch, daß auch bei der Tradition der Erwerb des Besitzes mit dem zusammentreffenden Willen des Erwerbers, das Eigenthum zu erwerben, und des bisherigen Eigenthümers, das Eigenthum zu übertragen, zum Eigenthumserwerbe genügt, während die causa der Tradition — als bloßes Motiv und Kennzeichen für jenen Willen, Eigenthum hinzugeben und zu erwerben — ohne Einfluß auf den Eigenthumsübergang ist und ihre Nichtigkeit den letzteren nicht hindert, wenn der Nichtigkeitsgrund sich nicht auch auf den Akt der Tradition selbst erstreckt, die bloße Nichtigkeit der causa somit nur eine Kondiktion begründen kann. Dasselbe muß analog für die an die Stelle der Tradition tretende Eintragung in das Grundbuch gelten, nur daß hier das bisher in dem Grundbuch als Eigenthümer Eingetragene an die Stelle des bisherigen Eigenthümers tritt. Meines Erachtens hat es daher seine innere juristische Begründung, wenn bei dem, den Eigenthumserwerb vermittelnden Eintrag in das Grundbuch von dem Veräußerungsvertrage abgesehen und sich mit der übereinstimmenden Willenserklärung des als Eigenthümer Eingetragenen, daß er in die Eintragung des neuen Erwerbers willige, und des Letzteren, daß er diese Eintragung beantrage, begnügt wird. Ist aber hiernach gleich die causa des Eigenthumsübergangs für diesen und im Verhältniß zu Dritten ohne Bedeutung, so behält er natürlich seine Wichtigkeit für das Rechtsverhältniß unter den Parteien und sehr zweckmäßig ist die Bestimmung des § 48 der preußischen Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872, welche eine Bezeichnung der unterliegenden causa Verurkundung derselben zu den Akten des Grundbuchamtes vorsieht. 65
Beratungen zu Vorfragen
Zweifelhaft erscheint es nach dem Vorschlage II des Herrn Redaktors des Sachenrechtes, ob derselbe gleichfalls eine vertragsmäßige Zustimmung des als Eigenthümer Eingetragenen verlangt, oder ob diese Einwilligung und der Antrag des Erwerbers als zwei für sich bestehende gesonderte Akte gedacht sind. Mir scheint die Vereinbarung über den Eintrag zwischen dem Eingetragenen und dem neuen Erwerber als Basis der neuen Eintragung unerläßlich und daher die Bestimmung des § 2. des preußischen Gesetzes vom 5. Mai 1872 nicht blos eine Frage der Form der Auflassung, sondern eine sachliche Bestimmung zu sein. Allerdings könnte die Vereinbarung der Parteien auch durch Vorlegung einer sie enthaltenden Urkunde dem Grundbuchamte kund gegeben werden; es wird aber Sache der Erwägung sein, ob dies genügen und die Bedenken, welche zu der preußischen Bestimmung geführt haben, beseitigen kann. v. Weber
Antrag den Vorschlag II des H e r r n Obertribunalrath Johow über den Rechtsgrund der Eintragung des Grundstücks-Erwerbers in dem Grundbuche dahin abzuändern: „Die Eintragung des Erwerbers eines Grundstückes in dem Grundbuche erfolgt, wenn dieselbe von dem eingetragenen Eigenthümer auf Grund eines auf Eigenthumsübertragung gerichteten Rechtsgeschäfts bewilligt und von dem Erwerber beantragt wird." Eventuell, wenn der Gegenvorschlag des Herrn Obertribunaldirektor Dr. von Kübel zu Ν 2 I und II der das Sachenrecht betreffenden Vorschläge des H e r r n Redaktors des Sachenrechts angenommen wird, wird beantragt: in demselben statt des Wortes „vertragsmäßigen" zu setzen: „eines auf Eigenthumsübertragung gerichteten Rechtsgeschäfts und der "
Gründe 1. Die Uebertragung des Eigenthums unter Lebenden ist eine Leistung, die von einer im Obligationenrecht wurzelnden causa, einem Veräußerungsgeschäfte, wenn sie materiell gültig (unanfechtbar) sein soll, sich nicht loslösen läßt. Jede Uebertragung des Eigenthums durch Rechtsgeschäft unter Lebenden muß eine solche causa haben. Fehlt es an derselben, so kann die Leistung als sine causa hingegeben, zurückgefordert werden. 2. Das Legalitätsprinzip, vermöge dessen der Staat vor der Eintragung den Nachweis eines der Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken zu Grunde liegenden Veräußerungsgeschäfts verlangt, ist kein unberechtigtes. Der Staat hat ein wohlbegründetes Interesse einestheils seine Rechtshülfe und den mit der Eintragung verbundenen öffentlichen Schutz nur dann angedeihen zu lassen, wenn eine materiell gültige Eigenthumsübertragung vorliegt, also auch den Nachweis der formellen Existenz eines darauf gerichteten Rechtsgeschäfts zu fordern, anderntheils zu erfahren und glaubhaft festgestellt zu sehen, welcher Rechtsgrund der Eigenthumsübertragung zu Grunde liege. 3. Die Erleichterung des Verkehrs mit dem Grundeigenthum wird schon durch Herstellung einfacher und übersichtlicher Grund- und Hypothekenbücher und zweckmäßige Einrichtung des Verfahrens vor den Grund- und Hypothekenbehörden sowie die angemessene Organisation dieser Behörden ausreichend erzielt werden können. 66
Anträge von Kommissionsmitgliedern
4. Will man im Obligationenrecht — was zur Zeit nicht zur Berathung steht — die Gültigkeit von Veräußerungsverträgen an schriftliche oder notarielle (öffentlich beglaubigte) Form knüpfen, so würde damit die Auflassungstheorie oder das Consensprinzip im Effekte in Widerstreit treten. 5. Die Auflassungstheorie in der Strenge des Preußischen Gesetzes vom 5. Mai 1872 über Eigenthumserwerb pp § 1 § 2 durchgeführt, schlägt den Verkehr in eine lästige Fessel. Von der strengen Form des § 2 befreit, aber verliert sie sofort ihre eigentliche Natur und Bedeutung — eines dinglichen Vertrags — und sinkt zu einer bloßen Form herab. Will man aber demohngeachtet an die der Eintragung vorausgegangenen Auflassungs- und Annahme-Erklärungen der Betheiligten besondere rechtliche Folgen knüpfen, so geräth man in Gefahr gegen das Publicitätsprinzip zu verstoßen. Mündliche Erläuterungen wird vorbehalten.
Eigenthumsübergang an beweglichen Sachen
v. Kübel
Antrag Durch die in der Absicht, Eigenthum zu übertragen und zu erwerben, erfolgte Uebergabe einer beweglichen Sache erlangt der redliche Erwerber das Eigenthum, auch wenn der Uebergebende nicht Eigenthümer war. Jedes dem Erwerber bei der Uebergabe unbekannte früher begründete dingliche Recht erlischt. Auf Geld und auf Inhaberpapiere findet dies auch dann Anwendung, wenn sie gestohlen oder verloren sind. Andere verlorene oder gestohlene Sachen kann der Eigenthümer von Jedem, in dessen Händen sie sich befinden, zurückfordern, von dem redlichen dritten Besitzer jedoch nur innerhalb einer kurzen von dem Tage an, wo die Sachen weggekommen, zu berechnenden Verjährungsfrist; mit deren Ablauf erlischt das früher begründete Eigenthum und der redliche Erwerber wird Eigenthümer. (Vorbehalten bleibt, ob für Sachen, die auf Märkten, Messen, bei öffentlichen Versteigerungen oder in Kaufläden gekauft worden, dem redlichen Erwerber gestohlener oder verlorener Sachen im Falle der Zurückforderung Ersatz seiner Auslagen zu gewähren sein soll. Code Art. 2280. Hessen Art. 8.)
Gründe Für den Antrag sprechen: Die Konsequenz des f ü r den Eigenthumserwerb an Immobilien aufgestellten Grundsatzes; das auch beim Verkehr mit beweglichen Sachen bestehende Bedürfniß eines äußeren Merkmals, woran sich der redliche Erwerber halten kann und welches hier nur im Besitze sich finden läßt; der Vorgang des Handelsgesetzbuches (dem auch der Dresdener Entwurf Art. 20 gefolgt ist — Prot. S. 1048 — 1056. 1151 — 1162. 3851—3853) mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit einerseits, den Grundsatz im Handelsverkehre zu entbehren, welchem mit der Verweisung des redlichen Erwerbers auf Ersatz seiner Auslagen nicht gedient ist, und die Unzuträglichkeiten andererseits bei verschiedenen Grundsätzen innerhalb und außerhalb des Handelsverkehrs; die günstigen Erfahrungen des französischen Rechtes. 67
3. Protokolle der Kommissionsberatungen Sechste Sitzung vom 13. 10. 1875 6
3. Die Vorlagen I und II aus dem Sachenrecht wurden vom Redaktor des Sachenrechts im Allgemeinen begründet. Derselbe führt aus, daß er im Wesentlichen gleichfalls auf dem Boden des Gegenvorschlags des Ober-Tribunals-Direktor Dr. von Kuebel stehe und beantragt, seine, wie er glaube zum Theil mißverstandenen Vorschläge in folgender, das entstandene Mißverständniß beseitigender Fassung anzunehmen: „„Das Eigenthum an einem Grundstücke wird im Falle der freiwilligen Veräußerung nur durch die auf Grund einer Auflassung erfolgte Eintragung des Eigenthumsüberganges im Grundbuche erworben. Die Auflassung erfolgt durch die Erklärungen des Eigenthümers, daß er die Eintragung des neuen Erwerbers bewillige, und des letzteren, daß er diese Eintragung beantrage. Der Beschluß darüber, ob diese Erklärungen mündlich und gleichzeitig vor dem Grundbuchamte abzugeben sind, oder ob sie auch in einer, dem Grundbuchamte zu übergebenden, der Form nach näher zu bezeichnenden Urkunde abgegeben werden können, bleibt vorbehalten."" Der Verfasser des Gegenvorschlags macht aufmerksam, daß auch in der neuen Fassung der Anträge des H e r r n Redaktors der gute Glaube des Erwerbers nicht die erforderliche Berücksichtigung finde, und sodann, daß diese Fassung die Auflassung noch immer zu sehr von der Eintragung trenne. Nach ausführlichen und eingehenden Besprechungen wurde zunächst einstimmig die Annahme des sowohl den Vorschlägen des H e r r n Referenten, als denen des H e r r n Ober-Tribunals-Direktor Dr. von Kuebel zu Grunde liegenden GrundbuchSystems unter Vorbehalt der Feststellung des Umfangs der dem Grundbuche beizulegenden publica fides beschlossen, wobei die mannigfachen Bedenken, welche gegen das System sich geltend machen lassen, einer eingehenden Prüfung unterzogen wurden. Das zweite Prinzip, welches den gedachten Vorschlägen gemeinsam zu Grunde liegt, das Prinzip nämlich, daß im Veräußerungsfalle inter vivos das Eigenthum nur durch Eintragung erworben werden solle, so war man einig, daß die zu entscheidende Frage die sei, ob das Eigenthum in Veräußerungsfällen nicht anders erworben wird, als durch die Eintragung in das Grundbuch und zwar so, daß a. die Tradition nicht nöthig ist, b. die Eintragung nöthig ist, und die Tradition die Eintragung nicht ersetzen kann. Der Beschluß wurde der nächsten Sitzung vorbehalten. 6
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D i e Punkte 1 und 2 b e z o g e n sich auf Beratungen z u m Familienrecht
Protokolle der Kommissionsberatungen
Siebente Sitzung vom 15. 10. 1875 1. Das Protokoll der sechsten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Nach ausführlichen Erörterungen darüber, ob es nöthig und zweckmäßig sei im Falle der Annahme des Eintragungsprinzips besondere Rechtsnormen f ü r die Erwerbung des Eigenthums an nichteingetragenen Grundstücken, in das Gesetzbuch aufzunehmen, — sowie darüber, ob und auf welchem Wege, namentlich in Ansehung der Gebiete, in welchen ein Grundbuch nicht besteht, die dem Gesetzbuche entsprechende Eintragung sämmtlicher Grundstücke herbeizuführen, — ob dem Gesetzbuche also eine Art Grundbuch-Ordnung oder doch die wesentlichsten Prinzipien einer solchen einzuverleiben seien, — einigte man sich dahin, daß das Eigenthum an den in das Grundbuch eingetragenen Grundstücken in Veräußerungsfällen (inter vivos) nur durch die Eintragung in das Grundbuch übertragen wird, so daß die Tradition nicht nöthig ist, und daß die Tradition die Eintragung nicht ersetzen kann, — daß derselbe Grundsatz auch für nicht registrirte Grundstücke gelten soll. Betreffend der Ausdehnung des Grundsatzes auf die noch nicht gebuchten Grundstücke so wurde die Ansicht gebilligt, daß f ü r die Uebergangszeit, d. h. für die Zeit bis zur Anlegung der Grundbücher, besondere Bestimmungen f ü r die Eigenthumserwerbung erforderlich seien, — daß ferner gesetzliche Vorschriften über die Anlegung der Grundbücher, sei es im Gesetzbuche, sei es im Einführungsgesetze, sich nicht vermeiden ließen, wiewohl es andrerseits nicht zu umgehen sein werde, der Landesgesetzgebung einen gewissen Spielraum zu lassen. Dem Redaktor des Sachenrechts wurde zugleich überlassen, zu prüfen, ob für die Uebergangszeit bezüglich der Eigenthumserwerbung das bürgerliche Gesetzbuch allein zu gelten habe, oder ob f ü r diese Zeit dem bisherigen Landesrechte ausschließlich, oder doch theilweise neben jenen Vorschriften die Geltung einzuräumen. Der von einer Seite gestellte Antrag, die Entscheidung vorzubehalten, ob unter Voraussetzung obligatorischer Anlegung des Grundbuchs der Grundsatz, daß Eigenthum auf Grund einer Veräußerung unter Lebenden nur durch Eintragung im Grundbuche erworben werden könne, auch auf nicht eingetragene Grundstücke anzuwenden sei, wurde hiernach, soweit er eine prinzipielle Ausnahme bezweckt, abgelehnt, jedoch wurde noch dem Redaktor des Sachenrechts die Frage zur Prüfung empfohlen, ob nicht betreffend die nichtgebuchten Grundstücke nach Anlegnung des Grundbuchs unter gewissen Voraussetzungen und für einzelne Fälle besondere Bestimmungen über die Eigenthumserwerbung auf anderem Wege, als durch die Eintragung sich empfehlen möchten. 3. Die im Anschluß an die Vorlagen des H e r r n Referenten und des Ober-Tribunals-Direktor Dr. von Kuebel, sowie die Gegenvorlage des Präsidenten von Weber erfolgten eingehenden Besprechungen über das Konsensprinzip, welches der Letztgenannte zu Gunsten einer Ausdehnung des Legalitätsprinzips bekämpft, führten zu dem von der überwiegenden Mehrheit angenommenen Satze: „die Eintragung im Grundbuche erfolgt auf Grund der Erklärungen des bisher eingetragenen Eigenthümers, daß er die Eintragung des neuen Erwerbers bewillige, und des letzteren, daß er diese Eintragung beantrage, ohne daß es erforderlich ist, daß das den Erklärungen zu Grunde liegende Geschäft deklarirt werde." Es ist dabei davon auszugehen, daß in den Erklärungen des Veräußerers und Erwerbers im Zusammenschluß mit der Eintragung ein Vertrag zu finden ist, welcher 69
Beratungen zu Vorfragen
sich als Eigenthumsübertragungsvertrag charakterisirt, und durch die Eintragung zur Perfektion gelangt, — für diese Konstruktion entscheidet sich die Mehrheit ausdrücklich. Darüber, ob unter „Auflassung" der ganze Eigenthumserwerbungsakt, oder lediglich die Erklärungen des Veräußerers und des Erwerbers zu verstehen, wurde ein Beschluß nicht gefaßt.
Achte Sitzung vom 16. 10. 1875 1. Das Protokoll der siebenten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Auf den von einer Seite gestellten Antrag wurde dem Redaktor des Sachenrechts überlassen, zu erwägen, ob nicht Bestimmungen als zweckmäßig zu erachten wären, welche dafür sorgen, daß möglichst die Veräußerungsverträge zu den Akten der das Grundbuch führenden Behörde kommen. Ebenso war man einig, daß das beschlossene Konsens- bezw. Auflassungs-Prinzip bei Entwerfung der Vorschriften über die actio Pauliana und über die Schenkungen, namentlich in Ansehung der Beweislast, sorgfältige Beachtung verdiene. Endlich wurde darauf hingewiesen, daß es nicht zulässig sein würde, für die Fälle, in welchen der Veräußerungsvertrag an eine besondere Form gebunden sei, ζ. B. richterliche Bestätigung causa cognita der Auflassung allgemein die Wirkung beizulegen, daß durch dieselbe der Formmangel geheilt werde. 3. Bei der Erörterung der Tragweite der publica fides des Grundbuchs wurde zunächst der Fall der formwidrigen Buchung ausgeschieden, weil darüber eine allgemeine Entscheidung, mindestens gegenwärtig, nicht getroffen werden könne. Anlangend aber sodann den Fall unrichtiger Buchung, d. h. derjenigen Buchung, welche in Folge eines Versehens, eines Irrthums oder einer unerlaubten Handlung ohne Zustimmung des wahren oder des eingetragenen Eigenthümers erfolgt ist, so war man einig, daß derjenige, auf dessen Namen unrichtig eingetragen ist, dem früher eingetragenen weichen müsse, und dieser mittelst dinglicher Klage seine Rechte verfolgen könne, und daß ein Gleiches auch gelten müsse gegenüber dem späteren Erwerber, welcher sich bei dem Erwerbe in mala fide befunden hat, während der spätere Erwerber, der sich in bona fide befand, kraft des Prinzips der publica fides des Grundbuchs gegen alle Ansprüche geschützt bleibe. Im Uebrigen wurde dem Redaktor des Sachenrechts empfohlen, sorgsam zu prüfen, in wiefern ein Dritter, ζ. B. derjenige, der an den Eigenthümer des Grundstücks eine Abgabe zu entrichten habe, oder die Ausübung einer Servitut dem Eigenthümer gestatten müsse, auf die unrichtige Buchung sich berufen könne oder müsse. Es überwog die Ansicht, daß, wenn nicht etwas Anderes besonders bestimmt würde, der Dritte allerdings befugt sei, die unrichtige Buchung geltend zu machen, daß aber, wenn solches nicht geschehen, die Wirkungen der Unterlassung davon abhängig seien, ob der Dritte in gutem oder bösem Glauben gewesen sei. Der Herr Redaktor des Sachenrechts soll ferner in nähere Erwägung ziehen, ob sich etwa die Vorschrift empfehle, daß im Falle der unrichtigen Buchung derjenige, auf dessen Namen das Grundstück eingetragen steht, den Real- und HypothekenGläubigern u. s. w. gegenüber die mangelnde Sachlegitimation nicht geltend machen könne. Man war der Ansicht, daß in Ermangelung einer solchen Vorschrift der Einwand Platz greifen würde. 70
Protokolle der Kommissionsberatungen
Ueber folgende Fälle fand noch eine besondere Erörterung statt: Α., darüber, ob der dritte Erwerber, welcher von dem auf Grund unrichtiger Buchung Eingetragenen unentgeltlich erwarb, dem malae fidei Erwerber gleichzustellen. Die Mehrheit hält die Gleichstellung nicht für zulässig, jedoch wird dem Redaktor des Sachenrechts überlassen, zu prüfen, ob der Erwerber nicht mit der Bereicherungsklage, in Anspruch genommen werden könne, und zwar in Höhe der Bereicherung, welche zur Zeit der Erhebung des Anspruchs bestehe. B., darüber, wie es zu halten, wenn der dritte Erwerber, welcher von dem auf Grund unrichtiger Buchung Eingetragenen erwarb, in bona fide, der von diesem wiederum Erwerbende aber in mala fide war, ob nämlich der letztere sich auf die publica fides des Grundbuchs berufen könne. Es wurde beschlossen, diese Frage im Gesetzbuche nicht zu entscheiden, vielmehr die Entscheidung der Praxis und Wissenschaft zu überlassen. 4. Hiernächst wurde erwogen, welche Wirkungen sich an den Umstand knüpfen, daß der Akt, auf welchem die Buchung beruht, nichtig oder anfechtbar ist. a.) Man besprach zunächst den Fall, wenn die Auflassung nichtig ist. Hier soll dasselbe gelten, wie im Falle der unrichtigen Buchung. Mit Rücksicht auf die von einer Seite angeregte Frage, wie es mit der Simulation zu halten, wurde beschlossen, obschon die Frage in die Lehre von der Simulation zu verweisen sein dürfte, dem Redaktor des Sachenrechts zu überlassen, zu erwägen, ob vorzuschreiben sei, daß der Auflassende Dritten gegenüber sich niemals darauf berufen dürfe, daß die Auflassung simulirt sei. b.) Für den Fall der Anfechtbarkeit der Auflassung wurde beschlossen, daß die Wirkungen sich lediglich nach den allgemeinen Grundsätzen bestimmen mit der Maßgabe jedoch, daß, wenn nach diesen allgemeinen Grundsätzen die Anfechtung gegen den Dritten geltend gemacht werden könne, der dritte Erwerber, welcher bona fide erworben habe, kraft der publica fides des Grundbuchs gegen jeden Anspruch geschützt sein müsse, daß also, wenn nach den allgemeinen Grundsätzen der dritte Erwerber in Anspruch genommen werden kann, dieses auch gegen den Dritten Erwerber des Grundstücks Platz greifen müsse, wenn dieser in Kenntniß des Anfechtungsgrunds erworben hat. c.) Betreffend die Fälle, in denen das der Auflassung zu Grunde liegende materielle Geschäft ungültig, d. h. nichtig oder anfechtbar ist, so war man der Ansicht, daß dieselben einer besonderen Erledigung nicht bedürfen, weil die Ungültigkeit entweder auch die Auflassung ergreifen, oder durch diese geheilt werden würde, und insofern weder das Eine noch das Andere zutreffe, die allgemeine Kondiktionenlehre den Ausschlag geben müsse, wie sich ζ. B. in dem Falle zeige, wenn in Unkenntniß der Nichtigkeit des Veräußerungsvertrags und in der Voraussetzung der Gültigkeit desselben derart aufgelassen sei, daß der fragliche Nichtigkeitsgrund die Auflassung an sich nicht treffe, (ζ. B. ein Wahnsinniger schließt den Veräußerungsvertrag ab, — sein Erbe, in Unkenntniß des Wahnsinns, läßt auf.) 5. Schließlich wurden in Veranlassung einiger Aeußerungen des Redaktors des Sachenrechts in seinem schriftlichen Vorschlage noch dessen Bemerkungen über die Entbehrlichkeit des Besitzschutzes bez. Possessoriums und über Beseitigung der Ersitzung besprochen. Es überwog die Ansicht, daß weder der Besitzschutz bezw. Possessorium entbehrlich erscheine, noch, so viel sich bis jetzt übersehen lasse, mit voller Bestimmtheit (absolut) ausgesprochen werden dürfe, bei eingetragenen Grundstücken gebe es unter keiner Voraussetzung eine Art von Ersitzung. 71
Beratungen zu Vorfragen
Neunte Sitzung vom 18. 10. 1875 1. Das Protokoll der achten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Bei Erörterung der Vorlage (IV) des Redaktors des Sachenrechts, betreffend die Uebertragung des Eigenthums an beweglichen Sachen, wurde von einer Seite beantragt, im Wesentlichen im Anschluß an das Prinzip des französischen Rechts anzunehmen: „Das Eigenthum an beweglichen Sachen geht, soviel die Kontrahenten angeht, durch den bloßen Veräußerungsvertrag auf den Erwerber über." Die beiden Vorschläge führten zu einer ausführlichen Erörterung der für den einen und den anderen Vorschlag sprechenden Gründe. Insbesondere wurde einer sorgfältigen P r ü f u n g unterzogen, welcher Werth den Gründen beizumessen sei, die f ü r das Prinzip des französischen Rechts sich geltend machen lassen, als: a. die Harmonie mit dem bürgerlichen Rechte verschiedener Staaten, mit welchen ein lebhafter Verkehr bestehe, b. der Vortheil, im Handelsrechte den Bedürfnissen des Handelsverkehrs, namentlich, betreffend den Uebergang der Gefahr und die wirksame Verfügung über die Waare vor der Tradition von Seiten des Käufers, durch Bestimmungen gerecht zu werden, die mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts leichter in Einklang zu bringen seien, c. der Gewinn, in Konkursfällen großen Härten in einfacher und befriedigender Weise zu begegnen, d. die Erleichterung f ü r die Parteien, wenn unter besonderen Umständen die körperliche Uebergabe auf große Schwierigkeiten stoße. Die Mehrheit beschloß jedoch, indem sie die von dem Redaktor des Sachenrechts in seinem schriftlichen Vortrage hervorgehobenen Gründe für überwiegend hielt, namentlich es für überaus bedenklich erachtete, in einer so wichtigen Beziehung von dem zur Zeit im Deutschen Reiche (:so weit nicht das französische Recht darin eingeführt ist:) geltenden Rechte sich zu entfernen, ferner von der Betrachtung ausgehend, daß das Traditionsprinzip dem für die Veräußerung von Immobilien angenommenen Auflassungsprinzipe entspreche, und daß dasselbe geeignet sei, leichter zur Gewißheit zu bringen, ob die Parteien nicht blos obligatorisch gebunden sein wollten, sondern auch die sofortige Realisirung der dinglichen Wirkungen ihren Absichten entspreche, daß der Vorschlag des Redaktors des Sachenrechts im Gesetzbuche zur Geltung zu bringen. Man war einverstanden, daß durch den Beschluß der Entscheidung über den Zeitpunkt, mit welchem die Gefahr auf den Erwerber übergehe, nicht präjudizirt sei, und ebensowenig der Entscheidung, inwiefern das Traditionsprinzip in Fällen der Zession und der vertragsmäßigen Konstituirung von dinglichen Rechten festzuhalten sei. 3. Bei Berathung der Vorlage des Redaktors des Sachenrechts über die Vindikation der Mobilien (III) und des davon abweichenden, im Wesentlichen an Art. 306 Deutschen Handelsgesetzbuchs sich anschließenden Antrags des Ober-TribunalDirektors Dr. von Kuebel, stellt Herr Referent seine Angaben über das englische Recht klar. Von anderer Seite wurde beantragt, im Anschluß an das französische Recht, zu beschließen: „Dem Eigenthümer einer beweglichen Sache, die mit seinem Willen in den Besitz eines Anderen gelangt ist, steht gegen den Dritten Besitzer eine dingliche Klage auf Herausgabe nicht zu." 72
Protokolle der Kommissionsberatungen
Von noch anderer Seite wurde beantragt, es bei dem Prinzipe des römischen und gemeinen Rechts der unbeschränkten Verfolgbarkeit des Eigenthums zu belassen. Diese letzteren beiden Anträge wurden von der Mehrheit abgelehnt. Auch der Antrag des Ober-Tribunals-Direktor Dr. von Kuebel wurde nur von fünf Mitgliedern gebilligt, also ebenfalls abgelehnt. Der Antrag des Referenten, welcher lautet: „Der Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache, steht dem Eigenthümer gegen Jeden zu, der ihm dieselbe vorenthält. Der redliche Erwerber ist zur Herausgabe derselben nur verpflichtet, gegen Erstattung dessen, was er f ü r die Erwerbung der Sache gegeben oder geleistet, und der redliche Pfandnehmer nur gegen Erstattung dessen, was er gegen den Empfang der Sache dem Schuldner gegeben oder geleistet hat." wurde vorbehaltlich der festzustellenden Ausnahmen, insbesondere in Betreff der Inhaberpapiere mit sechs gegen fünf Stimmen angenommen. Der von einer Seite gestellte Antrag, die Ausnahmen beizufügen, daß gestohlene und verlorene Sachen ohne Erstattung des Kaufgeldes herauszugeben, wurde nur von vier Mitgliedern gebilligt.
Fünfzehnte Sitzung vom 2 8 . 1 0 . 1 8 7 5 1. Das Protokoll der vierzehnten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. Von einer Seite wurde für den Fall, daß es bei dem beschlossenen Prinzipe über die Stellung des V o r - und Nach-Erben bleibe, der Antrag vorbehalten, mittelst einer besonderen Bestimmung den Vorerben für verpflichtet zu erklären, allgemein oder unter gewissen Voraussetzungen, auch nach der Restitution den Nachlaßgläubigern zu haften. 2. N a c h weiterer eingehender Erörterung der Vorlage über die Form der letztwilligen Verfügungen, und, nachdem man sich verständigt hatte, daß der zu fassende Beschluß nur den Zweck habe, andere als die beantragten Formen (gerichtliche und notarielle,) auszuschließen, daß dagegen der weiteren Beschlußfassung vorzubehalten, ob beide Formen schlechthin für zulässig zu erklären, oder ob in einzelnen Theilen des Reiches nur die eine oder andere Form, sei es durch Reichs- oder Landes-Gesetz zu gestatten, wurde in der Voraussetzung, daß das gegenwärtig der Berathung des Reichstags unterliegende Gerichtsverfassungsgesetz im Wesentlichen angenommen werden wird, mit sechs gegen fünf Stimmen beschlossen, daß letztwillige Verfügungen in ordentlicher Form lediglich vor einem Amtsrichter oder einem Notar rechtsgültig errichtet werden können. Von einer Seite war beantragt worden, die Fassung „vor einem Gerichte oder N o t a r " zu wählen; der Antrag wurde abgelehnt. Man war einig, daß f ü r das Königreich Württemberg mit Rücksicht auf § 3 N 2 3 des Entwurfs des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes die Entscheidung, ob vor den Württembergischen Ortsgerichten letztwillige Verfügungen errichtet werden können, ausgesetzt bleiben müsse. Von einer Seite war das von der Mehrheit nicht getheilte Bedenken geäußert worden, ob überhaupt im Gesetzbuche die betreffenden Gerichtsbehörden zu bezeichnen seien, oder ob etwa die Bezeichnung einem allgemeinen Reichsgesetze über die freiwillige Gerichtsbarkeit, bzw. den Landesgesetzen vorzubehalten sei. Einverständniß herrschte darüber, daß Testamente und Kodizille in Ansehung der 73
Beratungen zu Vorfragen
Formvorschriften im Allgemeinen denselben Regeln unterworfen sein sollen, besondere Formvorschriften für die sogenannten Kodizille also nicht zu geben sein.
Eilfte Sitzung vom 6. 10. 1876 1. Das Protokoll der zehnten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Die Vorlage N £ 8 über das Pfandrecht an Grundstücken 7 wurde der Berathung unterstellt. Der Referent trug zunächst den Inhalt der Anlagen: 1, Uebersicht über den Stand der Landesvermessung, 2, Nachweisung des Geltungsgebietes der verschiedenen Buchsysteme, 3, Nachweisung des Geltungsgebietes der verschiedenen Systeme des Hypothekenrechtes, 4, die hauptsächlichsten Quellen des in Deutschland geltenden Hypothekenrechtes vor. Die Thesis I, welche lautet: „Die ausschließliche Rechtsform für das Pfandrecht an Grundstücken ist die Hypothek" wurde angenommen. Ihre Bedeutung wurde vorzugsweise darin gefunden: das einzige Pfandrecht an Grundstücken sei die Hypothek, wie diese in dem Gesetzbuche geregelt werde. Ausgeschlossen seien also insbesondere a, die Handfesten, insofern dieselben der Regelung der Hypothek im Gesetzbuche nicht entsprächen, b, das Faustpfand und die Antichrese in derselben Weise. Es solle damit aber nicht entschieden sein, daß das Faustpfand und die Antichresis, wenn sie auch als Pfandrecht nicht gelten, und die Distraktionsbefugniß nicht gewähren könnten, gleichwohl nicht allein inter partes wirksam sein, sondern auch gegen Dritte Wirksamkeit haben könnten, vorausgesetzt, daß sie nach den Grundsätzen über die anderen, nicht pfandrechtlichen, dinglichen Rechte der Wirksamkeit gegen Dritte nicht entbehren, vorbehaltlich der am geeigneten Orte und zur geeigneten Zeit zu treffenden Bestimmung, ob Faustpfand und Antichrese mit Wirksamkeit gegen Dritte überhaupt zuzulassen seien. In der Thesis II, 1: „Die Hypothek entsteht durch die auf Grund der Bewilligung des eingetragenen Eigenthümers erfolgte Eintragung einer bestimmten Summe im Grundbuch" wurde eine Reihe von Prinzipien gefunden, welche einzeln der Beschlußfassung unterbreitet wurden. Es wurde Folgendes beschlossen: 1. Es giebt keine Hypothek als die durch Eintragung entstandene. 2. Willenserklärung, Gesetz und Judikat können nur einen Titel zur Hypothek gewähren, so daß die Hypothek selbst erst durch die Eintragung entsteht. 3. Das dingliche Recht kommt erst durch die Eintragung zur Entstehung. Bis dahin besteht auch inter partes kein dingliches Recht, so daß der dritte Erwerber, der den Titel kannte, nicht als Erwerber mala fidei gelten kann. 4. Nur eine bestimmte Geldsumme ist eintragungsfähig. 5. Nur der Buch-Eigenthümer kann eine Hypothek konstituiren. So lange das Buch-Eigenthum fehlt, ist die Eintragung auf Grund der Konstituirungsakte desjenigen, der noch nicht Buch-Eigenthümer ist (:z. B. des Erben:), unstatthaft. Die 7
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Die Vorlage Nr. 8/1876 s. in Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB (ed. Schubert), Sachenrecht, Bd. 3, im Anhang.
Protokolle der Kommissionsberatungen
Konstituirung des Buch-Eigenthümers ist auf der andern Seite auch bei dem Fehlen des wirklichen Eigenthums wirksam. Die Konstituirung durch denjenigen, welcher via falsi oder ex errore für den Buch-Eigenthümer angesehen ist, erzeugt keine Hypothek, so lange diese in erster H a n d ist, während die Uebertragung nach den Grundsätzen über publica fides dem Erwerber eine Hypothek verschaffen kann. Wenn der Buch-Eigenthümer eine Hypothek konstituirt, ein anderer aber der wirkliche Eigenthümer ist, ζ. B. wenn der Buch-Eigenthümer ex falso eingetragen ist, so erwirbt schon der erste Gläubiger eine Hypothek, wenn er in gutem Glauben ist. 6. Die Hypothek wird eingetragen auf Bewilligung des Eigenthümers (: Schuldners :), ohne daß die Acceptation oder Genehmigung des Gläubigers nachzuweisen wäre. Der Satz gilt, ohne daß der Frage präjudizirt würde, wie es mit der Entstehung der Dispositionsgewalt des Gläubigers bezw. der vollen Entstehung der Hypothek überhaupt sich verhalte, und welche Bestimmungen nöthig seien, um in dieser Hinsicht und in verwandten Beziehungen Klarheit zu geben, und Mißbräuchen zu steuern. 7. Das Konsensprinzip wird anerkannt, d. h. die Konsenshypothek wird f ü r zulässig erklärt. Unter Konsenshypothek wird verstanden „die Hypothek, bei deren Konstituirung der Konstitutent (:Eigenthümer, Schuldner:) die materielle causa nicht angiebt." 3. Der Ober-Tribunals-Direktor Dr. von Kuebel erklärte, daß er gegen die Zulassung des Konsensprinzips aus dem Grunde gestimmt habe, weil er das Bedürfniß einer Konsenshypothek für Süddeutschland verneine, und deshalb f ü r eine Konsenshypothek so lange nicht stimmen könne, als nicht feststehe, daß auch die accessorische Hypothek zugelassen werde, welche letztere f ü r Süddeutschland ein unleugbares Bedürfniß sei.
Anlage 1 Allgemeine Uebersicht über den Stand der Landesvermessung I. Die Landesvermessung ist im Wesentlichen beendet in folgenden Staaten: 1) Preußen, 2) Bayern, 3) Sachsen, 4) Württemberg, 5) Baden, 6) Hessen, 7) Sachsen—Weimar, 8) Oldenburg mit Ausnahme des Fürstenthums Lübeck, 9) Braunschweig, 10) Sachsen—Meiningen, 11) Sachsen—Altenburg, 12) Sachsen—Koburg—Gotha, 13) Schwarzburg—Rudolstadt, 14) Schwarzburg—Sondershausen, 15) Waldeck und Pyrmont, 16) Reuß älterer Linie, 17) Reuß jüngerer Linie, 18) Lippe—Detmold, 19) Hamburg, 20) Elsaß—Lothringen. II. Die Landesvermessung ist theilweise ausgeführt in folgenden Staaten resp. Gebieten: 1) Mecklenburg—Schwerin, 2) Mecklenburg—Strelietz, 3) dem Oldenburgischen Fürstenthum Lübeck, 4) der freien Stadt Lübeck, 5) Bremen. Nicht vermessen sind: a) in Mecklenburg—Schwerin der größte Theil der Städte und der in den städtischen Feldmarken zu Stadtrecht belegenen Grundstücke, 75
Beratungen zu Vorfragen
b) in Mecklenburg—Strelitz der größte Theil der Städte und deren Feldmarken sowie ein Theil des Domaniums und des Fürstenthums Ratzeburg, c) in Oldenburg ein Theil des Fürstenthums Lübeck, d) die Stadt Lübeck, e) die Alt- und Neustadt Bremen und die Stadt Bremerhaven. III. Die Landesvermessung ist im Gange: 1) in einem Theil des Oldenburgischen Fürstenthums Lübeck, 2) in Anhalt, 3) in Schaumburg—Lippe.
Anlage 2 Nachweisung des Geltungsgebietes der verschiedenen Buchsysteme im Sachenrecht. 8 I. Das Geltungsgebiet des Grundbuchsystems Folgende Staaten haben Grundbücher (d. h. solche Bücher, welche zur Kundbarmachung des Bestandes der Grundstücke und der daran bestehenden Rechte, namentlich des Eigenthums und der Hypotheken, dienen) entweder bereits angelegt oder in Ausführung bestehender Gesetze anzulegen. 1. Preußen in dem Geltungsbereich der Gesetze vom 5. Mai 1872 und des nassauischen Gesetzes vom 15. Mai 1851; 2. Sachsen in Gemäßheit des bürgerlichen Gesetzbuches vom 2. Januar 1863 und der Verordnung vom 9. Januar 1865; 3. Mecklenburg—Schwerin in dem Geltungsbereich der Stadtbuch-Ordnung vom 21. Dezember 1857, der Stadtbuch-Ordnung für Wismar vom 23. Februar 1838, der Domanial-Hypotheken-O. vom 2. Januar 1954, der Rostocker-Hyp. O. für den ländlichen Grundbesitz im städtischen Territorium vom 8. Juni 1831, der Hyp.—Ο. f ü r die Erpachtungen auf den Gütern der Stadt Wismar vom 6. Juli 1839; 4. Mecklenburg—Strelitz in dem Geltungsbereich der Stadtbuch-O. vom 21. Dezember 1857, der Hypoth.-O. für den Privatgrundbesitz in den Domänen und im Cabinetsamt vom 24. Dezember 1872, der H y p . — Ο . f ü r den Privatgrundbesitz (mit Ausschluß der Rittergüter) im Fürstlichen Ratzeburg vom 21. August 1859; 8
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In Anhalt und in Bremen werden weder Grund- noch Hypotheken-Bücher geführt. Für Anhalt haben jedoch die Gesetze vom 13. April 1870 und vom 25. Oktober 1874 zur Vorbereitung der Grundbucheinrichtung die Anlegung von Grundakten vorgeschrieben, welche zur Kundbarmachung des Eigenthums und der Hypothek dienen. In Bremen wird für jedes Grundstück, welches verhandfestet wird, ein Grundaktenstück gehalten. Außerdem giebt es ein Buch, in welches die Grundfestengläubiger sich eintragen lassen können, um dadurch der N o t w e n d i g k e i t , sich in Veräußerungsfällen auf das Proklama zu melden, sich überhoben zu sehen. In Schaumburg—Lippe, wo das gemeine Recht gilt, ist nach einem vom Mascha S. 369 erwähnten Schreiben des fürstlichen Amtes zu Bückeburg vom 10. Februar 1866 eine Hypotheken-Ordnung nicht vorhanden, aber in Aussicht genommen. Nach der Auskunft, welche die fürstliche Regierung im Jahre 1875 dem Reichskanzler-Amt ertheilt hat, sind die derzeitigen Grund- und Hypothekenbücher für die Redaktion des Sachenrechts ohne Interesse; nach Beendigung der Landesvermessung will man zu dem Grundbuchsystem übergehen.
Protokolle der Kommissionsberatungen
5. Oldenburg für das Herzogthum nach den Gesetzen vom 3. April 1876; 6. Sachsen—Altenburg in Gemäßheit des Gesetzes vom 21. Juni 1852; 7. Sachsen—Koburg—Gotha nach den Gesetzen vom 9. Juni 1859 (für Gotha) und vom 24. Mai 1860 (für Koburg); 8. Schwarzburg—Sondershausen gemäß dem Gesetz vom 20. Juli 1857; 9. Reuß älterer Linie nach dem Gesetz vom 27. Februar 1873; 10. Reuß jüngerer Linie nach dem Gesetz vom 28. November 1858; 11. Lübeck in Gemäßheit der Stadtbuch—O. vom 6. Juni 1818 und der Hyp.—O. vom 22. März 1828; 12. Hamburg nach dem Gesetz vom 4. Dezember 1868 (im Anschluß an das ältere Recht). In dem Buche ist der Regel nach jedem selbständigen Grundstück oder mehrerer selbständiger Grundstücke eines und desselben Eigenthümers eine besondere Abteilung (wie Blatt, Folium) angewiesen. (System der Realfolien.) In Preußen kann jedoch das Grundbuch auch nach Artikeln angelegt werden. In diesem Buche hat der Eigenthümer für seine gesammten in der Grundsteuer-Mutterrolle eines bestimmten Bezirks verzeichneten Grundstücke einen Artikel. In dem vormaligen Herzogthum Nassau wird das Stockbuch (Grundbuch) stets nach den Personen der Eigenthümer geführt. In Mecklenburg besteht außerhalb des Geltungsbereiches der StadtbuchOrdnungen die Einrichtung, daß für jedes einzelne Grundstück (Gut) ein besonderes Grund- und Hypothekenbuch geführt wird. II. Das Geltungsgebiet des Systems der getrennten Buchführung Die Grundbücher werden getrennt von den Hypothekenbüchern geführt: 1. in Preußen für die Bezirke der Amtsgerichte zu Vöhl, Lindenkopf, Battenberg und Gladenbach nach den großherzoglich hessischen Gesetzen vom 29. Oktober 1830, vom 21. Februar 1852 und vom 19. Januar 1859; 2. in Württemberg nach dem Pfandgesetz vom 15. April 1825, der Hauptinstruktion zu demselben vom 14. Dezember 1825, der Ministerialverfügung, betreffend die Anlegung und Führung der Gemeindebücher, vom 3. Dezember 1832; 3. in Hessen nach den unter Nr. 1 bezeichneten Gesetzen für die Provinzen Starkenburg und Oberhessen; 4. in Sachsen—Weimar gemäß den Gesetzen vom 20. April 1833 und vom 6. Mai 1839; 5. in Sachsen—Meiningen in Gemäßheit des Gesetzes vom 15. Juli 1862. Die Bücher sind in der Regel nach den Personen der Grundbesitzer resp. Verpfänder abgetheilt. (System der Personenfolien.) In Meiningen und in Hessen hat das Grundbuch Realfolien. In Weimar gibt es Hypothekenbücher mit Realfolien und solche mit Personenfolien. III. Das Geltungsgebiet des Pfandbuchsystems Die Hypothekenbücher sind Pfandbücher, d. h. die Eintragung in ihnen dienen wesentlich nur den Zwecken des Hypothekenwesens: 1. in dem zu Preußen gehörigen vormaligen Herzogthum Lauenburg nach der Schuld- und Pfandprotokoll-Ordnung vom 26. Mai 1860; 2. in Bayern für das Geltungsgebiet des Gesetzes vom 1. Juni 1822; 3. in Mecklenburg—Schwerin für die Rittergüter, gemäß der Hypothekenordnung vom 18. Oktober 1848, und für die Erbschaftsstellen auf den Klostergütern, gemäß der Hyp.-O. vom 8. Dezember 1852; 77
Beratungen zu Vorfragen
4. in Mecklenburg—Strelitz für die Rittergüter, wie in Schwerin; 5. in Oldenburg für das Herzogthum, solange nicht die Gesetze vom 3. April 1876 in Wirksamkeit getreten sind, und für Birkenfeld nach der Hypotheken-O. vom 11. Oktober 1814, für das Fürstenthum Lübeck nach verschiedenen partikularischen Verordnungen; 6. in Braunschweig gemäß der Verordnung vom 3. Februar 1814 und des Cirkularreskripts vom 3. März 1842; 7. in Schwarzburg—Rudolstadt nach der Verordnung vom 20. Juni 1856; 8. in Waldeck und Pyrmont nach der Verordnung vom 2. November 1807 und dem Gesetze vom 8. Juni 1863; 9. in Lippe—Detmold gemäß der Hypotheken-Ordnung von 1771. In Mecklenburg besteht für jedes selbständige Grundstück (Gut) ein Hypothekenbuch. In Lauenburg, Bayern, Braunschweig und für gewisse Gebietstheile resp. Grundstücke in dem Fürstenthum Lübeck und in Lippe—Detmold sind die Bücher nach den Grundstücken, in den übrigen Gebieten nach Personen abgetheilt. IV. Das Geltungsgebiet des Transskriptions- und Inskriptionssystems In den Transskriptionsregistern (Grundbüchern) werden die Erwerbstitel und in den Inskriptionsregistern (Hypothekenbüchern) die Hypothekenbestellungen in fortlaufender Reihe verzeichnet. Dieses System gilt 1. in dem Bezirk des preußischen Appellationsgerichtshofes zu Köln, 2. in dem bayrischen Rheinkreise, 3. in der Provinz Rheinhessen, 4. in Elsaß—Lothringen, auf Grund des französischen Civilgesetzbuches; 5. in Baden auf Grund des Landesrechts und späteren Verordnungen, namentlich der Anleitung zur Führung der Grund- und der Pfandbücher vom Jahre 1868, 6. in Frankfurt a. M. auf Grund der Verordnung vom 20. März und 19. Juni 1811, ferner der Verordnung vom 16. März 1820 und vom 10. März 1825.
Anlage 3 Nachweisung des Geltungsgebiets der verschiedenen Systeme des Hypothekenwesens I. Nicht eingetragene Hypotheken gelten neben den eingetragenen in den Gebieten des französischen Rechts, in Baden, in Lauenburg, in Braunschweig, in Gotha, in Anhalt, in Waldeck und Pyrmont, in Schaumburg-Lippe, in Lippe-Detmold, in Lübeck und in Hamburg. II. Die Eintragung begründet gewisse Rechte für die Hypothek, z.B. 1. Rechtswirkung gegen Dritte nach französischem, badischem, braunschweigischem, lübeckischem und hamburgischem Recht, 2. den Vorrang vor nicht eingetragenen Hypotheken nach den in Lauenburg, Gotha, Waldeck und Pyrmont, Lippe-Detmold, Lübeck und Hamburg geltenden Rechten. 78
Protokolle der Kommissionsberatungen
III. Die Hypothek entsteht nur durch Eintragung 1. in Preußen, mit Ausschluß der Bezirke des Appellations-Gerichtshofes zu Köln und des Amtsgerichts zu Hamburg, 2. in Bayern, mit Ausschluß des Rheinkreises, 3. in Sachsen, 4. in Württemberg, 5. in Hessen, mit Ausschluß der Provinz Rheinhessen, 6. in Mecklenburg—Schwerin, 7. in Sachsen—Weimar, 8. in Mecklenburg—Strelitz, mit Ausschluß derjenigen Grundstücke im Fürstenthum Ratzeburg, f ü r welche die Hyp.-O. vom 21. August 1859 keine Geltung hat, 9. in Oldenburg, mit Ausschluß einiger Theile des Fürstenthums Lübeck, 10. in Sachsen—Meiningen, 11. in Sachsen—Altenburg, 12. in Sachsen—Koburg, 13. in Schwarzburg—Rudolstadt, 14. in Schwarzburg—Sondershausen, 15. in Reuß älterer Linie, 16. in Reuß jüngerer Linie.
IV. Die eingetragene Hypothek ist durch das Publizitätsprinzip mehr oder weniger gesichert gegen Anhaftungen und Einwendungen des Eigenthümers des verpfändeten Grundstücks 1. in Preußen unter der Herrschaft der Gesetze vom 5. Mai 1872 und des nassauischen Gesetzes vom 15. Mai 1851, d. i. für den Umfang der Monarchie mit Ausschluß des Bezirks des Appellations-Gerichts-Hofes zu Köln, der von dem Großherzogthum Hessen abgetretenen Gebietstheile, des vormaligen Freistaates Frankfurt a. M. und des vormaligen Herzogthums Lauenburg, 2. in Bayern mit Ausschluß des Rheinkreises, 3. in Sachsen, 4. in Württemberg, 5. in Mecklenburg—Schwerin, 6. in Sachsen—Weimar, 7. in Mecklenburg—Strelitz, mit der aus Nr. III 8 ersichtlichen Einschränkung, 8. in Oldenburg, mit Ausschluß einiger Distrikte des Fürstenthums Lübeck, 9. in Sachsen—Meiningen, 10. in Sachsen—Altenburg, 11. in Anhalt, 9 12. in Schwarzburg—Sondershausen, 13. in Reuß älterer Linie, 14. in Reuß jüngerer Linie, 15. in Lübeck, 16. in Hamburg.
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Der Schutz erstreckt sich auf die in den Grundakten eingetragene Hypothek.
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V. Die Selbständigkeit des hypothekarischen Rechtes ist anerkannt 1. in Preußen von dem Gesetz über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke etc. vom 5. Mai 1872, 2. in Mecklenburg—Schwerin 1 von der Hypotheken-O. vom 18. Oktober 3. in Mecklenburg—Strelitz J 1848 und der St. B. O. vom 21. Dez. 1857, 4. in Oldenburg von dem Gesetz über den Eigenthumserwerb etc. vom 3. April 1876, 5. in Lübeck von dem älteren Recht und der Stadt-Buchs-Ordnung von 1818 und der Hypoth.-O. von 1820, 6. in Hamburg von dem älteren Recht und dem Gesetz von 1868.
Anlage 4 Die hauptsächlichsten Quellen des in Deutschland geltenden Hypothekenrechts. I. Preußen 1. In dem weitaus größten Theile Preußens gelten die Gesetze vom 5. Mai 1872, nämlich das Gesetz über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbstständigen Gerechtigkeiten, und die GrundbuchOrdnung; sie sind a) erlassen für den Geltungsbereich der Hypotheken-Ordnung vom 20. Dezember 1783 und des Allgemeinen Landrechts vom 5. Februar 1794, d. i. für die Provinzen Preußen, Pommern (:mit Ausschluß von Neuvorpommern und Rügen :), Posen, Schlesien, Brandenburg, Sachsen und Westfalen, sowie für die zur Rheinprovinz gehörigen Kreise Essen, Rees und Duisburg10, sodann b) eingeführt in folgenden Landestheilen durch umfangreiche Gesetze über das Grundbuchwesen vom Jahre 1873: α, in dem Jadegebiet durch Gesetz vom 23. März, ß, in Neuvorpommem und Rügen durch Gesetz vom 26. Mai, γ, in der Provinz Schleswig—Holstein durch Gesetz vom 27. Mai, 5, in der Provinz Hannover, mit Ausschluß des Jadegebiets, durch Gesetz vom 28. Mai, ε, im Bezirk des Appellationsgerichts zu Kassel, mit Ausschluß des Amtsgerichtsbezirks von Vöhl, durch Gesetz vom 29. Mai, ζ, im Bezirk des Justizamts zu Ehrenbreitstein durch Gesetz vom 30. Mai und η, in den Hohenzollerschen Landen durch Gesetz vom 31. Mai. 2. In den übrigen Gebietstheilen gelten a) in der Rheinprovinz, mit Ausschluß der unter 1 a und b ζ bezeichneten Theile, und in dem Bezirk des vormals landgräflich hessischen Oberamts zu Meitenheimn das französische Civilgesetzbuch; 10
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Von dem landesrechtlichen Hypothekenrecht sind nur wenige Bestimmungen neben dem Gesetz über den Eigenthumserwerb in Kraft geblieben. Die Hypotheken-Ordnung ist mit ihren Nachträgen und Ergänzungen formell aufgehoben durch die Grundbuch-Ordnung. Mascher, das deutsche Grundbuch und Hypothekenwesen (1869) S. 208.
Protokolle der Kommissionsberatungen
b) in dem vormaligen Herzogthum Nassau zwei Gesetze vom 15. Mai 1851, das eine das Stockbuch, das andere das Pfandrecht und die Rangordnung der Gläubiger im Konkurse betreffend; c) in dem vormaligen Freistaat Frankfurt a. M. die Reformation vom 10. September 1611, die die Verordnungen wegen der gerichtlichen Transscriptionen, W ä h r schaften etc. vom 16. März 1820 nebst Abänderung vom 26. Juni 1834, die Verordnung wegen der Transscriptionen und Bestellung von Hypotheken auf dem Lande vom 10. März 1825, das Gesetz, die Rangordnung der Gläubiger im Konkurse und die Abschaffung der Generalhypothek betreffend, vom 10. Januar 1837; d) in den Bezirken der Amtsgerichte zu Vöhl, Biedenkopf, Battenberg und Gladenbach11 die f ü r die großherzoglich hessischen Provinzen Starkenburg und Oberhessen bis zum Jahre 1866 erlassenen Gesetze; e) in dem Bezirk des Amtsgerichts zu Hamburg das gemeine Recht und einzelne Bestimmungen des Solmser Landrechts und der Kontraktenreglements vom 29. N o vember 1769 13 ; f) in Lauenburg das gemeine Recht sowie die Verordnung zur Verbesserung des Hypothekenwesens vom 15. März 1836 und die Schuld- und Pfandprotokollordnung vom 7. Juli 1860. II. Bayern 1. Für die sieben rechtsrheinischen Kreise die drei Gesetze vom 1. Juni 1822, nämlich das Hypothekengesetz; die Prioritätsordnung; das Gesetz, die Einführung des Hypothekengesetzes und der Prioritätsordnung betreffend. 2. Für den Rheinkreis das französische Civilgesetzbuch. III. Sachsen Das bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863, insonderheit die §§ 369 ff., und die das Verfahren in Grund— und Hypothekensachen betreffenden Abschnitte der Verordnungen vom 9. Januar 1865 und vom 3. August 1868. IV. Württemberg Drei Gesetze vom 25. April 1825, nämlich das Pfandgesetz, das Prioritätsgesetz, und das Einführungsgesetz zu beiden; ferner das Pfandentwicklungsgesetz vom 21. Mai 1828 und das Gesetz, betreffend der Führung der Güterbücher durch Gemeindebeamte, vom 13. April 1873. V. Baden Das Landrecht f ü r das Großherzogthum Baden; die Einführungsgesetze; zwei Gesetze über Bereinigung der Grund- und Unterpfandbücher vom 5. Juni 1860 und 12
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Motive zu dem Gesetzentwurf über das Grundbuchwesen im Bezirk des Appellationsgerichts zu Kassel, in den Drucks, des preuß. Herrenhauses 1872—1873 N £ . 33 S. 15. Mascher, S. 208.
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vom 28. Januar 1874; die Anleitung zur Führung der Grund- und Pfandbücher vom Jahre 1868. VI. Hessen 1. Für Oberhessen und Starkenburg: Gesetz, betreffend die Erwerbung des Grundeigenthums und die besonderen rechtlichen Folgen des Eintrags der Erwerbstitel in dem Grundbuche, vom 21. Februar 1852; Gesetz, das Pfandrecht betreffend, Gesetz, die Rangordnung der Gläubiger betreffend, beide vom 15. September 1858; Gesetz, das Verfahren der Hypothekenbehörden betreffend, vom 19. Januar 1859. 2. Für Rheinhessen das französische Civilgesetzbuch.
VII. Mecklenburg—Schwerin 1. Revidirte Hypotheken-Ordnung für Landgüter14 vom 18. Oktober 1848. 2. Revidirte Stadtbuch-Ordnungli vom 21. Dezember 1857 und die Verordnungen betreffend die Hypothek des Eigenthümers, vom 21. März 1859 und vom 13. März 1869. 3. Gesetz über die Grund- und Hypothekenbücher in den Großherzoglichen Domänen vom 2. Januar 1854 und die Verordnung, betreffend die Hypothek des Eigenthümers, vom 8. April 1869; revidirte Hypotheken-Ordnung für die Erbpachtstellen in den Klostergärten16 vom 8. Dezember 1852; Hypotheken-O. der Stadt Rostock für den ländlichen Grundbesitz im städtischen Territorium 17 vom 8. Juni 1833; Hyp.-O. für die Erbpachtungen auf den Gütern der Stadt Wismar vom 6. Juli 1839. Durch eine Verordnung vom 25. August 1876 haben die Hyp.-O. vom 18. Oktober 1848, die Stadtbuch-O. vom 21. Dezember 1857 und das Gesetz vom 2. Januar 1854, in Ansehung der auf den Namen des Eigenthümers stehenden Hypotheken, einige Aenderungen erlitten. VIII. Sachsen — Weimar Gesetz, das Verfahren bei Uebertragung des Eigenthums an Immobilien betreffend, vom 20. April 1833 und Nachtragsgesetz vom 14. März 1872; Gesetz über das Recht an Faustpfändern und Hypotheken vom 6. Mai 1839; Ges. über die Vorzugsrechte der Gläubiger von demselben Tage; Ges., einige Erleichterungen der Justizunterbehörden im Hypothekenwesen und sonst betreffend, vom 15. Oktober 1853.
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Damit sind die Rittergüter gemeint. Die Stadtbuch-Ordnung ist für die Städte und die in deren Feldmarken zu Stadtrecht belegenen Grundstücke erlassen; sie gilt nicht in Wismar, welches sich kraft seiner Autonomie am 23. Februar 1838 eine besondere Stadtbuch-Ordnung gegeben und dieselbe durch mehrere Verordnungen fortgebildet hat. Es sind dies die Güter der Landesklöster Dobbertin, Malchow und Ribnitz. Das Gesetz bezieht sich nur auf die außerhalb der Stadtfeldmark in den Stadt-Gütern und Ortschaften belegenen im Privateigenthum befindlichen Grundstücke.
Protokolle der Kommissionsberatungen
IX. Mecklenburg—Strelitz 1 8 1. Revidirte Hypotheken-Ordnung f ü r Landgüter vom 18. Oktober 1848; Hyp.-O. für die Grundstücke der ritterschaftlichen Hintersassen vom 3. Februar 1855. 2. Revidirte Stadtbuch-Ordnung vom 21. Dezember 1857 und einige Nachtragsgesetze. 3. Rev. Hyp.-O. für den Privatgrundbesitz in den Domänen und im Cabinetsamt vom 24. Dezember 1872. Die unter Ν 2 1—3 bezeichneten Gesetze gelten nicht im Fürstenthum Ratzeburg'9. Die Hypothekenverhältnisse der Privatgrundbesitzungen, mit Ausschluß der Rittergüter, normirt hier eine Hypotheken-O. vom 21. August 1869.
X. Oldenburg 1. Für das Herzogthum Oldenburg·, die den preußischen Gesetzen vom 5. Mai 1872 meist wörtlich nachgebildeten Gesetze vom 3. April 1876, nämlich das Gesetz über den Eigenthumserwerb an Grundstücken und deren dingliche Belastung und die Grundbuch-Ordnung 2 0 . 2. Für das Fürstenthum Birkenfeld·, die Hypotheken-, Konkurs- und Vergantungs-Ordnung vom 11. Oktober 1814, modifizirt durch Bestimmungen des französischen Rechts. 3. Im Fürstenthum Lübeck bestehen f ü r die einzelnen Theile verschiedene, ungleichmäßige Bestimmungen aus älterer Zeit 21 .
XI. Braunschweig Verordnungen vom 15. Januar 1814; Verfügung der fürstlichen Regierungskommission vom 3. Februar 1814 §§ 53—55; Verord., die stillschweigenden und gesetzlichen Hypotheken betreffend, vom 26. März 1823; Cirkularreskript des Oberlandesgerichts zu Wolfenbüttel, die Einrichtung und Führung der Hypothekenbücher betreffend, vom 3. März 1842; Gesetz, die Erwerbung dinglicher Rechte an Grundstücken etc. betreffend, vom 19. März 1850. Für die Stadt Braunschweig gelten besondere Bestimmungen über das Verfahren in Hypothekensachen, namentlich noch die Untergerichts-Ordnung vom 2. Februar 1764 cap. 13 §§ 1 und 2, cap. 14 § 1.
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Die Strelitzer Hypothekengesetze stimmen meist wörtlich mit den Schwerinern überein. Mit einer Ausnahme: die Hyp.-O. für Landgüter vom 18. Oktober 1848 ist auf das Rittergut Horst erstreckt worden. So lange die Grundbücher noch nicht angelegt sind, gilt das unter N £ . 2 bezeichnete Gesetz von 1814. Mascher S. 362. Die großherzogliche Regierung hat sich über den Rechtszustand des Fürstenthums Lübeck in ihrem dem Reichskanzler-Amt erstatteten Bericht vom 16. März 1875 nicht näher geäußert. Vergl. die Akten, enthaltend Material etc. Bl. 105 ff. 83
Beratungen zu Vorfragen
XII. Sachsen—Meiningen Gesetz, betreffend die Anlegung von Grund- und Hypothekenbüchern, vom 15. Juli 1862; Gesetz, die Bestellung der Hülfspfandrechte an Immobilien betreffend, vom 2. Mai 1865; Nachtrags-resp. Revisionsgesetz vom 7. November 1872.
XIII. Sachsen—Altenburg Gesetz, die Grund- und Hypothekenbücher und das Hypothekenwesen betreffend, vom 13. Oktober 1852. XIV. Sachsen—Koburg—Gotha In Koburg sowohl wie in Gotha gelten die Bestimmungen des römischen Pfandrechts, beziehungsweise des älteren sächsischen Rechts, außerdem 1. in Gotha: Gesetz, betreffend einige Abänderungen im Hypothekenwesen und in der O r d n u n g der Konkursgläubiger, vom 22. April 1854; Gesetz, die Herstellung von Grund- und Hypothekenbüchern betreffend, vom 9. Juni 1859 und Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes vom 9. Dezember 1859; 2. in Koburg: Gesetz, die Herstellung von Grund- und Hypothekenbüchern betreffend, vom 24. Mai 1860 mit der Ausführungsverordnung vom 10. September 1860. XV. Anhalt Das römische Pfandrecht, modifizirt durch das gemeine Sachenrecht, und das Gesetz, das Pfandrecht an Immobilien betreffend, vom 13. April 1870; ferner ein Nachtragsgesetz f ü r den Bernburger Landestheil vom 25. Oktober 1874.
XVI. Schwarzburg—Rudolstadt Zwei Gesetze vom 6. Juni 1856, von denen das eine die gerichtliche Uebereignung unbeweglicher Sachen, das andere die Verbesserung des Hypothekenwesens betrifft. XVII. Schwarzenburg— Sondershausen Das Gesetz, die Grund- und Hypothekenbücher und das Hypothekenwesen betreffend, vom 20. Juli 1857 ist noch in der Ausführung begriffen. Nach Auskunft der fürstlichen Regierung vom 15. April 1875 ist es erst in zwei Ortschaften und Fluren in Geltung getreten. Im Uebrigen kommen noch die älteren Bestimmungen zur Anwendung, namentlich das Gesetz die Uebertragung des Eigenthums an unbeweglichen Sachen durch die gerichtliche Zuschreibung betreffend, vom 10. März 1852; ferner zwei Gesetze, die Aufhebung stillschweigender und genereller H y p o theken betreffend, vom 5. April 1852 und vom 15. Juli 1857. 84
Protokolle der Kommissionsberatungen
XVIII. Waldeck Das gemeine Recht, modifizirt durch zwei das Hypothekenwesen betreffende Gesetze vom 2. November 1807 und vom 8. Juni 1863. XIX. Reuß, ältere Linie Gesetze, die Grund- und Hypothekenbücher und das Hypothekenwesen betreffend, vom 27. Februar 1873; Gesetz, die Rangordnung der Gläubiger im Konkurse betreffend, vom 3. Januar 1874. XX. Reuß, jüngere Linie Gesetz, die Grund- und Hypothekenbücher und das Hypothekenwesen betreffend, vom 22. November 1858. XXI. Schaumburg—Lippe Das gemeine Recht. XXII. Lippe—Detmold Das gemeine Recht, modifizirt durch eine Hypothekenordnung aus dem Jahre 1771. XXIII. Lübeck 1. Für die Stadt: die Stadtbuchsordnung vom 6. Juni 1818 und die Verordnung, betreffend Abänderungen der St.B.O., vom 22. Juli 1868. Die Stadtbuchsordnung gilt nach dem Rechtsdekret vom 30. Juni 1819 auch in Travemünde. 2. Für das Gebiet: die Hypothekenordnung vom 22. März 1820 und die Verordnung, betreffend Abänderungen der Hypothekenordnung, vom 15. Juli 1872. 3. Für den ganzen Staat: die Verordnung, betreffend die persönliche Haft der Grundbesitzer für Hypothekenschulden und Lasten, vom 25. März 1848 und das Gesetz, betreffend die neue Gerichtsverfassung, vom 11. November 1863. XXIV. Bremen Erbe- und Handfesten-Ordnung vom 30. Juli 1860. XXV. Hamburg Gesetz über Grundeigenthum und Hypotheken vom 4. Dezember 1868. 85
Beratungen zu Vorfragen
XXVI. Elsaß—Lothringen Das französische Civilgesetzbuch mit dem Reformgesetz vom 23. März 1855.
Zwöfte Sitzung vom 7. 10. 1876 1. Das Protokoll der eilften Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Die Berathung der Vorlage N 2 8 über das Pfandrecht an Grundstücken wurde fortgesetzt. Man wendete sich zunächst zü der Frage, ob neben der angenommenen Konsenshypothek eine akzessorische Hypothek beizubehalten sei. Das Bedürfniß der Beibehaltung wurde von einer Seite bestritten, von der andern Seite namentlich f ü r Mittel- und Süd-Deutschland lebhaft vertheidigt. Bei der Debatte wurden die Verschiedenheiten der Konsenshypothek und der akzessorischen Hypothek, insbesondere in Rücksicht auf die praktischen Konsequenzen ausführlich dargelegt. Zugleich gelangte zur Erörterung, weshalb die in der neuen preußischen Gesetzgebung adoptirte akzessorische Hypothek neben der Konsenshypothek oder Grundschuld von beachtenswerthen Stimmen vielfache Anfechtung erlitten habe, und deren Beseitigung f ü r rathsam erachtet werde, und inwiefern der Grund hierfür in der nicht glücklichen legislativen Behandlung der akzessorischen Hypothek liegen möge. Bei dem Schluß der Debatte lagen folgende Anträge zur Abstimmung vor: 1.) Neben der Konsenshypothek wird auch die akzessorische Hypothek zugelassen, und diese im Wesentlichen so geregelt, wie sie sich in Preußen vor der neuen Gesetzgebung (von 1872) gestaltet hat, und gegenwärtig noch in andern Rechtsgebieten, ζ. B. in Bayern, besteht. 2.) Neben der Konsenshypothek wird auch die akzessorische Hypothek zugelassen, und diese nach den gemeinrechtlichen Grundsätzen geregelt, so daß namentlich der Schuldner in seinen Einreden, auch wenn die Forderung zedirt ist, nicht mehr beschränkt ist, als im Falle der Zession einer anderen Forderung, und die hypothekarische Eintragung dem Gläubiger mithin nur Sicherheit wegen des Pfandrechts gewährt. 3.) Der Schuldner kann bei der Eintragungsbewilligung die causa angeben, in welchem Falle er alle die causa betreffenden Einreden sowohl dem ersten Gläubiger als allen Rechtsnachfolgern gegenüber geltend machen kann. Die Anträge zu 1 und 2 wurden abgelehnt, der Antrag zu 3 wurde angenommen, nachdem von einer Seite behauptet war, der Antrag zu 3 scheine mit dem zu 2 im Wesentlichen identisch zu sein. Der erste Absatz der Thesis II, 2 fand in der Anwendung auf die Konsenshypothek im Wesentlichen Zustimmung, nachdem der Referent angegeben hatte, daß vorläufig nur Ordnungsvorschriften in Frage seien, und Vorschläge, ob und wann Nichtigkeit im Falle der Verletzung der Vorschriften eintrete, vorbehalten blieben, und daß er bei dem Vorschlage zu d sich gedacht habe, daß in dem vorzulegenden Gesetze angegeben werde, welche Verzinsungs- und Zahlungsbedingungen f ü r den Fall gelten sollen, wenn die Eintragungsbewilligung darüber Nichts enthält. Die Beschlußfassung darüber, ob solche gesetzliche Vorschrift gegeben werden könne und solle, wurde vorbehalten. 86
Protokolle der Kommissionsberatungen
Der Absatz 2 der Thesis II, 2 des Referenten verbietet die Angabe des Schuldgrundes und untersagt die Verbindung der Eintragungsbewilligung mit einer anderen Willenserklärung. Von einer Seite wurde beantragt, statt dessen zu bestimmen: „Die Eintragungsbewilligung kann enthalten die Bezeichnung des Grundes der Bewilligung, und, wenn dieser Grund Gewährung der Sicherheit für eine Schuld ist, die Bezeichnung des Grundes der Schuld." Die Abstimmung über diesen Antrag wurde zur nächsten Sitzung vertagt. Der Antrag beruhte auf folgender Auffassung: „Es dürfe nur eine Hypothek, nämlich die Konsenshypothek, geben; die Konsenshypothek lasse sich aber füglich in zwei Klassen theilen, in die reine Konsenshypothek und in die modifizirte, welche letztere die Angabe des Grundes enthalte. Diese Angabe des Grundes werde die doppelte Wirkung haben, zunächst die, daß der Schuldner, welcher aus dem Grunde, d. h. dem materiellen Rechtsverhältniß, einen Einwand herleite, obschon er im Uebrigen beweispflichtig bleibe, doch von dem Beweise befreit werde, der Hypothek liege in der That die angegebene causa zum Grunde; sodann die zweite Wirkung daß die Einreden, welche aus der durch die Eintragungsbewilligung und das Hypothekenbuch proklamirten causa herzuleiten sind, auch jedem nachfolgenden Gläubiger entgegengestellt werden könnten. Die den Grund der Eintragungsbewilligung enthaltende Hypothek, — zu vergleichen dem die causa debendi enthaltenden Wechsel, — mache die Anerkennung einer besonderen akzessorischen Hypothek entbehrlich, womit der große Gewinn einer im Wesentlichen einheitlichen, nach denselben Grundprinzipien zu beurtheilenden Hypothek erreicht werde. Wenn der Schuldner ζ. B. in der Eintragungsbewilligung als Grund bezeichne: „Sicherheit für ein heute empfangenes Darlehn von 1000 Mark", so sei der Zweck der nur akzessorischen Hypothek völlig erreicht." Zur Unterstützung des Antrages wurde noch angeführt, seine Annahme diene zur Beseitigung der Uebelstände, welche bei Zulassung der akzessorischen Hypothek im Sinne der nach dem Obigen abgelehnten Anträge N s 1 und 2 aus der Handhabung des Legalitätsprinzips zu entstehen drohen, — Uebelstände, die keinesweges gering anzuschlagen seien. Der Antrag fand Widerspruch. Seine Gegner bemerken: Die durch Angabe des Schuldgrundes verklausulirte Konsenshypothek führe zu einer neuen bisher unbekannten Art von Hypotheken. Dieselben beruhten auf einer eigenthümlichen Verbindung des absoluten Versprechens mit der Angabe der materiellen causa. Eine solche Verbindung, an sich juristisch nicht unbedenklich, wenn auch nicht ohne Analogieen, bleibe immer mißlich, weil sie mit dem Wesen und dem Zwecke des absoluten Versprechens nur wenig harmonire, und große Verwickelungen zu erzeugen vermöge. Der die Angabe der causa enthaltende Wechsel diene mehr zur Bestätigung als zur Beseitigung dieses Bedenkens. Nicht übersehen dürfe werden, daß, wenn die Hypothek in dritte Hand komme, der Schuldner auf die Einreden aus der angegebenen causa beschränkt sein werde, und, wenn die angegebene causa ganz oder zum Theil unrichtig sei, der Vortheil der Angabe der causa verloren gehe, und schwierige Komplikationen sich ergeben könnten. Von Belang sei ferner, daß der Hauptgrund, welcher für die Zulassung von akzessorischen Hypotheken geltend gemacht werde, — die Möglichkeit im Interesse beider Theile, namentlich des Schuldners, die materiellen Rechtsbeziehungen klar zu stellen —, nur erreicht werde, wenn die causa in möglichster Vollständigkeit angegeben werde, die Eintragungsbewilligung also einen Umfang gewinne, wodurch sie, anlangend die Führung des Hypothekenbuchs, sich wenig von der akzessorischen Hypothek unterscheide. 87
Beratungen zu Vorfragen
Nur die Zulassung der akzessorischen Hypothek in irgend einer Gestalt sei anscheinend ein Bedürfniß. Der Antrag aber führe viel weiter, als dieses Bedürfniß erheische, und zu einer neuen hypothekenrechtlichen Institution, deren praktische Folgen schwer zu übersehen seien. Es möge daher den Vorzug verdienen, sich mit der Zulassung der akzessorischen Hypothek im Sinne des obigen Antrages N 2 3 zu begnügen.
Dreizehnte Sitzung vom 9. 10. 1876 1. Das Protokoll der zwölften Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Die Berathung in Betreff der Vorlage N 2 8, über das Pfandrecht an Grundstücken wurde fortgesetzt. Die Berathung über den Antrag, bezüglich dessen in der vorigen Sitzung die Abstimmung vorbehalten wurde, und der lautet: „Die Eintragungsbewilligung kann enthalten die Bezeichnung des Grundes der Bewilligung, und, wenn dieser Grund Gewährung der Sicherheit für eine Schuld ist, die Bezeichnung des Grundes der Schuld," wurde von Neuem aufgenommen. Während und bezw. am Schluß der Berathung wurden jenem Antrage zwei andere Anträge entgegengestellt, zunächst nämlich der im vorigen Protokolle unter N 2 2 erwähnte Antrag, welcher die Zulassung der nach gemeinrechtlichen Grundsätzen zu beurtheilenden akzessorischen Hypothek bezweckt, indem für die Erneuerung des Antrags geltend gemacht war, seine frühere Ablehnung sei anscheinend durch ein theilweises Mißverständniß des damals angenommenen Antrags veranlaßt, wie die spätere Bekämpfung des im Eingange des heutigen Protokolls mitgetheilten Antrags verrathe, obschon derselbe nur die Konsequenz des früher angenommenen Antrags sei. 3. Zu dem erneuerten Antrage wurde von einer Seite der Zusatz vorgeschlagen: „Der Schuldner kann bei Bestellung der Hypothek für den Fall ihrer Begebung auf Einreden gegen den dritten Erwerber rechtswirksam verzichten. Der Verzicht ist in das Grundbuch einzutragen." 4. Ein neuer Antrag des Referenten ging dahin: „In der Eintragungsbewilligung und demzufolge im Grundbuche, kann vermerkt werden, daß die Hypothek zur Sicherheit für eine namhaft zu machende Schuld bestellt sei. In diesem Falle liegt dem Gläubiger der Beweis der von ihm geltend gemachten Forderung, sowie der Thatsache ob, daß zur Sicherung derselben die Hypothek bestellt worden. Hierauf bezügliche Einreden unterliegen den in N 2 6 bezeichnenten Beschränkungen nicht." Der Referent bemerkte, daß mit dem letzten Satze gemeint sei, gegen den Zessionar seien dieselben Einreden zulässig, wie gegen den ursprünglichen Gläubiger. Beschlossen wurde, über die vorliegenden Anträge in folgender Reihenfolge abzustimmen: 1. der im Eingang des heutigen Protokolls mitgetheilte Antrag, 2. der die Anerkennung der gemeinrechtlichen akzessorischen Hypothek bezweckende Antrag, mit dem Zusatzantrage, 3. der Antrag zu 2 ohne den Zusatz, 4. der neue Antrag des Referenten. Die Anträge zu 1, 2 und 3 wurden abgelehnt, die beiden letzteren gegen 4 Stimmen. Der Antrag zu 4 wurde angenommen. 88
Protokolle der Kommissionsberatungen
Man war einverstanden, daß der frühere Beschluß: „Der Schuldner kann bei der Eintragungsbewilligung die causa anführen, in welchem Falle er alle die causa betreffenden Einreden sowohl dem ersten Gläubiger als allen Rechtsnachfolgern desselben gegenüber geltend machen kann," für beseitigt zu erachten sei. Zu dem angenommenen Antrage des Referenten war der Zusatz vorgeschlagen: „Durch die Löschung des in dem ersten Absätze gedachten Vermerkes erhält die Hypothek dieselbe Wirkung, als ob der Vermerk niemals eingetragen gewesen wäre." Dieser Zusatz wurde dem Herrn Referenten zur Prüfung bei Aufstellung des vollständigen Entwurfs des Hypothekenrechts überwiesen. Anlangend die definitive Erledigung des Schlußsatzes der Thesis II, 2, so enthält dieser Schlußsatz zwei Bestimmungen: 1., Der Schuldgrund darf in der Eintragungsbewilligung nicht angegeben werden, 2., die Eintragungsbewilligung darf mit einer anderen Willenserklärung nicht verbunden werden. Die Bestimmung zu 1, galt als durch den obigen Beschluß erledigt. Die Bestimmung zu 2, wurde als eine solche, welche von keiner prinzipiellen, materiellrechtlichen Bedeutung sei, sondern mehr das Formale der Buchführung betreffe, und weil ihr anscheinend eine Tragweite beiwohne, die über die hypothekarische Eintragung hinausweise, dem H e r r n Referenten zur fernerweiten Prüfung und mit dem Anheimgeben überwiesen, auf sie bei Aufstellung des vollständigen Entwurfs zurückzukommen. Bevor zur Berathung der folgenden Thesen übergegangen wurde, bevorwortete der Referent, ohne Widerspruch zu finden: dieselben seien nur für eine reine Konsenshypothek in Berathung zu nehmen, indem sie für die nach dem Obigen zugelassene akzessorische Hypothek nicht berechnet seien, und er sich vorbehalten müsse, in nähere Ueberlegung zu ziehen, ob und wiefern jene Thesen f ü r die letztere H y pothek passen, was wie schon jetzt erhelle, zum großen Theil werde verneint werden müssen. Die Thesis II, 3 wurde in folgender Fassung angenommen: „Die Bewilligung des Eigenthümers wird ersetzt durch das richterliche Urteil bezw. durch Ersuchen des Gerichts oder anderer zuständiger Behörden." Es soll der Frage nicht präjudizirt sein, ob im Fall der Schuldner zur Eintragungsbewilligung verurtheilt wurde oder die Eintragung des prätorischen Pfandrechts aus dem Urtel zu erleiden hat, der Gläubiger nur durch Vermittelung des Gerichts seinen Zweck erreichen, oder die Buchbehörde unmittelbar angehen kann. Vorbehalten wurde ferner die Entscheidung, ob und inwiefern der Gläubiger, welcher den aus dem Urtel kraft des Gesetzes entspringenden prätorischen Pfandrechtstitel geltend macht, eine Konsenshypothek begehren könne, oder mit einer akzessorischen Hypothek sich begnügen müsse.
Vierzehnte Sitzung vom 11. 10. 1876 1. Das Protokoll der dreizehnten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Die Berathung der Vorlage N 2 8 über das Pfandrecht an Grundstücken wurde fortgesetzt. 89
Beratungen zu Vorfragen
Zur Diskussion gelangte die Thesis II, 4. Man zog zunächst die Prinzipien zur Erörterung, auf welchen diese Thesis und die Thesen II, 7 und 9 beruhen. Entsprechend der Auffassung des Referenten wurde zunächst der Grundsatz verworfen: „über die H y p o t h e k wird mit voller Wirksamkeit (auch gegen Dritte) nach den f ü r die Verfügungen über Forderungen geltenden allgemeinen Rechtsnormen verfügt, die publica fides des Hypothekenbuchs auf die Hypotheken selbst also nicht ausgedehnt." Beschlossen wurde vielmehr: die publica fides des Hypothekenbuchs solle auch für die Verfügungen über Hypotheken gelten. Andererseits wurde im Einklänge mit der Auffassung des Referenten durch Mehrheitsbeschluß der Grundsatz abgelehnt: „wenn der Buchgläubiger über die Hypothek verfügt, so gehört zur vollen Wirksamkeit der V e r f ü g u n g deren Eintragung in das Hypothekenbuch." Angenommen wurde der Grundsatz: „über die erste Eintragung von Hypotheken wird eine Urkunde — Hypothekenbrief — ausgefertigt, deren Auslieferung, wenn der Buchgläubiger oder ein ihm nachfolgender Gläubiger über die Hypothek verfügt, zur vollen Wirksamkeit der V e r f ü g u n g erforderlich ist, vorbehaltlich der besonderen Vorschriften für den Fall, daß die Verfügung nicht in der vollständigen Abtretung des Rechts besteht (Theilzession, Prioritätsbewilligung, Verpfändung u. s. w.), sowie der besonderen Vorschriften über Erfordernisse und Wirkungen der Eintragung einer V e r f ü g u n g über die Hypothek in das Hypothekenbuch." Sodann wandte sich die Berathung zur Feststellung der Erfordernisse zur Entstehung der H y p o t h e k und des Gläubigerrechts. Es lagen folgende Anträge vor: 1) der des Referenten: Die Hypothek entsteht durch die Eintragung, so zwar, daß auch das Gläubigerrec/tf durch die Eintragung perfekt wird, vorbehaltlich der Bestimmung, daß der Gläubiger bis zur Aushändigung des Hypothekenbriefes nicht zur Disposition über die Hypothek befugt ist; 2) Die H y p o t h e k und das Gläubiger recht entstehen durch die Eintragung, der Gläubiger kann aber, solange er den Hypothekenbrief nicht erlangt hat, das Gläubigerrecht nicht ausüben; 3) Die H y p o t h e k selbst entsteht schon durch die Eintragung, das Gläubigerrecht dagegen wird f ü r den ersten Buchgläubiger erst durch die Aushändigung des H y p o thekenbriefes erlangt. Die Anträge zu 1) und 2) wurden, der letztere gegen fünf Stimmen, abgelehnt, der zu 3) wurde angenommen. Dem H e r r n Referenten wurde empfohlen, bei Aufstellung des definitiven Entwurfs des Hypothekenrechts die Frage von Neuem der Prüfung zu unterziehen, ob es sich empfehle, den Verzicht auf Ertheilung des Hypothekenbriefes zuzulassen, und im Falle der Bejahung, welche besonderen Bestimmungen alsdann erforderlich seien, ob insbesondere die ausdrückliche Bestimmung nöthig sein würde, das Gläubigerrecht werde schon durch die Eintragung erworben, ob ferner die Vorschrift am Platze sein möchte, es könne über die Forderung vor nachträglicher Ertheilung des Hypothekenbriefes nicht verfügt werden. Anlangend endlich den Inhalt der Eintragung und des Hypothekenbriefes, so wurde beschlossen: „bei der Eintragung seien zu bezeichnen: der Gläubiger; die Summe in gesetzlicher Währung, und die Verzinsungs- und Zahlungsbedingungen nach Maßgabe der zur Thesis 2 gefaßten Beschlüsse; dasselbe gelte von dem H y p o thekenbriefe; der Referent werde die Ausarbeitung des vollständigen Entwurfs, wie 90
Protokolle der Kommissionsberatungen
er sich vorbehalten, näher zu prüfen haben, ob und welche andere Erfordernisse noch vorzuschreiben seien." Hierauf wurde zur Berathung der Thesis II, 5 übergegangen. Von einer Seite wurde beantragt, im Falle der Ablehnung der beiden ersten Absätze der Thesis 5 zu bestimmen: „Derjenige, auf dessen Antrag oder gegen welchen die Hypothek eingetragen worden, haftet dem Hypothekengläubiger für die Bezahlung der eingetragenen Summe und der Zinsen nur mit dem verpfändeten Grundstücke, und nicht mit seinem übrigen Vermögen. Ist in der Eintragungsurkunde erklärt, daß der Schuldner auch mit seinem übrigen Vermögen haften wolle, so findet die Zwangsvollstreckung wegen der eingetragenen Summe und der Zinsen auch in sein übriges Vermögen stau." Sowohl die Absätze 1 und 2 der Thesis 5, als der vorbezeichnete Antrag wurden gegen je 2 Stimmen abgelehnt. Angenommen wurde sodann der Grundsatz: „Durch die Hypothek erlangt der Gläubiger das Recht, die eingetragene Forderung im Wege der Exekution in das Grundstück beizutreiben." „Unter eingetragener Forderung ist übrigens nicht die materielle Forderung zu verstehen." Durch Beschluß fand der letzte Absatz der Thesis 5 gleichfalls seine Erledigung. Fünfzehnte Sitzung vom 13. 10. 1876 2. 22 Es erfolgte die Verlesung und Feststellung des Protokolls über die vierzehnte Sitzung. 3. Die Berathung der Vorlage N 2 8, betreffend das Pfandrecht an Grundstücken, wurde fortgesetzt. Die von dem Referenten unter II N 2 6 aufgestellten und mündlich erläuterten Sätze fanden insofern Widerspruch, als von einer Seite geltend gemacht wurde, es seien dabei die Grundsätze der Publizität und der Selbständigkeit der Hypothek nicht gehörig auseinander gehalten. Man beschloß, bei der Feststellung der zulässigen Einreden zunächst die Fälle auszuscheiden, in welchen die Hypothek abgetreten ist, zu Gunsten des klagenden Zessionars also zugleich die Grundsätze über den öffentlichen Glauben des Hypothekenbuchs in Betracht kommen, so daß vorab zu ermitteln sei, welche Einreden wegen des juristischen Wesens der Konsenshypothek auszuschließen wären. Als der zunächst zu erledigende Fall wurde hiernach der ins Auge gefaßt, in welchem der ursprüngliche Gläubiger klagend auftritt, folglich die Frage sich erhebt, ob und inwiefern der belangte Schuldner aus der materiellen causa der Hypothek einen Einwand herleiten dürfe. Man war einverstanden, daß, wenn der ursprüngliche Gläubiger den ursprünglichen Schuldner d. h. den Hypothekenbesteller belangt, der letztere entsprechend der These des Referenten befugt sein müsse, sich mit Einreden aus der materiellen causa zu schützen. Sodann erfolgte die Prüfung des Falles, wenn der ursprüngliche Gläubiger die Klage gegen einen späteren Eigenthümer des Grundstücks erhebt. Es war beantragt, in einem solchen Falle dem Verklagten, entsprechend der These des Referenten, die Einreden aus der materiellen causa zu versagen. Ein anderer Antrag ging dahin, 22
Punkt 1 betraf Geschäftliches.
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Beratungen zu Vorfragen diese Versagung mit der von verschiedenen Mitgliedern für selbstverständlich und entbehrlich erachteten Modifikation zu beschließen, daß die Einreden statthaft seien, sofern das Recht zur Erhebung derselben aus den zwischen dem Beklagten und dem ursprünglichen Schuldner bestehenden Rechtsbeziehungen sich ergebe. Der letzte Antrag wurde durch Stimmenmehrheit angenommen. Weiter gelangte die Frage zur Erörterung, inwieweit der spätere Eigenthümer des Grundstücks in Ansehung späterer Veränderungen, insbesondere also wegen einer geleisteten Zahlung, wegen Stundung, res judicata u. s. w., zur Erhebung einer Einrede befugt sei, wenn das betreffende Rechtsverhältniß in der Person des früheren Grundstückseigenthümers sich gründe. Durch Mehrheitsbeschluß wurde auf Antrag entschieden: Einreden solcher Art seien ausgeschlossen, sofern sich nicht das Recht zur Erhebung derselben aus den zwischen dem Beklagten und dem Hypothekenbesteller bestehenden Rechtsbeziehungen ergebe. N u n m e h r wandte sich die Berathung zur Erörterung der Frage, welche Einreden nach den Grundsätzen über die fides des Hypothekenbuches ausgeschlossen seien, wenn nach Abtretung der Hypothek der Zessionar klagt. Darüber bestand keine Verschiedenheit der Ansichten, daß von jenen Grundsätzen abgesehen der Zessionar denselben Einreden ausgesetzt sei, wie der Zedent, daß also, wenn der Zessionar des ursprünglichen Gläubigers gegen den ursprünglichen Schuldner klagt, dieser Einreden aus der materiellen causa würde erheben dürfen, daß aber nach den erwähnten Grundsätzen die fraglichen Einreden ausgeschlossen bleiben müßten, es sei denn der Zessionar habe sie zur Zeit seines Erwerbes aus dem Hypothekenbuche beziehungsweise Hypothekenbriefe ersehen können oder anderweit gekannt, also in bösem Glauben erworben. Es war der Antrag gestellt, der vorstehenden Auffassung durch folgenden Beschluß Ausdruck zu geben: „Gegen einen Zessionar sind Einreden, die gegen einen Vormann statthaft gewesen wären, nur dann zulässig, wenn sich dieselben zur Zeit des Erwerbes der H y p o t h e k aus dem Grundbuch oder dem Hypothekenbriefe ergeben, oder die Thatsachen, auf welche sie sich gründen, dem Zessionar bekannt waren." Der Antrag wurde angenommen, dem Referenten jedoch die Prüfung empfohlen, ob nicht das W o r t „ergeben" insofern ein Mißverständniß erwecken könnte, als es auszudrücken scheine, die Einrede müsse sich als begründet ergeben, während dies wohl nur richtig sei, wenn die Einrede der Nichtigkeit wegen wesentlicher Mängel der Bestellung in Frage komme. Im Uebrigen erachtete man besondere Bestimmungen über Einreden wegen Nichtigkeit der Hypothek nicht für nöthig. Erwogen wurde: solche Einreden seien immer statthaft, sofern sie nicht nach den Grundsätzen über die fides des Hypothekenbuchs versagten.
Sechszehnte Sitzung vom 14. 10. 1876 1. Das Protokoll über die fünfzehnte Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Die Vorlage N - 8 über das Pfandrecht an Grundstücken wurde bei den unter II. 6 aufgestellten Thesen wieder aufgenommen. Die Kommission war mit dem Referenten darin einverstanden, daß der Schutz des Zessionars gegen Einreden nicht davon abhängen solle, daß derselbe die H y p o thek gegen Entgelt erworben habe. 92
Protokolle der Kommissionsberatungen
Man beschloß ferner, die Einrede der Tilgung fälliger Zinsen unbeschränkt zuzulassen, und zwar sowohl die, ein früherer Eigenthümer habe getilgt, als auch im Fall der Abtretung der Hypothek die, der Zedent sei wegen der Zinsen befriedigt. Dabei lenkte die Debatte sich auf die Frage, wann und an wen der Schuldner die Zinsenzahlung leisten dürfte. Von einer Beschlußfassung hierüber wurde jedoch abgesehen, da der Referent eine solche zur Zeit nicht wünschte. Bei II. 7 wurde allerseits anerkannt, daß die These durch die zu II. 4 gefaßten Beschlüsse im Sinne des Referenten ihre Erledigung gefunden habe. Sodann wandte sich die Berathung zu den Vorschlägen unter II. 8 über die Hypothek des Eigenthümers. Nach Erläuterung der Vorlage durch den Referenten wurde der Antrag gestellt, zunächst über die juristische Konstruktion der Eigenthümerhypothek sich schlüssig zu machen. Die Mehrheit lehnte jedoch diesen Antrag ab. Die Abstimmung über den ersten Satz der Vorschläge wurde auf den Wunsch eines Mitgliedes getheilt. Der Vorschlag, daß der eingetragene Eigenthümer befugt sein solle, Hypotheken auf seinen Namen eintragen zu lassen, wurde angenommen, desgleichen der fernere Vorschlag, daß der Eigenthümer eingetragene Hypotheken durch Abtretung oder Erbfolge solle erwerben dürfen, dieser jedoch unter Streichung der Worte „durch Abtretung oder Erbfolge", wobei man der Streichung die Bedeutung beilegte, daß der Frage nicht vorzugreifen wäre, ob nicht noch auf andere Weise, als durch Abtretung oder Erbfolge, ζ. B. durch Zahlung, eine Hypothek von dem Eigenthümer erworben werden könnte. Bei der weiteren Debatte gelangten verschiedene Theorien der Eigenthümerhypothek zur Erörterung. Von einer Seite wurde beantragt, an Stelle des in den folgenden Sätzen der Vorlage gegebenen Details das Prinzip auszusprechen. „Der Eigenthümer hat an der für ihn eingetragenen beziehungsweise von ihm erworbenen Hypothek alle Rechte des Hypothekengläubigers, soweit denselben nicht das Zusammentreffen des Eigenthums und der Hypothek in Einer Person entgegensteht." Die Mehrheit erklärte sich gegen diesen Antrag, indem die Auffassung überwog, daß die theoretische Rechtfertigung und die juristische Konstruktion der Hypothek des Eigenthümers der Wissenschaft überlassen werden müßte. Die Sätze 2, 3, 4 und 5 wurden hierauf angenommen. Bei Satz 3, nach welchem der Eigenthümer befugt sein soll, bei der Zwangsversteigerung des Grundstücks die Hypothek gegen die Kaufgeldmasse für sich geltend zu machen, gab man dem Referenten anheim, zu erwägen, ob nicht in dem Gesetzbuche ausdrücklich festzusetzen wäre, daß diese Befugniß dem Eigenthümer auch bei der Zwangsverwaltung gegen die Revenüenmasse zustände und daß im Konkurse des Eigenthümers die Hypothek in die Konkursmasse fiele. Nunmehr ging man zu den die Aufhebung der Hypothek betreffenden Sätzen — N 2 9 der Vorschläge — über. Nachdem der Referent seine Ansichten näher dargelegt hatte, wurde auf Antrag beschlossen, die Entscheidung darüber, ob auch im Fall der Subhastation des Grundstücks und in Ansehung der Hypothek „auf Zeit" die Löschung der ausschließliche Aufhebungsmodus sein solle, so lange auszusetzen, bis Vorschläge über die Grundsätze bei der Subhastation und über die Frage der Zulässigkeit zeitlich beschränkter Hypotheken ausgearbeitet sein würden. Hiervon abgesehen, erfolgte die Annahme des ersten Satzes der N 2 9, und zwar in dem Sinne, daß die Löschung ei93
Beratungen zu Vorfragen
ner H y p o t h e k das Aufrücken der nacheingetragenen Hypotheken zur Folge haben müsse. Der zweite Satz erlangte in nachstehender Fassung die Zustimmung der Kommission: „Die Löschung erfolgt nur auf Antrag des eingetragenen Eigenthümers. Der Antrag wird ersetzt durch das richterliche Urtheil, beziehungsweise durch Ersuchen des Gerichts oder anderer zuständiger Behörden." Nicht vorgegriffen werden soll hierdurch der Frage, ob im Fall der Verurtheilung des Eigenthümers die Löschung unmittelbar bei dem Grundbuchamt oder nur durch Vermittelung des Gerichts nachgesucht werden könne. Dem dritten Satze trat die Kommission unter Streichung der Worte „derselbe" und „ergiebt, daß" lediglich bei, nachdem darauf hingewiesen worden, daß auch hier das richterliche Urtheil die Bewilligung ersetze. Der vierte Satz wurde ohne Diskussion genehmigt und damit die Vorlage N 2 8 erledigt. Der nächste Gegenstand der Berathung ist die Vorlage N 2 3, betreffend die Ansprüche aus dem verlorenen Besitze eines Grundstücks. Nachdem der Referent die Debatte über den unter I konstruirten „Anspruch auf Grund rechtmäßig erworbenen Besitzes" durch orientirenden Bemerkungen eingeleitet hatte, wurde von einer Seite das Bedürfniß für die Zulassung eines solchen Anspruchs nach Annahme des Grundbuchsystems bestritten und deshalb die Ablehnung der Vorschläge I I —4 beantragt. Die Berathung über diesen Antrag wurde bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt.
Siebzehnte Sitzung vom 16. 10. 1876 1. Das Protokoll über die sechszehnte Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Nach Wiederaufnahme der Berathung über die Vorlage N 2 3, betreffend die Ansprüche aus dem verlorenen Besitz eines Grundstücks, beantragte ein Mitglied zu I der Vorschläge des Referenten, die Grundsätze über den „Anspruch auf Grund rechtmäßig erworbenen Besitzes", allgemein f ü r bewegliche und unbewegliche Sachen festzustellen und dann zu erwägen, ob und inwiefern das Grundbuchsystem zu einer Ausnahme dränge. Von anderer Seite wurde zwar gegen die Ausscheidung der Mobilien nichts erinnert, in Konsequenz des am 15. Oktober 1875 gefaßten, die Veräußerung der gebuchten und der nicht gebuchten Grundstücke nach gleichen Grundsätzen ordnenden Beschlusses aber der Antrag gestellt, auch bei der Regelung des Besitzerschutzes die Unterscheidung zwischen beiden Kategorien von Immobilien aufzugeben. Der Antragsteller machte ferner geltend: während die Annahme des Auflassungsprinzips die Vorstellung erwecke, daß die Kommission nur obligatorische Wirkungen der Tradition habe anerkennen wollen, gehe die Vorlage davon aus, daß die Tradition auch dingliche Wirkungen habe. Er bitte deshalb, die Frage nicht auf Annahme oder Ablehnung des von dem Referenten konstruirten Anspruches zu stellen, sondern die Prinzipienfrage zu entscheiden, ob die Tradition dinglich oder nur obligatorisch wirken soll. Nachdem die Mehrheit sich gegen diese Anträge erklärt hatte, schritt man zur Abstimmung über den Vorschlag I. 1 unter Feststellung der Beschränkung desselben 94
Protokolle der Kommissionsberatungen
auf die gebuchten Grundstücke. Das Ergebniß war die Verwerfung des Vorschlages. Von einer Seite war hierfür insbesondere geltend gemacht, in den bezüglichen Fällen verdiene es den Vorzug, den gegenwärtigen Besitzer zu schützen und anlangend dessen mala fides eine solche nicht anzuerkennen, wenn derselbe den früheren Besitz des Anderen gekannt habe, da nach dem Auflassungsprinzip und den bei dessen Annahme gefaßten Beschlüssen die Tradition nur das obligatorische Recht verstärken, nicht aber dinglich wirken, die Kenntniß der Tradition mithin auch keine mala fides erzeugen könne, wobei noch in Betracht zu ziehen sei, daß in Entsetzungsfällen das gegen den dritten bösgläubigen Besitzer zuzulassende Possessorium dem Entsetzten Schutz gewähre. Die Thesen 2—4 erachtete die Kommission durch die Ablehnung der These 1 ebenfalls für beseitigt. Nunmehr wandte sich die Berathung zu den unter II aufgestellten Sätzen über den „Anspruch aus dem durch fehlerhafte Besitzerwerbung eines Anderen verlorenen Besitze." Nachdem der Referent seine Vorschläge erläutert hatte, bejahte die Kommission die Vorfrage, ob in Ansehung der gebuchten Grundstücke überhaupt noch ein besonderes Rechtsmittel, außer der Eigenthumsklage, zum Schutz des entsetzten Besitzers zugelassen werden solle. Bei der These 1 wünschte ein Mitglied zugleich die Kondition des Besitzers geordnet zu sehen. Sein deshalb gestellter Antrag: das W o r t „wissentlich" zu streichen, fand jedoch nicht die Zustimmung der Kommission. Von anderer Seite wurde die Fassung der These auch unter Beschränkung derselben auf das Possessorium bemängelt. Einmal nämlich bezweifelte man, ob die Worte „wissentlich ohne den Willen" die fehlerhafte Besitzergreifung vi aut clam ausreichend kennzeichneten. Sodann glaubte man, daß durch die vorliegende Fassung auch das Prekarium mitgetroffen werde, wogegen der Referent betonte, daß er dies durchaus nicht beabsichtigt habe. Die Kommission beschloß, die Entscheidung darüber, ob die clam oder precario geschehene Besitzerwerbung der vi erfolgten Ergreifung des Besitzes gleichzustellen wäre, bis zur Vorlage des vollständigen Entwurfes über den Besitzesschutz auszusetzen und die Prüfung der fraglichen Bedenken dem Referenten anheimzugeben. Ein Antrag, welcher bezweckte, den Besitzesschutz von einer bestimmten Besitzeszeit des Klägers abhängig zu machen, wurde verworfen. Zur These 2 erklärte der Referent auf Befragen, daß durch die Worte „denselben Anspruch wegen Vorenthaltung des Grundstücks wie ein Eigenthü« mer der petitorische Charakter der von ihm konstruirten Possessorienklage außer Zweifel gestellt werden sollte. Die Mehrheit lehnte jedoch die Gestaltung des Anspruchs zu einem petitorischen ab, nahm aber im Uebrigen die Vorschläge des Referenten unter a und b an. Von der These 3 wurde die Beschlußfassung über a auf den Wunsch des Referenten bis zur Vorlage des vollständigen Entwurfes ausgesetzt, der Satz b dagegen abgelehnt.
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Beratungen zu Vorfragen
Achtzehnte Sitzung vom 18.10.1876 1. Das Protokoll der siebenzehnten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Die Thesen II. 4 und 5 der Vorlage N 2 3, betreffend die Ansprüche aus dem verlorenen Besitze eines Grundstücks, wurden auf den Antrag des Referenten einer weiteren P r ü f u n g f ü r jetzt nicht unterzogen; vielmehr wurde die Beschlußfassung darüber bis zur Vorlegung des vollständigen Entwurfes ausgesetzt.
Zweite Sitzung vom 19. 9. 1877 23
2. Es wurde die Vorlage N £ 5 über das Pfandrecht an Schiffen der Berathung unterstellt, und zunächst das Pfandrecht an Seeschiffen erörtert. Von verschiedenen Seiten wurden Zweifel angeregt, ob es nicht besser sei, die O r d n u n g dieses Gegenstandes der zu berufenden Kommission zur Aufstellung eines neuen Gesammt-Entwurfes des Handelsgesetzbuchs zu überlassen. Man entschied sich dahin, daß diese Kommission zu befinden haben werde, ob die durch die V o r schläge des Referenten angestrebte Erleichterung der Verpfändung von Seeschiffen angemessen sei. Für den Fall, daß diese Frage von derselben verneint wird, würden die entworfenen Bestimmungen zu streichen sein. Man hielt es aber f ü r zweckmäßig, Bestimmungen zu entwerfen, damit die etwa erforderlichen Vorschriften mit den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs vom Pfandrechte in Uebereinstimmung bleiben. Mit den hieraus sich ergebenden Maßgaben wurden die Sätze zu I, 1 und I, 2 a der Vorlage angenommen. Die Sätze II, 1 und 2 der Vorlage, wonach im Allgemeinen die Bestimmungen über das Pfandrecht an beweglichen Sachen auf das Pfandrecht an Seeschiffen Anwendung finden, und wonach bei Seeschiffen, welche in das Schiffsregister eingetragen werden müssen oder können, und bei Antheilen an solchen (Schiffsparten) die Eintragung der Verpfändung in das Schiffsregister stattfindet, wurden mit dem Vorbehalte angenommen, daß mit dem Satze zu II, 1 nicht entschieden werden soll, ob die Wirkungen der Verpfändung von Mobilien mittelst körperlicher Uebergabe auch in dem Sinne eintreten, daß im Falle der Verpfändung durch den Nichteigenthümer der gutgläubige Pfandgläubiger dem wahren Eigenthümer gegenüber das Pfandrecht geltend machen, bez. Erstattung der Pfandsumme verlangen könne. Der Satz zu II, 3 der Vorlage, wonach die nach der Eintragung erfolgte Uebergabe der Verpfändungsurkunde an den Gläubiger an die Stelle der sonst zur Erwerbung des Pfandrechts an einer beweglichen Sache erforderlichen Uebergabe derselben tritt, fand nicht Zustimmung. Die Mehrheit entschied sich f ü r folgende Sätze: a, das Pfandrecht entsteht durch den Verpfändungsvertrag und die hinzukommende Eintragung; b, der die Eintragung in das Register Anordnende hat nicht zu prüfen, ob der Pfandgläubiger konsentirt; er bewirkt die Eintragung, wenn ihm nur eine vom Schuldner ausgestellte Verpfändungserklärung vorliegt, c, selbst, wenn der Vertrag erst zu Stande kommt, nachdem die Eintragung bereits erfolgt ist, entscheidet über die Priorität lediglich die Eintragung. Der Vorschlag des Referenten zu II, 3 Absatz 2, daß an den registerfähigen und registerpflichtigen Seeschiffen ein Pfandrecht mittels Uebergabe des Schiffes nicht bestellt werden kann, wurde von der Mehrheit nicht gebilligt. Man war aber dar23
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Punkt 1 betraf Geschäftliches.
Protokolle der Kommissionsberatungen über einverstanden, daß die registrirten Pfandrechte den durch Uebergabe entstandenen vorgehen. In Betreff der Strom- und Fluß- pp. Schiffe wurde mit Rücksicht darauf, daß das Institut der Meßbriefe nicht allgemein besteht, und auch, wo es eingeführt ist, anscheinend, namentlich in den in Frage kommenden Beziehungen nur unvollkommen geregelt ist, beschlossen, daß, wenn die Kommission zur Aufstellung des neuen Entwurfs des Handelsgesetzbuchs bei Berathung des Linien-Schifffahrts-Rechts für solche Schiffe eine dem Institute des Schiffsregisters adäquate oder genügend entsprechende Einrichtung beschließen sollte, die vorstehenden Beschlüsse in der Anknüpfung an die neue Institution entsprechend auch für die Verpfändung von solchen Schiffen anzuwenden seien. — Die Verpfändung solcher Schiffe durch Hingabe der Schiffspapiere wurde nicht für zulässig erachtet. 3. Es gelangte hierauf zur Berathung die Vorlage N s 6. In dem Satze I, 1: „Eine persönliche Dienstbarkeit an einem Grundstücke wird durch die von dem Eigenthümer bewilligte Eintragung in das Grundbuch erworben", fand man mehrere Prinzipien. Der Grundsatz, daß die persönliche Dienstbarkeit an einem Grundstücke eingetragen werden muß, damit das Recht entstehe, mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen, wohin insbesondere gehört, daß der spätere Erwerber des Grundstücks das Recht nicht anzuerkennen braucht, auch wenn er bei dem Erwerbe wußte, daß es eingeräumt, und der Berechtigte im Genüsse sei, wurde als Regel ν on der Mehrheit gebilligt. Dabei war man einverstanden, daß die Konsequenz keineswegs gebiete, die sogenannte Dispositions-Beschränkungen (Lehns-, FideikommißEigenschaft u. s. w.), die zur Wirksamkeit gegen Dritte der Eintragung bedürfen, ähnlich zu behandeln seien. Die Beschlußfassung über die weiteren in der Thesis enthaltenen Grundsätze wurde vertagt.
Dritte Sitzung vom 20. 9. 1877 1. Das Protokoll der zweiten Sitzung wurde verlesen und genehmigt. 2. Von den in dem Satze I, 1 der Vorlage N £ 6 weiter enthaltenen Grundsätze wurde das Konsensprinzip angenommen, d. h. dem Grundbuchrichter wird das materielle Rechtsgeschäft nicht unterbreitet. Die Eintragung erfolgt auf Grund der Erklärung des Bucheigenthümers, daß er die Eintragung bewillige, und des Erwerbers, daß er die Eintragung beantrage. Der Vorschlag, daß nur die Erklärung des Grundeigenthümers, eine Erklärung des Erwerbers aber nicht nöthig sein soll, wurde abgelehnt. Ferner wurde das Prinzip beschlossen, daß eine persönliche Dienstbarkeit, ähnlich wie die Hypothek überhaupt und auch abgesehen von der Konstituirung durch Vertrag nur durch Eintragung erworben wird. Es blieb jedoch vorbehalten, bei Feststellung der Lehre von der Ersitzung zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen etwa noch die Ersitzung einer persönlichen Dienstbarkeit dergestalt zuzulassen sei, daß nur zur Wirksamkeit gegen Dritte noch die Eintragung hinzutreten muß. Der Vorbehalt erfolgte mit Rücksicht auf den ähnlichen Vorbehalt bei dem Beschlüsse über den Eigenthumserwerb durch Auflassung. Unbestritten blieb die Ansicht, daß nach dem Eintrage des Rechts dem Eigenthümer unter gegebenen24 24
Im Original steht „untergebenen". 97
Beratungen zu Vorfragen
Voraussetzungen nur eine condictio bleibt. Man war einverstanden, daß durch die bisherigen Beschlüsse keineswegs entschieden sei, daß auf die eingetragenen persönlichen Dienstbarkeiten die Grundsätze über die eingetragenen Hypotheken, soweit diese Grundsätze den Schutz des Erwerbers einer eingetragenen Hypothek betreffen, u. s. w., Anwendung finden, daß diese Grundsätze vielmehr unanwendbar blieben. Der Satz I, 2 der Vorlage, wonach der Satz I, 1 auf die mit Verhältnissen des Familienrechts verbundene Nutznießung keine Anwendung findet, und der Beschluß über die Eintragung derselben vorbehalten bleibt, fand keinen Widerspruch, zumal noch nicht endgültig entschieden ist, ob und inwieweit jener Nutznießung die Eigenschaft eines dinglichen Rechts zu versagen sei. Angeregt und dem Redaktor zur Erwägung überlassen wurde ferner die etwaige Nothwendigkeit der Berücksichtigung noch anderer gesetzlicher Nießbrauchsrechte. Die Sätze II, 1 und 2, Inhalts deren zur Erwerbung einer Grunddienstbarkeit die Eintragung nicht erforderlich ist, und Grunddienstbarkeiten auch zur Erlangung der Rechtswirkung gegen Dritte der Eintragung nicht bedürfen, wurde zwar von mehreren Seiten bekämpft, aber von der Mehrheit, sowohl für den Fall, daß es sich um Dienstbarkeiten, welche durch bleibende Vorrichtungen oder Anlagen erkennbar sind (apparentes), als für den Fall, daß es sich um andere (non apparentes) handelt, angenommen. Der Satz II, 3, wonach die Eintragung von Grunddienstbarkeiten in das Grundbuch zulässig ist, wurde von der Mehrheit angenommen. Man legte der Eintragung in solchem Falle die Bedeutung bei, daß dadurch der Berechtigte die Vortheile erlangt, welche sich an die Eintragung einer persönlichen Dienstbarkeit — abgesehen von der Entstehung des Rechts erst durch die Eintragung, — knüpfen. Die Eintragung der Grunddienstbarkeit erfolgt, wie weiter beschlossen wurde, nach Maßgabe der für die Eintragung von persönlichen Dienstbarkeiten angenommenen Grundsätze, so daß das Konsensprinzip gilt, und Bewilligung und bezw. Antrag des Eigenthümers und des Berechtigten genügend und nöthig sind. Der zweite Absatz des Satzes II, 3, lautend: „Der Eigenthümer des dienenden Grundstücks hat auf Verlangen des Berechtigten die Eintragung zu bewilligen. Die Kosten der Eintragungsbewilligung und der Eintragung hat der Berechtigte zu tragen", wurde von der Mehrheit gebilligt. Der Satz II, 4, wonach bei der Errichtung der Grunddienstbarkeit durch Vertrag zur Erwerbung derselben die Einräumung und Errichtung des Besitzes (Quasitradition) nicht erforderlich ist, fand gleichfalls die Zustimmung der Mehrheit.
Vierte Sitzung vom 22. 9. 1877 1. Das Protokoll der dritten Sitzung wurde verlesen und genehmigt. 2. Der erste Satz von Thesis II, 5 der Vorlage N 2 6, welcher lautet: „Verträge, durch welche Grunddienstbarkeiten errichtet werden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der gerichtlichen oder notariellen Aufnahme" fand in dem Sinne Annahme, daß Verträge, durch welche Grunddienstbarkeiten errichtet werden, zur Erzeugung des dinglichen Rechts, insbesondere zur Erlangung der Rechtswirkung gegen Dritte, der gerichtlichen oder notariellen Aufnahme bedürfen, während der obligatorische Vertrag durch diese Formvorschrift nicht betroffen wird. Man war zugleich übereinstimmend der Ansicht, daß hierdurch die Frage nicht entschieden sei, ob und inwiefern, im Anschluß an verschiedene geltende Landesrechte bei der Konstituirung 98
Protokolle der Kommissionsberatungen
gewisser Dienstbarkeiten, namentlich solcher, welche f ü r kulturschädlich gelten, zur Gültigkeit des obligatorischen Vertrags eine besondere Form vorzuschreiben sei. D e r zweite Satz dieser Thesis w u r d e in der Fassung a n g e n o m m e n : D e r gerichtlichen oder notariellen A u f n a h m e des Vertrages steht die Eintragung im Grundbuche gleich. Vorbehalten blieb die weitere P r ü f u n g , welche W i r k u n g e n einer etwaigen Löschung beizulegen seien. D e r Vorschlag des Referenten im dritten Absätze derselben Thesis, daß die mangelnde V e r t r a g s f o r m ersetzt werde durch die thatsächliche Herstellung einer bleibenden Anstalt auf dem dienenden Grundstücke, durch welche die Grunddienstbarkeit als solche erkennbar ist, w u r d e von der Mehrheit abgelehnt. Zu Thesis II, 6 w u r d e von der Mehrheit beschlossen, daß die E r w e r b u n g der Grunddienstbarkeiten durch Ersitzung nicht stattfinden soll. D o c h soll die Ersitzung ausnahmsweise zulässig sein f ü r Servitutes apparentes, d. h. solche, bei welchen die Dienstbarkeit durch bleibende Anlagen oder Vorrichtungen erkennbar ist, und zwar, abweichend von dem Vorschlage des Referenten, nicht nur f ü r solche, bei welchen die Anlagen oder Vorrichtungen sich auf dem dienenden Grundstücke befinden, sondern auch f ü r solche, bei welchen die Anlagen oder Vorrichtungen sich auf dem herrschenden Grundstücke befinden. Andererseits werde die Zulässigkeit der Ersitzung auf die kontinuirlichen Servituten o d e r genauer auf die Fälle beschränkt, in welchen die Anlage o d e r Vorrichtung den wesentlichen Inhalt der Dienstbarkeit unmittelbar ergiebt und erschöpft, und das H a b e n einer bleibenden Anstalt den wesentlichen Inhalt der Servitut bildet. In Betreff der Erfordernisse der Ersitzung, Absatz 2 der Thesis II, 6 w u r d e der Vorschlag des Referenten von mehreren Seiten bekämpft. V o n einer Seite w u r d e als E r f o r d e r n i ß noch verlangt, daß der Besitz nicht precario stattgefunden habe, und dagegen das E r f o r d e r n i ß des guten Glaubens f ü r bedeutungslos gehalten, von anderer Seite wollte man an die Stelle von „ohne Widerspruch" gesetzt wissen „nicht gewaltsam, nicht heimlich, und nicht bittweise", von noch anderer Stelle legte man den N a c h d r u c k darauf, daß eine Uebereinstimmung mit den Vorschriften über die Ersitzung beim Eigenthum gewahrt bleiben müsse, und w u r d e deshalb vorgeschlagen, die Beschlußfassung über die Erfordernisse der Ersitzung zu vertagen. Es w u r d e beschlossen, die Entscheidung über die Erfordernisse zu vertagen, bis dahin, w o die Vorschriften über die Ersitzung des Eigenthums feststehen. Es w u r d e sodann von einer Seite beantragt, die sogenannten irregulären Servituten, d. h. solche Dienstbarkeiten, welche nicht einem Grundstücke zustehen, aber inhaltlich als Prädialservituten v o r z u k o m m e n pflegen, in Ansehung der E r f o r d e r nisse der E r w e r b u n g und insbesondere in Ansehung der Nothwendigkeit bez. Zulässigkeit der Eintragung den Vorschriften über die Prädialservituten, und nicht den Vorschriften über die persönlichen Dienstbarkeiten zu unterwerfen. D e r Vorschlag w u r d e von der Mehrheit gebilligt. D e m R e d a k t o r w u r d e die nähere P r ü f u n g vorbehalten, wie jene Dienstbarkeiten zu bezeichnen seien, ob und inwiefern insbesondere die Bezeichnung des sächsischen Gesetzbuchs § 646: „wo die dadurch ertheilten Befugnisse über den Inhalt von Grunddienstbarkeiten nicht hinausgehen", Billig u n g verdiene, oder die Bezeichnung annehmbarer sei: „die einem Grundstücke nicht zustehenden Dienstbarkeiten, bei welchen z u r Ausübung des Rechts der Besitz des dienenden Grundstücks nicht erforderlich ist."
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Beratungen zu Vorfragen
Eilfte Sitzung vom 5. 10. 1877 1. Das Protokoll der zehnten Sitzung wurde verlesen und festgestellt. 2. Mit Rücksicht auf die Erkrankung des Redaktors des Obligationenrechts wurde der Nachtrag zum Vorschlage N 2 6 über die Erwerbung der Dienstbarkeiten an Grundstücken pp. zur Berathung gestellt. Nachdem der Referent die Vorlage begründet hatte, wurde diese von mehreren Seiten bekämpft. Es wurde nach eingehender Debatte durch Stimmenmehrheit, unter Aufhebung der früheren Beschlüsse, entschieden: 1, Anlangend die künftige Erwerbung von Grunddienstbarkeiten, welche nicht zu den apparentes gehören, so gelten für die Erwerbung derselben die f ü r die Erwerbung der persönlichen Dienstbarkeiten festgestellten Grundsätze; sodann 2, die Servitutes apparentes werden in jeder Beziehung den Rechtsnormen über die Erwerbung der Servitutes non apparentes unterworfen; endlich 3, es ist Aufgabe der Ausarbeitung und Berathung des Einführungsgesetzes in Ansehung der zur Zeit des Geltungsbeginns des Gesetzbuchs bereits erworbenen Grunddienstbarkeiten zu prüfen, a, ob die Eintragung der alten Servituten in das Grundbuch zu ihrer Erhaltung gleichfalls zu erfolgen habe, und im Falle der Bejahung, ob für die Eintragung eine mehr oder weniger geräumige Frist frei bleiben müsse, b, ob und welche Bestimmungen sich empfehlen, damit betreffenden Falls für diese Servituten aus der Ausschließung der Ersitzung als künftiger Erwerbungsart keine Unzuträglichkeiten entstehen. Unbeanstandet blieb die Auffassung, die neuen Beschlüsse sollen nicht hindern, die Entstehung gewisser Servituten im Gesetzbuche selbst oder durch einen geeigneten Vorbehalt f ü r die Landeskulturgesetze, auszuschließen oder zu erschweren. Bei der Debatte war zur Sprache gekommen: Es sei keineswegs ohne Zweifel, ob nicht nach dem Systeme, welches aus dem früher gefaßten Beschlüsse hervorgehe, das praktische Resultat sich ergeben werde, daß die Eintragung sowohl der alten als der neuen Servituten unabwendbar sei, also gerade derjenige Uebelstand eintrete, welcher von dem Eintragungszwange besorgt werde. Der Eintragungszwdwf sei für die neuen Servituten ohne ernste Gefahr, und erscheine nur für die alten Servituten bedenklich. Für eine gewisse, nicht unbeträchtliche Zeitdauer könne aber ein Rechtszustand keineswegs für unerträglich erachtet werden, nach welchem das Grundbuch nur über die neuen, nicht auch über die alten Servituten zuverlässig Auskunft gebe. Da aber außerdem die Zahl der alten Servituten von Jahr zu Jahr, namentlich in Folge der Agrargesetze, sich mindern werde, so dürfe das Gesetzbuch den Eintragungszwang f ü r die alten Servituten, welche von seinen Vorschriften über die Erwerbung der Grunddienstbarkeiten an sich gar nicht betroffen würden, um so mehr auf sich beruhen lassen, und alle in dieser Beziehung, so wie in Beziehung auf die Gefahren der Ausschließung der Ersitzung als künftiger Erwerbungsart etwa nothwendigen Bestimmungen dem Einführungsgesetze vorbehalten.
Eilfte Sitzung vom 21. 10. 1878 Der Berathung wurde demnächst die Vorlage N s 1 von 1878, Superfizies betreffend, unterstellt. 100
Protokolle der Kommissionsberatungen
Es fand zuerst eine generelle Diskussion statt, in welcher zunächst der Referent die Bedeutung der Vorlage näher entwickelte. Er führte aus: Den Schwerpunkt der Vorlage bilde die erste Thesis, deren Zweck sei, zur Entscheidung zu bringen, ob das begriffsmäßig vererbliche und veräußerliche superfizarische Recht als besonderes dingliches Recht zugelassen werden solle. Zugleich beantrage er, nach dem Schluß der Generaldiskussion über folgende einzelne Fälle zu Thesis I getrennt zu berathen und zu beschließen: 1) Das superfiziarische Recht bezieht sich auf ein ganzes Gebäude, welches der Berechtigte auf dem im Eigenthum eines Anderen befindlichen Grund und Boden zu haben befugt ist; 2) es beschränkt sich auf einen Gebäudetheil (Stockwerk); 3) es bezieht sich auf eine andere bauliche Anlage (Felsenkeller); 4) es bezieht sich auf Pflanzungen. Die übrigen Mitglieder äußerten sodann ihre Ansicht über den Standpunkt des Referenten. Mehrere Mitglieder bekämpften denselben, weil er zur Aenderung des geltenden Rechts nöthige, und in vielen Fällen die Befriedigung eines vorhandenen Bedürfnisses verhindere. Von einer Seite wurde bemerkt, die Beschlußfassung über die Vorlage werde dadurch erschwert, daß das in dem Gesetzbuch zu adoptirende System der dinglichen Rechte noch nicht feststehe, daß noch nicht entschieden sei, in welchem Umfange der Grundsatz gelten solle: solo cedit, quod solo etc; daß auch die Entscheidung über die Dinglichkeit des Miethsrechts und die Zulassung eines unbeschränkt oder beschränkt vererblichen bzw. veräußerlichen Miethsrechts fehle. Nach dem Schlüsse der General—Diskussion verständigte man sich dahin, daß dem Antrage des Referenten gemäß die oben erwähnten Fälle getrennt zu entscheiden seien.
Zwölfte Sitzung vom 22. 10. 1878 Das Protokoll der eilften Sitzung wurde vorgelesen und festgestellt. Die Berathung der Vorlage Ν 2 1 von 1878, betreffend die Superficies wurde fortgesetzt. In Gemäßheit des am Schluß der letzten Sitzung gefaßten Beschlusses sollen auf Antrag des Referenten bei Berathung der Thesis I die vier von dem Referenten bezeichneten Fälle getrennt in Betracht gezogen werden. Bevor in die Berathung über diese vier Fälle eingetreten wurde, ward geltend gemacht: Bei der Berathung und Beschließung über die Thesis I würden folgende Voraussetzungen festgehalten sein: I. Das bürgerliche Gesetzbuch werde entweder in Ansehung des Systems der dinglichen Rechte den Standpunkt des römischen Rechts einnehmen, nach welchem die Zahl der dinglichen Rechte geschlossen sei, für welchen Fall der Vorschlag des Referenten die Bedeutung habe, daß das superfiziarische Recht unter den im Gesetze für zulässig zu erklärenden dinglichen Rechten an fremden Sachen nicht zu erwähnen sei; oder das Gesetzbuch werde einen anderen Standpunkt, etwa den des preußischen Rechts wählen, nach welchem im Allgemeinen aus dem Eigenthum jedes Recht ausgeschieden, und durch Einräumung des Besitzes der Sache und durch Eintragung in das Grundbuch zu einem dinglichen Rechte an fremden Sachen erhoben werden könne, für welchen Fall der Sinn des Vorschlags sei, daß durch eine besondere Vorschrift die Zulässigkeit des superfiziarischen Rechts als eines besonderen dinglichen Rechts auszuschließen sei. 101
Beratungen zu Vorfragen
II. Das Gesetzbuch werde in Abweichung von dem französischen und auch von dem württembergischen Rechte den Grundsatz des römischen Rechts enthalten, wenn ein Grundstück bebaut sei, so könne nicht A. Eigenthümer des Fundus, B. dagegen Eigenthümer des Gebäudes in dem Sinne sein, daß dem B. mit dem Eigenthume des Gebäudes auch das in diesem Eigenthume begriffene veräußerliche und vererbliche Recht zustände, das Gebäude auf dem Fundus dauernd zu haben und zu erhalten, — unbeschadet der künftigen Entscheidung, ob ein besonderes Eigenthum des B. an dem das Gebäude bildenden Material auf so lange das Gebäude steht, allgemein oder für bestimmte Rechtsverhältnisse anzuerkennen sei. III. Es bleibe die Frage offen, ob und inwiefern dem Miethsrechte ein dinglicher Charakter allgemein beizulegen, oder es f ü r zulässig zu erklären, ihm einen solchen durch Eintragung in das Grundbuch zu verschaffen, ferner ob und inwiefern ein unbeschränkt oder beschränkt vererbliches bzw. veräußerliches Miethsrecht (Erbmiethe) zuzulassen sei. Die Thesis I lautet: „In das bürgerliche Gesetzbuch sind Bestimmungen nicht aufzunehmen, denen zufolge einer Person an einem Grundstücke das vererbliche und veräußerliche Recht bestellt werden könnte, auf dem Grundstücke ein Gebäude, einen Theil eines Gebäudes, sonstige Anlagen oder Pflanzungen wie ein Eigenthümer zu haben (Superficies)." Entsprechend dem Vorschlage des Referenten wurde, 1, zunächst die Frage zur Erörterung und Beschlußfassung gestellt, ob die Thesis f ü r den Fall anzuwenden sei, daß das superfiziarische Recht ein ganzes Gebäude in seiner Totalität betrifft. Durch Mehrheitsbeschluß wurde nach eingehender Berathung die Frage verneint, und damit die Thesis abgelehnt. Sodann wurde 2, dieselbe Frage in Ansehung des Falls berathen, daß das superfiziarische Recht nur auf einen Gebäudetheil (Stockwerk p. p.) sich beschränkt. Für diesen Fall wurde die Frage von der Mehrheit bejaht, also die Thesis angenommen. 3, In Ansehung des dritten Falls, wenn das superfiziarische Recht auf eine unterirdische Anlage (Keller p. p.) sich bezieht, erfolgte wie zu 1, die Verneinung der Frage, also die Ablehung der Thesis. 4, Betreffend den Fall, wenn das superfiziarische Recht auf Pflanzungen sich bezieht, erfolgte wiederum die Bejahung der Frage, folglich die Annahme der Thesis. Zum Beschluß unter N s 3 galt die von einer Seite angeregte Frage, ob ein superfiziarisches Recht an dem Keller eines in dem Eigenthum eines Anderen stehenden Gebäudes zulässig sei, als durch den zu 2) gefaßten Beschluß verneint. Die Thesis II: „1. Die bestehenden superfiziarischen Rechtsverhältnisse werden nach den Gesetzen, welche zur Zeit der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs f ü r dieselben maßgebend sind, auch ferner beurtheilt. 2. In Ansehung ihrer Veräußerung (Uebertragung und Belastung) werden die bestehenden superfiziarischen Rechte wie Grundstücke behandelt und erhalten ein Blatt im Grundbuche." wurden von dem Referenten für jetzt zurückgezogen, da seine Vorschläge gegenüber den gefaßten Beschlüssen der Modifikation bedürfen würden.
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DRITTES BUCH Sachenrecht1
ERSTER ABSCHNITT Besitz § 854
Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der ^tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerbe, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. 1
Im E I ist der Überschrift des dritten Buches die Anmerkung beigefügt: I. Ausgeschlossen von der Regelung durch das Sachenrecht des Gesetzbuches sind: a) das Wasserrecht mit Einschluß des Mühlenrechtes, des Flötzrechtes und Flößereirechtes; b) das Forstrecht, das Jagdrecht, das Fischereirecht; das Deichrecht und Sielrecht; c) das Bergrecht mit Einschluß der selbständigen Berechtigung zum Abbau gewisser Bodenbestandtheile, welche von der Verfügung des Grundeigenthümers nicht ausgeschlossen sind; d) das Recht der Gemeinheitstheilung, der Zusammenlegung der Grundstücke, der Regulirung gutsherrlicher und bäuerlicher Verhältnisse, der Ablösung von Dienstbarkeiten, Reallasten, Zwangsrechten und Bannrechten; e) das Recht der Stammgüter und der Familienfideikommisse, das Lehnrecht, die Emphyteuse, das Erbzinsrecht und das Erbpachtrecht; f) das Enteignungsrecht. Das Einführungsgesetz wird die Stellung des Gesetzbuches zu diesen Rechtsmaterien und die Zuständigkeit der Landesgesetzgebungen f ü r dieselben regeln. II. In Ansehung der nach dem Gesetze, betreffend die Beschränkungen des Grundeigenthumes in der Umgebung von Festungen, vom 21. Dezember 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 459) und nach dem Gesetze über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 129) f ü r die Beschränkung des Eigenthumes an einem Grundstücke sowie f ü r die Benutzung, Beschädigung oder Entziehung einer Sache zu gewährenden Entschädigungen wird das Einführungsgesetz vorsehen, ob und inwieweit demjenigen, welchem ein anderes Recht an der Sache als das Eigenthum zusteht, der Anspruch des Eigenthümers auf die zu gewährende Enschädigung haftet. III. Die Rechte an Grundstücken sind auf der Grundlage des in dem größten Theile des Reiches geltenden Grundbuchsysteme geregelt. Diese Art der Regelung bringt es mit sich, daß mit der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuches zugleich im Wege der Reichsgesetzgebung eine Grundbuchordnung zu erlassen ist, in welcher das Grundbuchwesen und das Verfahren der mit der Führung der Grundbücher beauftragten Behörden (Grundbuchämter) insoweit einheitlich geordnet wird, als die einheitliche Geltung der materiellen Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches dies erfordert. Bei der Berathung des vorliegenden Entwurfes sind für die einem besonderen Reichsgesetze vorbehaltene Grundbuchordnung verschiedene Vorschriften beschlossen, auf welche zum Theil in besonderen Anmerkungen hingewiesen ist. In der Ε I-VorlZust heißt es dazu: Die Anmerkungen I und II des Entw. fallen weg. In der Anmerkung III ist der letzte Satz: „Bei der Berathung . . . hinzuweisen ist" zu streichen. Ab der ZustRedKom fehlt die Anmerkung ganz.
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§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
§ 855 Uebt jemand, die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältniß aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der Andere Besitzer.
Α. 1. Kommission I. 294. Sitzung vom 25. 2. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 3377
TE-SachR § 48
| Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs wurde fortgesetzt 2 und wandte sich unter einstweiliger Uebergehung des zweiten Titels des ersten Abschnitts „Allgemeine Bestimmungen des Grundbuchrechts" zum zweiten Abschnitt „Besitz". Der § 48 des Entwurfs lautet: „Wer eine Sache mit seinem Willen in thatsächlicher Gewalt hat, ist Inhaber. H a t der Inhaber den Willen, die thatsächliche Gewalt nur für einen Anderen zu üben, der Andere aber den hiermit übereinstimmenden Willen, so ist dieser Andere Besitzer. In allen anderen Fällen ist der Inhaber Besitzer." 1. In den Aenderungsvorschlägen des Referenten 3 war beantragt, den Abs. 2 dahin zu fassen: „Uebt der Inhaber die thatsächliche Gewalt in der Anerkennung aus, daß die Sache einem Anderen gehöre, so ist dieser Andere Besitzer."
Planck (Nr 12, 1) | Prot I 3378
2. Ferner war beantragt den § 48 zu fassen: „Der Besitz einer Sache wird erworben durch die | Erlangung der thatsächlichen Gewalt über die Sache (Inhabung) verbunden mit der (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Willenserklärung des Erwerbers, die Sache als die seinige (oder: für sich) haben zu wollen. Die Vorschriften über Rechtsgeschäfte finden auf den Besitzerwerb (entsprechende) Anwendung." Der Urheber des Antrags 2 änderte im Lauf der Berathung denselben dahin ab, daß statt der Worte: „der ausdrücklichen oder stillschweigenden Willenserklärung" gesetzt werden die Worte: „dem ausdrücklich oder stillschweigend kundgegebenen Willen". Nach eingehender Berathung, von welcher zunächst die im zweiten Absatz des Antrags 2 vorgeschlagene Bestimmung ausgeschlossen blieb, beschloß die Kommission die Annahme des ersten Absatzes des Antrages 2 mit der Modifikation, daß statt der Worte des verbesserten Antrags: „dem ausdrücklich oder stillschweigend kundgegebenen Willen" nur gesetzt werde: „dem Willen". Den Worten des Antrags 2: „als die seinige" gab man den Vorzug vor den eventuell in Klammern vorgeschlagenen Worten: „für sich". Der Entwurf galt damit als erledigt.
2
3
Die Kommission hatte zuerst den ersten Titel des ersten Abschnitts des Sachenrechtsentwurfs, SS 1—21 „Allgemeine Bestimmungen über Sachen überhaupt", beraten. Die darin vorgesehenen Bestimmungen führten zu den §§ 90 ff. BGB und sind im Band Allgemeiner Teil nachgewiesen. Siehe im Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts.
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1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 8 5 5
Erwogen war: 1. Die Begriffserklärung des Besitzes, welche dem Antrage 2 entnommen werden könne, stimme mit der im verbesserten Entwürfe gegebenen Begriffserklärung insofern wesentlich überein, als beiderseits zwei Erfordernisse nebeneinander gestellt würden, das Vorhandensein der thatsächlichen'Gewalt und der Wille des Besitzers, die Sache als eine ihm gehörige oder als die seinige zu haben. Nach dem Entwürfe genüge aber zum Beweise des gedachten Besitzwillens der Beweis, daß die thatsächliche Gewalt gewollt sei, nach dem Antrage 2 müsse der sog. animus domini bewiesen werden. Diese Verschiedenheit sei je- | doch von keiner erheblichen praktischen | Prot I 3379 Bedeutung. Sei der Beweis geführt, daß die thatsächliche Gewalt bewußter und gewollter Weise geübt sfei, so werde dieser Beweis in Ermangelung besonderer auf das Gegentheil deutender Umstände auch für den Beweis genügen, daß der Wille, die Sache als die seinige zu haben, nicht gefehlt habe. Ein weiterer Unterschied zwischen dem Entwürfe und dem Antrage 2 bestehe darin, daß der Entwurf diejenige Person als Inhaber bezeichne, welche die Sache mit ihrem Willen in thatsächlicher Gewalt habe, während der Antrag 2 das Erforderniß des Willens für die Inhabung nicht ausspreche. Letzterer Antrag definire den Begriff der Inhabung durch die Einklammerung dieses Ausdrucks als das Haben einer Sache in der thatsächlichen Gewalt. Dem Entwürfe zu folgen, sei bedenklich. Derselbe würde der Auffassung ausgesetzt sein, es solle damit entschieden werden, daß, wenn eine bewegliche Sache — nur um solche Sachen handle es sich — dergestalt in den Machtbereich einer Person, ζ. B. in deren Wohnung, in deren Behälter oder Briefkasten, in die aufgestellte Falle, gelangt sei, daß die Sache nur durch eine unerlaubte Handlung diesem Machtbereich entzogen werden könnte, demnach die Inhabung nicht vor dem Wissen und der Willenskundgebung der betreffenden Person beginnen könnte. Sei der Briefkasten oder die Falle mit der auf die Erlangung der thatsächlichen Gewalt gerichteten Absicht aufgestellt worden, so könne man vielleicht das Vorhandensein des Inhabungswillens annehmen, nicht aber in anderen Fällen der obigen Art. Verneine man hier die Inhabung, so spreche man damit demjenigen, aus dessen Machtbereich die Sache nachher entzogen sei, die Besitzschutzmittel ab. Ferner würden nach der Fassung des Entwurfs einer willensunfähigen Person (Kinde oder Wahnsinnigen), welche | ohne Vertreter sei, die Fähigkeit, die | Prot I 3380 Inhabung einer Sache zu erlangen, und damit die Besitzschutzmittel schlechthin versagt. Diese Resultate erscheinen nicht unbedenklich und deshalb gerathener, das Erforderniß des Willens in die gesetzliche Begriffsbestimmung der Inhabung nicht aufzunehmen, wodurch übrigens der Frage, ob im einzelnen Falle das Bewußtsein und der Wille der Inhabung als zur Erlangung der thatsächlichen Gewalt erforderlich anzusehen sei, nicht Vorgriffen, deren Prüfung vielmehr für die Wissenschaft und Praxis offen gelassen werde. Neben diesen beiden hervorgehobenen Unterschieden, von denen der eine mehr formeller Natur und der andere nicht von großer praktischer Wichtigkeit sei, bestehe ein weiterer Unterschied zwischen Entwurf und Antrag, welcher von schwerwiegender Bedeutung sei. Der verbesserte Entwurf breche mit dem hergebrachten Satze: ignoranti non acquiritur possessio. Damit werde das Erforderniß des Besitzwillens aufgegeben und zugelassen, daß der Thatbestand des Besitzes ohne eine jede Betheiligung des Besitzers für ihn, möglicherweise sogar gegen seine Absicht, sich vollenden könne. Dies sei von Bedeutung sowohl für die Fortsetzung, wie für die Erwerbung des Besitzes. Der Besitz dauere fort, wenn die Sache, deren Inhabung der Besitzer verloren, in die Hände eines getreuen Finders gekommen, welcher die Inhabung für den bekannten oder vielleicht auch nicht bekannten Verlierer ausüben 105
§ § 854, 855
3. Buch: Sachenrecht
wolle. Dabei sei zu bemerken, daß der abgeänderte Entwurf Abs. 2 unter dem Ausdruck „einem Anderen" nach der Erläuterung des Referenten auch eine persona incerta verstanden wissen wolle. Von noch größerer Bedeutung als für die Fortset| Prot 1 3381 zung des Besitzes, in Bezug auf welche es sich vornehmlich nur um die E r - | sitzungsfrage handele, sei aber die Aufgebung des Satzes ignoranti non acquiritur possessio für die Erwerbung des Besitzes durch Stellvertreter. Es müsse anerkannt werden, daß der wörtlichen Durchführung des mehrgedachten Rechtssatzes in dem Sinne, daß stets eignes Wissen und eignes auf die individuelle Sache gerichtetes Wollen erforderlich sei, ein unleugbares praktisches Bedürfniß entgegenstehe. Aber man brauche deshalb jenen Rechtsatz nicht zu beseitigen. Dieselbe mit dem Erforderniß des eigenen Wollens und Handels verknüpfte praktische Schwierigkeit sei auch bei den durch Rechtsgeschäft vermittelten Erwerbungen hervorgetreten und hier im modernen Rechte durch das Prinzip der direkten Stellvertretung gelöst. Es empfehle sich, auch für den Fall der Besitzerwerbung auf eine ähnliche Lösung Bedacht zu nehmen. Die Abweichung dieser Lösung von der Lösung des Entwurfs bestehe alsdann darin, daß, während der Entwurf das Erforderniß des Besitzwillens bei dem Besitz durch Andere aufgebe, und damit eine in ihren Folgen schwer zu übersehende Neuerung einführe, nur das Erforderniß des eigenen Wollens aufgegeben und, obgleich es sich nicht um Abgabe von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen durch Andere handle, Vertretung im Willen zugelassen werde. 2. Abgesehen von den hervorgehobenen Unterschieden in der Auffassung des Besitzbegriffes zwischen dem Entwurf und dem Antrage 2 bestehe die weitere Abweichung, daß der Antrag 2 nicht eine Begriffsbestimmung des Besitzes, sondern nur eine Vorschrift über die Besitzerwerbung in das Gesetz aufnehmen wolle. Der Entwurf habe bei seinem Verfahren die überwiegende Mehrheit der Gesetzgebungswerke für sich; es sei auch nicht der große Vortheil einer Definition zu verkennen, welche überall, wo das Gesetz von Besitz rede, den Sinn und Inhalt des | Prot I 3382 Ausdrucks ergebe. Aber bei | genauerer Prüfung müsse man die Möglichkeit einer in legislativer Beziehung genügenden und nicht mißzuverstehenden Definition des Besitzes selbst bezweifeln. Man könne die Thatsachen bestimmen, welche im Augenblick der Besitzerwerbung vorhanden sein müßten, aber diese Thatsachen deckten sich nach den f ü r die Fortsetzung und den Verlust des Besitzes aufzustellenden Rechtsnorm keineswegs mit denjenigen Thatsachen, welche f ü r die Fortsetzung des Besitzes von Bedeutung seien. Der Schlafende oder Wahnsinnige könne wohl den Besitz fortsetzen, aber nicht den Besitz erwerben. Deshalb könne man auch den Thatbestand des Besitzes nicht so definiren, daß die Definition zugleich vollständig ergebe, wie der Besitz fortgesetzt werde und endige. Der Entwurf erkenne die Unvollständigkeit der Definition auch selbst an, indem er später Vorschriften über Fortdauer und Ende des Besitzes gebe. Da man den Anforderungen, welche an eine Definition des Besitzthatbestandes zu stellen seien, nicht genügen könne, so müsse man diesen Thatbestand nur für den Zeitpunkt der Erwerbung bestimmen, woraus zugleich genügend klar werde, worin das Wesen des Besitzes bestehe und welchen Begriff das Gesetz mit dem Ausdruck „Besitz", „Besitzer" verbinde, zumal die anzuschließenden Vorschriften über Fortsetzung und Beendigung, wobei auch der Fall des Todes des Besitzers in Frage komme, jeden Zweifel beseitigten. Durch die Aufnahme der Vorschrift über die Besitzerwerbung werde übrigens die Frage nicht berüht, ob der Besitz ein Recht im subjektiven Sinne oder ein fortgesetztes thatsächliches Verhältniß sei. 3. Die Fassung der in dem Antrage 2 vorgeschlagenen Bestimmung anlangend, so seien die W o r t e des verbesserten Antrages „ausdrücklich oder stillschweigend 106
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 855
kundgegeben" entbehrlich, da der Wille, um überhaupt rechtliche Beachtung zu finden, nothwendig äußerlich | hervorgetreten sein müsse, die Hinzufügung jener | Prot I 3383 Worte sei aber insofern bedenklich, als sie zu der Annahme verleiten könne, daß das Gesetz eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung verlangen wolle. An eine Willenserklärung im rechtsgeschäftlichen Sinne dürfe man jedoch um deswillen nicht denken, weil die rechtlichen Folgen des Wollens und Handelns bei der Besitzerwerbung ebenso, wie bei der Verzeihung, Familienrechtsentwurf § 240, dem außergerichtlichen Geständniß unabhängig von dem Umstände seien, ob der Wille auf deren Herbeiführung gerichtet sei. Der Ausdruck „als die seinige" sei für treffender zu erachten als die eingeklammerten W o r t e : „für sich". Der zweite Absatz des Antrags 2 wurde vom Antragsteller zurückgezogen, indem er erklärte: „Die Besitzerwerbungshandlung sei kein Rechtsgeschäft im Sinne der Vorschriften des allgemeinen Theils des Gesetzbuchs, wohl aber sei sie eine Rechtshandlung, auf welche die f ü r Rechtsgeschäfte geltenden Rechtsnormen in weitem Umfange passen. Gleichwohl sei es bedenklich, die Besitzerwerbshandlung schlechthin allen f ü r die Rechtsgeschäfte bestehenden Vorschriften zu unterwerfen. Es verdiene den Vorzug, diejenigen der fraglichen Rechtsnormen, deren Anwendbarkeit von besonderem Belange sei, durch prinzipielle Bestimmungen für anwendbar zu erklären, beziehungsweise Vorschriften aufzunehmen, welche mit den betreffenden Rechtsnormen übereinstimmen und anlangend die Anwendbarkeit der übrigen Rechtsnormen das Weitere der Wissenschaft zu überlassen (zu vergl. Prot. S. 60)." Gegen diese Ausführung erhob sich kein Widerspruch. | Die §§ 49 bis 51 des Ent- | Prot I 3384 wurfs wurden zusammen zur Berathung gestellt. Dieselben lauten: § 49. TE-SachR § 49 „An Bestandtheilen einer Sache findet ein von dem Besitze der Hauptsache abgesonderter Besitz nur in den Fällen der §§ 50 und 51 statt." § 50. TE-SachR § 50 „Flächentheile eines Grundstücks können in bestimmter Abscheidung von der übrigen Fläche besonders besessen werden." §51. TE-SachR §51 „An solchen Bestandtheilen einer Sache, welche von dem Ganzen getrennt werden können, ohne daß das Ganze oder der Bestandtheil zerstört oder der Bestandt e i l in seinem Wesen verändert wird, findet ein Sonderbesitz in der Weise stau, daß der Inhaber des Ganzen die thatsächliche Gewalt an der Hauptsache f ü r sich und an dem Bestandtheil für einen Anderen, oder an der Hauptsache f ü r den Anderen und an dem Bestandtheil für sich übt." 1. Der Referent hatte in seinen Aenderungsvorschlägen 4 beantragt, die Schlußworte des § 51 dahin zu fassen: „ . . . daß der Inhaber des Ganzen die thatsächliche Gewalt in der Anerkennung ausübt, daß die Hauptsache oder der Bestandtheil dem Besitzer gehöre." 2. Ferner lag der Antrag vor: Planck die §§ 49—52 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: (Nr 12, 2) „Besitz einer Sache ist nur insoweit möglich, als Eigenthum an der Sache möglich ist. Siehe im Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu § 51. 107
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
An wesentlichen Bestandtheilen einer Sache findet ein vom Besitze der Sache im Planck Ganzen abgesonderter Besitz nicht statt." (Nr 14, 1) Die Kommission beschloß die Annahme der beiden Absätze des Antrags 2 in ge| Prot I 3385 trennter Abstimmung, und gal- | ten damit die §§ 49—51 des Entwurfes als erledigt. O b mit dem Antrage 2 auch § 52 zu streichen sei, blieb besonderer Prüfung vorbehalten. Man hatte erwogen: Ueber die Frage, inwieweit die Inhabung möglich sei, sei im Gesetze nichts zu bestimmen, da hier die thatsächliche Möglichkeit entscheide. Auch der Satz res mobilis pro diviso possideri non potest verstehe sich, auf die Inhabung bezogen, aus der N a t u r der Dinge. Mithin sei auch darüber nichts vorzuschreiben, inwieweit der Besitz um deswillen ausgeschlossen bleibe, weil dem Erfordernisse der Inhabung nicht genügt werden könne. Es handle sich also nur um Feststellung derjenigen Grenze, welche dem Besitze durch positive Rechtsvorschriften gesetzt werde in Fällen, wo ohne jene positive Bestimmungen der Besitz möglich sein würde. Da der Besitz — abweichend von der Inhabung — nur für das Eigenthum an der Sache Bedeutung habe, so verliere er jede Bedeutung, soweit Eigenthum unmöglich sei. Abgesehen von der Außerverkehrsetzung von Sachen komme der Fall des Ausschlusses des Sondereigenthums an wesentlichen Bestandtheilen in Betracht. Diesen Fall berücksichtige der Entwurf allein. Das Gesetzbuch brauche indessen Flächentheile eines einheitlichen Grundstücks nicht besonders, wie in § 50 geschehen, für besitzbar zu erklären, da nur die negative Seite in Betracht komme und solche Flächentheile nach dem zu § 13 des Entwurfs von der Kommission gefaßten Beschlüsse (S. 3337— 3343) 5 nicht wesentliche Bestandtheile seien. Ebenso habe die Vorschrift des § 51 nur insoweit Bedeutung als sie die Besitzbarkeit von wesentlichen Bestandtheilen verneine. Die zu den §§ 6—8 des Entwurfs beschlossenen Vorschriften (S. 3316—3329) 6 ließen es zulässig und angemessen erscheinen, das aus den §§49—51 sich ergebende Prinzip ohne die in diesen §§ enthaltene Spezialisierung | Prot I 3386 einfach | auszusprechen. Der Antrag bezwecke dies, stelle den allgemeinen Satz, daß Besitzmöglichkeit und Eigenthumsmöglichkeit sich decken, voran und lasse die Anwendung auf den Fall des Ausschlusses des Sondereigenthums an wesentlichen Bestandtheilen, in welchen immerhin die Anwendbarkeit des Prinzips in Zweifel gezogen werden könnte, folgen. Einverständniß bestand, daß die Beschlußfassung über die an die Inhabung in §§ 72 ff. der neuen Fassung geknüpften Folgen vorbehalten und unberührt bleibe. Der § 52 des Entwurfs 7 lautet: TE-SachR § 52 „Eine Sache kann von Mehreren in Gemeinschaft besessen werden." Kurlbaum y o n einer Seite war die Streichung beantragt. Die Kommission beschloß die An(Nr 18, 2) n a h m e der Vorschrift. Erwogen war: Die Hinweisung auf die Möglichkeit des Mitbesitzes erscheine um so angemessener, da auch vom Miteigenthume besonders zu handeln sein werde. Sollte bei dem Miteigenthum die Möglichkeit eines solchen ohne Theilung nach Bruchtheilen ausgeschlossen werden, so werde diese Beschränkung auf die Möglichkeit des 8 Mitbesitzes zurückwirken und über eine ergänzende Bestimmung zu beschließen sein. 9 5 6 7 8 9
S. bei 90—103 BGB. S. bei SS 90—103 BGB. Siehe im Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu S 52. Im Original steht „die". S. bei S 1008 BGB, Prot 1 4282.
108
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 8 5 5
Der § 53 des Entwurfs lautet: „Die thatsächliche Gewalt über eine bewegliche Sache wird erlangt durch die TE-SachR § 53 Herstellung eines solchen Verhältnisses zu der Sache, in welchem die unmittelbare Beherrschung der Sache durch den Erwerber gegeben ist oder nach Sitte und Gebrauch als vorhanden gilt (Gewahrsam)." Der Referent bemerkte, das Wort „unmittelbar" gehöre nach dem beabsichtigten Sinne des Entwurfes nicht an die ihm gegebene Stelle, sondern hinter das W o r t „Erwerber." | Die Kommission beschloß die Streichung des § 53.
| Prot I 3387
Erwogen war: Der Zweck des Entwurfes, die besondere Gestaltung der thatsächlichen Gewalt bei beweglichen Sachen zu definiren, erscheine nicht erreichbar. Die Anforderung der Herstellung eines besonderen näheren Verhältnisses der Sache zur Person könne nicht wohl gestellt, auch dieses Verhältniß nicht ausreichend gekennzeichnet werden, weshalb auch der Entwurf in den Schlußworten jene Anforderung theilweise zurücknehme. Daß aber gerade der Sitte und dem Gebrauch ein Einfluß auf die Beurtheilung der Frage nach dem Vorhandensein der thatsächlichen Gewalt allgemein und namentlich über die Traditionsfälle hinaus einzuräumen sei, könne kaum zugegeben werden. Es werde immer konkret zu prüfen sein, ob die thatsächliche Gewalt wirklich erlangt worden sei. O b der Ausdruck „Gewahrsam" f ü r die thatsächliche Gewalt über bewegliche Sachen anzunehmen und später vielleicht in Klammern einzuschalten sei, bleibe fernerer Erwägung vorbehalten. Der § 54 des Entwurfs lautet: „Die thatsächliche Gewalt über ein Grundstück wird, außer dem Falle der TE-SachR § 54 Uebergabe (§ 57), durch Besitzhandlungen erlangt. Für eine Besitzhandlung ist jede Handlung zu erachten, welche auf dem Grundstück in der Absicht vorgenommen ist, über dasselbe f ü r sich oder für einen Anderen zu verfügen." Die Kommission beschloß die Streichung des § 54. Erwogen war: W e n n man den § 54 nur von dem Fall der Besitzergreifung an einem nicht in fremder Inhabung befindlichen Grundstück verstehe, erscheine er, insoweit er richtig sei, selbstverständlich. Der Fall, daß die Vornahme von Besitzhandlungen, wie § 69 bestimme, die Beendigung | des Besitzes einer anderen Person zur Folge haben solle, sei später zu erledigen. Es werde nicht verkannt, daß zwischen der Inhabung einer beweglichen Sache und der Inhabung eines Grundstücks thatsächliche Unterschiede beständen. Rechtlich definiren, wie der Entwurf beabsichtige, ließen diese Unterschiede sich aber nicht, und je nach Art der beweglichen Sache, ζ. B. bei besonders schwer transportablen Sachen, nähere sich die äußere Gestaltung der thatsächlichen Gewalt über dieselben in hohem Maße der Gestaltung dieser Gewalt bei Grundstücken, während umgekehrt bei Immobilien ζ. B. einem Wohnhause die thatsächliche Gewalt ähnlich wie bei Mobilien sich bethätigen könne. Die Verschiedenheit, um die es sich handle, sei die, daß bald der Besitzergreifung ein Zustand folge, nach welchem der Besitz sich fortwährend in gleicher oder ähnlicher Art offenbare, wie die Besitzergreifung, bald ein solcher Zustand der Besitzergreifung sich nicht anschließe. Das Erstere sei die Regel bei Mobilien, das Letztere bei Immobilien. Aber die Regel unterliege Ausnahmen, welche nicht zulassen, sie im Gesetze zu verwerthen. 109
| Prot I 3388
§ § 854, 855
TE-SachR ξ 55
Planck (Nr 12, 4)
3. Buch: Sachenrecht
D e r § 55 des Entwurfs lautet: „Willensunfähige können nicht durch eigene H a n d l u n g e n Besitz erwerben. Die E r w e r b u n g des Besitzes für sie durch ihre Vertreter wird nach deren H a n d lung u n d Willen beurtheilt." Es w a r beantragt, den § 55 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Auf den Besitzerwerb durch geschäftsunfähige und in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen finden die Bestimmungen über den Erwerb von Rechten durch Rechtsgeschäfte solcher Personen (entsprechende) Anwendung."
Die Kommission gelangte zu folgenden Beschlüssen: | Prot I 3389 | 1. D e r Absatz 1 des § 55 wird angenommen, jedoch ist das W o r t : „Willensunfähige" mit „Geschäftsunfähige" zu vertauschen und daneben auszusprechen, daß in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen Besitz erwerben können. 2. D e r Absatz 2 des § 55 ist zu streichen. D e r A n t r a g galt damit als erledigt. Erwogen war: 1. D e m Geschäftsunfähigen die Fähigkeit abzusprechen, durch eigene H a n d l u n gen Besitz zu erwerben, entspreche nicht allein dem geltenden Rechte, sondern auch dem Wesen der Besitzerwerbshandlung als einer Rechtshandlung, welche in der betreffenden Beziehung dem Rechtsgeschäfte gleichzustellen sei. D a g e g e n demjenigen, der in der Geschäftsfähigkeit nur beschränkt sei, jene Fähigkeit beizulegen, rechtfertige sich gleichfalls aus den betreffenden Vorschriften über Rechtsgeschäfte, weil es sich lediglich um einen Erwerb handle (§ 42 der Zus. der beschlossenen Bestimmungen des allgemeinen Theils, zu vergl. Prot. S. 67—79). Es erscheine im Interesse der Einfachheit des Gesetzes nicht rathsam, die Regel mit Rücksicht auf den speziellen Inhalt des § 42 zu modifizieren. 2. D i e Besitzerwerbung durch gesetzliche Vertreter werde zweckmäßiger bei Ber a t h u n g des folgenden § erörtert, da dort über die Anwendbarkeit des Prinzips der direkten Stellvertretung auf die Besitzerwerbung zu befinden sein werde. 295. Sitzung vom 27. 2. 1884, Schriftführer von | Prot 1 3391 Kurlbaum (Nr 18, 1)
Liebe
| Die Berathung des zweiten Abschnitts des Sachenrechtsentwurfs w u r d e fortgesetzt.
„Besitz"
Es w a r beantragt w o r d e n , als § 56 a folgende Bestimmung neu a u f z u n e h m e n : „Derjenige, welcher die thatsächliche H e r r s c h a f t über eine Sache hat, erwirbt den Besitz auch dadurch, daß er nachträglich den Willen erklärt, die Sache als die seinige zu haben."
Die Kommission lehnte den Antrag ab. Erwogen war: D e r Antrag sei hervorgerufen durch den Zweifel, ob die über die Besitzerwerbung zu § 48 beschlossene Bestimmung auch hinreichend klar erkennen lasse, daß dem Erfordernisse der Kundgebung des Besitzwillens auch nachträglich, nach E r langung der thatsächlichen Gewalt, genügt und damit der Besitz erworben werden könne. Dieser Zweifel k ö n n e als berechtigt nicht anerkannt werden. Die zu § 48 beschlossene Vorschrift fordere ganz allgemein nur die Verbindung von Wille und thatsächlicher Gewalt zur Vollendung der Besitzerwerbung, sie treffe daher ihrem | Prot I 3392 W o r t l a u t e nach auch den Fall mit, d a ß der eine der beiden | Faktoren des Besitzes schon vor dem Hinzutritt des anderen Faktors vorhanden gewesen sei, wenn er nur im Augenblicke des Hinzutritts noch vorliege. Ein Bedürfniß, diese einfache Konsequenz zu verdeutlichen, bestehe nicht. D a n e b e n unterliege der Antrag einem dop110
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 8 5 5
pelten Bedenken. Erstlich rede er, abweichend von der zu § 48 beschlossenen Vorschrift, von dem Erforderniß einer Willenserklärung und gebe damit zu der unrichtigen Meinung Anlaß, als wenn in Ansehung des Besitzwillens eine Besonderheit für den Fall des Antrags zu bestimmen beabsichtigt sei. Zweitens sei bei dem Vorausgehen der körperlichen Herrschaft vor der Fassung des Besitzwillens der Inhaber regelmäßig der Stellvertreter in dem Besitze einer anderen Person, und sei solchen Falls nach dem § 70 des Entwurfs und nach dem geltenden Rechte eine bestimmte Art der Kundgebung des Besitzwillens erforderlich, damit Besitzverlust auf der einen und Besitzerwerbung auf der anderen Seite angenommen werde. Die Beurtheilung dieses Hauptfalles werde mithin durch die vorgeschlagene Bestimmung eher verdunkelt. Der 5 56 des Entwurfs lautet: „Wer in dem besonderen Auftrage oder innerhalb der Grenzen eines allgemei- TE-SachR § 56 nen Auftrages eines Anderen für denselben die thatsächliche Gewalt über eine Sache erlangt, erwirbt dadurch dem Auftraggeber den Besitz." 1. Der Referent hatte in seinen Aenderungsvorschlägen 10 beantragt, den § 56 zu fassen: „Wer die thatsächliche Gewalt über eine Sache in der Anerkennung erlangt, daß die Sache einem Anderen gehöre, erwirbt diesem Anderen den Besitz." Ferner lagen folgende Anträge vor: 2. den ξ 56 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Auf den Besitzerwerb durch Stellvertreter finden die Vorschriften über die Vornahme von Rechts- | geschäften durch Stellvertreter (entsprechende) Anwendung. Die von dem Vertreter für den Vertretenen erlangte thatsächliche Gewalt über die Sache gilt in Ansehung des Besitzerwerbs auch dann als von dem Vertretenen selbst erlangt, wenn der Vertreter die Sache im eigenen rechtlichen Interesse inne hat."
Planck (Nr 12, 5) | Prot I 3393 Planck (Nr 14, 2)
3. Im Laufe der Berathung wurde der Antrag gestellt, den § 56 zu fassen: „Der gesetzliche Vertreter einer geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person erwirbt f ü r dieselbe den Besitz, wenn er die thatsächliche Gewalt über die Sache mit dem Willen erlangt, den Besitz für den Vertretenen zu erwerben. In sonstigen Fällen der Stellvertretung wird der Besitz für den Vertretenen erworben, wenn auf Seiten des Vertreters das in Absatz 1 aufgestellte Erforderniß vorliegt, und der Vertretene seinerseits den Willen hat, den Besitz zu erwerben. Dieser Wille des Vertretenen kann im Voraus erklärt sein und ist insbesondere dann als vorhanden anzunehmen, wenn der Vertreter innerhalb der Grenzen eines ihm von dem Vertretenen ertheilten Auftrags gehandelt hat." Die Kommission beschloß die Annahme des ersten Absatzes und sodann die Ablehnung des zweiten Absatzes des Antrags 2, jedoch soll der Ausdruck „entsprechende" in der aufzunehmenden Vorschrift beibehalten werden und der Prüfung bei der Redaktion überlassen bleiben, ob vielleicht statt der Worte: „über die Vornahme von Rechtsgeschäften durch Stellvertreter" zu setzen seien die Worte: „über den Erwerb aus einem durch einen Stellvertreter abgeschlossenen Rechtsgeschäft". Der Entwurf und die Anträge 1 und 3 galten damit als | erledigt. | Prot I 3394 10
Siehe im Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu § 56.
111
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
Erwogen war: 1. Bei strenger Durchführung der für die Erwerbung des Besitzes aufgestellten Anforderungen in dem Falle des Erwerbs durch Stellvertreter würde man den Bedürfnissen des Verkehrs sehr wenig entsprechen. Erstlich würde die Besitzerwerbung ausgeschlossen bleiben, bis der Besitzwille von dem Vertretenen kundgegeben sei, also der Satz gelten ignoranti non acquiritur possessio. Dabei müßte der Besitzwille seiner Natur nach auf eine individuelle Sache sich richten. Es leuchte ein, daß die Möglichkeit der Besitzerwerbung überaus beschränkt, ja bei geschäftsunfähigen und juristischen Personen ausgeschlossen werden würde, wenn man die kundgegebene Willensrichtung auf eine bestimmte Sache bei dem Erwerbe fordern wollte. Zweitens aber würde, wenn auch diese Willensrichtung kundgegeben wäre, die thatsächliche Gewalt aber von einem Anderen erlangt sei, welcher für den Besitzer dieselbe auszuüben Willens sei, der Zweifel bestehen, ob die von einem Anderen ausgeübte thatsächliche Gewalt dem Besitzer als eigene thatsächliche Gewalt angerechnet werden dürfe, zumal wenn dieser Andere die Sache im eigenen rechtlichen Interesse inne habe und nicht verpflichtet sei, den Weisungen des Besitzers in Ansehung der Behandlung der Sache nachzukommen. Der verbesserte Entwurf habe die Lösung versucht, daß der Vertretungswille desjenigen, der die Sache als eine fremde in seine thatsächliche Gewalt nehme, der als Herrn der Sache anerkannten Person auch ohne und vor jeder Willensäußerung derselben den Besitz verschaffe. Dabei sei der verbesserte Entwurf offenbar davon ausgegangen, daß eine beschwerende Aufdrängung des Besitzes nicht vorliege, da der Besitz ein reiner Vortheil sei, dessen man sich jederzeit durch Verzicht entledigen könne. Man habe in der vorigen Sitzung bei Berathung des § 48 jedoch nicht f ü r angemessen erachtet, einen Besitz | Prot I 3395 ohne jeden Willen des Besitzenden auf der allei- | nigen Grundlage der Willensrichtung des Inhabers zuzulassen und sei damit auch schon der § 56 des verbesserten Entwurfs sachlich abgelehnt. Die in demselben vorgeschlagene Lösung bedürfe einer Beschränkung. Dem Vertretungswillen desjenigen, welcher die thatsächliche Gewalt für einen Anderen erlange, allein dürfe man die Wirkung der Besitzverschaffung nicht beilegen, sondern es sei erforderlich, daß der für den Andern Handelnde Vertretungsmacht besitze, oder daß der Mangel der Vertretungsmacht nachträglich durch Genehmigung gehoben werde. Dabei sei anzuerkennen, daß der Begriff der Vertretungsmacht an sich nur f ü r den rechtsgeschäftlichen Verkehr und nicht für die thatsächliche Herrschaft gelte. Man könne aber sehr wohl das Prinzip der direkten Stellvertretung, welche, was die Rechtsfolgen anbetrifft, die Handlung des Vertreters der Handlung des Vertretenen gleichstelle, über die Rechtsgeschäfte hinaus auch auf die Rechtshandlungen ausdehnen, welche zur Erwerbung des Besitzes dienten. Alle Vorschriften über die Stellvertretung in Rechtsgeschäften könnten ohne Bedenken angewendet werden, abgesehen von denjenigen, für welche der N a tur der Dinge nach die Voraussetzungen der Anwendbarkeit wegen der Verschiedenheit zwischen rechtsgeschäftlicher Willenserklärung und Sachapprehension fehlen würden und welche durch den Hinweis auf die „entsprechende" Anwendung ausgeschlossen blieben. Nachdem einmal das Prinzip der direkten Stellvertretung f ü r die Rechtsgeschäfte angenommen, sei dessen Erstreckung auf die fraglichen Rechtshandlungen eine von selbst sich ergebende Konsequenz. Dabei dürfe übrigens nicht übersehen werden, daß die angenommene Vorschrift nur die Rechtsfolge der Besitzerwerbung f ü r den Vertretenen eintreten lasse, und nicht etwa denselben so behandelt wissen wolle, als wenn bei ihm auch die thatsächliche Gewalt wäre. Der Inhaber behalte dem Besitzer gegenüber seine selbständige Stellung und alle aus der Inhabung sich ergebenden Befugnisse. 112
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 855
| Eine zum Theil andere Lösung werde im Antrage 3 versucht. Abgesehen von | Prot I 3396 den Fällen der gesetzlichen Vertretung werde das Erforderniß des Besitzwillens des Vertretenen selbst aufrecht erhalten, dabei aber innerlich abgeschwächt, um die für den Verkehr aus demselben sich ergebenden Unzuträglichkeiten zu beseitigen. Daneben werde die thatsächliche Gewalt des Vertreters ohne Weiteres, ebenso, wie bei der Anwendung der Grundsätze über die rechtsgeschäftliche Stellvertretung, dem Vertretenen als erfüllte Besitzvoraussetzung zugerechnet. Die Abschwächung des Erfordernisses des Besitzwillens bestehe darin, daß anstatt eines auf die Erlangung einer individuellen Sache gerichteten Willens nur ein in einem Auftrage sich offenbarender allgemeiner Wille gefordert werde und es genügen solle, daß die Besitzergreifung des Vertreters dieser allgemeinen und eventuellen Willensrichtung entspreche. Der Fall der Apprehension mit Vertretungswillen aber ohne Vertretungsmacht werde dabei übergangen. Bei diesem Vorschlage, welcher allerdings der in der gemeinrechtlichen Doktrin und Praxis herrschenden Meinung entsprechen möge, werde das Erforderniß des Besitzwillens so abgeschwächt, daß es in Wirklichkeit nicht mehr bestehe. Dann aber erscheine es folgerichtiger, den weiteren Schritt zur Anwendung des Prinzips der Stellvertretung im Willen zu thun. Die ausgesprochene Befürchtung, daß durch die einfache Verweisung auf die Vorschriften über die Stellvertretung bei Rechtsgeschäften das Verständniß des Gesetzbuches und dessen Handhabung in der Praxis bedenklich erschwert werde, könne als berechtigt nicht anerkannt werden. 2. Die in dem zweiten Absätze des Antrags 2 vorgeschlagene Bestimmung wolle dem Zweifel begegnen, ob das Stellvertretungsprinzip auf die von dem Vertreter erlangte thatsächliche Gewalt auch in dem Falle anzuwenden sei, wenn der Vertreter die Inhabung zu deren Ausübung im eigenen rechtlichen Interesse erlange, weil ja alsdann die Inhabung zunächst den eigenen Zwecken des Inhabers diene. Eine unrichtige Beantwortung | der Frage sei aber auch bei Nichtaufnahme der fraglichen | Prot I 3397 Bestimmung um deswillen nicht zu befürchten, weil der Wille des Inhabers auch in jedem Falle stets mit dem Willen verbunden sei, die Sache als eine dem Anderen gehörige zu haben. 3. D e n Fall der Stellvertretung ohne Vertretungsmacht anlangend, so werde, wenn eine Uebergabe in Frage stehe, die entsprechende Anwendbarkeit der für Verträge eines Vertreters ohne Vertretungsmacht geltenden Vorschriften nicht zu bezweifeln sein (zu vergl. § 99 Satz 2 der Zus. der beschlossenen Bestimmungen des allgemeinen Theils Prot. S. 245, 246, 248—258) 1 1 und ein Bedenken nur dahin erhoben werden können, ob in Ansehung des Besitzerwerbes eine Zurückbeziehung der Genehmigungswirkung mit der thatsächlichen Natur des Besitzes vereinbar sei. An der Zurückbeziehung bestehe nur soweit ein Interesse, als die Zuschreibung des Besitzes in der Zwischenzeit von rechtlichen Folgen, zum Beispiel in Ansehung der Ersitzung oder der dem Besitzer als solchem zustehenden Rechtsmittel, begleitet sei. D a für diesen Fall die Frage nach der Zurückbeziehung nur von geringem praktischen Werthe sei, so könne die Entscheidung derselben der Wissenschaft und Praxis überlassen bleiben. Stehe keine Uebergabe in Frage, sondern eine einseitige Besitzerwerbungshandlung, zum Beispiel Okkupation, so würde § 99 Satz 1 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des allgemeinen Theils (Protokolle S. 245, 246) zur analogen Anwendung geeignet sein und würde diese Anwendung ein passendes Resultat liefern. 11
S. bei § 180 BGB. 113
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
4. Sei die Sache nicht von vornherein als eine fremde, dem Geschäftsherrn gehörige, sondern durch einen auf eigenen Namen abgeschlossenen Vertrag oder durch I Prot I 3398 ori-1 ginären Erwerb zunächst als eigene aber mit der Absicht, dieselbe als fremdes Gut zu behandeln, erlangt, so stehe in Frage, ob der Vertreter im Wege eines Vertrages mit sich selbst durch Kundgebung des auf die Uebergabe gerichteten Willens, Hineinlegen in eine Kasse, Vermerk in den Büchern, den Besitzwechsel herbeiführen könne. Man hielt die Berathung der Vorschriften über die Tradition f ü r den geeigneteren O r t zur Erledigung dieser Frage. v. Weber Zur Berathung gelangte der gestellte Antrag, vor § 57 einen §en einzuschalten (Nr 16) des Inhalts:
„Durch einseitige Handlungen wird der Besitz der von einem Anderen besessenen Sache nur dann erworben, wenn durch dieselben dem bisherigen Besitzer der Besitz entzogen wird." Gebhard 12
Durch einen gestellten Unterantrag war folgende Fassung empfohlen: „Der Besitz einer Sache, welche bereits einen Besitzer hat, kann ohne den Willen des letzteren nur durch Handlungen erworben werden, durch welche dem bisherigen Besitzer der Besitz entzogen ist." Die Kommission nahm den Hauptantrag an und behielt den nur die Fassung betreffenden Unterantrag der Berücksichtigung bei der Redaktion vor.
Erwogen war: Es sei anzuerkennen, daß nur eine Konsequenz des Besitzbegriffs, welcher eine compossessio in solidum ausschließe, ausgesprochen werde, jedoch sei eine Hinweisung auf die Unmöglichkeit der compossessio in solidum um deswillen zweckmäßig, | Prot I 3399 weil damit einer unrichtigen Auslegung der Vor-1 Schriften über die Besitzerwerbung vorgebeugt werde. TE-SachR § 57
Der § 57 des Entwurfs 1 3 lautet: „Die Uebergabe einer Sache erfolgt dadurch, daß der Besitz von dem bisherigen Besitzer dem Erwerber eingeräumt und von diesem ergriffen wird. An unbeweglichen Sachen kann der Besitz durch Willenserklärungen sowohl eingeräumt als ergriffen werden, wenn der Erwerber sich thatsächlich in der Lage befindet, Besitzhandlungen beliebig vornehmen zu können."
Folgende Anträge lagen vor: 1. den 2. Absatz des § 57 dahin zu fassen: „Die Uebergabe einer unbeweglichen Sache erfolgt durch den auf Einräumung und Ergreifung des Besitzes gerichteten Vertrag, wenn der Erwerber sich in der Lage« befindet, die thatsächliche Gewalt über die Sache beliebig ausüben zu können. Dieser Antrag wurde nachträglich dahin abgeändert, daß das Wort: „unbeweglichen" wegfallen soll. v. Weber 2. a, den § 57 Absatz 2 zu fassen: (Nr 17, 1) „Der Besitz kann durch Willenserklärungen sowohl eingeräumt als ergriffen werden, wenn der Erwerber sich thatsächlich in der Lage befindet, die Gewalt über die Sache beliebig auszuüben." Planck (Nr 12, 6)
12
Daß der Unterantrag von Gebhard gestellt war, ergibt sich aus der Note zu § 6 VorlZust vgl. unten.
13
Siehe im Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu § 57.
114
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 855
und b, den § 60 dann zu streichen, eventuell wenn der 2. Absatz des § 57 auf unbewegliche Sachen beschränkt wird, unter Beibehaltung des § 60 dem ersten Absätze des § 57 nach „ergriffen wird" hinzuzufügen: „oder der bisherige Besitzer die Sache vor dem | Erwerber mit dessen Einwilli- I Prot I 3400 gung hinlegt oder der Erstere dem Letzteren die Schlüssel zu dem Behältnisse, in welchem sich die Sache befindet, unter U m s t ä n d e n übergiebt, welche die sofortige ungehinderte Ergreifung der Sache durch den Erwerber zulassen." 3. Ferner w u r d e der Antrag gestellt, den § 57 zu streichen, eventuell aber dahin Kurlbaum (Nr 18, 2) zu fassen: „Für den Erwerb des Besitzes einer Sache, welche in der thatsächlichen Gewalt eines Anderen sich befindet, genügt außer den auf Einräumung und Ergreifung des Besitzes gerichteten Willenserklärungen des Letzteren und des Erwerbers die M ö g lichkeit f ü r den Erwerber, die thatsächliche Gewalt über die Sache beliebig ausüben zu können." Die Kommission beschloß: 1. D e n ersten Absatz des Entwurfes anzunehmen, jedoch zur Verdeutlichung des Sinnes die Fassung dahin zu ändern, d a ß die Eingangsworte etwa lauten: „Der Besitz einer Sache wird im Falle der Uebergabe dadurch erworben, daß derselbe pp." 2. Die Ausdehnung der Bestimmung des ersten Absatzes auf den Fall der Uebergabe des Inhabers entsprechend dem Antrage 3, abzulehnen. 3. An Stelle des zweiten Absatzes des Entwurfes den Antrag 2 a salva redactione anzunehmen. Die Anträge 1 und 3 galten damit als erledigt. Erwogen w a r : Zu 1. D e r wichtigste Fall der Besitzerwerbung sei derjenige, welcher mit dem Willen des bisherigen Besitzers sich vollziehe. Bei diesem Besitzwechsel schaffe | der | Prot I 3401 Besitzer durch Zurückziehung seines Besitzwillens dem E m p f ä n g e r gegenüber Raum f ü r dessen Apprehension. Diese Einräumung geschehe nur dem E m p f ä n g e r gegenüber und ohne daß einem Dritten, wenn der Empfänger etwa die Gelegenheit zum Zugriff nicht benutze, eine Ergreifung der Sache als einer unbesessenen ermöglicht würde. Es erscheine nothwendig auf diese wichtigste Art des Besitzerwerbes hinzuweisen und deren V o r g a n g in seinen G r u n d z ü g e n im Gesetze darzustellen. Jedoch sei nicht mit dem E n t w ü r f e von der „Uebergabe einer Sache" zu reden, sondern von der „Besitzerwerbung im Falle der Uebergabe", da nur der konsensuale Besitzwechsel bezeichnet werden solle, die Ausdrucksweise des Entwurfes aber zu dem Mißverständnisse verleite, als ob überall, w o das Gesetz von Uebergabe einer Sache rede, Besitzwechsel im Sinne des § 57 gemeint sei. Zu 2. D e r Fall der E i n r ä u m u n g der thatsächlichen Gewalt durch den bloßen Inhaber müsse hier ausscheiden, denn vorliegend handle es sich n u r um den Fall der Uebergabe von Seiten eines Besitzers und nicht eines bloßen Inhabers. D e n letzteren Fall betreffend, so beurtheile sich derselbe nach den allgemeinen Grundsätzen über den Besitzerwerb. Zu 3. Im zweiten Absätze solle eine positive und die nach dem Beschluß zu § 48 z u r Besitzerwerbung nöthigen Voraussetzungen modifizirende Bestimmung nicht gegeben werden. Die von dem Uebertragenden dem Erwerber gegenüber abgegebene Erklärung, daß er freien R a u m f ü r dessen Apprehension lasse, schaffe f ü r den Erwerber eine besonders günstige Stellung zur Besitzergreifung, da der Besitz des 115
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
| Prot I 3402 Uebergebenden, welcher als das einzige | Hinderniß der Bemächtigung erscheine, mit der Erklärung des Uebergebenden f ü r den Erwerber und zwar nur für diesen, aufhöre ein solches zu sein. Sofern nach der Erklärung des Einräumenden die thatsächliche Möglichkeit einer sofortigen Einwirkung auf die Sache und einer der besonderen N a t u r der Sache entsprechenden Apprehension klar vorliege, die Verhandlungen zwischen den Betheiligten auch zu dem Einverständnisse gediehen seien, daß fortan nur dem Erwerber die Befugniß zur körperlichen Verfügung zustehen solle, würde es als ein unnöthiger Formalismus erscheinen, wenn man noch die Vollziehung einer körperlichen Einwirkung fordern wollte. Einer solchen formalistischen Auffassung wolle die beschlossene Vorschrift vorbeugen, nicht aber durch positive Vorschrift ein an sich nach dem Beschluß zu § 48 bestehendes Erforderniß aufgeben. Bei Grundstücken werde der N a t u r der Sache nach die Möglichkeit der sofortigen Einwirkung im Falle des Konsenses zwischen dem Räumenden und dem Erwerber am häufigsten dem wirklichen Zugriffe gleichzusetzen sein, doch werde die Vorschrift auch für bewegliche Sachen Anwendung zu finden haben. In letzterer Beziehung finde der Entwurf in den Anträgen die nothwendige Ergänzung. In Ansehung der Fassung verdiene der Antrag 2 den Vorzug, da er leichter verständlich sei als der Antrag 3 und die immerhin bedenkliche Charakterisirung des konsensualen Besitzwechsels als eines Vertrages, welche in Antrag 1 sich finde, vermeide. Ein consensus in idem placitum liege in gewissem Sinne vor, doch bliebe die Fra| Prot I 3403 | ge nach der Vertragsnatur besser der Erörterung in der Wissenschaft und der Entscheidung in der Praxis vorbehalten. Auch habe die im Antrage 1 vorgeschlagene Bezeichnung der gegenseitigen Willenserklärungen als Vertrag im zweiten Absätze des § noch das Bedenken gegen sich, daß sie sich nicht auch im ersten Absätze des § finde, obwohl doch der rechtliche Charakter der den Besitzerwerb vermittelnden beiderseitigen Handlungen in beiden Fällen im Wesentlichen der nämliche sei. Der § 58 des Entwurfes lautet: „Wird eine Sache versendet, so ist die Uebergabe derselben erst mit der Ablieferung an den Empfänger für erfolgt zu erachten, auch wenn derselbe die Art der Versendung bestimmt oder genehmigt hat, es sei denn, daß derjenige, welcher den Transport bewirkt, hierbei als Stellvertreter des Empfängers gehandelt hat." Kurlbaum Der Streichungsantrag war gestellt und wurde demselben durch Beschluß der (Nr 18,2) Kommission entsprochen.
TE-SachR § 58
Erwogen w a r : Es brauche nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß im Falle der Versendung die Frage nach dem Zeitpunkt des Besitzerwerbes davon abhänge, ob der Transportant als Stellvertreter des Destinatars gehandelt habe, und ebensowenig, daß eine Bestimmung oder Genehmigung der Art der Versendung seitens des Destinatars gegenüber dem Absender auf die Stellvertretungsfrage ohne entscheidenden | Prot I 3404 Einfluß sei. N u r wenn man eine abweichende V o r - 1 schrift treffen wollte, wie sie zum Beispiel das sächsische Gesetzbuch § 204 enthalte, würde der Satz als ein positiver besonders auszusprechen sein. Eine solche sei aber nicht beantragt. TE-SachR § 59
Der § 59 des Entwurfs 1 4 lautet: „Wenn derjenige, welchem eine Sache für einen Anderen übergeben wird, dieselbe ohne Widerspruch annimmt, so erwirbt er dem Anderen den Besitz, selbst wenn er die verschwiegene Absicht hätte, den Besitz f ü r sich selbst oder für einen Dritten zu erwerben. 14
Siehe im Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu § 59.
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1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 855
W e r die ihm f ü r ihn selbst übergebene Sache ohne Widerspruch annimmt, erwirbt den Besitz f ü r sich, selbst wenn er die verschwiegene Absicht hätte, den Besitz f ü r einen Anderen zu erwerben." Die Kommission beschloß die von zwei Seiten beantragte Streichung des § 59. Kurlbaum (Nr 18, 2) Planck (Nr 12, 7)
hrwogen war: D a ß der ausdrücklich oder stillschweigend bei einer Uebergabe von dem Empfänger abgegebenen Erklärung, im eigenen N a m e n oder als Stellvertreter eines Anderen zu handeln, nicht durch eine Mentalreservation, wie sie § 59 vorauszusetzen scheine, die Wirksamkeit entzogen w e r d e n könne, ergebe sich schon aus den f ü r a n w e n d b a r erklärten Vorschriften über die rechtsgeschäftliche Stellvertretung in V e r b i n d u n g mit der Bestimmung über die Mentalreservation, zu vergleichen §§ 72, 88 Absatz 2 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des allgemeinen Theils (Protokolle Seite 171— | 173, 221—223) und brauche deshalb nicht be- |Prot 1 3405 sonders ausgesprochen zu werden. 296. Sitzung vom 29. 2. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des zweiten Abschnitts des Sachenrechtsentwurfs „Besitz" | Prot 1 3407 w u r d e fortgesetzt. D e r § 60 des Entwurfs lautet: „Die Uebergabe der in der thatsächlichen Gewalt eines Anderen befindlichen Sa- TE-SachR § 60 che an den Inhaber erfolgt durch die beiderseitige Willenserklärung, daß der Inhaber die bisher f ü r den Uebergebenden geübte thatsächliche Gewalt f ü r sich üben solle und wolle." Beantragt w a r : 1. den § 60 zu fassen: Kurlbaum „Derjenige, welcher die thatsächliche H e r r s c h a f t über eine Sache von einem An- (Nr 18, 3) deren eingeräumt erhält, oder f ü r einen Anderen hat, kann den Besitz der Sache nur mit Zustimmung des Anderen oder d a d u r c h erwerben, daß er den Willen, die Sache als die seinige zu haben, dem Anderen gegenüber erklärt"; 2. den § 60 zu streichen, eventuell zu ersetzen durch eine dem zu § 57 beschlossenen Absatz 2 hinzuzufügende V o r s c h r i f t des Inhalts: | „Dies gilt insbesondere, wenn der Erwerber bisher die Sache in der Anerken- | Prot I 3408 n u n g inne hatte, daß sie dem Einräumenden gehöre." Ferner lag der in dem zu § 57 gestellten Antrage 2 b f ü r den n u n m e h r eingetrete- v. Weber nen Fall der Annahme der dort vorgeschlagenen Bestimmung gestellte Streichungs- (Nr 17, 1) antrag vor (S. 3399). Die Kommission beschloß die Streichung des § 60 ohne Ersatz. Die Anträge waren damit erledigt. Erwogen w a r : Die Vorschrift des Entwurfes beziehe sich auf die Gestaltung des Besitzwechsels mit dem Willen des bisherigen Besitzers f ü r den Fall, daß der Erwerber die thatsächliche Gewalt über die Sache bereits habe (brevi manu traditio). In der zu § 57 Abs. 2 beschlossenen Vorschrift (S. 3400) sei bestimmt, daß die auf die E i n r ä u m u n g und die auf die Ergreifung des Besitzes gerichteten, mit einander im Zusammenhange stehenden Willenserklärungen des bisherigen Besitzers und des Erwerbers 117
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
zur Herbeiführung des Besitzwechsels genügen sollten, wenn der Erwerber sich in der Lage befinde, die Gewalt über die Sache beliebig auszuüben. Letztere Voraussetzung sei aber bei der brevi manu traditio in einem noch viel höheren Maße erfüllt, als in den übrigen durch den § 57 Abs. 2 getroffenen Uebergabefällen, in denen eine mit der Fassung des Besitzwillens gleichzeitige Erlangung der thatsächlichen Gewalt seitens des Erwerbers in Frage stehe. Deshalb erscheine es entbehrlich und nicht angemessen, für den Fall, in welchem die Anwendbarkeit der zu § 57 Abs. 2 beschlossenen Bestimmung am klarsten hervortrete, noch eine besondere | Prot I 3409 Vorschrift aufzunehmen. Der in Antrag 1 mitberücksichtigte Fall, | daß der Inhaber gegen den Willen des von ihm Vertretenen sich selbst zum Besitzer machen und nicht mehr Vertreter sein wolle, müsse hier ausscheiden, weil er sich durch die in der vorigen Sitzung (S. 3398) beschlossene Vorschrift, der Besitz einer von einem Anderen besessenen Sache könne durch einseitige Handlungen nur erworben werden, wenn dem bisherigen Besitzer der Besitz entzogen werde, in Verbindung mit der auf den Besitzverlust sich beziehenden, demnächst zu berathenden Vorschrift § 70 Ziff. 2 erledige. TE-SachR § 61
Kurlbaum (Nr 18, 4)
Der § 61 des Entwurfs lautet: „Die Uebergabe der in der thatsächlichen Gewalt eines Anderen befindlichen Sache an einen Dritten kann bewirkt werden durch die im Einverständnisse desselben von dem bisherigen Besitzer dem Inhaber ohne dessen Widerspruch ertheilte Anweisung, die thatsächliche Gewalt fortan für den Dritten zu üben." Es lagen die Anträge vor 1. den § 61 zu fassen: „Wird derjenige, welcher die thatsächliche Herrschaft über eine Sache für einen Anderen hat, von diesem angewiesen, die Herrschaft für einen Dritten zu haben, so erwirbt der Dritte mit dem Willen, die Sache als die seinige zu haben, den Besitz der Sache."
v. Weber 2. in § 6 1 die Worte „ohne dessen Widerspruch" zu streichen und dafür am (Nr 17, 2) Schlüsse nach „zu üben" hinzuzufügen:
„ausgenommen, wenn der Inhaber der Anweisung unverzüglich widerspricht." Letzterer Antrag wurde dahin vervollständigt, daß vor „unverzüglich" einzuschalten sind die W o r t e : „gegenüber dem Einen oder dem Anderen". I Prot 13410 | Die Kommission beschloß die Annahme des Entwurfes mit folgenden Modifikationen: 1. In Ansehung der im Entwurf als Einverständniß mit der Anweisung bezeichneten Kundgebung des Besitzwillens des Erwerbers soll verdeutlicht werden, daß diese Kundgebung sowohl dem Inhaber als dem bisherigen Besitzer gegenüber erfolgen könne. 2. Der verbesserte Antrag 2 und die aus demselben sich ergebende Aenderung des Entwurfes wurde gebilligt. Der Antrag 1 galt damit als erledigt. Der Prüfung bei der Redaktion blieb überlassen, ob der Eingang in Uebereinstimmung mit der zu § 57 beschlossenen V o r schrift etwa zu lauten habe: Der Besitz einer in der thatsächlichen Gewalt eines Anderen befindlichen Sache kann im Falle (oder: mittels) der Uebergabe erworben werden pp. Sachlich ist somit zu § 61 beschlossen: „Die Uebergabe der in der thatsächlichen Gewalt eines Anderen befindlichen Sache an einen Dritten kann bewirkt werden dadurch, daß der bisherige Besitzer den Inhaber anweiset, die thatsächliche Gewalt für den Dritten auszuüben, und dieser 118
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 8 5 5
Dritte dem bisherigen Besitzer oder dem Inhaber gegenüber seinen Willen k u n d giebt, die Sache als die seinige zu haben. D e r Besitz wird von dem Dritten nicht erworben, wenn der Inhaber dem bisherigen Besitzer o d e r dem Dritten gegenüber unverzüglich nach Empfang der Anweisung dieser widersprochen hat." | Erwogen war: | Prot 13411 1. H i e r k o m m e von den verschiedenen Fällen der mit dem Willen des bisherigen Besitzers erfolgenden Besitzerwerbung nur der in Betracht, daß die thatsächliche Gewalt nicht von dem bisherigen Besitzer selbst, sondern durch einen Vertreter f ü r ihn ausgeübt werde. Der Antrag 1 wolle auch den Fall hierherziehen, daß J e m a n d , welcher gar nicht Besitzer sein wolle, aber einen Vertreter in der Inhabung f ü r sich bestellt habe, durch die Anweisung dieses Unterinhabers einem Dritten den Besitz einräumen wolle. Dieser Fall sei aber aus denselben G r ü n d e n hier nicht zu berücksichtigen, aus denen der eine ähnliche A u s d e h n u n g beabsichtigende, zu § 57 gestellte Antrag 3 abgelehnt worden sei (S. 3401). 2. Die K u n d g e b u n g des Besitzwillens seitens des Erwerbers anlangend, so sei der vorliegende Fall von demjenigen des § 57 darin verschieden, daß hier der Erwerber nicht in die Lage komme, die thatsächliche Gewalt in eigener Person ausüben zu können, sondern nur in dem Inhaber einen Vertreter in der Inhabung gewinne. Die K u n d g e b u n g des Besitzwillens des neuen Besitzers müßte deshalb, streng g e n o m men auch gegen den Inhaber sich richten. W e n n trotzdem bestimmt werde, daß die Erklärung des Besitzwillens des Erwerbers auch gegenüber dem bisherigen Besitzer als genügende Kundgebung gelten solle, so empfehle sich diese Bestimmung aus praktischen Zweckmäßigkeitsgründen. Dieselbe erscheine aber auch theoretisch nicht ungerechtfertigt, wie die nachstehenden E r w ä g u n g e n ergäben. D e r Besitzwechsel vollziehe im vorliegenden Falle sich in der Weise, daß die Richtung des V e r t r e t u n g s - | willens des Inhabers mit dem Willen des bisherigen | Prot 13412 Vertretenen auf einen neuen Vertretenen übertragen werde. Die nächste und n a t ü r lichste Gestaltung der Apprehensionshandlung im Falle der Anweisung sei die dem Inhaber gegenüber erfolgende K u n d g e b u n g des Willens, sich von demselben in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt vertreten zu lassen. H a n d l e indessen der Anweisende mit kundgegebenem Einverständniß des Erwerbers, so sei die Auffassung sehr wohl gerechtfertigt, daß die Anweisung zugleich die Uebermittelung der Willenskundgebung des Erwerbers an den Inhaber enthalte, er wolle den Inhaber als Vertreter in Ausübung der thatsächlichen Gewalt annehmen. Sollte die Anweisung vor der K u n d g e b u n g des Willens des Erwerbers ertheilt sein, so könne in der nachfolgenden K u n d g e b u n g des Erwerbers gegenüber dem bisherigen Besitzer die R a tihabition der im N a m e n des Erwerbers dem Inhaber übermittelten A u f f o r d e r u n g g e f u n d e n werden. D a im V e r k e h r der Anweisungsempfänger dem Anweisenden zu überlassen pflege, Alles dem Inhaber gegenüber Nöthige zu erklären und sich erklären zu lassen, so sei die praktische Zweckmäßigkeit der fraglichen Vorschrift nicht zu verkennen. 3. Die K u n d g e b u n g des Vertretungswillens des Inhabers gegenüber dem E r w e r ber anlangend, so k o m m e in Betracht, daß es regelmäßig f ü r den Inhaber gleichgültig sei, f ü r wen er detinire und an wen er, nachdem seine Verpflichtung oder seine Berechtigung aufgehört habe, restituire, ebenso wie es f ü r den debitor cessus gleichgültig sei, ob er an den Zedenten oder an den Zessionar zahle. W e g e n dieser Intere s s e l o s i g k e i t des Inhabers sehe der Antrag 1 von dem Erforderniß einer Willensk u n d g e b u n g auf Seiten des Inhabers ab, und | übe somit auf den Inhaber den Z w a n g | Prot I 3413 aus, daß derselbe vielleicht gegen seinen Willen durch den Empfang der Anweisung 119
§ § 854, 855
3. Buch: Sachenrecht
aus dem Vertreter des Einen zum Vertreter des Anderen gemacht werde. Ein solcher Zwang sei aber nicht gerechtfertigt und könne die Rechte des Inhabers verletzen, wenn ausnahmsweise ein Interesse des Inhabers, einen Besitzwechsel nicht eintreten zu lassen, bestehe, insbesondere, wenn derselbe ein Retentionsrecht behufs Deckung einer ihm gegen den bisherigen Besitzer zustehenden Forderung habe. Das Gesetz dürfe daher von dem Einverständniß des Inhabers mit der Anweisung nicht absehen. Der Inhaber könne allerdings nicht hindern, daß der Anspruch auf Herausgabe von dem Besitzer einem Anderen zedirt und er dadurch verpflichtet werde, an Letzteren herauszugeben. Es sei aber zu beachten, daß der Inhaber in diesem Falle sein Retentionsrecht behalte. Indessen erscheine es wegen der regelmäßigen Interesselosigkeit des Inhabers gerechtfertigt, eine der Anweisung zustimmende Erklärung schon dann als vorliegend anzunehmen, wenn der Inhaber nach Empfang der Anweisung nicht unverzüglich Widerspruch erhoben habe. Daß der Inhaber zum unverzüglichen Widerspruche behufs Vermeidung der sonst gegen ihn geltenden Vermuthung angehalten werde, sei erforderlich, damit eine längere Zeit der Unsicherheit, wer Besitzer sei, nicht bestehe. Die beschlossene negative Fassung lasse zugleich mit größerer Deutlichkeit als die Fassung des Entwurfes ersehen, daß der rechtzeitige Widerspruch von dem Behauptenden zu beweisen sei. Der Widerspruch müsse übrigens auch dem Erwerber gegenüber erklärt werden können, da eine entgegengesetzte Bestimmung eine Beschränkung des Inhabers nach sich ziehen würde, zu welcher ein Grund nicht vorliege. Sollte die ohne Wis| Prot I 3414 sen des Dritten ertheilte Anweisung von dem Inhaber | unwidersprochen geblieben sein, so komme es in Ansehung der Beurtheilung des Gebundenseins des Inhabers gegenüber dem Dritten, dessen Vertreter sein zu wollen er erklärt habe, auf die rechtliche Wirkung an, welche man der nachfolgenden Genehmigung des Dritten zuschreibe, eine Frage, welche in Ansehung des Besitzerwerbes durch einen negotiorum gestor nach dem Beschlüsse der Kommission zu § 56 offen gelassen sei. TE-SachR § 62
Planck (Nr 12, 8)
Der § 62 des Entwurfs lautet: „Ist auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses zu dem Erwerber der bisherige Besitzer befugt, die Sache als Inhaber zu behalten, so kann die Uebergabe dadurch erfolgen, daß der bisherige Besitzer im Einverständnisse mit dem Erwerber erklärt, die thatsächliche Gewalt fortan für den Erwerber üben zu wollen." Es lagen die Anträge vor: 1. den § 62 dahin zu fassen: „Die Uebergabe der in der thatsächlichen Gewalt des bisherigen Besitzers befindlichen Sache an einen Anderen kann dadurch bewirkt werden, daß der bisherige Besitzer im Einverständniß mit dem Erwerber erklärt, die thatsächliche Gewalt fortan für den Erwerber üben zu wollen." eventuell dahin: „Die Uebergabe der in der thatsächlichen Gewalt des bisherigen Besitzers befindlichen Sache an einen Anderen kann, wenn der erstere durch ein mit dem letzteren abgeschlossenes besonderes Rechtsgeschäft berechtigt oder verpflichtet ist, die Sache als Inhaber zu behalten, dadurch bewirkt werden, daß der bisherige Besitzer im Einverständniß mit dem Erwerber erklärt, die thatsächliche Gewalt fortan für den Erwerber üben zu wollen."
| Prot I 3415 | 2. den § 62 dahin zu fassen: Kurlbaum „Erklärt derjenige, welcher die thatsächliche Herrschaft über eine Sache hat, ei(Nr 18, 5) nem Anderen gegenüber den Willen, die Herrschaft für ihn haben zu wollen, und 120
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 8 5 5
nimmt der Andere diese Erklärung mit dem Willen an, die Sache als die seinige zu haben, so erwirbt der letztere den Besitz der Sache, es sei denn, daß der Erstere die Herrschaft für einen Dritten hatte." Beschlossen wurde, 1. den besonderen Fall des konsensualen Besitzwechsel, welcher als constitutum possessorium bezeichnet wird, nicht abzuschaffen, auch nicht über denselben zu schweigen, die aufzunehmende Bestimmung aber nicht auf den von dem Antrage 2 mit hereingezogenen Fall, daß nicht der Besitzer sondern ein Inhaber, der nicht Besitzer ist, die betreffende Erklärung abgiebt, auszudehnen; 2. in Ansehung des Inhalts der aufzunehmenden Bestimmung den Entwurf anzunehmen, jedoch mit folgenden Modifikationen: Mit dem Entwurf soll für die Wirksamkeit des constitutum die Voraussetzung beibehalten werden, daß ein besonderes Rechtsverhältniß zwischen dem bisherigen Besitzer und dem Erwerber vorliegt, welches den Grund für das Behalten der Inhabung von Seiten des bisherigen Besitzers bildet, aber es soll auch ein solches Rechtsverhältniß genügen, welches den bisherigen Besitzer zum Behalten nicht berechtigt, sondern nur verpflichtet. In Ansehung der Fassung wurde beschlossen, den Eingang in Uebereinstimmung zu bringen mit den zu §§ 57 und 62 beschlossenen Bestimmungen, auch nicht mit Antrag 2 von einer Annahmeerklärung, sondern mit Entwurf und Antrag 1 nur von einem Einverständniß des Erwerbers zu reden. Die Anträge 1 und 2 galten damit als erledigt. Erwogen war: 1. Nach den zu §§ 48 und 56 beschlossenen Bestimmungen | würde die Erwer- | Prot 13416 bung des Besitzes durch constitutum possessorium, wenn nichts hierüber bestimmt würde, nicht ausgeschlossen sein. Die Inhabung eines Vertreters sei, was die Besitzerwerbung anbelange, für gleichwirksam erklärt worden mit dem eigenen Erlangen der thatsächlichen Gewalt. Folglich könne man auch Besitzer werden, wenn man, ohne die Sache selbst zu apprehendiren, die Stellung eines Vertretenen gegenüber dem bisherigen Besitzer und Inhaber als dem nunmehrigen Vertreter in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt sich verschaffe. Diese Stellung eines Vertretenen könne man aber durch die entsprechenden Willenserklärungen erlangen. Gleichwohl sei aus zwei entgegengesetzten Gründen zu prüfen, ob eine Bestimmung über das constitutum possessorium entbehrt werden könne. Es komme zunächst in Frage, ob man nicht diese Art des Besitzwechsels auszuschließen habe, was nur durch eine ausdrückliche Vorschrift geschehen könnte. Der Besitzwechsel vollziehe sich hier durch lediglich zwischen dem bisherigen Besitzer und dem Erwerber (nicht wie bei der Anweisung auch noch einem Dritten) erfolgende Willenserklärung und verschaffe (abweichend von der brevi manu traditio) einem Nichtinhaber Besitz. Hieraus ergebe sich, wie nahe man durch die Zulassung des constitutum possessorium an den Satz des französischen Rechts herantrete, welcher die Uebertragung des Eigenthums durch bloßen Vertrag ohne Tradition geschehen lasse. Die Kommission habe in den Vorberathungen — zu vergl. Protokoll vom 15. Oktober 1875 15 — den Anschluß an diesen Satz des französischen Rechts abgelehnt. Damit sei folglich die Frage nahe gelegt, ob nicht auch das constitutum possessorium abzulehnen sei. Gegen die Ablehnung desselben spreche jedoch einer15
Das Protokoll ist abgedruckt im Eingang dieses Bandes bei den Berathungen zu Vorfragen.
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3. Buch: Sachenrecht
seits, daß man dadurch dem Verkehr eine schwere Beschränkung auferlegen würde und andererseits, daß man den mit der Ablehnung zu verfolgenden Zweck, Vermeidung von Scheintraditionen, doch nicht erreiche, denn es bleibe der Ausweg, daß | Prot 13417 eine Naturaltradition erfolge und dieser sofort die R ü c k - | tradition angeschlossen werde. Uebrigens bleibe mit dem constitutum possessorium immer noch der überhaupt f ü r das Traditionsprinzip sprechende Vortheil bewahrt, daß der dingliche Vertrag sich scharf abhebe von seiner obligatorischen Grundlage. Andererseits könne in Frage kommen, ob, wenn man auch dem constitutum nicht entgegentreten wolle, eine ausdrückliche Anerkennung der Wirksamkeit desselben im Gesetze auszusprechen sei. Für eine solche ausdrückliche Anerkennung spreche unter allen Umständen die große praktische Bedeutung des constitutum possessorium und der Zweifel, welcher wenigstens über die Voraussetzungen der Wirksamkeit desselben bestehe. 2. Was das Erforderniß eines zwischen dem bisherigen Besitzer und dem Erwerber obwaltenden besonderen Rechtsverhältnisses anbelange, so diene dasselbe zur Klarlegung, daß ein wirklicher Vertretungswille in dem nunmehr in einen bloßen Inhaber verwandelten bisherigen Besitzer anzunehmen sei, und nicht etwa blos eine Simulation vorliege oder von den Betheiligten nur die rechtlichen Folgen eines Besitzwechsels ζ. B. Eigenthumsverschaffung gewollt seien. Eine Erklärung finde der beginnende Vertretungswille des bisherigen Besitzers in dem zwischen ihm und dem Erwerber bestehenden Rechtsverhältnisse, welches den Grund ersehen lasse, weshalb die körperliche Uebergabe aufgeschoben sei, und der bisherige Besitzer die Inhabung behalte. Am deutlichsten ergebe sich ein solcher Grund und damit der wirkliche Vertretungswille, wenn der bisherige Inhaber fortan noch eine Zeit lang die Ausübung der Inhabung mit Rücksicht auf ein ihm zugestandenes dingliches oder obligatorisches Recht zu einer solchen Ausübung behalten solle. Zweifel könnten erhoben werden, wenn das Behalten der Inhabung nur durch eine von dem bisherigen Besitzer kraft eines Auftrages, Hinterlegungs- oder Dienstvertrages übernommene | Prot I 3418 Ver- \ pflichtung klargelegt werde. Für solchen Fall mit dem Entwürfe durch eine positive Bestimmung die Wirksamkeit des constitutum auszuschließen, würde aber zu einer mißlichen Beengung des Verkehrs führen. Der eventuelle Antrag 2 rede um deswillen etwas zu eng, weil das Rechtsverhältniß, auf welchem die Fortsetzung der Inhabung beruhe, nicht nothwendig ein rechtsgeschäftlich geschlossenes sein müsse, zum Beispiel, wenn das Behalten sich in einem eherechtlichen Verhältniß gründe. Ob die betreffende Voraussetzung sich schwer mit dem Prinzip vertrage, daß der dingliche Vertrag als solcher abstrakt sei, könne auf sich beruhen. Sie müsse schon deshalb gebilligt werden, weil sie dem Mißbrauche des constitutum possessorium einiger Maßen zu steuern geeignet sei. In Anknüpfung an die bei Berathung des § 56, zu vergleichen Protokolle S. 3397 Ziff. 4 aufgeworfene Frage, auf welche Weise Jemand, welcher zwar den Besitz in eigenem N a m e n aber mit der Absicht, die Sache als fremdes Gut und als Vertreter zu behandeln, erlangt habe, dem von ihm zu Vertretenden durch einseitige Willenskundgebung den Besitz verschaffen könne, war die Aufnahme nachstehender Bestimmung beantragt: „Hat ein gesetzlicher Vertreter, ein Bevollmächtigter oder ein Beauftragter den Besitz einer Sache zwar in eigenem Namen aber mit dem (bei dem Erwerbe nicht kundgegebenen) Willen erworben, den Besitz für den von ihm Vertretenen, seinen Machtgeber oder seinen Auftraggeber zu erlangen, so wird der Besitz für den Letz| Prot I 3419 teren durch jede Handlung des Ersteren erworben, welche | den Willen desselben zu 122
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 855
erkennen giebt, die erlangte thatsächliche Gewalt über die Sache f ü r den Vertretenen, Machtgeber oder Auftraggeber auszuüben. Dasselbe gilt, wenn ein Geschäftsführer ohne A u f t r a g den Besitz einer Sache in eigenem N a m e n , aber mit dem Willen, ihn f ü r den Geschäftsführer zu erlangen, erworben hat, sobald die Genehmigung des Geschäftsherrn hinzutritt." V o n anderer Seite w a r ein denselben Fall betreffender aber darüber hinausgehender Antrag auf A u f n a h m e folgender Bestimmung gestellt w o r d e n : „ D e r Besitzer einer Sache, welcher ermächtigt ist, einen Anderen zu vertreten, kann den Besitz der Sache dem Vertretenden einräumen und zugleich f ü r den V e r tretenen erwerben, jedoch nur dadurch, d a ß er den auf das Eine wie auf das Andere gerichteten Willen mittels einer denselben äußerlich erkennbar machenden H a n d lung, insbesondere mittels Hinüberschaffens der Sache in einen f ü r die Sache des Vertretenen bestimmten R a u m , erklärt. Ist der Stellvertreter befugt, eine bewegliche Sache des Vertretenen sich anzueignen, so kann er den Besitz einer solchen Sache durch eine den Vorschriften des ersten Absatzes entsprechend erkennbar gemachte Willenserklärung erwerben." Man beschloß, sich nicht mit dem ersten Antrage auf den an die A n w e n d u n g des § 99 Satz 1 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des allgemeinen Theils (Protokoll S. 245, 248, 258) 16 auf die Vertretung beim Besitzerwerbe sich | a n k n ü p f e n d e n Spezialfall zu beschränken, sondern den allgemeinen Fall des zwei- | Prot I 3420 ten Antrages zu berücksichtigen. Dabei w u r d e vorläufig sowohl von der in Absatz 2 des zweiten Antrags gedachten umgekehrten Gestaltung als von dem in Absatz 2 des ersten Antrags erwähnten Falle der G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g abgesehen. Die Kommission beschloß die A n n a h m e des Absatzes 1 des zweiten Antrags in folgender Fassung: „Ist der bisherige Besitzer den E r w e r b e r f ü r den Besitzerwerb zu vertreten befugt, so wird der Besitz f ü r den Vertretenen erworben, wenn der bisherige Besitzer durch eine äußere H a n d l u n g den Willen kund giebt, daß er fortan die thatsächliche Gewalt f ü r den Vertretenen ausüben werde." Zugleich w u r d e beschlossen, die a u f z u n e h m e n d e Bestimmung mit der Vorschrift über das constitutum possessorium zu einem P a r a g r a p h e n zu verbinden. Erwogen w a r : In Betracht komme der dem ersten Antrage gegenüber allgemeiner zu fassende Fall, daß der Besitzer, welcher zugleich Inhaber sei, f ü r eine andere Person die V e r tretungsmacht habe, den Besitz f ü r diese zu erwerben. Schweige das Gesetz, so werde man vielleicht auch ohne eine besondere Bestimmung zu dem richtigen Resultate gelangen. D u r c h die Rechtslogik sei die V o r n a h m e eines Rechtsgeschäfts mit sich selbst, wobei man einerseits f ü r sich, andererseits k r a f t Vertretungsmacht f ü r einen Anderen handele, nicht ausgeschlossen (zu vergl. Prot. S. 262), und die in Ermangelung einer positiven Beschränkung a n z u n e h m e n d e Zulässigkeit entspreche | d e r Spezialbeschränkung in § 184 der Zusammenstellung der beschlossenen Be- | Prot 1 3421 Stimmungen des allgemeinen Theils, Protokolle S. 3107 f. 3130 ff. 17 (zu vergl. auch Familienrechtsentwurf § 493). Sollte man auch in der Uebergabe, soweit sie nur den Besitz angehe, einen V e r t r a g nicht finden, so w ü r d e n doch die N o r m e n über die Zulässigkeit des secum contrahere nach d e m Beschlüsse zu § 56 entsprechende Anw e n d u n g finden. W e g e n der großen praktischen Bedeutung des in Frage stehenden " 17
S. bei § 180 BGB. Die Bestimmung enthielt das Verbot des Selbstkontrahierens speziell für ein Vorstandsmitglied im Verhältniß zur juristischen Person. Sie wurde von der 2. Kom. gestrichen. S. bei § § 2 1 - 7 9 BGB zu § 45 KE/E I.
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3. Buch: Sachenrecht
Falles erscheine indessen die Aufnahme einer Bestimmung in hohem Grade rathsam. Es handele sich um einen Unterfall des constitutum possessorium. Der bisherige Besitzer mache von der ihm zustehenden Vertretungsmacht Gebrauch und trete durch einen äußerlich seinen Willen kundgebenden Akt aus der Stellung als Besitzer in die Stellung als Vertreter in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt für den von ihm Vertretenen hinüber, wobei er denselben gleichzeitig in der Kundgebung des Willens vertrete. Unentbehrlich sei die Zulassung eines so gearteten constitutum im Falle der gesetzlichen Vertretung, da sonst eine Uebergabe von dem Vertreter an den Vertretenen ohne das schwierige Aushülfemittel der Bestellung eines Vertreters ad hoc ausgeschlossen sein würde. An der Sache brauche der zu verlangende äußere Willensakt, wie der zweite Antrag zu fordern scheine, sich übrigens nicht nothwendig zu vollziehen, da auch eine Buchung oder eine sonstige zweifellose Willenskundgebung genügen müßte. Die bei der Berathung von einer Seite angeregte Frage, ob die Vorschrift auf bewegliche Sachen zu beschränken sei, müsse verneint | Prot I 3422 werden. Thatsächlich wer- | de allerdings die Anwendbarkeit der Vorschrift bei Grundstücken von geringer Bedeutung sein, weil bei diesen die Tradition den Eigenthumsübergang nicht vermittele. Rechtlich müsse dagegen die Anwendbarkeit bestehen bleiben, zumal der Ausschluß die unrichtige Meinung erwecken könnte, es handele sich um eine nur zu Gunsten der Uebergabe des Besitzes an beweglichen Sachen gemachten Ausnahme, und es werde die regelmäßige Unzulässigkeit des Tradirens an sich selbst anerkannt. Man berieth hierauf 1. den gegenüber dem vorigen Fall umgekehrten Fall, nämlich den Fall, daß der Vertretungsberechtigte den Willen hat, selbst von dem Vertretenen den Besitz zu erwerben, und sodann 2. den Fall des negotiorum gestor, welcher einerseits f ü r sich selbst, andererseits für den Geschäftsherrn handelnd, dem letzteren Besitz einräumen und erwerben will. In beide Richtungen beschloß man zu schweigen. Erwogen w a r : 1. H a b e ein Vertreter in Ansehung von Sachen, die er als solcher in seiner thatsächlichen Gewalt hatte, für sich selbst Besitz ergriffen und seinen Besitzwillen äußerlich kundgegeben, nachdem ihm der Vertretene die Befugniß eingeräumt habe, so zu handeln, so liege eine widerrechtliche Handlung offenbar nicht vor. Es erscheine nicht nothwendig, diesen Fall als einen Fall des zulässigen Tradirens unter Vereinigung der Rollen des Tradenten und des Empfängers in einer Person aufzufassen, da ebensowohl die Annahme eines in der erwähnten Ermächtigung liegenden vorausgegangenen Einräumungswillens des bisherigen Besitzers gerechtfertigt | Prot I 3423 sei. Dieser Fall könne deshalb im Gesetze übergangen | werden und zwar um so mehr, als die Ermächtigung zum Geben an sich selbst seltener dem Vertreter werde ertheilt werden, als die Ermächtigung zum Empfange von sich selbst, und überdies zu befürchten sei, daß die beantragte Bestimmung zu gefährlichen Mißverständnissen Anlaß geben werde. 2. Bei dem negotiorum gestor stehe nur die Rückbeziehung der Genehmigung in Frage, da nach der Genehmigung eine beiderseitige Willenskundgebung, mithin nicht ein Fall des secum contrahere vorliege. Ueber die Frage der Rückbeziehung sei aber nach dem Beschlüsse zu § 56 zu schweigen (S. 3397). II. 1. In der VorlZust„Besitz"lauten VorlZust § 1
die gefaßten Beschlüsse:
Der Besitz einer Sache wird erworben durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über die Sache (Inhabung) in Verbindung mit dem Willen des Inhabers, die Sache als die seinige zu haben (Besitzwille). 124
1. Abschnitt: Besitz
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(NB. zum § 1. Wegen des Worts „Besitzwille" zu vergleichen § 8.) Besitz einer Sache ist nur insoweit möglich, als Eigenthum an der Sache möglich ist. An wesentlichen Bestandtheilen einer Sache findet ein vom Besitze der letzteren abgesonderter Besitz nicht statt. (NB. zum § 2 Abs. 2, zu vergl. § 3 Titel 1 le .) Eine Sache kann von Mehreren in Gemeinschaft besessen werden. Ein Geschäftsunfähiger kann durch eigene Handlungen den Besitz nicht erwerben. V o n einer Person, deren Geschäftsfähigkeit nur beschränkt ist, kann der Besitz auch durch eigene Handlungen erworben werden. (NB. zum % N2 4: zu vergl. Allg. Theil Zus. § 42 Abs. I. 19 ) Auf den Besitzerwerb durch Vertreter finden die Vorschriften über den Erwerb aus einem durch einen Vertreter abgeschlossenen Rechtsgeschäfte entsprechende Anwendung.
VorlZust § 2
VorlZust § 3 VorlZust § 4
VorlZust $ 5
oder: Der Besitzerwerb durch Vertreter bestimmt sich nach den Vorschriften über den Erwerb aus einem durch einen Vertreter abgeschlossenen Rechtsgeschäft. Der Besitz einer Sache, welche einen Besitzer hat, kann ohne den Willen des VorlZust § 6 letzteren nur durch Handlungen erworben werden, durch welche demselben der Besitz entzogen wird. (NB. zum § 6 folgt der Gebhard'schen, der Redaktion zur P r ü f u n g überlassenen Fassung. Der angenommene Antrag lautete: „Durch einseitige Handlungen wird der Besitz einer von einem Anderen besessenen Sache nur dann erworben, wenn durch dieselben dem bisherigen Besitzer der Besitz entzogen wird.") Der Besitz einer Sache mittels Uebergabe (im Falle der Uebergabe) wird da- VorlZust § 7 durch erworben, daß der Besitz von dem bisherigen Besitzer dem Erwerber eingeräumt und von diesem ergriffen wird. Die Willenserklärung des bisherigen Besitzers, daß er den Besitz einräume, und die Willenserklärung des Erwerbers, daß er den Besitz ergreife, genügen zum Erwerbe des Besitzes, wenn der Erwerber sich thatsächlich in der Lage befindet, die thatsächliche Gewalt über die Sache (beliebig) auszuüben. (NB. Absatz 1. „mittels Uebergabe" wird richtiger sein als: „im Falle der Uebergabe"; 2. Absatz 2. Der angenommene Antrag lautete: „Der Besitz kann durch Willenserklärungen sowohl eingeräumt als ergriffen werden, wenn etc." Aber liegt darin nicht eine den Sinn der Vorschrift verdunkelnde, und zum 1. Absatz wenig passende Kürze? 3. Im Absatz 2 wird: „beliebig" überflüssig sein; wegen § 1.) Die Uebergabe der in der thatsächlichen Gewalt eines Anderen befindlichen Sa- VorlZust § 8 che an einen Dritten kann dadurch bewirkt werden, daß der bisherige Besitzer den Inhaber anweist, die thatsächliche Gewalt fortan f ü r den Dritten auszuüben und dieser dem bisherigen Besitzer oder dem Dritten gegenüber den Besitzwillen erklärt. Der Besitz wird von dem Dritten nicht erworben, wenn der Inhaber unverzüglich nach dem Empfang der Anweisung dem bisherigen Besitzer, oder dem Dritten gegenüber der Anweisung widersprochen hat. 18 19
S. bei § § 2 1 - 7 9 BGB zu § 9 3 BGB. S. bei §§ 21—79 BGB zu § 107 BGB.
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§ § 854, 855
3. Buch: Sachenrecht
(NB. zum § 8. Nach dem Beschlüsse müßte der letzte Theil des ersten Satzes lauten : „und der Dritte dem bisherigen Besitzer oder dem Inhaber gegenüber den Willen erklärt hat, die Sache als die seinige haben zu wollen." Eine solche Fassung, hervorgerufen durch den Mangel eines Kunstwerks f ü r den animus domini, ist zu doktrinair und nur geeignet, die praktische Anwendung des Gesetzes zu erschweren. Im praktischen Leben kommt eine dem Wortlaute des Beschlusses entsprechende Fassung kaum vor. Im § 1 ist vorgeschlagen, f ü r den animus domini das technische W o r t : „Besitzwille" zu adaptiren.) VorlZust ξ 9 Ist der bisherige Besitzer auf Grund eines zwischen ihm und einem Anderen bestehenden besonderen Rechtsverhältnisses befugt oder verpflichtet, die (in seiner Gewalt befindliche) Sache als Inhaber zu behalten, so kann die Uebergabe desselben an den Anderen auch dadurch bewirkt werden, daß der bisherige Besitzer im Einverständniß mit dem Andern den Willen erklärt, die thatsächliche Gewalt fortan f ü r den Anderen auszuüben. Ist der bisherige Besitzer den Andern f ü r den Besitzerwerb zu vertreten berechtigt, so genügt zum Besitzerwerb des Andern jede (eine äußere) H a n d l u n g des bisherigen Besitzers, durch welche derselbe jenen Willen kundgiebt (den Willen kundgiebt, die thatsächliche Gewalt fortan für den Andern auszuüben). (NB. zum § 9. 1. Auf die Eingangs in Klammern stehenden Worte ist bei der Berathung Werth gelegt, weil das constitu. poss. voraussetze, daß der Tradent auch Inhaber sei. Indessen stören die Worte, weil jeder Besitzer die thatsächliche Gewalt hat; sie dürften auch wegen der Worte: „als Inhaber zu behalten" entbehrlich sein. 2. Was ist eine äußere Handlung? Richtiger möchte doch noch sein: „eine nach außen sich kundgebende Handlung den Willen erklärt.")
RedVorl/ ZustSachR § 786 RedVorl/ ZustSachR § 787
2., 3. In der RedVorl und in der ZustSachR sind die Beschlüsse in den §§ 786—794 zusammengefaßt: Der Besitz einer Sache wird erworben durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über die Sache (Inhabung) in Verbindung mit dem Willen des Inhabers, die Sache als die seinige zu haben (Besitzwille). Besitz einer Sache ist nur insoweit möglich, als Eigenthum an der Sache möglich ist. An wesentlichen Bestandtheilen einer Sache findet ein von dem Besitze des letzteren abgesonderter Besitz nicht statt. Eine Sache kann von Mehreren in Gemeinschaft besessen werden. 20
RedVorl/ ZustSachR §788 RedVorl/ Eine geschäftsunfähige Person kann nicht durch eigene Handlungen Besitz erZustSachR § 789 werben.
Von einer in der Geschäftsfähigkeit nur beschränkten Person kann auch durch eigene Handlungen Besitz erworben werden. Auf den Besitzerwerb (RedVorl: Auf die Erwerbung des Besitzes) durch VertreRedVorl/ ZustSachR § 790 ter finden die Vorschriften über den Erwerb (RedVorl: die Erwerbung) aus einem durch einen Vertreter abgeschlossenen Rechtsgeschäfte entsprechende Anwendung. 20
Dazu ist angemerkt: „Ob der Mitbesitz an die Voraussetzung zu knüpfen sei, daß man, um Mitbesitzer zu sein, sich einen bestimmten Antheil an der Sache zuschreiben müsse, soll bei der Berathung des Miteigenthums (S.R.E. Abschn. III Tit. 6) geprüft werden." (Prot I 4282 f., s. bei § 1008 BGB).
126
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 8 5 5
Der Besitz einer Sache kann ohne den Willen des bisherigen Besitzers von einem Anderen nur durch solche Handlungen erworben werden, durch welche dem bisherigen Besitzer der Besitz entzogen wird. Der Besitz einer Sache wird mittels Uebergabe erworben, wenn (RedVorl: Mittels Uebergabe wird der Besitz einer Sache dadurch erworben, daß) der Besitz von dem bisherigen Besitzer dem Erwerber eingeräumt und von diesem ergriffen wird. Die Willenserklärung des bisherigen Besitzers, daß er den Besitz einräume, und die Willenserklärung des Erwerbers, daß er den Besitz ergreife, genügen f ü r den Erwerb des Besitzes, (RedVorl: Die Willenserklärungen der Betheiligten, daß der Besitz eingeräumt und ergriffen werde, genügen zur Besitzerwerbung,) wenn der Erwerber sich thatsächlich in der Lage befindet, die Gewalt über die Sache beliebig auszuüben. (RedVorl: sich in der Lage befindet, die thatsächliche Gewalt über die Sache beliebig ausüben zu können.) Die in der Inhabung des Anderen befindliche Sache kann von dem Besitzer einem Dritten dadurch übergeben werden, daß der bisherige Besitzer den Inhaber anweist, die thatsächliche Gewalt fortan für den Dritten auszuüben, und dieser dem bisherigen Besitzer oder dem Inhaber gegenüber den Besitzwillen erklärt. Der Besitz wird von dem Dritten nicht erworben, wenn der Inhaber unverzüglich nach dem Empfange der Anweisung dem bisherigen Besitzer oder dem Dritten gegenüber der Anweisung widerspricht {RedVorl: widersprochen hat). Die Uebergabe einer in der Inhabung des Besitzers befindlichen Sache an einen Anderen kann, wenn der Besitzer auf Grund eines zwischen ihm und dem Anderen bestehenden besonderen Rechtsverhältnisses befugt oder verpflichtet ist, die Sache als Inhaber zu behalten, dadurch bewirkt werden, daß der bisherige Besitzer im Einverständnisse mit dem Anderen diesem (RedVorl: der bisherige Besitzer dem Erwerber in dessen Einverständnisse) den Willen erklärt, die thatsächliche Gewalt fortan f ü r denselben zu üben. Ist der bisherige Besitzer berechtigt, den Anderen für den Besitzerwerb (RedVorl: f ü r die Besitzerwerbung) zu vertreten, so genügt zum Besitzerwerbe (RedVorl: zur Besitzererwerbung) des Anderen jede Handlung des bisherigen Besitzers, durch welche der letztere (RedVorl: er) den Willen kundgiebt, die thatsächliche Gewalt fortan für den Anderen auszuüben.
III., IV. Bei der Redaktion des KE erhielt auf Antrag Abs. 2 des § 789 die Fassung:
RedVorl/ ZustSachR § 791 RedVorl/ ZustSachR§ 792
RedVorl/ ZustSachR $ 793
RedVorl/ ZustSachR < 794
ZustSachR
Eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person kann auch durch eigene Handlung Besitz erwerben. In § 790 wurde auf Antrag statt: „abgeschlossenen Rechtsgeschäfte" gesetzt: „vorgenommenen Rechtsgeschäfte". In § 792 wurde in Abs. 1 der erste Satz umgestellt, so daß er beginnt: „Mittels Uebergabe wird der Besitz einer Sache e r w o r b e n , . . . " Zu § 794 Abs. 2 war beantragt, statt: „für den Besitzerwerb" zu setzen: „beim Besitzerwerbe (oder in Ansehung des Besitzerwerbes)". Die Kom. entschied sich f ü r die Formulierung: „in Ansehung des Besitzerwerbes". Außerdem änderte sie die letzten Worte in Abs. 1 von „zu üben" in: „auszuüben" (Prot I S. 6136, 6253, 6257, 6264, 6270, 6274). Im übrigen lauten die Vorschriften des KE wie die der ZustSachR. Im Ε I wurden die Bestimmungen des K E als §§ 797—805 unverändert übernommen.
127
KE $ 789 Abs. 2
Gebhard (Nr 435, 3)
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
Β. Vorkomrriission des Reichsjustizamtes 89. Sitzung vom 26. 9. 1892 | Prot-RJA 600
| V. Die Kommission trat in die Berathung des zweiten Abschnittes des dritten Buches ein. Man einigte sich zunächst dahin, wesentlich aus den in den Bemerkungen des Königlich Preußischen Justizministers 21 entwickelten Gründen, die vom Entwürfe getroffene Unterscheidung zwischen Besitz und Inhabung aufzugeben, jedes rechtlich in Betracht kommende Besitzverhältniß Besitz zu nennen und den Besitzschutz an den Besitz zu knüpfen. Aus den gleichen Gründen wurde es für zweckmäßig erachtet, in diesem Abschnitt den Besitz nur insoweit, als er rechtlich geschützt sein soll, zu regeln und demgemäß alle Vorschriften, die nicht auf den Besitzschutz Bezug haben, an dieser Stelle auszuscheiden.
VI. Eine Definition des Besitzes hielt man nicht f ü r erforderlich. Man ging aber davon aus, daß unter Besitz nicht wie nach § 797 nur die Inhabung mit dem animus domini zu verstehen sei, sondern jede Inhabung, die der Inhaber mit dem auf deren Erlangung gerichteten Willen erworben habe. Von einer Seite war geltend gemacht, das Gesetz habe den Besitzerwerb nur an die Erlangung der thatsächlichen Gewalt zu knüpfen und die Entscheidung der Frage, ob im einzelnen Falle diese Gewalt nur mit dem Willen des Erwerbers erlangt werden könne, der Rechtsanwendung zu überlassen. Klar sei ohne Weiteres, daß die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über ein Grundstück ohne den hierauf gerichteten Willen ausgeschlossen sei. Auch für das Gebiet der beweglichen Sachen müsse regelmäßig der Erwerbswille vorhanden sein. Hier kommen aber, wie die Kritik hervorgehoben habe, zahlreiche Fälle vor, in welchen der Besitz erworben werde, ohne daß der Erwerber wisse, daß die Sache in seine Gewalt gelangt sei. In | Prot RJA 601 solchen Fällen werde, wenn Willenserforderniß in dem Gesetze aus-1 gesprochen werde, die Praxis im Widerspruch mit der Rechtsüberzeugung des Volkes den Besitzerwerb verneinen müssen. Für die Fälle dagegen, in welchen thatsächlich der Besitz mit dem Willen des Erwerbers erlangt sei, werde man von demjenigen, der den Besitz geltend mache, den Beweis dafür fordern, daß bei Erlangung der Gewalt sein Wille auf dieselbe gerichtet gewesen sei. Dieser Beweis sei aber oftmals recht schwierig, so daß an der Unmöglichkeit, ihn zu führen, auch der beste Besitzanspruch scheitern könne. Von anderer Seite wurde befürwortet, die Erlangung der thatsächlichen Gewalt f ü r den Erwerb des Besitzes genügen zu lassen, falls der andere Teil nicht nachweise, daß derjenige, welcher den Besitz f ü r sich geltend mache, die thatsächliche Gewalt ohne seinen Willen erlangt habe. Die Mehrheit war der Ansicht, daß das Gesetz von der Richtung des Willens auf die Erlangung der Gewalt nicht absehen dürfe. Man erwog: Bei scharfer Erfassung des Begriffs der thatsächlichen Gewalt werde zwar, auch wenn das Gesetz das Willenserforderniß nicht ausdrücklich erwähne, doch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt nur dann anzunehmen sein, wenn der Erwerber die Gewalt erlangen wollte. Für die Annahme des Vorhandenseins eines entsprechenden Willens sei keineswegs ein spezieller, bei der Erlangung der Gewalt beson-
21
128
Die Bemerkungen sind gedruckt erschienen unter dem Titel: „Zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs f ü r das Deutsche Reich", 1891.
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 855
ders zutage tretender Wille erforderlich, sondern es genüge ein sogenannter Generalwille, ein Wille des Inhalts, über alle in einen bestimmten Machtkreis des Besitzers gelangenden Sachen die thatsächliche Gewalt haben zu wollen. T r o t z d e m sei es bedenklich, den Willen als Thatbestandsmerkmal f ü r den Besitzerwerb nicht zu erwähnen, weil hieraus das Mißverständniß entstehen könne, als ob nur das räumliche Verhältniß des Besitzers zur Sache f ü r das Vorhandensein des Besitzes entscheidend sein | solle. Aus der Aufstellung des Willenserfordernisses folge weder, daß | Prot RJA 602 derjenige, welcher den Besitz behaupte, das Vorhandensein, noch daß der Gegner das Nichtvorhandensein des Willens beweisen müsse; es solle vielmehr hiermit dem Richter nur ein Fingerzeig gegeben werden, daß er bei P r ü f u n g der Frage, ob ein Besitzerwerb stattgefunden habe, sich nicht lediglich an das räumliche Verhältniß halten, sondern auch untersuchen solle, ob der Wille — wenigstens in dem erwähnten Sinne eines Generalwillens — auf den Erwerb gerichtet gewesen sei. O b dies der Fall sei, werde im Streitfalle nicht Gegenstand eines besonderen Beweises sein, sondern nach Lage der Sache vom Richter entschieden werden. Z u m Zwecke der Klarstellung dieses Verhältnisses wurde beschlossen, dem § 797 folgenden Inhalt zu geben: D e r Besitz einer Sache wird erworben durch Erlangung der thatsächlichen Ge- ΕI-RJA § 797 wait über die Sache in Verbindung mit dem auf Erlangung der Gewalt gerichteten Willen. VII. Es w u r d e ferner beschlossen, den § 803 Abs. 2 des Entw. dem § 797 dahin anzuschließen: Z u m Besitzerwerbe genügt die Willenserklärung des bisherigen Besitzers und Ε I-RJA § 797 des Erwerbers, wenn dieser thatsächlich in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. VIII. Als § 797 a wurde die A u f n a h m e folgender Vorschrift beschlossen: U e b t Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache f ü r einen Anderen in des- Ε I-RJA § 797 a sen H a u s h a l t oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältniß aus, vermöge dessen er den auf die Sache bezüglichen Weisungen des Anderen unbedingt | Folge zu leisten verpflichtet ist, so gilt nur dieser Andere als Besitzer der Sache. | Prot-RJA 603 Erwogen war: Die Vorschrift ergebe sich zwar bei richtiger Auslegung des § 797 von selbst, weil von einem auf die Erlangung der thatsächlichen Gewalt gerichteten Willen stets nur dann die Rede sein könne, w e n n der Besitzer eine selbständige Stellung zur Sache einnehme. Mit Rücksicht darauf jedoch, daß in der Kritik der § 797 mehrfach die irrthümliche Auslegung erfahren habe, als solle auch denjenigen Personen, welche lediglich auf Grund eines Dienst- oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnisses eine Sache innehaben, der Besitzschutz gewährt werden, empfehle sich die A u f n a h m e der erwähnten Vorschrift. Sie entspreche ihrer Fassung nach im wesentlichen der in den Bemerkungen des Königlich Preußischen Justizministers als § 799 a vorgeschlagenen Bestimmung (vergl. Bemerk. S. 146) 21 . Z u r Verdeutlichung sei jedoch hinzugefügt, daß nur ein solches Abhängigkeitsverhältniß in Betracht komme, vermöge dessen der Inhaber den Anweisungen desjenigen, f ü r den er die thatsächliche Gewalt ausübe, unbedingt Folge zu leisten verpflichtet sei. U n t e r den Exemplifikationen f ü r ein solches Abhängigkeitsverhältniß sei endlich der landwirthschaftliche Betrieb fortzulassen, weil derselbe, soweit er hier in Betracht komme, schon durch den übrigen Inhalt des § 797 a getroffen werde. 129
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
IX. Ein Antrag, hinter § 797 a eine Vorschrift über den Erwerb des mittelbaren Besitzes aufzunehmen, wurde bis zur Berathung des § 82122 vertagt. 90. Sitzung vom 27. 8. 1892 | Prot-RJA 605
11. Die Kommission setzte die Berathung über die Frage fort, ob es erforderlich sei, Vorschriften über den Erwerb und Verlust des mittelbaren Besitzes in den Entwurf aufzunehmen; es wurde der Antrag gestellt, als § 797 b eine Vorschrift folgenden Inhalts einzuschalten: „Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen oder, wenn auch zunächst im eigenen Interesse, zugleich für einen Anderen aus, so gilt auch der Andere als Besitzer (mittelbarer Besitzer)." Zur Begründung des Antrags wurde geltend gemacht: Es werde sich nicht umgehen lassen, auch das Besitzverhältniß derjenigen im Gesetze zu regeln, die, wie beispielsweise die Verpächter und Vermiether, den Gebrauch der Sache einem Anderen überlassen hätten, ohne damit auf ihren Besitz vollständig verzichten zu wollen. Die juristische Konstruktion dieser Verhältnisse könne der wissenschaftlichen Untersuchung vorbehalten bleiben; man werde annehmen können, daß der Pächter und Mieter die thatsächliche Gewalt über die gepachtete und gemiethete Sache nicht nur im eigenen Interesse, sondern daneben auch für den Verpächter und Vermiether ausüben wollten, oder die Uebertragung des Gebrauchs der Sache an den Pächter und Miether nicht vollständig aufgehoben, daß ihnen vielmehr das aus dem | Prot-RJA 606 Besitze sich erge-1 bende Recht, dritte Personen auszuschließen, nicht entzogen werde. Nachdem man einmal den Standpunkt des römischen Rechts aufgegeben habe, sei auch ein zwiefaches Besitzverhältniß Mehrerer an derselben Sache logisch denkbar. Jedenfalls lasse sich die Ausdehnung des Besitzschutzes auf den mittelbaren Besitzer nicht entbehren, wenn dieser Schutz grundsätzlich an die Inhabung geknüpft werde. Auch dem mittelbaren Besitzer müßte gegen die Eingriffe dritter Personen nicht nur die possessorischen Rechtsbehelfe zu Gebote stehen, sondern auch das Recht gewährt werden, zur Selbstvertheidigung und Selbsthülfe zu greifen. Ob namentlich die Befugniß zur Abwehr verbotener Eigenmacht sich zum Mindesten bezweifeln lasse, da im § 191 (Red.Vorl) 23 wenigstens nach der Absicht des Gesetzes die Vertheidigungslage des zur Nothwehr Berechtigten auf den Fall der unmittelbaren Inhabung der angegriffenen Sache beschränkt sei. Es komme hinzu, daß es auch noch in anderer Beziehung erforderlich sein werde, das Verhältniß des mittelbaren Besitzes im Gesetze zu ordnen und mit einer kurzen technischen Bezeichnung zu versehen, da an verschiedenen Stellen, ζ. B. in § 735, der Besitzer erwähnt sei und klargestellt werden müsse, daß hierunter sowohl der unmittelbare wie der mittelbare Besitzer verstanden werden solle. Werde man endlich die §§ 803 bis 805 des Entw. beibehalten, so werde zugleich bestimmt werden müssen, daß diese Vorschriften auch auf die Uebertragung des mittelbaren Besitzes anzuwenden seien. Von anderer Seite wurde dagegen der Antrag unter Bezugnahme auf die in der Kritik (Zusst. Bd. III S. 29—36) 24 vorgebrachten Bedenken bekämpft. Insbesondere 22
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Das Protokoll der Sitzung vom 5. 10. 1892 enthält folgende Berichtigung: In dem Protokoll vom 26. September 1892 S. 603 am Schlüsse sind die Worte „Berathung des § 821" zu ersetzen durch die Worte „nächste Sitzung" (Prot-RJA 628). Bei der zitierten Vorschrift handelt es sich entweder um die Fassung der Ε I-VorlZust oder der Ε I-ZustRedKom. Gemeint ist die „Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs gefertigt im Reichs-Justizamt." Gedruckt 1890, Neudruck 1967.
1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 855
w u r d e h e r v o r g e h o b e n , die E r w e i t e r u n g des Besitzbegriffes, w e l c h e | d e r A n t r a g b e - | Prot RJA 607 z w e c k e , stehe im W i d e r s p r u c h m i t d e r A u f f a s s u n g des V o l k e s v o n d e m W e s e n des Besitzes u n d lasse sich n a c h d e m v o n d e r K o m m i s s i o n z u § 797 e i n g e n o m m e n e n S t a n d p u n k t e n i c h t b e g r ü n d e n . F ü r das L e b e n k o m m e d e r Besitz ü b e r h a u p t n u r insow e i t in B e t r a c h t , als es sich u m die A u f r e c h t e r h a l t u n g des Besitzstandes des jeweilig e n I n h a b e r s g e g e n ä u ß e r e A n g r i f f e h a n d e l e . Es sei ein u n g e s u n d e r , d e n T h a t s a c h e n zuwiderlaufender Gedanke, wenn man davon ausgehe, daß der Pächter und Miet h e r d e n Besitz nicht n u r f ü r sich, s o n d e r n a u c h f ü r d e n V e r p ä c h t e r u n d V e r m i e t h e r a u s ü b e n w o l l t e n . Die A n n a h m e e i n e r c o m p o s s e s s i o d u o r u m in s o l i d u m w i d e r s t r e i t e d e r juristischen L o g i k , wie dies bereits im r ö m i s c h e n R e c h t a n e r k a n n t sei. Z u einer A u s d e h n u n g des Besitzschutzes auf d e n m i t t e l b a r e n Besitzer liege ein p r a k t i s c h e s B e d ü r f n i ß nicht v o r . G e g e n U e b e r g r i f f e des P ä c h t e r s o d e r M i e t h e r s sei d e r V e r p ä c h t e r u n d V e r m i e t h e r d u r c h d e n ihm v e r t r a g s m ä ß i g z u k o m m e n d e n R e c h t s s c h u t z hinlänglich gesichert. I m V e r h ä l t n i ß z u D r i t t e n sei es lediglich S a c h e d e s j e n i g e n , d e r als I n h a b e r a u c h die t h a t s ä c h l i c h e G e w a l t h a t , die V e r t h e i d i g u n g des Besitzstandes w a h r z u n e h m e n . D e m V e r p ä c h t e r u n d V e r m i e t h e r stehe n o c h , s o w e i t nicht s c h o n a u c h f ü r sie d e r polizeiliche S c h u t z a u s r e i c h e , schlimmsten Falles die M ö g l i c h k e i t o f f e n , sich d e n Besitz d u r c h E r w i r k u n g e i n e r einstweiligen V e r f ü g u n g z u w a h r e n . D i e V e r d e u t l i c h u n g des bisher g e b r a u c h t e n A u s d r u c k s Besitzer in allen d e n Fällen, in w e l c h e n d a m i t nicht n u r d e r I n h a b e r im S i n n e des n e u b e s c h l o s s e n e n § 7 9 7 g e m e i n t sein solle, lasse sich a u c h o h n e die A n n a h m e eines m i t t e l b a r e n B e s i t z b e g r i f f e s d u r c h eine a n d e r w e i t i g e F a s s u n g d e r in F r a g e k o m m e n d e n B e s t i m m u n g e n e r r e i c h e n . V o n d e r A u f r e c h t e r h a l t u n g d e r §§ 803 bis 805 endlich, die n u r f ü r d e n E i g e n t h u m s e r w e r b v o n Belang seien, k ö n n e die g r u n d s ä t z l i c h e A u f f a s s u n g ü b e r | d a s W e - | Prot RJA 608 sen des Besitzes nicht a b h ä n g i g g e m a c h t w e r d e n . D i e K o m m i s s i o n b e s c h l o ß , die E n t s c h e i d u n g ü b e r d e n A n t r a g , d e r mit d e r A u s g e s t a l t u n g des Besitzschutzes im e n g s t e n Z u s a m m e n h a n g e stehe, z u n ä c h s t a u s z u s e t z e n , bis die §§ 815, 821 25 d u r c h b e r a t h e n seien. II. D i e §§ 798, 799 w u r d e n g e s t r i c h e n . D e r V o r s c h l a g , an Stelle des § 7 9 9 eine V o r s c h r i f t a u f z u n e h m e n , d a ß G r u n d s t ü c k e v o n M e h r e r e n gleichzeitig besessen w e r d e n k ö n n e n , in d e r W e i s e , d a ß d e r E i n e das G r u n d s t ü c k als das seinige u n d d e r A n d e r e es d a n e b e n z u einem b e s t i m m t e n G e b r a u c h e besitze, w u r d e a b g e l e h n t . M a n b e m e r k t e , d a ß es, o b w o h l d e r V o r s c h l a g auf e i n e r t h e o r e t i s c h r i c h t i g e n D e d u k t i o n b e r u h e , d e n n o c h nicht z w e c k m ä ß i g erscheine, e i n e solche Fiktion in d a s G e s e t z h i n e i n z u t r a g e n , d u r c h w e l c h e sich d e r Begriff d e r t h a t s ä c h l i c h e n G e w a l t v e r f l ü c h t i g e n müsse. D e r p r a k t i s c h e n B e d e u t u n g des V o r s c h l a g s w e r d e sich bei d e n § § 8 1 5 , 821 g e r e c h t w e r d e n lassen. III. D e r § 800 w u r d e g e s t r i c h e n , weil m a n es n i c h t f ü r n o t h w e n d i g hielt, im G e setze positiv z u e n t s c h e i d e n , i n w i e w e i t die f ü r R e c h t s g e s c h ä f t e g e l t e n d e n G r u n d s ä t z e auf d e n B e s i t z e r w e r b a n g e w e n d e t w e r d e n k ö n n t e n . IV. D i e im E n t w . n u r auf d e n E i g e n t h u m s e r w e r b b e r e c h n e t e V o r s c h r i f t des § 801 g l a u b t e m a n , f o r t l a s s e n z u k ö n n e n , n a c h d e m z u § 797 beschlossen w o r d e n , die auf das E i g e n t h u m b e z ü g l i c h e n B e s t i m m u n g e n aus diesem A b s c h n i t t a u s z u s c h e i d e n . Es w u r d e z w a r d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß d e r R e c h t s s a t z des § 801 a u c h f ü r d e n B e s i t z e r w e r b d u r c h S t e l l v e r t r e t u n g eine selbständige B e d e u t u n g h a b e , j e d o c h n i c h t f ü r n ö t h i g e r a c h t e t , diesen G e d a n k e n b e s o n d e r s z u m A u s d r u c k e z u b r i n g e n , d a m a n
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S. bei %% 858 — 860 BGB. 131
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
| Prot RJA 609 mit Sicherheit | erwarten könne, daß der moderne Verkehr das im Entw. grundsätzlich auf Rechtsgeschäfte beschränkte Institut der Stellvertretung auch darüber hinaus verwenden werde. Man hob namentlich hervor, daß, wenn es auf Seiten des Vertretenen an dem Willensmoment fehle, derjenige, der den Besitz f ü r jenen erwerben wolle, in Ansehung der Willensvertretung selbständig wie ein Vertreter handele, bei Erlangung der thatsächlichen Gewalt dagegen als Organ des Vertretenen anzusehen sei. Zu diesem Ergebniß werde man auch ohne eine besondere Vorschrift gelangen. V. Der § 802 wurde gestrichen; man sprach die Ansicht aus, daß die Frage, ob die thatsächliche Gewalt des Besitzers noch vorhanden oder ob sie bereits durch die thatsächliche Gewalt eines Anderen verdrängt worden sei, sich nicht durch eine Rechtsnorm entscheiden lasse, sondern nur aus der Würdigung der Umstände des einzelnen Falles beantwortet werden könne. VI. D e r Abs. 1 des § 803 mußte, da er nur für den Erwerb des Eigenthums von Erheblichkeit erschien, in Wegfall kommen. Der Absatz 2 wurde sachlich gebilligt, und auch seiner Beibehaltung im Gesetze zugestimmt, obwohl dagegen eingewendet worden war, daß die Vorschrift nicht nur überflüssig sei, sondern auch, mindestens für das Gebiet des Immobilienrechts, den Begriff der Uebergabe verdunkele und zu der mißverständlichen Auslegung verleiten könne, als ob in allen Fällen, in denen eine Willenseinigung zwischen dem Erwerber und dem bisherigen Besitzer nicht vorliege, die thatsächliche Ergreifung der Sache zum Besitzerwerb unbedingt nothwendig sei. Die Mehrheit der Kommission meinte jedoch, daß der Abs. 2 eine | Prot-RJA 610 | Besonderheit ausspreche, die im Gesetze hervorgehoben werden müsse, weil sie sich nicht von selbst ergebe. Die Fassung des § 803 Abs. 2 wurde unter Vorbehalt der Stellung wie folgt bestimmt: Ε I-RJA § 803 „Zum Besitzerwerb genügt die Willenseinigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers, wenn dieser thatsächlich in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben." 26 VII. Zu den §§ 804, 805 wurde beschlossen, die Berathung derselben, aus Gründen des inneren Zusammenhanges, mit der Berathung der §$ 815, 82127 zu verbinden. (Bern. d. Herausgebers: Nach Beratung des § 821 wurden die bereits beschlossenen Vorschriften wie folgt gefaßt:) | Prot-RJA 624 | Der Besitz einer Sache wird durch Erlangung der thatsächlichen Gewalt über Ε I-RJA § a dieselbe erworben, wenn der Erwerber den Willen hat, die Sache in seiner Gewalt zu haben. Die Willenseinigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt für den Erwerb, wenn der Erwerber thatsächlich in der Lage ist, die Gewalt über die Sache zu üben.
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Das Protokoll der Sitzung vom 5. 10. 1892 enthält folgende Berichtigung: „In dem Protokolle vom 27. September 1892 S. 610 sind unter Nr. VI die Schlußworte „Die Fassung . . . auszuüben" zu streichen und statt ihrer zu setzen: „Der in der Sitzung vom 26. September 1892 (Prot. S. 602 Nr. VII) gefaßte Beschluß wurde deshalb aufrecht erhalten." (ProtRJA 628). S. bei §§ 858 — 860 BGB.
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1. Abschnitt: Besitz
§ § 854, 8 5 5
Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen in des- Ε I-RJA $ b sen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnisse, vermöge dessen er den auf die Sache sich beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten hat, so | ist nur dieser Besitzer. | Prot-RJA 625
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 2 6 - 3 4 ; Mugdan, Bd. 3, S. 511 ff.) a) Es lag zunächst der Antrag vor: in der Ueberschrift des Abschnitts die Worte Achilles (Nr 1, 10) „und Inhabung" zu streichen. b) Zu § 797 lagen folgende Anträge vor: 1. den § 797 durch folgende Vorschriften zu ersetzen: § 797. Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über die Sache erworben, wenn der Erwerber den Willen hat, die Sache in seiner Gewalt zu haben. Die Willenseinigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerbe, wenn der Erwerber thatsächlich in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. § 797 a. Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältniß aus, vermöge dessen er den auf die Sache sich beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der Andere Besitzer. 2. die §§ 798 bis 805 zu streichen; hierzu die Unteranträge:
Achilles (Nr 1, 11)
3. A. zu beschließen: a) in § 797 Abs. 1. Der Besitz einer Sache wird durch Erlangung der Inhabung v. Mandry (Nr 4) erworben. den Abs. 2 (§ 803 Abs. 2) abzulehnen; b) in § 797a den Eingang: Erwirbt Jemand die Inhabung einer Sache für einen Anderen etc. B. und dann folgende veränderte Anordnung und Fassung vorzunehmen: § a. = 814 Abs. 1 nach der Fassung des Antrags unter a zu § 8 1 4 28 ; § b. Besitzer einer Sache ist, wer dieselbe in seiner Inhabung hat. H a t Jemand eine Sache für einen Anderen . . . in Inhabung, so ist dieser der Besitzer (vgl. § 797 a). Durch einen seiner Natur nach . . . (vgl. § 810 unter Beiseitelegung seines Abs. 1). § c. Der durch verbotene Eigenmacht. . . (wie Abs. 2 des Antrags unter a zu § 8 1 428). 4. die Beispiele des Haushalts und des Erwerbsgeschäfts zu streichen; 5. statt „ähnlichen Verhältnissen" zu sagen „in einem sonstigen Abhängigkeitsverhältnisse". 6. für den Fall der Ablehnung des Antrags 3 a in § 797 Abs. 1 des Antrags 1 a die Schlußworte „wenn . . . haben" zu streichen.
28
S. bei SS 858 — 860 BGB.
133
§ § 854, 8 5 5
3. Buch: Sachenrecht
Zu § 797 wurde der Antrag 1 mit dem Antrag 6 angenommen, der Antrag 3 abgelehnt. Zu § 797 a fand der Antrag 5 Zustimmung, während der Antrag 4 abgelehnt wurde. Die restlichen Anträge galten damit als erledigt. Dem unter a) angeführten Antrag sowie dem unter b) als Antrag 2 migeteilten Streichungsantrag hinsichtlich der §§ 798 — 805 folgte die Kom. II. In der VorlZust lauten die beschlossenen Vorschriften: Ε I-VorlZust Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über § 797 dieselbe erworben. Die Willenseinigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt für den Erwerb, wenn der Erwerber thatsächlich in der Lage ist, die Gewalt über die Sache zu üben. Oder statt des ersten Absatzes: Wer eine Sache in seine thatsächliche Gewalt nimmt, erwirbt dadurch den Besitz der Sache. Ε I-VorlZust Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen in des§ 797 a sen Haushalte oder Erwerbsgeschäfte oder in einem anderen Verhältnisse, vermöge dessen er den auf die Sache sich beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten hat, so ist nur dieser Besitzer. III. Die Fassung in der ZustRedKom ist: Ε I-ZustRedKom Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über § 797 die Sache erworben. Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerbe, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. Ε I-ZustRedKom Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen in des§ 797 a sen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem sonstigen Verhältnisse aus, vermöge dessen er den auf die Sache sich beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten, so ist nur dieser Besitzer. IV., V. Die Vorschriften wurden unverändert in den Ε II als §§ 777, 778 überv. Mandry nommen. Bei der Revision des Ε II wurde auf Antrag in § 778 statt „sonstigen Ver(Nr 59, 2) hältnisse" gesetzt „ähnlichen Verhältnisse". Die Fassung des Ell rev §§ 839, 840 stimmt mit Ε / / / § § 838, 839 und den §§ 854, 855 BGB überein.
D. Bundesrat I. Mecklenburg-Schwerin
und
Mecklenburg-Strelitz
führen aus: Es fehle an einem praktischen Bedürfnisse, den Besitzschutz auf die Fälle eines thatsächlich bestehenden Gewaltverhältnisses zu erstrecken, welches sich als die Bethätigung eines Herrschaftswillens nicht darstelle. Auch scheine der Entwurf im § 852 für Sachen, welche aus der Gewalt des Besitzers auf ein im Besitz eines Anderen befindliches Grundstück gelangen, selbst von der Auffassung auszugehen, daß der Andere den Besitz der Sachen nur erwerbe, wenn er auch den auf die Erlangung der thatsächlichen Gewalt gerichteten Willen habe. Es wird deshalb vorgeschlagen, den § 839 Abs. 1 zu fassen: „Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über die Sache erworben, wenn der Erwerber den Willen hat, die Sache in seiner Gewalt zu haben." II. Der Antrag wurde zurückgezogen. 134
1. Abschnitt: Besitz
§856
§856 Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt über die Sache aufgiebt oder in anderer Weise verliert. Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt. Α. 1. Kommission I. 297. Sitzung vom 5. 3. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des zweiten Abschnitts des Sachenrechtsentwurfs „Besitz" wurde fortgesetzt. Der § 63 des Entwurfs lautet: „Der erworbene Besitz dauert fort bis zu dem Eintritt einer Thatsache, welche den Verlust des Besitzes bewirkt. Durch den Verlust der Fähigkeit, Besitz zu erwerben, geht der erworbene Besitz nicht verloren." Von einer Seite war die Streichung beantragt. Die Kommission beschloß die Annahme des ersten Absatzes des ξ 63 unter Einschaltung der Worte „nach Maßgabe der Bestimmungen in §§ 64—70" vor „bewirkt", und sodann die Ablehnung des zweiten Absatzes.
| Prot I 3425
TE-SachR § 63
Planck (12, 9)
Die Gründe waren: 1. In der zu § 48 beschlossenen Vorschrift sei nur derjenige Thatbestand angegeben, welcher im Augenblick der Erwerbung des Besitzes vorhanden sein müsse, um den Besitz als erworben anzunehmen. Zur Fortdauer des Besitzes sei nicht erforderlich, daß der Anfangsthatbestand in jedem ferneren Momente vorhanden sei. Auch lasse der zur Fortsetzung des Besitzes erforderliche Thatbestand sich nicht positiv sondern nur negativ durch die Hin- | Weisung auf die Endigungsgründe bestimmen. | Prot I 3426 Eine solche Hinweisung wolle der erste Absatz des § 63 geben und zwar auf die nächstfolgenden Vorschriften, in denen alle Arten der facta contraria, in denen der Verlust des Besitzes hervortrete, erschöpfend angegeben werden sollen. Durch die eingeschalteten Worte werde dieser Zusammenhang der vorliegenden Vorschrift mit den folgenden Bestimmungen, welche den Verlust des Besitzes betreffen, klar gestellt. Würde das Gesetz nur von der Erwerbung und von dem Verluste des Besitzes handeln, so könnte vielleicht auch so schon mittelbar aus demselben die Regel abgeleitet werden, daß zur Fortsetzung des Besitzes das Nichtverlorensein desselben genüge, aber ein Mittelglied der an Stelle einer Definition zu setzenden Beschreibung des Besitzes von Anfang bis zu Ende würde fehlen und umsomehr vermißt werden, als die Frage dahingestellt bleibe, ob der Besitz ein Recht sei. Nicht entschieden werde durch die Regel über die Beweispflicht desjenigen, welcher auf den Besitz in einem bestimmten Zeitpunkte nach der Erwerbung oder während eines Zeitraums sich berufe, insbesondere um eine Handlung als Vertheidigungshandlung zu rechtfertigen, um eine ihm gegenüber begangene Besitzverletzung als solche nachzuweisen oder um die Vollendung der Ersitzung darzuthun. Der Ersitzungsbeweis werde durch § 141 des Entwurfs besonders geregelt. Die Beweispflicht desjenigen, welcher in seiner Inhabung rechtswidrig angegriffen oder verletzt zu sein behaupte, müsse aus den Vorschriften über Besitzvertheidigung und Besitzschutz, §§ 72 fg., sich ergeben und sei nöthigenfalls dort zu verdeutlichen. Gegen die beschlossene Vorschrift lasse sich daher das Bedenken nicht erheben, daß damit der Grundsatz | olim possessor hodie possessor mit seinen unhaltbaren Kon- | Prot 13427 Sequenzen anerkannt erscheine. 135
§856
3. Buch: Sachenrecht
2. Der nach den Motiven vorzugsweise den Fall der Willensunfähigkeit betreffende zweite Absatz sei wegzulassen, weil dasjenige, was er zu bestimmen bezwecke, schon aus der zum ersten Absätze beschlossenen Vorschrift in Verbindung mit den nachfolgenden §§ sich ergebe. TE-SachR § 64
Planck (12, 10)
| Prot 1 3428
Der § 64 des Entwurfs lautet: „Der Besitz geht durch den veränderten Zustand der Sache verloren, wenn eine bewegliche Sache vernichtet oder ihre rechtliche Selbständigkeit aufgehoben wird; wenn die Vornahme von Besitzhandlungen auf einem Grundstücke dauernd unmöglich gemacht wird." Beantragt war, den § 64 zu streichen, eventuell dahin zu fassen: „Der Besitz endigt, wenn derselbe nach Maßgabe der §§ 49—51 aufhört, möglich zu sein." Die Kommission beschloß die Annahme des Antrags mit der Fassungsänderung: „Der Besitz endigt, wenn er nach den zu §§ 49—51 beschlossenen Vorschriften (Besitz einer Sache sei nur insoweit möglich, als Eigenthum an der Sache möglich sei. An wesentlichen Bestandtheilen einer Sache finde ein von dem Besitze der letzteren abgesonderter Besitz nicht statt) unmöglich wird." Der Entwurf galt damit insoweit als erledigt, als er durch die beschlossene Vorschrift gedeckt wird. Insoweit die im Entwürfe vorgeschlagenen Vorschriften darüber hinaus gehen, sollen sie bei § 67 zur Erledigung gelangen. Von einer Seite wurde anheimgestellt, diesen § mit dem vorigen § bei der Redaktion angemessen zu verbinden. | Erwogen war: Der Entwurf weise auf eine doppelte Art des Verlustes hin. Erstlich auf diejenige Entziehung der thatsächlichen Gewalt, welche dadurch eintrete, daß die Sache vernichtet, oder, da bei Grundstücken eine Vernichtung im eigentlichen Sinne nicht vorkomme, dauernd der menschlichen Herrschaft entzogen werde. Diese Entziehung der thatsächlichen Gewalt von der Entziehung derselben durch Handlungen anderer Personen zu unterscheiden — $ 67 —, liege ein Grund nicht vor, weil etwas Besonderes in Ansehung dieser Art der Entziehung nicht zu bestimmen sei. Der § 67 sei daher vollkommen genügend und dies umsomehr, als die Worte im Eingange: „Ohne den Willen des Besitzers" sichtbar überflüssig seien oder der Ergänzung bedürften: „Auch ohne den Willen." O b die Spezialitäten des § 64 der Hervorhebung bedürften, werde bei der Erledigung des § 67 zu entscheiden sein. Zweitens betreffe der § 64 den Verlustfall, wenn die rechtliche Möglichkeit eines Sondereigenthums und damit eines Sonderbesitzes an der zum wesentlichen Bes t a n d t e i l einer anderen Sache gemachten Sache aufhöre. Der Antrag bezeichne diesen Verlustfall unter Anlehnung an die früher gefaßten Beschlüsse und, indem er die richtigen Konsequenzen derselben ziehe, in größerer Vollständigkeit. Vielleicht könne man die im Antrage vorgeschlagene Bestimmung schon in den zu §§49—51 beschlossenen Vorschriften enthalten finden. Da indessen in den §§ 64—70 eine erschöpfende Hervorhebung aller Verlustthatsachen erforderlich sei, um der im Beschluß zum § 63 ausgesprochenen Hinweisung zu genügen, so erscheine es bedenklich, den Fall des Eintritts der rechtlichen Besitzunmöglichkeit zu übergehen.
Der § 65 des Entwurfs lautet: | Prot I 3429 | „Mit dem Willen des Besitzers endigt der Besitz, außer dem Falle der UeberTE-SachR § 65 gäbe, durch Aufgeben desselben. Der Besitz ist aufgegeben, wenn der Besitzer in der Absicht, die Sache nicht mehr haben zu wollen, sich der thatsächlichen Gewalt über dieselbe entäußert." 136
1. Abschnitt: Besitz
§856
Beantragt war, den § 65 dahin zu fassen: Planck „Der Besitz endigt durch die (ausdrückliche oder stillschweigende) Willenserklä- (Nr 12, 11) rung des Besitzers, nicht mehr besitzen zu wollen (Aufgeben des Besitzes). Auf das Aufgeben des Besitzes finden die Vorschriften über Rechtsgeschäfte (entsprechende) Anwendung." Der zweite Absatz des Antrags wurde vom Antragsteller zurückgezogen unter Verweisung auf die Gründe, welche f ü r die Zurückziehung einer entsprechenden zu § 48 vorgeschlagenen Vorschrift, zu vergl. Prot. S. 3383 1 , angegeben sind. Die Kommission beschloß die Annahme des Antrags in folgender Fassung: „Der Besitz endigt dadurch, daß der Besitzer den Willen erklärt, die Sache nicht mehr als die seinige zu haben (Aufgeben des Besitzes)." Der Entwurf galt damit als erledigt. Erwogen war: Der § 65 betreffe den Fall des Besitzverlustes, welcher in Folge der Willensänderung des hier zugleich als Inhaber gedachten Besitzers eintrete. Der Entwurf scheide den Fall der Uebergabe aus. Der Antrag wolle auch diesen Fall treffen. Man müsse f ü r die größere Tragweite des Antrags sich entscheiden. Auch im Falle der Uebergabe endige der Besitz weniger durch Aufhören der thatsächlichen Gewalt, als durch Zurückziehung des Besitzwillens. Freilich finde die Besonderheit statt, daß das als Einräu-1 mung bezeichnete Aufgeben des Besitzwillens bedingt und be- | Prot I 3430 schränkt sei, insofern es nur zu Gunsten des Empfängers geschehe. Diese Besonderheit ändere aber daran nichts, daß auch im Uebergabefall der Besitz wesentlich animo in contrarium acto endige, wenn auch die Uebergabe von der bloßen Dereliktion des Besitzes sehr wohl wegen ihrer vertragsartigen Natur zu unterscheiden bleibe. Die Mitbegreifung der Uebergabe unter den hier behandelten Verlustfall sei aber auch wegen der nöthigen Anwendbarkeit des nachfolgenden § 66 und weiter um deswillen geboten, weil in den §§ 64—70 auch auf die Verlustart im Falle der Uebergabe hingewiesen werden müsse, da die möglichen Verlustarten in aller Vollständigkeit zu bezeichnen seien. Die zu §§ 57 ff. beschlossenen Vorschriften wollten nur die Erwerbungsfrage behandeln; eine Zurückverweisung auf diese Vorschriften, wie solche in den Worten des Entwurfs „außer dem Falle der Uebergabe" zu finden sei, könne deshalb nicht genügen, möchte auch aus der über die Unmöglichkeit der compossessio in solidum beschlossenen Vorschrift der Besitzverlust des Tradenten mittelbar sich ergeben. Ob die dem Entwurf gegenüber beschlossene erweiterte Beziehung aus der Fassung genügend erkennbar oder noch zu verdeutlichen sei, werde bei der Redaktion zu prüfen sein. Ein fernerer Unterschied zwischen Entwurf und Antrag bestehe darin, daß der Entwurf eine bestimmte Art der Willensmanifestation verlange, nämlich eine solche Handlung, welche zugleich eine Lösung des Bandes der thatsächlichen Gewalt enthalte, während der Antrag nur die Willenskundgebung ohne eine solche B e t ä t i gung verlange und die bloße Er- | klärung genügen lasse. Auch in dieser Beziehung | Prot I 3431 müsse dem Antrage beigestimmt werden. Der Entwurf bezeichne die für erforderlich erachtete besondere Handlung mit: „Entäußerung der thatsächlichen Gewalt". Was unter dieser Entäußerung zu verstehen sei, bleibe zweifelhaft. Verstehe man darunter ein die Aufhebung der thatsächlichen Gewalt nach sich ziehendes Verhalten, so sei damit der Verlust des Besitzes durch ein blos den Besitzwillen betreffendes contrarium verneint; es bleibe nur die Möglichkeit des Besitzverlustes durch 1
S. bei SS 854, 855 BGB.
137
§856
3. Buch: Sachenrecht
Aufhebung der thatsächlichen Gewalt übrig; der § 65 werde überflüssig und auch der § 67 erschöpft. Verstehe man unter „Entäußerung der thatsächlichen Gewalt" eine Bethätigung des fraglichen Willens nach Außen, so ergebe sich Uebereinstimmung mit dem Antrage, nur daß der letztere klarer sei. Der Entwurf schließe aber auch das Verständniß nicht aus, daß unter jener Entäußerung ein zwischen beiden liegendes Drittes gemeint sei, nämlich ein Verhalten, welches zwar die Aufhebung der thatsächlichen Gewalt nicht bewirke, andererseits aber auch über die zweifelsfreie, ernstlich gemeinte und nach Außen erfolgende Erklärung des fraglichen Willens hinausgehe. Indessen das Dritte entziehe sich jeder näheren Bestimmung und lasse sich am wenigsten im Gesetze verständlich ausdrücken. Wolle man daher den Verlust des Besitzes durch Aufgabe des Besitzwillens nicht gänzlich beseitigen, so bliebe nichts übrig, als dem Antrage zu folgen. Damit harmonire auch das gemeine Recht, während das preußische Recht, welches an die Eigenthumsdereliktion an| Prot I 3432 knüpfe, abweichen möge. Man | dürfe nur keinen Anstoß an den Fällen nehmen, in welchen der fragliche Wille nach Außen erklärt, gleichwohl aber die thatsächliche Gewalt in besonders signifikanter Weise beibehalten sei, wie ζ. B. durch Verschluß in einem Behältnisse. In solchen Fällen werde regelmäßig der ernstlich gemeinte Wille, den Besitz aufzugeben oder sofort aufzugeben, fehlen. Die Frage, ob die Erklärung, durch welche der Besitz aufgegeben werde, ein Rechtsgeschäft oder auch nur in aller und jeder Beziehung wie ein Rechtsgeschäft zu behandeln sei, hielt die Kommission für zur Entscheidung durch das Gesetz nicht geeignet. TE-SachR $ 66
Der § 66 des Entwurfs lautet: »Der Besitz des Veräußerungsunfähigen kann nicht von ihm selbst, wohl aber von seinem Vertreter aufgegeben werden. Der freiwillige Stellvertreter kann eigenmächtig den Verlust des Besitzes nicht schon durch das Aufgeben desselben herbeiführen."
Planck (Nr 12, 12)
Beantragt war den § 66 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Auf das Aufgeben des Besitzes durch geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen finden die Vorschriften über das Aufgeben von Rechten durch Rechtsgeschäfte solcher Personen, auf das Aufgeben des Besitzes durch Stellvertreter die Vorschriften über die Vornahme von Rechtsgeschäften durch Stellvertreter (entsprechende) Anwendung." Der Antrag wurde mit der Aenderung der Fassung angenommen, daß die Schlußworte zu lauten haben: | Prot I 3433 | „Uber das Aufgeben von Rechten durch ein von einem Vertreter abgeschlossenes Rechtsgeschäft entsprechende Anwendung." Erwogen war: 1. In Ansehung sowohl der gesetzlichen als der freiwilligen Vertreter in der Ausübung des Besitzes wolle der Antrag aussprechen, daß die Grundsätze über Vertretung bei Rechtsgeschäften, welche auf den Fall der Besitzerwerbung f ü r entsprechend anwendbar erklärt worden seien, auch die gleiche Geltung haben müßten f ü r den Fall des Aufgebens des Besitzes. Dieser Konsequenz sei nicht auszuweichen. Es komme somit darauf an, ob der Vertreter die für das Aufgeben des Besitzes erforderliche Vertretungsmacht habe. Fehle es an einer solchen, so könne der Besitz wohl corpore, aber nicht animo und mithin bei der Tradition nicht in Folge der bloßen auf Einräumung des Besitzes gerichteten Willenserklärung verloren gehen. Die Frage, ob Vertretungsmacht vorhanden sei, beurtheile sich bei gesetzlichen Vertretern nach den in den betreffenden Theilen des Gesetzbuchs enthaltenen Vorschrif138
1. Abschnitt: Besitz
§856
ten, insbesondere denen des Vormundschaftsrechts; bei freiwilligen Vertretern werde die Auslegung der Vollmacht entscheiden. Hier könne dahingestellt bleiben, ob das Aufgeben des Besitzes immer und insbesondere dann der Sachveräußerung gleichzusetzen sei, wenn es sich um die Rückgewähr einer als fremd erkannten Sache an den Eigenthümer handle. 2. Auch in Ansehung der geschäftsunfähigen und in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Personen führe der zu § 55 gefaßte Beschluß dazu, die Vorschriften über die Vornahme von Rechtsgeschäften durch solche Personen auf die Erklärungen, in denen Besitz aufgegeben wird, | für entsprechend anwendbar zu erklären. | Prot I 3434 Damit erledige sich auch die Frage, inwiefern solche Personen wirksam eine Uebergabe vornehmen könnten. Freilich verlören dieselben den Besitz, wenn der andere Theil in Folge der Uebergabe die thatsächliche Gewalt über die Sache erlangt habe. Allein der andere Theil habe, wenn der Tradent nach den für die Rechtsgeschäfte geltenden Normen den Besitz nicht wirksam habe aufgeben können, den Besitz nicht durch Uebergabe als solche erlangt, was wegen der rechtlichen Folgen ζ. B. in Ansehung der Ersitzung nicht ohne Bedeutung sei. Hieraus erhelle zugleich, wie nothwendig es sei, die Fälle der Uebergabe von den §§ 65 und 66 nicht auszuschließen. Der § 67 des Entwurfs lautet: „Ohne den Willen des Besitzers geht der Besitz verloren, wenn die Sache seiner TE-SachR § 67 thatsächlichen Gewalt entzogen wird." Beantragt war den § 67 dahin zu fassen: Planck „Der Besitz endigt, wenn die Sache der thatsächlichen Gewalt des Besitzers ent- (12, 13) zogen wird. Eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Verhinderung, die thatsächliche Gewalt auszuüben, kommt nicht in Betracht." Beschlossen wurde die Annahme des sachlich vom Entwürfe (§ 67 in Verbindung mit dem Schlußsatze des § 64) nicht abweichenden Antrages. Erwogen war: Es brauche nicht mit dem Entwürfe hervorgehoben zu werden, daß der Besitzverlust corpore auch ohne und gegen den Willen des Besitzers eintrete. Ferner sei die Bedeutung der Vorschrift nicht mit dem Entwürfe auf die Entziehung durch andere Personen zu beschränken, sondern habe auch die im Entwurf in § 64 miterwähnten Verlustfälle zu begreifen. Was im ein- | zelnen Fall nöthig sei, um die that- | Prot I 3435 sächliche Gewalt als entzogen zu betrachten, könne nicht näher bestimmt werden. Im zweiten Absatz des Antrags sei mit Recht hervorgehoben, daß ein factum contrarium vorliegen müsse und eine vorübergehende Verhinderung kein solches Faktum sei. Diese Bestimmung ersetze zugleich die in 5 64 im Schlußsatze vom Entwürfe vorgeschlagene Vorschrift. Der § 68 des Entwurfs lautet: „Eine bewegliche Sache wird dem Gewahrsam des Besitzers insbesondere dann TE-SachR § 68 entzogen, wenn die Sache an einen unzugänglichen Ort geräth; wenn der Besitzer dieselbe verliert; wenn ein Anderer f ü r sich oder f ü r einen Dritten die Sache in seinen Gewahrsam nimmt. Für nicht entzogen ist der Gewahrsam zu erachten, wenn der Besitzer die Sache innerhalb eines Raumes, von dessen Zugang er Andere auszuschließen berechtigt ist, verlegt hat; wenn der Besitzer die Sache an einem ihm zugänglichen fremden Orte in der Absicht, sie wieder an sich zu nehmen, zurückgelassen hat." 139
§856 Planck
3. Buch: Sachenrecht
Die Streichung des § 68 war beantragt und wurde beschlossen.
(Nr 12, 14)
Erwogen war: Die Vorschriften des Entwurfes möchten im Ganzen richtig sein. Ihre Aufnahme scheine indessen entbehrlich, weil, soweit sie nicht selbstverständlich seien, die Entscheidung von der Beurtheilung der konkreten Umstände abhänge, welche Beurtheilung durch die Bestimmungen des Entwurfs zu sehr beengt werde. Der zweite | Prot I 3436 Absatz des § 68 werde überdies in sei- | nem wesentlichen Zwecke durch den zweiten Absatz der zu § 67 beschlossenen Vorschrift gedeckt. Der § 69 des Entwurfs lautet: „Für eine Entziehung der thatsächlichen Gewalt über ein Grundstück ist es zu erachten, wenn auf demselben ein Anderer für sich oder für einen Dritten Besitzhandlungen vornimmt." Planck Von einer Seite wurde die Streichung, von anderer Seite beantragt, den § 69 (Nr 12, 14) durch folgende dem § 214 des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs nachgebildete Vorschrift zu ersetzen: „Der Besitz eines Grundstücks geht dadurch, daß ein Anderer die thatsächliche Gewalt über dasselbe ausübt, erst dann verloren, wenn der Besitzer nach erlangter Kenntniß die thatsächliche Gewalt sich nicht sofort wieder verschafft." Die Kommission beschloß die Aufnahme der in dem Antrage vorgeschlagenen Bestimmung an Stelle des § 69.
TE-SachR § 69
Erwogen war: Der § 69 handle von dem Besitzverluste in dem Falle, daß eine andere Person dem Besitzer und zugleich Inhaber die thatsächliche Gewalt über ein Grundstück entziehe. In dem gemeinen Rechte und mindestens in den meisten neueren Gesetzgebungen gelte für diesen Verlustfall die besondere Regel, daß Besitz und Inhabung erst dann als verloren zu betrachten seien, wenn der bisherige Besitzer nach erlangter Kenntniß von dem Eindringen eines Anderen nicht sofort die der Ausübung seiner thatsächlichen Gewalt aus dem Widerstande des Eindringlings drohenden H i n dernisse beseitige. Mit dieser besonderen Regel breche der Entwurf, suche aber | Prot I 3437 dann freilich seine Abweichung vom geltenden | Rechte wieder dadurch a b z u g l e i chen, daß er in Ansehung des Besitzschutzes den bisherigen Besitzer vor der von demselben erlangten Kenntniß so behandle, als wenn die Inhabung bei demselben verblieben wäre, und zwar ohne Begrenzung der Frist, innerhalb welcher die Kenntniß erlangt sein müsse. Nur die Anwendung der Gewalt gegen die Person behufs Wiederherstellung der thatsächlichen Gewalt werde ausgeschlossen. Doch sei die Abweichung zwischen dem Entwürfe und dem geltenden Rechte keineswegs von blos formeller Natur. Für die Abweichung von der Auffassung des im größesten Theile Deutschlands geltenden Rechts seien ausreichende Gründe nicht vorhanden und würden dieselben jedenfalls von den f ü r die Beibehaltung des geltenden Rechts sprechenden Gegengründen überwogen. Bei Grundstücken könne die thatsächliche Gewalt nicht, wie bei den beweglichen Sachen, durch die Handlung einer anderen Person in der Weise entzogen werden, daß die Sache aufhöre, erlangbar zu sein. Die Grundstücke seien ihrer Natur nach der Möglichkeit des Wiederzugriffs nicht zu entziehen. Es stehe nur in Frage, wann ein neuer Besitzprätendent in ein solches äußeres Verhältniß zum Grundstück getreten sei, daß man nunmehr ihm die Inhabung zuschreiben und dem bisherigen Besitzer dieselbe absprechen und damit das Wiederzugreifen behufs Vertheidigung bestehenden Besitzes versagen müsse. Aus den 140
1. Abschnitt: Besitz
§856
Gründen, welche zu der Streichung des $ 54 geführt hätten (S. 3387, 3388) 2 , wäre der Entwurf in seiner gegenwärtigen Fassung nicht zu halten. Würde der § 69 einfach gestrichen, so würde nunmehr nach der zu § 67 beschlossenen Bestimmung zu entscheiden sein, wann die thatsächliche Gewalt als entzogen zu erachten. In letzterer Bestimmung werde diese Entscheidung der konkreten | richterlichen Beurthei- | Prot 1 3438 lung überlassen, welche vielleicht vorübergehende Besitzhandlungen nicht f ü r genügend halten würde, um einen Wegfall in der thatsächlichen Herrschaft herbeizuführen. Jedenfalls aber blieben Fälle denkbar, in denen ein solcher Wechsel aus dem äußeren Verhältniß zwischen dem neuen Besitzer und dem Grundstück sich klar ergebe, ζ. B. wenn der neue Besitzer das von ihm bebaute und eingehegte Grundstück bewohne. Der mit dem Entwürfe harmonirende Streichungsantrag wolle es bei diesem durch die Anwendung des § 67 sich ergebenden Resultate bewenden lassen. Man müsse aber aus praktischen Gründen weiter gehen und mit dem römischen Rechte den Besitz des bisherigen Besitzers bis zu dem kritischen Zeitpunkte noch fortbestehen lassen, daß der bisherige Besitzer von der Okkupation Kenntniß erlange. Erst wenn derselbe alsdann nicht sofort seinen Besitz in einer Weise bethätige, welche die thatsächliche Herrschaft zur vollen Geltung bringe, könne man ihm eine thatsächliche Gewalt nicht mehr zuschreiben. Ohne eine solche den Besitz über die natürliche Grenze ausdehnende Vorschrift werde der Besitz an Grundstücken, welche ihrer N a t u r nach vielleicht nicht fortdauernd bewacht werden könnten, die nöthige Stabilität verlieren und in ein bedenkliches Schwanken gerathen. Der Einwand, daß man auf diese Weise zu einem relativen Besitze des bisherigen Besitzers, welcher fernerhin nur dem Okkupanten, nicht aber allen dritten Personen gegenüber als Besitzer zu gelten habe, und des Okkupanten, bei welchem das U m gekehrte der Fall sei, gelange, sei nicht zutreffend. Die beschlossene Vorschrift rede allgemein und bestimme die Fortdauer des Besitzes gegenüber Jedermann. Umgekehrt führten die Bestimmungen des Entwurfes zu einer Art von Relativität des Besitzes, indem der bisherige Besitzer demjenigen gegenüber, der | die Besitzhandlun- | Prot I 3439 gen ausgeübt habe, in den wesentlichsten Beziehungen noch als Besitzer gelte, nicht aber auch gegenüber dritten Personen. Denn nach den Bestimmungen des Entwurfs gestalte sich die Sache so, daß der bisherige Besitzer, wenn er den Sachverhalt erfahren habe, noch zur Selbstvertheidigung d. h. zur Vertreibung des neuen Besitzers befugt, daß er auch, möge er die Vertreibung durch Selbstvertheidigung erfolglos versucht haben oder nicht, innerhalb der Verjährungsfrist zu den Besitzklagen gegen den Anderen gerade so befugt sei, als wäre er erst zu der Zeit entsetzt, wo er die Besitzhandlungen erfahren habe. Damit sei aber im Wesentlichen bestimmt, der Besitz sei dem Anderen gegenüber erst dann verloren, wenn von dem bisherigen Besitzer die Besitzhandlungen erfahren seien und nichts von ihm dagegen unternommen worden sei. N u r Dritten gegenüber sei der Besitz für den Anderen schon durch die Besitzhandlungen und mit denselben erworben. Darin liege eine Künstlichkeit, welche bei Weitem weniger Beifall verdiene, als die Beibehaltung des römischrechtlichen Grundsatzes. Die Bestimmungen des Entwurfs, so wie sie liegen, seien auch deshalb bedenklich, weil sie, wenn der bisherige Besitzer erst nach Ablauf eines Jahres die Besitzhandlungen erfahre, und also nicht mehr zu den Besitzklagen befugt sei, den bisherigen Besitzer zur gewaltsamen die Person nicht schonenden Vertreibung des neuen Besitzers verleiten müßten, mithin den öffentlichen Frieden zu gefährden vermöchten.
2
S. bei §§ 854, 855 BGB.
141
§856
3. Buch: Sachenrecht
D e r § 70 des Entwurfs lautet: TE-SachR § 70
„Die durch einen Stellvertreter ausgeübte thatsächliche Gewalt wird dem Besitzer d a d u r c h entzogen, 1. d a ß ein Dritter die thatsächliche Gewalt f ü r sich o d e r f ü r einen Anderen als den bisherigen Besitzer erlangt; 2. d a ß der Stellvertreter dem Besitzer die Sache ableugnet oder demselben ge| Prot I 3440 genüber den Wil- | len erklärt, die Sache f ü r sich oder f ü r einen Dritten zu haben. Die thatsächliche Gewalt wird dem Besitzer aber nicht schon dadurch entzogen, d a ß der Stellvertreter stirbt oder handlungsunfähig wird, oder sich der thatsächlichen Gewalt entäußert, oder den Entschluß faßt, die thatsächliche Gewalt f ü r sich o d e r f ü r einen Dritten zu üben." 1. In den Aenderungsvorschlägen des Referenten 3 war beantragt, den § 70 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „ D e m Besitzer, welcher nicht zugleich Inhaber ist, wird der Besitz dadurch entzogen : 1. d a ß die thatsächliche Gewalt durch einen Dritten erlangt wird, welcher die Sache als dem Besitzer gehörig nicht anerkennt, 2. d a ß der Inhaber dem Besitzer die Sache ableugnet oder demselben gegenüber den Willen erklärt, die Sache als eine eigene o d e r als einem Dritten gehörig zu haben. D e r Besitz wird aber nicht schon d a d u r c h entzogen, daß der Inhaber stirbt o d e r handlungsunfähig wird oder sich der thatsächlichen Gewalt entäußert oder den Entschluß faßt, die Sache als eine eigene oder einem Dritten gehörig zu haben." Planck (19, 1)
2. Ferner lag der Antrag vor, den § 70 zu fassen: „ D e r Besitz endigt dadurch, daß ein Anderer die thatsächliche Gewalt über die Sache erlangt, nicht, wenn der Andere die Gewalt f ü r den Besitzer ausübt. Dies gilt auch d a n n , w e n n der Inhaber zugleich im eigenen Interesse die Gewalt ausübt. D e r Besitz endigt in solchem Falle auch durch den T o d und den Eintritt der Ge| Prot I 3441 schäftsunfähigkeit des Inhabers nicht; durch eine Willenserklärung dessel- | ben, die I n h a b u n g nicht mehr f ü r den bisherigen Besitzer, sondern f ü r sich selbst oder einen Dritten ausüben zu wollen, nur dann, wenn diese Erklärung dem bisherigen Besitzer gegenüber erfolgt oder der Dritte den Besitz dadurch erwirbt." Die begonnene Berathung wurde in der heutigen Sitzung nicht zu Ende geführt. 298. Sitzung vom 7. 3. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 3443
| Die Berathung des zweiten Abschnittes des Sachenrechtsentwurfes „Besitz" wurde fortgesetzt. Zu § 70 des Entwurfs, dessen Berathung in der vorigen Sitzung begonnen hatte, waren die nachstehenden ferneren Anträge gestellt:
Planck 3. mit Rücksicht auf die zu § 69 beschlossene Bestimmung dem § 70 folgenden (Nr 22, 1) Zusatz zu geben: „Wird die thatsächliche Gewalt über ein Grundstück demjenigen, welcher dieselbe f ü r den Besitzer hat, durch einen Dritten entzogen, so geht der Besitz erst verloren, wenn derjenige, welcher das G r u n d s t ü c k f ü r den Besitzer inne hatte, von der Entziehung Kenntniß erhält und sich die thatsächliche Gewalt nicht sofort nach erlangter Kenntniß wieder verschafft." Siehe im Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu § 70.
142
1. Abschnitt: Besitz
§856
eventuell: „Wird . . . entzogen, so geht der Besitz, wenn der Inhaber keine Vertretungsmacht zum Aufgeben des Besitzes hatte, erst verloren, wenn der Besitzer von der Entziehung Kennt- | niß erhält und sich die thatsächliche Gewalt nicht sofort nach | Prot I 3444 erlangter Kenntniß wieder verschafft; wenn der Inhaber aber Vertretungsmacht hatte, dann, wenn er selbst jene Kenntniß erhält und sich die thatsächliche Gewalt nicht sofort nach Erlangung der Kenntniß wieder verschafft." 4. den § 70 zu fassen: „Dem Besitzer, welcher durch einen Stellvertreter die thatsächliche Gewalt ausübt (welcher nicht zugleich Inhaber ist), wird der Besitz dadurch entzogen: 1. daß ein Dritter (mit oder ohne den Willen des Stellvertreters — Inhabers —) die thatsächliche Gewalt für sich oder für einen Anderen als dem bisherigen Besitzer erlangt; 2. daß der Stellvertreter (Inhaber) in der Absicht, sich die Sache anzueignen, über die Sache thatsächlich wie ein Eigenthümer verfügt oder dem Besitzer die Sache ableugnet, oder daß der Stellvertreter (Inhaber) dem Besitzer gegenüber erklärt, die thatsächliche Gewalt (Inhabung) nicht mehr f ü r ihn sondern für sich selbst oder für einen Dritten ausüben zu wollen; 3. daß der Stellvertreter (Inhaber), dessen Vertretungsmacht sich auf das Aufgeben des Besitzes des Vertretenen erstreckt, den Besitz aufgiebt, oder gemäß der Bestimmung in § 62 f ü r einen Anderen die thatsächliche Gewalt ausüben zu wollen mit dessen Einverständnisse erklärt. Der Besitz wird aber nicht schon dadurch entzogen, daß der Stellvertreter (Inhaber) stirbt, oder geschäftsunfähig wird, oder daß er, ohne Ver- | tretungsmacht | Prot I 3445 zur Aufgabe des Besitzes zu haben, die thatsächliche Gewalt aufgiebt oder den Entschluß faßt, die Sache für sich selbst (als die seinige) oder für einen Dritten (als einem Dritten gehörig) zu haben." I. In dem ersten Absätze des Antrags 2 (S. 3440) ist eine Bestimmung vorgeschlagen, welcher dem Entwürfe und den sonstigen Anträgen gegenüber eine selbständige Bedeutung beiwohnt. Dieselbe beschränkt sich auf die Beantwortung der Spezialfrage, ob ein Besitzverlust durch Entziehung der thatsächlichen Gewalt anzunehmen sei, wenn der Entziehende die Inhabung f ü r den bisherigen Besitzer fortzusetzen Willens sei. Zunächst wurde die Berathung auf die im ersten Absätze des Antrags 2 vorgeschlagene Bestimmung beschränkt. Die Kommission beschloß die Aufnahme derselben unter Weglassung des für entbehrlich erachteten zweiten Satzes. Erwogen war: Bei Anführung der Arten, wie der Besitz im Falle der Ausübung der thatsächlichen Gewalt durch einen Vertreter endige, könne zunächst der Zweifel entstehen, ob Besitzverlust eintrete, wenn eine zur Vertretung nicht ermächtigte Person die Sache aus der Inhabung des Besitzers in die eigene Inhabung nehme, hierbei aber als Geschäftsführer ohne Auftrag handele und die thatsächliche Gewalt f ü r den Besitzer ausüben wolle, indem sie zum Beispiel die gefährdete Sache in ihre Verwahrung nehme. Solchenfalls höre der Besitzer auf, die thatsächliche Gewalt zu haben, und könne in Frage kommen, ob sein Besitz damit nach der zu § 67 beschlossenen Bestimmung (S. 3434) in Folge einer Entziehung der thatsächlichen Gewalt beendigt sei. N ä h m e man dieses an, so würde der im Interesse des Besitzers handelnde Geschäftsführer | durch dieselbe Handlung dem Besitzer den Besitz entzogen und | Prot I 3446 als Vertreter ohne Vertretungsmacht sofort wieder erworben haben. Von der Rück143
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beziehung der Genehmigung des Besitzers w ü r d e alsdann die Entscheidung abhängen, ob ein Besitzverlust überhaupt nicht als eingetreten gelte. Die Frage jener Rückbeziehung sei nun z w a r von der Kommission (zu vergl. Prot. S. 3383) 4 o f f e n gelassen beziehungsweise der Beurtheilung nach den allgemeinen G r u n d s ä t z e n bei Rechtsgeschäften überlassen worden. Es erscheine jedoch zweckmäßig, im vorliegenden Falle eine besondere Entscheidung nicht im Gesetze vermissen zu lassen. Die einfachste und natürlichste aber auch sachgemäßeste Entscheidung sei die, daß eine Entziehung der thatsächlichen Gewalt überall nicht angenommen werde, w e n n die Sache aus der I n h a b u n g des Besitzers unmittelbar in die H a n d eines getreuen Inhabers komme, also dem Besitzer die thatsächliche Gewalt, weil sie f ü r ihn ein Anderer übte, in der Wirklichkeit nicht o d e r doch nur aus einem vorübergehenden G r u n d e — der einstweiligen Unbekanntschaft mit der Person des Inhabers — gefehlt habe. D e r zweite Satz des ersten Absatzes des angenommenen Antrags erscheine dagegen aus denselben G r ü n d e n entbehrlich, aus denen die A u f n a h m e einer entsprechenden zu § 56 beantragten Vorschrift (Protokolle Seite 3306 Ziffer 2) 5 abgelehnt sei. II. W a s die in dem E n t w ü r f e vorgeschlagenen und in den Anträgen theils modifizirten theils ergänzten Bestimmungen betrifft, so beziehen dieselben sich auf die Frage, wie der Besitz endige, wenn die I n h a b u n g durch einen Vertreter des Besitzers ausgeübt werde. Entwurf und Anträge gehen davon aus, daß die bisher beschlossenen Bestimmungen theils nicht vollständig und deutlich die Frage beantwor| Prot I 3447 teten, auf welche | Weise unter dieser besonderen Gestaltung der Besitz verloren gehe, theils in der aus ihnen zu entnehmenden Beantwortung dieser Frage zu modifiziren seien. D e r A n t r a g 2 (S. 3440) befolgt dabei das System, nur den Besitzverlust verneinende oder den Eintritt desselben beschränkende Vorschriften zu bringen, w ä h r e n d der Entwurf und der Antrag 4 auch positive Bestimmungen darüber enthalten, wie in diesem besonderen Falle der Besitz endige. D e r in A n t r a g 3 vorgeschlagene Zusatz zu § 70 blieb vorläufig von der Berathung und Beschlußfassung ausgeschlossen. Die in dem Entwürfe und in den Anträgen entschiedenen Fragen w u r d e n sachlich von einander getrennt z u r Entscheidung gebracht. Beschlossen w u r d e : 1. Eine Bestimmung, daß der Besitz endige, wenn ein Dritter die thatsächliche Gewalt f ü r sich oder f ü r einen Anderen als den bisherigen Besitzer erlangt habe — Entwurf unter Ziffer 1, A n t r a g 4 unter Ziffer 1 — soll nicht a u f g e n o m m e n werden. Man hielt eine solche Bestimmung f ü r entbehrlich, weil ein Fall der Entziehung der thatsächlichen Gewalt im Sinne der zu § 67 beschlossenen V o r s c h r i f t (S. 3434) vorliege, und zwar auch dann, wenn der hierzu nicht ermächtigte Inhaber die Sache dem Dritten übergeben habe. D a der Besitzerwerb des Dritten sich alsdann nicht an eine ihm gegenüber erfolgte Einräumungserklärung des bisherigen Besitzers oder eines z u r Abgabe einer solchen Erklärung ermächtigten Vertreters desselben anschließe, so w e r d e hier der Besitz allerdings nicht mit dem Willen des bisherigen Besitzers, wohl aber durch Erlangung der thatsächlichen Gewalt seitens des Dritten erworben. | Prot I 3448
2. Es soll nicht bestimmt werden, daß der Besitz ver- | loren gehe, wenn der Inhaber über die Sache thatsächlich verfüge, um dieselbe sich anzueignen. 4 5
S. bei S. bei
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854, 855 BGB. 854, 855 BGB.
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Erwogen war : Nach den allgemeinen Grundsätzen über den Verlust des Besitzes könne aufgestellt werden: Der Besitz sei beendigt, sobald der Inhaber aufhöre, der Vertreter des Besitzers in der thatsächlichen Gewalt zu sein, und diese Voraussetzung sei erfüllt, sobald der Inhaber den Vertretungswillen nicht allein aufgebe, sondern auch, da eine blos innerliche Willensaktion rechtlich irrelevant bleiben müsse, das Aufgeben nach Außen manifestire. Das Ergebniß sei aus praktischen Rücksichten für sachwidrig zu erachten. Das gemeine Recht und, diesem folgend, verschiedene moderne Kodifikationen bestimmten deshalb als Erforderniß des Besitzverlustes, daß der Inhaber über die Sache thatsächlich in der Absicht verfüge, sich dieselbe anzueignen. Eine solche auch in dem Antrage 4 unter Ziffer 2 vorgeschlagene Bestimmung sei jedoch nicht unbedenklich. Sie führe, wie die Erfahrung lehre, in vielen Fällen zu erheblichen Zweifeln, ob das fragliche Erforderniß anzunehmen sei, während sie zugleich den Besitzer gegenüber dem Inhaber in eine nachtheilige Lage bringe. Für die Bestimmung sei angeführt, daß, wenn man den Besitzverlust unter den gedachten Voraussetzungen noch nicht eintreten lasse, die civilrechtliche Vorschrift einen Einfluß auf die strafrechtliche Vorschrift in § 246 des Strafgesetzbuchs ausüben und die Annahme einer vollendeten Zueignung im strafrechtlichen Sinne so lange ausschließen werde, als nach Civilrecht der Besitz als noch fortdauernd anzunehmen sei, und daß demgemäß der Besitzer, welchem zwar der Besitz | erhalten bleibe, des | Prot I 3449 weit wirksameren in der Strafandrohung liegenden Schutzes beraubt werde. Das Bedenken sei jedoch unbegründet, denn es sei bisher niemals ein Zweifel daran entstanden, daß eine Zueignung im Sinne des Strafrechts auch dann vorliegen könne, wenn nach dem bürgerlichen Rechte der Besitz des durch die Unterschlagung Benachtheiligten als fortbestehend anzunehmen sei, in welcher Beziehung nur daran erinnert zu werden brauche, daß nach preußischem Rechte im Falle der Unterschlagung durch diese allein der bisherige Besitzer dem untreuen Inhaber gegenüber den Besitz nicht verliere. Weder liege in allen Fällen der Zueignung eine Besitzentziehung noch im Falle der Besitzentziehung in Folge des Verhaltens des Vertreters überall eine Unterschlagung vor. Auch wenn man gegen die den römischen Vorschriften über furtum und contrectatio entsprechende Bestimmung des Antrages den Besitz im Falle einer, die Sache in den Händen des Inhabers lassenden Zueignung als fortdauernd behandle, werde dem Besitzer weder der strafrechtliche Schutz noch derjenige Schutz entzogen, welcher aus der Behandlung der Zueignung als eines civilrechtlichen Delikts sich ergebe, sondern es werde dem Besitzer lediglich eine sachgemäße Rechtsstellung gegenüber dem ungetreuen Inhaber bewahrt. 3. Es soll mit dem Entwurf und den Anträgen bestimmt werden, der Besitz endige, wenn der Inhaber dem Besitzer gegenüber erkläre, nicht mehr für diesen, sondern f ü r sich selbst oder f ü r einen Dritten die thatsächliche Gewalt ausüben zu wollen. Erwogen war: Wenn nach dem Obigen der Besitzverlust nicht schon daran geknüpft werden dürfe, daß der Inhaber den Willen, | die thatsächliche Gewalt nicht mehr f ü r den | Prot I 3450 Besitzer auszuüben nach Außen, insbesondere auch durch contrectatio, manifestire, so liege doch kein Grund vor, zum Verlust des Besitzes ein Mehreres zu fordern, als die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Inhabers gegen den Besitzer, nicht mehr für diesen, sondern für sich oder einen Anderen die thatsächliche Gewalt ausüben zu wollen. Den Grundsatz: nemo sibi causam possessionis mutare pot145
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est durch Aufstellung eines noch weiter gehenden Erfordernisses zu verschärfen, erscheine unstatthaft, weil damit ohne zureichende Gründe von den allgemeinen Prinzipien über den Verlust des Besitzes in zu beträchtlichem Maße abgewichen werde. Das Interesse des Besitzers sei dadurch genügend gewahrt, daß er durch die gegen ihn abzugebende Erklärung über den Stand der Dinge zeitig unterrichtet werde. 4. Es soll nicht bestimmt werden, daß durch (wissentliches) Ableugnen der Sache seitens des Inhabers gegenüber dem Besitzer der Besitz des Letzteren beendigt werde. Erwogen war: Im Falle des Ableugnens der Sache könne der Besitzverlust des bisherigen Besitzers nur dann angenommen werden, wenn in demselben eine Erklärung der vorstehend unter 3 gedachten Art zu finden sei. Dies sei jedoch nicht mit Nothwendigkeit immer der Fall, und deshalb erscheine es bedenklich, dem Ableugnen, unter Ausschluß der konkreten richterlichen Prüfung, stets dieselbe Wirkung beizulegen, wie der Erklärung des Lossagungswillens. Möglicher Weise handle der Ableugnende, bei welchem allerdings stets besseres Wissen vorauszusetzen sei, aus besonderen Motiven, welche seinen ferneren Vertretungswillen nicht ausschließen. Daß dem Ableugnenden nicht schon um deswillen die Wirkung des Besitzverlustes beizulegen | Prot 1 3451 sei, weil und insofern dasselbe als thatsäch- | liehe Zueignung der Sache erscheine, ergebe sich aus dem Beschlüsse unter Ziffer 2. 5. Es soll keine Bestimmung über die im Entwurf und im Antrag 4 berührten Fälle aufgenommen werden, daß der Vertreter den Besitz oder die thatsächliche Gewalt aufgiebt. Erwogen war: Im Falle der Dereliktion sei zu unterscheiden, ob der Vertreter Vertretungsmacht zum Aufgeben des Besitzes habe oder nicht. Im ersteren Falle entschieden die zu § 66 beschlossenen Vorschriften (S. 3432, 3433) und sei deshalb hier nichts zu bestimmen. Im anderen Falle frage es sich, ob das einfache Unthätigwerden die Sache dem Machtkreise des Besitzers entrücke und hiernach die Voraussetzungen des § 67 vorlägen. Letzteres brauche nicht immer einzutreten. Jedenfalls sei hier nichts zu bestimmen und seien die in dieser Beziehung im Entwurf und im Antrage 4 vorgeschlagenen Bestimmungen entbehrlich. Es dürfe nicht übersehen werden, daß nicht alle Fälle aufzuzählen seien, in welchen der Besitz durch irgend ein Verhalten des Inhabers verloren gehen könne, sondern daß nur über die Fälle zu bestimmen sei, in welchem der Besitz durch ein solches Verhalten nicht beendigt werde, obschon nach allgemeinen Grundsätzen die Beendigung anzunehmen sei oder sich doch nicht ohne Grund behaupten ließe. 6. Es soll nicht mit dem Antrage 2 bestimmt werden, daß in Folge nicht gegen den bisherigen Besitzer gerichteter Willenserklärungen der Besitz desselben endige, falls ein Dritter in Folge solcher Willenserklärungen den Besitz erworben habe. | Prot I 3452
Erwogen war: Der Antrag 2 (S. 3440) wolle den Besitzverlust auch in | dem Falle eintreten lassen, wenn durch die Willenserklärung des Inhabers, welche nicht gegen den Besitzer gerichtet sei, nach den früheren Bestimmungen der Besitz für den Dritten als erworben gelten müsse. Eine in dieser Art wirksame Erklärung, bei welcher der Inhaber die Sache behalte und nicht übergebe, sei vorzugsweise, wenn nicht ausschließlich, von Belang im Falle eines constitutum possessorium. Ein solches könne nur dann angenommen werden, wenn man davon ausgehe, daß der Inhaber durch die 146
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Erklärung gegen den Dritten von dem Vertretungsverhältniß sich losgesagt, sich zum Besitzer gemacht und in dieser Eigenschaft gehandelt habe. Für eine so zu rechtfertigende Bejahung der dem Antrage zu Grunde liegenden Voraussetzung, daß der Dritte durch constitutum possessorium Besitzer werden könne, lasse sich anführen, daß das constitutum possessorium nur eine Ersparung der förmlichen und überflüssigen Hin- und Rückgabe enthalte, und daß bei Annahme der Wirkungslosigkeit desselben ein auf die Inhabung des Veräußernden gegründeter guter Glaube getäuscht werde. Dagegen sei aber geltend zu machen, einmal, daß die Wirksamkeit des constitutum possessorium sich nicht in Einklang bringen lasse mit den unter 2 und 3 gefaßten Beschlüssen, so dann daß, wenn die Wirksamkeit des constitutum possessorium angenommen werde, der auf die Fortdauer der thatsächlichen Gewalt seines Vertreters vertrauende bisherige Besitzer getäuscht werde und in dieser T ä u schung vielleicht rechtzeitig Maßregeln zum Schutze seines | Besitzes zu ergreifen | Prot I 3453 unterlasse, beziehentlich eine gegen ihn gerichtete Ersitzung sich vollenden lasse. Sollte der Tradition an den gutgläubigen Empfänger die Wirkung der Eigenthumsübertragung beigelegt werden, so würde die Gefahr f ü r den bisherigen Besitzer noch größer sein, weshalb der Art. 306 des Handelsgesetzbuchs in der Praxis überwiegend nur von der körperlichen Uebergabe, nicht vom constitutum possessorium verstanden werde. Die Gefährdung des bisherigen Besitzers müsse bedenklicher erscheinen, als die Gefährdung desjenigen, welcher mittels constitutum possessorium erwerben wolle. 7. Es soll bestimmt werden, daß der T o d und der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vertreters in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt den bisherigen Besitz nicht endigen lasse. Erwogen war: Ob der T o d und der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Inhabers den Besitz des Vertretenen nach den allgemeinen Grundsätzen über den Besitzverlust unberührt lasse, könnte bezweifelt werden. Einleuchtend aber sei, daß praktische Rücksichten geböten, den Besitzverlust an die fraglichen Thatsachen nicht zu knüpfen. Es empfehle sich daher die Aufnahme einer jeden Zweifel beseitigenden Bestimmung. Hiernach war sachlich beschlossen, daß über die besondere Art des Besitzverlustes, welche in Umständen ihren Grund hat, die in der Person des Vertreters in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt eintreten, nur die in Antrag 2 enthaltenen Vorschriften Aufnahme fin-1 den sollen unter Weglassung der Schlußworte: „oder | Prot I 3454 der Dritte den Besitz dadurch erwirbt." III. Nach Erledigung des § 70 des Entwurfs wurde der im Antrag 3 vorgeschlagene Zusatz zu § 70 (S. 3443) berathen. Die Kommission beschloß die Annahme des Antrags, behielt jedoch der Prüfung bei der Redaktion vor, ob die beschlossene Vorschrift nicht durch eine Ergänzung der zu § 69 beschlossenen Bestimmung im Gesetze zum Ausdruck gebracht werden könne. Erwogen war: Wenn ein Dritter die thatsächliche Gewalt über ein Grundstück in der Weise ohne Wissen des zugleich als Inhaber vorausgesetzten Besitzers ausgeübt habe, daß nach der zu § 67 beschlossenen Vorschrift (S. 3434) die Beendigung des Besitzes anzunehmen sein würde, so solle nach der zu § 69 beschlossenen Vorschrift eine solche Beendigung gleichwohl nicht eintreten, wenn der Besitzer nach erlangter Kenntniß die thatsächliche Gewalt sich sofort wieder verschaffe (S. 3436). Die Fortsetzung des Besitzes hänge mithin von der Fähigkeit des bisherigen Besitzers ab, das 147
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der Fortsetzung seiner Inhabung entgegenstehende Hinderniß zu beseitigen und diese Fähigkeit werde weniger durch das physische Uebergewicht als durch die Befugniß zur Gewaltanwendung bestimmt. Ueber diese Befugniß sei zwar erst zu § 72 6 zu beschließen, doch könne hier davon ausgegangen werden, daß dieselbe jedenfalls dem Inhaber als solchem zugesprochen werden müsse. Daraus folge dann aber, daß, wenn der Besitzer durch einen Inhaber die thatsächliche Gewalt über das | Prot I 3455 Grundstück ausüben lasse, der Schutz der Sache gegen Ein- | griffe Dritter dem zur Gewaltübung befugten Inhaber anvertraut erscheine. Bleibe der Inhaber während der kritischen Zeit, nachdem er von dem Eingriffe Kenntniß erlangt, unthätig, so müsse die fernere Befugniß zur Gewaltanwendung erlöschen. Die Nichtanwendung der erlaubten Gewalt seitens des Inhabers gegen den Dritten könne nicht wohl anders beurtheilt werden, als eine freiwillige Einräumung der Inhabung durch denselben. N a c h einem solchen Weichen des Inhabers dürfe aber dem Besitzer nicht gestattet sein, falls er vielleicht erst später Kenntniß erlange, einen neuen gewaltsamen Versuch zur Wiedererlangung der thatsächlichen Gewalt zu machen. Andererseits könne f ü r die Fortdauer der Befugniß des Inhabers zur gewaltsamen Aufrechterhaltung seiner Inhabung und damit auch des Besitzes des von ihm Vertretenen nicht in Betracht kommen, daß der Letztere vielleicht früher vom Eingriff Kenntniß erhalten habe und trotzdem passiv geblieben sei, denn die Gewaltanwendung sei eine selbständige Befugniß des Inhabers 7 . 299. Sitzung vom 10. 3. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 3485
| Die Berathung des zweiten Abschnitts des Sachenrechtsentwurfs „Besitz" wurde fortgesetzt. Planck Es lag der Antrag vor, hinter § 70 folgende Bestimmung als § 70 a einzuschalten: (Nr 20, 2) „Der Besitz endigt durch den Tod des Besitzers. (Die Bestimmungen des Erbrechts über die den Erben und dem Vertreter eines Nachlasses in Betreff des Besitzes und der Inhabung erbschaftlicher Gegenstände zustehenden Rechte werden hierdurch nicht berührt.)" Beschlossen wurde die Ablehnung des ersten Satzes des Antrages, womit auch der dem Antrage in Klammern beigefügte Zusatz erledigt war. Man hatte erwogen: W e n n der Besitzer oder der Inhaber sterbe, so endige sich selbstverständlich in seiner Person Besitz und Inhabung. Es entstehe aber die Frage, ob diejenigen Befugnisse, welche dem Verstorbenen aus der Verletzung des Besitzes oder der Inhabung bei seinen Lebzeiten erwachsen, auf die Erben und den Vertreter eines Nachlasses zu übertragen seien, und die fernere Frage, ob in Ansehung der Nachlaßsachen, | Prot I 3486 welche infolge des Todes einstweilen in Niemandes Besitz oder | Inhabung befindlich seien, die Erben und der Nachlaßvertreter das Recht der Verteidigung oder die Ansprüche auf den gerichtlichen Besitzschutz gegen Angriffe, welche erst nach dem T o d e des Erblassers, aber vor der eigenen Besitzergreifung oder Erlangung der Inhabung seitens der Erben oder des Nachlaßvertreters stattgefunden hätten, in gleicher Weise geltend machen könnten, als wenn im Augenblicke des Todes Besitz oder Inhabung unmittelbar auf sie übergangen wären. Mit diesen Fragen beschäftigten sich die §§ 342, 343® und in Beziehungen auf Nebenpunkte auch die §§ 344 6
S. bei §§ 858 —860 BGB. Die folgende Beratung, die auf den Seiten 3 4 5 7 — 3 4 8 4 protokolliert ist, betraf Anträge zum Allgemeinen Teil. s S. bei S 857 BGB.
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Abs. 2 und 345 des Erbrechtsentwurfes. O b diese Vorschriften einer Erweiterung bedürfen würden, falls die Inhabung und nicht der Besitz zur Hauptgrundlage des Verteidigungsrechts und der Besitzinterdikte gemacht werden sollten, und ob dieselben vielleicht einen passenderen Platz am Ende dieses Abschnitts erhalten können, müsse vorläufig dahingestellt bleiben. Jedenfalls erschöpfe sich in der Beantwortung jener Fragen und in den für die Fortsetzung der Ersitzung zu treffenden Vorschriften das gesamte praktische Interesse, welches in Ansehung der gesetzlichen Bestimmung des Einflusses des Todes auf Besitz oder Inhabung bestehe. Daneben auszusprechen, daß Besitz und Inhabung in der Person des Verstorbenen mit dem T o d e endigen, sei entbehrlich und werde auch dadurch nicht erforderlich, daß durch die Fassung der zu § 63 beschlossenen Vorschrift (S. 3425) es notwendig geworden, alle Endigungsgründe des Besitzes im Gesetze anzugeben. Jener Satz werde aus § 342 des Erbrechtsentwurfes 8 hinreichend erkennbar. Ihn an vorliegender Stelle direkt auszusprechen, würde wenig angemessen sein, wenn | man sich | Prot I 3487 gleichwohl genötigt sehe, abgesehen von den Vorschriften, welche f ü r die Ersitzung die Unterbrechung des Besitzes im Falle des Todes für wirkungslos erklären, in Ansehung des Besitzschutzes und des Inhabungsschutzes, mithin in allen wesentlichen Beziehungen, die Erben und den Nachlaßvertreter genauso zu behandeln, als wenn sie Besitz und Inhabung im Augenblicke des Todes des früheren Besitzers und Inhabers erlangt hätten. Die Beurteilung gestalte sich dann so, daß der Erblasser kraft der N a t u r der Dinge mit seinem T o d e aufgehört habe, Inhaber und Besitzer zu sein, Inhabung und Besitz rechtlich aber als noch nicht beendet gelten. Zu dieser Beurteilung, die mindestens nicht ausgeschlossen werden dürfe, stimme jedoch die vorgeschlagene Bestimmung keineswegs. Von weit geringerem Nachtheile würde es sein, wenn aus der Nichtaufnahme der vorgeschlagenen Bestimmung der Schluß gezogen würde, Inhabung und Besitz gingen mit dem Tode von Rechts wegen auf den Erben über. Der § 71 des Entwurfs lautet: „Verschafft der Besitzer oder dessen Stellvertreter sich die ohne seinen Willen verlorene thatsächliche Gewalt sofort nach erlangter Kenntniß wieder, so gilt der Besitz als nicht verloren." Die Kommission beschloß die Streichung des § 71. Vorbehalten blieb die Ergänzung des § 72 Abs. 2 9 durch einen Zusatz, welcher die Fortsetzung des Besitzes an im Wege der Nacheile wiedererlangten beweglichen Sachen ausspreche.
TE-SachR§71
Die Gründe waren: Die vorgeschlagene Vorschrift stehe in engem | Zusammenhange mit dem abge- |Prot I 3488 lehnten § 69 des Entwurfs und habe hauptsächlich den Zweck, eine Ausgleichung dafür zu bringen, daß in § 69, abweichend von der zu diesem § von der Kommission beschlossenen Bestimmung (S. 3436), der Besitzverlust unbedingt f ü r den Fall ausgesprochen werde, daß ein Anderer ohne Wissen des bisherigen Besitzers die thatsächliche Gewalt sich verschafft habe. Diese Aushülfe sei aber nicht mehr erforderlich, nachdem die Kommission den Besitzverlust im Falle des § 69 in ähnlicher Weise bedingt und beschränkt habe, wie dies auch der Entwurf nachträglich in § 71 thue. Die Hinausschiebung des Besitzverlustes über den Zeitpunkt der Aufhebung der thatsächlichen Gewalt hinaus sei in der zu § 69 beschlossenen Vorschrift auf solche Fälle beschränkt, in denen der Besitzer, wenn er auch die thatsächliche Gewalt verloren, doch an deren Stelle wenigstens noch die Befugniß zum eigenmächti9
S. bei
858 — 860 BGB.
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gen V o r g e h e n gegen den neuen Inhaber bewahrt habe. Diese G r e n z e f ü r die ausnahmsweise A n n a h m e der Fortdauer des Besitzes halte übrigens der Entwurf nach dem W o r t l a u t e nicht ein, denn nach demselben treffe er auch den Fall, d a ß der V e r treter ohne den Willen des Besitzers einem Dritten die Inhabung überlassen habe, ein Fall, in welchem von einem Vertreibungsrechte des Besitzers gegen den Dritten nicht die Rede sein könne. Deshalb erscheine die Vorschrift des Entwurfs, so weit sie den Besitz von Grundstücken betreffe und angemessen sei, schon durch die f r ü her beschlossenen Vorschriften ausreichend ersetzt. D e r Entwurf treffe aber auch den Besitz von beweglichen Sachen. Die ausI Prot I 3489 nahmsweise A n n a h - 1 me der Fortdauer des Besitzes nach A u f h e b u n g der thatsächlichen Gewalt erscheine hier in analoger Weise f ü r den Fall angemessen, d a ß eine Befugniß zur Wiederbemächtigung bestehe und mit Erfolg ausgeübt werde. D e r § 72 Abs. 2 10 gebe eine solche Befugniß im Falle der Nacheile und werde bei Berathung dieser Vorschrift über die Aufnahme eines die Fortsetzung des Besitzes des Nacheilenden betreffenden Zusatzes zu beschließen sein. Mit dem E n t w ü r f e weiter zu gehen, sei mit Rücksicht auf das geltende Recht und in Betracht der Unzuträglichkeiten, welche eine so ausgedehnte Befugniß zur Wiederbemächtigung des Besitzes von Mobilien f ü r den V e r k e h r nothwendig mit sich bringen w ü r d e , bedenklich, übrigens aber auch wegen der über die Fortsetzung der Ersitzung zu treffenden besonderen Vorschriften, § 142 des Entwurfs, unnöthig. Planck Ferner w a r der Antrag gestellt worden, vor § 72 folgende Bestimmung als § 71 a (Nr 20, 3) einzuschalten: „Die erlangte Inhabung gilt solange als fortdauernd bis der Inhaber sich derselben entäußert o d e r die Sache demselben entzogen wird. Eine ihrer N a t u r nach nur vorübergehende Behinderung in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt k o m m t nicht in Betracht." Die Kommission lehnte die A u f n a h m e der vorgeschlagenen Bestimmung ab. Erwogen w a r : D e r Antrag wolle einem Bedenken entgegentreten, welches unter der Voraussetz u n g sich ergebe, daß die Inhabung zur H a u p t g r u n d l a g e des rein possessorischen | Prot I 3490 Schutzes gemacht werde, wie solcher | in der Befugniß zur Vertheidigung und Selbsthülfe behufs Bewahrung und Wiedererlangung der Sache sowie z u r Anstellung der Besitzklagen liege. Solchenfalls werde allerdings der vorliegende Abschnitt über den Besitz nur solche die Stelle einer Definition vertretende Vorschriften enthalten, welche über Anfang, Fortdauer und Ende des Besitzes bestimmen, ohne dabei irgendwelche Rechtsfolgen an den Besitz zu knüpfen. Dagegen w ü r d e in Anseh u n g der I n h a b u n g das Umgekehrte eintreten. Die wichtigsten Rechtsfolgen w ü r den an dieselbe g e k n ü p f t werden, dabei aber eine Aufklärung durch das Gesetz über Fortdauer und Ende der Inhabung ganz fehlen, über die Gestaltung der Inhab u n g im Augenblicke ihres Beginns aber nur die in der zu $ 48 beschlossenen Bestimmung enthaltene Definition Auskunft gebe. Eine gewisse Lücke w ü r d e hiernach nicht zu leugnen sein. D o c h könne man, wenigstens vorläufig, auf deren Ausfüllung nicht Bedacht nehmen. Die Beurtheilung, ob die thatsächliche Gewalt in dem Augenblicke ihres Beginnes sowie in späteren M o m e n t e n vorhanden sei, u n d in welchem Zeitpunkte dieselbe endige, beruhe auf thatsächlicher Grundlage und w e r d e nach den konkreten Umständen zu geschehen haben. D a ß die Inhabung in späteren 10
S. bei §§ 8 5 8 - 8 6 0 BGB.
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Zeitpunkten auf andere Weise in die äußere Erscheinung trete, als bei ihrem Beginne, sei zuzugestehen. Das thatsächliche Band zwischen Person und Sache könne sehr lose und äußerlich beinahe unsichtbar werden, ζ. B. bei abgelegenen Ländereien, deren Benutzbarkeit erst für ferne Zukunft in Aussicht stehe. Die Uebertragung der Vorschriften über die Fortsetzung des Besitzes auf die Inhabung verfolge den Zweck, | einen Zweifel an dem Fortbestehen der Inhabung auszuschließen, wo | Prot I 3491 dieselbe äußerlich unsichtbar geworden sei. In Ansehung der Beendigung wolle der Antrag nur die Vorschriften über das Aufgeben des Besitzes bei der Inhabung ausschließen, setze aber an Stelle des Aufgebens die Entäußerung der thatsächlichen Gewalt. Der Begriff der Entäußerung bleibe hierbei dunkel. Die alleinige Willensmanifestation soll nicht genügen. Ob aber ein Geringeres als das thatsächliche Aufgehobensein der Inhabung genügen solle, dieser Fall also mit der Entziehung nicht zusammenfalle, sei nicht zu ersehen. Der Antrag führe dazu, die Inhabung neben den Besitz zu stellen und nicht als mitwirkenden Faktor zum Besitze aufzufassen, indem in die Inhabung das Erforderniß des Inhabungswillens hineingelegt und der Unterschied zwischen Inhabung und Besitz nur in dem verschiedenen Willensinhalte gefunden werde. Vorläufig könne das Bedürfniß einer solchen Ausgestaltung der Inhabung zu einer Art von Besitz und der Aufnahme von Vorschriften über Fortsetzung und Ende der thatsächlichen Gewalt nicht anerkannt werden, und sei davon auszugehen, daß auch ohne solche Vorschriften die richterliche Feststellung der thatsächlichen Gewalt von Anfang bis zu Ende auf Schwierigkeiten nicht stoße, zumal die Vorschriften über die Fortsetzung und die Beendigung des Besitzes hinreichende Anhaltspunkte für dieselbe bieten. Vorbehalten müsse bleiben, auf die Frage zurückzukommen, wenn die über den Besitzschutz zu fassenden Bestimmungen hierzu Veranlassung geben sollten.
II. 1. In der VorlZust„Besitz"lauten
die gefaßten Beschlüsse:
Der (erworbene) Besitz dauert bis zu dem Eintritte einer Thatsache fort, welche VorlZust § 10 nach den Bestimmungen der §§ 11 bis 16 die Beendigung des Besitzes bewirkt. (NB. zum § 10. Statt: „Beendigung" zu setzen: „Verlust" ist wegen der folgenden §§ bedenklich, in welchen dann gleichfalls immer von: „Verlust", „verloren werden" pp. zu reden wäre. Ein und dasselbe Wort wird durchgeführt werden müssen.) Der Besitz wird beendigt, wenn er in Gemäßheit der Bestimmungen des § 2 un- VorlZust § 11 möglich wird. Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer den Willen erklärt, die Sa- VorlZust § 12 che nicht mehr als die seinige zu haben (Aufgeben des Besitzes). Auf das Aufgeben des Besitzes durch eine geschäftsunfähige oder in der Ge- VorlZust § 13 schäftsfähigkeit beschränkte Person finden die Vorschriften über das Aufgeben von Rechten durch ein von solchen Personen abgeschlossenes Rechtsgeschäft, auf das Aufgeben des Besitzes durch einen Vertreter finden die Vorschriften über das Aufgeben von Rechten durch ein von dem Vertreter abgeschlossenes Rechtsgeschäft entsprechende Anwendung. Der Besitz wird beendigt, wenn dem Besitzer die thatsächliche Gewalt über die VorlZust § 14 Sache entzogen wird. Durch eine, nach ihrer Natur nur vorübergehende Behinderung, die thatsächliche Gewalt auszuüben, wird der Besitz nicht beendigt. 151
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3. Buch: Sachenrecht
VorlZust § 15
D e r Besitz eines Grundstücks wird dadurch, daß ein Anderer die thatsächliche Gewalt über das G r u n d s t ü c k ausübt, erst dann beendigt, wenn der (bisherige) Besitzer oder im Falle ein Anderer der Inhaber ist, der letztere nicht sofort, nachdem er von den Besitzhandlungen Kenntniß erlangt hat, die thatsächliche Gewalt sich wieder verschafft.
VorlZust § 16
D e r Besitz wird d a d u r c h nicht beendigt, daß ein Anderer die thatsächliche Gewalt über die Sache mit dem Willen erlangt, die Gewalt f ü r den Besitzer auszuüben. (NB. z u m § 16. D e r § 16 wird vor den § 15 gehören.)
VorlZust § 17
Wird die thatsächliche Gewalt für den Besitzer durch einen Inhaber ausgeübt, so wird der Besitz d a d u r c h nicht beendigt, daß der Inhaber stirbt oder geschäftsunfähig wird. D e r Besitz wird auch, solange der Inhaber die thatsächliche Gewalt behält, durch eine (einseitige) H a n d l u n g des Inhabers nicht beendigt. Erklärt jedoch der Inhaber dem Besitzer gegenüber den Willen, die thatsächliche Gewalt nicht mehr f ü r den Besitzer, sondern für sich oder einen Anderen auszuüben, so wird (durch eine solche Erklärung) der Besitz beendigt. (NB. z u m § 17. Zu beachten ist: D e r § 17 bezweckt nicht alle Fälle a u f z u f ü h r e n , in welchen der Besitz, w e n n neben dem Besitzer ein Inhaber vorhanden ist, verloren gehen k a n n ; er will nur bestimmen, daß in gewissen Fällen der Besitz bestehen bleibt, obschon nach den vorausgehenden allgemeinen Regeln das Gegentheil gelten müßte o d e r sich doch behaupten ließe. In dieser Beziehung ist das einseitige Verhalten des Inhabers von vorzugsweiser Bedeutung. Dasselbe k o m m t nur in Betracht, solange der Inhaber der Inhaber bleibt. Bestimmt wird im Gegensatz z u m gemeinen Rechte: es sei völlig irrelevant, mit Ausnahme des Falls der fraglichen Erklärung. Verliert der Inhaber die Inhabung ζ. B. durch Dereliktion, so verbleibt es bei den allgemeinen Regeln.) 2., 3. In der RedVorl und in der ZustSachR 802 enthalten. Sie lauten:
RedVorl/ ZustSachR § 795
nac
sind die Vorschriften in den [ ; 795 —
D e r erworbene Besitz dauert fort bis zu dem Eintritte einer Thatsache, welche h den Bestimmungen der §§ 796 bis 802 die Beendigung des Besitzes bewirkt.
RedVorl/ D e r Besitz wird beendigt, wenn er in Gemäßheit der Bestimmungen des § 787 ZustSachR § 796 unmöglich wird. RedVorl/ ZustSachR § 797
che
D e r Besitz wird d a d u r c h beendigt, daß der Besitzer den Willen erklärt, die Sanicht mehr als die seinige zu haben (Aufgeben des Besitzes).
RedVorl/ Auf das Aufgeben des Besitzes durch eine geschäftsunfähige oder in der GeZustSachR § 798 schäftsfähigkeit beschränkte Person finden die Vorschriften über das Aufgeben von Rechten durch ein von solchen Personen abgeschlossenes Rechtsgeschäft, auf das Aufgeben des Besitzes durch einen Vertreter die Vorschriften über das Aufgeben von Rechten durch ein von dem Vertreter abgeschlossenes Rechtsgeschäft entsprechende A n w e n d u n g . RedVorl/ D e r Besitz wird beendigt, wenn dem Besitzer die thatsächliche Gewalt über die ZustSachR § 799 Sache entzogen wird. D u r c h die ihrer N a t u r nach nur vorübergehende Behinderung, die thatsächliche Gewalt auszuüben, wird der Besitz nicht beendigt. RedVorl ξ 800
D e r Besitz wird dadurch, d a ß ein Anderer die thatsächliche Gewalt über die Sache erlangt, nicht beendigt, w e n n der Andere mit dem Willen handelte, die Inhabung f ü r den Besitzer auszuüben. 152
1. Abschnitt: Besitz
§856
Der Besitz wird dadurch nicht beendigt, daß ein Anderer die thatsächliche Ge- ZustSachR § 800 wait über die Sache mit dem Willen erlangt, die Gewalt für den Besitzer auszuüben. Der Besitz eines Grundstückes wird dadurch, daß ein Anderer die thatsächliche RedVorl/ Gewalt über dasselbe ausübt, erst dann beendigt, wenn der bisherige Besitzer oder, ZustSachR § 801 sofern dieser das Grundstück nicht selbst innehatte, (RedVorl: wenn der Besitzer oder, falls derselbe das Grundstück nicht innehatte,) der bisherige Inhaber nicht sofort nach erlangter Kenntniß von den Besitzhandlungen des Anderen die thatsächliche Gewalt sich wieder verschafft. Wird die thatsächliche Gewalt f ü r den Besitzer durch einen Anderen ausgeübt, RedVorl/ so wird der Besitz dadurch nicht beendigt, daß der Inhaber stirbt oder geschäftsun- ZustSachR § 802 fähig wird. Solange der Inhaber die thatsächliche Gewalt behält, wird durch eine Handlung desselben der Besitz nur dann beendigt, wenn der Inhaber dem Besitzer gegenüber den Willen erklärt, die thatsächliche Gewalt nicht mehr f ü r den Besitzer, sondern für sich oder für einen Dritten auszuüben. III. Bei der Redaktion der beschlossenen Vorschriften wurde auf Antrag in § 795 das W o r t „erworben" gestrichen. Ein weiterer Antrag, statt: „dauert fort" nur zu setzen „dauert", wurde abge- Gebhard lehnt (Prot I 6264, 6270, 6274). In § 798 wurde statt „abgeschlossenes Rechtsge- (Nr 435, 4) schäft" gesetzt „vorgenommenes Rechtsgeschäft" (Prot 16136). Im übrigen lauten die Vorschriften der §§ 795 — 802 K E w i e die der ZustSachR. IV. Bei der Revision des K E wurde zu § 801 beantragt, | a, den Paragraphen zu streichen.
| Prot I 11926
{Bemerk. Der § 801 ist gegen die Anträge des Referenten und zwar wesentlich in Johow der Intention beschlossen worden, den verdrängten Grundstücksbesitzer in Anse- (Nr 441, 3) hung der Besitzklage möglichst günstig zu stellen. Wenn aber, wie ich glaube, die Vorschrift des § 801 bei den §§ 856 und 881, f ü r welche sie außer dem Possessorium noch von Bedeutung ist, zu bedenklichen Resultaten führt, so bedarf | es wohl der |ProtI 11927 Prüfung, ob der für den damaligen Beschluß maßgebend gewesene Gesichtspunkt die an sich anomale Vorschrift noch zu rechtfertigen vermag.) b, den Paragraphen so zu fassen: „Der Besitz eines Grundstückes gilt ungeachtet der Ausübung der thatsächlichen Gewalt über dasselbe durch einen Anderen nicht als beendigt, wenn der bisherige . . . Inhaber sofort nach erlangter Kenntniß von den Besitzhandlungen des Anderen die thatsächliche Gewalt sich verschafft." Die Kommission beschloß unter Ablehnung des Antrags a, entsprechend dem Antrag b, in Zeile 2 die Worte „erst dann" durch „nicht" zu ersetzen und in Zeile 4 das W o r t „nicht" zu streichen. Im Uebrigen wurde der Fassung des Entwurfes der Vorzug vor der Fassung des Antrages b gegeben. Die Mehrheit war der Ansicht, daß die Gründe, welche f ü r die Annahme der Vorschrift des § 801 maßgebend gewesen, nicht widerlegt seien, die Bedenken dagegen, welche gegen dieselbe aus den §§ 856 und 881 hergeleitet werden, durch die beschlossene Fassungsänderung im Wesentlichen sich erledigten, da der § 801 in seiner nunmehrigen Fassung keinen Zweifel lasse, daß der durch ihn begünstigte Besit153
§ 856
3. Buch: Sachenrecht
zer die besonderen Voraussetzungen der zu Theil werdenden Begünstigungen, namentlich seine Unkenntniß der Besitzhandlungen des Inhabers zu beweisen habe. E I S 812
Der Besitz eines Grundstücks wird dadurch, daß ein Anderer die thatsächliche Gewalt über dasselbe ausübt, nicht beendigt, wenn der bisherige Besitzer oder, sofern dieser das Grundstück nicht selbst innehatte, der bisherige Inhaber sofort nach erlangter Kenntniß von den Besitzhandlungen des Anderen die thatsächliche Gewalt sich wieder verschafft. Im übrigen entsprechen die §§ 806—813 des £ / d e n §§ 795—800 KE.
B. Vorkommission des Reichsjustizamtes | Prot-RJA 610
EI-RJA§810 Abs. 1
| Prot-RJA 611
Ε I-RJA § 810 Abs. 2
| VIII. Die §§ 806, 807, 809 wurden in Gemäßheit der zu den §§ 797, 798, 800 gefaßten Beschlüsse10 gestrichen. Wegen des § 808 vergl. zu § 810 sub IX. IX. Der Abs. 1 des § 810 blieb sachlich unbeanstandet; es wurden jedoch in Anlehnung an den Vorschlag des preußischen Justizministeriums die Fälle auseinander gehalten, je nachdem die thatsächliche Gewalt des Besitzers mit und ohne dessen Willen aufgehört hat. Demgemäß soll der Abs. 1 folgende Fassung erhalten: „Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt über die Sache aufgiebt oder verliert." Von einer Seite wurde bemerkt: Spreche man davon, daß der Besitz durch die Aufgabe der thatsächlichen Gewalt über die Sache seitens des Besitzers beendigt werde, so folge daraus, daß auch der Inhalt des zuvor gestrichenen § 808 hierher übernommn sei. Diese Fassung sei aber auch innerlich berechtigt; denn der Rechtssatz des § 808, daß der Besitzer sich seines Besitzes lediglich durch eine Willensentschließung entledigen könne, behalte seine Richtigkeit, | auch wenn man den Besitz an die Inhabung knüpfe. Die Mehrheit der Kommission war dagegen der Ansicht, daß die Vorschrift des § 808 vom Standpunkte der bisherigen Kommissionsbeschlüsse nicht mehr passe und daß es auch nicht angehe, den Besitz der Sache schon animo aufhören zu lassen, ohne daß in dem Gewaltverhältniß des Besitzers zu der Sache eine thatsächliche Veränderung eingetreten sei. Bei der Aufgabe des Besitzes brauche dem Erklärenden kein Empfänger gegenüberzustehen, die Willenserklärung trete unter diesen Umständen nicht in die Erscheinung, wenn sie sich nicht noch in irgendeiner Weise an der Sache selbst bethätige. Gegen den Abs. 2 des § 810 wurde nichts erinnert; demselben wurde nachstehende Fassung gegeben: „Durch eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Behinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt." X. Die Streichung des § 811 erfolgte als Konsequenz der zu § 797" gefaßten Beschlüsse. Aus dem gleichen Grunde wurde auch beschlossen, den § 812 hier fortzulassen, da diese Vorschrift nur für den Eigenthumsbesitz, nicht aber für den Besitz als Gegenstand des Besitzschutzes von Belang sei und auf die letztere Frage erst bei § 815 Abs. 312 eingegangen werden könne. Es wurde auch bemerkt, daß die Bestimmung des Entw. nicht genüge, weil sie eine Lücke enthalte und nur durch die Fik11 12
S. bei §§ 854, 855 BGB. S. bei %% 858 — 860 BGB.
154
1. Abschnitt: Besitz
§856
tion der Fortdauer des Besitzes das Besitzverhältniß zwischen dem bisherigen Besitzer und dem Okkupanten regele, nicht aber auch feststelle, wer von den beiden in der Zwischenzeit dritten Personen gegenüber als Besitzer angesehen werden solle. XI. Die nur f ü r den Eigenthumsbesitz in Betracht kommende Vorschrift des § 8 1 3 wurde an dieser Stelle gestrichen unter dem Vorbehalte, bei der Berathung über die | Zulässigkeit des mittelbaren Besitzes eventuell darauf zurückzukommen. | Prot-RJA 612 {Bern. d. Herausg.: Nach der Beratung des § 82113 unterzog die Vorkommission die bereits beschlossenen Vorschriften einer Revision. Daraus ging folgende Fassung hervor:) | Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt | Prot-RJA 625 über die Sache aufgiebt oder in anderer Weise verliert. ΕI-RJA § c Durch eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Behinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt. C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 27, 28, 3 4 - 3 6 ; Mugdan Bd. 3, S. 505 ff.) 1. die SS 806 bis 813 durch eine dem § 810 entsprechende Vorschrift des Inhalts Achilles zu ersetzen: 0> 12) § 810. Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt über die Sache aufgiebt oder in anderer Weise verliert. Durch eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Behinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz beendigt. 2. in § 8 1 0
v. Mandry
im Abs. 1 statt „die thatsächliche Gewalt" die „Inhabung aufgiebt"; (4> 3) im Abs. 2 statt „durch eine . . . Verhinderung in der Ausübung der Gewalt" „durch einen seiner Natur nach nur vorübergehenden Verlust der Inhabung wird"; 3. die §§ 812, 813 zu streichen. Die Kom. billigte sachlich den Antrag 1 unter Ablehnung des Antrags 2. Die §§ 806—809, 812, 813 wurden gestrichen. II. In der VorlZust lautet die Vorschrift als § 808: Der Besitz wird dadurch been- Ε I-VorlZust digt, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt über die Sache aufgiebt oder in an- § 808 derer Weise verliert. Durch eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Behinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt. I I I . - V . In der ZustRedKom § 808, in Ε11% 797 und im Ε111% 840 sind die Bestimmungen in unveränderter Fassung enthalten. E. Reichstag I. Auf Antrag wurde in Abs. 2 der Vorschrift das W o r t „nur" gestrichen.
Spahn 121
In dieser Fassung wurde die Vorschrift in § 856 BGB Gesetz. 13
S. bei
868 — 872 BGB. 155
' ^
§857
3. Buch: Sachenrecht
§ 857 Der Besitz geht auf den Erben über. Α. 1. Kommission I. 302. Sitzung1 vom 17. 3. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 3539
| Die Berathung des zweiten Abschnittes des Sachenrechtsentwurfs „Besitz" wurde fortgesetzt. I. Zu erledigen blieb ein von dem Redaktor des Erbrechts gestellter Antrag, welcher sich auf die Frage bezieht, inwieweit der Tod von Einfluß auf die Besitz- und Inhabungsverhältnisse sei. Da diese Frage in den §§ 342, 343 des Erbrechtsentwurfs behandelt ist, aber mit dem jetzt berathenen Abschnitt in enger Verbindung steht, so hatte der Redaktor des Erbrechts den Antrag gestellt über den Inhalt dieser Paragraphen, des § 343 in verbesserter Fassung, sowie über deren Stellung hier Beschlüsse zu fassen.
a, Der § 342 des Erbrechtsentwurfs lautet: „Den Besitz an Nachlaßgegenständen erlangt der Erbe nur durch Besitzergreifung." Schmitt Der Antrag schlägt vor, diese Bestimmung in unveränderter Fassung anzuneh(Nr 28) men.
TE-ErbR § 342
b, Den § 3432 will der Antrag durch folgende Vorschriften ersetzen: | Prot I 3540 „Die dem Inhaber und demjenigen, für wel- | chen ein Anderer inne hat, wegen Verlustes oder Störung der Inhabung zustehenden Ansprüche stehen dem Erben (oder Nachlaßvertreter) in Betreff derjenigen Sachen, welche zur Zeit des Todes des Erblassers dieser oder ein Anderer für ihn inne hatte, auch dann zu, wenn der Verlust oder die Störung nach dem Eintritte des Todes des Erblassers erfolgte. Ansprüche, welche dem Erblasser oder gegen denselben aus Störung oder Verlust von Inhabung oder Besitz zustanden, gehen auf den Erben über. Sie können auch von dem Nachlaßvertreter und gegen denselben geltend gemacht werden. In Ansehung dieser Ansprüche gilt die Inhabung des Erblassers oder für denselben als in der Person des Erben (des Nachlaßvertreters) fortdauernd, wenn die betreffende Sache sich im Nachlasse befindet." 1
2
In der vorhergehenden Sitzung hatte die Kom. die Beratung der das Besitzrecht betreffenden Vorschriften des Teilentwurfs abgeschlossen, s. bei ξ 864 BGB. Der § 343 TE-ErbR lautet: Dem Erblasser zustehende Klagen wegen Störung oder Entreißung des Besitzes an Gegenständen, welche zum Nachlasse gehören, können von dessen Erben erhoben und fortgesetzt werden. Gegen denjenigen, welcher nach Eintritt des Erbfalles und vor der Besitzergreifung des Erben an Nachlaßgegenständen den Besitz ergriffen, oder sich vergriffen hat, stehen dem Erben wie dem Nachlaßvertreter dieselben Rechtsmittel zu, wie wenn er bei Vornahme jener Handlungen Besitzer gewesen wäre. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von jenem Dritten, welcher sich eigenmächtig in den Besitz der ihm gehörigen, aber in dem Nachlasse befindlichen Gegenstände gesetzt hat. Jedoch steht bei der Geltendmachung dinglicher Ansprüche und der Ansprüche gegen den jeweiligen Besitzer in Ansehung von in der Nachlaßmasse befindlichen Gegenständen der Klage des Dritten der Umstand nicht entgegen, daß der Erbe oder Nachlaßpfleger von dem Nachlasse noch nicht Besitz ergriffen hat.
156
1. Abschnitt: Besitz
§857
Für den ersten Absatz war daneben eventuell folgende Fassung vorgeschlagen: „In Ansehung der dem Inhaber und demjenigen, für welchen ein Anderer inne hat, wegen Verlustes oder Störung der Inhabung zustehenden Ansprüche gilt die Inhabung des Erblassers oder für den Erblasser als in der Person des Erben (oder Nachlaßvertreter) fortdauernd." c, Hinsichtlich der Stellung giebt der Antrag anheim, die Vorschriften im Erbrechtsentwurf zu belassen oder als §§ 82 a und 82 b in den Sachenrechtsentwurf zu übertragen. Man gelangte zu dem Einverständnisse, daß die zur Berathung gestellten Bestimmungen schon wegen ihres Zusammenhanges mit anderen erbrechtlichen Rechtsnormen, insbesondere denen über die Erbschaftsklage, den geeigneteren Platz im Erbrechte finden. Im Uebrigen wurden folgende sachliche Beschlüsse gefaßt, welche demnächst salva redactione für den Inhalt der §§ 342, 343 des Erb- | rechtsent- | Prot I 3541 wurfs maßgebend sein sollen: 1. Es soll eine dem § 342 des Erbrechtsentwurfs entsprechende Vorschrift des Inhalts Aufnahme finden, daß der Erbe Inhabung und bezw. Besitz der zum Nachlaß gehörenden Sachen erst dadurch erlange, daß er sich die thatsächliche Gewalt über dieselben verschaffe. Erwogen war: Durch die Aufnahme einer dem § 342 entsprechenden Vorschrift werde bezweckt, hervorzuheben, daß immer noch zu unterscheiden sei zwischen dem wirklichen Besitze oder der wirklichen Inhabung, deren Vorhandensein nach den Vorschriften dieses Abschnittes, insbesondere nach den zu §§ 48 und 563 beschlossenen Vorschriften sich beurtheile, und dem fingirten Besitze oder der fingirten Inhabung, welche dem Erben nach § 343 zugeschrieben werden könnten. In Betracht komme namentlich, daß Verpflichtungen, welche begriffsmäßig Inhabung oder Besitz zur nothwendigen Voraussetzung hätten, den Erben für seine Person erst treffen könnten, wenn er die Inhabung oder den Besitz sich verschafft habe. 2. Auf den Erben gehen diejenigen Rechte über, welche in der Person des Erblassers im Augenblick des Todes auf der Grundlage der Inhabung und des Besitzes in Folge einer gegen den Erblasser geübten verbotenen Eigenmacht entstanden sind. Erwogen war: Man könne zwar den gedachten Uebergang aus der allgemeinen Regel des Eintritts des Erben in die Rechtsverhältnisse des Erblassers herleiten, zu vergl. Erbrechtsentwurf §318, doch könnten aus der besonderen Natur des Besitzes und der Inhabung Zweifel entstehen. Erstlich ließe sich das allgemeine Bedenken aufstellen, daß Selbsthülfe und Besitzklage ihrem Zwecke nach dazu dienen, die thatsächliche Gewalt in der Hand des Inhabers festzuhaken | und deshalb ihren ursprünglichen | Prot I 3542 Zweck verlieren würden, wenn die Person des Inhabers hinweggefallen ist. Gegen diesen Einwand lasse sich bemerken, daß die Funktion der Selbsthülfe und der Besitzklagen in der Hand des Erben allerdings eine andersartige werde, indem dieselben nicht dem Zwecke der Bewahrung oder Wiedererlangung der Inhabung, sondern dem Zwecke der Erlangung derselben dienten (interdictum adipiscendae possessionis). Für den Erben sei die Zusprechung der in der Person des Erblassers entstandenen Besitzschutzmittel von Werth und werde nicht ersetzt durch eine zu Gunsten der hereditatis petitio etwa aufzustellende Beweiserleichterung, welche die 3
S. bei §§ 854, 855 BGB.
157
§857
3. Buch: Sachenrecht
im Augenblicke des Todes in der Inhabung des Erblassers befindlichen Sachen als zum Nachlaß gehörig annehmen lasse, denn bei der Erbschaftsklage bleibe der Erbe petitorischen Einreden ausgesetzt. Andererseits liege kein Grund vor und würde den Anforderungen der Rechtsordnung nicht entsprechen, den Gegner in Folge des Todes von der Bedrohung durch die Selbsthülfe und von den Besitzklagen frei werden zu lassen. Ein besonderes Bedenken könne gegen die Fortsetzung der Selbsthülfebefugniß in der Person des Erben darin gefunden werden, daß die Legitimation zur Selbsthülfe an das Vorhandensein eines Rechts beim Selbsthülfeberechtigten geknüpft und dadurch zu einem irrthümlichen Gebrauch der Selbsthülfe Gelegenheit gegeben werde. Dieses Bedenken sei jedoch für durchgreifend nicht zu erachten, denn es sei unvermeidlich, die Selbsthülfe auch in Fällen zuzulassen, in denen der dazu Befugte bei der Ausübung von der Annahme eines Rechtes in seiner Person auszugehen habe. Auch die zu § 794 beschlossene Bestimmung ergebe, daß, insoweit es sich um den Nachweis handle, daß eine verbotene Eigenmacht nicht vorliege, eine Erörterung der Rechtsfrage auch bei Regulierung des Besitzverhältnisses nicht schlechthin ausgeschlossen werden dürfe. | Prot I 3543
| 3. Es soll bestimmt werden, daß dem Erben diejenigen Rechte zustehen, welche dem Erblasser aus der verbotenen Eigenmacht eines Anderen, welche nach dem T o d e an den im Augenblicke des Todes im Besitz oder in der Inhabung des Erblassers befindlichen Sachen geübt ist, erwachsen sein würden, wenn der Erblasser damals noch gelebt hätte. Erwogen war: Man könne bezweifeln, ob die Ausübung einer verbotenen Eigenmacht überall in der Zwischenzeit zwischen dem Tode und der Apprehension des Erben denkbar sei, da der Eingriff des Dritten nicht dem Willen einer natürlichen Person begegne, dessen Nichtbeachtung („ohne den Willen") seiner Handlungsweise den Stempel der verbotenen Eigenmacht aufpräge. Eine weitere Auffassung des Verbotes vim ne facias possidenti, wie solches in dem Beschlüsse zu § 725 des Entwurfs aufgestellt, erscheine indessen berechtigt, denn das Gesetz könne befehlen, daß ein Dritter sich der Antastung auch solcher Erbschaftssachen zu enthalten habe, welche noch nicht in die thatsächliche Gewalt des Erben gelangt seien. Hier, wie in dem Falle unter 2 würden die Selbsthülfe und die Besitzklagen zur Erlangung des Besitzes oder der Inhabung durch den Erben dienen, und sei ein Bedenken gegen die Gestattung der Selbsthülfe aus den unter 2 angeführten Gründen auch hier nicht f ü r zutreffend zu erachten. Die Selbsthülfe in Ansehung der beweglichen Sachen werde allerdings nur unter besonderen Voraussetzungen eintreten können, sie bleibe indessen denkbar, ζ. B. wenn der Nachlaß beginne, verschleppt zu werden, und der Erbe noch rechtzeitig eintreffe. Um die Selbsthülfe mitzutreffen, sei von Rechten (nicht von Ansprüchen) zu reden, die aus verbotener Eigenmacht erwachsen seien.
| Prot I 3544
| 4. Die gegen den Erblasser aus einer von demselben geübten verbotenen Eigenmacht entstandenen Ansprüche sollen als nach dem Tode fortbestehend und dem Erben gegenüber wirksam bezeichnet werden.
4 5
S. bei § 863 BGB. S. bei SS 8 5 8 - 8 6 0 BGB.
158
1. Abschnitt: Besitz
§857
Erwogen war: Der Fortbestand der Besitzklage wegen Entziehung der Inhabung finde nach den Beschlüssen zu §§ 76, 776 um deswillen statt, weil die Inhabung in der Hand des Erben fehlerhaft bleibe, dies genüge jedoch nicht, vielmehr müßten die Besitzklagen gegen den Erben auch vor seiner persönlichen Apprehension erhoben werden können, wenn die Sache nur noch gegenwärtig im Nachlasse sich befinde. In Ansehung der Besitzstörungsklage werde in Betracht kommen, ob deren Voraussetzungen nach dem Tode noch fortdauern, nämlich eine gegründete Befürchtung künftiger Störungen oder die Fortdauer eines störenden Zustandes. Sei dieses der Fall, so müsse die Besitzstörungsklage auch gegen den Erben erhoben werden können. 5. Ueber die Frage, ob in den durch die gefaßten Beschlüsse getroffenen Fällen dem Erben der Nachlaßvertreter gleichzustellen sei, beschloß man, an dieser Stelle keine Entscheidung zu treffen, weil vorerst der rechtliche Charakter der Funktion desselben überhaupt festzustellen sei. Ebenso hielt man einen Beschluß bezüglich der condictio possessionis für und gegen den Erben nicht für veranlaßt, weil für die meisten Fälle kein Zweifel bestehe, im Uebrigen aber die vorstehend beschlossenen Bestimmungen wohl zur Lösung etwaiger Zweifel hinreichen würden. 653. Sitzung vom 13. 4. 1887, Schriftführer
Börner
| Die Berathung wandte sich zu dem mit „Nachlaßmasse" überschriebenen vier- |ProtI 10781 ten Titel des vierten Abschnittes des Erbrechtsentwurfes. Die §§ 342 und 343 des Entwurfes wurden gemeinsam der Berathung unterstellt. Der § 342 lautet: „Der Erbe erlangt die Inhabung an den zu dem Nachlasse gehörenden Sachen TE-ErbR § 342 erst dadurch, daß er sich die thatsächliche Gewalt Uber dieselben verschafft; auf den Besitzerwerb des Erben an den bezeichneten Sachen finden die Vorschriften der §§ 786 bis 790 (K.E.) Anwendung." Der § 343 lautet: „Rechte, welche dem Erblasser zur Zeit des Eintritts des Erbfalles in Folge einer TE-ErbR $ 343 gegen denselben geübten verbotenen Eigenmacht | nach Maßgabe der §§ 804 bis 810 |Prot I 10782 (K.E.) zustanden, gehen auf den Erben über. Ansprüche, welche gegen den Erblasser aus einer von demselben geübten verbotenen Eigenmacht nach Maßgabe der §§ 807 bis 810 (K.E.) entstanden sind, bestehen von dem Tode des Erblassers unberührt und wirksam gegenüber dem Erben fort. Dem Erben stehen gegen Jeden, welcher nach dem Eintritte des Erbfalles und bevor der Erbe Besitz oder Inhabung erlangt hat, an den im Besitze oder in der Inhabung des Erblassers zur Zeit des Todes desselben befindlichen Sachen verbotene Eigenmacht übt, diejenigen Rechte zu, welche dem Erblasser erwachsen sein würden, wenn er noch gelebt hätte. Die Bestimmungen des ersten, zweiten und dritten Absatzes finden auf den Nachlaßpfleger entsprechende Anwendung." Beantragt war: 1. a, den § 342 zu streichen Kurlbaum (Nr 367, 1 + 2 ) b, als § 343 zu bestimmen: „In Ansehung der Sachen, welche zur Zeit des Todes des Erblassers in dessen Besitz oder Inhabung sich befunden haben, werden die aus verbotener Eigenmacht 6
S. bei §§ 861, 862 BGB.
159
§857
3. Buch: Sachenrecht
eines Dritten entstehenden Rechte durch eine nach Eintritt des Erbfalles vorgenommene Handlung eines Dritten für den Erben als zu der Erbschaft gehörende Rechte begründet, wie wenn der Erbe bei Eintritt des Erbfalles den Besitz und die Inhabung erlangt hätte." | Prot 1 10783
| eventuell hinzuzufügen: „Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers aus einer vor Eintritt des Erbfalles durch verbotene Eigenmacht bewirkten Entziehung oder Störung des Besitzes oder der Inhabung gehen als Rechte und Verbindlichkeiten der Erbschaft auf den Erben über."
v. Mandry (Nr 371, 1)
2. Zu den §§ 342 und 343 (für den Fall, daß die in der Sitzung vom 17. März 1884 entschiedenen Fragen wieder zur Debatte gestellt werden) a, die Absätze 1 und 2 des § 343 (eventueller Antrag unter 1 b) dahin zu fassen: „Die Rechte und Verbindlichkeiten aus verbotener Eigenmacht gehen auf die Erben über" und die Vorschrift als § 810 a einzufügen; v. Mandry b, den Abs. 3 des § 343 (Antrag unter 1 b) dahin zu beschließen: (Nr 367, 2) „Sind Sachen, welche zur Zeit des Erbfalles in Besitz oder Inhabung des Erblassers sich befunden haben, nach dem Erbfall in Besitz oder Inhabung eines Dritten gekommen, so stehen dem Erben diejenigen Rechte gegen den Dritten zu, welche ihm zustehen würden, wenn er mit dem Erbfalle in Besitz oder Inhabung der Sachen gekommen wäre." | Prot I 10784 Und die Bestimmung als § 2003 a der | vorl. Zusst. einzufügen (vor der auf S. 273 der vorl. Zusst. enthaltenen Bestimmung, welche als § 2003 b zu bezeichnen wäre) 7 . Planck 3.a, den § 343 Abs. 1 und 2 nach Maßgabe des Antrages unter 2 a durch die Be(Nr 373, 1) Stimmung zu ersetzen: „Die Rechte und Verbindlichkeiten aus verbotener Eigenmacht gehen auf den Erben über." Derselben jedoch folgenden Zusatz zu geben: „In Ansehung der Rechte desjenigen, welcher die Inhabung durch verbotene Eigenmacht verloren hat, gilt, wenn derjenige, welcher ihm gegenüber fehlerhaft innehat, stirbt, die fehlerhafte Inhabung der letzteren als mit dem Erbfalle auf dessen Erben übergegangen." eventuell noch hinzuzufügen: „In Ansehung der Rechte des durch verbotene Eigenmacht gestörten Inhabers gilt die Inhabung desselben, wenn derselbe stirbt, als mit dem Erbfalle auf seine Erben übergegangen." b, den § 343 Abs. 3 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Dem Erben stehen gegen denjenigen, welcher nach dem T o d e des Erblassers den Besitz oder die Inhabung einer Sache erlangt hat, die sich beim Tode des Erblassers in dessen Besitz oder Inhabung befand, oder welcher in Beziehung auf eine | Prot I 10785 solche Sache eine Handlung vorgenommen hat, die, wenn | der Besitz oder die Inhabung mit dem Tode des Erblassers auf den Erben übergegangen wäre, verbotene Eigenmacht gewesen sein würde, dieselben Rechte zu, wie wenn der Uebergang des Besitzes oder der Inhabung auf den Erben mit dem Tode des Erblassers wirklich stattgefunden hätte." c, den Abs. 4 des § 343 zu streichen. 7
D i e §§ 2003 ff. der vorl. Zust. des Erbrechts befinden sich im „5. Abschnitt Rechtsstellung des Erben. Erster Titel. Erwerb der Erbschaft."
160
1. Abschnitt: Besitz
§857
A u ß e r d e m lag n o c h 4. der Prot. S. 10709, 10710 8 unter k mitgetheilte Antrag 9 vor, dessen Erledigung Prot. S. 1 0 7 5 0 bis zur Berathung des § 3 4 3 des Entwurfes a u s g e s e t z t w o r d e n ist, w ä h r e n d der hier ebenfalls einschlagende A n t r a g Prot. S. 10683 1 0 z u r ü c k g e z o g e n w o r d e n war. D e r § 3 4 2 und der § 3 4 3 Abs. 1 bis 3 des E n t w u r f e s entsprechen sachlich den Prot. S. 3 5 3 9 bis 3 5 4 4 g e f a ß t e n Beschlüssen und hat die K o m m i s s i o n im B e s o n d e r e n Prot. S. 3 5 4 0 sich auch dahin schlüssig g e m a c h t , daß die b e t r e f f e n d e n Bestimmung e n ihren P l a t z unter den erbrechtlichen V o r s c h r i f t e n z u f i n d e n haben (vergl. die N o t e z u § 807 K.E.) 1 1 . D e m letzteren Beschlüsse e n t g e g e n ist unter 2 a beantragt, die B e s t i m m u n g e n des § 3 4 3 Abs. 1 und 2 in d e n Abschnitt über Besitz und Inhab u n g z u versetzen. D i e K o m m i s s i o n lehnte ein n o c h m a l i g e s E i n g e h e n auf die Stellungsfrage ab, indem sie die V o r f r a g e b e z ü g l i c h der W i e d e r a u f n a h m e der Berathung verneinte. D a b e i bestand Einvernehmen, d a ß die B e s t i m m u n g e n mit den V o r 8
9
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Die angeführten Protokolle betreffen die Beratung der §§ 333 bis 335 T E - E r b R , die Voraussetzungen und Inhalt des Erbschaftsanspruchs regelten. Der Antrag lautet: „In Ansehung einer Sache, welche zur Zeit des Erbfalles im Besitze oder in der Inhabung des Erblassers war, hat der Erbe den Anspruch auf Herausgabe auch gegen denjenigen, welcher die Sache besitzt oder innehat, aber nicht auf Grund eines von ihm beanspruchten Erbrechtes vorenthält. Die Vorschriften der 908 bis 921 (K.E.) finden entsprechende Anwendung. Die aus der Bestimmung des ersten Absatzes sich ergebenden Ansprüche können jedoch nicht gegen den Eigenthümer und auch nicht gegen denjenigen geltend gemacht werden, welcher den Besitz der Sache erworben hat, sofern der letztere bei dem Besitzerwerbe den Umstand nicht gekannt hat, durch welchen der Erwerb des Eigenthums an der Sache verhindert worden ist und seine Unkenntniß auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht." Der Antrag lautet, den § 343 Abs. 3 dahin zu ändern: „Dem Erben stehen gegen denjenigen, welcher Sachen, die zur Zeit des Todes des Erblassers sich in dessen Besitz oder Inhabung befanden, ohne den Willen des Erben und, bevor dieser oder eine andere Person den Besitz oder die Inhabung erlangt hat, in seinen Besitz oder seine Inhabung nimmt, dieselben Rechte zu, wie wenn der Erbe den Besitz oder die Inhabung bereits gehabt hätte. Die Vorschrift des § 813 (K.E.) findet in diesem Falle keine Anwendung (wenn derjenige, welcher den Besitz oder die Inhabung ergriffen hat, dies auf Grund eines von ihm beanspruchten Erbrechts gethan hat)." Die N o t e lautet: In Ansehung der übrigen auf den Fall des Todes des Besitzers oder des Inhabers sich beziehenden Fragen ist beschlossen, 1. die aufzunehmenden Vorschriften in das Erbrecht einzustellen (vergl. Erbrechtsentw. SS 342 ff.); 2. hierbei folgende Sätze, Fassung vorbehalten, maßgebend sein zu lassen: a) Der Erbe erlangt Inhabung und bezw. Besitz der zum Nachlasse gehörenden Sachen erst dadurch, daß er sich die thatsächliche Gewalt über dieselben verschafft. b) Auf den Erben gehen diejenigen Rechte über, welche der Person des Erblassers im Augenblicke des Todes auf der Grundlage der Inhabung und des Besitzes in Folge einer gegen den Erblasser geübten verbotenen Eigenmacht entstanden sind. c) Dem Erben stehen diejenigen Rechte zu, welche dem Erblasser aus der verbotenen Eigenmacht eines Anderen, welche nach dem T o d e an den im Augenblicke des Todes im Besitze oder in der Inhabung des Erblassers befindlichen Sachen geübt ist, erwachsen sein würden, wenn der Erblasser noch gelebt hätte. d) Die gegen den Erblasser aus einer von demselben geübten verbotenen Eigenmacht entstandenen Ansprüche sollen nach dem T o d e fortbestehen und dem Erben gegenüber wirksam werden. 161
§857
3. Buch: Sachenrecht
Schriften über den Erbschaftserwerb zu verbinden und in den auf diesen sich beziehenden Abschnitt einzustellen seien. |ProtI 10786
1. Der § 342 des Entwurfes wurde in folgender, | bei der Redaktion noch näher zu prüfender Fassung beschlossen: Der Besitz und die Inhabung der zu der Erbschaft gehörenden Sachen gehen nicht kraft des Gesetzes auf den Erben über. Die Bestimmung soll im unmittelbaren Ausschlüsse an § 2003 der Zusst.12 eingestellt werden. Man ging davon aus: Die Vorschrift des § 342 dem Antrage unter 1 a gemäß als selbstverständlich zu streichen, erscheine, abgesehen davon, daß deren Aufnahme in sachlicher Hinsicht Prot. S. 3541 bereits beschlossen sei, nicht räthlich. Dem Streite, ob Besitz und Inhabung des Erblassers mit dessen Tode endige oder auf den Erben übergehe, könne bei dem Erbschaftserwerbe kraft des Gesetzes nicht ohne Weiteres jede Berechtigung abgesprochen werden, und die Frage sei zu wichtig, als daß Zweifel hierüber gelassen werden könnten. Dazu komme, daß speziell mit Rücksicht auf den § 342 Abstand genommen worden sei, unter den Beendigungsgründen des Besitzes, obwohl der § 795 (K.E.) auf eine erschöpfende Aufzählung dieser Gründe hinweise, den Tod des Besitzers zu erwähnen, indem davon ausgegangen worden sei, daß dieser Beendigungsgrund aus dem § 342 zur Genüge sich ergeben werde (Prot S. 3486). Anlangend die Fassung, so behandele der Entwurf Besitz und Inhabung getrennt, weil zu dem Besitzerwerbe seitens des Erben nicht, wie bei dem Erwerbe der Inhabung, lediglich die Erlangung der thatsächlichen Gewalt genüge, sondern dem Besitzbegriffe gemäß ein Mehreres hinzuzutreten habe, worauf auch |ProtI 10787 schon der früher gefaßte Beschluß hindeute. Ob | man positiv ausspreche, daß zu dem Erwerbe des Besitzes oder der Inhabung der zu der Erbschaft gehörenden Sachen seitens des Erben ein neuer Erwerbsakt erforderlich sei, oder ob negativ bestimmt werde, daß Besitz und Inhabung an diesen Sachen nicht ohne Weiteres auf den Erben übergingen, sei sachlich gleich. Das letztere empfehle sich indessen mehr, weil er eine einfachere Ausdrucksweise gestatte und sich zugleich der Bestimmung des § 2003 der Zusst. angemessen anschließe. 2. Die Absätze 1 und 2 des § 343 des Entwurfes erfuhren, nachdem der Streichungsantrag unter 1 b fallen gelassen worden war, sachlich keine Beanstandung. Unbeschadet der Nachprüfung bei der Redaktion wurden beide Bestimmungen, in Anlehnung an die Anträge unter 2 a und 3 a, dahin zusammengefaßt: Die Rechte und Verbindlichkeiten aus verbotener Eigenmacht, welche in Ansehung von Sachen gegen den Erblasser oder von dem Erblasser verübt worden ist, gehen auf den Erben über. Mit dem eventuellen Antrage unter 1 b besonders hervorzuheben, daß die betreffenden Rechte und Verbindlichkeiten als Rechte und Verbindlichkeiten der Erbschaft auf den Erben übergingen, hielt man, da hierüber ein Zweifel nicht bestehen könne, nicht für erforderlich, behielt jedoch das Weitere der Redaktion vor. 3. Die Aufnahme der unter 3 a beantragten Zusätze wurde abgelehnt. Maßgebend war: Der Antragsteller wolle durch den an erster Stelle vorgeschlagenen Zusatz klarstellen, daß der Erbe demjenigen gegenüber, gegen welchen der Erblasser Eigenmacht verübt habe, sich nicht darauf berufen könne, daß er, der unter 2 be-
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Die §§ 2003 ff. der vorl. Zusst. des Erbrechts befinden sich im „5. Abschnitt. Rechtsstellung des Erben. Erster Titel. Erwerb der Erbschaft."
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1. Abschnitt: Besitz
§857
schlossenen Bestimmung ungeachtet, zur Wiedereinräumung der Inhabung deshalb nicht angehalten werden könne, weil er die Inhabung | noch nicht erlangt habe. | Prot 1 10788 Eine solche Klarstellung sei indessen nicht erforderlich. Der Beschluß unter 2 sei gerade deshalb gefaßt, um zum Ausdruck zu bringen, daß in Ansehung der Rechte aus verbotener Eigenmacht seitens des Erblassers die fehlerhafte Inhabung des letzteren als ohne Weiteres auf den Erben übergegangen anzusehen sei. Es werde dies auch um so weniger verkannt werden, als der Fall, daß der Erbe bereits in die Inhabung gelangt sei, im § 807 Satz 2 (K.E.), seine besondere Regelung gefunden habe. Sei aber von dem erwähnten Zusätze abzusehen, so liege noch weniger Anlaß vor, den eventuell beantragten Zusatz aufzunehmen. 4. Zu dem Abs. 3 des § 343 des Entwurfes wurde beschlossen, Fassung vorbehalten, zu bestimmen: H a t ein Dritter den Besitz oder die Inhabung einer Sache erlangt, welche bei dem Tode des Erblassers in dessen Besitz oder Inhabung sich befunden hat, oder hat ein Dritter in Ansehung einer solchen Sache eine Handlung vorgenommen, welche, wenn der Besitz oder die Inhabung mit dem Erbfalle auf den Erben übergegangen wäre, verbotene Eigenmacht gewesen sein würde, so stehen dem Erben gegen den Dritten dieselben Rechte zu, wie wenn der Erbe mit dem Erbfalle den Besitz oder die Inhabung erlangt hätte. Die Gründe waren: Der Entwurf fasse, dem bisherigen Beschlüsse Prot. S. 3543 entsprechend, nur den Fall ins Auge, daß in der Zeit nach dem Erbfalle, aber vor der Ergreifung des Besitzes oder der Inhabung der zur Erbschaft gehörenden Sachen seitens des Erben von einem Dritten in Ansehung einer solchen Sache Eigenmacht verübt oder, um es korrekter auszudrücken, eine Handlung vorgenommen worden sei, welche, wenn der Erbe | bereits Besitzer oder Inhaber gewesen wäre, |ProtI 10789 verbotene Eigenmacht gewesen sein würde. Die Anträge unter 2 b und 3 b bezweckten die Erstreckung der an sich nicht bekämpften Vorschrift auf die sonstigen Rechtsmittel zum Schutze des Besitzes, insbesondere auf die condictio possessionis. In Ansehung der condictio possessionis sei früher, Prot. S. 3544, eine Bestimmung für entbehrlich erachtet worden, weil f ü r die meisten Fälle kein Zweifel bestehen und im Uebrigen die in Ansehung der Eigenmacht beschlossenen Bestimmung zur Löschung etwaiger Zweifel hinreichen werde (vergl. Bemerk. S. 174). In dieser Hinsicht sei auch gegenwärtig geltend gemacht worden, daß, wenn dem noch nicht in den Besitz oder die Inhabung gelangten Erben die possessorischen Rechtsmittel von dem Gesetze gewährt würden, es sich von selbst verstehe, daß demselben auch die petitorischen Besitzschutzrechtsmittel nicht versagt sein könnten. Die Angemessenheit der beantragten Ausdehnung der Vorschrift lasse sich indessen nicht verkennen. Die Vorschrift sei rein positiv und wenn dieselbe in ihrer Fassung auf die possessorischen Rechtsmittel beschränkt werde, so liege die Gefahr nahe, daß man im Wege des argumentum e contrario zu dem unzutreffenden Schlüsse gelange, in Ansehung der petitorischen Besitzschutzrechtsmittel solle das gleiche nicht gelten. Mißverständnissen in dieser Richtung vorzubeugen, erscheine aber mit Rücksicht auf die immerhin nicht geringe praktische Bedeutung der condictio possessionis angezeigt. Wenn die dem Vorstehenden entsprechend gefaßte Bestimmung von dem früheren Beschlüsse und dem Entwürfe noch insofern abweiche, als fingirt werde, nicht, der Erblasser habe noch gelebt, sondern den Anträgen entsprechend, der Erbe sei bereits bei Eintritt des Erbfalles Besitzer oder Inhaber gewesen, so beruhe diese im Wesentlichen nur | die Fassung betreffende Aenderung darauf, daß die letztere Fik- | Prot 1 10790 tion als die natürlichere und näherliegende sich darstelle. 163
§857
3. Buch: Sachenrecht
Einverstanden war man, daß im Hinblick auf die gefaßten Beschlüsse in Ansehung der actio Publiciana (§ 922 K.E.) es einer besonderen Bestimmung nicht bedürfe. 5. Der unter 4 erwähnte Antrag wurde, soweit er sich nicht durch den Beschluß zu Ziff. 4 erledigt, als zu weitgehend abgelehnt. 6. Der Abs. 4 des § 343 wurde in der Erwägung gestrichen, daß derselbe bei einer angemessenen Regelung der Stellung des Nachlaßpflegers sich als entbehrlich erweisen werde. 7. Die dem § 807 (K.E.) beigefügte Note 1 3 soll als durch die beschlossenen Bestimmungen erledigt gestrichen werden. II. 2., 3. In der RedVorl und in der ZustSachR sind die gefaßten Beschlüsse in den SS 2003a {RedVorl:2003a 1) bis 2003c enthalten: RedVorl Der Besitz und die Inhabung der zur Erbschaft gehörenden Sachen gehen nicht § 2003 a 1 kraft des Gesetzes auf den Erben über. ZustSachR (In der RedVorl ist angemerkt: % 2003 a
1. Der § 2003 a 1 schließt sich dem § 2003 passend an. Die Vererblichkeit des Besitzes und der Inhabung verneinend, läßt er zugleich keinen Zweifel, daß der Erbe den Besitz und die Inhabung nur durch besonderes Handeln nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze erlangen kann. 2. Der bisherige § 2003 a wird dem § 2003 als Abs. 2 anzuschließen sein.)
RedVorl/ Rechte und Verbindlichkeiten aus verbotener Eigenmacht, welche in Ansehung ZustSachR von Sachen gegen den Erblasser oder von dem letzteren verübt ist, gehen auf den «2003 b Erben über.
(In der RedVorl ist angemerkt: 1. Der § 2003 b enthält den Grundsatz, daß die schon in der Person des Erblassers begründeten possessorischen Rechtsmittel aktiv und passiv vererblich sind. Aus der passiven Vererblichkeit folgt, daß der aus der verbotenen Eigenmacht des Erblassers in Anspruch genommene Erbe so verantwortlich ist, wie wenn auf ihn die fehlerhafte Inhabung des Erblassers übergegangen wäre, während umgekehrt die aktive Vererblichkeit ergiebt, daß die Störung der Inhabung des Erblassers als eine Störung der Inhabung des Erben gilt. 2. Der Begriff „verbotene Eigenmacht" ergiebt sich aus § 803 KE; der Ausdruck „verbotene Eigenmacht verüben" ist verwendet in den §§ 811, 813.) RedVorl/ H a t ein Dritter in Ansehung einer Sache, welche bei dem T o d e des Erblassers in ZustSachR dessen Besitze oder Inhabung war, bevor der Erbe Besitzer oder Inhaber geworden § 2003 c ist, eine Handlung vorgenommen, welche, wenn der Besitz oder die Inhabung mit
dem Erbfalle auf den Erben übergegangen wäre, verbotene Eigenmacht gewesen sein würde, oder hat ein Dritter den Besitz oder die Inhabung einer solchen Sache vor dem Erben erlangt, so stehen dem Erben gegen den Dritten dieselben Rechte zu, wie wenn der Erbe mit dem Erbfalle Besitzer oder Inhaber der Sache geworden wäre. (In der RedVorlist angemerkt: 1. Der § 2003 bringt den wichtigen Grundsatz, daß, wenn ein Dritter in Ansehung der Nachlaßsachen, bevor der Erbe sich Besitz oder Inhabung verschafft hat, verbotene Eigenmacht verübt hat, die possessorischen Rechtsmittel gegen denselben '3 S. Fußn. 11.
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1. Abschnitt : Besitz
§857
Platz greifen. D a aber dem Erben im unterstellten Falle die Inhabung fehlt, so paßt die Redeweise „verboten Eigenmacht verüben" wegen der Begriffsbestimmung des § 803 K.E. nicht ohne Hinzufügung einer Fiktion, deren Aufnahme den § etwas verwickelt. Dieser, im Interesse der Korrektheit gebotene, indessen nur geringfügiger Uebelstand ist nicht zu vermeiden. Ein anderer Uebelstand liegt darin, daß der § auf die possessorischen Rechtsmittel nicht zu beschränken, sondern zugleich auf die condictio possessionis auszudehnen ist, deren Mitberücksichtigung den § einigermaßen verdunkelt. Zu helfen wäre nur dadurch, daß die condict. poss. durch eine besondere Vorschrift gedeckt würde. Allein es ist beschlossen, hiervon abzusehen, weil ohne eine sehr umständliche und deshalb bedenkliche Vorschrift zur vollen Deutlichkeit doch nicht gelangt werden könnte. 2. Im Eingange ist „bei dem Tode des Erblassers" der Fassung „beim Eintritte" oder „zur Zeit des Erbfalls" vorzuziehen. Der Ausdruck „Handlung vorgenommen" steht im Einklänge mit der Ausdrucksweise in den §§ 811, 813 K.E.)
III. Bei der Revision des K E war beantragt, 1. zu § 2003 b: a) die W o r t e „in Ansehung von Sachen" zu streichen, b) in Zeile 3 statt „dem letzteren" zu sagen „demselben". 2. Zu § 2003 c: „Hat ein Dritter den Besitz oder die Inhabung einer Sache, welche bei dem T o d e des Erblassers in dessen Besitz oder Inhabung war, vor dem Erben erlangt, oder hat ein Dritter in Ansehung einer solchen Sache, bevor der Erbe Besitzer oder Inhaber geworden ist, eine Handlung vorgenommen, welche — gewesen sein würde, so stehen . . ." Der Antrag 1 a und der Antrag 2 wurden abgelehnt, der Antrag 1 b angenommen (Prot I S . 11435). IV. Unter Berücksichtigung der Änderung des K E sind die Vorschriften im Ε I in den §§ 2052—2054 enthalten.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 5, S. 6 5 0 - 6 5 3 ; Mugdan, Bd. 5, S. 422) Zu den §§ 2052 bis 2054 lagen die Anträge vor, 1. die §§ 2052 bis 2054 zu streichen und zu bestimmen: Börner a) als § 779 a des Entw. II: Der Besitz geht auf den Erben über. (Nr 130, b) als § 782 a des Entw. II: So lange der Erbe des Besitzers nicht die thatsächliche Gewalt über eine Nachlaßsache erlangt hat, stehen ihm die in § 781 des Entw. II bestimmten Rechte in Ansehung der Sache nicht zu. 2. die §§ 2052 bis 2054 zu streichen. Die Kommission billigte den Antrag 1 a und lehnte die Anträge 1 b und 2 ab. Die Vorschrift wurde als § 779 a in die VorlZust und ZustRedKom und den Ε II eingestellt. Im Ε II rev ist sie in § 842 (E III § 841) enthalten. Die Fassung entspricht jeweils derjenigen, die in § 857 BGB Gesetz geworden ist. 165
§§ 8 5 8 - 8 6 0
3. Buch: Sachenrecht
§858 Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitze stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht). Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muß der Nachfolger im Besitze gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerbe kennt. § 859 Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittels verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten Thäter mit Gewalt wieder abnehmen. Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Thäters wieder bemächtigen. Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher nach § 858 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muß. § 860
Zur Ausübung der dem Besitzer nach § 859 zustehenden Rechte ist auch derjenige befugt, welcher die thatsächliche Gewalt nach § 855 für den Besitzer ausübt. Α. 1. Kommission I. 299 Sitzung vom 10. 3. 1884\ Schriftführer von Liebe | Prot 1 3491 | Der § 72 des Entwurfs 2 lautet: j Prot I 3492 | „Der Inhaber ist befugt, eigenmächtiger Entsetzung aus der thatsächlichen GeT E - S a c h R ξ 72 walt und eigenmächtiger Störung derselben sich mit Gewalt zu erwehren.
Derjenige, welchem ein Anderer eine bewegliche Sache eigenmächtig weggenommen hat, darf die Sache dem auf der That betroffenen oder bei sofortiger Nacheile erreichten Wegnehmer mit Gewalt wieder abnehmen. Hat an einem Grundstücke ohne Wissen und Willen des Inhabers ein Anderer Besitzhandlungen vorgenommen, so darf der der thatsächlichen Gewalt Entsetzte sofort nach erlangter Kenntniß hiervon durch geeignete Besitzhandlungen sich die thatsächliche Gewalt wieder verschaffen, wenn dies ohne Anwendung von Gewalt gegen die Person des Anderen möglich ist. Diese Befugnisse stehen demjenigen, welcher eine fremde Sache in eigenem rechtlichen Interesse innehat, auch dem Besitzer gegenüber zu." Folgende Anträge waren gestellt worden: 1. den § 72 dahin zu fassen:
Planck (Nr 19, 2) 1 2
Die vorhergehenden Beratungen s. bei $ 856 BGB. Siehe Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung § 72.
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1. Abschnitt: Besitz
§§ 8 5 8 - 8 6 0
„Niemand darf außer in den durch das Gesetz bestimmten Fällen (vergl. insbe. Planck SS 161 — 164 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des Allgemei- (Nr 19, 2) nen Theils, Protokolle S. 395—408, 3 ) dem Inhaber ohne dessen Willen eigenmächtig die Inhabung entziehen oder ihn darin stören (verbotene Eigenmacht). Der Inhaber ist verbotener Eigenmacht sich mit Gewalt zu erwehren berechtigt. | Derjenige, welchem ein Anderer eine bewegliche Sache durch verbotene Eigen- | Prot I 3493 macht weggenommen hat, darf die Sache . . . u.s.w. wie im Absatz 2 des Entwurfs. Ist dem Inhaber eines Grundstücks die thatsächliche Gewalt über das Grundstück von einem Anderen durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach erlangter Kenntniß hiervon sich die thatsächliche Gewalt wieder verschaffen, wenn . . . u.s.w. wie im 3. Absatz des Entwurfs. Die in den Absätzen 2—4 bezeichneten Befugnisse stehen dem Inhaber auch gegenüber demjenigen zu, für welchen er inne hat. Dritten gegenüber stehen sie auch dem letzteren neben dem Inhaber in demselben Umfange wie diesem zu. Kann oder will in den Fällen der Absätze 3 und 4 der bisherige Inhaber die Inhabung nicht wieder erlangen, so ist derjenige für welchen derselbe inne hatte, die Inhabung sich selbst zu verschaffen berechtigt." Eventuell statt des letzten Absatzes: „Die in den Absätzen 2—4 bezeichneten Befugnisse stehen dem Inhaber auch gegenüber dem Besitzer zu. Dritten gegenüber stehen sie auch dem letzteren neben dem Inhaber in demselben Umfange wie diesem zu. Kann oder will in den Fällen der Absätze 3 und 4 der bisherige Inhaber die Inhabung nicht wieder erlangen, so ist der Besitzer | die Inha- | Prot I 3494 bung sich selbst zu verschaffen berechtigt. Die in dem letzten Absätze in Ansehung des Besitzes gegebenen Vorschriften finden auf denjenigen früheren Inhaber der Sache, für welchen der gestörte oder entsetzte Inhaber die Sache inne hatte, entsprechende Anwendung. In Ansehung des Verlustes der hiernach dem früheren Inhaber zustehenden Rechte findet die Vorschrift des § 704 entsprechende Anwendung." 2. Zu dem ersten Absätze des Antrags 1 war der Unterantrag gestellt, denselben zu fassen: „Wer dem Inhaber ohne dessen Willen die Inhabung entzieht, oder denselben darin stört, handelt rechtswidrig." 3. Zu dem dritten Absätze des Entwurfs war beantragt, in Ersatz der Schlußworte: „wenn" bis „möglich ist" zu bestimmen: „Anwendung von Gewalt gegen die Person ist nur im Falle des Betreffens auf frischer That und nach Maßgabe der Vorschriften der §§161 bis 164 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des Allgemeinen Theils (Prot. S. 3 9 5 - 4 0 8 ) zulässig." I. Zunächst wurde der eine Bestimmung selbständigen Inhalts enthaltende erste Absatz des Antrags 1 berathen. Der Antragsteller verbesserte den Antrag dahin, daß das Wort „eigenmächtig" zu streichen sei, indem er bemerkte, es habe damit nur auf die Umgehung des Richters hingewiesen werden sollen. Beschlossen | wurde die An- | Prot I 3495 nähme des verbesserten Antrages unter Ablehnung des Antrages 2. Der technische Gebrauch des Ausdrucks „verbotene Eigenmacht" wurde von der Mehrheit gebilligt.
3 S. bei §§ 226—231 BGB. S. bei § 856 BGB.
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§ § 858—860
3. Buch: Sachenrecht
Erwogen war: Der Entwurf bringe das Rechtsgebot vim ne facias possidenti erst im § 74, indem er an dessen dolose oder kulpose Uebertretung die Besitzschutzmittel knüpfe. Besser sei es, das Gebot auch den Vorschriften über die Sachvertheidigung voranzustellen, da das gegen den Einen gerichtete Verbot für den Anderen, zu Gunsten dessen es laute, auch die Vertheidigungsbefugniß begründe. Der angenommene Satz enthalte eine nothwendige und bei der früheren Berathung (Prot. S. 396) bereits in Aussicht genommene Ergänzung der beschlossenen Vorschriften des Allgemeinen Theils über die Selbstvertheidigung und Selbsthülfe. In diesen Vorschriften sei die Unerlaubtheit der zur Verwirklichung des eigenen Rechtes vorgenommenen Handlungen dahingestellt geblieben, gleichwohl die Erlaubtheit der Selbsthülfe von der Erlaubtheit jener Handlungen abhängig gemacht. Es bleibe mithin der Zweifel bestehen, welche von zwei Personen, die sich möglicher Weise beide f ü r Inhaber, Besitzer und Eigenthümer hielten, ihren auf die Herrschaft über die Sache gerichteten Willen durchzusetzen befugt sein solle. Das Gesetz dürfe es an einer N o r m nicht fehlen lassen, welche den in Konflikt gerathenen Betheiligten sage, wer dem Anderen zu weichen habe. An das Recht zum H a | Prot I 3496 ben der Sache dürfe diese Norm nicht an- | knüpfen, weil über das Recht auf beiden Seiten sehr leicht widersprechende Auffassungen bestehen würden und die Freigebung der wenn auch gutgläubigen gewaltsamen Rechtsverwirklichung mit dem öffentlichen Frieden unverträglich sei. Dagegen werde fast immer klar sein, auf welcher Seite die Inhabung sich befinde und hiernach müsse sich deshalb bestimmen, auf welcher Seite der verbotene Angriff und auf welcher Seite die erlaubte Vertheidigung sei. Die Erlaubtheit des Angriffs gegen den Inhaber bilde die Ausnahme, welche der besonderen Rechtfertigung, insbesondere aus § 164 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des Allgemeinen Theils (Prot. S. 399—408) und aus den ferner zu § 72 zu beschließenden Bestimmungen bedürfe. Zugleich leuchte ein, daß das Verbot auf jede ohne den Willen des Inhabers erfolgende Störung oder Entziehung der Inhabung zu erstrecken sei, daß ferner die Selbsthülfe, welche mittels einer solchen Störung oder Entziehung sich bethätige, eine unerlaubte Handlung und ein civilrechtliches Delikt sei. Gegen den technischen Gebrauch des Ausdrucks „verbotene Eigenmacht" sei zwar eingewendet, — und insbesondere die Fassung des Unterantrags beruhe auf dem Bedenken, — daß jener Ausdruck auf einen Willen des Eigenmächtigen deute, ein Recht durchzusetzen, folglich auf die Fälle des Raubes und dergleichen nicht passe. Diese Einwendung sei indessen nicht begründet, denn Eigenmacht bezeichne nach korrektem Sprachgebrauch lediglich die zur Verfolgung eigener Zwecke angewendete Gewalt ohne Unterschied, ob die Durchsetzung eines wahren oder ver| Prot I 3497 meintlichen | Rechts bezweckt sei oder nicht. II. Hiernächst gelangten die Absätze 1 — 3 des Entwurfs zur Berathung. Dieselben weichen sachlich von den in den Absätzen 2—4 des Antrags 1 enthaltenen Bestimmungen nicht ab. Ihr Inhalt wurde gebilligt und zugleich für die Fassung des Antrags 1 entschieden, jedoch zugleich beschlossen: 1. zu Absatz 2 eine Vorschrift aufzunehmen, daß im Falle der erfolgreichen Nacheile der Besitz und die Inhabung als nicht unterbrochen gelten. 2. den Absatz 2 auf die im Antrag 3 vorgeschlagene Weise zu ergänzen. Die Beschlüsse beruhten auf folgenden Erwägungen: 1. Bei beweglichen Sachen könne das Gesetz die Mittel zur Durchsetzung der Sachvertheidigung und der auf die Wiedererlangung gerichteten erlaubten Selbst168
1. Abschnitt: Besitz
hülfe nicht dahin beschränken, ohne den durch jene Mittel zu der so erlaubten Gewalt werde stellung der beschlossenen S. 395—408) sich ergeben.
§§ 858-860
daß Gewalt gegen die Person ausgeschlossen werde, erreichenden Zweck völlig zu vereiteln. Die Grenze aus den angeführten §§161 bis 164 der ZusammenBestimmungen des Allgemeinen Theils (Prot.
2. Die Selbsthülfe im Wege der Nacheile zu gestatten, sei um deswillen gerechtfertigt, weil die Entziehung so lange nicht als abgeschlossen und vollendet betrachtet werden könne, als der Thäter sich gegen den ihn nacheilenden Inhaber noch nicht mit Erfolg behauptet habe. 3. Für die Annahme der Fortdauer der Inhabung und des Besitzes im Falle der |ProtI 3498 erfolgreichen Nachei-1 le spreche gleichfalls der vorerwähnte Grund. 4. Die Beschränkung, welche der Entwurf f ü r die Mittel bringe, durch welche man sich die ohne Wissen und Willen verlorene Inhabung an Grundstücken wiederverschaffen dürfe, sei im Interesse des öffentlichen Friedens im Allgemeinen zu billigen. Sie enthalte auch nicht die gleiche Gefahr für den Verdrängten, welche eine entsprechende Bestimmung für den Fall der Entziehung beweglicher Sachen mit sich bringen würde, da Grundstücke der weiteren Rechtsverfolgung nicht entzogen werden könnten. Ohne den in Antrag 3 enthaltenen Zusatz gehe indessen die Beschränkung zu weit. Im Falle des Betreffens auf frischer That sei es schon schwierig zu entscheiden, wo die Vertheidigung aufhöre, die Anwendung der Gewalt auch gegen die Person zu rechtfertigen, und die in ihren Mitteln beschränkte Selbsthülfe anfange. Im Falle der nach dem zitirten § 164 erlaubten Selbsthülfe sei eine Beschränkung der Mittel wegen der dort vorausgesetzten Gefährdung des Verdrängten nicht angemessen. III. Schließlich wurden die in dem letzten Absätze des Entwurfs sowie des Antrags 1 vorgeschlagenen Bestimmungen berathen. Beschlossen wurde mit Stimmenmehrheit die Annahme des ersten Satzes des letzten Absatzes des Antrags 1, und die Ablehnung der beiden Schlußsätze desselben. Der Entwurf war damit erledigt. Erwogen war: 1. Es sei unbedenklich und der modernen Rechtsauffassung entsprechend, das Recht der Selbstver-1 theidigung gegen den Besitzer demjenigen Inhaber zuzugeste- | Prot I 3499 hen, welcher im eigenen Interesse detinire. Indessen sei das gleiche Recht auch dem Inhaber, der ohne ein solches Interesse die thatsächliche Gewalt ausübe, beizulegen. Denn einem Inhaber der letzteren Art das Recht vorzuenthalten, sei bedenklich oder ohne praktischen Werth. Bedenklich, wenn f ü r die Frage der erlaubten Gewalt das wirkliche Vorhandensein eines Rechts des Inhabers zum Behalten erfordert werde, ohne praktischen Werth, wenn jene Befugnisse dem Inhaber nur f ü r den Fall abgesprochen werden sollten, daß er ohne jede Behauptung eines Rechts in frivoler Weise dem Besitzer sich widersetze. In Betracht komme, daß in ersterem Falle bei einem Streite zwischen Besitzer und Inhaber, ob die maßgebende Voraussetzung vorliege, der öffentliche Frieden gefährdet sein würde, und daß im zweiten Falle der Besitzer sein Recht im gerichtlichen Wege sofort durchzusetzen vermöge. Es empfehle sich deshalb, die in § 72 angegebenen Befugnisse rein auf die Inhabung zu gründen und zur Verdeutlichung hinzuzufügen, daß dieselben auch gegen diejenige Person, f ü r welche die Inhabung ausgeübt werde, zuständen. Letztere Person könne dabei sowohl der Besitzer als eine zwischen dem Inhaber und dem Besitzer stehende Person, die ihrerseits für den Besitzer die thatsächliche Gewalt geübt habe, sein. 169
§ § 858—860
3. Buch: Sachenrecht
2. Der Antrag 1 wolle den Besitzer oder die zuletzt unter 1 bezeichnete Person, welche man dem Inhaber gegenüber Oberinhaber nennen könnte, für den Fall an die Stelle des Inhabers setzen, daß dieser passiv bleibe. Praktisch sei diese Vorschrift | Prot I 3500 | von sehr geringer Bedeutung, da die Befugnisse des Inhabers in kürzester Frist sich erledigten, der Besitzer und Oberinhaber daher kaum Gelegenheit haben würden, dieselben auszuüben. Dabei sei die Einräumung einer solchen von einem späteren Verzicht des eigentlichen Verletzten, welcher doch immer der Inhaber sei, unabhängigen Rechtsstellung nicht ohne Bedenken, auch führe die Einmischung eines bei dem akuten Konflikt nicht unmittelbar Berechtigten zu Zweifeln über dessen Legitimation, welche es unzulässig machten, dem Dritten die Selbsthülfe zu gestatten. Nicht präjudizirt werde übrigens durch die Ablehnung der beantragten V o r schriften der analogen Frage, ob dem Besitzer und dem Oberinhaber zur Aufstellung der Besitzklagen ein selbständiges Recht beizulegen sei5. | Prot I 3514 TE-SachR § 74
| Der § 74 des Entwurfs lautet: »Wer auf einem Grundstücke, von welchem er weiß oder wissen muß, daß dasselbe sich im Besitz eines Anderen befindet, ohne den Willen des Besitzers, außer den Fällen des § 72, Besitzhandlungen vornimmt, handelt in verbotener Eigenmacht." Von einer Seite war die Streichung des § 74 beantragt. Der Antragsteller bemerkte zu Erläuterung: Die zu § 72 an erster Stelle beschlossene Vorschrift, welche den Begriff der verbotenen Eigenmacht feststelle (S. 3494, 3495), mache den § 74 entbehrlich. Der Entwurf enthalte allerdings eine Beschränkung des Begriffs der verbotenen Eigenmacht. Derselbe verlange, daß das im Gesetz aufgestellte Verbot aus Fahrlässigkeit oder aus Vorsatz übertreten sei. Mit der beantragten Streichung werde bezweckt, einer jeden Handlung, welche in objektiver Verletzung der aufgestellten Rechtsnorm vorgenommen sei, den Charakter der verbotenen Eigenmacht zu wahren. Der Streichungsantrag wurde im Sinne des Antragstellers durch Mehrheitsbeschluß angenommen.
Erwogen war: Die Besitzklagen sollen dem Verletzten zur Wiederherstellung desjenigen Zustandes verhelfen, welcher vor der unbefugten Handlung bestand. Der Verletzte würde zur Aufrechterhaltung dieses Zustandes sogar Gewalt haben anwenden dür| Prot I 3515 fen, und es sei weder konsequent noch billig, | ihn darunter leiden zu lassen, daß er von seinem Vertheidigungsrecht erfolgreichen Gebrauch nicht gemacht habe oder nicht habe machen können. Der neugeschaffene Zustand sei deshalb nicht weniger objektiv ungerechtfertigt, weil es an einem Verschulden auf Seiten desjenigen fehle, welcher eigenmächtig gehandelt habe. Indem das Gesetz hierauf das entscheidende Gewicht lege, werde dasselbe auch der Auffassung gerecht, daß der Besitzschutz bezwecke, den Inhaber in provisorischer Weise bei dem bis zu der verbotenen Eigenmacht vorhandenen Zustande zu schützen. Eine Abweichung von dem in dem größten Theile des Reiches geltenden Recht liege hierin, aber diese Abweichung von der aus dem römischen Rechte sich herleitenden Auffassung der Besitzklagen als Deliktsklagen sei aus dem angegebenen Grunde gerechtfertigt und mache es um so unbedenklicher, die Verpflichtung zum Schadensersatze aus dem Besitzprozesse auszuscheiden. 5
Die folgende Beratung Prot. S. 3501 — 13 s. bei §§ 861, 862 BGB.
170
1. Abschnitt: Besitz
§§ 858-860
Der § 75 des Entwurfes lautet: „Verbotene Eigenmacht ist es auch, wenn auf einem in gemeinschaftlichem Be- TE-SachR § 75 sitze befindlichen Grundstücke ein Genösse ohne den Willen der übrigen Besitzhandlungen vornimmt." Die Streichung des § 75 war beantragt und wurde beschlossen, weil schon aus Planck der zu § 736 in Ansehung der Inhabungsgemeinschaft beschlossenen Vorschrift sich (Nr 13, 4) ergebe, daß und inwieweit im Falle des § 75 verbotene Eigenmacht vorliege. Der § 76 des Entwurfs lautet: „Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Derselbe bleibt TE-SachR § 76 fehlerhaft auch in der Hand der Nachfolger im Besitze, welche bei der Erlangung des Besitzes die Fehlerhaftigkeit des Besitzes ihres Vormannes kannten, und in der H a n d des Erben." Außer dem bereits mitgetheilten Anderungsvor- | schlage des Referenten 7 , lagen folgende Anträge vor: 1. den § 76 (unter Streichung des § 74) durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: „Die durch verbotene Eigenmacht erlangte Inhabung einer Sache ist fehlerhaft. Dieselbe bleibt fehlerhaft auch in der H a n d der Nachfolger in der Inhabung, welche bei der Erlangung der Inhabung die Fehlerhaftigkeit der Inhabung ihres Vormannes kannten und in der Hand des Erben." eventuell den 1. Satz dahin zu fassen: „ H a t Jemand die Inhabung einer Sache, von welcher er wußte oder wissen mußte, daß ein Anderer sie inne habe, durch verbotene Eigenmacht erlangt, so ist seine Inhabung fehlerhaft." 2. der im Antrage 1 eventuell vorgeschlagenen Bestimmung nach: „daß ein Anderer sie inne habe" die Worte hinzuzufügen: „oder sie mit inne habe". Die in dem Antrage 1 enthaltene eventuell vorgeschlagene Bestimmung und der auf dieselbe sich beziehende Antrag 2 galten mit Rücksicht auf den zu § 74 gefaßten Beschluß als erledigt. Der verbesserte Entwurf, in der bereits beschlossenen Ausdehnung auf alle Sachen, von welchem der prinzipale Antrag 1 im übrigen nicht abweicht, wurde angenommen, und beschlossen, den Ausdruck fehlerhaft als einen technischen zu gebrauchen. Der Beschluß beruhte auf den in der Begründung S. 456 bis 458 hervorgehobenen Gründen.
| Prot I 3516 Planck (Nr 13, 5)
v.Weber (Nr 25, 1)
II. 1. In der VorlZust „Besitz" lauten die beschlossenen Bestimmungen als §§ 18, 19 und 22: Der Inhaber darf vorbehaltlich der besonderen Fälle, f ü r welche das Gesetz ein VorlZust § 18 Anderes bestimmt, ohne seinen Willen von Niemand in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt (in der Inhabung) gestört oder diese ohne seinen Willen ihm entzogen werden (verbotene Eigenmacht). Der Inhaber ist berechtigt, verbotener Eigenmacht sich mit Gewalt zu erwehren. VorlZust S 19 Ist eine bewegliche Sache dem Inhaber durch verbotene Eigenmacht weggenommen, so ist derselbe berechtigt, dem auf der That betroffenen oder bei sofortiger 6 7
S. bei SS 865, 866 BGB. S. Prot. S. 3512 bei SS 861, 862 BGB.
171
§ § 858—860
3. Buch: Sachenrecht
Nacheile erreichten Thäter die Sache mit Gewalt wieder abzunehmen; im Falle der Wiederabnahme ist die Inhabung (Inhabung und Besitz) als nicht unterbrochen anzusehen. Ist die thatsächliche Gewalt über ein Grundstück dem Inhaber durch verbotene Eigenmacht entzogen, so ist derselbe berechtigt, sofort nach erlangter Kenntniß von der Entziehung sich die Inhabung wieder zu verschaffen, mit Gewalt gegen die Person jedoch nur dann, wenn die Wiederverschaffung sofort nach der Entziehung erfolgt oder wenn die Voraussetzungen vorliegen, bei welchen nach den Bestimmungen des § 164 der Zusammenstellung des Allgemeinen Theils Selbsthülfe erlaubt ist. Die im ersten bis dritten Absätze bezeichneten Befugnisse stehen dem Inhaber auch demjenigen gegenüber zu, für welchen er die Sache inne hat (für welchen er die thatsächliche Gewalt über die Sache ausübt). (NB. zum § 19 1. Absatz 2. Da der § nur von der Inhabung redet, so scheint es den Vorzug zu verdienen, die Inhabung für nicht unterbrochen zu erklären. Der § 718 des Entwurfs betont den Besitz, f ü r welchen die Vorschrift allerdings ihre Hauptbedeutung hat. 2. Absatz 3. Verschafft sich der Inhaber unmittelbar nach der That die thatsächliche Gewalt wieder, so erhellt aus § 159, daß der Besitz nicht unterbrochen ist. Anders, wenn die Wiederverschaffung unter den Voraussetzungen des § 164 der Zus. des Allg. Th. erfolgt ist. Daß in einem solchen Falle der Besitz für nicht unterbrochen gelte, ist nicht beschlossen und zu bestimmen auch schwerlich angemessen. D e r Beschluß weist übrigens allgemein auf die §§161 — 164 hin; indessen passen möchte doch nur § 164.) VorlZust % 22 Die durch verbotene Eigenmacht erlangte Inhabung ist fehlerhaft. Fehlerhaft ist auch die Inhabung des Erben eines durch verbotene Eigenmacht zur Inhabung gelangten Inhabers. Die Inhabung eines sonstigen Nachfolgers des letzteren ist nur dann fehlerhaft, wenn der Nachfolger bei Erlangung der Inhabung die Fehlerhaftigkeit der Inhabung des früheren Inhabers gekannt hat. 2., 3. In der RedVorl und in der ZustSachR 804 und 807: RedVorl § 803
lauten die Vorschriften als §§ 803,
Soweit nicht das Gesetz für besondere Fälle ein Anderes bestimmt, darf Niemand dem Inhaber einer Sache ohne dessen Willen die Inhabung entziehen oder denselben darin stören (verbotene Eigenmacht). ZustSachR ξ 803 Niemand darf, soweit nicht das Gesetz f ü r besondere Fälle ein Anderes bestimmt, ohne den Willen des Inhabers einer Sache demselben die Inhabung entziehen oder ihn darin stören (verbotene Eigenmacht). RedVorl/ Der Inhaber einer Sache ist berechtigt, verbotener Eigenmacht sich mit Gewalt ZustSachR § 804 zu erwehren. Ist eine bewegliche Sache dem Inhaber durch verbotene Eigenmacht weggenommen, so ist derselbe berechtigt, dem auf der T h a t betroffenen oder bei sofortiger Nacheile erreichten Thäter die Sache mit Gewalt wieder abzunehmen. Im Falle der Wiederabnahme ist der Besitz (RedVorl: Die Inhabung) als nicht unterbrochen anzusehen. Ist die thatsächliche Gewalt über ein Grundstück dem Inhaber durch verbotene Eigenmacht entzogen, so ist derselbe berechtigt, sofort nach erlangter Kenntniß von der Entziehung (RedVorl: hiervon) sich die Inhabung wieder zu verschaffen, mit 8 9
S. bei § 856 BGB. S. bei S 856 BGB.
172
1. Abschnitt: Besitz
§§ 8 5 8 - 8 6 0
Gewalt gegen die Person jedoch nur dann, wenn die Wiederverschaffung sofort nach der Entziehung erfolgt oder wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen nach den Bestimmungen des § 188 (K.E.) Selbsthülfe erlaubt ist. (RedVorl: oder die Voraussetzungen der nach § 188 (K.E.) erlaubten Selbsthülfe vorliegen.) Die in dem ersten bis dritten Absätze (RedVorl: Die in dem ersten, dem zweiten und dem dritten Absätze) bezeichneten Rechte stehen dem Inhaber auch demjenigen gegenüber zu, für welchen er die Sache innehat. Die durch verbotene Eigenmacht erlangte Inhabung ist fehlerhaft. Fehlerhaft ist RedVorl/ auch die Inhabung des Erben desjenigen, dessen Inhabung fehlerhaft war. Die Inha- ZustSachR 5 807 bung eines sonstigen Nachfolgers des letzteren ist nur dann fehlerhaft, wenn der Nachfolger bei Erlangung der Inhabung die Fehlerhaftigkeit der Inhabung seines Vorgängers gekannt hat. III., IV. Im K E als §§ 803, 804 und 807 sowie im K E als §§ 814, 815 und 818 ist Gebhard die Fassung der Vorschriften unverändert, nachdem ein Antrag abgelehnt worden (Nr 435, 5) war, die Worte „für besondere Fälle" in § 803 ZustSachR zu streichen (Prot. I, S. 6264, 6270).
B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 90. Sitzung vom 27. 9. 1892 | X I I . Der §814 des Entw. wurde beigehalten, obschon die Verbotsform von |Prot-RJA612 zwei Seiten beanstandet wurde. Man erachtete es für zweckmäßig, im Gesetze auszusprechen, daß die Besitzklage nur an die Voraussetzung einer objektiven Widerrechtlichkeit gebunden sei und daß jede Verletzung des Besitzes sich als objektiv widerrechtlich darstelle. In redaktioneller Beziehung hielt man es für das Beste, sich der Fassung des Entw. anzuschließen mit der Maßgabe jedoch, daß die Worte „Inhabers" und „Inhabung" durch die Ausdrücke „Besitzers" und „Besitz" ersetzt werden sollen. Im Zusammenhange mit § 814 wurde auf Anregung eines Mitgliedes die Frage, ob in § 704 10 der Besitz zu erwähnen sei, von Neuem erörtert. Für die Verneinung machte man geltend: Nachdem sich die Kommission dahin entschieden habe, die Fälle des Abs. 1 und Abs. 2 des § 704 gleichzubehandeln, erübrige sich eine Vorschrift, daß der Besitz als ein Recht im Sinne des § 704 gelte, da jedenfalls nach § 8 1 4 der Besitzstand als ein rechtlich geschütztes Interesse angesehen werden müsse. Die Kommission stimmte dieser Auffassung zu. XIII. Zu § 815 Abs. 1, 2 wurde der Entwurf unter Berücksichtigung der StrafP r o z e ß - O . § 127 Abs. 1 dahin angenommen: „Der Besitzer ist berechtigt, verbotener Eigenmacht sich mit Gewalt zu erwehren. Ist dem Besitzer eine bewegliche Sache durch verbotene Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten Thäter mit Gewalt abnehmen." 91. Sitzung vom 28. 9. 1892 11. Die Berathung des §815 wurde fortgesetzt. Man billigte sachlich die im |Prot-RJA613 Abs. 3 enthaltene Bestimmung, beschloß aber, den Entwurf zu ergänzen, einmal dahin, daß Gewalt nur zulässig sein soll gegen die Person desjenigen, welcher gegen10
S. bei § 823 BGB. 173
§ § 858—860
3. Buch: Sachenrecht
über dem bisherigen Besitzer fehlerhaft besitzt und sodann dahin, daß die im Abs. 3 dem Besitzer eines Grundstücks beigelegte Befugniß, sich gewaltsam wieder in den Besitz des Grundstücks zu setzen, an die Präklusivfrist eines Jahres gebunden sein soll. Man ließ sich hierbei von folgenden Erwägungen leiten: In den Motiven (S. 112 letzter Absatz) sei die Ansicht aufgestellt, daß die im 5 815 Abs. 3 dem Besitzer eines Grundstücks beigelegte Befugniß, sich den ihm durch verbotene Eigenmacht e n t z o genen Besitz mit Gewalt wiederzuverschaffen, absoluter N a t u r sei, daß also der bisherige Besitzer gegen jeden, den er im Besitze des Grundstücks finde, mit Gewalt vorgehen könne. Eine solche Ausdehnung des Selbsthülferechts sei nicht zu billigen. N u r soweit ihm ein Rechtsanspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes zustehe, | Prot-RJA 614 k ö n n e der bisherige Besitzer e r - | m ä c h t i g t werden, direkte Gewalt a n z u w e n d e n , also keinesfalls gegenüber der Person eines gutgläubigen Besitzers. Es empfehle sich deswegen im Gesetze ausdrücklich festzustellen, d a ß Gewalt nur zulässig sein solle gegenüber solchen Personen, welche im Verhältniß zum bisherigen Besitzer fehlerh a f t besitzen. Bei der ausnahmsweisen Natur des im Abs. 3 begründeten Gewaltrechts erscheine es auch zweckmäßig, dasselbe zeitlich auf ein J a h r zu beschränken. Die in Anregung gebrachte Frage, ob es erforderlich sei, im § 815 noch außerdem auf das Recht der Selbsthülfe gemäß § 189 zu verweisen, erachtete man als eine wesentlich redaktionelle; f ü r die ausdrückliche Verweisung an dieser Stelle spreche die Erwägung, daß möglicherweise das im § 815 begründete Gewaltrecht als ein die A n w e n d u n g des § 189 ausschließendes Singularrecht angesehen werden könne. D e r Abs. 4 des § 815 w u r d e gestrichen, da nach der zu § 797 beschlossenen anderweiten Regelung des Besitzes die in Betracht k o m m e n d e n Personen, insbesondere der Mieter und der Pächter, als Besitzer anzusehen seien, und somit ohne weiteres Besitzschutz genießen. Dagegen hielt man es mit Rücksicht auf den neueingestellten § 797 a f ü r e r f o r derlich, dem § 815 einen neuen Absatz des Inhaltes hinzuzusetzen: Ε I-RJA § 815 Die Ausübung der im ersten bis dritten Absätze bestimmten Rechte steht f ü r den Abs. 4 Besitzer auch demjenigen zu, der die thatsächliche Gewalt über die Sache hat, nach § 797a jedoch nicht als Besitzer gilt". |Prot-RJA615
| IV. D e r $ 818 w u r d e sachlich nicht beanstandet. Z u Satz 2 w u r d e von einer Seite der dem E n t w ü r f e zu Grunde liegende Gedanke, w o n a c h die Fehlerhaftigkeit dem Besitz gleichsam als eine Eigenschaft anhafte, als unrichtig bezeichnet, der Rechtssatz selbst lasse sich einfacher daraus herleiten, daß der Erbe auch die rechtlichen Pflichten des Erblassers mitübernehme und um deswillen gehalten sei, die vom Erblasser fehlerhaft besessene Sache herauszugeben. V o n anderer Seite w u r d e diese Auffassung bekämpft. Bei Satz 3 gelangte ein Antrag z u r Annahme, nach welchem der Kenntniß die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Nichtkenntniß gleichgestellt werden soll. (Bern. d. Herausgebers: N a c h Beratung des § 821 12 wurden die bereits beschlossenen Vorschriften dahin gefaßt:) | Prot-RJA 625 | Niemand darf, soweit nicht das Gesetz es gestattet ohne den Willen des BesitE I-RJA § d z e r s diesen im Besitz stören oder ihm den Besitz entziehen (verbotene Eigenmacht). D e r durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muß auch der Erbe des Besitzers sowie derjenige gegen sich gelten lassen, der sie 11 12
Die §§ 816, 817 s. bei §§ 865, 866 BGB. S. bei 868 — 872 BGB.
174
1. Abschnitt: Besitz
§§ 858-860
beim Erwerbe des Besitzes gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren.
Ε I-RJA § e
Ist eine bewegliche Sache dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht weggenom- Ε I-RJA § f men, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten Thäter wieder abnehmen. Ist dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz | durch verbotene Eigenmacht ent- | Prot-RJA 626 zogen, so darf er sich des Besitzes wiederbemächtigen, jedoch nur, wenn es sofort Ε I-RJA § g geschieht, nachdem er von der Entziehung Kenntniß erlangt hat, und nur, wenn sein Gegner ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Nach Ablauf eines Jahres seit der Entziehung ist die Wiederbemächtigung unstatthaft. Die Anwendung von Gewalt gegen die Person ist nur zulässig, wenn die Wiederbemächtigung sofort nach der Entziehung erfolgt. Die in den §§ e—g bestimmten Rechte dürfen im Falle des § b13 auch von demje- Ε I-RJA § h nigen ausgeübt werden, der die thatsächliche Gewalt über die Sache für den Besitzer übt.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 3 6 - 4 1 ; Mugdan Bd. 3, S. 507 ff.) a) Zu § 814 lag der Antrag vor: die §§ 814, 818 dahin zusammenzufassen: Niemand darf, soweit das Gesetz es nicht gestattet, ohne den Willen des Besit- Achilles zers diesen im Besitze stören oder ihm den Besitz entziehen (verbotene Eigen- ( N r 1, 13) macht). Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muß auch der Erbe des Besitzers sowie derjenige gegen sich gelten lassen, welcher sie beim Erwerbe des Besitzes gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Die Beratung der §§ 814, 818 wurde verbunden. Der Antrag wurde abgelehnt, womit die Vorschriften des Entw. gebilligt waren. b) Zu § 815 lagen die Anträge vor: 1. an Stelle des § 815 folgende Vorschriften zu beschließen: § 815. Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren.
Achilles ( N r 1, 14)
§ 815 a. Ist eine bewegliche Sache dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sie dem auf frischer T h a t betroffenen oder verfolgten Thäter mit Gewalt wiederabnehmen. § 815 b. Ist dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sich des Besitzes wiederbemächtigen, jedoch nur, wenn es sofort geschieht, nachdem er von der Entziehung Kenntniß erlangt hat, und nur, wenn sein Gegner ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Nach Ablauf eines Jahres seit der Entziehung ist die Wiederbemächtigung unstatthaft. Die Anwendung von Gewalt gegen die Person ist nur zulässig, wenn die Wiederbemächtigung sofort nach der Entziehung erfolgt. 13
S. bei §S 854, 855 BGB.
175
§§ 858-860
3. Buch: Sachenrecht
§ 815 c. Die in den §§815 bis 815b bestimmten Rechte dürfen im Falle des § 797 a auch von demjenigen ausgeübt werden, welcher die thatsächliche Gewalt f ü r den Besitzer ausübt. hierzu die Unteranträge: Küntzel (Nr. 8, 3)
2. in § 815b den Satz 2 des Abs. 2 abzulehnen; 3. statt des § 815 b zu bestimmen: Ist dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so ist er berechtigt, sich sofort nach eingetretener Entziehung des Besitzes wiederzubemächtigen. Anwendung von Gewalt gegen die Person ist nicht ausgeschlossen. 4. dem Antrag 3 im Falle der Annahme folgenden Zusatz zu geben: Dieses Wiederbemächtigungsrecht steht ihm nur einem Gegner gegenüber zu, der fehlerhaft besitzt. Der Antragsteller zu 3 änderte alsdann seinen Antrag dahin: a) den Satz 2 zu streichen; b) das W o r t „sofort" durch „unverzüglich" zu ersetzen; worauf beantragt wurde, für den Fall der Annahme der Aenderung b nach „unverzüglich" einzustellen „höchstens aber bis zum Ablauf eines Jahres". Die §§815, 815 a, 815 c, des Antrags 1, der Satz 1 des Antrags 3 und der Antrag 4 wurden angenommen, womit sich die übrigen Anträge erledigten. II. In der VorlZust
lauten die Vorschriften:
Ε I-VorlZust Niemand darf (soweit das Gesetz es nicht gestattet) ohne den Willen des Besit§ 8 1 4 zers denselben im Besitze stören oder ihm den Besitz entziehen (verbotene Eigen-
macht.) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muß auch der Erbe des Besitzers, sowie derjenige Nachfolger im Besitze gegen sich gelten lassen, der sie beim Erwerbe des Besitzes gekannt hat. Ε I-VorlZust Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. § 815 Ε I-VorlZust Ist eine bewegliche Sache dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht weggenom§ 815a men, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten Thäter (oder:
fehlerhaften Besitzer) (mit Gewalt) wieder abnehmen. Ε I-VorlZust Ist dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht ent§ 815b zogen, so ist er gegenüber demjenigen, welcher fehlerhaft besitzt (oder: gegenüber
dem fehlerhaften Besitzer) berechtigt, sich des Besitzes wieder zu bemächtigen, jedoch nur, wenn dies sofort nach der Entziehung geschieht. Ε I-VorlZust Die in den §§815 bis 815 b bestimmten Rechte dürfen im Falle des § 797 a auch § 815c von demjenigen, welcher die thatsächliche Gewalt f ü r den Besitzer übt, jedoch nicht gegen diesen selbst, ausgeübt werden. III. In der ZustRedKom
sind die Vorschriften folgendermaßen zusammengefaßt:
Ε I-ZustRedKom W e r dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitze S 814 stört, handelt widerrechtlich, es sei denn, daß das Gesetz die Entziehung oder die
Störung gestattet (verbotene Eigenmacht). Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muß der Nachfolger im Besitze gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerbe gekannt hat. 176
1. Abschnitt: Besitz
§ § 8 6 1 , 862
Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Ist eine bewegliche Sache dem Besitzer mittels verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten Thäter mit Gewalt wiederabnehmen. Ist dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Thäters wieder bemächtigen. Dem Thäter steht derjenige gleich, welcher nach § 814 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muß. Zur Ausübung der im § 815 bestimmten Rechte ist Dritten gegenüber auch derjenige befugt, welcher nach § 797 a die thatsächliche Gewalt für den Besitzer ausübt.
Ε I-ZustRedKom §815
Ε I-ZustRedKom § 815a
IV. Im Ε II lauten die Bestimmungen: Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitze Ε II § 780 stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht). Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muß der Nachfolger im Besitze gegen sich selbst gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerbe gekannt hat. Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Ε II § 781 Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittels verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten Thäter mit Gewalt wiederabnehmen. Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Thäters wiederbemächtigen. Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher nach § 780 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muß. Zur Ausübung der nach § 781 dem Besitzer zustehenden Rechte ist auch derje- Ε II § 782 nige befugt, welcher nach § 778 die thatsächliche Gewalt für den Besitzer ausübt. Bei der Revision des Ε II war der Antrag gestellt; den § 782 zu fassen: Dittmar Wer nach § 778 die thatsächliche Gewalt für den Besitzer ausübt, darf sich der (Nr 39, 1) verbotenen Eigenmacht eines Dritten nach (den Vorschriften des) § 781 erwehren. Der Antrag wurde abgelehnt. V. Im Ellrev §§ 8 4 2 - 8 4 4 , EIII Gesetz gewordene Fassung vor.
, \ 841 — 843 liegt die in §§ 8 5 8 - 8 6 0 BGB
§ 861
Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist. 177
§ § 861, 8 6 2
3. Buch: Sachenrecht
§862 Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.
Α. 1. Kommission I. 300. Sitzung vom 12. 3. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung 1 ging zu den Vorschriften des Entwurfs über die Besitzklagen über. In den Aenderungsvorschlägen des Referenten 2 war zu denselben beantragt, 1. den Besitzschutz dem Inhaber des Grundstücks zu geben und demgemäß 2. die §§ 74— 793 durch Vertauschung der Ausdrücke „Besitz, Besitzer" mit „Inhabung, Inhaber" zu modifiziren. Zunächst wurde beschlossen, den Ausdruck „Besitzklage" in Anschluß an die Civilprozeßordnung §§ 25, 232 als einen technischen, sowohl für die Klagen wegen Störung oder Entziehung des Besitzes, als der Inhabung zu gebrauchen und diese Gebrauchsweise bei der Redaktion durch Einklammerung an passender Stelle zum Ausdruck zu bringen. Ein Bedenken hiergegen hielt man auch dann nicht für begründet, wenn die Inhabung zum Hauptfundamente des possessorischen Schutzes gemacht werden sollte. Sodann wurde über die Vorfrage berathen, ob zwischen den beweglichen Sachen und den Grundstücken in Ansehung der Besitzklagen ein Unterschied gemacht werden solle. Der Referent hatte in seinen Aenderungsvorschlägen 4 die Aufnahme folgender Bestimmung als § 83 b beantragt: | Prot I 3513 „Derjenige, welchem der Gewahrsam einer | beweglichen Sache durch verbotene Eigenmacht entzogen ist, hat den Anspruch auf Herausgabe derselben. Auf diesen Anspruch finden die §§ 74—77, 79—82 5 entsprechende Anwendung." Daneben standen sich gegenüber der Antrag, jeden Unterschied aufzugeben, und der Antrag, die Besitzklagen auf die Grundstücke zu beschränken, eventuell die Beschlußfassung über die Ausdehnung auf bewegliche Sachen bis nach Berathung der Vorschriften über die Vindikation auszusetzen. Beschlossen wurde, in Ansehung der Besitzklagen im Gesetz keinen Unterschied zwischen Grundstücken und beweglichen Sachen zu machen, und zwar auch nicht in Ansehung der Besitzstörungsklage, diese Ausdehnung der Besitzklagen aber nicht durch Aufnahme einer besonderen Vorschrift, sondern dadurch zu bewirken, daß in den Bestimmungen über die Besitzklagen allgemein von „Sachen" geredet werde.
| Prot 13512
1
2 3 4 5
Die vorhergehende Beratung betraf einen Antrag zum Bereicherungsrecht (Prot I 3505—3510; s. S. 768—771 im dritten Schuldrechtsband), der nach Beratung der Vorlagen zu den späteren §§ 865, 866 BGB (s. dort) eingeschoben war, sowie einen Antrag, der zu § 825 Ε I führte; s. bei § 1006 BGB. Siehe Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu §§ 74—81. Die SS 7 4 - 7 6 des Entw. s. bei SS 858 — 860 BGB, den S 79 bei S 863 BGB. Siehe Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu S 83b. Die SS 80—82 des Entw. s. bei S 864 BGB, im übrigen s. N. 3.
178
1. Abschnitt: Besitz
§ § 8 6 1 , 862
Erwogen war: Ein Bedürfniß possessorischen Schutzes bei beweglichen Sachen sei nicht zu leugnen. D a f ü r sprächen die nicht seltenen Fälle der Spolienklage bei beweglichen Sachen. Das Bedürfniß werde bestehen bleiben, wie auch die Beschlüsse über die Vindikation ausfallen möchten. Werde die Vindikation nach Vorbild des französischen Rechts beschränkt, so werde das Bedürfniß nur doppelt fühlbar; werde sie nach Maßgabe der Vorschriften des Entwurfs erleichtert, so sei das Bedürfniß schon deshalb nicht zu verkennen, weil der Vindikant sich Einreden aus dem Rechte zum Besitze müsse gefallen lassen. Aber auch eine Ausschließung der Störungsklage erscheine nicht gerechtfertigt, da, wenn auch eine bloße Störung selten zu einem Besitzprozeß führen werde, ein Interesse an der Zulassung der Störungsklage nicht völlig in Abrede genommen werden könne, namentlich in Fällen, in denen die Inhabung an beweglichen | Sachen sich ähnlich gestalte, wie die Inhabung an Grundstük- | Prot I 3514 ken ζ. Β. bei Schiffen und bewohnten Kähnen, Buden und sonstigen Anlagen, welche nicht fest mit dem Boden verbunden seien; dazu komme, daß oft zweifelhaft sein könne, ob eine bloße Besitzstörung oder eine Besitzentsetzung vorliege und es deshalb nicht zweckmäßig sei, die Zulässigkeit einer Besitzklage von den Voraussetzungen der Besitzentsetzung schlechthin abhängig zu machen 6 . | Der § 77 des Entwurfs lautet: „Dem Verdrängten steht gegen denjenigen, welcher ihm gegenüber das Grundstück fehlerhaft besitzt, der Anspruch auf einstweilige Wiedereinräumung des Besitzes zu. Der Anspruch ist unbegründet, wenn der Erheber des- | selben dem Gegner gegenüber fehlerhaft besaß." Es war beantragt, den § 77 dahin zu fassen: „Wer die Inhabung einer Sache verloren, hat gegen denjenigen, welcher ihm gegenüber die Sache fehlerhaft inne hat, einen Anspruch auf einstweilige Wiedereinräumung der Inhabung. Der Anspruch ist unbegründet, wenn der Kläger dem Beklagten gegenüber fehlerhaft inne hatte." Der nach der in den Aenderungsvorschlägen des Referenten enthaltenen Beziehung auf die Inhabung sachlich von dem Antrage nicht abweichende und durch den früheren Beschluß auf alle Sachen erstreckte Entwurf wurde angenommen. Jedoch wurde die Fassung des Eingangs, wie solche in dem Antrag sich findet, vorgezogen, das W o r t „einstweilige" gestrichen und der P r ü f u n g bei der Redaktion vorbehalten, den Ausdruck „unbegründet" durch einen anderen, etwa „ausgeschlossen" oder „fällt weg" zu ersetzen. Von einer Seite wurde bemerkt, daß S. 456 der Begründung 7 an Stelle des § 664 der badischen Civilprozeßordnung auf § 146 des badischen Einführungsgesetzes zu den Reichsjustizgesetzen Bezug zu nehmen sei. Dem Inhaber die Besitzklage zu gewähren, erachtete man für unbedenklich und den bisherigen Beschlüssen entsprechend. Im Uebrigen erfolgte der Beschluß im Wesentlichen aus den in der Begründung S. 455—458, 464 angegebenen Gründen. Insbesondere war erwogen: Die Erstreckung der H a f t u n g auf den conscius spolii sei geboten, damit der Anspruch nicht auf eine leichte Weise vereitelt werden könne, und gerechtfertigt, weil ' 7
Die §§ 7 4 - 7 6 des Entw. bei §§ 8 5 8 - 8 6 0 BGB. Gemeint ist die Begründung des Teilentwurfs Sachenrecht durch Johow; vgl. die NeuEdition von Werner Schubert.
179
| Prot 13516 TE-SachR § 77
| Prot 13517 Planck (Nr 13, 6)
§§ 858-860
| Prot I 3518
TE-SachR § 78
Planck (Nr 13, 7) | Prot I 3519
3. Buch: Sachenrecht
der conscius spolii, welcher mit seiner Person einen rechtswidrigen Zustand decke, sich zum Begünstiger und Mitschuldigen eines rechtswidrig geschaffenen Zustandes mache. Die Zulassung der exceptio spolii desjenigen, welcher selbst durch Spolium die Sache erlangt habe, würde zwar nicht | passen, wenn man den Deliktscharakter der Klage und den Satz spoliatus ante omnia restituendus aufrecht erhielte. In einem Zeitalter, in welchem Gewalttätigkeiten häufig seien, möge das Festhalten an diesem Grundsatze des älteren gemeinen Rechts geboten sein. Für die Gegenwart sei der Vortheil überwiegend, welchen die Zulassung der exceptio spolii in jenem weiten Umfange vermöge der dadurch herbeigeführten Vereinfachung des Verfahrens gewähre. Gegen die Bezeichnung des bisherigen Inhabers als des „Verdrängten" erhebe sich das Bedenken, daß jener Ausdruck auf eine spezielle Art der Entziehung der Sache zu deuten scheine. Die Streichung des Wortes „einstweilige" erfolgte, weil man annahm, daß es selbstverstänlich sei, daß dem im Besitzprozeß unterliegenden Theile die Ausführung seines Rechtes im petitorischen Prozesse vorbehalten bleibe und eine darauf abzielende Bestimmung in dem Worte „einstweilige" nicht einmal deutlich zum Ausdruck gelange, also besser unausgesprochen bleibe. Der § 78 des Entwurfs 8 lautet: „Gegen denjenigen, welcher den Besitz eines Anderen an einem Grundstücke durch eigenmächtige Handlungen stört, steht dem Besitzer, wenn weitere Störungen nach den Umständen zu befürchten sind, die Klage auf richterliches, unter Strafandrohung zu erlassendes Verbot weiterer Störungen zu. Die Klage ist unbegründet, wenn der Kläger dem Beklagten gegenüber fehlerhaft besitzt." Außer dem früher mitgetheilten Aenderungsvorschlage des Referenten, statt „Besitz" zu setzen „Inhabung" und „Besitzer" statt „Inhaber" (S. 3512) war der Antrag gestellt, den § 78 zu fassen: „Gegen Denjenigen, welcher die Inhabung eines Anderen durch verbotene Eigenmacht stört, steht | dem Inhaber, wenn die Störung fortdauert, ein Anspruch aus Wiederaufhebung derselben und, wenn weitere Störungen nach den Umständen zu befürchten sind, ein Anspruch auf richterliches unter Strafandrohung zu erlassendes Verbot weiterer Störungen zu. Die Klage ist unbegründet, wenn der Kläger dem Beklagten gegenüber fehlerhaft inne hat." Der verbesserte Entwurf wurde unter Ausdehnung auf alle Sachen mit der in dem Antrage vorgeschlagenen Modifikation angenommen, daß der Anspruch auch auf die Wiederaufhebung der fortdauernden Störung gehen solle. Jedoch wurden die W o r t e des Antrags: „wenn die Störung fortdauert", als schon in den nachfolgendenWorten enthalten, für entbehrlich erachtet. Ferner wurde beschlossen, statt „eigenmächtige Handlungen" im Entwurf mit dem Antrage zu setzen: „verbotene Eigenmacht" und, ebenso wie bei dem vorigen § die Vertauschung des Ausdrucks „unbegründet" im zweiten Absätze mit einem anderen Ausdrucke der P r ü f u n g bei der Redaktion vorzubehalten. Erwogen war: 1. Die Störungsklage dem Inhaber zu gewähren, sei ebenfalls unbedenklich. 2. W e n n die Störung noch fortdauere, zum Beispiel der Störende fortfahre, eine Projektion in das Nachbargrundstück von seinem Grundstück aus zu halten, seine Siehe bei Anhang II zum 1. Abschnitt des Sachenrechts Begründung zu § 78.
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1. Abschnitt: Besitz
§ § 8 6 1 , 862
auf ein fremdes Grundstück gebrachten Sachen, vielleicht auch ein auf dem fremden Grundstück errichtetes Gebäude, dort zu belassen, führe das nur auf ein ferneres Unterlassen gerichtete Verbot nicht zu dem Aufhören des geschaffenen und beharrenden Zustandes. Hierzu müsse die Besitzklage aber sowohl in dem Falle der Dejektion als in dem Falle der Störung, welche beide zuweilen ineinander liefen, führen. Man könne | nicht mit dem Entwürfe bei der Besitzklage den Richter ledig- | Prot I 3520 lieh auf ein Verbot beschränken, auch das Gebot eines zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nothwendigen positiven Handelns des Beklagten sei zuzulassen. Damit sei übrigens noch nicht gesagt, daß eine jede körperliche Veränderung und Beschädigung einer Sache als fortdauernde Besitzstörung angesehen werden könne. 3. Die Beschränkung des Anspruchs auf Erlassung eines Störungsverbotes auf den Fall, daß weitere Störungen den Umständen nach zu befürchten seien, erscheine besonders aus praktischen Rücksichten gerechtfertigt, weil sonst der Besitz prozeß leicht als Mittel zur Chikane benutzt werden könne. Die Besitzstörungsklage sei also alternativ von einer doppelten Voraussetzung abhängig. Entweder müsse die Störung einen noch fortdauernden Zustand geschaffen haben, oder es müsse eine Wiederholung zu besorgen sein. Aus der beschlossenen Vorschrift sei das zur Genüge erkennbar. 4. Inwiefern in Drohungen eine Störung liegen könne, habe das Gesetz nicht zu entscheiden. Die Entscheidung sei der Doktrin und Praxis zu überlassen. Einverständniß bestand, daß mit den Besitzklagen ein Anspruch auf Schadensersatz nicht verfolgt werden könne (zu vergl. Motive S. 447—449). II. 1. In der VorlZust„Besitz"
lauten die gefaßten Beschlüsse:
Ist dem Inhaber durch verbotene Eigenmacht die Inhabung entzogen, so hat er VorlZust § 23 gegen denjenigen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft inne hat, den Anspruch auf Wiedereinräumung der Inhabung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Inhaber dem gegenwärtigen Inhaber gegenüber fehlerhaft inne hatte. Ist der Inhaber durch verbotene Eigenmacht in der Inhabung gestört, so hat er VorlZust § 24 gegen den Störer den Anspruch auf Wiederaufhebung der Störung und, wenn nach den Umständen weitere Störungen zu besorgen sind, auf Erlaß eines gerichtlichen Befehls, durch welchen weitere Störungen unter Androhung einer Strafe verboten werden. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Gestörte dem Störer gegenüber fehlerhaft inne hat. 2. In der RedVorlsind die Vorschriften als §§ 808 — 810 enthalten: Derjenige, welchem die Inhabung entzogen ist, hat gegen denjenigen, welcher RedVorl § 808 ihm gegenüber fehlerhaft innehat, den Anspruch auf Wiedereinräumung der Inhabung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Inhaber dem gegenwärtigen Inhaber gegenüber fehlerhaft innehatte. W e r in der Inhabung durch verbotene Eigenmacht gestört ist, hat gegen den RedVorl $ 809 Störer den Anspruch auf Wiederaufhebung der Störung und, wenn weitere Störungen nach den Umständen zu besorgen sind, auf Erlaß eines gerichtlichen Befehls, durch welchen weitere Störungen unter Androhung einer Strafe verboten werden. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Gestörte dem Störer gegenüber fehlerhaft innehat. 181
§§861,862
3. Buch: Sachenrecht
3. In der ZustSachR lauten die Bestimmungen: Derjenige, welchem die Inhabung durch verbotene Eigenmacht entzogen ist, hat gegen den Inhaber, welcher ihm gegenüber fehlerhaft innehat, den Anspruch auf Wiedereinräumung der Inhabung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Inhaber dem gegenwärtigen Inhaber gegenüber fehlerhaft innehatte. ZustSachR § 809 Ist der Inhaber durch verbotene Eigenmacht in der Inhabung gestört, so hat er gegen den Störer den Anspruch auf Wiederaufhebung der Störung; sind weitere Störungen nach den Umständen zu besorgen, so kann er die Erlassung eines gerichtlichen Befehles verlangen, durch welchen weitere Störungen unter Androhung einer Strafe verboten werden. Die Bestimmungen des ersten Absatzes finden keine Anwendung, wenn der Gestörte dem Störer gegenüber fehlerhaft innehat. ZustSachR § 808
Kurlbaum III., IV. Zur Redaktion der beschlossenen Vorschriften war beantragt, in Abs. 1 (Nr 434, 4) des § 809 den zweiten Halbsatz zu fassen: „so kann er die Verurtheilung des Störers zur Unterlassung weiterer Störungen verlangen." Der Antrag wurde angenommen (Prot. I S. 6207, 6214). Unter Berücksichtigung dieser Änderung sind die Vorschriften der ZustSachR in den §§ 808, 809 K E u n d 819, 820 ^ / e n t h a l t e n . B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 91. Sitzung vom 28. 9. 1892 |Prot-RJA615
| V . Zum § 819 Abs. 1 wurde von einer Seite ausgeführt: Der dem Entwürfe zu Grunde liegende Gedanke, daß die Besitzklage nur gegen den Inhaber angestellt werden könne, gegen den Dejizienten also nur, solange derselbe Inhaber sei, sei unrichtig. Die Klage wegen Eigenmacht stehe der Eigenthumsklage nicht gleich. Dieselbe verliere praktisch sehr an Werth, wenn der Dejizient sich seiner Verpflichtung zur Rückgabe der Sache dadurch entziehen könne, daß er sich einfach des Besitzes entledige. Überdies gehe nach dem preußischen A.L.R. I. 7. §§ 146, 148, wie das vormalige Ober-Tribunal in einem Erkenntniß vom 12. September 1873 (Striethorsts Archiv 89 S. 218) angenommen habe, die Klage wegen Besitzentziehung gegen den Thäter, auch wenn derselbe sich des Besitzes wieder entäußert habe, und für das gemeine Recht werde von Windscheid § 160 Note 11 Bd. 1 (5. Aufl.) S. 496 | Prot-RJA 616 und von Dernburg, | Pand. 1 § 188 b (3. Aufl.) S. 436, dasselbe gelehrt. Die Mehrheit der Kommission war dagegen der Meinung, daß die im Entwurf enthaltene Bestimmung zu billigen sei. Die Besitzklage decke sich nicht mit der Deliktsklage. Es sei als ein Fortschritt des Entwurfs anzusehen, daß er beide Klagen scharf trenne. Eine Besitzklage auf Rückübertragung des Besitzes sei nur möglich gegen jemand, der sich im Besitze befinde. Gegen den Abs. 2 des § 819 wurden einige Bedenken laut. Zunächst sei nicht zu verkennen, daß die Bestimmung in einem gewissen inneren Widerspruch mit § 8159 stehe. Letzterer lasse die Selbsthülfe gegen eine Besitzentziehung nur in engen Grenzen zu; der § 819 Abs. 2 gestatte aber dem Besitzer, wenn es ihm gelungen sei, dem Dejizienten den Besitz gewaltsam wieder abzunehmen, falls der Letztere nun gegen ihn die Klage wegen Eigenmacht anstelle, vorzuschützen, daß der Besitz des » S. bei §§ 858—860 BGB.
182
1. Abschnitt : Besitz
§ § 8 6 1 , 862
Dejizienten fehlerhaft gewesen sei, lasse also indirekt die Selbsthülfe in weitestem Umfange zu. — Wenn gesagt sei, der Dejizient werde, auch wenn er zunächst ein obsiegendes Urtheil erstreite, doch die Sache herausgeben müssen, falls der Besitzer nun seinerseits gegen den Dejizienten die Besitzklage anstrenge, so lasse sich dem entgegenhalten: durch das Urtheil werde für den Dejizienten die Grundlage für einen neuen, nunmehr fehlerfreien, Besitz geschaffen und der frühere Besitzer könne deshalb keine Besitzklage, sondern nur noch die Deliktsklage anstrengen. Endlich lasse sich nicht verkennen, daß eine gewisse Gefahr für die Verschleppung der Besitzprozesse entstehe, wenn es gestattet sei, einredeweise vorzubringen, daß der Kläger dem Beklagten im Laufe des letzten | Jahres seinerseits den Besitz entzogen |Prot-RJA617 habe; vermittels Replik könne dann möglicherweise eine weitere Besitzstörung hineingezogen werden, und so könne der an sich einfache Besitzprozeß einen verwikkelten Charäkter annehmen. Man hielt indessen diese Erwägungen nicht für zutreffend. Auf den Widerspruch zwischen § 815 und § 819 Abs. 2 sich zu berufen, erscheine als reiner Formalismus. Das Urtheil ferner, welches der Dejizient etwa gegen den Besitzer erstreiten könnte, habe nur deklaratorische Natur und könne dem Besitz des Dejizienten keinen fehlerhaften Charakter geben. Die Gerechtigkeit erfordere es, den rechtmäßigen Besitzer, welchem es gelungen sei, dem Diebe u.s.w. die Sache abzunehmen, zu schützen; so lange er einen Anspruch auf Rückgabe habe, müsse er auch eine entsprechende Einrede vorschützen können. VI. Der § 820 des Entwurfs wurde sachlich nicht beanstandet. Die Frage, ob die SS 818 bis 820 nicht zweckmäßig in einen einzigen Paragraphen zusammenzuziehen seien, wurde als lediglich redaktionell nicht zur Entscheidung gebracht. (Bern. d. Herausgebers: Nach Beratung des § 821 10 erhielten die Vorschriften die endgültige Fassung in der Vorkommission:) | Ist der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so hat er gegen den Störer den Anspruch auf Beseitigung der Störung und, wenn weitere Störungen zu besorgen sind, auf deren Unterlassung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer gegenüber fehlerhaft besitzt und die Erlangung des fehlerhaften Besitzes in das letzte Jahr vor der Störung fällt. Ist dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht der Besitz entzogen, so hat er gegen denjenigen, der ihm gegenüber fehlerhaft besitzt, den Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes. | Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer gegenüber fehlerhaft und innerhalb des letzten Jahres vor der Entziehung erlangt war.
| Prot-RJA 626 Ε I-RJA § ι
Ε I-RJA § k | Prot-RJA 627
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 43, 44; Mugdan Bd. 3, S. 511) a) Zu § 819 lag der Antrag vor: Achilles die Vorschrift zu fassen: (Nr 1,18) Ist dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht der Besitz entzogen, so hat er gegen denjenigen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt, den Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes. 10
S. bei %% 868 — 872 BGB. 183
§§861,862
3. Buch: Sachenrecht
Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer gegenüber fehlerhaft und innerhalb des letzten Jahres vor der Entziehung erlangt war. Der Antrag wurde angenommen. Achilles (Nr 1,18)
b) Zu § 820 lag der Antrag vor: di e Vorschrift zu fassen: Ist der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so hat er gegen den Störer den Anspruch auf Beseitigung der Störung und, wenn weitere Störungen zu besorgen sind, auf deren Unterlassung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer gegenüber fehlerhaft besitzt und die Erlangung des fehlerhaften Besitzes in das letzte Jahr vor der Störung fällt. Der Antrag wurde gleichfalls angenommen. II. In der VorlZustu
lauten die Vorschriften als §§ 818 a, 819:
Ε I-VorlZust Ist der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so hat er gegen § 818 a (J erl Störer den Anspruch auf Beseitigung der Störung und, wenn weitere Störungen zu besorgen sind, auf deren Unterlassung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer den Besitz innerhalb eines Jahres vor der Störung gegenüber dem Störer fehlerhaft erlangt hatte. Ε I-VorlZust Ist dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht der Besitz entzogen, so hat er ge§ 819 g e n denjenigen, der ihm gegenüber fehlerhaft besitzt, den Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz innerhalb eines Jahres vor der Entziehung dem gegenwärtigen Besitzer gegenüber fehlerhaft erlangt war. III. In der ZustRedKom sind die Bestimmungen in den §§ 819, 820 enthalten: Ε I-ZustRedKom Ist der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann die§ 8 1 9 ser Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer gegenüber fehlerhaft und innerhalb eines Jahres vor der Entziehung erlangt war. Ε I-ZustRedKom Ist der Besitz durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so kann er von § 820 (J e m Störer Beseitigung der Störung verlangen. Sind die weiteren Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer gegenüber fehlerhaft besitzt und die Erlangung des Besitzes in das letzte Jahr vor der Störung fällt. IV. Im Ell Ε II $ 783
lauten die §§ 783, 784:
Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Widereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. 11
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Zu den §§ 818 a, 819 ist in der VorlZust angemerkt: Vorbehalten bleibt, den Absatz 2 des § 818 a und den Absatz 2 des § 819 dahin zu verdeutlichen, daß die Fehlerhaftigkeit des Besitzes nicht nur im Wege der Einrede sondern auch der Replik, Duplik usw. geltend gemacht werden kann.
1. Abschnitt: Besitz
§863
D e r Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer gegenüber fehlerhaft w a r und die Erlangung desselben in das letzte J a h r vor der E n t z i e h u n g fiel. W i r d der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so kann er Ε II § 784 von d e m Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. V. Bei der Revision des Ε II w u r d e der Antrag gestellt, in den §§ 783, 784 jeweils in Absatz 2 hinter dem W o r t „Besitzer" einzuschalten: „oder dessen V o r g ä n g e r im Besitze". D e r Antrag w u r d e der Redaktionskommission überwiesen (Prot. II, Bd. 6, S. 220). In den §§ 846, 847 Ε II rev und §§ 844, 845 Ε III liegt die in §§861, 862 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
§ 863 Gegenüber den in §§ 861, 862 bestimmten Ansprüchen kann ein Recht zum Besitze oder zur Vornahme der störenden Handlung nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, daß die Entziehung oder die Störung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei.
Α. 1. Kommission I. 301. Sitzung vom 14. 3. 1884, Schriftführer von Liehe | Prot I 3527 | D e r § 79 des Entwurfs 1 lautet: „In dem Besitzprozesse kann der Beklagte das Recht z u m Besitze oder das Recht zur V o r n a h m e der als Besitzstörung gerügten H a n d l u n g nicht geltend machen. Es lag der Antrag vor, den § 79 zu fassen: „In dem Prozesse über die in den §§ 77, 78 und 78 a 2 gedachten Ansprüche (Be- Planck sitzprozeß), kann der Beklagte das Recht auf die Inhabung oder das Recht z u r V o r - (Nr 13, 9) nahme der als Störung der Inhabung gerügten H a n d l u n g nicht geltend machen". D e r fragliche Inhalt des Entwurfs, mit welchem der Antrag übereinstimmt, w u r d e aus den G r ü n d e n der Motive gebilligt. Im Einzelnen w u r d e beschlossen:
1. D e r Eingang soll lauten: „Wird auf G r u n d der §§ 77, 78 Klage erhoben (Besitzklage), so kann in dem Prozesse pp." M a n hielt eine Definition des Ausdrucks „Besitzklage", dessen sich auch die Civilprozeßordnung §§ 25, 232 bediene, f ü r erforderlich und damit dann auch schon die Definition des Ausdrucks „Besitzprozeß" gegeben. 2. In der Fassung der beschlossenen V o r s c h r i f t soll z u m Ausdruck gelangen, d a ß die B e r u f u n g auf das Recht insoweit zulässig ist, als sie z u r Widerlegung des V o r wurfs der verbotenen Eigenmacht erforderlich ist. 1 2
Die vorhergehenden Beratungen s. bei §§ 868—872 BGB. Die 77, 78 des Entw. s. bei §§ 861, 862 BGB, den § 78 a bei §§ 868 — 872 BGB.
185
§ 863
3. Buch: Sachenrecht
Erwogen war: Das zu § 72 3 beschlossene Verbot der Eigenmacht cessire, wenn der Handelnde sich in der erlaubten Anwendung der Selbsthülfe zur Durchsetzung eines Rechtes befinde. Behufs der Nachweisung, daß ein solcher Ausnahmefall vorgelegen, könne die Darlegung des Rechtes, dessen Realisirung durch Selbsthülfe versucht werde, | Prot I 3528 erforderlich werden. Nach Ent- | wurf und Antrag könnten Zweifel erhoben werden, ob eine derartige Berufung auf das Recht offen gelassen werden solle. Diesem Zweifel sei durch den beschlossenen Zusatz zu begegnen. II. 1. In der VorlZust„Besitz"
lautet die beschlossene Bestimmung:
VorlZust § 26
Wird auf Grund der §§ 23 bis 25 Klage erhoben (Besitzklage), so kann der Beklagte in dem Besitzprozesse das Recht auf die Inhabung oder das Recht auf Vornahme der als Störung gerügten Handlungen nur insofern geltend machen, als dies erforderlich ist, um den Einwand zu begründen, daß verbotene Eigenmacht nicht verübt worden sei. 2., 3. In der RedVorlund in der ZustSachR lautet die Vorschrift jeweils als § 811: RedVorl/ Wird auf Grund der §§ 808 bis 810 Klage erhoben (Besitzklage), so kann der BeZustSachR § 811 klagte in dem Besitzprozesse das Recht auf die Inhabung oder das Recht zur Vornahme der als Störung gerügten Handlung nur insoweit geltend machen, als es erforderlich ist zur Begründung des Einwandes, daß verbotene Eigenmacht nicht verübt worden sei. B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 91. Sitzung vom 28. 9. 1892 | Prot-RJA 617 Ε I-RJA § 822
| VIII. Der § 822 wurde im Einklang mit dem Entwurf dahin angenommen: Gegen die in den §§ 819 bis 821 bezeichneten Ansprüche kann der Beklagte das Recht zum Besitze oder das Recht zur Vornahme der als Störung gerügten Hand| Prot-RJA 618 lung nur insoweit geltend machen, | als es erforderlich ist zur Begründung des Einwandes, daß verbotene Eigenmacht nicht verübt worden sei. (Bern. d. Herausgebers: Nach der Beratung des § 8214 wurde die Vorschrift gefaßt:) | Prot-RJA 627 | Gegen die in den §§ i bis l5 bestimmten Ansprüche kann ein Recht zum Besitze Ε I-RJA § m oder zur Vornahme der als Störung gerügten Handlung nur insoweit geltend gemacht werden, als es zur Entkräftung der Behauptung, daß verbotene Eigenmacht verübt worden sei, erforderlich ist. C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 44; Mugdan, Bd. 3, S. 517) Achilles (Nr 1, 20)
Zu § 822 lag der redaktionelle Antrag vor: folgende Fassung zu beschließen: Gegen die in den §§819 bis 821 bestimmten Ansprüche kann ein Recht zum Besitz oder zur Vornahme der als Störung gerügten Handlung nur insoweit geltend gemacht werden, als es zur Entkräftung der Behauptung, daß verbotene Eigenmacht verübt worden sei, erforderlich ist. Sachlich wurde die Bestimmung gebilligt. 3 4 5
S. bei §§ 858 — 860 BGB. S. bei §§ 868 — 872 BGB. Die §§ i, k, s. bei §§ 861, 862 BGB, den § 1 bei §§ 868 — 872 BGB.
186
1. Abschnitt: Besitz
§864
II., III. In der VorlZust ist die Vorschrift gemäß dem mitgeteilten Antrag gefaßt. In der ZustRedKom lautet sie: Gegen die in den §§ 819, 820 bestimmten Ansprüche kann ein Recht zum Besitz Ε I-ZustRedKom o d e r zur V o r n a h m e der störenden H a n d l u n g nur insoweit geltend gemacht werden, § 822 als es z u r Begründung der Behauptung erforderlich ist, daß die Entziehung oder die S t ö r u n g des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei. IV. I m Ε II ist die Vorschrift in § 785 enthalten, im Ε II rev § 848 und im Ε III § 847. D i e Fassung entspricht § 863 BGB.
§864 Ein nach den §§ 861, 862 begründeter Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht wird. Das Erlöschen tritt auch dann ein, wenn nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urtheil festgestellt wird, daß dem Thäter ein Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann.
Α. 1. Kommission I. 301. Sitzung vom 14. 3. 1884, Schriftführer von Liebe | D e r § 80 des Entwurfs lautet: | Prot I 3528 „ D u r c h die Erhebung der Besitzklage wird die E r h e b u n g der Klage aus dem TE-SachR § 80 Rechte ebensowenig gehindert wie durch die E r h e b u n g der Klage aus dem Rechte die E r h e b u n g der Besitzklage. E r g e h t in dem Prozesse über das Recht eine Entscheidung, bevor über den Besitzanspruch entschieden ist, so ist der Besitzanspruch f ü r erledigt zu erklären, wenn u n d soweit die als Besitzverletzung gerügte H a n d l u n g dem festgestellten Rechte entspricht. Dies bleibt jedoch ohne Einfluß auf die Entscheidung über die Kosten des Besitzprozesses." D e r § 80 w u r d e aus den in der Begründung S. 462—464 unter aa u. bb dargelegten G r ü n d e n gebilligt. D o c h w u r d e beschlossen, den Schlußsatz des zweiten Absatzes zu streichen und durch die vor: „ f ü r erledigt" einzuschiebenden W o r t e : „vorbehaltlich der Entscheidung über die Kosten" zu ersetzen, da die Fassung des Entwurfs zu der A n n a h m e verleiten könne, als ob den Ergebnissen des petitorischen Prozesses in keinerlei Beziehung irgend ein Einfluß auf die Entscheidung über die Kosten des Besitzstreits beigelegt werden dürfe, w ä h r e n d doch nur zu bestimmen sei, daß die Entscheidung des Petitoriums an sich der Entscheidung über die Kosten des Possessoriums nicht präjudizieren solle. O b im zweiten Absatz im Eingange vor „Entscheidung" z u r Verdeutlichung „rechtskräftige" einzuschieben sei, blieb der P r ü f u n g bei der Redaktion vorbehalten. D e r § 81 des Entwurfs lautet: „Erhebt der wegen Besitzstörung Beklagte wider den Gegner Klage auf Feststel- TE-SachR § 81 lung des | Rechts z u r V o r n a h m e der als Besitzstörung gerügten H a n d l u n g , und | Prot I 3529 187
§864
3. Buch: Sachenrecht
macht derselbe das beanspruchte Recht glaubhaft, so kann auf seinen Antrag das mit dieser Klage befaßte Gericht durch einstweilige Verfügung auf die Dauer des Prozesses den Besitzstörungsprozeß einstellen. Das Gericht kann jederzeit auf Antrag des Besitzers oder von Amtswegen diese Verfügung zurücknehmen." v. Weber (Nr 27, 1)
Es war beantragt, den § so zu fassen: „Ist von dem im Besitzprozesse Beklagten das Recht auf den Besitz oder die Inhabung, oder das Recht zur Vornahme der als Störung gerügten Handlung wider den Gegner durch Klageerhebung geltend gemacht worden, und macht derselbe das beanspruchte Recht glaubhaft, so kann auf seinen Antrag das mit dieser Klage befaßte Gericht durch einstweilige Verfügung anordnen, daß auf die Dauer des Rechtsstreits die Verhandlung im Besitzprozesse auszusetzen sei. Diese Verfügung ist f ü r das Gericht, vor welchem der Besitzprozeß anhängig ist, bindend. Das Gericht kann pp. (wie im Entwürfe)." Beschlossen wurde die Streichung des § 81 ohne Ersatz.
Erwogen war: Der Entwurf wolle eine Absorption des Possessoriums durch das Petitorium (§ 80 Abs. 2) im Falle der Besitzstörungsklage begünstigen, indem der Besitzprozeß, falls begründete Aussicht zu einer solchen Erledigung vorhanden, einstweilen sistirt werde. Für den Besitzentsetzungsprozeß werde nicht der gleiche Vorschlag gemacht, weil in diesem Fall die Wiedereinräumung der Inhabung der entzogenen Sache zum Nachtheile des Klägers hinausgeschoben werden würde. Der Antrag thue | Prot I 3530 den weiteren Schritt der Ausdehnung der Vorschrift des Entwurfs auch | auf den Dejektionsprozeß. Gegen jede derartige Vorschrift spreche indessen, daß der Fall der Aussetzung eines Verfahrens bis zur Erledigung einer Vorfrage, Civilprozeßordnung §§ 139, 140, nicht vorliege, denn es würde sichtbar verfehlt sein, wenn man die Rechtsfrage als Vorfrage f ü r den Besitzprozeß behandeln wollte. Weiter spreche aber gegen eine solche Vorschrift, daß diese darauf hinauslaufe, bescheinigten petitorischen Einreden einen erheblichen Einfluß auf den Besitzprozeß zuzugestehen. Damit würde aber das Prinzip des § 79' in erheblichem Umfange aufgegeben und dessen Zweck oder der Zweck der Besitzklage überhaupt zu nicht geringem Theile vereitelt werden, wie namentlich im Falle der Ausdehnung der Vorschrift auf die Besitzentsetzungsklage scharf hervortrete. Uebrigens stimmten die Bestimmungen des Entwurfs mit den Vorschriften der Civilprozeßordnung insofern nicht überein, als nach den letzteren nur das Prozeßgericht eine Aussetzung anordnen könne und eine solche Anordnung nicht eine einstweilige Verfügung sei. TE-SachR § 82
Planck (Nr 22, 2)
Der § 82 des Entwurfs lautet: „Im Besitzstreite können die Parteien sich nur auf solche Handlungen der Eigenmacht des Gegners berufen, seit deren Geschehen noch nicht ein Jahr vergangen ist." Es war beantragt: ι 4 S. bei
4 1 0 - 4 1 2 BGB.
269
§§ 875-878
3. Buch: Sachenrecht
rechtsgeschäftlicher Erklärungen der Privatpersonen nur von Gerichten oder nur von Notaren zu geschehen habe, wie sich schon daraus ergebe, daß nicht in allen Theilen des Reiches N o t a r e existiren und wieder in anderen Theilen keine solchen Gerichte existiren, zu deren Geschäftskreise die Beurkundung von Rechtsgeschäften gehöre. Auch in Ansehung der Beurkundung durch andere Behörden behalte die Landesgesetzgebung freie H a n d , dieselbe auszuschließen oder zuzulassen. O b es angemessen sei, eine diese Voraussetzung bestätigende Bestimmung in das Einführungsgesetz aufzunehmen, könne für jetzt dahingestellt bleiben. Der Antrag bezwecke aber, wie sich aus dem von demselben Mitgliede herrührenden Antrage 2 b (vgl. daselbst in Abs. 1 den eingeklammerten Satz, S. 3663) ergebe, noch etwas Anderes. Nach dem heute f ü r die Grundbuchordnung gefaßten Beschlüsse solle die Eintragung in das Grundbuch auch auf solche Erklärungen hin zu erfolgen haben, welche von dem Grundbuchamte zu Protokoll genommen werden. Der Antrag | Prot I 3673 wolle der Landesge- | setzgebung auch die Befugniß reserviren, die Abgabe von Erklärungen zu Protokoll des Grundbuchamtes ganz auszuschließen. Diese Tendenz bilde für den vorliegenden Gegenstand den Kern des Antrages. Zur Motivirung sei insbesondere angeführt worden, daß in Bayern, wenn die Grundbuchämter diese Befugniß gegen das bestehende Landesrecht erhielten, die Existenz der Notare schwer bedroht, und bei der Stellung, welche die Notare in dem Organismus der öffentlichen Einrichtungen, insbesondere f ü r das Beurkundungswesen einnehmen, nicht bloß dieser Organismus auf ein längst verlassenes System zurückgeworfen, sondern auch der Staat mit der Aufbürdung schwerer finanzieller Lasten und H a f tungen bedroht werden würde. Dieser Besorgniß gegenüber falle aber in's Gewicht, daß die beschlossene Vorschrift die Grundbuchämter keineswegs mit der Befugniß ausstatte, beliebige Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufzunehmen und zu beurkunden, sondern nur das Protokoll der Grundbuchämter den vor denselben erklärten Eintragungsbewilligungen und Anträgen reichsgesetzlich zugänglich mache, daß ferner bei dem Grundbuchsystem, welchem das bürgerliche Gesetzbuch folge und nach der Entwickelung des Immobiliarrechts in Deutschland folgen müsse, die Erklärung von Bewilligungen und Anträgen zum Protokoll des Grundbuchamtes den Parteien nicht abgeschnitten werden könne, ohne die Interessen derselben unter Umständen zu gefährden, da die Erklärung vor offenem Grundbuche den mit dem | Prot I 3674 zeitlichen Auseinanderfallen der | verschiedenen Voraussetzungen der Rechtserwerbung verbundenen Gefahren am wirksamsten begegne. Diese Gründe seien bei einem so wichtigen Reichsgesetze wie das bürgerliche Gesetzbuch für überwiegend zu erachten, und zwar umsomehr als, soviel bekannt, in keinem anderen Bundesstaate als Bayern ein ähnliches Bedenken obwalte. W e n n f ü r den Antrag noch ferner geltend gemacht sei, nach dem Entwürfe solle es der Landesgesetzgebung freistehen, die Grundbuchämter mit Personen zu besetzen, welche nicht zum Richteramt befähigt seien, man könne sich daher nicht darauf verlassen, daß die Grundbuchbeamten überall hinreichende Vorbildung haben werden, um Einschreibungsbewilligungen aufzunehmen, so könne auch dieses Bedenken nicht getheilt werden, da ein Beamter, welcher das Grundbuch zu führen, also die eingehenden Eintragungsbewilligungen auf deren Zulässigkeit und Vollständigkeit hin zu prüfen habe, stets auch befähigt sein werde, so einfache Erklärungen zu Protokoll zu nehmen. Uebrigens sei nicht ausgeschlossen, auf den Gegenstand zurückzukommen, wenn sich vollkommen übersehen lasse, ob und inwiefern durch eine Vorschrift der beantragten Art die nicht zu entbehrende einheitliche Gestaltung des Verfahrens im Grundbuchverkehr wesentlich erschwert oder verhindert werde 15 . 15
Die sich anschließende Beratung des § 35 des Entw. s. bei § 873 BGB.
270
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§ 875-878
| Der § 36 (h) 16 hat den Wortlaut: „Die Umschreibung eingetragener Rechte auf die Erben des Berechtigten erfolgt auf Vorlegung eines das Erbrecht nachweisenden gerichtlichen Erbscheins. Ist das Recht des Erblassers mit einer Beschränkung auf die Erben übergegangen, so findet die Umschreibung nur statt, wenn zugleich die Beschrän- | kung eingetragen oder auf ihre Eintragung verzichtet wird." Die Kommission beschloß die von zwei Seiten beantragte Streichung des Paragraphen mit dem Vorbehalte, die erforderliche Bestimmung, soweit dieselbe formell, in der Grundbuchordnung, soweit sie materiell, im Erbrecht zu treffen. Die Gründe waren: Der Abs. 1 bezwecke nur das Verfahren zu regeln; er gehöre daher in Konsequenz des in den bisherigen Beschlüssen befolgten Systems in die Grundbuchordnung. D e r Abs. 2 dagegen habe einen materiellrechtlichen Inhalt, da er die Beschränkung als dem Rechte des Erben immanent ansehe, beziehungsweise derselben dingliche Wirkung beilege. Die Entscheidung hierüber aber falle dem Gebiete des Erbrechts anheim, in welchem auch das Erforderliche in Ansehung der Ertheilung des Erbscheins vorzusehen sei. An die erbrechtlichen Bestimmungen seien dann zweckmäßig die Prozedurvorschriften in der Gr. B. O. anzuschließen.
| Prot I 3676 TE—SachR < 36
| Prot I 3677 Kurlbaum (Nr 43,3) Planck (Nr 44,2)
Johow Der Referent hatte beantragt, dem § h (36) als § h a hinzuzufügen: „Die Umschreibung eines zu dem Vermögen einer erloschenen juristischen Per- (Nr 29,1) son gehörenden eingetragenen Rechtes auf den Anfallsberechtigten erfolgt auf Vorlegung eines den Anfall nachweisenden gerichtlichen Nachfolgescheins. Auf den Nachfolgeschein finden die f ü r den Erbschein geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung." | Beschlossen wurde die Ablehnung dieses Antrages, indem die Meinung über- I Prot I 3678 wog, daß eine Ergänzung der Vorschrift des Komm.Entw. § 4917 in materieller Beziehung nicht erforderlich, da dort bereits für die entsprechende Anwendbarkeit erbrechtlicher Vorschriften — über den an den Fiskus fallenden erblosen Nachlaß — Fürsorge getroffen, die Prozedur aber der Regelung durch die Gr. B. O . vorzubehalten sei.
Der § 42 bestimmt unter Abs. 1: „Durch die Löschung einer Eintragung im Grundbuche wird die Eintragung dergestalt aufgehoben, daß sie als nicht mehr bestehend gilt." Der Referent hatte statt dessen in seinen Aenderungsvorschlägen 18 unter § i den Satz so formuliert: „Die Aufhebung einer Eintragung erfolgt durch Löschung derselben im Grundbuche." Die Mehrheit entschied sich für die von zwei Seiten beantragte Streichung der Bestimmung, nachdem hervorgehoben war, daß der vorgeschlagene Satz auch in der neuen Fassung an dieser Stelle das Mißverständniß erwecken könne, als wolle er der Löschung die Funktion zur Aufhebung des Rechtes selbst beilegen, als Vorschrift der Terminologie aber in die Gr. B. O . gehöre. Der § k der Aenderungsvorschläge des R e f e r e n t e n " lautet: „Ist das Recht, welches den Inhalt der Eintragung bildete, weggefallen, so ist der 16 17 18 19
S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts. S. bei §§ 45 — 47 BGB. S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts. S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts.
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TE—SachR § 42
Kurlbaum (Nr 43,3) Planck (Nr 44,2)
§§ 875-878
3. Buch: Sachenrecht
| Prot I 3679 bisher Berechtigte demjenigen, gegen | dessen Recht die Eintragung sich richtet, zur Bewilligung der Löschung verpflichtet. In Ansehung der Kosten findet die V o r schrift des Rechts der Schuldverhältnisse § 239 entsprechende Anwendung." Der § 239 der Zusammenstellung ist inzwischen als § 268 20 in den gedruckten Kommissions-Entwurf übergegangen.
Planck (Nr 44,3)
v. Weber (Nr 47,1)
Beantragt war: 1. den § k dahin zu fassen: ) ( i s t J a ; Recht, welches den Inhalt der Eintragung bildete, weggefallen, so hat der bisher Berechtigte demjenigen, gegen dessen Recht die Eintragung sich richtet, auf dessen Verlangen das Anerkenntniß des Wegfalls in der nach den Bestimmungen der Grundbuchordnung zur Vornahme der Löschung des eingetragenen Rechts erforderlichen Form zu ertheilen. In Ansehung der Kosten . . . " u.s.w. wie im § k. 2. nach dem ersten Satze einzuschalten: „In der Löschungsbewilligung braucht der Rechtsgrund des Wegfalls des Rechtes nicht angegeben zu werden." Beschlossen wurde: 1. die Annahme des § k unter Verweisung des Antrages 1 zur Redaktion; 2. die Ablehnung des Antrages 2.
Erwogen war: Die sachlich von keiner Seite beanstandete Bestimmung des § k sei aus den in den Bemerkungen des Referenten 21 , Prot. S. 3598 und 3599, entwickelten Gründen als gerechtfertigt anzuerkennen. | Prot I 3680 | Der Antrag 1 bezwecke nur, die Fassung zu ändern, um klarzustellen, einmal, daß hier die Löschungsbewilligung den Charakter eines negativen Anerkennungsvertrags (vgl. K.E. § 288) trage und nicht eine Bewilligung sei, welche die Rechtsänderung mit Hülfe der Eintragung erst hervorbringe, sodann, daß in Ansehung der Form, in welcher die Bewilligung erklärt werden müsse, eine Abweichung von dem f ü r die Quittung angenommenen Prinzip (a. a. O. § 267) nicht beabsichtigt sei. Beides werde daher bei der Redaktion zu prüfen sein. Der Antrag 2 wolle die abstrakte Natur der Löschungsbewilligung zum Ausdruck bringen. Dies sei aber nicht erforderlich, da durch die Beschlüsse zu § 3022 über das formelle Konsensprinzip für die Gr. B. O. eine Bestimmung in Aussicht genommen sei, welche außer Zweifel stelle, daß zu jeder Eintragung und also auch zur Löschung, sofern nicht das Gesetz ein Anderes ergebe, die Bewilligung des leidenden Theils genüge. Anlangend aber die Frage, ob eine Vorschrift nöthig sei, welche den § 292 23 des Kommissions-Entwurfes auf die Veräußerung einer Sache oder eines Rechts an einer Sache und den § 28824 daselbst auf den Verzicht auf das Recht an einer Sache und den ein solches Recht betreffenden negativen Anerkennungsvertrag ausdehne, so sei hierüber an dieser Stelle nicht zu entscheiden, die Entscheidung vielmehr der Berathung der folgenden Abschnitte vorzubehalten. 20 21 22 23 24
S. bei § 369 BGB. S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts. S. bei 5 873 BGB. S. bei SS 398, 412 BGB. S. bei § 397 BGB und § 812 BGB.
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2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§ 875—878
311. Sitzung vom 7. 4. 1884, Schriftführer Achilles | Die heute fortgesetzte Berathung des Sachenrechtsentwurfes erstreckte sich auf I Prot 1 3681 die 42 Abs. 2, 43, 45, 37, 38, 39 und die hierauf bezüglichen Aenderungsvorschläge des Referenten 25 . Der Abs. 2 des § 42 lautet: „Ohne Löschungsbewilligung (§ 30 Abs. 1) werden Eintragungen, deren Wirk- TE—SachR samkeit auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt ist, gelöscht, wenn der Tod ξ 42 Abs. 2 desselben durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen ist. Ist nach Inhalt der Eintragung ein Anspruch auf rückständige Leistungen möglich, so kann die Löschung nach Ablauf eines Jahres erfolgen, wenn nicht bis dahin Widerspruch hiergegen im Grundbuche eingetragen ist." Nach § 1 der Aenderungsvorschläge des Referenten 26 sollen diese beiden Sätze je einen besonderen Absatz bilden und die Schlußworte des zweiten Absatzes lauten: „wenn nicht bis dahin Widerspruch in das Grundbuch eingetragen wird." Beantragt war: 1. Den § 42 Abs. 2 (1) zu streichen, eventuell dem zweiten Absätze des § 1 die Kurlbaum (Nr 43,3) Fassung zu geben: | „Ist nach Inhalt der Eintragung ein Anspruch auf rückständige Leistungen mög- | Prot I 3682 lich, so darf die Löschung nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Berechtigten erfolgen. Auf einen innerhalb dieser Frist gestellten Antrag desjenigen, welchem der Anspruch auf rückständige Leistung zusteht, ist der Widerspruch desselben gegen die Löschung einzutragen. Ist der Antrag rechtzeitig gestellt, so findet die Vorschrift des ersten Absatzes keine Anwendung;" Gebhard 2. den § 1 wie folgt zu fassen: „Ohne Löschungsbewilligung werden Eintragungen, deren Wirksamkeit auf die (Nr 35) Lebenszeit des Berechtigten beschränkt ist, gelöscht, wenn der Tod desselben durch eine öffentliche Beurkundung des Sterbefalles nachgewiesen oder ein die Todeserklärung aussprechendes Urtheil vorgelegt wird. Ist nach Inhalt der Eintragung ein Anspruch auf rückständige Leistungen möglich, so kann die Löschung erfolgen, wenn seit dem Todestage oder dem Tage der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils ein Jahr verstrichen und bis dahin ein Widerspruch gegen die Löschung in das Grundbuch nicht eingetragen ist."
Beschlossen wurde: I. den Abs. 1 des § 1 nur insoweit, als es etwa zum Verständniß des Abs. 2 erforderlich, aufzunehmen, im Uebrigen zur Grundbuchordnung zu verweisen; II. den Abs. 2 unter Verweisung der Fassung zur Redaktion, mit der Maßgabe aufzunehmen, daß 1. entsprechend der Fassung des § das dingliche Recht auf Rückstände durch die Löschung an sich nicht aufgehoben, sondern nur dessen Wirksamkeit gegen Dritte nach den Vorschriften des § 24 (w)27 ausge-1 schlossen werde; | Prot I 3683 2. der Widerspruch nur zu berücksichtigen sei, wenn seine Eintragung vor Ablauf eines Jahres
25 S. zu den SS 3 7 - 3 9 des Entw. bei SS 883 ff. BGB. S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts. 27 S. bei S 892 BGB. 26
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§ § 875—878
3. Buch: Sachenrecht
a, seit dem Tode des Berechtigten oder b, seit dem Tage des die Todeserklärung aussprechenden Unheils beantragt werde, 3. die Vermittelung des Gerichtes zur Eintragung des Widerspruches nicht erforderlich sei. Erwogen war: Zu I. Der Abs. 1 regele nur das Verfahren, indem er bestimme, unter welcher formellen Voraussetzung das erloschene Recht im Grundbuche zu löschen sei. Wolle er zugleich den materiellen Rechtssatz aussprechen, daß ein Recht, dessen Wirksamkeit auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt sei, mit dem Tode desselben wegfalle, so habe er einen besonderen Rechtsinhalt nicht. Denn dieser Satz sei selbstverständlich auch bereits in dem Komm.Entw. § 143 Abs. 1 zum Ausdruck gelangt. N u n schließe sich freilich die vorgeschlagene Bestimmung in dem System der Aenderungsvorschläge des Referenten unmittelbar an den § k an, welcher für den Fall der Aufhebung des Rechtes die Verpflichtung des bisher Berechtigten zur Löschungsbewilligung festsetze. Aber der § 1 bezwecke doch nicht sowohl, diese Verpflichtung einzuschränken, als vielmehr das formelle Konsensprinzip, welches in dem § b (§ 30) aufgestellt war, zu modifiziren. Dieses Prinzip aber sei durch die zu § b gefaßten Beschlüsse, Prot. S. 3633 28 , in die Grundbuchordnung verwiesen. D o r t werde daher, soweit nöthig, im Anschluß an die Regel auch die fragliche Ausnahme zu berücksichtigen sein. In das Gesetzbuch könne der Inhalt des Abs. 1 allenfalls nur insoweit aufgenommen werden, als es zum Verständnisse des Abs. 2 erforderlich sei. Zu II. Der Abs. 2 habe zwar auch eine formelle Seite, da er die Befugniß des | Prot I 3684 Eigenthümers, von der Buchbehörde | die Löschung des Rechtes nach dem Tode des Berechtigten zu verlangen, von dem Ablaufe einer Frist und der Nichteintragung eines Widerspruches abhängig mache. Allein seine hauptsächliche Bedeutung liege auf dem Gebiete des materiellen Rechts, indem er die Wirksamkeit des durch den T o d des Berechtigten nicht erlöschenden Rechtes auf etwaige Rückstände abschwäche. Deshalb gehöre die Bestimmung in das Gesetzbuch. Im Allgemeinen entspreche der Vorschlag des Referenten den Bedürfnissen des zu regelnden Verhältnisses. Im Einzelnen sei aber zu beachten: 1. Weniger nach der Fassung des Vorschlages als nach den Motiven S. 337 werde zweifelhaft, ob in Ansehung der Rückstände das Recht der rben des Berechtigten durch die Löschung aufgehoben oder nur der absoluten Wirkung gegen Dritte in Folge der publica fides des Grundbuches entkleidet werden solle. Auszugehen sei von der Regel, daß die Löschung f ü r sich allein rechtsvernichtende Kraft nicht habe, sondern das Recht, wenn dasselbe nicht aufgehoben sei, nur den Gefahren aussetze, welche f ü r nicht oder nicht mehr gebuchte Rechte mit dem Grundsatze der publica fides verbunden seien. Bei dieser Regel müsse es hier bewenden, da praktische Rücksichten, welche zu einer Ausnahme nöthigten, sich nicht geltend machten. 2. Die vorgeschlagene Fassung lasse es zweifelhaft, ob der Widerspruch, um eingetragen zu werden, vor Ablauf des Jahres angebracht sein müsse oder auch später noch erhoben werden könne, wenn nicht inzwischen die Löschung erfolgt sei. Von besonderem Belang sei diese Frage allerdings nicht. Allein wenn die Erben des Berechtigten ein ganzes Jahr lang Zeit hätten, den Anspruch auf etwaige Rückstände «
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S. bei 5 873 BGB.
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§ 875—878
geltend z u machen, so sei ihrem Interesse genügend R e c h n u n g getragen, während andererseits das Interesse des Eigenthümers durch Zulassung des Widerspruches bis zum Ablaufe der vierjährigen Verjährungsfrist des Kommissions-Entwurfs § 157 N r . 4 leicht g e f ä h r d e t werden könnte. Deshalb empfehle es sich, | den Widerspruch | Prot I 3685 im Sinne dieser Gesetzesvorschrift nur innerhalb Jahresfrist zu gestatten. Anlangend den Beginn der Frist, so falle derselbe, a, w e n n der T a g , an welchem der Berechtigte verstorben, durch die Beurkundung des Sterbefalles nachgewiesen, auf diesen T a g e , b, w e n n der Berechtigte durch Urtheil f ü r todt erklärt w o r d e n , auf den T a g , an welchem das Urtheil erlassen sei. D e r Fall der Todeserklärung müsse hier zur Verdeutlichung des Gesetzes besonders erwähnt w e r d e n , da nach dem Kommissions-Entwurf § 22 die Todeserklärung nur die V e r m u t h u n g begründe, daß der Verschollene den Zeitpunkt ihrer Erlassung nicht überlebt habe. 3. V o m Standpunkte des Entwurfes, nach dessen Motiven S. 338 in der Eintragung des Widerspruches eine V e r f ü g u n g s b e s c h r ä n k u n g liege, könne dieselbe nur auf das Ersuchen des Prozeßgerichts v o r g e n o m m e n werden. V o n anderer Seite dagegen w e r d e die Auffassung vertreten, daß es sich hier um einen einfachen Protest gegen die Löschung handele, dessen Eintragung garnicht abgelehnt werden könne, wenn der Protestirende sich als Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger des Berechtigten ausweise; weshalb die Vermittelung des Gerichtes völlig zwecklos sei. Auf die juristische Konstruktion sei hier kein Gewicht zu legen. Entscheidend sei vielmehr, daß das Gesetz, wenn es ohne Weiterungen den Eigenthümer zu dem Löschungsantrage verstatte, es in ebenso einfacher Weise die Erhaltung des Rechtes dem Erben des Berechtigten ermöglichen müsse. Es dürfe den Protestirenden nicht an das Gericht verweisen, weil dieser W e g mit Kosten verbunden sei, meist zur Klage nöthige und überhaupt in seiner Umständlichkeit in keinem Verhältnisse zu dem gewöhnlich nicht gerade erheblichen W e r t h e des Gegenstandes stehe. Ausgeschlossen sei z w a r die A n r u f u n g des Gerichtes nicht unbedingt. Aber sie beschränke sich doch auf die Fälle, in welchen der Rechtsnachfolger des Verstorbenen, sei es der Erbe selbst o d e r ein Zessionar, | aus besonderen G r ü n d e n , namentlich weil er nicht in der | Prot I 3686 Lage sei, die Rechtsnachfolge dem G r u n d b u c h a m t e liquide zu machen, sich an letzteres selbst mit Erfolg wenden könne. D e r W o r t l a u t des $ 43 und des § m der Aenderungsvorschläge 2 9 ist: „Wird ein Grundstück oder ein Theil davon auf dem Grundbuchblatte abge- TE—SachR§43 schrieben und auf ein anderes Blatt übertragen, so gelten die vorhandenen Eintragungen, soweit sie nicht mitübertragen worden, in Ansehung des abgeschriebenen Stückes als gelöscht. Die Mitübertragung unterbleibt, wenn kraft des Gesetzes das abgeschriebene Stück von der H a f t u n g f ü r die bisherigen Belastungen frei wird." Die Kommission beschloß auf den von einer Seite gestellten Antrag Kurlbaum die Streichung dieser Bestimmungen mit dem Vorbehalte, bei der Berathung des (Nr 43,3) Entwurfes der G r u n d b u c h o r d n u n g darüber zu befinden, ob d o r t eine dem Paragraphen entsprechende Vorschrift aufzustellen sei. Man w a r einverstanden, daß der Abs. 1 nur eine besondere Form der Löschung bestimme und folglich als Prozedurvorschrift nicht in das Gesetzbuch gehöre. Den Abs. 2 erachtete die Mehrheit, soweit das materielle Recht in Betracht k o m m e , f ü r inhaltlos, w ä h r e n d derselbe in der G r u n d b u c h o r d n u n g Bedeutung behalten möge. S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts. 275
§§ 875-878
3. Buch: Sachenrecht
Der § 44 lautet: „Einzelne Theile eines Grundstücks, welche der Eigenthümer unbelastet veräußert oder gegen andere Grundstücke ausgetauscht hat, werden ohne Bewilligung der Berechtigten von den Belastungen des Stammgrundstücks frei, wenn die Un| Prot I 3687 Schädlichkeit der Veräußerung oder des Austausches für die Berechtigten von | der zuständigen Behörde bezeugt wird." In den Aenderungsvorschlägen des Referenten 3 0 wurde unter § η die Bewilligung dieser Bestimmung empfohlen.
TE—SachR § 44
Kurlbaum (Nr 43,3; 48,1)
Planck (Nr 50,1)
Beantragt w a r : 1. den § 44 (n) zu streichen, allenfalls so zu fassen: „Einzelne Theile eines Grundstückes, welche der Eigenthümer veräußert, werden von denjenigen Belastungen des Stammgrundstückes, welche der Erwerber nicht übernommen hat, unbeschadet der Nothwendigkeit der Löschung befreit, wenn von der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde bezeugt wird, daß die Veräußerung an sich oder im Zusamenhange mit einer Vergrößerung des Stammgrundstückes unschädlich sei;" 2. den § η dahin zu fassen: „Wenn der Eigenthümer eines Grundstückes einzelne Theile desselben ohne die auf dem Grundstück ruhenden Belastungen veräußern will (eventl. zu veräußern sich verpflichtet hat) und die Unschädlichkeit der Befreiung dieser Theile von den darauf ruhenden Lasten f ü r die Berechtigten von der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde bezeugt wird, so sind die Berechtigten verpflichtet, die Befreiung f ü r den Fall, daß die Veräußerung wirklich erfolgt, zu bewilligen." Beschlossen wurde: den § 44 zu streichen, dagegen in das Einführungsgesetz einen Vorbehalt aufzunehmen, durch welche die Landesgesetzgebungen ermächtigt würden, im Falle der Unschädlichkeit die lastenfreie Abschreibung zuzulassen, die für die Ertheilung des Unschädlichkeitszeugnisses zuständigen Behörde zu bestimmen und die Voraussetzungen, unter welchen dieses Zeugniß ertheilt werden dürfte, zu regeln.
| Prot 1 3688
| Erwogen war: Es sei nicht zu verkennen, daß der Vorschlag des Entwurfes mit dem in großen Gebieten des Reiches geltenden Rechte in Einklang stehe, f ü r dieselben auch in hohem Grade zweckmäßig sei, um die im wirthschaftlichen Interesse oftmals nothwendige Abtrennung kleiner Parzellen von Grundstücken nicht an dem Eigensinne oder gar der Chikane der dinglich Berechtigten oder auch nur den mit der Einholung ihrer Genehmigung verbundenen kostspieligen Weiterungen scheitern zu lassen, während für andere Gebiete, namentlich für solche, in welchen die Bodenzersplitterung weit vorgeschritten sei, das Bedürfniß einer von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen abweichenden Vorschrift vielleicht nicht bestehe und deshalb ihre Angemessenheit bestritten werden könne. Unbeachtet dürfe aber nicht bleiben, daß mit Aufnahme der Bestimmung des § 44 in das Gesetzbuch reichsrechtlich feststände, daß die Bundesstaaten, für welche hierin eine Neuerung läge, einerseits gezwungen wären, Behörden zu bezeichnen, welche die Unschädlichkeit der Abtrennung zu bezeugen hätten, andererseits aber hierauf sich beschränken könnten. Dann wäre die lastenfreie Abveräußerung von Parzellen ohne Weiteres zulässig, wenn nur das Unschädlichkeitszeugniß dem Grundbuchamt eingereicht würde. Dies müßte aber überaus bedenklich erscheinen. Das Interesse des Realkredits fordere S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts.
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2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§
875— 878
dringend, d a ß die Unschädlichkeit einer Abtrennung nicht in das freie Ermessen einer Behörde gestellt, sondern an bestimmte, die Rechte der Betheiligten schützende V o r a u s s e t z u n g e n geknüpft w ü r d e ; namentlich w e r d e es kaum zu umgehen sein, das Verhältniß des abzuveräußernden Theils zu dem Restgrundstücke möglichst zu begrenzen u n d eventuell die V e r w e n d u n g des f ü r den Theil erlangten Aequivalents z u r Werthsausgleichung sicher zu stellen. In P r e u ß e n seien diese und andere Punkte mittels der Gesetze vom 3. M ä r z 1850 und vom 27. Juni 1860 genau geregelt. Auch das bürgerliche Gesetzbuch w ü r d e Bestimmungen in der angedeuteten Richtung geben müssen, w e n n | es dem Vorschlage des Entwurfs folgte. Es sei aber nicht | Prot 1 3689 räthlich, d u r c h Reichsgesetz die erforderliche Regelung vorzunehmen. Sachgemäß k ö n n e dieselbe nur im W e g e der Landesgesetzgebung erfolgen, weil die thatsächlichen Verhältnisse, an welche sie sich anzupassen habe, in den einzelnen Staaten sehr verschieden seien. Deshalb bedürfe es eines entsprechenden Vorbehaltes, welcher in das Einführungsgesetz gehöre. D e r W o r t l a u t des § 45 ist: „In den Fällen der Gemeinheitstheilung, der zwangsweisen Zusammenlegung TE—SachR § 45 von G r u n d s t ü c k e n , der Regulirung gutsherrlicher und bäuerlicher Verhältnisse und der Ablösung von Reallasten und Dienstbarkeiten bestimmt sich die Befreiung eines Grundstücks von den bisherigen Belastungen nach den Landesgesetzen." Die Kommission beschloß die von dem Referenten beantragte und in den Bem e r k u n g e n zu den Aenderungsvorschlägen, P r o t . S. 3591 31 , motivirte Streichung dieser Bestimmung mit Rücksicht auf den § 26 der sachenrechtlichen Vorschläge f ü r das Einführungsgesetz. 324. Sitzung vom 16. 5. 1884, Schriftführer Achilles | VIII. D e r § 127 des Entwurfs 3 2 lautet: | Prot I 3930 „Der V e r ä u ß e r e r ist nicht berechtigt, die mit dem Erwerber g e t r o f f e n e Verabre- TE—SachR § 127 dung, daß dieser der an ihn erfolgten Auflassung ungeachtet durch die Eintragung nicht E i g e n t h ü m e r werden solle, gegen dritte Personen geltend zu machen." D e m in der Sitzung vom 14. Mai 1884 beschlossenen Vorbehalte (S. 3919) 33 gemäß w u r d e zugleich mit dem § 127 der § 125, soweit er dem Bucheigenthümer die Simulationseinrede gegen Dritte versagt, zur Berathung gestellt. Beantragt w a r : Kurlbaum 1. den § 127 in der Fassung „Ist im Falle der V e r ä u ß e r u n g eines Grundstücks der Erwerber als Eigenthümer (Nr 77, 10) in das G r u n d b u c h eingetragen, so kann der V e r ä u ß e r e r gegen Dritte nicht geltend machen, d a ß die V e r ä u ß e r u n g zum Schein vorgenommen sei" zu den allgemeinen Grundsätzen des Grundbuchrechts zu verweisen. Im Laufe der Berathung w a r ferner beantragt: 2. den § 125 auch insoweit, als derselbe den Simulationsfall betrifft, und den § 127 zu streichen; 3. die vorgeschlagenen Bestimmungen dahin zu ergänzen, daß auch dritten Personen die B e r u f u n g auf die Simulation des der Eintragung zu G r u n d e liegenden Geschäftes versagt werde, und mit dieser E r g ä n z u n g auf alle eingetragenen Rechte auszudehnen. 31 32
»
S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts. Die vorhergehende Beratung s. bei § 893 BGB. S. bei § 893 BGB.
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§§ 875-878
3. Buch: Sachenrecht
Die Kommission nahm den Antrag 3 an und erachtete hierdurch den Entwurf und den Antrag 1 f ü r erledigt. Sachlich ist somit beschlossen: | Prot 1 3931 | „Eine Eintragung, die auf Grund eines nur zum Schein vorgenommenen Rechtsgeschäftes erfolgt, ist wirksam, unbeschadet des Rechtes der Parteien, im Verhältniß zu einander die Nichtigkeit des Scheingeschäfts (mittels persönlicher Ansprüche) geltend zu machen." Hierbei war erwogen: Den Gründen, welche die Motive S. 702, 706 und 707 dafür anführen, daß weder dem als Eigenthümer eingetragenen Erwerber, wenn er als Eigenthümer in Anspruch genommen werde, noch dem Veräußerer Dritten gegenüber die Geltendmachung einer Simulation der Auflassung gestattet werden dürfe, sei beizupflichten. Wenn das praktische Bedürfniß für die Vorschläge des Entwurfes von einer Seite bestritten werde, weil der Dritte, welchem die Simulation der Auflassung zum Nachtheil gereichen könne, durch den öffentlichen Glauben des Grundbuches geschützt sei, in den Fällen aber, in welchen er die Simulation gekannt habe, in einer schutzbedürftigen Lage sich nicht befinde, die Behauptung der Simulation überdies sehr schwer zu substanziiren sei, was die Kommission bereits in einer früheren Sitzung (Prot. S. 1338) anerkannt habe, so werde von anderer Seite mit Recht hiergegen geltend gemacht: der Grundsatz des öffentlichen Glaubens schütze nur die Erwerbung, nicht aber die Verfolgung des bereits erworbenen Rechts gegen die Simulation, und es komme nicht sowohl darauf an, daß die Simulation nicht gerade häufig dargethan, sondern darauf, daß sie erfahrungsgemäß nicht selten wenn auch schließlich ohne Erfolg behauptet, hierdurch aber der reelle Rechtsverkehr geschädigt, namentlich auch derjenige, welcher auf Grund der angeblich simulirten Auflassung als Eigenthümer eingetragen sei, im ruhigen Genüsse seines Rechtes beeinträchtigt werde. Der Entwurf sei aber nach zwei Richtungen zu eng. Zunächst sei es nicht folgerecht, die Berufung auf die Simulation, welche den Vertragschließenden gegen | Prot I 3932 Dritte | versagt werde, diesen gegen jene zu gestatten. Damit käme man zu einem doppelten oder relativen Eigenthum, indem bald der als Eigenthümer eingetragene Erwerber, bald der Veräußerer als der Eigenthümer gelten müßte, einer Konstruktion, die mit der N a t u r des Eigenthums unverträglich sein und mancherlei praktische Uebelstände zur Folge haben würde. Sodann sei nicht abzusehen, weshalb der Entwurf nur die Auflassung, nicht auch die übrigen Rechtsgeschäfte, auf Grund deren Eintragungen in das Grundbuch erfolgen, gegen Simulation sicherstellen wolle. Die Gründe, auf welchen die §§ 125 und 127 nach den Motiven beruhen, nöthigen dazu, ihre Bestimmungen auf alle Eintragungen anzuwenden. Wenn auch das praktische Bedürfniß vornehmlich für das Eigenthum sich zeige, so sei es doch auch f ü r die übrigen Rechte, namentlich für die Hypothek, nicht zu leugnen, und daß das Gesetz einfacher werde, wenn es die Simulationsfrage bezüglich aller eingetragenen Rechte gleich behandele, sei ein Vortheil, dessen Werth nicht verkannt werden dürfe. Wenn gegen den Entwurf und die Anträge 1 und 3 noch eingewendet werde, daß dadurch der Satz des K.E. § 95 „Ein zum Scheine vorgenommenes Rechtsgeschäft ist nichtig" eine erhebliche Einschränkung erleide, so sei hierauf zu entgegnen, daß diese Einschränkung nicht blos durch das praktische Bedürfniß geboten, sondern auch juristisch nicht ungerechtfertigt sei. Wolle man auch nicht so weit gehen, wie von einer Seite ausgeführt wurde, daß der durch Eintragung sich vollziehende dingliche Vertrag begrifflich der Simulation widerstrebe, so müsse doch den Motiven S. 707 und 708 darin beigetreten werden, daß die Bedeutung des Grundbu278
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§ 875—878
ches f ü r den Rechtsverkehr unter Berücksichtigung der abstrakten Natur des dinglichen Vertrages dazu dränge, die Wirkungen der Simulation auf das Verhältniß der Vertragschließenden zu einander zu beschränken und also nur die aus diesem Verhältnisse hervorgehenden obligatorischen | Ansprüche des einen gegen den anderen |ProtI 3933 anzuerkennen. II. 1. In der VorlZust lauten die beschlossenen Vorschriften in den §§ 22—25 34 : Auf die Wirksamkeit einer Eintragungsbewilligung ist es ohne Einfluß, wenn, VorlZust § 22 nachdem der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte eingegangen ist, der, welcher die Bewilligung ertheilt, oder der, welcher dieselbe angenommen hat, stirbt oder die Geschäftsfähigkeit verliert oder der Bewilligende in der Verfügung über das f ü r ihn eingetragene Recht beschränkt wird. Eine Eintragung, die auf Grund eines zum Schein vorgenommenen Rechtsge- VorlZust § 23 schäftes erfolgt, ist wirksam, unbeschadet des Rechts der Parteien, im Verhältniß zueinander die Nichtigkeit des Scheingeschäftes geltend zu machen. (Zum § 23: zu vergl. Kom. Entw. § 95, wo auch Parteien steht, ferner § 131, wo der Ausdruck: „untereinander" sich findet; der Ausdruck: „persönliches Rechtsverhältniß" ist enthalten in § 600.) Ist ein eingetragenes Recht aufgehoben, so hat der bisher Berechtigte dem, ge- VorlZust § 24 gen dessen Recht die Eintragung sich richtet, auf dessen Verlangen die Bewilligung zur Löschung des eingetragenen Rechts in der nach den Vorschriften der Grundbuchordnung zur Löschung erforderlichen Form zu ertheilen. In Ansehung der Kosten der Löschungsbewilligung und der Löschung findet der § 268 35 entsprechende Anwendung. (Zum % 24. 1. Z u vergl. 5 267 Kom. Entw. 2. Im § k heißt es: „Ist das Recht, welches den Inhalt der Eintragung bildet, weggefallen". Für: „weggefallen" möchte wegen der §§ 180 Abs. 3, 192, 495 Kom Entw. sich „aufheben" empfehlen. Im Uebrigen fragt sich, ob „Inhalt der Eintragung bilden" g a n z korrekt sei. 3. D e r Zusatz: „und der Löschung" ist nicht beschlossen, wird aber nöthig sein, schon wegen des § 3136). Ist ein auf Lebenszeit des Berechtigten beschränktes Recht eingetragen, welches VorlZust 5 25 nach dem Inhalte der Eintragung einen Anspruch auf rückständige Leistungen nicht ausschließt, so ist die Löschung des Rechts auf Grund des Todes des Berechtigten zulässig, wenn seit dem Tage des Todes oder der Todeserklärung ein Jahr verstrichen u n d nicht innerhalb dieser Frist von dem, welchem der Anspruch auf rückständige Leistungen zustehen würde, bei dem Grundbuchamte die Eintragung des Widerspruchs gegen die Löschung beantragt ist. Das Grundbuchamt hat den Widerspruch auf einseitigen Antrag des zum Widerspruche Berechtigten einzutragen. (Zum § 25. 1. Die Grundbuchordnung wird die Bestimmung enthalten: Die Löschung eines auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Rechts erfolgt auf Grund des 34
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In einer früher abgefaßten VorlZust „Grundbuchrecht" sind die §§ 22, 24 und 25 gleichlautend in den §§ 4—6 enthalten, nur ohne Anmerkungen. Gemeint ist die Bestimmung des KE, s. bei § 369 BGB. § 3 1 VorlZust s. bei § 894 BGB.
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3. Buch: Sachenrecht
durch öffentliche Urkunden zu führenden Nachweises, daß der Berechtigte gestorben oder für tot erklärt sei. 2. Der Schwerpunkt der Vorschrift liegt darin, daß die Löschung zulässig ist, wenn der Berechtigte gestorben oder für tot erklärt und seitdem ein Jahr verstrichen ist, ohne daß ein Widerspruch gegen die Löschung angemeldet wurde. Darin ist eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen zu finden, nach welche letzteren der Erbe des Berechtigten die Löschung zu bewilligen hätte. Die Fassung der Vorschrift muß ergeben, worin ihre juristische Bedeutung bestehe. 3. Es ließe sich Manches dafür anführen, daß das Widerspruchsrecht nur dem Erben des Berechtigten beizulegen sei. Indessen die Beschränkung ist nicht beschlossen in Würdigung des Falls, wenn der Berechtigte einen Anspruch auf Rückstände cedirt haben sollte, in welchem Falle auch der Cessionar zum Widerspruch berechtigt sein soll. Der Cessionar muß natürlich seine Legitimation oder die Cession durch öffentliche Urkunden nachweisen. Um diesen wenig praktischen Fall zu decken, heißt es: „welchem der Anspruch auf rückständige Leistungen zusteht". 4. Zweifelhaft kann erscheinen, ob nicht nach Vorbild des Entwurfs auch die Eintragung des Widerspruchs innerhalb der entscheidenden Frist zu erfordern sei. Indessen eine solche, zudem nicht beschlossene Strenge, würde zu weit führen. 5. Die Fassung des § ergiebt wohl zur Genüge, daß durch die Löschung nicht das dingliche Recht aufgehoben, sondern nur der publica fides des Grundbuchs Wirksamkeit verschafft wird; das Gegentheil müßte bestimmt werden.) 2. In der RedVorP6a lauten die gefaßten Beschlüsse in den §§ 819, 820, 822, 823: RedVorl § 819 Auf die Wirksamkeit einer Eintragungsbewilligung oder der Annahme einer solchen ist es ohne Einfluß, wenn nach dem Eingange des Eintragungsantrages bei dem Grundbuchamte einer der Vertragschließenden stirbt oder die Geschäftsfähigkeit verliert oder derjenige, welcher die Eintragung bewilligt hat, in der Verfügung über das [für ihn eingetragene] Recht beschränkt wird. RedVorl § 820 In den Fällen des § 816 wird der Eintritt der Rechtsänderung dadurch nicht ausgeschlossen, daß der zu derselben erforderliche Vertrag zum Schein abgeschlossen ist, unbeschadet des Rechtes der Vertragschließenden im Verhältniß zueinander die Nichtigkeit des Vertrages geltend zu machen. RedVorl § 822 Ist ein eingetragenes Recht aufgehoben, so hat der bisher Berechtigte demjenigen, gegen dessen Recht die Eintragung sich richtet, auf Verlangen desselben die 36a Begründung zu $ 819: 1. Für „diejenige welcher" (statt: der, welcher) vgl. K.E. §§ 5, 8 Absatz 2, 15 Na 2, 18, 25, 48 Abs. 5, 49, 61 Abs. 1, 15, 88, 156 N2 9, 11, 12, 284, 308, 336, 616, 704, 707, 722, 742 u. a. Der Ausdruck „der, welcher" ist mir in dem K-.E. bei oberflächlicher Durchsicht nicht begegenet. 2. Die Worte „oder der Annahme eine solchen" werden nicht fehlen dürfen, da die Anschauung des Entwurfes auf die Annahme der Eintragungsbewilligung ausdrücklich beschlossen ist; vgl. Prot. S. 3651, 3660. Begründung zu § 820: 1. Als simulirtes Rechtsgeschäft im Sinne der beschlossenen Vorschrift kann m. E. nur der dingliche Vertrag (§816) in Betracht kommen. 2. Nicht von der Wirksamkeit der Eintragung, sondern davon wird zu reden sein, daß der Eintritt der Rechtsänderung durch die Simulation des dinglichen Vertrages nicht ausgeschlossen werde. Begründung zu 5 823: Die beschlossene Vorschrift bildet eine Ausnahme von einer Regel und ist deshalb schwer verständlich, wenn man nicht zunächst der Regel Ausdruck giebt. Dies bezweckt die Vorlage mit Absatz 1. 280
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§
875—878
Löschung des aufgehobenen Rechtes in der nach der Grundbuchordnung hierzu erforderlichen Form zu bewilligen. In Ansehung der Kosten der Löschungsbewilligung und der Löschung findet der § 268 (K.E) entsprechende Anwendung. Wird auf ein das Eigenthum belastendes Recht oder auf ein Recht an einem solchen Rechte verzichtet, so findet der § 288 (K.E.) ensprechende Anwendung 3 7 . Zur Löschung eines eingetragenen Rechtes, welches auf die Lebenszeit des Be- RedVorl § 823 rechtigten beschränkt ist, bedarf es, nachdem der Berechtigte gestorben oder für tot erklärt worden ist, einer Löschungsbewilligung des Rechtsnachfolgers nicht. Ist nach dem Inhalte der Eintragung ein Anspruch auf rückständige Leistungen nicht ausgeschlossen, so findet die Bestimmung des ersten Absatzes nur dann Anwendung, wenn seit dem Tode des Berechtigten oder seit dem Tage der Todeserklärung ein Jahr verstrichen und nicht innerhalb dieser Frist wegen rückständiger Leistungen von demjenigen, welchem dieselben zustehen, die Eintragung eines Widerspruches gegen die Löschung bei dem Grundbuchamte beantragt ist. Die Eintragung erfolgt auf einseitigen Antrag des zum Widerspruch Berechtigten. 3. In der ZustSachR ist die Fassung des § 819 insoweit geändert, als es nach dem Wort „wenn," heißt: „nachdem der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte eingegangen ist, eine der Parteien s t i r b t . . . . " Im übrigen wurde die RedVorl übernommen. Eine Eintragung, welche auf Grund eines zum Schein vorgenommenen Rechtsgeschäftes erfolgt, ist wirksam, unbeschadet des Rechtes der Parteien, im Verhältniß zueinander die Nichtigkeit des Scheingeschäftes geltend zu machen. Zur Löschung eines eingetragenen auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Rechtes ist, wenn der Berechtigte gestorben oder für todt erklärt worden ist, eine Löschungsbewilligung des Rechtsnachfolgers nicht erforderlich. Abs. 2 wie in der RedVorl. § 822 RedVorl war zunächst unverändert in die ZustSachR übernommen worden. In der 351. Sitzung vom 22. 9. 1884, Schriftführer von Liebe, wurde die Berathung wiederaufgenommen. | Die heute fortgesetzte Berathung des Sachenrechtsentwurfes befaßte sich zunächst mit dem § 822 der Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen, Prot S. 3678—3680, 3971, 3972. Den Anlaß hierzu gab der von einer Seite gestellte Antrag, in dem § 822 der Zust. den Abs. 1 zu streichen (zu vergl. § 827)38 und in dem Abs. 2 die Worte „§ 288 K.E." zu ersetzen durch „§ 817"39 (zu vergl. S. 4348). Die Mehrheit der Kommission entschied sich f ü r die Annahme dieses Antrags. Ein von anderer Seite gestellter Antrag, dem § 827 der Zust., 38 Prot S. 3718 — 3721 einen Zusatz zu geben, welcher klar stelle, daß dieser Paragraph auch auf den Fall des § 822 Abs. 1 sich beziehe, wurde abgelehnt.
ZustSachR § 820
ZustSachR § 823 Abs. 1
| Prot I 4355
Kurlbaum (Nr 180)
Erwogen war: 1. Der Abs. 1 des § 822 knüpfe, ebenso wie der § 827 an den Widerspruch einer Eintragung mit der wirklichen Rechts- | läge die Verpflichtung desjenigen, f ü r wel- | Prot I 4356 37
38 "
Die Beratungen, die zur Anfügung des zweiten Absatzes in § 822 führten, s. bei 5 892 BGB. S. bei § 894 BGB. S. bei S 873 BGB.
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§§ 8 7 5 - 8 7 8
3. Buch: Sachenrecht
chen ein ihm nicht zustehendes Recht eingetragen sei, die der wirklichen Rechtslage entsprechende Eintragung zu bewilligen. Die Verpflichtung sei inhaltlich dieselbe, gleichviel ob der Widerspruch durch eine von vornherein unrichtige Eintragung oder durch die Aufhebung eines eingetragenen Rechtes hervorgerufen sei. Die §§ 46 u. 47 (§ s)40 des Entwurfes hätten freilich nur den ersteren Fall zu regeln bezweckt. Allein der Beschluß, welcher die Kommission hierzu in der Sitzung vom 9. April 1884, Prot. S. 3720, gefaßt habe, treffe alle Fälle des Widerspruches zwischen dem Grundbuche und der wirklichen Rechtslage, und man habe es damals nur für eine Frage der Redaktion gehalten, ob der Beschluß zu § k der Änderungsvorschläge, welchem der § 822 Abs. 1 (Zusammenst.) entspreche, die Aufstellung eines besonderen Paragraphen erfordere. Nach der vorliegenden Fassung des § 827 müsse diese Frage verneint werden. Damit erledige sich zugleich der auf Ergänzung desselben gerichtete Antrag. Gegen die Streichung des § 822 Abs. 1 könne auch nicht eingewendet werden, daß nach derselben eine Bestimmung fehle, welche den Berechtigten zur Löschungsbewilligung verpflichte, wenn zwar unter den Parteien die Aufhebung des Rechtes vereinbart, zu seinem Untergange aber noch die Löschung im Grundbuche nöthig sei. Denn eine solche Verpflichtung sei in dem § 822 ebensowenig ausgesprochen wie in dem § 827. Beide Paragraphen betreffen nur die dingliche Seite des Rechtsverhältnisses und setzen die bereits erfolgte Aufhebung oder Nichtexistenz des eingetragenen Rechtes voraus. Sei der dingliche Vertrag, weil die Löschung noch fehle, noch nicht vollendet, so könnten nur obligatorische Löschungen obwalten, welche die Verpflichtung des passiv Betheiligten zur Herbeiführung der Löschung begründeten. Im Allgemeinen würde dies der Fall sein. Eine diesbezügliche Vorschrift gehöre aber nicht hierher und sei auch entbehrlich, weil die Bestimmungen über die Erfüllung der Verträge und bezw. der obligatorischen Verpflichtungen schon das Nöthige ergäben. | Prot I 4357
| 2. Der Abs. 2 des § 822 sei, wie aus der Bezugnahme auf die den Erlaßvertrag regelnde Bestimmung des K.E. $ 822 erhelle, nur auf den vertragsmäßigen Verzicht zu beziehen, nicht aber, wie von einigen Mitgliedern angenommen werde, so zu verstehen, daß auf eingetragene Rechte nur durch Vertrag verzichtet werden könne. Der Zweck des Beschlusses, auf welchem der Abs. 2 beruhe, sei nach Ausweis der Protokolle vom 4. April und vom 21. Mai 1884, S. 3680 und 3971 lediglich der gewesen, die abstrakte Natur des Verzichtes außer Zweifel zu stellen. Diese N a t u r aber habe nicht blos der vertragsmäßige, sondern auch der einseitige Verzicht. H a b e nun die Kommission in der Sitzung vom 19. September 1884, Prot. S. 4351 beschlossen, daß der Verzicht auf das Erbbaurecht nur ein einseitiger zu sein brauche, so empfehle es sich, dem Abs. 2 des § 822 eine Fassung zu geben, welche die Beziehung desselben auch auf den einseitigen Verzicht gewährleiste. Dies geschehe dadurch, daß anstatt des §288 der § 817 der Zusst. in Bezug genommen werde. Der § 817 gebe zwar ebenfalls Vorschriften für einen Vertrag, nämlich für den in dem § 81641 geordneten dinglichen Vertrag. Aber dieselben seien lediglich Konsequenzen aus dem abstrakten Charakter dieses Geschäftes. Wenn daher Abs. 2 des § 822 auf den Fall des Verzichts den § 817 für entsprechend anwendbar erkläre, so sei das Mißverständniß einer Beschränkung der Vorschriften auf den vertragsmäßigen Verzicht nicht zu besorgen.
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Es handelt sich um die Vorschriften des Entwurfs, die zum § 827 K E führten; s. bei § 894 BGB. S. bei S 873 BGB.
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst. 355. Sitzung
vom 1. 10. 1884, Schriftführer
§§ 875—878
Achilles
| II. Mit Rücksicht auf die in der vorigen Sitzung gefaßten Beschlüsse über die | Prot I 4437 A u f h e b u n g der eingetragenen Dienstbarkeiten durch einseitigen Verzicht g e g e n über d e m Grundbuchbeamte und Löschung, Prot. S. 4421, 4422 4 2 und auf die heute beschlossene Ergänzung des $ 827 4 3 ist beantragt, den § 822 (Prot. S. 3971, 3972 zu v.Weber vgl. S. 4 4 2 6 ) dahin zu erläutern, (Nr 201) daß auch die Vorschriften des § 816 Abs. 3 44 (Prot. S. 363 8, 3641 - 3647) auf den V e r z i c h t entsprechende A n w e n d u n g finden und daß die Vorschriften der §§ 818, 819, 820, 821 4 5 (Prot. S. 3 6 4 9 - 3 6 6 0 , 3 7 0 1 - 3 7 0 4 , 3 9 3 0 - 3 9 3 3 , 3 6 7 4 - 3 6 7 6 ) ebenfalls auf den Verzicht und dessen Eintragung a n z u w e n d e n sind. D e m Antrage lagen schriftliche Gründe bei, w e l c h e lauten: 1. „In Folge der Beschlüsse über den V e r z i c h t wird sich eine Bestimmung darüber nöthig machen, von welchem Zeitpunkte an der (einseitige) Verzicht bindend ist. D i e Vorschrift des § 816 Abs. 3 scheint für den Verzichtsvertrag wie für den einseitigen Verzicht die passendste Analogie z u bieten. 2. D i e Vorschriften der §§ 818, 819, 821 sollen sich w o h l ohne Zweifel (schon nach d e m Entwürfe des Redaktors) auf Eintragungsbewilligungen aller Art, einschließlich der Löschungen, beziehen. Es tritt dies aber nach der jetzigen Fassung nicht deutlich hervor, weil die § § 8 1 8 — 821 o h n e nähere Beziehung des Begriffs „Eintragungs- | bewilligung" an § 816 anschließen, der nicht v o n Löschungsbewilli- | Prot 14438 g u n g e n handelt, dagegen in §§ 822, 823 v o n Eintragungsbewilligung bei A u f h e b u n g v o n Rechten gar nicht, sondern von V e r z i c h t und von Löschung (in § 823 Abs. 2 im G e g e n s a t z zur Eintragung, vergl. auch § 828) gesprochen wird. A m schärfsten tritt die Räthlichkeit einer Erläuterung durch die beschlossene Ergänzung des § 827 hervor, da hiernach zwischen Eintragung und Löschung ausdrücklich unterschieden wird." V o n anderer Seite war der Antrag gestellt, dem § 822 f o l g e n d e Fassung z u g e - Kurlbaum ben: (Nr 203,2) „Erfolgt die A u f h e b u n g eines Rechtes an einem Grundstücke oder eines Rechtes an einem solchen Rechte durch Vertrag oder einseitigen Verzicht unter Lebenden, so finden die Vorschriften der §§ 817, 818 und, w e n n zu der A u f h e b u n g die Eintrag u n g derselben in das Grundbuch erforderlich ist, der § 816 Abs. 2, 3 und die § § 8 1 9 bis 821 entsprechende Anwendung." Im Laufe der Berathung wurde weiter beantragt: a, der für den einseitigen Verzicht zu beschließenden Bestimmung h i n z u f ü g e n : „Ist der V e r z i c h t von dem Eigenthümer a n g e n o m m e n , so findet in A n s e h u n g der bindenden Kraft des Verzichtes die Vorschrift des § 816 Abs. 3 Anwendung", b, den Widerruf des dem Grundbuchamte gegenüber erklärten Verzichtes auszuschließen; c, das, w a s für den Verzicht beschlossen wird, auch für die Dereliktionserklärung des § 855, Prot. S. 3 9 3 4 — 3 9 3 8 4 6 , z u beschließen. D i e Kommission beschloß, unter A b l e h n u n g des Antrages a, den § 822 unter V o r b e h a l t der Fassung dahin z u ändern:
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S. bei § 1018 BGB. S. bei § 894 BGB. S. bei § 873 BGB. § 818 s. bei § 185 BGB, § 821 bei § 873 BGB. S. bei § 928 BGB. 283
§§ 8 7 5 - 8 7 8
3. Buch: Sachenrecht
| Prot I 4439
„Auf die in dem § 855 Abs. 1 bezeichnete Erklärung | des E i g e n t ü m e r s sowie auf die einseitige Erklärung, durch welche auf ein das Eigenthum belastendes Recht oder auch ein Recht an einem solchen Rechte verzichtet wird, finden die §§ 817—821 entsprechende Anwendung. Ist die in Abs. 1 bezeichnete Erklärung gegenüber dem Grundbuchbeamte abgegeben, so ist sie bindend (unwiderruflich)." Man war einverstanden, daß, nachdem die Aufhebung des Erbbaurechtes und der eingetragenen Dienstbarkeiten durch Verzicht von der Erklärung des letzteren gegenüber dem Grundbuchamt und von der Löschung abhängig gemacht worden sei, die f ü r den dinglichen Vertrag beschlossenen Vorschriften auf die Verzichterklärung entsprechend angewendet werden müßten. Im Uebrigen war bei der Beschlußfassung erwogen: Die Frage, ob der Verzicht gleichwie der dingliche Vertrag in Gemäßheit des §816 Abs. 3 schon mit seiner Erklärung gegenüber dem Grundbuchamte oder erst mit der Löschung des Rechtes bindend sei, könne verschieden beantwortet werden, je nachdem man die Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt oder die Löschung als die eigentliche Form des Verzichtes auffasse. Der Verzichtende werde, wenn man der ersteren Auffassung folge, schon durch die Abgabe der Erklärung, anderenfalls erst durch die Löschung als gebunden anzusehen sein. Welche dieser beiden Auffassungen vom rein juristischen Standpunkte den Vorzug verdiene, brauche indessen hier nicht entschieden zu werden. Die Konsequenz des § 816 Abs. 3 spreche dafür, daß der Erklärung des Verzichtes gegenüber dem Grundbuchamte keine geringere Wirkung beigelegt werde als der Erklärung oder der Einreichung des dinglichen Vertrages bei dieser Behörde. Auch dürfe nicht unbeachtet bleiben, daß die Kommission in ihren die Stiftung betreffenden Beschlüssen, Prot. S. 3189—3205, | Prot I 4440 Κ. | E. § 58, die verbindende Kraft einer einseitigen Stiftungserklärung für den Stifter nicht von der thatsächlichen Ausführung dieser Erklärung abhängig gemacht habe. Ueberdies stehe der Verzicht auf ein dingliches Recht an einem fremden Grundstücke wesentlich auf gleicher Linie mit der Dereliktion des Eigenthums, welche der § 855, Prot. S. 3934—3938, zulasse. Es würde aber wenig angemessen sein, wenn man dem Eigenthümer, welcher vor dem Grundbuchamte erklärt habe, daß er das Eigenthum aufgebe, gestatten wollte, seine Erklärung zurückzunehmen, falls dieselbe nicht sofort in das Grundbuch eingetragen würde. Die Verzögerung der Eintragung sei ein für den Erklärenden rein zufälliger Umstand, welchem ein maßgebender Einfluß auf die bindende Kraft der Erklärung nicht zugestanden werden dürfe. Frage man nun, wie das Gesetz die Bindung des Verzichtenden an den dem Grundbuchamte gegenüber erklärten Verzicht ausdrücken solle, so liege es zwar nahe, die entsprechende Anwendung des § 816 Abs. 3 vorzuschreiben. Allein bei der scharfen Betonung des Vertrages in diesem Satze würde man hierdurch keine Gewähr dafür erhalten, daß die entsprechende Anwendung der auf den Vertrag berechneten Bestimmung in der Praxis zu der beabsichtigten Gleichstellung des einseitigen Verzichtes mit dem Vertrage führen müßte. Daher sei es zweckmäßig, die Unwiderruflichkeit des Verzichtes mit dem Antrage b ausdrücklich auszusprechen. Dagegen empfehle es sich nicht, gemäß dem Antrage a auch den Fall des acceptirten Verzichtes zu berücksichtigen, denn es handele sich hier nur um dingliche Rechtsgeschäfte, und ein dinglicher Verzichtsvertrag sei den mehrgedachten Beschlüssen unbekannt. Nach denselben komme der dingliche Verzicht nur als einseitiger in Frage. Wollte man daneben noch einen acceptirten Verzicht erwähnen, so würde man dem Mißverständnisse, daß hiermit der obligatorische Verzichtsvertrag 284
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§ 875—878
gemeint sei, Raum geben und damit das richtige Verständniß der beschlösse- | nen |Prot I 4441 Bestimmung gefährden. Nun werde zwar eingewendet, daß dem Verzichtsvertrage doch eine mindere Wirkung als dem einseitigen Verzichte nicht beigemessen werden könne. Allein das Grundbuchamt sei als solches gar nicht berufen, einen Verzichtsvertrag aufzunehmen, und wenn auch nicht ausgeschlossen sei, daß in Begleithung des Berechtigten auch der Eigenthümer erscheine und eine zustimmende Erklärung abgebe, oder daß beide die schriftliche Erklärung, welche der Behörde eingereicht sei, unterschrieben haben, so werde die letztere Sachprüfung darauf zu richten und auch zu beschränken haben, ob der Berechtigte die Verzichtserklärung ihr gegenüber abgebe. Der praktische Vortheil, den der Antrag a erreichen wolle, daß nämlich der Eigenthümer das Entgelt für den Verzicht nach Abgabe der Erklärung desselben mit Sicherheit müsse leisten können, werde, nachdem einmal gegen die Voraussetzung des Antragstellers die Unwiderruflichkeit des Verzichtes beschlossen sei, schon hierdurch erreicht. Die Anwendung der für den Verzicht auf ein dingliches Recht an einem fremden Grundstücke geltenden Vorschriften auf die Dereliktionserklärung des Eigenthümers ergebe sich daraus, daß auch der Verzicht die Natur der Dereliktion habe. Hierin werde dadurch Nichts geändert, daß dem Verzichtenden der Eigenthümer als unmittelbar Betheiligter gegenüberstehe, während die Dereliktionserklärung des Eigenthümers nur mittelbar das Interesse anderer Personen berühre. Durch die gefaßten Beschlüsse sind die Anträge sämmtlich erledigt. Die Fassung der Beschlüsse in der RedVorlund ZustSachR ist schließlich: „Die §§ 817 bis 821 finden entsprechende Anwendung auf die einseitige Erklä- RedVorl § 822 rung, durch welche das Eigenthum aufzugeben oder auf ein das Grundstück belastendes Recht oder auf ein Recht an einem solchen Rechte verzichtet wird. Ist eine solche Erklärung vor oder gegenüber dem Grundbuchamte abgegeben, so ist sie unwiderruflich." 46a
Begründung zu § 882: 1. Die Fassung der Vorlage will schärfer hervortreten lassen, daß die — für den dinglichen Vertrag gegebenen — Vorschriften der §§ 817—821 entsprechende Anwendung finden auf die einseitige Dereliktionserklärung. 2. Würde in Ansehung der Eigenthumsdereliktion auf den dieselbe normirenden Paragraphen (§ 855 Abs. 1) verweisen, so müßte der Gleichförmigkeit wegen in Ansehung des Verzichtes auf andere Rechte ebenfalls auf die betreffenden verwiesen werden. Die Verweisung auf spätere §§ scheint aber hier für alle Fälle gleich entbehrlich zu sein. 3. Sollte es nöthig und angemessen sein, im ersten Absatz besonders hervorzuheben, daß die Erklärung gemeint sei, welche von Seiten des Berechtigten gegenüber dem Grundbuchamte abgegeben ist? Daß ein Verzicht nur in Betracht kommt, wenn er von dem Berechtigten erklärt ist, versteht sich für die Regel von selbst, die besondere Hervorhebung könnte aber die Anwendbarkeit des § 818 verdunkeln. Und daß, der Verzicht, um in mundo zu sein, vor bzws. gegenüber dem Grundbuchamte erklärt sein muß, ergeben die späteren bezüglichen Bestimmungen. An vorliegender Stelle ist nur zu sagen, daß die Dereliktion unwiderruflich (bindend) ist, wenn sie dem Grundbuchamte (vor bzws. gegenüber demselben nach den einschlagenden Bestimmungen) erklärt ist. 4. Der Ausdruck „ein das Eigenthum belastendes Recht" fand sich allerdings in der bisherigen Fassung des § 822, entspricht aber nicht dem Sprachgebrauche, der im Anbringen von der Kommission beobachtet ist", zu vgl. §§ 427 Nr. 2, 841 Abs. 1, 854 Abs. 2, Vorkaufsrecht § a und die demselben nachgebildeten §§ über Begründung eines Erbbaurechts, einer Grunddienstbarkeit etc., wo von Belastung der Sache, insbesondere des Grundstükkes, die Rede ist. 285
§§ 8 7 5 - 8 7 8
3. Buch: Sachenrecht
ZustSachR Die §§817 bis 821 finden entsprechende Anwendung auf die einseitige, vor oder § 822 gegenüber dem Grundbuchamte abzugebende Erklärung, durch welche das Eigenthum aufgegeben oder auf ein Recht an einem Grundstücke oder auf ein Recht an einem solchen Rechte verzichtet wird. Eine solche Erklärung ist unwiderruflich.
III. Zur Redaktion des K E war beantragt, Kurlbaum (Nr 436,1)
a) den § 822 zu fassen: „Zu der Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstücke durch Rechtsgeschäft ist, soweit nicht das Gesetz ein Anderes bestimmt, die gegenüber dem Grundbuchamte abzugebende Verzichtserklärung des Berechtigten (Erklärung des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe) und die Löschung des Rechtes im Grundbuche erforderlich. Ist das Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet, oder steht dasselbe dem jeweiligen Eigenthümer eines anderen Grundstücks zu, welches mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, so kann die Löschung nur mit Einwilligung dieses Dritten erfolgen, es sei denn in dem letzteren Falle, daß das Recht des Dritten durch die Aufhebung des zu löschenden Rechtes nicht berührt wird. Die Einwilligung muß gegenüber dem Grundbuchamte oder dem Berechtigten erklärt werden. Der Verzicht und die Einwilligung sind unwiderruflich. Die §§817 bis 821 finden entsprechende Anwendung."
Kurlbaum (Nr 436,2)
b) hinter § 822 als § 822 a einzuschalten: „Die gegenüber dem Grundbuchamte abzugebenden Erklärungen müssen ausdrücklich sein. Die Vorschriften des § 7347 finden entsprechende Anwendung." In § 819 sollten dagegen die Worte: „oder der Annahme einer solchen" und „ eine der Parteien stirbt oder die Geschäftsfähigkeit verliert" gestrichen werden. Kurlbaum Die Anträge wurden abgelehnt. Dagegen wurde in § 822 auf Antrag das W o r t (Nr 434,12) „anderes" vor „Recht an einem Grundstücke" eingefügt. Kurlbaum c) Zu § 823 war beantragt, in Abs. 1 „die Löschungsbewilligung" zu setzen an(Nr 434,14) statt: „eine Löschungsbewilligung" und in Abs. 2 Satz 2 „den Antrag" anstelle von „einseitigen Antrag". Zu Abs. 1 wurde der Antrag gebilligt, zu Abs. 2 abgelehnt (Prot I S. 6209, 6210, 6215, 6216, 6261, 6262, 6269). Unter Berücksichtigung der beschlossenen Modifikationen entsprechen die §§ 819, 820, 822 und 823 K E den Vorschriften der ZustSachR. IV. Bei der Revision des K E wurde beantragt, | Prot I 11933 | 1. in dem § 819 Z. 1,2 die Worte „oder der Annahme eines solchen" und in Kurlbaum Zeile 4 die Worte „eine der Parteien stirbt oder geschäftsunfähig wird, oder" zu (Nr 442,3) streichen (zu vergl. § 73 in jetziger Fassung). Später schlug der Antragsteller vor,
den § 819 so zu fassen: Kurlbaum Auf die Wirksamkeit des im § 816 bezeichneten Vertrages ist es ohne Einfluß, (Nr 458) wenn einer der Vertragschließenden stirbt oder geschäftsunfähig wird, bevor der | Prot I 11934
Vertrag nach dem § 816 Abs. 3 bindend geworden ist. Das Gleiche gilt, wenn derjenige, | welcher die Eintragung bewilligt hat, in der Verfügung über das f ü r ihn eingetragene Recht beschränkt wird, nachdem der Vertrag nach dem § 816 Abs. 3 bindend geworden ist." und § 819 vor ξ 818 zu setzen. 47
S. bei § 130 BGB.
286
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§
875—878
Die Kommission beschloß, b 48 , in dem § 819 die dem ursprünglichen Vorschlage des Antragstellers entsprechenden Streichungen vorzunehmen, so daß der P a r a g r a p h folgenden W o r t l a u t erhält: Auf die Wirksamkeit einer Eintragungsbewilligung ist es ohne Einfluß, wenn, nachdem der Antrag auf Eintragung bei dem G r u n d b u c h a m t e eingegangen ist, derjenige, welcher die Eintragung bewilligt hat, in der V e r f ü g u n g über das f ü r ihn eingetragene Recht beschränkt wird. Zu b, Anders 49 liege das Verhältniß, wenn der Urheber der Ein- | tragungsbewil- | Prot I 11935 ligung in der Verfügung über das für ihn eingetragene Recht beschränkt werde. Solange das Grundbuchamt noch nicht um die Eintragung ersucht sei, müsse eine Verfügungsbeschränkung, ihrem Zwecke und Wesen entsprechend wirksam werden. In dieser Hinsicht erscheine eine Aenderung des § 819 nicht rathsam. 2. Z u § 823 w a r beantragt, | a, im Abs. 1 Zeile 3 die W o r t e „oder f ü r todt erklärt w o r d e n " und Abs. 2 Zeile 4 die W o r t e „oder seit der Todeserklärung" zu streichen. (Die T o d e s e r k l ä r u n g hat hier nicht eine selbstständige Bedeutung.) b, im Abs. 2 statt der W o r t e „wenn seit dem T o d e des Berechtigten oder seit der Todeserklärung" zu setzen „wenn seit dem Erbfalle" o d e r „wenn seit dem mit dem T o d e des Berechtigten eingetretenen Erbfalle". {Bemerk. Die T o d e s e r k l ä r u n g stellt den Zeit- | p u n k t des T o d e s im W e g e der V e r m u t h u n g nur insoweit fest, als es sich um die Beerbung des Verschollenen handelt; § 22. D e r Fristbeginn muß deshalb entweder mit dem E n t w ü r f e an T o d und T o d e s e r klärung (Prot. S. 3685 Zeile 9 von oben) oder an den Erbfall (§ 1709 a) g e k n ü p f t werden. Protokoll S. 9166 N r . 3 „der Ausdruck „Erbfall" soll als ein abgekürzter Ausdruck gebraucht werden, um die gesetzliche Voraussetzung des T o d e s oder dem T o d e gleichstehenden Todeserklärung zu bezeichnen.") Die Kommission nahm den Antrag a an, lehnte dagegen den Antrag b ab. Man war der Ansicht: Das Urtheil, durch welches eine Person f ü r todt erklärt werde, sei eine öffentliche U r k u n d e , welche den erfolgten T o d dieser Person feststelle, und zwar mit absoluter W i r k u n g , so daß auch das G r u n d b u c h a m t den T o d als festgestellt anzusehen habe. D a r a u f , daß die Todeserklärung gemäß § 22 nur eine V e r m u t h u n g begründe, welche nach § 197 durch den Beweis, daß der T o d nicht erfolgt bezw. erst nach der T o d e s e r k l ä r u n g eingetreten sei, enkräftet werden könne, sei kein Gewicht zu legen, da der Gegenbeweis auch gegen den durch eine Sterbeurkunde geführten Beweis nicht ausgeschlossen sei. Die Voraussetzung der in dem Abs. 1 enthaltenen Rechtsnorm sei der T o d des Berechtigten. Daneben eine besondere Art des Nachweises des T o d e s zu erwähnen, sei w e d e r er- | forderlich noch angemessen. Auch zur Bestimmung des Anfangszeitpunktes der in Abs. 2 gedachten Frist brauche der Fall der T o d e s e r k l ä r u n g nicht, wie das Protokoll S. 3685 annehme, hervorgehoben zu werden. D e n n jedenfalls beginne die Frist spätestens mit dem Zeitpunkte der T o d e s e r klärung. D e r A n t r a g b wolle dies verdeutlichen. Eine solche Verdeutlichung sei indessen entbehrlich. 48
49
Aus Anlaß dieses Antrags beschloß die Kom. zunächst, dem $816 einen neuen Absatz 4 anzufügen, s. bei § 873 BGB. Die Kom. bezieht sich auf ihre Ausführungen zur Aufnahme eines § 816 Abs. 4, s. bei § 873 BGB; vgl. auch vorige Note. 287
| Prot I 11936 Kurlbaum (Nr 442,4) Gebhard (Nr 448, 1 b) | P r o t I 11937
| Prot I 11938
§§ 8 7 5 - 8 7 8
3. Buch: Sachenrecht
Johow 3. Ein Antrag, in § 822 das Allegat „§§ 817 bis 821" zu ändern in „des § 816 (Nr 467, 1 a) Abs. 4 und der §§817 bis 821", wurde abgelehnt, weil es sich bei § 822 nicht um einen Vertrag, sondern um eine einseitige Erklärung handele, § 816 Abs. 4 daher unanwendbar sei (Prot. I. S. 11967, 11968). 4. Die §§ 820, 822 KE wurden als §§ 832, 834 EI übernommen. Die §§ 819, 823 KElauten als §§ 831, 836 E h Ε I § 831 Auf die Wirksamkeit einer Eintragungsbewilligung ist es ohne Einfluß, wenn, nachdem der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte eingegangen ist, derjenige, welcher die Eintragung bewilligt hat, in der Verfügung über das für ihn eingetragene Recht beschränkt wird. EIS
836
Zur Löschung eines eingetragenen, auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Rechtes ist, wenn der Berechtigte verstorben ist, die Löschungsbewilligung des Rechtsnachfolgers nicht erforderlich. Ist nach dem Inhalte der Eintragung ein Anspruch auf rückständige Leistungen nicht ausgeschlossen, so findet die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann Anwendung, wenn seit dem Tode des Berechtigten ein Jahr verstrichen und nicht innerhalb dieser Frist wegen rückständiger Leistungen von demjenigen, welchem der Anspruch auf dieselben zustehen würde, die Eintragung eines Widerspruches gegen die Löschung bei dem Grundbuchamte beantragt ist. Die Eintragung erfolgt auf einseitigen Antrag des zum Widerspruche Berechtigten.
B. Vorkommission des RJA 93. Sitzung vom 3. 1. 1893 | Prot—RJA 635
| VI. Der § 831 wurde aus den in den Motiven S. 192, 193 angeführten Gründen im Wesentlichen gebilligt. Es erschien jedoch nothwendig, in der Fassung klarzustellen, daß eine Beschränkung des die Eintragung Bewilligenden in der Verfügung über das eingetragene Recht nur dann nach Stellung des Antrags auf Eintragung ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Eintragungsbewilligung sei, wenn der dingliche Vertrag bereits abgeschlossen sei. Liege nur die einseitige Bewilligung und der Eintragungsantrag des Bewilligenden vor, so komme die Verfügung über das eingetragene Recht erst mit der Annahme von Seiten des Erwerbers zu Stande; es hänge noch von dem Bewilligenden ab, ob die Verfügung zu Stande kommen solle, und deshalb müsse eine bei dieser Sachlage eintretende Verfügungsbeschränkung gegenüber einer solchen Verfügung wirksam sein. 94. Sitzung vom 6. 1. 1893
| Prot-RJA 638
| II. Zu § 832 lagen die Anträge vor: 1. die Vorschrift zu streichen, 2. die Vorschrift durch folgende Bestimmung zu ersetzen: Der im Grundbuch als Eigenthümer Eingetragene kann die Unwirksamkeit seiner Eintragung gegenüber einem Ansprüche, der aus einem anderen auf dem Grundstück eingetragenen Rechte gegen ihn erhoben wird, nicht geltend machen. Die Kommission beschloß, den § 832 zu streichen und den Antrag 2 abzulehnen. Der II. Lesung des Entwurfes eines Gesetzes, betreffend die Zwangsvollstrekkung in das unbewegliche Vermögen, müsse jedoch die Prüfung der Frage vorbe| Prot—RJA 639 halten bleiben, ob etwa im Anschluß an die §§ 26, 27 dieses Gesetzes | eine Bestim288
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§ 875—878
mung aufzunehmen sei, daß die Zwangsvollstreckung auch gegen den wirklichen, nicht eingetragenen Berechtigten zulässig sei, wenn feststehe, daß zwar die zu Gunsten des eingetragenen Eigenthümers erwirkte Eintragung des Eigenthums rechtsunwirksam sei, die Forderung aber, auf Grund deren die Zwangsvollstreckung betrieben werde, auch gegenüber dem nicht eingetragenen Berechtigten zu Recht bestehe. Erwogen war: Der § 832 sei, soweit er richtig, selbstverständlich, andererseits sei er nicht in vollem Umfange richtig. Aus § 96 des Entwurfs würde an sich die Unwirksamkeit einer auf einem Scheingeschäfte beruhenden Eintragung folgen. Dies solle nach § 832 insoweit nicht gelten, als das Scheingeschäft gegen einen Dritten oder von einem Dritten geltend gemacht werde. Einer solchen Bestimmung bedürfe es indessen zunächst nicht für das Verhältniß zwischen dem Scheinberechtigten und dem Dritten. Mache der Dritte ein dingliches Recht geltend, das er von dem Scheinberechtigten erworben habe, so könne ihm gegenüber nicht mit Erfolg eingewendet werden, die Eintragung des Eigenthums des Berechtigten sei, weil nur zum Schein erfolgt, nichtig; denn der Dritte sei in der Verfolgung seines Rechtes durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs in ausreichender Weise geschützt und, falls die Berufung auf diesen Glauben ausgeschlossen sei, nicht schutzwürdig. Erhebe der Dritte gegen den eingetragenen Berechtigten einen Anspruch aus einem Rechte, welches von dem wirklichen Berechtigten oder dessen Rechtsvorgänger abgeleitet werde und mache der eingetragene Berechtigte den Einwand der Simulation geltend, so könne sich der Dritte dadurch helfen, daß er den wirklich Berechtig-| ten und den Scheinbe- | Prot—RJA 640 rechtigten als Streitgenossen verklage. Die Unbequemlichkeiten, welche dieses Verfahren für den Dritten zur Folge habe, könnten es nicht rechtfertigen, die simulirte Eintragung des Eigenthumsüberganges für wirksam zu erklären. Das Gesetz müßte alsdann auch in denjenigen Fällen, in denen die Eintragung aus einem anderen Grunde rechtsunwirksam sei, Dritten gegenüber den Eingetragenen als den Berechtigten gelten lassen, wie dies der Antrag 2 vorschlage. Die Aufnahme einer solchen Vorschrift würde jedoch den völligen Sieg des formellen Rechtes über das materielle Recht bedeuten. Der Entwurf schütze den Dritten, der sich mit dem Eingetragenen eingelassen habe, nur innerhalb der Grenzen, die durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs im § 838 gegeben seien, gegen den wirklichen aber nicht eingetragenen Eigenthümer. Ein weiterer Schutz des Dritten sei nicht erforderlich. Habe der Dritte auf Grund eines ihm zustehenden eingetragenen Rechtes einen vollstreckbaren Titel gegen den eingetragenen Scheinberechtigten erlangt, so könne allerdings der wirkliche Berechtigte an sich der Zwangsvollstreckung in das Grundstück auf Grund des $ 690 der C. P. O. widersprechen, er müsse aber trotz seines formellen Widerspruchsrechtes die Durchführung der Zwangsvollstreckung gegen sich gelten lassen, wenn das Recht, aus welchem die Vollstreckung nachgesucht werde, von ihm oder einem seiner Rechtsvorgänger bestellt worden sei; das Gleiche würde aber auch zu Gunsten des gutgläubigen Dritten gelten, wenn es sich um ein von dem eingetragenen Berechtigten bestelltes Recht handele. Ob der Dritte sich zur Durchführung der Zwangsvollstreckung gegen den wirklichen Eigenthümer einen erneuten gegen diesen gerichteten Titel verschaffen müsse, sei eine Frage, welche | die Subhastationsordnung zu beantworten habe. V o n einer Seite sei | Prot—RJA 641 diese Frage aus praktischen Erwägungen verneint, von anderer Seite bejaht worden, weil es den Grundsätzen der C. P. O. widerspreche, eine Zwangsvollstreckung gegen eine Person zuzulassen, gegen welche ein vollstreckbarer Titel nicht erwirkt sei. 289
§§ 875-878
3. Buch: Sachenrecht
Bestehe mithin kein Bedürfniß, in dem Verhältnisse des Scheinberechtigten zu dem Dritten dem ersteren die Berufung auf die Simulation zu versagen, so sei es andererseits mit den Anforderungen der materiellen Gerechtigkeit nicht vereinbar, dem Dritten die Berufung auf die Simulation zu versagen. H a b e ζ. B. der wirkliche und eingetragene Eigenthümer, nachdem er zur Bewilligung einer Hypothek rechtskräftig verurtheilt worden sei, das Grundstück zum Schein aufgelassen, so widerspreche es den Anschauungen der materiellen Gerechtigkeit, wenn der als Eigenthümer eingetragene Scheinerwerber gegen den Anspruch des Gläubigers auf Eintragung gesichert sein sollte. Bei dem Verhältnisse zwischen dem wirklichen, aber nicht eingetragenen Berechtigten und einem Dritten lasse es sich nur dann rechtfertigen, dem ersteren die Berufung auf die Simulation gegenüber Verfügungen des Treuhänders zu versagen, wenn man strafrechtliche Gesichtspunkte mithineinbeziehe und gewissermaßen zur Strafe f ü r die simulirte Auflassung an den Treuhänder die zum Nachtheile des wirklich Berechtigten getroffenen Verfügungen des Treuhänders f ü r wirksam erkläre. Berufe sich endlich gegen den Berechtigten, der zum Scheine verfügt habe, ein Dritter auf die Simulation, so bestehe gewiß kein Grund, die simulirte Verfügung, weil dieselbe eingetragen sei, dem Dritten gegenüber als ernstlich zu behandeln. | Prot—RJA 643
| IV. Der § 834 wurde durch folgende Vorschrift ersetzt: Soweit das Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, ist zur Aufhebung eines eingetragenen Rechtes an einem Grundstücke die Erklärung des Berechtigten gegenüber dem Grundbuchamte, daß er das Recht aufgebe, und die Löschung erforderlich. Ist das Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet, so kann es nur gelöscht werden, wenn der Dritte seine Zustimmung gegenüber dem Grundbuchamte oder dem Berechtigten erklärt hat. Dies gilt auch dann, wenn das aufzuhebende Recht dem jeweiligen Eigenthümer eines anderen Grundstückes zusteht und das Grundstück mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, es sei denn, daß dieses Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird. Die in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Erklärungen sind unwiderruflich.
Erwogen war : Der Satz 1 des Entwurfs sei mit Rücksicht auf die beschlossene Streichung der | Prot—RJA 644 §§ 829, 830, 832, 833 zu streichen, | da die allein noch in Betracht kommende Bezugnahme auf den § 831 sich von selbst verstehe, wenn die Unwiderruflichkeit der Verzichtserklärung des Berechtigten, welche der Satz 2 vorschreibt, beibehalten werde. Im Uebrigen wolle die als § 834 beschlossene Vorschrift eine allgemeine Bestimmung treffen über die Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstücke durch Rechtsgeschäft. Der Entwurf habe nur hinsichtlich der Aufhebung einzelner Rechte an Grundstücken Sondervorschriften aufgestellt. Solchen Vorschriften seien in der T h a t auch f ü r die Dereliktion des Eigenthums (872) und f ü r den Verzicht auf eine Hypothek (§§ 1091, 1108, 1125) oder eine Grundschuld (§ 1136) schwer zu entbehren. Dagegen bestehe kein Grund, von der Aufstellung allgemeiner Vorschriften für die rechtsgeschäftliche Aufhebung der übrigen dinglichen Rechte Abstand zu nehmen. Der Inhalt der in dieser Hinsicht beschlossenen Bestimmung sei im Wesentlichen den Sondervorschriften des Entwurfs entnommen, deren allgemeine Begründung sich aus den Motiven S. 460 bis 465 ergebe. | Prot—RJA 644
| VI. Der § 836 wurde seinem sachlichen Inhalte nach nicht beanstandet. Zur Befriedigung eines namentlich in Bayern hervorgetretenen Bedürfnisses hielt man es jedoch f ü r angezeigt, die Vorschrift des § 836 auf den Fall eines auf die Zeit bis zur 290
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§
875—878
Verehelichung des Berech- |tigten beschränkten eingetragenen Rechtes zu erstrek- | Prot—RJA 645 ken. In Folge dieses Zusatzes hielt man es ferner für konsequent, auch den Fall miteinzubeziehen, wenn ein eingetragenes Recht bis auf die Erreichung eines bestimmten Lebensalters beschränkt sei. Demgemäß soll dem § 836 a folgende Vorschrift angefügt werden: Die Vorschriften des § 836 finden entsprechende Anwendung, wenn das Recht EI—RJA § 836 a auf die Zeit eines bestimmten Lebensalters seitens des Berechtigten beschränkt ist.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 65—75; Mugdan, Bd. 3, S. 531 ff.) a) Zu $ 831 lagen die Anträge vor: 1. die Vorschrift zu fassen: Achilles Auf die Wirksamkeit des Vertrages ist es ohne Einfluß, wenn derjenige, welcher (Nr 12, 28) die Eintragung bewilligt hat, nach der Stellung des Antrages auf Eintragung (bei dem Grundbuchamte) in der Verfügung über das eingetragene Recht beschränkt wird. eventuell: Auf die Wirksamkeit einer Eintragungsbewilligung ist es ohne Einfluß, wenn derjenige, welcher dieselbe ertheilt hat, nach dem Abschlüsse des Vertrages und nach der Stellung des Antrags auf Eintragung in der Verfügung über das f ü r ihn eingetragene Recht beschränkt wird. 2. die Vorschrift zu fassen: v. Mandry Auf die Wirksamkeit des Vertrages ist es ohne Einfluß, wenn der Verfügende, (Nr 18, 1) nachdem die Eintragung bei dem Grundbuchamte beantragt ist, in der Verfügung über sein Recht beschränkt wird. 3. statt des § 831 zu bestimmen: Auf die Wirksamkeit des Vertrages ist es ohne Einfluß, wenn derjenige, welcher die Eintragung bewilligt hat, in der Verfügung über das eingetragene Recht beschränkt wird, nachdem der Vertrag für die Vertragsschließenden bindend geworden ist. Der Antrag 3 wurde abgelehnt, der eventuelle Antrag 1 angenommen. Zu Antrag 2 ist keine ausdrückliche Stellungnahme protokolliert. b) Zu § 832 wurde dem Antrag auf Streichung der Vorschrift stattgegeben.
Achilles (Nr 12, 29)
c) Zu § 834 lagen die Anträge vor:
Achilles 1. zu bestimmen: soweit das Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, ist zur Aufhebung eines Rechtes (Nr 12, 30) an einem Grundstücke die Erklärung des Berechtigten gegenüber dem Grundbuchamte, daß er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechtes im Grundbuch erforderlich. Ist das Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet, so kann es nur gelöscht werden, wenn der Dritte seine Zustimmung dem Grundbuchamt oder dem Berechtigten gegenüber erklärt hat. Dies gilt auch dann, wenn das aufzuhebende Recht dem jeweiligen Eigenthümer eines andren Grundstücks zusteht und das Grundstück mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, es sei denn, daß dieses Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird.
291
§§ 875-878
3. Buch: Sachenrecht
Die Erklärung des Berechtigten und die Zustimmung des Dritten sind unwiderruflich. hierzu die Unteranträge: v. Mandry 2. im Abs. 2 (Nr 18, 2) a ) d e n Satz 1 zu fassen: . . . so ist die Erklärung nur dann wirksam, wenn der Dritte.. . ; b) den Satz 2 zu streichen. Struckmann (Nr 20, 1)
3. als Abs. 4 hinzuzufügen: Die Vorschriften der Abs. 2, 3 finden auch dann Anwendung, wenn zur Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstücke die Erklärung des Berechtigten vor dem Grundbuchamt erforderlich ist. 4. die Abs. 1 und 3 zu fassen: Zur Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück oder eines Rechtes an einem solchen Rechte ist die Erklärung des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechtes im Grundbuch erforderlich. Die Erklärung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber abzugeben, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Die Erklärung ist unwiderruflich, wenn sie dem Grundbuchamt eingereicht oder in der zur Eintragung erforderlichen Form demjenigen ausgehändigt ist, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Diese Bestimmungen gelten nur, soweit nicht das Gesetz ein Anderes bestimmt. Die Kom. beschloß, den § 834 insoweit, als er die entsprechende Anwendbarkeit des § 831 ausspricht, sachlich beizubehalten. Der Antrag 1 wurde mit der aus dem Antrage 4 Abs. 1 Satz 2, 3 sich ergebenden Aenderung angenommen; die Anträge 2 und 3 wurden im Einverständnisse mit den Antragstellern als lediglich die Fassung betreffend nicht zur Abstimmung gebracht, sondern an die RedKomm. überwiesen; ebenso die Frage, ob die Aufhebung eines Rechtes an einem Rechte an einem Grundstück im Abs. 1 des Antrags 1 zu erwähnen sei.
Achilles (Nr 12, 32)
v. Mandry (Nr 18, 3)
Struckmann ^
^
d) Zu § 836 lagen die Anträge vor: 1. die Vorschrift zu fassen: Zur Löschung eines auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Rechtes ist, wenn derselbe verstorben ist, eine Löschungsbewilligung nicht erforderlich. Ist nach dem Inhalte der Eintragung ein Anspruch auf rückständige Leistungen nicht ausgeschlossen, so ist die Bewilligung erforderlich, wenn die Löschung vor dem Ablauf eines Jahres seit dem T o d e des Berechtigten erfolgen soll oder wenn der Gläubiger wegen rückständiger Leistungen der Löschung bei dem Grundbuchamte widersprochen hat. Der Widerspruch ist in das Grundbuch einzutragen. 2. die Vorschrift zu fassen: i s t bei einem auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Rechte der Berechtigte verstorben, so bedarf es einer Aufhebungserklärung auch dann nicht, wenn ein Anspruch auf rückständige Leistungen nicht ausgeschlossen, jedoch seit dem Tode des Berechtigten ein Jahr abgelaufen ist. Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Gläubiger wegen rückständiger Leistungen bei dem Grundbuchamte Widerspruch eingelegt hat. Der Widerspruch ist in das Grundbuch einzutragen. 3. den § 836 unter Verweisung in die G. B. O. zu streichen; 4. im Abs. 2 nach „seit dem Tode" einzuschalten „oder der Todeserklärung". Die Kom. nahm den Antrag 1 unter Ablehnung der übrigen Anträge zwar an, verwies die Vorschrift aber in die G. B. O. 292
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§§ 875—878
e) Es lagen vor: Achilles 1. Der Antrag, als § 836 a folgende Vorschrift einzustellen: Die Vorschriften des § 836 finden entsprechende Anwendung, wenn das Recht (Nr 12, 33) auf die Zeit bis zur Verheirathung des Berechtigten oder auf ein bestimmtes Lebensalter desselben beschränkt ist. 2. hierzu der Unterantrag: nach „auf die Zeit bis" einzuschalten: „zum Eintritt eines anderen durch öffentliche Urkunden nachweisbaren Ereignisses oder auf die Zeit bis". Der Antrag 2 wurde abgelehnt, der Antrag 1 angenommen unter Verweisung der Vorschrift in die G. B. O. II. In der VorlZust sind die beschlossenen Vorschriften in den §§ 831, 834 enthalten: Die Einwilligung des Berechtigten in die Rechtsänderung wird nicht dadurch unwirksam, daß er in der Verfügung beschränkt wird, nachdem seine Einwilligung unwiderruflich (oder: bindend) geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt ist. (Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Antrag auf Eintragung von dem Grundbuchamte zurückgewiesen wird.) Zur Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück (oder: eines Rechtes an einem solchen Rechte) ist, soweit das Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, die Erklärung des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe und die Löschung des Rechtes im Grundbuche erforderlich. Die Erklärung ist dem Grundbuchamte oder demjenigen gegenüber abzugeben, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Sie ist unwiderruflich, wenn sie dem Grundbuchamte gegenüber abgegeben oder in der durch die Grundbuchordnung vorgeschriebenen Form demjenigen ausgehändigt ist, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Ist das Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet, so ist zu seiner Aufhebung außerdem erforderlich, daß der Dritte seine Zustimmung gegenüber dem Grundbuchamt oder dem Berechtigten erklärt. (Dies gilt auch dann, wenn das aufzuhebende Recht dem jeweiligen Eingehtümer eines anderen Grundstücks zusteht und das Grundstück mit dem Recht eines Dritten belastet ist, es sei denn, daß dieses Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird.) Die erfolgte Zustimmung ist unwiderruflich. Die Vorschriften des zweiten Absatzes finden auch dann Anwendung, wenn zur Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstücke die Erklärung des Berechtigten vor dem Grundbuchamt erforderlich ist50. III. In der ZustRedKom
Ε I—VorlZust S 831
Ε I—VorlZust § 834
ist § 834 VorlZust als § 830 a vor § 831 gestellt.
Zur Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück ist, soweit nicht das Gesetz Ε I—ZustRed ein Anderes vorschreibt, die Erklärung des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe, Korn und die Löschung des Rechtes im Grundbuch erforderlich. Die Erklärung ist dem § 8 3 0 a Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber abzugeben, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Der Berechtigte ist an seine Erklärung, sofern er sie nicht dem Grundbuchamte gegenüber abzugeben hat, nur gebunden, wenn er demjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgt ist, eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Löschungsbewilligung ausgehändigt hat. 50
Zu J 834 ist angemerkt: D e r § 834 ist vor § 831 zu setzen oder dem § 834 folgender Zusatz zu geben: Auf die Wirksamkeit einer Verfügungsbeschränkung findet "die Vorschrift des § 831 Anwendung.
293
§§ 875-878
3. Buch: Sachenrecht
Ist das aufzugebende Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet, so bedarf es der Zustimmung des Dritten. Steht das aufzugebende Recht dem jeweiligen Eigenthümer eines anderen Grundstücks zu, so ist, wenn dieses Grundstück mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, die Zustimmung des Dritten erforderlich, es sei denn, daß dessen Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird. Die Zustimmung kann dem Berechtigten oder dem Grundbuchamte gegenüber erklärt werden; die Erklärung ist unwiderruflich. Ε I—ZustRed Kom S 831
Eine von dem Berechtigten in Gemäßheit des § 828 oder des § 830 a Abs. 1 oder des § 830 b51 abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, daß der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung f ü r ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt worden ist. IV. Im Ε II entspricht die Fassung der Vorschriften als §§ 796, 797, 799 den §§ 875, 876, 878 BGB bis auf § 797 Satz 3. Dieser lautet:
Ε II § 797 Die Zustimmung kann dem Berechtigten oder dem Grundbuchamte gegenüber Satz 3 erklärt werden; die Erklärung ist unwiderruflich. Dittmar ( N r 39, 3)
V. Bei der Revision des Ε II lag zu § 797 der Antrag vor: den Satz 3 zu fassen: Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; Die Erklärung ist unwiderruflich. Dem Antrage war die Bemerkung beigefügt: es bestehe wohl kein ausreichender Grund, der Zustimmungserklärung des § 797 eine andere Adresse zu geben als der Aufhebungs-Erklärung nach § 796 Abs. 1 Satz 2. Vergl. auch Strohal, Jherings Jahrb. 34 S. 351 ff. Man einigte sich dahin, die RedKomm. mit der Prüfung und Entscheidung der Frage zu betrauen, ob der § 797 nach Maßgabe des Antrags zu ändern oder alternativ mit dem Berechtigten der Eigenthümer als derjenige zu bezeichnen sei, dem gegenüber die Erklärung zu erfolgen habe. Hierbei seien auch der § 796 und andere ähnliche Vorschriften des Entw. mit in Betracht zu ziehen und es sei eine gleichmäßige Behandlung der Frage in allen betreffenden Vorschriften zu erstreben (Prot. II, Bd. 6, S. 221). In §§ 860, 861, 863 Ε II rev und §§ 859, 860, 862 Ε III sind die V o r schriften gefaßt wie §§ 875, 876, 878 BGB.
D. Bundesrat I. a. Mecklenburg— Schwerin und Mecklenburg— Strelitz beantragen unter Bezugnahme auf die von ihnen für eine Aenderung des § 858 Abs. 2 geltend gemachten Erwägungen, im § 860 dem Abs. 1 den Satz beizufügen „die Erklärung ist unwiderruflich" und den Abs. 2 zu streichen. b. Reußä. L. erhebt zu § 860 die gleichen Bedenken wie zu § 85852. II. Der Mecklenburgische Antrag zum § 860 und das Bedenken von Reuß ä. L. waren durch die Beschlüsse zum § 858 erledigt (Bericht von Heller, Bayern, vom 15. 10. 1895). 51
§ 830 b ist bei § 877 BGB abgedruckt. Antrag und Beschluß zur Einfügung des Zitats des § 830 b ist in Prot. II, Bd. 4, S. 586 enthalten. 52 S. bei § 873 BGB.
294
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ 877
§ 8 77 Die Vorschriften der §§ 873, 874, 876 finden auch auf Aenderungen des Inhalts eines Rechtes an einem Grundstück Anwendung.
B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 94. Sitzung vom 6. 1. 1893 | D e n gleichen Standpunkt' nahm die Mehrheit hinsichtlich des weiteren Antra- | Prot— RJA 638 ges ein, hinter § 828 als § 828 a eine Vorschrift folgenden Inhaltes zu beschließen: Die Vorschriften des § 828 finden auf andere als die in demselben bezeichneten Aenderungen eines eingetragenen Rechtes entsprechende Anwendung. Der Antrag bezweckte gleichfalls, die zahlreichen Bestimmungen, die bei anderen als den in § 828 bezeichneten Aenderungen eines eingetragenen Rechtes die entsprechende Anwendung des § 828 vorschreiben (vgl. ζ. B. die §§ 841, 1091, 1106, 1107, 1134), durch eine allgemeine Vorschrift zu ersetzen. Die Mehrheit glaubte aber auch hier auf die Frage der Zweckmäßigkeit und Möglichkeit einer solchen allgemeinen Vorschrift erst nach Durchberathung des Sachenrechtes zurückkommen zu sollen.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 4, S. 586 f.; Mugdan, Bd. 3, S. 537 f.) Es lag der Antrag vor: zu genehmigen, daß a) als § 830 b folgende Vorschrift eingeschaltet werde: Die Vorschriften der §§ 828, 828 a und des § 830 a Abs. 2 finden auch auf Aenderung des Inhalts eines Rechtes an einem Grundstück Anwendung. und daß b) der Eingang des § 831, welcher lautet: Eine von dem Berechtigten in Gemäßheit des § 828 oder des § 830a Abs. 1 abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, daß der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung f ü r ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt worden ist. dahin geändert werde: Eine von dem Berechtigten in Gemäßheit des § 828, des § 830 a Abs. 1 oder des § 830 b abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, daß etc. Nachdem die Kom. die Möglichkeit der Umwandlung einer Sicherungshypothek in eine gewöhnliche Hypothek (s. bei § 1189 BGB), einer Grundschuld in eine Hypothek (s. bei § 1198 BGB) und einer Rentenschuld in eine gewöhnliche Grundschuld (s. Bei § 1203 BGB) beschlossen hatte, wertete sie diese Umwandlungen als Inhaltsänderungen des betroffenen Rechtes und nahm den Antrag an. Die Vorschrift ist als § 830 b in der ZustRedKom, als § 798 im Ε II, als § 862 im Ε II rev und als § 861, im Ε III enthalten, jeweils in der in § 877 BGB Gesetz gewordenen Fassung.
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S. die vorhergehende Beratung bei § 874 BGB.
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§879
3. Buch: Sachenrecht
§879 Das Rangverhältniß unter mehreren Rechten, mit denen ein Grundstück belastet ist, bestimmt sich, wenn die Rechte in derselben Abtheilung des Grundbuchs eingetragen sind, nach der Reihenfolge der Eintragungen. Sind die Rechte in verschiedenen Abtheilungen eingetragen, so hat das unter Angabe eines früheren Tages eingetragene Recht den Vorrang; Rechte, die unter Angabe desselben Tages eingetragen sind, haben gleichen Rang. Die Eintragung ist für das Rangverhältniß auch dann maßgebend, wenn die nach § 873 zum Erwerbe eines Rechtes erforderliche Einigung erst nach der Eintragung zustande gekommen ist. Eine abweichende Bestimmung des Rangverhältnisses bedarf der Eintragung in das Grundbuch.
Α. 1. Kommission
| Prot 13714 TE—SachR§41
I. 312. Sitzung vom 9. 4. 1884, Schriftführer Achilles | V I . Der Wortlaut des § 41 ist: „Aus mehreren Einschreibungsgesuchen für dasselbe Grundstück erfolgt die Einschreibung in der durch den Zeitpunkt der Anbringung der Gesuche bei dem Grundbuchamte bestimmten Reihenfolge, und aus gleichzeitig angebrachten Gesuchen zu gleichem Rechte, wenn nicht eine andere Reihenfolge in demselben bestimmt ist.
Ein schriftliches Gesuch gilt als angebracht in dem Zeitpunkte, in welchem es dem zur Feststellung der Anbringungszeit berufenen Beamten vorgelegt ist. Einschreibungsgesuche, welche vorgelegt sind, bevor der Bewilligende das Recht erworben hat, gegen welches die bewilligte Einschreibung sich richtet, gelten als angebracht erst in dem Zeitpunkte, in welchem der Bewilligende dieses Recht erwirbt. Liegen mehrere solche Gesuche vor, so erfolgt, bei mangelnder Bestimmung einer anderen Reihenfolge, die Einschreibung aus derjenigen Bewilligung, welche dem | Prot I 3715 Rechtsurheber des | Bewilligenden ertheilt ist, vor den übrigen." Der Referent hatte unter § r seiner Aenderungsvorschläge 1 in dem ersten Absatz überall von „Anträgen" statt Gesuchen gesprochen, für den zweiten und den dritten Absatz dagegen folgende Bestimmung in Aussicht genommen: „Aus mehreren Einschreibungsanträgen für dasselbe Grundstück erfolgt die Einschreibung in der durch den Zeitpunkt der Anbringung der Anträge bei dem Grundbuchamte bestimmten Reihenfolge und aus gleichzeitig angebrachten Anträgen zu gleichen Rechten, wenn nicht eine andere Reihenfolge in denselben bestimmt ist. Ein Antrag gilt als angebracht in dem Zeitpunkte, in welchem er zum Protokoll des Grundbuchamtes erklärt oder schriftlich dem zur Feststellung der Anbringungszeit berufenen Beamten vorgelegt ist. Sind im Falle des § d vor der Eintragung des Berechtigten Anträge auf Eintragung f ü r den Rechtsurheber desselben und für einen Dritten angebracht, so erfolgt die Eintragung für den Rechtsurheber, in Ermangelung der Bestimmung einer anderen Reihenfolge, vor der Einbringung für den Dritten.
1
S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts.
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2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§879
Es lagen die Anträge vor: 1. den § r, vorbehaltlich einer anderen Fassung des 3. Absatzes, in die Grund- Planck (Nr 52, 2) buchordnung zu verweisen; 2. für den Fall, daß § 32 (§ e)2 abgelehnt oder wenigstens daraus die Worte ζ. E. v. Weber „oder die Verfügungsbefugniß verliert" gestrichen würden, dem ersten Absatz des (Nr 47, 3) § r hinzuzufügen: „Das Ersuchen des Gerichts um Eintragung einer Verfügungsbeschränkung geht jedem An- | trage auf Eintragung, welche der Verfügungsbeschränkung zuwiderlau- | Prot I 3716 fen würde, (oder: welcher die Verfügungsbeschränkung die Wirksamkeit entziehen soll) vor;" 3. dem dritten Absätze des § r die Bestimmung hinzuzufügen: „Die Bestimmung einer anderen Reihenfolge bedarf der Zustimmung des Rechtsurhebers;" 4. Zur Ergänzung des § r für die Grundbuchordnung Bestimmungen folgenden v.Weber (Nr 47, 4) Inhalts zu beschließen: a, „Durch den Antrag auf eine Eintragung, welche wegen eines noch zu hebenden Anstandes nicht sofort erfolgen kann, wird eine in Bezug auf das nämliche Grundstück oder auf das nämliche eingetragene Recht später beantragte statthafte Eintragung nicht aufgehalten." b, „Die Erledigung eines später gestellten Antrages auf eine Eintragung unterbleibt, wenn die letztere durch die Wirksamkeit des Eintrags auf Grund eines vorher gestellten Antrags ausgeschlossen wird." c, „Wird nach Einreichung des Antrags auf eine Eintragung, von demjenigen, welcher die Eintragung zu verwilligen hatte und verwilligt hat, gegen die Eintragung bei dem Grundbuchamte Widerspruch erhoben, so hat das Grundbuchamt mit der Eintragung anzustehen und die Betheiligten zur rechtlichen Ausführung (zur Beschreitung des | Rechtswegs) zu verweisen." | Prot I 3717 eventuell statt dieser Bestimmung unter c nach Andeutung der Motive zum Sachenrechtsentwurfe S. 655 folgende Bestimmung für die Grundbuchordnung zu beschließen: „Das Grundbuchamt hat mit einer beantragten Eintragung anzustehen, wenn dieselbe durch eine einstweilige Verfügung des zuständigen Gerichts untersagt wird." (Vorbehalten bleibe, ob ein Ersuchen des Gerichts an das Grundbuchamt erforderlich sein oder die Vorlegung der vollstreckbaren Verfügung genügen soll.) Im Laufe der Berathung wurde der Antrag 2 als mit dem von der Kommission zu § e in heutiger Sitzung (unter II)3 gefaßten Beschlüsse unvereinbar zurückgezogen. Bezüglich der Anträge 3 und 4 erklärte sich der Antragsteller damit einverstanden, daß dieselben bei der Grundbuchordnung erledigt würden. Die Kommission beschloß, „die vorgeschlagenen Bestimmungen nicht in das Gesetzbuch aufzunehmen, dagegen dem § r entsprechende Vorschriften in die Grundbuchordnung einzustellen, dorthin auch die Anträge 3 und 4 zu verweisen." Der § r war sachlich nicht beanstandet, vielmehr durch seine Begründung in den Bemerkungen des Referenten zu den Aenderungsvorschlägen, Protokolle S. 3602— 36 044, und durch die Ausführungen der Motive S. 320—331, soweit diese nicht 2 3 4
S. bei §§ 875, 876, 878 BGB. S. bei § 892 BGB. S. Anhang II zum 2. Abschnitt des Sachenrechts.
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§879
3. Buch: Sachenrecht
durch jene berichtigt sind, als gerechtfertigt anerkannt worden. Es bestand auch darüber Einverständnis, daß, wenn der Inhalt des § r in dem Gesetzbuche seine | Prot 13718 Stelle | fände, ein Verstoß des Grundbuchbeamten gegen die Reihenfolge, in welcher eingetragen wäre, einen Anspruch des dadurch beeinträchtigten Theils auf Berichtigung des Grundbuches oder auf Schadensersatz gegen den begünstigten Theil erzeugen, ein solcher Anspruch aber mit den zu §§ 24, 25 (w)5 und 30 (b)6 gefaßten Beschlüsse nicht im Einklang stehen, auch durch das praktische Bedürfniß nicht gefordert würde. Man war der Ansicht, es genügten Prozedurvorschriften in der Grundbuchordnung, aus deren Verletzung die Betheiligten zwar gegen den Grundbuchbeamten, nicht aber gegen einander Ansprüche herleiten könnten. Fraglich war nur, ob nicht doch der dritte Absatz in seiner gegenwärtigen Fassung materielles Recht enthielte. Indessen erledigte sich diese Frage durch die Erwägung, daß der Fassung des Paragraphen durch den heutigen Beschluß nicht vorgegriffen wäre. 326. Sitzung
vom 21. 5. 1884, Schriftführer
Achilles
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| Prot I 3974
| Der § y hat den Wortlaut: „Von mehreren Rechten an einem Grundstücke, zu deren Erwerbung die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ist, geht, soweit nicht in das Grundbuch ein Anderes eingetragen ist, das dem Datum nach früher eingetragene Recht dem später eingetragenen Rechte vor und stehen die unter demselben Datum eingetragenen Rechte einander gleich. Sind jedoch mehrere Rechte unter gleichem Datum in dieselbe Abtheilung des Grundbuchblattes eingetragen, so bestimmt sich das Rangverhältniß unter diesen Rechten nach der Reihenfolge ihrer Eintragung." Der Vorschlag wurde aus den in den Bemerkungen des Referenten 8 angegebenen Gründen mit Vorbehalt der Fassung angenommen, nachdem man sich bezüglich des beschränkenden Zwischensatzes „soweit nicht in das Grundbuch ein Anderes eingetragen ist" verständigt hatte, daß derselbe auch auf den zweiten Hauptsatz „und stehen etc." sich beziehen müsse.
VorlZust ξ 30
Unter mehreren, in das Grundbuch eingetragenen, zur Entstehung der Eintragung bedürfenden Rechten an einem Grundstücke, geht das dem Datum nach früher eingetragene Recht dem später eingetragenen Rechte vor; die unter demselben Datum eingetragenen Rechte haben gleichen Rang. Sind jedoch mehrere Rechte unter demselben Datum in dieselbe Abtheilung des Grundbuches eingetragen, so bestimmt sich das Rangverhältniß unter diesen Rechten nach der Reihenfolge ihrer Eintragung. Ist in dem Grundbuch ein anderes Rangverhältniß eingetragen, als aus den Vorschriften des ersten Absatzes sich ergiebt, so ist das eingetragene Rangverhältniß maßgebend. (Zum $ 30. Für das Eigenthum ist der § gegenstandslos.)
II. 1. Die VorlZust„Eigenthum"enthält
5 6 7
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die beschlossene Vorschrift in § 30:
S. bei § 892 BGB. S. bei § 873 BGB. Während der Beratung des §97 des Entw. (s. bei § 1094 BGB) revidierte die Beschluß. Sie beauftragte den Referenten, eine Vorschrift zu entwerfen und die die Konkurrenz eintragungsbedürftiger Rechte regelte. S. Anhang I zum des Sachenrechts. S. dazu die Anlage zum Protokoll vom 21. 5. 1884, mitgeteilt im Anhang II schnitt des Sachenrechts.
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Kom. ihren vorzulegen, 2. Abschnitt zum 2. Ab-
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§879
2. In der RedVorl heißt es in § 826: Unter mehreren Rechten an einem Grundstücke, zu deren Entstehung die Ein- RedVorl § 826 tragung in das Grundbuch erforderlich war, geht das dem Datum nach früher ein- Abs. 1 getragene Recht dem später eingetragenen Rechte vor. Die unter demselben Datum eingetragenen Rechte haben gleichen Rang; sind jedoch mehrere Rechte in dieselbe Abtheilung des Grundbuches eingetragen, so bestimmt sich das Rangverhältniß unter ihnen nach der Reihenfolge der Eintragung. Abs. 2 wie in der VorlZust. 3. In der ZustSachR%i ist in § 826 in Abs. 1 statt: „dem Datum nach früher eingetragenen Recht" gesetzt: „dem Datum nach früher, wenn auch nur bedingt, eingetragene Recht". III., IV. In § 826 KE und § 840 Ε / i s t der Eingang des Abs. 2 auf entsprechenden Gebhard Antrag gefaßt worden: (Nr 435, 9) „Ist in das Grundbuch ein anderes als das aus den Vorschriften des ersten Absatzes sich ergebende Rangverhältniß eingetragen,. . ."' (Prot I S. 6265, 6270).
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 8 8 - 9 1 ; Mugdan, Bd. 3, S. 549 f.) Zu § 840 lagen die Anträge vor: Achilles 1. die Vorschrift dahin zu fassen: (Nr 12, 37) Das Rangverhältniß unter mehreren dasselbe Grundstück belastenden Rechten bestimmt sich, soweit es nicht im Grundbuch vermerkt ist, nach der Reihenfolge der Eintragung. Kann die Reihenfolge nicht entscheiden, weil die Eintragungen in verschiedenen Abtheilungen des Grundbuchs stehen, so hat das unter einem früheren Datum eingetragene Recht den Vorrang; sind die Rechte unter demselben Datum eingetragen, so haben sie gleichen Rang. 2. als Abs. 3 hinzuzufügen: Küntzel Das Rangverhältniß bestimmt sich nach den Vorschriften der Abs. 1 und 2 auch (Nr 21) dann, wenn ein Recht als ein bedingtes eingetragen wird oder wenn die nach § 828 zum Erwerbe des Rechtes erforderliche Willenseinigung erst nach der Eintragung 8a
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Dazu ist in der VorlZust angemerkt: Bei einer suspensiv bedingten Eintragung ist der Berechtigte nach allgemeinen Grundsätzen befugt, nach Erfüllung der Bedingung von dem Belasteten die Bewilligung der unbedingten Eintragung bez. der Erfüllung der Bedingung zu fordern. Diese Bewilligung kann nach § 821 durch Richterspruch ersetzt werden. Dazu ist im KE und im Ε I angemerkt: In der Grundbuchordnung wird die Eintragung aus mehreren dasselbe Grundstück betreffenden Eintragungsanträgen nach dem Grundsatze geordnet werden, daß dieselbe in der durch den Zeitpunkt der Anbringung der Anträge bestimmten Reihenfolge zu bewirken sei, soweit nicht ein Anderes durch Gesetz oder Rechtsgeschäft bestimmt ist. Die Grundbuchordnung wird ferner vorschreiben, daß ein Eintragungsantrag, welchem es an einer gesetzlichen Voraussetzung der Eintragung mangelt, zurückzuweisen und die Wiederanbringung desselben als neuer Antrag zu behandeln sei (Prot. S. 3651, 3652, 3654, 6259).
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§879
3. Buch: Sachenrecht
erfolgt. Der Antrag 1 wurde angenommen, ebenso mit Ausschluß der Eintragung bedingter Rechte der Antrag 2. Die Anmerkung zu § 84010 wurde beibehalten. Ε I—VorlZust II. In der VorlZust ist die Fassung: Ueber das Rangverhältniß mehrerer dasselbe § 840 Grundstück belastender Rechte, zu deren Entstehung die Eintragung im Grundbuch erforderlich ist, entscheidet die darüber eingetragene Bestimmung. In Ermangelung einer solchen Bestimmung richtet sich das Rangverhältniß nach der Reihenfolge der Eintragung der Rechte. Kann die Reihenfolge nicht entscheiden, weil die Eintragungen in verschiedenen Abtheilungen des Grundbuchs stehen, so hat das unter einem früheren Datum eingetragene Recht den Vorrang, sind die Rechte unter demselben Datum eingetragen, so haben sie gleichen Rang. Das Rangverhältniß bestimmt sich nach diesen Vorschriften auch dann, wenn die nach § 828 zum Erwerbe des Rechtes erforderliche Willenseinigung erst nach der Eintragung erfolgt. III. In der ZustRedKom lautet die Vorschrift als § 834 a: Das Rangverhältniß unter mehreren Rechten, mit denen ein Grundstück belastet ist, bestimmt sich, wenn die Rechte in derselben Abtheilung des Grundbuches eingetragen sind, nach der Reihenfolge der Eintragungen. Sind die Rechte in verschiedenen Abtheilungen eingetragen, so hat das unter einem früheren Datum eingetragene Recht den Vorrang; Rechte, die unter demselben Datum eingetragen sind, haben gleichen Rang. Ist ein anderes Rangverhältniß eingetragen, so ist dieses maßgebend. Das Rangverhältniß bestimmt sich nach diesen Vorschriften auch dann, wenn die nach § 828 zum Erwerbe des Rechtes erforderliche Einigung erst nach der Eintragung zu Stande gekommen ist. IV. Im Ε II ist die Vorschrift des § 834 a als § 800 enthalten. Bei der Revision des Ε / / w a r beantragt, den Abs. 1 Satz 3 zu fassen: Zu einer abweichenden Bestimmung des Rangverhältnisses ist die Eintragung erforderlich. Der Antrag wurde sachlich gebilligt und der RedKom. überwiesen. V. Im Ε II rev § 864 (Ε 111$ 863) liegt die in § 879 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
D. Bundesrat I.Antrag Bayerns vom 4. 12. 1895: Zum § 864. Als Abs. 4 hinzuzufügen: „Für den Rang eines kraft Gesetzes entstandenen Rechts ist die Zeit der Entstehung maßgebend." II. Bericht von Hellervom
10. 12. 1895 zur 2. Lesung
Den die Ergänzung des § 864 betreffenden Antrag Bayerns, den ich nach Maßgabe der Instruktion begründete, bezeichnete Struckmann als überflüssig. Sein Inhalt sei selbstverständlich, weil er in der N a t u r des dinglichen Rechts liege. Wolle man die Bestimmung ausdrücklich treffen, so sei eine gleiche Bestimmung auch f ü r die Rechte an beweglichen Sachen notwendig. Die Mehrheit Schloß sich dieser Auffassung an, nur Sachsen stimmte dem Antrag zu. Der Antrag war hiernach abgelehnt. Ich sprach deshalb den Wunsch aus, an einer geeigneten Stelle der Denkschrift der Auffassung, die der Ablehnung des Antrags zugrunde liegt, Ausdruck zu geben. 10
S. die Anmerkung in der vorigen Fußn.
300
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
§ 880 Das Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden. Zu der Rangänderung ist die Einigung des zurücktretenden und vortretenden Berechtigten und die Eintragungen der Aenderung in das Grundbuch erforderlich; die Vorschriften des § 873 Abs. 2 und des § 878 finden Anwendung. Soll eine Hypothek, eine Grundschuld oder eine Rechtenschuld zurücktreten, so ist außerdem die Zustimmung des Eigenthümers erforderlich. Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder einem der Betheiligten gegenüber zu erklären; sie ist unwiderruflich. Ist das zurücktretende Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften des § 876 entsprechende Anwendung. Der dem vortretenden Rechte eingeräumte Rang geht nicht dadurch verloren, daß das zurücktretende Recht durch Rechtsgeschäft aufgehoben wird. Rechte, die den Rang zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden Rechte haben, werden durch die Rangänderung nicht berührt.
§881
Der Eigenthümer kann sich bei der Belastung des Grundstücks mit einem Rechte die Befugniß vorbehalten, ein Anderes, dem Umfange nach bestimmtes Recht mit dem Range vor jenem Rechte eintragen zu lassen. Der Vorbehalt bedarf der Eintragung in das Grundbuch; die Eintragung muß bei dem Rechte erfolgen, das zurücktreten soll. Wird das Grundstück veräußert, so geht die vorbehaltene Befugniß auf den Erwerber über. Ist das Grundstück vor der Eintragung des Rechtes, dem der Vorrang beigelegt ist, mit einem Rechte ohne einen entsprechenden Vorbehalt belastet worden, so hat der Vorrang insoweit keine Wirkung, als das mit dem Vorbehalt eingetragene Recht infolge der inzwischen eingetragenen Belastung eine über den Vorbehalt hinausgehende Beeinträchtigung erleiden würde. Α. 1. Kommission I. 391. Sitzung vom 2. 1. 1885, Schriftführer Achilles | Der § 395 des Entwurfs lautet: „Die Rangordnung der auf demselben Grundstück eingetragenen Hypotheken bestimmt sich nach der Reihenfolge der Eintragung. Eintragungen unter demselben Datum haben die Rangordnung nach ihrer Reihenfolge, wenn nicht besonders dabei be-1 merkt ist, daß sie zu gleichem Recht stehen sollen." Die Kommission beschloß auf den Antrag des Referenten die Streichung dieser Bestimmungen, indem sie dieselben als durch den § 826 der Zusammenstellung 1 g e deckt ansah. Der im Prot. v. 5. Dezember 1885 S. 4982 für die Beschlußfassung über den § 395 gemachte Vorbehalt 2 ist hierdurch erledigt, da ein Bedürfniß für eine Verdeutlichung des § 826 nicht anerkannt wurde. Die §§ 396 u. 397 des Entwurfes lauten: 1 S. bei § 879 BGB. 2 S. bei S 873 BGB.
301
I Prot I 5127 TE-SachR § 395
| Prot I 5128 Johow (Nr 279, 20)
§ § 880, 881
TE-SachR § 396
TE-SachR § 397 Johow (Nr 279, 21) | Prot 15129
Kurlbaum (Nr 322)
Planck (Nr 325)
| Prot I 5130
3. Buch: Sachenrecht
§ 396. „Wenn ein voreingetragener Gläubiger seinen Vorzug einem nachstehenden einräumt, so ist dazu die Eintragung in dem Grundbuche erforderlich. Die Eintragung kann bei einer Hypothek auch in der Weise erfolgen, daß dem Eigenthümer das Recht zusteht, den Vorzug einem neu einzutragenden Gläubiger nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses beizulegen. Bei der Hypothek dieses Gläubigers wird der Vorzug eirfgetragen, wenn die Bewilligung des Eigenthümers vorgelegt und das Ereigniß durch eine Erklärung des zurücktretenden Gläubigers oder durch rechtskräftiges Urtheil gegen denselben festgestellt worden ist." § 397. „Die Verzugseinräumung berechtigt den nachstehenden Gläubiger, die Befriedigung aus dem Grundstück an der Stelle des vorstehenden zu erlangen. Die Rechte der übrigen Gläubiger werden hierdurch nicht geändert." Der Referent hat vorgeschlagen, in dem § 396 a, den Absatz 1 so zu fassen: | „Einer Hypothek kann vor einer anderen, ihr im Range gleich- oder nachstehenden der Vorzug eingeräumt werden. Auf die Vorzugseinräumung finden die Bestimmungen des § 8163 entsprechende Anwendung." b, in dem Absatz 2 das W o r t „bestimmten" zu ersetzen durch das W o r t „künfti» gen . Außerdem lagen folgende Anträge vor: I. Der Antrag, die §§ 396 u. 397 zu streichen und statt derselben in die Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen hinter § 826 unter § 826 a folgende Vorschriften einzustellen: „Das unter mehreren Rechten der in § 826 bezeichneten Art bestehende Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden. Die Aenderung kann darauf beschränkt werden, daß das Rangverhältniß zweier im Range nicht unmittelbar auf einander folgender Rechte zu einander anderweit bestimmt wird. Zu der Aenderung ist Vertrag und Eintragung nach Maßgabe des 5 816 erforderlich. Die §§ 817 bis 8214 finden entsprechende Anwendung;" II. Der Antrag: 1. den vorgeschlagenen § 826 a wie folgt zu fassen: „Das unter mehreren Rechten der im § 826 bezeichneten Art bestehende Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden. Zu der Aenderung ist Vertrag zwischen denjenigen, deren Rang geändert werden soll und Einwilligung des Eigenthümers des belasteten Grundstücks und derjenigen Berechtigten, welche zwischen den Vertragsschließenden stehen, sowie Eintragung erforderlich. Die Vorschriften der §§816 bis 822, | 824, 825 a5 finden hierbei entsprechende Anwendung. Die Einwilligung der zwischenstehenden Berechtigten ist nicht erforderlich zu dem Vertrage, durch welchen eine nachstehende Hypothek an Stelle einer vorstehenden den Rang derselben nur bis zu dem Betrage der Hauptforderung, für welche dieselbe haftet, und die letztere insoweit den Rang der ersteren erhalten soll, es wäre denn, daß die Hypothek für die vorstehende Forderung zugleich nofch auf anderen Grundstücken haftete;" 3 4 5
S. bei § 873 BGB. S. den § 817 bei § 873 BGB, die §§ 819—821 bei §§ 875, 876, 878 BGB. § 824 s. bei § 892 BGB, § 825 a bei § 816 BGB, im übrigen s. vorige Fußn.
302
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
2. den zweiten Absatz des § 396 durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: Planck „Der Eigenthümer eines Grundstücks kann die Freihaltung einer Stelle im (Nr 321,1) Grundbuche dadurch bewirken, daß er einen bestimmten Betrag an dieser Stelle für sich eintragen läßt. Die Freilassung der Stelle hat die Wirkung, daß der jeweilige Eigenthümer des Grundstückes an der freigehaltenen Stelle Hypotheken bis zu dem eingetragenen Betrage begründen kann und daß er im Falle der Zwangsversteigerung des Grunstücks diejenigen Rechte geltend machen kann, welche einem an der freigehaltenen Stelle eingetragenen Hypothekengläubiger zustehen würden. Er ist jedoch nicht berechtigt, selbst die Zwangsversteigerung zu betreiben. Die Freihaltung der Stelle kann auch mit der Beschränkung erfolgen, daß nur die Bestellung einer Hypothek an derselben zulässig ist. In diesem Falle verliert die Freihaltung der Stelle bei der Zwangsvollstreckung in das Grundstück ihre Wirksamkeit;" eventuell in dem Absatz 2 die Worte „und daß | er im Falle der Zwangsversteige- | Prot 15131 rung" u.s.w. bis zum Schluß des Absatzes zu streichen; in omnem eventum den Absatz 2 des § 396 durch folgenden Paragraphen zu ersetzen: „Eine Hypothek kann in der Weise begründet werden, daß der (jeweilige) Eigenthümer des belasteten Grundstücks (entweder unbedingt oder unter einer bestimmten Bedingung) berechtigt ist, bis zu einem bestimmten Betrage eine andere Hypothek mit dem Vorrange vor der zuerst bestellten zu begründen;" III. der Antrag: a, f ü r den Fall, daß der Antrag II. 2 nicht angenommen werden sollte, folgende Bestimmung in den Abschnitt über die Uebertragung der Hypotheken einzustellen: „Die Hypothek kann nicht ohne die Forderung, f ü r welche sie bestellt ist, übertragen werden, ausgenommen behufs Aenderung des gegenseitigen Rangverhältnisses mehrerer auf demselben Grundstücke versicherter Forderungen;" falls nähere Bestimmungen für nöthig erachtet werden sollten, hinzuzufügen: „Die Hypothek haftet in solchem Falle nach der Uebertragung für die Forderung des Erwerbers. Im Uebrigen bleiben die Eintragungsbestimmungen maßgebend, gehen auch, soweit § 390 nicht eingreift, die vor der Uebertragung entstandenen Einwendungen nicht verloren;" b, den § 396 Abs. 2 hier auszuscheiden, vorbehaltlich der Beschlußfassung über solchen bei der Berathung über den Rang-Vorbehalt (Prot. S. 4909, 5003);
v. Mandry (Nr 323, 1)
v. Mandry (Nr 323, 2)
| IV. der Antrag: | Prot 15132 v Weber 1. statt § 396 Abs. 1 und § 397 zu bestimmen: · „Einer Hypothek kann vor einer anderen ihr im Range gleich- oder vorstehen- (Nr ^ den der Vorzug eingeräumt werden. Zu der Vorzugseinräumung ist Vertrag zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden Gläubiger, Einwilligung des Eigenthümers des belasteten Grundstücks und Eintragung in das Grundbuch nach Maßgabe des § 816 erforderlich. Die §§817 bis 821, 824 bis 825 a finden entsprechende Anwendung. Die Vorzugseinräumung an eine gleichstehende Hypothek hat die Wirkung, daß die letztere der zurücktretenden Hypothek im Range vortritt. Die Vorzugseinräumung an eine nachstehende Hypothek hat die Wirkung, daß die betreffenden Hypotheken ihre Rangstellen rücksichtlich der Summe wechseln, f ü r welche der Vorzug eingeräumt wird. Den im Range zwischen beiden stehenden an dem Grundstücke Berechtigten gegenüber gilt die Vorzugseinräumung nur bis 303
§ § 880, 881
3. Buch: Sachenrecht
zu dem Betrage, auf welchen die zurücktretende Hypothek lautet. Die vortretende Hypothek behält den Rang der zurücktretenden Hypothek auch nach Löschung der letzteren. Die ohne Einwilligung des Eigenthümers zwischen hypothekarischen Gläubigern getroffene Vereinbarung über Aenderung des Rangverhältnisses verpflichtet nur die vertragschließenden Theile unter einander. Der Eintrag einer solchen Vereinbarung in das Grundbuch ist ausgeschlossen;" Planck (Nr 324, 2) | Prot I 5133
2. folgende Bestimmung als besonderen Paragraphen hier aufzunehmen: | „Hat ein Gläubiger, welchem für die nämliche Forderung mehrere Grundstücke hypothekarisch haften, an einem derselben einem anderen gleichstehenden oder nachstehenden hypothekarischen Gläubiger den Vorzug im Range eingeräumt und wird in Folge dessen der vortretende Gläubiger an der Stelle des Zurücktretenden im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Grundstücke befriedigt, so gilt dies dem Eigenthümer der übrigen verpfändeten Grundstücke und den im Range gleich- oder nachstehenden Berechtigten an diesen Grundstücken gegenüber als Befriedigung des zurückgetretenen Gläubigers und tritt die Vorschrift des § 386 Abs. 2 des Entw. (§ 10 Abs. 2 Satz 2 der vorl.Zus.st.) 6 ein;"
Planck 3. statt § 396 Abs. 2 folgende Bestimmung an passender Stelle vielleicht hinter (Nr 324, 3) 5 926 aufzunehmen: 5χ· „Der Eigenthümer eines Grundstücks kann bei der Begründung eines Rechtes an dem Grundstücke sich das Recht vorbehalten, das Grundstück durch eine H y p o thek von bestimmtem Betrage oder durch ein anderes bestimmtes Recht mit dem Vorrange vor jenen Rechten zu belasten. Der Vorbehalt ist bei der Eintragung des Rechtes in das Grundbuch mit einzutragen. Erfolgt die Begründung der vorbehaltenen Hypothek oder des vorbehaltenen Rechtes, so ist der Vorrang bei der Eintragung dieser Belastung im Grundbuche mit zu verlautbaren. Der Vorbehalt erlischt im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstücks." In Ansehung der §§ 396, 397 verständigte man sich, den § 396 Abs. 2 vorläufig I Prot I 5134 von der Berathung aus- | zuschließen und anlangend den übrigen Inhalt der §§ 396, 397 zunächst die Frage zu erledigen, ob es sich empfehle mit den Anträgen I und II die Abänderung der aus dem Grundbuche sich ergebenden Rangordnung allgemein zuzulassen. Man war einverstanden, daß, wenn die Frage bejaht werde, eine besondere Vorschrift nöthig, mindestens räthlich sei, weil die zu § y beschlossenen Bestimmungen, Zus.st. § 826 (mitgetheilt Prot. S. 4982), zwar bei der Eintragung der Rechte Abweichungen von der gesetzlichen Rangordnung, nicht aber eine nachträgliche Aenderung der aus dem Grundbuche sich ergebenden Rangordnung vorsehen. Für die Verneinung der gestellten Frage wurde von einer Seite geltend gemacht, daß die Rangordnung, welche der § 826 festsetze, wegen des Rechtsgrundsatzes, daß das jüngere dingliche Recht stets dem älteren weiche, auf innere Nothwendigkeit beruhe und folglich nicht geändert, sondern nur durch eine neue Rangordnung ersetzt werden könne, so zwar, daß die betheiligten Rechte sämmtlich gelöscht und hiernächst in der von den Berechtigten vereinbarten Reihenfolge
6
S. bei § 1181 BGB.
304
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
von neuem begründet bezw. wiedereingetragen werden. Die Mehrheit legte jedoch diesem Grunde kein entscheidendes Gewicht bei. Sie war der Ansicht, daß das praktische Bedürfniß die Bejahung der Frage erheische, weil ihm durch die fragliche Löschung und Wiedereintragung der Rechte wegen der damit verbundenen Weiterungen und Kosten nicht in befriedigender Weise Genüge geleistet werden könne. Der Abs. 1 der Anträge I und II wurde daher angenommen, nachdem der Vorschlag, die Entscheidung bis zur Berathung der Zwangsversteigerung zu vertagen, abgelehnt war. Der Abs. 2 des Antrages II. 1 wurde im Laufe | der Berathung von dem Antrag- |Prot I 5135 steller dahin geändert, daß der erste Satz des Abs. 2 lauten soll: „Zu der Aenderung ist Vertrag zwischen denjenigen, deren Rang geändert werden soll, mit Einschluß der Zwischenberechtigten, und dem Eigenthümer erforderlich." Darüber, daß die Rangordnung nur mittels dinglichen Vertrages und Eintragung in das Grundbuch geändert werden könne, bestand kein Zweifel. Fraglich war nur, welche Personen außer denjenigen, deren Rangverhältniß geändert werden soll, den Vertrag zu schließen hätten, ob hierzu auch der Eigenthümer des Grundstückes und, wenn zwischen den unmittelbar Berechtigten andere Rechte eingetragen sind, auch diese Berechtigten gehörten. Bezüglich der Zwischenrechte verständigte man sich im allgemeinen dahin, daß das Rangverhältniß derselben sich regelmäßig mit ändere, wenn vor und nach ihnen eingetragene Rechte ihre Stellen vertauschen, daß daher, vorbehaltlich der über die Vorzugseinräumung unter hypothekarischen Gläubigern noch zu fassenden Beschlüsse, der Vertrag von denjenigen, welchen die Zwischenrechte zuständen, mitgeschlossen werden müsse. Man ging davon aus, daß diese Berechtigten in ihren Rechten von der neuen Rangordnung nothwendig mit betroffen würden, insbesondere aber auch deshalb bei der neuen Rangordnung insofern wesentlich interessirt seien, als das nachrückende Recht von ihnen möglicherweise mit Erfolg bekämpft werden könnte, während ein solcher Angriff gegen das vorrückende Recht ausgeschlossen bleibe. Die Zuziehung des Eigenthümers wurde von der Mehrheit für nöthig erachtet, weil sie dafür hielt, | daß jede Rang- |ProtI 5136 änderung die Rechtsstellung des Eigenthümers unmittelbar verändere und für ihn in verschiedener Hinsicht von großem Interesse sei. Darüber, daß die §§ 816—821, 824 und 825 a auf die Aenderung der Rangordnung entsprechende Anwendung finden, ergab die Berathung Einverständniß. Von einer Seite wurde indessen der Allegirung des § 825 a widersprochen, weil derselbe, wenn hier, in allen Fällen, in welchen der § 824 anwendbar sei, in Bezug genommen werden müßte, was im einzelnen Falle leicht übersehen werden könnte. Die Berücksichtigung dieses Bedenkens wurde der Prüfung bei der Redaktion vorbehalten. Die §§ 822 und 825 wurden ihrem Inhalte nach als nicht anwendbar angesehen. Sachlich beschlossen ist somit die Annahme des Antrages II. 1. Abs. 2 in der heute modifizirten Gestalt mit der Maßgabe, daß der § 822 nicht in Bezug zu nehmen ist. N u n m e h r wandte sich die Kommission zu der Frage, ob nach dem gefaßten Beschlüsse noch besondere Bestimmungen über die Vorzugseinräumung im Hypothekenrechte nöthig seien. Die Berathung gelangte jedoch in der heutigen Sitzung nicht zu Ende 7 .
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Auf den folgenden Seiten Prot I 5137—40 sind die §§ 816—822, 824 ZustSachR enthalten. Sie sind bei den entsprechenden Vorschriften des BGB wiedergegeben.
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§ § 880, 8 8 1
3. Buch: Sachenrecht
392. Sitzung vom 5. 1. 1885, Schriftführer Achilles | Prot 15141
| Die Berathung der die Vorzugseinräumung betreffenden Vorschläge wurde fortgesetzt. Es waren außer den in dem Protokoll über die vorige Sitzung S. 5129 und ff. mitgetheilten Anträgen I—IV noch folgende Anträge eingebracht:
1. zur Ergänzung des Antrages I (S. 5129) von dem Antragsteller, den über die Aenderung der Rangordnung beschlossenen Bestimmungen einen neuen Paragraphen des Inhalts hinzuzufügen: Kurlbaum „In gleicher Weise kann einem im Rang nachstehenden Rechte der Vorrang vor (Nr 328, 1) einem anderen mit der Wirkung beigelegt werden, daß im Falle der Zwangsvollstreckung der Vorrang des zurücktretenden Rechtes vor dem vortretenden Rechte nicht geltend gemacht werden kann, das vortretende Recht aber, soweit beide Rechte den übertragbaren Anspruch auf eine Leistung begründen mit dem Range des zurücktretenden, jedoch nicht über dessen Umfang hinaus geltend zu machen ist. | Prot I 5142 | Die Zustimmung des Eigenthümers und der etwa zwischenstehenden Berechtigten ist zu dieser Beilegung des Vorranges nicht erforderlich. Die Rechte derselben bleiben unberührt. Die Geltendmachung von Einwendungen gegen das zurücktretende Recht und die Aufhebung des letzteren werden durch die Beilegung des V o r ranges nicht gehindert. Die Vorschriften des ersten und zweiten Absatzes finden entsprechende Anwendung, wenn einem gleichstehenden Rechte der Vorrang oder einem nachstehenden Rechte der gleiche Rang beigelegt wird;" Planck (Nr 327)
2. von dem Urheber des Antrages II (S. 5129, 5130), für den Fall, daß beschloswerden sollte, die Einräumung des Vorzuges einer Hypothek vor der anderen unter Beschränkung der Wirkung auf diese beiden Hypotheken zuzulassen und selbständig zu ordnen, wird beantragt, die betreffenden Bestimmungen wie folgt zu fassen:
sen
„Eine Hypothek kann in der Weise zu Gunsten desjenigen, welchem eine gleichoder nachstehende Hypothek zusteht, belastet werden, daß der Berechtigte befugt ist, den Anspruch aus der belasteten Hypothek insoweit auszuüben, als zur Befriedigung wegen seines eigenen Pfandanspruchs erforderlich ist (Vorzugseinräumung). Zur Wirksamkeit einer Verfügung über die belastete Hypothek von Seiten des | Prot I 5143 belasteten Hypothekenberechtigten ist, | wenn durch die Verfügung das Recht desjenigen, welchem der Vorzug eingeräumt ist, beeinträchtigt wird, die Einwilligung des letzteren erforderlich. Der Eigenthümer des Grundstücks ist indessen, wenn die belastete Hypothek fällig ist, berechtigt, den Betrag derselben zu hinterlegen. Durch die Hinterlegung erwirbt er dieselben Rechte, als wenn er den Gläubiger der belasteten Hypothek befriedigt hätte und erlischt die Belastung der Hypothek. An deren Stelle tritt ein Pfandrecht desjenigen, welchem der Vorzug eingeräumt ist, an dem Ansprüche auf den hinterlegten Betrag. Wenn bei der Zwangsversteigerung des Grundstücks die belastete Hypothek nach gesetzlicher Vorschrift von dem Käufer des Grundstücks übernommen wird, die nachstehende Hypothek aber, zu deren Gunsten die Belastung erfolgt ist, ausfällt und gelöscht wird, so gilt die letztere insoweit noch als fortbestehend, als zur Geltendmachung des aus der Belastung der vorstehenden Hypothek entspringenden Rechts erforderlich ist. Soweit der Berechtigte aus der belasteten Hypothek seine Befriedigung erlangt hat, geht sein Pfandanspruch auf denjenigen, welchem die belastete Hypothek zustand, über." 306
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
3. von dem Urheber des Antrages IV (S. 5132), eventuell folgende Bestimmun- v. Weber gen zu beschließen: „Das Rangverhältniß zweier im Range nicht unmittelbar auf einander folgenden | Hypotheken unter einander kann durch Vertrag zwischen dem Eigenthümer, dem | Prot I 5144 zurücktretenden und dem vortretenden Gläubiger und Eintragung in das Grundbuch auch ohne Beitritt der zwischenstehenden an dem Grundstücke Berechtigten geändert werden. Die Rechte der zwischenstehenden Berechtigten bleiben durch einen solchen Vertrag unberührt. Der Eigenthümer kann Löschung der zurückgetretenen Hypothek nicht ohne Einwilligung des vorgetretenen Gläubigers verlangen und kann nach Erlöschen der Forderung des zurückgetretenen Gläubigers über die Hypothek desselben nur dergestalt verfügen, daß der vorgetretenen Hypothek der Vorrang verbleibt." Die Kommission beschloß, Bestimmungen über die Vorzugseinräumung bei Hypotheken nach den Vorschlägen des Entwurfes § 396 Abs. 1 und § 397, der Anträge I Abs. 2, II 1 Abs. 3, III 1 a, IV 1 und der oben mitgetheilten Anträge 1, 2, 3 in das Gesetzbuch nicht aufzunehmen. Der Antrag 1 wurde hierauf insoweit, als er die Vorzugseinräumung auch bei anderen Rechten als Hypotheken zulassen will, von dem Antragsteller zurückgezogen. Die Gründe des Beschlusses waren: Die Absicht der Vorzugseinräumung sei regelmäßig die, daß die nachstehende Hypothek den Rang der vorstehenden mit dinglicher Wirkung, und zwar nicht blos gegen den zurücktretenden Gläubiger, sondern gegen Jedermann, erwerben solle. Nach den in der vorigen | Sitzung über die Aenderung der Rangordnung beschlos- | Prot I 5145 senen Bestimmungen sei aber diese Absicht nur erreichbar, wenn an dem von den beiden Gläubigern zu schließenden Vertrage auch der Eigenthümer und die etwa zwischenstehenden Berechtigten als Vertragschließende theilnehmen. Das geltende Recht dagegen kenne die Vorzugseinräumung auch ohne Zuziehung dieser Personen. Das Rechtsverhältniß indessen, welches auf solche Weise geschaffen werde, sei durchaus nicht klar und einfach, vielmehr nicht selten zweifelhaft und verwickelt, wie schon in den Motiven dargelegt, noch mehr aber durch neuere Entscheidungen der Gerichte und literarische Untersuchungen erwiesen werde. Auch den vorliegenden Anträge sei es nicht gelungen, die Vorzugseinräumung als besonderes Institut, im Gegensatz zu der bereits geregelten Aenderung der Rangordnung, annehmbar zu gestalten. Der — freilich nur eventuell gestellte — Antrag III (S. 5131) suche die Aufgabe dadurch zu lösen, daß er einen wechselseitigen Austausch der Hypotheken, ohne die Forderung zwischen den Gläubigern unterstelle. Allein hierin liege eine bedenkliche Anomalie, da die Hypothek ihrem Begriffe nach von der durch sie gesicherten Forderung nicht getrennt werden könne. Die Trennung werde insofern auch nicht durchgeführt, als ungeachtet der unterstellten Uebertragung der einen Hypothek auf die bisher durch die andere Hypothek gesicherte Forderung die „Eintragsbestimmungen" nach dem Antrage maßgebend bleiben sollen. Hieraus folge aber nicht, daß dieser Hypotheken-Austausch in Wirklichkeit etwas Anderes sei, als eine Aenderung der Rangordnung, welche nach dem in der vorigen Sitzung gefaßten Beschlüsse nicht ohne Zuziehung des Eigenthümers und der etwa zwischenstehenden Berechtigten vorgenommen werden könne. 307
§ § 880, 8 8 1 | Prot I 5146
3. Buch: Sachenrecht
| Mit dem Antrage würde also dieser Beschluß f ü r das wichtigste Gebiet seiner Anwendung, das Hypothekenrecht, aufgehoben werden müssen, und daß dazu eine gegründete Veranlassung vorhanden sei, könne nicht zugegeben werden. Das nämliche Bedenken stehe auch den Anträgen II 1 Abs. 3 und IV 1 (S. 5130, 5132) entgegen, da der Stellen-Wechsel, welcher nach denselben in der Vorzugseinräumung sich vollziehen solle, ebenfalls eine Aenderung der Rangordnung darstelle. N u n werde allerdings die Zustimmung des Eigenthümers zu diesem Wechsel von beiden Anträgen als erforderlich bezeichnet. Aber von einer Zuziehung der etwa zwischenstehenden Berechtigten sei abgesehen, obschon dieselben durch den Stellentausch erheblich beeinträchtigt werden können, insbesondere wenn sie berechtigt seien, die vorstehende Hypothek wegen Nichtbestehens der Forderung mit Erfolg zu bekämpfen. Der Antrag II habe freilich hiermit nicht zu rechnen, da er von der Theorie ausgehe, daß jede Hypothek ihre feste Stelle habe und daher durch den Wegfall eines ihr vorstehenden Rechtes in ihrem Rangverhältnisse überhaupt nicht verbessert werde. Allein diese Theorie sei von der Kommission bisher nicht angenommen, als eine geeignete Grundlage für die gegenwärtige Berathung mithin nicht zu verwerthen. Der Antrag 2 (S. 5138) ziehe die Konsequenzen aus derjenigen Auffassung, welche nach den Motiven S. 1715 dem Entwürfe zum Grunde gelegt, in der Fassung der 396 und 397 jedoch nicht zum Ausdruck gekommen sei. Die Vorzugseinräumung erfordere hiernach nicht die Zustimmung des Eigenthümers oder der zwischenstehenden Berechtigten. Sie binde aber den Eigenthümer, indem derselbe mit dem Gläubiger der nachgerückten Post in Verhandlungen sich nicht mehr einlassen | Prot 15147 dürfe und bei Fälligkeit zur Hinterlegung | des Betrages der Hypothek genöthigt werde, wenn er die Hypothek löschen lassen oder die anderweite Verfügung über dieselbe erlangen wolle. Welche Schwierigkeiten sich hieraus ergäben, ließen die in dem Antrage vorgeschlagenen Einzelbestimmungen erkennen, welchen zur Beseitigung von Zweifeln noch andere würden hinzutreten müssen, so daß eine gefährliche Kasuistik schwer zu vermeiden sei. Schwierigkeiten solcher Art seien überhaupt die nothwendige Folge jeder nur relativ wirksamen Aenderung der Rangordnung. Außerdem führe der Antrag zu einem schwer zu rechtfertigenden Eingriffe in die Rechtsstellung des Eigenthümers gegenüber den Hypothekgläubigern. Was ferner die zwischenstehenden Berechtigten anlange, so werden denselben, wenn man mit dem Antrage 2 eine Belastung der vorstehenden Hypothek, ein eigenes dem Pfandrechte ähnliches dingliches Recht an der letzteren durch die Vorzugseinräumung entstehen lasse, das Recht zur Bekämpfung der Hypothek mindestens dann entzogen, wenn dem vortretenden Gläubiger der betreffende Grund nicht bekannt gewesen sei. Der Antrag 3 (S. 5139) suche dadurch zu helfen, daß er die Zustimmung des Eigenthümers erfordere und betreffend die zwischenstehenden Berechtigten deren Rechte unberührt lassen wolle. Aber er lasse die aus dem Antrage 2 erkennbaren Schwierigkeiten zum großen Theile bestehen, insbesondere die, welche für die Zwangsversteigerung sich herausstellen, wenn diese nach den Vorschlägen des Entwurfs §§ 508 ff. so geordnet werde, daß die dem betreibenden Gläubiger vorgehenden Rechte von der Veräußerung des Grundstückes unberührt bleiben. Zu einer vollständigen Hebung der bei den Anträgen entstehenden Bedenken könne man nur gelangen, wenn dem Rechte des nachstehenden Gläubigers an der | Prot 15148 | H y p o t h e k des vorstehenden der Inhalt des Pfandrechtes gegeben werde. W e n n man aber dies wolle, dann genüge das bei der Berathung des dritten Titels dieses Abschnittes zu regelnde Institut der Verpfändung von Hypotheken, und es sei nicht nöthig, in der Vorzugseinräumung ein besonderes dingliches Recht zu schaffen. 308
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
Der Antrag 1 (S. 5137) endlich beschränkte mit dem Entwürfe, wie derselbe gefaßt sei, die Wirkung der Vorzugseinräumung auf die beiden Gläubiger, welche dieselbe vereinbaren, und auf deren Rechtsnachfolger. Auf diese Weise werde allerdings die Rechtstellung des Eigenthümers und der Zwischenberechtigten völlig gewahrt, aber zugleich ein nur höchst unvollkommenes Recht geschaffen. Die Unvollkommenheit liege darin, daß die Wirkungen der Vorzugseinräumung wegfallen, wenn die vorstehende Hypothek gelöscht oder von dem Eigenthümer durch Befriedigung des Gläubigers erworben oder von den Zwischenberechtigten als ungültig mit Erfolg bekämpft werde, bezw. daß der Gläubiger, welchem der Vorzug eingeräumt sei, ein Recht zum Widerspruche hiergegen nicht habe. Eine so beschränkte Vorzugseinräumung sei kaum von praktischem Werthe. Sie sei überdies im höchsten Grade gefährlich, weil sie geeignet sei, dem weniger rechtskundigen Gläubiger eine Falle zu stellen, insofern nämlich, als derselbe bei der Vorzugseinräumung auf die Erwerbung eines festen Rechtes auf den Rang der vorstehenden Hypothek rechnen werde, um dann vielleicht bei der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu erfahren, daß das von ihm erworbene Recht ohne sein Zuthun erloschen sei. Hierzu komme, daß die beantragte Vorschrift sich gegenüber den obenerwähnten Prinzipien des modernen Subhastationsverfahrens nicht ohne eine Menge spezieller Bestimmungen verwickelter Art durchführen lassen würde. Es | liege endlich ein nicht | Prot I 5149 unerhebliches Bedenken gegen die Zulassung einer solchen Vorzugseinräumung durch Vertrag blos zwischen zwei Gläubigern auch darin, daß auf diese Weise entweder ein an sich blos obligatorisches Recht eine gewisse dingliche Wirkung erhalten solle — was die Kommission in ihren bisherigen Beschlüssen sorgfältig vermieden habe — oder ein ganz neues eigenartiges dingliches Recht blos für das Rechtsverhältniß hypothekarischer Gläubiger zu einander geschaffen werde. Der Gesetzgeber habe hiernach zur Aufnahme der Vorzugseinräumung um so weniger Veranlassung, als das praktische Bedürfniß, soweit ihm nicht durch die in der vorigen Sitzung über die Aenderung der Rangordnung beschlossene Bestimmung Rechnung getragen werde, dadurch Befriedigung finde, daß die betheiligten Gläubiger ihre Hypothekenforderungen sich verpfänden oder abtreten können. Die Berathung wandte sich nunmehr zu der in dem Antrage IV 3 (S. 5133) anstatt des § 396 Abs. 2 vorgeschlagenen allgemeineren Bestimmung, welche im Laufe der Erörterung dahin geändert wurde, daß sie lautet: „Der Eigenthümer eines Grundstückes kann bei der Belastung desselben mit einem Rechte, dem jeweiligen Eigenthümer das Recht vorbehalten, das Grundstück durch eine Hypothek von bestimmtem Betrage oder durch ein anderes bestimmtes Recht mit dem Vorrange vor jenem Rechte zu belasten. Der Vorbehalt ist bei der Eintragung des Rechtes in das Grundbuch mit einzutragen. Erfolgt die Begründung der vorbehaltenen Hypothek oder des vorbehaltenen Rechtes, so ist der Vorrang bei der Eintragung dieser Belastung in das Grundbuch mit einzutragen. | W e n n inzwischen ein anderes Recht eingetragen ist, bei welchem der gleiche | Prot 15150 Vorbehalt nicht gemacht ist, so kann der Vorrang nicht ohne vertragsmäßige Zustimmung desjenigen, welchem das andere Recht zusteht, eingetragen werden. Der Vorbehalt erlischt durch Veräußerung des Grundstückes im Wege der Zwangsversteigerung." Die Kommission beschloß mit Vorbehalt der Fassung die Aufnahme dieser Bestimmung in das Gesetzbuch. 309
§ § 880, 881
3. Buch: Sachenrecht
Ein während der Berathung gestellter Antrag, den Vorbehalt auch im Falle der freiwilligen Veräußerung erlöschen zu lassen, wurde abgelehnt. Erwogen war: Ein praktisches Bedürfniß für die beschlossene Bestimmung ergebe sich bereits aus den Gründen, welche in den Motiven S. 1709 und 1710 zur Rechtfertigung des Abs. 2 des § 397 beigebracht seien. Es sei, nachdem die Vorzugseinräumung abgelehnt sei, um so dringender, je weniger leicht es oft dem Eigenthümer sein werde, eine Aenderung der Rangordnung im Sinne des in der vorigen Sitzung gefaßten Beschlusses herbeizuführen. Man könne freilich einwenden, daß das Bedürfniß wegfalle, wenn die Eintragung von Grundschulden auf den Namen des Eigenthümers zugelassen werde. Allein dieser Einwand könne doch nur für diejenigen Gebiete zutreffen, in welchen die Grundschuld sich bereits eingebürgert habe, oder sich einbürgern werde, nicht aber für diejenigen Gebiete, in welchen der Verkehr an der | Prot 15151 akzessorischen Hypothek fest-1 halte. Ueberdies beschränke sich das Bedürfniß nicht, wie die Motive voraussetzen, auf die Hypothek, vielmehr sei es auch für die übrigen Rechte, wenn vielleicht auch nicht in gleichem Maße, vorhanden. Mit dem Institut der sogenannten Freihaltung der Stelle habe die beschlossene Bestimmung ebensowenig etwas gemein, wie mit der Vorzugseinräumung. Sie halte sich vollständig in dem Rahmen des Beschlusses über die Aenderung der Rangordnung, was namentlich aus ihrem dritten Absätze hervorgehe, der zugleich erkennbar mache, daß der Vorbehalt nur zum Nachtheil desjenigen wirke, dessen Recht unter oder mit dem Vorbehalte eingetragen sei. Ein stichhaltiger Grund dafür, daß die Vergünstigung nur demjenigen Eigenthümer zu Gute kommen dürfe, der den Vorbehalt habe eintragen lassen, sei nicht beigebracht. Der Eigenthümer könne ein erhebliches Interesse daran haben, daß die Vergünstigung auch seinem Rechtsnachfolger zu Theile werde, und daß dieses Interesse ein unberechtigtes sei, könne man nicht behaupten. Der Vorbehalt erlösche daher nicht, wenn das Grundstück vertragsmäßig veräußert werde. Wohl aber müsse er im Fall der Zwangsversteigerung durch den Uebergang des Eigenthums auf den Ersteher erlöschen, weil dieser dasselbe unabhängig von dem Rechte des bisherigen Eigenthümers erwerbe und die Fortdauer eines solchen Vorbehaltes mit den schon bei der Zwangsversteigerung zu stellenden Verkaufs- und Zahlungsbedingungen nicht füglich vereinbar sei. Der Abs. 2 des § 396 galt durch den gefaßten Beschluß als erledigt. Der § 398, welcher lautet: TE-SachR § 398 „Die Rangordnung zwischen den Hypo- | theken und den in einer anderen Ab| Prot I 5152 theilung des Grundbuchblattes eingetragenen Rechten bestimmt sich nach dem Datum der Eintragung. Eintragungen unter demselben Datum stehen zu gleichem Recht, wenn nicht dabei bemerkt ist, daß die eine der anderen nachstehen soll," Johow wurde als durch die zu § y beschlossene Bestimmung, Zusammenstellung § 826, (Nr 279, 22) p r o t . S. 4982, gedeckt auf den Antrag des Referenten gestrichen.
393. Sitzung vom 7. 1. 1885, Schriftführer Achilles | Prot I 5153
| Die Berathung der akzessorischen Hypothek wurde fortgesetzt. Von den zu den §§ 396 und 397 gestellten Anträgen war noch der in dem Protokolle vom 2. d. Mts. S. 5133 mitgetheilte Antrag IV 2 zu erledigen. Der Antrag setzt den Fall, daß die Hypothek des zurücktretenden Gläubigers auf mehreren Grund310
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
stücken, die Hypothek des vortretenden Gläubigers dagegen nur auf einem derselben haftet. Wird in diesem Falle bei der Zwangsvollstreckung in das beiden haftende Grundstück der vortretende an die Stelle des zurücktretenden befriedigt, so soll dies den Eigenthümer der übrigen verpfändeten Grundstücke und den im Range gleich- oder nachstehenden Berechtigten an diesen Grundstücken gegenüber als Befriedigung des zurückgetretenen Gläubigers gelten und demgemäß die Hypothek nach der zu § 386 Abs. 2 beschlossenen Bestimmung 8 , Prot. S. 5050—5053, erlöschen. Der Antragsteller bezog sich zur Begründung des Vorschlages auf ein Urtheil des Reichsgerichts vom 1. Februar 1882, Entsch. in Zivils. Bd. 6 S. 309, indem er darlegte, daß die |von ihm gewünschte Regelung des Verhältnisses, obschon sie | Prot 15154 f ü r die Vorzugseinräumung des Entwurfes durch die in der vorigen Sitzung (Prot. S. 5144) beschlossene Ablehnung derselben sich erledige, immerhin noch von praktischer Bedeutung sei, weil sie aus billiger Rücksicht auf das Interesse der an der Löschung der Korrealhypothek auf den mithaftenden Grundstücken Betheiligten auch f ü r die in der Sitzung vom 2. d. Mts. (Prot. S. 5134) zugelassene Aenderung der Rangordnung sich empfehle. Es wurde hiergegen geltend gemacht: die Auffassung des Reichsgerichtes würde bei Anwendung auf den Fall einer solchen Rangänderung das Fundament verlieren, welches sie bei der Prioritätseinräumung in dem eigenthümlichen Verhältnisse der vortretenden Hypothek zu der vorstehenden und zurücktretenden Hypothek finde. Uebrigens sei diese Auffassung auch f ü r den Fall der Prioritätseinräumung nicht unbedenklich; es sei ihr bereits von schriftstellerischen Autoritäten entgegengetreten. Man könne auch sagen: der Gläubiger, dessen Hypothek auf mehreren Grundstükken hafte, sei berechtigt, auf sein Recht an einem Grundstücke zu verzichten, ohne dasselbe an den übrigen zu verlieren; er müsse mithin auch befugt sein, den Vorzug vor seinem Rechte einem anderen Gläubiger einzuräumen. Die Mehrheit hielt dafür, daß ein praktisches Bedürfniß, den Fall im Sinne des Antragstellers durch das Gesetzbuch zu entscheiden, nicht vorhanden sei, die Entscheidung vielmehr ohne Schaden für die Rechtssicherheit der Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen werden könne. Der Antrag wurde daher abgelehnt. II. Die Fassung der Beschlüsse ist in der VorlZust, RedVorl8a weils als 826 a und b:
und ZustSachR je-
Die nach den Bestimmungen des § 826 aus dem Grundbuch sich ergebende Rangordnung kann nachträglich geändert werden. Zu der Aenderung ist ein Vertrag erforderlich, welcher von dem Eigenthümer des Grundstückes und denjenigen ( VorlZust: den) Berechtigten, für deren Rechte der Rang geändert werden soll, sowie zwischen (VorlZust: mit Einschluß der zwischen) demselben stehenden Berechtigten abzuschließen ist (ZustSacbR: und Eintragung in das Grundbuch). Die Vorschriften SS 816 bis 821, 824, 825 a finden entsprechende Anwendung. Der Eigenthümer eines Grundstückes kann bei dessen Belastung mit einem Rechte dem jeweiligen Eigenthümer die Befugniß vorbehalten, das Grundstück mit einer Hypothek zu einem bestimmten Geldbetrage oder mit einem anderen bestimmten Rechte in der Weise zu belasten, daß diese Hypothek oder dieses andere Recht jenem Rechte vorgehen soll (VorlZust: jener ersteren Rechte im Range nachstehen soll). Bei der Eintragung jenes (VorlZust: ersteren) Rechtes ist der Vorbehalt, und demnächst bei der (VorlZust: bei der späteren) Eintragung der vorbehaltenen 8 8a
S. bei §1181 BGB. Ob §§ 825 a mitzuzitiren? zu vergl. Bemerk, zu § 1058 der Redaktionsvorlage.
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VorlZust/ RedVorl/ ZustSachR § 826 a
VorlZust/ RedVorl/ ZustSachR U26b
§ § 880, 881
3. Buch: Sachenrecht
Hypothek oder des vorbehaltenen (RedVorl: anderen) Rechtes der Vorrang derselben in das Grundbuch miteinzutragen (VorlZust: gleichfalls einzutragen). Die Eintragung des Vorranges kann jedoch nur mit (VorlZust/ZustSachR: vertragsmäßiger) Zustimmung desjenigen erfolgen, (VorlZust: derjenigen erfolgen, für welche) für welchen in der Zwischenzeit ein Recht ohne den Vorbehalt (VorlZust/RedVorl: in das Grundbuch) eingetragen worden ist. Der Vorbehalt erlischt durch die Veräußerung des Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung. (In der VorlZust ist angemerkt: Zum § 826 b. Der Vorbehalt soll an und für sich nur wirken zum Nachtheil des Rechts bei dessen Buchung der Vorbehalt erfolgt ist; wird ein neues Recht eingetragen, so kann der Vorbehalt wiederholt und auch bei der Eintragung des neuen Rechts wirksam werden; unterbleibt dies, wird also das neue Recht vorbehaltlos eingetragen, so wirkt der früher gebuchte Vorbehalt nicht zum Nachtheil des neuen Rechts. Der Grund ist, die vorbehaltlose Buchung von Zwangshypotheken zu ermöglichen. Ist einmal ein Recht vorbehalten eingetragen, so kann, wenn eine Eintragung auf Grund des Vorbehalts mit dem vorbehaltenen und bevorzugten Rechte erfolgen soll, diese nicht ohne Zustimmung des inzwischen ohne Vorbehalt eingetragenen Berechtigten geschehen, weil sonst das Prinzip des § 826 a verletzt würde und relativ wirksame Rangbevorzugung mit ihren Unzuträglichkeiten sich ergäbe.) III., IV. Die Vorschriften sind im KE in den §§ 826 a und b, im E l m den §§841, 842 unverändert enthalten.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 9 1 - 1 0 2 ; Mugdan, Bd. 3, S. 551 ff.) Achilles (Nr 12, 37)
1. a) Zu § 841 lagen die Anträge vor: 1. die Vorschrift zu fassen: Das bestehende Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden. Die Aenderung unterliegt den Vorschriften des § 828 mit der Maßgabe, daß sie als Aenderung desjenigen Rechtes gilt, welches zu Gunsten eines ihm im Range gleich- oder nachstehenden Rechtes zurücktritt. Die Eintragung kann nur erfolgen, wenn der Eigenthümer seine Zustimmung ertheilt hat. Die Vorschriften der §§ 837 bis 839 finden entsprechende Anwendung. Für und gegen Rechte, welche den Rang zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden Rechte haben, wirkt die Rangänderung nur insoweit, als ihr von den Zwischenberechtigten zugestimmt ist. Die Zustimmung ist in das Grundbuch einzutragen. 2. hierzu der Unterantrag: statt der Abs. 1 und 2 zu bestimmen: Die Rangänderung kann sowohl zwischen dem Eigenthümer und dem zurücktretenden Berechtigten als zwischen diesem und dem vortretenden Berechtigten vereinbart werden. Wird das Zurücktreten einer Hypothek oder Grundschuld zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden Berechtigten vereinbart, so ist die Zustimmung des Eigenthümers erforderlich.
Planck (Nr 29)
3. den § 841 zu fassen: Das bestehende Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden. Zur Aenderung ist die Erklärung des zurücktretenden Berechtigten, daß und zu wessen Gunsten er zurücktrete und die Eintragung der Rangänderung in das Grundbuch erforderlich. Auf die Erklärung des zurücktretenden Berechtigten fin312
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
den die Vorschriften des § 834 Abs. 1 Satz 2, 3 der VorlZust 9 Anwendung. Ist das zurücktretende Recht eine Hypothek oder eine Grundschuld, so ist zu der Rangänderung auch die Zustimmung des Eigenthümers des Grundstücks erforderlich. Sie ist dem Grundbuchamt oder einem der Betheiligten gegenüber abzugeben. Sie ist unwiderruflich, wenn sie dem Grundbuchamte gegenüber abgegeben oder in der durch die Grundbuchordnung vorgeschriebenen Form einem der Betheiligten ausgehändigt ist. Für und gegen Rechte, die den Rang zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden Rechte haben, ist die Rangänderung ohne Einfluß, sofern nicht auch für sie eine Rangänderung nach Maßgabe der Abs. 1, 2 erfolgt ist. 4. für den Fall der Annahme des Antrags 1 oder des Antrags 2 zum Ausdrucke zu bringen, daß die Zustimmung des Eigenthümers dem Grundbuchamt oder einem der Betheiligten gegenüber erfolgen müsse. Die Mehrheit nahm den Antrag 2 mit denjenigen Modifikationen an, welche sich aus dem Antrag 4 ergeben. b) Zu § 841 wurden noch folgende Anträge gestellt: 1. als Zusatz zu beschließen: Wilke Der Zustimmung des Grundstückseigenthümers bedarf es nicht, wenn bei der (Nr 27) Theilung eines dasselbe Grundstück belastenden Rechtes in gleichartige Theile zwischen den Theilenden ein besonderes Rangverhältniß für die einzelnen Theile vereinbart wird. 2. den im Antrag 1 vorgeschlagenen Abs. 3 zu fassen: Rechte, welche den Rang Jacubezky zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden Rechte haben, bleiben unbe- (Nr 28) rührt. Der Antrag 1 wurde bis zur Berathung des Hypothekenrechts zurückgestellt, da die wesentliche praktische Bedeutung auf dem Gebiete der Teilabtretung von Hypothekenforderungen und Grundschulden liege. Der Antrag 2 wurde angenommen, womit sich die Anträge 1 und 3 unter a) erledigten. c) die Kommission ging sodann zur Berathung des Antrags über, dem § 841 in der Fassung des Antrags 1 unter a) hinzuzufügen: Hat der Eigenthümer das zurücktretende Recht erworben, so kann er es nicht Struckmann (Nr 20, 4) ohne Zustimmung des vortretenden Berechtigten löschen lassen. hierzu die Unteranträge: 1. den Antrag auf die Fälle der Hypothek und der Grundschuld zu beschränken; 2. statt des Antrags zu bestimmen: Durch den Verzicht auf das zurücktretende Recht wird die Rangabtretung nicht berührt. 3. statt des Antrags folgende Vorschrift aufzunehmen: Der zurücktretende Berechtigte kann auf sein Recht nicht ohne Zustimmung des vortretenden Berechtigten verzichten. Der Unterantrag 3 wurde vor der Abstimmung zurückgezogen, der Unterantrag 2 gelangte in dem Sinne zur Annahme, daß durch die Aufhebung des zurücktretenden Rechtes die Rangänderung nicht berührt werde. d) Zur Berathung blieb noch der Antrag 3 insoweit übrig, als er vorschreiben will, daß für die Rangabtretung nicht wie nach dem Beschluß unter a) ein Vertrag 9
S. bei §§ 875, 876, 878 BGB.
313
§ § 880, 881
3. Buch: Sachenrecht
gefordert werden solle, sondern daß es hierzu nur der einseitigen Erklärung des Berechtigten bedürfe und demgemäß der § 834 Abs. 1 Satz 2 Anwendung finde. Der Antragsteller erklärte jedoch, daß er seinen Antrag zurücknehme, weil sich die vorgeschlagene Regelung für die Rangabtretung namentlich im Verhältnisse der Zwischenberechtigten zu dem Zurücktretenden nicht eigne. Achilles (Nr 12, 37)
2. Zu § 842 lagen die Anträge vor: 1. die Vorschrift zu fassen: Der Eigenthümer kann bei der Bewilligung der Eintragung eines Rechtes sich die Befugniß vorbehalten, ein anderes bestimmtes Recht mit dem Range vor jenem Rechte eintragen zu lassen. Ist dieses geschehen, so ist der Vorbehalt mit dem Rechte, welches zurücktreten soll, und der Vorrang mit dem Rechte, welchem er beigelegt wird, in das Grundbuch einzutragen. Die Eintragung des Vorranges wirkt jedoch nicht gegen Rechte, die inzwischen ohne den Vorbehalt eingetragen sind. Die vorbehaltene Befugniß geht mit der Uebertragung des Eigenthums auf den Erwerber desselben über; sie erlischt, wenn das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung veräußert wird.
Planck (Nr 14, 2)
2. im Abs. 1 den Satz 3 dahin zu ändern: Durch die Eintragung des Vorranges werden die Rechte desjenigen, für welchen in der Zwischenzeit ein Recht ohne den Vorbehalt eingetragen ist, nicht berührt.
Küntzel (Nr 15, 2)
3. im Antrag 1 Abs. 2 den Satz 2 zu fassen: sind vor der Eintragung des vorbehaltenen Rechtes andere Rechte ohne Vorbehalt eingetragen, so bedarf es zur Eintragung des Vorranges des vorbehaltenen Rechtes der Zustimmung entweder der Zwischenberechtigten oder desjenigen, dessen Recht zurücktreten soll, es sei denn, daß die Rechte der Zwischenberechtigten und das vorbehaltene Recht gleichartig sind und der Vorrang des vorbehaltenen Rechtes nur für einen nach Abzug der Zwischenrechte übrig bleibenden Betrag eingetragen werden soll. Die Rechte der Zwischenberechtigten werden durch eine ohne ihre Zustimmung erfolgte Eintragung des Vorranges nicht berührt.
Jacubezky (Nr 28, 2)
4. im Abs. 1 des § 842 den Satz 3 zu fassen: l s t in der Zwischenzeit ein Recht ohne den Vorbehalt erworben worden, so kann von diesem nur insoweit Gebrauch gemacht werden, als nicht dadurch in Folge des Bestehens des in der Zwischenzeit erworbenen Rechtes das mit dem Vorbehalt eingetragene Recht eine über den Vorbehalt hinausgehende Beeinträchtigung erleidet. 5. im Abs. 1 des § 842 den Satz 3 zu fassen: Ist in der Zwischenzeit ein Recht ohne den Vorbehalt erworben worden, so kann von dem auf Grund des Vorbehalts eingetragenen Rechte nur insoweit Gebrauch gemacht werden u.s.w. (wie im Antrage 4). Die Sätze 1, 2 des § 842 Abs. 1, von welchen der Antrag 1 nur redaktionell abweicht, wurden von der Komm, angenommen. Es soll jedoch, wie der Antrag 1 vorschlägt, ausdrücklich hervorgehoben werden, daß die vorbehaltene Befugniß mit der Uebertragung des Eigenthums auf den Erwerber übergeht. Hinsichtlich des Abs. 1 Satz 3 lehnte die Kom. die Anträge 1 und 2 ab. Von den sachlich übereinstimmenden Anträgen 3—5 entschied sie sich für die Fassung des Antrags 5. Der Abs. 2 des § 842 wurde gestrichen. 314
2. Abschnitt: Allg. Vorschr. über Rechte an Grundst.
§ § 880, 881
II. In der VorlZust ist die Fassung der §§ 841, 842: Das bestehende Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden. Zu der Aufhebung ist die Erklärung des zurücktretenden Berechtigten, daß er in die Aenderung willige und die Annahme dieser Erklärung durch den vortretenden Berechtigten sowie die Eintragung der Rangänderung im Grundbuch erforderlich. Ist das zurücktretende Recht eine Hypothek oder Grundschuld, so ist zu der Rangänderung auch die Zustimmung des Eigenthümers des Grundstücks erforderlich. Die Zustimmung muß gegenüber dem Grundbuchamt oder einem der Betheiligten erfolgen. Sie ist unwiderruflich. Die Vorschriften der §§ 837 bis 839 finden entsprechende Anwendung. Rechte, welche den Rang zwischen dem zurücktretenden und dem vortretenden Rechte haben, bleiben unberührt. Durch die Aufhebung des zurücktretenden Rechtes wird die Rangänderung nicht berührt 1 0 . Der Eigenthümer eines Grundstücks kann bei der Belastung desselben mit einem Rechte sich die Befugniß vorbehalten, eine Hypothek zu einem bestimmten Betrage oder ein anderes bestimmtes Recht mit dem Range vor jenem Rechte eintragen zu lassen. Zur Wirksamkeit des Vorbehalts ist erforderlich, daß derselbe mit dem Rechte, welches zurücktreten soll, in das Grundbuch eingetragen wird. Die Ausübung der vorbehaltenen Befugniß erfolgt dadurch, daß der Vorrang mit dem Rechte, welchem derselbe beigelegt werden soll, eingetragen wird. Die vorbehaltene Befugniß geht mit der Uebertragung des Eigenthums auf den Erwerber über. Ist in der Zeit zwischen der Eintragung des Vorbehalts und der Eintragung des Rechtes, dem der Vorrang beigelegt werden soll, ein Recht ohne den Vorbehalt erworben, so ist die Eintragung des Vorranges bei dem später eingetragenen Rechte insoweit ohne Wirksamkeit, als dadurch in Folge des Bestehens des in der Zwischenzeit erworbenen Rechtes das mit dem Vorbehalt eingetragene Recht eine über den Vorbehalt hinausgehende Beeinträchtigung erleiden würde. III. In der ZustRedKom
Ε I-VorlZust S 841
Ε I-VorlZust
Gebhard (Nr 26, 2)
3. den Abs. 1 zu fassen: Hat der Eigenthümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes die Grenze überschritten, so hat der Nachbar das Gebäude, solange dasselbe steht, in dem hergestellten Zustande zu dulden, es sei denn, daß er gegen die Ueberschreitung vor oder sofort nach derselben Widerspruch erhoben oder der Bauende die Ueberschreitung gekannt hat. 4. den Abs. 3 sowie den § 858 zu streichen und den § 857 Abs. 2 zu fassen: Dittmar Der Eigenthümer des Gebäudes ist verpflichtet, den Nachbarn durch eine ange- (Nr 35) messene jährlich im voraus zu entrichtende Geldrente zu entschädigen und die 487
51
)
§§ 9 1 2 - 9 1 6
3. Abschnitt: Eigenthum
Rente auf das bebaute Grundstück als Reallast zu Gunsten des Nachbargrundstücks in das Grundbuch eintragen zu lassen. Die Rente hat den Vorzug vor allen Rechten, auch den älteren, mit welchen das bebaute Grundstück belastet ist. Der Antrag 1 a und der Antrag 2 wurden angenommen. b) Die Berathung über den Antrag 4 wurde mit der nunmehr folgenden Berathung des § 858 verbunden. Zu § 858 lagen die Anträge vor: Achilles ( N r 22, 52)
1. die Vorschrift zu fassen: Die Rente wird in das Grundbuch nicht eingetragen. Das Recht zur Beziehung der Rente steht dem jeweiligen Eigenthümer des Nachbargrundstücks zu. Die Verpflichtung zur Entrichtung derselben liegt dem jeweiligen Eigenthümer des anderen Grundstücks ob. Die Rente geht allen, auch älteren Rechten an diesem Grundstücke vor. Auf das Recht zur Beziehung der Rente kann nicht verzichtet werden. Der Verjährung unterliegt der Anspruch des Berechtigten nur, soweit er auf rückständige Beträge gerichtet ist. Die Rente erlischt mit der Beseitigung des Gebäudes. 2. der Antrag 4 oben unter a. Die Mehrheit lehnte den Antrag 2 ab und nahm die Abs. 1 und 2 sowie den Satz 1 des Abs. 3 des Antrags 1 an. Der Satz 2 Abs. 3 wurde abgelehnt. c) Es wurde beantragt: die Erörterung des § 857 wieder aufzunehmen und den Abs. 3 („Für die Bestimmung des Betrags der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.") zu streichen. Der Antrag wurde abgelehnt.
Achilles ( N r 22, 53)
Achilles ( N r 22, 54)
d) Zu § 859, der dem Rentenberechtigten den Anspruch auf den Ersatz des Werthes des Baugrundes gegen dessen Ueberlassung gewährt, lag der nur redaktionelle Antrag vor: den Eingang des Satzes 1 und den Satz 2 zu fassen: Der zur Beziehung der Rente Berechtigte kann jederzeit an Stelle derselben . . . Für die Zeit bis zur Uebertragung des Eigenthums ist die Rente fortzuentrichten. Der § 859 wurde sachlich gebilligt. e) Der § 860, welcher die Ansprüche der Realberechtigten an die Baufläche beim Ueberbaue regelt, wurde sachlich nicht beanstandet. Als selbstverständlich wurde es bezeichnet, daß im Falle der Konkurrenz mehrerer Realberechtigter für jeden derselben die Rente selbständig zu bestimmen sei. Für die Redaktion war vorgeschlagen, im Eingange statt „Ist" zu setzen „Wird". II. In der VorlZust sind die Vorschriften der §§ 857—860 gefaßt:
Ε I-VorlZust Hat der Eigenthümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes die § 857 Grenze überschritten, ohne daß ihm dabei Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last gefallen, (oder: ohne daß er die Ueberschreitung gekannt oder seine Unkenntniß auf grober Fahrlässigkeit beruhte,) so hat der Nachbar das Gebäude, solange dasselbe steht, in dem hergestellten Zustande zu dulden, es sei denn, daß er gegen die Ueberschreitung vor oder sofort nach derselben Widerspruch erhoben hat. Der Eigenthümer des Gebäudes ist verpflichtet, den Nachbar durch eine jährlich im Voraus zu entrichtende Geldrente zu entschädigen; der Betrag der Rente bestimmt sich nach der Zeit der Grenzüberschreitung. 488
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
§§912-916
Das Recht zur Beziehung der Rente steht dem jeweiligen Eigenthümer des Nachbargrundstücks zu. Die Verpflichtung zur Entrichtung derselben liegt dem jeweiligen Eigenthümer des anderen Grundstücks ob. Die Rente geht allen, auch älteren Rechten an diesem Grundstück, vor. Auf das Recht zur Beziehung der Rente kann nicht verzichtet werden; es erlischt mit der Beseitigung des Gebäudes. Die Rente wird in das Grundbuch nicht eingetragen. Im Uebrigen finden auf die Rente die Vorschriften über Reallasten Anwendung. Der Rentenberechtigte kann jederzeit an Stelle derselben den Ersatz des Werthes, welchen der überbaute Theil seines Grundstücks zur Zeit der Grenzüberschreitung gehabt hat, gegen Ueberschreitung des Eigenthums an diesem Theile von dem Eigenthümer des anderen Grundstücks verlangen. (Auf die Verpflichtung beider Theile finden in solchem Falle die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung.) Für die Zeit bis zur Uebertragung des Eigenthums (oder: bis zur Erfüllung der hiernach dem Rentenberechtigten obliegenden Verpflichtung) ist die Rente fortzuentrichten. Der nach diesen Vorschriften dem Rentenberechtigten zustehende Anspruch unterliegt nicht der Verjährung. Ist durch Errichtung des Gebäudes ein Dienstbarkeitsrecht oder ein Erbbaurecht an dem Nachbargrundstücke beeinträchtigt, so finden zu Gunsten des Berechtigten die Vorschriften der §§ 857, 858 entsprechende Anwendung. III. In der ZustRedKom faßt:
sind die Vorschriften
Ε I-VorlZust «858
Ε I-VorlZust U59
den §§ 850f—i zusammenge-
Hat der Eigenthümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne daß er sie kannte und ohne daß seine Unkenntniß auf grober Fahrlässigkeit beruhte, so hat der Nachbar den Ueberbau zu dulden, es sei denn, daß er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend. Das Recht auf die Rente steht dem jeweiligen Eigenthümer des Nachbargrundstücks zu; zur Entrichtung der Rente ist der jeweilige Eigenthümer des anderen Grundstücks verpflichtet. Die Rente ist jährlich im Voraus zu entrichten. Sie erlischt mit der Beseitigung des Ueberbaues. Ein Verzicht auf die Rente ist unzulässig. Die Rente wird nicht in das Grundbuch eingetragen. Sie geht allen Rechten an dem belasteten Grundstück, auch den älteren, vor. Im Uebrigen finden auf die Rente die Vorschriften über die Reallasten Anwendung. Der Rentenberechtigte kann jederzeit verlangen, daß der Rentenpflichtige ihm gegen Uebertragung des Eigenthums an dem überbauten Theile des Grundstücks den Werth ersetzt, welchen dieser Theil zur Zeit der Grenzüberschreitung gehabt hat. Für die Zeit bis zur Uebertragung des Eigenthums ist die Rente fortzuentrichten. Wird durch den Ueberbau ein Erbbaurecht oder eine Dienstbarkeit an dem Nachbargrundstück beeinträchtigt, so finden zu Gunsten des Berechtigten die Vorschriften der §§ 850 f, 850 g entsprechende Anwendung. Bei der Revision der ZustRedKom wurde von der RedKom beantragt, in § 850 h als Satz 2 des Abs. 1 hinzuzufügen: 489
Ε I-ZustRedKom § 850 f
Ε I-ZustRedKom § 850g
Ε I-ZustRedKom % 850 h
Ε I-ZustRedKom § 850i
§§912-916
3. Abschnitt: Eigenthum
Macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so bestimmen sich die Rechte und Verpflichtungen beider Theile nach den Vorschriften über den Kauf. (Prot II, Bd. 4, S. 589). IV.—V. Im £ / / s i n d die Vorschriften der ZustRedKom in den §§ 826—829 enthalten. Bei der Revision des E l l wurde zu § 827 beantragt (Prot II, Bd. 6, S. 2 2 9 - 2 3 0 ) : 1. den Abs. 3 wie folgt zu fassen: Eichholz Die Rente wird nicht in das Grundbuch eingetragen. Sie geht allen Rechten an (Nr 44, 4) (J e r n belasteten Grundstück, auch den älteren, vor. Gegen Einzelnachfolger wirkt eine Feststellung der H ö h e der Rente durch Vereinbarung oder Urtheil sowie ein Verzicht auf die Rente nur, sofern eine Eintragung in das Grundbuch erfolgt ist. Im Uebrigen finden auf die Rente die Vorschriften über die Reallasten Anwendung. U n d im Falle der Annahme des Antrags im Abs. 2 die Worte „Ein Verzicht auf die Rente ist unzulässig" wegzulassen. Dittmar ( N r 39, 8)
2. die Vorschrift zu fassen: Die Rente für den Ueberbau ist dem jeweiligen Eigenthümer des Nachbargrundstücks von dem jeweiligen Eigenthümer des anderen Grundstücks jährlich im Voraus zu entrichten; sie erlischt mit der Beseitigung des Ueberbaues. Die Rente geht auch ohne Eintrag in das Grundbuch allen Rechten an dem belasteten Grundstück (auch den älteren) vor. Einem Sondernachfolger gegenüber wirkt eine Feststellung der H ö h e der Rente durch Vereinbarung oder Urtheil sowie ein Verzicht auf die Rente nur insoweit, als darüber ein Eintrag in das Grundbuch erfolgt ist. Im Uebrigen finden auf die Rente die Vorschriften über die Reallasten Anwendung.
3. den Abs. 2 Satz 3 zu streichen und folgenden Abs. hinzuzufügen: Zum Verzicht auf die Rente sowie zur Feststellung der H ö h e der Rente durch Vertrag ist die Eintragung in das Grundbuch erforderlich. Der Antrag 3 wurde hierauf angenommen, der Antrag 2 mit der Maßgabe der RedKom. überwiesen, daß der Abs. 2 dieses Antrags durch den Zusatz 3 zu ersetzen sei. Im Ε II rev ist § 826 Ell in § 897 enthalten, § 828 Ε / / i n § 900 und § 829 Ε / / i n §901, wohingegen § 827 Ε II in zwei Paragraphen aufgetheilt ist. Sie lauten als §§ 898 und 899: Ε II rev § 898 Die Rente f ü r den Ueberbau ist dem jeweiligen Eigenthümer des Nachbargrundstücks von dem jeweiligen Eigenthümer des anderen Grundstücks zu entrichten. Ε II rev % 899 Die Rente ist jährlich im Voraus zu entrichten. Das Recht auf die Rente geht allen Rechten an dem belasteten Grundstück, auch den älteren vor. Es erlischt mit der Beseitigung des Ueberbaues. Das Recht wird nicht in das Grundbuch eingetragen. Zum Verzicht auf das Recht sowie zur Feststellung der H ö h e der Rente durch Vertrag ist die Eintragung erforderlich. Im Uebrigen finden die Vorschriften Anwendung, die für eine zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines Grundstücks bestehende Reallast gelten. V. Im Ε III §§ 895—900 liegt die in §§ 912—916 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
490
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
§ § 917, 918
§917 Fehlt einem Grundstücke die zur ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigenthümer von den Nachbarn verlangen, daß sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Nothwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichen Falles durch Urtheil bestimmt. Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Nothweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 915, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
§918 Die Verpflichtung zur Duldung des Nothwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigenthümers aufgehoben wird. Wird in Folge der Veräußerung eines Heils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Theil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigenthümer desjenigen Theiles, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Nothweg zu dulden. Der Veräußerung eines Theiles steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigenthümer gehörenden Grundstücken gleich.
Α. 1. Kommission 1.319. Sitzung vom 2. 5. 1884, Schriftführer von Liehe | Prot 1 3850 | Der Entwurf § 110 des Entwurfs lautet 1 : „Fehlt einem Grundstücke die zu seiner ordnungsmäßigen Benutzung nothwen- T E - S a c h R § 110 dige Verbindung mit dem öffentlichen Wege, ohne daß dieser Zustand durch eine freiwillige Handlung des Eigenthümers oder seiner Rechtsvor-1 gänger herbeige- | Prot 1 3851 führt ist, so sind die Nachbarn verbunden, den erforderlichen Zugang gegen eine laufende jährlich im Voraus zu entrichtende Entschädigung zu gestatten. Die Richtung des Weges, den Umfang der Wegebenutzung und die Höhe der Entschädigung regelt das Gericht nach freiem Ermessen. Sind die Nachbarn, welche den Zugang zu gestatten haben, zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit erforderlichen Inhalts bereit, so fällt der Anspruch auf Gestattung des Nothweges hinweg und ist eine angemessene Kapitalentschädigung zu leisten."
Folgende Anträge lagen vor: v. Mandry 1. den § 110 bis dahin zu formuliren: (Nr 69, 3) „Fehlt einem Grundstücke die zu dessen ordnungsgemäßer Benutzung nothwendige Verbindung mit dem öffentlichen Wege und ist dieser Zustand nicht durch eine freiwillige Handlung des Eigenthümers oder der Rechts-Vorgänger desselben herbeigeführt worden, so sind diejenigen Eigenthümer, durch deren Grundstücke die kürzeste Verbindung mit dem öffentlichen Wege hergestellt werden kann, ver1
Die vorhergehende Beratung s. bei § 911 BGB.
491
§ § 917, 9 1 8
3. Abschnitt: Eigenthum
pflichtet, gegen Entschädigung zu bewilligen, daß die Befugniß zu solcher Benutz u n g ihrer G r u n d s t ü c k e als Grunddienstbarkeit bestellt werde." v. Weber 2. im ersten Absätze die W o r t e „ohne daß dieser Zustand durch eine freiwillige (Nr 68, 3) H a n d l u n g des Eigenthümers oder seiner Rechtsvor-1 gänger herbeigeführt ist" zu | Prot 1 3852 s t r e i c h e n , u n d als hinzuzufügen: §110a „ H a t der Eigenthümer einen Theil seines Grundstücks veräußert und besteht in Folge hiervon f ü r den veräußerten oder zurückbehaltenen Theil das Bedürfniß eines N o t h w e g e s , so ist nur der Eigenthümer des anderen Theiles z u r Gestattung des N o t h w e g e s verbunden. D e r zu Gunsten des veräußerten Theiles auf dem vom V e r ä u ß e r e r zurückbehaltenen Theile des Grundstückes erforderliche N o t h w e g ist unentgeltlich zu gestatα ten. eventuell in § 110 wenigstens die W o r t e „oder seiner Rechtsvorgänger" zu streichen, und die Bestimmung an den Schluß des Absatzes in der Fassung zu setzen: „es sei denn, daß dieser Zustand durch eine freiwillige H a n d l u n g des Eigenthümers herbeigeführt worden ist." Derscheid (Nr 71)
3. nach dem zweiten Absatz folgenden Absatz einzuschalten: „Der Anspruch auf Gestattung des Nothweges unterliegt der V e r j ä h r u n g nicht."
4. den Eigenthümer des belasteten Grundstückes f ü r berechtigt zu erklären, statt der Rente eine angemessene Kapitalentschädigung gegen Ueberlassung des er| Prot I 3853 | forderlichen Wegeterrains zu verlangen. I. Zunächst w u r d e ebenso wie in dem verwandten Falle des § 107 geschehen war, die Voraussetzungen der zu beschließenden Rechtsnorm erörtert. D e r Entwurf will mit den W o r t e n : „ohne daß dieser Zustand durch eine freiwillige H a n d l u n g des Eigenthümers oder seiner Rechtsvorgänger herbeigeführt ist" die klarer dahin auszudrückende V o r a u s s e t z u n g setzen, daß der Zugangsnothstand nicht durch V o r s a t z o d e r Fahrlässigkeit des von demselben Betroffenen oder seiner Rechtsvorgänger geschaffen ist. D e r A n t r a g 2 will von dieser Voraussetzung absehen und lediglich das objektive Vorliegen eines Zugangsnothstandes entscheiden lassen. Folgende Beschlüsse w u r d e n gefaßt: 1. Die Bestimmung des Entwurfs, daß der Zugangsnothstand nicht durch V o r satz oder Fahrlässigkeit des Wegebedürftigen entstanden sein müsse, w u r d e angen o m m e n und der hiervon absehbare Antrag 2 abgelehnt. D e r Beschluß beruhte auf denselben G r ü n d e n , welche f ü r die Bestimmung der analogen Voraussetzungen des Eintritts der Rechtsnorm des § 107 maßgebend gewesen waren. 2. Entsprechend dem Vorschlage des Entwurfes und abweichend von dem eventuellen Antrage 2 soll auch die vorsätzliche oder fahrlässige Handlungsweise der Rechtsvorgänger des Wegebedürftigen den Eintritt der Rechtsnorm ausschließen. Man nahm an, daß bei einem Wechsel in der Person des Eigenthümers des wege| Prot I 3854 bedürfti- | gen Grundstückes, der Nachfolger in Ansehung des Rechtes auf den N o t h w e g nicht in eine günstigere Lage gelangen könne, als in welcher sein V o r g ä n ger war. Die im Antrage 2 als § 110 a vorgeschlagene Bestimmung w u r d e von dem U r h e ber des Antrages, nachdem die Beschlüsse unter 1 und 2 gefaßt waren, nur noch in 492
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
§ § 917, 918
dem Sinne aufrecht erhalten, daß in dem Falle von Parzellirungen, in deren Folge ein Zugangsnothstand eintrete, erstlich in keinem Falle über andere Grundstücke, als über dasjenige Grundstück, welches f r ü h e r mit dem nothleidenden Grundstücke zusammenhing, ein N o t h w e g verlangt werden könne, daß aber zweitens in dem Verhältnisse der letztgedachten Grundstücke u n t e r einander f ü r das Recht auf den N o t h w e g außer Betracht bleiben solle, ob der Zugangsnothstand auf der einen oder der anderen Seite durch Verschulden herbeigeführt sei. Die Kommission lehnte jedoch den Antrag ab, weil sie in den Besonderheiten des Falles, auf welchen derselbe sich bezieht, keinen genügenden G r u n d erblickte, um eine von dem zu G r u n d e gelegten Prinzipe abweichende Spezialvorschrift zu beschließen. Im Uebrigen w a r man einverstanden, daß aus den in den Motiven S. 600 angef ü h r t e n G r ü n d e n die Frage, ob in den Fällen der hier fraglichen Art der stillschweigend abgeschlossene Vertrag auf Bestellung einer Wegegerechtigkeit nach den konkreten Umständen vorliegen könne, an dieser Stelle unberührt zu lassen sei. V o n einer Seite wurde zur P r ü f u n g bei der Redaktion anheimgegeben, ob das W o r t „ o r d n u n g s - | mäßigen" im ersten Absätze des § 110 nicht zu vertauschen sei | Prot 1 3855 mit „regelmäßigen" oder „bisherigen ordnungsmäßigen", um anzudeuten, daß das Bedürfniß nach dem objektiven Zustand beurtheilt werden müsse und subjektive Zwecke des Besitzers nicht in Betracht kämen. 320. Sitzung vom 5. 5. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs „ G r e n z - und Nachbarrecht" w u r d e | Prot 1 3857 fortgesetzt. N a c h d e m in der vorherigen Sitzung unter I über die Voraussetzungen berathen und beschlossen war, an welche die in § 110 des Entwurfs vorgeschlagene, das Recht auf den N o t h w e g bestimmende Rechtsnorm zu knüpfen sei, kam in der heutigen Sitzung II. der Inhalt dieser Rechtsnorm zur Diskussion. Folgender Antrag war nachträglich gestellt w o r d e n : Kurlbaum 5 a, im Absatz 1 die W o r t e „gegen eine — Entschädigung" und in Absatz 2 die (Nr 74) W o r t e „und die H ö h e der Entschädigung" zu streichen; ferner Absatz 3 zu fassen: „Die Vorschriften des zweiten bis vierten Absatzes des § 107 (zu vergl. Antr. 5 zu § 107, S. 3833) 2 , finden entsprechende Anwendung." b, als Absatz 4 zuzusetzen: „Ist der zur Entrichtung der Rente Verpflichtete mit der Entrichtung in V e r z u g , so kann die Benutzung des N o t h w e g e s versagt werden. Mit dieser Beschränkung kann der Nothwegberechtigte von dem N a c h b a r n die Bewilligung zur Eintragung des Nothwegerechtes verlangen." | D e r Entwurf stimmt mit dem Antrage 5 a insofern überein, als auch er in Anse- | Prot I 3858 h u n g der Duldungspflicht auf der einen Seite und der Entschädigungspflicht auf der anderen Seite von den gleichen Grundsätzen ausgeht, auf welchen die entsprechenden Vorschriften in § 107 des Entwurfs beruhen. N a c h d e m durch die in der vorigen Sitzung gefaßten Beschlüsse die letztgedachten Vorschriften geändert und durch Bestimmungen ersetzt sind, welche das Rechtsverhältniß auf Seiten beider Betheiligten näher regeln, will der A n t r a g 5 a an der gegenwärtigen Stelle auf die zu § 107 beschlossenen Vorschriften verweisen, statt in § 110 selbständig das Erforderliche zu bestimmen. H i e r n a c h will der A n t r a g in dem Falle des § 110 dem duldungspflich2
S. bei SS 912—916 BGB.
493
§ § 9 1 7 , 918
3. Abschnitt: Eigenthum
tigen Nachbar insbesondere auch die alternative Befugniß gewähren, durch rechtsgeschäftliche Verschaffung des von der anderen Seite benöthigten Rechts mittels Uebertragung des Eigenthums an dem zum Wege nöthigen Areal — also nicht blos, wie der Entwurf in Absatz 3 vorschlägt, in Form der Servitut — das Recht auf eine Kapitalentschädigung zu gewinnen und der gesetzlichen Duldungspflicht sich zu entledigen. Die Kommission faßte folgende Beschlüsse: 1. Die zu § 107 beschlossene Vorschrift über die gesetzliche Duldungspflicht auf der einen Seite und die gesetzliche Entschädigungspflicht auf der anderen Seite soll auf den Fall des § 110 ausgedehnt und hinzugefügt werden, daß die an jene V o r schrift angeschlossenen Bestimmungen entsprechende Anwendung finden. Die hiernach sich ändernde Fassung des Abs. 1 des § 110 bleibt der Prüfung bei der Redaktion vorbehalten. 2. Ausgenommen von der unter 1 bestimmten Anwendbarkeit bleibt die zu § 107 beschlossene Vorschrift über das Recht des duldungspflichtigen Nachbarn auf Kapitalentschädigung gegen Uebertragung des Eigenthums an dem von der gesetzlichen Eigenthumsbeschränkung betroffenen Theile seines Grundstücks. 3. Der Absatz 3 des § 110 wird abgelehnt. | Prot 1 3859 | 4. Der Absatz 2 des § 110 wird angenommen, jedoch unter Streichung der Worte: „und die H ö h e der Entschädigung". 5. Der Antrag 5 b wird abgelehnt. 6. Der Antrag 2 wird abgelehnt. Erwogen war: Zu 1. Die in den §§ 107 und 110 des Entwurfs behandelten Fälle seien insofern gleichartig, als in beiden Fällen der auf Seiten des Eigenthümers eines Grundstücks eingetretene Nothstand die Benutzung von fremden Grundstücken erheische und das Gesetz, anstatt den Eigenthümer des nothleidenden Grundstücks auf die Erwerbung einer Dienstbarkeit erforderlichen Inhalts zu verweisen, den Eigenthümern der Nachbargrundstücke eine Duldungspflicht auferlege, ihnen dagegen ein mit dem Eigenthum derselben sich verbindendes Recht auf Entschädigung in Gestalt einer auf das nothleidende Grundstück gelegten Rente zuspreche. Der stattfindende Unterschied sei thatsächlicher Natur und stehe der Unterstellung der gesetzlichen Duldungs- und Entschädigungspflicht unter dieselben Rechtsgrundsätze nicht entgegen. Das Bedürfniß der Benutzung des fremden Grundstücks entstehe auf verschiedene Weise, dort durch die in Folge eines Irrthums geschehene Ueberschreitung der Grenze bei Aufführung eines Baues, hier durch Umstände, welche unabhängig von dem Willen des Eigenthümers dem Grundstücke den erforderlichen Zugang entzögen. Ebenso bestimmten Dauer und Ende des Bedürfnisses sich verschieden. O b in letzterer Beziehung die Fassung des Entwurfs einer Verdeutlichung dahin bedürfe, daß nur, so lange es an einem anderweiten Zugange fehle, die gesetzliche Eigenthumsbeschränkung platzgreife, also sich erledige, wenn ζ. B. durch Anlegung eines öffentlichen Wegs dem Bedürfniß abgeholfen sei, bleibe der Prüfung bei der Redaktion vorbehalten. Zu 2 und 3. In Ansehung der Frage, ob dem duldungspflichtigen Nachbarn ein Anspruch auf Kapitalentschädigung gegen rechtsgeschäftliche Verschaffung eines | Prot 1 3860 den Bedürfnissen des anderen | Theils entsprechenden Rechts zu gewähren sei, lägen die Fälle der §§ 107 und 110 verschieden. Die Abtretung des Eigenthums an dem erforderlichen Wegeterrain würde offenbar dem zugangsbedürftigen Theile mehr aufdrängen, als er bedürfe, während im Falle des § 107 bei der Dauerhaftig494
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
§ § 917, 9 1 8
keit der Gebäude und der völligen Inanspruchnahme des Grund und Bodens durch das darauf gesetzte Gebäude die Erlangung des Eigenthums an der bebauten Fläche für den Eigenthümer des Gebäudes von gleichem Werthe und dauerndem Interesse sei. Aber nicht allein fehle im Falle des § 110 ein Interesse des Wegebedürftigen an der Erlangung des Eigenthums am Wegeterrain, sondern es würde zugleich der hohe Preis, welchen der Nachbar für das sein Gebiet durchschneidende Wegeterrain zu fordern regelmäßig geneigt und in vielen Fällen auch berechtigt sein würde, den ersteren Theil in einer Weise belasten, welche oftmals mit dem Werthe des zugangsbedürftigen Grundstücks in keinem Verhältnisse stehen würde. Aber auch schon die im dritten Absätze des Entwurfs enthaltene Vorschrift, nach welcher der Eigenthümer des nothleidenden Grundstücks die Bestellung einer Wegedienstbarkeit erforderlichen Inhalts gegen Kapitalentschädigung anzunehmen gezwungen sein solle, würde zu einer Bedrückung desselben führen, da die Dauer des Zugangsbedürfnisses unbestimmt sei, bei Ermittelung des Kapitalwerthes aber hierauf nicht Rücksicht genommen werden könne. Außerdem komme in Betracht, daß nur die Bestellung einer solchen Dienstbarkeit den Eigenthümer des nothleidenden Grundstücks sicher stellen würde, welcher im Konflikt mit früher eingetragenen Rechten der Vorrang gebühre. Das Gesetz würde also vorschreiben müssen, daß nur die Bestellung einer solchen Dienstbarkeit angenommen zu werden brauche, da die gesetzliche Verpflichtung zu Bestellung einer Dienstbarkeit an sich, auch unter analoger Anwendung des § 368 des K.E. 3 , nicht auf Bestellung mit V o r rang vor Hypotheken und Reallasten gehen werde. Eine solche Bestellung werde für den Eigenthümer | des dem Nothwege unterliegenden Grundstücks meistens mit | Prot I 3861 Schwierigkeiten verbunden sein, ein Interesse an der in Abs. 3 des § 110 zugesprochenen Befugniß also nur in beschränktem Maße obwalten. Zu 4. Das Gesetz schaffe die Rechte auf beiden Seiten und werde mithin in Abs. 2 des § 110 dem Richter nicht die Vornahme eines konstruktiven Aktes, sondern nur die Ermittelung des konkreten Inhalts eines Rechts übertragen, zu vergl. Entw. § 263 Abs. 3. Die Worte: „und die H ö h e der Entschädigung" seien wegen Selbstverständlichkeit und in Rücksicht auf § 260 der Civilprozeßordnung entbehrlich, wie denn auch eine ähnliche Bestimmung zu § 107 nicht beschlossen sei. Zu 5. Der Satz 1 der im Antrage 5 b vorgeschlagenen Bestimmung wolle das Benutzungsrecht auf der einen und die Duldungspflicht auf der anderen Seite der Bedingung unterstellen, daß Recht und Pflicht f ü r die Dauer eines Verzuges in der Entrichtung der Rente zessirten. In Ansehung der Knüpfung der Duldungspflicht an eine derartige Bedingung lägen die Fälle der §§ 107 und 110 insofern verschieden, als im ersteren Falle der kraft Gesetzes zur Benutzung des fremden Grundstücks Berechtigte Inhaber der eine Projektion bildenden Gebäudetheile sei und folglich in der Vertheidigungslage sich befinde, während in dem Falle des § 110 das umgekehrte Verhältniß eintrete. Hieraus lasse sich anscheinend ableiten, daß der Eigenthümer des mit dem Nothwege belasteten Grundstücks befugt sein müsse, der Ausübung des Rechts zu widersprechen, wenn und so lange die Rentenzahlung im Rückstände sei. Indessen eine solche Bestimmung sei überaus bedenklich. Sie könne zu vielen Streitigkeiten führen, ferner den Eigenthümer des des Weges bedürfenden Grundstücks namentlich dann, wenn streitig sei, ob ein Rentenrückstand vorhanden, in große Verlegenheit bringen und mitunter in eine wahre Zwangslage versetzen. Zur Sicherung des Duldungspflichtigen sei zudem eine Bedingtheit seiner Pflicht, welche eine Art von Retentionsrecht enthalte, nicht | erforderlich, da ihm | Prot I 3862 3
S. bei § 434 BGB. 495
§ § 917, 918
3. Abschnitt: Eigenthum
das Gesetz für die auferlegte Pflicht als Entgelt nach der beschlossenen Bestimmung ein selbständiges und bevorzugtes Recht an dem zugangsbedürftigen Grundstücke gegeben habe. Ein Recht auf Eintragung der gesetzlichen Eigenthumsbeschränkung, wie solches der Satz 2 des Antrags 5 b in Vorschlag bringe, könne aus den selben Gründen nicht zugelassen werden, welche in der vorigen Sitzung zu dem Beschlüsse geführt hätten, daß auch die Rentenlast auf das nothleidende Grundstück nicht einzutragen sei, zu vergl. Prot S. 3841, 3843. Zu 6. Eine besondere Bestimmung über Verjährung dürfe aus denselben Gründen nicht aufgenommen werden, aus denen auch zu § 107 gegen die Aufnahme einer solchen Bestimmung entschieden sei, zu vergl. Prot. S. 3841, 3847. Die in den Motiven des Entwurfs S. 606 ff. unter e enthaltene Ausführung, weshalb über weitere gesetzliche Verpflichtungen der Grundeigenthümer zur Duldung positiver nachbarlicher Benutzung ihrer Grundstücke, insbesondere über das sogenannte Hammerschlags- oder Leiterrecht, Umwenderecht und Schaufelschlagsrecht Bestimmungen nicht aufzunehmen seien, wurde von der Kommission gebilligt. II. 1. In der VorlZust „Eigenthum"sind mengefaßt: VorlZust ^ 14
Kurlbaum (Nr 434, 26)
Gebhard (Nr 448, 4) Ε Η 863
die Beschlüsse der Kom. in § 14 zusam-
Fehlt einem Grundstücke jede (die) zu seiner bisherigen ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, ohne daß die Nothwendigkeit von dem Eigenthümer oder dessen Rechtsvorgänger vorsätzlich oder durch Fahrlässigkeit herbeigeführt ist, so sind die Nachbarn verbunden, während der Dauer dieses Zustandes die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden. Die Richtung des Weges und der Umfang der Wegebenutzung werden von dem Gerichte nach freiem Ermessen bestimmt. Der Eigenthümer des des Zuganges bedürfenden Grundstückes hat dagegen die zur Duldung des Zuganges verpflichteten Nachbarn durch eine jährliche im Voraus zu entrichtende Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 11 Absatz 3 und 5 finden entsprechende Anwendung. (Zum § 14. „Freies Ermessen" zu vergl. Kom. Entw. §§ 718, 722.) 2., 3. In der RedVorl% 848 ist im Eingang der Vorschrift das W o r t „jede" ersetzt durch „die". Zitiert sind die SS 842, 843 und 845. In der ZustSachR § 846 heißt es „ohne daß der Nothstand" anstelle von „ohne daß die Nothwendigkeit"; zitiert sind die S§ 840, 841 und 843. III. Bei der Redaktion des K E wurde zu S 846 beantragt: V o r dem Schlußsatz und mit diesem als Abs. 2 verbunden einzuschalten: „Für die Bestimmung des Betrages der Rente ist die Zeit maßgebend, in welcher die Duldung des Zuganges zuerst beansprucht worden ist." Dagegen im Schlußsatz nur die SS 841, 843 zu allegiren. Die Kom. beschloß, im Schlußsatz solle der S 840 nicht mit angeführt werden. Im übrigen wurde der Antrag abgelehnt. (Prot I 6212, 6217). IV. Bei der Revision des K E beschloß die Kom., in S 846 Z. 4 im Anschlüsse an die Fassung des S 186 zu setzen „vorsätzlich oder fahrlässig verursacht worden ist" (Prot I 11948). Im Ε / l a u t e t die Vorschrift als S 863: Fehlt einem Grundstücke die zu seiner bisherigen ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, ohne daß der Nothstand von dem Eigenthümer oder dessen Rechtsvorgänger vorsätzlich oder fahrlässig verursacht worden ist, so sind die Nachbarn verbunden, während der Dauer dieses Zu496
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
§ § 917, 9 1 8
standes die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden. Die Richtung des Weges und der Umfang der Wegebenutzung werden von dem Gerichte nach freiem Ermessen bestimmt. Der Eigenthümer des des Zuganges bedürfenden Grundstückes hat die zur Duldung des Zuganges verpflichteten Nachbarn durch eine jährlich im Voraus zu entrichtende Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften der §§ 858, 860 finden entsprechende Anwendung.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot II, Bd. 3, S. 1 4 9 - 1 5 7 ; Mugdan, Bd. 3, S. 597 ff.) a) Zu § 863 waren die Anträge gestellt: Achilles 1. die Vorschrift dahin zu ändern: Fehlt einem Grundstücke die zu seiner bishe- (Nr 22, 58) rigen ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, ohne daß dieser Mangel von dem Eigenthümer oder dessen Rechtsvorgänger verschuldet worden ist, so sind die Nachbarn verbunden, bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden. Die Richtung des Weges und den Umfang der Wegebenutzung bestimmt die zuständige Behörde. Die Zuständigkeit und das Verfahren richten sich nach den Landesgesetzen. Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Weg gelegt wird, sind von den Wegeberechtigten durch eine jährliche Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 857 Abs. 2, 3 und der §§ 858, 859 finden entsprechende Anwendung. 2. in § 863 das W o r t „bisherigen" vor „ordnungsmäßigen" zu streichen und fol- Planck gende Vorschrift entweder als Zusatz zu § 863 oder in den Entw. d. E.G. aufzuneh- (Nr 19, 4) men: Unberührt bleiben die Vorschriften der Landesgesetze über das Verfahren bei Feststellung des Nothwegs und der dafür zu zahlenden Entschädigung sowie über die Behörden, vor welchen dasselbe stattzufinden hat. 3. den Satz 1 durch folgende Vorschrift zu ersetzen: Fehlt einem Grundstücke die zu seiner ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege (und kann diese Verbindung von dem Eigenthümer des Grundstücks nicht oder nicht ohne unverhältnißmäßige Kosten oder Unbequemlichkeiten in anderer Art hergestellt werden), so sind die Nachbarn verpflichtet, bis zu Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden. eventuell folgenden Satz hinzuzufügen: Die Verpflichtung ist ausgeschlossen, wenn das Bedürfniß der Verbindung durch eine willkürliche Aenderung der bisherigen Benutzung des Grundstücks hervorgerufen ist, es sei denn, daß die mit dieser Aenderung verbundenen wirthschaftlichen Vortheile die f ü r die Nachbargrundstücke aus der Wegebenutzung entstehenden wirthschaftlichen Nachtheile erheblich überwiegen. (Satz 2 wie Antrag 1 Abs. 2.) hierzu die Unteranträge: 4. den eventuell vorgeschlagenen Zusatz folgendermaßen zu fassen: Die Verpflichtung ist ausgeschlossen, wenn die bisherige Verbindung mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Anordnung des Eigenthümers gestört ist. H a t der Eigenthümer ein ihm gehöriges Grundstück, durch das er eine Verbindung 497
Struckmann (Nr 24, 2)
Wolffson (Nr 43)
§ § 917, 918
3. Abschnitt: E i g e n t h u m
mit dem öffentlichen Wege hat, veräußert, so liegt die Pflicht, die Herstellung der erforderlichen Verbindung nach Maßgabe des Abs. 1 zu dulden, dem Eigenthümer des veräußerten Grundstücks ob. Der Anspruch auf Einräumung eines Nothwegs unterliegt keiner Verjährung. den vorstehenden Abs. 1 Satz 2 eventuell zu fassen: Ist in Folge der Veräußerung eines Theiles des Grundstücks oder eines von mehreren dem nämlichen Eigenthümer gehörigen Grundstücken ein Theil des bisherigen Grundstücks oder eines der mehreren Grundstücke von der Verbindung abgeschnitten, so obliegt die Pflicht, die Herstellung der nothwendigen Verbindung nach Maßgabe des Abs. 1 zu dulden, dem Eigenthümer desjenigen Grundstücks, welches die bisherige Verbindung mit dem öffentlichen Wege gebildet hat. Planck (Nr 36, 2)
5. dem Satze 1 des Antrags 3 folgenden Zusatz zu geben: £)i e Verpflichtung ist ausgeschlossen, wenn das Bedürfniß der Verbindung durch eine willkürliche Aenderung der bisherigen Benutzung des Grundstücks oder dadurch hervorgerufen ist, daß der Eigenthümer ein ihm gehöriges Grundstück, durch das er eine Verbindung mit einem öffentlichen Wege hatte, freiwillig veräußert hat. Bei Abstimmung wurde zunächst der prinzipale Antrag 3 mit der ersten Hälfte des eventuell vorgeschlagenen Zusatzes sowie mit dem Satze 2 des Antrags 4 angenommen und alsdann beschlossen, statt der engeren Fassung des Halbsatzes 1 des Eventualantrags 3 (willkürliche Aenderung der Benutzung) den weiteren Ausdruck des Satzes 1 des Antrags 4 (willkürliche Anordnung) zu wählen, wobei der RedKomm. überlassen wurde, etwa eine Vereinigung der Fassung in der Form „willkürliche Anordnung, insbesondere Aenderung der Benutzung" vorzunehmen. b) Auf den Satz 2 des § 863 bezogen sich: 1. der Abs. 2 des Antrags 1 unter a; 2. der Antrag 2 unter a; 3. der Unterantrag zu den Anträgen 1 und 2: im Antrag 1 Satz 1 nach „den Umfang der Wegbenutzung" einzufügen: „sowie die für den Nothweg zu zahlende Entschädigung"; die Anträge: 4. in § 863 Satz 2 statt „von dem Gerichte" zu setzen: „erforderlichen Falles durch Urtheil"; 5. in § 863 Satz 2 statt „durch das Gericht" zu setzen: „durch die zuständige Behörde". Der Antrag 2 wurde zu Gunsten des Antrags 4 zurückgezogen, von anderer Seite aber wieder aufgenommen. Die Kom. nahm für den Fall der Annahme des Antrags 1 den Unterantrag 3 an, entschied sich dann aber endgültig für die Annahme des Antrags 4. Auf die Sätze 3, 4 des § 863 bezog sich der Abs. 3 des Antrags 1, welcher vom Entw. nur darin abweicht, daß er auf die vom Nothwegeberechtigten zu zahlende Entschädigungsrente auch den § 857 Abs. 3 für entsprechend anwendbar erklärt, nach welchem im Falle des Grenzüberbaues für die Bestimmung des Vertrags der Rente die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend sein soll. Diese Abweichung vom Entw. wurde von der Mehrheit gebilligt. c) Es war beantragt: dem § 863 hinzuzufügen: Der Anspruch auf Einräumung eines Nothwegs unterliegt keiner Verjährung. Die Kom. beschloß zum Ausdruck zu bringen, daß der Anspruch des Nothwegeberechtigten auf Duldung der Benutzung der Nachbargrundstücke zum Nothwege keiner Verjährung unterliege. 498
§919
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
II. In der VorlZustsind die Beschlüsse in § 863 enthalten: Fehlt einem Grundstücke die zu seiner (oder: zur) ordnungsmäßigen Benutzung EI-VorlZust. nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so sind die Nachbarn ver- § 863 pflichtet, bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden. Die Verpflichtung ist ausgeschlossen, wenn die bisherige Verbindung mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Anordnung des Eigenthümers gestört ist. Ist in Folge der Veräußerung eines Theiles des Grundstücks oder eines von mehreren demselben Eigenthümer gehörigen Grundstücken ein Theil des bisherigen Grundstücks oder eines der mehreren Grundstücke von der Verbindung abgeschnitten, so ist der Eigenthümer desjenigen Grundstücks, durch welches bisher die Verbindung mit dem öffentlichen Wege stattgefunden hatte, verpflichtet, die Herstellung der nothwendigen Verbindung nach Maßgabe des Abs. 1 zu dulden. Die Richtung des Weges und der Umfang der Wegebenutzung werden (erforderlichen Falles) durch Urtheil bestimmt. Der Eigenthümer des des Zuganges bedürfenden Grundstücks hat die zur Duldung des Zuganges verpflichteten Nachbarn durch eine jährliche im Voraus zu entrichtende Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 857 Abs. 3, der §§ 858, 860 finden entsprechende Anwendung. Der Anspruch auf Duldung des Nothweges unterliegt der Verjährung nicht. III.—V. In der ZustRedKom sind die Bestimmungen in den §§ 850 k und 1 enthalten. Sie sind bereits so gefaßt wie die §§ 917, 918 BGB, ausgenommen § 850 k Abs. 2 Satz 1. Dieser lautet: Der Eigenthümer hat die zur Duldung des Nothweges verpflichteten Nachbarn durch eine Geldrente zu entschädigen. In den §§ 830, 831 £ / / ( § § 902, 903 Ε II rev, §§ 901, 902 Ε III) liegt dann insgesamt die Gesetz gewordene Fassung vor.
§919
Der Eigenthümer eines Grundstücks kann von dem Eigenthümer eines Nachbargrundstücks verlangen, daß dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt. Die Art der Abmarkung und das Verfahren bestimmen sich nach den Landesgesetzen; enthalten diese keine Vorschriften, so entscheidet die Ortsüblichkeit. Die Kosten der Abmarkung sind von den Betheiligten zu gleichen Theilen zu tragen, sofern nicht aus einem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergiebt. Α. 1. Kommission I. 317. Sitzung vom 28. 4. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs 1 wandte sich zu dem zweiten Titel des | Prot I 3795 dritten Abschnitts, welcher die Ueberschrift trägt: „Gesetzliche Begrenzung und 1
Die vorhergehende Beratung betraf das dingliche Vorkaufsrecht; s. bei
1094 ff.
499
§919
3. Abschnitt: Eigenthum
Beschränkung des Eigenthums an Grundstücken im nachbarlichen Interesse (Grenz- und Nachbarrecht)." In der vorigen Sitzung (Prot. S. 3785) ist beschlossen worden, die §§ 85, 86, wie solche aus der Berathung hervorgegangen sind, mit den zu beschließenden Bestimmungen des gegenwärtigen Titels zu verbinden und in Folge davon die Ueberschrift dieses Titels in geeigneter Weise zu ändern. Von einer Seite wurde als Ueberschrift vorgeschlagen: „Inhalt und Begrenzung des Eigenthums", von anderer Seite wurde die Ueberschrift: „Inhalt des Eigenthums" empfohlen. Man überließ die weitere Entscheidung in dieser Richtung der Prüfung bei der Redaktion. Der § 100 des Entwurfs lautet: „Jeder Eigenthümer eines Grundstücks hat gegen jeden seiner Nachbarn den Anspruch auf dessen Mitwirkung zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn vorhanden gewesene Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden sind, zu deren Wiederherstellung. | Prot I 3796 | Die Kosten der Abmarkung sind von den betheiligten Nachbarn zu gleichen Theilen zu tragen. Ist die Nothwendigkeit der Wiederherstellung von Grenzzeichen von einem Nachbar verschuldet, so fallen die Kosten ihm allein zur Last. Die Art der Abmarkung bestimmt sich nach Landesrecht und bei mangelnden Vorschriften nach Ortsübung. Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, die Zuziehung eines Vermessungsbeamten und f ü r besondere Fälle, namentlich wenn die Grundstücksgrenze zugleich Landesgrenze oder Gemeindegrenze ist, auch die Zuziehung anderer Beamten vorzuschreiben."
TE-SachR§100
Es lag der Antrag vor: v. Schmitt 1. zu Protokoll festzustellen, daß die Vorschriften des § 13 des Gerichtsverfas(Nr65) sungsgesetzes durch den § 100 nicht berührt werden (zu vergl. Begründung S. 559 letzter Absatz.); 2. im dritten Absätze des § 100 statt der W o r t e : „die Art" zu setzen die Worte: „die Art und Ausführung"; 3. den vierten Absatz des § 100 zu streichen. Folgende Beschlüsse wurden gefaßt: a, 1. der Absatz 1, der Absatz 2, Satz 1 und Satz 2 und der Absatz 3 des Entwurfs wurden nacheinander sachlich angenommen. 2. der Absatz 4 wurde gestrichen. b, In Ansehung der Fassung wurde beschlossen, im dritten Absätze 1. statt „die Art" zu setzen: „die Art und das Verfahren"; 2. statt „Landesrecht" zu setzen „den Landesgesetzen"; 3. unter „Ortsübung" nicht Gewohnheitsrecht, sondern „Verkehrssitte", „that| Prot I 3797 sächlicher Gebrauch" zu | verstehen und der P r ü f u n g bei der Redaktion die Wahl eines gleichmäßig f ü r alle einschlagenden Fälle zu gebrauchenden Ausdrucks zu überlassen. c, Der P r ü f u n g bei der Redaktion wurde ferner überlassen, ob, wie von einer Seite vorgeschlagen, der Satz 2 des Absatzes 2 durch die in den vorhergehenden Satz einzuschiebenden oder demselben anzuschließenden Worte zu ersetzen sei: „unbeschadet der Verpflichtung des Einen oder des Anderen aus einem ihm zur Last fallenden Verschulden." Erwogen war: a, 1. Zur sachlichen Annahme der ersten drei Absätze. An der gegenwärtigen Stelle handele es sich nur darum, den Nachbarn gegenseitige obligatorische Ansprü500
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
§919
che auf Mitwirkung des anderen Theiles zur Herbeiführung einer ordnungsmäßigen, dem beiderseitigen Interesse dienenden Beurkundung der Grenze zu geben. Die Vorschläge des Entwurfs entsprächen dem geltenden Rechte und seien als zweckentsprechend anzuerkennen, zu vergl. Begründung S. 558, 559. In Ansehung des Inhaltes dieser Ansprüche seien die landesgesetzlichen Vorschriften, und, wenn es an einer hierauf bezüglichen, möglicher Weise auch auf Gewohnheitsrecht beruhenden Rechtsnorm fehle, der örtliche thatsächliche Gebrauch in der Weise für maßgebend zu erklären, daß diesen Ansprüchen nur durch eine dem Gesetz oder der Uebung entsprechende Abmarkung genügt werde. Für das durch die Abmarkung erstrebte Ziel einer für alle Zeiten den Beweis sichernden und untrüglichen Beurkundung sei nicht nur die objektive Beschaffenheit der Urkunds- und Grenzzeichen, sondern in hohem Maße auch die Prozedurweise von Bedeutung; es brauche hier nur erinnert zu werden an das in einem Theile Deutschlands in verbreiteter Uebung stehende sogenannte Geheimniß der Märker, das heißt diejenigen geheimen, unter Ausschluß der Betheiligten zu treffenden Vorkehrungen, welche | eine | Prot I 3798 Grenzverrückung durch eine des Geheimnisses nicht kundige Person verhinderten oder erschwerten. Um festzustellen, daß ein jeder Theil die Einhaltung des gehörigen Verfahrens verlangen könne, empfehle sich die übrigens der Absicht des Entwurfs entsprechende Verdeutlichung, welche der Antrag unter 2 in Vorschlag bringe, nur werde sie besser durch H i n z u f ü g u n g der Worte „und das Verfahren" zu „die Art", als durch den vorgeschlagenen Zusatz „und Ausführung" ausgedrückt. Begnügten sich die Betheiligten mit einer dem Gesetz oder der Uebung nicht entsprechenden, von ihnen jedoch anerkannten äußeren Grenzbezeichnung, so könne man nicht, wie von einer Seite geschehen, behaupten, daß diese Abweichung von der gesetzmäßigen oder üblichen Grenzbeurkundung der Beweiswirkung des gegenseitigen Anerkenntnisses Eintrag thun, und liege ein genügender Grund zu einer in dem gedachten Falle dem Anerkenntniß seine Beweiskraft entziehenden V o r schrift nicht vor. N u r soviel lasse sich allenfalls zugestehen, daß ein Verzicht auf eine ordnungsmäßige, nicht selten im Interesse der öffentlichen Ordnung vorgeschriebene Abmarkung nicht verbindlich sein und in jedem Augenblicke die Nachholung des zu einer ordnungsmäßigen Abmarkung Nöthigen gefordert werden könne. An dieser Stelle sei eine Bestimmung über die Beweiswirkung des in dem Abmarkungsverfahren hervortretenden gegenseitigen Anerkenntnisses nicht aufzunehmen. In Ermangelung einer solchen Vorschrift würden lediglich die allgemeinen Grundsätze über Geständniß und richterliche Beweiswürdigung platzgreifen. Ebensowenig werde durch die beschlossenen Bestimmungen eine etwaige publizistische Pflicht der Grundstückseigenthümer berührt, bei Vermeidung des Zwanges für eine ordnungsmäßige Abmarkung ihres Grundbesitzes Sorge zu tragen. Die Regelung dieser publizistischen | Pflicht werde, soweit ein Vorbehalt überhaupt | Prot I 3799 nöthig sei, durch die zu § 7 der sachenrechtlichen Vorschläge zum Einführungsgesetz zu beschließenden Vorschriften den Landesgesetzgebungen gewahrt bleiben. 2. Z u r Streichung des vierten Absatzes sei zu bemerken, daß der nöthige Vorbehalt sich schon in der zu dem dritten Absätze beschlossenen Vorschrift finde, über deren Tragweite der von dem Entwürfe gebrachte vierte Absatz nur Mißverständnisse hervorrufen könne. b, Zu 1. zu vergl. die Ausführungen vorstehend unter a, 1. Zu 2. Der Ausdruck „Landesgesetze" statt „Landesrecht" entspreche dem Sprachgebrauche des Kommissionsentwurfs, zu vergl. K.E. §§ 42, 43, 59, 61, 62, 278 Abs. 1, 2, 657. 501
§919
3. Abschnitt: Eigenthum
Zu 3. W e n n u n t e r O r t s ü b u n g nur Gewohnheitsrecht verstanden werden sollte, so sei die E r w ä h n u n g der Ortsübung überflüssig, da der Vorbehalt f ü r die Landesgesetze das Gewohnheitsrecht einschließe. Es solle aber gerade f ü r den Fall Abhülfe geschaffen w e r d e n , daß das Bestehen einer Rechtsnorm nicht zu erweisen sei. In diesem Falle sei die Regel f ü r das, was gethan werden solle, aus dem zu entnehmen, was bisher gewöhnlich geschehen sei. Diese thatsächliche Grundlage einer zu abs t r a h l e n d e n Regel sei im K.E. §§ 83, 85, 356 und in der zu §§ 16, 17 des Entwurfs am 20. Februar 1884, Prot. S. 3347—3353 beschlossenen Vorschrift 2 , Z u s a m m e n stellung der beschlossenen Bestimmungen des Sachenrechts § 779, als Verkehrssitte bezeichnet. M a n k ö n n e indessen Bedenken hegen, ob dieser Ausdruck f ü r die sachenrechtlichen Verhältnisse passe. Es werde, die letzteren betreffend, ein anderer Ausdruck zu wählen, dieser dann aber auch im Gesetzbuch f ü r alle gleichartigen Fälle ausnahmslos festzuhalten sein. Als der angemessenste, auf die thatsächliche Gewohnheit deutlich hinweisende Ausdruck w e r d e sich empfehlen: Ueblichkeit | Prot I 3800 o d e r U e b u n g , | betreffenden Falls mit dem Zusätze: „des Orts". c, Bei E r w ä g u n g des auf die Fassung sich beziehenden Verbesserungsvorschlags werde besonders zu berücksichtigen sein, daß auch der mögliche Fall der konkurrirenden Fahrlässigkeit der Beurtheilung nach K.E. § 221 unterstellt bleibe. Endlich w u r d e von der Kommission auf A n r e g u n g des Antrags unter 1 anerkannt, daß der § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes durch die zu § 100 beschlossene Vorschrift nicht berührt werden solle. II. 1. In der VorlZust„Eigenthum"sind VorlZust § 5
die Beschlüsse in § 5 gefaßt:
D e r Eigenthümer eines Grundstücks hat gegen jeden seiner N a c h b a r n (den) Anspruch auf dessen Mitwirkung zur Errichtung fester Grenzzeichen und, w e n n f r ü here Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden sind, zur Wiederherstellung desselben. Die Kosten der A b m a r k u n g sind von den betheiligten N a c h b a r n zu gleichen Theilen zu tragen, unbeschadet der H a f t u n g , welche sich aus einem (dem einen o d e r anderen N a c h b a r n z u r Last fallenden) Verschulden ergiebt. Das V e r f a h r e n bei der Abmarkung und die Art der letzteren bestimmen sich nach den Landesgesetzen und in Ermangelung landesgesetzlicher Vorschriften nach der Ueblichkeit des Orts (Uebung des O r t s und Ortsübung). ( Z u m § 5. 1. Absatz 2 zu vergl. K.E. § 755 Abs. 2. 2. Abs. 3. D e r V o r b e h a l t f ü r die Landesgesetze wird wegen der V e r b i n d u n g mit der Verweisung auf die Ueblichkeit des O r t s nicht in das Einführungsgesetz gehören; zu vergl. z u m § 17.3)
2., 3. In der RedVorl$ 836 und in der ZustSachR § 834 lautet die Vorschrift: RedVorl $ 836 D e r Eigenthümer eines Grundstückes hat gegen jeden seiner N a c h b a r n den AnZustSachR § 834 spruch auf dessen Mitwirkung zu der Errichtung fester Grenzzeichen und, w e n n Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden sind, zu der Wiederherstellung derselben. Die Kosten der A b m a r k u n g sind von den betheiligten N a c h b a r n zu gleichen Theilen zu tragen, unbeschadet der H a f t u n g eines N a c h b a r n aus einem demselben z u r Last fallenden Verschulden (RedVorl: aus einem Verschulden desselben). 2 3
502
S. bei S 97 BGB. S. dazu im Anhang zu § 924 BGB.
1. Titel: Inhalt des Eigenthums
§919
Das Verfahren bei der Abmarkung und die Art derselben bestimmen sich nach den Landesgesetzen und in Ermangelung landesgesetzlicher Vorschriften nach der Ortsüblichkeit. III. Bei der Redaktion des K E w a r e n zu § 834 die Anträge gestellt: 1. in Abs. 1 statt: „gegen jeden seiner Nachbarn" zu setzen „gegen den Eigenthümer eines Nachbargrundstückes" (zu vergl. § 840 und „betheiligte Nachbarn" in Abs. 2 des § 834). 2. in Abs. 1 statt: „gegen jeden seiner Nachbarn": „gegen jeden Nachbarn". Die Kom. nahm den Antrag 1 an (Prot I 6263, 6265, 6270). Mit dieser Aenderung sind die Bestimmungen der ZustSacbR in § 834 KE und ξ 851 EI übernommen.
Kurlbaum (Nr 438, 2) Gebhard (Nr 435, 11)
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot II, Bd. 3, S. 125 f.; Mugdan, Bd. 3, S. 582) Zu § 851 lag der Antrag vor: Achilles den Verzicht auf den im Abs. 1 bezeichneten Anspruch auszuschließen, im Ueb- (Nr 22, 45) rigen die Vorschriften in nachstehender Fassung und Reihenfolge zu genehmigen: Der Eigenthümer eines Grundstücks hat gegen den Eigenthümer eines Nachbargrundstücks den Anspruch auf dessen Mitwirkung zur Errichtung fester Grenzzeichen und gegebenen Falles zur Wiederherstellung derselben. Auf diesen Anspruch kann nicht verzichtet werden. Das Verfahren, mit Einschluß der Art und Weise der Abmarkung, bestimmt sich nach den Landesgesetzen und, soweit diese keine Vorschriften enthalten, nach der Ortsüblichkeit. Die Kosten des Verfahrens sind von den betheiligten Nachbarn zu gleichen Theilen zu tragen. Die H a f t u n g eines Nachbarn aus einem Verschulden bleibt unberührt. Der Antrag bezweckte, abgesehen vom Abs. 1 Satz 2, keine sachliche Aenderung des Entw. Die Aufnahme des Satzes 2 des Abs. 1 wurde abgelehnt. II. In der VorlZust ist die Vorschrift gefaßt: Der Eigenthümer eines Grundstücks hat gegen den Eigenthümer eines Nachbar- Ε I-VorlZust grundstücks den Anspruch auf dessen Mitwirkung zur Errichtung fester Grenzzei- § 851 chen und, wenn Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden sind, zur Wiederherstellung derselben. Die Kosten der Abmarkung sind von den betheiligten Nachbarn zu gleichen Theilen zu tragen, unbeschadet der H a f t u n g eines Nachbarn aus einem demselben zur Last fallenden Verschulden. Das Verfahren bei der Abmarkung und die Art derselben bestimmen sich nach den Landesgesetzen und in Ermangelung landesgesetzlicher Vorschriften nach der Ortsüblichkeit. III., IV. In der ZustRedKom § 851 und im Ε11% 832 lautet die Fassung: Der Eigenthümer eines Grundstücks kann von dem Eigenthümer eines Nachbar- ZustRedKom grundstücks verlangen, daß derselbe zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn §851 ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung Ε II §832 mitwirkt. 503
§920
3. Abschnitt: E i g e n t h u m
Die Art der Abmarkung und das Verfahren bestimmen sich nach den Landesgesetzen; enthalten diese keine Vorschriften, so entscheidet die Ortsüblichkeit. Die Kosten der Abmarkung sind von den Betheiligten zu gleichen Theilen zu tragen, sofern sich nicht aus einem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältniß ein Anderes ergiebt." V. Im Ε II rev % 904 und Ε III % 903 liegt die in § 919 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
D. Bundesrat I. Bayern glaubt, daß für die Aufnahme des § 904 kein dringendes Bedürfniß bestehe; es sei zweckmäßiger, der Landesgesetzgebung, wie die Bestimmungen über die Art der Abmarkung und das Verfahren bei derselben (§ 904 Abs. 2), so auch die Bestimmungen darüber vorzubehalten, inwiefern der Eigenthümer eines Grundstücks von dem Eigenthümer des Nachbargrundstücks die Mitwirkung zur Errichtung fester Grenzen und zur Wiederherstellung verrückter oder unkenntlicher Grenzen verlangen könne. Es wird daher beantragt, den § 904 zu streichen und einen entsprechenden Vorbehalt in den Entwurf eines Einführungsgesetzes aufzunehmen. II. Bericht von Heller (Bayern) vom 15. 10. 1895 Der Antrag Bayerns zum § 904 fand keine Unterstützung und wurde abgelehnt.
§920
Läßt sich im Falle einer Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand maßgebend. Kann der Besitzstand nicht festgestellt werden, so ist jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzutheilen. Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende Bestimmung der Grenze zu einem Ergebnisse führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt, ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht.
Α. 1. Kommission I. 317. Sitzung vom 28. 4. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 3800 .-SachR § 101
| Der § 101 des Entwurfs lautet: 4 ) II. Die Fassung des § 1109 ist in der
VorlZust:
Ist die Hypothek erloschen, so kann der Eigenthümer des Grundstücks von dem Ε I-VorlZust Inhaber des Hypothekenbriefes dessen Vorlegung bei dem Grundbuchamte zum §1109 Zwecke der Löschung der Hypothek verlangen. (In das Recht der Schuldverhältnisse soll an geeigneter Stelle folgende Vorschrift zugleich als Ersatz für § 1109 Abs. 1 eingestellt werden: Das Eigenthum an einem über eine Forderung ausgestellten Schuldscheine steht dem Gläubiger zu; ein Recht, mit dem die Forderung belastet ist, erstreckt sich auf den über sie ausgestellten Schuldschein. Das Gleiche gilt für die Urkunden über andere Rechte, kraft deren eine Leistung gefordert werden kann, insbesondere für Hypotheken und Grundschuldbriefe.) III. In der ZustRedKom
lautet die Fassung:
Ist die Hypothek erloschen, so kann der Eigenthümer des Grundstücks von dem Ε I-ZustRedKom Besitzer des Hypothekenbriefs verlangen, daß der Brief zum Zwecke der Berichti- §1109 gung des Grundbuchs dem Grundbuchamte vorgelegt wird. (Als § 791 a (1109 Abs. 1) wird folgende Vorschrift eingestellt: Das Eigenthum an dem über eine Forderung ausgestellten Schuldscheine steht dem Gläubiger zu. Das Recht eines Dritten an der Forderung erstreckt sich auch auf den Schuldschein. 665
§953
3. Abschnitt: Eigenthum
Das Gleiche gilt für Urkunden über andere Rechte, kraft deren eine Leistung gefordert werden kann, insbesondere für Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefe.) IV. § 1109 ging im § 896 BGB auf; s. dazu bei §§ 8 9 4 - 8 9 9 BGB. In § 791 a (§ 867 Ell, § 937 Ell rev, § 936 Ε III) liegt die in § 952 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
IV. Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandtheilen einer Sache
§953 Erzeugnisse und sonstige Bestandtheile einer Sache gehören auch nach der Trennung dem Eigenthümer der Sache, soweit sich nicht aus den §§ 954 bis 957 ein Anderes ergiebt. Α. 1. Kommission I. 331. Sitzung vom 6. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 4069
| Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs' wandte sich zu dem Abschnitte, welcher von der „Erwerbung des Eigenthums an Erzeugnissen und sonstiger Ausbeute aus einer Sache" handelt. Der § 152 des Entwurfs lautet: TE-SachR§152 „Bestandteile einer Sache, insbesondere deren Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute aus derselben, gehören auch nach der Trennung dem Eigenthümer der Sache, sofern nicht ein Anderer gemäß den §§ 152—155 das Eigenthum an derselben erwirbt." Die Vorschrift des Entwurfs will nach den Motiven S. 823, 824 die Regel hervorheben, daß die einfache Thatsache der Abtrennung, mögen nun die abgetrennten früheren Bestandtheile unter den Begriff der Früchte fallen oder nicht, an den Rechten nichts ändert, welche vor der Abtrennung an den nunmehr abgetrennten Bestandtheilen bestanden, indem die Rechte am Ganzen auf die Bestandtheile sich erstreckten. Diese Regel, welche auch für jedes andere Recht an der Sache gilt, spricht der Entwurf, trotz der Selbstverständlichkeit ihres Inhalts, für das Eigen| Prot I 4070 thum um deswillen aus, damit die im Nach-|folgenden zu gebenden Ausnahmen von der Regel als solche um so klarer hervortreten. Die Kommission billigte diese Gründe des Entwurfs und nahm den § 152 an. Dabei wurde von einer Seite bemerkt, daß, wenn die Trennung und die Auflösung in die Bestandtheile unter den Begriff der Spezifikation falle, wie bei dem Mahlen des Getreides, die aufgestellte Regel durch die unberührt bleibenden Vorschriften über den Eigenthumserwerb des Spezifikanten eine Ausnahme noch in einer anderen Richtung erleide, als in welcher in den folgenden Vorschriften Ausnahmen zu bestimmen seien. 1
Die vorhergehende Beratung s. bei § 951 BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§953
II. 1. In der VorlZust „Eigenthum an Erzeugnissen etc. "lautet der Beschluß in § 1: Bestandtheile einer Sache, insbesondere deren Erzeugnisse (u. sonstige Aus- VorlZust § 1 beute) gehören auch nach der Trennung dem Eigenthümer der Sache, soweit sie nicht durch die Trennung in Gemäßheit der §§ 2 bis 4 Eigenthum eines Anderen werden. 2.—III. In der RedVorl§
880,2 in ZustSachR und im KE§ 879 ist die Fassung:
Die Bestandtheile einer Sache, insbesondere Erzeugnisse derselben, gehören RedVorl § 880 auch nach der Trennung dem Eigenthümer der Sache, soweit nicht mit der Tren- ZustSachR / nung ein Anderer in Gemäßheit der Bestimmungen der 880 bis 883 (RedVorl: § 879 §§ 881 — 884) das Eigenthum daran erwirbt. IV. Bei der Revision des K E war beantragt, | den § 879 zu fassen: | Prot I 11960 „Bestandtheile einer Sache, insbesondere Erzeugnisse gehören . . . an denselben v- Mandry das Eigenthum erwirbt." 446, 17) (Bemerkung: „daran" ist im Entwürfe selten | gebraucht — § 348± und i, 766, 879, | Prot I 11961 1132^ — und sollte da, wo es leicht durch „an derselben" und dergl. ersetzt werden kann, besser ausgeschieden werden. Dies ist nicht der Fall in § 776, 1131^ — ein Interesse daran haben, daß pp. —, auch nicht in § 348A und i, weil hier mehrere Subs t a n t i a in umständlicher Weise wiederholt werden müßten, wohl aber in § 879.) Der Antrag fand Beifall. Man hielt es jedoch für besser, „deren" hinter „insbesondere" einzuschalten, ferner statt „an denselben" zu setzen „an ihnen" und diese Worte dem Worte „Eigenthum" nachzustellen. Die beschlossene Fassung lautet demnach: „Bestandtheile einer Sache, insbesondere deren Erzeugnisse, gehören . . . . das Eigenthum an ihnen erwirbt." In dieser Fassung ist die Vorschrift als § 898 im Ε /enthalten.
C. 2. Kommission I. Zu § 898 lag der Antrag vor, die Vorschrift zu fassen (Prot. II, Bd. 3, S. 245; Mugdan, Bd. 3, S. 650): Werden von einer Sache Erzeugnisse derselben oder sonstige Bestandtheile ge- Achilles trennt, so gehören sie dem Eigenthümer der Sache, soweit nicht nach den §§ 899 bis (Nr 54, 76) 902 das Eigenthum an ihnen mit der Trennung von einem Anderen erworben wird. Der Antrag wurde der Red.Komm, überwiesen. Der § 898 wurde sachlich nicht beanstandet. II. In der VorlZust ist § 898 identisch mit dem der RedKom. überwiesenen Antrag. In der ZustRedKom § 898 ( £ / / § 868, Ell rev § 938, £ / / / § 937) hat die Vorschrift die in § 953 BGB Gesetz gewordene Fassung. 2
Begründung zu § 880: Einverstanden mit den Nrn. 1 und 2 des NB. zu § 1 der vorl.Zus. — Zu Nr. 3 daselbst: In dem K.E. findet sich auch die Wendung „gemäß §. . . ."; vgl. ξ 395 Abs. 3 und § 405 Abs. 1. „Durch die Trennung" oder „mit der Tr."? Der bisherige Bestandteil wird durch die Trennung eine für sich bestehende Sache, ein anderes Rechtsobjekt, das Eigenthum an derselben aber wird mit der Trennung erworben.
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§954
3. Abschnitt: Eigenthum
§954 Wer vermöge eines Rechtes an einer fremden Sache befugt ist, sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandtheile der Sache anzueignen, erwibt das Eigenthum an ihnen, unbeschadet der Vorschriften der §§ 955 bis 957, mit der Trennung.
Α. 1. Kommission I. 331. Sitzung vom 6. 6. 1884, Schriftführer von Liebe, nicht anwesend
Gebhard
| Die hierzu 1 zur Berathung gelangenden §§ 153, 154 wurden zusammengefaßt. Dieselben lauten: § 153. TE-SachR § 153 „Derjenige, welchem das ausschließende, vererbliche und veräußerliche N u t zungsrecht an einem Grundstücke (Emphyteuse, Erbpacht-, Erbzins-, Meiererrecht u.s.w.) zusteht, erwirbt das Eigenthum an Erzeugnissen und sonstigen Bodenbestandtheilen des Grundstückes mit deren Trennung." | Prot 1 4075
§ 154. „Wer vermöge eines sonstigen Rechts an einer fremden Sache zu der Aneignung ihrer Erzeugnisse oder gewisser Erzeugnisse oder gewisser Bodenbestandtheile eines Grundstückes berechtigt ist, erwirbt das Eigenthum an den seinem Rechte unterworfenen Gegenständen mit der Besitznahme derselben." Folgende Anträge waren gestellt: v. Mandry 1. an Stelle der §§ 153 bis 155 folgende Bestimmungen aufzunehmen: (Nr 109)
TE-SachR § 154
| Prot I 4076
| „Wer vermöge Sachen- oder Forderungsrechts befugt ist, die Früchte einer nicht in seinem Eigenthume stehenden Sache sich anzueignen, erwirbt das Eigenthum an denselben. Der Erwerb erfolgt mit der Trennung von der fruchttragenden Sache, wenn der Fruchtziehungsberechtigte die letztere in der (mittelbaren oder unmittelbaren) Inhabung hat. T r i f f t diese Voraussetzung nicht zu, so erwirbt der Fruchtziehungsberechtigte das Eigenthum an der Frucht dadurch, daß er dieselbe in seinen Besitz nimmt."
Planck (Nr 111, 5)
2. die §§ 153 und 154 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Wer vermöge eines Rechts an einer fremden Sache ein Recht auf alle oder gewisse Erzeugnisse derselben oder gewisse Bodenbestandtheile hat, erwirbt das Eigenthum an den seinem Rechte unterworfenen Gegenständen durch deren Trennung von der Hauptsache." Insoweit der Antrag 1 auch auf den § 155 des Entwurfs 2 sich bezieht, wurden die in ihm enthaltenen Vorschläge der Berathung des § 155 vorbehalten. Die Kommission beschloß die Annahme des Antrags 2. Entwurf und Antrag 1 galten damit als erledigt. Erwogen war: Für die in § 153 bezeichneten Rechte, welche künftig nur noch partikularrechtlich vorkommen könnten, erscheine eine Regelung des Fruchterwerbs im bürgerli1 2
D i e vorhergehende Beratung s. bei $ 955 BGB. S. bei § 955 BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an b e w e g l . S a c h e n
§
954
chen Gesetzbuche nicht weiter angemessen, als daß in Ermangelung abweichender partikularrechtlichen Vorschriften die für dingliche Fruchtziehungsrechte überhaupt gegebenen Vorschriften zur Anwendung zu kommen hätten. In dem Falle eines dinglichen Fruchtziehungsrechts werden nach dem Prinzipe der zu § 152 beschlossenen Bestimmung das dingliche Recht auch nach der Trennung an dem abgetrenn-|ten früheren Bestandtheile fortbestehen und gegen einen | Prot jeden Dritten verfolgt werden können. Der Entwurf fordere, damit dieses dingliche Recht an der abgetrennten Frucht, dem Inhalte des Rechtes gemäß, in Eigenthum sich umsetze, die Besitzergreifung durch den Berechtigten, weil erst die Besitznahme entscheide, daß der Berechtigte den abgetrennten Gegenstand als unter sein Aneignungsrecht fallend ansehe und sich aneignen wolle (zu vgl. Motive S. 826). Der Antrag 2 sehe von dem Erforderniß der Besitznahme ab und wolle die Trennung unter der Voraussetzung entscheiden lassen, daß nach dem Inhalte des konkreten Rechts die abgetrennten Sachen in das Eigenthum des Berechtigten fallen sollen. Der Antrag 1 endlich mache für den Erwerb des Eigenthums durch Trennung die Voraussetzung, daß die fruchttragende Sache in der Inhabung des Berechtigten sich finde. Werde ein dingliches Aneignungsrecht angenommen, welches auch an der abgetrennten Frucht verfolgt werden könne, so liege ein genügender Grund nicht vor, falls der abgetrennte Gegenstand unter das Nutzungsrecht falle, den Eigenthumserwerb bis zur Besitznahme aufzuschieben. Eine große materielle Differenz bestehe nicht zwischen dem Entwürfe und dem Antrage 2, da das dingliche Aneignungsrecht im Wesentlichen mit dem Rechte aus der erfolgten Aneignung, nämlich dem Eigenthume, zusammenfalle. Das Gesetz gewinne dagegen an Einfachheit, wenn man den Eigenthumserwerb durch Trennung ausspreche. Der Umstand, ob die fruchttragende Sache zur Zeit der Trennung in der Inhabung des Berechtigten sei, welchem Antrag 1 Bedeutung verleihen wolle, könne eine solche Bedeutung nicht zugestanden werden, denn auch der Nichtinhaber habe ein dingliches Recht an der abgetrennten Frucht und, werde dasselbe als Eigenthum gedacht, so liege kein Grund vor, für den Fall der Nichtinhabung der fruchttragenden Sache durch den Berechtigten hiervon eine Ausnahme zu machen.
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II. 1. Die beschlossene Vorschrift ist in der VorlZust „Eigenthum an Erzeugnissen etc."als § 3 enthalten: Wer vermöge eines Rechts an einer fremden Sache ein Recht auf alle oder ge- VorlZust $ 3 wisse Erzeugnisse der letzteren oder auf gewisse (Boden) Bestandtheile derselben hat, erwirbt das Eigenthum der seinem Rechte unterworfenen Gegenstände durch deren Trennung von der Hauptsache. (NB. Zum § 3. Ist „Boden" bei „ B e s t a n d t e i l e n " nicht entbehrelich? Es muß ein Recht an einer fremden Sache bestehen. Ist ein Recht solcher Art nur bei Bodenbestandtheilen denkbar, so ergiebt sich die Entbehrlichkeit des Zusatzes von selbst. Aber ist jene Undenkbarkeit so zweifellos?) 2., 3. In der RedVorl% 8813 und der ZustSachR § 880 lautet die Bestimmung: Wer vermöge eines Rechtes an einer fremden Sache befugt ist, alle oder gewisse RedVorl 5 881 Erzeugnisse oder gewisse andere Bestandtheile der Sache zu beziehen (ZustSachR: ZustSachR § 880 3
B e g r ü n d u n g z u $ 881: Wird — w a s die V o r l a g e acceptirt — statt „Bodenbestandtheile" g e s a g t „Bestandtheile", so müssen dieselben als „andere" b e z e i c h n e t w e r d e n , da a u c h die Erzeugnisse bis zur T r e n n u n g Bestandtheile sind.
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§954
3. Abschnitt: E i g e n t h u m
sich anzueignen), erwirbt das Eigenthum an den seinem Rechte unterworfenen Gegenständen mit deren Trennung von der Hauptsache. Kurlbaum Bei der Schlußredaktion der ZustSachR wurde auf entsprechenden Antrag be(Nr 412, 2) schlössen: Dem § 880 der Zus.st. soll als zweiter Absatz zugesetzt werden: „Besitzt der Eigenthümer die Sache, ohne von dem Rechte eines Anderen Kenntniß zu haben, so findet die Vorschrift des ersten Absatzes keine Anwendung, es sei denn, daß die Trennung von dem Anderen ohne verbotene Eigenmacht bewirkt worden ist." Man hielt eine solche Einschränkung der in § 880 gegebenen Vorschriften f ü r zweifellos richtig und deshalb für erforderlich, dieselbe im Gesetze auszusprechen (Prot I 5658). III., IV. Die Vorschrift ist im KE in § 880 und im Ε / i n § 899 in der Fassung der ZustSachR enthalten. C. 2. Kommission I. Zu § 899 lagen die Anträge vor (Prot. II, Bd. 3, S. 245—249; Mugdan, Bd. 3, S. 650): Achilles ( N r 54, 76)
1. die Vorschrift zu fassen: Vermöge eines Nutzungsrechts an fremder Sache erwirbt der Berechtigte das Eigenthum an den dem Rechte unterworfenen (Erzeugnissen oder sonstigen) Bes t a n d t e i l e n mit deren Trennung von der Sache. Auf Bestandtheile, welche während der Besitzzeit des Eigenthümers getrennt werden, findet diese Vorschrift nur Anwendung, wenn das Nutzungsrecht zur Zeit der Trennung dem Eigenthümer bekannt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Die Vorschrift des § 877 Abs. 2 Nr. 2 Satz 24 findet entsprechende Anwendung. 2. den Abs. 2 zu fassen: Auf Bestandtheile, die getrennt werden, während der Eigenthümer die Sache im Eigenbesitze hat, findet diese Vorschrift nur Anwendung, wenn das Nutzungsrecht zur Zeit der Trennung dem Eigenthümer bekannt war oder der Eigenthümer die Sache nur im mittelbaren Besitze hatte und der Nutzungsberechtigte Besitzer war. Der Abs. 1 stellt den Satz auf, daß der dingliche Nutzungsberechtigte, insbesondere die Nießbraucher, die Früchte mit der Trennung von der Hauptsache erwirbt. Dieser Satz wurde von keiner Seite beanstandet. Die Beschlußfassung über Abs. 2 wurde bis nach Beratung des § 900 (s. bei § 955 BGB) ausgesetzt. Sodann wurde die Streichung des Abs. 2 beschlossen.
II.—V. In der VorlZust ist als § 899 der Abs. 1 des § 899 E I übernommen und am Schluß hinzugefügt: „. . . . von der Sache, soweit dieselbe nicht nach § 900 dem Besitzer zufallen." In der ZustRedKom als § 899 und im Ε / / a l s § 869 ist die Fassung der Vorschrift: Ε I-ZustRedKom W e r vermöge eines Rechtes an einer fremden Sache befugt ist, Erzeugnisse oder § 899 sonstige Bestandtheile der Sache sich anzueignen, erwirbt das Eigenthum an denselΕ II ξ 869 ben, unbeschadet der Vorschriften der §§ 900 und 901, mit der Trennung. Im Ε II rev % 939 (Ε / / / § 938) entspricht die Fassung dem § 954 BGB. G e m e i n t ist d e r A n t r a g Achilles ( N r 54, 68) z u § 877 Ε I; s. bei §§ 9 3 2 - 9 3 6 BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 955
§955 Wer eine Sache im Eigenbesitze hat, erwirbt das Eigenthum an den Erzeugnissen und sonstigen zu den Früchten der Sache gehörenden Bestandtheilen, unbeschadet der Vorschriften der §§ 956, 957, mit der Trennung. Der Erwerb ist ausgeschlossen, wenn der Eigenbesitzer nicht zum Eigenbesitz oder ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache zum Fruchtbezuge berechtigt ist und der Eigenbesitzer bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechtsmangel erfährt. Dem Eigenbesitzer steht derjenige gleich, welcher die Sache zum Zwecke der Ausübung eines Nutzungsrechts an ihr besitzt. Auf den Eigenbesitz und den ihm gleichgestellten Besitz findet die Vorschrift des § 940 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
Α. 1. Kommission I. 329. Sitzung vom 30. 5. 1884, Schriftführer von Liebe | In der vorigen Sitzung' war der § 135 des Entwurfs bis auf die unter Ziff. 3 ent- | Prot I 4025 haltene Vorschrift erledigt, welche den Fall der Veräußerung von Erzeugnissen und sonstiger Ausbeute seitens des redlichen Besitzers einer Sache betrifft. Zu dieser Vorschrift waren folgende Anträge gestellt worden: 1. Dieselbe zu streichen und nach § 135 einen § 135 a einzuschieben: v. Mandry „Wenn der redliche Besitzer einer Sache Erzeugnisse oder sonstige Ausbeute aus (Nr 95> 2 ) derselben veräußert und übergiebt, werden solche Eigenthum des Erwerbers (ohne Rücksicht auf dessen Gutgläubigkeit). 2. Die Vorschrift durch folgenden neuen § 135 a zu ersetzen: Planck „Das Eigenthum der in ξ 782 Nr. 1 der Zusammenstellung der beschlossenen Be- (Nr 96, 2) Stimmungen des Sachenrechts 2 bezeichneten Früchte einer Sache erlangt derjenige, welcher sie nach Maßgabe des § 132 des Entw. von dem redlichen Besitzer der Sache (§ 180 des Entw.) erwirbt. Mit dem Erwerbe des Eigenthums der Früch-|te er- | Prot 1 4026 löschen auch die daran etwa begründeten Nießbrauchs- und Pfandrechte. Die Bestimmung des 1. Abs. findet keine Anwendung, wenn der Erwerber das Nichteigenthum des Veräußerers oder das Bestehen der Nießbrauchs- oder Pfandrechte kannte oder die letzteren von dem Veräußerer selbst begründet waren." 3. Die Vorschrift zu streichen und dafür in § 154 die Bestimmung aufzunehmen, v. Weber daß der redliche Besitzer einer Sache das Eigenthum an den Erzeugnissen und der (Nr 94, 4) sonstigen Ausbeute derselben mit der Besitznahme erwerbe, vorbehaltlich der bei § 179 des Entw. zu entscheidenden Frage, ob der Eigenthümer von dem redlichen Besitzer die Herausgabe der zur Zeit der Klageerhebung bei ihm vorhandenen Erzeugnisse pp. fordern könne. Der Entwurf will dem redlichen Besitzer, das heißt demjenigen, welchem der Mangel seines Eigenthums an der Sache, ohne daß es auf die Nichtentschuldbarkeit seines Irrthums ankommt, unbekannt war, an den Früchten der Sache nur dasselbe Recht zugestehen, welches der Besitzer in Ansehung der Sache selbst hatte. Dabei wird jedoch die Veräußerung der Früchte dem jede fernere H a f t u n g ausschließen1 2
S. bei SS 932—936 BGB. S. bei SS 9 0 - 1 0 3 BGB.
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§955
3. Abschnitt: Eigenthum
den Verbrauche (§ 180) gleichgesetzt, und es ist, damit der redliche Besitzer auch nicht wegen Eviktion von dem Erwerber der Früchte in Anspruch genommen werden könne, die vorliegende Vorschrift vorgeschlagen. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift soll nach den Motiven S. 766 nicht entscheidend sein, ob der veräußerte Gegenstand unter den gesetzlichen Fruchtbegriff falle oder nicht. Der Antrag 2 unterscheidet sich von dem Entwürfe dadurch, daß er den Erwerb des Eigenthums an den Früchten nur in dem Falle der Kenntniß des Erwerbers von dem Mangel im Rechte des Veräußerers ausschließen, die etwa begründeten Nießbrauchs- und Pfandrechte mit berücksichtigen und in Ansehung der als Früchte veräußerten Sachen den gesetzlichen Fruchtbegriff festhalten will. | Prot I 4027 | Der Antrag 1 berücksichtigt auch nicht die Kenntniß des Erwerbers über den Rechtsmangel in der Person des Veräußerers. Dagegen will der Antrag 3 die Frage, ob der Erwerber der Früchte das Eigenthum an denselben erlange, dadurch abschneiden, daß er schon den redlichen Besitzer mit der Perzeption Eigenthümer werden läßt. Die Kommission beschloß die Aufnahme der in Antrag 3 vorgeschlagenen Bestimmung, daß der redliche Besitzer einer Sache das Eigenthum an den Früchten derselben (§ 782 Nr. 1 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des Sachenrechts) erwerbe. Die beschlossene Bestimmung soll in den Abschnitt über den Fruchterwerb (§§ 152—155 des Entwurfs) eingestellt und es soll bei der Berathung dieses Abschnitts weiter entschieden werden, ob der Erwerb des Eigenthums an den Früchten mit deren Trennung oder mit deren Besitznahme eintrete. Erwogen war: W ü r d e nichts bestimmt, so würde von den natürlichen Früchten einer Sache ganz dasselbe gelten, was von der Sache selbst gelte. Dieses Resultat werde von dem Entwürfe als unbillig gegenüber dem redlichen Besitzer zurückgewiesen. Wolle man auch — was später zu entscheiden bleibe — den redlichen Besitzer zur Herausgabe der vorhandenen Früchte anhalten, so sei doch dahin zu wirken, daß nur die bei dem redlichen Besitzer der Sache, nicht aber die in den Händen dritter Personen sich findenden natürlichen Früchte vindizirbar seien, damit die mit einer Vervielfältigung der Vindikation verbundenen Weitläufigkeiten vermieden würden und der redliche Besitzer, welcher die Früchte, statt sie zu verbrauchen, veräußert habe, nicht weiter von dem Erwerber wegen Eviktion in Anspruch genommen werden könne. Zwei Wege zur Erreichung dieses Zweckes seien vorgeschlagen: einmal Begünstigung des Eigenthumserwerbes desjenigen, an welchen die Früchte veräußert seien, andererseits unmittelbare Begünstigung der Erwerbung des Eigenthums an | Prot I 4028 den Früchten durch den redlichen Besitzer. | Die in der ersteren Richtung vorgeschlagenen Vorschriften kämen nach dem zu § 135 gefaßten Beschlüsse nur soweit in Betracht, als sie den Erwerb des Eigenthums durch den Dritten an noch geringere Voraussetzungen knüpfen. Die Anträge 1 und 2 begünstigen den Dritten, indem sie nur die Kenntniß desselben, nicht aber schon eine auf grobem Versehen beruhende Unkenntniß den Erwerb des Eigenthums ausschließen ließen, da sonst der Dritte, gegen welchen wegen seiner culpa lata die Sache evinzirt würde, immer noch den nur für den Fall der Kenntniß — § 370 Abs. 1 (K.E.) 3 — wegfallenden Eviktionsanspruch gegen den redlichen Besitzer haben würde. In Folge dessen werde zwar in der Regel der redliche Besitzer der Haftung wegen Eviktion gegenüber dem Dritten 3
S. bei § 440 BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 955
enthoben; dies treffe jedoch nicht in allen Fällen z u : nämlich einestheils dann nicht, wenn die redlich besessene fruchttragende bewegliche Sache dem Eigenthümer ohne dessen Willen entzogen sei, da hier die V e r ä u ß e r u n g der Früchte ebenso zu beurtheilen sein würde, wie die Veräußerung der Sache; und anderntheils dann nicht, wenn eine V e r ä u ß e r u n g in Frage stehe, welche man nicht wohl auf einen der zu $ 132 beschlossenen Vorschrift entsprechenden V e r t r a g z u r ü c k f ü h r e n könne, wie bei der Einverleibung einer Sache in das Inventar seitens des Pächters — zu vergl. § 537 Abs. 2 (K.E.) — oder bei der Einbringung einer Sache in die Gesellschaft, zu vergl. § 624 (K.E.). Es blieben also immer noch Fälle übrig, in denen dem redlichen Besitzer, welcher die Früchte veräußert habe, die H a f t u n g wegen Eviktion drohe, da die Vorschrift über den Erwerb in gutem Glauben einerseits bei den ohne Willen aus der Inhabung verlorenen Sachen nicht platzgreife und andererseits zessire, wenn der Eigenthumsübergang nicht auf einem den zu § 132 beschlossenen Bestimmungen entsprechenden Vertrage beruhe. Es w ü r d e deshalb eine komplizirte Regelung nöthig werden, um den redlichen Besitzer vollständig sicher zu stellen. Es erscheine aber auch als ein Umweg, w e n n man dem redlichen Besitzer dadurch helfen wolle, daß man den dritten Erwerber über die Regel hinaus und zwar nicht um eines in seiner Person, son-|dern um eines in der Person seines Veräuße- | Prot I 4029 rers stattfindenden Umstandes willen begünstige. Einfacher sei es, die Begünstigung unmittelbar dem redlichen Besitzer zu theil werden und diesen das Eigenthum an den Früchten, sei es nur durch Perzeption oder schon in dem Augenblicke der Separation, erwerben zu lassen. Eine solche Regelung schließe sich näher an das geltende Recht an und entspreche auch der in der gemeinrechtlichen Doktrin vorherrschenden Meinung. Sie stehe auch der H a f t u n g des redlichen Besitzers auf H e r a u s gabe der fructus extantes, über welche später zu beschließen sein werde, nicht entgegen. Allerdings werde alsdann der Anspruch auf Herausgabe der vorhandenen Früchte in dem Konkurs des Vindikationsbeklagten nicht als Aussonderungsanspruch wirken. Hiergegen sei aber auch nichts einzuwenden, vielmehr entspreche die Hineinziehung der zur Zeit der Rechtshängigkeit vorhandenen Früchte in die Konkursmasse nur der Billigkeit gegenüber den Konkursgläubigern.
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Gebhard
| Nach Protokoll vom 30. Mai 1884 S. 4027 ist beschlossen worden, daß der red- I Prot I 4070 liche Besitzer einer Sache das Eigenthum an den Früchten derselben erwerben solle. Die Entscheidung, ob dieser Erwerb durch die T r e n n u n g der Früchte oder erst durch deren Besitznahme eintreten solle, w u r d e vorbehalten und ist an der gegenwärtigen Stelle zu treffen. Aus Anlaß des gedachten Vorbehalts waren folgende Anträge gestellt w o r d e n : 1. den bereits beschlossenen Fruchterwerb des redlichen Besitzers mit der T r e n - Planck nung eintreten zu lassen, dem Gegenstande nach aber auf Früchte der in § 782 N £ 1 (Nr 111,6) (der Zusammenstellung, Prot. S. 3360—3370) gedachten Art, also auf Erzeugnisse der Sache und diejenige sonstige Ausbeute aus derselben, deren Gewinnung z u r bestimmungmäßigen N u t z u n g der Sache gehört, zu beschränken. 2. als § 152a folgende Vorschrift a u f z u n e h m e n : „Derjenige Besitzer, welcher das einem Anderen an der Sache zustehende Ei- Johow genthum nicht kennt (redliche Besitzer), erwirbt an den im § 152 bezeichneten Be- (Nr 112) s t a n d t e i l e n der Sache, welche von derselben vor der Erhebung der Eigenthumsklage getrennt sind, mit der T r e n n u n g das Eigenthum." 673
§955 | Prot I 4071
3. Abschnitt: Eigenthum
3. die über den Fruchterwerb des redlichen Besitzers | zu beschließenden Bestimmungen auch auf denjenigen Besitzer anzuwenden, dessen Unkenntniß sich auf das Bestehen des dinglichen Fruchtziehungsrechts eines Anderen bezieht. 1. In Ansehung der Voraussetzung für den Eintritt der aufzustellenden Rechtsnorm wurde beschlossen, dem Antrage 2 zu folgen und unter redlichem Besitzer denjenigen zu verstehen, welcher keine Kenntniß davon habe, daß ihm das Eigenthum an der Sache nicht zustehe, ohne daß der Kenntniß eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß gleichgesetzt werde. Der Prüfung bei der Redaktion blieb vorbehalten, a, ob die Kenntniß mit dem Antrage 2 auf das einem Anderen an der Sache zustehende Eigenthum oder auf das Nichteigenthum des Besitzers zu beziehen und ferner, b, ob auszusprechen sei, daß eine den Eintritt der Rechtsnorm ausschließenden Kenntniß des Besitzers (mala fides), auch dann vorliegt, wenn derselbe wisse, daß einem Anderen als ihm zwar nicht das Eigenthum aber das Recht an der Sache, die Früchte derselben zu ziehen, zustehe, und ob die beschlossene Bestimmung im Falle ihrer Erstreckung auch auf diesen Fall besser an das Ende dieses Abschnitts zu stellen sei.
Erwogen war: Es bestehe zwar kein Zweifel in der Richtung, daß nicht eine auf einer konkreten thatsächlichen Grundlage beruhende bona fides als Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsnorm, sondern daß die mala fides als Voraussetzung für den Nichteintritt der Rechtsnorm aufzustellen sei. Dagegen könne verschieden geurtheilt werden, ob man der eigentlichen mala fides im vorliegenden Falle eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß über den Mangel des eigenen Rechts gleichzusetzen habe. Ueberwiegende Gründe sprächen jedoch gegen eine solche Gleich| Prot I 4072 Setzung. Werde der lata culpa ein Einfluß beigelegt, so fordere | man damit von dem Besitzer eine entsprechende Diligenz. Eine solche Diligenz könne man jedoch nur für den hier nicht allein in Betracht kommenden Zeitpunkt des Besitzerwerbes fordern. Für den weiteren Lauf des Besitzes, in welchem Früchte gezogen würden, sei nur eine mala fides superveniens von Belang, deren Erfordernisse wie bei der Ersitzung zu bestimmen seien. Der Versagung des Eigenthumserwerbes im Falle der lata culpa würde eine H a f t u n g des Besitzers wegen Erstattung der Früchte entsprechen, welche der Entwurf § 182 ablehne und welche auch zu unbilligen H ä r t e n führen würde. O b die Kenntniß auf den Mangel eigenen Rechts oder das Bestehen fremden Rechts zu beziehen sei, sei Fassungsfrage, da beides, richtig verstanden, zusammenfalle und nur das Mißverständniß zu vermeiden sei, der Besitzer müsse eine bestimmte andere Person als Berechtigten gekannt haben. Die Kenntniß, welche den Eintritt der Rechtsnorm ausschließe, habe zum nächsten Gegenstand das Nichteigenthum des Besitzers. Werde im Gesetze bestimmt, daß demjenigen, welchem ein dingliches Fruchtziehungsrecht zustehe, die Früchte mit deren Trennung zufielen, so würde eine mala fides auch in Ansehung des Bestehens eines solchen Rechts von Einfluß sein müssen und zwar nicht nur f ü r den im Uebrigen redlichen Besitzer sondern auch für den Eigenthümer. Der Prüfung bei der Redaktion müsse deshalb vorbehalten werden, ob zu verdeutlichen sei, daß die wirksame mala fides sich auch auf das Bestehen eines Rechtes an der Sache beziehen könne, kraft dessen die getrennten Früchte einem Anderen zufielen. 674
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 955
2. In Ansehung des Inhaltes der Rechtsnorm wurde beschlossen: a, Dem redlichen Besitzer soll das Eigenthum an den während seines Besitzes getrennten Früchten der Sache mit deren Trennung erworben sein. b, Die am Eigenthumserwerbe des redlichen Besitzers unterlie-|genden Früchte | Prot I 4073 sollen im Sinne des § 782 der Zusammenstellung der beschlossenen Vorschriften (Prot. S. 3360—3370) verstanden werden. Erwogen war: Zu 2 a. Wenn man sich dafür entschieden habe, daß der redliche Besitzer das Eigenthum an den Früchten erwerben und nicht blos die bonae fidei possessio an denselben auch nach der Trennung fortsetzen solle, so sei es nicht allein vom praktischen Standpunkte aus sachgemäß, sondern auch nur konsequent, den Augenblick der Trennung f ü r den Erwerb entscheiden zu lassen, denn die Thatsache der Trennung f ü r sich allein bringe eine Veränderung in dem schon vor derselben auf die noch ungetrennten Früchte sich erstreckenden Besitze nicht hervor und lasse deshalb für eine neue Besitznahme keinen Raum. Erfolge die Trennung durch andere Personen, so trete deren Besitzerwerb erst ein, nachdem das Eigenthum von dem redlichen Besitzer erworben, ein Resultat, welches zum Schutze des redlichen Besitzers erforderlich sei. Zu 2 b. Der Entwurf — zu vgl. Motive S. 766 — trage Bedenken, das gesetzliche Merkmal, ob eine Sache Frucht sei, f ü r die Eigenthumsfrage von Bedeutung sein zu lassen, weil auf diese Weise die Frage, ob Eigenthum erworben sei oder nicht, davon abhängen würde, ob der Besitzer wirthschaftlich gehandelt und auf die Ziehung der bestimmungsmäßigen Nutzung sich beschränkt habe. Der Entwurf wolle deshalb als Fruchtertrag gelten lassen, was der Besitzer als Fruchtertrag behandelt habe, damit dritten Erwerbern die Prüfung erspart bleibe, ob der Besitzer die Grenzen der Fruchtziehung überschritten habe. Diesen Anführungen sei indessen nur insofern beizustimmen, daß es in Ansehung der Erzeugnisse nicht darauf ankomme, ob die getrennten Erzeugnisse, ζ. B. die gefällten Bäume, nach den Regeln einer ordentlichen Wirthschaft als wirthschaftlicher Ertrag erschienen, und daß die Bestimmung der Sache zur Gewinnung einer gewissen Ausbeute von dem Willen des Besitzers, welcher | neue Steinbrüche pp. anlege, abhänge. Aber der Eigen- | Prot I 4074 thumserwerb des redlichen Besitzers werde durch seine Beschränkung auf Früchte im Sinne des Gesetzes in den angegebenen Richtungen bei richtiger Auslegung des § 782 der beschlossenen Bestimmungen nur an die objektive Tauglichkeit der Sache zur Lieferung solcher Ausbeute ohne Aenderung der bestimmungsmäßigen N u t zung der Sache, nicht an die schwer festzustellenden Voraussetzungen der Einhaltung des wirthschaftlichen Maßes geknüpft. Dagegen erscheine jene Beschränkung nothwendig, weil sonst die Vorschrift auch die wahre Substanz der Sache treffen und deren stückweise Aneignung dem redlichen Besitzer gestatten würde, was namentlich bei einer beweglichen Sache zu einem völlig unzulässigen Resultat führen müßte. 3. Der Antrag 2 macht eine Ausnahme von der Rechtsnorm, indem er dieselbe von den nach Erhebung der Eigenthumsklage getrennten Früchten nicht gelten lassen will. Die Kommission lehnte eine solche Ausnahme ab. Erwogen war: Man werde den Antrag dahin zu verstehen haben, daß die Rechtsnorm zu Gunsten des Klägers und f ü r den Fall des Obsiegens desselben zessiren, und daß die Klageerhebung den fortlaufenden Eigenthumserwerb an den Früchten in ähnlicher 675
§955
3. Abschnitt: Eigenthum
Weise unterbrechen solle, wie eine begonnene Ersitzung. Für die Ausnahme sei geltend gemacht, daß mit dem Prozeßbeginne, wenn auch nicht eine eigentliche mala fides, so doch eine Ungewißheit des Besitzers eintrete, welche demselben verbieten müsse, künftig abgetrennte Früchte als sein Eigenthum anzusehen, und daß durch die Fortdauer des Fruchterwerbs der Realisirung der klägerischen Ansprüche gegen den inzwischen vielleicht insolvent gewordenen Beklagten präjudizirt werde. Diesen Gründen für die Ausnahme ständen indessen überwiegende Gründe gegenüber. | Prot I 4075 Eine eigentliche mala fides werde | durch die Rechtshändigkeit des Eigenthumsanspruchs nicht herbeigeführt. Es entspreche deshalb der Sachlage, daß der Besitzer fortfahre, die Sache auch in Ansehung der Fruchterwerbung als die seinige zu behandeln. Eine relative und eventuelle Unterbrechung des Rechtes zum Fruchterwerb führe zu einem schwebenden Eigenthum und zu Komplikationen. Die obligatorische H a f t u n g des Besitzers und Beklagten genüge. In den Ausnahmefällen, wenn die Erwerbung des Eigenthums an den Früchten durch den insolventen Besitzer den Kläger mit materiellen Nachtheilen bedrohe, biete der Antrag auf gerichtliche Sequestration eine genügende Abhülfe. Uebrigens werde § 180 des Entwurfs 4 Gelegenheit bieten, die Frage im Zusammenhang mit dem dort aufgestellten Prinzip noch einmal zu prüfen. 340. Sitzung vom 27. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 4203
| Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs, Eigenthumsanspruchs, wurde fortgesetzt. Von einer Seite war der Antrag gestellt worden, der unterm 6. Juni 1884, Protokolle S. 4070 —4075, beschlossenen Bestimmung, nach welcher der redliche Besitzer einer Sache das Eigenthum an den Früchten der Sache erwerben soll, hinzuzufügen: Kurlbaum „es sei denn, daß er den Besitz durch eine strafbare Handlung erworben hat." (Nr 138) D i e Kommission nahm den Antrag an, weil in den Fällen, wo eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung des Besitzers zu dem Erwerbe des Besitzes geführt habe, die Deliktmäßigkeit des Besitzes, zu vergleichen Beschluß vom 23. Juni 1884 zu § 183 Abs. 2, Prot. S. 4179, 4180 5 , die in der ergänzten Bestimmung ausgesprochene Begünstigung des Besitzers ausschließen müsse, auch wenn ihm mala fides im engeren Sinne — wirkliche Kenntniß seines Nichteigenthums — nicht beigewohnt habe. 342. Sitzung vom 2. 7. 1884, Schriftführer von Liebe
| Prot I 4244
| Schließlich 6 kam noch ein von einer Seite angeregtes Bedenken zur Sprache, welches die früheren zu §§ 152—155 gefaßten Beschlüsse betrifft. Nach diesen Beschlüssen soll der redliche Besitzer die Früchte der Sache mit deren Trennung erwerben, vorausgesetzt, daß er von seinem Nichteigenthum oder von dem einem Anderen zustehenden Fruchtbezugsrecht keine Kenntniß hatte. Der redliche Besitzer soll hiernach im Falle seiner Unkenntniß dem Fruchtzugsberechtigten vorgehen. Hierin wurde, abgesehen noch davon, daß die fraglichen Beschlüsse nach dieser Richtung der Verdeutlichung zu bedürfen scheinen, sachlich eine Unzuträglichkeit gefunden, weil auch bei einem gebuchten Fruchtbezugsrecht eine Unkenntniß des Besitzers denkbar bleibe und es alsdann dahin kommen könne, daß der Fruchtbe4 5 6
S. bei §§ 987—993 BGB. S. bei §§ 987—993 BGB. Die vorhergehende Beratung s. bei §§ 1006, 1007 BGB.
676
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§955
zugsberechtigte, welcher sich in ununterbrochener Ausübung seines Rechtes b e f u n den habe, die seinem Rechte gemäß getrennten und perzipirten Früchte dem Besitzer herausgeben müsse, um dessen Besitz er nicht wußte und welcher vielleicht auch seinerseits von der Ausübung des Fruchtgenußrechts ζ. B. einer Abbauberechtigung keine K u n d e hatte. Es wurde deshalb die Beschränkung der Vorschrift über den Fruchterwerb des redlichen Besitzers vorgeschlagen, daß der gebuchte oder doch wenigstens der gebuchte und zugleich im Quasibesitze des Fruchtgenusses befindliche Berechtigte in re aliena dem redlichen Besitzer vorzugehen habe. V o n anderer Seite wurde erwidert: Dieselbe Unzuträglichkeit, wenn es eine solche sei, bleibe auch im Verhältnisse zwischen Eigenthümer und redlichem Besitzer möglich. Man könne derselben am leichtesten und einfachsten nach | beiden Rich- | Prot I 4245 tungen dadurch abhelfen, daß in den Abschnitt über die E r w e r b u n g von Grundstükken etwa hinter § 825 der Zusammenstellung eine Bestimmung eingestellt werde, daß eingetragene Rechte als dem Besitzer bekannt gelten, wenigstens als es sich um an dessen Unkenntniß geknüpfte gesetzliche Begünstigungen handelt. Die Kommission beschloß zur Zeit an den f r ü h e r e n Beschlüssen nichts zu ändern und bei dem Abschnitte über den Schutz der Dienstbarkeiten die Frage zu erledigen, ob eine Beschränkung der Vorschrift über den Fruchterwerb des redlichen Besitzers zu Gunsten des Fruchtgenußberechtigten erforderlich sei oder vielleicht durch A u f n a h m e der vorgeschlagenen, das Bekanntsein der eingetragenen Rechte fingirenden Vorschrift entbehrlich gemacht werden könne. 356. Sitzung
vom 3. 10. 1884, Schriftführer
Achilles
| Z u r Erledigung gelangt schließlich noch der in der Sitzung vom 2. Juli 1884, | Prot 1 4459 Prot. S. 4245, gemachte Vorbehalt, „bei dem Abschnitte über den Schutz der Dienstbarkeiten die Frage zu erledigen, ob eine Beschränkung der Vorschrift über den Fruchterwerb des redlichen Besitzers zu Gunsten des Fruchtgenußberechtigten erforderlich sei oder vielleicht durch A u f n a h m e der vorgeschlagenen, das Bekanntsein der eingetragenen Rechte fingirenden Vorschrift entbehrlich gemacht werden könne." Es lagen drei Anträge vor: I. der Antrag, v. Weber 1. dem § 880 der Zusammenstellung (Prot. S. 4075—4077) 7 am Schlüsse den Zu- (Nr 199) satz b e i z u f ü g e n : „soweit nicht ein Anderer in Gemäßheit der Bestimmungen der §§ 881 und 883 das Eigenthum daran erwirbt; 2. dem § 881 (Prot. S. 4 0 2 5 - 4 0 2 9 , 4070—4075, 4203, 4244, 4245) 8 den Zusatz am Schlüsse beizufügen: „oder daß der zur Ziehung (Beziehung) der Früchte berechtigte Andere die Trennung ohne ver-|botene Eigenmacht selbst bewirkt hat." | Prot I 4460 eventuell noch h i n z u z u f ü g e n : „Ist das Recht eines Anderen zur Beziehung der Früchte eines Grundstücks als Belastung im Grundbuche eingetragen, so gilt dasselbe als dem Besitzer des G r u n d stücks bekannt;" 3. in § 882 Absatz 1 (Prot. S. 4077—4081) 9 im Eingange nach dem W o r t e „Gestattet" einzuschalten „außerhalb der Fälle der §§ 880 und 881;" 7 8 9
S. bei § 954 BGB. S. bei § 955 BGB. S. bei ξ 956 BGB.
677
§955
3. Abschnitt: Eigenthum
Kurlbaum (Nr 203, 1)
II. der Antrag i. dem § 881 folgende Fassung zu geben: „Wer eine fremde Sache besitzt, ohne den Besitz durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben zu haben, und ohne Kenntniß davon zu haben, daß ihm das Eigenthum an der Sache nicht zusteht, erwirbt das Eigenthum an den in dem § 782 Nr. 1 der Zusst. (Prot. S. 3360—3370) 10 bezeichneten Früchten der Sache mit der Trennung von der Hauptsache, es sei denn, daß ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache berechtigt ist, die Früchte sich zuzueignen. Ist die Sache eine bewegliche, so steht das Recht eines Anderen, die Früchte zu ziehen, dem Erwerbe des Besitzers nur dann entgegen, wenn diesem das Recht bekannt ist. Die Bestimmung des zweiten Absatzes findet auch zu Gunsten des die Sache besitzenden Eigenthümers Anwendung." 2. dem § 882 zuzusetzen am Schlüsse des ersten Absatzes: „sofern dieselben nicht nach Maßgabe der §§ 880, 881 mit der Trennung Eigenthum eines Anderen als des Eigenthümers geworden sind;" am Schlüsse des ersten Satzes zweiten Absatzes: | Prot 1 4461 | „sofern nicht das Recht eines Dritten nach Maßgabe der Bestimmungen des § 881 entgegensteht." 3. im § 883" hinter „oder des § 881" einzuschalten „oder des § 882 Abs. 2;" v. Mandry (Nr 206)
III. der Antrag, die Aenderungen, welche an den §§ 880 ff. in den Anträgen I II vorgeschlagen sind, nicht vorzunehmen, dagegen im Protokolle zu bemerken, daß die Worte des § 881 „oder daß ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache zur Beziehung der Früchte berechtigt ist" nur dazu bestimmt seien, die Gutgläubigkeit des Besitzers zu umgrenzen, nicht auch, das Verhältniß des Fruchtziehungsrechts des gutgläubigen Besitzers (§ 881) zu dem des Nießbrauchers u.s.f. (§ 880) zu normiren. Die Berathung der Anträge führte zu folgenden Beschlüssen: Die Anträge I 3 und II 2 und 3 wurden dem Redaktionsausschusse überwiesen, um zu prüfen, ob die beschlossenen Bestimmungen, Prot. S. 4077—4081, Zusammenst. §§ 882, 883, einer den Anträgen entsprechenden Verdeutlichung bedürfen. Die Anträge I 1 und II 1 wurden abgelehnt, der prinzipale Antrag I 2 mit Vorbehalt der Fassung angenommen. Der Antrag III galt hierdurch als erledigt.
und
Bei der Beschlußfassung war erwogen: Das System der über den Erwerb der Erzeugnisse in den Sitzungen vom 30. Mai, 6. Juni, 27. Juni und 2. Juli 1884 gefaßten Beschlüsse, Prot. S. 4025—4029, 4069—4089, 4203, 4244, 4245, Zusammenstellung §§ 879—883, sei ein sehr einfaches. Das Prinzip, daß die Erzeugnisse der Sache dem Eigenthümer derselben gehören (§ 879) 12 , erleide nur drei Ausnahmen: eine zu Gunsten desjenigen, welcher kraft dinglichen Rechtes befugt sei, sich alle oder gewisse Erzeugnisse der Sache zuzueignen (§ 880); eine zweite zu Gunsten des redlichen Besitzers (§881); eine dritte zu Gunsten desjenigen, der aus einem nur obligatorischen Grunde ein Recht | Prot I 4462 auf die Erzeugnisse habe (§§ 882, 883). Dabei sei die Meinung | die gewesen, daß 10 11 12
S. bei §§ 90—103 BGB. S. bei § 956 BGB. Im Original heißt es „779".
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 955
das dingliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache den Eigenthümer ausschließe, der redliche Besitzer gleichfalls dem Eigenthümer und, wenn er das Nutzungsrecht nicht gekannt habe, auch dem Nutzungsberechtigten vorgehe, der blos obligatorisch Berechtigte endlich das Eigenthum der Erzeugnisse nur unter der Voraussetzung erwerbe, daß sein Rechtsurheber sonst dasselbe erwerben würde. Dieser Sinn der Beschlüsse erhelle in Ansehung des Verhältnisses des § 880 zu den §§ 881 und 883 aus dem Inhalte derselben zur Genüge, so daß es der in dem Antrage I 1 vorgeschlagenen Verdeutlichung nicht bedürfe. Fraglich sei es vielleicht, ob die §§ 882 und 883 in Gemäßheit der Anträge I 3 und II 2 und 3 zu verdeutlichen seien. Dies sei jedoch lediglich eine Fassungsfrage, deren Lösung dem Redaktionsausschusse obliege. Anlangend den § 881, so liege ein genügender Grund nicht vor, mit dem Antrage II 1 von den nach reiflicher Erwägung gefaßten Beschlüssen bezüglich der Grundstücke abzugehen. Für den Antrag werde geltend gemacht, daß das dingliche Nutzungsrecht sich nicht gegen die Person, sondern gegen die Sache richte und folglich den Fruchterwerb nicht blos des Eigenthümers, sondern auch des redlichen Besitzers ausschließe. Allein dies würde nur zutreffen, wenn die Rechtsstellung des letzteren mit derjenigen des ersteren vollständig sich deckte. In Wahrheit aber sei die Stellung beider hier eine verschiedene. Das Recht des Eigenthümers auf die Früchte gründe sich lediglich auf das Eigenthum, der Fruchterwerb des redlichen Besitzers sei eine Folge des guten Glaubens. Werde nun der Gutgläubigkeit des Besitzers die Wirkung beigelegt, daß vermöge derselben das stärkste Recht an der Sache, das Eigenthum, überwunden werde, so dürfe man auch nicht dem Nutzungsrecht eines Dritten den Vorzug vor dem redlichen Besitze einräumen. Zu einem solchen Vorzuge könnte man, nachdem das Eintragungsprinzip für die Rechte an fremden Grundstücken angenommen | worden sei, freilich auf dem Wege gelangen, daß man | Prot I 4463 die Kenntniß des Besitzers von dem eingetragenen Nutzungsrechte fingirte und damit den redlichen Besitz gegenüber dem Inhalte des Grundbuches überhaupt verneinte. Allein auf diesem Wege würde zu dem in der Sitzung vom 21. März 1884, Prot. S. 3568, abgelehnten Vorschlage des Entwurfes § 23' 3 , daß der Inhalt des Grundbuches als allgemein bekannt vorauszusetzen sei, zurückgegriffen werden müssen. Hierzu sei aber in dem Antrage ein genügender Anlaß nicht zu finden, da nicht anzunehmen sei, daß die aus den bisherigen Beschlüssen sich ergebende Regelung der Rechtsstellung des redlichen Besitzers gegenüber dem Eigenthümer und dem Nutzungsberechtigten zu praktisch unangemessenen Ergebnissen führen müßte. Einer Ergänzung bedürften die in dem § 881 zusammengestellten Beschlüsse nur bezüglich des Falles, in welchem der Nutzungsberechtigte selbst ohne Eigenmacht die Früchte von der Hauptsache getrennt, insoweit mithin die ihm zustehende Inhabung ausgeübt habe. Sei in diesem Falle noch ein redlicher Besitzer vorhanden, so entscheide der Antrag I 2 ganz richtig unter der betreffenden Voraussetzung zu Gunsten des Inhabers. Denn die Inhabung kraft dinglichen Nutzungsrechtes sei nach der Auffassung, auf welcher die Beschlüsse über den Besitzschutz der Dienstbarkeiten beruhen (Prot. Seite 4446 ff.), von ähnlichem Werth wie der Sachbesitz, müsse mithin, wenn sie ohne Eigenmacht erlangt sei, in dem fraglichen Kollisionsfalle den Vorzug haben. Auf seinen guten Glauben dürfe der redliche Besitzer dem innehabenden Nutzungsberechtigten gegenüber sich nicht berufen, da dieser nicht blos ebenfalls als im guten Glauben befindlich anzusehen sei, sondern das Recht zum Fruchtbezuge habe. Deshalb sei der § 881 im Sinne des Antrages zu ergänzen. 13
S. bei S 892 BGB.
679
§955 II. 1. I n d e r VorlZust B e s c h l u ß als § 2 : VorlZust § 2
3. Abschnitt: Eigenthum „Eigenthum
an Erzeugnissen
etc." l a u t e t d e r u r s p r ü n g l i c h e
W e r e i n e f r e m d e S a c h e besitzt, o h n e K e n n t n i ß d a v o n z u h a b e n , d a ß i h m d a s E i g e n t h u m d e r s e l b e n n i c h t z u s t e h t u n d ( o h n e z u w i s s e n ) d a ß ein A n d e r e r v e r m ö g e e i n e s R e c h t s a n d e r S a c h e z u r B e z i e h u n g d e r im § 7 8 2 N r . 1 b e z e i c h n e t e n F r ü c h t e b e r e c h t i g t ist, e r w i r b t das E i g e n t h u m d i e s e r F r ü c h t e d u r c h d e r e n T r e n n u n g v o n d e r Hauptsache.
2. In d e r RedVorlH l a u t e t d a n n die V o r s c h r i f t als § 8 8 2 : RedVorl § 882 D e r Besitzer einer Sache, welcher keine K e n n t n i ß d a v o n hat, d a ß er nicht Eigent h ü m e r d e r s e l b e n ist, u n d d a ß einem A n d e r e n a n d e r s e l b e n ein R e c h t auf B e z i e h u n g v o n F r ü c h t e n z u s t e h t , e r w i r b t a n d e n im § 7 8 2 N r . 1 b e z e i c h n e t e n F r ü c h t e n d e r S a c h e das E i g e n t h u m m i t d e r e n T r e n n u n g v o n d e r H a u p t s a c h e . D i e B e s t i m m u n g des e r s t e n A b s a t z e s f i n d e t k e i n e A n w e n d u n g , w e n n d e r B e s i t z d u r c h e i n e u n e r l a u b t e H a n d l u n g des B e s i t z e r s e r w o r b e n ist.
ZustSachR § 881
3. D i e F a s s u n g d e r V o r s c h r i f t l a u t e t in § 881 ZustSacbR: W e r e i n e f r e m d e S a c h e besitzt, o h n e K e n n t n i ß d a v o n z u h a b e n , d a ß i h m d a s E i g e n t h u m d e r s e l b e n n i c h t z u s t e h t o d e r d a ß ein A n d e r e r v e r m ö g e eines R e c h t e s a n d e r S a c h e z u r B e z i e h u n g d e r F r ü c h t e b e r e c h t i g t ist, e r w i r b t d a s E i g e n t h u m a n d e n in d e m § 7 8 2 N r . 1 b e z e i c h n e t e n F r ü c h t e n d e r S a c h e m i t d e r T r e n n u n g v o n d e r H a u p t s a c h e , es sei d e n n , d a ß e r den Besitz d e r S a c h e d u r c h e i n e s t r a f b a r e , w e n n a u c h n u r auf Fahrlässigkeit beruhende H a n d l u n g e r w o r b e n hat.
14
Begründung zu $ 882: 1. Die Verweisung auf § 782 Nr. 1 dürfte zu der Eigenthumserwerbung des bonae fidei possessor, die dadurch beschränkt wird, zu stellen sein; auf eine Beschränkung des dem Anderen zustehenden Fruchtbezugsrechts hinzudeuten, liegt kein Anlaß vor. 2. Diese Bestimmung ist hinter die Vorschrift des § 881 gestellt, weil letztere indirekt in Bezug genommen wird. 3. Nach Prot. S. 4460—4462 soll bei der Redaktion geprüft werden, ob nicht der § 882 durch folgende Zusätze zu verdeutlichen sei: 1. Abs. 1 hinter „Gestaltet": „außerhalb der Fälle der §§ 880, 881"; 2. Abs. 1 am Schluß: „sofern dieselben nicht nach Maßgabe der §§ 880, 881 Eigenthum eines Anderen als des Eigenthümers sind"; 3. Abs. 2 am Schluß des ersten Satzes: „sofern nicht das Recht eines Dritten nach Maßgabe der Bestimmungen des § 881 entgegensteht". In der vorl.Zus. ist keiner dieser Zusätze vorgeschlagen, dagegen dem § 882 Abs. 2 am Schluß des ersten Satzes hinzugefügt: „nach Maßgabe des § 881". Was zunächst diesen letzten Zusatz betrifft, so ist zu beachten, daß der § 882 von der Erwerbung von Bestandtheilen einer Sache durch denjenigen, dem der Eigenthümer die Zueignung derselben gestattet, und der zweite Absatz von dem besonderen Falle handelt, daß der Eigenthümer dem Anderen zu diesem Zwecke die Inhabung der Sache überlassen hat, während der § 881 die Erwerbung von Früchten durch den redlichen Besitzer regelt. Danach scheint eine Maßgabe des § 881 auf den Fall des § 882 Abs. 2 nicht zu passen. Μ. E. ist aber jeder Zusatz entbehrlich, da auch ohne weitere Verdeutlichung nicht verkannt werden wird, daß eine Eigenthumserwerbung sich nach § 882 nur dann vollzieht, wenn ohne die von dem Eigenthümer dem Anderen ertheilte Zueignungserlaubniß die getrennten Bestandtheile dem Eigenthümer verblieben sein würden. Früchte, die nach §§ 880, 881 dem Eigenthümer entzogen werden, können selbstredend nicht von Jemand erworben werden, der sein Zueignungsrecht von dem Eigenthümer ableitet.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§955
III. I m K E ist der zu § 881 beschlossene Z u s a t z berücksichtigt: W e r eine f r e m d e Sache besitzt, o h n e K e n n t n i ß davon zu haben, daß ihm das Ei- KE § 881 g e n t h u m derselben nicht zusteht, o d e r d a ß ein A n d e r e r vermöge eines Rechtes an d e r Sache z u r Beziehung der Früchte berechtigt ist, erwirbt das E i g e n t h u m an den im § 782 N r . 1 bezeichneten Früchten der Sache mit der T r e n n u n g von d e r H a u p t sache, es sei d e n n , daß er den Besitz der Sache d u r c h eine strafbare, w e n n auch nur auf Fahrlässigkeit b e r u h e n d e H a n d l u n g e r w o r b e n hat, o d e r d a ß die T r e n n u n g von einem A n d e r e n als dem E i g e n t h ü m e r v e r m ö g e eines z u r Beziehung der F r ü c h t e berechtigenden Rechtes an d e r Sache o h n e v e r b o t e n e E i g e n m a c h t bewirkt w o r d e n ist. IV. Bei der Revision des K E lagen die A n t r ä g e vor, | IV. zu § 881. | Prot I 12006 a, den P a r a g r a p h e n zu fassen: v. Weber „ W e r eine f r e m d e Sache besitzt, erwirbt das Eigenthum an den im § 782 N r . 1 (Nr 477) bezeichneten Früchten d e r Sache mit d e r T r e n n u n g von d e r H a u p t s a c h e , es sei denn, daß entweder 1. er in dem Z e i t p u n k t e der T r e n n u n g (zur Zeit der T r e n n u n g ) K e n n t n i ß davon gehabt hat (gewußt hat), daß ihm das E i g e n t h u m an der Sache nicht zusteht, o d e r d a ß ein A n d e r e r vermöge eines Rechtes an der Sache z u r Beziehung der Früchte berechtigt ist, o d e r 2. er den Besitz der Sache durch eine strafbare, w e n n auch n u r auf Fahrlässigkeit b e r u h e n d e H a n d l u n g erworben hat, o d e r 3. die T r e n n u n g von einem A n d e r e n u.s.w. bewirkt w o r d e n ist." (Bemerkung. N a c h P r o t . S. 4071 hat die Kommission beschlossen, d a ß im § 881 f ü r den F r u c h t e r w e r b des redlichen Besitzers die bona fides des Besitzers nicht als V o r a u s s e t z u n g f ü r die R e c h t s n o r m (für den Fruchterwerb), s o n d e r n die mala fides als V o r a u s s e t z u n g f ü r den Nichteintritt d e r R e c h t s n o r m aufgestellt w e r d e n soll. Dies ist aber m. E. in der jetzigen Fassung des § 881 nicht z u m A u s d r u c k g e k o m m e n , vielmehr läßt sich d e r § 881 nach | seinem W o r t l a u t e nicht wohl anders verste- | Prot I 12007 hen, als daß hier, wie im § 860 15 , die N i c h t k e n n t n i ß zu den V o r a u s s e t z u n g e n des F r u c h t e r w e r b s gehöre. In den § § 9 1 0 , 910a 1 6 ist dagegen deutlich h e r v o r g e h o b e n , d a ß die K e n n t n i ß des Besitzers o d e r Inhabers v o n der N i c h t b e r e c h t i g u n g des Besitzers z u m Besitze V o r a u s s e t z u n g der V e r p f l i c h t u n g z u r H e r a u s g a b e der N u t z u n g e n o d e r z u m Schadensersatze sei. D a n e b e n wird n u n im § 909 Abs. 2 17 bestimmt, daß, soweit d e r E i g e n t h ü m e r einer Sache an Bestandtheilen, insbesondere Erzeugnissen derselben, nach den §§ 879 bis 883 mit der T r e n n u n g das E i g e n t h u m erwirbt, seine A n s p r ü c h e gegen den Besitzer o d e r I n h a b e r dieser Gegenstände d u r c h die V o r s c h r i f ten des ersten Absatzes nicht b e r ü h r t w e r d e n . H ä l t man fest, d a ß nach d e r Fassung des § 8 8 1 V o r a u s s e t z u n g des F r u c h t e r w e r b e s die bona fides des Besitzers ist, so w ü r d e hiernach der E i g e n t h ü m e r der H a u p t s a c h e den E i g e n t h u m s a n s p r u c h auf bestimmte, von ihm zu bezeichnende G e g e n s t ä n d e , welche der Beklagte besitzt o d e r inne h a t und welche Früchte d e r H a u p t s a c h e im Sinne des § 782 N r . 1 sind, nach § 909 Abs. 2 geltend m a c h e n k ö n n e n , auch w e n n der Beklagte die H a u p t s a c h e besitzt o d e r inne hat, o h n e seinerseits b e h a u p t e n u n d beweisen zu müssen, d a ß d e r Beklagte g e w u ß t habe, der Besitzer sei z u m Besitze nicht berechtigt, w ä h r e n d , w e n n er nach § § 9 1 0 , 910 a den Anspruch auf H e r a u s g a b e g e z o g e n e r N u t z u n g e n erhebt, ihn die Beweislast d e r | mala fides des Besitzers o d e r Inhabers trifft. | Prot I 12008 15 16 17
S. bei §§ 932 — 936 BGB. S. bei §§ 9 8 7 — 9 9 3 BGB. S. bei « 9 8 7 - 9 9 3 BGB.
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§955
3. Abschnitt: Eigenthum
Die §§ 909 bis 910 a finden entsprechende Anwendung auf die Ansprüche des Erbbauberechtigten und des Nießbrauchers. Bei dem Ansprüche der letzteren auf die Früchte würde also dasselbe Verhältniß sich ergeben. Um diese Disharmonie zu heben und den Beschluß der Kommission, daß auch im Falle des § 881 die bona fides des Besitzers nicht Voraussetzung der Rechtsnorm sein solle, zur Geltung zu bringen, wird m. E. eine Aenderung der Fassung des § 881 in dem oben vorgeschlagenen Maße sich erforderlich machen. Die Trennung in Ziffern ist gewählt, weil sonst der letzte Halbsatz der Ziffer 1 mißverstanden werden könnte.) Planck b, den § 881 nach Maßgabe des vorstehenden Antrages zu fassen, jedoch in der (Nr 479, 2) ]STr. 1 statt der Worte „daß ihm das Eigenthum an der Sache nicht zusteht" zu setzen „daß er zum Besitze der Sache nicht berechtigt ist." (Bemerkung. Der Antrag bezweckt auch in der hier fraglichen Beziehung die Uebereinstimmung zwischen den §§ 881 und 910 herzustellen. Derjenige, welchem ein Grundstück verkauft und tradirt, aber noch nicht aufgelassen ist, weiß, daß er nicht Eigenthümer ist, und erwirbt daher nach § 881 die Früchte nicht. Zum Besitze ist er aber berechtigt und findet daher der § 910 auf ihn keine Anwendung. Nach § 909 | Prot I 12009 Abs. 2 kann der Eigenthümer von ihm die natürlichen Früchte mit der Vin-|dikation herausverlangen, während er im Uebrigen nach § 784 Abs. 2 die Nutzungen zu behalten berechtigt ist. Diese Inkongruenz wird zwar regelmäßig wieder dadurch beseitigt werden, daß der Besitzer in dem vorausgesetzten Falle, zwar nicht auf Grund des § 881, aber doch auf Grund des § 88218 das Eigenthum der natürlichen Früchte erwerben würde. Diese Hülfe versagt indessen, wenn die Quasitradition des § 882 nichtig, der Besitzer aber trotzdem zum Besitze berechtigt zu sein glaubt. Auch die Vorschrift des § 91919 dürfte in solchem Falle nicht genügen, um die Inkongruenz zu beseitigen.) Beide Anträge fanden sachlich keinen Widerspruch. Was die Fassung anlangt, so verständigte man sich, den Eingang des § 881 nach dem Antrage a anzunehmen, jedoch hinter „Hauptsache" einen Punkt zu setzen und dann fortzufahren: Diese Vorschrift findet keine Anwendung: 1. wenn der Besitzer zur Zeit der Trennung gewußt hat, daß er zum Besitze der Sache nicht berechtigt ist oder daß ein Anderer berechtigt ist; 2. wenn der Besitzer den Besitz erworben hat; 3. wenn die Trennung von einem Anderen bewirkt worden ist. Im § 900 Ε I hat die Vorschrift die Fassung des Antrags a mit den dazu beschlossenen Änderungen.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 2 4 7 - 2 4 9 ; Mugdan, Bd. 3, S. 650 ff.) Achilles (Nr 54, 76)
Zu § 900 waren die Anträge gestellt: ι. die Vorschrift zu fassen: Der Besitzer einer fremden Sache erwirbt das Eigenthum an den im § 792 Abs. 1 bezeichneten Früchten mit deren Trennung von der Sache. Erlangt ein Anderer den 18 19
S. bei Μ 956, 957 BGB. S. bei § 986 BGB.
682
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 955
Besitz, ohne zur Fruchtziehung berechtigt zu sein, so finden zu Gunsten des bisherigen Besitzers die Vorschriften des § 882 Abs. 2 und des § 885 a Abs. 2 der Vorl. Zus. 20 entsprechende Anwendung. Der Besitzer erwirbt die Früchte nicht, wenn ihm zur Zeit der Trennung bekannt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, daß ihm ein Recht zum Besitze der Sache nicht zusteht oder daß ein Anderer vermöge eines Rechtes an derselben befugt ist, die Früchte zu ziehen. Die Vorschrift des § 877 Abs. 2 Nr. 2 Satz 221 findet entsprechende Anwendung. hierzu der Unterantrag: 2. im Abs. 2 statt „zur Zeit der Trennung" zu setzen „zur Zeit des Erwerbes des Besitzes" und am Schlüsse des Satzes 1 beizufügen „oder wenn ihm dies zur Zeit der Trennung bekannt ist". 3. die Vorschrift zu fassen: v. Mandry W e r eine Sache besitzt, erwirbt das Eigenthum an den . . . . Früchten mit deren (Nf 65, 3) Trennung. Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Besitzer zur Zeit der Trennung gewußt hat, daß ihm an der Sache ein Recht nicht zusteht, vermöge dessen ihm deren Früchte zufallen (oder: ein Recht auf Fruchtziehung nicht zusteht). eventuell: W e r eine fremde Sache als ihm gehörend besitzt, erwirbt mit der Trennung das Eigenthum an den Früchten, es sei denn, daß er zur Zeit der Trennung gewußt hat, daß er (wie im Entw. § 900 Nr. 1) berechtigt ist. Die Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn Jemand eine Sache als seinem Nutzungsrecht unterliegend besitzt (eventuell hinzuzufügen: oder an der im Besitz eines Anderen befindlichen Sache Fruchtziehungsbefugnisse ausübt). 4. die Nr. 3 des § 900 zu fassen: wenn der Eigenbesitzer die Sache im mittelbaren Besitze hatte und der N u t zungsberechtigte sie besaß. Die im Satze 1 des § 900 aufgestellte Regel wurde sachlich gebilligt. Einverständniß bestand, daß die Vorschrift sich nur auf den Eigenbesitzer beziehe. Die im Antrag 1 erfolgte Bezugnahme auf die §§ 882 und 885 a wurde gebilligt. Mit den in den Anträgen 1 und 3 vorgenommenen Erweiterungen auf den Eigenthümer bzw. auf denjenigen, der eine Sache gutgläubig als seinem Nutzungsrecht unterliegend besitzt, erklärte sich die Komm, einverstanden. Hinsichtlich der Ausgestaltung des guten Glaubens in der Nr. 1 des § 900 wurde der Antrag 2 angenommen. Die Nr. 2 und 3 wurden gestrichen. II. Die Fassung des § 900 ist in der
VorlZust.
W e r eine Sache im Eigenbesitze hat, erwirbt das Eigenthum an den im § 792 Ε I-VorlZust Abs. 1 bezeichneten Früchten mit der Trennung von der Sache. Die Vorschriften § 9 0 0 des § 882 Abs. 2 und des § 885 a Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. Der Eigenbesitzer erwirbt die Früchte nicht, wenn ihm zur Zeit der Erwerbung des Eigenbesitzes bekannt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß ihm ein Recht zum Eigenbesitze der Sache nicht zusteht oder daß ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache befugt ist, die Früchte zu ziehen, oder wenn ihm dies zur Zeit der Trennung bekannt ist. 20 21
§ 882 s. bei §§ 943, 944 BGB; § 885 a s. bei §§ 940, 942 BGB. Gemeint ist der Antrag Achilles (Nr 54, 68) zu § 877 Ε I; s. bei §§ 9 3 2 — 9 3 6 BGB.
683
§ § 956, 9 5 7
3. Abschnitt: Eigenthum
Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung zu Gunsten desjenigen, welcher eine Sache als seinem Nutzungsrechte an derselben unterliegend besitzt oder im mittelbaren Besitz hat. III., IV. Die Vorschrift lautet als § 900 ZustRedKom
und als § 870 Ε II:
Wer eine Sache im Eigenbesitze hat, erwirbt das Eigenthum an den Früchten der im § 792 Abs. 1 bezeichneten Art ( £ II: Eigenthum an den Erzeugnissen und sonstigen zu den Früchten der Sache gehörenden Bestandtheilen), unbeschadet der V o r schriften des § 901 (Ε II: der §§ 871, 872), mit der Trennung. Der Erwerb ist ausgeschlossen, wenn der Eigenbesitzer nicht zum Eigenbesitz oder ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache zum Fruchtbezuge berechtigt ist und der Eigenbesitzer bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben war oder vor der Trennung den Rechtsmangel erfahren hat. Dem Eigenbesitzer steht derjenige gleich, welcher eine Sache zum Zwecke der Ausübung eines Nutzungsrechtes an derselben besitzt (ZustRedKom: oder im mittelbaren Besitze hat). Auf den Eigenbesitz und den ihm gleichgestellten Besitz finden die Vorschriften des § 885 Abs. 2, 3 und des § 888 a Abs. 2 Satz 1 (Ε II: § 854 Abs. 2 und 858 Abs. 1) entsprechende Anwendung. V. Ell rev § 939 (Ε 111$ 938) ist das Zitat des § 858 Abs. 1 gestrichen (Prot. II, Bd. 5, S. 654). Damit liegt die in § 955 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
§956 Gestattet der Eigenthümer einem anderen, sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandteile der Sache anzueignen, so erwirbt dieser das Eigenthum an ihnen, wenn der Besitz der Sache ihm überlassen ist, mit der Trennung, andernfalls mit der Besitzergreifung. Ist der Eigenthümer zu der Gestattung verpflichtet, so kann er sie nicht widerrufen, solange sich der andere in dem ihm überlassenen Besitze der Sache befindet. Das Gleiche gilt, wenn die Gestattung nicht von dem Eigenthümer, sondern von einem anderen ausgeht, dem Erzeugnisse oder sonstige Bestandtheile einer Sache nach der Trennung gehören.
§ 957 Die Vorschriften des § 956 finden auch dann Anwendung, wenn derjenige, welcher die Aneignung einem anderen gestattet, hierzu nicht berechtigt ist, es sei denn, daß der andere, falls ihm der Besitz der Sache überlassen wird, bei der Ueberlassung, anderenfalls bei der Ergreifung des Besitzes der Erzeugnisse oder der sonstigen Bestandtheile nicht in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechtsmangel erfährt. 684
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ § 956, 957
Α. 1. Kommission I. 331. Sitzung vom 6. 6. 1884, Schriftführer von Liebe, nicht anwesend
Gebhard
| Der § 155 des Entwurfs lautet: „Dasselbe gilt in Ansehung desjenigen, welcher zu dem Bezüge oder zu der Entnähme vermöge eines Forderungs-|rechts befugt ist und den Besitz des Erzeugnisses oder sonstigen Bestandtheils mit dem Willen des Eigenthümers der Hauptsache erlangt. Ist das Forderungsrecht, ζ. B. Pachtrecht, gegen Dritte wirksam, so findet der § 154 entsprechende Anwendung." Es war beantragt, den § 155 folgendermaßen zu fassen: „Wenn der Eigenthümer einer Sache einem Anderen gestattet, die Erzeugnisse der Sache oder sonstige Ausbeute aus derselben zu ziehen, so erwirbt derselbe das Eigenthum der Erzeugnisse und der Ausbeute dadurch, daß er den Besitz derselben erwirbt. W a r ihm von dem Eigenthümer die Inhabung der Sache zu dem gedachten Zwecke überlassen, so erwirbt er das Eigenthum jener Gegenstände durch die Trennung derselben von der Sache. W a r der Eigenthümer verpflichtet, die Ziehung der Erzeugnisse oder sonstigen Ausbeute zu gestatten, so ist, so lange diese Verpflichtung dauert, ein Widerruf der Gestattung ohne rechtliche Wirkung, sofern nicht bei der Ueberlassung der Inhabung ein Anderes vorbehalten worden. Die Bestimmungen des 1. Absatzes finden, wenn nach Maßgabe der §§ 153, 154 einem Anderen als dem Eigenthümer das Recht auf die Erzeugnisse und Ausbeute der Sache zusteht, auf diesen entsprechende Anwendung." Der Urheber des Antrags verbesserte den Antrag im Laufe der Berathung dahin, daß 1. der 2. und 3. Satz des Absatzes 1 einen besonderen Absatz 2 zu bilden hätten und hiernach die Bezugnahme in dem bisherigen Absatz 2 zu ändern sei; 2. in dem neuen Absatz 2 zwischen „so erwirbt er" und „das Eigenthum" die Worte einzuschalten seien „so lange die Inhabung dauert"; 3. in dem bisherigen Absatz 2 auch auf die über den Fruchterwerb des redlichen Besitzers beschlossene Bestimmung Bezug zu nehmen sei und die Worte „auf diesen" zu streichen seien. | Der vorstehende Antrag wurde mit dem Vorbehalte angenommen, daß bei der Redaktion geprüft werde, ob die Schlußworte des Absatz 2 des verbesserten Antrages „sofern nicht pp." als entbehrlich zu streichen seien. Hiermit war sowohl der Entwurf als auch der obengedachte Antrag 1 zu §§ 153—155, soweit er sich auf § 155 bezieht 1 , erledigt, vergl. Protokolle S. 4075, 4076. Erwogen war: Wenn das Gesetz schweige, so würde man die Erwerbung des Eigenthums an den Erzeugnissen der Sache und der sonstigen Ausbeute aus derselben durch Jemanden, welchem ein Nutzungsrecht obligatorischer N a t u r zustehe, auf einen nach den gewöhnlichen Regeln zu beurtheilenden dinglichen Vertrag zurückführen müssen, zu vergl. Motive S. 827, 828, und würde nach diesen Regeln allerdings anzunehmen sein, daß die Uebergabe erst mit der Besitzergreifung sich vollende, und daß bis zu diesem Augenblicke der Tradent seine Vertragserklärung widerrufen und so die Erwerbung des Eigenthums verhindern könne. Der Entwurf wolle an diesem Resultate nichts ändern und nur durch die Worte „mit dem Willen" auf dasselbe hinweisen. D a ß in vielen Fällen für den Nutzungsbei S. bei § 955 BGB. 685
| Prot I 4077 TE-SachR § 155 | Prot I 4078
Planck (Nr 114)
| Prot I 4079
§ § 956, 9 5 7
3. Abschnitt: Eigenthum
rechtigten das Bedürfniß einer gesicherten Stellung obwalte, werde nicht verkannt, es werde jedoch angenommen, daß eine Abhülfe auf anderem Wege — Wirksamkeit des Forderungsrechts gegen Dritte und in Folge dessen Gleichbehandlung mit dem dinglichen Nutzungsrechte in Ansehung des Fruchterwerbes — geschaffen werden könne. Diese Annahme sei dadurch hinfällig geworden, daß die Kommission die Verdinglichung des Pacht- und Miethrechts durch Uebergabe der Sache oder durch Eintragung dieser Rechte in das Grundbuch abgelehnt habe, Protokolle S. 2053 ff., 2063, 2064. Das Bedürfniß einer gesicherten Stellung des Nutzungsberechtigten kraft obli| Prot I 4080 gatorischen Rechts sei nun ohne Zweifel | in allen Fällen anzuerkennen, wenn demselben die Inhabung der fruchttragenden Sache überlassen sei. Der Antrag 1 zu § 153, 154 spreche in diesem Falle Eigenthum an den Früchten mit der Trennung zu; der zum § 155 gestellte Antrag disponire ähnlich, jedoch in einer Weise, welche die Zurückführung der Eigenthumserwerbung auf einen dinglichen Vertrag immer noch zulasse. Für diesen dinglichen Vertrag werde durch dispositiven Rechtssatz die Besonderheit bestimmt, daß die Ueberlassung der Inhabung der fruchttragenden Sache als eine Vertragsofferte zu behandeln sei, welche weder ausdrücklich noch durch eine gegenüber dem anderen Theile abzugebende Willenserklärung angenommen werden müsse, sondern auch durch eine stillschweigende, nicht dem anderen Theile gegenüber abgegebene Willenserklärung angenommen werden könne (§§ 83, 73 Abs. 1 K.E.) 2 . Für die stillschweigende Annahme werde sodann die weitere Maßgabe hinzugefügt, daß schon die Fortsetzung der Inhabung zur Zeit der Trennung als stillschweigende Annahme zu gelten habe. Endlich werde bestimmt, daß der Widerruf der Vertragsofferte als ausgeschlossen zu gelten habe, zu vergl. § 85 Absatz 3 (K.E.) 3 , so lange die Verpflichtung des Eigenthümers zur Gestattung der Fruchtziehung bestehe. Diese sachlich bindende Vertragsofferte werde bei der Pacht ihre Wirksamkeit auch nicht dadurch verlieren, daß der Eigenthümer inzwischen die fruchttragende Sache veräußere, weil die Verpflichtung des Veräußerers auf den Erwerber in dem in §§ 504, 505 (K.E.) zu vergl. § 525 (K.E.) 4 bestimmten Umfange übergehe, damit aber auch der bestehende Vertragsantrag seine Kraft behalte, soweit die Verpflichtung des Erwerbers reiche. Das Prinzip des dinglichen Vertrages werde mithin nicht aufgegeben. Die Fähigkeit zu dem Abschlüsse eines solchen Vertrages in Ansehung der erst künftig zur | Prot 14081 Trennung gelangenden Früchte wohne außer dem Eigenthümer auch | denjenigen Personen bei, denen wegen ihres dinglichen Rechts oder wegen ihres redlichen Besitzes die Früchte mit deren Trennung zufielen. Der gesetzliche Fruchtbegriff werde für den Umfang der Eigenthumserwerbung nicht maßgebend, dieser Umfang vielmehr den rechtsgeschäftlichen Erklärungen zu entnehmen sein, wobei indessen Niemand mehr Gegenstände zu Eigenthum überlassen könne, als ihm selbst vermöge seines Rechtes an der Sache oder seines redlichen Besitzes zufallen würden. Ob die im Vorstehenden dagelegte dem Antrage zu Grunde liegende juristische Konstruktion in allen Punkten zutreffe, könne der Prüfung der Doktrin überlassen werden. Jedenfalls entspreche die fragliche Bestimmung dem praktischen Bedürfniß, welches namentlich erheische, daß der Ueberlassung der fruchttragenden Sache an den Nutzungsberechtigten kraft obligatorischen Rechts die Wirkung von den Be2 3 4
§73 s. bei § 130 BGB, § 83 bei §S 146, 147 BGB. § 85 s. bei § 151 BGB. S§ 504, 505 s. bei SS 5 7 1 - 5 7 9 BGB, § 525 bei S 581 BGB.
686
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ § 956, 957
theiligten beigelegt werden könne und in der Regel als beigelegt gelte, daß die Früchte durch die Trennung dem Nutzungsberechtigten zufielen und daß der Tradent, entgegen seiner obligatorischen Verpflichtung, seine Traditionserklärung nicht widerrufen könne. 333. Sitzung vom 11. 6. 1884, Schriftführer Achilles | Den ersten Gegenstand der heute fortgesetzten Berathung 5 des Sachenrechts- | Prot I 4099 entwurfs III Tit. 4 bildet ein Antrag, der sich auf die Erwerbung des Eigenthums an Erzeugnissen etc. bezog. Der Antrag ging dahin: dem in der Sitzung vom 6. Juni 1884 beschlossenen ξ 152 a folgenden Zusatz Kurlbaum hinzuzufügen: (Nr 121) „Hat ein solcher Besitzer einem Anderen gestattet, die Erzeugnisse der Sache oder die sonstige Ausbeute aus derselben zu ziehen, so finden die Vorschriften des § 1 5 5 Abs. 1, 2 entsprechende Anwendung." Von mehreren Seiten wurde ohne Widerspruch bemerkt, daß eine solche Bestimmung bereits bei § 155 beschlossen sei (vergl. Prot, vom 6. Juni 1884 S. 4078). Der Antragsteller erachtete hierdurch den Antrag für erledigt. II. 1. Die beschlossenen Bestimmungen sind in der VorlZust „Eigenthum an Erzeugnissen etc. "in § 4 enthalten: H a t der Eigenthümer einer Sache einem Anderen gestattet, die Erzeugnisse oder VorlZust § 4 eine sonstige Ausbeute derselben zu beziehen, so wird das Eigenthum der Erzeugnisse oder der sonstigen Ausbeute von dem Anderen dadurch erworben, daß er dieselben in Besitz nimmt. Ist von dem Eigenthümer zum Zwecke einer solchen Beziehung dem Andern die Inhabung der Sache überlassen, so erwirbt der Andere während der Dauer der Inhabung das Eigenthum der Erzeugnisse u. der sonstigen Ausbeute durch deren Trennung von der Hauptsache. Der Widerruf der Gestattung ist (in einem solchen Falle) f ü r die Zeit, während welcher der Eigenthümer die Beziehung zu gestatten verpflichtet ist, unwirksam. Die Bestimmungen des ersten und zweiten Absatzes finden entsprechende Anwendung, wenn einem Anderen als dem Eigenthümer nach Maßgabe der §§ 2 und 3 ein Recht auf die Erzeugnisse und sonstige Ausbeute zusteht. (NB. § 4. Zum Verständniß des § 4 dient das System des Entwurfs über den dinglichen Vertrag. Dieser besteht, wenn Eigenthum übergehen soll, in der Tradition und ist abstrakt. Im vorliegenden Falle müßte also tradirt werden. Die Tradition vollzieht sich nun nach dem § 4 so, daß die dazu gehörenden Akte zeitig auseinander fallen. Der Eigenthümer geht voraus mit seiner, die Besitzergreifung gestattenden Erklärung, an die er sich nach der Theorie über Offerte für gebunden erklärt und deren stillschweigende Annahme er gestattet. Später erfolgt die Besitzergreifung des anderen Theils, welche Besitzergreifung aber schon in der Separation liegt, wenn der andere Theil die Inhabung der Hauptsache erlangt hatte. Wegen der Abstraktheit des dinglichen Vertrags scheiden die obligatorischen Beziehungen aus; sie werden nur erheblich, wenn es sich um den einseitigen Widerruf der Gestattung handelt, die Hauptsache innezuhaben, um die Früchte pp. zu beziehen. 5
Die vorhergehende Beratung s. bei § 965 BGB.
687
§ § 956, 957
3. Abschnitt: Eigenthum
Die juristische Konstruktion ist indessen für das Gesetz unerheblich; dieses muß jedoch nichts enthalten, was zu einem Widerspruche mit allgemeinen Grundsätzen führt und eine angemessene juristische Konstruktion verhindert.)
RedVorl < 883 ZustSachR ' 882
RedVorl § 884 ZustSachR § 883
2., 3. Die Bestimmungen sind im weiteren in jeweils zwei Paragraphen enthalten, in der RedVorl· §§ 883, 884, der ZustSachR §§ 882, 883. Gestattet der Eigenthümer einer Sache einem Anderen, Erzeugnisse oder andere Bestandtheile derselben {RedVorl: zu beziehen) sich zuzueignen, so erwirbt der Andere das Eigenthum an diesen Gegenständen (RedVorl: mit der Erlangung des Besitzes derselben) mit der Besitzergreifung. Ist von dem Eigenthümer dem Anderen zu dem Zweck (RedVorl: der gestatteten Beziehung) einer solchen Zueignung die Inhabung der Sache überlassen, so erwirbt der Andere während der Dauer der Inhabung das Eigenthum an jenen Gegenständen (RedVorl: schon mit deren) mit der Trennung von der Hauptsache. Ein während der Dauer der Inhabung (ZustSachR: des Anderen) von dem Eigenthümer erklärter Widerruf der Gestattung ist unwirksam für die Zeit, für (RedVorl: auf) welche der Eigenthümer zu der Gestattung verpflichtet ist. Wenn derjenige, welcher in Gemäßheit der Bestimmungen des § 880 oder des § 881 (RedVorl: gemäß § 881 oder § 882) das Eigenthum gewisser Gegenstände mit deren Trennung von der Hauptsache erwirbt, einem Anderen gestattet, diese Gegenstände (RedVorl: zu beziehen) sich zuzueignen, so findet der § 882 (RedVorl: § 883) entsprechende Anwendung. III., IV. Nachdem in der weiteren Beratung die Kom. der RedKom. anheim gegeben hatte, durch erläuternde Zusätze die Vorschriften zu verdeutlichen (s. bei § 955 BGB, Prot. I 4459—4463), sind die Bestimmungen im K E §§ 882, 883 und Ε I §§ 901, 902 gefaßt:
KE § 882
Gestattet der Eigenthümer einer Sache einem Anderen, Erzeugnisse oder andere
Ε I § 901 Bestandtheile derselben, welche nach ihrer Trennung dem Eigenthümer gehören,
sich zuzueignen, so erwirbt der Andere das Eigenthum an diesen Gegenständen mit der Besitzergreifung. Ist von dem Eigenthümer dem Anderen zum Zwecke einer solchen Zueignung die Inhabung der Sache überlassen, so erwirbt der Andere während der Dauer der Inhabung das Eigenthum an jenen Gegenständen mit der Trennung von der Hauptsache. Ein während der Dauer der Inhabung des Anderen von dem Eigenthümer erklärter Widerruf der Gestattung ist unwirksam für die Zeit, für welche der Eigenthümer zu der Gestattung verpflichtet ist. KE § 883 Wenn derjenige, welcher im Gemäßheit des § 899 oder des § 900 oder des § 901 Ε I § 902 Abs. 2 ( K E : 880, 881, 882 Abs. 2) das Eigenthum an gewissen Gegenständen mit deBegründung zu § 883: 1. „Gestattet" oder „ H a t . . . gestattet"? Das Präsens deutet an, daß die Eigenthumserwerbung des Anderen nur eintritt, wenn und solange der Eigenthümer der Hauptsache den Bezug gestattet. 2. Der Ausdruck „sonstige Ausbeute" kann auch hier entbehrt und mit „andere Bestandtheile" vertauscht werden. Begründung zu § 884: 1. Ein besonderer §, weil die Bestimmung ihre besondere V o r aussetzung hat und der Rechtssatz nur die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des § 883 vorschreibt. 2. Von dem bonae fidei possessor kann man wohl nicht sagen, daß ihm ein Recht auf die Erzeugnisse pp. zustehe. Gerade weil er kein Recht auf den Fruchtbezug hat, bedarf es der besonderen positiven Bestimmung, daß die getrennten Früchte ihm als Eigenthum zufallen.
688
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ § 956,
957
ren T r e n n u n g von der Hauptsache erwirbt, einem Anderen gestattet, diese Gegenstände sich zuzueignen, so finden die Vorschriften des § 9 0 1 ( K E : 882) entsprechende Anwendung. C . 2. Kommission I. Zu den §§ 901, 902 lag der redaktionelle Antrag vor (Prot. II, Bd. 3, S. 349; M u g d a n , Bd. 3, S. 652) die Vorschriften zu fassen: § 901. W e r von dem Eigenthümer ermächtigt ist, (Erzeugnisse oder sonstige) Be- Achilles standtheile, die nach ihrer T r e n n u n g von der Sache dem Eigenthümer gehören, sich (Nr 54, 76) zuzueignen, erwirbt das Eigenthum an denselben mit der Besitzergreifung. Ist ihm von dem Eigenthümer der Besitz der Sache überlassen, so tritt der Eigenthumserwerb schon mit der T r e n n u n g ein. Die Ermächtigung ist nur f ü r die Zeit widerruflich, f ü r welche der Eigenthümer nicht verpflichtet ist, die Zueignung zu gestatten. § 902. Die Vorschriften des § 901 finden entsprechende Anwendung, wenn der Berechtigte, welcher die Ermächtigung ertheilt hat, ein Anderer als der Eigenthümer ist. oder sie dahin zusammenzufassen: W e r von dem Berechtigten ermächtigt ist, Erzeugnisse und andere Bestandtheile, die nach ihrer T r e n n u n g von der Sache dem Berechtigten gehören, sich zuzueignen, erwirbt das Eigenthum an denselben mit der Besitzergreifung. Ist ihm der Besitz der Sache von dem Berechtigten überlassen, so tritt der Eigenthumserwerb schon mit der T r e n n u n g ein. Auch ist die Ermächtigung nur f ü r die Zeit widerruflich, f ü r welche eine Verpflichtung des Berechtigten, die Zueignung zu gestatten, nicht besteht. Sachlich wurden die §§901, 902 nicht beanstandet. II. In der VorlZust sind die Vorschriften zu einem § 901 zusammengefaßt: H a t der Eigenthümer einer Sache einem Anderen gestattet, Erzeugnisse oder Ε I-VorlZust sonstige Bestandtheile der Sache sich zuzueignen, so erwirbt dieser das Eigenthum § 9 0 1 der Bestandtheile mit deren Besitzergreifung. Ist ihm von dem Eigenthümer der Besitz der Sache überlassen, so tritt der Eigenthumserwerb schon mit der T r e n n u n g ein. Ein w ä h r e n d der Zeit des Besitzes erfolgender Widerruf der Gestattung ist unwirksam, wenn der Eigenthümer zu der Gestattung verpflichtet war. Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn derjenige, welchem nach den §§ 899, 900 oder nach dem ersten Absätze dieses Paragraphen Bestandtheile einer Sache nach deren T r e n n u n g gehören, einem Anderen gestattet hat, sich diese Bestandtheile zuzueignen. Bei Beratung der H a f t u n g des redlichen Besitzers lag noch der Antrag vor (Prot. II, Bd. 3, S. 349): dem § 901 der Vorl.Zus. zur Verdeutlichung als Abs. 3 h i n z u z u f ü g e n : W a r derjenige, welcher dem Besitzer die Aneignung gestattet hat, hierzu nicht berechtigt, so finden die Vorschriften des § 900 entsprechende Anwendung. D e r Antrag wurde angenommen. In der VorlZust stimmt der nachgetragene dritte Absatz des § 901 mit dem Antrag überein, nur ist noch hinter „§ 900" eingeschoben: „zu Gunsten desjenigen, welchem die Aneignung gestattet ist." III., IV. ZustRedKom § 901 stimmt wörtlich mit §§ 871, 872 Ell überein, wobei der Abs. 3 des § 901 zum § 872 w u r d e und mit den W o r t e n „Die Vorschriften des § 871" beginnt. 689
§958
3. Abschnitt: Eigenthum
ZustRedKom H a t der Eigenthümer einem Anderen gestattet, sich Erzeugnisse o d e r sonstige S 901 Bestandtheile der Sache anzueignen, so erwirbt dieser das Eigenthum an denselben, Ε I I S 871 wenn ihm der Besitz der Sache überlassen ist, mit der T r e n n u n g , anderenfalls mit
der Besitzergreifung. Solange sich der Andere in dem ihm überlassenen Besitze der Sache befindet, kann der Eigenthümer die Gestattung nicht widerrufen, w e n n er zu derselben verpflichtet ist. Das Gleiche gilt, wenn die Gestattung nicht von dem Eigenthümer, sondern von einem Anderen ausgeht, welchem Erzeugnisse oder sonstige Bestandtheile einer Sache nach der T r e n n u n g gehören. Ε II S 872 Diese Vorschriften finden auch dann A n w e n d u n g , wenn derjenige, welcher die Aneignung einem Anderen gestattet hat, hierzu nicht berechtigt war, es sei denn, daß der Andere, falls ihm der Besitz der Sache überlassen war, bei der Ueberlassung, anderenfalls bei der Ergreifung des Besitzes der Erzeugnisse oder der sonstigen Bestandtheile nicht in gutem Glauben w a r oder vor der T r e n n u n g den Rechtsmangel erfahren hat 7 . V. In §§ 941, 942 Ε II rev (§§ 940, 941 Ε I I I ) liegt die in §§ 956, 957 BGB Gesetz gewordene Fassung vor. 7
Abs. 3 des §901 ZustRedKom geht auf einen Antrag zurück, der bei Berathung der SS 930—935 Ε I gestellt war. S. bei S§ 987—993 BGB zu Gliederungspunkt C. I. unter Ε den Antrag 2.
V. Aneignung
§958 Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, erwirbt das Eigenthum an der Sache. Das Eigenthum wird nicht erworben, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines Anderen verletzt wird.
Α. 1. Kommission I. 331. Sitzung vom 6. 6. 1884, Schriftführer von Liebe, nicht anwesend | Prot I 4081
Gebhard.
| Die Berathung ging zu den von der „Zueignung" handelnden Vorschriften des Entwurfs über. D e r § 156 des Entwurfs lautet: TE-SachR S 156 „Wer eine herrenlose bewegliche Sache f ü r sich in Besitz nimmt, erwirbt das Eigenthum derselben (Zueignung). Eigenthum wird nicht erworben, wenn die Zueignung gegen ein Strafgesetz verstößt oder ein ausschließendes Zueignungsrecht verletzt." D e r erste Absatz w a r unbeanstandet geblieben und fand aus den G r ü n d e n der Motive S. 828 — 830 Billigung. Der zweite Absatz wurde gleichfalls aus den G r ü n 690
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§958
den der Motive angenommen, jedoch sollen die Schlußworte in Absatz 2 | gefaßt | Prot I 4082 werden: „wenn die Zueignung durch Gesetz verboten ist oder das Zueignungsrecht eines Anderen verletzt", weil das verbietende Gesetz nicht nothwendig ein Strafgesetz sein müsse und das Beiwort „ausschließendes" entbehrlich und bei Berechtigungen, welche ganzen Klassen von Personen zustehen, nicht ganz passend erscheine. Die gegen die Vorschrift des zweiten Absatzes erhobene Einwendung, daß eine I n h a b u n g herrenlosen Gutes, ohne daß der Inhaber oder ein Anderer Eigenthümer wird, einen Widerspruch in sich enthalte und zu einem unpassenden Resultate führe, w u r d e nicht f ü r begründet erachtet, weil ein Aehnliches bei allen res extra commercium zutreffe. Gebilligt wurde, daß der Entwurf nicht zwischen herrenlos gewesenen und herrenlos gewordenen Sachen unterscheidet und der widerrechtlichen H i n d e r u n g an der O k k u p a t i o n einen Einfluß auf den Eigenthumserwerb nicht beilegt, zu vergl. Motive S. 829. Die Wahl des Ausdrucks „Zueignung" (und nicht „Anweisung") w u r d e als der Redeweise der Reichsgesetze, Strafgesetzbuch §§ 242, 246 pp., entsprechend anerkannt. II. —IV. Die beschlossene Vorschrift ist in der VorlZust „Eigenthum an Erzeugnissen etc." als § 5, in der RedVorl als § 885, ZustSachR und KE § 884, Ε I § 903 in jeweils unveränderter Fassung enthalten: W e r eine herrenlose bewegliche Sache in Besitz nimmt, erwirbt das Eigenthum derselben (Zueignung). Das Eigenthum wird nicht erworben, wenn die Zueignung gesetzlich verboten ist oder das Zueignungsrecht eines Anderen verletzt 1 .
VorlZust ( 55 RedVorl §; 855 ZustSachR § 884 KE § 884 Ε I § 903
C. 2. Kommission I. Z u § 903 lagen folgende Anträge vor (Prot. II, Bd. 3, S. 250—253; Bd. 3, S. 652 ff.):
Mugdan,
1. den Schluß des Abs. 2 zu fassen: oder w e n n durch sie das Zueignungsrecht eines Anderen verletzt werden würde.
Achilles (Nr 68, 77)
2. a) den Abs. 2 zu streichen; v. Jacubezky b) eventuell die Vorschrift zu fassen: N i m m t Jemand eine Sache in Besitz, die dem ausschließlichen Zueignungsrecht (Nr 67) eines Anderen unterworfen ist, so erwirbt der Zueignungsberechtigte das Eigenthum. c) Für den Fall der Annahme des Abs. 2 die W o r t e „gesetzlich verboten ist o d e r " zu streichen; 3. den Abs. 2 zu beschließen: Wird durch die Zueignung das Zueignungsrecht eines Anderen verletzt, so ist der Zueignungsberechtigte befugt, das Eigenthum des unberechtigten Erwerbers durch Besitzergreifung sich anzueignen. Im K E und Ε I ist der Vorschrift die N o t e beigegeben: D a s Einführungsgesetz wird bestimmen, daß diejenigen Landesgesetze unberührt bleiben, welche das Recht, Tauben zu halten, beschränken, und nach welchen Tauben, welche diesen Beschränkungen zuwider gehalten und im Freien betroffen werden, dem freien Zueignungsrechte unterliegen (Prot I 4 0 8 9 — 4 0 9 1 , 6255, 6259, 6260). D e n der N o t e zugrundeliegende Beschluß s. im Anhang zum V . Titel des 3. Abschnitts des Sachenrechts.
691
§959
3. Abschnitt: Eigenthum
4. den Abs. 2 in dem Sinne anzunehmen, daß im Falle der Zueignung durch einen Unberechtigten die Sache herrenlos bleibt; 5. dem Art. 43 des Entw. d. E.G. hinzuzufügen: unbeschadet der Vorschrift des 5 903 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Anträge 2 c, 2 b und 3 wurden abgelehnt; der Entw. im Sinne des Antrags 4 und der Antrag 5 angenommen; doch wurde vorbehalten, auf das Verhältniß des Art. 43 des Entw. d. E.G. zu § 903 Abs. 2 bei der Berathung des Entw. d. E.G. nochmals zurückzukommen. Der Abs. 1 wurde sachlich nicht beanstandet. II. In der VorlZust ist die Vorschrift gefaßt: Ε I-VorlZust W e r eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, erwirbt das EigenS thum an derselben (Zueignung). Das Eigenthum wird nicht erworben (oder: Die Sache bleibt herrenlos), wenn durch die Zueignung das Zueignungsrecht eines Anderen verletzt werden würde 2 . III. In der 2ustRedKom liegt die in $ 958 BGB Gesetz gewordene Fassung vor, die Aufteilung der beiden Sätze in zwei Absätze jedoch erst im Ε II § 873, Ε II rev § 943, Ε111$ 942. 2
Ab VorlZust bis Ε II ist angemerkt: Es bleibt vorbehalten, dem Art. 43 des Entwurfs des Einführungsgesetzes folgenden Zusatz beizufügen: „unbeschadet der Vorschrift der § 903 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs."
§959 Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigenthümer in der Absicht, auf das Eigenthum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgiebt.
Α. 1. Kommission I. 331. Sitzung vom 6. 6. 1884, Schriftführer von Liebe, nicht anwesend
Gebhard
| Prot I 4082 TE-SachR ξ 157
| Der § 157 des Entwurfs lautet: „Eine bewegliche Sache, deren Eigenthümer in der Absicht, sie nicht mehr haben zu wollen, sich des Gewahrsams derselben entäußert, wird herrenlos."
Johow (Nr 116, 1)
Es war beantragt, den § 157 zu fassen: „Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigenthümer in Gemäßheit des § 797 (Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen, Prot. S. 3429—3432) 1 den Besitz derselben aufgiebt." Der Entwurf wurde in dem Sinne angenommen, daß entsprechend den über die Dereliktion von Grundstücken unterm 16. Mai 1884 Protokolle S. 3936 beschlossenen Bestimmungen 2 für die Dereliktion von beweglichen Sachen zu fordern ist, 1 2
S. bei § 856 BGB. S. bei ^ 928 BGB.
692
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§959
I. Erklärung des bisherigen Eigenthümers, nicht mehr Eigenthümer sein zu wollen, verbunden | 2. mit dem Aufgeben der thatsächlichen Gewalt. | Prot I 4083 Die Fassung blieb der Prüfung bei der Redaktion vorbehalten, bei welcher insbesondere auch zu entscheiden sein wird, ob es des von einer Seite vorgeschlagenen Zusatzes bedarf „ohne Uebertragung der thatsächlichen Gewalt". Erwogen war im Anschluß an die Gründe der Motive S. 830: Man könne nicht mit dem Antrage das Aufgeben des Eigenthums mit dem Aufgeben des Besitzes zusammenfallen lassen. Der Wille, den Besitz aufzugeben, schließe einerseits nicht nothwendig den Willen, Eigenthum aufzugeben, ein und könne andererseits lediglich zum Zwecke der Uebergabe — so daß also die Sache nicht unbesessen werde — erklärt werden. Ferner könne man wohl den Besitz nuda voluntate endigen lassen und diese Endigung von der Beendigung des Besitzes durch Aufhebung der thatsächlichen Gewalt scharf unterscheiden, Protokolle S. 3430, 3431, aber bei dem Aufgeben des Eigenthums sei zu verlangen, daß der Wille sich in dem Akte des Aufgebens der thatsächlichen Gewalt manifestire. II. 1., 2. Die Vorschrift ist in der VorlZust „Eigenthum an Erzeugnissen etc." als § 6 und in der RedVorlals § 886 gefaßt: Eine bewegliche Sache, deren Eigenthümer die Inhabung mit der Erklärung auf- VorlZust § 6 giebt, daß er das Eigenthum der Sache aufgebe (RedVorl: das Eigenthum der Sache RedVorl § 886 aufzugeben), wird herrenlos. (NB. Zum § 6. 1. Zu vergl. § 797, aber auch die für die Dereliktion von Grundstücken zum § 128 des Entw. beschlossene Vorschrift. 2. Es wird der Zusatz nicht nöthig sein: „ohne deren Einräumung an einen Anderen" hinter „Inhabung".) 3.—IV. In ZustSachR, KE § 885 und Ε/§ 904 ist die Fassung jeweils: Eine bewegliche Sache, deren Eigenthümer die Inhabung, ohne dieselbe einem ZustSachR/KE Anderen einzuräumen, mit der Erklärung aufgiebt, das Eigenthum der Sache auf- § 885 zugeben, wird herrenlos. ^ " § ^04
C. 2. Kommisson I. Zu § 904 wurde beantragt, folgende Fassung zu beschließen (Prot. II, Bd. 3, Achilles S. 253 f.; Mugdan, Bd. 3, S. 654 f.): (Nr 68, 78) Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigenthümer in der Absicht, das Eigenthum aufzugeben, den Besitz der Sache aufgiebt, ohne denselben einem Anderen einzuräumen. Sachlich wurde der § 904 nicht angefochten. II. In der VorlZust entspricht die Fassung dem mitgetheilten Antrag, nur daß vor „Absicht" eingefügt ist „erkennbaren". In der ZustRedKom § 9 0 4 (Ε II § 874, Ε II rev § 944, Ε III § 943) hat die Vorschrift die in § 959 BGB Gesetz gewordene Fassung. 693
§ 960
3. Abschnitt: Eigenthum
§960 Wilde Thiere sind herrenlos, solange sie sich in der Freiheit befinden. Wilde Thiere in Thiergärten und Fische in Teichen oder anderen geschlossenen Privatgewässern sind nicht herrenlos. Erlangt ein gefangenes wildes Thier die Freiheit wieder, so wird es herrenlos, wenn nicht der Eigenthümer das Thier unverzüglich verfolgt oder wenn er die Verfolgung aufgiebt. Ein gezähmtes Thier wird herrenlos, wenn es die Gewohnheit ablegt, an den ihm bestimmten Ort zurückzukehren. Α. 1. Kommission I. 331. Sitzung vom 6. 6. 1884, Schriftführer von Liebe, nicht anwesend
Gebhard
I Prot 14083 TE-SachR § 158
| Der § 15 8 des Entwurfs lautet: „Wilde Thiere sind herrenlos, so lange sie sich in ihrer natürlichen Freiheit befinden. Wilde Thiere in Thiergärten und Fische in Teichen und anderen geschlossenen Privatgewässern sind nicht herrenlos. Gefangene wilde Thiere werden herrenlos, wenn sie ihre natürliche Freiheit wiedererlangen. Gezähmte Thiere werden herrenlos, wenn sie die Gewohnheit, an den ihnen bestimmten Orten zurückzukehren, ablegen." Die in den Motiven S. 831, 832 gerechtfertigten Bestimmungen des Entwurfs waren sachlich nicht beanstandet worden. Der Prüfung bei der Redaktion blieb vorbehalten, ob in Abs. 3 hinter „Gezähmte Thiere" der Verdeutlichung wegen einzu| Prot I 4084 |schalten sei „welche frei umherschweifen", zu vergl. preuß. A.L.R. I 9 § 109.
VorlZust § 7 RedVorl § 887 ZustSachR ; 885
KE E I 1905
II.—IV. Die Fassung der Vorschrift in § 7 der VorlZust „Eigenthum an Erzeugnissen etc.", in der RedVorl$ 887', ZustSachR $ 885, im KE$ 886 und EI$ 905 lautet: Wilde Thiere sind herrenlos, solange sie sich in der natürlichen Freiheit befinden. Wilde Thiere in Thiergärten und Fische in Teichen und anderen geschlossenen Privatgewässern 2 sind nicht herrenlos. Gefangene wilde Thiere werden herrenlos, wenn sie die natürliche Freiheit wiedererlangen. Gezähmte ( VorlZust: wilde) Thiere werden herrenlos, wenn sie die Gewohnheit, an den ihnen bestimmten Ort zurückzukehren, ablegen 3 . C. 2. Kommission I. Zu § 9 0 5 lagen die Anträge vor (Prot. II, Bd. 3 S. 254 f.; Mugdan, Bd. 3, S. 655): 1
2 3
Begründung: Das Beiwort „geschlossen" bezeichnet ein solches Gewässer, welches entweder gar keinen Abfluß hat oder dessen Abfluß mittels besonderer Einrichtung so gesperrt ist, daß die Fische das Gewässer nicht verlassen können. Von „Privatgewässern" ist hier nur die Rede, weil ein „öffentliches Gewässer" (im Sinne des Wasserrechtes) nur in dem Fall als ein geschlossenes gedacht werden kann, daß es einen großen schiffbaren Landsee geben sollte, der keinen Abfluß hatte; f ü r Fische in so großen Seen paßt aber die ratio legis nicht. In der VorlZust finden sich Fragezeichen hinter „geschlossen" und „Privatgewässern". In der VorlZust ist zu $ 7 Abs. 3 angemerkt: Der Zusatz: „frei umherschweifende" wird nicht nöthig sein.
694
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § §
961 —964
1. den Abs. 1 Satz 2 zu streichen; 2. dem Abs. 2 hinzuzufügen: Dies gilt nicht für die nicht einheimischen Thiere. 3. Den Schluß des Abs. 2 zu fassen: . . . wenn sie die Freiheit wiedererlangen und der Eigenthümer dieselben nicht unverzüglich verfolgt oder die Verfolgung aufgiebt. Die Komm, behielt den Abs. 1 unter Ablehnung des Antrags 1 bei, nahm zum Abs. 2 den Antrag 3 an, verwarf dagegen den Antrag 2. Der Abs. 3 wurde gebilligt. II.—IV. In der VorlZust und ZustRedKom Vorschrift:
§ 905 sowie im Ε II § 875 lautet die
Wilde Thiere sind herrenlos, solange sie sich in der Freiheit befinden. Wilde Thiere in Thiergärten und Fische in Teichen und anderen geschlossenen Privatgewässern sind nicht herrenlos. Gefangene wilde Thiere werden herrenlos, wenn sie die Freiheit wiedererlangen und der Eigenthümer sie (VorlZust: dieselben) nicht unverzüglich verfolgt oder die Verfolgung aufgiebt. Gezähmte Thiere werden herrenlos, wenn sie die Gewohnheit ablegen, an den ihnen bestimmten Ort zurückzukehren (VorlZust: wenn sie die Gewohnheit, . . ., ablegen). V. Im Ε II rev % 945 {Ε / / / § 944) entspricht die Fassung § 960 BGB.
§961 Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigenthümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigenthümer die Verfolgung aufgiebt.
§962 Der Eigenthümer des Bienenschwarmes darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwärm in eine fremde, nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigenthümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Er hat den entstehenden Schaden zu ersetzen.
§963 Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer Eigenthümer, so werden die Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, Miteigenthümer des eingefangenen Gesammtschwarmes; die Antheile bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme. 695
Ε I-VorlZust/ Ε I-ZustRedKom §905 Ε II § 875
§§961-964
3. Abschnitt: Eigenthum
§ 964 Ist ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienenwohnung eingezogen, so erstrecken sich das Eigenthum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit denen die Wohnung besetzt war, auf den eingezogenen Schwärm. Das Eigenthum und die sonstigen Rechte an dem eingezogenen Schwärm erlöschen.
Α. 1. Kommission I. 331. Sitzung vom 6. 6. 1884, Schriftführer von Liebe, nicht anwesend
Gebhard
| Prot I 4084 1 E-SachR § 159
| Der § 159 des Entwurfs lautet: ;) Ein ausgezogener Bienenschwarm wird herrenlos, wenn der Eigenthümer denselben nicht unverzüglich verfolgt, oder die begonnene Verfolgung aufgiebt, oder den Schwärm dergestalt aus dem Gesichte verliert, daß er nicht mehr weiß, w o er sich befindet. Bettel- oder Hungerschwärme gelten als herrenlos." Johow Der Referent hatte beantragt, statt des Abs. 2 als § 159 a folgende Bestimmung (Nr 116,2) a u f z u n e h m e n :
„Ziehen N o t h - , H u n g e r - oder Bettelschwärme in fremde besetzte Bienenwohnungen ein, so erstrecken sich das Eigenthum und die sonstigen Rechte an dem Schwarme, mit welchem die Wohnung besetzt war, auch auf die eingezogenen Bienen. Das Eigenthum und die sonstigen Rechte, welche an den letzteren bisher bestanden, erlöschen. Ein Bereichungsanspruch des bisher Berechtigten gegen den neuen Eigenthümer findet nicht statt." D e r Absatz 1 des Entwurfs und die an Stelle des Abs. 2 vom Referenten vorgeschlagene Bestimmung wurde angenommen, jedoch sollen die Eingangsworte der letzteren gefaßt werden: „Zieht ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienenw o h n u n g ein — N o t h - , H u n g e r - oder Bettelschwarm — pp." D e r Abs. 1 war aus den in den Motiven S. 832 bis 836 f ü r denselben angeführten Gründen gebilligt worden. Den Abs. 2 hatte der Referent deshalb durch eine andere Vorschrift zu ersetzen vorgeschlagen, weil nicht über das Herrenloswerden der aus Mangel an N a h r u n g aus den Stöcken ausgezogenen Bienenschwärme eine besondere Bestimmung erforderlich sei, sondern nur über die vermöge einer Art von commixtio erfolgende | Prot 1 4085 Eigenthumserwerbung, wenn der | Schwärm mit einem fremden Schwärm durch Einziehen in dessen W o h n u n g sich vermische. D e r Schlußsatz des Antrags ist beigefügt, weil nach dem Beschlüsse vom 4. Juni zu § 151 des Entwurfs (Prot. S. 4067) der Bereicherungsanspruch im Falle des Eigenthumserwerbs durch commixtio in der Regel nicht ausgeschlossen ist, im vorliegenden Falle aber nach der besonderen Sachlage zessiren müsse, indem einestheils bei der Vermischung der beiden Schwärme durch den sich entspinnenden Kampf der eine oder der andere Schwärm aufgerieben zu werden pflege und anderntheils auch abgesehen hiervon der Eigenthümer des Schwarmes, welcher die W o h n u n g aufgesucht hat, keine Rücksicht verdiene, denn er habe zu dem Ausziehen seines Schwarmes erfahrungsmäßig meist dadurch den Anlaß gegeben, daß er seine Bienen habe N o t h leiden lassen.
TE-SachR § 160
Der § 160 des Entwurfs lautet: „Der Eigenthümer kann bei dem Verfolgen des Schwarmes fremde Grundstücke betreten und den Schwärm, wo er sich angelegt hat, einfangen. 696
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § § 9 6 1 — 9 6 4 Ist der Schwärm in eine fremde, mit Bienen nicht besetzte Wohnung eingezogen, so kann der verfolgende Eigenthümer des Schwarmes, um denselben einzufangen, die Wohnung öffnen und zu diesem Zweck auch die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Den auf fremden Grundstücken bei der Verfolgung und dem Einfangen eines Schwarmes angerichteten Schaden hat der Eigenthümer des Schwarmes zu ersetzt zen. Es lagen die Anträge vor: 1. seitens des Referenten, statt des Abs. 3 zu bestimmen: „Im Uebrigen ist das Rechtsverhältniß zwischen dem Eigenthümer des Schwanns und dem Eigenthümer des Grundstücks nach den zu § 116 des Entwurfs unterm 5. Mai 1884 Prot. S. 3868, 3869 beschlossenen Bestimmungen zu beurtheilen." 2. die Schlußworte des zweiten Absatzes zu fassen: | „zu diesem Zwecke die darin schon vor dem Einzüge befindlichen Waben herauszunehmen oder herauszubrechen." Der durch den Antrag 1 verbesserte Entwurf wurde aus den in den Motiven S. 833 bis 835 zur Rechtfertigung der vorgeschlagenen Bestimmungen angeführten Gründen angenommen. Wie der Absatz 3 zu fassen sei, wurde der Prüfung bei der Redaktion vorbehalten. Der Antrag 2 galt als abgelehnt.
Johow (Nr 116,3)
v. Schmitt (Nr 113) I Prot *
Erwogen war insbesondere: Der auf Anregung von Bienenwirthen gestellte Antrag 2 beruhe auf der, aus der Fassung allerdings schwer zu erkennenden Auffassung, daß mit der schnell sich vollziehenden Wabenbildung das Eigenthum des Schwarmes dem Eigenthümer des Stocks erworben werde. Diese Auffassung sei indessen bislang von keiner Seite vertreten. Es genüge, für das Recht des bisherigen Eigenthümers die Voraussetzung festzuhalten, daß eine nicht unterbrochene und mithin die Identität des verfolgten Schwarmes feststellende Verfolgung stattfinde, während für das Recht des Eigenthümers der Bienenwohnung das Okkupationsprinzip maßgebend bleiben müsse. Für die beschlossene Annahme des Antrags 1 komme insbesondere in Betracht, daß die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung durch das Zitat hervorzuheben sei. Der §161 des Entwurfs lautet: „Vereinigen sich mehrere ausgezogene Bienenschwärme verschiedener Eigen- TE-SachR§161 thümer bei dem Anlegen, so wird der bei der Verfolgung eingefangene Gesammtschwarm gemeinschaftliches Eigenthum der ihre Schwärme verfolgenden bisherigen Eigenthümer, und zwar dergestalt, daß jedem von ihnen so viel Theile an dem Gesammtschwarm zustehen, als sich Schwärme aus seinen Stöcken bei demselben befinden." Der Entwurf wurde mit Rücksicht auf die in den Motiven S. 835 angeführten Gründe, Fassung vorbehalten, angenommen. Bemerkt wurde, daß statt „Theile" zu setzen sein werde: „Bruchtheile". | In den Motiven S. 833, 836 Note 1 und S. 2237 bis 2239 ist der von verschiede- | Prot I 4087 nen Vereinen und Behörden angeregten gesetzlichen Neuordnung des Bienenrechts, insbesondere der wiederholten Vorschläge des Wandervereins deutscher und österreichischer Bienenwirthe gedacht und dargelegt, weshalb weitere Bestimmungen in den Entwurf nicht aufgenommen sind. Der Referent gedachte ferner des von dem ständigen Präsidenten des Wandervereins W. Vogel zu Lehmannshöfel unterm 6. Dezember 1882 dem Reichskanzler eingereichten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Bienenzucht und des von 697
§§ 9 6 1 - 9 6 4
3. Abschnitt: Eigenthum
den Reichstagsabgeordneten Dr. Porsch und Edler dem Reichstage II. Session 1882 vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes, betreffend das Recht zum Bienenhalten. Der Referent legte im Einzelnen dar, weshalb weitere Bestimmungen aus den gedachten Entwürfen weder in das Sachenrecht noch in das bürgerliche Gesetzbuch überhaupt, zu vergl. auch Protokoll S. 410, 3084, aufzunehmen seien. Die Kommission trat den Ausführungen des Referenten bei. Schließlich wurde von einer Seite die Frage angeregt, ob Dereliktion und O k k u pation Rechtsgeschäfte im engeren Sinne oder nur Rechtshandlungen seien. Die Kommission nahm an, es liege keine genügende Veranlassung vor, diese Frage auch nur zu Protokoll zu entscheiden, die Entscheidung sei vielmehr der Doktrin und der Praxis zu überlassen. Zu vergleichen Prot. S. 60 und Motive des Allgem. Theils, Rechtsgeschäft, S. 4 Note 1. II. In der VorlZust „Eigenthum an Erzeugnissen etc." sind die beschlossenen Bestimmungen in den §§8—11, in der RedVorl' in den §§ 888 — 891 und in der ZustSachR in den §§ 887—890 enthalten: VorlZust § 8 Ein ausgezogener Bienenschwarm wird herrenlos, wenn der Eigenthümer denRedVorl § 888 selben nicht unverzüglich verfolgt oder die (VorlZust: begonnene) Verfolgung aufZustSachR % 887 giebt oder den Schwärm dergestalt aus dem Gesichte verliert, daß er nicht mehr weiß, wo derselbe sich befindet. VorlZust § 9 Der Eigenthümer kann bei dem Verfolgen (VorlZust: bei der Verfolgung) des RedVorl § 889 Schwarmes fremde Grundstücke betreten und den Schwärm, wo derselbe sich angeZustSachR § 888 legt hat, einfangen.
Ist der Schwärm in eine fremde, mit Bienen nicht besetzte W o h n u n g eingezogen, so kann der verfolgende Eigenthümer zu dem (VorlZust: zum) Zwecke der Einfangung des Schwarmes die Wohnung öffnen, auch die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Die Bestimmungen des § 850 (VorlZust: § 116) finden Anwendung. VorlZust § 11 Vereinigen sich mehrere ausgezogene Bienenschwärme verschiedener EigenthüRedVorl § 890 mer bei dem Anlegen, so erwerben diejenigen Eigenthümer, welche ihre Schwärme ZustSachR « 889 verfolgt haben, an dem eingefangenen Gesammtschwarme das gemeinschaftliche Eigenthum nach Bruchtheilen (RedVorl\ VorlZust: so wird der bei der Verfolgung eingefangene Gesammtschwarm gemeinschaftliches Eigenthum derjenigen Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben); die Antheile bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme. (VorlZust: so wird der (bei der Verfolgung) eingefangene Gesammtschwarm gemeinschaftliches Eigenthum derjenigen Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben. (VorlZust: Jedem der Miteigenthümer stehen so viele Antheile an dem Gesammtschwarm zu, als die Zahl der Schwärme beträgt, deren alleiniger Eigenthümer er war.) VorlZust § 10 Zieht ein (VorlZust: ausgezogener) Bienenschwarm in eine fremde besetzte BieRedVorl § 891 nenwohnung ein — Noth-, Hunger- oder Bettelschwarm —, so erstrecken sich das ZustSachR § 890 Eigenthum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit welchen die W o h n u n g be-
setzt war, auch auf den eingezogenen Schwärm. (VorlZust: so wird er von den an Begründung zu §§ 890, 891: Der 5 890 bezieht sich ebenso wie die §§ 888 und 889 hauptsächlich auf das bei der Bienenzucht regelmäßig vorkommende Ausziehen der Brutschwärme, die in den Mutterwohnungen aus Mangel an Raum nicht bleiben können, während der 5 891 den besonderen Fall betrifft, daß ein Schwärm aus H u n g e r seine W o h n u n g verläßt, um die in einer anderen besetzten W o h n u n g befindliche N a h r u n g zu erobern. Daher die Abweichung von der Reihenfolge der vorl.Zus.
698
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § § 9 6 1 — 9 6 4 dem Schwärm, mit welchem die Wohnung besetzt war, bestehenden Eigenthums — und sonstigen Rechten betroffen (ergriffen?) Die Eigenthums- und sonstigen Rechte, welche an dem eingezogenen Schwärm bisher bestanden haben, erlöschen.). Das Eigenthum und die sonstigen Rechte, welche an dem letzteren bisher bestanden, erlöschen. Ein Bereicherungsanspruch des bisherigen Berechtigten gegen den neuen Eigenthümer findet nicht statt. (VorlZust: Die Bereicherung des Eigenthümers des anderen Schwarmes ist als eine solche, zu welcher ein rechtlicher Grund gefehlt hat, nicht anzusehen.) III., IV. Bei der Redaktion des K E wurde zu § 887 der Antrag abgelehnt, die Vorschrift zu fassen: „. . . herrenlos, wenn der Eigenthümer denselben nicht unverzüglich verfolgt, wenn er die Verfolgung aufgiebt oder den Schwärm u.s.w." Auf Antrag wurde zu § 888 Abs. 2 beschlossen, statt der Worte: „mit Bienen nicht besetzte Wohnung" zu setzen „nicht besetzte Bienenwohnung." Die bei Drucklegung des K E in § 888 erfolgte Hinzufügung der Worte „eines ausgezogenen Bienenschwarmes" hinter „Eigenthümer" wurde genehmigt. Gleiches gilt f ü r die Ersetzung der Eingangsworte in § 890: „Zieht ein . . . ein" durch: „Ist ein . . . eingezogen." Zudem wurde bei der Revision des K E in § 890 auf entsprechende Anträge der Einschub „Noth-, Hunger- oder Bettelschwarm —" gestrichen und der Satz 3 gefaßt: „Ein Anspruch wegen Bereicherung steht dem bisherigen Berechtigten gegen den neuen Eigenthümer nicht zu." (Prot I 6253, 6257, 6266, 6271, 6275, 11961, 11993) Mit diesen Änderungen sind die Vorschriften im K E ^ 8 8 7 - 8 9 1 und im E I in U 906 bis 909 enthalten.
Gebhard (Nr 435, 23) Kurlbaum (Nr 434, 141)
v. Mandry (Nr 449, 19) Kurlbaum (Nr 474)
C. 2. Kommission I. Man ging zur Berathung der die Bienen betreffenden §§ 906 bis 909 über. Es lagen die Anträge vor (Prot. II, Bd. 3, S. 255; Mugdan, Bd. 3, S. 655 f.): 1. in § 907 statt „bei dem Verfolgen des Schwarmes" zu setzen „bei dessen Ver- Achilles folgung"; eventuell den Eingang zu fassen: (Nr 68, 79) Solange der ausgezogene Schwärm nicht herrenlos geworden ist, kann bei dessen Verfolgung der Eigenthümer . . . 2. in § 908 die Worte „bei dem Anlegen" zu streichen.
Achilles (Nr 68, 80)
II. In der VorlZust sind die Vorschriften gefaßt: Ein ausgezogener Bienenschwarm wird herrenlos, wenn der Eigenthümer denselben nicht unverzüglich verfolgt, oder wenn der Eigenthümer die Verfolgung aufgiebt oder den Schwärm dergestalt aus dem Gesichte verliert, daß er nicht mehr weiß, wo derselbe sich befindet. Dem Eigenthümer eines ausgezogenen Bienenschwarmes stehen bei dessen Verfolgung und Einfangung die in den §§ 867 (Satz 1, 2) und 193 bestimmten Rechte zu. Ist der Schwärm in eine fremde, nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so hat der Besitzer derselben dem verfolgenden Eigenthümer auch zu gestatten, zum Zwecke der Einfangung des Schwarmes die W o h n u n g zu öffnen und die Waben herauszunehmen oder herauszubrechen. (Die Vorschriften des § 867 Satz 2 (,3) finden Anwendung.) Vereinigen sich mehrere ausgezogene Bienenschwärme verschiedener Eigenthümer, so erwerben diejenigen Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, 699
Ε I-VorlZust § 906
Ε I-VorlZust § 907
Ε I-VorlZust § 908
§§961-964
3. Abschnitt: Eigenthum
an dem eingefangenen Gesammtschwarme das Miteigenthum nach Bruchtheilen; die Antheile bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme. Ε I-VorlZust Ist ein Bienenschwarm in eine fremde, besetzte Bienenwohnung eingezogen, so § 909 erstrecken sich das Eigenthum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit welchen die Wohnung besetzt war, auch auf den eingezogenen Schwärm. Das Eigenthum und die sonstigen Rechte, welche an dem letzteren bisher bestanden, erlöschen. Ein Anspruch wegen Bereicherung steht dem bisherigen Berechtigten gegen den neuen Eigenthümer nicht zu. III. In der ZustRedKom ist der Satz 3 des § 909 als selbstverständlich gestrichen, was die Kom. nachträglich genehmigte (Prot. II, Bd. IV, S. 590). Die Vorschriften lauten: Ε I-ZustRedKom Ein ausgezogener Bienenschwarm wird herrenlos, wenn der Eigenthümer ihn § 906 nicht unverzüglich verfolgt oder die Verfolgung aufgiebt oder wenn er den Schwärm dergestalt aus dem Gesichte verliert, daß er nicht mehr weiß, wo sich der Schwärm befindet. Ε I-ZustRedKom Der Eigenthümer eines ausgezogenen Bienenschwarmes kann bei der Verfol§ 907 gung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwärm in eine fremde nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so kann der Eigenthümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Die Vorschriften des § 824 c finden Anwendung. Ε I-ZustRedKom Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme verschiedener Eigenthümer, so § 908 werden die Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, Miteigenthümer des eingefangenen Gesammtschwarmes; die Antheile bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme. Ε I ZustRedKom Ist ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienenwohnung eingezogen, so § 909 erstrecken sich das Eigenthum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit welchen die Wohnung besetzt war, auch auf den eingezogenen Schwärm. Das Eigenthum und die sonstigen Rechte an dem eingezogenen Schwarme erlöschen. IV., V. Die Vorschriften sind im Ε II in den §§ 876 bis 879 enthalten. Die Fassung stimmt fast wörtlich überein, nur daß in § 876 „wenn er den Schwärm" ersetzt ist durch „ihn", in § 877 statt „eines Bienenschwarmes" gesetzt ist „des Bienenschwarmes" und in § 879 das Wort „auch" vor „auf" weggelassen ist. Bei der Revision des Ε / / w u r d e der Antrag angenommen, in § 877 den Satz 3 durch die BestimStruckmann mung zu ersetzen: „Den durch diese Handlungen entstehenden Schaden hat er dem (Nr 38, 2) Besitzer des Grundstücks zu ersetzen." (Prot. II, Bd. 6, S. 235). Die Fassung der Vorschriften in den §§946—949 Ε II rev (§§ 945—948 Ε III) stimmt bis auf den Schluß in § 946 mit der in den §§ 961—964 BGB Gesetz gewordenen Fassung überein. Dieser Schluß lautet wie § 906 ZustRedKom,
E. Reichstag I. XII. Kommission Es war beantragt, Vielhaben 1. den § 948 so zu fassen: (Nr 73) „Zieht ein Bienenschwarm aus und verläßt das Grundstück des Eigenthümers, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigenthümer ihn noch am selben Tag verfolgt oder wenn der Eigenthümer die Verfolgung aufgiebt." 700
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § §
961 —964
2. in § 945 die Schlußsätze: Letocha „oder ihn dergestalt aus dem Gesichte verliert, daß er nicht mehr weiß, wo sich (Nr 74) der Schwärm befindet" zu streichen. II. Bericht von Heller (Bayern) vom 21. 4. 1896 Die zum § 945 gestellten Anträge (Nr. 73, 74 der Drucksachen) begründeten die Abgeordneten Vielhaben und Letocha, von denen sich der zuletzt genannte als Sachverständiger erwies, in längeren, technische Fragen der Bienenzucht berührenden Ausführungen. Dem Antrage Letocha trat v. Jacubezky nicht entgegen; seine Annahme würde die Bestimmung in Übereinstimmung mit dem § 944 bringen. Der Antrag Vielhaben dagegen, der eine Verschiedenheit herbeiführen würde, sei nicht wohl annehmbar. Die Bestimmung sei auf den Wunsch der Sachverständigen so gestaltet worden. Auch Letocha sprach sich gegen diesen Antrag aus. Er wurde gegen die Stimme des Antragstellers abgelehnt, der Antrag Letocha wurde einstimmig angenommen. III. Damit liegt die in § 961 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
Anhang zum V. Titel des 3. Abschnitts des Sachenrechts
332. Sitzung vom 9. 6. 1884, Schriftführer Achilles | Bei der heute fortgesetzten Berathung des Sachenrechtsentwurfes III Tit. 4 | Prot I 4089 wurden zunächst die noch von der „Zueignung" handelnden §§ 162—164 erledigt, sodann die sechste Abtheilung dieses Titels, welcher unter der Ueberschrift „Gefundene Sachen" die §§ 165—177 umfaßt, in Angriff genommen. I. der § 162 des Entwurfs lautet: „Zahme Tauben sind Gegenstände des freien Zueignungsrechts, wenn sie im TE-SachR§162 Freien betroffen werden entgegen einer landesrechtlichen Bestimmung, wonach der Eigenthümer der Tauben nicht befugt ist, Flugtauben zu halten, oder wonach die Tauben während gewisser Zeiten eingeschlossen zu halten sind." Die Kommission beschloß, auf den von einer Seite gestellten Antrag, den § 162 v. Mandry zu streichen, dagegen in dem Einführungsgesetze zu bestimmen, daß die Landesge- (Nr 119, 1) setze unberührt bleiben, welche das Recht, Tauben zu halten, beschränken und nach welchem Tauben, welche diesen Beschränkungen zuwider im Freien betroffen werden, dem freien Zueignungsrechte unterliegen'. | Erwogen war:
| Prot I 4090
Zahme Tauben seien an sich nicht Gegenstand des freien Zueignungsrechtes. Wenn gleichwohl der Entwurf sie unter gewissen Voraussetzungen diesem Rechte unterwerfen wolle, so werde er hierbei lediglich von Erwägungen geleitet, welche auf dem Gebiete der Feldpolizei liegen. Dieses Gebiet aber sei von der Regelung 1
Der Vorbehalt für die Landesgesetze ist als N o t e dem § 903 E I ($ 884 KE) beigefügt; s. bei § 9 5 8 BGB.
701
§§961—964
3. Abschnitt: Eigenthum
durch das bürgerliche Gesetzbuch ausgeschlossen. Zu verkennen sei allerdings nicht, daß die vorgeschlagene Bestimmung insofern eine privatrechtliche Bedeutung habe, als sie die Gegenstände des freien Zueignungsrechtes erweitere. Allein diese Erweiterung sei doch lediglich als Rechtsfolge der Uebertragung polizeilicher Vorschriften in Aussicht genommen. Sei nun die Landesgesetzgebung für die Aufstellung solcher Vorschriften zuständig, so könne man ihr auch nicht wohl die Befugniß entziehen, die Folgen zu bestimmen, welche die Uebertragung nach sich ziehen solle. Erachte man es in einem Staate zum Schutze der Felder und Fluren für ausreichend, das unbefugte Halten von Tauben oder das Ausfliegenlassen derselben während gewisser Zeiten nur mit einer Strafe zu bedrohen, so besteht für die Reichsgesetzgebung kein Grund, die Strafe des dem Verbote zuwiderhandelnden Eigenthümers der Tauben dadurch zu verschärfen, daß dieselben dem freien Zueignungsrechte preisgegeben werden. Eine entsprechende Vorschrift würde auch insofern bedenklich sein, als sie nicht blos den Besitzern bestellter Acker zum Schutze gereichen würde, sondern von ganz unbetheiligten Personen ausgebeutet werden könnte. Unbeachtet dürfe auch nicht bleiben, daß es auffallen könnte, wenn das Gesetzbuch zum Schutze gegen Beschädigungen, welche von Tauben angerichtet werden könnten, eine Bestimmung geben, die f ü r die Landwirthschaft weit wichtigere Regelung des Wildschadens dagegen übergehen würde. | Prot I 4091 Sei somit über das Zueignungsrecht in Ausdehnung auf | zahme Tauben in dem Gesetzbuche zu schweigen, so müsse dagegen den Ausführungen der Motive S. 838 darin beigepflichtet werden, daß die in einigen Bundesstaaten bestehenden Beschränkungen des Rechtes, Tauben zu halten, in Kraft zu lassen seien. Die dieserhalb erforderliche Vorschrift gehöre aber ebenso wie der Vorbehalt für die Landesgesetzgebung, das Verhältniß nach dem Vorschlage des Entwurfes zu regeln, in das Einführungsgesetz. TE-SachR § 163
v. Mandry (Nr 113) (Nr 119, 2)
| Prot I 4092
Der § 163 des Entwurfs lautet: „Jagdbares Wild, welches in einem Jagdbezirke mit Absicht oder durch Zufall getödtet, gefangen oder sonst außer Stand gesetzt wird, den Ort zu wechseln, gehört demjenigen, welcher in dem Bezirk jagdberechtigt ist, und wenn die Jagd verpachtet ist, dem Jagdpächter. Darf auf dem Grundstück, auf welchem das Wild außer Stand gesetzt ist, den O r t zu wechseln, die Jagd nicht ausgeübt werden, so fällt das Wild in das Eigenthum des Grundstückseigenthümers. Die Bestimmung im ersten Absätze findet auf die einer Fischereiberechtigung unterliegenden Fische und anderen Wasserthiere entsprechende Anwendung." Beantragt war: 1. den Abs. 2 zu streichen; 2. den Paragraphen durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Erfolgt die Zueignung einer herrenlosen Sache unter Verletzung des einem Anderen zustehenden Zueignungsrechtes, so wird der Zueignungsberechtigte oder, falls die Ausübung des Zueignungsrechtes einem Dritten überlassen ist, dieser Dritte Eigenthümer der in Besitz genommenen Sache." (Für den Fall, daß eine Bestimmung dieses Inhalts beschlossen würde, gab der Antragsteller anheim, zu erwägen, ob sie nicht in unmittelbare Verbindung mit dem § 156 gebracht werden sollte, sei es als dritter Absatz dieses §, sei es als besonderer, aber unmittelbarer an den § 156 sich anschließender Paragraph). | Beschlossen wurde: Streichung des § 163 und Ablehnung des Antrages 2. 702
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § §
961 —964
Die Gründe waren: Unterstelle man den Fall, daß jagdbares Wild erlegt oder sonst außer Stande gesetzt sei, den Ort zu wechseln, den zu § 156 beschlossenen Bestimmungen, Prot S. 4081, so ergebe sich zweierlei: 1. das Eigenthum an dem Wilde könne nur durch Besitzergreifung erworben werden; 2. der Nichtjagdberechtigte erlange auch durch die Besitzergreifung kein Eigenthum. Dieses Ergebniß stehe im Einklänge mit dem in dem größten Theile des Reiches geltenden Rechte und sei auch abgesehen hiervon nicht unangemessen. Die Unzuträglichkeit, daß das Wild, wenn ein Nichtberechtigter es in Besitz nehme, herrenlos bleibe, sei nicht von Belang. Denn dieser Zustand erledige sich sehr bald, sei es, daß das Wild an einem mit der Sachlage Unbekannten veräußert oder von dem Besitzer selbst verzehrt werde. Einfacher sei freilich die Lösung, welche der Entwurf vorschlage. Allein sie erreiche ihren Zweck nur dadurch, daß sie von dem zu § 156 Abs. 1 beschlossenen Prinzip, daß herrenlose Sachen nur durch Besitzergreifung erworben werden, ohne zwingenden Grund abweiche. Der Antrag 2 vermeide dies, indem er an der Besitzergreifung als Erforderniß der Eigenthumserwerbung festhalte, jedoch mit der Besonderheit, daß Besitz und Eigenthum, obschon durch dieselbe Handlung erworben, von verschiedenen Personen erworben werden können. Indessen sei die Besitzfrage nicht Ausschlag gebend. Es könne sogar anerkannt werden, daß der Vorschlag des Entwurfs, wenngleich er kein Gesetz für sich habe, doch die privatrechtliche Seite des Verhältnisses in zweckmäßiger Weise regele. Was ihn im hohen Maße bedenklich erscheinen lasse, sei die Konsequenz, die er für das Gebiet des Strafrechts haben würde. Wenn nämlich das, was der Entwurf wolle, Aufnahme in das Gesetzbuch fände, so wäre jede unberechtigte Aus-|übung der Jagd, sofern sie | Prot I 4093 zur Besitzergreifung des erlegten Wildes mit Aneignungsabsicht führte, Diebstahl. Eine solche Auffassung aber würde den in Deutschland hergebrachten Rechtsanschauungen direkt widersprechen. Selbst die unbefugte Aneignung von Fallwild sei von den höchsten Gerichtshöfen in Berlin, München, Dresden und auch von dem Reichsgericht nicht als Diebstahl, sondern nur als Jagdvergehen aufgefaßt worden. (Vergl. Rüdorff, Strafgesetzb. §§ 292 und 293, 3. Aufl. S. 675.) Der Antrag 2 würde hieran Nichts weiter ändern, als daß die unberechtigte Handlung anstatt als Diebstahl als Unterschlagung zu bestrafen wäre. Im Uebrigen würde er durch die Ausdehnung seiner Auffassung auf alle herrenlosen Sachen den Widerspruch mit der allgemeinen Rechtsanschauung nur noch verschärfen. N u n ließe sich freilich der Konsequenz für das Strafrecht durch eine Bestimmung in dem Einführungsgesetze begegnen. Allein es wäre wenig angemessen, auf diese Weise eine Disharmonie zwischen dem Privatrecht und dem Strafrecht hervorzurufen. Deshalb empfehle es sich, bei den zu § 156 gefaßten Beschlüssen auch bezüglich des jagdbaren Wildes stehen zu bleiben. Ahnlich wie mit diesem verhalte es sich mit den dem Fischereirecht unterworfenen Thieren. Der § 164 des Entwurfes lautet: „An den in einem Kriege des Deutschen Reiches von deutschen Militärpersonen TE-SachR§ 164 in Gemäßheit der Anordnungen der Heeresleitung dem Feinde als Beute weggenommenen beweglichen Sachen erlangt das Deutsche Reich Eigenthum. Ist unter diesen Voraussetzungen die Beute von Personen gemacht, welche der Kriegsmacht eines dem Deutschen Reiche verbündeten Staates angehören, so erlangt dieser Staat das Eigenthum daran." Beantragt war: 703
§ 965 | Prot I 4094 v. Schmitt (Nr 117)
3. Abschnitt: Eigenthum
1. von einer Seite, | den Paragraphen zu streichen, 2. von anderer Seite, die Streichung auf den zweiten Absatz zu beschränken. Beschlossen w u r d e die Streichung des Paragraphen.
Erwogen w a r : Es könne f ü r angemessen nicht erachtet werden, in das bürgerliche Gesetzbuch privatrechtliche Vorschiften über das Beuterecht im Kriege aufzunehmen. Zu einer vollständigen Regelung des im Kriege geltenden Beuterechts, zu welcher Regelung auch die Berücksichtigung des Prisenrechts im Seekriege (zu vergl. preuß. Prisenreglement v. 20. Juni 1864, G.S.S. 169, und Allerhöchster Erlaß v. 19. Mai 1866, G.S.S. 238) gehören w ü r d e , sei ohne Zweifel das bürgerliche Gesetzbuch nicht der geeignete O r t . Beschränke man sich dagegen auf eine Bestimmung, wie sie der § 164 des Entwurfes enthalte, so sei damit wenig o d e r nichts erreicht. D a ß G e g e n stände, welche nach dem Kriegsgebrauch, d. h. nach den f ü r die K r i e g f ü h r u n g geltenden völkerrechtlichen N o r m e n und im Einklang mit den ausdrücklichen o d e r stillschweigenden Befehlen und Anordnungen der Kriegsoberen dem Feinde als gute Beute entrissen seien, insbesondere die zur K r i e g f ü h r u n g dienenden Gegenstände, zum Eigenthum erworben würden, verstehe sich von selbst. Es sei nicht zu besorgen, daß in Ermangelung einer solchen Bestimmung — namentlich nach beendetem Kriege — der f r ü h e r e Eigenthümer der veräußerten Gegenstände das Eigent h u m mit Erfolg w ü r d e geltend machen können. Die Bestimmung aber, d a ß die regelmäßig erbeuteten Gegenstände stets und immer dem Reiche zufielen, sei deshalb bedenklich, weil darin eine Beschränkung der aus der Kriegshoheit sich ergebenden Rechte erblickt werden könnte. Gegen die Vorschrift des Entwurfes erhebe sich außerdem das Bedenken, daß sie den G e d a n k e n erwecke, der streitenden M a c h t | Prot I 4095 würde mitunter, ζ. B. bei der Erstürmung eines befestigten Platzes, das | gegen das Privateigenthum sich richtende Beutemachen gestattet, während den Deutschen T r u p p e n , soviel bekannt, eine solche Erlaubniß niemals ertheilt werde.
VI. Fund §965 Wer eine verlorene Sache findet, und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigenthümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen. Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittelung der Empfangsberechtigten erheblich sein können, unverzüglich der Polizeibehörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als drei Mark werth, so bedarf es der Anzeige nicht. Α. 1. Kommission I. 332. Sitzung vom 9. 6. 1884, Schriftführer
Achilles
| Prot I 4095 | II. Z u der Abtheilung' dieses Titels über g e f u n d e n e Sachen lag ein ausführlicher Kurlbaum Antrag vor, welcher darauf abzielte, die §5 165—173 des Entwurfes durch andere, ( N r 120) 1
Es handelt sich um die sechste Abteilung. Das ergibt sich aus dem Einleitungssatz zu diesem Sitzungsprotokoll; s. den Anhang zum V. Titel des 3. Abschnitts des Sachenrechts, Prot I 4089.
704
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 965
von dem Antragsteller als §§ a—g bezeichnete Bestimmungen zu ersetzen. Eine Vergleichung dieses Antrages mit den Vorschlägen des Entwurfes lenkte die Berathung zunächst auf folgende drei Punkte allgemeiner bezw. prinzipieller Natur. 1. In dem Antrage sind die Fälle, in welchen der Finder die Sache verwahrt, von den Fällen, in welchen er dieselbe an die Polizeibehörde abliefert, getrennt gehalten. Man war einverstanden, daß die Frage, ob und inwieweit diesem Vorgange in dem Gesetzbuche zu folgen sei, der Entscheidung bei der Redaktion vorbehalten bleiben könne. 2. Der Entwurf regelt das Rechtsverhältniß zwischen dem Finder und dem Eigenthümer der gefundenen Sache, während der Antrag neben dem Eigenthümer auch einen von demselben verschiedenen Verlierer berücksichtigt. Die Mehrheit war der Ansicht, daß die Frage nach der Berücksichtigung des Verlierers, der nicht der Eigenthümer ist, nur bei der Berathung der einzelnen Paragraphen sachgemäß entschieden werden könne. 3. Nach dem Entwürfe ist die für Fundsachen zuständige Behörde die Polizeibehörde des Fundorts. Diese Behörde hat den Eigenthümer zu ermitteln und, wenn ihre Nachforschungen erfolglos sind, dem Finder dies zu bescheinigen. Das Eigenthum erwirbt der Finder, sobald ihm diese Bescheinigung ausgehändigt und, wenn die Sache an die Behörde abgeliefert war, die Rückgabe der Sache an ihn erfolgt ist. Eine Mitwirkung des Gerichts ist nicht in Aussicht genommen. Dagegen schlägt der Antrag unter § a die folgenden Bestimmungen vor: „Wer eine fremde verlorene Sache in seine Inha-|bung genommen hat (Finder), |Prot I 4096 kann bei dem Gerichte, in dessen Bezirk er die Sache gefunden hat, das öffentliche Aufgebot zum Zwecke der Ausschließung des Eigenthümers oder Verlierers beantragen. In dem Aufgebot ist der Eigenthümer oder Verlierer der Sache aufzufordern, seine Rechte anzumelden, widrigenfalls er die Ausschließung mit denselben zu gewärtigen habe. Der Finder erwirbt durch Erlassung des Ausschlußurtheils das Eigenthum der Sache. Das Ausschlußurtheil wirkt nicht gegen denjenigen, welchen der Finder als Eigenthümer oder Verlierer gekannt hat, und nicht gegen denjenigen, welcher vor Erlassung desselben den Besitz der Sache erlangt hat." Die Kommission beschloß: Ablehnung des Antrags. Zur Begründung desselben war insbesondere geltend gemacht, es sei überaus mißlich, die Polizeibehörde zu Nachforschungen nach den Eigenthümern gefundener Sachen zu verpflichten. Es sei dies um so bedenklicher, je näher die Besorgniß liege, daß die Polizei bei der Leichtigkeit, ihre Organe anzugehen, mit einer Menge werthloser Gegenstände belästigt werden möchte. An sich sei ohnehin das Gericht weit mehr geeignet, das Aufgebot des Eigenthümers vorzunehmen. Der gerichtliche W e g sei freilich unbequemer und kostspieliger. Allein wer ihn scheue, könne sich dadurch schützen, daß er Sachen, welche die Kosten nicht decken, nicht als Fund an sich nehme. Das Finden werthloser Sachen sei entschieden eine Unsitte, welcher entgegengetreten werden müsse. Die Mehrheit theilte diese letztere Auffassung nicht. Im Uebrigen verkannte sie zwar nicht, daß den angeführten Gründen einiges Gewicht beiwohne. Sie hielt aber doch aus den in den Motiven S. 865—870 angeführten Gründen die Polizeibehörde zur Ermittelung der Eigenthümer gefundener Sachen f ü r geeigneter als das Gericht. 705
§965
3. Abschnitt: Eigenthum
Sie besorgte namentlich, daß, wenn der Finder nur auf dem Wege des gerichtlichen | Prot I 4097 Aufgebotsverfahrens das | Eigenthum erlangen könnte, Unterschlagungen gefundener Sachen in bedenklichem Maße sich häufen würden. Erwogen wurde auch, daß auf dem Deutschen Juristentag sowohl die drei f ü r denselben über diese Frage ausgearbeiteten Gutachten als auch die Versammlung selbst mit Entschiedenheit für das in dem Entwürfe angenommene System sich ausgesprochen haben. 333. Sitzung
vom 11. 6. 1884, Schriftführer
Achilles
| Prot I 4099
| Sodann wurde die Berathung der sechsten Abtheilung „Gefundene Sachen" wieder aufgenommen 2 . Der § 165 des Entwurfes lautet: TE-SachR § 165 „Wer eine verlorene oder sonst abhanden gekommene fremde Sache in seinen Gewahrsam nimmt, wird hierdurch dem Eigenthümer für die in Ansehung der Sache und zur Ermittlung und Benachrichtigung des Eigenthümers erforderlichen Maßnahmen haftbar, und zwar nach Maßgabe der Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag." | Prot I 4100 | Hierzu lagen die Anträge vor: v. Weber ι nach den Worten „dem Eigenthümer" einzuschalten: „oder Verlierer" (even(Nr 115, 1) tuell: „Verlustträger") und nach den Worten „des Eigenthümers" gleichfalls hinzuzufügen „oder Verlierers" („Verlustträgers"); v.Schmitt 2. den § 165 so zu fassen: (Nr 117) „Wer eine verlorene oder sonst abhanden gekommene fremde Sache in seine Inhabung nimmt (Finder), wird gegenüber dem Eigenthümer der Sache wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag verpflichtet und berechtigt, soweit nicht in den nachfolgenden §§ 166—177 etwas Anderes bestimmt ist"; Kurlbaum 3. an Stelle des § 165 folgende Bestimmung zu beschließen: (Nr 120) „Der Finder ist gegenüber dem Eigenthümer oder Verlierer der Sache wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag verpflichtet und berechtigt. Von dem Ansprüche des Eigenthümers auf Herausgabe der Sache wird er durch Herausgabe der Sache an den Verlierer befreit." (§ c des in dem Prot, vom 9. Juni 1884 unter II (S. 4095) gedachten Antrags. Die Kommission beschloß, den Entwurf und die Anträge insoweit abzulehnen, als dieselben das Rechtsverhältniß des Finders zu demjenigen, welchem der Anspruch auf Herausgabe der Sache zusteht, den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag unterstellen wollen. Im Uebrigen blieb die Erledigung der Vorschläge bis zur Berathung der folgenden Paragraphen vorbehalten. Bei der Beschlußfassung war erwogen: Entwurf und Anträge ließen zweifelhaft, wie die prinzipielle Vorschrift, der Finder sei als negotiorum gestor zu behandeln, zu verstehen sei. Werde die Vorschrift dahin verstanden, der Finder sei negotiorum gestor, weil die allgemeinen Grund| Prot 14101 sätze über die negotiorum gestio bei ihm zutreffen, so daß diese [Grundsätze anwendbar sein müßten, sofern nicht ein Anderes besonders bestimmt werde, so erscheine sie überflüssig, aber auch insofern wenig angemessen, als das Gesetz die Konsequenz der allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht zu ziehen habe. Verstehe man 2
Zuvor war ein Antrag beraten worden, der zum Eigenthumserwerb an Erzeugnissen gestellt war: Prot I 4099, s. bei §S 956, 957 BGB.
706
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 965
die Vorschrift aber dahin, der Finder solle als negotiorum gestor behandelt werden, gleichviel, ob er nach den allgemeinen Grundsätzen als solcher erscheine oder nicht, so nehme sie einen positiven Charakter an, zugleich erhebe sich gegen sie alsdann das Bedenken, daß nicht einleuchten wolle, weshalb der nach allgemeinen Grundsätzen nicht als negotiorum gestor anzusehende Finder gleichwohl als solcher beurtheilt werden solle. Noch einleuchtender aber sei, daß das Gesetz durch Aufnahme der fraglichen prinzipiellen Vorschrift in dem einen oder anderen Sinne an einer gewissen Unbestimmtheit leiden würde, die seine Anwendung erschweren und zu mancherlei Zweifeln führen müßte und dies umsomehr, als die Rechtsnormen über die negotiorum gestio in ihrer praktischen Anwendung erfahrungsmäßig mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden seien. Weit angemessener müsse es doch erscheinen, nach Vorbild der modernen Gesetze die Pflichten und Rechte des Finders im Einzelnen näher zu bestimmen. Damit sei auch der Vortheil verbunden, daß der Finder nicht in Ungewißheit bleibe, wie weit seine Rechte und Pflichten reichen. Fehle es in dieser Hinsicht an einfachen und klaren Rechtsnormen, sehe sich der Finder vielmehr auf einige spezielle Vorschriften und daneben auf die allgemeinen Rechtsnormen über die negotiorum gestio verwiesen, so sei zu besorgen, daß viele Bedenken tragen würden, verlorener Sachen sich anzunehmen. Es schließe das den modernen Gesetzen entsprechende Verfahren nicht aus, den Standpunkt der negotiorum gestio als legislatives Motiv zu verwerthen. Auch gestatte es, auf die Rechtsnormen über die negotiorum gestio zurückzugehen, sofern die Umstände des Falls alle Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben. Indem der prinzipielle Vorschrift vermieden werde, bedürfe es auch der Erledigung der schwierigen Frage nicht, ob der Finder | als negotiorum gestor des Verlierers oder des Ei- | Prot 14102 genthümers oder auch noch anderer an der Sache Berechtigter oder aller dieser Personen anzusehen sei. Wenn endlich in der gemeinrechtlichen Doktrin das Prinzip der negotiorum gestio hervorgehoben werde, so erkläre sich dies zum Theil daraus, daß es im gemeinen Rechte an speziellen Vorschriften über das Fundwesen fehle, und daher das Bedürfniß gefühlt werde, durch Heranziehung allgemeiner Rechtsnormen eine fühlbare Lücke thunlichst auszufüllen. Der § 166 des Entwurfs lautet: „Ist der Eigenthümer oder dessen Aufenthaltsort dem Finder unbekannt, so hat derselbe unverzüglich die Polizeibehörde des Fundortes zu benachrichtigen. Die Polizeibehörde hat bei dem ihr obliegenden Bestreben, den Eigenthümer zu ermitteln, den Fund öffentlich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung muß durch Aushang an der Gemeindetafel und kann nach dem Ermessen der Behörde auch anderweitig geschehen. Den Landesregierungen bleibt vorbehalten, die Bekanntmachung im Verordnungswege näher zu regeln." Beantragt war: 1. neben dem Eigenthümer, wie zu § 165 vorgeschlagen, den Verlierer oder Verlustträger mit „oder" aufzuführen; 2. den § 166 so zu fassen: „Der Finder ist verpflichtet, den Eigenthümer der Sache von dem Funde zu benachrichtigen. Ist der Eigenthümer oder dessen Aufenthaltsort dem Finder unbekannt, so hat derselbe binnen einer Woche von dem Funde gerechnet die zuständige Polizeibehörde zu benachrichtigen. Die Polizeibehörde hat bei dem ihr obliegenden Bestreben, den Eigenthümer zu ermitteln, den Fund nach den landesgesetzlichen Vorschriften öffentlich bekannt zu machen"; 707
TE-SachR § 166
v. Weber (Nr 115, 1) v.Schmitt (Nr 117)
§965
3. Abschnitt: Eigenthum
| Prot I 4103 3. statt der §§ a und b des in dem Protokolle über die | vorige Sitzung unter II Kurlbaum (S. 4095) gedachten Antrages zu beschließen: (Nr 122, 1) „Wer eine fremde verlorene Sache in seine Inhabung genommen hat (Finder), ist verpflichtet, den Eigenthümer oder Verlierer der Sache, sobald ihm derselbe bekannt wird, von dem Funde unverzüglich zu benachrichtigen. Ist der Eigenthümer oder Verlierer oder dessen Aufenthalt dem Finder nicht bekannt, so hat der Finder der Polizeibehörde des Fundortes unverzüglich Anzeige von dem Funde und allen zur Ermittelung des Eigenthümers oder Verlierers dienlichen Umständen zu machen. Die Polizeibehörde hat den ihr angezeigten Fund in einer den Umständen des Falles und dem Werthe der Sache entsprechenden Weise bekannt zu machen." Der Antragsteller zu 3 verbesserte seinen Antrag dahin, daß es im zweiten Absätze statt „Ist der Eigenthümer oder Verlierer oder dessen Aufenthalt" heißen solle: „Ist der Eigenthümer und der Verlierer oder deren Aufenthalt". Die Kommission beschloß, den verbesserten Antrag 3 mit folgenden Aenderungen anzunehmen: In dem ersten Absatz werden die Worte „oder sonst abhanden gekommene" hinter „verloren" und die Worte „findet und" vor „in seine Inhabung nimmt" eingeschaltet, dagegen „(Finder)" gestrichen. Die W o r t e „des Fundorts" werden in dem zweiten Absätze gestrichen, dagegen in dem dritten Absätze dem Worte „Polizeibehörde" hinzugefügt. | Prot 14104 Der Entwurf und die Anträge 1 und 2 galten hierdurch als erledigt. | Darüber, daß der Finder Anzeige von dem Funde zu erstatten habe, bestand aus den Gründen der Motive kein Zweifel. Im Uebrigen war erwogen: a, Dem Entwürfe (§ 165) sei darin beizutreten, daß neben der „verlorenen" Sache die „sonst abhanden gekommene" noch besonders zu erwähnen sei. Der Einwand, daß der Ausdruck „abhanden gekommene Sache" kein technischer sei, erscheine nicht erheblich. Zur Verdeutlichung des Begriffs der „verlorenen" Sache sei er jedenfalls geeignet. Eine solche Verdeutlichung aber sei rathsam, weil von „Verlieren" nicht selten in einem Sinne gesprochen werde, welcher für die Anwendbarkeit der in Frage stehenden Bestimmungen zu eng sei. Der Zweck der letzteren sei der Schutz des Eigenthums, und um ihn zu erreichen, müssen die Bestimmungen für alle Fälle gelten, in welchen gefundene Sachen, ohne in der Inhabung Jemandes sich zu befinden, von ihrem Eigenthümer nicht aufgegeben seien. Diesen Gedanken bringe der Entwurf besser zum Ausdruck als der Antrag 3. b, Das Gesetz dürfe keinen Zweifel lassen, wer in seinem Sinne als Finder anzusehen sei. Der Entwurf rede in dieser Hinsicht nicht korrekt, weil er es unterlassen habe, in dem § 165 denjenigen, welcher die Sache in seinen Gewahrsam nimmt, als Finder, beziehungsweise die Ergreifung der Sache als Finden zu bezeichnen. Die Anträge 2 und 3 suchten diese Lücke durch Einklammerung des Wortes „Finder" auszufüllen. N o c h deutlicher aber werde das Gesetz, wenn ausdrücklich gesagt werde: „Wer eine . . . Sache findet und in seine Inhabung nimmt". Daß hier nicht von „Gewahrsam", sondern nur von „Inhabung" gesprochen werden dürfe, ergebe sich aus der Redeweise in den Beschlüssen zum zweiten Abschnitt, Zusammenstellung §§ 786, 793, 794, 8 0 1 - 8 1 1 (Prot. S. 3377 ff., 3 4 0 9 - 3 4 2 2 , 3 4 3 6 - 3 5 2 8 ) 3 . 3
D i e SS 786, 793, 794 s. bei SS 854, 855 BGB, die SS 801, 802 bei S 856 BGB, die SS 803, 804, 807 bei SS 8 5 8 - 8 6 0 BGB, S 805 bei S 865 BGB, S 806 bei S 866 BGB, SS 808, 809 bei SS 861, 862 BGB, S 810 bei SS 868 — 872 BGB, § 811 bei S 863 BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ 965
c, Die Frage, wem der Fund anzuzeigen sei, bietet keine Schwierigkeiten, wenn der Finder nur den Verlierer beziehungsweise denjenigen, welchem die Sache abhanden gekommen sei, oder nur den Eigenthümer kenne. Sie könne dagegen verschieden beantwortet | werden, wenn er von der Person des einen und des anderen | Prot I 4105 Betheiligten Kenntniß habe. Der Entwurf unterstelle lediglich den Fall, daß der Eigenthümer zugleich der Verlierer sei. Das Gesetz habe aber auch mit dem Falle zu rechnen, daß beide verschiedene Personen seien. Juristisch sei es vielleicht am Richtigsten, eine Anzeigepflicht des Finders zunächst nur gegenüber dem Verlierer und erst, wenn sie diesem gegenüber nicht erfüllt werden könne, auch gegenüber dem Eigenthümer zu setzen. Indessen komme es hier, wo es sich um die Befriedigung eines praktischen Bedürfnisses handele, nicht sowohl darauf an, was die Rechtskonsequenz fordere, als vielmehr darauf, welche Entscheidung dieses Bedürfniß erheische. Vornehmlich sei die Lage des Finders zu berücksichtigen. Daher sei zu bestimmen, daß der Finder seiner Anzeigepfliht genüge, wenn er dem einen oder dem anderen der beiden Personen Nachricht von dem Funde gebe. Dies entspreche auch dem wohlverstandenen Interesse der letzteren, da das Wahlrecht die beste Gewähr f ü r die Erfüllung der Anzeigepflicht biete, indem es ζ. B. dem Finder den Einwand abschneide, er habe nicht gewußt, daß die Sache dem ihm bekannten Eigenthümer abhanden gekommen sei. d, Sei der Finder zur Benachrichtigung Desjenigen, der das Recht auf die Anzeige habe, außer Stande, so habe er, wie die Gründe der Motive des Näheren ergeben, den Fund der Polizeibehörde anzuzeigen. Wollte man mit dem Entwürfe und dem Antrage 3 die Anzeige nur dann als wirksam anerkennen, wenn sie bei der Polizeibehörde des Fundortes gemacht wäre, so würde man dem Finder die Erfüllung seiner Pflicht in unbilliger Weise erschweren, in Fällen, in welchen auf der Reise eine Sache gefunden sei, bisweilen vielleicht unmöglich machen. Aus diesem Grunde könne auch nicht mit dem Antrage 2 die Anzeige bei der zuständigen Polizeibehörde verlangt werden. Der Finder genüge jeder billigen Anforderung, wenn er überhaupt einer Polizeibehörde Nachricht von dem Funde gebe. Auch erheische das Interesse des Verlierers bezw. des Eigenthümers ein Mehreres nicht, da die benachrichtigte Behörde nicht säumen werde, die Anzeige | an die für die weitere Behandlung zu- |Prot 14106 ständige Polizeibehörde des Fundortes zu übermitteln. e, Die Anzeige bei der Polizei müsse ebenso wie die Benachrichtigung des Verlierers oder des Eigenthümers unverzüglich erfolgen. Jeder Verzug, den man gestattet, müßte die Gefahr, daß der Fund verheimlicht, bezw. unterschlagen, oder doch nicht rechtzeitig zur Kenntniß der Betheiligten gebracht würde, in bedenklicher Weise erhöhen. Man könne auch nicht sagen, die beschlossene Bestimmung sei hart gegen den Finder, zumal wenn von ihrer Beobachtung der Anspruch auf den Fundlohn abhängig gemacht werde. Denn „unverzüglich" sei nicht gleichbedeutend mit „sofort"; der Gebrauch jenes Wortes in dem Gesetze werde den Richter nöthigen, in jedem einzelnen Falle die Umstände in deren Einfluß auf die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Anzeige zu würdigen. Die Setzung einer Frist untersage sich durch die Erwägung, daß es unmöglich sei, eine für alle Fälle angemessene Frist zu bestimmen. Die Frist von einer Woche, welche der Antrag 2 vorschlage, sei für zahlreiche Fälle zu lang, ζ. B. für die Fälle des Findens auf einem Markte, auf welchem die Polizei anwesend sei. f, Die Anzeige bei der Polizei bezwecke die Ermittelung des Eigenthümers oder des Verlierers durch die Behörde. Sie dürfe sich daher nicht auf die nackte Thatsache des Fundes beschränken, sondern müsse alle zur Erreichung jenes Zweckes 709
§965
3. Abschnitt: Eigenthum
dienlichen Umstände enthalten. Es gereiche zur Verdeutlichung des Gesetzes, wenn dies nach demVorschlage des Antrages 3 zum Ausdruck gebracht werde. g, Der geeignete Weg zur Ermittelung des Verlierers oder des Eigenthümers sei die Bekanntmachung des Fundes. Ein Erfolg der Bekanntmachung sei aber regelmäßig nur zu erwarten, wenn dieselbe von der Polizeibehörde des Fundortes erlassen werde. Der Vorschlag des Antrages 2, der Landesgesetzgebung die Bestimmung der zuständigen Behörde zu überlassen, könne nicht als angemessen anerkannt werden, da nur die Polizeibehörde des Fundorts als die geeignete Behörde anzusehen sei. | Prot I 4107 Dagegen em-|pfehle es sich nicht, mit dem Entwürfe und dem Antrage 2 der Polizei durch das bürgerliche Gesetzbuch eine über die Bekanntmachung des Fundes hinausgehende Ermittelungspflicht aufzuerlegen. Für die Zwecke des Privatrechts genüge die Bestimmung der Bekanntmachung, da nur an diese wichtige privatrechtliche Rechtsnormen anzuknüpfen seien. Die Bestimmungen über das sonstige Verfahren der Polizeibehörden, namentlich zum Zweck der Ermittelung des Verlierers, fielen ausschließlich in den Bereich des öffentlichen Rechts und seien daher der landesgesetzlichen Regelung zu überlassen. h, Die Art und Weise der Bekanntmachung müsse den Umständen des Falles und dem Werthe der Sache entsprechen. Eine speziellere Vorschrift könne hier nicht wohl gegeben werden, ohne mehr als nöthig in das Verfahren und den Organismus der Landesbehörden einzugreifen. Daher verdiene auch hier der Vorschlag des Antrags 3 den Vorzug vor dem Entwurf. Von einer Seite sei freilich das Bedenken erhoben, daß von dem Verlierer oder dem Eigenthümer in einem Streite mit dem Finder bestritten werden könne, daß die Bekanntmachung den hier an sie gestellten Anforderungen entsprochen habe. Allein mit Recht sei dieses Bedenken von anderer Seite für unbegründet erklärt, weil die beschlossene Bestimmung, richtig ausgelegt, ergeben werde, daß über die Art der Bekanntmachung lediglich die Polizei nach den für sie maßgebenden Vorschriften zu entscheiden habe und daß, wenn gegen dieselben gefehlt sei, hieraus nur nach Beschaffenheit des Falls ein Anspruch gegen den Beamten hergeleitet, ein Grund gegen die privatrechtliche Wirksamkeit einer der Vorschrift des bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechenden Bekanntmachung aber nicht entnommen werden könne. VorlZust § 1
II. 1. In der VorlZust „Zueignung" sind die Beschlüsse in § 1 enthalten: W e r eine verlorene oder sonst abhanden gekommene (fremde) Sache findet und in seine Inhabung nimmt, hat unverzüglich den Verlierer oder Eigenthümer (der Sache) von dem Funde zu benachrichtigen. Wenn der Verlierer und Eigenthümer oder ihr Aufenthalt dem Finder nicht bekannt sind, so hat dieser unverzüglich der Polizeibehörde den Fund sowie alle ihm bekannten, zur Ermittelung des Verlierers und Eigenthümers dienlichen Umstände anzuzeigen. Der Polizeibehörde des Fundorts liegt ob, den Fund in einer den Umständen des Falls und dem Werthe der Sache entsprechenden Weise öffentlich bekannt zu machen. (NB. Zum § 1. 1. Im Eingang wird: „fremde" zu streichen sein; es genügt: „findet". 2. Wird nicht auch in den §§. 514, 529, 567 K.E. f ü r : „Gewahrsam" zu setzen sein: „Inhabung"? 3. Das Verfahren der Polizeibehörde wird als in das Gebiet des öffentlichen Rechts fallend 4 nur insoweit geregelt, als es für die privatrechtlichen Bestimmungen 4
Das Wort „fallend" fehlt im Original.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
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des Abschnitts nöthig ist. Dahin g e h ö r e n die Bestimmungen: D i e Polizeibehörde hat den Fund bekannt zu machen, die g e f u n d e n e Sache abzunehmen, nur mit Zustimm u n g des Finders abzuliefern, das Zeugniß über die N i c h t a n m e l d u n g v o n Rechten zu ertheilen.) 2. D i e Fassung der Vorschrift lautet in der RedVorlb als § 892: W e r eine verlorene oder sonst abhanden g e k o m m e n e Sache findet und in seine RedVorl § 892 Inhabung nimmt, hat hiervon unverzüglich dem Verlierer oder dem Eigenthümer oder der Polizei A n z e i g e zu machen. Erfolgt die A n z e i g e bei der Polizei, so sind derselben alle dem Finder bekannten, zur Ermittelung des Verlierers und des Eigenthümers dienlichen Umständen anzugeben. D i e Polizeibehörde des Fundortes hat den ihr angezeigten Fund in einer den Umständen des Falles und dem W e r t h e der Sache entsprechenden W e i s e bekannt z u machen. 3.—IV. In der ZustSachR und im KE ist die V o s c h r i f t in § 891 enthalten, im EI in § 910. D i e Fassung stimmt jeweils überein, nur daß bei der Redaktion des K E in Abs. 3 auf Antrag vor „bekannt" das W o r t „öffentlich" eingefügt wurde (Prot I 6266, 6271): W e r eine verlorene oder sonst abhanden g e k o m m e n e Sache findet und in seine ZustSachR/ Inhabung nimmt, hat hiervon unverzüglich den Verlierer oder den Eigenthümer zu KE § 891 benachrichtigen. Ε I S 910 W e n n der Verlierer und der Eigenthümer o d e r ihr Aufenthalt dem Finder nicht bekannt sind, so hat dieser unverzüglich der Polizeibehörde den Fund sowie alle 5
In der RedVorl ist angemerkt: In der Anordnung des Stoffes weicht die Vorlage von der vorläufigen Zusammenstellung dahin ab, daß 1. die den § 6 der vorläufigen Zusammenstellung bildenden Sätze anderweit plazirt sind und 2. der 4. Absatz des § 2 der vorläufigen Zusammenstellung demzufolge eine andere Stelle erhalten hat. Diese abweichende Anordnung bezweckt Beförderung der Uebersichtlichkeit und in Ansehung einzelner Sätze Verdeutlichung ihres Inhaltes dadurch, daß sie in äußeren Zusammenhang mit den Sätzen treten, auf welche sie sich beziehen. Auch schien es störend, daß die auf die Eigenthumserwerbung sich beziehenden §§ 5, 7 und 8 der vorläufigen Zusammenstellung durch den andere Fragen behandelnden § 6 getrennt werden. Die einzelnen Sätze des § 6 finden sich in der Vorlage an folgenden Stellen: Abs. 1,2 und 3 Satz 2 in § 894; Abs. 3 Satz 1 und 3 in § 898; Abs. 3 Satz 4 in § 903; Abs. 4 in 5 899. In Ansehung der sonstigen erheblichen Abweichungen wird folgendes bemerkt: Zu § 892 Absatz 1. Die Fassung der vorläufigen Zusammenstellung entspricht dem Wortlaute des Beschlusses, die Vorlage glaubt dem Sinne desselben nicht zu widersprechen; vgl. Prot. S. 4105 unter c. Sollte der Finder nicht auch dann, wenn er den Verlierer oder den Eigenthümer und dessen Aufenthalt kennt seiner Anzeigepflicht dadurch genügen, daß er der Polizei in der in § 892 vorgeschriebenen Weise Anzeige macht? man denke an einen ungewandten, armen Finder, der zwar weiß, daß der Eigenthümer sich jetzt in San Francisco aufhält, aber große Mühe und Kosten davon hätte, die Benachrichtigung des Eigenthümers zu bewerkstelligen. Absatz 2. Soll die Bekanntmachung stets eine öffentliche sein? In dem angenommenen Antrage steht dieses Beiwort nicht; vgl. Prot. S. 4103. 711
§965
3. Abschnitt: Eigenthum
ihm bekannten, zur Ermittelung des Verlierers und des Eigenthümers dienlichen Umstände anzuzeigen. Der Polizeibehörde des Fundortes liegt ob, den Fund in einer den Umständen des Falles und dem Werthe der Sache entsprechenden Weise ( Ε I : öffentlich) bekannt zu machen.
C. 2. Kommission I. Zu § 910 lag der Antrag vor (Prot. II, Bd. 3, S. 255 f.; Mugdan, Bd. 3, S. 656): die Vorschrift zu fassen: Achilles Wer eine verlorene oder sonst abhanden gekommene Sache findet und in Besitz (Nr 68, 81) nimmt, hat hiervon unverzüglich den Verlierer oder den Eigenthümer zu benachrichtigen. Kennt der Finder keinen von beiden oder weiß er nicht, wo dieselben sich aufhalten, so hat er behufs ihrer Ermittelung den Fund und die ihm bekannten Umstände, welche f ü r die Ermittelung erheblich sein können, unverzüglich der Polizeibehörde (des Fundorts) anzuzeigen. Die Komm, nahm die Abs. 1 und 2 sachlich an, strich dagegen den Abs. 3. II. Die Fassung der VorlZust lautet: Ε I-VorlZust W e r eine verlorene oder sonst abhanden gekommene Sache findet und in Besitz § 910 nimmt, hat hiervon unverzüglich den Verlierer oder den Eigenthümer zu benachrichtigen. Kennt der Finder keinen von beiden oder weiß er nicht, wo dieselben sich aufhalten, so hat er behufs ihrer Ermittelung den Fund und die ihm bekannten Umstände, welche f ü r die Ermittelung erheblich sein können, unverzüglich der Polizeibehörde anzuzeigen. III. In der ZustRedKom hat die Vorschrift bis auf den letzten Satz bereits die Fassung, wie sie in § 965 BGB Gesetz wurde. Dieser Satz lautet: „Beträgt der Werth der Sache nicht mehr als drei Mark, so bedarf es der Anzeige bei der Polizeibehörde nicht." Er entstand aus der Übernahme des § 921 Abs. 1 Elm den § 910. Die Entstehung des § 921 s. bei §§ 970, 971 BGB. Im Ε11$ 880 {Ε II rev § 950, Ε III % 949) entspricht der Wortlaut § 965 BGB. D. Bundesrat I. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz wiederholen ihre zum Entwurf erster Lesung (Meckl. Bemerk. I S. 220) gemachte Bemerkung, die Vorschrift, daß bei einem Werthe der gefundenen Sache von nicht mehr als drei Mark der Finder zur Anzeige des Fundes bei der Polizeibehörde nicht verpflichtet ist, sei unpraktisch. Der Verlierer werde in Folge derselben sehr häufig nicht in der Lage sein, den Verbleib der Sache zu ermitteln und den nach § 888 eintretenden Verlust seines Eigenthums zu verhindern. Andererseits belästige die Anzeigepflicht den Finder nicht. Aus diesen Gründen wie auch im Interesse einer Vereinfachung des Gesetzes empfehle sich, 1. im $ 950 Abs. 2 den Satz: „Ist die Sache nicht mehr als drei Mark werth . . .", 2. im § 958 den Abs. 2,
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3. im § 859 die Worte „bei einer Sache, die nicht mehr als drei Mark werth ist" zu streichen. Weiter wird, um auch den Fall zu treffen, daß dem Finder bereits beim Funde der Empfangsberechtigte bekannt sein sollte, der Eingang des § 959 zu fassen sein: „Sind vor Ablauf der einjährigen Frist Empfangsberechtigte . . ." II. Bericht von Heller (Bayern) vom 15. 10. 1895 Den Anträgen Mecklenburgs zu den §§ 950, 958, 959, soweit sie nicht durch die Neufassung erledigt sind, trat der Berichterstatter entgegen. Sie wurden hierauf zurückgezogen.
E. Reichstag I. XII. Kommission Es war beantragt, in § 949 hinter den Worten „und an sich nimmt" einzuschal- Gröber ten: „(Finder)". (Nr 76, 1) II. Bericht von Heller (Bayern) vom 21. 4. 1896 Der nur redaktionelle Antrag Gröber zum § 949 (Nr. 76 der Drucksachen Ziff. 1) wurde gegen fünf Stimmen abgelehnt, nachdem Jacubezky die Uberflüssigkeit der Einschaltung dargelegt hatte.
§966 Der Finder ist zur Verwahrung der Sache verpflichtet. Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder ist die Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so hat der Finder die Sache öffentlich versteigern zu lassen. Vor der Versteigerung ist der Polizeibehörde Anzeige zu machen. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache. §967 Der Finder ist berechtigt und auf Anordnung der Polizeibehörde verpflichtet, die Sache oder den Versteigerungserlös an die Polizeibehörde abzuliefern.
§968 Der Finder hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
§969 Der Finder wird durch die Herausgabe der Sache an den Verlierer auch den sonstigen Empfangsberechtigten gegenüber befreit. 713
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Α. 1. Kommission I. 333. Sitzung vom 11. 6. 1884, Schriftführer Achilles | Prot I 4107 T E - S a c h R « 167
| Der § 167 des Entwurfs lautet: „Die Polizeibehörde kann die Hinterlegung der gefundenen Sachen anordnen. Verzichtet der Finder auf die Eigenthumserwerbung, so ist die Polizeibehörde ver| Prot I 4108 bunden, die ihr von dem Finder | angebotene Sache zu übernehmen. In diesem Falle wird der Finder mit der Ablieferung der Sache von jeder weiteren Verbindlichkeit frei." Hierzu war beantragt: v. Schmitt 1. den § 167 wie folgt zu fassen: (Nr 117) „Der Finder ist zu den für die Verwahrung und Erhaltung der Sache erforderlichen Maßnahmen verpflichtet. Die Polizeibehörde kann die Hinterlegung einer jeden gefundenen Sache anordnen. Erklärt der Finder der Polizeibehörde gegenüber den Verzicht auf die Eigenthumserwerbung, so hat die Polizeibehörde die ihr u.s.w. wie im Entwürfe"; Kurlbaum (Nr 120) (Nr 122, 9)
tes
2. an Stelle des § 167 zu beschließen: „Der Finder kann die Sache oder deren Erlös an die Polizeibehörde des Fundorz u r Verwahrung abliefern, und ist hierzu auf Verlangen der Behörde verpflich-
tet. Mit der Ablieferung gehen die Rechte des Finders aus dem Funde und für die Zukunft auch die Pflichten desselben auf die Gemeinde des Fundortes über, sofern der Finder sich nicht die Rechte bei der Ablieferung vorbehält. Das Gleiche gilt, wenn der Finder der Polizeibehörde nachträglich anzeigt, daß er auf den Erwerb der Sache verzichte. Zur Vorschießung der Kosten der Bekanntmachung ist auch die Gemeinde nicht verpflichtet, wenn sie die Sache ausschlägt. Die Polizeibehörde kann nach Maßgabe des § d die an sie abgelieferte Sache versteigern lassen. Sie hat von der bevorstehenden Versteigerung den Finder oder die an dessen Stelle getretene Gemeinde zu benachrichtigen. | Prot I 4109
Im Laufe der Berathung war ferner: | 3. beantragt, die Verpflichtung des Finders in Ansehung der Verwahrung und Erhaltung der Sache auf die Haftung wegen grober Fahrlässigkeit zu beschränken. Es wurden die folgenden Beschlüsse gefaßt: 1. der Antrag 1 Abs. 1 wird angenommen. 2. Der Antrag 3 wird abgelehnt. 3. Der Entwurf Abs. 1 und die Anträge 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 werden in dem Sinne angenommen, daß die Polizeibehörde jederzeit die Ablieferung der Sache oder des aus dem Verkaufe derselben erzielten Erlöses verlangen kann. 4. Die Polizeibehörde ist verpflichtet, die Sache auf Verlangen des Finders anzunehmen. 5. Der Finder verliert seine Rechte durch die Ablieferung der Sache an die Polizeibehörde nicht. Ein Vorbehalt ist nicht erforderlich. 6. Verzichtet der Finder auf seine Rechte, so tritt die Gemeinde des Fundorts an seine Stelle, aber nur insoweit, als es sich um die Erwerbung des Eigenthums an der gefundenen Sache handelt, nicht auch bezüglich des Rechts auf den Fundlohn, und überhaupt nicht in Ansehung der Verpflichtungen des Finders. 7. Ueber die Pflicht der Polizeibehörde zur Aufbewahrung der an sie abgelieferten Sache wird Nichts bestimmt. 714
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Zu 1, war man darüber einverstanden, daß, nachdem durch den zu § 165 gefaßten Beschluß die Abstellung des Rechtsverhältnisses auf die Geschäftsführung ohne Auftrag abgelehnt worden, eine Vorschrift nöthig sei, welche den Finder zu den für die Verwahrung und Erhaltung der Sache erforderlichen Maßnahmen verpflichte. Die Verpflichtung selbst wurde als der Rechtsstellung des Finders entsprechend und angemessen angesehen. Zu 2, war für den Antrag geltend gemacht, daß Jemand, der eine Sache finde und an sich nehme, präsumtiv stets zu dem Zwecke han-|dele, um von dem Vermö- | Prot 14110 gen des Verlierers oder des Eigenthümers eine dringende Gefahr abzuwenden, mithin aus den Gründen, auf welchen die Bestimmung des K.E. § 744' beruhe, nur wegen Vorsatzes und grober Fahrlässigkeit haften dürfe. Die Mehrheit theilte jedoch diese Auffassung nicht. Sie war der Ansicht, daß ein zureichender Grund zu einer von den allgemeinen Vorschriften abweichenden Bestimmung des von dem Finder zu vertretenden Grades der Fahrläsigkeit nicht vorliege, es daher bei diesen V o r schriften bewenden müsse. Habe im gegebenen Falle der Finder als Geschäftsführer gehandelt, und liege die besondere Voraussetzung des § 744 (K.E.) vor, so stehe der Anwendung des letzteren nichts im Wege. Im Uebrigen stehe es in seiner Hand, sich durch Ablieferung der Sache an die Polizeibehörde seiner Erhaltungs- und Verwahrungspflicht zu entledigen. Zu 3, wurde den Ausführungen der Motive S. 860 darin beigetreten, daß der Finder ein Recht, die Sache für den Verlierer oder den Eigenthümer zu verwahren, nicht habe, die Polizeibehörde mithin im Interesse der öffentlichen Ordnung bezw. zum Schutze des Eigenthums befugt sein müsse, jederzeit die Ablieferung der Sache an sie zu fordern. Anstoß erregte nur das W o r t „Hinterlegung" in dem Entwürfe und dem Antrage 1, weil hier eine Hinterlegung im technischen Sinne nicht in Frage sein könne. Das Bedenken erledigte sich indessen durch die Erklärung des Referenten und des Antragstellers, daß das Wort nur in der Bedeutung von „Ablieferung" gebraucht sei. Zu 4, war erwogen: Wenn einmal die gefundenen Sachen der polizeilichen Fürsorge unterstellt würden, so führe die Konsequenz dahin, die Polizeibehörde mit dem Antrage 2 zu verpflichten, in allen Fällen die Sache auf Verlangen des Finders in Verwahrung zu nehmen. Diese Konsequenz ergebe sich schon aus den Motiven a. a. O., sei freilich dort nicht gezogen, um nicht die Polizeibehörde mit der Aufbewahrung werthloser Gegenstände zu belästigen. Hierauf könne es jedoch nicht ankommen. Vielmehr müsse die Erwägung den Ausschlag geben, daß die Sache in den Händen der Polizei am Sichersten untergebracht sei und daß, wenn es sich um werth-|volle Sachen handele, der Finder dadurch, daß er die Sache der Polizeibe- | Prot 14111 hörde anbiete, nicht selten zu erkennen gebe, daß er für die Sicherheit der Sache hinreichend Sorge zu tragen außer Stande sei. In solchen Fällen hieße es das Interesse des Eigenthümers oder des Verlierers schwer gefährden, wenn dem Finder die Sache nicht abgenommen würde. Daß nur die Polizeibehörde des Fundortes annahmepflichtig sei, wie der Antrag 2 hervorhebe, sei nach den Beschlüssen zu § 166 selbstverständlich. Die Worte „des Fundortes" schienen daher entbehrlich, was bei der Redaktion zu berücksichtigen sein werde. Zu 5, fragte es sich, ob mit dem Antrage 2 Abs. 2 die Interpretationsregel aufgestellt werden solle, daß der Finder, der die Sache ohne Vorbehalt an die Polizeibehörde abliefere, damit auf seine Rechte aus dem Funde verzichte. Für die Bejahung 1
S. bei § 680 BGB.
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dieser Frage waren namentlich Rücksichten des Geschäftsganges bei der Polizeibehörde geltend gemacht. Es wurde hervorgehoben, daß, wenn der Finder später für die Behörde unerreichbar würde, die ihm zufallende Sache von Neuem als gefunden behandelt werden müßte. Die Mehrheit glaubte jedoch mit solchen immerhin nur seltenen Fällen nicht rechnen und die Rücksichten auf den Geschäftsgang nicht als so zwingende betrachten zu sollen, daß durch dieselben ein so positiver Satz wie der vorgeschlagene gerechtfertigt werden könnte. Zu 6, war man einverstanden, daß der Finder, wenn er unter Verzicht auf die Rechte aus dem Funde die Sache an die Polizei abliefere, von jeder weiteren Verpflichtung frei werde. Im Uebrigen war erwogen: a, Der Verzichtsfall erheische eine Bestimmung über das Schicksal des eventuellen Rechts auf Erwerbung des Eigenthums. Der Entwurf gehe im § 171 Abs. 4 mit den gestellten Anträgen davon aus, daß dieses Recht dem Subjekt der öffentlichen Armenpflegepflicht zugesprochen werden müsse. Dies sei gewiß angemessen und dem bestehenden Rechte entsprechend. Aber der Entwurf sei insofern zu beanstan| Prot 14112 den, als er „das Armengut der Gemeinde des Fundortes" an die Stelle des | Finders treten lasse. Da die Armenpflege nach dem geltenden Reichsrecht eine Gemeindelast sei, so erscheine es angemessen, auch der Gemeinde das Recht des Finders beizulegen, wie dies der Antrag 2 Absatz 2 vorgeschlagen habe. b, Die Anträge und der Entwurf gingen aber zu weit, wenn sie das Recht auf den Fundlohn mit dem Schicksal des eventuellen Rechts auf Erwerbung des Eigenthums verknüpften. Der Finder, welcher unter Verzicht auf seine Rechte die Sache an die Polizei abliefere, habe dabei präsumtiv keinen anderen Zweck als den, daß die Sache dem sich meldenden Verlierer oder Eigenthümer zurückgegeben werde. Daraus, daß die Sache an die Gemeinde falle, wenn weder der Verlierer noch der Eigenthümer sich melde, lasse sich nicht folgern, daß der Finder die Absicht habe, für den entgegengesetzten Fall der Gemeinde auch den Anspruch auf den Fundlohn zuzuwenden. Vielmehr liege in dem Verzicht der Wille ausgedrückt, den Anspruch zum Erlöschen zu bringen. Die Absicht der Uebertragung könne nach dem K.E. § 292 2 nur durch Abtretung verwirklicht werden. c, Ein Uebergang der Pflichten des Finders endlich, wie ihn der Antrag 2 Abs. 2 wolle, sei ebenfalls nicht vorzuschreiben. Die Gemeinde trete dadurch, daß sie den Anspruch auf Herausgabe der Sache erwerbe, nicht in das durch den Fund begründete Rechtsverhältniß. Sie überkomme keine Pflichten, sondern nur das Recht auf die Sache, vorbehaltlich der Verpflichtung, die Verwendungen zu ersetzen, welche auf die Sache zu ihrer Erhaltung und Verwahrung, so wie zur Ermittelung des Verlierers pp. gemacht seien. Zu 7, war die Mehrheit der Ansicht, daß die Verpflichtung der Polizei zur Aufbewahrung der Sache publizistischer N a t u r und deshalb in dem bürgerlichen Gesetzbuche nicht auszusprechen sei. Der § 168 des Entwurfs lautet: „Ist die gefundene Sache dem Verderben ausgesetzt, oder würde deren längere Aufbewahrung unverhältnißmäßige Kosten verursachen, so ist dieselbe zu ver| Prot 14113 |kaufen. Der Verkauf erfolgt in öffentlicher Versteigerung durch eine von der Polizeibehörde von Amtswegen oder auf Antrag des Finders zu beauftragende Person. Der Erlös ist nach Abzug der Kosten bei der Polizeibehörde zu hinterlegen."
TE-SachR§ 168
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S. bei §§ 398, 412 BGB.
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Hierzu lagen die beiden Anträge vor: 1. den § 168 so zu fassen: „Sind von der längeren Aufbewahrung der Sache unverhältnißmäßige Kosten oder das Verderben der Sache zu besorgen, so ist dieselbe nach den näheren Anordnungen der Polizeibehörde zu verkaufen"; 2. folgende Bestimmungen zu beschließen: „Ist der Verderb der gefundenen Sache zu besorgen, oder ist deren Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so kann der Finder die Sache durch einen für den Fundort bestellten Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten sonstigen Beamten oder öffentlich angestellten Auktionator (§ 36 der Gewerbeordnung) öffentlich versteigern lassen. Die Versteigerung ist erst nach vorgängiger Anzeige an die Polizeibehörde des Fundortes zulässig. Der Erlös tritt in Ansehung des Rechtsverhältnisses des Finders zu dem Eigenthümer oder Verlierer der Sache an die Stelle der letzteren." (Zu erwägen, ob nicht genügt: Der Verkauf der gefundenen Sache nach Maßgabe der Vorschriften des § 276 K.E. 3 ist erst nach vorgängiger Anzeige an die Polizeibehörde zulässig.)
v. Schmitt (Nr 117)
Kurlbaum (Nr 120)
Beschlossen wurde: Die Verkaufspflicht des Finders nach dem Vorschlage des Entwurfs Abs. 1 zu bestimmen, im Uebrigen dagegen den Antrag 2 unter Streichung der Worte „für den Fundort be-|stellten" und „des Fundortes" anzunehmen. | Prot I 4 1 1 4 Der zweite Absatz des Entwurfs und der Antrag 1 waren hierdurch erledigt. Bei der Beschlußfassung bestand darüber Einverständniß, daß nach Ablehnung der Behandlung des Finders als Geschäftsführer ohne Auftrag die Pflicht des Finders zum Verkauf der Sache, sofern diese dem Verderben ausgesetzt oder ihre Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verknüpft wäre, ausdrücklich vorgeschrieben und folglich insoweit dem Entwürfe der V o r z u g vor dem Antrage 2, der nur das Recht zum V e r k a u f e betonte, gegeben werden müsse. Im Uebrigen war erwogen: D e r Verkauf sei für die beiden Fälle, welche hier vorausgesetzt werden, bereits in dem K.E. § 276 Abs. 1 S a t z 1 geregelt, und z w a r im Wesentlichen so, wie der Antrag 2 S a t z 1 vorschlage. Der Entwurf weiche hiervon dadurch ab, daß er den Verkauf nur durch eine von der Polizeibehörde zu beauftragende Person gestatten wolle, während der Antrag 1 denselben in jeder Beziehung den Anordnungen der Polizeibehörde unterwerfe. Weder für diese noch für jene Abweichung sei ein stichhaltiger Grund erfindlich. Namentlich sei aus der Stellung, welche die Polizeibehörde dem Finder gegenüber einnehme, kein Grund herzuleiten. D e m öffentlichen Interesse und dem Interesse des Verlierers oder des Eigenthümers sei vollständig Rechnung getragen, wenn der Verkauf nicht ohne Wissen der Polizei erfolgen dürfe. Die Wahl des Versteigerers unter den in dem K . E . § 276 bezeichneten Personen könne ohne Bedenken dem Finder überlassen werden, ohne daß es nöthig sei, sie auf den Kreis der „ f ü r den Fundort bestellten" zu beschränken. Auch sei die Anzeige, von welcher die Zulässigkeit der Versteigerung abhänge, nicht nothwendig an die Polizeibehörde des Fundortes zu erstatten. Man könne hier ebenso wie bei § 5 1 6 vertrauen, daß die von einer anderen Polizeibehörde empfangene Anzeige ungesäumt an jene Behörde gelangen werde. | Betreffend endlich das Schicksal des Erlöses, welchen die Versteigerung ergebe, | Prot 14115 so gehe der Entwurf viel zu weit, wenn er die Hinterlegung bei der Polizeibehörde 5
S. bei « 383, 384 B G B .
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§§ 966-969
3. Abschnitt: Eigenthum
f ü r alle Fälle in Aussicht nehme. Ein Bedürfniß, den Erlös anders zu behandeln als die Sache selbst, sei nicht anzuerkennen. Es wäre nicht konsequent, die Verpflichtung des Finders zur Ablieferung der Sache von einer Anordnung der Polizeibehörde abhängig zu machen, die Ablieferung des Erlöses aber unbedingt vorzuschreiben. Richtiger sei es, auch bezüglich des Erlöses an dem Beschluß zu § 167 festzuhalten. Aussprechen müsse das Gesetz nur, daß der Erlös an die Stelle der Sache trete. II. 1. In der VorlZust „Zueignung"sind die gefaßten Beschlüsse in den 2 und 6 enthalten, wobei § 6 hier nur insoweit wiedergegeben wird, als er den §§ 966— 969 BGB zugrunde liegt. VorlZust § 2 Der Finder hat für die Erhaltung und Verwahrung der Sache zu sorgen. Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder deren Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so hat der Finder dieselbe durch einen Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten sonstigen Beamten oder öffentlich angestellten Auktionator (§ 36 der Gewerbeordnung) öffentlich versteigern zu lassen. Die Versteigerung ist erst zulässig, nachdem sie vorher der Polizeibehörde angezeigt war. Der Erlös tritt in Ansehung des Rechtsverhältnisses des Finders zu dem Verlierer und Eigenthümer (in Ansehung der auf die versteigerte Sache sich beziehenden Rechtsverhältnisse) an die Stelle der versteigerten Sache (der letzteren). (NB. Zum § 2. 1. „Erhaltung und Verwahrung" K.E. §§ 242 , 73 5 4 ; ferner zu vergl. §276, in welchem: „Veräußerungen" f ü r : „Versteigerungen" auf einem Druckfehler beruhen wird, dessen Berichtigung in einer Note zu beantragen wäre, wobei auch die Berichtigung des fehlerhaften Zitats im § 565 (§ 562 für 561) in Antrag gebracht werden könnte. 2. Die eingeklammerte Schlußstelle ist zwar nicht beschlossen, aber wird richtig sein, da ja noch andere Rechtsverhältnisse als Pfandrecht pp. in Frage kommen können.) VorlZust § 6 Der Finder hat die Sache und im Falle des Verkaufs deren Erlös auf Anordnung Abs. 1, 2 und 3 der Polizeibehörde an diese abzuliefern. Satz 2 5 Er ist berechtigt auch ohne eine solche Anordnung die Ablieferung an die Polizeibehörde (zu jeder Zeit) zu bewirken. Durch die Ablieferung an die Polizeibehörde wird der Finder von seinen Verpflichtungen für die Z u k u n f t befreit.
RedVorl § 893 ZustSachR/ KE § 892 Ε I S 911
2. —IV. In der RedVorl'' sind die Bestimmungen in den §§ 893 — 895 enthalten, in der ZustSachR und im KE in den §§ 892—894 und im Ε / i n den §§ 911 — 913. Der Finder hat für die Erhaltung der Sache zu sorgen. Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder deren Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so hat der Finder die Sache nach vorgängiger Anzeige bei der Polizeibehörde durch einen (ab ZustSachR: zuständigen) Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten sonstigen Beamten oder öffentlich angestellten Auktionator (§ 36 der Gewerbeordnung) öffentlich versteigern zu lassen. S. bei SS 292, 819 BGB. Die übrigen Bestimmungen des § 6 VorlZust s. bei §§ 970—972, 975—977 BGB. Begründung zu § 893: Absatz 3 der vorläufigen Zusammenstellung ist in der Vorlage durch die markirte Einschaltung in Abs. 2 ersetzt. — Absatz 4 der Zusammenstellung bildet in doppelter Erweiterung den § 895.
718
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § §
966—969
Der Finder ist auf Anordnung der Polizeibehörde verpflichtet oder auch ohne solche Anordnung berechtigt, die Sache oder im Falle des Verkaufes derselben den Erlös an die Polizeibehörde abzuliefern. Durch die Ablieferung an die Polizeibehörde wird der Finder von seinen Verpflichtungen für die Zukunft befreit.
RedVorl § 894 ZustSachR/ KE § 893 Ε I § 912
Wird die Sache im Falle des §911 Abs. 2 oder auf Anordnung der Polizeibe- RedVorl § 895 hörde versteigert, so tritt der Erlös in Ansehung der auf die versteigerte Sache sich ZustSachR/ KE § 894 beziehenden Rechtsverhältnisse an die Stelle der Sache. Ε I § 913
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 258—261; Mugdan, Bd. 3, S. 656 ff.) a) Zu § 911 lagen die Anträge vor: 1. die Vorschrift zu fassen: Der Finder hat für die Verwahrung und Erhaltung der Sache zu sorgen. Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder deren Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so hat der Finder die Sache nach vorgängiger Anzeige bei der Polizeibehörde öffentlich versteigern zu lassen. Die Versteigerung hat durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer zu erfolgen. 2. als Abs. 3 hinzuzufügen: Der Finder hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten 7 . eventuell: Der Finder hat nur diejenige Sorgfalt zu vertreten, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Die Komm, nahm den § 911 nebst dem in dem prinzipalen Antrage 2 vorgeschlagenen Zusätze seinem sachlichen Inhalte nach an und überwies den Antrag 1 der RedKomm.
Achilles (Nr 68, 82)
Küntzel (Nr 73,1)
b) Zu § 912 lag der Antrag vor: Achilles den Abs. 1 zufassen: (Nr 68, 83) Der Finder ist berechtigt und auf Anordnung der Polizeibehörde verpflichtet, die Sache oder, wenn diese nach Maßgabe des §911 Abs. 2 versteigert ist, den Versteigerungserlös an die Polizeibehörde abzuliefern. Die Komm, nahm die ihrem sachlichen Inhalte nach nicht beanstandete Vorschrift des Entw. an und überwies den Antrag der RedKomm. c) Es lagen die Anträge vor: 1. als § 912 a einzufügen: Der Finder kann sich durch die Herausgabe der gefundenen Sache an den Verlierer befreien, auch wenn der letztere einen Anspruch auf Herausgabe nicht hat. 2. f ü r den Fall, daß die Aufnahme einer Bestimmung über die Empfangsberechtigung für erforderlich erachtet werden sollte, als § 913 a folgende Bestimmung aufzunehmen: Die in den §§910 bis 912 bestimmten Verpflichtungen liegen dem Finder einem Jeden gegenüber ob, der berechtigt ist, die Herausgabe der Sache zu verlangen. Der Finder ist verpflichtet, die Sache dem Verlierer herauszugeben. Stand der Verlierer zu einem Anderen in einem Verhältnisse der im § 821 bezeichneten Art, so Der prinzipale Antrag stimmt überein mit einem Antrag v. Mandry's (Nr. 75, I I ) .
719
v. Mandry (Nr 75,1 2) Jacubezky (Nr 70, 3)
§ § 970—972, 975—977
3. Abschnitt: Eigenthum
kann der Andere, aus dessen mittelbarem Besitze die Sache abhanden gekommen ist, den Anspruch auf die Herausgabe nach Maßgabe des § 821 geltend machen. Durch die Herausgabe der Sache an den Eigenthümer oder an denjenigen, welcher vermöge eines ihm zustehenden Rechtes an der Sache die Herausgabe verlangen kann, wird der Finder von der Verpflichtung gegenüber dem Verlierer befreit. Die Komm, nahm den Antrag 1 unter Streichung des Halbsatzes 2 an und lehnte den Antrag 2 ab. Achilles (Nr 68, 84)
d) Zu § 913 lag der Antrag vor: die Vorschrift zu fassen: Wird die Sache nach Maßgabe des § 911 Abs. 2 oder auf Anordnung der Polizeibehörde versteigert, so tritt der Versteigerungserlös an ihre Stelle. Die Komm, erklärte sich mit der Vorschrift des Entw. einverstanden und überwies den Antrag der RedKomm.
Ε I-VorlZust II.—V. In der VorlZust ist als § 910 a eingestellt: Der Finder hat nur Vorsatz und § 910 a grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Er kann sich durch Herausgabe der gefundenen Sache an den Verlierer befreien. § 911 entspricht dem Antrag a 1, § 913 dem Antrag d. In § 912 wurde als Abs. 1 der Antrag b übernommen, als Abs. 2 die Vorschrift des § 9 1 2 E I . Die §§911, 912, 913a und b ZustRedKom (§§ 8 8 1 - 8 8 4 Ell, §§ 951—954 Ε II rev, §§ 950—953 Ε I I I ) haben die in §§ 966—969 BGB Gesetz gewordene Fassung.
§970 Macht der Finder zum Zwecke der Verwahrung oder Erhaltung der Sache oder zum Zwecke der Ermittelung eines Empfangsberechtigten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so kann er von dem Empfangsberechtigten Ersatz verlangen. §971 Der Finder kann von dem Empfangsberechtigten einen Finderlohn verlangen. Der Finderlohn beträgt von dem Werth der Sache bis zu dreihundert Mark fünf vom Hundert, von dem Mehrwerth eins vom Hundert, bei Thieren eins vom Hundert. Hat die Sache nur für den Empfangsberechtigten einen Werth, so ist der Finderlohn nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Finder die Anzeigepflicht verletzt oder den Fund auf Nachfrage verheimlicht.
§972 Auf die in den §§ 970, 971 bestimmten Ansprüche finden die für die Ansprüche des Besitzers gegen den Eigenthümer wegen Verwendungen geltenden Vorschriften der §§ 1000 bis 1002 entsprechende Anwendung. 720
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§§ 970—972,
975—977
§975 Durch die Ablieferung der Sache oder des Versteigerungserlöses an die Polizeibehörde werden die Rechte des Finders nicht berührt. Läßt die Polizeibehörde die Sache versteigern, so tritt der Erlös an die Stelle der Sache. Die zuständige Behörde darf die Sache oder den Erlös nur mit Zustimmung des Finders einem Empfangsberechtigten herausgeben.
§976 Verzichtet der Finder der Polizeibehörde gegenüber auf das Recht zum Erwerbe des Eigenthums an der Sache, so geht sein Recht auf die Gemeinde des Fundorts über. Hat der Finder nach der Ablieferung der Sache oder des Versteigerungserlöses an die Polizeibehörde auf Grund der Vorschriften der §§ 973, 974 das Eigenthum erworben, so geht es auf die Gemeinde des Fundorts über, wenn nicht der Finder vor dem Ablauf einer ihm von der Polizeibehörde bestimmten Frist die Herausgabe verlangt.
§977 Wer in Folge der Vorschriften der §§ 973, 974, 976 einen Rechtsverlust erleidet, kann in den Fällen der §§ 973, 974 von dem Finder, in den Fällen des § 976 von der Gemeinde des Fundorts die Herausgabe des durch die Rechtsänderung Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Anspruch erlischt mit dem Ablaufe von drei Jahren nach dem Uebergange des Eigenthums auf den Finder oder die Gemeinde, wenn nicht die gerichtliche Geltendmachung vorher erfolgt.
Α. 1. Kommission I. 333. Sitzung vom 11. 6. 1884, Schriftführer Achilles | Der § 169 des Entwurfs lautet: | Prot 14115 „Die Kosten der in Ansehung der gefundenen Sache und zur Ermittelung des Ei- TE-SachR § 169 genthümers erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die Kosten der polizeilichen Bekanntmachung, hat der Finder vorzuschießen. Auch hiervon befreit ihn in dem Falle des § 167 Abs. 2 die Ablieferung der Sache." Beantragt war: 1. das Zitat in dem Abs. 2 entsprechend zu ändern; 2. nach „des Eigenthümers" einzuschalten „oder Verlierers" („Verlustträgers"); 3. zu bestimmen: „Die Kosten der Bekanntmachung hat der Finder vorzuschießen." Die Mehrheit entschied sich für die Streichung des § 169 mit dem Vorbehalt, daß die Vorschriften des Gesetzbuches ergeben werden, für die Kosten, welche dem Verlierer oder dem Eigenthümer zur Last fallen, hafte die Sache. Die Gründe waren: Der Finder, welcher die Sache inne habe, müsse f ü r die Aufbewahrung und Erhaltung derselben sorgen und folglich die Kosten, welche hierdurch verursacht wer721
v. Schmitt (Nr 117) v. Weber (Nr 115, 1) Kurlbaum (Nr 122, 5)
§ § 970 — 972, 9 7 5 — 9 7 7
3. Abschnitt: Eigenthum
den, verauslagen. Wolle er dies nicht, so habe er die Sache an die Polizeibehörde | Prot 14116 abzuliefern. Dadurch werde er von jeder Verbindlichkeit frei. Alles dies ergebe | sich aus den zu § 167 gefaßten Beschlüssen. Fraglich sei mithin nur, ob der Finder die Kosten der polizeilichen Bekanntmachung vorzuschießen verpflichtet sein solle. Diese Frage aber sei zu verneinen, weil die Bekanntmachung weder auf Antrag noch im alleinigen Interesse des Finders, sondern vornehmlich im Interesse des Verlierers, oder des Eigenthümers, und aus Rücksichten der öffentlichen O r d n u n g erfolge. Es bedürfe daher einer besonderen Bestimmung nicht. TE-SachR § 170
v. Weber (Nr 115, 2)
| Prot I 4117
v.Schmitt (Nr 117)
Kurlbaum (Nr 120)
Der § 170 des Entwurfs lautet: „Bei der Rückgabe der Sache an den Empfangsberechtigten hat der Finder zu fordern: 1. die Erstattung der von ihm im Interesse des Eigenthümers gemachten nothwendigen und nützlichen Auslagen; 2. eine Vergütung für die von ihm dem Eigenthümer geleisteten Dienste (Fundlohn). Dieselbe ist bei mangelnder Einigung der Betheiligten von dem Gerichte nach Verhältniß des Werthes der Sache unter Berücksichtigung der Umstände festzusetzen. Der Anspruch auf Fundlohn findet nicht statt, wenn der Finder die ihm nach § 166 Abs. 1 obliegende Anzeigepflicht versäumt hat. Befindet sich die Sache in Gewahrsam der Polizeibehörde, so hat diese bei Rückgabe der Sache die Ansprüche des Finders wahrzunehmen." Hierzu lagen die Anträge vor: j, | n Ziffer 2 statt „Dieselbe ist" bis „festzusetzen" zu bestimmen: „Der Fundlohn beträgt den zehnten Theil des Werthes, welchen die gefundene Sache nach Abzug der Kosten hat. Beläuft sich der Werth des Gefundenen auf mehr als 300 M., so ist von dem Mehrbetrage nur Eines vom H u n d e r t zu entrichten. H a ben die gefundenen Sachen nur für den Eigenthümer oder denjeni-|gen, welcher sie verloren hat, Werth, so hat das Gericht den Fundlohn nach freiem Ermessen festzusetzen. D e r Anspruch pp" (wie im Entwurf); 2. den § 170 so zu fassen: „Der Finder hat gegen den Eigenthümer außer seinen Ansprüchen aus § 7 4 7 (K.E.) den Anspruch auf eine Vergütung u.s.w. (wie im Entwürfe § 170 N 2 2 ; jedoch falls der Antrag zu § 166 angenommen werden sollte, mit Aenderung des Allegats.) Ist die Sache bei der Polizeibehörde hinterlegt, so kann der Eigenthümer die Rückgabe derselben nur verlangen, wenn er die Zustimmung des Finders oder die Erfüllung der demselben gegen den Eigenthümer erwachsenen Ansprüche der Behörde nachweist"; 3. folgende Bestimmung zu beschließen: „Der Finder kann von dem Eigenthümer oder Verlierer, an welchen er die Sache herausgiebt, für die von ihm geleisteten Dienste eine nach dem Werthe der Sache und den Umständen des Falles angemessene Vergütung (Fundlohn) fordern, es sei denn, daß er die ihm nach § b obliegende Anzeigepflicht verletzt hat." Im Laufe der Berathung war noch beantragt; 4. einen Anspruch auf Fundlohn nicht zu gewähren; 5. den Fundlohn auf 5 Prozent von dem Betrage bis zu 300 Mark, auf 1 Prozent von dem Mehrbetrage des Werthes resp. des Erlöses festzusetzen. Die Berathung beschränkte sich in der heutigen Sitzung auf die beiden Fragen: a, Soll überhaupt dem Finder ein gesetzlicher Anspruch auf Fundlohn gegeben und, wenn diese bejaht würde, b, wie soll der Fundlohn bemessen werden? 722
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§§ 970—972,
975—977
Die erstere Frage w u r d e von der Mehrheit bejaht und bezüglich der zweiten wurde von derselben der Antrag 1 mit der in dem | Antrage 5 vorgeschlagenen M o - | Prot 14118 difikation angenommen. Die Abneigung gegen den Fundlohn, welcher in dem Antrage 4 Ausdruck gegeben werde, sei wesentlich auf die Schwierigkeit z u r ü c k z u f ü h r e n , welcher man begegne, wenn man den Rechtsgrund des Anspruches auf den Fundlohn bestimmen wolle. Diese Schwierigkeit dürfe aber den Gesetzgeber nicht abhalten, das, was angemessen sei, vorzuschreiben. N u n falle aber f ü r den Anspruch auf Fundlohn entscheidend ins Gewicht, daß derselbe in dem größten Theile des Reiches rechtlich anerkannt sei, den Rechtsanschauungen des Volkes entspreche, und f ü r seine Anerkennung erhebliche G r ü n d e der praktischen Zweckmäßigkeit deshalb sich geltend machen ließen, weil dadurch Unterschlagungen g e f u n d e n e r Sachen verhindert w ü r den. Es frage sich daher nur, wie der dem Finder gebührende Lohn bemessen werden solle. Wollte man in dieser Hinsicht den Vorschlägen des Entwurfes und der Anträge 2 und 3 folgen, so wäre zu besorgen, daß der Fundlohn in thatsächlich gleich liegenden Fällen sehr verschieden bemessen werden würde, jenachdem der Richter geneigt wäre, in dem Fundlohn nur eine Vergeltung der von dem Finder geleisteten Dienste oder zugleich auch einen Lohn f ü r die Ehrlichkeit desselben zu sehen. U m der hieraus sich ergebenden Rechtsunsicherheit vorzubeugen, empfehle es sich dringend, in dem Gesetzbuche eine Q u o t e des Werthes der Sache (nach Abzug der Kosten) als Fundlohn festzusetzen. In dieser Hinsicht sei aber der in dem Antrage 1 f ü r die ersten 300 Mark vorgeschlagene Satz von 10 P r o z e n t zu hoch gegriffen, ein Satz von 5 P r o z e n t vielmehr als ausreichend zu betrachten. D a ß bezüglich des Mehrbetrages ein Fundlohn von 1 P r o z e n t angemessen sei, darüber sei eine Meinungsverschiedenheit nicht hervorgetreten. H a b e die Sache einen objektiven Werth nicht, so bleibe nur übrig, die Abmessung des Fundlohnes mit dem Antrage 1 dem richterlichen Ermessen zu überlassen. 334. Sitzung vom 13. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs „ G e f u n d e n e Sachen" w u r d e fortge- | Prot 14119 setzt. N a c h d e m in der vorigen Sitzung über den Anspruch des Finders auf den Fundlohn Beschluß gefaßt war, blieben die weiteren Einzelnheiten des § 170 des Entwurfs zu erledigen. Die Kommission hat abgelehnt, auf das Verhältniß des Finders zu dem Eigenthümer oder Verlierer die Vorschriften über G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne Auftrag prinzipiell f ü r anwendbar zu erklären. D e m g e m ä ß sind die dem Finder als solchem zustehenden Ansprüche selbständig zu regeln, also Entwurf und Anträge von diesem Standpunkte aus zu würdigen. Auf diesem W e g e gelangte man zu folgenden Beschlüssen: 1. D e r Finder soll Anspruch haben a, auf Ersatz der gemachten A u f w e n d u n g e n , welche er bei A n w e n d u n g der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters z u m Zwecke der Erhaltung und V e r w a h r u n g der Sache und zum Zwecke der Ermittelung und Benachrichtigung des Verlierers o d e r Eigenthümers f ü r erforderlich anzusehen hatte (vgl. §§ 588, 614 (K.E.)), b, auf den Fundlohn nach Maßgabe der in der vorigen Sitzung gefaßten Beschlüsse. | 2. D e r Finder soll zur Auslieferung nur gegen Berichtigung der ihm zustehen- | Prot I 4120 den Ansprüche verpflichtet sein. 3. D u r c h die Annahme der von dem Finder ausgelieferten Sache soll der Empfangsberechtigte dem Finder persönlich verpflichtet werden, w e n n dieser unter, sei es auch nur allgemeinem, Vorbehalt seiner Ansprüche ausgeliefert hat. 723
§ § 970 — 972, 9 7 5 — 9 7 7
3. Abschnitt: Eigenthum
4. W e n n der Empfangsberechtigte die Abnahme der Sache gegen Berichtigung der Ansprüche des Finders verweigert, so soll das Vorhandensein dieses Empfangsberechtigten f ü r die Erwerbung des Eigenthums durch den Finder nach Maßgabe der zum folgenden §. zu beschließenden Vorschrift nicht in Betracht kommen. 5. Ist die Sache in Verwahrung der Polizeibehörde gekommen, so soll dieselbe a, soweit sie Auslagen gehabt hat, dieselben Rechte haben wie der Finder, b, entsprechend dem Vorschlage in Antrag 2 Abs. 2 (S. 4117), nur mit Zustimmung des Finders die Sache an denjenigen herausgeben dürfen, welcher als Empfangsberechtigter auftritt. Erwogen war: Zu 1. Da das Gesetz dem Finder die Verbindlichkeit zur Fürsorge f ü r die Sache und zu den behufs Ermittelung des Empfangsberechtigten erforderlichen Maßnahmen auferlege, so sei, damit der Finder ersatzberechtigt werde, ein Mehreres nicht zu verlangen, als daß derselbe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters verfahren sei, und habe sich die Vorschrift über die Ersatzansprüche des Finders den entsprechenden Vorschriften über die Rechte des Mandatars — § 588 (K.E.) — und des Depositars — §614 (K.E.) — anzuschließen. Der Finder werde mithin etwas günstiger gestellt als der Geschäftsführer in § 747 (K.E.) gestellt ist. Was den Fundlohn anlange, so richte sich dieser nach den in der vorigen Sitzung | Prot I 4121 gefaßten Beschlüssen; ihn noch besonders | als eine Vergütung für die von dem Finder dem Eigenthümer geleisteten Dienste zu bezeichnen, wie der Entwurf thue, erscheine hiernach nicht angemessen. Zu 2 und 3. Einen selbständigen Anspruch, welchem der Empfangsberechtigte persönlich unterworfen sei, habe der Finder nur, wenn im einzelnen Falle die V o r aussetzungen der negotiorum gestio vorlägen und ihm eine bestimmte Person als dominus negotii haftbar machten. Sei dies nicht der Fall, so erscheine der Empfangsberechtigte gegenüber dem Finder lediglich als berechtigt und überall nicht als verpflichtet, ähnlich wie der klagende Eigenthümer gegenüber demjenigen, gegen welchen der Eigenthumsanspruch erhoben ist. Die Empfangsberechtigung könne dem Berechtigten niemals zur Last werden, es müsse demselben vielmehr frei stehen, von seinem Rechte keinen Gebrauch zu machen und damit eine jede H a f t u n g wegen Verwendungen pp. sich fern zu halten. Auch hierin zeige sich das Auseinanderfallen des Rechtsverhältnisses, in welchem der Finder als solcher stehe, von der negotiorum gestio. Aber wenn auch der Empfangsberechtigte an sich nicht persönlich den Ansprüchen des Finders verhaftet sei, so sei doch der Anspruch des Empfangsberechtigten gegen den Finder von der Bedingung abhängig zu machen, daß Zug um Zug mit der Herausgabe die Ansprüche des Finders befriedigt werden. Die Befriedigung des Finders stehe wenn auch nicht in obligatione, so doch in conditione f ü r den Empfangsberechtigten. Die Vorschriften über das Zurückbehaltungsrecht §§ 231 bis 234 (K.E.) seien zwar von der unmittelbaren Anwendung insofern ausgeschlossen, als in denselben eine volle persönliche Haftung des Herausgabeberechtigten wegen eines fälligen Anspruchs des Retinenten vorausgesetzt werde, welche hier nicht zutreffe. | Prot 14122 Dieser Unterschied lasse | indessen den inneren Grund für das Zurückbehaltungsrecht, daß nämlich die aktive und passive Seite eines und desselben rechtlichen Verhältnisses nicht zum Nachtheil des Herausgabeberechtigten auseinander gerissen werden, auch hier bestehen, und mache das Zurückbehaltungsrecht um so nothwendiger, gerade weil ein voller persönlicher Anspruch gegen den Empfangsberechtigten nicht bestehe. 724
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§§ 970—972,
975—977
Sei der Finder seiner Herausgabepflicht nachgekommen, ohne ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht zu haben, jedoch unter der Erklärung, daß er in Erwartung der Befriedigung seiner Ansprüche restituire, so sei in der Annahme der Sache seitens des Empfangsberechtigten eine Unterwerfung unter die Ansprüche des Finders zu erblicken, zu vergl. Entw. § 189 Abs. I 1 . Es sei aber nicht erforderlich, daß die vorbehaltenen Ansprüche im Einzelnen bezeichnet seien, weil, im Unterschiede von dem Vindikationsfalle, nur die besonderen dem Finder als solchem zustehenden Ansprüche in Betracht kämen, der Empfangende daher das Maß der Verbindlichkeiten, die er auf sich nehme, genügend übersehen könne. Zu 4. Wenn dem Finder zur Wahrnehmung seiner Ansprüche nur ein Retentionsrecht gegeben werde, so fehle es ihm an einem Mittel, den passiv bleibenden aber durch sein Vorhandensein und Bekanntsein den Eigenthumserwerb des Finders ausschließenden Empfangsberechtigten zu einer Entscheidung zu zwingen. Man könne deshalb daran denken, dem Finder wenigstens insoweit einen persönlichen Anspruch gegen den Empfangsberechtigten zu geben, daß dieser ihm mit der Sache als alleinigem Exekutionsobjekt hafte, und dem Finder zugleich ein gesetzliches Pfandrecht an der Sache zustehe. Es erscheine indessen bedenklich, eine solche Konstruktion, welche im Handelsrechte und insbesondere im Seerecht vorkomme und für deren Verwendung besondere Grün-|de vorliegen müßten, bei dem gegen- | Prot 14123 wärtigen Spezialfälle zu verwerthen, während ein genügender Grund nicht als vorliegend erachtet werden könne, um dem Finder ein gesetzliches Pfandrecht zu geben. Das verfolgte Ziel lasse sich auf einem einfacheren Wege erreichen. In § 188 des Entwurfs werde dem Retentionsberechtigten die Befugniß gegeben, von dem Eigenthümer entweder Unterwerfung unter die Ansprüche des Herausgabepflichtigen oder Verzichtleistung auf seine Rechte zu Gunsten des Herausgabepflichtigen zu verlangen. Die zweite Alternative passe zwar nicht für den vorliegenden Fall, weil die Berechtigung zum Empfange nicht ein möglicher Weise zu übertragendes Recht an der Sache voraussetze. Man könne indessen dem später bei der Vindikation von dem Entwürfe vorgeschlagenen Auswege insoweit folgen, daß man denjenigen 2 Empfangsberechtigten, welcher die Auslösung der Sache verweigere, der Eigenthumserwerbung des Finders, wie solche nach den zum folgenden §. zu beschließenden Vorschriften eintreten würde, nicht im Wege stehen lasse. Hiermit werde alsdann das Resultat erreicht, daß, wenn der Verweigernde Eigenthümer sei, seine Ablehnung in ihrer Wirkung einer Eigenthumsübertragung gleichkomme. Uebrigens werde eine Verweigerung der Auslösung nicht schon dann anzunehmen sein, wenn der Empfangsberechtigte den U m f a n g der Ansprüche des Finders bezweifele und vorherige Klarlegung verlange. Ob über den Fall, wenn der Empfangsberechtigte zwar ermittelt ist, aber unterläßt, seine Rechte weiter zu verfolgen, ohne daß doch eine Weigerung der oben gedachten Art von ihm erklärt worden ist, noch eine besondere Bestimmung zu treffen sei, wurde der Redaktion zu prüfen überlassen. | Zu 5. Das Recht der Polizeibehörde, ihre Aufwendungen gegenüber dem Emp- | Prot I 4124 fangsberechtigten in gleicher Weise wahrzunehmen wie der Finder, dessen Funktionen sie auf sich genommen habe, lasse sich zwar aus der analogen Anwendung der zu Gunsten des Finders lautenden Vorschriften ableiten, sei aber doch besser im Gesetze zum Ausdruck zu bringen. Die weitere Spezialfrage, inwieweit der Finder, welchem die Polizeibehörde die Sache belassen, bei der Auslieferung die Interessen 1 2
S. bei §§ 1000—1003 BGB. Im Original steht „demjenigen".
725
§§ 970—972, 975—977
3. Abschnitt: Eigenthum
der Polizeibehörde wahrzunehmen berechtigt und verpflichtet sei, bedürfe nicht der Entscheidung im Gesetze. Da die Uebertragung der Inhabung auf die Behörde nur dem Zwecke der polizeilichen Kontrole dienen, nicht aber dem Finder den aus der Inhabung f ü r ihn erwachsenen Schutz nach irgend einer Richtung vermindern solle, so sei die Auslieferung seitens der Behörde von der Zustimmung des Finders abhängig zu machen. Eine Verletzung dieser zu Gunsten des Finders lautenden Vorschrift werde mithin den ausliefernden Beamten nach § 730 Abs. 1 (K.E.) haftbar machen. | Prot 14131 TE-SachR § 172
| Der § 172 des Entwurfs 3 lautet: „Meldet der bisherige Eigenthümer der gefundenen Sache sich nach dem Verluste des Eigenthums bei demjenigen, welchem dieselbe nach § 171 zugefallen ist, und befindet dieser sich noch im Besitze der Sache, so kann der bisherige Eigenthümer von demselben die Herausgabe der Sache gegen Erstattung der Auslagen und des Fundlohnes (§ 170) sowie der seit dem Eigenthumswechsel auf die Sache gemachten Verwendungen verlangen. Dieser Anspruch findet jedoch nur innerhalb eines Jahres nach dem Verluste des Eigenthums statt."
Kurlbaum (Nr 122, 8)
Es war beantragt worden, den § 172 zu fassen: „Der Finder ist nach der Erwerbung des Eigenthums noch zur Herausgabe der Bereicherung nach Maßgabe des § 742 K.E. Abs. 1, 3 verpflichtet. Der Finder kann die Kosten der Bekanntmachung und den ihm zustehenden | Prot I 4132 Fundlohn in Ab-|zug bringen oder deren Vergütung fordern, soweit er nicht durch die ihm verbleibenden Nutzungen bereichert ist. Der Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung erlischt, wenn er vor Ablauf von drei Jahren nach der Mittheilung der Polizeibehörde an den Finder nicht durch Klage geltend gemacht wird." Beschlossen wurde: 1. der Finder soll dem Empfangsberechtigten zur Herausgabe der Bereicherung nach Maßgabe des § 742 Abs. 1 und 3 (K.E.) verpflichtet sein. 2. Der Bereicherungsanspruch soll einer dreijährigen Präklusivfrist, welche von dem Zeitpunkte der Erwerbung des Eigenthums durch den Finder zu berechnen ist, unterworfen sein. 3. Der Bereicherungsanspruch ist nicht mit dem Entwürfe auf den Fall zu beschränken, daß der Finder die Sache noch besitzt. 4. Die im Antrage Abs. 2 vorgeschlagene Vorschrift soll nicht aufgenommen werden. Erwogen war: Zu 1. Die Rechtsnorm, welche dem Finder das Eigenthum zuspreche, verfolge nicht den Zweck, das Vermögen des Erwerbers auf Kosten des Vermögens des Verlierenden zu vermehren. Die Vermögensänderung entbehre deshalb, ebenso wie in dem Falle der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, des rechtlichen Grundes, wenn sie gleich auf einer Rechtsnorm beruhe. Zu 2. Wenn man auch im Prinzip den Bereicherungsanspruch gegenüber dem Finder anerkenne, so sei doch diese die dingliche H a f t u n g überdauernde obligatorische H a f t u n g des Finders zeitlich auf eine kurze Frist und fest, mithin durch Prä| Prot 14133 klusivfrist, zu begrenzen, damit jeder | ferneren Ungewißheit ein Ende gemacht werde. In Ansehung der Bemessung der Frist sei zum Schutze der früheren Rechte dem Vorschlage des Antrages zu folgen. Die Beratung des § 171 des Entw. s. bei §§ 973, 974 BGB.
726
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§§ 970—972,
975—977
Zu 3. Es erscheine nicht gerechtfertigt, von dem zufälligen Umstände, daß der Finder die Sache noch besitze, die H a f t u n g des Finders wegen Herausgabe der Bereicherung abhängig zu machen. Zu 4. Insoweit die vorgeschlagene Bestimmung richtig sei, sei sie selbstverständlich und deshalb entbehrlich. Es lag der Antrag vor, folgende Bestimmung als § 172 a aufzunehmen: „Uebersteigt der Werth des Gefundenen nicht den Betrag von Drei Mark, so erwirbt der Finder das Eigenthum (der gefundenen Sache) nach Ablauf eines Jahres von der Zeit des Fundes an, ohne daß es einer Anzeige des Fundes bei der Polizeibehörde oder öffentlichen Bekanntmachung bedarf. Verheimlicht der Finder einen solchen Fund auf geschehene Nachfrage innerhalb der Jahresfrist, so geht er des Anspruchs auf Finderlohn und auf Eigenthumserwerbung verlustig." Der Antrag wurde angenommen und zwar unter Ablehnung des gestellten Unterantrages, die Verpflichtung des Finders zur Anzeige bei der Polizei auch hier beizubehalten und zur Voraussetzung für die Eigenthumserwerbung des Finders zu machen. Erwogen war: Eine Ermäßigung der Erfordernisse der Eigenthumserwerbung durch den Finder erscheine bei geringwerthigen Sachen im praktischen Interesse wünschenswerth. Insbesondere sei von der öffentlichen Bekanntmachung abzusehen. Dann aber verliere auch die Anzeigepflicht auf den praktischen Erfolg gesehen ihren Zweck und ihre Bedeutung. | Der aus dem Wegfall der Anzeigepflicht entspringenden Gefahr werde durch | Prot 14134 die im Schlußsatze des Antrags enthaltene Bestimmung in geeigneter Weise vorgebeugt. II. 1. In der VorlZust „Zueignung"sind enthalten:
die gefaßten Beschlüsse in den §§ 3, 6—8
Der Finder kann gegen Herausgabe der Sache an den Empfangsberechtigten (an VorlZust § 3 den Verlierer oder sonstigen Empfangsberechtigten) verlangen: 1. den Ersatz der zum Zwecke der Erhaltung und Verwahrung der Sache sowie zum Zwecke der Ermittelung des Verlierers und Eigenthümers gemachten Aufwendungen, soweit er diese bei Aufwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters f ü r erforderlich anzusehen hatte; 2. die Zahlung eines Fundlohns. Der Fundlohn beträgt fünf Prozent des Werths der Sache, und wenn dieser Werth 300 Mark übersteigt, von dem Mehrbetrage nur ein Prozent, (in beiden Fällen) nach Abzug der dem Empfangsberechtigten zu ersetzenden Aufwendungen. H a t die Sache nur für den Verlierer oder Eigenthümer einen Werth, so bestimmt das Gericht den Fundlohn nach freiem Ermessen. (NB. Zum § 3. 1. Zu Ziffer 2. a, Werth, welchen die Sache nach Abzug der „Kosten hat" ist nicht ganz korrekt. b, Die Aufwendungen können auch von der Polizeibehörde gemacht und dieser zu ersetzen sein (§ 6). c, Der Zusatz: „mit Ausnahme des Fundlohnes" hinter „Aufwendungen" wird entbehrlich sein. d, Am Schluß: „Verlierer oder Eigenthümer" wird genügen; ist ein anderer dinglich Berechtigter vorhanden, so wird wohl immer auch ein Interesse des Eigenthümers sich ergeben. 727
§ § 970—972, 975—977
VorlZust § 4
VorlZust § 6 Abs. 3, 44
VorlZust § 7
VorlZust § 8
3. Abschnitt: Eigenthum
2. Zu Ziffer 1. zu vergl. K.E. §§ 588, 614. 3. Zum Schluß: „freiem Ermessen" zu vergl. K.E. §§ 718, 722.) Dem Finder steht wegen der im § 3 bezeichneten Ansprüche nur das Recht zu, die Sache bis zu seiner Befriedigung zurückzubehalten. H a t er jedoch bei der H e r ausgabe der Sache dem Empfänger erklärt, daß er sich die Ansprüche vorbehalte, so haftet ihm der Empfänger wegen derselben persönlich. Zur Wirksamkeit des Vorbehalts ist die Bezeichnung des Umfangs der Ansprüche nicht erforderlich. Wird von der Empfangsberechtigten die Abnahme der Sache (gegen Befriedigung des Finders wegen dessen Ansprüche) verweigert, so gehen die Rechte der ersteren auf den Finder über. (NB. Zum § 4. 1. Das Zurückbehaltungsrecht ist eigentlich nach den §§231 u. f. Kom. Entw. selbstverständlich, seine Hervorhebung aber um so nothwendiger, wenn das W o r t : „nur" stehen bleiben soll, welches Wort zur Verdeutlichung des Gesetzes unerläßlich sein dürfte. Es wird eine obligatio imperfecta anzunehmen sein. In diesen § wird füglich schlechthin von: „Empfänger" geredet werden dürfen. 2. Der letzte Absatz entspricht zwar nicht dem Wortlaute des Beschlusses, möchte aber den Sinn desselben in angemessener Weise wiedergeben, mit einer anderen Fassung wird ihnen zu helfen sein. Eine besondere Bedeutung hat der Plural: „Die Empfangsberechtigten". Es ist nicht rathsam, den an sich wenig erheblichen Gegenstand noch ausführlicher zu behandeln. 3. Der Ausdruck „persönlich haftbar" findet sich § 126 Kom. Entw.) Die Polizeibehörde darf die an sie abgelieferte Sache nur mit Zustimmung des Finders dem Empfangsberechtigten herausgeben. . . . Seine in dem Fund sich gründenden Rechte werden durch die Ablieferung nicht berührt. Leistet er der Polizeibehörde gegenüber auf diese Rechte Verzicht, so gehen die auf den Erwerb des Eigenthums an der Sache sich beziehenden Rechte auf die Gemeinde des Fundorts über. Wegen des Ersatzes der von der Polizeibehörde zum Zwecke der Erhaltung und Verwahrung der Sache so wie zum Zwecke der Ermittelung des Verlierers und Eigenthümers gemachten Aufwendungen finden die Bestimmungen der §§ 3 und 4 entsprechende Anwendung. (NB. Zum § 6. Die Bestimmung, der Verzicht auf die Finderrechte bewirke deren theilweisen Uebergang auf die Gemeinde, hat einen positiven Charakter; sie wird nur am Platze sein, wenn der Polizeibehörde gegenüber der Verzicht erklärt ist. Der Anspruch auf den Fundlohn unterliegt nicht dem anomalen Verzicht; er muß zediert, bezw. dem Empfangsberechtigten gegenüber verzichtet und dieser Verzicht akzeptirt werden.) Uebersteigt der Werth der Sache nicht den Betrag von drei Mark, so erwirbt der Finder das Eigenthum an derselben mit Ablauf eines Jahres von der Zeit des Fundes an, ohne daß eine Anzeige bei der Polizeibehörde und eine öffentliche Anzeige erforderlich ist. Der Eigenthumserwerb tritt nicht ein, wenn der Fund innerhalb der einjährigen Frist auf Nachfrage verheimlicht ist. Im Falle einer solchen Verheimlichung hat der Finder auch auf Fundlohn keinen Anspruch. Der Finder, welcher in Gemäßheit der §§ 5 und 7 das Eigenthum der Sache erworben hat, ist zur Herausgabe der dadurch erlangten Bereicherung nach Maßgabe der Bestimmungen des § 742 Abs. 1 und 3 verpflichtet. Der Anspruch auf Heraus-
4
VorlZust § 6 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 s. bei §§ 9 6 6 - 9 6 9 BGB.
728
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ § 970 — 972, 975 — 977
gäbe der Bereicherung erlischt, wenn er nicht binnen drei Jahren seit Erwerb des Eigenthums der Sache rechtshängig geworden ist. (NB. Zum § 8. Wegen des Ausdrucks: „rechtshängig geworden" zu vergl. das Wortregister; Klageerhebung ist absichtlich vermieden, ob mit Grund mag dahingestellt bleiben.) 2., 3. Die Bestimmungen sind in der RedVorl5 in den §§ 896—899, 901—903 enthalten, in der ZustSachR in den §§ 895 — 898, 900—902: Der Finder kann gegen Herausgabe der Sache an den Empfangsberechtigten RedVorl § 896 ZustSachR § 895 verlangen: 1. den Ersatz der zum Zwecke der Erhaltung und Verwahrung der Sache sowie zum Zwecke der Ermittelung des Verlierers und des Eigenthümers gemachten Aufwendungen, soweit er solche bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters für erforderlich anzusehen hatte; 2. die Zahlung eines Fundlohns. Der Fundlohn beträgt von dem Werthe der Sache bis zu dreihundert Mark fünf vom Hundert, von dem Mehrwerthe eins vom Hundert. Bei der Berechnung des Fundlohnes kommen von dem Werthbetrage die von dem Empfangsberechtigten zu ersetzenden Aufwendungen in Abzug. (RedVorl: Der Fundlohn beträgt fünf vom Hundert des Werthes der Sache nach Abzug der von dem Empfangsberechtigten zu ersetzenden Aufwendungen, wenn aber dieser Werth dreihundert Mark übersteigt, von dem Mehrbetrage nur eins vom Hundert.) H a t die Sache nur f ü r den Verlierer oder den Eigenthümer einen Werth, so bestimmt das Gericht den Fundlohn nach freiem Ermessen. Der Anspruch auf Zahlung eines Fundlohnes ist ausgeschlossen, wenn der Finder die Anzeigepflicht (§ 891) (RedVorl: § 892 Abs. 1) verletzt hat. Die in dem § 896 bezeichneten Ansprüche des Finders erlöschen, wenn derselbe RedVorl § 897 die Sache einem Empfangsberechtigten herausgegeben hat, ohne sich die Ansprüche vorzubehalten. Zur Wirksamkeit des Vorbehalts ist die Bezeichnung des Umfangs der Ansprüche nicht erforderlich. Ein Empfangsberechtigter kann sich von den Ansprüchen des Finders dadurch befreien, daß er auf die Rücknahme der Sache verzichtet. Mit diesem Verzicht erlischt sein Recht an der Sache. 5
Begründung zu 5 896: Absatz 1 N r . 2 „Prozent" oder „von Hundert"? Letzteres im KE §§216, 246. Der zweite Absatz der Nr. 2 („Der Anspruch . . . verletzt hat") ist zwar nicht ausdrücklich, aber wohl implicite beschlossen; vgl. Entw. 5 170 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3, welcher auch in dem im Wesentlichen angenommenen Antrage Nr. 115 durch Bezugnahme mit rezigirt war, sowie in der gegenwärtigenVorlage S. 901 Abs. 2 Satz 2. Begründung zu § 897 Muß der (allerdings beschlossene) Satz, daß der Finder in Ansehung seiner Ansprüche zunächst nur das Zurückbehaltungsrecht haben soll, im Gesetze Ausdruck erhalten? Es ist doch andererseits beschlossen, daß der Empfangsberechtigte persönlich verpflichtet wird, wenn der Finder bei der Rückgabe der Sache die Ansprüche vorbehalten hat. Absatz 2. Beschlossen ist, daß ein Empfangsberechtigter, welcher die Rücknahme der Sache gegen Befriedigung der Ansprüche des Finders verweigert, nicht weiter berücksichtigt werden soll. Das heißt wohl nur, daß sein Recht an der Sache durch den Verzicht auf die Rücknahme erlischt. Begründung zu § 903 Absatz 2 wohl zur Verdeutlichung erforderlich. Daß § 902 auch in dem Falle des Eigenthumserwerbs durch die Gemeinde Anwendung zu finden hat zeigt zugleich, daß der Inhalt des § 903 hier seine richtige Stelle findet.
729
§ § 970 — 972, 9 7 5 — 9 7 7
ZustSachR § 896
RedVorl § 898 ZustSachR « 897
RedVorl $ 899 ZustSachR « 898
RedVorl $ 9 0 1 ZustSachR § 900
RedVorl § 903 ZustSachR § 902
3. Abschnitt: Eigenthum
Dem Finder steht wegen der in dem § 895 bezeichneten Ansprüche nur das Recht zu, die Sache bis zu seiner Befriedigung zurückzubehalten. H a t er jedoch bei der Herausgabe der Sache dem Empfänger erklärt, daß er sich die Ansprüche vorbehalte, so haftet ihm der Empfänger wegen derselben persönlich. Zur Wirksamkeit des Vorbehaltes ist die Bezeichnung des Umfanges der Ansprüche nicht erforderlich. Wird von den Empfangsberechtigten die Abnahme der Sache gegen Befriedigung des Finders wegen der Ansprüche derselben noch nach Ablauf der in dem § 899 bezeichneten Frist verweigert, so erlöschen die Rechte der ersteren. Die in dem § 895 (RedVorl: § 896) bezeichneten Ansprüche des Finders werden durch die Ablieferung der Sache an die Polizeibehörde nicht berührt. Die Polizeibehörde darf die Sache nur mit Zustimmung des Finders einem Empfangsberechtigten ausliefern. In Ansehung (RedVorl: Wegen des Ersatzes) der von der Polizeibehörde zum Zwecke der Erhaltung und Verwahrung der Sache sowie zum Zwecke der Ermittelung des Verlierers und des Eigenthümers gemachten Aufwendungen finden die Bestimmungen der §§ 895, 896 entsprechende Anwendung. Uebersteigt der Werth der Sache nicht den Betrag von drei Mark, so erwirbt der Finder das Eigenthum an derselben mit Ablauf eines Jahres von der Zeit des Fundes an, ohne daß eine Anzeige bei der Polizeibehörde und eine öffentliche Bekanntmachung erforderlich ist. H a t der Finder innerhalb der einjährigen Frist auf Nachfrage den Fund verheimlicht, so tritt der Eigenthumserwerb nicht ein, auch hat der Finder auf Fundlohn keinen Anspruch. {RedVorl: Der Eigenthumserwerb tritt nicht ein, wenn der Fund innerhalb der einjährigen Frist auf Nachfrage verheimlicht ist. Im Falle einer solchen Verheimlichung hat auch der Finder keinen Anspruch auf Fundlohn.) Das Recht des Finders auf den Erwerb (RedVorl: die Erwerbung) des Eigenthums an der gefundenen Sache geht auf die Gemeinde des Fundortes über, wenn der Finder der Polizeibehörde gegenüber den Verzicht auf den Erwerb des Eigenthums (RedVorl: auf seine in dem § 896 bezeichneten Ansprüche) erklärt oder der an ihn von der Polizeibehörde unter Bestimmung einer Frist gerichteten Aufforderung, die Ertheilung des im § 899 Abs. 1 bezeichneten Zeugnisses (RedVorl: der im § 900 Abs. 1 bezeichneten Bescheinigung) zu beantragen, nicht binnen der bestimmten Frist Folge leistet. Die Bestimmungen des §901 (RedVorl: § 902) finden entsprechende Anwendung. § 902 RedVorl (§ 901 ZustSachR) stimmt mit § 8
Kurlbaum (Nr 434, 40)
VorlZustüberein.
III., IV. Bei der Redaktion des KE lag zu § 895 der Antrag vor: a) Eingang zu fassen:
„Der Finder kann von demjenigen, welcher die Sache als Berechtigter in Empfang nimmt, fordern: . . ." b) mit den Worten in N r . 2 „Der Fundlohn" einen zweiten Absatz zu beginnen. Der Antrag a wurde angenommen, Antrag b abgelehnt. Kurlbaum Zu § 896 Abs. 1 war beantragt: „Der Finder hat wegen der — Ansprüche das (Nr 434, 41) Zurückbehaltungsrecht. H a t er die Ansprüche nicht vor der Herausgabe der Sache dem Empfänger angezeigt, so erlöschen die Ansprüche. Die Bezeichnung des Umfanges der Ansprüche ist nicht erforderlich." (zu vergl. § 917.) und Abs. 2 hier zu streichen, (zu vergl. § 899. Das Allegat in § 898 paßt nur auf Abs. 1.) 730
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ § 970 — 972, 9 7 5 — 9 7 7
Die zu § 896 gestellten Anträge wurden abgelehnt. Dagegen wurde beschlossen im Abs. 2 des § 896 statt: „den Empfangsberechtigten" zu setzen „dem Empfangsberechtigten" und die Schlußworte: „der ersteren" zu ersetzen durch die Worte: „des ersteren". Der im Laufe der Beratung gestellte fernere Antrag, in § 898 nur den § 896 Abs. 1 zu allegieren, wurde abgelehnt. Zu § 900 wurde der Antrag abgelehnt, statt „und eine öffentliche" zu setzen „oder eine öffentliche". Zu § 901 wurde auf Antrag beschlossen, in § 901 Abs. 1 hinter „§ 742" die Worte „Abs. 1, 3" zu streichen, dagegen am Schlüsse des Abs. 1 zuzusetzen: „Die Bereicherung gilt als eine solche, zu welcher ein rechtlicher Grund gefehlt hat." Ein Antrag, in § 902 am Ende statt „nicht Folge leistet" zu setzen „nachzukommen unterläßt" wurde abgelehnt (Prot. I 6222 f., 6229 f.). Unter Berücksichtigung der mitgetheilten Beschlüsse sind die Vorschriften in den §§ 895 — 898, 900—902 K E enthalten. Bei der Revision des K E wurde Abs. 2 des § 896 gestrichen; s. die Beratungen dazu bei §§ 973, 974 BGB. Damit galt zugleich der Antrag als erledigt, in § 898 statt „der §§ 895, 896" zu setzen „des § 895 und des § 896 Abs. 1". Zu § 900 Abs. 2 wurde ein Antrag abgelehnt, statt „nicht ein, auch hat der Finder" zu setzen „nicht ein; der Finder hat in diesem Falle". Zu § 901 wurde eine neue Fassung des Abs. 1 beschlossen; s. die Gründe und die Neufassung bei §§ 973, 974 BGB. Ein Antrag, dem § 901 des Abs. 3 hinzuzufügen: „Auf die im zweiten Absätze bestimmte Frist finden die Vorschriften der §§ 163, 165 entsprechende Anwendung." wurde abgelehnt. Angenommen wurde dagegen der bei der Revision des K E gestellte Antrag, § 902 Abs. 1 zu fassen: „. . . erklärt oder binnen einer von der Polizeibehörde zu bestimmenden Frist die Ertheilung des im § 899 Abs. 1 und im § 899 a Abs. 1 bezeichneten Zeugnisses nicht beantragt." (Prot. 11961 —11965) Im £ / s i n d die Bestimmungen in den §§ 914—917, 921—923 enthalten.
Kurlbaum (Nr 434, 43) Kurlbaum (Nr 434, 44)
Kurlbaum (Nr 434, 45)
Gebhard (Nr 453, 4)
Kurlbaum (Nr 447, 3)
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 2 6 1 - 2 7 3 ; Mugdan, Bd. 3, S. 658 ff.) a) Zu § 914 lagen die Anträge vor: 1. den § 914 unter Verweisung des letzten Satzes in den § 915 wie folgt zu fas- Achilles sen: (Nr 74, 85) Der Finder braucht die Sache dem Empfangsberechtigten nur gegen Zahlung eines Finderlohns und gegen Ersatz der Aufwendungen herauszugeben, welche er zum Zwecke der Verwahrung und Erhaltung der Sache sowie zum Zwecke der Ermittelung des Verlierers und des Eigenthümers gemacht hat und welche er nach den Umständen des Falles für erforderlich halten durfte. Der Finderlohn beträgt von dem Werthe der Sache bis zu dreihundert Mark fünf vom Hundert, von dem Mehrwerth eins vom Hundert. Bei der Berechnung des Finderlohns kommen von dem Werthbetrage die dem Finder zu ersetzenden Aufwendungen in Abzug. H a t die Sache nur f ü r den Verlierer oder den Eigenthümer einen Werth, so bestimmt sich die H ö h e des Finderlohns nach den Umständen des Falles. 2. den § 914 durch folgenden Vorschriften zu ersetzen: Struckmann ξ 914. Der Finder kann von dem Empfangsberechtigten Ersatz der Aufwendun- (Nr 71, 1) gen verlangen, welche er etc. wie Abs. 1 des Antrags 1. Außerdem steht ihm ein An731
§ § 970—972, 975—977
3. Abschnitt: Eigenthum
Spruch auf Finderlohn zu, es sei denn, daß er die ihm nach § 910 obliegende Anzeigepflicht verletzt hat. § 914 a. D e r Finderlohn beträgt etc. wie Abs. 2 Satz 1 des Antrags 1, f ü r ein verlaufenes T h i e r überhaupt nur eins vom H u n d e r t , mindestens aber f ü n f z i g Pfennig. (Satz 2 wie Abs. 2 des Antrags 1). H a t die Sache nur f ü r den Verlierer oder den Eigenthümer einen W e r t h , so ist der Finderlohn von dem Verlierer oder dem Eigent h ü m e r nach billigem Ermessen zu bestimmen; die Vorschriften des § 266 Abs. 3 des Entw. II finden Anwendung. v. Mandry
3. die N r . 2 zu streichen;
(Nr 75, II) ^ Fall, daß dem Antrage 3 nicht stattgegeben werden sollte, die Vor(Nr 76) schr'ft der Nr. 2 dahin zu beschließen: D e r Finderlohn b e t r ä g t . . . von dem Mehrwerthe sowie vom W e r t h e verlaufenen Viehes eins vom H u n d e r t . Küntzel 5. a) im Abs. 1 die N r . 1 dahin zu ändern: soweit er sie den Umständen nach f ü r (Nr 73, 2) erforderlich halten durfte. (Nr 73, 3) b) im Abs. 1 Nr.2 zwischen Satz 1 und 2 einzuschalten: D e r Finderlohn f ü r entlaufenes Vieh beträgt ein P r o z e n t seines Werthes. 6. a) im Abs. 1 N r . 2 den Satz 2 zu streichen. b) das Recht auf den Finderlohn nur f ü r den Fall zu gewähren, daß der Verlierer und der Eigenthümer der gefundenen Sachen unbekannt sind. D e r Antrag 2 wurde, soweit er für die H ö h e des Finderlohns einen Mindestbetrag von 50 Pfennig festsetzt, von dem Antragsteller im Laufe der Berathung zurückgezogen. Die Komm, erklärte sich zunächst mit der A u f n a h m e des Abs. 1 N r . 1 einverstanden. Die Anträge 1 und 5 a, welche die Fassung der Vorschrift mit der entsprechenden zur Geschäftsführung ohne A u f t r a g getroffenen Bestimmung in Einklang bringen wollen, wurden der R e d K o m m . zur Berücksichtigung überwiesen. Hinsichtlich der N r . 2 wurde vom Antragsteller zu 6 b im Laufe der Berathung vorgeschlagen, einen Anspruch auf Finderlohn nur dann zu gewähren, wenn der Verlierer und der Eigenthümer unbekannt seien. Die Mehrheit erklärte sich f ü r die Beibehaltung des Instituts des Finderlohns, und z w a r o h n e die vom Antragsteller zu 6 b vorgeschlagene Beschränkung. Der Satz 2 der N r . 2 wurde dem Antrage 6 a entsprechend gestrichen. Die Berathung über den Abs. 2 des § 914 w u r d e mit der Berathung des § 915 verbunden.
v. Mandry (Nr 75, II) Achilles (Nr 74, 86)
b) Z u § 915 lagen die Anträge vor: 1. zu bestimmen: im Satze 1: D e m Finder steht wegen des Anspruchs auf den Finderlohn nur . . . im Satze 2 : . . . den Anspruch vorbehalte, so h a f t e t . . . den Satz 3 zu streichen. 2. die Vorschriften zu fassen: Wird die Sache dem Eigenthümer zurückgegeben, so ist derselbe (persönlich) verpflichtet, den Finder wegen der im § 914 bestimmten Ansprüche zu befriedigen. Ein Anspruch, den der Finder dem Eigenthümer gegenüber nicht vor oder bei der H e r a u s g a b e sich vorbehalten hat, erlischt, wenn er ihn nicht innerhalb eines Monats nach der H e r a u s g a b e gerichtlich geltend gemacht hat. D e r Eigenthümer wird von seiner Verbindlichkeit frei, wenn er dem Finder gegenüber erklärt, daß er das Eigenthum aufgebe. D e r Finder kann die Abgabe dieser Erklärung f o r d e r n , wenn seine Befriedigung von dem Eigenthümer verweigert wird. 732
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§§ 970—972,
975—977
Gegenüber dem Verlierer, der nicht der Eigenthümer ist, steht dem Finder wegen seiner Ansprüche nur das Zurückbehaltungsrecht zu. Der Anspruch auf den Finderlohn ist ausgeschlossen, wenn der Finder die im § 910 bestimmte Anzeigepflicht verletzt hat. 3. die Sätze 1, 2 durch folgende Vorschriften zu ersetzen: Auf die im § 9 1 4 bezeichneten Ansprüche finden die Vorschriften des § 9 3 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 und des § 941 entsprechende Anwendung. Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach der Herausgabe gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, daß der Finder bei der Herausgabe dem Empfänger erklärt hat, daß er sich die Ansprüche vorbehalte. 4. die Vorschrift zu fassen: Wegen der im §914 bestimmten Ansprüche haftet der Empfangsberechtigte, wenn der Finder ihm die Sache auf sein Verlangen herausgiebt, bis zur H ö h e des Werthes, welchen die Sache zur Zeit der Herausgabe hat. Dem Finder steht das Zurückbehaltungsrecht zu. Die Ansprüche des Finders erlöschen, wenn sie nicht innerhalb vier Wochen nach der Herausgabe der Sache gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, daß der Finder bei der Herausgabe dem Empfänger erklärt hat, daß er sich die Ansprüche vorbehalte. 5. die Vorschrift zu fassen: Der Empfangsberechtigte kann sich, solange er die Verwendungen des Finders noch nicht genehmigt hat, von den Ansprüchen des Finders durch Ueberlassung der Sache befreien. Mit der Ueberlassung der Sache gehen die Rechte des Empfangsberechtigten an der Sache auf den Finder über. 6. die Vorschrift zu fassen: Die im §914 bestimmten Ansprüche können von dem Finder nur geltend gemacht werden, wenn der Empfangsberechtigte die Sache angenommen hat. Dem Finder steht jedoch wegen seiner Ansprüche das Zurückbehaltungsrecht zu. Ein Anspruch, den der Finder dem Empfangsberechtigten etc. wie im Antrage 2 Abs. 2. 7. f ü r den Fall der Annahme des Antrags 3 folgenden Zusatz zu beschließen: Ist der Umfang der vorbehaltenen Ansprüche nicht bezeichnet, so kann der Empfänger die Sache zurückgeben. 8. im § 915 den letzten Satz dahin zu ändern: Zur Wirksamkeit des Vorbehalts ist nur in Ansehung der im § 914 unter 1 gedachten Ansprüche die Bezeichnung ihres Umfanges und zwar auch diese nur dann erforderlich, wenn der Empfangsberechtigte die Bezeichnung verlangt hat. Die Anträge 1 und 3 wurden von den Antragstellern im Laufe der Berathung zurückgezogen. Der Antragsteller zu 2 änderte seinen Antrag dahin ab, daß die von ihm vorgeschlagene Bestimmung sich nicht auf den Eigenthümer der verlorenen Sache beschränken, sondern für jeden Empfangsberechtigten gelten solle. Auf die Abstimmung über den Antrag 8 verzichtete der Antragsteller. Die Anträge 6 und 7 wurden angenommen, die übrigen Anträge, soweit sie sachlich abweichen, abgelehnt. c) § 916 blieb unbeanstandet, § 917 wurde gestrichen. d) Der § 921 wurde nicht beanstandet. Die Streichung der Worte „und eine öffentliche Bekanntmachung" im Abs. 1 ergab sich aus den zu den §§918 bis 920 6 gefaßten Beschlüssen. S. bei Μ 973, 974 BGB.
733
Jacubezky (Nr 69) (Nr 70, 1)
Sohm (Nr 78, 1)
Struckmann (Nr 71, 2)
Planck (Nr 72, 2)
Küntzel (Nr 73, 4)
§ § 970—972, 975 — 977
3. Abschnitt: Eigenthum
Den Abs. 2 beschloß man dahin zu ergänzen: H a t der Finder innerhalb der einjährigen Frist auf Nachfrage den Fund verheimlicht oder ist ihm vor dem Ablaufe der Frist der Verlierer oder der Eigenthümer bekannt geworden, so tritt der Eigenthumserwerb nicht ein, auch hat der Finder im Falle der Verheimlichung auf Fundlohn keinen Anspruch. Struckmann e) Zu § 922 lag der Antrag vor, den Satz 2 des Abs. 1 als entbehrlich zu strei(Nr. 71, 5) chen, eventuell den § 915 Abs. 2 dahin zu ergänzen, daß dem Empfangsberechtig-
ten, dessen Rechte nach § 915 Abs. 2 erloschen sind, ein Anspruch auf Herausgabe nicht zusteht. Man überließ es der RedKomm. über den Antrag zu befinden, da sachlich über die Richtigkeit des Satzes 2 Einverständnis bestand. Struckmann f) Zu § 923 Abs. 1 beschloß man, die Worte „oder . . . beantragt" durch folgen(Nr. 7 1 , 6 ) den Zusatz zu ersetzen:
H a t der Finder das Eigenthum an der Sache nach den §§918 bis 920 erworben, so geht sein Eigenthum an der Sache auf die Gemeinde des Fundorts über, wenn die Sache der Polizeibehörde abgeliefert ist und nicht innerhalb einer von dem Finder zu bestimmenden Frist abgefordert wird. II. In der VorlZust sind die beschlossenen Vorschriften in den §§914, 914 a, 915, 916, 921 enthalten: Ε I-VorlZust Der Finder kann von dem Empfangsberechtigten Ersatz der Aufwendungen ver« 914 langen, die er zum Zwecke der Erhaltung und Verwahrung der Sache, sowie zum
Ε I-VorlZust «914a
F. I-VorlZust «915
Ε I-VorlZust §916 Ε I-VorlZust ξ 921
Zwecke der Ermittelung des Verlierers und des Eigenthümers gemacht hat und nach den Umständen f ü r erforderlich halten dürfte. Er kann außerdem einen Fundlohn verlangen, sofern er nicht die im § 910 bestimmte Anzeigepflicht verletzt hat. Der Fundlohn beträgt von dem Werthe der Sache bis zu dreihundert Mark fünf vom Hundert, von dem Mehrwerthe eins vom Hundert. Der Fundlohn f ü r ein verlorenes (oder verlaufenes) Thier beträgt eins vom Hundert. H a t die Sache nur für den Verlierer oder den Eigenthümer einen Werth, so ist der Fundlohn nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die im §914 bestimmten Ansprüche können von dem Finder nur geltend gemacht werden, wenn er die Sache dem Empfangsberechtigten herausgegeben und dieser sie angenommen hat. Dem Finder steht jedoch wegen seiner Ansprüche das Zurückbehaltungsrecht zu. Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach der H e r ausgabe gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, daß der Finder bei der Herausgabe dem Empfängers erklärt hat, daß er sich die Ansprüche vorbehalte. Ist ein solcher Vorbehalt nicht gemacht oder der Betrag des vorbehaltenen Anspruchs nicht angegeben, so kann sich der Empfangsberechtigte durch Rückgabe der Sache an den Finder von den Ansprüchen desselben befreien. Die im § 914 bezeichneten Ansprüche des Finders werden durch die Ablieferung der Sache an die Polizeibehörde nicht berührt. Die Polizeibehörde darf die Sache nur mit Zustimmung des Finders einem Empfangsberechtigten ausliefern. Uebersteigt der Werth der Sache nicht den Betrag von drei Mark, so erwirbt der Finder das Eigenthum an derselben mit Ablauf eines Jahres von der Zeit des Fundes an, ohne daß eine Anzeige bei der Polizeibehörde erforderlich ist. H a t der Finder innerhalb der einjährigen Frist auf Nachfrage den Fund verheimlicht oder ist ihm innerhalb dieser Frist der Verlierer, Eigenthümer oder sonstige Empfangsberechtigte bekannt geworden, so tritt der Eigenthumserwerb nicht ein. Im Falle der Verheimlichung des Fundes fällt der Anspruch auf Fundlohn weg. 734
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§§
970-972, 975-977
Der Finder, welcher in Gemäßheit der §§ 918, 921 das Eigenthum an der Sache erworben hat, ist zur Herausgabe des dadurch Erlangten nach den für die Erstattung einer ungerechtfertigten Bereicherung geltenden Vorschriften verpflichtet. Der Anspruch auf Herausgabe erlischt, wenn er nicht binnen drei Jahren seit dem Erwerbe des Eigenthums gerichtlich geltend gemacht ist. Das Recht des Finders auf den Erwerb des Eigenthums an der gefundenen Sache geht auf die Gemeinde des Fundorts über, wenn der Finder gegenüber der Polizeibehörde den Verzicht auf den Erwerb des Eigenthums erklärt. Hat der Finder das Eigenthum an der Sache nach § 918 erworben, so geht sein Eigenthum an der Sache auf die Gemeinde des Fundorts über, wenn die Sache der Polizeibehörde abgeliefert ist und nicht innerhalb einer von dieser dem Finder zu bestimmenden Frist abgefordert wird.
Ε I-VorlZust «922
Ε I-VorlZust «923
I I I . - V . In der ZustRedKom sind die §§ 914, 922 gefaßt: Hat der Finder zum Zwecke der Verwahrung oder Erhaltung der Sache oder zum Zwecke der Ermittelung eines Empfangsberechtigten Aufwendungen gemacht, die er nach den Umständen für erforderlich halten durfte, so kann er von dem Empfangsberechtigten Ersatz verlangen. Wer in Folge der Vorschriften der §§918, 918a, 918c einen Rechtsverlust erleidet, kann in den Fällen der §§ 918, 918a von dem Finder, in den Fällen des § 918c von der Gemeinde des Fundorts das durch die Rechtsänderung Erlangte nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen drei Jahren nach dem Erwerbe des Eigenthums gerichtlich geltend gemacht worden ist. § 914 a ist durch die Bestimmung des § 921 Abs. 27 ergänzt, § 915 ist übernommen, § 916 als § 918 b eingeordnet und § 923 in § 918 enthalten. Die Fassung dieser Vorschriften ( £ / / § § 886, 887®, 890, 891, Ε II rev §§ 956, 957, 960, 961; Ε III §§ 955, 956, 959, 960) entspricht den §§ 971, 972, 975, 976 BGB. §914 hat in § 885 £ / / ( § 955 Ε II rev, § 954 Ε III) die in § 970 BGB Gesetz gewordene Fassung. Die Fassung des §922 entspricht im Ε II in § 892 S. 1 derjenigen des §977 S. 1 BGB. Der Satz 2 lautet: „Der Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen drei Jahren nach dem Uebergang des Eigenthums auf den Finder oder die Gemeinde gerichtlich geltend gemacht worden ist." In § 962 Ε II rev (§ 961 Ε III) liegt die Gesetz gewordene Fassung vor.
D. Bundesrat I. Württemberg weist darauf hin, daß die Vorschrift im § 917 des Entwurfes erster Lesung über den Anspruch der Polizeibehörde auf Ersatz der zum Zwecke der Erhaltung und Verwahrung gefundener Sachen sowie zum Zwecke der Ermittelung des Verlierers und des Eigenthümers gemachten Aufwendungen in zweiter Lesung gestrichen sei. Württemberg spricht hierzu die Voraussetzung aus, daß, wie die etwaige Festsetzung von Gebühren, so auch die Bestimmung darüber, inwieweit der 7 8
§ 921 Abs. 1 wurde in § 910 einbezogen; s. bei § 965 BGB. Bei der Revision des Ε II war ein Antrag abgelehnt worden, in § 887 den Schluß zu fassen: . . . Vorschrift der §§ 913, 914 entsprechende Anwendung (Prot. II, Bd. 6, S. 236).
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Ε I-ZustRedKom § 914
Ε I-ZustRedKom § 922
§ § 973, 9 7 4
3. Abschnitt: Eigenthum
Behörde die erwachsenen Aufwendungen zu erstauen seien, als eine dem öffentlichen Rechte angehörige Frage der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibe. II. Bericht von Sieveking (Hamburg) vom 15. 10. 1895 Als berechtigt wurde einstimmig anerkannt eine Bemerkung Württembergs, daß durch die §§ 955, 957 (II, 885, 887) die Bestimmung darüber, in wieweit der Behörde die erwachsenen Aufwendungen zu erstatten seien, ebenso wie die etwaige Festsetzung von Gebühren als eine dem öffentlichen Recht angehörige Frage der Landesgesetzgebung nicht entzogen werde. III. Fassung des Beschlusses im Justizausschuß des Bundesrats: Zu §§ 955, 957 erkennt der Ausschuß die nach der Zusammenstellung Heft II S. 13 von Württemberg ausgesprochene Voraussetzung als zutreffend an.
§973 Mit dem Ablaufe eines Jahres nach der Anzeige des Fundes bei der Polizeibehörde erwirbt der Finder das Eigenthum an der Sache, es sei denn, daß vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht bei der Polizeibehörde angemeldet hat. Mit dem Erwerbe des Eigenthums erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache. Ist die Sache nicht mehr als drei Mark werth, so beginnt die einjährige Frist mit dem Funde. Der Finder erwirbt das Eigenthum nicht, wenn er den Fund auf Nachfrage verheimlicht. Die Anmeldung eines Rechtes bei der Polizeibehörde steht dem Erwerbe des Eigenthums nicht entgegen.
§974 Sind vor dem Ablaufe der einjährigen Frist Empfangsberechtigte dem Finder bekannt geworden oder haben sie bei einer Sache, die mehr als drei Mark werth ist, ihre Rechte bei der Polizeibehörde rechtzeitig angemeldet, so kann der Finder die Empfangsberechtigten nach den Vorschriften des § 1003 zur Erklärung über die ihm nach den §§ 970 bis 972 zustehenden Ansprüche auffordern. Mit dem Ablaufe der für die Erklärung bestimmten Frist erwirbt der Finder das Eigenthum und erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache, wenn nicht die Empfangsberechtigten sich rechtzeitig zu der Befriedigung der Ansprüche bereit erklären.
Α. 1. Kommission I. 334. Sitzung vom 13. 6. 1884, Schriftführer von | Prot I 4124 TE-SachR § 171
Liebe
| Der § 171 des Entwurfs lautet: „Sind die Nachforschungen nach dem Eigenthümer erfolglos geblieben, so hat die Polizeibehörde nach Ablauf eines Jahres seit der bei ihr gemachten Fundanzeige 736
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ § 973, 9 7 4
dem Finder auf dessen Antrag zu bescheinigen, daß der Eigenthümer nicht zu ermitteln sei. Aus besonderen Gründen kann die Polizeibehörde die Ausstellung der Bescheinigung bis zum Ablauf von drei Jahren seit der Fundanzeige verschieben. Nach der Aushändigung der Bescheinigung, und wenn die gefundene Sache der Polizeibehörde abgeliefert war, nach Rückgabe der | Sache an den Finder erlangt | Prot 14125 derselbe das Eigenthum der Sache. H a t der Finder der Anzeigepflicht nicht genügt, oder verzichtet er auf die Erwerbung des Eigenthums, so tritt an seine Stelle das Armengut der Gemeinde des Fundortes." Folgende Anträge waren gestellt: 1. Der Referent hatte beantragt, den dritten und vierten Absatz des § 171 dahin Johow zufassen: (Nr 118) „Mit der Aushändigung der Bescheinigung, und wenn die gefundene Sache an die Polizeibehörde abgeliefert war, mit der Rückgabe der Sache an den Finder erlangt derselbe das Eigenthum der Sache. H a t der Finder der Anzeigepflicht nicht genügt oder vorsätzlich die Anzeige eines Umstandes unterlassen, welcher zur Ermittelung des Eigenthümers geeignet war, so tritt an seine Stelle das Armengut der Gemeinde des Fundortes (oder vielleicht besser: diejenige Person, von welcher die sächlichen Kosten der Polizeibehörde bestritten werden). 2. den § 171 zu fassen: „Ist nach dem Ermessen der Polizeibehörde der Eigenthümer oder Verlierer der Sache nicht zu ermitteln, so hat sie dem Finder mitzutheilen, daß derselbe über die Sache verfügen könne, auf Antrag auch diese Mittheilung zu beurkunden. Vor Ablauf von drei Monaten nach der Anzeige des Fundes darf die Mittheilung nicht gemacht werden. Nach Ablauf von zwei Jahren nach der Anzeige des Fundes darf die Mittheilung nur verweigert werden, wenn inzwischen ein Dritter den Anspruch auf Herausgabe der Sache bei der Polizeibehörde angemeldet hat. Der Anspruch auf Herausgabe der Sache ist gegen den Finder geltend zu machen. Mit der Mittheilung der Polizeibehörde wird | der Finder Eigenthümer der Sache, es sei denn, daß ihm der bisherige Eigenthümer oder der Verlierer bekannt war, oder daß er die Anzeige eines Umstandes, welcher zur Ermittelung des Eigenthümers oder Verlierers geeignet war, vorsätzlich verschwiegen hat. Die Rechte derjenigen, welche vor der Mittheilung der Polizeibehörde den Anspruch auf Herausgabe der Sache bei dem Finder oder der Polizeibehörde angemeldet haben, bleiben unberührt. Sie erlöschen, wenn der Anspruch vor Ablauf von drei Monaten nach der Mittheilung der Polizeibehörde nicht durch Klage geltend gemacht wird." Bereits früher war beschlossen, daß die Eigenthumserwerbung des Finders nicht an eine Präklusion der Empfangsberechtigten durch ein im Aufgebotsverfahren erfolgendes Ausschlußurtheil, sondern an die Voraussetzung zu knüpfen sei, daß ein Empfangsberechtigter, Verlierer oder Eigenthümer, nicht ermittelt werde. Die nähere Bestimmung dieser Voraussetzung war vorbehalten. Beschlossen wurde nunmehr: 1. Die polizeiliche Feststellung, daß Anmeldungen nicht erfolgt sind, soll entsprechend dem Entwürfe Abs. 1 und in Abweichung von dem Antrage 2 Abs. 1 nur auf Antrag des Finders erfolgen. 737
Kurlbaum (Nr 122, 6)
(Nr 122, 7) | Prot 14126
§ § 973, 9 7 4
3. Abschnitt: Eigenthum
2. Die unter 1 gedachte Feststellung soll in einer dem Finder einzuhändigenden Bescheinigung erfolgen und nicht, wie der Antrag 2 Abs. 1 vorschlägt, auch mündlich erfolgen können. 3. Außer der Uebergabe der Bescheinigung soll nicht, wenn die Sache in den H ä n d e n der Behörde sich befindet, auch noch die Auslieferung der Sache an den Finder zur Erwerbung des Eigenthums durch den Finder erforderlich sein. | Prot I 4127
| 4. In Ansehung der Bestimmung der Fristen für die Ausstellung der Bescheinigung soll dem Entwürfe, dessen dritter Absatz durch den Antrag des Referenten nur in der Fassung verbessert ist, und nicht dem Antrage 2 gefolgt werden. Im Uebrigen galten die Absätze 1 und 3 des Entwurfs mit Rücksicht auf die in den Motiven S. 864 bis 870 angeführten Gründe als angenommen. Vorbehalten blieb, über den Abs. 4 und über weitere in dem Antrage 2 enthaltene Spezialitäten zu beschließen.
Erwogen war: Zu 1. Man müsse die Eigenthumserwerbung von dem Willen des Finders abhängig sein lassen. In der Fundanzeige allein könne noch nicht eine Erklärung des Willens, Eigenthum zu erwerben, gefunden werden. Dabei bleibe indessen nicht ausgeschlossen, daß der Finder im Voraus den Antrag stelle, ihn behufs seiner Eigenthumserwerbung später eventuell von der Erfolglosigkeit der polizeilichen Nachforschungen zu benachrichtigen. Sodann erscheine es angemessen, ein Zeugniß der Polizeibehörde dahin zu erfordern, daß Rechte nicht angemeldet seien. Liege nämlich eine Anmeldung vor, so dürfe der Polizeibehörde die Kognition nicht zustehen, ob und inwieweit dieselbe Rücksicht verdiene. Sei dagegen keine Anmeldung erfolgt, so könne gleichfalls von einer weiteren Kognition der Polizeibehörde, wer Verlierer oder Eigenthümer sei, nicht die Rede sein. Zu 2. Eine schriftliche Feststellung der Behörde sei zu verlangen, damit dieselbe von der anderen behördlichen Mittheilungen unterschieden werden könne, welche ohne die Absicht geschehen, den Finder über den Eintritt der Voraussetzungen seines Eigenthumserwerbes zu vergewissern. Zu 3. Sei die Bescheinigung ohne gleichzeitige Auslieferung der Sache ertheilt, | Prot I 4128 so erscheine die Beurthei-|lung gerechtfertigt, daß die Behörde sich mit der Ertheilung zur Inhaberin f ü r den Finder gemacht habe und die Sache zu dessen Verfügung halte. Damit sei der Finder, welcher den Antrag auf Ertheilung der Bescheinigung gestellt habe, Besitzer geworden. Folglich treffe der Grund für die abweichende Entscheidung des Entwurfs — Verhütung des Auseinanderfallens von Eigenthumserwerb und Besitzerwerb — nicht zu. Zu 4. Durch die kürzere Bemessung der Fristen für die Ausstellung der Bescheinigung, wie solche der Antrag 2 vorschlage, werde der Empfangsberechtigte in zu weit gehendem Maße gefährdet und seien deshalb die Vorschläge des Entwurfs über die Fristen vorzuziehen. Aus Anlaß der in Antrag 2 enthaltenen Vorschläge wurde über folgende Einzelnheiten in nachstehender Weise beschlossen: 1. H a t ein Empfangsberechtigter sich gemeldet, so soll die Bescheinigung von der Behörde nicht ertheilt werden dürfen (Antrag 2 Abs. 2 Satz 2). Man war der Ansicht: Der Entwurf lasse Zweifel bestehen, ob die Anmeldung von noch nicht bewiesenen Rechten den Eintritt der Voraussetzung ausschließe, daß die Nachforschungen erfolglos geblieben seien. Diesem Zweifel solle durch die beschlossene Vorschrift 738
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entgegen getreten werden. Wenn der Anmeldende in der Verfolgung seiner Rechte säumig sei, so werde hierdurch für den Finder kein Hinderniß geschaffen, welches er nicht — durch Anstellung der Klage auf Feststellung des Mangels der vom Anmeldenden zu beweisenden Empfangsberechtigung — zu beseitigen vermöchte. Einer Anmeldung bei dem Finder könne man die gleiche Wirkung nicht beimessen, da sie höchstens den Fin-|der in mala fides versetze und die hieran sich knüp- |Prot I 4129 fenden Folgen tragen lasse. 2. Der Finder soll die Sache lastenfrei erwerben. Ob dies im Gesetze besonders auszudrücken sei, bleibt der Prüfung bei der Redaktion vorbehalten. Man ging davon aus, daß der Grundsatz, nach welchem nicht ermittelte Rechte zu Gunsten des Finders vom Gesetze als nicht bestehend behandelt würden, nicht blos auf das Eigenthum, sondern auf alle Rechte an der Sache zu beziehen sei. Es blieb zu erledigen der von dem Referenten im Antrag 1 verbesserte letzte Absatz des Entwurfes, und der den gleichen Gegenstand betreffende letzte Absatz des Antrags 2. Es handelt sich darum, ob die Rechtsnorm f ü r den Fall eines besonderen Verhaltens des Finders eine Ausnahme erleiden solle, und ob für einen solchen Fall die Rechtsnorm über die Eigenthumserwerbung zessiren solle, oder ob der Finder zwar erwerben, aber wegen einer Pflichtverletzung seine Rechte zu Gunsten einer anderen Person wieder einbüßen solle. Folgende Beschlüsse wurden gefaßt: 1. Im Falle des Verzichtes des Finders soll im Einklänge mit einem bereits früher gefaßten Beschlüsse (S. 4109) an Stelle des Finders die Gemeinde des Fundortes treten. 2. Der Finder soll das Eigenthum, wenn auch die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen, nicht erlangen, wenn er die zu $ 166 beschlossene Anzeigepflicht verletzt hat. Neben der Verletzung der Anzeigepflicht soll nicht mit Antrag 1 der vorsätzlichen Unterlassung der Anzeige eines für die Ermittelung des Eigenthümers geeigneten Umstandes gedacht werden. | Erwogen war: |Prot 14130 Es sei nur konsequent, daß der Finder der Begünstigung des Gesetzes nur unter der Voraussetzung theilhaftig werde, daß er den Anforderungen desselben genügt habe. Welche Anforderungen das Gesetz in Ansehung der Anzeige an den Finder stelle, sei aus der zu § 166 beschlossenen Bestimmung zu entnehmen, und bedürfe die dort beschlossene Vorschrift nicht einer Ergänzung, wie solche Antrag 1 in Vorschlag bringe. Durch die beschlossene Bestimmung werde übrigens nicht der Polizeibehörde die Kognition eingeräumt, ob eine Verletzung der Anzeigepflicht vorliege, denn nach den zu Abs. 1 bis 3 beschlossenen Bestimmungen habe die Polizei nur eine Kognition, ob Anmeldungen erfolgt seien, nicht aber ob im Uebrigen ein besonderer Umstand der Eigenthumserwerbung entgegenstehe. 3. In dem Falle der unter 2 beschlossenen Bestimmung soll die Rechtsnorm über den Eigenthumserwerb des Finders einfach zessiren, nicht aber die Gemeinde an seine Stelle treten. Erwogen war: Die Pflichtverletzung des Finders diene zum Nachtheile des Empfangsberechtigten, dessen Ermittelung erschwert werde. Es liege mithin mehr in der Konsequenz, den Rechtsverlust zum Nachtheil des Empfangsberechtigten nicht eintreten zu lassen, als den Empfangsberechtigten sein Recht verlieren zu lassen, aber dem Finder 739
§ § 973, 974
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den Vortheil zu entziehen. In letzterem Verfahren würde eine Art von Privatstrafe liegen, ein Institut, welches in den neueren Gesetzgebungen thunlichst vermieden werde. 4. Die Rechtsnorm soll ferner in dem Falle der mala fides des Finders in Ansehung der dem Finder bekannt gewesenen Rechte zessiren. | Prot 14131 Die bloße Anmeldung eines Rechtes auf Herausgabe | der Sache bei dem Finder soll der Kenntniß von einem solchen Rechte nicht gleichgesetzt werden. Erwogen war: Möglich bleibe, daß eine Verletzung der Anzeigepflicht nicht anzunehmen sei, während doch dem Finder die Kenntniß eines an der Sache bestehenden Rechts nachgewiesen werden könne. Deshalb sei es erforderlich, für den Fall der mala fides eine weitere Ausnahme von dem Eintritte der Rechtsnorm zu machen. Dagegen würde man zu weit gehen, wenn man den Finder, gegen welchen bloße Rechtsbehauptungen aufgestellt seien, in Ansehung der ihm gegenüber behaupteten Rechte so behandeln wollte, als wäre er in mala fides 1 . | Prot I 4134 TE-SachR § 173
| Der § 173 des Entwurfs lautet: „Wird der erste Entdecker einer verlorenen Sache an der von ihm beabsichtigten sofortigen Inbesitznahme durch die Dazwischenkunft einer anderen Person gehindert, so geht er in Ansehung der Finderrechte auf Erlangung des Eigenthums und auf Fundlohn der anderen Person vor." Der Streichungsantrag war gestellt und wurde angenommen. Erwogen war: Die vorgeschlagene Vorschrift sei in ihrer Voraussetzung — „der erste Entdekker" — nicht genügend bestimmt und könne auch als innerlich gerechtfertigt nicht anerkannt werden. Dazu komme, daß für den ähnlichen Fall der Eigenthumserwerbung durch Zueignung von der Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift abgesehen sei, zu vergl. Prot. S. 4082. Für den Fall einer unerlaubten Handlung genügten die Vorschriften der §§ 698, 699 (K.E.). II. 1. Die Beschlüsse sind in der VorlZust „Zueignung"m
VorlZust § 5
§ 5 zusammengefaßt:
Ist bei der Polizeibehörde binnen Einem Jahre seit der Anzeige des Funds der Anspruch eines Dritten auf Herausgabe der Sache nicht angemeldet, so liegt der Polizeibehörde ob, hierüber dem Finder auf dessen Antrag ein schriftliches Zeugniß zu ertheilen. Aus besonderen Gründen kann die Polizeibehörde die Ertheilung des Zeugnisses bis zum Ablauf von drei Jahren seit der Anzeige des Fundes aussetzen. Mit der Aushändigung des Zeugnisses erwirbt der Finder das (belastungsfreie — von Belastungen freie) Eigenthum der Sache. Die Aushändigung des Zeugnisses ist wirkungslos, wenn von dem Finder die Anzeigepflicht verletzt worden war; sie läßt auch die Rechte unberührt, welche dem Finder bekannt waren. (NB. Zum § 5. 1. Die Fassung ergiebt zur Genüge, daß das Zeugniß nicht ertheilt werden darf, wenn eine Anmeldung vorliegt. Ist ein Recht angemeldet, so gebührt die Kognition dem Richter, an welchen der Finder sich im Prozeßwege wenden mag. 2. Ist nur über stattgehabte Anmeldungen zu befinden, so darf um so mehr die Ertheilung eines Zeugnisses bestimmt werden. 1
Die Beratung des § 172 des Entw. s. bei §§ 970—972, 975—977 BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§ § 973, 974
3. Im Falle der Verletzung der Anzeigepflicht bleiben ungeachtet der Ertheilung des Zeugnisses die bisherigen Rechte bestehen.) 2., 3. In der RedVorl § 900 2 und in der ZustSachR § 899 lauten die Bestimmungen: Ist bei der Polizeibehörde binnen Jahresfrist seit der Anzeige des Fundes ein An- RedVorl § 900 spruch auf Herausgabe der Sache nicht angemeldet ( R e d V o r l : kein Anspruch auf ZustSachR § 899 H e r a u s g a b e der Sache . . . angemeldet), so hat die Polizeibehörde dem Finder auf dessen Antrag, ein schriftliches Zeugniß ( R e d V o r l : eine Bescheinigung) zu ertheilen. Aus besonderen Gründen kann die Polizeibehörde die Ertheilung des Zeugnisses {RedVorl: der Bescheinigung) bis zum Ablaufe von drei Jahren seit der Anzeige des Fundes aussetzen. Mit der Aushändigung des Zeugnisses ( R e d V o r l : der Bescheinigung) an den Finder erwirbt derselbe das Eigenthum an der Sache, auch ( R e d V o r l : Sache und) erlöschen alle Rechte Dritter, welche bisher an der Sache bestanden ( R e d V o r l : und dem Finder nicht bekannt waren.) haben. Die Aushändigung des Zeugnisses ( R e d V o r l : der Bescheinigung) hat die in dem dritten Absätze bestimmte W i r k u n g nicht, wenn der Finder die Anzeigepflicht (§ 891) ( R e d V o r l : § 892) verletzt hat. (ZustSachR:; sie läßt auch die Rechte unberührt, welche dem Finder bekannt waren.) III., IV. Bei der Redaktion des K E w u r d e zu § 899 Abs. 1 der Antrag gestellt, die Vorschrift zu fassen: „Wird bei der Polizeibehörde ein Anspruch auf Herausgabe der Sache nicht angemeldet o d e r verweigert der Empfangsberechtigte die Annahme der Sache gegen Befriedigung des Finders wegen der in § 895 bezeichneten Ansprüche, so hat die Polizeibehörde hierüber nach Ablauf eines Jahres seit der Anzeige des Fundes dem Finder auf dessen Antrag ein schriftliches Zeugnis zu erteilen." Die Kom. beschloß, den Absatz zu fassen: „Wird bei der Polizeibehörde ein Anspruch auf Herausgabe der Sache nicht angemeldet, so h a t . . ." (wie im Antrag). In § 899 Abs. 3 wurde auf Antrag der Schlußsatz gefaßt: „Sache; zugleich erlöschen alle sonstigen an der Sache bisher begründeten Rechte." Auf einen im Laufe der Beratung gestellten Antrag w u r d e schließlich in § 899 Abs. 4 statt: „die Anzeigepflicht (§ 891)" gesetzt: „die in § 891 bezeichnete Anzeigepflicht." (Prot I 6223, 6229, 6264, 6270, 6274). Mit diesen Änderungen ist die V o r schrift im § 899 K E enthalten. Bei der Revision des K E waren die Anträge gestellt, | zu §§ 896, 899, 901, 3
a, den Abs. 2 des § 896 dahin zu ändern: „Wird von den Empfangsberechtigten die Abnahme der Sache gegen Befriedigung des Finders noch nach Ablauf der im § 899 bezeichneten Frist verweigert, so erlöschen die Ansprüche der ersteren, einschließlich des Anspruches auf H e r a u s gabe der Bereicherung." (Bemerkungen. „Ansprüche" statt „Rechte", weil das Eigenthum des Empfangsberechtigten nicht schon mit der Verweigerung | auf den Finder übergehen soll. 2
3
Begründung: „Schriftliches Zeugniß" oder „Bescheinigung"? Letzteres entspricht der reichsgesetzlichen Terminologie, vgl. Civ. Pr.O. § 155 Abs. 2, $ 634 Abs. 2; Konk.O. § 75 Abs. 2; Strafpr.O. SS 420, 483; Gew.O. § 15. S. bei SS 970 ff. BGB. 741
Kurlbaum (Nr 434, 42)
Kurlbaum (Nr 438, 3)
| Prot I 11961 v. Mandry (Nr 449, 20) v. Weber (Nr 462, 1)
I Prot I 11962
§ § 973, 9 7 4
3. Abschnitt: Eigenthum
Prot. S. 4123. Der Zusatz „einschließlich . . . Bereicherung", weil nach dem Prot. S. 4123 und 4124 nicht unzweifelhaft ist, wie es sich mit diesem Ansprüche verhalten soll; vergl. indessen namentl. den Anschluß an den § 188 des Sachenrechts — Entwurfs.) b, den Abs. 1 des § 899 zu fassen: „ H a t sich bei der Polizeibehörde ein Empfangsberechtigter nicht gemeldet, so hat pp (wie im K.E.) zu ertheilen. Wird die Empfangsberechtigung eines sich Anmeldenden (Wird ein angemeldeter Anspruch) von dem Finder bestritten, so darf das Zeugniß nicht vor Erledigung dieses Streites ausgestellt werden;" Planck c, den Abs. 2 des § 896 zu streichen und statt dessen dem § 899 folgende Absätze (Nr 459) hinzuzufügen: „Ist bei der Polizeibehörde ein Anspruch auf Herausgabe der Sache angemeldet, so hat die Polizeibehörde nach Ablauf der in Abs. 1 und 2 bezeichneten Frist dem Finder auf dessen Antrag ein Zeugniß darüber zu ertheilen, daß andere Ansprüche als der angemeldete nicht angemeldet seien. Die in dem dritten Absätze bezeichneten Wirkungen der Aushändigung des Zeugnisses an den Finder treten in diesem Falle nur unter Vorbehalt des angemeldeten Anspruches ein. Wird von dem Empfangsberechtigten die Abnahme der Sache gegen Befriedi| Prot I 11963 gung des Finders wegen der Ansprüche | desselben noch nach Aushändigung des Zeugnisses der Polizeibehörde an den Finder verweigert, so erlöschen die Rechte des ersteren und steht demselben der im § 9014 bezeichnete Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung gegen den Finder nicht zu." Bei Prüfung der Anträge überzeugte man sich, daß die in dem Antrage c vorgeschlagene Regelung das Verhältniß erheblich vereinfache, namentlich die nach dem Entwürfe bestehende Unzuträglichkeit beseitige, welche darin liege, daß die Polizeibehörde, wenn ein Anspruch angemeldet sei, das Zeugniß nicht beziehungsweise erst nach rechtskräftiger Erledigung dieses Anspruches ertheilen dürfe. Nachdem deshalb der Antrag c im Prinzip gebilligt war, verständigte man sich, unter Streichung des Abs. 2 in dem § 896, aus den Vorschriften des 5 899 und des Antrages c drei Paragraphen zu bilden und diese Paragraphen sowie den §901 Abs. 1 wie folgt zu fassen: ν. W e b e r (Nr 462, 2)
§ 899 Abs. 1, 2, 3 wie bisher (mit Wegfall des Abs. 4). § 899 a. „Ist bei der Polizeibehörde ein Anspruch auf Herausgabe der Sache angemeldet, so hat die Polizeibehörde nach Ablauf der im § 899 Abs. 1, 2 bezeichneten Fristen dem Finder auf dessen Antrag das Zeugniß dahin zu ertheilen, daß andere Ansprüche als der angemeldete nicht angemeldet sind. Die im § 899 Abs. 3 bezeichneten Wirkungen der Aushändigung des Zeugnisses an den Finder treten in | Prot I 11964 diesem Falle unter Vorbehalt des | angemeldeten Anspruches ein. Wird von dem Empfangsberechtigten die Annahme der Sache gegen Befriedigung des Finders wegen der Ansprüche desselben noch nach Aushändigung des Zeugnisses der Polizeibehörde an den Finder verweigert, so erlöschen die dem ersteren zustehenden Rechte." § 899 b. „Die Aushändigung des Zeugnisses der Polizeibehörde hat die im § 899 Abs. 3 und im § 899 a Abs. 1 bezeichneten Wirkungen nicht, wenn . . ." (wie in dem bisherigen Abs. 4 des § 899.) § 901 Abs. 1. „Der Finder, welcher in Gemäßheit der §§ 899 bis 900 . . . verpflichtet. Der Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung steht demjenigen nicht zu, dessen Rechte nach § 899 a erloschen sind." 4
S. bei SS 970 ff. BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
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Die Anträge a und b sind durch den gefaßten Beschluß erledigt. Gemäß den Beschlüssen der Kom. sind § 899 Abs. 1 — 3 als §918, § 899a als §919 und § 899 b als § 920 im Ε / e n t h a l t e n .
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 2 6 8 - 2 7 2 ; Mugdan, Bd. 3, S. 662 ff.) a) Im Anschluß an den §915 5 wurden die Anträge erörtert, welche den § 9 1 9 Abs. 2 in neuer Fassung dem § 915 folgen lassen wollen. Es war vorgeschlagen: 1. an Stelle des § 919 Abs. 2 dem § 915 als Abs. 2 anzufügen: Jacubezky Verweigert der Empfangsberechtigte die Abnahme der Sache gegen Befriedi- (Nr 70, 2) gung des Finders, so erlischt sein Anspruch auf Herausgabe. Mit dem Erlöschen der Ansprüche aller Empfangsberechtigten erwirbt der Finder das Eigenthum; zugleich erlöschen alle sonstigen an der Sache bisher begründeten Rechte. Der Verweigerung der Abnahme steht es gleich, wenn der Empfangsberechtigte nicht innerhalb einer ihm von dem Finder bestimmten angemessenen Frist die H e r ausgabe oder die öffentliche Versteigerung der Sache verlangt. Die Versteigerung hat durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten oder einen öffentlich angestellten Versteigerer zu erfolgen. Die Kosten der Versteigerung hat der Empfangsberechtigte zu tragen und auf Verlangen des Finders vorzuschießen; wird der V o r schuß nicht unverzüglich geleistet, so ist das Verlangen der Versteigerung unwirksam. Struckmann 2. als § 915a zu bestimmen: Wird von dem Empfangsberechtigten die Abnahme der Sache gegen Befriedi- (Nr 71, 3) gung des Finders verweigert, so geht, wenn der Empfangsberechtigte Eigenthümer der Sache ist, das Eigenthum an der Sache auf den Finder über; ist der Empfangsberechtigte nicht Eigenthümer der Sache, so erlöschen die sonstigen ihm an der Sache zustehenden Rechte. Der Verweigerung steht es gleich, wenn der Empfangsberechtigte nach Empfang einer Aufforderung des Finders nicht binnen einer angemessenen Frist die Sache abnimmt. Bestreitet der Empfangsberechtigte die Ansprüche des Finders, so treten die im Abs. 1 bestimmten Wirkungen nur dann ein, wenn die Abnahme der Sache von ihm verweigert wird, nachdem die Ansprüche des Finders durch Urtheil rechtskräftig festgestellt sind. Küntzel 3. dem § 915 als Abs. 2 anzufügen: Verweigert ein Empfangsberechtigter die Abnahme der Sache gegen Befriedi- (Nr 73, 5) gung des Finders wegen der Ansprüche desselben, so gehen die dem ersteren an der Sache zustehenden Rechte auf den Finder über.
4. an Stelle des § 919 Abs. 2 dem § 915 folgenden Zusatz zu geben: Planck Der Empfänger kann sich jedoch, wenn der Umfang der Ansprüche nicht be- (Nr 72, 1) zeichnet ist, von denselben durch Rückgabe der Sache befreien. Wird von dem Empfangsberechtigten die Abnahme der Sache gegen Befriedigung des Finders wegen der Ansprüche desselben verweigert oder wird von ihm die Sache zurückgegeben, so erlöschen die ihm an der Sache zustehenden Rechte. 5
S. bei §§ 970 ff. BGB.
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§ § 973, 9 7 4
3. Abschnitt: Eigenthum
5. der Antrag 2, der bei §§ 970 ff. BGB unter b wiedergegeben ist; 6. im Antrag 1 den Satz 2 des Abs. 1 zu streichen; 7. dem Antrag 1 hinzuzufügen: Der Verweigerung der Abnahme steht es gleich, wenn der Empfangsberechtigte nicht innerhalb einer ihm von dem Finder bestimmten angemessenen Frist die Sache gegen Befriedigung des Finders wegen seiner Ansprüche abnimmt oder, falls er die Ansprüche bestreitet, gegen den Finder Klage auf Herausgabe der Sache erhebt. A. Die Erörterung beschränkte sich zunächst auf den Abs. 1 des Antrags 1. Die Anträge 3, 4 und 5 wurden zurückgezogen, und zwar die Anträge 3 und 4 zu Gunsten des Antrags 1. Der Antragsteller zu 1 ließ die auf die Versteigerung bezügliche Bestimmung zunächst fallen. Der Antrag 1 Abs. 1 Satz 1 wurde nach dem Antrage 6 angenommen. B. Die Anträge 1 und 2 ergänzen den Entw. ferner dahin, daß sie der Verweigerung der Abnahme den Fall gleichstellen, wenn der Empfangsberechtigte der Aufforderung ungeachtet seinen Anspruch auf Herausgabe nicht binnen einer angemessenen Frist geltend macht. Die Komm, stimmte dieser Erweiterung zu. Der Antrag 2 trifft noch Vorsorge für den Fall, daß der Empfangsberechtigte den Anspruch des Finders aus §914 bestreitet; alsdann soll der Finder gegen den Empfangsberechtigten Klage auf Feststellung seiner Ansprüche erheben und erst, wenn er ein rechtskräftiges Urtheil erstritten hat und nunmehr der Empfangsberechtigte die Abnahme der Sache verweigert, sollen die Ansprüche des Empfangsberechtigten gemäß Abs. 1 erlöschen. Der Antragsteller zu 7 bezweifelte die Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage; jedenfalls aber, führte derselbe aus, sei es unbillig, dem Finder zuzumuthen, eine Klage zu erheben; erkenne der Empfangsberechtigte die Ansprüche des Finders nicht an, so möge er seinerseits gegen den Finder Klage erheben. Die Komm, nahm nach Ablehnung des Antrags 2 den der vorstehenden Auffassung entsprechenden Antrag 7 an. b) Zu den den Eigenthumserwerb des Finders regelnden §§918 bis 920 lag der Antrag vor: Struckmann folgende Vorschriften zu beschließen: (Nr 71,4) i s t innerhalb eines Jahres seit der von dem Finder nach Maßgabe des § 910 gemachten Anzeige bei der Polizeibehörde ein Anspruch auf Herausgabe der Sache nicht angemeldet, so erwirbt der Finder das Eigenthum an der Sache; zugleich erlöschen alle sonstigen an der Sache bisher begründeten Rechte. Die im Abs. 1 bestimmten Wirkungen treten nicht ein in Ansehung solcher Rechte, die dem Finder vor dem Ablaufe des Jahres bekannt geworden sind. Ist innerhalb des Jahres bei der Polizeibehörde ein Anspruch auf Herausgabe der Sache angemeldet, so treten die im Abs. 1 bestimmten Wirkungen nur unter dem Vorbehalte des angemeldeten Anspruchs ein. Der Antrag wurde angenommen. II. In der VorlZust stimmt § 918 wörtlich mit dem unter b wiedergegebenen Antrag überein. § 915 a ist gefaßt: Ε I-VorlZust Verweigert der Empfangsberechtigte die Abnahme der Sache gegen Befriedi§ 915a gung des Finders oder giebt er sie (nach Maßgabe des § 915 Abs. 2 Satz 2) zurück, so erlischt sein Anspruch auf die Herausgabe. Der Verweigerung der Abnahme steht es gleich, wenn der Empfangsberechtigte nicht innerhalb einer ihm von dem Finder unter Angabe des Betrages (oder: Umfan744
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § §
978—983
ges) seiner Ansprüche bestimmten angemessenen Frist die Sache gegen Befriedigung des Finders wegen seiner Ansprüche abnimmt, oder falls er die Ansprüche bestreitet, gegen den Finder Klage auf Herausgabe der Sache erhebt. III., I V . - V . In der ZustRedKom ten die Vorschriften :
als §§ 918, 918 a und im Ε / / a l s §§ 888, 889 lau-
Mit dem Ablauf eines Jahres nach der Anzeige des Fundes bei der Polizeibehörde erwirbt der Finder das Eigenthum an der Sache, es sei denn, daß vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht bei der Polizeibehörde angemeldet hat. Mit dem Erwerbe des Eigenthums erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache. Beträgt der Werth der Sache nicht mehr als drei Mark (Ε II: Ist die Sache nicht mehr als drei Mark werth), so beginnt die einjährige Frist mit dem Funde. Der Finder erwirbt das Eigenthum nicht, wenn er den Fund auf Nachfrage verheimlicht hat. (Ε II: Die Anmeldung eines Rechtes bei der Polizeibehörde steht dem Erwerbe des Eigenthums nicht entgegen.) Sind innerhalb der im §918 Abs. 1 bestimmten ( E l l : einjährigen) Frist Empfangsberechtigte dem Finder bekannt geworden oder haben sie ( E l l : bei einer Sache, die mehr als drei Mark werth ist,) ihre Rechte bei der Polizeibehörde rechtzeitig angemeldet, so erwirbt der Finder das Eigenthum und erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache dann, wenn die Empfangsberechtigten sich auf die Aufforderung des Finders nicht zur Befriedigung der dem Finder nach den §§914 bis 915 ( E l l : §§ 885 — 887) zustehenden Ansprüche bereit erklären. Die Aufforderung hat nach Maßgabe des § 938 a Abs. 1, 3 ( E l l : nach den Vorschriften des § 914 Abs. 1, 3) zu erfolgen. V. Bei der Revision des Ε II lag der Antrag vor, den § 889 zu streichen, eventuell den Eingang zu fassen: Sind vor dem Ablaufe der einjährigen Frist u.s.w. Der eventuelle Antrag wurde angenommen (Prot. II, Bd. 6, S. 236). Im Ε II rev §§ 958, 959 (Ε / / / § § 957, 958) liegt die in §§ 973, 974 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
§978 Wer eine Sache in den Geschäftsräumen oder den Beförderungsmitteln einer öffentlichen Behörde oder einer dem öffentlichen Verkehre dienenden Verkehrsanstalt findet und an sich nimmt, hat die Sache unverzüglich an die Behörde oder die Verkehrsanstalt oder einen ihrer Angestellten abzuliefern. Die Vorschriften der §§ 965 bis 977 finden keine Anwendung.
§ 979 Die Behörde oder die Verkehrsanstalt kann die an sie abgelieferte Sache öffentlich versteigern lassen. Die öffentlichen Behörden und die Verkehrsanstalten des Reichs, der Bundesstaaten und der Gemeinden können die Versteigerungen durch einen ihrer Beamten vornehmen lassen. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache. 745
Ε I-ZustRedKom Ε II § 888
Ε I-ZustRedKom §918a ^ ^ § 889
§§ 978—983
3. Abschnitt: Eigenthum § 980
Die Versteigerung ist erst zulässig, nachdem die Empfangsberechtigten in einer öffentlichen Bekanntmachung des Fundes zur Anmeldung ihrer Rechte unter Bestimmung einer Frist aufgefordert worden sind und die Frist verstrichen ist; sie ist unzulässig, wenn eine Anmeldung rechtzeitig erfolgt ist. Die Bekanntmachung ist nicht erforderlich, wenn der Verderb der Sache zu besorgen oder die Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden ist.
§981 Sind seit dem Ablaufe der in der öffentlichen Bekanntmachung bestimmten Frist drei Jahre verstrichen, so fällt der Versteigerungserlös, wenn nicht ein Empfangsberechtigter sein Recht angemeldet hat, bei Reichsbehörden und Reichsanstalten an den Reichsfiskus, bei Landesbehörden und Landesanstalten an den Fiskus des Bundesstaats, bei Gemeindebehörden und Gemeindeanstalten an die Gemeinde, bei Verkehrsanstalten, die von einer Privatperson betrieben werden, an diese. Ist die Versteigerung ohne die öffentliche Bekanntmachung erfolgt, so beginnt die dreijährige Frist erst, nachdem die Empfangsberechtigten in einer öffentlichen Bekanntmachung des Fundes zur Anmeldung ihrer Rechte angefordert worden sind. Das Gleiche gilt, wenn gefundenes Geld abgeliefert worden ist. Die Kosten werden von dem herauszugebenden Betrag abgezogen.
§982 Die in den §§ 980, 981 vorgeschriebene Bekanntmachung erfolgt bei Reichsbehörden und Reichsanstalten nach den von dem Bundesrath, in den übrigen Fällen nach den von der Zentralbehörde des Bundesstaats erlassenen Vorschriften.
§983 Ist eine öffentliche Behörde im Besitz einer Sache, zu deren Herausgabe sie verpflichtet ist, ohne daß die Verpflichtung auf Vertrag beruht, so finden, wenn der Behörde der Empfangsberechtigte oder dessen Aufenthalt unbekannt ist, die Vorschriften der §§ 979 bis 982 entsprechende Anwendung.
Α. 1. Kommission I. 335. Sitzung vom 16. 6. 1884, Schriftführer | Prot I 4139
Achilles
| Die heute fortgesetzte Berathung' des Sachenrechtsentwurfes Abschnitt III T i tel 4 Abtheilung V I bezog sich auf die drei letzten Paragraphen dieser Abtheilung. D e r Wortlaut derselben ist :
TE-SachR § 175
§ 175. „Auf Sachen, welche in den Geschäftsräumen und Transportmitteln einer öffentlichen Behörde oder einer öffentlichen Verkehrsanstalt (eines Eisenbahn-, Pfer1
Die vorhergehende Beratung s. bei § 984 BGB.
746
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § § 9 7 8 — 9 8 3
debahn-, Dampfschifffahrts-Unternehmens und dgl.) gefunden worden sind, finden die §§ 165—173 keine Anwendung. Solche Sachen sind von demjenigen, welcher sie an sich nimmt, an einen dienstthuenden Beamten der Behörde oder der Verkehrsanstalt und von diesem Beamten an die vorgesetzte Dienststelle abzuliefern. Dieselben fallen sodann unter die Vorschriften der §§ 176 und 177". §176. „Fremde Sachen, welche in den Gewahrsam einer öffentlichen Behörde gelangt TE-SachR § 176 sind, und zu welchen ein Empfangsberechtigter oder der Aufenthaltsort des bekannten Empfangsberechtigten trotz gehöriger Bekanntmachung nicht zu ermitteln ist, können, soweit nicht vertragsmäßige Verbindlichkeiten der Behörde entgegenstehen, nach Ablauf der in der Bekanntmachung zu bezeichnenden | Frist in öffentli- | Prot I 4140 eher Versteigerung verkauft werden. Der Verkaufserlös fällt an diejenige juristische Person, von welcher die sächlichen Kosten der Behörde bestritten werden, ist jedoch dem Empfangsberechtigten, wenn derselbe sich innerhalb dreier Jahre seit der Versteigerung meldet, unter Abzug der Kosten zurückzubezahlen. Die Bekanntmachung behufs Ermittelung eines Empfangsberechtigten ist gehörig erfolgt, wenn sie an der Bekanntmachungstafel der Behörde vierzehn Tage lang ausgehangen hat. Die Abhebungsfrist ist nicht unter drei Monate zu bestimmen. Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes können im Verordnungswege ergänzt und abgeändert werden, und zwar soweit das Reich für Erlassung von Dienstvorschriften zuständig ist, von dem Bundesrathe, im Uebrigen von den Landesregierungen." § 177. „Die Bestimmungen des § 176 finden auf fremde Sachen, welche in den Gewahr- TE-SachR § 177 sam einer öffentlichen, aber im Privateigenthum stehenden Verkehrsanstalt (Eisenbahn·, Pferdebahn-, Dampfschifffahrts-Unternehmen u. dgl.) gelangt sind, entsprechende Anwendung. Die Aufforderung des Empfangsberechtigten zur Abhebung ist in diesem Falle auf Kosten der Verkehrsanstalt von derjenigen öffentlichen Behörde zu erlassen, welcher die Aufsicht über den Betrieb der Verkehrsanstalt zusteht. Der Verkaufserlös verbleibt der Verkehrsanstalt mit Vorbehalt des im § 176 Absatz 2 bestimmten Rückforderungsrechtes." Beantragt war: 1. von einer Seite, die §§ 175 —177 zu streichen und statt derselben Folgendes zu Kurlbaum beschließen: (Nr 127) „Will der Inhaber einer fremden Sache, deren Herausgabe von ihm gefordert werden kann, die Sache | herausgeben, so finden unbeschadet der Wirkungen eines | Prot 14141 bestehenden Schuldverhältnisses die Bestimmungen der §§ 252 bis 260, 270 bis 278 2 entsprechende Anwendung." (N.B. Die Stellung der Vorschrift würde vorbehalten bleiben.) 2. von anderer Seite, die §§ 175 und 176 durch folgenden Paragraphen zu erset- Gebhard zen: (Nr 126) „Auf Sachen, welche in den Geschäftsräumen einer öffentlichen Behörde oder in den Betriebsmitteln einer öffentlichen Verkehrsanstalt gefunden werden, finden die vorstehenden §5 keine Anwendung. Gemeint sind die Vorschriften des KE; s. bei §§ 298 — 304 und 372—386 BGB.
747
§§ 9 7 8 - 9 8 3
3. Abschnitt: Eigenthum
W e r solche Sachen an sich nimmt, ist verpflichtet, dieselben unverzüglich an einen im Dienste befindlichen Beamten der Behörde abzuliefern. Die Behörde ist verpflichtet, für die Erhaltung und Verwahrung der Sache zu sorgen. Läßt sich der Empfangsberechtigte oder der Aufenthalt des bekannten Empfangsberechtigten trotz erlassener öffentlicher Bekanntmachung nicht ermitteln, so ist die Behörde befugt, die Sache nach Ablauf der in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Frist in öffentlicher Versteigerung verkaufen zu lassen. Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder ist deren Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so kann die Versteigerung ohne vorgängige Bekanntmachung erfolgen. Die Vorschriften über die Bekanntmachung werden im Verordnungswege erlassen und zwar (wie § 176 Abs. 4). Der Verkaufserlös pp. (wie § 176 Abs. 3)." Zur Begründung des Antrages 1, auf welchen die Beschlußfassung zunächst beschränkt wurde, bemerkte der Antragsteller: Er gehe davon aus, daß die Anwendung der zu den 165 —173 beschlossenen Bestimmungen auf Sachen, welche in Geschäftsräumen oder in Transportmitteln | Prot I 4142 öffentlicher Behörden und | Verkehrsanstalten gefunden werden, zu befriedigenden Ergebnissen führe. Bezüglich solcher Sachen hingegen, welche nicht als gefunden anzusehen seien, befänden sich Aktiengesellschaften, ζ. B. große Banken, ja auch Privatpersonen in der nämlichen Lage, wie Behörden und Verkehrsanstalten, wenn die Aushändigung einer in ihren Gewahrsam gelangten Sache auf Schwierigkeiten stoße. Wolle man hier helfen, so müsse ein allgemeinerer Gesichtspunkt in's Auge gefaßt werden. Diesen Gesichtspunkt zeige der Antrag, indem er den Inhaber in dem vorausgesetzten Falle gleich wie den Schuldner beim Verzuge des Gläubigers zur Hinterlegung und, wenn die Sache nicht hinterlegungsfähig sei, nach Maßgabe des K.E. § 276 zum Verkauf der Sache ermächtigen wolle. Die Kommission beschloß die Ablehnung des Antrages, soweit derselbe die §§ 175—177 zu ersetzen bezweckte. Die Gründe waren: Die Anwendung der zu den §§ 165—173 des Entwurfes gefaßten Beschlüsse auf die Fälle des Findens in den Geschäftsräumen oder den Transportmitteln öffentlicher Behörden und Verkehrsanstalten wäre wenig angemessen, da sie eine ausreichende Gewähr für die Sicherstellung des Publikums gegen Verluste nicht bieten würde. Es würde damit namentlich die Gefahr verbunden sein, daß dienstthuende Beamte der Behörde oder der Anstalt sowie auch unbetheiligte Personen die thatsächlichen Verhältnisse benutzten, um Sachen, welche der Inhaber nur vorübergehend unbeaufsichtigt ließe, an sich zu nehmen und auf diese Weise einen Fundlohn zu gewinnen oder gar die Sache zu erwerben beziehungsweise zu unterschlagen. Das Vertrauen des Publikums, welches die gedachten Behörden und Anstalten in Anspruch nehmen, fordere dringend, daß Sachen, welche Jemand in einem Geschäftsraum oder Transportmittel der Behörde oder der Anstalt verliere, so behandelt werden, als seien sie unter die Obhut der Dienst thuenden Beamten gestellt. | Prot 14143 | Daher dürfe demjenigen, welcher eine solche Sache an sich nehme, nicht die Rechtsstellung als Finder im Sinne der bisherigen Beschlüsse eingeräumt werden. Wollte man den Antrag — was übrigens nach der Erläuterung des Antragsstellers nicht bezweckt sei — so auffassen, daß derselbe sich auch auf gefundene Sachen beziehe, so daß der Finder die Wahl habe, sich nach den bisher beschlossenen Vorschriften über gefundene Sachen oder nach der beantragten Bestimmung zu richten, 748
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § § 9 7 8 — 9 8 3
so würde dies nicht nur wenig angemessen, sondern auch mit den in dem Antrage in Bezug genommenen Paragraphen des K.E. schwer vereinbar sein. Seien daher diese Sachen, wenn sie in den Geschäftsräumen oder den Transportmitteln öffentlicher Behörden und Verkehrsanstalten verloren seien, dem Fundrechte nicht zu unterwerfen, vielmehr ebenso zu behandeln wie andere in den Gewahrsam der Behörde oder der Anstalt gelangte Sachen, so frage es sich nur, ob die von dem Antrage empfohlene Art und Weise der Behandlung solcher Sachen angemessen sei. Diese Frage aber müsse verneint werden. Zunächst stehe dem Antrage das Bedenken entgegen, daß die Verpflichtung einer Behörde zur Herausgabe von Sachen, welche in ihren Gewahrsam gelangt seien, an den Empfangsberechtigten ihren Grund in dem öffentlichen Rechte habe und folglich nicht nach den privatrechtlichen Bestimmungen des K.E. §§ 252—260, 270—278 beurtheilt werden könne. Sodann aber seien diese Bestimmungen weder zum Schutze der Eigenthümer und sonstigen Berechtigten genügend noch auch ausreichend, um der Behörde oder der Anstalt aus der Verlegenheit zu helfen. In einem großen Theile des Reiches seien nur baares Geld, Werthpapiere und Kostbarkeiten zur (öffentlichen) Hinterlegung geeignete Gegenstände, und zum Verkaufe einer nicht hinterlegungsfähigen Sache dürfe nach dem K.E. § 276 der Schuldner nur schreiten, wenn der Verderb der Sache zu besorgen oder die Aufbewahrung derselben mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden sei. Es handele sich aber hier nicht selten, vielleicht | in | Prot I 4144 den meisten Fällen, gerade um Sachen, welche weder zu dieser noch zu jener Kategorie zu rechnen, mithin auf unbestimmte Zeit von der Behörde oder der Anstalt aufzubewahren seien, wenn nicht das Gesetz ein Mittel biete, sich ihrer zu entledigen. Soweit der Antrag über die Fälle der §§ 175 —177 hinausgreife, könne er an der vorliegenden Stelle nicht erledigt werden; dem Antragsteller müsse überlassen bleiben, ihn an geeigneterem Orte zu wiederholen, und würde dann das vorgeschlagene, keineswegs unbedenkliche Prinzip zu prüfen sein. Die Berathung des Entwurfes und des Antrages 2 gelangte in der heutigen Sitzung nicht zum Abschluß. 336. Sitzung vom 18. 6. 1884, Schriftführer Achilles | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfes Abschn. III wurde fortgesetzt. Zur | Prot 14145 Erledigung gelangten zunächst die noch von den „gefundenen Sachen" handelnden §§ 175 —177, sodann von dem 5. Titel, welcher die Ueberschrift „Eigenthumsanspruch" führt, die §§ 178 und 179. I. Bezüglich der §§ 175—177 war die Mehrheit der Ansicht, daß, nachdem in der vorigen Sitzung der in dem Protokoll S. 4140 mitgetheilte Antrag 1 abgelehnt worden, die Vorschläge des Entwurfes den zu treffenden Bestimmungen zu Grunde gelegt werden müßten. 1. Zu dem § 175, auf welchen sich der a. a. O. S. 4141 wörtlich wiedergegebene Antrag 2 Abs. 1 und 2 bezieht, war im Laufe der Berathung noch beantragt: a, die Bestimmungen auf die in den geschlossenen Geschäftsräumen einer öffentlichen Behörde und in den Transportmitteln einer öffentlichen Verkehrsanstalt gefundenen Sachen zu beschränken; b, dem Finder die Ablieferung der Sache auch an die Polizeibehörde zu gestatten; c, die unverzügliche Ablieferung an die Behörde oder die Anstalt oder an einen Beamten der Behörde oder der Anstalt vorzuschreiben; 749
§§ 978-983
3. Abschnitt: Eigenthum
d, von der Verpflichtung des Beamten zur Ablieferung der ihm übergebenen Sache an die vorgesetzte Dienststelle zu schweigen; | Prot I 4146 | e, in dem Schlußsatze das Wort „sodann" zu streichen. Die Kommission beschloß, die Anträge a und b abzulehnen, dagegen c, d und e und im Uebrigen den Entwurf anzunehmen. Die Vorschläge des Antrages 2 Abs. 1 und 2 sind hierdurch erledigt. Bei der Beschlußfassung hatte die Mehrheit erwogen: Den Ausführungen der Motive S. 880 und 881, daß die in den Geschäftsräumen und Transportmitteln öffentlicher Behörden und Verkehrsanstalten gefundenen Sachen nicht nach den zu den §§ 165—173 beschlossenen Bestimmungen zu behandeln, sondern an die Behörde oder die Anstalt abzuliefern seien, müsse, wie auch die Begründung der Ablehnung des Antrages 1 ergebe, im Allgemeinen beigepflichtet werden. Wolle man aber einmal die Ausnahme, so wäre es wenig angemessen, dieselbe nach den Vorschlägen der Anträge a und 2 zu beschränken. Der Vorschlag des Entwurfs passe nicht blos für geschlossene, sondern auch für nicht geschlossene Geschäftsräume, und wenn man besorgen müßte, daß der Begriff des Geschäftsraumes im einzelnen Fall von der Praxis verkannt werden könnte, so würde diese Besorgniß durch Einschränkung der Vorschrift auf geschlossene Geschäftsräume nicht gehoben, vielmehr den möglichen Zweifeln der neue hinzugefügt werden, wann ein Geschäftsraum als ein geschlossener, wann als ein nicht geschlossener zu gelten habe. Die weiter beantragte Beschränkung auf Geschäftsräume der Behörden und auf Transportmittel der Verkehrsanstalten würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn eine Behörde, welche nicht Verkehrsanstalt, keine Transportmittel und eine Verkehrsanstalt, welche nicht Behörde sei, keine Geschäftsräume haben könnte. Erfahrungsmäßig seien aber die Fälle garnicht selten, daß eine solche Behörde Transportmittel halte; und daß regelmäßig jede Verkehrsanstalt Geschäftsräume habe, sei nicht zweifelhaft. Im Uebrigen sei für die verschiedene Behandlung der in einem Geschäftsraum oder in einem Transportmittel gefundenen Sachen, jenachdem jener | Prot I 4147 oder dieser einer Behörde oder | einer nicht zu den Behörden zu rechnenden Verkehrsanstalt gehöre, nicht erfindlich. Nicht minder unzutreffend sei der Antrag b. Wollte man dem Finder die Wahl lassen, die Sache entweder an die Behörde oder Anstalt, in deren Geschäftsraum oder Transportmittel er die Sache gefunden, oder an die Polizeibehörde abzuliefern, so würde man das beschlossene Prinzip ohne praktischen Zweck abschwächen und daneben zu einer unzweckmäßigen Regelung des Verhältnisses gelangen. Denn der Finder würde es dann in seiner Hand haben, ob er die Rechte als solcher zum Nachtheil des Empfangsberechtigten in Anspruch nehmen wollte, und dem Verlierer würde die Wiedererlangung erheblich erschwert werden. Dagegen seien die Anträge c, d und e als Verbesserungen der Vorschläge des Entwurfes anzusehen. Daß die gefundene Sache unverzüglich abzuliefern sei, müsse im Einklänge mit dem zu § 166 gefaßten Beschlüsse aus den für denselben in dem Protokolle vom 11. Juni 1884 S. 4106 3 angeführten Gründen auch hier vorgeschrieben werden. Die Ablieferung habe an die Behörde oder die Anstalt zu erfolgen, wobei es dem Finder unbenommen bleibe, sich der Vermittelung eines Dienst thuenden oder im Dienste befindlichen Beamten zu bedienen. Aber es sei nicht räthlich, die Legitimation des Beamten zur Annahme der Sache davon abhängig zu machen, daß derselbe gerade Dienst thue bezw. sich im Dienste befinde. Denn die Frage, ob dies 3
S. bei § 965 BGB.
750
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § § 9 7 8 — 9 8 3
der Fall sei, entziehe sich nicht selten der Beurtheilung des Finders, welcher seiner Pflicht genüge, wenn er die Sache einem Beamten der Behörde oder der Anstalt übergebe. Die Ablieferung der Sache gehöre dann zu den Dienstobliegenheiten des Beamten. In dieser Hinsicht sei eine Bestimmung entbehrlich. Ebensowenig empfehle sich eine Vorschrift, welche die Pflicht der Beamten, beziehungsweise der Behörde oder der Anstalt, eine gefundene Sache anzunehmen, und das Recht derselben, die Sache dem Finder abzunehmen oder abzufordern, ausspreche. Beides liege in der Konsequenz der beschlossenen und zu den §§ 176 und 177 zu beschließenden Bestimmungen, wobei dahin gestellt bleiben könne, ob | das fragliche Rechtsverhältniß rein publizistischer Natur sei oder zugleich eine pri- | Prot I 4148 vatrechtliche Seite habe. Das W o r t „sodann" in dem Schlußsatze des zweiten Absatzes des § 175 sei überflüssig und würde nur zu dem Mißverständnisse Anlaß geben, als sei die Anwendung der §§ 176 und 177 an Stelle der §§ 165—173 durch die Ablieferung der Sachen an die Behörde etc. bedingt. 2. Zu dem § 176 war im Laufe der Berathung beantragt: a, in dem Abs. 1 die Worte des Entwurfes zwischen „Empfangsberechtigter" und „können" durch die Worte „oder dessen Aufenthalt nicht bekannt, auch nach vorheriger öffentlicher Aufforderung eine Empfangsberechtigung nicht angemeldet ist" zu ersetzen und die Worte „der Behörde" zu streichen; b, an Stelle des Abs. 2 zu bestimmen: „Der Verkaufserlös fällt, wenn die Behörde eine Reichsbehörde ist, an das Reich, wenn sie eine Landesbehörde ist, an den Staat, wenn sie eine Gemeindebehörde ist, an die Gemeinde, ist jedoch dem Empfangsberechtigten, wenn derselbe innerhalb dreier Jahre nach Ablauf der Anmeldefrist sich meldet, unter Abzug der Kosten auszuzahlen"; c, Abs. 3 und 4 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Die Bekanntmachung erfolgt nach den besonderen Vorschriften, welche f ü r die Reichsbehörden durch den Bundesrath, f ü r die Landesbehörden (mit Einschluß der Gemeindebehörden) durch die Centraibehörden der Bundesstaaten zu erlassen sind"; d, in dem Vorschlage b zwischen den Worten „Kosten" und „auszuzahlen" die Worte „und ohne Zinsen" einzuschalten; e, in dem Antrage 2 Abs. 3 den Satz 1 abzulehnen und in dem Satz 3 anstatt „ohne vorgängige Bekanntmachung" zu sagen „schon vor der Bekanntmachung". Die Anträge a, b, c, e und mit den aus ihnen sich ergeben-|den Modifikationen | Prot 14149 die Vorschläge des Entwurfes Abs. 1 — wiewohl unter Streichung der Worte „oder Behörde" nach den Worten „vertragsmäßigen Verbindlichkeiten" — und des Antrages 2 Abs. 3 Satz 3 wurde angenommen, der Antrag d abgelehnt. Hierbei war erwogen: Der Absatz 1 des Entwurfes rechtfertige sich im Allgemeinen aus den Gründen der Motive S. 881 — 883. Eine Beschränkung der vorgeschlagenen Rechtsnorm auf gefundene Sachen, wie der Antrag 2 sie wolle, empfehle sich nicht. Ein innerer Grund könne f ü r sie nicht angeführt werden, da ein praktisches Bedürfniß, andere in den Gewahrsam einer Behörde gelangte Sachen, deren Eigenthümer der Person oder dem Aufenthalt nach unbekannt sei, wie gefundene Sachen zu behandeln, entschieden sich geltend gemacht habe. Dem äußeren Grunde aber, daß die §§ 165 —177 die Ueberschrift „Gefundene Sachen" führen, dürfe ein Gewicht gegen die als zweckmäßig erkannte Erweiterung des Gegenstandes der dieser Ueberschrift entsprechenden Bestimmungen selbstredend nicht beigemessen werden. Im Uebri751
§§ 978-983
3. Abschnitt: Eigenthum
gen sei aber die Voraussetzung des Entwurfes, um in Einklang mit den zu den §§ 166 Abs. 1 und 171 Abs. 2 gefaßten Beschlüssen, Prot. S. 4107 und 4127 4 , zu bleiben, insofern einzuschränken, als auch hier der Behörde nicht die allgemeine Pflicht zur Ermittelung des Eigenthümers aufzulegen, sondern mit dem Antrage a das weitere Verfahren nur davon abhängig zu machen sei, daß die Behörde den Empfangsberechtigten öffentlich aufgefordert und ein solcher vor Ablauf der in der Aufforderung gesetzten Frist sich nicht gemeldet habe. Anlangend nun die Rechtsnorm, welche auf den vorausgesetzten Thatbestand anzuwenden sei, so sei aus den Gründen des zu § 167 gefaßten Beschlusses, Prot. S. 4109 5 , die Verpflichtung der Behörde zur Erhaltung und Aufbewahrung der Sache auch hier nicht auszusprechen, der Vorschlag des Antrages 2 Abs. 3 Satz 1 daher insoweit abzulehnen. Im Uebrigen stimme der Antrag 2 mit dem Entwürfe darin überein, daß das Recht der Behörde zur öffentlichen Versteigerung der Sache auszusprechen sei. Dagegen weiche | Prot 14150 er von dem Entwürfe insofern ab, als er a, die Ein-|schränkung „soweit nicht vertragsmäßige Verbindlichkeiten der Behörde entgegenstehen" übergehe und b, in denjenigen Fällen, in welchen der Verderb der Sache zu besorgen oder mit deren Aufbewahrung unverhältnißmäßige Kosten verbunden seien, die Versteigerung „ohne vorherige Bekanntmachung" zulassen wolle. Die erstgedachte Einschränkung zu erwähnen, habe den Antrag 2, weil er sich nur auf gefundene Sachen beziehe, keinen Anlaß gehabt; dieselbe sei aber nach den gefaßten Beschlüssen zur Verdeutlichung der Vorschrift mindestens räthlich, nur seien die Worte „der Behörde" als überflüssig und beziehungsweise, da eine Behörde keine juristische Person sei, unzutreffend wegzulassen. Die Bestimmung unter b sei zwar angemessen, aber nur in dem Sinne, daß die Sache „schon vor der Bekanntmachung" versteigert werden dürfe. Die Bekanntmachung selbst sei in keinem Falle entbehrlich. Um in dieser Hinsicht Mißverständnissen vorzubeugen, empfehle sich eine dem Antrage e entsprechende Fassung. Der Abs. 2 des Entwurfes beruhe auf dem Gedanken, daß der Versteigerungserlös, sofern er nicht von dem Empfangsberechtigten abgehoben werde, demjenigen zufallen müsse, der die sächlichen Kosten der Behörde zu tragen habe. Der Gedanke sei an sich richtig, der Ausdruck aber, welchen er mit dem Entwürfe gefunden habe, nicht angemessen. Mit der dem preußischen Etat eigenthümlichen Unterscheidung zwischen sächlichen und persönlichen Kosten könne man hier nicht rechnen, da sich nicht übersehen lasse, ob auch die übrigen Bundesstaaten in ihren Budgets diese Eintheilung befolgen. Das Gesetz habe ausdrücklich auszusprechen, wem dieses Recht zustehen solle. Deshalb sei dem Antrage b zu folgen, da dieser sachgemäß das Reich, den Staat und die Gemeinde als Anfallsberechtigte bezeichnete, jenachdem eine Reichs- oder eine Landes- oder eine Gemeindebehörde in Frage sei. Die dreijährige Frist, innerhalb welcher der Erlös noch von dem Empfangsberechtigten abgehoben werden könne, sei eine Präklusivfrist, welche nicht mit der Versteigerung, sondern nur mit dem Ablaufe der Anmeldefrist beginnen dürfe, zumal nach dem oben gefaßten Beschlüsse die Versteigerung unter Umständen vor der | Prot 14151 Bekanntmachung er-|folgen könne. Der Anspruch des Berechtigten auf Auszahlung des Versteigerungserlöses entspringe weder aus der Bereicherung noch aus der negotiorum gestio, sondern lediglich aus der Vorschrift, welche hier gegeben werde. Es handele sich um eine sogen. 4 5
S. bei § 965 und §§ 973, 974 BGB. S. bei §§ 966 ff. BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § § 9 7 8 — 9 8 3
obligatio ex lege, welche nicht weiter reiche als der Inhalt des Gesetzes. Sei man nun darin einverstanden, daß dem Empfangsberechtigten ein Anspruch auf Zinsen nicht zuzugestehen sei, so genüge es, dieses Einverständniß hier zu konstatiren. Eine Bestimmung, wie sie der Antrag d vorschlage, sei entbehrlich. Bestimmungen über die Art der Bekanntmachung, welche von der Behörde nach Abs. 1 erlassen werde, seien hier ebensowenig zu treffen wie zur Regelung derjenigen Bekanntmachung, welche der Polizeibehörde nach dem zu § 166 Abs. 2 Satz 2 gefaßten Beschlüsse obliege. Die Gründe dieses Beschlusses sprächen auch hier dagegen (Prot. S. 4107). Klarzustellen sei nur, daß die erforderlichen Vorschriften nicht im Wege der Gesetzgebung, sondern im Verwaltungswege zu geben seien. Eine dem Antrage c entsprechende Bestimmung verdiene daher den Vorzug vor den Vorschlägen des Entwurfes Abs. 3 und 4. 3. Zu § 177 wurde die Annahme der Abs. 1 und 3, mit Vorbehalt der Fassung, dagegen die Streichung des Abs. 2 beschlossen. Die Annahme der Abs. 1 und 3 erfolgte aus den Gründen der Motive, wobei die Mehrheit in Ansehung des Abs. 1 insbesondere davon ausging, daß die entsprechende Anwendung der zu § 176 beschlossenen Bestimmungen auf fremde Sachen, welche in den Gewahrsam einer nicht in die Kategorie der Behörden fallenden öffentlichen Verkehrsanstalt gelangen, zu überall befriedigenden Ergebnissen führen würde. Den Absatz 2 erachtete man für überflüssig, da es nicht angemessen sei, die nach dem Beschlüsse zu §§ 176 Abs. 3 und 4 eintretende Zuständigkeit des Bundesrathes bezw. der Landes-Centralbehörden zu beschränken. 4. Die Entscheidung darüber, ob es sich nicht empfehle, den § 176 dem § 175 voranzustellen und den letzteren mit § 177 zu verbinden, | und wie überhaupt die | Prot 14152 beschlossenen Bestimmungen an passendster Stelle zu fassen seien, blieb der Redaktion vorbehalten. II. 1. In der VorlZust „Zueignung" sind die gefaßten Beschlüsse in den §§ 10 und 11 enthalten. Auf eine Sache, welche in den Geschäftsräumen oder in den Transportmitteln ei- VorlZust § 10 ner öffentlichen Behörde oder einer öffentlichen Verkehrsanstalt gefunden wird, finden die §§ 1 bis 9 keine Anwendung. Der Finder einer solchen Sache hat diese unverzüglich an die Behörde oder Verkehrsanstalt oder an einen Beamten derselben abzuliefern. Die Behörde oder Verkehrsanstalt kann die Sache, nachdem der Fund öffentlich bekannt gemacht und die in der Bekanntmachung zur Anmeldung von Empfangsberechtigungen bestimmte Frist verstrichen, ohne daß eine Anmeldung erfolgt ist, öffentlich versteigern lassen. Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder deren Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden, so ist die Versteigerung noch vor der öffentlichen Bekanntmachung zulässig. Die Art der Bekanntmachung bestimmt sich, wenn die Behörde oder Anstalt dem Reiche angehört, nach den von dem Bundesrath, in den übrigen Fällen nach den von der Zentralbehörde des Bundesstaates, welchem die Behörde oder die Anstalt angehört, erlassenen Vorschriften. Der Erlös aus der Versteigerung fällt, wenn die Behörde oder Anstalt dem Reiche angehört, an den Reichsfiskus, wenn sie eine Landesbehörde oder eine Landesverkehrsanstalt ist, an den Fiskus des Bundesstaates, wenn sie eine Gemeindebehörde, an die Gemeinde, wenn die Verkehrsanstalt eine Privatanstalt ist, an die Verkehrsanstalt selbst. 753
§§ 978-983
3. Abschnitt: Eigenthum
Der Erlös ist dem Empfangsberechtigten nach Abzug der Kosten zurückzuzahlen, wenn er innerhalb von drei Jahren seit Ablauf der in der Bekanntmachung bestimmten Frist sich meldet. (NB. Zum § 10. 1. Der § 10 wird vor den § 11 gehören, weil er von verlorenen Sachen handelt, sich also passender an die vorhergehenden §§ anschließt. 2. Der § 9 über den Schatz wird nicht zu allegiren sein, so daß dieser § anwendbar bleibt.) VorlZust § 11 Die Vorschriften, § 10 Abs. 3 bis 5, finden auf Sachen, welche (in anderer Art als in Folge eines Fundes) in die Inhabung einer öffentlichen Behörde gelangt sind und zu welchen der Empfangsberechtigte oder dessen Aufenthalt nicht bekannt ist, entsprechende Anwendung, soweit nicht vertragsmäßige Verbindlichkeiten entgegenstehen. (NB. Zum §11. Unter welche Bestimmungen fallen die Sachen, welche als gefunden an die Polizei abgeliefert sind und von dem Finder nicht in Anspruch genommen werden, indem derselbe sich passiv verhält? Die Gemeinde des Fundorts tritt nur infolge Verzichts des Finders an dessen Stelle. Der Verzicht kann nicht erzwungen werden. In vielen Fällen wird auch der Finder nicht mehr zu ermitteln sein. In solchen Fällen würde § 10 passen, so daß die eingeklammerten Worte zu streichen wären. In Ansehung der übrigen Fälle möchte sich empfehlen, im § 6 Abs. 4 hinter: „Verzicht" anzuschließen: „oder beantragt er nicht innerhalb einer von der Polizeibehörde ihm zu bestimmenden Frist die Ertheilung des im § 5 bezeichneten Zeugnisses." Der Entwurf half zum Theil dadurch, daß das Zeugniß von Amtswegen zu ertheilen war.) 2. —IV. In der RedVorl $$ 9 0 5 - 9 0 8 6 , der ZustSachR, und dem KE §§ 9 0 4 - 9 0 7 sowie im £ / § § 924—927 lauten die beschlossenen Bestimmungen: RedVorl § ZustSachR § KE § Ε Π
905 Auf eine Sache, welche in den Geschäftsräumen oder in den Transportmitteln ei904 ner öffentlichen Behörde oder einer öffentlichen Verkehrsanstalt gefunden wird, 904 finden die §§ 891 bis 902 7 keine Anwendung. 924
RedVorl § 906 ZustSachR/ KE § 905 Ε I % 925
Eine solche Sache ist von demjenigen, welcher sie an sich nimmt, unverzüglich an die Behörde oder die Verkehrsanstalt oder an einen Beamten derselben abzuliefern. Die Behörde oder die Verkehrsanstalt kann die gemäß ( Ε I : in Gemäßheit des) § 904 8 abgelieferte Sache, nachdem der Fund öffentlich bekannt gemacht und die in der Bekanntmachung den Empfangsberechtigten zur Anmeldung der Rechte bestimmte Frist verstrichen, ohne daß eine Anmeldung erfolgt ist, öffentlich versteigern lassen. Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder deren Aufbewahrung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, so ist die Versteigerung noch vor der öffentlichen Bekanntmachung zulässig. Die Art der Bekanntmachung bestimmt sich, wenn die Behörde oder Anstalt dem Reiche angehört, nach den von dem Bundesrathe, in den übrigen Fällen nach den von der Zentralbehörde des Bundesstaates, welchem die Behörde oder die Anstalt angehört, erlassenen Vorschriften. Begründung zu § 905: Absatz 2. Nur derjenige, welcher die Sache an sich nimmt, hat die hier bestimmte Verpflichtung; der Finder als solcher noch nicht; vgl. § 892. Zitiert sind in der RedVorl §§ 8 9 2 - 9 0 3 , ZustSachR und im KE §§ 8 9 1 - 9 0 2 , im E I §§ 9 1 0 - 9 2 3 . Zitiert ist in der RedVorl § 905, ZustSachR und im KE § 904, im Ε I § 924.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen § § 9 7 8 — 9 8 3
Der Erlös aus der Versteigerung der gemäß (Ε I: in Gemäßheit des) § 904 abgelieferten Sache fällt, wenn die Behörde oder Anstalt dem Reiche angehört, an den Reichsfiskus, wenn sie eine Landesbehörde oder Landesverkehrsanstalt ist, an den Fiskus des Bundesstaates, wenn sie eine Gemeindebehörde oder Gemeindeanstalt ist, an die Gemeinde, wenn die Verkehrsanstalt von einer Privatperson betrieben wird, an die letztere (RedVorl: an die Verkehrsanstalt selbst). Der Erlös ist dem Empfangsberechtigten nach Abzug der Kosten auszuzahlen (RedVorl: zurückzuzahlen), wenn derselbe binnen drei Jahren seit Ablauf ( Ε I : seit dem Ablaufe) der in der Bekanntmachung bestimmten Anmeldungsfrist sich meldet. Die Vorschriften der §§ 905 , 906 9 finden auf Sachen, welche in die Inhabung einer öffentlichen Behörde gelangt sind, und zu welchen (KE, Ε I : in Ansehung deren) der Empfangsberechtigte oder dessen Aufenthalt nicht bekannt ist, entsprechende Anwendung, soweit nicht vertragsmäßige Verbindlichkeiten entgegenstehen. Bei der Redaktion des KEw&t noch der Antrag gestellt worden, den § 905 Abs. 1 Satz 1 zu fassen: „Die Behörde den Fund unter Bestimmung einer Frist zur Anmeldung der Ansprüche auf Herausgabe öffentlich bekannt gemacht und innerhalb der Frist ein Anspruch nicht angemeldet ist, nach Maßgabe der Vorschrift des § 892 Abs. 2 versteigern lassen." Der Antrag wurde abgelehnt. Die Änderung im § 907 („in Ansehung deren") beruht auf der Annahme eines entsprechenden Antrags (Prot. I 6224, 6230, 6266, 6271).
RedVorl § 907 ZustSachR/ KE § 906 Ε Η 926
RedVorl $ 908 ZustSachR/ KE § 907 Ε I § 927 Kurlbaum (Nr 434, 47)
C. 2. Kommission I. Die §§ 924 — 927 wurden nicht beanstandet. (Prot. II, Bd. 3, S. 273; Mugdan, Bd. 3, S. 665). II.—V. Sie sind demgemäß in die VorlZust unverändert übernommen. In der ZustRedKom §§ 9 2 4 - 9 2 6 , 926 a, 927 und im £ / / § § 8 9 3 - 8 9 7 lautet die Fassung: Wer eine Sache in den Geschäftsräumen oder den Transportmitteln (Ε II: Beförderungsmitteln) einer öffentlichen Behörde oder einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsanstalt findet und an sich nimmt, hat die Sache unverzüglich an die Behörde oder die Verkehrsanstalt oder an einen Beamten (Ε II: Angestellten) derselben abzuliefern. Die Vorschriften des §§910 bis 922 ( E l l : 880 — 892) finden keine Anwendung. Die Behörde oder die Verkehrsanstalt kann die an sie abgelieferte Sache öffentlieh versteigern lassen. Die öffentlichen Behörden und die Verkehrsanstalten des Reiches, der Bundesstaaten und der Gemeinden können die Versteigerung durch einen ihrer Beamten vornehmen lassen. Die Versteigerung ist erst zulässig, wenn der Fund öffentlich bekannt gemacht, die Empfangsberechtigten in der Bekanntmachung zur Anmeldung ihrer Rechte unter Bestimmung einer Frist aufgefordert worden sind und die Frist ohne eine Anmeldung verstrichen ist. Die Bekanntmachung ist nicht erforderlich, wenn der Verderb der Sache zu besorgen oder die Aufbewahrung mit unverhältnißmäßigen Kosten verbunden ist. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache. 9
Zitiert sind in der RedVorl §§ 906, 907, ZustSachR und im KE §§ 905, 906, im Ε I §§ 925, 926.
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Ε I-ZustRedKom § 924 Ε II § 893
Ε I-ZustRedKom § 925 Ε II § 894
§984
3. Abschnitt: Eigenthum
Ε I-ZustRedKom H a t sich der Empfangsberechtigte nicht binnen drei Jahren nach dem Ablaufe §926 der in der ( Ε II: öffentlichen) Bekanntmachung bestimmten Frist gemeldet, so fällt Ε II % 895 der Versteigerungserlös, wenn die Behörde oder die Verkehrsanstalt, eine Reichsbehörde oder eine Reichsanstalt ist, an den Reichsfiskus, wenn sie eine Landesbehörde oder eine Landesanstalt ist, an den Fiskus des Bundesstaats, wenn sie eine G e meindebehörde oder eine Gemeindeanstalt ist, an die Gemeinde, wenn die V e r kehrsanstalt von einer Privatperson betrieben wird, an diese. Ist die Versteigerung ohne die im § 925 Abs. 2 bestimmte ( Ε II: ohne die öffentliche) Bekanntmachung erfolgt, so beginnt die dreijährige Frist erst, nachdem der Fund öffentlich bekannt gemacht und die Empfangsberechtigten in der Bekanntmachung zur Anmeldung ihrer Rechte aufgefordert worden sind. Das Gleiche gilt, wenn gefundenes Geld abgeliefert worden ist. Die Kosten werden von dem herauszugebenden Betrag abgezogen. Ε I-ZustRedKom Die in den §§ 925, 926 bestimmte ( £ II: in den §§ 894, 895 vorgeschriebene) Be§926 a kanntmachung erfolgt, wenn die Behörde oder die Verkehrsanstalt eine ReichsbeΕ II § 896 hörde oder eine Reichsanstalt ist, nach den von dem Bundesrath erlassenen V o r schriften, in den übrigen Fällen sind die von der Zentralbehörde des Bundesstaates erlassenen Vorschriften maßgebend. Ε I-ZustRedKom Ist eine Sache im Besitz einer öffentlichen Behörde, ohne daß diese vertragsge«927 mäß zur Herausgabe verpflichtet ist, so finden die Vorschriften der §§ 925 bis 926 a entsprechende Anwendung, wenn der Behörde der Empfangsberechtigte oder dessen Aufenthalt unbekannt ist. Ε II § 897 Ist eine öffentliche Behörde im Besitz einer Sache, zu deren Herausgabe sie verpflichtet ist, ohne daß die Verpflichtung auf Vertrag beruht, so finden, wenn der Behörde der Empfangsberechtigte oder dessen Aufenthalt unbekannt ist, die V o r schriften der §§ 894 bis 896 entsprechende Anwendung. Im Ε II rev §§ 9 6 3 - 9 6 8 ( £ / / / § § 9 6 2 - 9 6 7 ) liegt die in §§ 9 7 8 - 9 8 3 B G B Gesetz gewordene Fassung vor.
§ 984
Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, daß der Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt und in Folge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigenthum zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigenthümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war. Α. 1. Kommission I. 334. Sitzung vom 13. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 4134 TE-SachR § 174
| D e r § 174 des Entwurfs 1 lautet: „Werden eingemauerte, vergrabene oder sonst verborgene Sachen entdeckt, von denen nach den Umständen des Falles anzunehmen, daß sie lange Zeit verborgen gewesen seien und ihr Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln sein werde (Schatz), so finden die allgemeinen Bestimmungen über gefundene Sachen Anwendung, jedoch, wenn der Schatz in einer fremden Sache entdeckt ist, mit folgenden Aenderungen: '
Die vorhergehende Beratung s. bei § 977 BGB.
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3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§984
1. Die Verpflichtung, der Ortspolizeibehörde Anzei-|ge zu machen, liegt auch | Prot 14135 dem von dem Funde benachrichtigten Eigenthümer der verbergenden Sache ob. Ist von demselben oder von dem Finder die Anzeige geleistet, so bedarf es der Anzeige von Seiten des Anderen nicht mehr. 2. Die Polizeibehörde hat die Bescheinigung, daß der Eigenthümer nicht zu ermitteln sei (§ 171 Abs. 1), auszustellen, sobald sie die Ueberzeugung hiervon gewonnen hat; die Fristbestimmungen des § 171 finden keine Anwendung. Zu dem Antrage auf Ausstellung der Bescheinigung ist auch der Eigenthümer der verbergenden Sache befugt. 3. U n t e r den Voraussetzungen des § 171 Abs. 3 geht das Eigenthum des Schatzes zur H ä l f t e auf den Finder und zur Hälfte auf denjenigen über, welcher zur Zeit der Entdeckung Eigenthümer der verbergenden Sache war. Lag der Schatz auf der Grenze benachbarter Grundstücke, so gebührt der Antheil des Eigenthümers der verbergenden Sache den Grenznachbarn zu gleichen Theilen. Das Eigenthum des Schatzes geht ganz auf den Eigenthümer der verbergenden Sache über, wenn der Finder mit oder ohne dessen Bewilligung nach dem Schatze gesucht hat. 4. Die Bestimmung des § 171 Abs. 4 findet auch auf den Eigenthümer der verbergenden Sache Anwendung." Folgende Anträge waren gestellt. 1. a, nach den Worten „mit folgenden Aenderungen" als Ziffer 1 einzuschalten: v. Weber „1. D e r Finder ist verpflichtet, auch dem Eigenthümer der verbergenden Sache (Nr 124) den Fund u n v e r z ü g l i c h anzuzeigen." I ^rot * und die folgenden Ziffern um eine Zahl zu erhöhen (2, 3, 4, 5); b, unter Ziffer 3 (künftig 4) nach den Worten „gesucht hat" hinzuzufügen: „oder die unter 1 vorgeschriebene Anzeige an denselben unterlassen hat." 2. den § 174 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Werden eingemauerte, vergrabene oder sonst verborgene Sachen entdeckt, die so lange Zeit verborgen waren, daß ihr Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln ist, so fallen sie zur Hälfte in das Eigenthum des Finders und zur anderen Hälfte in das Eigenthum des Eigenthümers der umschließenden Sache." Die Kommission nahm den Antrag 2 vorbehaltlich der Fassung an und lehnte ab, daneben die Spezialbestimmungen aufzunehmen, welche unter Ziffer 3 Abs. 2 und 3 des Entwurfs vorgeschlagen sind. Erwogen war: In dem Falle der Auffindung eines Schatzes könne der Anzeigepflicht und der von der Polizeibehörde einzuleitenden Untersuchung, ob wirklich ein Schatz vorliege, insofern ein praktischer Nutzen vielleicht zugeschrieben werden, als der Finder einer behördlichen Kontrolle unterstellt werde. Dagegen sei das polizeiliche Ermittelungsverfahren wenig geeignet zur Lösung der Frage, ob ein Schatz vorliege oder nicht. Deshalb erscheine es bedenklich der polizeilichen Kognition einen Einfluß z u m Nachtheil des nicht ermittelten Eigenthümers beizulegen. Für diesen besonderen Fall des Fundes bestehe aber auch kein Bedürfniß, durch positive Vorschrift das Recht an der gefundenen Sache | neu und unabhängig von dem bisheri- | Prot I 4137 gen Rechtsbestande zu regeln. Dem Antrage 2 wohne zunächst die Bedeutung bei, daß der Fall des Schatzfundes den sonst in Ansehung der gefundenen Sachen geltenden Rechtsnormen entzogen und der Beurtheilung lediglich nach allgemeinen 757
§984
3. Abschnitt: Eigenthum
Rechtsnormen überlassen werde. Nach den letzteren würde der Finder E i g e n t ü mer werden, wenn der Schatz eine herrenlos gewordene Sache sei, da die zu § 156 beschlossene Vorschrift zwischen von jeher herrenlosen und herrenlos gewordenen Sachen nicht unterscheide, Prot. S. 4082. Im praktischen Resultate stehe diesem Falle der Fall gleich, wenn eine gänzliche Verdunkelung des früheren Rechtsbestandes eingetreten sei. Immer aber bleibe der wirkliche Rechtsbestand entscheidend und werde nicht, wie beim Funde im engeren Sinne, durch positive Rechtsvorschrift einer Aenderung zu Gunsten des Finders unterworfen. Während die beschlossene Vorschrift einerseits den Schatzfund den Vorschriften über den gewöhnlichen Fund entrücke, bestimme sie andererseits f ü r den Schatzfund eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Besonderheit nur insofern, als sie dem Eigenthümer der umschließenden Sache zur Hälfte das Eigenthum zuspreche und hierin mit dem Entwürfe und dem geltenden Rechte, zu vergl. Motive S. 876 bis 878, übereinstimme. Die weiteren Vorschriften, welche der Entwurf in dieser Richtung unter Ziff. 3 vorschlage, seien zur Aufnahme in das Gesetzbuch nicht geeignet, theils weil sie zu kasuistisch seien, theils weil sie als innerlich gerechtfertigt nicht anerkannt werden könnten. Die auf den Gegenstand sich beziehenden Ausführungen der Motive betreffend die Weglassung des Werthes aus der Definition des Schatzes, zu vergl. Motive S. 873, betreffend die Besitzergreifung, zu vergl. Motive S. 875, betreffend den Verlust der Finderrechte in gewissen Fällen, zu vergl. Motive S. 875, 876, und beProt I 4138 treffend | die durch § 765 (K.E.) übrigens erledigte Frage nach der Manifestationspflicht des Finders, zu vergl. Motive S. 879, wurden im Wesentlichen gebilligt.
II. 1. In der VorlZust „Zueignung" lautet die beschlossene Vorschrift als § 9: VorlZust § 9
Wird eine eingemauerte, vergrabene oder sonst verborgene Sache entdeckt, von welcher nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie seit längerer Zeit verborgen und der Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln sei (Schatz), so geht das Eigenthum derselben mit der Ergreifung des Besitzes auf den Finder über; war der Schatz in einer einem Anderen als dem Finder gehörenden Sache verborgen, so fällt das Eigenthum mit der Besitzergreifung des Finders zu einer Hälfte dem letzteren, zur anderen Hälfte dem Eigenthümer der Sache zu, in welcher der Schatz verborgen war.
2., 3. In der RedVorl ist die Bestimmung in § 904, in der ZustSachR in § 903 enthalten : § 904 Wird eine eingemauerte, vergrabene oder sonst verborgene Sache entdeckt, von § 903 welcher nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie seit längerer Zeit verborgen und der Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln sei (Schatz), so geht das Eigenthum derselben mit der Besitzergreifung auf den Finder über. Ist die Sache, in welcher der Schatz entdeckt wird, Eigenthum eines Anderen als des Finders (RedVorl: Gehört die Sache . . ., einem Anderen als dem Finder), so fällt das Eigenthum des Schatzes mit der Besitzergreifung des Finders dem letzteren nur zur Hälfte (RedVorl: zu einer Hälfte), zur anderen Hälfte dem Eigenthümer der Sache zu, in welcher der Schatz verborgen war. Kurlbaum III., IV. Bei der Redaktion des K E wurde der Antrag angenommen, im § 903 r 434, 46) statt „von welcher — zu ermitteln sei" zu setzen „welche so lange Zeit verborgen war, daß der Eigenthümer nicht zu ermitteln ist." 758
3. Titel: Erwerb u. Verlust des Eigenth. an bewegl. Sachen
§984
Die zuleich beantragte Versetzung der Vorschrift hinter § 907 wurde abgelehnt (Prot. I 6223, 6230). Mit dieser Änderung ist die Bestimmung in § 903 K E enthalten. Bei der Revision des K E war beantragt, den § 903 a) dahin zu fassen: „ . . . mit der Besitzergreifung des Finders zur einen Hälfte auf den Finder, zur anderen Hälfte auf den Eigenthümer der Sache über, in welcher . . ." (zu vergl. § 967); b) hinter § 907 zu versetzen (§ 903 unterbricht die Vorschriften über gefundene Sachen im engeren Sinne). Der Antrag fand Annahme (Prot I 11965). Im E I ist die Vorschrift als § 928 enthalten.
Kurlbaum (Nr 442, 17)
Kurlbaum (Nr 447, 4)
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 273 f.; Mugdan, Bd. 3, S. 665 f.) Zu § 928 lagen die Anträge vor: 1. die Vorschrift zu fassen: Struckmann Wird eine Sache entdeckt, die so lange Zeit verborgen gelegen hat, daß der Ei- (Nr 71, 7) genthümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), so geht mit der Entdeckung das Eigenthum an dem Schatze zur Hälfte auf den Finder, zur anderen Hälfte auf den Eigenthümer der Sache über, in welcher der Schatz verborgen gelegen hat. hierzu der Unterantrag, zu sagen: . . . mit derjenigen Entdeckung, auf deren Grund der Schatz in Besitz genommen wird; 2. den Antrag 1 mit folgenden Aenderungen anzunehmen: Sohm Wird eine Sache entdeckt, die so lange in einem Grundstücke verborgen gelegen (Nr 78, 2) hat, daß der Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), so geht mit der Entdeckung das Eigenthum an dem Schatze zur einen Hälfte auf den Finder, zur anderen Hälfte auf den Grundeigenthümer über. Der Finder, welcher seine Entdeckung mittelst bewußt rechtswidriger Handlungen gemacht hat, verliert seine Hälfte an den Grundeigenthümer. 3. folgende Aenderung zu beschließen: Wird in einer beweglichen Sache eine andere Sache entdeckt, so gehört sie dem Eigenthümer der ersteren Sache. Dem Entdecker stehen die Rechte des Finders zu. Der Grundsatz des Entw., daß der Schatz mit der Besitzergreifung des Finders bezw. der Entdeckung zur Hälfte dem Finder, zur Hälfte dem Eigenthümer der Sache, in welcher der Schatz verborgen war, zufallen solle, wurde von der Komm, gebilligt; die Anträge betreffen nur einzelne Abänderungen und Ergänzungen. Die Komm, billigte den Antrag 1 insoweit, als er für den Begriff des Schatzes nur darauf abstellt, daß die Sache verborgen gelegen hat. Hinsichtlich des Zeitpunktes des Entstehens des Finderrechts nahm die Komm, den Antrag 1 mit dem Unterantrag an. Die Anträge 2 und 3 wurden abgelehnt. II.—V. Die Vorschrift ist in der VorlZust gefaßt: Wird eine Sache entdeckt, die so lange Zeit verborgen gelegen hat, daß der Ei- Ε I-VorlZust genthümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), so geht mit der Entdeckung, wenn § 9 2 8 in Folge derselben Jemand den Besitz des Schatzes erlangt, das Eigenthum dessel759
§ § 985, 986
3. Abschnitt: Eigenthum
ben zur einen Hälfte auf den Finder, zur anderen Hälfte auf den Eigenthümer der Sache über, in welcher der Schatz verborgen war. In der ZustRedKom § 928 (Ε II $ 898; Ε II rev §969; Ε III § 968) liegt die in § 984 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
VIERTER T I T E L Ansprüche aus dem Eigenthume
§ 985 Der Eigenthümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. § 986 Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigenthümer gegenüber zum Besitze berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer dem Eigenthümer gegenüber zur Ueberlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigenthümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen. Der Besitzer einer Sache, die nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigenthümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen. Α. 1. Kommission I. 336. Sitzung vom 18. 6. 1884, Schriftführer Achilles | Prot I 4152
| II. Die Berathung wandte sich zu dem von dem Eigenthumsanspruch handelnden Titel des Entwurfes: Der § 178 des Entwurfes lautet: TE-SachR § 178 „Der Eigenthümer hat gegen den, welcher ihm die Sache vorenthält, den Anspruch auf Herausgabe derselben." v. Mandry (Nr 125, 1)
Es war beantragt worden 1. den § 178 dahin zu fassen: „Der Eigenthümer hat gegen den Besitzer und gegen den Inhaber der in seinem Eigenthume stehenden Sache den Anspruch auf Herausgabe." 2. Vor „Herausgabe" die Worte einzuschalten: „Feststellung des Eigenthums und". Der Entwurf geht davon aus, daß der rein dingliche Anspruch nur gegen den Inhaber sich richte und nur darauf gehe, daß der Inhaber der Besitzergreifung des Vindikanten kein Hinderniß bereite, — abgesehen von der besonderen Verpflichtung des Inhabers, dieser Ergreifung durch Exhibition zu Hülfe zu kommen, zu 760
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 986
vergl. Motive S . 885, 888. D e r E n t w u r f will also d e m rein dinglichen Ansprüche, bev o r zu der Inhabung der S a c h e durch einen Nichteigenthümer ein Weiteres hinzutritt, nur einen negativen Inhalt zugestehen und positive V e r p f l i c h t u n g e n erst aus d e m Zuwiderhandeln g e g e n die dem negativen Inhalte des Anspruchs entsprechende Unterlassungspflicht sich entwickeln lassen. D e s h a l b wird z u r Existenz des Anspruchs auf H e r a u s g a b e eine v o r a u s g e g a n g e n e V o r e n t h a l t u n g verlangt. D e r R e f e r e n t erkannte an, daß die K o m m i s s i o n bei den Beschlüssen über die V e r j ä h r u n g der A n s p r ü c h e von einer anderen A u f f a s s u n g des dinglichen Anspruches a u s g e g a n g e n sei. Derselbe b e m e r k t e : D i e K o m m i s s i o n habe einen existenten verjährenden dinglichen Anspruch des Eigenthümers auch dann schon als vorliegend anerkannt, wenn die S a c h e in die Inhabung eines A n d e r e n als des Eigenthümers g e l a n g t sei, auch wenn dieser A n d e r e für den Eigenthümer die S a c h e | detinire, | Prot I 4153 mithin von einer V o r e n t h a l t u n g der S a c h e keine R e d e sein könne. Z u vergl. Prot. S. 339, 340, 362 (Antrag 4), 364, 386, 3 8 7 ' ; Motive des Allgemeinen Theils, Einleitung in das subjektive Recht, S. 1 8 — 2 2 . Uebrigens werde die A n n a h m e des Bestehens eines Anspruches v o r der V o r e n t h a l t u n g nur in A n s e h u n g der V e r j ä h r u n g des Anspruchs von praktischer B e d e u t u n g sein. Beschlossen w u r d e : 1. die A n n a h m e des A n t r a g e s 1; 2. die Ablehnung des Antrages 2. D e r Entwurf galt damit als erledigt. D i e F a s s u n g blieb der P r ü f u n g bei der R e daktion vorbehalten. Erwogen war: Zu 1. D e n gefaßten Beschlüssen über die Anspruchsverjährung, welcher auch der dingliche Anspruch unterliege, entspreche es, den E i g e n t h u m s a n s p r u c h , welcher I n h a b u n g und Eigenthum in eine H a n d zu bringen b e z w e c k e , schon dann als existent anzusehen, sobald nur Eigenthum und Inhabung auseinander fallen, ohne daß es z u der Entstehung des Anspruches einer V o r e n t h a l t u n g der S a c h e durch den Inhaber derselben bedürfte. Ferner sei aber auch die V o r e n t h a l t u n g nicht als V o r a u s s e t z u n g d a f ü r aufzustellen, daß der Anspruch einen positiven Inhalt erhalte und der V o r e n t h a l t e n d e z u einer Leistung, nämlich der H e r a u s g a b e , verpflichtet werde. D e r Z w e c k des Anspruches e r f o r d e r e , daß der Anspruchsverpflichtete seinerseits alles Erforderliche thue, damit der Anspruchsberechtigte den Besitz ergreifen könne. D u r c h das V e r b o t der E i g e n m a c h t sei der Eigenthümer gehindert, sich ohne den Willen des Inhabers in den Besitz seiner S a c h e zu setzen. E s müsse also der Inhaber eine H a n d l u n g behufs H e r a u s g a b e der S a c h e vornehmen, welche seine Einwilligung in die Besitznahme bezw. sein A u f g e b e n des Besitzwillens z u erkennen gebe. Seien G r u n d s t ü c k e hera u s z u g e b e n , so werde eine R ä u m u n g s e r k l ä r u n g g e n ü g e n ; handele es sich aber um h e r a u s z u g e b e n d e bewegliche S a c h e n , so müsse der H e r a u s g a b e p f l i c h t i g e meist noch eine andere positive T h ä t i g k e i t entwickeln, welche dem Berechtigten den Z u griff ermögliche. D i e Pflicht zu | einer solchen H i n ü b e r r e i c h u n g der S a c h e ergebe |Prot 14154 sich unmittelbar aus dem Ansprüche, weil die H i n ü b e r r e i c h u n g zur Verwirklichung des Anspruches nothwendig sei. E s w ü r d e ein U m w e g sein, wenn man die Pflicht z u r positiven T h ä t i g k e i t als Exhibitionspflicht a u f f a s s e n wollte, zu vergl. Prot. S . 2689 2 , und g e h e die H e r a u s g a b e p f l i c h t auch weiter als die Exhibitionspflicht, weil mit der V o r z e i g u n g die Besitzeinräumung zu verbinden sei. 1 2
S. bei SS 1 9 4 - 2 2 5 BGB. S. bei S 809 BGB. 761
§ § 985, 9 8 6
3. Abschnitt: Eigenthum
Unter dem Vorenthaltenden verstehe der Entwurf nur den Inhaber, zu vergl. Motive S. 888. Man müßte aber mit dem Antrage auch den Besitzer als solchen, abgesehen davon, ob der Besitzer zugleich Inhaber sei oder nicht, als zur Herausgabe verpflichtet erklären; denn der Besitz des Nichteigenthümers stehe ebenso mit dem Eigenthum im Widerspruche wie die Inhabung der Sache eines Nichteigenthümers. Die Inhabung der Sache werde freilich der Besitzer, welcher nicht selbst die Sache habe, dem Vindikanten nicht immer verschaffen können. Aber die Herausgabepflicht werde in jedem Falle sich auf das beziehen, was der Besitzer habe, also zum Mindesten zur Zession der demselben gegen den Inhaber zustehenden Ansprüche führen. Zu 2. Der Antrag 2 sei zunächst dahin zu verstehen, daß der Anspruch auf Feststellung des Eigenthums gegenüber dem Besitzer und Inhaber der Sache stets gegeben sein solle, ohne daß dessen Zulassung von einer richterlichen Prüfung abhängig bleibe, ob ein genügendes rechtliches Interesse an der Feststellung — § 231 der Civilprozeßordnung 3 — als vorliegend anzunehmen sei. Dem Antrage sei auch insofern beizustimmen, als mit dem Besitze oder der Inhabung des Nichteigenthümers stets ein genügendes Interesse an der Erwirkung eines Präjudiziums gegeben sei und kein Raum bleibe für eine richterliche Kognition, ob in dem bezeichneten Falle ein genügendes rechtliches Interesse an der Feststellung vorhanden sei. Dies brauche aber nicht ausgesprochen zu werden, weil die Voraussetzungen für die Feststellungsklage in diesem Falle klar vorlägen, auch ohne daß, wie von einer Seite geschehen, der § 253 der Civilprozeßordnung 4 herangezogen werde. | Prot 14155 Man könne aber den Antrag auch noch weiter dahin verstehen, daß | mit Erhebung des Anspruches auf Herausgabe stets eine Feststellung als vom Kläger begehrt zu gelten habe, welchem von beiden Theilen das Eigenthum an der Sache zustehe, so daß also das ergangene Urtheil der ferneren Geltendmachung eines bisher im Prozesse noch nicht geltend gemachten Eigenthumserwerbungsgrundes entgegenstehe. Dem Antrage könne jedoch auch in dieser Richtung nicht stattgegeben werden, denn einerseits müsse man davon absehen, den über die Rechtskraft des Urtheils beschlossenen allgemeinen Bestimmungen Besonderheiten für einzelne Arten von geltend gemachten Ansprüchen hinzuzufügen; andererseits sei die vorgeschlagene Auslegungsregel nicht unbedenklich, weil das Begehren eines die Eigenthumsfrage unter den Parteien erschöpfenden Urtheils für den Kläger mit Gefahren verknüpft sei und ein solches Begehren deshalb nicht immer im Klagpetitum gefunden werden könne (zu vergl. Mot. zum Allg. Thl. Prozeß S. 84). Der § 179 des Entwurfs lautet: „Die Sache ist in ihrem gegenwärtigen Bestände herauszugeben, soweit nicht dem Verpflichteten das Recht der Trennung und Wegnahme eines Bestandtheils zusteht. Der Anspruch auf Herausgabe der Sache umfaßt auch die von derselben getrennten Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute aus derselben, welche bei dem Beklagten noch vorhanden und nicht in das Eigenthum eines Anderen übergegangen sind". Planck Beantragt war von einer Seite die Streichung des ganzen §, von anderer Seite die (Nr 123, 1) Streichung des zweiten Absatzes. v. Mandry Beschlossen wurde die Streichung beider Absätze des ξ 179.
TE-SachR $ 179
(Nr 125, 2)
| 231 C P O entspricht § 256 I Z P O . | 253 C P O entspricht % 256 II Z P O .
762
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 9 8 6
Erwogen war: 1. Der erste Absatz beziehe sich auf den Fall, daß an den Bestandtheilen der Sache verschiedenes Eigenthum bestehe. Möglich sei dieser Fall nur bei nicht wesentlichen Bestandtheilen. Daß die Herausgabepflicht hier nur soweit reiche, als das Eigenthum ergebe, brauche als selbstverständlich hier nicht bestimmt zu werden; das desfalls eintretende Rechtsverhältniß aber werde in den §§ 190 und 191 | des | Prot 14156 Entwurfs 5 noch speziell geordnet. 2. Der zweite Absatz des Entwurfes wolle erstlich für die abgetrennten Erzeugnisse und die abgetrennten Gegenstände der sonstigen Ausbeute, welche durch ihre Abtrennung selbstständige Sachen geworden seien, bestimmen, daß bei ihnen nicht die Regel quot res tot vindicationes gelte, die Bezeichnung und Absonderung eines solchen Gegenstandes mithin nicht als die Erhebung eines neuen selbständigen Anspruches, sondern als eine bis zu dem in § 251 der Civilprozeßordnung 6 bezeichneten Zeitpunkte zulässige Ergänzung der Klage anzusehen sei. Da mehrere Sachen in einer Klage vindizirt werden könnten, so enthalte die vorgeschlagene Bestimmung nur eine entbehrliche Auslegungsregel für das Klagpetitum, zu vergl. § 230 Ziff. 2 der Civilprozeßordnung 7 . Zweitens wolle die vorgeschlagene Vorschrift zum Ausdruck bringen, daß durch die Abtrennung der Erzeugnisse und der Gegenstände der sonstigen Ausbeute an dem Rechtsverhältnisse, in welchem diese Gegenstände bisher standen, nichts geändert werde. Als Regel sei dieser Satz schon in der zu § 152 des Entwurfs 8 unterm 6. Juni 1884 Prot. S. 4070, beschlossenen Bestimmungen ausgesprochen. Die Regel habe aber durch die Beschlüsse vom 30. Mai und vom 6. Juni 1884, Prot. S. 4027, 4071 und 4072, zu Gunsten des redlichen Besitzers eine Ausnahme erlitten. Nach diesen Beschlüssen sei durch die Trennung das Eigenthum auch an den noch vorhandenen Früchten im Sinne des ξ 782 Nr. 1 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des Sachenrechts 9 auf den redlichen Besitzers übergegangen. Mithin bleibe an dieser Stelle nur zu erwägen, ob man der Absicht des Entwurfes nicht wenigstens insoweit folgen solle, daß die kraft Gesetzes stattfindende Eigenthumserwerbung des redlichen Besitzers als eine des rechtlichen Grundes entbehrende angesehen und der § 742 Abs. 2 (K.E.)'° von der Anwendung ausgeschlossen werde. Auf diesem Wege würde man zu einer obligatorischen Herausgabepflicht der fructus separati extantes gelangen. Indessen sprächen überwiegende Gründe gegen die Bestimmung einer solchen Herausgabepflicht. Für den Eintritt derselben würde der zufällige Umstand (entscheidend sein, daß der redliche Besitzer die |Prot 14157 Früchte noch nicht verbraucht oder veräußert habe. Das Vorhandensein der Früchte könne nicht für die Auferlegung einer Erstattungspflicht maßgebend sein, welche durch Verbrauch oder Veräußerung hätte abgewendet werden können. Aus Veranlassung der Motive kamen folgende Fragen zur Diskussion: 1. Soll eine Bestimmung über die H a f t u n g desjenigen, qui liti se obtulit aufgenommen werden? Zu vergl. Motive S. 888, 889. Die Kommission entschied sich aus folgenden Erwägungen für die Verneinung der Frage: 5
S. bei § 251 7 § 230 » S. bei 9 S. bei S. bei 6
1 0 0 0 - 1 0 0 3 BGB. C P O entspricht der bis zum 30. 6. 1977 geltenden Fassung des § 278 Z P O . C P O entspricht § 253 Z P O . § 953 BGB. §§ 90 — 103 BGB. $ 812 BGB.
763
§ § 985, 9 8 6
3. Abschnitt: Eigenthum
H a b e der Beklagte ein gerichtliches Geständniß über seinen Besitz oder seine Inhabung abgelegt, so beurtheile sich seine Bindung durch das Geständniß nach § 263 der Civilprozeßordnung und werde, wenn die Anfechtung wegen Irrthums ausbleibe oder erfolglos versucht werde, zu einer rechtskräftigen Verurtheilung zur Herausgabe führen. Sei der Beklagte nicht in dieser Weise gebunden, und mache er seine Nichtinhabung oder seinen Nichtbesitz, so lange solches noch zulässig sei, geltend, so werde er zwar der Verurtheilung entgehen aber den mit der verspäteten Geltendmachung verknüpften Nachtheilen unterliegen. Weiteres hierüber zu bestimmen, sei nicht nöthig. Sei eine rechtskräftige Verurtheilung zur Herausgabe erfolgt, so sei damit die Pflicht des Beklagten zu einer Leistung festgestellt und jedes weitere Vorbringen, welches den Grund der Verpflichtung betreffe, ausgeschlossen. Sei in der Exekutionsinstanz die Naturalerfüllung nicht zu erzwingen, weil der Verurtheilte den Besitz und die Inhabung der Sache nicht habe, so sei das Recht des Gläubigers, sein Interesse zu fordern, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurtheilen, zu vergl. § 778 der Civilprozeßordnung". Bei obligatorischen Ansprüchen habe nach § 241 (K.E.) 12 der rechtskräftig verurtheilte Schuldner eine jede Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten und werde eine zu vertretende Unmöglichkeit angenom| Prot 14158 men, | w e n n die Leistung nicht binnen einer nachzulassenden letzten Frist bewirkt sei. Bereits bei einer früheren Gelegenheit, Prot. S. 2685, sei die Kommission zu dem Einverständnisse gelangt, daß die allgemeinen Rechtsnormen des Obligationenrechts auch f ü r die aus einem sachenrechtlichen Verhältnisse entspringenden Obligationen gelten. Vorbehalten sei nur, später zu prüfen, inwiefern in Beziehung auf gewisse Ansprüche, deren juristischer Charakter die Unterstellung einer Obligation bedenklich erscheinen lasse, die Aufnahme besonderer Vorschriften erforderlich sei. Zu vergl. auch Prot. S. 467. In Ansehung der Vertretung der Unmöglichkeit der Leistung sei das Bedürfniß, eine Besonderheit zu bestimmen, nicht anzuerkennen. Wenn die Herausgabepflicht auch auf einem dinglichen Fundamente, dem Eigenthum des Vindikanten, beruhe, so sei sie doch inhaltlich nicht zu unterscheiden von einer obligatio ad restituendum, welche aus Miethe, Mandat, Depositum pp. entspringe. Die Aufnahme einer Vorschrift, welche den § 241 (K.E.) auf die H e r ausgabepflicht des rechtskräftig verurtheilten Vindikationsbeklagten für anwendbar erkläre, habe das Bedenken gegen sich, daß man vermöge eines argumentum e contrario dahin gelangen könnte, andere allgemeine Vorschriften in Ermangelung besonderer Bestimmung nicht für anwendbar zu halten. Vorbehalten bleibe, auf die Prüfung der Frage zurückzukommen, wenn im Verlauf der Berathung des Sachenrechts ein Bedürfniß zu einer allgemeinen die Anwendbarkeit gewisser Rechtsnormen des Obligationenrechts auf dingliche Ansprüche betreffenden Vorschrift sich zeigen sollte. 2. Soll eine Bestimmung über die H a f t u n g desjenigen aufgenommen werden, qui dolo desiit possidere? Zu vergleichen Motive S. 888 und 902 ff. Die Kommission verneinte die Frage. Erwogen war: Aus den in den Motiven vorgetragenen Gründen erscheine es richtiger, die in Frage stehende H a f t u n g nicht auf eine gesetzliche Fiktion „dolus pro possessione est" zu stützen, sondern der Herleitung aus den allgemeinen Obligationsgründen zu überlassen. 11 12
§ 778 C P O entspricht § 893 Z P O . S. bei S 283 BGB.
764
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 986
340. Sitzung vom 27. 6. 1884,13 Schriftführer von Liebe | Der § 193 des Entwurfs' 4 lautet: | Prot I 4215 „Die Herausgabe einer beweglichen Sache ist an dem Orte zu leisten, an wel- TE-SachR§ 193 chem dieselbe sich bei der Erhebung der Klage befindet. W a r der Besitzer bei der Erwerbung der Sache nicht in gutem Glauben, so hat er die Herausgabe auf Verlangen des Eigenthümers an dem Orte zu leisten, wo er den Besitz der Sache erlangt hat." Beantragt war: 1. den § 193 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: Derscheid „Die Herausgabe einer beweglichen Sache ist an dem Orte zu leisten, an wel- (Nr 139) chem der Besitzer oder Inhaber zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hatte. Hatte der Besitzer oder Inhaber die Sache durch eine strafbare oder vorsätzliche unerlaubte Handlung erworben, so ist die Herausgabe auf Verlangen des Eigenthümers an dem Orte zu | leisten, wo der Besitz oder die Inhabung erlangt war." | Prot I 4216 2. den § 193 Absatz 1 zu fassen: „Eine bewegliche Sache ist vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit an dem Orte herauszugeben, an welchem sich dieselbe zur Zeit der Leistung befindet; nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit an dem Orte, an welchem sie sich zur Zeit dieses Eintritts befunden hat." Daneben war der Streichungsantrag gestellt und wurde von der Kommission angenommen. Erwogen war: Nach § 227 (K.E.) sei der Leistungsort bei einer gesetzlichen Obligation, wie solche nach der Ansicht der Mehrheit der Kommission hier in Frage stehe, zunächst dem gesetzlichen Inhalte der Obligation zu entnehmen. D a ß die subsidiäre in § 228 (K.E.) gegebene Regel, welche auf den Wohnsitz des Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses abstelle, im vorliegenden Falle wenig passe, sei nicht zu verkennen, doch würden die gesetzlichen Vorschriften, welche den Inhalt der Leistungspflicht bestimmen, bei der Ermittelung des Leistungsortes nicht im Stiche lassen. Vor dem Eintritte einer mala fides oder der Rechtshängigkeit bestimmten Inhaber und Besitzer in befugter Weise den Ort der Aufbewahrung der Sache, könnten also in keiner Weise aus ihren thatsächlichen Verfügungen haften; hieraus ergebe sich, daß mittels Klage die Herausgabe nur da begehrt werden könne, wo die Sache sich befinde, Entwurf Absatz 1, während vorher, Antrag 2 Satz 1 von einem fixirten Leistungsort überhaupt noch nicht zu reden sei. Dem Wohnsitz des Beklagten zur Zeit der Klageerhebung einen Einfluß beizumessen, Antrag 1 Absatz 1, sei nicht gerechtfertigt. | Sei durch den Eintritt der mala fides oder der Rechtshängigkeit dem Besitzer | Prot 14217 oder Inhaber die Verpflichtung auferlegt, in einer Weise, nämlich als ordentlicher Hausvater mit der Sache zu verfahren, so ergebe sich aus dieser Verpflichtung, daß der Ort der Sache nicht willkürlich bestimmt werden dürfe, andererseits aber auch, daß eine Ortsveränderung sehr wohl der Befugniß und der Verpflichtung des Besitzers oder Inhabers entsprechen könne. Hier wie im Deliktsfalle, wo die Restitution am Orte der Wegnahme in der Schadensersatzpflicht liege, Protokolle S. 1084, 13
14
Die sich an das Bisherige anschließenden Beratungen auf der 337. Sitzung, Prot. I 4159 ff. s. bei §§ 987 ff. BGB. Die vorhergehende Beratung s. bei § 255 BGB.
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§ § 985, 986
3. Abschnitt: Eigenthum
werde der gesetzliche Inhalt der Leistungspflicht einen genügenden Anhalt bieten, w ä h r e n d eine f ü r alle Fälle passende gesetzliche Fixirung des Leistungsortes mit großen Schwierigkeiten verknüpft sein würde. TE-SachR $ 194
Der § 194 des Entwurfs lautet: „Der Anspruch auf Herausgabe der Sache ist entkräftet, w e n n der Inhaber vermöge eines Rechts an der Sache oder vermöge einer gegen den Kläger wirksamen F o r d e r u n g b e f u g t ist, die Sache zu behalten."
Die V o r s c h r i f t des Entwurfes war sachlich mit Rücksicht auf die in den Motiven S. 946—948 vorgetragenen Gründe f ü r dieselbe unbeanstandet geblieben. Die Kommission entschied sich auch, obwohl von mehreren Mitgliedern die Bestimm u n g des § als selbstverständlich und deshalb entbehrlich bezeichnet w u r d e , f ü r die A u f n a h m e des §, indem es räthlich gefunden wurde, über die Wirksamkeit obligatorischer Verpflichtungen gegenüber dinglichen Ansprüchen keinen Zweifel zu lassen. Die Fassung der aufzunehmenden Vorschrift blieb der P r ü f u n g bei der Redaktion vorbehalten. Z u r Sprache kam die Vorschrift des preußischen Rechts, welche bei G r u n d s t ü k | Prot 14218 ken die einredeweise Geltendma-|chung des obligatorischen Rechts auf Eigenthumsverschaffung gegenüber dem vindizirenden Verpflichteten ausschließt, zu vergleichen Motive S. 948 — 950. Die Vorschrift will verhüten, daß die durch exceptio rei venditae et traditae geschützte Rechtsposition des Besitzers als eine besondere Art von Eigenthum dem Bucheigenthum gegenüber trete. Die Motive halten eine solche V o r s c h r i f t f ü r überflüssig, weil dingliches Recht und obligatorisches Recht auch o h n e dieselbe sich streng von einander unterscheiden, und f ü r nicht gerechtfertigt, weil dem obligatorisch Berechtigten eine willkürliche Beschränkung auferlegt werde. Die Kommission Schloß sich der Meinung der Motive an. II.—2. In der VorlZust „Eigentbum" §§ 1 und 1215 sowie in der RedVorl und 920 16 lauten die beschlossenen Bestimmungen:
§§ 909
VorlZust § 1 D e r Eigenthümer einer Sache hat gegen den Besitzer oder Inhaber ( R e d V o r l : RedVorl % 909 und den Inhaber) derselben den Anspruch auf Herausgabe. VorlZust § 12 D e r Anspruch auf Herausgabe der Sache ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer RedVorl § 920 o d e r Inhaber auf Grund eines Rechts an der Sache oder auf G r u n d eines gegen den
Eigenthümer ihm zustehenden Anspruchs ( R e d V o r l : einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung) berechtigt ist, die Sache zu behalten. 3 . - I V . In der ZustSachR gefaßt:
§ 908, im KE § 908 und im Ε1$ 929 ist § 909
RedVorl
ZustSachR/ D e r E i g e n t h ü m e r hat gegen den Besitzer den Anspruch auf H e r a u s g a b e der SaKE % 908 che. D e r Anspruch findet auch gegen den Inhaber der Sache statt. Ε Η 929
§ 920 Redvorl ist unter Hinzusetzen des Artikels „der" vor „Inhaber" unverändert in § 919 ZustSachR und KE übernommen. Bei der Revision des KE lagen zu § 919 die Anträge vor: I Prot I 11993 | a, als Abs. 2 hinzuzusetzen: v. Mandry „Das Gleiche gilt in Ansehung des Anspruches auf H e r a u s g a b e der N u t z u n g e n . " ( N r 473)
Die SS 2 - 11 VorlZust s. bei §§ 9 8 7 - 1 0 0 3 BGB. Die S S 910—918 RedVorl s. bei S § 987 — 1003 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 986
Kurlbaum b, den Paragraphen dahin zu fassen: „Die Geltendmachung des Eigenthumsanspruches ist insoweit ausgeschlossen, (Nr 468, 3) als der Besitzer oder Inhaber auf Grund einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung berechtigt ist, die Sache zu behalten oder zu benutzen. | Die dem | Prot I 11994 Besitzer oder Inhaber auf G r u n d eines Rechtes an der Sache zustehenden Rechte bleiben unberührt." Den Antrag a zog der Antragsteller zurück, indem er bemerkte, daß die Bedenken, welche er gegen die Fassung des § 919 gehabt habe, durch die zu § 910 in der vorigen Sitzung, Prot. S. 11982 ff. 17 , gefaßten Beschlüsse gehoben seien. D e r Antrag b wurde abgelehnt. Die Mehrheit erkannte ein Bedürfniß zur Aenderung des § 919 nicht an. Sie w a r insbesondere der Ansicht: Die von dem Antragsteller hinzugefügten W o r t e „oder zu benutzen" seien entbehrlich, weil der Anspruch auf Herausgabe, der hier allein in Frage sei, durch das Recht, die Sache in Z u k u n f t zu benutzen, nur dann ausgeschlossen werde, wenn mit diesem Rechte f ü r den Besitzer oder den Inhaber zugleich das Recht zum Behalten der Sache sich verbinde. W a s dagegen die N u t z u n g e n der Vergangenheit anlange, so ergebe sich bereits aus den §§ 909 ff. wie das Verhältniß zwischen dem vindizirenden Eigenthümer und dem anderen Theile sich gestalte. Im Ε I ist die Vorschrift als § 942 enthalten.
B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 95. Sitzung vom 5. 4. 1893 11. Die Kommission trat in die Berathung des vom Eigenthumsanspruche han- | Prot-RJA 647 delnden Titels ein. Es w u r d e beschlossen, den § 929 mit dem § 942 zu einem Paragraphen zu verbinden und diesem folgenden Inhalt zu geben: D e r Eigenthümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. Ε I-RJA $ 929 D e r Besitzer kann die Herausgabe verweigern, wenn er auf G r u n d eines Rechtes an der Sache oder einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung berechtigt ist, die Sache zu behalten. Leitet der Besitzer sein Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ab, so kann er die Herausgabe der Sache an den Eigenthümer auch dann verweigern, wenn er dem mittelbaren Besitzer gegenüber berechtigt ist, die Sache zu behalten, und diesem dem Eigenthümer gegenüber ein übertragbares Recht zum Besitze der Sache zusteht. Ein Antrag, den Eigenthumsanspruch auch gegen den mittelbaren Besitzer z u z u lassen, und zwar in dem Sinne, daß dieser den ihm gegen den Besitzer zustehenden Anspruch auf H e r a u s g a b e der Sache dem Eigenthümer abzutreten habe, w u r d e abgelehnt. Die Mehrheit war der Ansicht, daß ein Anspruch auf H e r a u s g a b e der Sache nur gegen den Besitzer als solchen begrifflich möglich sei. Auch sei es nicht angemessen, dem Eigenthümer gegen den mittelbaren Besitzer ein Recht auf Abtretung der diesem gegen den Besitzer zustehenden Ansprüche zu geben. N u r der Besitz der Sache verkörpere den Zustand, welcher dem Eigenthum widerstrebe. Die | Abtretung der | Prot-RJA 948" 17 18
S. bei §§ 9 8 7 — 9 9 3 BGB. Die Seitenzahl „948" folgt im Original auf die Seitenzahl „647".
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§ § 985, 9 8 6
3. Abschnitt: E i g e n t h u m
Ansprüche, welche dem mittelbaren Besitzer gegen den Besitzer zuständen, nütze dem Eigenthümer nichts, weil er sich alsdann auch alle Einwendungen des Besitzers gegen den mittelbaren Besitzer gefallen lassen müßte. Anlangend die rechtliche Natur des Eigenthumsanspruches, so war die Mehrheit der Ansicht, daß durch den Besitz der Sache seitens eines Dritten allein noch kein Rechtsverhältniß zwischen dem Besitzer und dem Eigenthümer entstehe; ein solches Rechtsverhältniß entstehe vielmehr erst durch die Erhebung der Klage. Der Kläger müsse also beweisen, daß der Beklagte sich im Besitze der herauszugebenden Sache befinde, und es sei nicht etwa Sache des Beklagten, zu beweisen, daß er von seiner durch den Besitz begründeten Verpflichtung zur Herausgabe der Sache frei geworden sei. Diese rechtliche Natur des Eigenthumsanspruchs werde durch die Worte „vom Besitzer" klargestellt; selbstverständlich sei hierunter nur der gegenwärtige Besitzer zu verstehen. Der § 942 wurde, soweit er sich auf den Besitzer im Sinne der zu §§ 797 f f . " gefaßten Beschlüsse bezieht, sachlich gebilligt, in Konsequenz dieser Beschlüsse aber dahin ergänzt, daß beim Vorhandensein eines mittelbaren Besitzers der Besitzer die Herausgabe auch dann verweigern dürfe, wenn er dem mittelbaren Besitzer gegenüber zum Behalten der Sache befugt sei und dieser dem Eigenthümer gegenüber ein Recht zum Besitze der Sache habe. Der Besitzer, der seinen Besitz von einem mittelbaren Besitzer herleite, habe von diesem gewissermaßen eine unwiderrufliche Ermächtigung zur Ausübung der Besitzrechte seines Auktors erhalten; es sei daher nur gerechtfertigt, daß der Besitzer sein Recht zum Besitze, obwohl er es nicht von dem Eigenthümer herleite, dennoch diesem gegenüber geltend machen könne, sofern nur der mittelbare Besitzer zur Uebertragung des Rechtes befugt gewesen sei. Nehme man in dem erwähnten Falle | Prot-RJA 949 eine Ermächtigung zur Aus-|übung oder gar, wie von einer Seite gewünscht wurde, eine Abtretung des dem mittelbaren Besitzer zustehenden Rechtes zum Besitze an, so erledige sich das von der Minderheit geäußerte Bedenken, daß der Besitzer, der sein Recht von einem mittelbaren Besitzer herleite, das Rechtsverhältniß, welches diesen dem Eigenthümer gegenüber zum Besitze der Sache berechtige, als ein ihn nichts angehendes, einer Erörterung nicht unterziehen dürfe. Einverständniß zeigte sich darüber, daß, wenn ein mittelbarer Besitz vorhanden sei, der Besitzer befugt sein müsse, dem mittelbaren Besitzer nach Maßgabe des § 73 der C.P.O. den Streit zu verkünden und ihn unter Benennung an den Kläger zur Erklärung zu laden, daß jedoch die Fassung des § 73 mit den zu § 821 des Entwurfes 20 beschlossenen Bestimmungen in Einklang zu setzen sei, etwa dahin: Abs. 1 Wer als Besitzer einer Sache verklagt ist, die er auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im § 821 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art zu besitzen behauptet, kann . . . Abs. 3 am Schluß . . . daß der Beklagte auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im Abs. 1 bezeichneten Art besitzt. 96. Sitzung vom 7. 4. 1893 | Prot-RJA 11. Die Kommission ging nochmals auf die Frage ein, wie das Verhältniß zu ge95721 stalten sei, wenn der mit der rei vindicatio belangte Besitzer sich darauf berufe, daß er sein Recht zum Besitz von einem mittelbaren Besitzer ableite. Der Standpunkt, 19 20 21
S. bei §§ 854, 855 BGB. S. bei §§ 868 — 872 BGB. Die vorhergehende Beratung s. bei §§ 994—998 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 986
welchen die Mehrheit in der vorigen Sitzung eingenommen hat, wurde von einer Seite in folgenden Sätzen gefunden: „Leitet der Besitzer sein Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ab, so kann er die Herausgabe der Sache an den Eigenthümer auch dann verweigern, wenn er dem mittelbaren Besitzer gegenüber berechtigt ist, die Sache zu behalten, und diesem dem Eigenthümer gegenüber ein abtretbares Recht zum Besitze der Sache zusteht. Auf Grund eines solchen Rechts zum Besitze der Sache kann auch der mittelbare Besitzer der Herausgabe der Sache an den Eigenthümer widersprechen, wenn er in Folge der Streitverkündung des Besitzers nach § 73 der Civilprozeßordnung den Prozeß übernimmt." Diese Sätze, so wurde bemerkt, seien nicht ganz klar. D a ß es auf die Abtretbarkeit des Rechtes zum Besitze ankommen solle, erscheine namentlich dann bedenklich, wenn der mittlbare Besitzer selbst gemäß § 73 der C.P.O. in den Rechtsstreit eintrete. Von anderer Seite wurde die Auffassung vertreten, daß man am besten thun werde, gar keine Spezialbestimmung in Betreff des mittelbaren Besitzes in das Gesetzbuch aufzunehmen. Wenn man aber eine solche geben wolle, so müsse unbedingt daran festgehalten werden, | daß der Besitzer sich auf ein Recht des mittelba- | Prot-RJA 958 ren Besitzers nur berufen dürfe, wenn dieses Recht als ein abtretbares erscheine. N u r wenn dem Besitzer das Recht zum Besitze rechtmäßig abgetreten sei oder wenn er sonst als rechtmäßiger Vertreter des mittelbaren Besitzers handle, könne ihm dem Eigenthümer gegenüber eine Einrede auf Grund des Rechtes des mittelbaren Besitzers zugestanden werden. Wenn aber der mittelbare Besitzer den ihm selbst als Pächter, Nießbraucher etc. zustehenden Besitz zu Unrecht auf einen Afterpächter etc. übertragen habe, so müsse der Eigenthümer unbedingt das Recht haben, die Herausgabe der Sache zu verlangen. Das zwischen dem Pächter und dem Afterpächter bestehende obligatorische Verhältniß habe gegenüber dem Eigenthümer keine Bedeutung. Wenn der Beklagte den Pächter oder Nießbraucher etc. gemäß § 73 C.P.O. als Besitzherrn benenne und dieser den Prozeß übernehme, so sei das Verhältniß ähnlich zu beurtheilen, wie das Reichsgericht (vergl. Entsch. d. R.G. in C.S. VII 333, X X 422) die Rechtslage im Falle des § 236 C.P.O. 22 charakterisirt habe. Der mittelbare Besitzer trete in den Prozeß ein, wie derselbe liege. Der Klagantrag werde sachlich nicht geändert und, wenn der zunächst verklagte Besitzer kein Recht zum Besitze gehabt habe, so könne sich auch der mittelbare Besitzer in diesem Prozesse nicht darauf berufen, daß ihm selbst ein Recht zum Besitze zustehe. Dem gegenüber wurde bemerkt: es sei bei den vorstehend mitgetheilten Ausführungen übersehen, daß der Besitzer seinen Besitz doch immerhin von einem Anderen ableite, der dem Eigenthümer gegenüber zum Besitze berechtigt sei, und daß er nicht einfach einem unbefugten Dritten gleichstehe, der zufällig und ohne jedes Recht den Besitz der Sache von dem mittelbaren Besitzer erlangt habe. Die Unhaltbarkeit der obigen Ausführung ergebe sich, wenn man den Fall des § 73 C.P.O. heranziehe. Trete der mittelbare Besitzer gemäß § 73 in den Prozeß ein, so könne ihm unmöglich | verwehrt werden, sich auf sein eigenes Recht zum Besitze zu berufen. | Prot-RJA 959 Die Rechtslage sei bei § 73 durchaus anders als bei § 236 C.P.O. Der Besitzherr führe den Prozeß nicht als Vertreter des ursprünglichen Besitzers, welcher ganz aus dem Prozesse ausscheide, sondern selbständig: Das Urtheil gehe auch nicht gegen 22
§ 236 C P O entspricht § 265 Z P O .
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§ § 985, 9 8 6
3. Abschnitt: Eigenthum
den Besitzer selbst — gegen welchen es nur in Ansehung der Sache vollstreckbar sei — sondern direkt gegen den Besitzherrn, welcher um deswillen auch befugt sein müsse, sein persönliches Recht auf den Besitz geltend zu machen. Von dritter Seite wurde ausgeführt: Der Eigenthümer werde in seinem Rechte gestört nicht sowohl dadurch, daß ihm überhaupt der Besitz der Sache vorenthalten werde, sondern vielmehr dadurch, daß ein unbefugter Dritter den Besitz ausübe. Der Eigenthümer habe selbst kein Recht auf den Besitz der Sache, dieses stehe vielmehr dem mittelbaren Besitzer zu, und wenn der Eigenthümer auch von dem Besitzer die Herausgabe erreichen würde, so müßte er die Sache doch sofort wieder seinerseits an den mittelbaren Besitzer herausgeben. Wohl aber könne der Eigenthümer verlangen, daß ein unbefugt im Besitze befindlicher Dritter den Besitz räume. Es träfen darnach die Voraussetzungen der actio negatoria zu. Der § 943 des Entw., welcher die actio negatoria regle, sei nach seinem Wortlaute ohne Weiteres anwendbar; sollten in letzterer Hinsicht Zweifel bestehen, so werde man dieselben durch eine entsprechende Fassung des § 943 zu beseitigen haben. An dieser Stelle (§ 929) sei darnach allerdings eine besondere Bestimmung entbehrlich. Auch diese Auffassung wurde bekämpft: Von der actio negatoria könne ihrer ganzen Natur nach im vorliegenden Falle keine Rede sein. Man verwirre die ganze Lehre vom Eigenthumsanspruch, wenn man in einem Falle, wo es sich nur um den | Prot-RJA 960 Besitz der Sache handle, auf die actio negatoria verweise. Es sei auch gar nicht | abzusehen, wie ein Unheil vollstreckt werden solle, welches dahin ergehe, daß der Besitzer den Besitz zu Gunsten des mittelbaren Besitzers räumen solle, der seinerseits den Besitz gar nicht haben wolle, ihn vielmehr grade an den Besitzer abgetreten habe. Die Kommission entschied sich im Hinblick darauf, daß die hervorgehobenen Zweifel wesentlich wissenschaftlicher Natur seien und eine Lösung derselben durch das Gesetz kaum angängig erscheine, von einer Spezialbestimmung in Betreff des mittelbaren Besitzes ganz abzusehen. C. 2. Kommission 1. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 3 2 8 - 3 3 5 ; Mugdan, Bd. 3, S. 666 ff.) a) Zu § 929 lagen die Anträge vor: Achilles 1. die Vorschrift zu fassen: (Nr 96, 94) Der Eigenthümer kann von dem Besitzer die Herausgabe verlangen. Der Besitzer kann die Herausgabe verweigern, wenn er dem Eigenthümer gegenüber berechtigt ist, die Sache zu besitzen. Das Gleiche gilt beim Vorhandensein eines mittelbaren Besitzes, wenn der Besitzer ein solches Recht dem mittelbaren Besitzer gegenüber hat und dieser dem Eigenthümer gegenüber zum Besitze berechtigt ist. Planck (Nr 99, 1)
2. dem Antrag 1 als Abs. 3 hinzuzufügen: Gegen den mittelbaren Besitzer hat der Eigenthümer den Anspruch auf Einräumung des mittelbaren Besitzes. Die Vorschriften des Abs. 2 finden entsprechende Anwendung.
Jacubezky (Nr 103)
3. dem im Antrage 2 beantragten Zusätze folgende Fassung zu geben: Gegen den mittelbaren Besitzer hat der Eigenthümer den Anspruch auf Einräumung des mittelbaren Besitzes; auch ist der mittelbare Besitzer auf Verlangen des Eigenthümers für den Fall, daß er den Besitz erlangt, zur Herausgabe der Sache zu verurtheilen. Die Vorschriften des Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. 770
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 986
D e r Abs. 2 des Antrags 1 gelangte z u n ä c h s t nicht z u r E r ö r t e r u n g (vergl. d a r ü b e r unter b). Die K o m m , n a h m in eventueller A b s t i m m u n g die im A n t r a g e 3 vorgeschlagene Fassung des Zusatzes zu § 929 an, lehnte d a n n aber endgiltig den vorgeschlagenen Z u s a t z ab und billigte den Abs. 1 des A n t r a g s 1. b) N u n m e h r gelangten z u r E r ö r t e r u n g : 1. d e r Abs. 2 des § 929 des Antrags 1 oben u n t e r a; 2. d e r U n t e r a n t r a g h i e r z u : den Satz 1 zu schließen „im Besitze zu b e h a l t e n " und den Satz 2 zu fassen: D a s Gleiche gilt, w e n n der Besitzer in einem der im § 821 bezeichneten V e r h ä l t nisse zu einem Anderen steht und dieser A n d e r e (oder: und der mittelbare Besitzer) dem E i g e n t ü m e r gegenüber berechtigt ist, die Sache im Besitze zu behalten. 3. d e r Z u s a t z a n t r a g z u m A n t r a g 1: Struckmann Ist der mittelbare Besitzer dem E i g e n t h ü m e r gegenüber nicht b e f u g t , den Besitz (Nr 98) der Sache dem Dritten zu überlassen, so k a n n d e r E i g e n t h ü m e r von dem Besitzer die H e r a u s g a b e der Sache an den mittelbaren Besitzer o d e r , w e n n dieser den Besitz nicht w i e d e r ü b e r n e h m e n will o d e r k a n n , an sich selbst verlangen. 4. d e r A n t r a g : im A n t r a g 2 statt der Schlußworte „die Sache im Besitze zu behalten" zu setzen „dem Besitzer den Besitz der Sache e i n z u r ä u m e n " . D e r A n t r a g 3 w u r d e von der K o m m , gebilligt, der A n t r a g 4 v o r der A b s t i m m u n g z u r ü c k g e z o g e n und darauf d e r A n t r a g 1 mit den Anträgen 2 und 3 a n g e n o m m e n . II. D i e beschlossene V o r s c h r i f t lautet in der VorlZust als § 929: D e r E i g e n t h ü m e r kann von dem Besitzer die H e r a u s g a b e der Sache verlangen. Ε I-VorlZust D e r Besitzer kann die H e r a u s g a b e d e r Sache verweigern, w e n n er dem Eigen- § t h ü m e r g e g e n ü b e r berechtigt ist, die Sache im Besitze zu behalten. D a s Gleiche gilt, w e n n der Besitzer das R e c h t z u m Besitze v o n einem mittelbaren Besitzer ableitet und dieser dem E i g e n t h ü m e r g e g e n ü b e r berechtigt ist, die Sache im Besitze zu behalten. Ist der mittelbare Besitzer dem E i g e n t h ü m e r g e g e n ü b e r nicht b e f u g t , den Besitz d e r Sache d e m D r i t t e n zu überlassen, so k a n n der Eigent h ü m e r von dem Besitzer die H e r a u s g a b e der Sache an den mittelbaren Besitzer, o d e r w e n n dieser den Besitz nicht wieder ü b e r n e h m e n will o d e r k a n n , an sich selbst verlangen. III., IV. In d e r ZustRedKom sind die Bestimmungen auf die §§ 929, 929 a a u f g e t e i l t . Im Ε / / s i n d sie als §§ 899, 900 ü b e r n o m m e n , wobei Abs. 2 des § 899 neu hinz u g e f ü g t ist: D e r E i g e n t h ü m e r k a n n von dem Besitzer die H e r a u s g a b e der Sache verlangen. (Ε II: G e g e n ü b e r einem mittelbaren Besitzer steht dem E i g e n t h ü m e r ein A n spruch auf Ueberlassung des mittelbaren Besitzes nicht zu.) D e r Besitzer kann die H e r a u s g a b e d e r Sache verweigern, w e n n er o d e r d e r mittelbare Besitzer, von dem er sein R e c h t z u m Besitze ableitet, d e m E i g e n t h ü m e r geg e n ü b e r z u m Besitze berechtigt ist. Ist d e r mittelbare Besitzer d e m E i g e n t h ü m e r geg e n ü b e r z u r Ueberlassung des Besitzes an den Besitzer nicht b e f u g t , so k a n n d e r E i g e n t h ü m e r von dem Besitzer die H e r a u s g a b e der Sache an den mittelbaren Besitzer o d e r , w e n n dieser den Besitz nicht wieder ü b e r n e h m e n will o d e r k a n n , an sich selbst verlangen.
771
Ε I-ZustRedKom §929 Ε II § 899 Ε I-ZustRedKom § 929 a Ε II § 900
§ § 985, 9 8 6
3. Abschnitt: Eigenthum
Der Besitzer einer Sache, die nach § 874 b (Ε II. § 844) durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigenthümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen 23 . V. Bei der Revision des Ε II wurde auf Antrag der Abs. 2 des § 899 gestrichen (Prot. II, Bd. 6, S. 236 f.). Im übrigen sind die Bestimmungen in die §§ 970, 971 (E / / / § § 969, 970) übernommen und entsprechen den §§ 985, 986 BGB.
D. Bundesrat (Justizausschuß) I. Bayern bemerkt. Wenn dem Eigenthümer gegen den mittelbaren Besitzer kein Anspruch auf Herausgabe der Sache zustehe, so beruhe dies auf einer Verkennung des Wesens des mittelbaren Besitzes und stehe mit dem § 915 des Entwurfes II und den §§ 73, 772 der Civilprozeßordnung in Widerspruch. Unter Bezugnahme auf die in den Protokollen S. 3943 ff. hervorgehobenen Gründe wird daher beantragt, den Eigenthumsanspruch auf Herausgabe der Sache auch gegen den mittelbaren Besitzer zuzulassen. II. Der Antrag Bayerns zum § 970 ist durch die Neufassung und S. 8557 der Protokolle erledigt (Bericht von Hellervom 15. 10. 1895). 23
D e r Abs. 2 der Vorschrift ist aus 5 874 b hierher versetzt; s. zu § 874 b bei §§929— 931 BGB.
Anhang zu §§ 985, 986 BGB I. C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 3 7 1 - 3 7 7 ; Mugdan, Bd. 3, S. 694 ff.) Achilles (Nr 96, 103)
Es lagen die Anträge vor: 1. als § 942 a zu beschließen: Auf das Rechtsverhältniß zwischen dem Eigenthümer und dem mittelbaren Besitzer finden die Vorschriften der §§ 930 bis 938 a1 entsprechende Anwendung. 2. im Antrag 1 auch den § 929 2 für anwendbar zu erklären;
v. Mandry (Nr 120)
3. als § 942 a folgende Vorschrift aufzunehmen:
Planck H a t ein mittelbarer Besitzer Verwendungen gemacht, so finden die Vorschriften (Nr 126, 4) der §§ 936 bis 938 a 3 mit der Maßgabe Anwendung, daß in dem Falle des § 938 a der
mittelbare Besitzer gleichzeitig mit dem Besitzer ein Pfandrecht für seine Ansprüche ' 2 3
Gemeint sind die Vorschriften der Ε I-VorlZust. Die §§ 930—938 a entsprechen den §§ 992—1003 BGB. § 929 Ε I-VorlZust entspricht §§ 985, 986 BGB. §§ 936—938 a Ε I-VorlZust entsprechen §§ 994—1003 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 986
oder, wenn die Sache ein Grundstück ist, das Recht erlangt, die Befriedigung aus demselben zu verlangen. 4. a) den in den Anträgen 1 bis 3 vorgeschlagenen § 942 a abzulehnen und dem Jacubezky (Nr 114, 3) § 9374 hinzuzufügen: Im Falle eines mittelbaren Besitzes kann der Besitzer verlangen, daß dem mittel- (Nr 116, 2) baren Besitzer Ersatz für die Verwendungen geleistet wird, welche demselben zu ersetzen wären, wenn er selbst die Sache herauszugeben hätte. b) f ü r den Fall der Annahme eines der Anträge 1 bis 3 dem § 942 a folgende Vorschrift beizufügen: Das Zurückbehaltungsrecht des Besitzers erstreckt sich auch auf den dem mittelbaren Besitzer wegen Verwendungen zustehenden Anspruch. 5. als § 942b folgende Vorschrift aufzunehmen: Dem Eigenthümer gegenüber gilt der Besitzer als befugt, den mittelbaren Besitzer in Bezug auf dessen Rechte wegen der auf die Sache gemachten Verwendungen zu vertreten. Das Gleiche gilt für den mittelbaren Besitzer in Bezug auf die Rechte des Besitzers. Man erörterte zunächst die Frage, ob über das Rechtsverhältniß des mittelbaren Besitzers zum Eigenthümer eine Vorschrift aufgenommen werden solle und eventuell welche der zu den §§ 929 bis 938 beschlossenen Bestimmungen auf jenes Rechtsverhältnis für entsprechend anwendbar zu erklären seien. Die Komm, beschloß, nicht mit dem Antrage 2 auf § 929 zu verweisen, die Verweisung aber auch nicht mit dem Antrage 3 auf die §§ 936 bis 938 a zu beschränken, sondern die §§ 929 a bis 938 a 5 für entsprechend anwendbar zu erklären. Der Antrag 4 a erledigte sich hierdurch. Der Antrag 4 b wurde abgelehnt. Der dem Antrag 4 b verwandte Antrag 5 wurde zurückgezogen. II.—V. In der VorlZust bestimmt § 942 a: Auf das Rechtsverhältniß zwischen dem Eigenthümer und dem mittelbaren Be- Ε I-VorlZust ξ 942 a sitzer finden die Vorschriften der §§ 930 bis 938 a entsprechende Anwendung. Das Zitat der §§ 930—938 a entspricht nicht dem Beschluß. In der ZustRedKom wurde das Zitat geändert in „§§ 929 b—938 a". Obwohl § 929 a nicht mitzitiert ist, ist jetzt der Kommissionsbeschluß verwirklicht, weil durch die Aufteilung des § 929 VorlZust in §§929, 929 a sich die Paragraphenfolge geändert hatte. Im Ε II % 915 sind die §§ 901 bis 914 zitiert. Bei der Revision des Ε II lagen zu den §§ 899 6 , 915 die Anträge vor: v. Mandry 1.a) in § 899 den Abs. 2 zu streichen; (Nr 59, 2) b) den § 915 zu fassen: Auf den Anspruch des Eigenthümers gegen den mittelbaren Besitzer finden die Vorschriften der §§ 899 bis 914 entsprechende Anwendung.
2. den § 899 Abs. 2 und den § 915 zu streichen;
Küntzel (Nr 63, 1)
3. für den Fall der Anerkennung eines Eigenthumsanspruchs gegen den mittelbaren Besitzer im § 855 Satz 1 Halbsatz l 7 nach „oder im Falle eines mittelbaren Ei- v. Mandry genbesitzes gegen den" einzufügen „Eigenbesitzer oder gegen den". (Nr 74) Die Komm, beschloß, den § 899 Abs. 2 und den § 915 zu streichen. Der Antrag 3 wurde der RedKom. überwiesen. i 937 Ε I-VorlZust entspricht § 999 BGB. >S 929 a—938 a Ε I-VorlZust entsprechen < 1 9 8 7 - 1 0 0 3 BGB. i 899 Ε II entspricht § 985 BGB. ί 855 Ε II entspricht § 941 BGB.
773
§ § 985, 9 8 6
3. Abschnitt: Eigenthum
II. Λ. 1. Kommission
| Prot 14194
I. 339. Sitzung vom 25. Juni 1884, Schriftführer von Liebe | Die §§ 188, 189 des Entwurfs wurden bei der Berathung zusammengefaßt. Dieselben lauten:
TE-SachR ξ 188
§188 „Der Eigenthümer ist dem Inhaber, welcher ihm die Sache anbietet, zu deren Rücknahme verpflichtet, kann sich jedoch von den Gegenansprüchen des Inhabers dadurch befreien, daß er demselben das Eigenthum der Sache überträgt."
§ 189 TE-SachR „Der Eigenthümer wird mit der Rücknahme der Sache dem bisherigen Inhaber § 1 8 9 für diejenigen Gegenansprüche verpflichtet, welche derselbe bei der Rückgabe ihm angezeigt hat. Der redliche Besitzer, der gutgläubige Erwerber und der gutgläubige Pfandnehmer einer beweglichen Sache sind zur Herausgabe derselben nur gegen Erstattung oder Sicherstellung der Gegenansprüche verpflichtet. Wird über das Vermögen des Eigenthümers Konkurs eröffnet, so muß die Sache zwar dem Verwalter herausgegeben werden, es findet aber abgesonderte Befriedigung der Gegenansprüche aus dem Erlöse der Sache statt." Folgende Anträge waren gestellt: v. Mandry 1. a, den § 188 zu streichen vorbehaltlich des Ersatzes durch eine Bestimmung, (Nr 135) welche auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen über mora accipiendi auf den nicht zurücknehmenden Eigenthümer hinweiset; b, den § 189 dahin zu fassen: „Dem Besitzer und dem Inhaber steht wegen der in den §§ 185 und 186 bezeich| Prot 14195 neten Gegenansprüche nur ein Zurückhaltungsrecht zu. |Auf dasselbe findet der § 233 (Κ. E.) keine Anwendung. Hat jedoch der Besitzer oder Inhaber dem Eigenthümer vor oder bei der Herausgabe der Sache erklärt, daß er sich jene Ansprüche vorbehalte und dieser die Sache des Vorbehaltes unerachtet zurückgenommen, so können dieselben klageweise geltend gemacht werden." Planck (Nr 136)
2. a, den § 188 dahin zu fassen: „Der Eigenthümer ist dem Besitzer und Inhaber, welcher ihm die Sache anbietet, zu deren Rücknahme verpflichtet. Die Verpflichtung hierzu, sowie die dem Besitzer und Inhaber nach Maßgabe der §§ 185, 186 zustehenden Ansprüche fallen weg, wenn der Eigenthümer die Uebertragung des Eigenthums der Sache anbietet." eventuell den § durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Kommt der Eigenthümer in Verzug der Annahme der Sache, so bleibt ein späterer Wegfall der Bereicherung rücksichtlich derjenigen Verwendungsansprüche außer Betracht, welche der Besitzer oder Inhaber dem Eigenthümer vor oder bei dem Angebote der Sache angezeigt hat. Dem Eigenthümer steht das Recht zu, sich von den in den §§ 185 und 186 bezeichneten Ansprüchen dadurch zu befreien, daß er die Uebertragung des Eigenthums der Sache anbietet. Dies Recht fällt weg, wenn der Eigenthümer in Betreff der Annahme der Sache in Verzug gekommen und ihm vor oder bei dem Angebote 774
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 985, 9 8 6
Ansprüche der in §§ 185 oder 186 gedachten Art v o n dem Besitzer oder Inhaber angezeigt sind." b, den 1. Absatz des § 189 durch f o l g e n d e Bestimmung zu ersetzen: „Hat der Eigenthümer die Sache zurückerhalten, so fällt der in § 186 bezeichnete Anspruch gänzlich und fallen die in § 185 bezeichneten Ansprüche insoweit weg, als eine Bereicherung des Eigenthümers in dem in §§ 7 3 3 Abs. 2 und 735 Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkte weg-|gefallen ist, es w ä r e denn, daß der Besitzer o d e r In- | Prot I 4196 haber die gedachten Ansprüche dem Eigenthümer, bevor derselbe die Sache zurückerhalten, a n g e z e i g t hätte. Ist eine solche A n z e i g e rechtzeitig erfolgt, s o verliert der Eigenthümer durch die Zurücknahme der Sache das in 5 188 Abs. 2 bezeichnete Recht." 3. in Ersatz der §§ 188, 189 zu bestimmen: Kurlbaum „Der Besitzer oder Inhaber hat w e g e n des Anspruchs auf Ersatz der V e r w e n - (N r 137) düngen und des für die Erwerbung der Sache Geleisteten ein Zurückbehaltungsrecht. Er kann den Ersatz gegen Herausgabe der Sache fordern, w e n n der Eigenthümer die Klage auf Herausgabe erhoben hat (zu vergl. § 381 Κ. E.). D e r Eigenthümer k o m m t schon vor Erhebung der Klage auf Herausgabe in V e r z u g der A n n a h m e , w e n n er zwar die ihm a n g e b o t e n e Sache anzunehmen bereit ist, jedoch den geforderten Ersatz oder die zur A b w e n d u n g des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts erforderliche Sicherheitsleistung anzubieten unterläßt (zu vergl. § 254 Κ. E.)." Entwurf und Anträge wurden in die sachlichen Einzelnheiten zerlegt, w e l c h e dieselben enthalten, und wurden über diese Einzelnheiten f o l g e n d e Beschlüsse g e faßt: I 4. Empfangsverzug des Eigenthümers. | Prot I 4200 a, Es wird anerkannt, daß der Eigenthümer unter den im Antrag 3 Absatz 3 herv o r g e h o b e n e n Voraussatzungen nach § 254 (Κ. E.) in Annahmeverzug kommt. O b dies auszusprechen sei, bleibt der Prüfung bei der Redaktion überlassen. b, Es wird anerkannt, daß das Anbieten der Sache in Verbindung mit der A n zeige der Verwendungsansprüche den z u erstattenden Bereicherungsbetrag fixirt und eine spätere Verschlechterung der Sache o h n e Nachtheil für den Anspruchsberechtigten sein läßt. Zu vergl. eventueller Antrag 2 a Absatz 1. D i e Annahme einer Bestimmung wird jedoch für entbehrlich erachtet. E r w o g e n war: Zu a. Bedenken könne der Umstand erregen, daß im Augenblicke des Anbietens, vor der A n n a h m e , noch keine Schuld auf Seiten des Eigenthümers existire, da die Bedingung der Schuld noch nicht erfüllt sei. O b deshalb die Anwendbarkeit des § 254 (Κ. E.) für den vorliegenden Fall ausdrücklich z u bestimmen sei, oder o b man sich auf die analoge A n w e n d u n g der Vorschrift über Vereitelung der Erfüllung rechtsgeschäftlicher Bedingungen durch den bedingt Verpflichteten (§ 137 Κ. E.) verlassen k ö n n e , bleibe besser der Prüfung bei der Redaktion überlassen. Zu b. D u r c h §§ 255 und 259 (Κ. E.) sei g e n ü g e n d klar gestellt, daß bei A n n a h meverzug die Gefahr der Verschlechterung und des Untergangs der Sache nach allen Richtungen den Säumigen treffe. 415.
Sitzung
vom 2. März 1885, Schriftführer von
Liebe
| D i e Berathung des Pfandrechtes an beweglichen Sachen wurde fortgesetzt.
|Prot I 5587
Zunächst wurde von einer Seite mit B e z u g darauf, daß bei der Berathung der §§ 434, 435 des Entw., Prot. S. 5482, 5484, beschlossen w o r d e n , in den Abschnitt 775
§ § 985, 9 8 6
3. Abschnitt: Eigenthum
über den Eigenthumsanspruch einen neuen als §917 a bezeichneten Paragraphen aufzunehmen, beantragt, in dem § 918 der Zus.st., in welchem der § 917 zitirt worden, auch den § 917 a zu zitiren, weil der § 918 sonst unvollständig sein würde. Der Antrag wurde angenommen. 448. Sitzung vom 12. Juni 1885, Schriftführer von Liebe | Prot 16221
| Die Berathung der auf die Redaktion des Sachenrechts sich beziehenden Aenderungsanträge wurde fortgesetzt. Folgende weitere Aenderungsanträge, welche den im Protokoll über die vorige Sitzung mitgetheilten Anträgen sich anschließen, lagen vor:
| Prot I 6 2 2 4 | 50. §918 zu fassen: Kurlbaum „Ist der Besitzer oder Inhaber wegen der in den §§ 914, 915, 917, 917 a bestimm(Nr 434, 50) ten Ansprüche zur Zurückbehaltung der Sache berechtigt, so kommt der Eigenthü-
mer in Verzug der Annahme auch dann, wenn er die Sache anzunehmen bereit ist, jedoch die Befriedigung oder gehörige Sicherstellung der erhobenen Ansprüche nicht anbietet" (zu vergl. §§ 233, 234, 232, 254.) I Prot I 6 2 3 0 | Zu 50. In § 918 sollen die Worte: „jedoch unterläßt etc." dahin geändert werden: | Prot 16231 | „jedoch die Befriedigung oder Sicherstellung der auf Grund der Bestimmungen der §§914, 915, 917, 917 a erhobenen Ansprüche nicht anbietet." Im Uebrigen wurde der Antrag auf Aenderung des § 918 abgelehnt. II. 1. In der VorlZust lautet die beschlossene Vorschrift als § 11: VorlZust § 11
Der Eigenthümer kommt auch dann in den Verzug der Annahme, wenn er die Sache anzunehmen bereit ist, jedoch die Befriedigung oder Sicherstellung des Besitzers oder Inhabers wegen der denselben in Gemäßheit der Bestimmungen der §§ 7 bis 9 zustehenden Ansprüche ablehnt (die Befriedigung — anzubieten unterläßt). Dazu ist angemerkt: NB. Zum § 11. Sollte der § 11 durch § 232 in Verbindung mit §§ 361, 362 und 254 entbehrlich werden? Man kann es bezweifeln, weil der § 232 den § 245 mit allegirt.
RedVorl ζ 919
ZustSachR §918 KE § 918 Ε Η 941
| Prot RJA 960
2. Die Bestimmung lautet als § 919 RedVorl: Der Eigenthümer kommt in den Verzug der Annahme auch dann, wenn er die Sache anzunehmen bereit ist, es jedoch unterläßt, die Befriedigung oder Sicherstellung des Besitzers oder des Inhabers wegen der demselben in Gemäßheit der Bestimmungen der §§ 915, 916, 918 anzubieten. 3. —IV. In der ZustSachR § 918, im KE § 918 und im £ / § 941 ist § 919 RedVorl gefaßt: Der Eigenthümer kommt in Verzug der Annahme auch dann, wenn er die Sache anzunehmen bereit ist, jedoch (ZustSachR: unterläßt,) die Befriedigung oder Sicherstellung der auf Grund der (ZustSachR, KE: Bestimmungen der) §§ 914, 915, 917, 917 a (EI: 936, 937, 939, 940) erhobenen Ansprüche nicht anbietet (ZustSachR : anzubieten).
B. Vorkommission des Reichsjustizamtes. | VII. Die §§ 941 und 942 erachtete man durch die früheren Beschlüsse für erledigt. 776
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987—993
C . 2. Kommission I. Anträge (Prot II, Bd. 3, S. 370, Mugäan, Bd. 3, S. 235). Zu § 941 fand der Antrag auf Streichung Annahme.
§987 D e r Besitzer hat dem Eigenthümer die Nutzungen herauszugeben, die er nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit zieht. Zieht der Besitzer nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit Nutzungen nicht, die er nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ziehen könnte, so ist er dem Eigenthümer zum Ersätze verpflichtet, soweit ihm ein Verschulden zur Last fällt.
§988 H a t ein Besitzer, der die Sache als ihm gehörig oder zum Zwecke der Ausübung eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Nutzungsrechts an der Sache besitzt, den Besitz unentgeltlich erlangt, so ist er dem Eigenthümer gegenüber zur Herausgabe der Nutzungen, die er vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit zieht, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. § 989 D e r Besitzer ist von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an dem Eigenthümer für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, daß in Folge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann. § 990 War der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht im gutem Glauben, so haftet er dem Eigenthümer von der Zeit des Erwerbes an nach den §§ 987, 989. Erfährt der Besitzer später, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist, so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung der Kenntniß an. Eine weitergehende H a f t u n g des Besitzers wegen Verzugs bleibt unberührt.
§ 991 Leitet der Besitzer das Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ab, so finden die Vorschriften des § 990 in Ansehung der Nutzungen nur Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 990 auch bei dem mittelbaren Besitzer vorliegen oder diesem gegenüber die Rechtshängigkeit eingetreten ist. War der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes in gutem Glauben, so hat er gleichwohl von dem Erwerb an den im § 989 bezeichneten Schaden dem Eigenthümer gegenüber insoweit zu vertreten, als er dem mittelbaren Besitzer verantwortlich ist. 777
§§ 9 8 7 - 9 9 3
3. Abschnitt: Eigenthum
§992 Hat sich der Besitzer durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung den Besitz verschafft, so haftet er dem Eigenthümer nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen. §993 Liegen die in den §§ 987 — 992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vor, so hat der Besitzer die gezogenen Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben; im Uebrigen ist er weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadensersatze verpflichtet. Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen verbleiben, finden auf ihn die Vorschriften des § 101 Anwendung.
Α. 1. Kommission I. 337. Sitzung vom 20. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot 14159
| Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs, Eigenthumsanspruch, wurde fortgesetzt. Der § 180 des Entwurfs lautet: TE-SachR § 180 „Derjenige Besitzer, welchem die Thatsachen, die ihn an der Erlangung des Eigenthums hinderten, unbekannt geblieben sind (redlicher Besitzer), haftet dem Eigenthümer weder für die zur Zeit der Erhebung der Klage bei ihm nicht mehr vorhandenen Erzeugnisse oder Gegenstände sonstiger Ausbeute, noch für andere vor dieser Zeit aus der Sache, ζ. B. durch deren Gebrauch, Vermiethung, oder Verpachtung, oder aus den mit dem Eigenthum an der Sache verbundenen Gerechtsamen gezogenen Vortheile, noch für solche Handlungen oder Unterlassungen aus der Zeit vor der Erhebung der Klage, welche den Werth der Sache vermindert haben." v. Mandry (Nr 125,3) | Prot I 4160
Es lagen die Anträge vor: 1. den § 180 dahin zu fassen: „Der Inhaber und der Besitzer einer fremden | Sache sind, wenn nicht die Voraussetzungen eines der folgenden Paragraphen (§§ 181 —183) zutreffen, nicht verpflichtet, die aus der Sache gezogenen Nutzungen (Κ. E. § 783) herauszugeben und den Schaden zu erstatten, welcher an der Sache oder den Nutzungen durch ihre Handlungen oder Unterlassungen eingetreten ist.
Planck (Nr 130)
2. die §§ 180, 182 und 183 durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: „Der Besitzer oder Inhaber einer fremden Sache haftet, soweit in den folgenden §§. nicht etwas Abweichendes bestimmt ist, dem Eigenthümer derselben nach Maßgabe der in dem § 742 Κ. E.1 über die H a f t u n g aus ungerechtfertigter Bereicherung aufgestellten Grundsätze und wenn er wußte oder wissen mußte, daß er durch den Erwerb oder die Fortdauer seines Besitzes oder seiner Inhabung das Recht des Eigenthümers verletze, nach Maßgabe der über die Haftung aus unerlaubten H a n d lungen geltenden Grundsätze. 1
S. bei § 816 BGB.
778
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 987 — 993
Der Eigenthümer kann jedoch weder aus dem einen noch aus dem anderen Grunde die Erstattung desjenigen Schadens fordern, welchen er dadurch erlitten, daß ein Anderer durch den Erwerb oder die Fortdauer des Besitzes in den Fällen der 135, 139 und 1862 die daselbst bezeichneten Rechte erworben oder im Falle des § 152- 3 die Früchte der Sache erworben oder sonstige Nutzungen aus derselben gezogen hat." Eventuell statt des 2. Absatzes: „Die H a f t u n g nach den Grundsätzen von unerlaubten Handlungen findet jedoch nicht statt, wenn die Fahrlässigkeit, auf welcher die Unkenntniß von der Rechtsverletzung beruhte, | keine grobe war, und braucht derjenige Besitzer, wel- | Prot 14161 eher nach § 152- die Früchte der Sache durch Trennung erwirbt, auch die aus sonstigen Nutzungen der Sache gezogene Bereicherung nicht herauszugeben. Der Entwurf und der Antrag 1 enthalten nur einen verneinenden Rechtssatz. Dabei bleibt indessen dahingestellt, ob und inwieweit ohne die Verneinung nach den maßgebenden allgemeinen Bestimmungen — über ungerechtfertigte Bereicherung und über unerlaubte Handlungen — eine H a f t u n g des Besitzers einer fremden Sache begründet sein würde oder nicht, ob also eine Ausnahme bestimmt oder nur ein nahe liegender Zweifel über die Anwendbarkeit jener Vorschriften beseitigt werden soll. Anders verfährt der Antrag 2. Derselbe bestimmt, daß die von dem Besitzer oder Inhaber aus einer fremden Sache gezogenen Vortheile zum Mindesten als ungerechtfertigte Bereicherung zu behandeln sind, daß aber eine H a f t u n g aus dem Delikte der Eigenthumsverletzung stattfinde, wenn der Besitzer oder Inhaber in einer Fahrlässigkeit, eventuell in einer zum mindesten auf grober Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntniß sich befand, daß sein Verhalten das Recht des Eigenthümers verletze. In dem zweiten Absätze des Antrags wird sodann für die H a f t u n g des Besitzers oder Inhabers aus Delikt oder Bereicherung eine ausnahmsweise Ermäßigung bestimmt. Die Diskussion beschränkte sich zunächst auf die Frage, ob das dem Antrage 2 zum Grunde liegende System angenommen werden solle. Die Kommission entschied sich für die Verneinung dieser Frage und beschloß, die an die Inhabung und den Besitz einer fremden Sache sich knüpfende H a f t u n g selbständig und er- | schöp- | Prot I 4162 fend und nicht durch Unterstellung unter die Grundsätze über die H a f t u n g aus ungerechtfertigter Bereicherung und aus unerlaubten Handlungen zu regeln. Erwogen war: I. Für das System des Antrages 2 erscheine eine innere Konsequenz zu sprechen, es ließen sich f ü r dasselbe namentlich folgende Gründe anführen: Das Eigenthum sei ein absolutes Recht. Der Schutz des Eigenthümers gründe sich deshalb auf die Gebote, welche die Rechtsordnung zu seinen Gunsten an alle übrigen Personen richte. In den Folgen, welche an die Verletzung dieser Gebote sich knüpften, sei der gesetzliche Schutz des Eigenthums zu suchen und kämen daneben nur die indirekt einen Schutz gewährenden Kondiktionsgrundsätze in Betracht. Der Schutz aller absoluten Rechte sei durch die beschlossenen Vorschriften über die H a f t u n g aus unerlaubten Handlungen geregelt. Was für die anderen absoluten Rechte — zu vergl. § 698 Abs. 2 (K. E.) 4 — gelte, müsse auch für das Eigenthum gelten, welches man als das praktisch wichtigste absolute Recht bei Aufstellung der Vorschriften 2 3 4
S 135 s. bei §§ 9 3 2 - 9 3 6 BGB, § 139 bei § 937 BGB, § 186 weiter unten im Text. S. bei § 955 BGB. S. bei §§ 823, 824 BGB.
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§§ 9 8 7 - 9 9 3
3. Abschnitt: Eigenthum
über die Delikte ganz besonders im Auge gehabt habe. Eine widerrechtliche Verletzung des Eigenthums müsse man aber annehmen, wenn Jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit über eine fremde Sache ohne den Willen des Eigenthümers verfügt oder dieselbe verschlechtert habe. Dabei beziehe sich die Diligenzpflicht der anderen Personen auch auf die Prüfung, ob die Sache eine fremde sei. Diesen für das System des Antrages 2 sprechenden Gründen ständen indessen folgende überwiegende Gegengründe gegenüber: 1. Dem geltenden Rechte sei die Behandlung desjenigen, welcher wissentlich | Prot 14163 oder in verschuldeter U n k e n n t - | niß eine fremde Sache besitze oder innehabe, als Delinquenten, fremd. Die Nichtannahme eines Delikts lasse sich auch nicht wohl daraus erklären, daß das gemeine Recht nicht in gleicher Allgemeinheit Vorschriften über die H a f t u n g aus Delikten aufstelle, wie solche von der Kommission beschlossen seien, denn die Anwendung der Deliktsgrundsätze führe zu einem von dem geltenden Rechte wesentlich abweichenden Resultate. 2. Man würde mit früheren Beschlüssen in Widerspruch treten. Wollte man eine Fahrlässigkeit in der Prüfung, ob eine Sache eine fremde sei, zur Behandlung des Fahrlässigen als Delinquenten genügen lassen, so dürfte man nicht Vorschriften aufstellen, welche den Rechtserwerb eines solchen Delinquenten ausnahmsweise begünstigten, denn das Gesetz würde hierdurch mit sich selbst in Widerspruch treten. Solche begünstigende Vorschriften seien aber beschlossen in Ansehung des vertragsmäßigen Erwerbs von Rechten an Grundstücken und an beweglichen Sachen, in Ansehung der Ersitzung beweglicher Sachen und in Ansehung des Fruchterwerbs des redlichen Besitzers. Aus diesen an das geltende Recht im Wesentlichen sich anschließenden Vorschriften lasse sich das Prinzip erkennen, daß eine Fahrlässigkeit in der Prüfung, ob eine Sache eine fremde sei, niemals hinreiche, um einer in der Verkennung der Fremdheit der Sache an derselben vorgenommenen Erwerbshandlung den Charakter eines Delikts beizumessen. Die Festhaltung dieses Prinzips sei auch sehr wohl vereinbar mit den beschlossenen Vorschriften über die unerlaubten Handlungen, denn die Entscheidung hänge ab von dem Inhalte des absoluten Rechts. Es lasse sich nicht wohl behaupten, daß das Eigenthum in der fraglichen Beziehung allen anderen Personen eine Diligenzpflicht in Ansehung der Frage, wer | Prot I 4164 Eigenthümer sei, | auferlege; näher liege, dem Eigenthümer die Sorge f ü r die Publizität seines Rechts — durch Besitz oder Buchung — zu überlassen. 3. N u r für die eigentliche malae fidei possessio bleibe hiernach die Frage bestehen, ob dieselbe als Delikt zu behandeln sei. Aber auch hier könnten gewichtige Zweifel gegen den Deliktscharakter erhoben werden, und jedenfalls erscheine es angemessener und klarer, die Haftung des malae fidei possessor selbständig und vollständig zu regeln. Es sei bedenklich, in der fortgesetzten Handlungsweise des malae fidei possessor ein fortgesetztes Delikt zu erblicken; näher liege es das Delikt lediglich in dem Beginne der malae fidei possessio, der Entziehung des Besitzes, der Zueignung der beweglichen Sache, zu suchen und nur dann ein Delikt anzunehmen, wenn eine anfängliche Zueignungsthat vorliege, welche vermöge ihrer besonderen Beschaffenheit eine solche Qualifizirung gestatte. 4. Die Behandlung des zum mindesten auf kulposer Unkenntniß beruhenden Besitzes einer fremden Sache als Delikt würde zu unerträglichen Härten führen, da ein auf geringer Fahrlässigkeit beruhender Irrthum schwere Schadensersatzpflichten nach sich ziehen könne. Diese Härten würden bei der hereditatis petitio in noch verstärktem Maße hervortreten und zu einer Aufstellung besonderer Vorschriften führen müssen, während doch die Uebereinstimmung der leitenden Grundsätze zu erstreben sei. 780
4. Titel: A n s p r ü c h e aus d e m E i g e n t h u m e
§§
987—993
II. In Ansehung der Haftung des Inhabers oder Besitzers einer fremden Sache sei, nachdem der kondiktionsfreie Anfall der Früchte an den redlichen Besitzer beschlossen worden, nur noch der Fall zu berücksichtigen, daß der Inhaber oder der Besitzer durch Veräußerung oder durch Verbrauch der Sache sich bereichere. Werde der Veräußerungsfall | mit dem Antrage 2 einfach den Kondiktionsgrundsät- | Prot I 4165 zen unterstellt, so würden mannigfache Zweifel übrig bleiben. Es sei deshalb vorzuziehen, diesen Fall durch die zu §§ 195, 196 des Entwurfs 5 zu beschließenden Vorschriften selbständig und vollständig zu regeln. Bis dahin sei des Zusammenhanges wegen auch die Beschlußfassung darüber auszusetzen, ob es in Ansehung des Verkaufsfalles einer besonderen Bestimmung bedürfe. In Folge der hierauf zu dem § 180 des Entwurfs und dem Antrage 1 zurückkehrenden Berathung wurde der sachliche Inhalt der vorgeschlagenen Bestimmungen, in Ansehung dessen eine wesentliche Abweichung nicht vorlag, von der Kommission gebilligt und die Aufnahme einer Vorschrift dahin beschlossen: „Der Inhaber und der Besitzer einer fremden Sache sind, wenn nicht die Voraussetzungen (der zu den folgenden §§ 181 — 183 zu beschließenden Bestimmungen) zutreffen, nicht verpflichtet, die Nutzungen der Sache herauszugeben und dem Eigenthümer den durch Verschlechterung der Sache oder anderweit erlittenen Schaden zu ersetzen." Erwogen war: Gehe man davon aus, daß in den später zu beschließenden Bestimmungen die H a f t u n g , welche an die Thatsache des Besitzes einer fremden Sache sich knüpfe, vollständig und selbständig werde geregelt werden, so könne man die Aufnahme einer Vorschrift, welche nicht eine höhere Regel durchbreche, sondern nur erklärender N a t u r sei, für entbehrlich halten. Indessen sei doch für die Aufnahme der Bestimmung entscheidend, daß dieselbe zur Beseitigung einiger, sonst nicht ausgeschlossener Zweifel diene. Neben dem Besitzer sei auch der Inhaber zu erwähnen, weil bei diesem, wenn er das Nichteigenthum | des Besitzers gekannt habe, die gleiche Frage eintrete. Der | Prot 14166 Redlichkeit des Besitzers brauche hier nicht gedacht zu werden, da die Nichthaftung die Regel bilde und die Ausnahmen aus den folgenden §§. sich ergäben. Die ausgesprochene Haftbarkeit sei bezüglich der Herausgabe von Nutzungen im Sinne des § 783 (Κ. E.) auszusprechen. Der Entwurf erleide hierdurch die Aenderung, daß Nutzungen in dem gesetzlich beschränkten Sinne verstanden und vom Substanzverbrauch unterschieden würden, folglich Ausbeute, die nicht zu den Früchten gehöre, herauszugeben sei. Ausgesprochen sei sodann, daß der Besitzer oder Inhaber weder f ü r Verschlechterungen der Sache noch für sonstige Schäden hafte, damit klar werde, daß auch für den Untergang der Sache nicht einzustehen und auf die Grundsätze über Delikte nicht zurückzugehen sei, soweit nicht in den folgenden §§ ein Anderes bestimmt werde. Der § 181 des Entwurfs lautet: TE-SachR §181 „Von der Zeit der Erhebung der Klage an ist der Beklagte dem obsiegenden Kläger für die Nutzbarmachung sowie f ü r die Verwahrung und die Erhaltung der Sache, nöthigenfalls für deren rechtzeitige Verwerthung, nach den Grundsätzen des Schuldverhältnisses aus der wissenschaftlichen Führung fremder Geschäfte ohne Auftrag verantwortlich." 5
S. bei §816 BGB. 781
§ § 987—993
3. Abschnitt: Eigenthum
Es lagen die Anträge vor: 1. Die §$181 und 182 umzustellen und denselben folgenden Inhalt zu geben: § a (im Entwürfe § 182). „Wer wissentlich eine fremde Sache inne hat oder besitzt, ist dem Eigenthümer | Prot 14167 zur Herausgabe der von ihm aus der Sache gezogenen Nutzungen und | zum Ersätze des Schadens verpflichtet, den er demselben durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit in Beziehung auf die Sache, deren Nutzbarmachung und Nutzungen zugefügt hat. Die Verhaftung tritt mit dem Zeitpunkte ein, in welchem der Besitzer oder Inhaber Kenntniß erhält, daß er nicht Eigenthümer der Sache ist." § b. (im Entwürfe § 181). „Dieselbe Verhaftung des Besitzers und des Inhabers tritt, auch wenn die V o r aussetzung des § 181 nicht zutrifft, von der Zeit der Erhebung der Klage an zu Gunsten des obsiegenden Klägers ein." v. Mandry (Nr 125, 4)
Planck (Nr 129, 2)
2. Den Schluß des § 181 Abs. 1 von den Worten: „nach den Grundsätzen . . . durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „wie ein zu dieser Geschäftsbesorgung im Interesse beider Theile Beauftragter (bestellter Sequester) verantwortlich."
Eventuell dahin: „wie ein zu der Besorgung dieser Geschäfte f ü r den Kläger Beauftragter verantwortlich." Es wurde beschlossen, die Haftung des Prozeßbesitzers nicht unter Heranziehung der Vorschriften über Geschäftsführung ohne Auftrag oder Mandat oder Sequestration zu bestimmen, sondern eine dem Antrage 1 entsprechende Vorschrift an Stelle des § 181 des Entwurfs aufzunehmen, mit Vorbehalt der Frage der im Antrage 1 beantragten Umstellung für die P r ü f u n g bei der Redaktion. Statt „von der Zeit der Erhebung der Klage" soll die bisher gebrauchte Redeweise beibehalten werden und danach die Bestimmung lauten: | Prot 14168 „Von der Zeit des Eintrittes der Rechtshängigkeit | ist derjenige, welcher eine fremde Sache innehat oder besitzt, dem Eigenthümer pp. (wie Antrag 1 § a Abs. 1). Erwogen war: Eine H a f t u n g des Beklagten nach den Grundsätzen der negotiorum gestio könne man dem Beklagten um deswillen nicht wohl auferlegen, weil derselbe dadurch f ü r die Zeit des Prozesses zu einer Rücksichtnahme auf den Kläger als dominus negotii angehalten werden würde, welche man wegen der Ungewißheit des Ausfalls des Prozesses nicht verlangen könne. Der Antrag 2 helfe diesem Bedenken ab, indem er dem Beklagten die Stellung eines im Interesse beider Theile beauftragten Sequester zutheile und damit für dessen Verwaltungspflichten den § 764 (Κ. E.) 6 maßgebend sein lasse. Für die Art der Verwaltung würde hiernach das subjektive Interesse beider Theile, soweit solches zusammenfalle, maßgebend sein. Es erscheine indessen angemessener, die Verwaltungspflichten des Beklagten lediglich objektiv in der Weise zu bestimmen, daß der Beklagte die Fürsorge eines ordentlichen Hausvaters dafür anzuwenden habe, daß die Art und Weise der Ausübung des Prozeßbesitzes dem obsiegenden Kläger keinen Schaden stifte. Der Schaden, welcher daraus sich ergebe, daß überhaupt ein Prozeßbesitz des Beklagten stattgefunden habe und die Sache nicht sofort restituirt sei, brauche vom Beklagten nicht vertreten zu werden. Die Nichtberücksichtigung des konkreten subjektiven Interesses 6
S. bei 5 753 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 9 8 7 - 9 9 3
beider Theile, soweit solches zusammenfalle, werde übrigens kaum von praktischem Einfluß sein. Wenn auch dem Beklagten nicht eine Haftung gleich einem negotiorum gestor oder Sequester aufzuerlegen sei, so sei doch den dem Entwürfe und | dem Antrage 2 | Prot I 4169 zum Grunde liegenden Prinzipien insoweit zu folgen, daß dem Beklagten schlechthin die Herausgabe der gezogenen Nutzungen zur Pflicht gemacht werde, auch wenn diese Nutzungen von dem Kläger nicht zu ziehen gewesen sein würden. Die Grundsätze über Haftung aus Delikt und aus ungerechtfertigter Bereicherung würden zu einer solchen Haftung nicht führen. Dieselbe entspreche indessen dem geltenden Rechte und stehe auch nicht im Widersprüche mit § 755 (Κ. E.) 7 , zu vergl. Prot. S. 1659. Besitzer und Inhaber seien entsprechend der zu § 178 beschlossenen Bestimmung neben einander aufzuführen. Der § 182 des Entwurfs lautet: TE-SachR § 182 „War dem Beklagten die Thatsache, welche ihn hindert, das Eigenthum zu erlangen, bekannt, so findet der § 181 mit der Erweiterung Anwendung, daß die Verbindlichkeit des Beklagten schon beginnt mit der Erwerbung des Besitzes, wenn er jene Thatsache bereits damals kannte, anderenfalls von der Zeit an, zu welcher er die Kenntniß erlangt hat." Folgende Anträge lagen vor 1. den zu § 181 mitgetheilten Antrag 1 (§ a), S. 4166. v. Mandry Der Urheber des Antrages beantragte, der in Ersatz des § 182 vorgeschlagenen (Nr 128) Bestimmung (§ a) folgenden Zusatz zu geben: „Glaubt der wissenschaftliche Inhaber einer fremden Sache in Folge entschuldbaren Irrthums, daß er vermöge eines Rechtes an der Sache oder eines gegen den Eigenthümer bestehenden persönlichen Rechtes oder der fortdauernden Ermächtigung Seitens des Eigenthümers zum Inhaben der Sache befugt sei, so findet die im | ersten Absätze über die Verpflichtung z u m Ersätze des Schadens getroffene Be- | Prot I 4170 Stimmung im U m f a n g e des irrthümlich angenommenen Rechtes oder der irrthümlich angenommenen Ermächtigung keine Anwendung." 2. Der Antrag, die im Antrage 1 (§ a) vorgeschlagene Bestimmung im Falle ihrer Annahme zu fassen: „Wer eine fremde Sache besitzt, oder inne hat, weiß 8 oder (ohne grobe Fahrlässigkeit) wissen muß, daß er dadurch das Recht des Eigenthümers verletzt, ist dem Eigenthümer zur Herausgabe der von ihm aus der Sache gezogenen Nutzungen und zum Ersätze des Schadens verpflichtet, welchen er demselben durch seinen Besitz oder seine Inhabung oder durch die von ihm in Beziehung auf die Sache vorgenommenen Handlungen (u. Unterlassungen) zugefügt hat;" oder falls das Prinzip des Entwurfes angenommen wird: „. . . Wer . . . verletzt, haftet dem Eigenthümer unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag." Folgende Beschlüsse wurden gefaßt: 1. Zur Unredlichkeit soll eine auf gewöhnlicher oder grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß des Rechtsmangels nicht genügen, sondern Kenntniß erfordert werden. 7 8
S. bei § 687 BGB. Im Original steht „meist". 783
§§ 9 8 7 - 9 9 3
3. Abschnitt: Eigenthum
2. Die Kenntniß, welche zur Haftung aus unredlichem Besitze führt, soll dahin bestimmt werden, daß derjenige unredlicher Besitzer ist, welcher weiß, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist. | Prot 14171 | 3. Die im Antrage 1 vorgeschlagene Zusatzbestimmung wurde abgelehnt. Die Unredlichkeit des Inhabers soll entsprechend den Beschlüssen unter 2 davon abhängig gemacht werden, daß der Inhaber weiß, daß der Besitzer, für welchen er die Sache inne hat, zum Besitze nicht berechtigt ist. 4. In Ansehung des Inhaltes der an die Voraussetzung des unredlichen Besitzes oder der unredlichen Inhabung zu knüpfenden Rechtsnorm wurde der Antrag 1 angenommen. Die vom Entwürfe in Ansehung des Beginns der H a f t u n g bei mala fides superveniens vorgeschlagene Vorschrift, welche auch im Antrag 1 sich findet, war unbeanstandet geblieben, Entwurf und Anträge galten als erledigt. Die Gründe waren: Zu 1. Wie zu § 180 erwogen, könne man einen Mangel an Sorgfalt in der Prüfung, ob die Sache eine fremde sei, nicht als eine Fahrlässigkeit behandeln, an welche eine Deliktshaftung sich knüpfe. Dieselben Gründe verhinderten aber auch an einen solchen Mangel an Sorgfalt die gesetzliche Haftung als unredlicher Besitzer oder Inhaber zu knüpfen, zumal diese H a f t u n g in ihrem Umfange sich der H a f t u n g aus einem Delikt nähere. Zu 2. Man dürfe die zur Annahme des unredlichen Besitzes erforderte Kenntniß nicht auf das Nichteigenthum des Besitzers, sondern müsse dieselbe auf die Berechtigung des Besitzers zum Besitze abstellen, da eine Berechtigung zum Besitze auch ohne Eigenthum des Besitzers denkbar bleibe, ζ. B. wenn das verkaufte Grundstück vor der Auflassung übergeben sei. | Prot I 4172 | Zu 3. Das Wissen des Inhabers müsse sich auf den Mangel des Rechtes zum Besitze desjenigen beziehen, für welchen derselbe inne habe, und schließe insoweit ein Wissen um den Mangel des eigenen abgeleiteten Rechts ein. Dagegen bleibe es Dritten gegenüber gleichgültig, ob der Inhaber, welchem die Kenntniß von dem Rechtsmangel in der Person des Besitzers fehlte, wohl wußte, daß ein Recht zur Inhabung für ihn nicht begründet sei. Zu 4. Lehne man die Haftung des malae fidei possessor nach den Grundsätzen über die unerlaubten Handlungen ab, so könne man an die Kenntniß des unredlichen Besitzers keine anderen Folgen knüpfen, als welche an die mit dem Prozesse eingetretene Ungewißheit des Besitzers, ob er berechtigt sei, geknüpft seien. Auch in dem Falle der malae fidei possessio werde man, wenn man nicht in die Deliktsgrundsätze zurückfallen wolle, eine H a f t u n g für den daraus entspringenden Schaden, daß überhaupt von einem Nichtberechtigten besessen werde, ausschließen müssen und nur vorschreiben können, wie der Besitzer im Interesse des Eigenthümers mit der Sache zu verfahren habe. Eine Regelung der Haftung des mala fidei possessor nach den Grundsätzen der negotiorum gestio erscheine schon wegen der erforderlichen Uebereinstimmung mit dem zu § 181 gefaßten Beschlüsse, welche die Regelung der H a f t u n g nach subjektiven Rücksichten verwerfe, ausgeschlossen. Ein von dem Urheber des Antrags 2 gestellter Antrag, den in Betreff des Fruchterwerbes des redlichen Besitzers beschlossenen § 152 9 dahin zu ändern, daß als redlicher Besitzer Derjenige nicht gilt, dessen Unkenntniß seines Nichteigenthums auf | Prot I 4173 grober Fahrlässigkeit beruht, wurde als zu den gefaßten Beschlüssen nicht | passend zurückgezogen. 9
S. bei § 955 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987-993
338. Sitzung vom 23. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs, Eigenthumsanspruch wurde fortge- | Prot 14175 setzt. Der § 183 des Entwurfs lautet: T E - S a c h R S 183 „Ob der Inhaber der Sache mit der Herausgabe derselben im Verzuge war, und welche Ansprüche gegen ihn dem Eigenthümer in Folge des Verzuges zustehen, ist nach den in dem Recht der Schuldverhältnisse über die Voraussetzungen und die Folgen des Verzuges gegebenen Bestimmungen zu beurtheilen. Wer den Besitz der fremden Sache rechtswidrig sich verschafft hat, haftet dem Eigenthümer für den zufälligen Untergang und die zufällige Verschlechterung derselben in demselben Umfange wie derjenige, welcher mit der Herausgabe der Sache im Verzuge ist." Folgende Anträge lagen vor: v. Mandry 1. den § 183 folgendermaßen zu fassen: (Nr 125, 5) „Treffen bezüglich der Ansprüche des Eigenthümers die Voraussetzungen zu, unter welchen bei dem Bestehen eines Schuldverhältnisses der Schulder im Verzuge sein | würde, so finden auf die Verpflichtung des Inhabers oder Besitzers die Bestim- | Prot I 4176 mungen der §§ 245 bis 251 (K. E.)'° entsprechende Anwendung." 2. den § 183 hinter § 184 zu setzen und zu fassen: „Weiß der Besitzer oder Inhaber einer Sache, daß er dieselbe zu besitzen oder inne zu haben nicht berechtigt ist, so finden die Bestimmungen über den Verzug des Schuldners (§§ 243 bis 251)" entsprechende Anwendung. Hat der Besitzer oder Inhaber durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung oder durch eine strafbare Handlung den Besitz oder die Inhabung erlangt, so finden die Bestimmungen über Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen (§§ 698—714) 12 Anwendung." 3. den Abs. 2 des § 183 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Unberührt bleiben die Bestimmungen über die Haftung aus unerlaubten Handlungen für diejenigen Fälle, in welchen Jemand aus Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung den Besitz einer fremden Sache erworben hat. eventuell:. . . „in welchen Jemand durch eine strafbare Handlung den Besitz einer fremden Sache erworben hat." Der § 183 wurde absatzweise berathen. I. Bei der Berathung des ersten Absatzes des § 183 wurde zunächst die prinzipielle Frage aufgeworfen, ob man von der Voraussetzung auszugehen habe, daß auf 12a diejenigen Ansprüche auf Leistungen, welche lediglich auf einem dinglichen Rechte beruhen und einem dinglich Berechtigten als solchem zustehen, die allgemeinen Vorschriften über Schuldverhältnisse Anwendung finden, soweit nicht etwas Abweichendes bestimmt wird. Von einigen Seiten wurde bezweifelt, daß durch den Beschluß vom 19. Oktober 1883' 3 Prot. S. 2685 und durch die zu $ 17814 am 18. Juni 1884, Prot. S. 4152 ff. gefaßten Beschlüsse auch diese Ansprüche aus dinglichem 10 11 12 12 a 13 14
S. bei SS 286—291 BGB. S. bei SS 284—291 BGB. S. bei §§ 823 ff BGB. Im Original fehlt „auf". S. bei S 760 BGB. S. bei SS 985, 986 BGB.
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§ § 987 — 9 9 3
3. Abschnitt: Eigenthum
Rechte und nicht blos die im Sachenrechte geordneten Obligationen im eigentlichen Sinne des Wortes mit betroffen werden. | Prot I 4177 | Da das Bedürfniß anerkannt wurde, daß die Kommission von einem bestimmten Standpunkte bei der Fassung ihrer Beschlüsse auszugehen habe, so erfolgte ein Beschluß der Kommission, welcher die gedachte Frage mit sechs gegen vier Stimmen in bejahendem Sinne entschied. Einverständniß bestand, daß die Aufnahme einer Bestimmung über die Anwendbarkeit der Vorschriften über Verzug des Schuldners auf den Anspruch des Eigenthümers auf Herausgabe der Sache zur Klarstellung erforderlich sei. Nach der vorher getroffenen Entscheidung blieb nur die Frage übrig, ob die Vorschriften über Verzug f ü r den vorliegenden Fall zu modifiziren seien. Einverständniß bestand, daß über den Verzug des unredlichen Besitzers oder Inhabers nichts besonderes zu bestimmen sei. Dagegen beabsichtigt der Antrag 2 Absatz 1 für den redlichen Besitzer durch Mahnung Verzug nur eintreten zu lassen, wenn derselbe zugleich als in mala fides versetzt anzusehen sei. Die Kommission entschied sich gegen eine solche Modifikation und beschloß die Aufnahme folgender sachlich von dem Entwürfe nicht abweichenden Bestimmung: „Kommt der Besitzer oder Inhaber der Sache mit der Herausgabe derselben in Verzug (§§ 243, 244 [Κ. E.]), so bestimmen sich seine Verpflichtungen nach §§ 245 bis 251 (Κ. E.)." Erwogen war: Der obwaltende Zweifel gehe dahin, ob, wenn eine als Eigenthümer auftretende Person, welche sich später als Eigenthümer ausweise, dem Besitzer oder Inhaber die Sache abfordere, im Falle der Nichtleistung Verzug eintrete, es sei denn, daß der Aufgeforderte nach § 244 (Κ. E.) sich exkulpire, oder ob eine Aufforderung, welche an einen redlichen Besitzer oder Inhaber ergehe, nur dann von Wirkung sein solle, wenn der Auffordernde den Aufgeforderten von seinem Rechte gleichzeitig überzeugt habe. Der Unterschied bestehe darin, ob man dem Aufgeforderten eine Prüfungspflicht der gegen ihn erhobenen Ansprüche beimessen und ihn in die Nach| Prot I 4178 theile des Verzuges | verfallen lassen solle, wenn er aus Fahrlässigkeit die Richtigkeit der Ansprüche verkenne und nicht herausgebe. Für die mit der einfachen Anwendbarkeit der Verzugsgrundsätze eintretende Prüfungspflicht sprächen überwiegende Gründe. Solange ein Berechtigter sich nicht melde, bestehe mindestens für den redlichen Besitzer noch keine Nachforschungspflicht. Werde dagegen die Sache von einem Eigenthumsprätendenten abgefordert, so dürfte der Gemahnte sich nicht schlechthin passiv verhalten, sondern habe sich die Frage vorzulegen, ob der erhobene Anspruch begründet sei, und bei der desfallsigen Prüfung die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters anzuwenden. Eine gleiche Prüfungspflicht liege auch dem unredlichen Besitzer ob, der zwar den Mangel seines Rechts kenne, dem aber vielleicht ohne jedes Verschulden die Person des Berechtigten unbekannt geblieben sei, wenn später Jemand sich als der Berechtigte bei ihm melde. Den nöthigen Schutz fänden die Herausgabepflichtigen in der Vorschrift des § 244 (Κ. E.), denn das Recht des Abfordernden werde ihnen gegenüber zunächst als ein Umstand zu betrachten sein, dessen Nichtwissen ihnen nicht zur Last falle, und der Richter werde auf die Umstände, unter denen die Abforderung erfolge, und darauf, ob diese eine Prüfung des Rechtes des Abfordernden dem Besitzer möglich machten, gebührende Rücksicht zu nehmen haben. Wollte man auch nur den redlichen Besitzer noch milder behandeln, so würde darin eine zu große Abschwächung des im § 698 Absatz 2 (Κ. E.) aufgestellten, gerade vorzugsweise zum Schutze des Eigenthums bestimmten Prinzips über den Be786
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§
987—993
griff und die rechtlichen Folgen der in einem Eingriffe in absolute Rechte bestehenden unerlaubten Handlungen liegen, welche sogar dazu Anlaß geben würde, dieses Prinzip als unhaltbar erscheinen zu lassen. Die Abweichungen von dem Prinzip, welche in den bereits gefaßten und noch zu fassenden Beschlüssen f ü r das Verhältniß des bonae fidei possessor gefunden werden | könnten, würden durch die Anwen- | Prot I 4179 dung der Grundsätze über den Verzug auf den hier fraglichen Fall in sachgemäßer Weise beschränkt und damit die Bedenken, welche sich gegen jene Beschlüsse erheben ließen, erledigt. II. Die Kommission beschloß, in Ersatz des zweiten Absatzes des Entwurfes die im Antrage 2 Absatz 2 vorgeschlagene Vorschrift aufzunehmen. Die Gründe waren: Es könne nicht mit dem Antrage 1 der zweite Absatz des Entwurfes ohne Ersatz gestrichen werden, weil nach dem Beschlüsse zu § 179' 5 Prot. S. 4155 ff. der Besitzer oder Inhaber einer fremden Sache nicht für ein Weiteres haften solle, als aus den späteren Bestimmungen sich ergeben werde, und weil deshalb auch die Steigerung der Haftung im Deliktsfalle im Gesetze zum Ausdruck gebracht werden müsse. Der Begriff des gegen das Eigenthum gerichteten Delikts sei in § 698 Absatz 2 (Κ. E.) sehr weit gefaßt. Ein jeder wenn nur überhaupt auf Fahrlässigkeit beruhender Eingriff in die fremde Rechtssphäre führe die H a f t u n g nach den strengen Vorschriften über unerlaubte Handlungen herbei. Der Antrag 3 schlage deshalb die Vorschrift vor, daß die deliktsmäßige H a f t u n g nur eintreten solle, wenn der Besitzer die Sache durch eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende widerrechtliche Handlung erlangt habe. Diese Vorschrift gehe zu weit, insofern die lata culpa in allen Fällen genügen und mithin auch möglicher Weise den bonae fidei possessor als Deliquenten haftbar werden lasse, und auf der anderen Seite insofern nicht weit genug, als in den Fällen gewöhnlicher Fahrlässigkeit niemals eine deliktsmäßige H a f tung eintreten solle. Sei die Handlung strafbar, so müsse sie der auf Vorsatz beruhenden gleichstehen. In dieser Beziehung sei von Erheblichkeit, daß es nach dem Strafgesetzbuch mindestens zweifelhaft erscheine, ob nicht gewöhnliche Fahrlässigkeit zur Anwendung des § 259 St.G.B. genüge. Der Antrag 2 helfe den hervorgeho| benen Bedenken in geeigneter Weise ab, nenne auch mit Recht, entsprechend den | Prot I 4180 früheren Beschlüssen, neben dem Besitzer den Inhaber. Der Entwurf sei außerdem in verschiedenen Richtungen nicht haltbar, nämlich indem er die H a f t u n g aus dem Delikt nicht nach den Vorschriften über Delikte sich richten lasse, ferner indem er nur ein Delikt überhaupt, nicht ein Delikt gegen den Eigenthümer, voraussetze und endlich indem er nur von der Haftung für Untergang und Verschlechterung rede. Der § 184 des Entwurfs lautet: TE-SachR § 184 „Der Eigenthümer kann verlangen, daß der Nutzungsertrag der Sache in dem Betrage erstattet werde, welcher sich, unter Annahme eines mittleren Ertrages und unter Abzug der Lasten der Sache und des ordentlichen Aufwandes zur Erhaltung der Sache und zur Gewinnung des Ertrages, auf die Zeit ergiebt, auf welche der Beklagte haftet. Von diesem Betrage kommen die vom Eigenthümer in Natur herausgegebenen Erzeugnisse und Gegenstände sonstiger Ausbeute in Abzug. Weiset der Beklagte nach, daß ein geringerer Ertrag durch Umstände, f ü r welche er nicht verantwortlich, herbeigeführt ist, so kommt nur der wirkliche Ertrag zum Ansatz." 15
S. bei §§ 985, 986 BGB.
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§§ 9 8 7 - 9 9 3
3. Abschnitt: Eigenthum
Die Streichung des § 184 wurde beantragt, indem besonders darauf hingewiesen wurde: Der § 109 des sächs. b.G.B., welcher als Vorbild gedient habe, lasse die Vermuthung f ü r den Betrag der Nutzungen nach beiden Seiten wirken und der § 743 desselben Gesetzbuches die gleiche Vorschrift für alle Fälle der Verpflichtung zur Erstattung von Nutzungen wegen Verzugs gelten, während der Entwurf die Berufung auf die Präsumtion nur dem Vindikanten freistelle, hierdurch dem Zwecke der Vereinfachung der Auseinandersetzung nicht in gleichem Maße diene und den Vindikanten einseitig begünstige. Ferner sei auch für den Verzug des Schuldners, | Prot 14181 bei | dem doch die ganz gleichen Rücksichten obwalteten, nach § 245 Κ. E. eine solche Vorschrift nicht beschlossen worden. Dieselbe würde also nur f ü r die Eigenthumsklage und f ü r die wenigen Fälle, in welchen das Gesetz in dem Buche von den Schuldverhältnissen (zu vergl. §§ 242, 424, 735 Abs. 2 [Κ. E.]) und sonst wegen Erstattung der Nutzungen auf die Vorschriften über die Eigenthumsklage verweist, Geltung haben und würde somit eine sich nicht rechtfertigende Verschiedenheit der Behandlung innerlich gleichartiger Fälle eintreten. Die Kommission beschloß die Streichung aus den für dieselbe vorgebrachten Gründen und besonders auch deshalb, weil sie bei der freien Beweiswürdigung des Richters, wie solche insbesondere für Schadensansprüche nach der Civilprozeßordnung gelte, die Aufstellung einer gesetzlichen Vermuthung für entbehrlich erachtete. II. 1. In der VorlZust „Eigenthumsklage" sind die Beschlüsse in den §§ 2—6 enthalten : VorlZust § 2 Der Besitzer oder Inhaber ist nicht verpflichtet, dem Eigenthümer auch die N u t zungen der Sache herauszugeben oder den Schaden zu ersetzen, welchen derselbe durch Verschlechterung der Sache oder anderweit erlitten hat, soweit nicht aus dem § 3 sich ein Anderes ergiebt. (Ν B. Zum § 2. 1. „Nutzungen"; der Begriff bestimmt sich aus § 783. Ausbeute, die nicht zu den Nutzungen gehört (§ 782 Ζ. 1), muß herausgegeben werden. Ob und in wie fern wegen Bereicherung gehaftet werde, wenn solche Ausbeute nicht mehr vorhanden ist, lehren die § 195, 19616. 2. „Verschlechterung" entspricht der Terminologie des Entwurfs, desgleichen „anderweit". Zu vergl. das Wortverzeichniß. 3. Durch „anderweit" ist zugleich der Fall des Untergangs gedeckt, zugleich ganz allgemein das Zurückgehen auf die Grundsätze über unerlaubte Handlungen, soweit nicht nachfolgend ein Anderes besonders bestimmt wird, abgelehnt. Hierin liegt auch der Grund, weshalb der § 2, obschon er vorzugsweise das Rechtsverhältniß zwischen Eigenthümer und redlichen Besitzer bestimmt, den letzteren nicht hervorhebt.) VorlZust § 3 Wenn der Besitzer oder Inhaber weiß, daß der Besitzer zum Besitz nicht berechtigt ist, so hat er die von ihm gezogenen Nutzungen dem Eigenthümer herauszugeben, den letzteren auch wegen des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache sowie des Verlustes von Nutzungen, welche hätten gezogen werden können, inwoweit zu entschädigen, als der Schaden von ihm durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursacht ist. Diese H a f t u n g beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Kenntniß von dem Mangel des Rechts zum Besitze erlangt ist. 16
S. bei § 8 1 6 BGB.
788
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 9 8 7 - 9 9 3
(Ν B. Zum § 3. 1. Der § 3 ist von inhaltsschwerer Bedeutung. Der unredliche Besitzer soll regelmäßig nicht für das Interesse einstehen oder nicht wie der, welcher eine unerlaubte Handlung begeht, zum vollen Schadensersatz verpflichtet sein. Seine Verpflichtungen werden im Einzelnen bestimmt. Sie bestehen darin, daß er die fructus percepti herauszugeben und nur denjenigen Schaden zu ersetzen hat, welcher darin besteht, daß die Sache untergegangen oder verschlechtert oder Fruchtziehung unterblieben ist, aber auch dies nur, soweit der Schaden in einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Handlungsweise sich gründet. Unzulässig würde es sein, den unredlichen Besitzer zu verpflichten, den aus dem Untergange etc. entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies würde viel zu weit führen. Bei den fructus percipiendi kann die Person des Eigenthümers nicht entscheiden. Soll Vorsatz oder Fahrlässigkeit maßgebend sein, so muß der objektive Standpunkt entscheiden. 2. „Schaden durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursacht" zu vergl. Κ. E. §17. 3. Sollte der zweite Absatz nöthig sein?) Die Vorschriften des ersten Absatzes des § 3 finden auch gegen den Besitzer VorlZust § 4 oder Inhaber, welcher von dem Mangel des Rechts zum Besitz keine Kenntniß hat, von dem Zeitpunkte an Anwendung, in welchem der Eigenthumsanspruch (gegen ihn) rechtshängig geworden ist. Von dem Zeitpunkte an, in welchem der Besitzer oder Inhaber in Verzug VorlZust § 5 kommt (§§ 243, 244), bestimmen sich seine Verpflichtungen nach den Vorschriften der §§ 2 4 5 - 2 5 1 . (Ν B. Zum § 5. 1. Die Fassung des § 5 läßt das Prinzip erkennen: der Anspruch aus dinglichem Rechte unterliegt, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, den Rechtsnormen über Schuldverhältniß. 2. Das eingeklammerte Allegat ist vielleicht entbehrlich.) H a t der Besitzer oder Inhaber durch eine strafbare oder durch eine vorsätzlich VorlZust § 6 begangene unerlaubte Handlung sich den Besitz oder die Inhabung verschafft, so ist er nach Maßgabe der für die H a f t u n g aus unerlaubten Handlungen geltenden Vorschriften zum Schadensersatz verpflichtet. (Ν B. Zum § 6. „Haftung aus unerlaubten Handlungen" zu vergl. § 755 Κ. E.18) 2., 3. Die Vorschriften sind in der RedVorlals §§ 910—914 und in der ZustSachR als §§ 9 0 9 - 9 1 3 gefaßt: Der Besitzer und der Inhaber einer fremden Sache sind nicht verpflichtet, dem Eigenthümer auch die Nutzungen der Sache herauszugeben oder den Schaden zu ersetzen, welchen derselbe durch (ZustSachR: Untergang oder) Verschlechterung der Sache oder anderweit erlitten hat, soweit nicht aus den §§ 911 bis 914 (ZustSachR: 910 bis 913) ein Anderes sich ergiebt. Wenn der Besitzer oder der Inhaber weiß, daß der erstere (RedVorl: der Besitzer) zum Besitze nicht berechtigt ist, so hat er die von ihm nach dem Zeitpunkte, in welchem er diese Kenntniß erlangt hat, gezogenen Nutzungen dem Eigenthümer herauszugeben, demselben auch den von ihm nach diesem Zeitpunkte aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursachten Schaden zu ersetzen, welcher durch Untergang oder Verschlechterung der Sache oder durch Verlust von Nutzungen entstanden 17 18
Eine Angabe fehlt in dem Original. S. bei § 687 BGB.
789
RedVorl § 910 ZustSachR § 909
RedVorl § 9 1 1 ZustSachR §910
§§ 987—993
RedVorl < 912 ZustSachR < 911
RedVorl < 913 ZustSachR j 912 RedVorl < 914 ZustSachR < 913
3. Abschnitt: Eigenthum
ist, welche hätten gezogen werden können (RedVorl: Verlust beziehbarer Nutzungen entstanden ist). Die Vorschriften des § 910 {RedVorl: 911) finden auch gegen denjenigen Besitzer oder Inhaber, welcher von dem Mangel des Rechtes zum Besitze keine Kenntniß hat, Anwendung in Ansehung der nach dem Zeitpunkte, in welchem der Eigenthumsanspruch gegen ihn rechtshängig geworden ist, gezogenen Nutzungen und des nach diesem Zeitpunkte verursachten Schadens. Von dem Zeitpunkte an, in welchem der Besitzer oder der Inhaber in Verzug kommt (§§ 243, 244 Κ. E.), bestimmen sich seine Verpflichtungen nach den V o r schriften der §§ 245 bis 251 (Κ. E.). H a t der Besitzer oder der Inhaber durch eine strafbare oder durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung sich den Besitz oder die Inhabung verschafft, so bestimmt sich seine Verpflichtung zum Schadensersatze nach den Vorschriften über die H a f t u n g aus unerlaubten Handlungen. 345. Sitzung vom 8. 9. 1884, Schriftführer von Liebe
| Prot I 4273
Kurlbaum (Nr 158, 1) Kurlbaum (Nr 158,2)
Kurlbaum (Nr 158, 3)
| Prot I 4274 Kurlbaum (Nr 158, 4)
| Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs, Eigenthumsanspruch, wurde fortgesetzt 19 . Es blieben zu erledigen 1. ein Antrag, die Berathung über die §§ 909 bis 911 der Zusammenstellung, Prot. 20. Juni 1884 S. 4169 bis 4179 wieder aufzunehmen und a, § 909 im Eingang zu fassen: „Der Besitzer einer fremden Sache und derjenige, welcher für denselben die Sache inne hat, sind nicht verpflichtet pp." b, § 910 zu fassen: „Wenn der Besitzer oder derjenige, welcher für denselben die Sache inne hat, weiß, daß der erstere zum Besitze nicht berechtigt ist, so hat er die von ihm gezogenen Nutzungen, welche auf die Zeit nach erlangter Kenntniß fallen, dem Eigenthümer herauszugeben, demselben auch den nach erlangter Kenntniß aus Vorsatz" pp. c, § 911 zu fassen: „Die Vorschriften des § 910 finden — Anwendung in Ansehung der Nutzungen, welche auf die Zeit nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Eigenthumsanspruches fallen, und in Ansehung des nach Eintritt der Rechtshängigkeit verursachten Schadens." | d, als § 913 a einzuschalten: „Auf denjenigen, welcher eine fremde Sache auf Grund eines angeblichen RechSache inne hat, finden die Vorschriften der §§ 909—913 entsprechende tes an Anwendung, unbeschadet der Verpflichtung, welche auch bei dem Vorhandensein des angeblichen Rechtes begründet sein würden."
Planck 2. ein zu dem vorstehenden Antrage gestellter Unterantrag, den unter 1 d bean(Nr 160) tragten § 913 a durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Wenn der Inhaber die Sache für den Eigenthümer inne hat, so bestimmt sich seine Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Erstattung der Nutzungen nach den Vorschriften über die Haftung aus unerlaubten Handlungen und aus ungerechtfertigter Bereicherung." Die Wiederaufnahme der Berathung über die im Antrage 1 verbesserten §§ der Zusammenstellung wurde beschlossen. Sodann wurden folgende Beschlüsse gefaßt: 19
Die vorhergehende Beratung s. bei § 1004 BGB.
790
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 987 — 993
1. Der Eingang der §§ 909 und 910 soll entsprechend dem Antrage 1 a und b dahin geändert werden, daß dem Besitzer nicht der Inhaber schlechthin, sondern derjenige Inhaber, welcher f ü r den Besitzer die Sache inne hat, gleichgestellt wird. Erwogen war: Die beschlossene Fassungsänderung enthalte nur eine Verdeutlichung, welche möglichen Mißverständnissen vorzubeugen geeignet sei. Aus den Protokollen — S. 4165, 4169, 4171 — ergebe sich, daß über die H a f t u n g desjenigen Inhabers, welcher f ü r den ihm bekannten oder vielleicht auch unbekannten Eigenthümer die thatsächliche Gewalt über die Sache ausübte, in den §§ 909 bis 911 nichts bestimmt werden sollte. 2. Ueber die H a f t u n g des Inhabers, welcher für den Eigenthümer die Sache inne hat, soll eine Bestimmung — Antrag 1 d und Antrag 2— nicht aufgenommen werden. Erwogen war: | Wenn die Fassung der §§ 909, 910, wie unter 1 beschlossen, geändert werde, so | Prot I 4275 fehle allerdings an dieser Stelle eine Bestimmung, in welcher Weise die Haftung des Inhabers, welcher für den Eigenthümer detinire, gegenüber dem Eigenthümer sich gestalte. Es würden mithin die allgemeinen Grundsätze ergeben müssen, in welcher Weise ein derartiger Inhaber hafte. Zwischen dem letzteren und dem Eigenthümer bestehe stets ein Schuldverhältniß, welches den Inhaber zur Herausgabe verpflichte. Der Antrag 2 wolle verdeutlichen, welcher Art dieses Schuldverhältniß sei und verweise deshalb auf die Anwendung der Grundsätze über die H a f t u n g aus Delikten und aus ungerechtfertigter Bereicherung. Damit sei aber nur auf zwei verschiedene mögliche Arten der Haftung hingewiesen und zwar auf die strengste und auf die mildeste Art der Haftung. Die in der Mitte liegenden Legalobligationen und Obligationen aus Verträgen, welche in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Anwendung fänden, seien übergangen und leide deshalb der Antrag an einer Unvollständigkeit, welche leicht zu Mißverständnissen führen könne. Das Mißverständniß, daß auch f ü r den Inhaber, der für den Eigenthümer detinire, die nach den Vorschriften des Obligationenrechts eintretende H a f t u n g in ähnlicher Weise ermäßigt erscheine, wie f ü r die H a f t u n g des Besitzers bestimmt sei, sei nicht zu befürchten und zu diesem Ende die Aufnahme einer verdeutlichenden Vorschrift nicht erforderlich. Man könne daneben der Vorschrift des Antrags 2 die Absicht unterstellen, die Ansprüche aus Delikt und aus ungerechtfertigter Bereicherung zum Bestandtheil des Eigenthumsanspruchs zu machen und damit auf den Gerichtsstand einen Einfluß zu üben. Dieser Zweck könne aber die Aufnahme der Vorschrift aus denselben Gründen nicht rechtfertigen, aus denen ein den gleichen Zweck in Ansehung des negatorischen Anspruchs | verfolgender Antrag in der vorigen Sitzung, Prot. S. 4265, abge- | Prot I 4276 lehnt worden sei. Der Antrag 1 d beruhe im Prinzip auf derselben Anschauung, wie der Antrag 2, wolle aber die in Ermangelung einer besonderen Bestimmung an dieser Stelle nach den Vorschriften des Obligationenrechts eintretende H a f t u n g f ü r eine bestimmte Kategorie der in Rede stehenden Inhaber ermäßigen und denselben die begünstigte Stellung des Besitzers gewähren. Eine solche Begünstigung sei nicht gerechtfertigt. Dieselbe würde insbesondere zu Theil werden einem vermeintlichen Nießbraucher und einem vermeintlichen Erbbauberechtigten und darin bestehen, daß bis zum Zeitpunkte der Erlangung der Kenntniß des Rechtsmangels oder des Eintrittes der Rechtshängigkeit des Eigenthumsanspruches diese Personen, ebenso wie der Besitzer, im Endresultat so gestellt würden, als wenn das vermeintliche Recht bis dahin 791
§§ 987-993
3. Abschnitt: Eigenthum
bestanden hätte. Ohne eine solche Bestimmung und nach den sonstigen Vorschriften würden derartige Putativberechtigte in allen Fällen dem Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Ansehung der gezogenen Nutzungen, und der Haftung für vollen Schadensersatz nach den Vorschriften über die Delikte schon dann ausgesetzt sein, wenn sie sich in einem auf Fahrlässigkeit beruhenden Irrthum über den Bestand ihres Rechts befunden hätten. Wolle man die Unkenntniß über den Mangel des Rechts zur Inhabung in der vom Antrage vorgeschlagenen Weise begünstigen, so sei kein Grund vorhanden, zwischen dem dinglichen und dem obligatorischen Rechte einen Unterschied zu machen, denn der Irrthum über den einen wie über den anderen Rechtsmangel halte von der pflichtmäßigen Restitution ab, und die Prüfung ob ein dingliches Recht bestehe, sei jedenfalls nicht schwieriger als die Prüfung, ob ein obligatorisches Recht begründet sei, in Ansehung vermeintlicher | Prot I 4277 Rechte an Immobilien vielmehr durch das Grundbuch erleichtert. | Man würde also auf dem vom Antrage eingeschlagenen Wege dazu gelangen, die ermäßigte Haftung des Vindikationsbeklagten für einen jeden zur Herausgabe einer Sache Verpflichteten eintreten zu lassen, welcher in Unkenntniß war über diese seine Verpflichtung, und dann auch die Haftung von vermeintlichen Berechtigten gegenüber dem negatorischen Ansprüche in ähnlicher Weise mildern zu müssen. Hiermit würde man aber viel zu weit gehen. Bei der Prüfung des Rechts zum Behalten und Benutzen fremder Sachen sei volle Sorgfalt zu verlangen gegenüber demjenigen, von welchem dieses Recht abgeleitet werde (über die Irrelevanz eines Versehens gegenüber Dritten zu vergl. Prot. S. 4172 Ziff. 3), während bei der Prüfung der Eigenthumsfrage eine solche zur Anwendung der Sorgfalt auffordernde Beziehung zwischen zwei Personen nicht gegeben sei. Deshalb liege ein genügender Grund nicht vor, die nach den Vorschriften über Delikte sich ergebende Haftung zu ermäßigen und noch weniger erscheine eine Beschränkung der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung statthaft. 3. Die in dem Antrag 1 b, c vorgeschlagene Korrektur der §§ 910, 911 in der Bezeichnung der herauszugebenden Nutzungen wurde abgelehnt. Erwogen war: Der Antrag bemängele, daß als die herauszugebenden Nutzungen diejenigen bezeichnet würden, welche nach dem entscheidenden Zeitpunkte gezogen seien, während es in Ansehung der natürlichen Früchte nach § 881 der Zusammenstellung 20 , Prot, vom 6. Juni 1884 S. 4072, 4073, nicht auf den Zeitpunkt der Ziehung, sondern auf den Zeitpunkt der Trennung und bei den sogenannten bürgerlichen Früchten auf die in § 784 Ziff. 2, 3 21 bezeichnete Zeit ankommen müsse. Ein Mißverständnis in dieser Beziehung sei indessen nicht zu befürchten, da die Jurisprudenz nicht außer Acht lassen werde, daß der § 881 den Sinn des hier gebrauchten Ausdrucks au| Prot I 4278 ßer Zweifel | stelle. Von einer Seite wurde bemerkt, daß in der Zusammenstellung die Ausdrücke „gezogene" und „bezogene" Früchte mit einander wechselten und diese Verschiedenheit zu beseitigen sein werde. Die Bemerkung wurde für zutreffend erachtet und soll bei der Redaktion berücksichtigt werden. III., IV. Im K E s i n d die §§ 909—913 gemäß den gefaßten Beschlüssen enthalten. Die bei der Drucklegung erfolgte Änderung des Zitats „(§§ 243, 244)" in 5 912 in „nach Maßgabe der §§ 243, 244" wurde von der Kom. genehmigt (Prot I 6275). μ 21
S. bei § 955 B G B . S. bei §§ 9 0 — 1 0 3 B G B .
792
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987-993
719. Sitzung vom 12. 11. 1887, Schriftführer von Liebe | Prot I 11979
| Die zweite Berathung des Kommissionsentwurfes wurde fortgesetzt. Zu den §§ 909 bis 911, 919 22 waren folgende Anträge gestellt:
v. Mandry 1. in den §§ 910, 911, 919 folgende Aenderungen vorzunehmen: (Nr 449, 21) a, den Eingang des § 910 zu fassen: „Wenn der Besitzer weiß, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist, so hat e r . . ." b, den Schluß des § 910 zu fassen: „. . . welche durch Untergang oder Verschlechterung der Sache oder der bezeichneten Nutzungen oder dadurch entstanden ist, daß Nutzungen, welche hätten gezogen werden können, nicht gezogen worden sind" jedoch hat ein solcher Inhaber die Nutzungen nicht herauszugeben, wenn der Besitzer, für welchen er die Sache inne hat, zur | Herausgabe der Nutzungen nicht verpflichtet ist. | Prot I 11980 c, als zweiten Absatz des § 910 beizufügen: „Das Gleiche gilt, wenn der Inhaber, welcher für den Besitzer die Sache inne hat, weiß, daß der Besitzer zum Besitze nicht berechtigt ist." d, den Eingang des § 911 zu fassen: „Die Vorschriften des § 910 Abs. 1 finden auch pp." e, dem § 919 als zweiten Absatz beizufügen: „Das Gleiche gilt in Ansehung des Anspruches auf Herausgabe der Nutzungen."
2. die §§910,911 zu fassen: a, § 910 Abs. 1 wie im Antrage 1. Abs. 2: „Nach Maßgabe des ersten Absatzes ist auch derjenige, welcher die Sache für den Besitzer innehat, (gegenüber dem Eigenthümer) verpflichtet, wenn sowohl er als der Besitzer weiß, daß der letztere zum Besitze nicht berechtigt ist. Weiß dies nur der Inhaber, nicht der Besitzer, so ist der Inhaber in Ansehung des von ihm aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursachten Schadens, welcher durch Untergang oder Verschlechterung der Sache entstanden ist, nicht aber in Ansehung der N u t zungen nach Maßgabe des ersten Absatzes verpflichtet." b, als § 910 a folgende Vorschrift aufzunehmen: „Soweit die Voraussetzungen nicht vorliegen, unter welchen nach Maßgabe des § 9 1 0 der Besitzer oder der Inhaber zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet sind, der Eigenthümer der Sache aber doch das Eigenthum an den im § 782 Nr. 1 bezeichneten Früchten der Sache erwirbt, bestimmen sich die Ansprüche | desselben gegen den Besitzer und Inhaber solcher Früchte ohne Rücksicht auf deren Eigenschaft als Früchte nach den allgemeinen für die Ansprüche des Eigenthümers einer Sache gegen deren Besitzer oder Inhaber geltenden Grundsätzen." c, den §911: „Die Vorschriften des § 910 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 finden auch gegen denjenigen . . . (wie im Entw.)."
Planck (Nr 469, 1)
Planck (Nr 471)
| Prot I 11981
3. a, den § 910 zu fassen: Kurlbaum Abs. 1: (nach dem Antrage 1) (Nr 468) Abs. 2: „Derjenige, welcher im Falle des ersten Absatzes die Sache für den Besitzer innehat, ist zur Herausgabe der vorhandenen Früchte sowie nach Maßgabe des § 742 Abs. 3 zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet. Weiß derselbe, daß der Besitzer zum Besitze der Sache nicht berechtigt ist, so ist er wie der Besitzer nach Maßgabe des ersten Absatzes verpflichtet." 22
S. § 919 bei §§ 985, 986 BGB.
793
§§ 9 8 7 - 9 9 3
3. Abschnitt: Eigenthum
b, den § 911 im Eingange zu fassen: „Die Vorschriften des § 910 Abs. 1 finden pp." c, den § 919 zu fassen: „Die Geltendmachung des Eigenthumsanspruches ist insoweit ausgeschlossen, als der Besitzer oder Inhaber auf Grund einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung berechtigt ist, die Sache zu behalten oder zu benutzen. Die dem Besitzer oder Inhaber auf Grund eines Rechtes an der Sache zustehenden Rechte bleiben unberührt." | Prot I 11982
4. als Abs. 2 des § 909 folgende Bestimmung auf- | zunehmen: „Soweit der Eigenthümer der Sache an Bestandtheilen derselben, insbesondere an Erzeugnissen, nach den Vorschriften der §§ 879 bis 883 mit der Trennung das Eigenthum erworben hat, wird sein Anspruch gegen den Besitzer oder Inhaber dieser Gegenstände durch die Vorschriften des ersten Absatzes nicht berührt." eventuell diese Vorschrift als § 909 a unter entsprechender Aenderung der Worte „Vorschriften des ersten Absatzes" in „Vorschriften des § 909" einzustellen. Die Berathung führte zu folgenden Ergebnissen: 1. Man erkannte, daß die Vorschriften des § 910 zu einigen Disharmonieen mit dem Ergebnisse der Vorschriften über den Erwerb des Eigenthums an Erzeugnissen und ähnlichen Bestandtheilen der Sache, §§ 879 bis 8 8 323, führe, und zwar zu Disharmonieen, welche sich verschieden gestalteten, je nachdem man die H a f t u n g des Besitzers oder des f ü r den Besitzer detinirenden Inhabers in Betracht ziehe. Es wurde deshalb zunächst für erforderlich erachtet, die Vorschriften über die H a f tung des Besitzers und die Vorschriften über die H a f t u n g des Inhabers von einander zu trennen. Der Antrag 1 a, welcher im Eingange des § 910 den Inhaber unerwähnt läßt, wurde angenommen.
2. Die Anträge 2 b und 4 enthalten ein Prinzip, welches eine Reihe der angedeuteten Disharmonieen beseitigt. Soweit in den §§ 879 bis 883 dem Eigenthümer, dem Besitzer oder einem N u t | Prot I 11983 zungsberechtigten das Eigenthum an getrennten Bestandtheilen, insbe- | sondere von getrennten Erzeugnissen der Sache, zugesprochen wird, ist diese Zusprechung die höhere Rechtsregel gegenüber den in §§ 909 ff. enthaltenen Vorschriften. Durch die letzteren Vorschriften soll die Geltendmachung des Eigenthumes an den getrennten Bestandtheilen pp. in keiner Weise beschränkt werden. Das Prinzip der Anträge 2 b und 4 kommt zunächst dem vindizirenden Eigenthümer zu statten und wird auch nur zu Gunsten desselben ausgesprochen. Aus §§ 909 ff. könnte gefolgert werden, daß der redliche Inhaber solche unter den Begriff der Nutzungen fallende getrennte Bestandtheile pp. nicht herauszugeben hätte, welche nach den Vorschriften des § 881 im Eigenthume des Vindikanten geblieben und auch nicht etwa nach §§ 880, 882, 883 in das Eigenthum des beklagten Inhabers gelangt sind, ferner daß der redliche Besitzer der Herausgabepflicht in Ansehung von Früchten auch dann nicht unterliege, wenn die Herausgabepflicht auf Früchte sich bezieht, deren Eigenthum ihm nicht erworben ist, weil er den Besitze der Sache durch eine strafbare Handlung erlangt hat. (§ 881.) Bezüglich des dem Eigenthumsanspruche haftenden Besitzers besteht keine Disharmonie, weil kein Fall vorkommen kann, in welchem der Besitzer nach den §§ 909 ff. unter den Begriff der Nutzungen fallende Sachen herauszugeben hätte, an 23
S. bei SS 953 ff BGB.
794
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987-993
welchen ihm nach §§ 879 ff. d a s Eigenthum erworben wäre. W o h l aber ergiebt sich eine D i s h a r m o n i e in Ansehung des dem E i g e n t h u m s a n s p r u c h e haftenden Inhabers; diese D i s h a r m o n i e soll indessen nach den A n t r ä g e n 1 b und 2 b, zu vergl. auch Antrag 3 b , durch eine allgemeiner lautende V o r s c h r i f t beseitigt werden, w o d u r c h die H e r a u s g a b e p f l i c h t desjenigen, welcher f ü r einen redlichen Besitzer die S a c h e innehat, in | A n s e h u n g der N u t z u n g e n überhaupt verneint wird. | Prot I 11984 D i e K o m m i s s i o n erkannte das den Anträgen 2 b und 4 zu G r u n d e liegende Prinzip als richtig an und entschied sich für die A u f n a h m e eines zweiten A b s a t z e s z u § 909 in der F a s s u n g des A n t r a g e s 4. 3. Beschlossen wurde, f o l g e n d e als § 9 1 0 a einzustellende Vorschriften über die H a f t u n g des Inhabers a u f z u n e h m e n : W e n n ein A n d e r e r die S a c h e f ü r den Besitzer innehat, und sowohl d e r Inhaber als der Besitzer weiß, daß der Besitzer z u m Besitze nicht berechtigt ist, s o ist auch der Inhaber nach M a ß g a b e des § 910 verpflichtet. Weiß der Inhaber, aber nicht der Besitzer, d a ß der Besitzer z u m Besitze nicht berechtigt ist, so ist der Inhaber nach M a ß g a b e des § 910 z u m E r s ä t z e des von ihm verursachten S c h a d e n s verpflichtet, welcher durch U n t e r g a n g o d e r Verschlechterung der S a c h e entstanden ist. Erwogen war: Bei beiderseitiger Unredlichkeit müßten sowohl der Besitzer als der Inhaber verpflichtet sein, mit der S a c h e s o zu verfahren, wie solches dem ihnen bekannten f r e m d e n Eigenthumsrechte entspreche. E s liege weder eine ipso jure getheilte Schuld, noch ein Gesammtschuldverhältniß, noch auch eine gemeinschaftliche Schuld vor, sondern ein J e d e r werde verpflichtet, insoweit er die ihm in A n s e h u n g der fremden S a c h e obliegenden Verbindlichkeiten verletzt habe. An dieser dem § 9 1 0 entsprechenden H a f t u n g sei nichts zu ändern. D a g e g e n ergäben die V o r schriften des § 9 1 0 ein unrichtiges Resultat, wenn nur auf Seiten des Inhabers Kenntniß der Nichtberechtigung des Besitzers | z u m Besitze vorliege. D i e durch die | Prot I 11985 Redlichkeit des Besitzers für diesen begründete Rechtsposition, nach welcher er Eig e n t h u m an den Früchten erwerbe und w e g e n der sonstigen von ihm g e z o g e n e n N u t z u n g e n nicht hafte (§§ 881, 909), müsse, soweit sie reiche, auch den Inhaber haftfrei m a c h e n , und z w a r nicht bloß in A n s e h u n g der mit der T r e n n u n g in d a s Eig e n t h u m des Besitzers gelangten Früchte, sondern überhaupt in A n s e h u n g d e r E r stattung der N u t z u n g e n ; denn durch eine H a f t u n g des Inhabers könnte mittelbar der Besitzer g e t r o f f e n werden. Bestehen bleibe aber in einem solchen Falle die H a f t b a r k e i t des Inhabers für den von ihm durch V o r s a t z oder Fahrlässigkeit verursachten S c h a d e n , welcher durch U n t e r g a n g o d e r Verschlechterung der S a c h e entstanden ist, wie denn auch selbstverständlich, wenn eine unerlaubte H a n d l u n g vorliege, an welcher der Inhaber sich betheiligt h a b e , die Vorschrift des § 913 unberührt bleibe. 4. Z u r E r ö r t e r u n g gelangte ferner der Fall, d a ß der Besitzer unredlich, der Inhaber d a g e g e n redlich ist. Aus §§ 909, 910 ergiebt sich, daß der Inhaber w e g e n S c h a dens an der S a c h e und an den N u t z u n g e n der S a c h e g e g e n ü b e r d e m E i g e n t h ü m e r haftfrei ist, wenn er auch möglicher Weise g e g e n ü b e r dem von ihm vertretenen Besitzer dieserhalb verhaftet und der Besitzer in A n s e h u n g der ihm g e g e n den Inhaber zustehenden A n s p r ü c h e herausgabepflichtig ist. 24
In der folgenden 720. Sitzung wurden jedoch nur die zu § 919 gestellten Anträge erledigt; s. bei 985, 986 BGB. Die zu § 911 gestellten Anträge wurden in der 721. Sitzung (s. u.) beraten. 795
§§ 987-993
3. Abschnitt: E i g e n t h u m
Die Vindizirbarkeit der bei dem Inhaber befindlichen getrennten B e s t a n d t e i l e , welche nach der bisherigen Fassung der §§ 909 ff. bezweifelt werden könnte, ist in der unter N £ 2 beschlossenen Bestimmung festgestellt. Voraussetzung dieser Be| Prot I 11986 Stimmung ist, daß der Vindikant a n | den fraglichen Bestandtheilen noch gegenwärtig Eigenthum hat, unbeschadet des Anspruches auf Herausgabe der Bereicherung nach den allgemeinen Grundsätzen, wenn der Inhaber durch Konsumtion der Früchte sich bereichert hat. Hierbei ist zu beachten, daß das Eigenthum des Vindikanten durch eine Tradition der Bestandtheile seitens des Besitzers an den Inhaber nach § 860 aufgehoben sein kann und alsdann die unter N r . 2 beschlossene V o r schrift dem Vindikanten nicht zu Gute kommt. Die Frage, wann eine solche T r a d i tion in Gemäßheit des § 882 mit der T r e n n u n g der Bestandtheile sich vollende, w e n n die I n h a b u n g der Sache von dem unredlichen Besitzer zum Zwecke der Ausübung eines obligatorischen oder eines (möglicher Weise in Wirklichkeit nicht bestehenden) dinglichen Rechtes eingeräumt ist, ließ man, als nicht hieher gehörend, unberührt. 5. D e r A n t r a g 1 b in seinem ersten Theile (bis zu den W o r t e n : „nicht gezogen w o r d e n sind") will den § 910 durch Einschiebung der W o r t e „oder der bezeichneten N u t z u n g e n " vervollständigen und damit ausdrücken, daß der Besitzer auch f ü r den Schaden hafte, welcher f ü r den Eigenthümer aus dem Untergange der gezogenen N u t z u n g e n entstanden ist. Mit dieser Einschiebung steht die redaktionelle U m ä n d e r u n g der Schlußworte des § „oder durch Verlust von N u t z u n g e n entstanden ist, welche hätten gezogen werden können" in die W o r t e „oder dadurch entstanden ist, daß N u t z u n g e n , welche hätten gezogen werden können, nicht gezogen worden sind" im Z u s a m m e n h a n g e . D e r A n t r a g w u r d e hinsichtlich dieses Punktes angenommen. Erwogen w a r : | Prot I 11987 | Bestünden die N u t z u n g e n in auch selbständig vindizirbaren Sachen — getrennten Bestandtheilen, insbesondere Erzeugnissen der Hauptsache —, so lasse sich die bezweckte A u s d e h n u n g durch Auslegung finden, doch bleibe immerhin eine Klarstellung im Gesetze praktisch zweckmäßig. N u t z u n g e n könnten aber auch in anderer Gestalt erscheinen, ζ. B. als Ansprüche gegen Dritte vermöge eines subjektiv dinglichen Rechtes, und vom Besitzer aus V o r s a t z oder Fahrlässigkeit in Verlust gebracht w e r d e n . Für Fälle dieser Art w ü r d e ohne die Vervollständigung des Antrages 1 b eine Lücke sich ergeben. Die Berathung der zu den §§911 und 919 gestellten Anträge w u r d e der nächsten Sitzung vorbehalten. Im Uebrigen galten die Anträge f ü r erledigt. 721. Sitzung vom 16. 11. 1887, Schriftführer Achilles | Prot 1 12009
| V. Z u den §§ 909, 910 sind in der Sitzung S. 11984—11987, folgende Fassungen beschlossen:
vom
12. d. Mts.,
Prot.
| Prot 112010
| § 909 Abs. 2 „Soweit der Eigenthümer der Sache an Bestandtheilen derselben, insbesondere an Erzeugnissen, nach den Vorschriften der §§ 879 bis 883 mit der T r e n n u n g das Eigenthum erworben hat, wird sein Anspruch gegen den Besitzer oder Inhaber dieser Gegenstände durch die Vorschriften des ersten Absatzes nicht berührt." §910 „ W e n n der Besitzer weiß, daß er z u m Besitze nicht berechtigt ist, so hat er die von ihm nach dem Zeitpunkte, in welchem er diese Kenntniß erlangt hat, gezoge796
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 9 8 7 - 9 9 3
nen Nutzungen dem Eigenthümer herauszugeben, demselben auch den von ihm nach diesem Zeitpunkte aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursachten Schaden zu ersetzen, welcher durch Untergang oder Verschlechterung der Sache oder der bezeichneten Nutzungen oder dadurch entstanden ist, daß Nutzungen, welche hätte gezogen werden können, nicht gezogen sind." § 910 a „Wenn ein Anderer die Sache für den Besitzer inne hat und sowohl der Inhaber als der Besitzer weiß, daß der Besitzer zum Besitze nicht berechtigt ist, so ist auch der Inhaber nach Maßgabe des § 910 verpflichtet. | Wenn der Inhaber, aber nicht der Besitzer, weiß, daß der Besitzer zum Besitze |Prot I 12011 nicht berechtigt ist, so ist der Inhaber nach Maßgabe des ξ 910 zum Ersätze des von ihm verursachten Schadens verpflichtet, welcher durch Untergang oder Verschlechterung der Sache entstanden ist." Der weiteren Erledigung sind die im Protokoll S. 11980, 11981 mitgetheilten A n t r ä g e i d , 2 c und 3 b vorbehalten, welche auf 5 911 sich beziehen, vergl. S. 11987. Folgende weitere Anträge waren gestellt: Kurlbaum 1. a, auf den § 910 folgende Vorschrift als besonderen Paragraphen folgen zu (Nr 480) lassen: „Hat der Besitzer den Besitz der Sache durch eine strafbare, wenn auch nur aus Fahrlässigkeit begangene Handlung erworben, so finden die Vorschriften der §§910, 910 a Anwendung, wie wenn der Besitzer weiß, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist." b, § 911 Zeile 2 die Worte „oder Inhaber" zu streichen. c, als § 911 a folgende Vorschrift aufzunehmen: „Ist der Eigenthumsanspruch gegen den Besitzer oder gegen den Inhaber rechtshängig geworden, so finden die Vorschriften des § 910 a gegen den Inhaber auch dahin Anwendung, daß der Eintritt der Rechtshängigkeit gegen den Inhaber an die Stelle der Kenntniß des Inhabers von der Nichtberechtigung des Besitzers und der Eintritt der Rechtshängigkeit gegen den Besitzer an die Stel- | le der Nichtberechti- |Prot I 12012 gung des Besitzers und der Kenntniß des Besitzers von dieser Nichtberechtigung tritt." oder statt der §§911,911 a zu bestimmen: „Ist der Eigenthumsanspruch gegen den Besitzer oder gegen den Inhaber rechtshängig geworden, so finden die Vorschriften der §§ 910, 910 a auch dahin Anwendung, daß der Eintritt der Rechtshängigkeit gegen den Besitzer an die Stelle der Nichtberechtigung des Besitzers und der Kenntniß des Besitzers von der Nichtberechtigung, der Eintritt der Rechtshängigkeit gegen den Inhaber an die Stelle der Kenntniß des Inhabers von der Nichtberechtigung des Besitzers tritt." 2. in Ersatz des § 911 folgende Bestimmung aufzunehmen: „In Ansehung der in den §§ 910, 910 a bezeichneten Ansprüche steht es der Kenntniß des Besitzers von dem Mangel seines Rechtes zum Besitze gleich, wenn derselbe den Besitz durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben hat, oder wenn der Eigenthumsanspruch gegen ihn rechtshängig geworden ist. Der Kenntniß des Inhabers von dem Mangel des Rechtes zum Besitze auf Seiten des Besitzers steht es in Ansehung der in dem § 910 a bezeichneten Ansprüche gleich, wenn der Inhaber weiß, daß der Besitzer den Besitz in der im ersten Absätze 797
§§ 987—993
3. Abschnitt: Eigenthum
| P r o t I 12013 bezeichneten Weise erworben hat, oder daß der | Eigenthumsanspruch gegen denselben rechtshängig geworden ist, ingleichen wenn der Eigenthumsanspruch gegen den Inhaber selbst rechtshängig geworden ist." 3. a, dem § 910 neuerer Fassung als § 910 a folgende Bestimmung nachzusetzen: „ H a t der Besitzer den Besitz der Sache durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung sich verschafft, so finden die Vorschriften des § 910 von dem Zeitpunkte der Verschaffung des Besitzes an Anwendung (wie wenn der Besitzer weiß, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist). b, den § 910 a (nach dem Beschlüsse vom 12. d. Mts.) als § 910 b in folgender veränderter Fassung folgen zu lassen: „Wenn ein Anderer . . s o ist auch der Inhaber nach Maßgabe des § 910 verpflichtet. Das Gleiche gilt, wenn der Inhaber weiß, daß der Besitzer sich den Besitz durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung verschafft hat, von dem Zeitpunkte an, in welchem der Inhaber diese Kenntniß erlangt hat. W e n n der Inhaber . . . entstanden ist." c, den § 911 zu fassen: „Die Vorschriften des § 9 1 0 finden auch gegen denjenigen Besitzer oder Inha| Prot 112014 ber, welcher . . . keine Kenntniß hat, Anwendung in Ansehung der nach dem | Zeitpunkte, in welchem der Eigenthumsanspruch gegen ihn rechtshängig geworden ist oder in welchem der Besitzer von der Rechtshängigkeit des gegen den Inhaber oder der Inhaber von der Rechtshängigkeit des gegen den Besitzer erhobenen Eigenthumsanspruches Kenntniß erlangt hat, gezogenen Nutzungen und des nach diesem Zeitpunkte verursachten Schadens." 4. im § 8 8 1 die Worte „daß er den Besitz der Sache durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben hat, oder" zu streichen. Die Berathung führte zu folgenden Ergebnissen: 1. Man war der Ansicht: Zwischen dem § 881 und den §§ 910, 911 bleibe eine Disharmonie bestehen, welche durch den in voriger Sitzung beschlossenen zweiten Absatz des § 909 nicht gehoben, sondern eher in ein schärferes Licht gestellt werde. Wenn dem Besitzer, welcher den Besitz durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erlangt habe, im § 881 durch eine Ausnahmevorschrift der Erwerb des Eigenthums an den unter den Fruchtbegriff fallenden Sachen versagt, demselben jedoch in den §§ 910, 911 die Stellung des redlichen Besitzers gegenüber der Vindikation, insbesondere also auch die Gebrauchsvortheile, belassen werden, so könne eine solche Regelung dem Vorwurfe der Halbheit kaum entgehen. Die Vorschrift des § 913 helfe dem Mangel nicht in genügendem Maße ab; dieselbe gebe dem | Prot I 12015 Ei-1 genthümer nur einen obligatorischen Anspruch auf Schadensersatz, und möglicher Weise nicht einmal den Anspruch auf Ersatz der inzwischen gezogenen Nutzungen, wenn nämlich nicht erhelle, daß der Eigenthümer dieselben gezogen haben würde, vielmehr aus den Umständen das Gegentheil sich ergebe. Ferner würde der Inhaber von den Folgen der ihm wohlbekannten strafbaren Handlung des Besitzers unberührt bleiben, sofern ihm nicht ein eigenes Delikt, insbesondere das Vergehen der Hehlerei oder der Theilnahme an dieser, vorgeworfen werden könne. Aus vorstehenden Gründen beschloß man, die nothwendige innere Uebereinstimmung zwischen § 881 und den Vorschriften über die Vindikation herzustellen. 798
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 987 — 9 9 3
2. Der Zweck des Beschlusses unter 1 kann auf zwei Wegen erreicht werden, durch Beschränkung der Vorschriften des § 881 nach Maßgabe des Antrages 4 und durch Ergänzung der Vorschriften über die Vindikation, Antrag 1 bis 3. Die Kommission entschied sich für den letzteren W e g und beschloß, in nächstem Anschluß an Antrag 3 a, dem § 910 folgende Bestimmung als zweiten Absatz anzuschließen: H a t der Besitzer den Besitz durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben, so finden die Vorschriften des ersten Absatzes von dem Zeitpunkte des Besitzerwerbes an Anwendung. b, dem ersten Absätze des neuen § 910 a zuzusetzen: | Das Gleiche gilt, wenn der Inhaber weiß, daß der Besitzer den Besitz durch eine | Prot 112016 strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben hat. Erwogen war: Die Gründe, welche für die Aufnahme der von dem Antrage 4 angefochtenen Vorschrift im § 881 maßgebend gewesen seien, Prot. S. 4203, seien nicht widerlegt. Man werde daher den Anträgen 1 — 3 zu folgen haben, jedoch empfehle sich die Anordnung und die Fassung des Antrages 3 a, b, am meisten und habe die letztere nur einer kleinen Aenderung bedurft. Die Vorschriften über die fingirte mala fides verfolgten im Wesentlichen einen praktischen Zweck. Die Ausdehnung derselben auf andere Fälle dahin, daß allgemein die Möglichkeit des guten Glaubens eines strafbaren Delinquenten und derjenigen, welche von dem Delikte Kunde haben, ausgeschlossen sei, erscheine nicht als geboten, denn in allen anderen Fällen würden die Befugniß des Richters zur freien Beweiswürdigung und die Vorschriften über die H a f t u n g aus unerlaubten Handlungen genügen. 3. Man beschloß, in Ansehung des § 911 es lediglich bei den Konsequenzen der bisherigen Beschlüsse zu lassen und nur die durch diese Konsequenzen nothwendig gewordene Aenderung der Fassung dahin vorzunehmen: Die Vorschriften des §910 Abs. 1 finden auch gegen denjenigen Besitzer und die Vorschriften des § 910 a gegen denjenigen Inhaber, welcher von dem Mangel des Rechtes des Besitzers zum Besitze u.s.w. Erwogen war: 1. Es seien Zweifel aufgeworfen, ob nicht die Rechts-| hängigkeit des Vindika- |ProtI 12017 tionsprozesses gegen den Inhaber stets auch zum Nachtheile des Besitzers wirken müsse, dessen Person und Besitz vielleicht dem Vindikanten unbekannt sei, damit der obsiegende Vindikant das erhalte, was er bei sofortiger Restitution erhalten haben würde. Die Erstreckung der Wirkung eines prozessualen Thatbestandes auf eine Person, welche nicht Prozeßpartei oder Rechtsnachfolger einer Prozeßpartei sei, erscheine indessen hier nicht ausnahmsweise gerechtfertigt. Der Vindikant könne sich durch Mitbelangung, unter Umständen auch durch Benachrichtigung des Besitzers oder durch Erwirkung der Sequestration des Streitgegenstandes helfen. Sehe man demgemäß von diesem Zweifel ab, so erscheine es vollständig gerechtfertigt, das in Folge des Prozeßbeginnes eintretende Rechtsverhältniß ebenso zu gestalten, wie das bei Unredlichkeit des Inhabers sich ergebende Rechtsverhältniß und demgemäß die für den Fall der Redlichkeit des Besitzers im § 910 a bestimmte Beschränkung der Haftung des Inhabers auch im Falle der Rechtshängigkeit des Prozesses gegen den Inhaber beizubehalten. 2. Die Kenntniß des Besitzers, daß gegen den Inhaber Klage erhoben, und die ähnliche Kenntniß des Inhabers werde zwar oft, aber nicht nothwendig immer, zur 799
§§ 987-993
3. Abschnitt: Eigenthum
Annahme der Unredlichkeit desjenigen führen, welcher eine solche Kenntniß erlangt habe. Es erscheine indessen nicht gerechtfertigt, eine Fiktion der mala fides f ü r derartige Fälle zu bestimmen, zu vergl. Antrag 1 c, 2, 3 c. Eine derartige fingine mala fides sei dem geltenden Rechte fremd. Es müsse in jedem einzelnen Falle an der Hand der konkreten Umstände geprüft werden, welcher Einfluß der fraglichen Kenntniß nach den allgemeinen Grundsätzen beizumessen sei. | Prot I 12018 | Die zu §§ 909—911 gestellten Anträgen galten als erledigt. Die zu § 919 gestellten, Prot. S. 11980, 11981 mitgetheilten Anträge 1 e und 3 c wurden nicht weiter verfolgt.
Ε I § 930
Ε I § 931
Ε I § 932
Ε I § 933
Ε I § 934
Ε I § 935
Die Vorschriften sind im Ε / g e f a ß t : Der Besitzer einer fremden Sache und derjenige, welcher für denselben die Sache innehat, sind nicht verpflichtet, dem Eigenthümer auch die Nutzungen der Sache herauszugeben oder den Schaden zu ersetzen, welchen derselbe durch Untergang oder Verschlechterung der Sache oder anderweitig erlitten hat, soweit nicht aus den §§ 931 bis 935 ein Anderes sich ergiebt. Soweit der Eigenthümer der Sache an Bestandtheilen derselben, insbesondere an Erzeugnissen, nach den Vorschriften der §§ 898 bis 902 mit der T r e n n u n g das Eigenthum erworben hat, wird sein Anspruch gegen den Besitzer oder Inhaber dieser Gegenstände durch die Vorschriften des ersten Absatzes nicht berührt. Wenn der Besitzer weiß, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist, so hat er die von ihm nach dem Zeitpunkte, in welchem er diese Kenntniß erlangt hat, gezogenen Nutzungen dem Eigenthümer herauszugeben, demselben auch den von ihm nach diesem Zeitpunkte aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursachten Schaden zu ersetzen, welcher durch Untergang oder Verschlechterung der Sache oder der bezeichneten Nutzungen oder dadurch entstanden ist, daß Nutzungen, welche hätten gezogen werden können, nicht gezogen sind. H a t der Besitzer den Besitz durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben, so finden die Vorschriften des ersten Absatzes von dem Zeitpunkte des Besitzerwerbes an Anwendung. Wenn ein Anderer die Sache für den Besitzer innehat und sowohl der Inhaber als der Besitzer weiß, daß der Besitzer zum Besitze nicht berechtigt ist, so ist auch der Inhaber nach Maßgabe des § 931 Abs. 1 verpflichtet. Das Gleiche gilt, wenn der Inhaber weiß, daß der Besitzer den Besitz durch eine strafbare, wenn auch nur auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben hat. Wenn der Inhaber, aber nicht der Besitzer weiß, daß der Besitzer zum Besitze nicht berechtigt ist, so ist der Inhaber nach Maßgabe des $ 931 Abs. 1 zum Ersätze des von ihm verursachten Schadens verpflichtet, welcher durch Untergang oder Verschlechterung der Sache entstanden ist. Die Vorschriften des § 931 Abs. 1 finden auch gegen denjenigen Besitzer und die Vorschriften des § 932 auch gegen denjenigen Inhaber, welcher von dem Mangel des Rechtes des Besitzers zum Besitze keine Kenntniß hat, Anwendung in Ansehung der nach dem Zeitpunkte, in welchem der Eigenthumsanspruch gegen ihn rechtshängig geworden ist, gezogenen Nutzungen und des nach diesem Zeitpunkte verursachten Schadens. Von dem Zeitpunkte an, in welchem der Besitzer oder der Inhaber nach Maßgabe der §§ 245, 246 in Verzug kommt, bestimmen sich seine Verpflichtungen nach den Vorschriften der §§ 247 bis 253. H a t der Besitzer oder der Inhaber durch eine strafbare oder durch eine vorsätzlich begangene Handlung sich den Besitz oder die Inhabung verschafft, so bestimmt 800
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987—993
sich seine Verpflichtung zum Schadensersatze nach den Vorschriften über die H a f tung aus unerlaubten Handlungen. B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 95. Sitzung vom 5. 4. 1893 | II. D e r § 930 fand keinen Vertheidiger. In seinem negativen Karakter w u r d e die Quelle der Unklarheit gefunden, die in der Kritik dem Entwurf z u m Vorwurf gemacht ist. M a n hielt es im Interesse der Deutlichkeit des Gesetzbuches f ü r unerläßlich, bezüglich der H a f t u n g e n f ü r N u t z u n g e n und Schäden (im Anschlüsse an das geltende Recht) zwischen redlichem und unredlichem Besitze zu unterscheiden, indem man davon ausging, daß der einzige G r u n d , der den Besitzer von der H a f t u n g entbinden könne, die Redlichkeit des Besitzers sei. Die Frage, ob der Begriff des redlichen Besitzers in dem Gesetzbuche eine Definition erfordere, w u r d e als eine redaktionelle | nicht entschieden. Als zweckmäßig indessen betrachtete man es, zwisehen dem redlichen Eigenbesitzer und einem anderen redlichen Besitzer zu unterscheiden, weil ein Besitzer, der eine Sache als eine f r e m d e besitzt, f ü r eine Beschädigung derselben nach den Deliktsvorschriften zu haften habe. Dabei w u r d e nicht verkannt, daß als redlicher Besitzer auch derjenige anzusehen sei, der nach M a ß gabe des § 901 oder des § 902 25 zum Besitze obligatorisch berechtigt zu sein glaube, obschon sein Rechtsurheber in Wirklichkeit w e d e r der Eigenthümer noch sonst zur Fruchtziehung berechtigt gewesen sei. Man w a r aber der Meinung, daß in dieser Hinsicht der Entwurf durch einen entsprechenden Zusatz zu den §§901, 902 verdeutlicht werden müsse. Für diesen Zusatz w u r d e von einer Seite folgende Fassung vorgeschlagen: W a r derjenige, welcher dem Besitzer die Aneignung gestattet hat, hierzu nicht berechtigt, so finden die Vorschriften des § 900 entsprechende Anwendung. Im Uebrigen glaubte die Mehrheit, salva redactione, den § 930 durch folgende Bestimmungen ersetzen zu k ö n n e n : D e r redliche Eigenbesitzer hat dem Eigenthümer weder die N u t z u n g e n herauszugeben noch Schadensersatz wegen Entziehung, Vorenthaltung oder Beschädigung der Sache zu leisten. Das Gleiche gilt von einem anderen redlichen Besitzer mit der Maßgabe, daß derselbe wegen einer Beschädigung der Sache dem Eigenthümer nach den Vorschriften über unerlaubte H a n d l u n g e n verantwortlich ist. Bei § 931 trat die Mehrheit dem Entwürfe darin bei, daß es sich nicht empfehle, die H a f t u n g des unredlichen Besitzers lediglich nach den Vorschriften über unerlaubte H a n d l u n g e n , über Geschäftsführung ohne A u f t r a g und über den V e r z u g zu bestimmen, sondern d a ß das Gesetz klarer und praktikabeler werde, wenn es den Anspruch des Eigenthümers wegen der N u t z u n g e n und Schäden selbständig regele. Bei Bestimmung des U m f a n g e s der H a f t u n g folgte man im All- | gemeinen dem Entwürfe, jedoch (nach dem Vorgange der Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Lesung § 739 Abs. 2) mit der Erweiterung, d a ß der unredliche Besitzer, wenn er durch sein Verschulden aus einem anderen G r u n d e zur H e r a u s g a b e der Sache außer Stande sei, auch den hierdurch dem Eigenthümer entstehenden Schaden solle ersetzen müssen. Das Verhältniß der an dieser Stelle zu bestimmenden H a f u n g zu der H a f t u n g ex delicto etc. wurde eingehend erörtert. Das Ergebniß w a r der Beschluß, einen Satz 25
Die S§ 9 0 0 - 9 0 2 Ε I s. bei S S 9 5 5 - 9 5 7 BGB.
801
| Prot-RJA 949
| Prot-RJA 950
EI-RJA § 930
| Prot-RJA 951
§§ 987—993
3. Abschnitt: Eigenthum
einzustellen, durch welchen dem Eigenthümer die Geltendmachung weiterer Ansprüche nach den Vorschriften über Verzug, über Geschäftsführung ohne Auftrag und über unerlaubte Handlungen freigestellt werde. Bei der Frage, wer als unredlicher Besitzer anzusehen sei, wurde der Standpunkt des Entwurfes, daß nur die Kenntniß des Nichtrechtes den Besitz zu einem unredlichen mache, aufgegeben. Die Mehrheit glaubte wie bei der Ersitzung (§§ 881, 886) und dem Fruchterwerbe (§ 900) zwischen dem Zeitpunkte des Besitzerwerbes und dem Zustande des Besitzers unterscheiden zu sollen. Unredlich sei, so wurde ausgeführt, der Besitzer nur, wenn er beim Erwerbe des Besitzes den Rechtsmangel gekannt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Sei aber der Besitz einmal redlich erworben, so habe der Besitzer keine Diligenzpflicht mehr. N u r dadurch, daß er positiv erfahre, daß er zum Besitze nicht berechtigt sei, könne seine Stellung als redlicher Besitzer erschüttert werden. Aber auch in einem solchen Falle sei er nicht durchweg, sondern nur insoweit dem unredlichen Besitzer gleichzustellen, als er nach Erlangung der Kenntniß noch Nutzungen ziehe oder Schaden anrichte. In die nämliche Lage komme der Besitzer auch dann, wenn der Eigenthumsanspruch gegen ihn rechtshängig werde. In dieser Hinsicht sei dem 5 933 des Entwurfes beizutreten. | Prot-RJA 952 Im Uebrigen hielt man es nach den früher gefaßten Be- | Schlüssen hier ebenso wie bei dem redlichen Besitze für nothwendig, zwischen Eigenbesitz und anderem Besitz zu unterscheiden. Die Voraussetzungen, unter welchen der Eigenbesitz als unredlich zu betrachten sei, wurden im Einklang mit den zu § 881 bezw. § 900 beschlossenen Vorschriften bestimmt. Was dagegen den Besitz anlangt, der nicht Eigenbesitz ist, so war man einverstanden, daß derjenige, welcher in Ausübung eines dinglichen Rechtes besitzt, unredlicher Besitzer sei, wenn er beim Erwerbe gewußt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt habe, daß ihm das Recht nicht zustehe. Bei dem Besitze in Ausübung eines nur obligatorischen Rechtes (§§ 901, 902) wurde als Gegenstand der Kenntniß etc. die Nichtberechtigung des Auktors angesehen, auf die Kenntniß des letzteren aber in Abweichung von dem § 932 kein Gewicht gelegt. Die Unterscheidung zwischen strafbarer und nicht strafbarer Besitzerwerbung in § 931 Abs. 2, § 932 Abs. 1, 935 erachtete man durch die beschlossene Gleichstellung der grobfahrlässigen Unkenntniß mit der Kenntniß für erledigt. Als beschlossen sind hiernach, vorbehaltlich der Fassung, folgende Sätze anzusehen: Ε I-RJA § X Ein Eigenbesitzer, dem beim Erwerbe des Eigenbesitzes bekannt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß er nicht berechtigt ist, die Sache als ihm gehörig zu besitzen, (unredlicher Besitzer) hat dem Eigenthümer die N u t z u n gen, welche er gezogen hat, herauszugeben und für die nicht gezogenen, welche er bei ordnungsmäßiger Verwaltung hätte ziehen können, Ersatz zu leisten sowie den Schaden zu ersetzen, welcher dadurch entsteht, daß durch sein Verschulden die Sache oder die gezogenen Nutzungen untergehen oder verschlechtert werden oder er aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außer Stande ist. | Prot-RJA 953
| In gleicher Weise haftet als unredlicher Besitzer: 1. wer die Sache in Ausübung eines Rechtes an derselben besitzt, wenn ihm beim Erwerbe des Besitzes bekannt war, daß ihm das Recht nicht zusteht; 2. wer sein Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ableitet, wenn ihm beim Erwerbe des Besitzes bekannt war, daß der mittelbare Besitzer zum Besitze nicht berechtigt ist. 802
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987-993
Der Kenntniß steht in beiden Fällen die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß gleich. Eine weitere Haftung des Besitzers nach den Vorschriften über Verzug, über Geschäftsführung ohne Auftrag und über unerlaubte Handlungen bleibt unberührt. Ein Besitzer, der den Besitz redlich erworben hat, später aber Kenntniß von dem Ε I-RJA § Y ihm entgegenstehenden Rechtsmangel erlangt, wird dem Eigenthümer nach Maßgabe des § X insoweit verantwortlich, als er nach Erlangung der Kenntniß Nutzungen zieht oder Schaden anrichtet. Die gleiche Haftung tritt mit dem Zeitpunkte ein, in welchem der Eigenthumsanspruch gegen den Besitzer rechtshängig wird.
C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 3 3 6 - 3 5 0 ; Mugdan, Bd. 3, S. 671 ff.) Zu den §§ 930 bis 935 lagen die Anträge vor: 1. folgende Vorschriften zu beschließen: Achilles § a. Ein Eigenbesitzer, dem beim Erwerbe des Eigenbesitzes bekannt oder nur in Nr 96, 95 Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß er nicht berechtigt ist, die Sache als ihm gehörig zu besitzen (unredlicher Besitzer 26 ), hat dem Eigenthümer die Nutzungen, welche er gezogen hat, herauszugeben und für die nicht gezogenen, welche er bei ordnungsmäßiger Verwaltung hätte ziehen können, Ersatz zu leisten sowie den Schaden zu ersetzen, welcher dadurch entsteht, daß durch sein Verschulden die Sache oder die gezogenen Nutzungen untergehen oder verschlechtert werden oder er aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außer Stande ist. In gleicher Weise haftet als unredlicher Besitzer: 1. wer die Sache in Ausübung eines Rechtes an derselben besitzt, wenn ihm beim Erwerbe des Besitzes bekannt war, daß ihm das Recht nicht zusteht; 2. wer sein Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ableitet, wenn ihm beim Erwerbe des Besitzes bekannt war, daß der mittelbare Besitzer zum Besitze nicht berechtigt ist. Der Kenntniß steht in beiden Fällen die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß gleich. Eine weitere H a f t u n g nach den Vorschriften über Verzug, über Geschäftsführung ohne Auftrag und über unerlaubte Handlungen bleibt unberührt. § b. (930.) Ein Eigenbesitzer, gegen den die Voraussetzungen des unredlichen Besitzes nicht vorliegen (redlicher Besitzer), hat dem Eigenthümer weder die Nutzungen herauszugeben noch Schadensersatz wegen Entziehung, Vorenthaltung oder Beschädigung der Sache zu leisten. Das Gleiche gilt zu Gunsten eines anderen Besitzers, gegen den die bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen, mit der Maßgabe, daß derselbe wegen einer Beschädigung der Sache dem Eigenthümer nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen verantwortlich ist. § c. Ein Besitzer, der den Besitz redlich erworben hat, später aber Kenntniß von dem ihm entgegenstehenden Rechtsmangel erlangt, wird dem Eigenthümer nach Maßgabe des § a Abs. 1 insoweit verantwortlich, als er nach Erlangung der Kenntniß Nutzungen zieht oder Schaden verursacht. 26
D a z u ist angemerkt: D e r unredliche Besitzer wird hier definirt, ohne daß der Red.Kom. vorgegriffen werden soll, die Definition schon an einer früheren Stelle zu geben. 803
§§ 9 8 7 - 9 9 3
3. Abschnitt: Eigenthum
Die gleiche H a f t u n g tritt mit dem Zeitpunkt ein, in welchem der Eigenthumsanspruch gegen den Besitzer rechtshängig wird. Jacubezky (Nr 111, 1)
2. folgende Vorschriften zu beschließen: § a . (933.) Die Verpflichtung des Besitzers zur Herausgabe erstreckt sich auf die nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Anspruchs auf Herausgabe gezogenen Nutzungen. Von dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Anspruchs auf Herausgabe an ist der Besitzer dem Eigenthümer für den Schaden verantwortlich, welcher dadurch entsteht, daß in Folge seines Verschuldens die Sache oder die gezogenen Nutzungen untergehen oder verschlechtert werden oder er in anderer Weise außer Stande gesetzt wird, die Herausgabe zu bewirken, oder Nutzungen, die er bei ordnungsmäßiger Verwaltung ziehen würde, nicht gezogen werden. § b. (931, 932.) H a t der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes gewußt oder später erfahren, daß er nicht berechtigt ist, die Sache zu besitzen, so ist er von dem Erwerbe des Besitzes oder der Erlangung der Kenntniß an in der gleichen Weise verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Für den Schaden, welcher dem Eigenthümer dadurch entsteht, daß der Besitzer sich durch Uebergabe des Besitzes an einen Dritten außer Stande setzt, die Sache herauszugeben, ist der Besitzer jedoch nur verantwortlich, wenn er bei der Uebergabe weiß oder wissen muß, daß durch sie das Recht des Eigenthümers gefährdet wird; er ist nicht verantwortlich, wenn die Uebergabe auf Grund des Rechtsverhältnisses erfolgt, auf Grund dessen der Besitzer den Besitz erworben hat. Leitet der Besitzer sein Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ab, so bleibt, wenn dieser den Mangel in seinem Rechte nicht kennt, die Kenntniß des Besitzers insoweit außer Betracht, als der mittelbare Besitzer ihm wegen des Mangels im Rechte zur Gewährleistung verpflichtet ist. § c. Ist der Besitzer Eigenbesitzer oder besitzt er die Sache in Ausübung eines Rechtes an derselben, so ist er, wenn er weiß, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist, in der gleichen Weise wie ein Finder verpflichtet, die den Umständen nach erforderlichen Maßregeln vorzukehren, um dem Eigenthümer die Geltendmachung des Anspruchs auf Herausgabe zu ermöglichen. § d. (930, 934, 935.) Soweit sich aus den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigen Bereicherung, über den Verzug, über die Geschäftsführung ohne Auftrag und über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen eine über die Vorschriften der §§ a bis c hinausgehende Verantwortlichkeit des Besitzers ergiebt, bleibt dieselbe unberührt. Der Besitz und das Ziehen von Nutzungen ist jedoch dem Eigenthümer gegenüber nur dann widerrechtlich, wenn der Besitzer durch den Erwerb des Besitzes gegen die Vorschrift des § 914 27 oder gegen ein den Schutz des Eigenthums bezweckendes Gesetz verstoßen hat. Das Gleiche gilt von thatsächlichen und rechtlichen Verfügungen des Besitzers über die Sache, sofern nicht der Besitzer den Mangel des Rechtes zu der getroffenen Verfügung gekannt hat, und von den im § b Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Verfügungen, es sei denn, daß eine Verfügung dieser Art gegen ein den Schutz des Eigenthums bezweckendes Gesetz verstößt. Der Besitzer kommt nicht in Verzug, solange der Mangel des Rechtes zum Besitz ihm nicht bekannt ist.
ν
S. bei § 858 BGB.
804
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987-993
Ein Besitzer, der nach den §§ 900 bis 9 0 2 Eigenthümer der Früchte wird, ist f ü r die Zeit v o r dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Anspruchs des Eigenthümers z u r H e r a u s g a b e von N u t z u n g e n nicht verpflichtet. A. D i e K o m m , erörterte zunächst im Anschluß an die im A n t r a g e 2 gewählte Ano r d n u n g die H a f t u n g des Prozeßbesitzers f ü r N u t z u n g e n und S c h ä d e n . Auf diese F r a g e n b e z o g e n sich der Antrag 1 § c Abs. 2 und der Antrag 2 § a. D e r Antrag 1 regelt die H a f t u n g des Prozeßbesitzers durch V e r w e i s u n g auf die im § a des A n t r a g s enthaltenen Vorschriften über die H a f t u n g des unredlichen Besitzers. Z u den §§ a und c des A n t r a g s 1 lag der A n t r a g v o r : a) im § a am Schlüsse des Abs. 1 nach „ o d e r e r " einzuschalten „durch sein V e r schulden"; b) den § c Abs. 1 zu f a s s e n : Ein Besitzer, der erlangt, wird von diesem Zeitpunkt an dem Eigenthümer nach M a ß g a b e des § a. Abs. 1, 4 verantwortlich. D e r Antragsteller z u 1 erklärte, daß in dem vorstehenden A n t r a g a nur eine V e r deutlichung der Absicht seines Antrags zu erblicken sei, und änderte außerdem seinen A n t r a g c Abs. 1 in Gemäßheit des A n t r a g s b ab. H i e r n a c h bestand zwischen dem A n t r a g 1 und dem A n t r a g e 2 bezüglich der hier fraglichen H a f t u n g des P r o zeßbesitzers eine sachliche Verschiedenheit nicht mehr. D i e A n t r ä g e weichen v o m § 933 in zwei Beziehungen ab. Erstens erstrecken sie die V o r s c h r i f t e n auf jeden Besitzer der zweiten L e s u n g , während der § 933 nur die H a f t u n g des „ B e s i t z e r s " im Sinne des Entwurfs I und desjenigen Inhabers, welcher die S a c h e f ü r den Besitzer (nicht f ü r den Eigenthümer) innehat, vom Eintritte der Rechtshängigkeit ab regelt. D i e E n t s c h e i d u n g über diese Erweiterung des Entw. w u r d e ausgesetzt. (Vergl. 2 unter Β a. Ε.) Zweitens sprechen die A n t r ä g e auch eine Ersatzpflicht des Prozeßbesitzers w e g e n des Schadens aus, welcher dem Eigenthümer dadurch entsteht, daß der Prozeßbesitzer aus einem anderen G r u n d e als w e g e n des verschuldeten U n t e r g a n ges o d e r der verschuldeten Verschlechterung z u r H e r a u s g a b e der S a c h e o d e r der g e z o g e n e n N u t z u n g e n schuldhafter Weise außer Stande ist, ζ. B. w e g e n verschuldeten Verlustes o d e r wegen V e r ä u ß e r u n g jener G e g e n s t ä n d e . Z u r B e g r ü n d u n g dieser A e n d e r u n g des Entw. w u r d e auf die verwandte Bestimmung des § 742 Abs. 2 des Entw. II und auf die theilweise übereinstimmende V o r s c h r i f t des preuß. A . L . R . I, 15 § 1 6 hingewiesen. D i e endgültige E n t s c h e i d u n g über diesen P u n k t w u r d e j e d o c h gleichfalls vorbehalten. (Vergl. 4 unter B). Im U e b r i g e n stimmten die A n t r ä g e mit dem Entw. überein und fanden insoweit Billigung. B. M a n w a n d t e sich hierauf zur F r a g e der H a f t u n g des unredlichen Besitzers. 1. D i e E r ö r t e r u n g beschränkte sich z u n ä c h s t auf die H a f t u n g des selbst im Besitze befindlichen Eigenbesitzers, und z w a r in erster Linie auf die F r a g e , unter welchen V o r a u s s e t z u n g e n eine die hier z u regelnde H a f t u n g b e g r ü n d e n d e Unredlichkeit des Eigenbesitzers a n g e n o m m e n w e r d e n solle. D i e R e g e l u n g der H a f t u n g des mittelbaren Besitzers w u r d e vorbehalten. W ä h r e n d nach dem A n t r a g e 2 § b in U e b e r e i n s t i m m u n g mit § 931 Abs. 1 nur die beim Besitzerwerbe v o r h a n d e n e o d e r später erlangte Kenntniß von dem M a n g e l des Rechtes z u m Besitz als Unredlichkeit gelten soll, bestimmt der A n t r a g 1 § a Abs. 1 und $ c den Begriff der Unredlichkeit verschieden, je nachdem dieselbe beim Besitzerwerbe vorhanden ist o d e r erst später eintritt. Im ersteren Falle soll als unredlich gelten nicht nur derjenige, welcher weiß, sondern auch derjenige, welcher aus g r o b e r Fahrlässigkeit nicht weiß, daß er z u m Besitze nicht berechtigt ist, im zweiten Falle nur derjenige, welcher hiervon wirklich Kenntniß erlangt hat. D i e K o m m , entschied sich in dieser F r a g e mit 12 g e g e n 5 Stimmen f ü r den A n t r a g 1. 805
§ § 987—993
3. Abschnitt: Eigenthum
Die Vorschrift des § 931 Abs. 2 ist in den Anträgen weggelassen. Dies fand aus demselben Grunde Billigung, aus welchem die Komm, die Nr. 3 des § 900 gestrichen hat 28 . 2. Anlangend die Frage, ob und inwieweit die Vorschriften über die H a f t u n g des unredlichen Eigenbesitzers auf andere unredliche Besitzer auszudehnen seien, so erstreckte der Antrag 2 § b die Vorschriften auf jeden Besitzer, der bei dem Erwerbe des Besitzes gewußt oder später erfahren hat, daß er nicht berechtigt ist, die Sache zu besitzen. Der Antragsteller war damit einverstanden, daß nach dem vorstehend mitgetheilten Beschlüsse sein Vorschlag auf jeden Besitzer auszudehnen sei, dem in Folge grober Fahrlässigkeit beim Besitzerwerbe der Mangel in seinem Rechte unbekannt geblieben ist. Der Antrag 1 zog nur die im § a Abs. 2 bezeichneten Arten von Besitzern in die Vorschrift hinein; der Antragsteller ließ jedoch diesen Vorschlag zu Gunsten des Antrags 2 fallen. Die Komm, nahm den Antrag 2 § b Abs. 1 an. 3. Nach § 932 Abs. 2 soll die Verpflichtung des unredlichen Besitzers zur H e r ausgabe der gezogenen Nutzungen und zum Ersätze der untergegangenen, verschlechterten oder versäumten Nutzungen ausgeschlossen sein, wenn der mittelbare Besitzer, von dem der Besitzer sein Recht zum Besitz ableitet, in gutem Glauben ist. Der Antrag 1 enthält eine entsprechende Vorschrift nicht; der Antrag 2 ersetzt den § 932 Abs. 2 durch seinen § b Abs. 2, nach dem die Unredlichkeit des Besitzers insoweit außer Betracht bleiben soll, als der mittelbare Besitzer ihm wegen des Mangels im Rechte zur Gewährleistung verpflichtet ist. Die Komm, entschied sich f ü r die sachliche Beibehaltung des § 932 Abs. 2. 4. Nach dem Antrag 1 §§ a und c und dem Antrage 2 §§ a und b Abs. 1 soll der Prozeßbesitzer und der unredliche Besitzer auch für den Schaden haften, welcher dem Eigenthümer dadurch entsteht, daß der Besitzer in Folge seines Verschuldens auf andere Weise als durch Verschlechterung oder Untergang zur Herausgabe der Sache oder der gezogenen Nutzungen außer Stande gesetzt wird, insbesondere ζ. B. durch Veräußerung. Der Antrag 2 macht jedoch im § b Abs. 1 Satz 2 von dieser H a f t u n g für den unredlichen Besitzer zwei Ausnahmen: der unredliche Besitzer soll im Falle der Uebergabe der Sache an einen Dritten erstens dann nicht haften, wenn er bei der Uebergabe weder wußte noch wissen mußte, daß durch sie das Recht des Eigenthümers gefährdet werde, zweitens dann nicht, wenn die Uebergabe auf Grund des Rechtsverhältnisses erfolgt, auf Grund dessen der Besitzer den Besitz erworben hat, wenn ζ. B. der Besitzer die gekaufte Sache wegen NichtVerschaffung des Eigenthums gemäß § 382 Abs. 2 des Entw. II dem Verkäufer, die gemiethete Sache dem Vermiether zurückgiebt. Für den Fall der Nichtannahme dieser Beschränkung beantragte der Antragsteller zu 2, die H a f t u n g des Prozeßbesitzers und des unredlichen Besitzers wegen verschuldeten Unvermögens zur Herausgabe im Gesetze nicht zu erwähnen. Die Komm, lehnte in eventueller Abstimmung die bezeichneten Ausnahmen des Antrags 2 § b Abs. 1 Satz 2 ab und entschied sich dafür, die hier fragliche H a f t u n g des Prozeßbesitzers und des unredlichen Besitzers im Gesetz auszusprechen. 5. Man wandte sich zur Erörterung des § c des Antrags 2. Derselbe wurde abgelehnt. 6. Man erörterte schließlich die Frage der H a f t u n g des Besitzers wegen Verzugs. Nach § 934 sollen die Vorschriften über Verzug auf die Verpflichtung des Besitzers 28
S. bei § 955 BGB.
806
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 987-993
zur Herausgabe unverändert Anwendung finden, ohne Unterschied ob er redlicher oder unredlicher Besitzer ist. Nach dem Antrag 1 § a Abs. 4 und dem Antrag 2 § d Abs. 2 tritt nur für den unredlichen Besitzer unter den Voraussetzungen des Verzugs die aus den Vorschriften über Verzug sich ergebende weitergehende Haftung ein. Es lag weiter der mit dem Entw. sachlich übereinstimmende Unterantrag zum Antrag 1 vor: dem § d als Abs. 2 hinzuzufügen: Die H a f t u n g des Besitzers nach den Vorschriften über Verzug bleibt unberührt. Die Komm, entschied sich für den in den Anträgen 1 und 2 eingenommenen Standpunkt. C. Es lag der Antrag vor: an Stelle des abgelehnten § c des Antrags 2 oben vor Α zu bestimmen: Ein unredlicher Besitzer einer beweglichen Sache, der den Besitz nicht durch eine strafbare Handlung erlangt hat, kann sich, wenn er den Eigenthümer oder dessen Aufenthalt nicht kennt, dem Eigenthümer gegenüber dadurch von seinen Verpflichtungen befreien, daß er die Sache an die Polizeibehörde abliefert und dieser die ihm bekannten Umstände anzeigt, welche f ü r die Ermittelung des Eigenthümers erheblich sein können. Die Vorschriften der §§ 916, 918, 922, 923 finden entsprechende Anwendung. Der Antrag wurde abgelehnt. D. Zu 1. dem § b des Antrags 1 oben vor Α und 2. dem § a Abs. 4 ebenda, deren Berathung verbunden wurde, lagen vor: 3. der § d des Antrags 2 vor Α sowie die Anträge: 4. zu bestimmen: Ein Besitzer, bei dem die in den §§ 929 a, 929 b der Vorl. Zus. bestimmten Voraussetzungen der Haftung nicht vorliegen, haftet dem Eigenthümer wegen des Besitzes und der Nutzungen der Sache sowie wegen des im § 929 a bezeichneten Schadens weder nach den Vorschriften über verschuldete Unmöglichkeit der Erfüllung eines Anspruchs noch nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen oder über die Herausgabe einer ungerechtfertigen Bereicherung. Unberührt bleibt jedoch 1. die H a f t u n g des Besitzers aus ungerechtfertigter Bereicherung in Folge einer thatsächlichen oder rechtlichen Verfügung über die Sache, 2. die H a f t u n g desjenigen, welcher durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung den Besitz von dem Eigenthümer oder einem Besitzer erlangt hat, der sein Recht zum Besitze von dem Eigenthümer ableitet, 3. die H a f t u n g eines Besitzers, der die Sache nicht als ihm gehörig besitzt, wegen Beschädigung der Sache, sofern er nicht kraft des Verhältnisses, auf Grund dessen er besitzt, zu der beschädigenden Handlung berechtigt war. 5. falls der § b nicht gestrichen wird, denselben dahin zu fassen: v. Mandry Ein Besitzer, bei dem die Voraussetzungen unredlichen Besitzes nicht vorliegen (Nr 113, 1) (redlicher Besitzer), hat u.s.w. (wie Satz 1) und Satz 2: Die H a f t u n g eines redlichen Besitzers, der die Sache nicht als ihm gehörig besitzt, wegen Beschädigung, bleibt unberührt. 6. f ü r den Fall der Annahme des § b, den Satz 1 zu beginnen: Ein Besitzer, gegen den u.s.w. den Satz 2 zu fassen: Eine weitere H a f t u n g nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen bleibt unberührt. 807
§§ 987-993
3. Abschnitt: Eigenthum
7. den § b zu fassen: Ein Eigenbesitzer, gegen den die Voraussetzungen des unredlichen Besitzes nicht vorliegen, hat dem Eigenthümer weder die Nutzungen herauszugeben noch Schadensersatz wegen der von ihm auf Grund des sich zugeschriebenen Eigenthums erfolgten Entziehung, Vorenthaltung oder Beschädigung der Sache zu leisten. 8. a) den Abs. 4 des § a dahin zu ändern: Eine weitere H a f t u n g nach den Vorschriften über Verzug bleibt unberührt. b) den § b dahin zu fassen: Der Besitzer, gegen den die Voraussetzungen der §§ 929 a, 929 b nicht vorliegen, hat dem Eigenthümer weder die Nutzungen herauszugeben noch Schadensersatz zu leisten. Die H a f t u n g eines Besitzers, der nicht Eigenbesitzer ist, wegen verschuldeter Beschädigung der Sache bleibt unberührt. c) als Ersatz für den § 935 zu bestimmen: H a t der Besitzer durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare H a n d lung sich den Besitz verschafft, so bestimmt sich seine Verpflichtung zum Schadensersatze nach den Vorschriften über die Haftung aus unerlaubten Handlungen. Der Antrag 8 wurde einstimmig angenommen. E. Es lag der Antrag vor: nach § 900 der Vorl.Zus., welcher lautet: Wer eine Sache im Eigenbesitze hat, erwirbt das Eigenthum an den im § 792 Abs. 1 bezeichneten Früchten mit der Trennung von der Sache. Die Vorschriften des § 882 Abs. 2 und des § 885 a Abs. 2 der Vorl.Zus. 29 finden entsprechende Anwendung. Der Eigenbesitzer erwirbt die Früchte nicht, wenn ihm zur Zeit der Erwerbung des Eigenbesitzes bekannt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß ihm ein Recht zum Eigenbesitze der Sache nicht zusteht oder daß ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache befugt ist, die Früchte zu ziehen, oder wenn ihm dies zur Zeit der Trennung bekannt ist. Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung zu Gunsten desjenigen, welcher eine Sache als seinem Nutzungsrecht an derselben unterliegend besitzt oder im mittelbaren Besitze hat. als § 900 a einzufügen: Jacubezky H a t der Besitzer den Besitz unentgeltlich erworben, so ist er, wenn ihm ein (Nr 111,2) Recht zum Besitze nicht zusteht oder ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache befugt ist, die Früchte zu ziehen, verpflichtet, die Früchte, an welchen er das Eigenthum erworben hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung demjenigen zurückzuerstatten, welchem sie gebührt hätten, wenn sie nicht in das Eigenthum des Besitzers gekommen wären. Der Antrag wurde angenommen. II. In der VorlZust sind die Beschlüsse in den §§ 929 a, 929 b, 930, 935 und 900 a zusammengefaßt: Ε I-VorlZust Die Verpflichtung des Besitzers zur Herausgabe erstreckt sich auf die nach dem § 929 a Eintritte der Rechtshängigkeit des Anspruchs auf Herausgabe gezogenen Nutzungen. Von dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Anspruchs auf Herausgabe an ist der Besitzer dem Eigenthümer für den Schaden verantwortlich, welcher dadurch 29
808
S 792 s. bei §§ 9 0 - 1 0 3 BGB, § 882 bei S S 943, 944 BGB und % 885 bei S S 940, 942 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 9 8 7 - 9 9 3
entsteht, daß in Folge seines Verschuldens die Sache oder die gezogenen Nutzungen untergehen oder verschlechtert werden oder er in anderer Weise außer Stand gesetzt wird, die Herausgabe zu bewirken oder Nutzungen, die er bei ordnungsmäßiger Verwaltung ziehen würde, nicht gezogen werden. W a r dem Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes bekannt oder nur aus grober Fahrlässigkeit unbekannt, daß er zum Besitze nicht berechtigt sei, so haftet er dem Eigenthümer nach Maßgabe des §§ 929 a von der Zeit des Erwerbes an. In gleicher Weise haftet er, wenn er jene Kenntniß später erlangte, von dem Zeitpunkte der Erlangung der Kenntniß an. Stand der Besitzer in einem Rechtsverhältnisse der im § 821 bezeichneten Art zu einem mittelbaren Besitzer, welcher zum Besitze nicht berechtigt war, so ist er dem Eigenthümer zur Herausgabe der Nutzungen sowie zum Schadensersatze wegen untergegangener, verschlechterter oder nicht gezogener Nutzungen, auch wenn er den Mangel des Rechtes des mittelbaren Besitzers kannte, nur verpflichtet, wenn der mittelbare Besitzer nach Maßgabe des ersten Absatzes zur Herausgabe der Nutzungen und zum Schadensersatze wegen derselben verpflichtet ist (oder: wenn dem mittelbaren Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes bekannt oder nur aus grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß er zum Besitze nicht berechtigt sei oder wenn er diese Kenntniß später erlangte). Eine weitergehende H a f t u n g wegen Verzuges bleibt unberührt. Ein Besitzer, gegen den die in den §§ 929 a, 929 b bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen, hat dem Eigenthümer weder die Nutzungen herauszugeben noch Schadensersatz zu leisten. Die H a f t u n g eines Besitzers, welcher nicht Eigenbesitzer ist, wegen Beschädigung der Sache bleibt unberührt. H a t der Besitzer durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare H a n d lung sich den Besitz verschafft, so bestimmt sich seine Verpflichtung zum Schadensersatze nach den Vorschriften über die H a f t u n g aus unerlaubten Handlungen. H a t ein Besitzer oder mittelbarer Besitzer, welcher nach § 900 die Früchte mit der Trennung erwirbt, den Besitz unentgeltlich erworben, so ist er, wenn ihm ein Recht zum Besitze nicht zusteht oder ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache befugt ist, die Früchte zu ziehen, verpflichtet, die Früchte, an welchen er das Eigenthum erworben hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung demjenigen zurückzuerstatten, welchem sie gebührt hätten, wenn sie nicht in das Eigenthum des Besitzers gekommen wären.
Ε I-VorlZust § 929 b
Ε I-VorlZust § 930
Ε I-VorlZust § 935 Ε I-VorlZust § 900 a
III., IV. in der ZustRedKom sind die Bestimmungen auf die §§ 929 b—g und § 930 aufgeteilt und im Ε II als §§ 901—907 übernommen: Der Besitzer hat dem Eigenthümer die Nutzungen herauszugeben, welche er nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit gezogen hat. Die auf die Gewinnung der Nutzungen verwendeten Kosten sind von dem Eigenthümer insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth der Nutzungen nicht übersteigen. H a t der Besitzer nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit (ZustRedKom: in Folge seines Verschuldens) Nutzungen nicht gezogen, die er nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft hätte ziehen können, so ist er dem Eigenthümer zum Ersätze verpflichtet (Ε II\, soweit ihm ein Verschulden zur Last fällt). H a t ein Besitzer, der die Sache als eigene {EIL als ihm gehörige) oder zum Zwecke der Ausübung eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Nutzungsrechtes an der Sache besitzt, den Besitz unentgeltlich erlangt, so ist er dem Eigenthümer 809
Ε I-ZustRedKom § 929 b Ε II §901
Ε I-ZustRedKom $ 929 c Ε II S 902
§§ 9 8 7 - 9 9 3
Ε I-ZustRedKom § 929 d Ε II § 9 0 3
Ε I-ZustRedKom § 929 e Ε II « 904
Ε I-ZustRedKom § 929 f Ε II § 905
Ε I-ZustRedKom § 929 g Ε II § 906 Ε I-ZustRedKom § 930 Ε II ζ 907
3. Abschnitt: Eigenthum
zur Herausgabe der vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit gezogenen Nutzungen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Der Besitzer ist von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an dem Eigenthümer für den Schaden verantwortlich, welcher dadurch entsteht, daß die Sache in Folge seines Verschuldens verschlechtert wird, untergeht oder aus einem sonstigen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann. War der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er dem Eigenthümer von der Zeit des Erwerbes an nach den §§ 929 b, 929 d (£77:901,903). Erfährt der Besitzer später, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist, so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung der Kenntniß an. Eine weitergehende Haftung wegen Verzuges bleibt unberührt. Leitet der Besitzer das Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ab, so finden die Vorschriften des § 929 e (Ε II: 904) in Ansehung der Nutzungen nur Anwendung, wenn der mittelbare Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war oder später den Mangel des Rechtes zum Besitze erfahren hat. War der Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes in gutem Glauben, so hat er gleichwohl von dem Erwerb an den Schaden, welcher dadurch entsteht, daß die Sache in Folge seines Verschuldens verschlechtert wird, untergeht oder aus einem sonstigen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann, dem Eigenthümer gegenüber insoweit zu vertreten (Ell: von dem Erwerb an den im § 903 bezeichneten Schaden dem Eigenthümer insoweit zu vertreten), als er mit dem mittelbaren Besitzer verantwortlich ist. Hat sich der Besitzer durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung den Besitz verschafft, so haftet er dem Eigenthümer nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen. Liegen die in den §§ 929 b bis 929 g bezeichneten Voraussetzungen nicht vor, so ist der Besitzer weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Ersatz eines Schadens (Ε II: noch zum Schadensersatze) verpflichtet. (Ε II: Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen verbleiben, finden auf ihn die Vorschriften des § 77 m Anwendung.) 30
Börner V. Bei der Revision des Ε II war beantragt, den § 901 Abs. 1 Satz 2 zu streichen. (Nr 5, 3) Die Kom. erklärte sich aus den dem Antrag beigefügten Gründen 31 mit demselben einverstanden. Weiterhin lag der redaktionelle Antrag vor, in § 903 vor „aus einem sonstigen Grunde" zu wiederholen „in Folge seines Verschuldens". Der Antrag wurde der RedKom. überwiesen (Prot. II. Bd. 6, S. 237), die ihn aber nicht berücksichtigte. Es wurde lediglich „sonstigen" durch „anderen" ersetzt. Dagegen nahm die RedKom. in § 904 Abs. 1 und § 905 Abs. 1 Fassungsänderungen vor, die die Kom. genehmigte (Prot. V. Bd. 6 S. 388 f.). Mit diesen Änderungen sind die Vorschriften in §§ 972—978 Ε II rev 9 7 1 - 9 7 7 Ε III) enthalten. Die §§ 9 7 1 - 9 7 6 Ε III entsprechen den §§ 9 8 7 - 9 9 2 BGB. Die Fassung des § 993 BGB entspricht einem Antrag, der in der XII. Kommission des Reichstags von Enneccerus (Nr 78) zu § 977 Ε III gestellt und der Redaktionskommission überwiesen wurde. 30
31
§ 907 Abs. 2 Ε II entspricht der zu § 794 Abs. 2 Ε I beschlossenen Bestimmung; s. dazu bei §§ 90— 103 BGB. S 77 m entspricht § 101 BGB. D e n vollständigen Antrag mit den Gründen s. bei §§ 9 0 — 1 0 3 BGB zur Revision des Ε II.
810
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 9 9 4 - 9 9 8
§ 994 Der Besitzer kann für die auf die Sache gemachten nothwendigen Verwendungen von dem Eigenthümer Ersatz verlangen. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind ihm jedoch für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen. Macht der Besitzer nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit oder nach dem Beginne der im § 990 bestimmten Haftung nothwendige Verwendungen, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Eigenthümers nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. §995 Zu den nothwendigen Verwendungen im Sinne des § 994 gehören auch die Aufwendungen, die der Besitzer zur Bestreitung von Lasten der Sache macht. Für die Zeit, für welche dem Besitzer die Nutzungen verbleiben, sind ihm nur die Aufwendungen für solche außerordentliche Lasten zu ersetzen, die als auf den Stammwerth der Sache gelegt, anzusehen sind. §996 Für andere als nothwendige Verwendungen kann der Besitzer Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit und vor dem Beginne der im § 990 bestimmten Haftung gemacht werden und der Werth der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigenthümer die Sache wiedererlangt. §997 Hat der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden, so kann er sie abtrennen und sich aneignen. Die Vorschriften des § 258 finden Anwendung. Das Recht zur Abtrennung ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer nach § 994 Abs. 1 Satz 2 für die Verwendung Ersatz nicht verlangen kann oder die Abtrennung für ihn keinen Nutzen hat oder ihm mindestens der Werth ersetzt wird, den der Bestandtheil nach der Abtrennung für ihn haben würde. § 998 Ist ein landwirtschaftliches Grundstück herauszugeben, so hat der Eigenthümer die Kosten, die der Besitzer auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des Wirthschaftsjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth dieser Früchte nicht übersteigen. Α. 1. Kommission I. 338. Sitzung vom 23. 6. 1884, Schriftführer von Liehe | Der § 185 des Entwurfs lautet: I Prot 14181 „Dem Besitzer steht ein Gegenanspruch zu wegen der auf die Sache gemachten TE-SachR $ 185 Verwendungen, soweit die Verwendungen nothwendig waren oder dem nach den persönlichen Verhältnissen des Eigenthümers zu beurteilenden Interesse desselben entsprechen, auch der Werth der Sache durch die Verwendungen erhöht ist und die Werthserhöhung zur Zeit der Herausgabe noch fortdauert. 811
§§ 9 9 4 - 9 9 8
3. Abschnitt: Eigenthum
Der Gegenanspruch geht auf Ersatz der Verwendungen, Befreiung von den für dieselben übernommenen Verbindlichkeiten und Vergütung für Handlungen, für welche der Besitzer sonst bezahlt zu werden pflegt. In dem Falle des § 182 beschränkt sich dieser Gegenanspruch auf die nothwendigen Verwendungen. Auf die von dem redlichen Besitzer vor der Erhebung der | Prot 14182 Klage gemachten Verwendungen sind | diejenigen Vortheile in Abrechnung zu bringen, welche derselbe vor der Erhebung der Klage aus der Sache gezogen hat." Folgende Anträge waren gestellt: v. Weber 1. a, im ersten und zweiten Absatz statt „Besitzer" zu setzen „Besitzer oder Inha(Nr 131) ber"; b, Absatz 4 zu fassen: „Auf die von dem Besitzer oder Inhaber pp. (wie im Entw.) aus der Sache gezogen und nach den Bestimmungen des § 180 nicht zu erstatten hat"; c, als Absatz 5 hinzuzufügen: „Veränderungen (Verbesserungen), für welche nach den Bestimmungen des ersten Absatzes ein Gegenanspruch dem Besitzer oder Inhaber nicht zusteht, kann derselbe wegnehmen, wenn er die Sache zugleich in den vorigen Stand setzt und wenn der Eigenthümer ihm nicht den Werth erstattet, welchen die weggenommenen Bestandtheile der Sache nach der Trennung haben würden." v. Mandry (Nr 132)
2. a, den ersten Absatz folgendermaßen zu fassen: „ D e m Besitzer oder Inhaber steht ein Gegenanspruch zu wegen der dem Interesse des Eigenthümers entsprechenden Verwendungen auf die Sache. Der Anspruch geht auf Erstattung des gemachten Aufwandes insoweit solcher das Vermögen des Eigenthümers vermehrt hat. Er fällt weg, wenn und soweit der Eigenthümer bei der Herausgabe der Sache durch die Verwendung nicht mehr bereichert ist;" b, den Absatz 2 und den Absatz 4 zu streichen; c, in dem im Antrag 1 beantragten Abs. 5 nicht blos den ersten, sondern auch den dritten Abs. (des Entwurfes) anzuziehen.
| Prot 14183
| 3. den § 185 dahin zu fassen: „Für Verwendungen, welche der Besitzer oder Inhaber auf die Sache gemacht ( N r 133, 1) hat, ist er von dem Eigenthümer insoweit Ersatz zu fordern berechtigt, als dieser dadurch aus dem Vermögen des Besitzers oder Inhabers in demjenigen Zeitpunkte bereichert erscheint, in welchem er die Sache (von dem Besitzer oder Inhaber) zurückhält." (Abs. 2 und 3 wie Abs. 4 und 5 in dem Antrage 1 unter b und c.) Eventuell war für § 185 Abs. 1 bis 3 folgende Fassung vorgeschlagen: „Für Verwendungen, welche der Besitzer oder Inhaber auf die Sache gemacht hat, ist derselbe insoweit von dem Eigenthümer Ersatz zu verlangen berechtigt, als dieser die Sache zurückerhält und dadurch dem Werthe nach mehr zurückerhält, als er ohne die Verwendungen erhalten haben würde." Der § 185 wurde absatzweise berathen. Planck
1. Der Abs. 1 wurde in der Fassung des Antrages 3 angenommen, wobei die eventuell in Antrag 3 vorgeschlagene Fassung der Prüfung bei der Redaktion überlassen blieb. Erwogen war: Es sei zu billigen, daß der Entwurf, statt auf die gemeinrechtlichen Spezialitäten einzugehen, ein einfaches Prinzip aufzustellen gesucht habe. Der Antrag 3 spreche dieses Prinzip — der Bereicherung — in größerer Schärfe und Deutlichkeit aus. Ein 812
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 994—998
wesentlicher Unterschied zwischen dem Entwürfe und dem Antrage 3 bestehe nur darin, daß der Entwurf hinsichtlich der sog. impensae utiles für den Verwendungsanspruch die fernere Voraussetzung hinzufüge, daß die Verwendungen dem persönlichen Interesse des Eigenthümers entsprechen. Wenn eine solche Beschränkung hier gerechtfertigt wäre, so würde dieselbe in allen Fällen der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung in gleicher Weise | eintreten müssen, denn ein besonde- | Prot I 4184 rer Grund für die Hinzufügung der Beschränkung liege an dieser Stelle nicht vor. Soweit indessen die Beschränkung innerlich gerechtfertigt sei, sei sie auch schon in dem Begriffe der Bereicherung gegeben. Man dürfe nämlich zwar nicht soweit gehen, der Individualität des Bereicherten ganz allgemein einen Einfluß zu gestatten, aber man müsse bei der Frage, ob eine Bereicherung vorliege, auf das gesammte Vermögen des angeblich Bereicherten Rücksicht nehmen. Das subjektive Moment, welches Einfluß habe, liege in der individuellen gesammten Vermögenslage. Die Berücksichtigung dieser Vermögenslage könne dazu führen, daß eine objektive aber nur durch Veräußerung zu realisierende Werthserhöhung nicht als Bereicherung erscheine, falls die Veräußerung des verbesserten Gegenstandes den Werth eines Ganzen, in welches derselbe hineingehöre und zu dessen Veräußerung man den angeblich Bereicherten nicht zwingen dürfe, herunterdrücken würde. Die Vorschrift, daß nur auf den Betrag der Bereicherung gesehen werden solle, welcher dem Empfänger durch die Herausgabe der Sache zugehe, enthalte keine Abweichung von den Vorschriften über die Kondiktionen, zu vergl. § 733 Abs. 2 (K.E.). Eingetreten sei zwar die Bereicherung in dem Augenblicke der Verwendung, wirthschaftliche Bedeutung gewinne dieselbe aber erst für den Eigenthümer durch die Wiedererlangung der Sache, und wenn zu dieser Zeit ihr Effekt nicht mehr bestehe, so sei die Bereicherung insoweit wieder weggefallen. Zu vergl. Prot. S. 4068'. Wie am besten klargestellt werde, daß eine Bereicherung auch bei Rückgabe der verschlechterten Sache darin liegen könne, daß nur durch die Verwendung ermöglicht sei, daß überhaupt etwas zurückgegeben werde, bleibe der Prüfung bei der Redaktion überlassen. 2. Der zweite Absatz wurde gestrichen, weil auch in dem Abschnitte über die Kondiktionen ähnliche die konkrete Gestaltung des Ersatzanspruchs betreffende Bestimmungen aus der Vorlage gestrichen seien, zu vergl. Prot. S. 1522—1527 2 , wie denn auch der- | gleichen Bestimmungen in den Abschnitten über Geschäftsführung | Prot I 4185 ohne Auftrag und Mandat sich nicht fänden. 3. Der dritte Absatz wurde gestrichen. Erwogen war: Es lasse sich nicht wohl, wie von einer Seite geschehen, behaupten, daß jeder Ersatzanspruch des malae fidei possessor nach § 742 (K.E.) 3 an sich ausgeschlossen sei, weil jener willentlich und wissentlich fremdes Vermögen vermehrt habe, so daß also die Vorschrift dem angenommenen Prinzipe gegenüber eine Begünstigung des malae fidei possessor enthalte. Vielmehr enthalte die Vorschrift eine ausnahmsweise Benachtheiligung, welche als Privatstrafe erscheine, und sei aus diesem Grunde und weil die Konsequenz gebieten würde, weiter zu gehen und in allen Fällen, in welchen der Schuldner, dem ein dolus zur Last falle, Schadensersatz zu leisten oder eine Bereicherung herauszugeben habe, ihn mit gleicher Strenge zu behandeln, ab1 S. bei §951 BGB. S. bei SS 812 ff BGB. 3 S. bei SS 812 ff BGB. 2
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§§ 994-998
3. Abschnitt: Eigenthum
zulehnen, wenn auch anerkannt werden müsse, daß der Entwurf nur dem geltenden Rechte gefolgt sei. Bemerkt wurde von einer Seite, daß durch den Beschluß in § 712 (K.E.) 4 das W o r t „unredlichen" und in § 734 5 das W o r t „redlicher" bedeutungslos werde, so daß bei der Redaktion zu prüfen sein werde, ob nicht beide §§ eine Korrektur bedürften. 4. D e r vierte Absatz des Entwurfs wurde angenommen. Die Annahme erfolgte aus den in den Motiven S. 923, 924 hervorgehobenen Billigkeitsrücksichten. Den beschlossenen kondiktionsfreien Fruchterwerb des redlichen Besitzers hielt man nicht für entgegenstehend, weil auch dieser Erwerb auf Billigkeitsrücksichten beruhe, welche in dem Falle des Abs. 4 durch die auf den Eigenthümer zu nehmenden Billigkeitsrücksichten überwogen würden. Zu vergl. § 734 Abs. 3 (K.E.). 5. D e r sachliche Inhalt der im Antrage l c als fünfter Absatz vorgeschlagenen Vorschrift wurde dahin festgestellt: a, Voraussetzung des jus tollendi soll sein, daß der Beklagte den Betrag seiner Verwendung von dem Kläger nicht nach Maßgabe der zu Abs. 1 beschlossenen Bestimmungen zu fordern hat. | Prot 14186
|b, Das jus tollendi soll nur auf solche Einrichtungen bezogen werden, welche wesentliche Bestandteile der fremden Sache geworden und dadurch in das Eigenthum des Vindikanten übergegangen sind (§§ 772 bis 774 der Zusammenstellung der beschl. Bestimmungen 6 ). c, Dem Beklagten soll das jus tollendi zustehen, der Kläger soll jedoch dasselbe durch Zahlung desjenigen Werthbetrages abwenden können, welchen der Beklagte durch Ausübung des jus tollendi sich verschaffen würde. Die Kommission beschloß die Aufnahme einer solchen Vorschrift mit Vorbehalt der Fassung für die Prüfung bei der Redaktion.
Erwogen war: Habe der Beklagte eigene Sachen mit der von ihm besessenen fremden Sache 6 a in einer Weise vereinigt, welche sein Eigenthum fortdauern lasse, so würden seine Ansprüche nach der zu § 190 7 des Entwurfes zu beschließenden Vorschrift sich bestimmen. Sei hingegen die Trennung zwar an sich möglich, aber durch die Vorschriften über Verbindung, Vermischung und Verarbeitung und §§ 772—774 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen ausgeschlossen, so erscheine der Beklagte durch die positiven Vorschriften in gewisser Weise expropriirt. Genommen sei ihm der sonst ihm zustehende Anspruch auf Trennung und Herausgabe. Deshalb erscheine es billig die Fortdauer dieser Expropriationswirkung für den Fall, daß er nicht schon nach der zu Absatz 1 beschlossenen Bestimmung Ersatz erhalte, davon abhängig zu machen, daß der durch die positiven Vorschriften gewinnende Kläger ihm nicht dasjenige ersetze, was er durch die Wegnahme sich verschaffen könnte, wobei selbstverständlich die Kosten und Schäden der Trennung von dem Werthe des abgetrennten Bestandtheils abzurechnen seien, zu vergl. Entw. § 190 Abs. 2. Das praktische Anwendungsgebiet der beschlossenen Vorschrift werde | Prot I 4187 ein beschränktes sein, da dieselbe nur Platz greife, wenn der | nach dem Beschlüsse 4 5 6 6a 7
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S. bei § 850 BGB. S. bei S 818 BGB. S. bei SS 9 0 — 1 0 3 BGB. Im Original steht „Sachen". S. bei SS 1 0 0 0 - 1 0 0 3 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 994 — 998
zu § 1518 des Entwurfs (Prot. S. 4067) zustehende Bereicherungsanspruch in Folge der hier getroffenen besonderen Vorschriften g a n z o d e r z u m Theil ausgeschlossen sei. Schließlich w u r d e noch von einer Seite bemerkt: der Fall der echten negotiorum gestio w e r d e durch die zu § 185 beschlossenen Vorschriften nicht berührt. Diese Vorschriften brächten in Abweichung von den Bestimmungen über negotiorum gestio die Schwierigkeit f ü r den Richter mit sich, daß z u r Zeit der Verurtheilung zur Herausgabe der Betrag der Ersatzforderung f ü r Verwendungen wegen der Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Herausgabe nicht feststehe. Dieser Schwierigkeit könne aber, abgesehen von der Frage über die prozessuale Zulässigkeit einer nachträglichen Geltendmachung neu eingetretener auf die Minderung der Ersatzforderung bezüglicher Umstände, durch eine geeignete beschränkte und bedingte Fassung des Urtheils abgeholfen werden. Diese Bemerkungen fanden Billigung; auch w a r man einverstanden, daß die in den Motiven S. 923, 924 bejahte Frage der Kompensation von Verbesserungen und Verschlechterungen besser dahingestellt und ihre Lösung der Praxis und Wissenschaft überlassen bleibe. 339. Sitzung vom 25. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs, Eigenthumsanspruch w u r d e fortge- | Prot 14189 setzt. D e r § 186 des Entwurfs lautet: „Der Gegenanspruch des Inhabers einer beweglichen Sache erstreckt sich, wenn TE-SachR § 186 er dieselbe in gutem Glauben an das Eigenthum des Veräußerers in übrigens rechtsgültiger Weise erworben hat, auch auf die Erstattung dessen, was er f ü r die Erwerbung der Sache gegeben oder geleistet hat, und wenn er dieselbe gutgläubig zum Pfände g e n o m m e n hat, auch auf die Erstattung dessen, was er dem Pfandschuldner gegen E m p f a n g der Sache gegeben oder geleistet hat." Folgende Anträge waren gestellt: 1. den § 186, sofern derselbe nicht ganz gestrichen wird, zu fassen: Planck „Der Besitzer einer Sache, welcher dieselbe nach Maßgabe der zu § 1359 be- (Nr 133,2) schlossenen Bestimmungen von dem Nichteigenthümer übertragen erhalten, das Eigenthum derselben aber nicht erworben hat, ist berechtigt, von dem Eigenthümer der Sache gegen Herausgabe derselben die Erstattung des Werths desjenigen zu f o r d e r n , was er f ü r den Erwerb der Sache geleistet hat." | Prot 14190 | 2. den § 186 hinter § 187 zu stellen und zu fassen: „Der Besitzer einer beweglichen Sache, welcher dieselbe von einem Nichteigen- Kurlbaum thümer übertragen erhalten und das Eigenthum derselben nur auf G r u n d der (zu (Nr 137) § 135 beschlossenen Ausnahmebestimmung über verlorene pp. Sachen) nicht erworben hat, kann von dem Eigenthümer, an welchen er die Sache herausgiebt, Ersatz des Werthes desjenigen f o r d e r n , was er f ü r die E r w e r b u n g der Sache geleistet hat, jedoch nur bis auf H ö h e des Werthes, welchen die Sache z u r Zeit der Herausgabe nach Abzug der von dem Eigenthümer zu ersetzenden V e r w e n d u n g e n hat." D e r Entwurf beabsichtigt nicht etwa, einem jeden Inhaber einer Sache k r a f t dinglichen o d e r obligatorischen Rechts in der I n h a b u n g eine Sicherheit zu gewäh8
'
S. bei § 951 BGB. S. bei §5 932—936 BGB.
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§§ 994-998
3. Abschnitt: Eigenthum
ren. N u r derjenige Besitzer soll in einem gewissen Umfange gesichert werden, welcher Eigenthümer geworden sein würde, wenn sein Veräußerer Eigenthümer gewesen wäre. Nach dem unterm 26. Mai 1884, Prot. S. 4004 zu § 135 gefaßten Beschlüsse erlangt der gutgläubige Erwerber in der Regel das Eigenthum der Sache trotz des Nichteigenthums des Veräußerers. Für die mindere Begünstigung des Erwerbers, welche in der gesetzlichen Zugestehung des Lösungsanspruches liegt, bleibt also nur Raum in dem beschlossenen Ausnahmefalle — zu vergl. Prot. 28. Mai 1884 S. 4020 — der gestohlenen oder verlorenen Sache. Für diesen Fall hat der Lösungsanspruch im Prinzip bereits die Billigung der Kommission gefunden — zu vergl. Prot. S. 4020 Ziff. 310. Von einer Seite wurde dieser prinzipielle Beschluß von Neuem angefochten; die Wiederaufnahme der Diskussion wurde beantragt, auch von der Kommission beschlossen, nach stattgehabter neuer Erörterung aber von der Kommission für die Aufrechterhaltung des früheren Beschlusses entschieden. Bei dieser Entscheidung wurde nicht verkannt, daß durch das Zugeständniß des Lösungsanspruches der be| Prot 14191 absichtigte Schutz des | Eigenthümers, welchem die Sache ohne seinen Willen entzogen ist, materiell zum großen Theile wieder aufgehoben wird, daß ferner die nähere Bestimmung des Inhalts der Lösungsberechtigung nicht unbedeutende Schwierigkeiten verursache. Man glaubte indessen, daß der frühere Beschluß, welcher verschiedene und widerstreitende Interessen zu versöhnen suche, nicht aus dem ersteren Grunde mit Recht angegriffen werden könne, und daß der letztere Grund — die Schwierigkeit der näheren Regelung — nicht entscheiden könne. Bei der hierauf erfolgenden Erörterung des § 186 wurde die Frage ausgeschieden, inwieweit dem gutgläubigen Erwerber eines Nießbrauchs oder eines Pfandrechts der Lösungsanspruch zustehen solle. Man glaubte die Entscheidung dieser Frage der Berathung der betreffenden Abschnitte vorbehalten zu sollen, da zunächst über den gutgläubigen Erwerb jener Rechte bestimmt werden müsse. In Ansehung des Lösungsanspruchs des gutgläubigen Erwerbers der Sache weicht der Antrag 2, abgesehen von Fassungsverbesserungen, von dem Entwürfe sachlich nur darin ab, daß die H ö h e des Lösungsanspruchs auf den Werth der Sache zur Zeit der Herausgabe begrenzt wird. Die Kommission nahm die vorgeschlagene Bestimmung mit der Abänderung und der Fassungsverbesserung des Antrags 2 an, in welchem hinter „geleistet" nur noch eingeschoben werden soll „oder zu leisten". Erwogen war: In dem Antrage 2 werde als Gegenstand des Lösungsanspruchs richtig bezeichnet der Werth des Geleisteten. Daneben sei der Fall im Gesetze noch besonders zu berücksichtigen, daß noch nicht geleistet sei, der Lösungsberechtigte vielmehr noch schulde und somit seine Liberation in Frage stehe. Regelmäßig werde hier der Erwerber schon nach § 371 (K.E.) 11 liberirt sein. Sollte aber auf die Gewährleistung verzichtet sein, so ändere sich die Beurtheilung. | Prot I 4192 Der Lösungsanspruch solle dem Erwerber nur eine gewisse | Entschädigung für das Nichtbehalten der Sache verschaffen. Hieraus folge, daß der Lösungsbetrag zusammen mit dem f ü r Verwendungen zu leistenden Betrage nicht den Betrag des Interesses am Behalten der Sache, das heißt den Werth der Sache zur Zeit der Herausgabe, übersteigen dürfe. Andernfalls werde die Vindikation in vielen Fällen praktisch vereitelt werden.
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S. bei 9 3 2 — 9 3 6 BGB. S. bei § 440 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 9 9 4 - 9 9 8
Zur Sprache kam ein früherer Vorbehalt, Prot. S. 2860 Ziff. 312. Derselbe betrifft die Frage, ob der redliche Besitzer gegen den Eigenthümer einen Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung habe, wenn letzterer durch Beschädigung der Sache die Geltendmachung des dem redlichen Besitzer zustehenden Lösungs- oder Verwendungsanspruchs vereitelt habe. Man war der Meinung, es liege kein genügender Grund vor, für diesen Fall eine Spezialbestimmung zu geben. II. Die beschlossenen Vorschriften lauten in der VorlZust „Eigenthumsansprucb" als §§ 7 und 9: Der Besitzer oder Inhaber kann wegen der Verwendungen, welche er auf die VorlZust § 7 Sache gemacht hat, von dem Eigenthümer in so weit Ersatz fordern, als der Eigenthümer durch die Zurückerlangung der Sache aus dem Vermögen des ersteren bereichert wird. Auf den zu ersetzenden Betrag kommt der Geldwerth der bezogenen und dem Eigenthümer nicht herauszugebenden (der dem Besitzer oder Inhaber verbleibenden) Nutzungen in Abzug. Besteht die Verwendung darin, daß mit der herauszugebenden Sache eine andere Sache als wesentlicher Bestandtheil verbunden ist, so ist der Besitzer oder Inhaber, insofern nach den Bestimmungen des ersten Absatzes für die Verwendung ein Ersatz nicht gefordert werden kann, berechtigt, diese andere Sache wegzunehmen; er hat jedoch die herauszugebende Sache auf seine Kosten wieder in den vorigen Stand zu setzen. Das Recht der Wegnahme ist ausgeschlossen, wenn der Eigenthümer den Werth ersetzt, welchen die andere Sache nach der Trennung hat. (Ν B. Zum § 7. 1. Absatz 1. Zu beachten ist, daß das Vermögen des Eigenthümers schon durch die Verwendung bereichert ist, daß aber nur insofern Ersatz zu leisten ist, als die Bereicherung zur Zeit der Restitution der Sache nach fortdauert. 2. Die Kürze des zweiten Absatzes wird nicht bedenklich sein. 3. Die Fassung des dritten Absatzes läßt die Auslegung zu, daß, wenn nach dem ersten Absätze nur eine theilweise Erstattung erfolgt, der dritte Absatz in tantum anwendbar wird. 4. Betreffend den zweiten Absatz, so ist zu vergl. § 734 K.E., der ein anderes Prinzip enthält.) Hat der Besitzer einer beweglichen Sache, welche ihm von dem Nichteigenthü- VorlZust § 9 mer übertragen ist, das Eigenthum derselben nur auf Grund des § 862 nicht erworben, so kann er Ersatz desjenigen fordern, was er für den Erwerb der Sache dem Veräußerer geleistet oder noch zu leisten hat, jedoch nur bis zur Höhe des Werths, welchen die Sache zur Zeit der Herausgabe nach Abzug der von dem Eigenthümer zu ersetzenden Verwendungen hat. 2., 3. Die Bestimmungen sind in der RedVorl als §§ 915, 918 und in der ZustSachR als §§ 914, 917 gefaßt: Der Besitzer oder der Inhaber kann wegen der Verwendungen, welche er auf die RedVorl § 915 Sache gemacht hat, von dem Eigenthümer insoweit Ersatz fordern, als der letztere ZustSachR § 914 in Folge der {RedVorl·. Wegen der Verwendungen, welche der Besitzer oder der Inhaber auf die Sache gemacht hat, kann er von dem Eigenthümer insoweit Ersatz fordern, als der letztere durch die) Verwendung durch die Wiedererlangung der Sache aus dem Vermögen des ersteren bereichert wird. Auf den zu ersetzenden BeS. Anhang zu $$ 823, 826 BGB.
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§§ 9 9 4 - 9 9 8
3. Abschnitt: Eigenthum
trag kommt der Geldwerth der (RedVorl: bezogenen) gezogenen Nutzungen in Abzug, soweit zu deren Herausgabe in Gemäßheit des § 909 eine Verpflichtung nicht besteht (RedVorl: zu deren Herausgabe in Gemäßheit des § 910 keine Verpflichtung besteht). Besteht die Verwendung darin, daß mit der herauszugebenden Sache eine andere Sache als wesentlicher Bestandtheil verbunden ist, und erhält der Besitzer oder der Inhaber von dem Eigenthümer nicht mindestens den Werth ersetzt, welchen die andere Sache nach der Trennung {RedVorl·. hat) haben würde, so ist er berechtigt, diese andere Sache wegzunehmen; er hat jedoch die herauszugebende Sache auf seine Kosten wieder in den vorigen Stand zu setzen. RedVorl 5 918 Hat der Besitzer einer beweglichen Sache, welche ihm von einem NichteigenZustSachR § 917 thümer übertragen ist, das Eigenthum an derselben nur auf Grund der in § 861 Satz 2 enthaltenen Vorschriften (RedVorl: des § 861) nicht erworben, so kann er {ZustSachR: von dem Eigenthümer) Ersatz desjenigen fordern, was er für den Erwerb der Sache dem Veräußerer geleistet oder noch zu leisten hat, jedoch nur bis zur Höhe des Werthes, welchen die Sache zur Zeit der Herausgabe nach Abzug der von dem Eigenthümer zu ersetzenden Verwendungen hat. Dieser Anspruch des Besitzers ist dadurch bedingt, daß derselbe die Sache dem diese zurückverlangenden Eigenthümer zurückgiebt. Der Besitzer hat wegen des Anspruches das Zurückbehaltungsrecht. Soweit er den Anspruch und dessen Umfang nicht vor oder bei der Rückgabe der Sache dem Eigenthümer angezeigt hat, erlischt der Anspruch {RedVorl·. Sache dem Eigenthümer zurückgiebt, und erlischt insoweit, als der Besitzer nicht den Anspruch und dessen Umfang vor oder bei der Rückgabe der Sache dem Eigenthümer angezeigt hat). In Ansehung der Ansprüche, welche dem ersatzpflichtigen Eigenthümer gegen den Veräußerer zustehen, finden die Bestimmungen des § 825 a entsprechende Anwendung {RedVorl·. Der Eigenthümer, welcher den Ersatz geleistet hat, kann von dem Veräußerer nach Maßgabe der Bestimmungen des § 860 a die Herausgabe der durch die Veräußerung erlangten Bereicherung fordern). III. Bei der Beratung des Faustpfandrechts wurde beschlossen, den Lösungsanspruch auch für das Pfandrecht vorzusehen (s. die Protokolle bei §§ 1205 —1207 BGB). Die Vorschrift ist als § 917 a in der ZustSachR nachgetragen und lautet im
KE§917
a:
ZustSachR/ Hat der Inhaber einer beweglichen Sache, welche ihm von einem NichteigenthüKE ξ 917 a mer verpfändet ist, das Pfandrecht an derselben nur auf Grund der im § 861 Satz 2 und im § 1120 enthaltenen Vorschriften nicht erworben, so finden die Vorschriften des § 917 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß der Inhaber Ersatz desjenigen fordern kann, was er dem Schuldner gegen Empfang des Pfandes geleistet hat. Zu § 917 Abs. 1 war beantragt, hinter „Eigenthümer" einzuschalten „welcher von ihm die Sache annimmt", Abs. 2 Satz 1 zu streichen und in Satz 3 statt „Rückgabe" zu setzen „Herausgabe". Es wurde beschlossen, in Abs. 2 statt „zurückgiebt", „Rückgabe" zu setzen und statt „herausgiebt", „Herausgabe". Im Uebrigen wurde der Aenderungsantrag zurückgezogen (Prot I 6224, 6230). § 917 ist mit dieser Änderung, § 914 unverändert in den KE übernommen. IV. Bei der Revision des K E wurde zunächst der Antrag genehmigt, die beim Druck des § 914 erfolgte Aufteilung des Wortes „insoweit" in drei Worte rückgängig zu machen. Kurlbaum Des weiteren war zu § 914 beantragt, in Abs. 1 die Worte „durch die Wiederer(Nr 442, 18) langung der Sache" hinter „aus dem Vermögen des ersteren" oder letztere Worte 818
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§
994—998
hinter „als der letztere" zu versetzen. (Nicht die Wiedererlangung, sondern die Bereicherung muß aus dem Vermögen des Verwendenden erfolgt sein. Prot. S. 4183. Im Falle des § 915 liegt auch eine solche Bereicherung nicht vor.) Abs. 2 statt „Geldwerth" zu setzen „Reinertrag" (zu vergl. § 1127 Abs. 2 und der noch engere § 7343). Die Kommission beschloß, einem anderen, im Laufe der Berathung gemachten Vorschlage entsprechend, im Abs. 1 zu setzen „. . . als der letztere in Folge der Wiedererlangung der Sache durch die Verwendung aus dem Vermögen . . .". Hierdurch ist der Antrag a erledigt. Der Antrag b wurde angenommen (Prot I 6253 f., 6257, 11965 f.). Zu § 917 wurde beschlossen, in Absatz 3 statt „§ 825 a" zu setzen „§ 861a" (Konsequenz der selbständigen Fassung des § 861 a; zu vergl. § 1120.) (Prot I 11993). Betreffend die Fassung der Vorschriften ist § 917 a unter Anpassung der Zitate als § 940 Ε / ü b e r n o m m e n . §§ 914, 917 lauten in §§ 936, 939 Ε I : Der Besitzer oder der Inhaber kann wegen der Verwendungen, welche er auf die Sache gemacht hat, von dem Eigenthümer insoweit Ersatz fordern, als der letztere in Folge der Wiedererlangung der Sache durch die Verwendung aus dem Vermögen des ersteren bereichert wird. Auf den zu ersetzenden Betrag kommt der Reinertrag der gezogenen Nutzungen in Abzug, soweit zu deren Herausgabe in Gemäßheit des § 930 eine Verpflichtung nicht besteht. Besteht die Verwendung darin, daß mit der herauszugebenden Sache eine andere Sache als wesentlicher Bestandtheil verbunden ist, und erhält der Besitzer oder der Inhaber von dem Eigenthümer nicht mindestens den Werth ersetzt, welchen die andere Sache nach der Trennung haben würde, so ist er berechtigt, diese andere Sache wegzunehmen; er hat jedoch die herauszugebende Sache auf seine Kosten wieder in den vorigen Stand zu setzen. Hat der Besitzer einer beweglichen Sache, welche ihm von einem Nichteigenthümer übertragen ist, das Eigenthum an derselben nur auf Grund der im § 879 Satz 2 enthaltenen Vorschriften nicht erworben, so kann er von dem Eigenthümer Ersatz desjenigen fordern, was er für den Erwerb der Sache dem Veräußerer geleistet oder noch zu leisten hat, jedoch nur bis zur Höhe des Werthes, welchen die Sache zur Zeit der Herausgabe nach Abzug der von dem Eigenthümer zu ersetzenden Verwendungen hat. Dieser Anspruch des Besitzers ist dadurch bedingt, daß derselbe die Sache dem diese zurückverlangenden Eigenthümer herausgiebt. Der Besitzer hat wegen des Anspruches das Zurückbehaltungsrecht. Soweit er den Anspruch und dessen Umfang nicht vor oder bei der Herausgabe der Sache dem Eigenthümer angezeigt hat, erlischt der Anspruch. In Ansehung der Ansprüche, welche dem ersatzpflichtigen Eigenthümer gegen den Veräußerer zustehen, finden die Vorschriften des § 880 entsprechende Anwendung.
Kurlbaum (Nr 475,1)
ΕI § 936
Ε I § 939
B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 95. Sitzung vom 5. 4. 1893 | III. Der § 936 wurde von mehreren Seiten beanstandet, weil der Entwurf zwi- | Prot-RJA 953 sehen nothwendigen und anderen Verwendungen nicht unterscheidet. Man war der Ansicht, daß der unredliche Besitzer nur nothwendige Verwendungen ersetzt ver819
§§ 994-998
3. Abschnitt: Eigenthum
langen dürfe, der redliche Besitzer dagegen einerseits nicht blos für diese, sondern auch für die den Werth der Sache zur Zeit der Herausgabe erhöhenden Verwendungen Ersatz beanspruchen könne, andererseits aber auf den Ersatzanspruch we| Prot-RJA 954 gen solcher Verwendungen beschränkt werden müsse, | die bei ordentlicher Wirtschaftsführung nicht aus den von ihm erworbenen Nutzungen zu bestreiten gewesen seien. Den Abs. 2 des § 936 hielt man nicht f ü r zweckmäßig, weil derselbe die Auseinandersetzung zwischen dem Besitzer und dem Eigenthümer allzusehr komplizire und erschwere. Den Abs. 3 glaubte die Mehrheit mit den Beschlüssen zu §§ 890 ff. 13 in Einklang setzen zu müssen. Auch hielt man es für nothwendig, den Verwendungsanspruch, soweit dessen Befriedigung nach § 938 dem Eigenthümer obliege, gegen den Eigenthümer auch dann zu geben, wenn dieser das Eigenthum erst nach Bewirkung der Verwendungen erlangt habe. Demgemäß wurde die Aufnahme folgender Sätze mit Vorbehalt der Fassung beschlossen: Ε I-RJA § 936 Verwendungen des Besitzers hat der Eigenthümer nur insoweit zu ersetzen, als sie nothwendig waren oder der Werth der Sache noch zur Zeit der Herausgabe derselben durch sie erhöht ist. Der Ersatzanspruch gegen den Eigenthümer wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß derselbe das Eigenthum erst zu einer Zeit erlangt hat, in welcher die Verwendungen bereits gemacht waren. Den Ersatz von Verwendungen, die bei ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Nutzungen bestritten werden, kann der Besitzer insoweit nicht verlangen, als er zur Herausgabe der Nutzungen nicht verpflichtet ist. Der unredliche Besitzer kann nur die nothwendigen Verwendungen ersetzt verlangen. Die gleiche Beschränkung gilt für den Anspruch eines nach § y zur Herausgabe der Nutzungen verpflichteten Besitzers, wenn die Verwendungen nach dem Zeitpunkte gemacht sind, in welchem die Verpflichtung eingetreten ist. Ε I-RJA § 936 a H a t der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden, so kann er den Bestandtheil abtrennen und sich aneignen. Die V o r schriften des § 514 Abs. 2 Satz 2, 3 (Zusst. II Les.) finden entsprechende Anwendung. Das Recht der Abtrennung ist ausgeschlossen: 1. wenn die Verbindung eine Verwendung enthält, für welche nach § 936 Abs. 2 Ersatz nicht zu leisten ist; 2. wenn die Abtrennung für den Besitzer keinen Nutzen hat; 3. wenn der Eigenthümer mindestens den Werth ersetzt, welchen der Bestandtheil nach seiner Abtrennung für den Besitzer haben würde. Von einer Seite wurde noch die Frage aufgeworfen, ob die Rücksicht auf den Realkredit die Geltendmachung von Verwendungsansprüchen gegenüber den Realgläubigern und dem Ersteher des Grundstücks gestatte. Die Kommission verneinte die Frage und behielt deshalb dem Entwürfe eines Gesetzes, betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, die Aufnahme einer die Geltendmachung ausschließenden Bestimmung vor. 96. Sitzung vom 7. 4. 1893 | Prot-RJA 960
| II. Zum § 936 war beantragt, 1. den in der vorigen Sitzung beschlossenen Abs. 2 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: 13
S. bei §§ 946 ff BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 9 9 4 - 9 9 8
„Für Verwendungen, die zur Erhaltung der Sache in ihrem w i r t s c h a f t l i c h e n BeStande gewöhnlich (regelmäßig) nothwendig sind, kann der Besitzer Ersatz nicht verlangen, wenn ihm für die Zeit, in welcher die Verwendungen nothwendig geworden sind, die Nutzungen verbleiben." Der Antrag, welcher eine Vereinfachung der Berechnung des Verhältnisses zwischen Verwendungen und Nutzungen herbeiführt, indem er eine compensatio lucri et damni eintreten läßt, wurde von keiner Seite beanstandet. 2. Ebenso wurde folgender Antrag zu § 936 ohne Widerspruch angenommen: „Der Eigenthümer hat dem zur Herausgabe von Nutzungen verpflichteten Besitzer die auf die Ziehung der Nutzungen verwendeten Kosten insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth der Nutzungen nicht übersteigen. Ist ein landwirthschaftliches Grundstück herauszugeben, so hat der Eigenthümer die Kosten, welche | d e r Besitzer auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den | Prot-RJA 961 Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des Wirthschaftsjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Bewirthschaftung entsprechen und den Werth dieser Früchte nicht übersteigen. « | V. Zu dem § 939 lagen zwei redaktionelle Anträge vor: I Prot-RJA 964 1. Die Vorschrift zu fassen: „Hat der Besitzer einer beweglichen Sache, die ihm von einem Nichteigenthümer übertragen wurde, nach § 879 das Eigenthum nicht erworben, weil die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen eines früheren Besitzers aus dessen Besitz gekommen war, so kann er von dem Eigenthümer das ersetzt verlangen, was er f ü r die Sache dem Veräußerer geleistet oder noch zu leisten hat. Uebersteigt der hiernach zu ersetzende Betrag den Werth, welchen die Sache zur Zeit ihrer Herausgabe an den Eigenthümer hat, so ist nur der Werthbetrag zu ersetzen; auch kann der Eigenthümer von diesem Betrage die von ihm zu ersetzenden Verwendungen in Abzug bringen. Im Uebrigen finden auf den Ersatzanspruch des Besitzers die Vorschriften der §§ 938, 939 a entsprechende Anwendung. Dem Eigenthümer steht gegen den Veräußerer der im § 880 bestimmte Anspruch zu." Und dazu der Unterantrag: den Satz 2 des Abs. 1 dahin zu fassen: „Uebersteigt dieser Betrag den Werth, welchen die Sache zur Zeit ihrer Herausgabe nach Abzug der von dem Eigenthümer zu ersetzenden Verwendungen hat, so beschränkt sich der Anspruch auf den letzteren Betrag." | 2. den § 939 Abs. 2, 3 durch folgende Vorschriften zu ersetzen: | Prot-RJA 965 „Auf den Ersatzanspruch des Besitzers finden die Vorschriften der §§ 938, 938 a entsprechende Anwendung. Die Ansprüche des ersatzpflichtigen Eigenthümers gegen den Veräußerer bestimmen sich nach den Vorschriften des § 880." Von einer Seite wurde zu § 939 folgendes sachliche Bedenken geäußert: nach dem $ 939 solle es darauf ankommen, ob grade der jetzige Besitzer für den Erwerb der Sache Leistungen gemacht oder noch zu machen hat. Der frühere Besitzer habe keinen Lösungsanspruch und f ü r die Berechnung der Summe, welche der letzte Besitzer verlangen könne, sei lediglich maßgebend, was er selbst direkt aufgewandt habe; sei ihm die Sache geschenkt worden, so erhalte er gar nichts. — Diese Regelung sei daraus zu erklären, daß sich die I. Kommission nicht zur konsequenten 821
§§ 994-998
3. Abschnitt: Eigenthum
Durchführung des Lösungsanspruchs habe entschließen können. Man werde die Vorschrift des § 937 auch im Falle des § 939 zur Anwendung zu bringen haben. Die Kommission erkannte an, daß der vorstehend angedeutete Vorschlag in manchen Fällen der Billigkeit entsprechen würde. Es ließen sich aber auch Fälle denken, in denen die Regelung des Entwurfes als richtiger erscheinen würde. Zudem werde der § 939, wenn man dem obigen Vorschlage folge, erheblich komplizirt werden. Man thue deswegen besser, bei der einfachen Regelung des Entw. stehen zu bleiben. VI. Auf den § 940 bezogen sich die Anträge: 1. den § 940 wie folgt zu fassen: „ H a t der Besitzer die Sache von einem Nichteigenthümer verpfändet erhalten, ein Pfandrecht aber aus dem im § 939 angegebenen Grunde nach § 1147 nicht erworben, so finden die Vorschriften des § 939 entsprechende Anwendung mit der | Prot-RJA 966 Maßgabe, daß der | Besitzer das ersetzt verlangen kann, was er dem Schuldner für die Verpfändung geleistet hat." 2. den Schlußsatz des § 940 zu fassen: „so finden die Vorschriften des $ 939 entsprechende Anwendung." Der Antrag 1 ist lediglich redaktionell. Der Antrag 2 will die Worte „mit der Maßgabe . . . Anwendung, daß der Inhaber Ersatz desjenigen fordern kann, was er dem Schuldner gegen Empfang des Pfandes geleistet hat" streichen, um dadurch der in den Motiven (S. 420) ausgesprochenen, f ü r unrichtig zu erachtenden Auffassung entgegen zu treten, als sei der Anspruch des Besitzers immer ausgeschlossen, wenn der Gläubiger zunächst kreditirt hat und ihm dann später ein Pfand bestellt ist. Hiergegen wurde eingewandt, daß die Vorschrift des § 940 dunkel und unklar werde, wenn man dem Antrage 2 folge. Es sei dann das Mißverständniß nicht ausgeschlossen, daß man meine, es solle immer der Betrag der ganzen Schuld gezahlt werden. Die Kommission entschied sich für Beibehaltung des Entw. C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 2, S. 3 5 0 - 3 5 7 ; 367—370; Mugdan, Bd. 3, S. 680 ff.) Achilles A. a) Zu § 936 lagen die Anträge vor: (Nr 96, 96) 1. zu beschließen: § 936. Verwendungen des Besitzers hat der Eigenthümer nur insoweit zu ersetzen, als sie nothwendig waren oder der Werth der Sache noch zur Zeit der Herausgabe derselben durch sie erhöht ist. Für Verwendungen, die zur Erhaltung der Sache in deren wirtschaftlichem Bestände regelmäßig erforderlich sind, kann der Besitzer Ersatz nicht verlangen, wenn ihm f ü r die Zeit, in welcher die Verwendungen erforderlich geworden sind, die Nutzungen verbleiben. Der unredliche Besitzer kann nur die nothwendigen Verwendungen ersetzt verlangen. Die gleiche Beschränkung gilt für den Anspruch eines nach § c 14 zur H e r ausgabe der Nutzungen verpflichteten Besitzers, wenn die Verwendungen nach dem Zeitpunkte gemacht sind, in welchem die Verpflichtung eingetreten ist. § 936 a. H a t der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden, so kann er den Bestandtheil abtrennen und sich aneignen. Die Vorschriften des § 491 Abs. 2 des Entw. II finden entsprechende Anwendung. 14
Gemeint ist der § c des Antrags 1 vor Α bei §§ 987 ff BGB.
822
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 994—998
Das Recht der Abtrennung ist ausgeschlossen: 1. wenn die Verbindung eine Verwendung enthält, für welche nach § 936 Abs. 2 Ersatz nicht zu leisten ist; 2. wenn die Abtrennung für den Besitzer keinen Nutzen hat; 3. wenn der Eigenthümer mindestens den Werth ersetzt, welchen der Bestandt e i l nach seiner Abtrennung für den Besitzer haben würde. hierzu die Unteranträge: 2. dem § 936 Abs. 1 anzufügen: Jacubezky W a r zu der Zeit, zu welcher die Verwendungen gemacht wurden, der Mangel (Nr 114, 1) des Rechtes zum Besitze dem Besitzer bekannt oder der Eigenthumsanspruch gegen ihn rechtshängig geworden, so ist der Eigenthümer zum Ersätze der Wertherhöhung nicht verpflichtet, soweit die Wertherhöhung für ihn ohne Interesse ist. und, falls an der Beschränkung der Ersatzpflicht auf nothwendige Verwendungen festgehalten werden sollte, die vorgeschlagene Bestimmung zu fassen: W a r . . . rechtshängig geworden, so kann nur insoweit Ersatz gefordert werden, als die Verwendungen nothwendig waren. 3. im § 936 Abs. 1 die Worte „sie nothwendig waren oder" zu streichen. Der § 936 wurde absatzweise beraten. Zum Abs. 1 lehnte die Kom. die Anträge 2 und 3 in Eventualabstimmung ab und nahm den § 936 Abs. 1 und 3 des Antrags 1 an. b) Zu Abs. 2 wurde der Abs. 2 des § 936 des Antrags 1 angenommen. Es lag ferner der Antrag vor: als § 936 b zu bestimmen: Der Eigenthümer hat dem Besitzer die Aufwendungen zu ersetzen, welche dieser zur Bestreitung der Lasten der Sache gemacht hat. Der redliche Besitzer kann jedoch für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, nur insoweit Ersatz fordern, als er außerordentliche Lasten bestritten hat, die als auf den Stammwerth der Sache gelegt anzusehen sind. und die §§ 937 bis 938 a15 auf diese Anwendungen zu erstrecken. Die Komm, nahm den Antrag an. c) Zu § 936 Abs. 3 lagen vor: 1. der § 936 a des Antrags 1 oben unter a; hierzu die Unteranträge: 2. die Ausnahme unter Nr. 3 zu streichen und in der Nr. 2 statt „keinen Nutzen hat" zu sagen „wenn die Abtrennung für den Besitzer kein Interesse hat"; 3. die Ausnahme unter Nr. 2 eventuell zu fassen: W e n n die Abtrennung für den Besitzer keinen Nutzen hat, es sei denn, daß der Besitzer ein anderweites Interesse an der Wegnahme hat. 4. folgenden Zusatz zu beschließen: Auf Pflanzen und Bäume, die zu wesentlichen Bestandteilen des herauszuge- v. Mandry benden Grundstücks geworden sind, findet diese Vorschrift keine Anwendung. (Nr 2, 5) 102 2 5. unter Abänderung der Nr. 3 des § 936 a dem Eigenthümer ein Wahlrecht ein> ) zuräumen, dem Besitzer den Werth der verbundenen Sachen zur Zeit der Verbindung oder zur Zeit der Trennung zu ersetzen. Die Berathung führte zur unveränderten Annahme des § 936 a. d) Im Zusammenhange mit § 936 stand ferner der Antrag, als § 936 c zu bestim- Achilles men: (Nr 96, 97) 15
S. bei S S 999—1003 BGB.
823
§§ 9 9 4 - 9 9 8
Achilles (Nr 96,100)
Jacubezky (Nr 106)
3. Abschnitt: Eigenthum
Die Kosten, welche auf die Ziehung (Hervorbringung und Gewinnung) der Nutzungen verwendet worden sind, hat der Eigenthümer dem zur Herausgabe der Nutzungen verpflichteten Besitzer insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth der Nutzungen nicht übersteigen. Ist ein landwirtschaftliches Grundstück herauszugeben, so hat der Eigenthümer die Kosten, welche der Besitzer auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des Wirthschaftsjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth dieser Früchte nicht übersteigen. Die Komm, war der Ansicht, daß die vorgeschlagene Bestimmung eine Lücke im Gesetzbuch ausfülle und deswegen aufzunehmen sei. B. Zu § 939 lagen die Anträge vor: 1. Die Vorschrift zu fassen: Hat der Besitzer einer beweglichen Sache, die ihm von einem Nichteigenthümer übertragen wurde, das Eigenthum nach § 877 a der Vorl.Zus. nicht erworben, weil die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen eines früheren Besitzers aus dessen Besitze gekommen war, so kann er von dem Eigenthümer das ersetzt verlangen, was er für die Sache dem Veräußerer geleistet oder noch zu leisten hat. Uebersteigt der hiernach zu ersetzende Betrag den Werth, welche die Sache zur Zeit der Herausgabe an den Eigenthümer hat, so ist nur der Werthbetrag zu ersetzen; auch kann der Eigenthümer von diesem Betrage die von ihm zu ersetzenden Verwendungen in Abzug bringen. Auf den Ersatzanspruch des Besitzers finden die Vorschriften der §§ 938, 938 a entsprechende Anwendung. Dem Eigenthümer steht gegen den Veräußerer der im § 880 bestimmte Anspruch zu. 2. die Abs. 2 und 3 des Antrags 1 zu fassen: A u f Jen Ersatzanspruch des Besitzers finden die Vorschriften der §§937 bis 938 a entsprechende Anwendung. Im Falle wiederholter Veräußerung kann neben dem einen Ersatzanspruch ein anderer nur soweit geltend gemacht werden, als er denselben dem Werthe nach übersteigt. Dem Eigenthümer steht gegen den Veräußerer der im § 880 bestimmte Anspruch zu. Würde der Veräußerer, falls er die Sache nicht veräußert hätte, einen Ersatzanspruch der im Abs. 1 bezeichneten Art haben, so kann der Anspruch des Eigenthümers nur so weit geltend gemacht werden, als dasjenige, was der Veräußerer durch die Veräußerung erlangt hat, diesen Ersatzanspruch dem Werthe nach übersteigt. 3. der unter I mitgetheilte Antrag 3 a; 4. die Vorschrift zu streichen, eventuell sie auf die Fälle zu beschränken, in welchen der Erwerber die Sachen von einem Gewerbetreibenden in dessen Gewerbebetrieb erworben hat. Die Komm, lehnte in eventueller Abstimmung die zum Antrag 1 in den Anträgen 2 und 3 gemachten Abänderungsvorschläge ab (die im Antrage 2 zum Abs. 3 des Antrags 1 vorgeschlagene Ergänzung wurde fallen gelassen, nachdem sich der Antragsteller überzeugt hatte, daß die Aenderung nur redaktionelle Bedeutung habe) und nahm die Fassung des Antrags 1 an. Es wurde aber dann, nach Ablehnung des eventuellen Antrags 4 in Gemäßheit des prinzipalen Antrags 4 beschlossen, den § 939 ersatzlos zu streichen. C. Ein Antrag auf Streichung des ξ 940 wurde angenommen. II. In der VorlZust sind die beschlossenen Vorschriften in den §§ 936—936 c enthalten. 824
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 994—998
Verwendungen des Besitzers hat der Eigenthümer (nur) insoweit zu ersetzen, als sie nothwendig waren oder der Werth der Sache noch zur Zeit der Herausgabe derselben durch sie erhöht ist. Für Verwendungen, die zur Erhaltung der Sache in deren wirthschaftlichem Bestände regelmäßig erforderlich sind, kann der Besitzer Ersatz nicht verlangen, wenn ihm f ü r die Zeit, in welcher die Verwendungen erforderlich geworden sind, die Nutzungen verbleiben. Ein Besitzer, welcher dem Eigenthümer nach Maßgabe der §§ 929 a, 929 b haftet, kann nur den Ersatz der nothwendigen Verwendungen verlangen. Als nothwendige Verwendungen im Sinne des § 936 gelten auch diejenigen Aufwendungen, die der Besitzer zur Bestreitung der Lasten der Sache gemacht hat. Soweit solche Aufwendungen f ü r die Zeit gemacht sind, für welche der Besitzer die Nutzungen behält, kann derselbe nur insoweit Ersatz verlangen, als er außerordentliche Lasten bestritten hat, die als auf den Stammwerth der Sache gelegt anzusehen sind. H a t der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden, so kann er den Bestandtheil abtrennen und sich aneignen. Die Vorschriften des $ 5 1 4 Abs. 2 Satz 2, 3 (Zusammenst.) finden entsprechende Anwendung. Das Recht der Abtrennung ist ausgeschlossen: 1. wenn die Verbindung eine Verwendung enthält, für welche nach 5 936 Abs. 2 Ersatz nicht zu leisten ist; 2. wenn die Abtrennung für den Besitzer keinen Nutzen hat; 3. wenn der Eigenthümer mindestens den Werth ersetzt, welchen der Bestandtheil nach seiner Abtrennung f ü r den Besitzer haben würde. Die Kosten, welche auf die Ziehung (Hervorbringung und Gewinnung) der Nutzungen verwendet worden sind, hat der Eigenthümer dem zur Herausgabe der Nutzungen verpflichteten Besitzer insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth der Nutzungen nicht übersteigen. Ist ein landwirthschaftliches Grundstück herauszugeben, so hat der Eigenthümer die Kosten, welche der Besitzer auf die noch nicht getrennten,, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des Wirthschaftsjahres zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth dieser Früchte nicht übersteigen. III. In der ZustRedKom sind die Vorschriften gefaßt: Der Besitzer kann f ü r die Verwendungen, die er auf die Sache gemacht hat, von dem Eigenthümer insoweit Ersatz verlangen, als sie nothwendig waren oder durch sie der Werth der Sache noch zu der Zeit, zu welcher der Eigenthümer die Sache wiedererlangt, erhöht ist. Die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der Sache sind jedoch dem Besitzer f ü r die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen. Für Verwendungen, die nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit gemacht worden sind, kann der Besitzer nur Ersatz verlangen, wenn sie nothwendig waren. Das Gleiche gilt für Verwendungen, die ein Besitzer gemacht hat, der nach § 929 e haftet. Zu den nothwendigen Verwendungen im Sinne des § 936 gehören auch die Aufwendungen, die der Besitzer zur Bestreitung von Lasten der Sache gemacht hat. Für die Zeit, f ü r welche dem Besitzer die Nutzungen verbleiben, sind ihm nur außerordentliche Lasten zu ersetzen, die als auf den Stammwerth der Sache gelegt anzusehen sind. 825
Ε I-VorlZust
«36
Ε I-VorlZust
«36 a
Ε I-VorlZust 5 936 b
Ε I-VorlZust § 936 c
Ε I-ZustRedKom
«936
Ε I-ZustRedKom 5 936 a
§§ 994-998
3. Abschnitt: Eigenthum
Ε I-ZustRedKom H a t der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil § 936 b verbunden, so kann er sie abtrennen und sich aneignen. Die Vorschriften des § 491 Abs. 2 Satz 2, 3 finden entsprechende Anwendung. Das Recht zur Abtrennung ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer nach § 936 Abs. 1 Satz 2 für die Verwendung Ersatz nicht verlangen kann oder die Abtrennung f ü r ihn keinen N u t z e n hat oder der Eigenthümer ihm mindestens den Werth ersetzt, welchen der Bestandtheil nach der Abtrennung f ü r den Besitzer haben würde. Ε I-ZustRedKom Ist ein landwirthschaftliches Grundstück herauszugeben, so hat der Eigenthümer § 936 c di e Kosten, welche der Besitzer auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des W i r t s c h a f t s j a h r e s zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth dieser Früchte nicht übersteigen. IV. Im E l l ist § 936 c als § 911 wörtlich übernommen. In § 909, dem früheren § 936 a, ist lediglich vor „außerordentliche Lasten" hinzugefügt: „Die Aufwendungen für solche". Die §§ 936, 936 b lauten als §§ 908, 910: Ε II § 908 Der Besitzer kann für die auf die Sache gemachten nothwendigen Aufwendungen von dem Eigenthümer Ersatz verlangen. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind ihm jedoch für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen. Für andere Verwendungen kann der Besitzer Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit gemacht worden sind und der Werth der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigenthümer die Sache wiedererlangt. H a f t e t der Besitzer nach § 904, so steht ihm dieser Anspruch nicht zu. Ε II § 910 H a t der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden, so kann er sie abtrennen und sich aneignen. Die für das Wegnahmerecht des Miethers geltenden Vorschriften des § 491 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. Das Recht zur Abtrennung ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer nach § 908 Abs. 1 Satz 2 für die Verwendung Ersatz nicht verlangen kann oder die Abtrennung für ihn keinen Nutzen hat oder ihm mindestens der Werth ersetzt wird, welchen der Bestandtheil nach der Abtrennung für ihn haben würde. V. Bei der Revision des Ε II lag zu § 908 der Antrag vor, dem Abs. 1 hinzuzufügen: Für nothwendige Aufwendungen, welche der Besitzer nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit oder nach dem Beginne der im § 904 bestimmten H a f t u n g gemacht hat, bestimmt sich sein Ersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Antrag wurde angenommen. Zu § 910 lag der Antrag vor, den Schluß des Abs. 2 von den Worten „oder die Abtrennung" an zu streichen. Der Antrag wurde abgelehnt (Prot. II, Bd. 6, S. 237— 239). Im Ε II rev §§ 9 7 9 - 9 8 3 (Ε III $ 978—982) liegt die in §§ 9 9 4 - 9 9 8 BGB Gesetz gewordene Fassung vor. D. Bundesrat (Justizausschuß) I. Bayern beanstandet, daß der Entwurf zweiter Lesung den Lösungsanspruch, welchen der Entwurf erster Lesung (§§ 939, 940) dem gutgläubigen Erwerber einer 826
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 994-998
gestohlenen Sache gegeben habe, allgemein beseitige, da die Rücksicht auf den Verkehr erheische, daß im Anschluß an die Vorschriften des französischen Rechtes der Lösungsanspruch für den Fall des Erwerbes auf einem Markte oder eine Messe oder von einem Gewerbetreibenden in dessen Gewerbebetriebe gewährt werde. II. Bericht von Heller (Bayern) vom 15. 10. 1895 Den Antrag Bayerns zu den §§ 985 bis 987 beantragte der Berichterstatter abzulehnen. Ich hielt den Antrag unter entsprechender Begründung aufrecht. Baden erklärte sich gegen ihn. Der Lösungsanspruch bestehe zwar nach Badischem Rechte, aber die Erfahrung habe gelehrt, daß ein Bedürfnis des Verkehrs dafür nicht besteht. Auch Preußen sprach sich dagegen aus. Mit dem vom Entwürfe angenommenen Grundsatze „Hand muß Hand wahren", lasse sich der Ausspruch nicht gut vereinigen; auch könne er leicht zur Begünstigung der Hehlerei führen. Der Antrag wurde gegen die Stimme Bayerns abgelehnt.
E. Reichstag (XII. Kommission) I. Es war beantragt, in § 982 als Abs. 2 hinzuzufügen: „War der Besitzer zur Zeit der Bestellung des Grundstücks in gutem Glauben, so Gröber kann er statt des Kostenersatzes verlangen, daß die Ergebnisse der Ernte zwischen (Nr 76, 2) ihm und dem Eigenthümer nach Verhältniß der Zeitdauer seines Besitzes im letzten Wirthschaftsjahr getheilt werden." II. Bericht von Heller (Bayern) vom 21. 4. 1896 Eine längere Diskussion entspann sich über den Antrag Gröber zum § 982 (Nr. 76 der Drucksachen Ziff. 2). Der Antragsteller führte aus, daß die Bestimmung nicht der Billigkeit entspreche; nach dem Vorgange des Preußischen Landrechts sollte das Prinzip der Teilung der Früchte Platz greifen, v. Jacubezky sprach sich gegen den Antrag aus. Eine entsprechende Vorschrift habe der Entwurf für jeden der Fälle, in denen ein Wechsel im Fruchtrechte eintritt. Eine Änderung des § 982 müßte deshalb die Änderung aller dieser anderen Bestimmungen nach sich ziehen. Die vom Entwürfe vorgeschlagene Zahlung sei aus den in den Motiven des Entwurfs erster Lesung dargelegten Gründen dem Preußischen Landrechte vorzuziehen. Dieses könne übrigens schon deshalb nicht zum Vorbild dienen, weil es ein allgemeines Wirthschaftsjahr aufstellt. Für das ganze Reich ein allgemeines W i r t schaftsjahr einzuführen sei unmöglich. Es müßte daher in jedem einzelnen Falle untersucht werden, wann das Wirthschaftsjahr beginnt; dies wäre mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Der Abgeordnete v. Dziembowsky sprach sich dafür aus, daß bei der zweiten Lesung erwogen werde, ob nicht die Frage im ganzen grundsätzlich im Sinne des Antrags zu lösen sei. Der Kommissar Planck trat diesem Gedanken entgegen. Die Regelung dieses Verhältnisses in diesem Sinne würde zu ganz außerordentlichen Verwicklungen und praktischen Schwierigkeiten führen, überdies nicht einmal immer zu einer gerechten Lösung führen. Gröber hielt den Antrag aufrecht im Sinn einer Anregung zur prinzipiellen Lösung der Frage nach Maßgabe des Antrags. Der Abgeordnete Stadthagen sprach sich für ihn aus, v. Cuny bemerkte, das System des Entwurfs verdiene jedenfalls vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit den Vorzug. Die Abstimmung ergab die Ablehnung des Antrags mit elf gegen zehn Stimmen. 827
§999
3. Abschnitt: Eigenthum
§ 999 Der Besitzer kann für die Verwendungen eines Vorbesitzers, dessen Rechtsnachfolger er geworden ist, in demselben Umfang Ersatz verlangen, in welchem ihn der Vorbesitzer fordern könnte, wenn er die Sache herauszugeben hätte. Die Verpflichtung des Eigenthümers zum Ersätze von Verwendungen erstreckt sich auch auf die Verwendungen, die gemacht worden sind, bevor er das Eigenthum erworben hat.
Α. 1. Kommission I. 339. Sitzung vom 25. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 4192
| Der § 187 des Entwurfs lautet: „Der Besitzer, welchem die Sache von dem Eigenthümer abgefordert wird, ist befugt, die Verwendungen seiner Vormänner in derselben Weise geltend zu machen, wie die Vormänner selbst, wenn sie die Sache noch besäßen, sie geltend machen könnten." Planck Es war beantragt, den § 187 folgendermaßen zu fassen: (Nr 133, 3) „Der Besitzer ist die Verwendungen seiner Vorbesitzer, soweit er deren Rechtsnachfolger geworden, in demselben Umfange geltend zu machen befugt, in welchem diese, wenn sie noch Besitzer wären, sie geltend machen könnten." eventuell dahin: „Ueberträgt der Besitzer einer Sache, welchem Ansprüche der in § 185 gedachten Art gegen den Eigenthümer zustehen, die Sache an einen Anderen, so sind dadurch im Zweifel auch jene Ansprüche als abgetreten anzusehen." v. Mandry Daneben lag der Streichungsantrag vor. (Nr 132, 2)
| Prot 14193
| Die Kommission entschied sich gegen die Streichung und nahm die Bestimmung des Entwurfs in der verbesserten Fassung des prinzipalen Antrags an. Außer den in den Motiven S. 930, 931 für die Bestimmung angeführten Gründen war insbesondere erwogen: Möge man, worüber noch zu beschließen sein werde, demjenigen, welchem der Anspruch auf Erstattung der Verwendungen zustehe, ein Recht an der Sache, ein Forderungsrecht oder einen nur durch Einrede geschützten Anspruch zuschreiben, jedenfalls müsse die Rechtsposition des Anspruchsberechtigten übertragbar sein. Ferner sei es gerechtfertigt, durch dispositive Vorschrift festzustellen, daß die Veräußerung der Sache die Uebertragung der gedachten Rechtsposition enthalte, und nicht blos mit dem eventuellen Antrage eine Interpretationsregel zu geben, denn die Veräußerung sei Vermöge des argumentum a potiori als auf Uebertragung jener Rechtsposition gerichtet anzusehen, welche der wirklichen Rechtsübertragung gegenüber als das miteingeschlossene Mindere erscheine. Der NichtÜbergang der Rechte werde nur im Falle einer entgegenstehenden Erklärung anzunehmen sein. Die Motive S. 931 rechtfertigen, weshalb nicht auch der Uebergang des Lösungsanspruchs auf die Rechtsnachfolger vorgeschlagen sei. Ein Gegenantrag: für den Lösungsanspruch das Gleiche zu bestimmen wie für den Verwendungsanspruch, lag nicht vor. Zur Sprache kam, ob der Anspruch auf Erstattung der Verwendungen auch gegen die Rechtsnachfolger des Eigenthümers, gegen welchen er ursprünglich entstanden ist, geltend zu machen sei, ob also die Verwendungsschuld an das Eigen828
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§999
thum geknüpft sei. Praktische Bedeutung legte man der Frage nur in Ansehung der Grundstücke bei, weil, um zu übertragen, der Eigenthümer zuvor die bewegliche Sache zurückerhalten haben muß. Es wurde geltend gemacht, daß eine das Eigenthum an Grundstücken belastende Verwendungsschuld mit den Grundsätzen | über | Prot I 4194 die publica fides des Grundbuchs in Widerspruch stehe. Die Kommission hielt die Aufnahme einer Bestimmung nicht f ü r erforderlich, weil die persönliche Richtung des Bereicherungsanspruchs von selbst ergebe, daß die Grundsätze über die publica fides des Grundbuchs unberührt bleiben. II. 1. In der VorlZust „Eigenthumsanspruch" als § 8:
lautet die beschlossene Bestimmung
Der Besitzer ist wegen der Verwendungen, welche von den Vorbesitzem ge- VorlZust § 8 macht sind, soweit er der Rechtsnachfolger der letzteren geworden ist, Ersatz in demselben Umfange zu fordern befugt, in welchem der Ersatz von den Vorbesitzern (,wenn diese die Sache herauszugeben hätten) würde gefordert werden kön2., 3. In der RedVorl § 916 und der ZustSachR § 915 ist die Vorschrift gefaßt: Der Besitzer ist berechtigt, wegen der von den Vorbesitzern gemachten Verwen- RedVorl $ 916 düngen, soweit er Rechtsnachfolger derselben geworden ist {RedVorl·. wegen der ZustSachR $ 915 Verwendungen derjenigen Vorbesitzer, deren Rechtsnachfolger er geworden ist), Ersatz in demselben Umfange zu fordern, in welchem der Ersatz von diesen Vorbesitzern, wenn dieselben die Sache herauszugeben hätten, würde gefordert werden können. III., IV. Bei der Redaktion des K E wurde der § 915 auf Antrag neu gefaßt und in dieser Fassung dann in § 937 Ε / übernommen: Der Besitzer kann wegen der von den Vorbesitzern gemachten Verwendungen, KE § 915 soweit er Rechtsnachfolger derselben geworden ist, Ersatz in demselben Umfange Ε I § 9 3 7 von dem Eigenthümer fordern, in welchem diese Vorbesitzer, wenn sie die Sache Kurlbaum 48 herauszugeben hätten, den Ersatz würden fordern können. ·* B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 96. Sitzung vom 7. 4. 1893 | III. Zu dem § 937 lag nur ein redaktioneller Antrag vor, die Vorschrift zu fas- | Prot-RJA 961 sen: „Der Besitzer kann den Ersatz von Verwendungen eines Vorbesitzers, dessen Achilles Rechtsnachfolger er geworden ist, in demselben Umfange fordern, in welchem der (Nr 96, 98) Vorbesitzer die Forderung gehabt haben würde, wenn er dem Eigenthümer die Sache herauszugeben hätte". Der § 937 wurde sachlich gebilligt. C. 2. Kommission I. Die Kom. beanstandete den § 937 nicht. Ihr lag nur der schon in der Vorkom. gestellte redaktionelle Antrag vor (Prot. II, Bd. 3, S. 357; Mugdan, Bd. 3 S. 685), wobei lediglich das W o r t „fordern" durch „verlangen" ersetzt war. 829
§§ 1000-1003
3. Abschnitt: Eigenthum
II. Die Fassung der Vorschrift ist in der VorlZust: Ε I-VorlZust Der Besitzer kann den Ersatz von Verwendungen eines Vorbesitzers, dessen § 9 3 7 Rechtsnachfolger er geworden ist, in demselben Umfang verlangen, in welchem der Vorbesitzer den Anspruch gehabt haben würde, wenn er die Sache dem Eigenthümer herauszugeben hätte. Verpflichtet zum Ersätze ist der jeweilige Eigenthümer (oder:. . . ist der Eigent ü m e r ) , auch wenn die Verwendungen gemacht sind, bevor er das Eigenthum erlangt hat 1 . III.—V. In der ZustRedKom stimmt § 937 bis auf „Ersätze der Verwendungen" statt „Ersätze von Verwendungen" mit § 912 Ε II (Ε II rev § 984; Ε III§ 983) überein, der die in § 999 BGB Gesetz gewordene Fassung hat. 1
Dazu ist angemerkt: Vorausgesetzt wird, daß in das Gesetz betreffend, die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen eine Vorschrift aufgenommen wird, nach welcher der Besitzer den Realgläubigern und dem Ersteher gegenüber einen Ersatzanspruch wegen Verwendungen nicht geltend machen kann. Vergl. den § 143 des Entwurfs jenes Gesetzes.
§ 1000 Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, bis er wegen der ihm zu ersetzenden Verwendungen befriedigt wird. Das Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu, wenn er die Sache durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat. § 1001 Der Besitzer kann den Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen nur geltend machen, wenn der Eigenthümer die Sache wiedererlangt oder die Verwendungen genehmigt. Bis zur Genehmigung der Verwendungen kann sich der Eigenthümer von dem Ansprüche dadurch befreien, daß er die wiedererlangte Sache zurückgiebt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn der Eigenthümer die ihm von dem Besitzer unter Vorbehalt des Anspruchs angebotene Sache annimmt. § 1002
Giebt der Besitzer die Sache dem Eigenthümer heraus, so erlischt der Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen mit dem Ablauf eines Monats, bei einem Grundstück mit dem Ablaufe von sechs Monaten nach der Herausgabe, wenn nicht vorher die gerichtliche Geltendmachung erfolgt oder der Eigenthümer die Verwendungen genehmigt. Auf diese Fristen finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206, 207 entsprechende Anwendung. § 1003 Der Besitzer kann den Eigenthümer unter Angabe des als Ersatz verlangten Betrags auffordern, sich innerhalb einer von ihm bestimmten angemessenen Frist darüber zu erklären, ob er die Verwendungen genehmige. Nach dem Ablaufe der Frist ist der Besitzer berechtigt, Befriedigung aus der Sache nach den Vorschriften über 830
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1000—1003
den Pfandverkauf, bei einem Grundstücke nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen zu suchen, wenn nicht die Genehmigung rechtzeitig erfolgt. Bestreitet der Eigenthümer den Anspruch vor dem Ablaufe der Frist, so kann sich der Besitzer aus der Sache erst dann befriedigen, wenn er nach rechtskräftiger Feststellung des Betrags der Verwendungen den Eigenthümer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung aufgefordert hat und die Frist verstrichen ist; das Recht auf Befriedigung aus der Sache ist ausgeschlossen, wenn die Genehmigung rechtzeitig erfolgt.
Α. 1. Kommission I. 339. Sitzung vom 25. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | Die §§ 188, 189 des Entwurfs wurden bei der Berathung zusammengefaßt. Die- | Prot I 4194 selben lauten: § 188 „Der Eigenthümer ist dem Inhaber, welcher ihm die Sache anbietet, zu deren TE-SachR§ 188 Rücknahme verpflichtet, kann sich jedoch von den Gegenansprüchen des Inhabers dadurch befreien, daß er demselben das Eigenthum der Sache überträgt."
S 189 „Der Eigenthümer wird mit der Rücknahme der Sache dem bisherigen Inhaber für diejenigen Gegenansprüche verpflichtet, welche derselbe bei der Rückgabe ihm angezeigt hat. Der redliche Besitzer, der gutgläubige Erwerber und der gutgläubige Pfandnehmer einer beweglichen Sache sind zur Herausgabe derselben nur gegen Erstattung oder Sicherstellung der Gegenansprüche verpflichtet. Wird über das Vermögen des Eigenthümers Konkurs eröffnet, so muß die Sache zwar dem Verwalter herausgegeben werden, es findet aber abgesonderte Befriedigung der Gegenansprüche aus dem Erlöse der Sache statt." Folgende Anträge waren gestellt: 1. a, den § 188 zu streichen vorbehaltlich des Ersatzes durch eine Bestimmung, welche auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen über mora accipiendi auf den nicht zurücknehmenden Eigenthümer hinweiset; b, den § 189 dahin zu fassen: „Dem Besitzer und dem Inhaber steht wegen der in den §§ 185 und 186 bezeichneten Gegenansprüche nur ein Zurückbehaltungsrecht zu. | Auf dasselbe findet der § 233 (K.E.) 1 keine Anwendung. H a t jedoch der Besitzer oder Inhaber dem Eigenthümer vor oder bei der H e r ausgabe der Sache erklärt, daß er sich jene Ansprüche vorbehalte und dieser die Sache des Vorbehaltes unerachtet zurückgenommen, so können dieselben klageweise geltend gemacht werden."
TE-SachR $ 189
v. Mandry (Nr 135, 1) v. Mandry (Nr 135, 2) | Prot 14195
Planck 2. a, den § 188 dahin zu fassen: „Der Eigenthümer ist dem Besitzer und Inhaber, welcher ihm die Sache anbietet, (Nr 136) zu deren Rücknahme verpflichtet. 1
S. bei S 273 BGB.
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§§ 1000-1003
3. Abschnitt: Eigenthum
Die Verpflichtung hierzu, sowie die dem Besitzer und Inhaber nach Maßgabe der §§ 185, 186 zustehenden Ansprüche fallen weg, wenn der Eigenthümer die Uebertragung des Eigenthums der Sache anbietet." eventuell den § durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Kommt der Eigenthümer in Verzug der Annahme der Sache, so bleibt ein späterer Wegfall der Bereicherung rücksichtlich derjenigen Verwendungsansprüche außer Betracht, welche der Besitzer oder Inhaber dem Eigenthümer vor oder bei dem Angebote der Zurückgabe der Sache angezeigt hat. Dem Eigenthümer steht das Recht zu, sich von den in den §§ 185 und 186 bezeichneten Ansprüchen dadurch zu befreien, daß er die Uebertragung des Eigenthums der Sache anbietet. Dies Recht fällt weg, wenn der Eigenthümer in Betreff der Annahme der Sache in Verzug gekommen und ihm vor oder bei dem Angebote Ansprüche der in §§ 185 und 186 gedachten Art von dem Besitzer oder Inhaber angezeigt sind." Planck b, den 1. Absatz des § 189 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: (Nr 136) „Hat der Eigenthümer die Sache zurückerhalten, so fällt der in § 186 bezeichnete Anspruch gänzlich und fallen die in § 185 bezeichneten Ansprüche insoweit weg, als eine Bereicherung des Eigenthümers in dem in §§ 733 Abs. 2 und 735 Abs. 2 | Prot I 4196 bezeichneten Zeitpunkte wegge- | fallen ist, es wäre denn, daß der Besitzer oder Inhaber die gedachten Ansprüche dem Eigenthümer, bevor derselbe die Sache zurückerhalten, angezeigt hätte. Ist eine solche Anzeige rechtzeitig erfolgt, so verliert der Eigenthümer durch die Zurücknahme der Sache das in § 188 Abs. 2 bezeichnete Recht." Kurlbaum (Nr 137)
3. in Ersatz der §§ 188, 189 zu bestimmen: „Der Besitzer oder Inhaber hat wegen des Anspruchs auf Ersatz der Verwendungen und des f ü r die Erwerbung der Sache Geleisteten ein Zurückbehaltungsrecht. Er kann den Ersatz gegen Herausgabe der Sache fordern, wenn der Eigenthümer die Klage auf Herausgabe erhoben hat (zu vergl. § 381 K.E.) 2 ." „Der Eigenthümer kommt schon vor Erhebung der Klage auf Herausgabe in Verzug der Annahme, wenn er zwar die ihm angebotene Sache anzunehmen bereit ist, jedoch den geforderten Ersatz oder die zur Abwendung des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts erforderliche Sicherheitsleistung anzubieten unterläßt (zu vergl. § 254 K.E.) 3 ." Entwurf und Anträge wurden in die sachlichen Einzelnheiten zerlegt, welche dieselben enthalten, und wurden über diese Einzelnheiten folgende Beschlüsse gefaßt. 1. Die nach den Beschlüssen zu §§ 185, 186 dem Besitzer oder Inhaber zustehenden Gegenansprüche sollen vollgültige und nicht etwa lediglich im Wege der Einrede geltend zu machende Ansprüche sein. Man war der Ansicht: Wenn das Gesetz einen Anspruch zugestehe, so müsse dieser der Regel nach gegen den Verpflichteten im Wege des selbständigen Angriffs auch durchgesetzt werden können. Die Beschränkung der Geltendmachung auf den W e g der Einrede enthalte eine Abschwächung des Anspruchs und eine Irregularität, welche nach den früheren Beschlüssen, Prot. S. 466, 467 4 , thunlichst zu vermeiden 2 3 4
832
S. bei §§ 465, 466 BGB. S. bei § 298 BGB. S. bei § 2 4 1 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1000—1003
sei und für welche im vorliegenden | Falle ein ausreichender Grund nicht gegeben |Prot 14197 sei. Es würde unbillig sein, den Verwendungsanspruch demjenigen zu versagen, welcher den Besitz der Sache ohne seinen Willen verloren habe, wenn die Sache ohne sein Zuthun wieder in die Hände des wahren Eigenthümers gelangt sei. Die neueren Gesetzgebungen hätten auch das Klagerecht wegen der Verwendungen anerkannt und den Standpunkt des römischen Rechts, welches nur eine Einrede gewähre, verlassen. 2. Innere Beschränkung der Gegenansprüche. a, Der Verwendungsanspruch sowohl als der Lösungsanspruch sind dadurch bedingt, daß der Eigenthümer — mittelbar oder unmittelbar — den Besitz der Sache zurückerhält. b, Der Besitzer oder Inhaber der Sache hat gegen den Eigenthümer keinen Anspruch auf Annahme derselben. c, Dem Zurückerhalten des Besitzers soll in Ansehung der nach dem Täeschluß unter a an dasselbe geknüpften Wirkungen die Erhebung der Klage auf Herausgabe (zu vergl. Antrag 3 Abs. 2) nicht gleichstehen. d, Der Eigenthümer soll sich nicht durch Ueberlassung der Sache von den Gegenansprüchen befreien können. Erwogen war: Zu a. Was erstlich die Verwendungsansprüche anbelange, so könne ein angriffsweises Vorgehen des Anspruchsberechtigten gegen den verpflichteten Eigenthümer erst von dem Augenblicke an zugelassen werden, in welchem der Eigenthümer den Besitz der Sache zurückerlangt habe. Denn, wenn auch in dem Augenblicke der Verwendung die Grundlage für den Bereicherungsanspruch gelegt sei, so habe die Verwendung effektive Wirkungen für das Vermögen des Eigenthümers doch erst mit der Wiedererlangung der Sache und könne früher von einer bedingungslosen Leistungspflicht desselben, wie die Motive mit Recht ausführten, nicht die Rede sein. Der Entwurf sei jedoch zu eng, indem er nur im Falle der Restitution seitens des Verwendenden den Anspruch | existent werden lassen wolle und daneben nur die |Prot 14198 Möglichkeit eines Bereicherungsanspruchs besonderen Inhalts — Motive S. 935 unter β — annehme. Der Bereicherungsanspruch sei immer derselbe, nur der Betrag der Bereicherung könne je nach Lage des Falles verschieden zu bemessen sein. Was ferner den Lösungsanspruch anbelange, so sei es unbedenklich, für diesen dasselbe zu bestimmen, weil nach der zu § 186 beschlossenen Beschränkung der Eigenthümer nicht über den Werth der Sache zu der Zeit der Erlangung des Besitzes verhaftet werde. Zu b. Ein Zwang zur Rücknahme, welcher den Eigenthümer zugleich in Ansehung des Abnehmens zum Schuldner mache und mit den Folgen der mora solvendi bedrohe, daneben zugleich das Existentwerden der Schuld des Eigenthümers von dem des Anspruchsberechtigten abhängig mache, sei nicht gerechtfertigt. Die dem Eigenthümer drohenden Folgen einer mora accipiendi genügten für den Schutz des Anspruchsberechtigten. Zu c. Die Erhebung der Klage auf Herausgabe der Sache könne nur aus dem Gesichtspunkte einer Unterwerfung des Eigenthümers unter die Gegenansprüche der Wiedererlangung der Sache gleichgestellt werden. Eine solche Unterwerfung sei aber in der Erhebung der Klage nicht zu finden, zumal da zu dieser Zeit der Kläger von der Existenz und Höhe der Gegenansprüche regelmäßig noch keine Kenntniß haben werde, und die Analogie des § 381 K.E. sei nicht anzuerkennen. 833
§§ 1000-1003
3. Abschnitt: Eigenthum
Zu d. Das in dem Entwürfe und in dem Antrag 2 a vorgeschlagene Abandonrecht würde zu großen Verwickelungen führen, insbesondere nachdem beschlossen sei, daß auch die indirekte Wiedererlangung der Sache die Gegenansprüche zur Existenz bringe. Durch eine Begrenzung des Inhalts der Gegenansprüche, welche den Eigenthümer niemals ohne sein Verschulden in Schaden gerathen lasse, sei genügend für den Schutz des Eigenthümers den Gegenansprüchen gegenüber gesorgt. | Prot I 4199 | 3. Zurückbehaltungsrecht der Anspruchsberechtigten. a, Mit der Anerkennung der vollen Wirksamkeit der Gegenansprüche gilt als entschieden, daß dem Anspruchsberechtigten das Zurückbehaltungsrecht nach Maßgabe der §§ 231 bis 234 (K.E.)5 zusteht und soll dies zur Vermeidung jeden Zweifels im Gesetze ausgedrückt werden. b, Die Vorschrift des § 233 (K.E.) soll nicht mit dem Antrage 1 von der Anwendung ausgeschlossen werden. c, Das Zurückbehaltungsrecht soll nicht mit dem Entwürfe bei Grundstücken ausgeschlossen werden. d, Ueber die Wirkung des Zurückbehaltungsrechts im Konkurse soll — abweichend vom Entwürfe — nichts bestimmt werden. Erwogen war: Zu a. Mit dem Beschlüsse unter 1, nach welchem ein vollwirksamer Anspruch zustehen solle, seien alle Voraussetzungen für das in § 231 (K.E.) bestimmte Zurückbehaltungsrecht gegeben. Zu b. Ein genügender Grund, die im § 233 (K.E.) dem vorsätzlichen Delinquenten auferlegte Vorleistungspflicht zessiren zu lassen, liege nicht vor, da die Vorleistung — abweichend von dem System des Antrags 1 — nach den gefaßten Beschlüssen den Vorleistenden des Schutzes seiner Ansprüche nicht beraube. Zu c. Die von den Motiven S. 939 für den Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts bei Grundstücken angegebenen Gründe könnten als zureichend anerkannt werden. Zu d. Es könne in Frage kommen, ob für den Anspruch aus der Verwendung ein gesetzliches Pfandrecht bestimmt werden solle. Wolle man ein solches Recht nicht zugestehen, sondern nur das in der Konkursordnung § 41 Ziff. 7 gegebene Recht auf abgesonderte Befriedigung bestätigen, so sei es angemessener hier zu schweigen und in das bürgerliche Gesetzbuch keine Ausnahme von der Regel aufzunehmen, daß das Retentionsrecht im Konkurse nicht wirke. | Prot I 4200
| 4. Empfangsverzug des Eigenthümers. a, Es wird anerkannt, daß der Eigenthümer unter den im Antrag 3 Absatz 3 hervorgehobenen Voraussetzungen nach § 254 (K.E.) in Annahmeverzug kommt. O b dies auszusprechen sei, bleibt der Prüfung bei der Redaktion überlassen. b, Es wird anerkannt, daß das Anbieten der Sache in Verbindung mit der Anzeige der Verwendungsansprüche den zu erstattenden Bereicherungsbetrag fixirt und eine spätere Verschlechterung der Sache ohne Nachtheil für den Anspruchsberechtigten sein läßt. Zu vergl. eventueller Antrag 2 a Absatz 1. Die Aufnahme einer Bestimmung wird jedoch f ü r entbehrlich erachtet. Erwogen war: Zu a. Bedenken könne der Umstand erregen, daß im Augenblicke des Anbietens, vor der Annahme, noch keine Schuld auf Seiten des Eigenthümers existire, da die Bedingung der Schuld noch nicht erfüllt sei. Ob deshalb die Anwendbarkeit des 5
S. bei §§ 273, 274 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ § 1000 — 1003
§ 254 (K.E.) für den vorliegenden Fall ausdrücklich zu bestimmen sei, oder ob man sich auf die analoge Anwendung der Vorschrift über Vereitelung der Erfüllung rechtsgeschäftlicher Bedingungen durch den bedingt Verpflichteten (§ 137 K.E.) verlassen könne, bleibe besser der Prüfung bei der Redaktion überlassen. Zu b. Durch §§ 255 und 259 (K.E.) sei genügend klar gestellt, daß bei Annahmeverzug die Gefahr der Verschlechterung und des Untergangs der Sache nach allen Richtungen den Säumigen treffe. 5. Modifikation und Wegfall der Verpflichtungen des Eigenthümers. a, Hat der Eigenthümer die Sache zurückerhalten, ohne daß ihm die Verwendungsansprüche von dem Anspruchsberechtigten auch nur im Allgemeinen angezeigt sind, so liberirt der spätere Wegfall der Bereicherung den Eigenthümer solange, als nicht entweder der Verwendungsanspruch | klagend gegen ihn geltend | Prot 14201 gemacht ist oder er Kenntniß von dem Bestehen desselben erlangt hat. Zu vergl. Antrag 2 b. b, Der bei der Herausgabe der Sache durch den Besitzer an den Eigenthümer nicht speziell angezeigte Lösungsanspruch erlischt. Zu vergl. Antrag 2 b. Zu a. Der für die Fixirung der herauszugebenden gegenwärtigen Bereicherung maßgebende Zeitpunkt bestimme sich — zu vergl. §§ 733 Absatz 2, 735 Abs. 2, 742 Abs. 3 K.E. 6 — durch die Erhebung der Klage beziehungsweise durch die später erlangte Kenntniß von dem Zugange der Bereicherung. Diese Bestimmungen würden in dem vorliegenden Falle anwendbar, falls der Eigenthümer die Sache, ohne von dem Bestehen des Verwendungsanspruches unterrichtet zu werden, zurückerlangt habe. Zu b, Habe der Eigenthümer die Sache wiedererlangt, so müsse ein bei der Wiedererlangung nicht angezeigter Lösungsanspruch wegfallen, da sonst der Eigenthümer ohne sein Wissen einer drückenden Haftung unterworfen werden würde. Aus dieser Bestimmung folge zugleich, daß der Eigenthümer nur einmal einzulösen habe und überhaupt von jeder Ersatzpflicht befreit sei, wenn er ohne Restitution von Seiten desjenigen, gegen welchen einzulösen gewesen wäre, wiedererlangt habe. 340. Sitzung vom 27. 6. 1884, Schriftführer von Liehe | Der § 190 des Entwurfs lautet: I Prot I 4204 „Der Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache, welche mit einer Sa- TE-SachR § 190 che des Besitzers ohne Eigenthumsveränderung verbunden, vermischt oder vermengt ist, geht zugleich auf Trennung derselben von der Sache des Besitzers. Die Kosten der Trennung fallen gegenüber einem gutgläubigen Besitzer dem Eigenthümer zu Last." Es lagen die Anträge vor: 1. den zweiten Absatz des § 190 dahin zu fassen: „Die Kosten der Trennung hat der Eigenthümer zu tragen, es sei denn, daß der Besitzer die Verbindung bewirkt und dabei gewußt hat, daß er nicht dazu berechtigt • u sei. 2. den § 190 zu fassen: „Der Anspruch des Eigenthümers auf Herausgabe einer beweglichen Sache, welche mit einer einem Anderen gehörigen Sache ohne Eigenthumsänderung verbunden, vermischt oder vermengt ist, geht zugleich auf Trennung der ersteren von der letzteren. S. bei §§ 818, 819 BGB. 835
Planck (Nr 140> 1)
v. Weber (Nr. 141, 1)
§ § 1000—1003
3. Abschnitt: Eigenthum
Die Kosten der Trennung fallen den Betheiligten nach Verhältniß des Werths der ihnen gehörigen von einander zu trennenden Sachen zur Last. Ist die Verbindung, Vermischung oder Vermengung von einem Betheiligten in Kenntniß des Umstandes, daß er dazu nicht berechtigt sei, vorgenommen worden, so hat dieser die Kosten allein zu tragen." Derscheid Daneben war der Antrag auf Streichung gestellt. Die Kommission beschloß die (Nr 134, 1) Streichung des § 190. Erwogen war: | Der § 190 Absatz 1 wolle dem Zweifel entgegentreten, ob die Vindizirbarkeit einer Sache voraussetze, daß die Sache eine selbständige sei, an welcher ein abgesonderter Besitz stattfinde, und ob deshalb ein Bestandtheil behufs Ermöglichung der Vindikation zuvörderst zu einer selbständigen Sache gemacht werden müsse, Motive S. 940, 941. Dieser Zweifel, welcher mit Eigenthümlichkeiten des römischen Vindikationsprozesses zusammenhänge, bestehe nun aber im modernen Recht nicht, es sei deshalb nicht erforderlich, demselben entgegenzutreten. Das Eigenthum an der Sache, möge dieselbe auch Bestandtheil einer anderen Sache sein, erzeuge die positive Verpflichtung zur Herausgabe, und diese Verpflichtung umfasse alle Handlungen, welche zur Herausgabe erforderlich seien. Der § 190 Absatz 2 entscheide darüber, wer die Kosten der Trennung zu tragen habe. Ein Zweifel könne in der Richtung aufgeworfen werden, ob der Besitzer und Inhaber, weil das Gesetz ihnen schlechthin die Verpflichtung zur Herausgabe auferlege, damit, abgesehen von allen besonderen Umständen, auch schlechthin zu der behufs der Herausgabe nothwendigen Trennung auf eigene Kosten verbunden seien. Dagegen komme indessen in Betracht, daß die Verpflichtung zur Herausgabe regelmäßig eine Holschuld sei, worin liege, daß alle Kosten des Abholens, und damit auch die Kosten der Trennung, dem Eigenthümer zur Last fielen, da dieser alles Erforderliche zu thun habe, um den ihn von dem anderen Theile eingeräumten Besitz zu ergreifen. Hieraus ergebe sich auch, daß man nicht regelmäßig die Trenung mit dem Antrage 2 als ein gemeinschaftliches Geschäft behandeln und danach die Kosten vertheilen könne. Für den Regelfall sei also eine Vorschrift entbehrlich. Wie unter besonderen Umständen, wenn von einem malae fidei possessor, einem deliktmäßigen Besitzer | Prot I 4206 oder nach | Eintritt der Rechtshängigkeit die Verbindung vorgenommen, die Kostenfrage zu entscheiden sei, werde aus den allgemeinen Bestimmungen über die Haftung solcher Personen wegen ihrer Verfügung über die fremde Sache sich ergeben. Es erscheine überhaupt sachgemäßer, die auf die Kostentragung sich beziehende Frage, insbesondere wegen ihrer verhältnismäßig nur geringen Erheblichkeit, der Lösung nach den allgemeinen Grundsätzen der Wissenschaft und Praxis zu überlassen. | Prot I 4205
TE-SachR § 191
Der § 191 des Entwurfs lautet: „Wenn der Besitzer mit der ihm abgeforderten Sache solche ihm gehörige Sachen, welche mit der ersteren körperlich, aber ohne Eigenthumsveränderung, oder als Zubehör verbunden sind, herausgiebt, ohne sich bei der Uebergabe des Eigenthums derselben vorzubehalten, so geht das Eigenthum dieser Sachen auf den Eigenthümer der abgesonderten Sache mit der Herausgabe wie durch Uebertragung über, gleichviel ob der Besitzer hierfür kraft seines Gegenanspruchs wegen gemachter Verwendungen Ersatz erhält oder nicht. Hat der Besitzer bei der Herausgabe an einer solchen mit der abgesonderten Sache verbundenen Sache, für welche er keinen Ersatz erhält, sein Eigenthumsrecht 836
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1000-1003
vorbehalten, so ist er befugt, dieselbe von der abgesonderten Sache zu trennen und, nach Ersatz der hierbei der letzteren etwa z u g e f ü g t e n Beschädigung w e g z u n e h m e n ; auf Verlangen des Eigenthümers ist er jedoch verpflichtet, demselben die verbundene Sache gegen Erstattung des Werthes zu belassen, welchen sie nach der T r e n nung f ü r den Besitzer haben würde." Es w a r beantragt: den § 191 zu streichen, eventuell dahin zu fassen:
Planck (Nr 140, 2)
| „Wenn der Besitzer oder Inhaber dem Eigenthümer mit der demselben gehöri- | Prot I 4207 gen Sache solche ihm gehörige Sachen herausgiebt, welche mit der ersten körperlich, aber ohne Eigenthumsveränderung o d e r als Z u b e h ö r verbunden sind, so ist im Zweifel a n z u n e h m e n , daß dadurch das Eigenthum der verbundenen Sachen unter der Voraussetzung auf den Eigenthümer der H a u p t s a c h e habe übertragen werden sollen, daß dieser d a f ü r in demselben U m f a n g e Ersatz leiste oder die W e g n a h m e gestatte, als wenn die Sachen durch die V e r b i n d u n g bereits in sein Eigenthum übergegangen wären." Die Kommission beschloß die Streichung des § 191. Erwogen w a r : W e n n man über den fraglichen Fall nichts bestimme, so ergebe sich aus den einschlagenden allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, d a ß der Besitzer, der aus thatsächlichem o d e r Rechtsirrthum eine mit der vindizirten Sache verbundene aber trennbare ihm gehörende Sache mitherausgegeben habe, dieselbe kondiziren, nach Befinden auch mit der Eigenthumsklage z u r ü c k f o r d e r n k ö n n e ; habe er jenes aber wissentlich gethan, so sei im einzelnen Falle nach den Umständen zu beurtheilen, in welcher Absicht solches geschehen sei, ob er die Sache habe schenken oder das Eigenthum daran gegen Werthsvergütung (kaufweise) übertragen oder die Sache zu Kauf habe anbieten wollen. Dieses Resultat sei g a n z angemessen. Die von dem Entwurf vorgeschlagene V o r s c h r i f t deute dagegen die H e r a u s g a b e der vindizirten Sache, mit welcher Sachen des Besitzers oder des Inhabers in eine f ü r das Recht an der Sache an sich einflußlose V e r b i n d u n g getreten seien, durch positive Vorschrift in eine Uebergabe der letzteren Sachen zum Eigenthum um, | so- | Prot I 4208 bald nicht eine Protestation gegen eine solche Auffassung vorliege. Damit w e r d e dem Herausgebenden in unbilliger Weise ein bestimmter Wille unterstellt, der häufig fehlen w e r d e und f ü r eine solche positive A n o r d n u n g ließen sich auch Z w e c k m ä ßigkeitsgründe nicht geltend machen. Auch die in dem Antrage vorgeschlagene Interpretationsregel sei anfechtbar und jedenfalls entbehrlich. Ebenso enthalte die Vorschrift in Absatz 2 des Entwurfes eine Unbilligkeit, insofern sie den Eigenthümer des mitherausgebenden Bestandtheils zur Eigenthumsübertragung gegen Wertherstattung zwingen wolle. D a z u komme, daß die in dem Entwurf und in dem Antrage vorgeschlagenen Bestimmungen keineswegs das geltende Recht f ü r sich hätten 7 . 341. Sitzung vom 30. 6. 1884, Schriftführer von Liebe | D e r § 197 des Entwurfs lautet: | Prot I 4230 „In den Fällen der §§ 195, 196 k o m m e n bei der Feststellung des erlangten V o r - TE-SachR § 197 theils die von dem Besitzer auf die Sache gemachten V e r w e n d u n g e n in entsprechender A n w e n d u n g des § 185 in Gegenrechnung." 7
Die sich anschließende Beratung des § 192 des Entw. s. bei § 255 BGB. Die §§ 193, 194 des Entw. sind bei §§ 985, 986 BGB berücksichtigt. Die Beratung der §§ 195, 196 ist bei § 816 BGB abgedruckt.
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§§ 1000-1003
3. Abschnitt: Eigenthum
Die Streichung war beantragt und wurde beschlossen, weil die in § 197 bestimmte Abrechnung aus den Kondiktionsgrundsätzen sich zu ergeben habe und jedenfalls f ü r die Bestimmung einer Besonderheit, welche nicht überhaupt in den Kondiktionsfällen Platz greife, ein Grund nicht vorhanden sei.
II. 1. In der VorlZust „Eigentbumsanspruch" sind die beschlossenen Bestimmungen in den §§10 und 11 enthalten. VorlZust § 10 Die dem Besitzer oder Inhaber nach den Bestimmungen der §§ 7 bis 9 zustehenden Ansprüche sind von der Herausgabe der Sache abhängig. Der Besitzer oder Inhaber hat wegen dieser Ansprüche das Zurückbehaltungsrecht. Erfolgt die Herausgabe der Sache, ohne daß dem Eigenthümer vorher oder gleichzeitig der im § 9 bezeichnete Anspruch in vollem Umfange angezeigt ist, so erlischt der letztere soweit die Anzeige unterblieben ist. Ist die Herausgabe ohne vorherige oder gleichzeitige Anzeige der in den §§ 7 und 8 bezeichneten Ansprüche erfolgt, so wird (ist) für die Bestimmung, ob und in wie weit der Eigenthümer bereichert ist, der Zeitpunkt maßgebend, in welchem der Eigenthümer von den Ansprüchen Kenntniß erlangt hat oder dieselben (gegen ihn) rechtshängig geworden sind. Zur Wirksamkeit der Anzeige ist die Bezeichnung des Umfangs der Ansprüche nicht erforderlich. (Im Uebrigen finden auf das Zurückbehaltungsrecht die Bestimmungen der §§ 232, 233 Anwendung.) (N.B. Zum § 10. Es kommen folgende Grundsätze in Betracht. 1. Der Anspruch des Eigenthümers auf Herausgabe unterliegt den Rechtsnormen über Schuldverhältnisse, wie der § 5 zur Genüge ergiebt. Hieraus folgt, daß der Eigenthümer, wenn er die ihm angebotene Sache nicht annimmt, in den Verzug der Annahme geräth. Der Annahmeverzug bewirkt, daß der Besitzer oder Inhaber noch f ü r culpa lata haftet (§ 255), daß er f ü r nicht gezogene Nutzungen nicht verantwortlich ist (§ 256), daß die §§ 258 und 259 anwendbar werden, daß der Besitzer oder Inhaber auch zur Deposition bez. zum Verkauf befugt wird (§§ 270, 276). 2. Die Gegenansprüche des Besitzers oder Inhabers sind vollkommen, also auch klagbare Forderungsrechte. Dies erhellt daraus, daß das Gegentheil nicht bestimmt ist. 3. Die Gegenansprüche sind aber suspensiv bedingt; sie sind von der Bedingung abhängig, daß der Eigenthümer die Sache zurückerhält. 4. Ungeachtet dieser Bedingtheit steht dem Besitzer oder Inhaber wegen der Gegenansprüche das Retentionsrecht nach Maßgabe der §§ 231—234 zu. Es scheint unerläßlich zu sein, den Grundsatz N 2 3, wie im ersten Absatz geschieht, besonders auszusprechen, da sonst gerade wegen des Grundsatzes N - 4 ein Zweifel entstehen würde.) VorlZust § 11 Der Eigenthümer kommt auch dann in den Verzug der Annahme, wenn er die Sache anzunehmen bereit ist, jedoch die Befriedigung oder Sicherstellung des Besitzers oder Inhabers wegen der denselben in Gemäßheit der Bestimmungen der §§ 7 bis 9 zustehenden Ansprüche ablehnt (die Befriedigung — anzubieten unterläßt). (N.B. Zum § 11·. Sollte der § 11 durch § 232 in Verbindung mit §§ 361, 362 und 254 entbehrlich werden? Man kann es bezweifeln, weil der § 232 den § 254 nicht mit allegirt.) 2.—IV. Die Vorschrift des § 10 lautet in der RedVorl als § 917, in der und im K E a l s § 916 sowie im £ / a l s § 938: 838
ZustSachR
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§
1000—1003
Die dem Besitzer oder (ab ZustSachR: dem) Inhaber nach den Vorschriften der RedVorl § 917 §§ 936, 937 8 zustehenden Ansprüche sind dadurch bedingt, daß der Eigenthümer die ZustSachR/ Sache wiedererlangt (RedVorl: zurückerhält). KE 916 E l f §ÜIO D e r Besitzer oder (ab ZustSachR·. der) Inhaber hat wegen dieser Ansprüche das * Zurückbehaltungsrecht. Ist die H e r a u s g a b e ohne vorherige o d e r gleichzeitige Anzeige der Ansprüche erfolgt, so ist f ü r die Beurtheilung, ob und inwieweit der Eigenthümer bereichert ist, der Zeitpunkt maßgebend, in welchem derselbe von den Ansprüchen Kenntniß erlangt hat oder die Ansprüche rechtshängig geworden sind. Z u r Wirksamkeit der Anzeige ist die Bezeichnung des U m f a n g e s der Ansprüche nicht erforderlich. Bei der Revision ist in Abs. 3 statt „so wird f ü r die Bestimmung" auf A n t r a g ge- Johow setzt w o r d e n : „so ist f ü r die Beurtheilung" (Prot I 11968). (Nr 441, 9) Die Vorschrift des § 11 lautet in der RedVorl § 919 und ZustSachR § 9 1 8 : D e r Eigenthümer kommt in V e r z u g der Annahme auch dann, wenn er die Sache RedVorl §919 anzunehmen bereit ist, jedoch unterläßt, die Befriedigung oder Sicherstellung der ZustSachR § 91 ί auf G r u n d der Bestimmungen der §§ 914, 915, 917 erhobenen Ansprüche anzubieten ( R e d V o r l : Sicherstellung des Besitzers oder Inhabers wegen der demselben in Gemäßheit der Bestimmungen der §§ 915, 916, 918 anzubieten). Bei der Redaktion des K E wurde auf entsprechenden Antrag zunächst beschlossen, in § 918 auch den § 917 a zu allegieren (Prot I 5587). Des weiteren lag der Antrag vor, § 918 zu fassen: „Ist der Besitzer oder Inhaber wegen der in den §§ 914, 915, 917, 917 a bestimmten Ansprüche zur Zurückbehaltung der Sache berechtigt, so kommt der Eigenthümer in V e r z u g der Annahme auch dann, wenn er die Sache anzunehmen bereit ist, jedoch die Befriedigung oder gehörige Sicherstellung der erhobenen Ansprüche nicht anbietet." Die Kom. beschloß, die W o r t e : „jedoch unterläßt etc." zu ändern in: „jedoch die Befriedigung oder Sicherstellung der auf G r u n d der Bestimmungen der §§ 914, 915, 917, 917 a erhobenen Ansprüche nicht anbietet." Im Uebrigen w u r d e der Antrag auf Ä n d e r u n g des § 918 abgelehnt. Im E I ist die Vorschrift als § 941 g e f a ß t : D e r Eigenthümer k o m m t in V e r z u g der A n n a h m e auch dann wenn er die Sache Ε I § 941 a n z u n e h m e n bereit ist, jedoch die Befriedigung oder Sicherstellung der auf G r u n d der §§ 936, 937, 939, 940 erhobenen Ansprüche nicht anbietet. B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 96. Sitzung vom 7. 4. 1883 | IV. Zu dem § 938 lagen die Anträge vor: I Prot-RJA 961 1. D e n § 938 zu fassen: „Die in den §§ 936, 937 bestimmten Ansprüche können von dem Besitzer nur geltend gemacht werden, wenn er die Sache dem Eigenthümer herausgegeben und dieser sie a n g e n o m m e n hat. D e m Besitzer steht jedoch wegen seiner Ansprüche das Zurückbehaltungsrecht zu. Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach der H e r ausgabe gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, daß der Besitzer sich bei der H e r a u s g a b e die Ansprüche vorbehalten hat. In Ermangelung eines solchen V o r 8
Zitiert sind in der RedVorl die §§ 915, 916, in der ZustSachR und im KE die §§ 914, 915 und im Ε I die §§ 936, 937.
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§§ 1000-1003
3. Abschnitt: Eigenthum
behalts kann sich der Eigenthümer durch Rückgabe der Sache von den Ansprüchen befreien." Als § 938 a zu bestimmen: „Verweigert der Eigenthümer die Abnahme der Sache gegen Befriedigung des | Prot-RJA 962 Besitzers wegen der | in den §§ 936, 937 bestimmten Ansprüche oder giebt er die Sache nach § 938 Abs. 2 dem Besitzer zurück, so geht das Eigenthum an der Sache auf den Besitzer über. Der Verweigerung der Abnahme steht es gleich, wenn der Eigenthümer nicht innerhalb einer ihm von dem Besitzer unter Angabe des Betrags der zu ersetzenden Verwendungen bestimmten angemessenen Frist die Sache gegen Befriedigung des Besitzers abnimmt oder, falls er die Ansprüche bestreitet, gegen den Besitzer Klage auf Herausgabe der Sache erhebt." Planck 2. Den § 938 a des vorstehenden Antrages durch folgende Vorschriften zu er(Nr 107, 2) setzen: „Der Besitzer kann den Eigenthümer unter Angabe des Betrages des von ihm für Verwendungen geforderten Ersatzes auffordern, innerhalb einer von ihm gesetzten Frist entweder die Sache gegen Berichtigung des Verwendungsanspruchs anzunehmen oder die öffentliche Versteigerung der Sache zu gestatten. Geschieht innerhalb der gesetzten Frist weder das Eine noch das Andere, so geht das Eigenthum der Sache auf den Besitzer über und erlischt der Verwendungsanspruch des letzteren. Wählt der Eigenthümer die Gestattung der Versteigerung, so hat er dem Besitzer auf dessen Verlangen wegen der Kosten derselben Sicherheit zu leisten. Geschieht dies vor Ablauf einer ihm von dem Besitzer gesetzten angemessenen Frist nicht, so gilt die Gestattung der Versteigerung als nicht erfolgt. Die Versteigerung hat durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten oder öffentlichen angestellten Versteigerer zu erfolgen. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache. Bestreitet der Eigenthümer innerhalb der ihm nach Abs. 1 bestimmten Frist den Verwendungsanspruch des Besitzers, so treten die im Abs. 2 bestimmten Folgen erst ein, wenn nach rechtskräftiger Feststellung des Verwendungsanspruchs die im Abs. 1 bestimmte Aufforderung wiederholt und erfolglos geblieben ist." Der Antrag 1 will die Vorschrift des § 938 entsprechend den bei der Regelung des Funderwerbes gefaßten Beschlüssen abändern und ergänzen. Der Antrag 2 giebt dem Eigenthümer die Wahl, entweder den Besitzer der Sache wegen der gemachten Aufwendungen zu entschädigen oder eine öffentliche Versteigerung der Sache herbeizuführen; gestattet er weder das Eine noch das Andere, so soll das Eigenthum an der Sache auf den Besitzer übergehen. Der Antrag beruht auf der Erwägung, daß der Eigenthümer möglicherweise in eine mißliche Lage komme, wenn er die Entschädigung f ü r die gemachten Aufwendungen nicht sofort auftreiben könne. Es sei unbillig, daß alsdann ohne Weiteres das Eigenthum an der Sache auf den Besitzer übergehen solle. Man werde deshalb dem Eigenthümer das Recht geben müssen, eine öffentliche Versteigerung der Sache zu verlangen. Der Besitzer laufe dabei keine Gefahr, da ihm einerseits nach dem Antrage wegen der Kosten der Versteigerung vom Eigenthümer Sicherheit zu leisten sein würde, und da er andererseits in der Lage sei, bei der Versteigerung mitzubieten und sich auf diesem Wege den Ersatz seiner Verwendungen sei es direkt, indem er ein höheres Gebot veranlasse, sei es durch den Erwerb der Sache zu verschaffen. Gegen den Vorschlag wurde geltend gemacht, daß das geltende Recht eine derartige Bestimmung nicht kenne, daß man auch beim Funde von der Versteigerung 840
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1000-1003
abgesehen habe, und daß ein praktisches Bedürfniß f ü r die Erweiterung des § 938 nicht nachgewiesen sei. Die Kommission war der Ansicht, daß die vorgeschlagene | Vorschrift der Billig- | Prot-RJA 964 keit wohl entsprechen w ü r d e , daß aber der zu erzielende Gewinn nicht im Verhältniß stehe zu der Komplizirung, welche der im Antrag 2 normirte § 938 a herbeiführen würde. Wahrscheinlich werde von der Bestimmung nicht viel Gebrauch gemacht werden und man werde deshalb besser thun, dem Antrage 2 nicht stattzugeben. Gegen den Antrag 1 w u r d e kein Widerspruch laut. | VII. Die §§ 941 und 942 9 erachtete man durch die früheren Beschlüsse f ü r erle- | Prot-RJA 966 digt.
C . 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 3 5 7 - 3 7 0 ; Mugdan, Bd. 3, S. 685 ff.) a) Z u § 938 lagen die Anträge vor: 1. Die Vorschriften wie folgt zu ersetzen:
Achilles
§ 938. D e r Besitzer kann einen ihm nach den §§ 936, 936 a, 936 c, 937 der V o r l Zust. zustehenden Anspruch nur geltend machen, wenn die Sache ihm von dem Eig e n t h ü m e r abgenommen wird. Es steht ihm jedoch wegen des Anspruchs das Z u rückbehaltungsrecht zu. D e r Anspruch gegen den Eigenthümer wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß dieser das Eigenthum erst erworben hat, nachdem die V e r w e n d u n g geschehen war. D e r Anspruch erlischt, wenn er nicht vor dem Ablauf eines Monats nach H e r ausgabe der Sache an den Eigenthümer gegen diesen gerichtlich geltend gemacht wird, es sei denn, daß der Besitzer bei der H e r a u s g a b e den Anspruch sich vorbehalten hat. In Ermangelung eines solchen Vorbehalts kann der Eigenthümer durch die R ü c k g a b e der Sache sich von der Verbindlichkeit dem Besitzer gegenüber befreien. § 938 a. Verweigert der Eigenthümer die Abnahme der Sache gegen Befriedig u n g des Besitzers wegen eines demselben nach den §§ 936, 936 a, 936 b, 937 zustehenden Anspruchs oder giebt er die Sache nach § 938 Abs. 3 Satz 2 zurück, so geht das Eigenthum an der Sache auf den Besitzer über. Einer Verweigerung der Abnahme steht es gleich, wenn der Eigenthümer nicht innerhalb einer ihm von dem Besitzer unter Angabe des Betrags der zu ersetzenden V e r w e n d u n g e n bestimmten angemessenen Frist die Sache gegen Befriedigung des Besitzers abnimmt oder, falls er einen Anspruch bestreitet, gegen den Besitzer Klage auf H e r a u s g a b e der Sache erhebt. 2. den § 938 Abs. 2 des Antrags 1 dahin zu ergänzen: es sei denn, d a ß der Erwerb nach Maßgabe des § 837 Abs. 1 erfolgt ist und der Erwerber zur Zeit des Erwerbes die V e r w e n d u n g durch den Besitz nicht gekannt hat. M a n erachtete es f ü r zweckmäßig, den § 938 absatzweise zu berathen, und erörterte zunächst den Abs. 2 des § 938 im Antrag 1. Die Komm, lehnte den Zusatzantrag 2 ab und nahm den Antrag 1 an. Die Absätze 1 und 2 des § 938 wurden nicht beanstandet. D e r § 938 Abs. 3 des Antrags 1 wurde mit der Abänderung gebilligt, daß man beschloß, die Frist f ü r die gerichtliche Geltendmachung des Verwendungsanspruchs bei Grundstücken auf sechs Monate zu erstrecken. 9
S 942 s. bei $$ 985, 986 BGB.
841
( N r 96> " )
§§ 1000-1003
3. Abschnitt: Eigenthum
b) Zu § 938 Abs. 3 lagen vor: 1. die §§ 938, 938 a des Antrags 1 unter a, von welchen der § 938 bis auf Theile der Abs. 2, 3 erledigt war; hierzu die Unteranträge: 2. a) den Abs. 2 des § 938 zu streichen, eventuell ihm den im Antrage 2 vorgeschlagenen Zusatz hinzuzufügen: b) den Abs. 3 Salz 2 und den § 938 a zu streichen, eventuell den § 938 a Abs. 1 zu schließen: erlischt sein Anspruch auf die Herausgabe. Wolffson (Nr 105)
3. den § 938 a zu streichen und statt desselben d e n § 939 Abs. 2 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: Verweigert der Eigenthümer die Befriedigung des Besitzers wegen des im Abs. 1 erwähnten Anspruchs, so geht das Eigenthum an der Sache auf den Besitzer über. Einer Verweigerung der Befriedigung steht es gleich (u.s.w. wie § 938 a Abs. 2 des Antrags 1). b) dem § 940 hinzuzufügen: und daß, wenn der Eigenthümer die Befriedigung des Besitzers wegen dieser Forderung verweigert, das Pfandrecht als zu Recht bestehend gilt. c) den § 941 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: Verweigert der Eigenthümer die Befriedigung des Besitzers wegen eines demselben nach den §§ 936, 936 a, 936 c, 937 zustehenden Anspruchs, so steht dem Besitzer das Recht zu, sich durch den Verkauf der Sache nach den Vorschriften der §§ 1170 bis 1176 f ü r seine Ansprüche bezahlt zu machen. Der § 939 Abs. 3 (gleich § 938 a Abs. 2 des Antrags 1) findet Anwendung. a)
4. a) den Abs. 1 des § 938 zu fassen: v. Jacubezky Der dem Besitzer nach den §§ 936, 936 a, 936 c, 937 zustehende Anspruch ist (Nr 116, 1) dadurch bedingt, daß der Eigenthümer den Besitz erlangt oder mit der Annahme der Sache in Verzug kommt. Der Eigenthümer haftet für den Ersatz der im § 936 bezeichneten Verwendungen nur bis zur H ö h e des Werthes, welchen die Sache zur Zeit der Erlangung des Besitzes oder des Eintritts des Verzugs hat. (War die Sache zu der Zeit, zu welcher die Verwendung erfolgt ist, mit Rechten Dritter belastet, welche diese nicht zum Besitze der Sache berechtigen, so kommt der Werth der Belastungen in Abzug; sind solche Rechte später entstanden, so hat der Eigenthümer dasjenige, was er durch die Begründung der Rechte erlangt hat, soweit es zur Befriedigung des Anspruchs des Besitzers erforderlich ist, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben.) b) den Abs. 3 des § 938 zu fassen: Der Anspruch des Besitzers erlischt, wenn er nicht vor dem Ablauf eines Monats, bei Grundstücken vor dem Ablaufe von sechs Monaten, nachdem der Eigenthümer den Besitz der Sache erlangt hat, gerichtlich geltend gemacht wird, es sei denn, daß der Besitzer sich den Anspruch bei der Herausgabe der Sache vorbehalten hat. Der Eigenthümer kann sich von seiner Verbindlichkeit dadurch befreien, daß er den Verkauf der Sache zum Zwecke der Befriedigung des Besitzers verlangt und, wenn er den Besitz erlangt hat, ihm die Sache zurückgiebt. Der Verkauf hat bei beweglichen Sachen nach den f ü r den Verkauf eines Faustpfandes geltenden Vorschriften, bei Grundstücken nach den Vorschriften über die Zwangsversteigerung zu erfolgen. Erweist sich die Sache als unverkäuflich, so ist der Zuschlag dem Besitzer zu ertheilen; der Anspruch des Besitzers erlischt. 842
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1000-1003
Das Recht des Eigenthümers, sich in dieser Weise zu befreien, ist ausgeschlossen, wenn der Eigenthümer die Sache unter dem Vorbehalte der Ansprüche des Besitzers angenommen hat. 5. a) den letzten Satz des § 938 zu fassen: In Ermangelung eines solchen Vorbehalts kann der Eigenthümer durch Rückgäbe der Sache die Rechtslage, wie sie vor der Annahme der Sache war, wiederherstellen. b) den § 938 a durch folgende Vorschriften zu ersetzen: Der Besitzer kann den Eigenthümer unter Angabe des Betrags des von ihm für Verwendungen geforderten Ersatzes auffordern, innerhalb einer von ihm gesetzten angemessenen Frist entweder die Sache gegen Berichtigung des Verwendungsanspruchs anzunehmen oder die Versteigerung der öffentlichen Sache zu gestatten. Geschieht innerhalb der gesetzten Frist weder das Eine noch das Andere, so geht das Eigenthum der Sache auf den Besitzer über und erlischt der Verwendungsanspruch des letzteren. Wählt der Eigenthümer die Gestattung der Versteigerung, so hat er dem Besitzer, auf dessen Verlangen wegen der Kosten derselben Sicherheit zu leisten. Geschieht dies vor dem Ablauf einer ihm von dem Besitzer gesetzten angemessenen Frist nicht, so gilt die Gestattung der Versteigerung als nicht erfolgt. Die Versteigerung hat durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer zu erfolgen. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache. Bestreitet der Eigenthümer innerhalb der ihm nach Abs. 1 bestimmten Frist den Verwendungsanspruch des Besitzers, so treten die im Abs. 2 bestimmten Folgen erst ein, wenn nach rechtskräftiger Feststellung des Verwendungsanspruchs die im Abs. 1 bestimmte Aufforderung wiederholt und erfolglos geblieben ist. Dieser Antrag wurde später vom Antragsteller wie folgt abgeändert: 6. a) den § 938 a des Antrags 5 b zu fassen: Der Besitzer kann den Eigenthümer unter Angabe des Betrags des von ihm für Verwendungen geforderten Ersatzes auffordern, innerhalb einer von ihm bestimmten angemessenen Frist die Sache gegen Berichtigung des Verwendungsanspruchs abzunehmen. Erfolgt innerhalb dieser Frist die Berichtigung des Verwendungsanspruchs nicht, so ist der Besitzer berechtigt, wegen seines Anspruchs Befriedigung aus der Sache zu verlangen. Ist die Sache eine bewegliche, so finden die Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen, ist die Sache eine unbewegliche, die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen entsprechende Anwendung. Bestreitet der Eigenthümer innerhalb der ihm nach Abs. 1 bestimmten Frist den Anspruch des Besitzers, so wird dieser erst dann berechtigt, Befriedigung aus der Sache zu verlangen, wenn nach rechtskräftiger Feststellung seines Anspruchs die im Abs. 1 bestimmte Aufforderung wiederholt und erfolglos geblieben ist. b) eventuell die §§ 938, 938 a durch folgende Vorschriften zu ersetzen: Uebersteigt der Betrag des dem Besitzers nach den §5 936, 936 a, 936 c, 137 zustehenden Anspruchs den Werth, welchen die Sache zur Zeit der Herausgabe an den Eigenthümer hat, so ist nur dieser Werth dem Besitzer zu ersetzen. (Dem Eigenthümer steht wegen seines Anspruchs auf Herausgabe der Sache, dem Besitzer wegen seines Anspruchs auf Ersatz der Verwendungen das Zurückbehaltungsrecht zu.) Der Eigenthümer kann sich von dem Ansprüche des Besitzers durch Uebertragung des Eigenthums der Sache an den Besitzer befreien. 843
Planck (Nr 107, 1)
Planck (Nr 107, 2)
Planck (Nr 118, 1)
Planck (Nr 118, 2)
§§ 1000—1003
3. Abschnitt: Eigenthum
D e r Anspruch des Besitzers erlischt, wenn er, sofern die Sache, auf welche die Verwendungen gemacht sind, eine bewegliche ist, nicht innerhalb eines Monats, sofern sie eine unbewegliche Sache ist, nicht innerhalb sechs Monaten nach der H e r ausgabe gerichtlich geltend gemacht ist, es sei denn, daß der Besitzer bei der H e r ausgabe den Anspruch sich vorbehalten hat. Schließlich wurden die beiden Anträge 5 und 6 vom Antragsteller zurückgezogen und statt ihrer zum Antrag 1 beantragt: Planck ( N r 126, 1) Planck ( N r 126, 2)
Planck ( N r 126, 3)
7. a) in § 938 Abs. 1 Satz 1 die letzten W o r t e zu fassen: wenn der Eigenthümer den Besitz der Sache wiedererlangt. b) in § 938 Abs. 3 an Stelle des letzten Satzes als Abs. 4 zu beschließen: Der Eigenthümer haftet nicht über den Werth hinaus, welchen die Sache (unter Berücksichtigung der Rechte, mit welchen sie belastet ist) zur Zeit der Wiedererlangung des Besitzes hat. (Nicht in Betracht kommen solche Rechte, mit welchen der Eigenthümer die Sache nach der Verwendung belastet hat.) W a r der Eigenthümer vor der Wiedererlangung des Besitzes in Verzug der Annahme gekommen, so tritt der Zeitpunkt, in welchem er in Verzug gekommen, an die Stelle der Zeit der Wiedererlangung des Besitzes. c) den § 938 a zu fassen: Verweigert der Eigenthümer die Abnahme der Sache gegen Befriedigung des Besitzers wegen der demselben nach den §§ 936, 936 a, 937 zustehenden Ansprüche, so erlangt der Besitzer für diese Ansprüche, wenn die Sache eine bewegliche ist, ein Pfandrecht an der Sache und kann, wenn die Sache ein Grundstück ist, die Befriedigung der Ansprüche aus demselben nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen verlangen. Einer Verweigerung der Abnahme steht es gleich, wenn der Eigenthümer nicht innerhalb einer ihm von dem Besitzer unter Angabe des Betrags der zu ersetzenden Verwendung bestimmten angemessenen Frist die Sache gegen Befriedigung des Besitzers abnimmt. (Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Besitzer in Verzug kommt.) Bestreitet der Eigenthümer vor dem Ablaufe der nach Abs. 2 bestimmten Frist die Ansprüche des Besitzers, so tritt die im Abs. 2 bestimmte Folge erst ein, wenn der Eigenthümer innerhalb einer ihm nach rechtskräftiger Feststellung der Ansprüche des Besitzers bestimmten neuen Frist die Sache nicht abnimmt. 8. der prinzipale Antrag 6 mit dem unter 5 a beantragten Zusatz wurde von anderer Seite wieder aufgenommen. 9. zu den Anträgen 6 und 7 wurde von dem Antragsteller zu 4 der dem Antrage 4 entnommene Zusatz vorgeschlagen, daß auch dem Eigenthümer das Recht zustehen soll, den Verkauf der mit den Ansprüchen des Besitzers belasteten Sache herbeizuführen. V o r der Abstimmung wurden die Anträge 3 und 4 zurückgezogen. Die schließliche Abstimmung hatte das Ergebniß, daß in Gemäßheit des Antrags 8 der prinzipale Antrag 6 mit dem unter 5 a vorgeschlagenen Zusatz zu § 938 oben unter a und unter Ablehnung des unter 9 vorgeschlagenen Zusatzes angenommen wurde.
Achilles ( N r 96, 102)
c) der § 941 wurde auf Antrag gestrichen. II. In der VorlZust sind die Beschlüsse in den §§ 938, 938 a zusammengefaßt:
Der Besitzer kann einen ihm nach den §§ 936, 936 a, 936 c, 937 zustehenden 5 938 Anspruch nur geltend machen, wenn die Sache ihm von dem Eigenthümer abge-
Ε I-VorlZust
844
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§
1000—1003
nommen wird, (oder: wenn der Eigenthümer die Sache auf Grund seines Eigenthums wieder erlangt.) Es steht ihm jedoch wegen des Anspruchs das Zurückbehaltungsrecht zu. Der Anspruch erlischt, wenn er nach der Herausgabe einer beweglichen Sache nicht vor Ablauf eines Monats, nach der Herausgabe eines Grundstücks nicht vor Ablauf von sechs Monaten gegen den Eigenthümer gerichtlich geltend gemacht wird, es sei denn, daß der Besitzer bei der Herausgabe den Anspruch sich vorbehalten hat. In Ermangelung eines solchen Vorbehalts kann der Eigenthümer durch Rückgabe der Sache die Rechtslage, wie sie vor der Annahme der Sache war, wiederherstellen. (Ist die Sache in der Zwischenzeit durch sein Verschulden verschlechtert oder belastet, so hat er dem Besitzer den Schaden zu ersetzen, welchen dieser dadurch bei einer nach Maßgabe des § 938 a erfolgenden Veräußerung der Sache erleidet.) Der Besitzer kann den Eigenthümer unter Angabe des Betrages des von ihm für Ε I-VorlZust Verwendungen geforderten Ersatzes auffordern, innerhalb einer von ihm bestimm- § 9 3 8 a ten angemessenen Frist die Sache gegen Berichtigung des Verwendungsanspruchs abzunehmen. Erfolgt innerhalb dieser Frist die Berichtigung des Verwendungsanspruchs nicht, so ist der Besitzer berechtigt, wegen seines Anspruchs Befriedigung aus der Sache zu verlangen. Ist die Sache eine bewegliche, so finden die Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen, ist die Sache eine unbewegliche, die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen Anwendung. Bestreitet der Eigenthümer innerhalb der ihm nach Abs. 1 bestimmten Frist den Anspruch des Besitzers, so wird dieser erst dann berechtigt, Befriedigung aus der Sache zu verlangen, wenn nach rechtskräftiger Feststellung seines Anspruchs die im ersten Absatz bestimmte Aufforderung wiederholt ist und der Eigenthümer vor Ablauf der Frist den Anspruch nicht berechtigt hat.
III., IV. Die RedKom nahm bei der Formulierung der §§ 938, 938 a zugleich sachliche Änderungen vor. Die von ihr so umgestalteten Vorschriften unterbreitete sie der Kom. und beantragte, die Neufassung zu genehmigen. Die Kom. nahm den Antrag an (Prot. II, Bd. IV. S. 591 f.). Die Vorschriften lauten in der ZustRedKom und als §§913, 914 im Ε II: Der Besitzer kann den Anspruch auf Ersatz von Verwendungen nur geltend ma- Ε I-ZustRedKom chen, wenn der Eigenthümer die Sache wiedererlangt oder die Verwendungen ge- § 9 3 8 nehmigt. Solange die Genehmigung nicht erfolgt ist, kann der Eigenthümer die Gel- Ε H § 9 1 3 tendmachung des Anspruchs dadurch ausschließen, ( £ II\ Solange der Eigenthümer die Verwendungen nicht genehmigt hat, kann er sich von dem Ansprüche dadurch befreien), daß er die wiedererlangte Sache zurückgiebt. Die Genehmigung gilt als ertheilt, wenn der Eigenthümer die ihm von dem Besitzer unter Vorbehalt des Anspruchs angebotene Sache angenommen hat. Hat der Besitzer die Sache dem Eigenthümer herausgegeben, so erlischt der Anspruch, wenn er nicht vor dem Ablauf eines Monats, bei einem Grundstücke vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach der Herausgabe gerichtlich geltend gemacht wird, es sei denn, daß der Eigenthümer die Verwendungen genehmigt hat. Zur Herausgabe der Sache ist der Besitzer nur gegen Befriedigung des Anspruchs verpflichtet; das Zurückbehaltungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer die Sache durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat. 845
§§ 1000-1003
3. Abschnitt: Eigenthum
Ε I-ZustRedKom Der Besitzer kann den Eigenthümer unter Angabe der H ö h e des als Ersatz ver§ 9 3 8 a langten Betrags auffordern, innerhalb einer von ihm bestimmten angemessenen Frist Ε II § 9 1 4 sich darüber zu erklären, ob er die Verwendungen genehmige.
Erfolgt die Genehmigung nicht vor dem Ablaufe der Frist, so ist der Besitzer berechtigt, Befriedigung aus der Sache nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei einem Grundstücke nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen zu suchen. Bestreitet der Eigenthümer den Anspruch vor dem Ablaufe der Frist, so kann sich der Besitzer aus der Sache erst dann befriedigen, wenn er nach rechtskräftiger Feststellung des Betrags der Verwendungen den Eigenthümer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung aufgefordert hat und die Genehmigung nicht innerhalb der Frist erfolgt ist. V. Bei der Revision des Ε II lag zu § 914 der Antrag vor: die Abs. 2 und 3 zu fassen. Dittmar (Nr 39, 12)
Erfolgt diese Genehmigung nicht und handelt es sich um eine bewegliche Sache, i s t der Besitzer berechtigt, Befriedigung aus derselben nach den für den Pfandverkauf geltenden Vorschriften der §§ 1140 bis 1147 zu suchen. Bestreitet der Eigenthümer den Anspruch vor dem Ablaufe der Frist oder handelt es sich um eine unbewegliche Sache, so kann sich der Besitzer aus der Sache erst dann befriedigen, wenn der Betrag der Verwendungen dem Eigenthümer gegenüber rechtskräftig festgestellt ist. Bei einem Grundstück erfolgt die Befriedigung nach den für die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen geltenden Vorschriften. Der Antrag wurde insoweit, als er $ 914 Abs. 2 betrifft zurückgezogen, im übrigen abgelehnt (Prot. II, Bd. 6, S. 239 f.). Bei der Schlußredaktion wurde zu § 913 Abs. 2 der Zusatz genehmigt, daß auf den Lauf der daselbst bestimmten Fristen die f ü r die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 198, 201, 202 ZustRedKom entsprechende Anwendung finden (Prot. II, Bd. 6, S. 289). Im Ε II rev §§ 9 8 5 - 9 8 8 ( £ / / / § § 9 8 4 - 9 8 7 ) liegt die in §§ 1 0 0 0 - 1 0 0 3 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
so
D. Bundesrat (Justizausschuß) I. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz führen aus: Die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück setze einen vollstreckbaren Titel voraus, und es erscheine deshalb nicht zulässig, wenn die Vorschrift des § 988 Abs. 1 Satz 2 dem Besitzer eines Grundstücks wegen Verwendungen auf dasselbe die Erwirkung der Zwangsvollstreckung lediglich auf Grund der Thatsache ermögliche, daß der Eigenthümer die ihm gesetzte Frist habe verstreichen lassen, ohne die Genehmigung der Verwendungen zu erklären. Die Vorschrift des § 988 Abs. 2 mache ohne zureichenden Grund das Verfahren weitläufig, da sie dem Besitzer nach rechtskräftiger Feststellung seines Ersatzanspruchs nicht gestatte, sich sofort aus der Sache zu befriedigen. Es wird deshalb vorgeschlagen, den § 988 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 durch folgende Vorschriften zu ersetzen: „Erfolgt die Genehmigung nicht vor dem Ablaufe der Frist, so ist der Besitzer berechtigt, aus der Sache Befriedigung zu suchen, und zwar bei einer beweglichen Sache nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei einem Grundstück auf 846
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§1004
Grund eines vollstreckbaren Titels für sein Recht zum Verkaufe nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Bestreitet der Eigenthümer den Anspruch vor dem Ablaufe der Frist, so kann sich der Besitzer erst nach rechtskräftiger Feststellung des Betrags der Verwendungen aus der Sache befriedigen." II. Der Mecklenburgische Antrag wurde, soweit er nicht durch die Neufassung erledigt ist, zurückgezogen (Bericht von Heller, Bayern, vom 15. 10. 1895).
§ 1004 Wird das Eigenthum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigenthümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigenthümer auf Unterlassung klagen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigenthümer zur Duldung verpflichtet ist.
Α. 1. Kommission I. 343. Sitzung vom 3. 9. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs 1 wurde nach der stattgehabten Unter- | Prot I 4247 brechung wieder aufgenommen und wandte sich zu den unter der Ueberschrift „Eigenthumsfreiheitsschutz" gebrachten Bestimmungen. Die §§ 205 bis 209 des Entwurfs wurden bei der Berathung zusammengefaßt. Dieselben lauten: § 205 „Der Eigenthümer eines Grundstücks kann auf Feststellung der Unbeschränktheit des Eigenthums gegen denjenigen Klage erheben, welcher durch sein Verhalten dem Kläger genügenden Anlaß zu der Annahme giebt, daß er sich ein Recht an dem Grundstücke zuschreibe." §206 „Der Eigenthümer eines Grundstücks kann auf Feststellung des nachbarlichen Rechtsverhältnisses gegen den Inhaber eines benachbarten Grundstücks Klage erheben, wenn derselbe durch | sein Verhalten dem Kläger genügenden Anlaß zu der Annahme giebt, daß er sich nachbarliche Befugnisse, die ihm nicht zustehen, anmaße oder derartigen Befugnissen des Klägers seine Anerkennung versage. Die Klage findet nicht statt, wenn kein verständiges Interesse an der Feststellung der Unerlaubtheit und der Zurückweisung des nachbarlichen Verhaltens ersichtlich ist." § 207 „Handlungen, welche nach der ergehenden Rechtsfeststellung wegen ihrer unmittelbaren oder wegen ihrer mittelbaren Folgen als rechtswidrig erscheinen, sind 1
Die vorhergehende Beratung s. bei § 955 BGB.
847
TE-SachR § 205
TE-SachR ξ 206 | Prot I 4248
TE-SachR $ 207
§1004
3. Abschnitt: Eigenthum
von dem Richter mit Strafandrohung zu verbieten, wenn das bisherige Verhalten des Beklagten eine Wiederholung besorgen läßt. Gegenüber einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage und einem mit obrigkeitlicher Genehmigung betriebenen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmen kann die Klage niemals auf Einstellung des Gewerbebetriebes, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benacht e i l i g e n d e Einwirkung ausschließen, oder, wo solche Einrichtungen unthunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden." TE-SachR § 208 „Soweit Anlagen auf dem Grundstücke des Beklagten nach der ergehenden | Prot I 4249 Rechtsfeststel- | lung unzulässig sind, ist er verpflichtet dieselben auf seine Kosten zu beseitigen." §209 TE-SachR § 209 „Hat der Beklagte im Namen eines Dritten gehandelt, so finden in Ansehung der Benennung dieses Dritten und der Uebernahme des Rechtsstreites durch denselben die Bestimmungen in § 73 der Civilprozeßordnung 2 entsprechende Anwendung." v. Mandry (Nr 146)
Folgende Anträge waren gestellt: i. s t a t t der §§ 205 — 209 folgende Bestimmungen zu beschließen:
a (§ 205) „Der Eigenthümer eines Grundstücks hat gegen denjenigen, der in sein Eigenthum oder dessen gesetzliche Erweiterungen beschränkend eingreift, den Anspruch auf Unterlassung des Eingriffs und, wenn solcher in einer dauernden Einrichtung besteht, auf Beseitigung dieser Einrichtung. Der Anspruch geht außerdem auf Ersatz des durch den Eingriff verursachten Schadens, wenn der Eingriff auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Beklagten zurückzuführen ist." b (§ 206) „Der Anspruch richtet sich auch gegen den Inhaber und gegen den Besitzer des benachbarten Grundstücks, wenn der Eingriff durch eine auf solchem befindliche Einrichtung bewirkt oder vermittelt wird. | Prot I 4250 Bezüglich des Anspruches auf Schadensersatz | finden die in den §§910 bis 913 getroffenen Bestimmungen entsprechende Anwendung. Auch ist der Beklagte, wenn die zu beseitigende Einrichtung weder durch ihn noch durch seinen Rechtsvorgänger getroffen worden ist, zur Beseitigung derselben nur gegen Vorschuß der Kosten Seitens des Klägers verpflichtet." c (§ 207) wie Absatz 2 des § 207 im Entwürfe. Abs. 1 des § 207, sowie die §§ 208 und 209 hätten auszufallen (vergl. zu § 208 den § b, zu § 209 den § 73 der Civ.Proz.O.). Planck (Nr 148, 1) (Nr 148, 2)
2. a, die §§ 205 und 206 zu streichen. b, die §§ 207, und 208 durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: j s t Jg]- Eigenthümer einer Sache auf andere Weise, als durch Vorenthaltung des Besitzes oder der Inhabung rechtswidrig in seinem Eigenthum gestört, so hat er gegen den Störer den Anspruch auf Wiederaufhebung der Störung; sind weitere Stö2
§ 73 CPO entspricht § 76 ZPO.
848
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§1004
rungen nach den Umständen zu besorgen, so kann er den Erlaß eines gerichtlichen Befehles verlangen, durch welchen weitere Störungen unter Androhung einer Strafe verboten werden. Die Kosten der Wiederaufhebung der Störung hat der Eigenthümer zu tragen, sofern nicht das zwischen ihm und dem Verpflichteten bestehende Rechtsverhältniß ein Anderes ergiebt. (Vergl. §§ 809 und 827 der Zusammenst 3 . Protok. S. 3519) Gegenüber einer mit obrigkeitlicher Bewil- | ligung — u.s.w. wie im 2. Absätze des § 207." (Eventuelle Fassung des 1. Satzes: „Der Eigenthümer hat gegen Jeden, der auf andere Weise als durch Vorenthaltung des Besitzes oder der Inhabung einen das Eigenthum verletzenden Zustand aufrecht erhält, einen Anspruch auf Beseitigung dieses Zustandes"). c, dem § 809 (Prot. S. 3518 — 3520, 3522) 4 einen dem 2. Absätze des Antrages b entsprechenden Zusatz zu geben. d, den Eingang des § 209 dahin zu fassen: „Behauptet der Beklagte im Namen eines Dritten gehandelt zu haben — u.s.w." e, hinter § 209 folgenden neuen § hinzuzufügen: „Rücksichtlich des in §§ 207 und 208 bezeichneten Anspruchs finden die VorSchriften des § 920 der Zusammenstellung des Sachenrechts (Prot. S. 4233—4241) 5 entsprechende Anwendung."
| Prot 1 4251
Planck (Nr 148, 3) Planck (Nr 148, 4) Planck (Nr 148, 5)
3.a, an Stelle der §§205—208 des Entwurfs folgende Bestimmungen aufzuneh- v. Schmitt (Nr 150) men: „Der Eigenthümer einer Sache hat gegen Jeden, welcher, ohne demselben die Inhabung oder den Besitz zu entziehen, auf die Sache einwirkt, oder ihn hindert, damit nach Willkür zu verfahren [§831 Zusst. (Prot. S. 3 7 2 7 - 3 7 2 9 ) ] 6 den Anspruch auf Wiederaufhebung des Eingriffs. Sind weitere Eingriffe nach den Umständen zu besorgen, so kann der Eigenthümer den Erlaß eines gerichtlichen Befehls verlangen, durch welchen weitere Eingriffe unter Anordnung einer Strafe verboten werden. Die Bestimmungen der Gewerbeordnung bleiben unberührt." b, dem Gedanken des bayerischen Entwurfs Art. 176 | Abs. 2 in Anpassung an die | Prot I 4252 entsprechenden Bestimmungen der Zusammenstellung (§§909—911, Prot. S. 4159—4173) 7 in einem besonderen Paragraphen Ausdruck zu geben. Kurlbaum 4.a, §§ 205, 206 zu streichen. (Nr 151) b, § 207 zu ersetzen durch Folgendes: „Ist der Eigenthümer einer Sache in seinem Rechte gestört, so hat er gegen den Störer den Anspruch auf Wiederaufhebung der Störung. Sind weitere Störungen nach den Umständen zu besorgen, so kann der Eigenthümer die Verurtheilung des Störers zur Unterlassung weiterer Störung verlangen. Wird es streitig, ob das Eigenthum beschränkt sei, so hat der Störer die Beschränkung zu beweisen." c, §§ 208, 209 zu streichen.
3 4 5 6 7
§ 809 S. bei S. bei S. bei S. bei
s. bei § 862 BGB, § 827 bei § 894 BGB. §S 858 —860 BGB. SS 1006, 1007 BGB. S 903 BGB. S S 9 8 7 - 9 9 3 BGB.
849
§1004
3. Abschnitt: Eigenthum
5. a, an Stelle der §§ 205, 206 und 207 Absatz 1 des Entwurfs zu bestimmen:
v. Weber (Nr 152)
§ 205 „Der Eigenthümer kann gegen denjenigen, welcher ihn thatsächlich in dem Eigenthum seiner Sache beschränkt oder ein dieses Eigenthum beschränkendes Recht behauptet, Klage auf Feststellung der Unbeschränktheit des Eigenthums erheben. Er ist zugleich berechtigt, Aufhebung der Beschränkung seines Eigenthums, soweit eine solche noch fortbesteht, Ersatz des ihm durch die Eigenthumsstörung verursachten Schadens nach Maßgabe der Vorschriften über den Schadensersatz aus unerlaubten Handlungen und Verbot fernerer Störungen unter Strafandrohung zu verlangen." | [eventuell | Prot I 4253 α, statt des ersten Absatzes des obigen § 205 in dem Einführungsgesetze dem § 231 der Civilprozeßordnung den Zusatz beizufügen: „Ein rechtliches Interesse ist bei der Klage des Eigenthümers auf Feststellung der Unbeschränktheit seines Eigenthums immer anzunehmen, wenn der Eigenthümer in dem Eigenthume seiner Sache von dem Gegner thatsächlich beschränkt wird oder der Gegner ein dieses Eigenthum beschränkendes Recht behauptet." ß, statt der im zweiten Absätze des obigen § 205 enthaltenen Worte „Ersatz des ihm durch die Eigenthumsstörung verursachten Schadens pp. bis Handlungen" den § 27 der Civilprozeßordnung dahin zu erweitern, daß in dem dinglichen Gerichtsstande persönliche Klage wegen durch Eigenthumsstörungen verursachten Schadens (nicht blos wegen Beschädigung eines Grundstücks) erhoben werden könne.] §205 a „Die Feststellungsklage und die Ansprüche aus § 205 Absatz 2 sind ausgeschlossen, wenn der Gegner auf Grund eines Rechtes an der Sache oder auf Grund einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung zu der Eigenthumsbeschränkung berechtigt ist." b, den § 208 zu fassen: „Anlagen auf dem Grundstücke des Klägers oder des Beklagten, welche eine rechtswidrige Eigenthumsbeschränkung zur Folge haben (welche nach der ergehenden Rechtsfeststellung unzulässig sind), hat der Beklagte, welcher Urheber dersel| Prot I 4254 ben ist, auf seine Kosten zu | beseitigen; ein Sondernachfolger desselben (dritter Besitzer) aber ist nur deren Beseitigung durch den Kläger geschehen zu lassen verpflichtet." I. Zunächst wurde die Vorfrage erörtert, welchem Systeme gefolgt werden solle. Das System, auf welchem der Entwurf beruht, ist ein anderes als dasjenige, welches den Anträgen zu Grunde liegt. Der Entwurf betrachtet als das Wesentliche in der Negatoria das praejudicium und stellt deshalb das Recht auf Erhebung der Feststellungsklage, wenn das Verhalten des Gegners dazu genügenden Anlaß giebt, an die Spitze. Er verkennt nicht, daß unter besonderen Voraussetzungen noch andere aus der partiellen Verletzung des Eigenthums sich ergebende Ansprüche anerkannt werden müssen, bringt dieselben aber in Verbindung mit dem Resultate der Rechtsfeststellung, so daß sie als Annexe der Feststellung erscheinen. Die Anträge 1 — 4 dagegen erachten gerade diese Ansprüche für den alleinigen Gehalt der Negatoria, die Rechtsfeststellung aber als etwas ihr durchaus nicht Eigenthümliches, zumal seit der Geltung des § 231 der C.Pr.O. 8 , während der Antrag 5 eine Mittelstellung einnimmt. » §231 C P O entspricht § 2 5 6 1 ZPO.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ 1004
Die Kommission beschloß, dem Systeme der Anträge 1—4 zu folgen. Die Feststellungsklage des Eigenthümers wurde dabei unberührt gelassen und die Frage vorbehalten, ob die Vorschriften der C.Pr.O. § 231 in der vom Entwurf und dem eventuellen Antrag 5 a unter a beabsichtigten Weise (S. 4253) zu ergänzen seien. Erwogen war: In Ansehung der Vindikation habe die Kommission anerkannt, daß die objektive Verletzung des Eigenthums durch den Zustand des fremden Besitzes oder | der | Prot I 4255 fremden Inhabung ohne Rücksicht auf culpa oder dolus des Beklagten einen Anspruch nicht blos auf ein Dulden, sondern auf eine positive Leistung des Beklagten, die Herausgabe, erzeuge, zu vergl. § 908 der Zusammenstellung, Prot. 18. Juni 1884, S. 4152 bis 4155 9 . In analoger Weise müsse auf die partielle Verletzung des Eigenthums, welche zwar nicht in dem Besitze oder der Inhabung eines Nichtberechtigten bestehe, aber doch einen gegenwärtig noch fortdauernden objektiv mit dem Rechte des Klägers im Widerspruch stehenden Zustand herbeigeführt habe, einen Anspruch auf Beseitigung dieses Zustandes erzeugen, daneben aber, sowie in den Fällen, in welchen die partielle Verletzung nicht mehr fortbestehe, der Anspruch auf Unterlassung schlechthin oder doch unter gewissen Voraussetzungen gewährt werden. Durch die Zulassung dieses Anspruchs werde die nebenherlaufende aus der Prozeßordnung sich ergebende Befugniß zur Erhebung der Feststellungsklage überall nicht berührt. Zu bemerken sei, daß durch die Charakterisirung der actio negatoria als Anspruch dieselbe den Vorschriften über die Anspruchsverjährung unterstellt werde, während die Feststellungsklage als solche der Verjährung nicht unterliege. II. Voraussetzungen des negatorischen Anspruchs. Man erkannte, daß, wenn auch die Ausdrucksweise der Anträge im Einzelnen von einander abweichen, doch materiell im Wesentlichen Uebereinstimmung bestehe. Es werden die Ausdrücke: Eingriff, Störung, Beschränkung gebraucht, jedoch wollen diese Ausdrücke übereinstimmend die gegenwärtige objektive Verletzung des Eigenthums bezeichnen. Im Antrag 1 a (S. 4249) wird hervorgehoben, daß die Verletzung auch die gesetzlichen Erweiterungen des Eigenthums treffen | könne. Im Antrag 2 b (S. 4250) wird auf das | Prot I 4256 Erforderniß hingewiesen, daß die Verletzung eine — objektiv — rechtswidrige sein müsse. Beschlossen wurde, den negatorischen Eigenthumsanspruch dem Eigenthümer gegen denjenigen zu geben, welcher sein Eigenthum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes oder der Inhabung verletzt. Erwogen war: Man müsse die Voraussetzung für die actio negatoria in analoger Weise bestimmen, wie die Prämisse für die Vindikation. D a s Analogon sei freilich nicht leicht näher zu bezeichnen. Gemeinsam sei das Erforderniß, daß eine objektive Verletzung des Eigenthums vorliegen müsse. Alsdann werde entweder die Vindikation oder der negatorische Anspruch platzgreifen. Es erscheine deshalb am einfachsten, die V o r aussetzungen des letzteren negativ dahin zu bestimmen, daß er bei einer zur Vindikation nicht genügenden Verletzung des Eigenthums stattfinde. Damit werde alsdann zugleich klargestellt, daß ebenso, wenn auch in geringerem U m f a n g e , wie bei dem Besitze oder der Inhabung eines Nichteigenthümers ein das Recht des Eigenthümers objektiv verletzender Zustand vorliegen müsse, auf dessen Beseitigung der negatorische Anspruch abziele. 9
S. bei SS 985, 986 BGB. 851
§ 1004
3. Abschnitt: Eigenthum
Das Erforderniß der objektiven Rechtswidrigkeit liege schon in dem Ausdrucke „verletzt" und bedürfe nicht der besonderen Hervorhebung. Andererseits sei aber auch das von einer Seite erhobene Bedenken nicht begründet, daß durch die Anerkennung des Erfordernisses der objektiven Rechtswidrigkeit der Frage der Beweislast in unzutreffender Weise präjudizirt werde. Der Beweis, daß die objektive | Prot I 4257 Rechtsverletzung subjektiv für den Beklagten wegen der dem- | selben zustehenden Befugnisse den Charakter der Rechtsverletzung verliere, werde dem Beklagten obliegen und könne dies nöthigenfalls, sei es mit Antrag 4 b (S. 4252) direkt, sei es mit Antrag 5 a (§ 205a, S. 4253) dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß § 9 1 9 der Zusammenstellung, Prot, vom 27. Juni 1884, S. 4217, 4218 10 f ü r entsprechend anwendbar erklärt werde, was späterer Beschlußfassung vorbehalten bleibe. Der Ausdruck „Verletzung" verdiene den Vorzug vor den sonst vorgeschlagenen Ausdrücken Störung, Eingriff, Beschränkung, weil er das Mißverständniß fern halte, daß eine unmittelbare Handlung des Beklagten erforderlich sei, während doch auch schon ein ohne eigenes Handeln sowie ohne culpa und dolus eingetretener rechtswidriger Zustand, ζ. B. die Hinüberneigung eines Gebäudes über die Grenze, genüge. Mit dem Antrage 1 (S. 4249) der gesetzlichen Erweiterungen des Eigenthums besonders zu gedenken, sei entbehrlich, aber auch um deswillen nicht unbedenklich, weil das Mißverständniß entstehen könnte, jene Befugnisse seien nicht in jeder Beziehung den andern im Eigenthum liegenden Befugnissen gleich zu behandeln. III. Inhalt des negatorischen Anspruchs. 1. Einverständniß bestand, daß, wenn die Rechtsverletzung auf Seiten des Beklagten einen dauernden Zustand des Besitzes oder der Inhabung geschaffen habe, welcher, ohne dem Kläger die eigene Sache zu entziehen, das Recht desselben verletze, der negatorische Anspruch in Anschluß an § 809 der Zusammenstellung, Prot. 12. und 14. März 1884, S. 3 5 1 8 - 3 5 2 0 und § 827 daselbst, Prot. 9. April 1884 S. 3718 — 3721", auf die Wiederaufhebung des objektiv dem Rechte widersprechenden Zustandes durch positive Leistung des Beklagten gehen müsse. Die Auffassung | Prot 1 4258 der Motive S. 1007, | 1008, daß es sich auch hier nur um ein Unterlassungs-, nicht um ein Leistungsgebot handle, nämlich um die künftige Unterlassung eines unbefugten (projectum, immissum) habere, war bereits früher, S. 3519, abgelehnt. Von einer Seite wurde noch bemerkt, daß der hier gegebene Anspruch auf Restitution wohl unterschieden werden müsse, von dem aus dem Delikt entspringenden Anspruch auf Restitution, welcher bezwecke, den Verletzten wieder in die Vermögenslage zu bringen, als wenn die Verletzung sich nicht zugetragen hätte, während der hier in Rede stehende Restitutionsanspruch nicht einen etwa entstandenen Vermögensabbruch ausgleichen, sondern die weitere Dauer eines mit dem Rechte im Widerspruch stehenden thatsächlichen Zustandes beseitigen solle. Die Bemerkung fand keinen Widerspruch. 2. Anspruch auf Erlaß eines richterlichen Verbotes fernerer Verletzungen. Einverständniß bestand über Folgendes: Der aus dem Eigenthum herzuleitende Anspruch auf Unterlassung von Verletzungen werde manches Eigenthümliche haben. Das Zuwiderhandeln werde nicht schlechthin f ü r den entstandenen Schaden haftbar machen, sondern nur insoweit als die Vorschriften über die Haftung aus unerlaubten Handlungen, über den Eigen10
"
S. bei § 986 BGB. § 809 s. bei $ 862 BGB, § 827 bei § 894 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§1004
thumsanspruch und über den Besitzanspruch ergäben, zu vergl. Prot. S. 115312. N u r soweit diese Vorschriften reichten, genieße der fragliche Anspruch auf Unterlassung einen Schutz. Klagend geltend gemacht könne der Anspruch auf Unterlassung ohne besondere Bestimmung nicht werden, denn, insofern er sich nicht in Schadens- und Ersatzansprüche umgesetzt habe, gehe er seinem Inhalte nach auf ein zukünftiges Verhalten, also niemals auf eine fällige Leistung, zu vergl. K.E. § 18913. Es handle sich deshalb um eine Verstärkung des Schutzes des Berechtigten, nach- | dem | Prot I 4259 eine Verletzung vorgekommen, gegenüber dem Verletzer. Dieser Schutz sei am einfachsten dadurch zu beschaffen, daß im besagten Falle dem Berechtigten eio Anspruch auf Unterlassung gegen den Verletzer zugesprochen und die Befugniß des Berechtigten, die Verurtheilung zur Unterlassung weiterer Störungen zu verlangen, bestimmt werde. Auf diesem Wege werde der Anspruch unter den Schutz der in § 775 der C.P.O. 14 angeordneten Exekutionsmaßregeln gestellt, und dem Berechtigten auch der Weg eröffnet, durch Einwirkung einer Kautionsbestellung nach § 775 Abs. 3 sich zu sichern. Die Kommission beschloß aus den dem Vorstehenden zu entnehmenden Gründen, dem Antrag 4 b (S. 4252) zu folgen und dem Eigenthümer gegenüber dem Verletzer die Befugniß zuzusprechen, dessen Verurtheilung zur Unterlassung weiterer Rechtsverletzungen zu verlangen. Zugleich wurde jedoch im Anschluß an § 809 der Zusst. (Prot. S. 3518—3520, 3522) und aus den in Prot. S. 3520 angeführten Gründen beschlossen, dieser Vorschrift die einschränkende Voraussetzung hinzuzufügen, daß weitere Verletzungen den Umständen nach zu besorgen sind. Die Fassung blieb der Prüfung bei der Redaktion vorbehalten. IV. Folgende Einzelheiten blieben zu erledigen: 1. Die in § 208 des Entwurfs getroffene Entscheidung über die Verpflichtung zur Beseitigung von Anlagen auf eigene Kosten. Beschlossen wurde, eine Bestimmung weder über die Beseitigung von Anlagen noch über die Kostenfrage in das Gesetzbuch aufzunehmen. Erwogen war: Nachdem dem Eigenthümer ein Anspruch gegen den Verletzer auf Beseitigung der Verletzung gegeben sei, verstehe sich von selbst, daß dieser Anspruch auch die Be- | seitigung von verletzenden Anlagen umfasse und daß der Anspruchsverpflich- | Prot I 4260 tete Alles zur Erfüllung seiner Pflicht Erforderliche auf eigene Kosten vorzunehmen habe, zu vergl. Prot. S. 3829 15 und 4205 16 . Mit dem Antrage 2 b (S. 4250) im Anschluß an § 827 der Zusammenstellung, Prot. 9. April 1884, S. 3718 bis 3721, eine Ausnahme von dieser Pflicht zur Leistung auf eigene Kosten zu machen, liege ein genügender Grund nicht vor. Dort, in § 827, sei aus Rücksicht auf den positiven Charakter des Grundbuchrechts eine Ausnahme gemacht und insbesondere erwogen, daß im Allgemeinen dem unrichtig Gebuchten nicht die Sorge für die Richtigerhaltung des Grundbuchinhalts auferlegt werden könne, während sehr wohl aus praktischen Gründen die Verpflichtung eines Jeden sich rechtfertigen lasse, seine Sache in einem Zustande zu erhalten, der fremdes Recht nicht beeinträchtige. Auch könne es sich nicht empfehlen, zwischen den Fällen zu unterscheiden, in welchen ι2 13 14 15 16
S. bei § 280 BGB. S. die Quellen z. § 190 Ε I im Anhang I des Bandes Allgemeiner Teil. § 775 C P O entspricht § 890 Z P O . S. bei § 9 0 6 BGB. S. bei §S 1 0 0 0 - 1 0 0 3 BGB.
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§1004
3. Abschnitt: Eigenthum
der Beklagte oder sein allgemeiner oder auch sein Sonderrechts-Vorgänger oder ein sonstiger Dritter die Anlage gemacht habe. Sollten die störenden Anlagen von einem solchen Dritten herrühren, so bleibe übrigens immer noch die Frage offen, ob dieser und nicht der Eigenthümer der Anlagen als der Verpflichtete gegenüber dem Beseitigungsanspruche erscheine. Man habe nur die Wahl zwischen dem Prinzipe des Entwurfs und dem Grundsatze, daß nur derjenige Beklagte, dem eine culpa zur Last falle, die Kosten zu tragen habe. Das erstere Prinzip verdiene aus den obigen Gründen und den Ausführungen der Motive S. 1007—1009 den Vorzug. Mit der in dem gefaßten Beschlüsse liegenden Ablehnung des Antrags 2 b galt auch der Antrag 2 c (S. 4251), welcher eine entsprechende Ergänzung des § 809 der Zusammenstellung vorschlägt, als erledigt. | Prot I 4261
| 2. Anspruch auf Schadensersatz. Beschlossen wurde, über den aus der partiellen Verletzung des Eigenthums entspringenden Anspruch auf Schadensersatz an dieser Stelle nichts Besonderes zu bestimmen; die den Gerichtsstand betreffenden Vorschläge des Antrags 5 a ß (S. 4253) blieben weiterer Erörterung vorbehalten.
Erwogen war: Der negatorische Anspruch habe lediglich eine objektive Rechtsverletzung zur Voraussetzung und eine solche genüge nicht zur Begründung einer Schadensersatzpflicht, wenn nicht Umstände hinzuträten, welche die Verletzung zugleich als Delikt erscheinen ließen. Diese Meinung präjudizire übrigens nicht der Frage, ob nicht der Verletzte des Beweises auch der subjektiven Zurechenbarkeit der Verletzung bei Geltendmachung des Ersatzanspruchs zunächst enthoben sei, zu vergl. Prot. S. 989 17 . Eine Verweisung auf die Vorschriften über die H a f t u n g aus Delikten, wie Antrag 5 a (S. 4252) solche vorschlage, erscheine unnöthig. Der Antrag 1 b (S. 4249) bringe durch die Heranziehung der §§ 910 bis 913 der Zusammenstellung, Prot. 20. und 23. Juni 1884 S. 4169 bis 4180 18 , Modifikationen der Deliktsgrundsätze, welche die H a f t u n g aus der partiellen Eigenthumsverletzung zu beschränken schienen. Eine Einschränkung würde darin liegen, wenn eine H a f t u n g aus der Verletzung nur im Falle der Kenntniß des fremden Rechts, nicht aber im Falle einer kulposen Nichtkenntniß eintreten solle. Diese Einschränkung sei aber hier nicht gerechtfertigt, denn dem Verletzer, welcher nicht durch seinen Besitz oder seine Inhabung verletze, sei eine fortdauernde Prüfungspflicht in Ansehung der Grenzen seines | Prot I 4262 Rechts nicht zu ersparen, während man demjenigen, wel-1 eher einmal in Besitz oder Inhabung sich befinde, eine fortgesetzte Nachforschung, ob dieser Zustand auf Recht beruhe, nicht zumuthen könne. 3. Anspruch auf Ersatz von Nutzungen. Beschlossen wurde, über diesen Anspruch eine besondere Bestimmung nicht aufzunehmen und den hierauf mit abzielenden Antrag 3 b (S. 4251) abzulehnen. Erwogen war: Insoweit der Beklagte Inhaber der Sache sei, werde der wegen Eigenthumsverletzung gegen ihn erhobene Anspruch nach dem Beschlüsse unter II nicht als negatorischer Anspruch zu beurtheilen und nach den Vorschriften über die Vindikation zu behandeln sein. Sei dagegen der Verletzende weder Inhaber noch Besitzer, so sei derselbe auch nicht in der Lage, Nutzungen aus der fremden Sache zu ziehen, ohne 17 18
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S. bei SS 823, 826 BGB. S. bei SS 9 9 4 - 9 9 8 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§ 1004
sich einem Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder mindestens einer Kondiktion auszusetzen. Die Berathung wurde hier abgebrochen und die Erledigung der noch nicht entschiedenen Fragen der nächsten Sitzung vorbehalten. 344. Sitzung
vom 5. 9. 1884, Schriftführer
von
Liebe
| Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs wurde fortgesetzt. Dieselbe war in | Prot I 4263 der vorigen Sitzung bei der Erörterung einzelner den negatorischen Eigenthumsanspruch betreffenden Fragen abgebrochen worden. Heute gelangten folgende weitere Punkte zur Erörterung: 4. Beschränkung des negatorischen Eigenthumsanspruchs auf Grundstücke. Der Antrag 1 (S. 4249) behält im Anschluß an den Entwurf diese Beschränkung bei; die Anträge 2 bis 5 (S. 4250 ff.) lassen dieselbe fallen. Die Kommission beschloß den letzteren Anträgen zu folgen. Man hatte erwogen: Prinzipiell sei der negatorische Eigenthumsanspruch auch auf den Schutz des Eigenthums an beweglichen Sachen anwendbar. Es müßten also durchschlagende Gründe für eine Beschränkung vorliegen. An solchen Gründen fehle es. Man könne insonderheit nicht behaupten, daß die Negatoria für die Eigenthümer | beweglicher | Prot I 4264 Sachen ohne jedes praktische Interesse sei. Auch die Besitzstörungsklage habe man nicht auf Grundstücke beschränkt. Hierbei habe man insbesondere auf solche beweglichen Sachen Rücksicht genommen, welche durch die Art ihrer Aufbewahrung vor Angriffen anderer Personen nicht genügend geschützt werden könnten, wie Schiffe und mit dem Boden nicht fest verbundene Anlagen, Protokolle S. 3513, 3514". Werde aber bezüglich der beweglichen Sachen der provisorische Besitzschutz zugestanden, so liege es nur in der Konsequenz, den entsprechenden definitiven Eigenthumsschutz nicht zu versagen, zumal durch eine solche Versagung die sofort mögliche Erörterung des Rechtspunktes unnöthiger Weise hinausgeschoben werden würde. 5. Sollen die Voraussetzungen der Feststellungsklage des § 231 der C.Pr.O. f ü r den vorliegenden Fall erleichtert werden? Der Entwurf und der Antrag 5 a (S. 4253) wollen in dem Falle, wenn aus dem Verhalten oder den Aeußerungen des Gegners Rechtsbehauptungen zu entnehmen sind, welche sich gegen das Eigenthum richten, jede weitere richterliche P r ü f u n g abschneiden, ob ein genügendes rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung des Rechtsverhältnisses vorliege. Die Kommission entschied sich gegen eine solche Modifikation des § 231 der C.Pr.O.. Erwogen war: Wolle man dem Entwürfe folgen, so würde kein genügender Grund ersichtlich sein, nicht noch weiter zu gehen und über die Fälle der in Frage stehenden Negatoria hinaus von der weiteren Prüfung des rechtlichen Interesse an der Feststellung des Rechtsverhältnisses abzusehen, sobald eine das Recht des Klägers verneinende Kundgebung einer widerstreitenden An- | schauung über das Recht des anderen | Prot I 4265 Theils dargethan sei. Soweit habe die Civilprozeßordnung aber nicht gehen wollen. Um dieselbe gegenwärtig in diesem Punkte abzuändern, würde der Nachweis er19
S. bei §§ 861, 862 BGB.
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§1004
3. Abschnitt: Eigenthum
forderlich sein, daß ein Bedürfniß zu einer solchen A b ä n d e r u n g hervorgetreten sei. Ein solcher N a c h w e i s sei aber zu vermissen. 6. V o r s c h l a g des A n t r a g s 5 a (S. 4253), den § 27 der Civilprozeßordnung dahin zu erweitern, daß in dem dinglichen Gerichtsstande persönliche K l a g e n w e g e n des durch E i g e n t h u m s s t ö r u n g e n verursachten S c h a d e n s (nicht blos wegen Beschädig u n g eines G r u n d s t ü c k e s ) erhoben werden können. D i e K o m m i s s i o n entschied sich gegen die in V o r s c h l a g gebrachte A e n d e r u n g der Prozeßordnung. Die Gründe waren: Es sei nach der Civilprozeßordnung § 25 nicht ohne Zweifel, welche A n s p r ü c h e man zu den dort g e d a c h t e n dinglichen Ansprüchen, die im Gerichtsstande der belegenen S a c h e geltend zu machen seien, zu rechnen habe. Insbesondere sei nicht ohne Zweifel, o b nicht auch solche Ansprüche auf S c h a d e n s e r s a t z , bei denen der E r s a t z d e m Eigenthümer eines Grundstückes w e g e n V e r l e t z u n g seines Eigenthums, somit auf G r u n d dieses letzteren gebühre, den dinglichen Ansprüchen im Sinne des zitirten § 25 beizuzahlen seien. Aus der A u s n a h m e b e s t i m m u n g des § 27 in A n s e h u n g der K l a g e n w e g e n B e s c h ä d i g u n g eines Grundstücks k ö n n e man das Gegentheil — also die nicht dingliche E i g e n s c h a f t dieser K l a g e n in j e d e m Falle — nicht mit Gewißheit herleiten, da auch an Entschädigungsansprüche g e d a c h t werden könne. Bei der angedeuteten weiteren A u f f a s s u n g der dinglichen A n s p r ü c h e w ü r d e ein Bedürfniß der | Prot I 4266 beantragten E r g ä n - | z u n g fehlen. Handle es sich hiernach im Wesentlichen um eine A u s l e g u n g der V o r s c h r i f t e n in §§ 25, 27 der Civilprozeßordnung, so erscheine es mißlich, in diesem einzelnen Punkte eine die P r o z e ß o r d n u n g ändernde o d e r erläuternde B e s t i m m u n g z u geben. Ueberdies w e r d e in den meisten Fällen das Gericht der belegenen S a c h e als f o r u m delicti commissi bei E r h e b u n g von S c h a d e n s a n s p r ü chen a n g e g a n g e n w e r d e n können, auch der M a n g e l der Zuständigkeit nur selten — §§ 38, 39 der C . P r . O . 2 0 — geltend gemacht werden. Ein erhebliches praktisches Bedürfniß f ü r eine V o r s c h r i f t der beantragten Art liege d e m n a c h nicht vor. W ä h r e n d der E r ö r t e r u n g des vorstehenden Punktes war von einer Seite beantragt, die B e r a t h u n g über die in der vorigen Sitzung erledigte F r a g e (S. 4261) wieder a u f z u n e h m e n , o b nicht mit Antrag 5 (S. 4252) der negatorisch k l a g e n d e Eigenthümer f ü r berechtigt erklärt werden solle, E r s a t z des ihm durch die Eigenthumsstörung verursachten S c h a d e n s nach M a ß g a b e der V o r s c h r i f t e n über den S c h a d e n s ersatz aus unerlaubten H a n d l u n g e n zu verlangen. D e r A n t r a g auf W i e d e r a u f n a h m e der B e r a t h u n g b e z w e c k t e , die angeregte F r a g e des Gerichtsstandes d a d u r c h zu erledigen, daß das G e s e t z den negatorischen Anspruch als den Anspruch auf S c h a d e n s ersatz m i t u m f a s s e n d bezeichne. D u r c h Mehrheitsbeschluß wurde die W i e d e r a u f n a h m e der Berathung abgelehnt. 7. § 207 A b s a t z 2 des Entwurfs. v. Mandry D i e K o m m i s s i o n lehnte die A u f n a h m e der in § 207 A b s a t z 2 enthaltenen V o r (Nr. 155) schrift ab. D e r nachträglich gestellte A n t r a g , d e m § 207 A b s a t z 2 die Bestimmung beizufügen: | Prot I 4267 „ D i e S c h a d l o s h a l t u n g findet durch Einräu- | m u n g einer jährlich im v o r a u s zu entrichtenden G e l d r e n t e statt. Auf dieselbe finden die V o r s c h r i f t e n der §§ 840, 841 und 843 (Zusst., Prot. S. 3831—3847) 2 1 entsprechende A n w e n d u n g . " galt damit als erledigt. 20 21
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§ 38 C P O entspricht § 38 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO, § 39 C P O dem § 39 S. 1 ZPO. S. bei §§ 912—916 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§1004
Erwogen w a r : D e r Entwurf bringe eine Bestimmung in Vorschlag, welche die Ausübung der im Privateigenthum liegenden Befugnisse nach einer gewissen Richtung hin im öffentlichen — gewerblichen — Interesse einschränke. W e n n die vorgeschlagene V o r schrift auch einen zivilrechtlichen Inhalt habe, so könne doch der U m f a n g des Bedürfnisses der Einschränkung des Privateigenthums nur vom Standpunkte der Gewerbegesetzgebung aus beurtheilt werden und w e r d e die Vorschrift um so weniger in das bürgerliche Gesetzbuch hinein passen, als das Bedürfniß der Einschränkung des Eigenthums nach Zeit und O r t verschieden sein könne. Es sei deshalb die Aufstellung der einschränkenden Bestimmungen der Gewerbegesetzgebung zu überlassen. Bei Berathung des Einführungsgesetzes w e r d e zu prüfen sein, ob und inwieweit es nöthig sei, neben Aufrechterhaltung der reichsgesetzlichen Vorschriften, eine Bestimmung a u f z u n e h m e n , um den Landesgesetzgebungen, soweit ihre Zuständigkeit reicht, freie H a n d vorzubehalten. Zu vergleichen die N o t e 1 zur Ueberschrift über § 1 sowie 5 7 der sachenrechtlichen Vorschläge z u m Einführungsgesetze. 8. § 209 des Entwurfs. Die Anträge 1 und 4 wollen die Bestimmung streichen. D e r Antrag 2 d (S. 4251) schlägt eine veränderte Fassung des Eingangs vor. D e r Entwurf wurde mit der beantragten | Fassungsänderung a n g e n o m m e n : | Prot I 4268 Erwogen w a r : Das Bedürfniß der H e r a n z i e h u n g des § 73 der Civilprozeßordnung zur entsprechenden A n w e n d u n g sei in den Motiven S. 1009, 1010 genügend gerechtfertigt. O h n e Weiteres könne man dem § 73 der Civilprozeßordnung Anwendbarkeit nicht wohl zuschreiben. Auch k ö n n e nicht eingewendet werden, daß f ü r den Fall des Besitzstörungsprozesses eine gleiche H e r a n z i e h u n g des § 73 der Civilprozeßordnung nicht beschlossen sei (§ 809 der Zusammenstellung, Prot. 12. und 14. M ä r z 1884 S. 3518—3520), denn der H a u p t z w e c k der laudatio auctoris, V e r h i n d e r u n g der unnöthigen mehrfachen V e r h a n d l u n g des Rechtspunktes, treffe in dem letzteren Falle nicht zu. V o n einer Seite w u r d e bemerkt, daß die Civilprozeßordnung (§§ 6, 27, 73, 232, 732, 771 Abs. I) 22 von Besitzer und von Besitz rede, w o nach dem Sprachgebrauche, dessen die Kommission sich bedient habe, auch der Inhaber und die I n h a b u n g zu verstehen sei. M a n w a r der Ansicht, daß diese Verschiedenheit der Ausdrucksweise vorläufig auf sich beruhen bleiben müsse und hielt die Ausgleichung der Sprachweise der Prozeßgesetze und des bürgerlichen Gesetzbuchs f ü r eine Frage von allgemeinerer Bedeutung. 9. Die in A n t r a g 5 als § 205 a vorgeschlagene Bestimmung (S. 4253). Dieselbe wiederholt in A n w e n d u n g auf die Negatoria u n d unter entsprechender A e n d e r u n g des Eingangs den § 9 1 9 der Zusammenstellung, Protokoll 27. Juni 1884 S. 4217, 4218. V o n anderer Seite w u r d e als einfacherer W e g vorgeschlagen, den zitirten § 919 f ü r entsprechend anwendbar zu erklären. Die Kommission entschied sich f ü r den letzteren Vorschlag. | Erwogen w a r : | Prot I 4269 D e r objektiven Rechtsverletzung bei der Vindikation, dem Besitze oder der Inhabung des Beklagten, entspreche bei der N e g a t o r i a die als partielle Verletzung des Eigenthums erscheinende Handlungsweise des Beklagten. Eine Rechtfertigung die22
Die §§ 6, 27, 73, 732, 771 Abs. 1 CPO entsprechen den §§ 6, 26, 76, 831, 885 Abs. 1 ZPO. § 232 Abs. 1 CPO entspricht § 260 ZPO, Abs. 2 verbot die petitorische Widerklage gegen eine possessorische Klage. 857
§ 1004
3. Abschnitt: E i g e n t h u m
ser Handlungsweise durch die Darlegung eines dinglichen oder persönlichen Rechts sei in gleicher Weise zuzulassen. Bei der analogen Gestaltung der beiden Fälle werde indessen eine Hinweisung auf die entsprechende Anwendbarkeit des §919 genügen. 10. Nach dem in dem Antrage 2 unter e (S. 4251) vorgeschlagenen neuen § soll die Vorschrift des § 920 der Beschlüsse zum Sachenrecht (Prot. a. 4233—4241) über die Zulässigkeit der actio Publiciana bei beweglichen Sachen auf die Negatorienklage ausgedehnt werden. Der Antrag wurde vorbehaltlich der Redaktion angenommen, indem man der Ansicht war, daß darin nur eine nothwendige Konsequenz der Zulassung der Negatorienklage bei beweglichen Sachen überhaupt (zu vergl. oben unter 4 S. 4263) und des für die Eigenthumsansprüche befolgten Systems liege. 11. Soll mit dem Antrage 4 b (S. 4252) die Frage der Beweislast in Ansehung einer behaupteten Beschränkung des Eigenthums direkt entschieden werden? Die Kommission hielt eine solche direkte Entscheidung für entbehrlich mit Vorbehalt des Zurückkommens auf diese Frage bei der Erörterung des dem Rechtsbesitze zuzugestehenden Schutzes. Erwogen w a r : Schon aus der analogen Anwendbarkeit des §919 der Zusst. (Prot. S. 4217, | Prot I 4270 4218) werde die richtige Beantwortung der Beweisfrage sich ergeben. Eine ab-1 weichende Entscheidung könne vielleicht daraus hergeleitet werden, wenn das Gesetz den dinglich Berechtigten, welche in der Ausübung ihres Rechts sich befinden, eine besonders possessorisch geschützte Position zugestehe. Ob ein solcher Schutz zu beschließen sei, werde später zur Erörterung gelangen. 12. Kann der dinglich Berechtigte an Stelle des Eigenthümers negatorisch klagen? Man war der Ansicht, daß die Frage bei den einzelnen dinglichen Rechten zu erledigen sein werde. 13. Den in der Doktrin — Motive S. 986 — aufgeworfenen Zweifel, ob auch ein Nichtbesitzer negatorisch klagen könne, hielt man in der Allgemeinheit wenigstens nicht f ü r berechtigt. Der Besitz des Eigenthümers soll daher nicht zur Voraussetzung der Klage gemacht werden, wie auch im Entwürfe nicht geschehen. Uebrigens legte man der ganzen Frage nur geringe praktische Bedeutung bei. 14. Es wurde darauf hingewiesen, daß die negatorische Klage des Grundbuchrechts, bei welcher der Eigenthümer durch eine gegen sein Recht sich richtende Eintragung im Grundbuche verletzt ist, durch die allgemeinere Vorschrift § 827 der Zusammenstellung, Protokoll 9. April 1884, S. 3718—3721 23 , erledigt sei. 15. H a f t u n g des Beklagten, welcher während des Prozesses die Ausübung seines von dem Kläger bestrittenen Rechts fortgesetzt hat. Die Kommission beschloß, eine besondere Bestimmung über diese Haftung nicht aufzunehmen. | Prot 1 4271
Erwogen war: Eine H a f t u n g des unterliegenden Beklagten, | und zwar für das gesamte Interesse nach den Grundsätzen über die H a f t u n g aus unerlaubten Handlungen, werde jedenfalls dann eintreten, wenn der Beklagte den Mangel seines Rechts kannte oder in verschuldeter Unkenntniß dieses Mangels sich befand. Außerdem würden die Vorschriften der §§ 243, 245 ff. K.E. über den Schadensersatz wegen des durch die Klageerhebung herbeigeführten Verzugs des Schuldners Platz zu greifen haben, so23
858
S. bei § 894 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§1004
weit nicht der Beklagte geltend zu machen in der Lage sei, daß ihm die Bestimmung des 5 244 zur Seite stehe. Eine weitere Haftung, abgesehen von der Haftung aus dem Vergehen der verbotenen Eigenmacht, werde weder aus K.E. ξ 242 hergeleitet werden können, noch würde dieselbe dann begründet werden, wenn nach Antrag 1 b (§ 206) (S. 4249) die §§ 910 bis 913 der Zusammenstellung, Protokolle vom 20. und 23. Juni 1884 S. 4169—4180, für entsprechend anwendbar erklärt würden. Nur wenn man das Prinzip aufstelle, der Beklagte, welcher den Kläger nicht im Augenblick des Prozeßbeginns befriedigt habe, hafte ohne Rücksicht auf culpa und dolus für den aus der Nichtbefriedigung dem Kläger erwachsenden Schaden, würde man zu einem anderen Resultate gelangen. Dieses Prinzip sei aber durch die Vorschriften über den Verzug des Schuldners, K.E. §§ 243, 244 als abgelehnt anzusehen. Die in diesem Falle hieraus für den siegenden Kläger sich etwa ergebende Härte sei nicht größer als in allen anderen Verzögerungsfällen und die Aufnahme einer besonderen Vorschrift nicht erforderlich. In den Vorschriften über die Haftung aus Delikt, aus Verzug und aus ungerechtfertig- | ter Bereicherung werde der Kläger in I Prot I 4272 den meisten Fällen einen ausreichenden Schutz finden. Der Entwurf und die zu demselben gestellten Anträge galten als erledigt. II. Die beschlossenen Vorschriften lauten in der RedVorl als §§ 921, 922, ZustSachR und im # £ § § 920, 921 sowie im EI als §§ 943, 944: Der Eigenthümer hat gegen denjenigen, von welchem sein Eigenthum in anderer Art als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes oder der Inhabung beeinträchtigt {RedVorl: verletzt) wird, soweit die Beeinträchtigung (RedVorl: Verletzung) noch fortbesteht, den Anspruch auf Wiederaufhebung derselben; er kann, auch wenn die Beeinträchtigung (RedVorl: Verletzung) nicht mehr fortbesteht, die Verurtheilung desjenigen, welcher dieselbe bewirkt hat, zur Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen (RedVorl: Verletzungen) verlangen, sofern solche nach den Umständen zu besorgen sind. Auf die im § 921 bezeichneten Ansprüche finden die §§919 und 920 sowie, wenn der Beklagte im Namen eines Dritten gehandelt zu haben behauptet, die im § 73 der Civilprozeßordnung enthaltenen Vorschriften entsprechende Anwendung. Das Allegat des § 920 (§ 922 ZustSachR) erübrigte sich ab der ZustSachR durch Neufassung dieser Vorschrift (s. bei §§ 1006, 1007 BGB). Im KE wurde zudem auf Antrag das Wort „sowie" durch „und" ersetzt (Prot I 6224, 6231). Die Fassung der Vorschrift lautet: Auf die im § 920 bezeichneten Ansprüche finden die Vorschriften des § 919 { E I : 942) und, wenn der Beklagte behauptet, im Namen eines Dritten gehandelt zu haben, die im § 73 Civilprozeßordnung enthaltenen Vorschriften entsprechende Anwendung.
RedVorl § 921 ZustSachR/ KE S 920 Ε I « 943
RedVorl % 922
ZustSachR/ KE § 921 E H 944
B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 96. Sitzung vom 7. 4. 1893 | VIII. Der § 943 wurde sachlich nicht beanstandet. Es lag lediglich der redaktio- | Prot-RJA 966 nelle Antrag vor: den § 943, wie folgt, zu fassen: „Der Eigenthümer hat gegen denjenigen, von welchem das Eigenthum in anderer Weise als durch Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so ist auf Verlangen des Eigenthümers der Thäter zur Unterlassung zu verurtheilen." 859
§ 1004 | Prot-RJA 967
3. Abschnitt: Eigenthum
| IX. Z u dem § 944 w a r beantragt: den § 944 zu streichen und hinter § 73 der C.P.O. als § 73 a folgende Vorschrift einzustellen: „Die Vorschriften des § 73 finden entsprechende Anwendung, wenn J e m a n d von dem Eigenthümer einer Sache wegen einer Beeinträchtigung des Eigenthums auf G r u n d einer H a n d l u n g verklagt ist, die er im N a m e n eines Dritten v o r g e n o m m e n zu haben behauptet." D a z u w a r der U n t e r a n t r a g gestellt, in Zeile 4 zu sagen statt: „im N a m e n eines Dritten" „in Ausübung des Rechtes eines Dritten". Diese Anträge wurden ohne Widerspruch angenommen. C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 3 7 7 - 3 8 0 ; Mugdan, Bd. 3, S. 696 ff.)
Achilles (Nr 96, 104)
a) Zu § 943 lagen die Anträge vor: 1. den § 943 mit dem § 944, soweit dieser auf den § 942 verweist, dahin zusammenzufassen:
D e r Eigenthümer hat gegen denjenigen, von welchem das Eigenthum in anderer Weise als d u r c h Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so ist auf Verlangen des Eigenthümers der T h ä t e r zur Unterlassung zu verurtheilen. Die Vorschriften des § 929 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung, v. Mandry 2. als § 943 a folgende Vorschrift a u f z u n e h m e n : (Nr 102, 3) Besteht die Beeinträchtigung des Eigenthums an einem Grundstück in der E r richtung o d e r dem Halten eines Gebäudes seitens des Eigenthümers eines benachbarten Grundstücks auf diesem Grundstück und ist bei der Errichtung des G e b ä u des dem Eigenthümer des benachbarten Grundstücks weder V o r s a t z noch grobe Fahrlässigkeit zur Last gefallen, so kann die Beseitigung des Gebäudes nicht verlangt w e r d e n , es sei denn, daß der Eigenthümer des beeinträchtigten Grundstücks gegen die Errichtung des Gebäudes vor oder sofort nach derselben Widerspruch erhoben hat. D e r Eigenthümer des benachbarten Grundstücks ist verpflichtet, den Eig e n t h ü m e r des beeinträchtigten Grundstücks durch eine Geldrente zu entschädigen: auf diese Rente finden die Vorschriften des § 857 Abs. 2 und § 858 der VorlZust 2 4 entsprechende Anwendung. 3. dem § 943 als Abs. 2 bzw. dem Antrag 1 als Abs. 3 h i n z u z u f ü g e n : D e r Anspruch auf Beseitigung einer Anlage unterliegt der V e r j ä h r u n g . Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte Kenntniß von der Anlage erhält. D e r A n t r a g 1 Abs. 1 w u r d e angenommen, die Anträge 2 und 3 w u r d e n abgelehnt. W e g e n des Antrags 1 Abs. 2 siehe unter c. b) Es lag der Antrag vor: in dem Entw. d. E.G. die Vorschrift einzustellen: U n b e r ü h r t bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen die Vorschrift des § 26 der G e w e r b e o r d n u n g auf Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnliche U n t e r n e h m u n g e n mit der Maßgabe ausgedehnt wird, daß gegenüber diesen U n t e r n e h m u n g e n nur ein Anspruch auf Entschädigung besteht. D e r A n t r a g , welcher einem Wunsche der Württemberg. Regierung entspricht, w u r d e angenommen. 24
860
S. bei « 9 1 2 - 9 1 4 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§1004
c) Zu § 944 lagen vor: 1. der Abs. 2 des Antrags 1 unter a; 2. hierzu der Abänderungsantrag: den Abs. 2 dahin zu fassen: Die Vorschriften des § 929 Abs. 2 der Vorl. Zus. finden mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß im Falle des Satzes 3 der Anspruch des beeinträchtigten Eigenthümers der daselbst bestimmten Beschränkung nicht unterliegt. 3. der von dem Antragsteller zu 1 gemachte Vorschlag, im Art. 11 des Entw. d. E.G. zum Ersatz eines Theiles des § 944 als § 73 a in die C.P.O. folgende Vorschrift einzustellen: Die Vorschriften des § 73 finden entsprechende Anwendung, wenn Jemand von dem Eigenthümer einer Sache wegen einer Beeinträchtigung des Eigenthums auf Grund einer Handlung verklagt ist, die er in Ausübung des Rechtes eines Dritten vorgenommen zu haben behauptet. d) Es lag noch der Antrag vor: mit Rücksicht auf die Umgestaltung, welche die Besitzvorschriften bei der gegenwärtigen Berathung erfahren haben, im Art. 112 des Entw. d. E.G. a) den Eingang des § 73 d. C.P.O. dahin zu ändern: Wer als Besitzer einer Sache verklagt ist, die er auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im § 821 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten A r t . . . b) im Abs. 3 statt „Namen eines Dritten" zu setzen „Auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im Abs. 1 bezeichneten Art". Der Antrag wurde ohne Widerspruch angenommen.
Achilles (Nr 96, 104) Küntzel (Nr 117, 1)
Achilles (Nr 96, 105)
II. In der VorlZust ist § 943 gefaßt: Der Eigenthümer hat gegen denjenigen, von welchem das Eigenthum in anderer Ε I-VorlZust Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, § 9 4 3 den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so ist auf Verlangen des Eigenthümers der Thäter zur Unterlassung zu verurtheilen. Die Vorschriften des § 929 Abs. 2 finden mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß im Falle des Satz 3 der Eigenthümer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann 25 . 25
D a z u ist angemerkt: 1. In den Entwurf eines Einführungsgesetzes soll folgende Vorschrift eingestellt werden: Unberührt bleiben die Landesgesetze, durch welche die Vorschrift des §. 26 der R.Gew.O. auf Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnliche Unternehmungen mit der Maßgabe ausgedehnt wird, daß gegenüber diesen Unternehmungen nur ein Anspruch auf Entschädigung besteht. 2. In den Art. 11 des Entwurfs eines Einführungsgesetzes soll eine Vorschrift eingestellt werden, nach welcher in den 73 der Civilprozeßordnung die Worte: „Im N a m e n eines Dritten" ersetzt werden a. im Abs. 1 durch die Worte „auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im §. 821 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Art"; b. im Abs. 3 durch die Worte „Auf Grund eines im Abs. 1 bezeichneten Rechtsverhältnisses." 3. In dem Art. 11 soll ferner folgende Vorschrift als §. 73 a der Civilprozeßordnung eingestellt werden: „Die Vorschriften des 73 finden entsprechende Anwendung, wenn Jemand von dem Eigenthümer einer Sache w e g e n einer Beeinträchtigung des Eigenthums auf Grund einer Handlung verklagt ist, die er in Ausübung des Rechts eines Dritten vorgenommen zu haben behauptet." Die Anmerkung ist in die ZustRedKom und in den Ε II übernommen worden.
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§§ 1005-1007
3. Abschnitt: Eigenthum
III.—V. In der ZustRedKom entspricht Abs. 1 der in § 1004 Gesetz gewordenen Fassung. Abs. 2 lautet: Ε I-ZustRedKom Der Anspruch des Eigenthümers ist ausgeschlossen, wenn der Thäter dem Ei§ 943 Abs. 2 genthümer gegenüber zur Vornahme berechtigt war. Im Ε II § 916 (Ε II rev § 989; Ε III§ 988) liegt die in § 1004 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
§ 1005 Befindet sich eine Sache auf einem Grundstücke, das ein Anderer als der Eigenthümer der Sache besitzt, so steht diesem gegen den Besitzer des Grundstücks der im § 867 bestimmte Anspruch zu. Die Vorschrift geht zurück auf § 867 Ε I; s. diesen und die dazu von der 2. Kom. gefaßten Beschlüsse bei § 867 BGB. In der ZustRedKom § 944a ( £ / / § 917; Ε II rev § 990, Ε III§ 989) liegt die in § 1005 Gesetz gewordene Fassung vor. § 1006 Zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermuthet, daß er der Eigenthümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, daß es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt. Zu Gunsten eines früheren Besitzers wird vermuthet, daß er während der Dauer seines Besitzes Eigenthümer der Sache gewesen sei. Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermuthung für den mittelbaren Besitzer. § 1007 Wer eine bewegliche Sache im Besitze gehabt hat, kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn dieser bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Ist die Sache dem früheren Besitzer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen, so kann er die Herausgabe auch von einem gutgläubigen Besitzer verlangen, es sei denn, daß dieser Eigenthümer der Sache ist oder die Sache ihm vor der Besitzzeit des früheren Besitzers abhanden gekommen war. Auf Geld und Inhaberpapiere findet diese Vorschrift keine Anwendung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht im gutem Glauben war oder wenn er den Besitz aufgegeben hat. Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§ 986 bis 1003 entsprechende Anwendung. Α. 1. Kommission I. 299. Sitzung vom 12. 3. 1884, Schriftführer von Liebe | Prot I 3510 Planck (Nr 23)
| Es lag ferner' der Antrag vor, folgenden § an geeigneter Stelle, etwa hinter § 73, einzuschalten: 1
Die vorhergehende Beratung s. bei Μ 812 — 822 B G B .
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1005-1007
„ W e n n Jemand Anspruch auf Ersatz des Werths hat, welchen der Besitz einer Sache f ü r ihn hat, so gilt | als solcher bis zum Beweise des Gegentheils der W e r t h , | Prot I 3511 welchen die Sache selbst (oder: das Eigenthum der Sache) f ü r ihn hat." Beschlossen wurde, die vorgeschlagene Bestimmung salva redactione a u f z u n e h men und an den Schluß des gegenwärtigen Abschnitts zu stellen. Erwogen war: Die vorgeschlagene Bestimmung habe eine über den Besitzschutz weit hinausgehende Bedeutung. Anwendbar sei die Vorschrift nicht nur, wenn der W e r t h bei Liquidation des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung an die Stelle der ursprünglichen Leistung trete, sondern auch dann, wenn die Forderung von vornherein auf die Erstattung des Werths des Besitzes gehe, wie zum Beispiel im Falle des § 264 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des Obligationenrechts, Protokolle S. 1508 —1517 2 , denkbar sei. Ihr H a u p t z w e c k sei, dem entsetzten o d e r beschädigten Eigenthümer den Eigenthumsbeweis dadurch abzunehmen, daß, wenn er nur den vorherigen Besitz bewiesen habe, dieser ihm aber nicht z u r ü c k g e w ä h r t werde, o d e r werden könne, ihm die Rechtsvermuthung zur Seite stehe, daß er den vollen W e r t h der Sache zu beanspruchen habe. Eine solche Vorschrift sei zweckmäßiger und durchgreifender als die Beweiserleichterung, welche der Entwurf in den späteren Bestimmungen des § 200 dem Besitzer, der ohne seinen Willen den Besitz verloren habe, gegenüber dem Inhaber bei der Eigenthumsklage gewähren wolle, und d a ß man ohne besondere gesetzliche Vorschrift, wie die Motive S. 435 anzunehmen schienen, zu dem von dem Antrage beabsichtigten Ergebnisse einer günstigen Beweisstellung des Besitzers gelangen werde, sei zu bezweifeln. Uebrigens sei die Vorschrift auch f ü r die Fälle der bloßen Sachbeschädigung von Bedeutung. | Gegen die A u f n a h m e der Vorschrift in den vorliegenden Abschnitt 3 k ö n n e ein | Prot I 3512 gegründetes Bedenken nicht geltend gemacht werden, da dieselbe aus dem besonderen Wesen des Besitzes, und aus der Berücksichtigung der Vortheile, die er dem Besitzer gewähre, sich ergebe. N u r sei klar, daß die Bestimmung nicht unter die V o r schriften über den Besitzschutz gehöre und deshalb an den Schluß des Abschnittes zu stellen sei. Mit Recht beschränke der Antrag sich auf den Fall des Besitzes, da f ü r den Fall der I n h a b u n g eine solche Beweisvorschrift nicht gerechtfertigt sein würde. 342. Sitzung vom 2. 7. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs, Eigenthumsanspruch, w u r d e fortge- | Prot I 4233 setzt 4 . Die §§ 199 bis 201 des Entwurfs wurden bei der Berathung zusammengefaßt. Dieselben lauten: S 199 „Demjenigen, welcher eine bewegliche Sache in gutem Glauben erworben und TE-SachR § 199 übergeben erhalten hat, steht bis z u m Gegenbeweise die V e r m u t h u n g z u r Seite, daß die Sache dem Veräußerer gehört hat." §200 „Die V e r m u t h u n g f ü r das Eigenthum einer beweglichen Sache steht bis z u m Ge- TE-SachR ξ 200 genbeweise ferner zur Seite 2
3 4
S. bei §818 BGB. Gemeint ist der Abschnitt „Besitz". S. die vorhergehenden Beratungen bei §§ 90—103 BGB zu § 784 KE.
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§§ 1005—1007
3. Abschnitt: Eigenthum
1. demjenigen, welcher den Besitz der Sache ohne seinen Willen verloren hat, 2. demjenigen, welcher die Sache ohne Eigenthumsübertragung einem Anderen übergeben hat, gegenüber diesem Anderen und gegenüber denjenigen, welche ihre Rechte von demselben ableiten. Diese Vermuthung erlischt, wenn sie nicht innerhalb Eines Jahres nach Eintritt des Besitzverlustes durch Klageerhebung oder Einrede geltend gemacht ist." | Prot 1 4234
| § 201
TE-SachR§201
„Beruft jeder der beiden Theile sich auf eine der in den §§ 199 und 200 aufgestellten Eigenthumsvermuthungen, so ist f ü r denjenigen zu entscheiden, welcher vermöge derselben älteres Eigenthum in seiner oder seiner Vormänner Person zu erweisen vermag. Folgende Anträge waren gestellt: Derscheid 1. die §§ 199 und 201 zu streichen und § 200 durch folgende Bestimmungen zu (Nr 144) ersetzen: „Zur Begründung des Anspruchs auf Herausgabe einer beweglichen Sache genügt, wenn dieselbe gestohlen oder verloren oder in anderer Weise dem Inhaber ohne dessen Willen abhanden gekommen war, der Nachweis der Inhabung zur Zeit des Eintritts einer dieser Thatsachen; dem Beklagten steht nur die Einrede zu, daß er selbst Eigenthümer der Sache sei. Demjenigen, welcher eine bewegliche Sache ohne Eigenthumsübertragung einem Anderen übergeben hat, steht gegenüber diesem Anderen und gegenüber dem dritten unredlichen Erwerber die Vermuthung des Eigenthums zur Seite."
Planck (Nr 145, 3)
| Prot I 4235
2. die §§ 199—201 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Die Vorschriften über die dem Eigenthümer einer beweglichen Sache zustehenden Rechte finden entsprechende Anwendung zu Gunsten desjenigen, der den Besitz einer beweglichen Sache in einer die Ersitzung derselben begründenden Weise nach Maßgabe des § 8635 erworben hat. Haben Mehrere den Besitz in der im 1. Absatz gedachten Weise erworben, so geht das ältere Recht vor. Das Recht des Eigenthümers geht dem im 1. Absätze gedachten Rechte vor." 3. statt der §§ 199—201 folgende Bestimmung zu beschließen: „Die dem Eigenthümer zukommenden Ansprüche ste- | hen auch demjenigen zu, der zwar nicht Eigenthümer der Sache geworden, zu dessen Gunsten aber eine Eigenthumserwerbsthatsache eingetreten ist, vorausgesetzt, daß derselbe den die Wirksamkeit dieser Thatsache hindernden Umstand ohne grobe Fahrlässigkeit nicht kennt. Diese Ansprüche können gegen den Eigenthümer der Sache nicht geltend gemacht werden und ebenso nicht gegen denjenigen, in dessen Person die im Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen zutreffen." Der Antragsteller beschränkte seinen Antrag auf bewegliche Sachen. 4. A, in Antrag 3. a, dem ersten Absätze, vorbehaltlich der Fassung, die Beschränkung einzufügen, daß der Erbe, welcher Sachen als zur Erbschaft gehörig besitzt, den dem Eigenthümer zukommenden Anspruch nur geltend machen kann, wenn in der Person des Erblassers eine Eigenthumserwerbsthatsache eingetreten ist. 5
S. bei § 937 BGB.
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4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1005-1007
b, dem zweiten Absätze am Schlüsse beizufügen: „es sei denn, daß der Letztere seinen Erwerb von dem nämlichen Rechtsvorgänger aus einer später eingetretenen Erwerbsthatsache ableitet." B, eventuell in Antrag 2. a, statt der Worte im ersten Absätze „in einer die Ersitzung derselben begründenden Weise nach Maßgabe des § 863" zu setzen: „ohne Kenntniß des Umstandes, welcher ihn an der Erwerbung des Eigenthums verhindert hat, und ohne daß seine Unkenntniß dieses Umstandes auf grober Fahrlässigkeit beruht." (Die Beweislast der bona fides soll, wie im Fall des § 860 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen 6 den Kläger treffen.) b, dem zweiten Absätze beizufügen: „es sei denn, daß sie ihr Recht von verschiedenen | Rechtsvorgängern ableiten, in | Prot I 4236 welchem Falle der Besitzer den Vorzug hat." 5. die §§ 199, 201 und 203 zu streichen und § 200 zu fassen: „Die aus dem Eigenthum an der Sache sich ergebenden Ansprüche kann, ohne sein Eigenthum zu beweisen, erheben: 1. Derjenige, welcher die Inhabung der Sache ohne seinen Willen verloren hat, gegenüber demjenigen, an welchen die Inhabung der Sache in Folge dieses Verlustes gelangt ist und gegenüber denjenigen, welche ihre Rechte von demselben ableiten; 2. derjenige, welcher (wie im Entw. bis „ableiten"). Derjenige, gegen welchen der Anspruch aus dem Eigenthum der Sache erhoben wird, kann sich dem erhobenen Ansprüche gegenüber nur auf das eigene Recht, die Sache zu behalten, berufen." Der Urheber des Antrags erklärte nachträglich, die von ihm vorgeschlagene Vorschrift auf bewegliche Sachen beschränken zu wollen. Folgende Ausgangspunkte der ferneren Berathung wurden festgestellt: Man nahm an, daß in Ansehung der Grundstücke durch § 815 7 der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen vorgesorgt sei und nur noch eine bei Berathung der Uebergangsbestimmungen, also dem Einführungsgesetze, zu erwägende Vorsorge für die Uebergangszeit in Frage komme. Demnach handelt es sich an dieser Stelle nur um Erleichterungen f ü r die Erhebung und wirksame Durchführung des auf die Herausgabe beweglicher Sachen gerichteten Eigenthumsanspruchs. Die Hauptschwierigkeit für die Durchführung dieses Anspruchs kommt bei dem abgeleiteten Eigenthumserwerbe vor und liegt in dem Beweise des dominium auctoris. Das Bedürfniß der Erleichterungen ist allerdings wesentlich eingeschränkt worden durch die Beschlüsse über den Erwerb | des Eigen- | Prot I 4237 thums in gutem Glauben, durch die beschlossene Ausdehnung der possessorischen Rechtsmittel auf bewegliche Sachen und durch die Kondizirbarkeit des Besitzes. Gleichwohl bleibt ein Bedürfniß bestehen. Denn die Besitzklage und die condictio possessionis haben eine rein persönliche Richtung und der Erwerb in gutem Glauben deckt das Bedürfniß auch nicht, weil, wiewohl nur ausnahmsweise, Fälle derivativen Eigenthumserwerbes ohne Tradition vorkommen. Aber auch abgesehen von dem letzteren Umstände stimmen Entwurf und Anträge darin überein, daß eine den Erfordernissen des Verkehrs genügende Erleichterung nicht dadurch geschaffen 6 S. bei SS 9 3 2 - 9 3 6 BGB. 7 S. bei §891 BGB.
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§ § 1005—1007
3. Abschnitt: E i g e n t h u m
werden würde, wenn man lediglich dem redlichen Erwerber den Beweis des dominium auctoris nachlassen wollte. Um dem weitergehenden Bedürfnisse zu genügen, folgen Entwurf und Anträge zwei verschiedenen Systemen. 1. Das eine System, welches dem Entwurf und den Anträgen 1 und 5 zu Grunde liegt, schließt sich an das Deutsche Recht an. Von demjenigen, welcher den Anspruch auf Restitution erheben will, wird verlangt, daß er die Art und Weise seines Verlustes des Besitzes oder der Inhabung aufdecke. Der Entwurf knüpft hieran Eigenthumsvermuthungen zu Gunsten des früheren Besitzers. Der, was das fundamentum agendi betrifft, am weitesten gehende Antrag 5 verlangt nur, daß eine solche A n des Verlustes der Inhabung oder des Besitzes dargethan werde — Verlust ohne Willen, unwirksame Tradition, Anvertrauung —, welche ergiebt, daß der an den Verlust sich anschließende Erwerb des Besitzes oder der Inhabung dem nächsten Besitzer oder Inhaber dem Verlierenden gegenüber kein Recht zum Behalten der Sache gegeben hat. Unterschiede zwischen den einzelnen Vorschlägen bestehen darin, ob der Herausgabeanspruch nur gegen den nächsten Erwerber und dessen Nachfolger, ob derselbe auch dem Inhaber gegeben werden soll und ob die exceptio | Prot I 4238 de jure tertii auszuschließen ist. Der Verlust des Be- | sitzes oder der Inhabung braucht dabei nach dem Entwürfe und den Anträgen nicht auf dem Delikte zu beruhen, so daß nur die Deliktsklage zu einer actio in rem scripta gemacht würde, sondern der Grundgedanke besteht darin, daß bei einem Bruch der rechtlichen Kontinuität des Besitzes und der Inhabung die Sache ohne weitere Untersuchung des Rechtes zum Besitze des Verlierenden — wenigstens nach den Anträgen 1 und 5 — in die frühere H a n d zurückgebracht werden soll. Das andere System schließt sich an das römische Recht der actio Publiciana an. Für die Funktion der actio Publiciana bleibt, wenn die Tradition dem gutgläubigen Erwerber Eigenthum verschafft, Raum nur in den Fällen des Putativtitels und der derivativen Erwerbung des Eigenthums ohne Tradition. Ist das Eigenthum von dem Empfänger der Sache nur wegen des Gestohlenseins oder Verlorenseins derselben nicht erworben, so hat die Anwendung der publicianischen Grundsätze nur die Folge des Ausschlusses der exceptio de jure tertii. Der Antrag 3 beschränkt sich darauf, das publicianische Recht in dem bezeichneten Umfange, in welchem für dasselbe nach den früheren Beschlüssen noch Raum ist, aufrecht zu erhalten. Der Antrag 2 dagegen will die actio Publiciana den Zusammenhang mit der Ersitzung bewahren lassen und dieselbe der beschlossenen von dem gemeinen Rechte abweichenden Gestaltung der Ersitzung anpassen. Zunächst wurde darüber berathen, welchem Systeme zu folgen sei, und entschied sich die Kommission für das an das publizianische Recht sich anschließende System und gegen das andere System, indem insbesondere auch die im Entwürfe vorgeschlagene Aufstellung von Eigenthumsvermuthungen abgelehnt wurde. Erwogen war: Am nächsten liege es, zu verlangen, daß derjenige, welcher den Eigenthumsan| Prot I 4239 Spruch erhebe, Eigenthümer sei und sein | Eigenthum beweise. Der Entwurf bleibe bei dieser Anforderung und suche nur mit Beweiserleichterungen zu helfen. Damit würde die exceptio de jure tertii frei bleiben, zu vergl. Motive S. 959, 960. Die Zulassung dieser Einrede würde aber mit dem geltenden Rechte und mit dem praktischen Bedürfnisse im Widerspruche stehen, während bei dem Ausschlüsse derselben die geltend gemachten gegenseitigen Rechtspositionen einen relativen Charakter gewönnen, welcher sie von dem Eigenthum unterscheide. 866
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1005—1007
Das relativ bessere Recht sei zwar eine dem Eigenthume weichende, aber doch in Ansehung seines Inhalts analog zu beurtheilende Rechtsposition. Man müsse deshalb behufs Feststellung der Rechtsposition auf deren Entstandensein zurückgehen. Die Art und Weise, wie Besitz und Inhabung verloren seien, könne über das Entstandensein der Rechtsposition keinerlei Aufschluß geben, sondern höchstens der frühere bis zum Verlust fortgesetzte Zustand. Folge man dem anderen Systeme, so mache man die in Folge der Verlustart etwa entstandenen Delikts- und Kondiktionsansprüche zu actiones in rem scriptae, ein Verfahren, gegen welches schon früher Bedenken erhoben seien, zu vergl. Prot. S. 1020 (Antrag 2), 1584 (Antrag 3), 1594, 15958. Die Kommission wandte sich hierauf zu den Einzelnheiten des zu gewährenden publizianischen Schutzes. 1. Voraussetzungen des publizianischen Anspruches auf Seiten des Klägers. Der Antrag 3 Abs. 1 wurde abgelehnt und der Antrag 2 Abs. 1 mit der im Antrage 4 Β a vorgeschlagenen Verbesserung wurde angenommen. Erwogen war: Es sei nicht erforderlich, mit Antrag 3 die Fälle zu berücksichtigen, in denen der Eigenthumserwerb ohne gleichzeitigen Besitzerwerb sich vollziehe. In dem Falle des originären Erwerbes, welcher unabhängig von dem Eigenthum eines | bestimmten | Prot 1 4240 Rechtsvorgängers eintrete, ζ. B. bei Fund und Schatz, sei eine publizianische Rechtsposition kein Bedürfniß. Die Fälle des derivativen Erwerbes ohne Universalsukzession, in denen nicht zugleich Besitz erworben werde, seien äußerst selten, in Betracht kämen nach den bisherigen Beschlüssen nur der Fall der Einverleibung in das Pachtinventar oder der Illation in die Gesellschaft, und sei hier genügend, daß der Erwerber die publizianische Rechtsposition aus der Person seines Auktors in Anspruch nehmen könne. Dem Bedürfnisse werde genügt, wenn man die publizianische Rechtsposition an die Ersitzungsklage anschließe. N u r sei erforderlich, daß, wenn man die actio Publiciana nicht zu einem lediglich auf den älteren Besitz gestützten und damit als Besitzvindikation erscheinenden Rechtsmittel machen wolle, die bona fides des Anspruchsberechtigten in die Voraussetzung f ü r den Eintritt der Rechtsnorm und nicht in die Ausnahme zu setzen, wie letzteres für die Ersitzung beschlossen sei. Durch die Modifikation der im Antrage 2 vorgeschlagenen Bestimmung werde bewirkt, daß der Kläger auf den Zeitpunkt seiner Erwerbung des Besitzes zurückgehen und Umstände darlegen müsse, welche geeignet seien, die bona fides für ihn zu begründen. Hiermit werde im Wesentlichen dasselbe erreicht, was der Antrag 3 damit erreichen wolle, daß er den Nachweis mindestens eines Putativtitels verlange. Ob die bona fides in Ansehung des Erbrechts nicht auch schon die bona fides in Ansehung des Eigenthumserwerbs enthalte, brauche durch eine allgemeine Bestimmung nicht festgestellt zu werden, deren Aufstellung außerdem kaum möglich sei. Der Antrag 4 Aa sei hiernach als erledigt anzusehen. 2. In Ansehung der Frage, in welchen Fällen ein die publizianische Klage ausschließendes Recht des Beklagten anzunehmen sei, nahm die Kommission den Antrag 3 Abs. 2 mit der in Antrag 4 A b enthaltenen Verbesserung an. | Erwogen war: | Prot I 4241 Das Rangverhältniß der publizianischen Rechtspositionen unter einander dürfe man nicht nach der Regel prior tempore potior jure bestimmen, denn der wirkliche 8
S. bei §§ 812 — 822 BGB und bei § 830 BGB.
867
§§ 1005-1007
3. Abschnitt: Eigenthum
Rechtserwerb bleibe unaufgeklärt und würde deshalb der publizianische Schutz zu Härten führen, wenn der Zeitpunkt des früheren Besitzerwerbes gegenüber einem besitzenden Beklagten, der bis auf diesen Umstand in derselben Rechtslage sich finde, immer entscheiden sollte. Nur dann, wenn beide Theile ihr Recht von demselben Rechtsvorgänger ableiteten, müsse der Zeitpunkt des Erwerbes entscheiden, da unter den Parteien, wenn überhaupt eine von beiden Eigenthum erworben habe, das Eigenthum von demjenigen erworben sein müsse, welcher sich auf einen früheren Veräußerungsakt des gemeinsamen Rechtsvorgängers berufen könne. Entwurf und Anträge galten damit als erledigt. T E - S a c h R % 202
Derscheid (Nr 144) Planck (Nr 145, 4)
T E - S a c h R % 203
| Prot I 4242 Derscheid (Nr 144) Planck (Nr 145, 4)
Der § 202 des Entwurfs lautet: „Leugnet der auf Herausgabe einer beweglichen Sache Beklagte fälschlich die Inhabung derselben, so wird das Eigenthum des Klägers bis zum Beweise des Gegentheils vermuthet." Der Streichungsantrag war gestellt und wurde angenommen. Man war der Ansicht, daß man dem Ableugnen des Beklagten einen so weit greifenden Beweiswerth für das Recht des Klägers nicht beimessen könne, daß somit der Vorschrift immerhin ein pönaler Charakter beiwohne und schon dieser Grund gegen deren Aufnahme entscheiden müsse, da bisher prinzipiell die Aufnahme solcher strafartigen Normen abgelehnt sei. Der § 203 des Entwurfs lautet: „Wer ohne seinen Willen den Gewahrsam der ihm anvertrauten beweglichen Sache eines Anderen verloren hat, kann die Herausgabe der Sache unter Geltendmachung des Eigenthums des Anderen von jedem dritten Inhaber beanspruchen." | Die Streichung war beantragt und wurde beschlossen. Man war der Ansicht, daß der dem Inhaber zustehende Besitzschutz genüge, daß auch eine Dunkelheit bestehen bleibe, wer als dominus litis zu denken sei, der Eigenthümer oder der Inhaber, daß endlich ein dominium litis des Eigenthümers für diesen mit Gefahren und Unzuträglichkeiten verknüpft sein würde.
Der § 204 des Entwurfs lautet: „Durch die Abtretung des Eigenthumsanspruches auf Herausgabe der Sache wird ein gegen Dritte wirksames Recht auf Erlangung der Sache nicht begründet. Die Abtretung des Anspruches gilt als Bevollmächtigung zur Geltendmachung desselben." Planck Es war beantragt, den § 204 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: (Nr 145, 5) „Derjenige, auf welchen der Eigenthumsanspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache übertragen ist, erwirbt das Eigenthum derselben, wenn er deren Besitz erwirbt." Daneben war die Streichung beantragt. Die Kommission beschloß die Streichung des § 204 und lehnte auch die Aufnahme der im Antrage vorgeschlagenen Vorschrift ab.
T E - S a c h R % 204
Erwogen war: Da die Kommission die allgemeinen Vorschriften des Obligationenrechts auf die Ansprüche, welche in einem dinglichen Rechte sich gründeten, der Regel nach für anwendbar erachtet habe, so werde die Zessibilität des auf die Herausgabe der Sache gerichteten Eigenthumsanspruches sich von selbst verstehen, wenn nicht etwas Anderes bestimmt werde. Das in den Motiven S. 977 hervorgehobene Bedenken gegen die Möglichkeit einer Abtrennung des Anspruchs von seiner Grundlage könne nicht getheilt werden. Es könne auch nicht bestritten werden, daß die Zession der 868
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1005-1007
Vindikation in vielen Fällen einem praktischen Bedürfnisse diene, da ohne dieselbe der nichtbesitzen-1 de Eigenthümer außer Stande sein würde, einem Anderen ein un- | Prot I 4 2 4 3 verbringliches und unwiderrufliches Recht auf Erlangung der Sache gegenüber allen dritten Inhabern zu verschaffen. Besonders in dem Falle der Uebertragung eines ganzen Vermögens oder einer Erbschaft, zu vgl. § 311 (K.E.), würde die Nichtzessibilität des Eigenthumsanspruchs im Verkehre als ein Mangel empfunden werden. Endlich würde der Ausschluß der Uebertragung des Eigenthumsanspruchs im Wege des Rechtsgeschäfts mit dem nach Beschluß zu § 1921* kraft Gesetzes eintretenden Uebergange des Eigenthumsanspruchs nicht harmoniren. Aus dem Umstände, daß das dem Anspruch zu Grunde liegende Recht bei dem Zedenten verbleiben und daß nicht ein individuell sondern nur ein durch den Besitz oder die Inhabung der Sache bezeichneter Schuldner gegeben sei, könnten Besonderheiten sich ergeben. So könnte gegen den Zedenten selbst der Eigenthumsanspruch nicht geltend gemacht werden, sei vielmehr mit der Rückerlangung der Sache durch den Zedenten als erloschen zu betrachten. Der Fall, wenn der Zedent in Konkurs gerathe, könne einige Schwierigkeiten bereiten, welche indessen nicht unlösbar seien. Der Eintritt des Konkurses werde verhindern, daß, wenn die Zession zur Vermittlung der Eigenthumsübertragung diene, der Eigenthumsübergang eintrete; somit werde die Sache, auch aus den Händen des Zessionars, in solchem Falle zur Masse eingefordert werden können. Der Antrag schlage eine Dispositivnorm vor, nach weicher in der Vindikationszession die Erklärung, Eigenthum und Besitz übertragen zu wollen, gefunden werden solle. Da indessen eine solche Zession auch anderen Zwecken als dem Zwecke der Eigenthumsübertragung dienen könne und im einzelnen Falle nach den Umständen auszulegen sei, welchen Zweck die Vertragsschließenden verfolgt haben und welche Befugnisse demgemäß der Zessionar nach Herausgabe der zu vindizirenden Sache in Bezug auf letztere habe erwerben sollen, | so sei die vorgeschlagene | Prot I 4 2 4 4 Vorschrift theils nicht in allen Fällen zutreffend theils entbehrlich. Die Frage, ob eine bindende und unwiderrufliche Traditionsofferte möglich sei, welche die Vorschrift zugleich in positiver Weise entscheiden wolle, bleibe besser der Lösung in Doktrin und Praxis überlassen. II. a. 1. Die in der 299. Sitzung beschlossene Vorschrift lautet in der VorlZust „Besitz"a\s § 29: Hat Jemand den Besitz einer Sache verloren oder wird diese während seines Be- VorlZust $ 29 sitzes beschädigt, so ist bis zum Beweise des Gegentheils anzunehmen, daß sein Vermögen im ersten Falle um den Werth der Sache, im zweiten Falle um die Verringerung des Werths derselben vermindert worden ist. (N.B. Zum § 29. In Betracht kommen die Kondiktionen; der Besitzverlust kann mit Willen (cond. indeb.) oder ohne Willen (cond. sine causa ζ. B. im Falle der Spezifikation) eingetreten sein. Noch wichtiger sind die Klagen ex lege Aquilia 10 , für welche auch die bloße Sachbeschädigung erheblich wird. Die Vorschriften über die Vindikation reichen schon deshalb nicht aus, weil Vindikation mitunter ganz außer Frage bleibt. Der angenommene Antrag PI. weicht in der Fassung ab.) 2. In der RedVorl ist die Bestimmung als 5 814 gefaßt: Hat Jemand Anspruch auf Ersatz des Werthes, welchen der Besitz einer Sache RedVorl § 814 für ihn hat, so wird vermuthet, daß dieser Werth dem Werthe gleichkomme, welchen die Sache für den Eigenthümer hat. » 10
S. bei $ 2 5 5 BGB. Im Original steht „Acquitio".
869
§§ 1005-1007
3. Abschnitt: Eigenthum
3. In § 814 ZustSachR ist die Fassung der VorlZust wiederhergestellt. b. Die in der 342. Sitzung gefaßten Beschlüsse sind in der VorlZust „Eigenthumsanspruch" als § 13 und in der ZustSachR in § 922 enthalten, während eine entsprechende Vorschrift in der RedVorlfehlt. Sie lauten: VorlZust § 13 Die Vorschriften der §§ 908 bis 921 (VorlZust: 1 bis 12) über die dem EigenthüZustSachR % 922 mer zustehenden Ansprüche finden entsprechende Anwendung zu Gunsten desjenigen, welcher den Besitz einer beweglichen Sache erworben hat, sofern er bei dem Besitzerwerbe den Umstand nicht gekannt hat, durch welchen der Erwerb des Eigenthums an der Sache verhindert worden ist, und seine Unkenntniß auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht hat. Die aus der Bestimmung des ersten Absatzes sich ergebenden Ansprüche können jedoch nicht gegen den Eigenthümer und auch nicht gegen denjenigen geltend gemacht werden, bei welchem die Voraussetzungen jener Bestimmung gleichfalls zutreffen, es sei denn, daß der letztere seinen Erwerb von dem nämlichen Rechtsvorgänger aus einer späteren Veräußerung desselben herleitet (VorlZust: von demselben Rechtsvorgänger aus einem späteren Vertrage [Rechtsgeschäfte, spätere Erwerbsthatsache] herleitet). (N.B. 1. Zu vgl. wegen der Fassung des ersten Absatzes den § 861 der Zusammenstellung". 2. Wird nicht den zweiten Absatz betreffend der am Schluß erwähnte spätere Erwerb stets in einem späteren dinglichen Vertrage, mindestens in einem späteren Rechtsgeschäft (Vindikationslegat?) bestehen müssen?) Kurlbaum III., IV. Bei der Redaktion des KE lag zu § 814 der Antrag vor, die Worte „bis ( N r 434, 7) zum Beweise des Gegentheils" zu streichen, dagegen am Schlüsse hinzuzusetzen:
Kurlbaum (Nr 434, 52)
Kurlbaum (Nr 450, 4)
„es sei denn, daß besondere Umstände eine andere Annahme rechtfertigen." Die Kom. beschloß, anstelle der Worte: „so ist bis zum Beweise des Gegentheils anzunehmen" zu setzen: „so wird vermuthet" (Prot I 6208, 6214). Mit dieser Änderung ist die Vorschrift in § 814 K E und § 825 Ε /enthalten. Zu § 922 lag der Antrag vor, die Bestimmung zu fassen: „Der Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache steht auch dem Besitzer derselben zu, wenn dieser bei der Erwerbung des Besitzes — beruht hat. Die Vorschriften der §§ 908 bis 921 finden entsprechende Anwendung. Der aus — sich ergebende Anspruch kann jedoch pp." (zu beachten die Ansprüche des Beklagten.) Der Antrag wurde abgelehnt (Prot I 6225, 6231). Bei der Revision des K E wurde auf Antrag beschlossen, dem § 922 Abs. 1 zuzusetzen: „Die Vorschrift des § 860 Satz 2n findet entsprechende Anwendung." Mit Rücksicht auf diesen Beschluß wurde auch dem Antrag zugestimmt, im Abs. 2 zu setzen: „Die aus der Vorschrift des ersten Satzes des ersten Absatzes sich ergebenden Ansprüche . . ." (Prot I 11968, 11969, 11994) Mit diesen Änderungen ist die Vorschrift im Ε I a l s § 945 ( K E § 922) enthalten. B. Vorkommission des Reichsjustizamtes 91. Sitzung vom 28. 9. 1892
|Prot-RJA619
| IX. Der § 825 des Entwurfs wurde von einer Seite mit der Begründung bekämpft, daß der darin enthaltene Gedanke, soweit er richtig sei, vom Richter ohne 11 12
870
S. bei S 935 BGB. S. bei §§ 932 — 936 BGB.
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1005—1007
weiteres berücksichtigt werden würde, und daß kein Anlaß vorliege, einen solchen Rechtssatz, der im geltenden Recht nirgends ausgesprochen sei, neu einzuführen. Die Kommission hielt aber den Satz für äußerst wichtig und unentbehrlich. Die Meinungen gingen auch darüber auseinander, ob die Bestimmung nicht an eine andere Stelle des Gesetzbuchs, sei es zur Lehre vom Schadensersatz, sei es zu den Bestimmungen über das Eigenthum zu stellen sei. Man beschloß, den § 825 zunächst aufrecht zu erhalten, vorbehaltlich der P r ü f u n g der Frage, ob die Berathung der Rechtssätze über das Eigenthum eine anderweite Regelung herbeiführe. 96. Sitzung vom 7. 4. 1893 | X. Zur Ergänzung des Entwurfs war vorgeschlagen: | Prot-RJA 967 1. als § 944 a folgende Vorschriften in das Gesetzbuch einzustellen: „Der Besitz einer beweglichen Sache begründet die Vermuthung, daß der Besitzer Eigenthümer der Sache sei. H a t Jemand früher eine bewegliche Sache besessen, so wird vermuthet, daß er während der Zeit seines Besitzes der Eigenthümer gewesen sei. Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermuthung f ü r den mittelbaren Besitzer. Die Vorschriften finden bei anderen Sachen als Geld und Inhaberpapieren, wenn die Sache gestohlen oder verloren oder in anderer Weise ohne den Willen eines früheren Besitzers aus dessen Besitze gekommen ist, gegenüber dem früheren Besitzer oder, wenn ein mittelbarer Besitz bestanden hat, gegenüber dem früheren mittelbaren Besitzer keine Anwendung." 2. diese Vorschriften wie folgt zu fassen: „Durch den Besitz einer beweglichen Sache wird die | Vermuthung für das | Prot-RJA 966 Eigenthum des Besitzers begründet. Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermuthung für den mittelbaren Besitzer. Die Vermuthung ist ausgeschlossen, wenn die Herausgabe einer im 5 939 bezeichneten Sache von dem Besitzer verlangt wird." Mit dem vorgeschlagenen § 944 a erklärte sich die Kommission sachlich einverstanden. XI. Zu dem § 945 waren folgende Anträge gestellt: 1. Den § 945 durch folgende Vorschriften zu ersetzen: „Wer früher eine bewegliche Sache als Eigenbesitzer besessen hat, kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn dem Besitzer bei dem Besitzerwerbe bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß er zum Besitze nicht berechtigt sei. Das Gleiche gilt, wenn die Sache gestohlen oder verloren oder in anderer Weise ohne den Willen des früheren Eigenbesitzers aus dessen Besitze gekommen ist, es sei denn, daß der Besitzer vor dem Besitzerwerb des früheren Eigenbesitzers in gleicher Weise den Besitz der Sache verloren hatte oder daß ihm das Eigenthum an der Sache zusteht oder daß der Anspruch auf die Herausgabe von Geld oder Inhaberpapiere gerichtet ist. Der Anspruch des früheren Eigenbesitzers auf Herausgabe der Sache ist ausgeschlossen, wenn ihm bei dem Besitzerwerbe bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß er zum Besitze nicht berechtigt sei. Auf das Rechtsverhältniß zwischen dem früheren Eigenbesitzer und dem Besitzer finden die Vorschriften der §§ 929 bis 940 entsprechende Anwendung." 2. Anstatt des § 945 folgende Bestimmungen aufzunehmen: „Derjenige, aus dessen redlichem Eigenbesitze eine bewegliche Sache gekommen ist, kann von dem unredlichen | Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. | Prot-RJA 969 871
§§ 1005-1007
3. Abschnitt: Eigenthum
Bei einer im § 939 bezeichneten Sache findet der Anspruch auch gegen den redlichen Besitzer statt, es sei denn, daß dieser der Eigenthümer ist oder daß ihm der Besitz in gleicher Weise wie dem früheren Eigenbesitzer vor dessen Besitzzeit abhanden gekommen war. Auf das Rechtsverhältniß finden die Vorschriften der §§ 929 bis 940 entsprechende Anwendung." Der Antrag 2 bezweckt keine sachliche Aenderung es § 945 des Entwurfes. Der Antrag 1 weicht in folgenden Punkten vom Entwurf und dem Antrage 2 ab: 1. Nach dem Entwürfe muß der Kläger seinen Titel und seinen guten Glauben beweisen. Der Antrag 1 erfordert nur den Beweis des Eigenbesitzes, der redliche Glaube des Klägers wird vermuthet. 2. Wenn der Kläger und der Beklagte Besitz nachweisen, so geht nach dem Entwürfe der Beklagte immer vor. Nach dem Antrage 1 ist zu unterscheiden: wenn der Kläger seinen Besitz freiwillig aufgegeben hat, so geht der Beklagte vor; wenn dagegen der Kläger den Besitz ohne seinen Willen verloren hat, so muß der Beklagte, um durchzudringen, seinerseits einen originären Eigenthumserwerbsgrund nachweisen. 3. W e n n der Kläger und der Beklagte ihr Recht von demselben Eigenthümer ableiten, so dringt nach dem Entwürfe der Kläger durch, falls er früheren Besitz nachweist. Der Antrag 1 unterscheidet auch hier: bei freiwilligem Besitzverlust des Klägers wird der Beklagte immer geschützt; wenn dagegen der Kläger den Besitz wider seinen Willen verloren hat, soll der Beklagte unterliegen. | Prot-RJA 970
4. Nach dem Antrage 2 kommt es auch auf die mala fides | superveniens des Beklagten an, während der Antrag 1 lediglich darauf abstellt, ob der als unredlicher Besitzer Beklagte z. Zt. seines Besitzerwerbes sich in gutem Glauben befunden hat oder nicht. 5. Der Antrag 1 schließt in seinem Abs. 2 Satz 1 die Klage des früheren Besitzers nur dann aus, wenn derselbe z. Zt. des Besitzerwerbes in bösem Glauben gewesen ist; der Antragsteller zu 1 überzeugte sich davon, daß hier die mala fides superveniens dem Kläger zum Schaden gereichen müsse, und erklärte sich insoweit mit einer Abänderung seines Antrags einverstanden. Mit dieser Abänderung wurde der Antrag 1 von der Kommission sachlich gebilligt. Nachdem man den § 945 durchberathen hatte, wurde von mehreren Seiten bemerkt: es könne zweifelhaft sein, ob der § 945 nicht besser zu streichen sei. Der weitaus größte Teil der in Betracht kommenden Fälle werde durch den neu beschlossenen § 944 a gedeckt und für die wenigen noch verbleibenden Fälle, in welchen der Schutz des § 944 a versage, werde es kaum nöthig sein, eine derartige verwickelte und schwierige Vorschrift, wie sie der § 945 darstelle, in das Gesetzbuch aufzunehmen. — Man glaubte indessen die Entscheidung über die Streichung des § 945 der Hauptkommission überlassen zu sollen und beschloß den § 945 einstweilen beizubehalten. C. 2. Kommission I. Anträge (Prot. II, Bd. 3, S. 45 ff., 380 ff.; Mugdan, Bd. 3, S. 519 f., 696 f.) a) Zu § 825 lagen die Anträge vor: 1. in Zeile 1 statt „einer Sache" zu sagen „einer beweglichen Sache"; 872
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigenthume
§§ 1005-1007
2. die Vorschrift unter die Vorschriften über die Pflicht zum Ersätze des Schadens aus unerlaubten Handlungen in folgender Fassung zu versetzen: Ist wegen der Entziehung oder der Beschädigung einer beweglichen Sache demjenigen, in dessen Besitze die Sache sich zur Zeit der Entziehung oder der Beschädigung befunden hat, Schadensersatz in Geld zu leisten, so wird vermuthet, daß das Vermögen des Verletzten im Falle der Entziehung um den Werth der Sache, im Falle der Beschädigung um den Werthunterschied vermindert ist. 3. die Vorschrift zu streichen. Die Kommission nahm den § 825 mit der im Antrag 1 vorgeschlagenen Beschränkung auf bewegliche Sachen sachlich an und überließ die Prüfung der Frage, an welcher Stelle und in welcher Fassung die Vorschrift zum Ausdrucke zu bringen sei, der RedKomm. b) Zu § 945 lagen die Anträge vor: 1. nach § 944 folgende Vorschriften einzustellen: Achilles § 944 a. Es wird vermuthet, daß der Besitzer einer beweglichen Sache Eigenthü- (Nr 96, 106) mer derselben ist. Zu Gunsten eines früheren Besitzers besteht die Eigenthumsvermuthung für die Zeit, während welcher derselbe die Sache besessen hat. Im Falle eines mittelbaren Besitzes wird die Vermuthung für den mittelbaren Besitzer begründet. Ist die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne Willen eines früheren Besitzers aus dessen Besitze gekommen, so ist dem früheren Besitzer gegenüber oder, wenn ein mittelbarer Besitz bestanden hat, dem früheren mittelbaren Besitzer gegenüber die im Abs. 1 Satz 1 zu Gunsten des derzeitigen Besitzers bestimmte Vermuthung ausgeschlossen, es sei denn, daß Geld oder ein Inhaberpapier den Gegenstand des Besitzes bildet. hierzu die Unteranträge 2 bis 4: 2. den Abs. 2 zu streichen; 3. den Abs. 1 Satz 1 auf Geld und Werthpapiere zu beschränken und die übrigen Vorschriften abzulehnen; 4. dem § 929 als Abs. 2 hinzuzufügen: Geht der Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache, so wird zu Gun- v. Cuny sten des Besitzers vermuthet, daß er nach dem Kläger das Eigenthum erworben (Nr 86, 1) habe. 5. den § 945 zu fassen: Achilles W e r eine bewegliche Sache im Eigenbesitze gehabt hat, kann von dem unredli- (Nr 96, 107) chen Besitzer die Herausgabe derselben verlangen. Ist die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen des früheren Eigenbesitzers aus dessen Besitze gekommen, so findet der Anspruch auch gegen den redlichen Besitzer statt, es sei denn, daß dieser der Eigenthümer ist oder daß ihm der Besitz in gleicher Weise wie dem früheren Eigenbesitzer vor dessen Besitzzeit abhanden gekommen war oder daß die Herausgabe von Geld oder Inhaberpapieren verlangt wird. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Eigenbesitzer unredlicher Besitzer war. Im Uebrigen finden auf das Rechtsverhältniß zwischen ihm und dem Besitzer die Vorschriften der §§ 929 bis 940 entsprechende Anwendung. 6. hierzu der Unterantrag, im Abs. 1 nach „in dessen Besitz" einzuschalten: oder im Falle des mittelbaren Besitzes ohne den Willen des Besitzers aus dem Besitze des letzteren. 873
§§ 1 0 0 5 - 1 0 0 7
3. Abschnitt: Eigenthum
v. Cuny (Nr 86, 3)
7. den § 945 zu fassen: Der frühere Besitzer einer beweglichen Sache, welchem sie gestohlen oder verloren gegangen oder sonst ohne seinen Willen aus seinem Besitze gekommen ist, hat gegen den gegenwärtigen Besitzer den Anspruch auf Herausgabe der Sache. Die Vorschriften der §§ 929 bis 944 finden entsprechende Anwendung. Gegen den Eigenthümer kann dieser Anspruch nicht geltend gemacht werden.
Jacubezky (Nr 124)
8. den § 945 zu fassen: Wer eine bewegliche Sache im Besitze oder im mittelbaren Besitze gehabt hat, kann von einem Besitzer, der bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war (d. h. den Mangel des Rechtes zum Besitze gekannt oder nur in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat) die Herausgabe derselben verlangen. Ist die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen des früheren Besitzers aus dessen Besitze gekommen, so findet der Anspruch auch gegen einen gutgläubigen Besitzer statt, es sei denn, daß dieser der Eigenthümer ist oder daß ihm der Besitz oder der mittelbare Besitz in gleicher Weise wie dem früheren Besitzer oder dem mittelbaren Besitzer vor dessen Besitzzeit abhanden gekommen war oder daß die Herausgabe von Geld oder Inhaberpapieren verlangt wird. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Besitzer oder der mittelbare Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes oder des mittelbaren Besitzes nicht in gutem Glauben war oder wenn er den Besitz oder den mittelbaren Besitz (rechtswirksam) aufgegeben hat. Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§ 929 bis 938 a entsprechende Anwendung. 9. die im Antrage 6 vorgeschlagenen Vorschriften auf den Eigenbesitzer zu beschränken. Der Antrag 4 wurde zu Gunsten des Antrags 1, der Antrag 7 zu Gunsten des Antrags 5 zurückgezogen, worauf auch der Antrag 5 zurückgezogen wurde. Die Komm, lehnte den Antrag 3 ab, und nahm den Antrag 1 an, wodurch sich der Antrag 2 erledigte. Der Antrag 9 wurde abgelehnt, der Antrag 8 angenommen; dem Antrage 6 kam nach der Erklärung des Antragstellers zu 8 im Verhältnisse zu seinem Antrage nur die Bedeutung einer Berichtigung der Fassung zu.
II. In der VorlZust lautet § 825: Ε I-VorlZust H a t Jemand wegen Entziehung des Besitzes einer beweglichen Sache oder we5 825 gen Beschädigung einer in sejnem Besitze befindlichen beweglichen Sache Schadensersatz in Geld zu fordern, so wird vermuthet, daß der Betrag des Schadens im Falle der Entziehung dem Werthe der Sache, im Falle der Beschädigung der Verminderung ihres Werthes entspreche. Als § 944 a ist Antrag 1 übernommen, als § 945 Antrag 8. In § 945 ist der Klammereinschub im Abs. 1 weggelassen; zitiert sind die §§ 929—942 a. III. In der ZustRedKom sind die Vorschriften als §§ 944 b, 945, 945 a gefaßt: Ε I-ZustRedKom Es wird vermuthet, daß der Besitzer einer beweglichen Sache Eigenthümer der § 944 b Sache ist. Zu Gunsten eines früheren Besitzers besteht die Vermuthung f ü r die Zeit, während welcher er die Sache besessen hat. Ist die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen eines früheren Besitzers aus dessen Besitze gekommen, so ist die Vermuthung für das Eigenthum des gegenwärtigen Besitzers dem früheren Besitzer gegenüber ausgeschlossen. Auf Geld und Inhaberpapiere findet diese Vorschrift keine Anwendung. Im Falle eines mittelbaren Besitzers gilt die Vermuthung f ü r den mittelbaren Besitzer. 874
5. Titel: Mieteigenthum
§§1008-1011
Wer eine bewegliche Sache im Besitze gehabt hat, kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn dieser bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Ist die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen des früheren Besitzers aus dessen Besitze gekommen, so findet der Anspruch auch gegen einen gutgläubigen Besitzer statt, es sei denn, daß dieser der Eigenthümer der Sache ist oder daß ihm der Besitz in gleicher Weise wie dem früheren Besitzer vor dessen Besitzzeit abhanden gekommen ist. Auf Geld oder Inhaberpapiere findet diese Vorschrift keine Anwendung. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war oder wenn er den Besitz aufgegeben hat. Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§ 929 a bis 942 a entsprechende Anwendung. Die Vorschrift des § 945 findet zu Gunsten eines früheren mittelbaren Besitzers entsprechende Anwendung. IV., V. Im £ / / § § 918, 919 (Ε II rev §§ 991, 992; Ε III %% 990, 991) liegt die in §§ 1006, 1007 BGB Gesetz gewordene Fassung vor.
FÜNFTER TITEL Miteigenthum
§ 1008 Steht das Eigenthum an einer Sache Mehreren nach Bruchtheilen zu, so gelten die Vorschriften der §§ 1009 bis 1011. § 1009 Die gemeinschaftlich Sache kann auch zu Gunsten eines Miteigenthümers belastet werden. Die Belastung eines gemeinschaftlichen Grundstücks zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstücks wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das andere Grundstück einem Miteigenthümer des gemeinschaftlichen Grundstücks gehört. § 1010
Haben die Miteigenthümer eines Grundstücks die Verwaltung und Benutzung geregelt oder das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist bestimmt, so wirkt die getroffene Bestimmung gegen den Sondernachfolger eines Miteigenthümers nur, wenn sie als Belastung des Antheils im Grundbuch eingetragen ist. Die in den §§ 755, 756 bestimmten Ansprüche können gegen den Sondernachfolger eines Miteigenthümers nur geltend gemacht werden, wenn sie im Grundbuch eingetragen sind. 875
Ε I-ZustRedKom §945
Ε I-ZustRedKom §945 a
§§ 1008-1011
3. Abschnitt: Eigenthum § 1011
Jeder Miteigenthümer kann die Ansprüche aus dem Eigenthume Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, den Anspruch auf Herausgabe jedoch nur in Gemäßheit des § 432. Α. 1. Kommission I. 34.5. Sitzung vom 8. 9. 1884, Schriftführer von Liehe | Die Berathung 1 wandte sich zu dem Abschnitte des Entwurfs, welcher die Ueberschrift trägt: „Gemeinschaftliches Eigenthum (Miteigenthum)." Die §§210, 211 und 221 des Entwurfs wurden bei der Berathung zusammengefaßt, weil Anträge vorlagen, welche sich auf diese §§ in ihrem Zusammenhange bezogen. Die §§ lauten: §210. TE-SachR§210 „Das Eigenthum einer Sache kann mehreren Personen gemeinschaftlich zustehen (Miteigenthum). Das zufällig und nicht durch Erbgang entstandene Miteigenthum regelt sich nach den Bestimmungen der §§ 211—220." | Prot I 4278
TE-SachR § 211
TE-SachR §221
| Prot I 4279 Johow (Nr 149, 1)
Johow (Nr 149, 2) Kurlbaum (Nr 153, 1)
§ 211. „Die gemeinschaftliche Sache gehört den Miteigenthümern nach Antheilen. Der Antheil des einzelnen bestimmt das Maß seiner Betheiligung an dem Werthe, dem Nutzen und den Lasten der gemeinschaftlichen Sache gegenüber den Genossen. Im Zweifel gilt Gleichheit der Antheile." §221. „Die Bestimmungen der §§211—220 finden bei jeder Art der Eigenthumsgemeinschaft Anwendung, soweit nicht für die besondere Art der Gemeinschaft durch das Gesetz etwas anderes bestimmt, insbesondere der Umfang der Rechte und der Pflichten der Theilhaber nicht nach Antheilen an der einzelnen Sache bemessen, sondern von der inneren Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses abhängig gemacht ist." | Folgende Anträge waren gestellt: i. v o m Referenten unter Aufrechterhaltung des ersten Absatzes des §210 den zweiten Absatz dieses § sowie die §§218 und 221 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Soweit nicht für gewisse Arten der Gemeinschaft das Gesetz ein Anderes ergiebt, steht die gemeinschaftliche Sache den Miteigenthümern nach Bruchtheilen zu und regelt sich das Miteigenthum nach den Bestimmungen der §§ 756 bis 764 (K.E.) 2 und der §§ [der zu § 211 bis 221 zu beschließenden Vorschriften]." und den §211 zu streichen, und zwar Absatz 1 als erledigt durch vorstehende Bestimmung, Absatz 2 als gedeckt durch K.E. §§ 7 5 7 - 7 5 9 , 762. 2. statt der §§ 210, 211 zu bestimmen: „Eine im gemeinschaftlichen Eigenthum mehrerer Personen befindliche Sache gehört, soweit nicht für gewisse Arten der Gemeinschaft durch Gesetz ein Anderes bestimmt ist, den Miteigenthümern nach Bruchtheilen." und den § 221 zu streichen. 1 2
Die vorhergehende Beratung s. bei §§ 987—993 BGB. S. bei SS 7 4 1 - 7 5 8 BGB.
876
5. Titel: Mieteigenthum
§§ 1008-1011
3. hinter § 2 1 0 in der Fassung des Antrags 1 folgenden § einzuschalten als Johow § 210a. (Nr 149, 12) „Auf das jedem Theilhaber an der gemeinschaftlichen Sache zustehende Recht P' a n c k 156 finden die Vorschriften über Eigenthum insoweit Anwendung, als sich nicht aus ' dem Rechte der anderen Theilhaber eine Abweichung ergiebt." 1. Zunächst wurde die Frage der Terminologie erörtert. Der Entwurf gebraucht die Ausdrücke „gemeinschaftliches Eigenthum" und „Miteigenthum" synonym, macht jedoch den letzteren Ausdruck zu einem technischen. Der Antrag 2 bedient sich des Ausdrucks „gemeinschaftliches Eigenthum" für das Recht aller Betheiligten, des Ausdrucks „Miteigenthum" für das Recht des Einzelnen. Der Antragsteller bezog sich dabei auf K.E. §§ 624, 838 (Prot. S. 3 8 1 7 - 2 8 1 9 ) , 889 (Prot. S. 4086) und bemängelte die Ausdrucksweise des K.E. § 876 (Prot. S. 4051—4063) 3 . | Die Kommission entschied sich f ü r die Terminologie des Entwurfs und gegen | Prot I 4280 die Terminologie des Antrags 2. Man hielt letztere für dem Sprachgebrauche nicht entsprechend und war der Ansicht, daß man sich zu Gunsten derselben nicht auf die Fassung der bisher beschlossenen Vorschriften berufen könne. 2. Zwischen dem Entwürfe und den Anträgen 1 und 2 bestehen keine sachlichen Abweichungen. a, Der Absatz 1 des § 210 wurde zwar nicht als unrichtig, aber als entbehrlich angegriffen und wurde eingewendet, daß derselbe zu analogen Vorschriften über die Möglichkeit der Gemeinschaft auch bei anderen Rechten führen würde. Man einigte sich, der Prüfung bei der Redaktion die Entscheidung über die Annahme des Absatz 1 zu überlassen. b, Der Absatz 2 des § 210 in der vom Referenten verbesserten Fassung bringt zunächst in Uebereinstimmung mit dem Antrag 2 den Satz, daß regelmäßig die gemeinschaftliche Sache den Miteigenthümern nach Bruchtheilen gehört. Die Kommission billigte die Aufnahme dieses Satzes, Fassung desselben vorbehalten. c, Der verbesserte Absatz 2 des § 210 betrifft ferner das Verhältniß der verschiedenen die einzelnen Arten der communio juris regelnden gesetzlichen Vorschriften unter einander. Ueber dieses Verhältniß wurden folgende Beschlüsse gefaßt: α, Es soll bestimmt werden, daß die Vorschriften über die Kommunion auch für das an dieser Stelle zu regelnde Miteigenthum gelten. Die Fassung der aufzunehmenden Vorschrift blieb der Prüfung bei der Redaktion überlassen. Man ging davon aus, daß die Vorschriften über Kommunion ihre hauptsächliche Anwendung gerade im Falle des Miteigenthums zu finden haben. Absatz 2 und 3 des §211 des Entwurfs galten als durch Heranziehung der Vorschriften über Gemeinschaft gedeckt. ß, Es soll nicht bestimmt werden, daß die Vorschriften über Gemeinschaft und Miteigenthum subsidiäre Geltung auf die a n o - | malen Eigenthumsgemeinschaften | Prot 1 4281 finden, welche nicht Miteigenthum (nach Bruchtheilen) sind. Erwogen war: Bei dem regelmäßigen Miteigenthum beruhe die auch nach Außen wirksame O r d n u n g des Rechtsverhältnisses auf der Zuschreibung von nach Quoten bemessenen Antheilsrechten an die Genossen. Bestimme das Gesetz eine von dieser O r d nung ganz verschiedene Ordnung der Gemeinschaft ohne nach Quoten bemessene Antheilsrechte, so sei wegen der stattfindenden fundamentalen Verschiedenheit eine subsidiäre Anwendung der Vorschriften über Miteigenthum und Gemeinschaft auf die anomale Eigenthumsgemeinschaft ausgeschlossen. 3
Die Vorschriften des KE s. bei §§ 706, 923, 963 und 949 BGB.
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§§1008-1011
3. Abschnitt: Eigenthum
Von einer Seite wurde bei dieser Gelegenheit zur Sprache gebracht, daß die Vorschriften über Gemeinschaft subsidiäre Geltung auch für den Fall haben müßten, wenn die Gemeinschaft auf einem Gesellschaftsverhältnisse beruhe, und daß es nicht richtig sei, wenn in K.E. § 7564, statt den Vorschriften über Gesellschaft prinzipale Geltung zu wahren, die Kommunionsvorschriften von der Anwendung auf die gesellschaftliche Gemeinschaft schlechthin ausgeschlossen würden. Man erkannte die vorstehende Bemerkung als begründet an und beschloß die subsidäre Geltung der Kommunionsvorschriften für die gesellschaftliche Gemeinschaft im Gesetz zum Ausdruck zu bringen. Wie dies zu geschehen habe, ob insbesondere, wie von einer Seite vorgeschlagen, in § 756 K.E. die Worte: „ohne daß die Gemeinschaft" bis „beruht" gestrichen werden sollen und ein Schlußparagraph angehängt werden soll, welcher etwa zu lauten hätte: „Wenn die Gemeinschaft aus einem unter den Theilhabern bestehenden Gesellschaftsverhältnisse beruht, so bleiben die Vorschriften über Gesellschaft unberührt." — blieb der P r ü f u n g bei der Redaktion überlassen, bei welcher ebenfalls erwogen werden wird, ob, wie von einer Seite behauptet, nur K.E. § 756 zur subsidiären An| Prot I 4282 wendung auf | die gesellschaftliche Gemeinschaft sich eigne. 3. Die in dem Antrage 3 als § 2 1 0 a vorgeschlagene Bestimmung wurde abgelehnt. Erwogen war: Es sei richtig, daß das Recht des einzelnen Miteigenthümers Eigenthum bleibe. Das Antheilsrecht sei nicht eine besondere Art von Recht. N u r würde man zu unrichtigen Resultaten gelangen, wenn man, wie Eigenthum und Sache identifiziert zu werden pflege, so auch den Eigenthumsantheil als Sache behandeln wollte. Wenn aber auch der Satz, daß Miteigenthum Eigenthum bleibe, richtig sei, so bedürfe er doch einerseits nicht der Aufnahme im Gesetze, da er sich zur Genüge aus den sonstigen Vorschriften ergebe, und sei es andererseits schwer, eine Fassung zu finden, welche nicht geeignet wäre, bedenklichen Konstruktionen, welche in der Doktrin vorkämen, Vorschub zu leisten. Dieser Uebelstand werde durch die Schlußworte des Antrags: „insoweit als sich nicht aus dem Rechte der anderen Theilhaber eine Abweichung ergiebt", nicht vermieden, er werde aber auch eintreten, wenn man diese Schlußworte weglassen wollte. Die §§ 210, 211 und 221 des Entwurfs nebst den dazu gestellten Anträgen galten als erledigt, es blieb jedoch noch zu erledigen ein vom Referenten gestellter Antrag, bei Berathung des §211 die in der Note zu §788 der Zusammenstellung der Beschlüsse zum Sachenrecht 5 , Prot. 25. Februar 1884, S. 3386, der Berathung des Miteigenthums vorbehaltene Frage, ob der Mitbesitz an die Voraussetzung zu knüpfen sei, daß man, um Mitbesitzer zu sein, sich einen bestimmten Antheil an der Sache zuschreiben müsse, in Erwägung zu ziehen und zu beschließen, daß eine diese Frage entscheidende Bestimmung in das Gesetzbuch nicht aufzunehmen sei. | Prot I 4283 | Die Kommission trat dem Antrage des Referenten bei und beschloß die Note zu § 788 der Zusammenstellung zu streichen. Erwogen war: Insoweit der Besitz von Bedeutung sei f ü r das Recht an der Sache, werde sich schon aus § 787 der Zusammenstellung (Prot. 25. Februar 1884 S. 3384—3386) er4
S. bei $ 747 BGB. 5 S. bei §§ 854, 855 BGB.
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5. Titel: Mieteigenthum
§§
1008—1011
geben, daß f ü r den Mitbesitz ein bestimmtes Antheilsverhältniß in derselben Weise und in demselben U m f a n g e erforderlich sei, wie f ü r das Eigenthum, weil nach § 787 Besitz nur insoweit möglich sei, als Eigenthum möglich sei. Insoweit aber auf G r u n d des Mitbesitzes possessorischer Schutz verlangt werde, gewinne das Antheilsverhältniß nur unter besonderen Umständen nach § 806 der Zusammenstellung, Prot. 10. März 1884, S. 3500 bis 3504 6 , Bedeutung, nämlich wenn es sich um eine Beeinträchtigung des nach § 758 K.E. zustehenden Mitgebrauchsrechts durch einen Theilhaber handle, da nach § 758 Absatz 3 in gewissen Schranken eine bestimmte Verwaltung und Benutzung durch Stimmenmehrheit, die nach der G r ö ß e der Antheile berechnet wird, beschlossen werden könne. Eine Entscheidung der im Antrage angeregten Frage sei deshalb einerseits nicht erforderlich und andererseits ohne Einschränkung nicht möglich. D e r § 212 des Entwurfs lautet: „Zu der Uebertragung des Eigenthumsrechts an der gemeinschaftlichen Sache TE-SachR§212 und zu der Begründung eines anderen Rechts an derselben ist die Einwilligung aller Miteigenthümer erforderlich. Ein solches Recht kann auch f ü r einen Miteigenthümer begründet w e r d e n ; derselbe ist durch seine Eigenschaft als Erwerber des Rechts nicht behindert, bei dessen E i n r ä u m u n g oder A u f h e b u n g mitzuwirken." | D e r Referent hatte beantragt, a, den Absatz 1 zu streichen (gedeckt durch K.E. § 756 Satz 2); b, den Absatz 2 zu fassen: „Ein das gemeinschaftliche Eigenthum beschränkendes Recht an der Sache kann auch f ü r einen Miteigenthümer derselben begründet werden." D a n e b e n war der Streichungsantrag mit dem Vorbehalte gestellt w o r d e n , eine dem Absatz 2 entsprechende Vorschrift in den Abschnitt über Dienstbarkeiten aufzunehmen. Die Kommission nahm den Antrag des Referenten an. Man Schloß sich hierbei den G r ü n d e n an, welche in den Motiven S. 1031, 1032 zur Rechtfertigung der beschlossenen Vorschrift und f ü r das Bedürfniß der A u f n a h m e derselben a n g e f ü h r t sind. Die beschlossene Vorschrift auf den Erwerb von Dienstbarkeiten an der gemeinschaftlichen Sache seitens eines Miteigenthümers zu beschränken, erachtete man f ü r innerlich nicht gerechtfertigt und das praktische Bedürfniß nicht befriedigend.
| Prot I 4284 J°how ( N r 149> 4 )
Kurlbaum (Nr 153, 2)
346. Sitzung vom 10. 9. 1884, Schriftführer von Liebe | Die Berathung des Sachenrechtsentwurfs „Miteigenthum" w u r d e fortgesetzt. | Prot I 4285 D e r § 2 1 3 des Entwurfs lautet: „Jeder Miteigenthümer ist zu der U e b e r t r a g u n g seines Antheils und zu der Be- TE-SachR§213 Stellung solcher Rechte an demselben, deren Gegenstand ein Eigenthumsantheil nach dem Gesetze sein kann, selbständig befugt. U e b e r den Antheil an einem Grundstücke kann bei dem Grundbuche nur v e r f ü g t werden, w e n n die G r ö ß e des Antheils in dem G r u n d b u c h e eingetragen ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn einem der Miteigenthümer der Antheil eines Anderen übertragen wird." Folgende Anträge waren gestellt: 1. D e r Referent hatte beantragt, den Abs. 1, als durch K.E. § 756 Satz 1 gedeckt, Johow zu streichen und den Abs. 2 zu fassen: (Nr 149 , 5) S. bei « 865, 866 BGB.
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§§ 1008—1011
3. Abschnitt: Eigenthum
„Ueber seinen Antheil an einem Grundstücke kann der Miteigenthümer nur verfügen, wenn die Größe des Antheiles in dem Grundbuche angegeben ist. Diese Be| Prot I 4286 Stimmung findet kei- | ne Anwendung, wenn der Antheil auf einen anderen Miteigenthümer übergehen soll." Zugleich w a r beantragt den § 213 mit dem § 215 zu kombiniren. Kurlbaum 2. den § 213 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: (Nr 153, 3) „Die U e b e r t r a g u n g des Miteigenthums an einem in gemeinschaftlichem Eigent h u m befindlichen Grundstücke darf in das G r u n d b u c h nur eingetragen w e r d e n , w e n n die U e b e r t r a g u n g sich auf einen der G r ö ß e nach bestimmten Antheil bezieht und dessen G r ö ß e in das Grundbuch eingetragen ist oder gleichzeitig eingetragen wird oder w e n n alle Miteigenthümer zustimmen. Rechte an einem in gemeinschaftlichem Eigenthum befindlichen G r u n d s t ü c k e außer dem Eigenthum, dürfen nur in Ansehung des ganzen Grundstücks o d e r eines der G r ö ß e nach bestimmten Antheils an demselben in das Grundbuch eingetragen werden. Solche Rechte an einem Grundstücksantheile dürfen nur eingetragen w e r den, wenn die G r ö ß e des Antheils in das G r u n d b u c h eingetragen ist, oder gleichzeitig eingetragen wird." v. Weber 3. den § 213 Abs. 2 zu fassen: (Nr 161, 1) „Sind die Antheile der Miteigenthümer eines Grundstücks von verschiedener Größe, so muß die G r ö ß e des einem jeden Miteigenthümer zustehenden Bruchtheiles in das G r u n d b u c h eingetragen werden." Planck D a n e b e n w a r der Streichungsantrag gestellt. (Nr 156, 2) D e r Absatz 1 des § 213 galt als durch K.E. § 756 Satz 1 erledigt und betraf die weitere Berathung deshalb nur den Abs. 2 des § 213. Zwei Meinungen standen einander gegenüber. Die eine Meinung ist in dem Entw ü r f e vertreten, welchem der Antrag 2 im Prinzipe beitritt. Die andere Meinung wird von dem Antrage 3 vertreten. | Prot I 4287 D e r Entwurf will, indem er von dem nicht normalen Eigenthum | absieht, der Privatwillkür frei stellen, eine Eintragung des Miteigenthums in das G r u n d b u c h o h n e Angabe bestimmter Bruchtheile herbeizuführen, und zwar in der Weise, daß nicht etwa die Eintragung in das Grundbuch durch eine Rechtsregel ergänzt wird und als Eintragung zu gleichen Bruchtheilen zu lesen ist. Vielmehr sollen die Betheiligten das Quotenverhältniß als eine innere Angelegenheit der Publikation durch das G r u n d b u c h entziehen und der Bestimmung und Aenderung durch formlosen V e r t r a g — Motive S. 1037 — vorbehalten können. Das Grundbuch ergiebt in solchem Falle nur, daß die mehreren Personen Miteigenthümer sind. Ueber das Q u o tenverhältniß entscheiden die inneren persönlichen Beziehungen unter den Betheiligten. Eine K o n s e q u e n z hiervon ist, daß durch die Eintragung ohne Angabe der Bruchtheile die dingliche Verfügungsbefugniß eines jeden Betheiligten bis z u r nachträglichen Eintragung des bestimmten Bruchtheiles unterbunden wird. Diese Konsequenz ist es, welche allein im Entwürfe und in etwas größerer Vollständigkeit im Antrage 2 ausgesprochen wird. Die entgegenstehende Meinung will nur bei anomalem Miteigenthum, welches nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen eintreten kann, eine Buchung des Eigenthums ohne Angabe der Bruchtheile zulassen. Bei dem normalen Miteigenthume sollen nur die bestimmten Q u o t e n der Einzelnen, nicht aber das Recht der Gesammtheit mit Unterdrückung des Quotenverhältnisses buchungsfähig sein. U m indessen von einer möglicher Weise v o r k o m m e n d e n Buchung ohne Q u o tenangabe die Nichtigkeit abzuwehren, soll die Eintragung ohne Q u o t e n als Eintragung zu gleichen Q u o t e n gelesen werden. 880
5. Titel: Mieteigenthum
§ § 1 0 0 8 — 1011
Die Kommission faßte folgende Beschlüsse: 1. Der Antrag 3 wurde sachlich gebilligt und in folgender verbesserter Fassung angenommen: „Sind mehrere Personen als Miteigenthümer eingetragen, so gilt das Miteigenthum nach Bruchtheilen, und zwar nach gleichen Bruchtheilen, als eingetragen, soweit aus der Eintragung ein Anderes sich nicht ergiebt." | 2 . In die Grundbuchordnung soll, Fassung vorbehalten, eine Bestimmung auf- | Prot 1 4288 genommen werden, daß, wenn anomales Miteigenthum eingetragen werden soll, das die anomale Eigenschaft des Miteigenthums begründende Rechtsverhältniß festzustellen und in der Eintragung zu bezeichnen ist. 3. Vorbehalten bleibt, auf weiteren Antrag bei Berathung der Grundbuchordnung zu prüfen, ob sich die Aufnahme einer für den Grundbuchbeamten instruktioneilen Vorschrift empfiehlt, welche den Grundbuchbeamten verpflichtet und berechtigt, falls die Eintragung von normalem Miteigenthum beantragt wird, nur unter Angabe bestimmter Bruchtheile die Eintragung vorzunehmen. 4. Die Entscheidung über den Antrag des Referenten, den § 213 mit dem § 215 zu vereinigen, wurde der Prüfung bei der Redaktion überlassen. Die Gründe der gefaßten Beschlüsse waren: Anomales Miteigenthum, welches bei Berücksichtigung der Eintragungen in das Grundbuch nicht außer Betracht bleiben dürfe, könne nur in den gesetzlich bestimmten Fällen entstehen. Werde deshalb die Eintragung des Miteigenthums als eines anomalen ohne Angabe der Quoten beantragt, so müßten dem Grundbuchamte die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des anomalen Miteigenthums dargelegt werden und müßte das die anomale Qualität des Miteigenthums bedingende Rechtsverhältniß in der Eintragung in das Grundbuch Ausdruck finden, ζ. B. daß eine offene Handelsgesellschaft als Erwerberin des Eigenthums in Frage stehe. Die Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen könne ohne Bedenken dem Grundbuchamte übertragen werden. Lägen die besonderen Voraussetzungen für die Anomalität nicht vor, so handle es sich um normales Miteigenthum, bei welchem über die Bruchtheile der Einzelnen stets objektive Gewißheit bestehe. Werde mit dem Entwürfe den Betheiligten freigestellt, eine die Quoten nicht bezeichnende und durch das Gesetz in diesem Mangel nicht ergänzte Eintragung zu erwirken, so sei damit der Privatautonomie freigegeben, eine neue Art von Miteigenthum zu schaffen, bei welchem nur das Eigenthum | der Gesammtheit feststehe, das Quotenverhältniß aber eine innere durch die per- | Prot I 4289 sönlichen Rechtsverhältnisse unter den Betheiligten bestimmte Angelegenheit bleibe und durch formlosen Vertrag geändert werden könne. In den Vorschriften über die Gesellschaft habe man, abgesehen von den Bestimmungen § 652 K.E. 7 , der Privatwillkür eine solche Freiheit nicht gelassen. Dort sei nicht der Gesellschafter auf den durch die inneren obligatorischen Beziehungen unter den Genossen bestimmten Antheil am Gesellschaftsvermögen beschränkt, sondern es sei ihm ein Antheil an den einzelnen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens zugesprochen, zu vgl. Prot. S. 2907, K.E. § 624 8 . Werde das Quotenverhältniß den inneren Beziehungen unter den Betheiligten und der formlosen Vereinbarung derselben überlassen, so ergäben sich für Dritte nicht zu unterschätzende Gefahren. Ein dritter Gläubiger finde keinen bestimmten Antheil als Exekutionsobjekt und, wie man auch das zuläs7 8
S. im Anhang zu §§ 705—740 BGB. S. bei § 706 BGB.
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§§1008-1011
3. Abschnitt: Eigenthum
sige Vorgehen gegen die übrigen Betheiligten behufs Feststellung der dem Schuldner zukommenden Quote denken wolle, jedenfalls werde die Zwangsvollstreckung in den Antheil großen Schwierigkeiten begegnen. Ebenso würden, insoweit die Quoten f ü r obligatorische an das Eigenthum geknüpfte Verpflichtungen maßgebend wären, wie ζ. B. nach dem Entwürfe bei Reallasten und Hypothekzinsen, §§ 355, 385 Abs. 39, für den betreffenden Gläubiger Schwierigkeiten entstehen. Das praktische Bedürfniß für die Zulassung der Eintragung des Miteigenthums mit Aufschiebung der Antheilsfrage habe man in den Fällen gefunden, in denen dem Eigenthume oder dem Eigenthumserwerbe der Gesammtheit der Betheiligten kein Zweifel und keine Schwierigkeit entgegenstehe, aber die Quotenfrage zweifelhaft oder bestritten sei, ζ. B. im Falle mehrerer Erben oder Legatare. Durch das Erfordemiß der Quotenbezeichnung würden in einem solchen Falle allerdings unbedenkliche Verfügungen über das ganze Grundstück verzögert, in Ansehung deren die Gesammtheit einverstanden wäre. Doch könne in diesem übrigens immerhin seltenen Falle in der Weise geholfen werden, daß durch eine Vormerkung der Eintra| Prot I 4290 gung bestimmter Antheile die präjudizirliche Wirkung für | den Einzelnen genommen werde. Hervorzuheben sei auch noch, daß die Verwandlung eines solchen Miteigenthums ohne bestimmte Antheile in ein Miteigenthum nach bestimmten Quoten nach den Grundsätzen des Grundbuchrechts eine neue Eintragungsbewilligung der Miteigenthümer und Eintragung voraussetze, also mit erheblichen Weiterungen und Kosten verbunden sein würde. Lehne man aus den vorstehenden Gründen die Zulassung eines anomalen Kollektiveigenthums durch Unterdrückung der Buchung bestimmter Antheile ab, so biete sich ein doppelter Weg. Man könne bei Strafe der Nichtigkeit verlangen, daß die Eintragung und mithin auch diejenigen Erklärungen, auf Grund deren dieselbe erfolge, die Bruchtheile bezeichneten. Es sei jedoch nicht unbedenklich, dieses Erforderniß aufzustellen, da, wenn trotzdem eingetragen sei, große Härten entstehen könnten. Man könne aber auch die Eintragung und die vorausgegangenen Erklärungen so behandeln, daß, wenn Quoten nicht bezeichnet seien, gleiche als bezeichnet gälten. N u r dürfe eine Vorschrift, welche dieses verordne, nicht, wie K.E. § 757, als Auslegungsregel aufgefaßt werden, da man sonst gegen Prinzipien des Grundbuchrechts verstoßen würde, nämlich gegen das Prinzip der Spezialität und gegen das Prinzip, daß der Grundbuchrichter nicht materiell zu prüfen habe. Es müßte vielmehr positiv bestimmt werden, daß die Eintragung so zu gelten habe, als wenn sie bestimmte Bruchtheile, und zwar gleiche, bezeichnete. Da ein Jeder das Gesetz kennen müsse, übrigens auch bei jeder Gemeinschaft ohne abweichende Bestimmung der Theile die Gleichheit der Theile die Regel bilde, so könne dem Gesetze ein Vorwurf der Härte desselben nicht gemacht werden. Ob durch eine instruktioneile Vorschrift der Grundbuchordnung die regelmäßige Angabe der Quoten herbeizuführen zweckmäßig sei, bleibe der weiteren Prüfung nicht entzogen. Der § 214 des Entwurfs lautet: „Die Erwerbung des Antheils eines Miteigenthümers durch eine andere Person bestimmt sich nach den Vorschriften, welche für die Erwerbung des Eigenthums an der gemeinschaftlichen Sache maßgebend sind." | Prot I 4291 | Vom Referenten war folgende verbesserte Fassung vorgeschlagen:
TE-SachR § 214
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§ 355 s. bei §§ 1105, 1107 BGB, § 385 bei § 1147 BGB.
5. Titel: Mieteigenthum
§§ 1008—1011
„ D i e U e b e r t r a g u n g des Antheiles eines Miteigenthümers auf eine andere P e r s o n Johow und die Belastung eines Antheiles bestimmt sich nach den die U e b e r t r a g u n g und die (Nr 149, 6) Belastung der gemeinschaftlichen S a c h e regelnden V o r s c h r i f t e n . " D a n e b e n w a r der Streichungsantrag gestellt. D e r verbesserte Entwurf w u r d e in f o l g e n d e r weiter verbesserten F a s s u n g angenommen: „ D i e U e b e r t r a g u n g des Antheiles eines Miteigenthümers und die Belastung eines Antheiles, soweit eine solche Belastung nicht unzulässig ist, bestimmt sich nach den die U e b e r t r a g u n g des Eigenthums und die Belastung der S a c h e regelnden V o r schriften." Vorbehalten blieb, bei der R e d a k t i o n zu prüfen, ob d e r § a der Z u s a m m e n s t e l lung über das V o r k a u f s r e c h t an G r u n d s t ü c k e n , Prot. 21. und 23. April 1884 S. 3 7 4 4 — 3 7 7 1 1 0 , durch H e r v o r h e b u n g der Zulässigkeit der Bestellung eines V o r kaufsrechts an Antheilen zu ergänzen sei. Erwogen war: D a eine allgemeine Vorschrift, welche die Bestimmungen über das Eigenthum auf das Miteigenthum anwende, nach d e m früheren Beschlüsse nicht a u f z u n e h m e n sei, so erscheine in den Beziehungen, in denen Zweifel z u befürchten seien, ob f ü r die Antheilsrechte etwas Anderes gelte als für das Eigenthum, die A u f n a h m e einer die Zweifel beseitigenden Bestimmung erforderlich. Dieses Erforderniß bestehe insbesondere bei der V e r ä u ß e r u n g von Antheilsrechten, weil auch deren Zessibilität nach den Vorschriften über die Abtretung von Forderungsrechten vertheidigt w o r den sei. D i e F r a g e , inwieweit eine Belastung des Antheils wegen der N a t u r der L a s t ausgeschlossen sei, bleibe o f f e n und w e r d e , soweit nöthig, bei den einzelnen dinglichen Rechten, z u vgl. Entw. §§ 339, 432, 368, 4 9 5 , zu beantworten sein. D e s h a l b sei auch d a s Bedürfniß der E r g ä n z u n g der über das V o r k a u f s r e c h t beschlossenen V o r schrift z u prüfen. D e r § 2 1 5 des Entwurfs lautet: | „ S e i n e s Antheils an einem G r u n d s t ü c k e kann ein Miteigenthümer sich nicht | Prot I 4292 entäußern, ohne denselben einem A n d e r e n zu ü b e r t r a g e n . " TE-SachR § 215 F o l g e n d e A n t r ä g e lagen v o r : 1. der V e r b e s s e r u n g s a n t r a g des Referenten, den § 215 zu f a s s e n : „ E i n Antheil an einem G r u n d s t ü c k e kann nicht a u f g e g e b e n w e r d e n , ohne einem A n d e r e n übertragen zu w e r d e n . " 2. den § 215 zu fassen: Planck „Ist das Miteigenthum eines Theilhabers nach M a ß g a b e des § 855 Abs. 1 " o d e r (Nr 1 5 6 > § 885 1 2 erloschen, so w ä c h s t sein Antheil den übrigen Theilhabern nach Verhältniß der G r ö ß e ihrer Antheile a n . " 3. den § 215 zu f a s s e n : v. Mandry „ G i e b t ein Miteigenthümer eines G r u n d s t ü c k e s seinen Antheil auf [ K . E . § 855, (Nr 157) Prot. S . 3 9 3 4 — 3 9 3 8 ] so sind die anderen Miteigenthümer nach Verhältniß ihrer Eigenthumsantheile z u r Z u e i g n u n g b e f u g t . D i e Z u e i g n u n g s b e f u g n i ß erweitert sich in demselben Verhältnisse, wenn einzelne Miteigenthümer vor d e m G r u n d b u c h a m t erklären, daß sie von dieser B e f u g niß keinen G e b r a u c h m a c h e n . " 10 11 12
S. bei § 1095 BGB. S. bei § 928 BGB. S. bei § 959 BGB. 883
§§ 1008-1011 Kurlbaum (Nr 153, 4)
3. Abschnitt: Eigenthum
Daneben w a r der A n t r a g auf Streichung gestellt. Beschlossen w u r d e , d a ß die Vorschriften über die Dereliktion des Eigenthums auf die Dereliktion der Antheilsrechte Anwendung finden sollen und daß dies ausdrücklich bestimmt und nicht etwa nur in diesem Sinne die Vorschrift des Entwurfs gestrichen werden solle. Entwurf und Anträge galten damit als erledigt.
Erwogen w a r : Der Entwurf gehe aus von der Verzichtbarkeit der Antheilsrechte der Miteigenthümer. Für die Fälle des Miteigenthums an beweglichen Sachen halte der Entwurf die Aufnahme einer Bestimmung über die Dereliktion und deren Wirkungen nicht für erforderlich, da in diesen Fällen die Beurtheilung aus den allgemeinen Grundsätze'n sich ergeben werde. Für den Fall des Miteigenthums an Grundstücken werde | Prot I 4293 | dagegen vom Entwürfe die Aufnahme einer Bestimmung für erforderlich erachtet, welche die Verzichtbarkeit ausschließe und den Antheilsberechtigten nur auf dem Wege seines Rechtes ledig werden lasse, wenn er einen bereitwilligen Erwerber finde. Als Grund für diesen Vorschlag werde die für das Grundbuch aus der Antheilsdereliktion erwachsende Schwierigkeit und die geringe praktische Bedeutung der Zulässigkeit der Antheilsdereliktion angesehen. Diese Gründe könnten indessen nicht für genügend erachtet werden, um die Regel der freien Verzichtbarkeit im Falle des Miteigenthums bei Seite zu setzen. D e r Antrag 2 wolle die Akkreszenztheorie im Gesetze z u m Ausduck bringen. D u r c h dieselbe solle dem erlöschenden Antheilsrechte sofort ein neues Subjekt geschaffen und so ein Zwischenzustand der Herrenlosigkeit vermieden werden. Gegen die Akkreszenztheorie ließen die praktischen Bedenken sich geltend machen, d a ß sie den Miteigenthümern von Grundstücken bei V e r ä u ß e r u n g des Antheils des Einen an den Anderen leicht einen W e g e r ö f f n e n könnte, den mit Grundstücksveräußerungen verbundenen öffentlichen Abgaben sich zu entziehen, und es zu dessen V e r m e i d u n g erst wieder besonderer landesgesetzlicher Vorschriften bedürfen würde, daß ferner diese T h e o r i e dem Willen des Erwerbenden einen Z w a n g anthue, welcher ihn bei Ueberschuldung des anfallenden Antheils leicht empfindlich benachtheiligen k ö n n e und durch die Derelinquirbarkeit seines vergrößerten Antheils nicht beseitigt werde, und daß sie für das G r u n d b u c h , welches n u n m e h r die Q u o t e n nicht richtig angebe, Schwierigkeiten schaffe. Dabei k ö n n e man nicht behaupten, daß die Akkreszenz aus dem Begriff des Miteigenthums mit Nothwendigkeit sich ergebe. Am nächsten liege es, auf die Antheilsdereliktion die Vorschriften über die D e r e liktion des nach Bruchtheilen getheilten Rechts, also hier des Eigenthums, anzuwenden. Bei beweglichen Sachen werde alsdann bei dem Derelinquenten I n h a b u n g o d e r Mitinhabung der Sache nach § 885 der Zus. (Prot. S. 4082, 4083) 13 vorausgesetzt werden müssen. Im Falle der Dereliktion von Antheilsrechten an G r u n d s t ü k ken lasse § 855 (Prot. S. 3934—3938) 1 4 nicht Akkreszenz eintreten, sondern schaffe Raum f ü r ein ausschließliches Okkupationsrecht der durch die Landesgesetze be| Prot I 4294 zeichneten Zueignungsberechtigten. D e r Antrag 3 wolle den | § 855 auf die Dereliktion von Antheilsrechten an Grundstücken anwendbar sein lassen, jedoch in Anseh u n g des Okkupationsrechtes eine abweichende Bestimmung zu Gunsten der Genossen, als der nach Billigkeit zunächst zu berücksichtigenden, treffen. Dieser Billigkeitsrücksicht k ö n n e indessen kein Gewicht beigelegt werden. Abgesehen von dem gegen die Akkreszenztheorie oben hervorgehobenen ersten Bedenken, welches '3 14
S. bei § 959 BGB. S. bei § 928 BGB.
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5. Titel: Mieteigenthum
§§
1008—1011
auch hier zutreffen w ü r d e , sei es b e d e n k l i c h , das O k k u p a t i o n s r e c h t Privatpersonen b e i z u l e g e n , und k ö n n e , wenn diese P e r s o n e n sich passiv verhielten, praktische S c h w i e r i g k e i t e n s c h a f f e n , da eine K o n k u r r e n z zwischen den m e h r e r e n o k k u p a t i o n s b e r e c h t i g t e n M i t e i g e n t h ü m e r n und a u ß e r d e m , w e n n diese wegfallen ein eventueller Eintritt der nach den L a n d e s g e s e t z e n o k k u p a t i o n s b e r e c h t i g t e n P e r s o n stattfinde. E s müsse deshalb bei der einfachen A n w e n d b a r k e i t der V o r s c h r i f t e n über die D e r e l i k t i o n des Eigenthums auf die D e r e l i k t i o n des M i t e i g e n t h u m s verbleiben. D i e s e A n w e n d b a r k e i t sei, da sonst leicht Z w e i f e l entstehen k ö n n t e n , im G e s e t z e auszusprechen. D e r § 2 1 6 des E n t w u r f s lautet: „ J e d e r M i t e i g e n t h ü m e r hat den A n s p r u c h auf Zulassung z u m M i t b e s i t z e und auf TE-SachR § 216 A n e r k e n n u n g seines Antheilsrechts gegen j e d e n I n h a b e r und gegen j e d e n Mitbesitz e r der S a c h e , w e l c h e r ihm das eine o d e r das andere streitig m a c h t . " F o l g e n d e A n t r ä g e lagen v o r : 1. der R e f e r e n t hatte b e a n t r a g t , den $ 2 1 6 zu fassen: Johow „Ein M i t e i g e n t h ü m e r hat g e g e n j e d e n M i t b e s i t z e r und g e g e n den I n h a b e r der (Nr 149, 8) S a c h e den Anspruch auf Zulassung z u m Mitbesitze und auf A n e r k e n n u n g seines Antheilsrechtes." 2. von a n d e r e r Seite w a r b e a n t r a g t , den § 2 1 6 zu f a s s e n : „Ein M i t e i g e n t h ü m e r hat gegen j e d e n B e s i t z e r o d e r M i t b e s i t z e r und g e g e n I n h a b e r der S a c h e den Anspruch auf E i n r ä u m u n g des Mitbesitzes. Im U e b r i g e n den auf den E i g e n t h u m s a n s p r u c h desselben die V o r s c h r i f t e n der §§ 9 0 9 bis 9 1 9 Z u s a m m e n s t e l l u n g , | P r o t . 20., 2 3 . , 2 5 . und 27. J u n i 1 8 8 4 S . 4 1 5 9 bis 4 2 1 8 1 5 , sprechende Anwendung." und als
v. Weber den (Nr 1 6 1 , 2 ) finder ent- | Prot 1 4295
§ 216a
hinzuzufügen: „Auf d e n j e n i g e n , w e l c h e r den M i t b e s i t z einer beweglichen S a c h e e r w o r b e n hat, finden die V o r s c h r i f t e n des § 9 2 0 der Z u s a m m e n s t e l l u n g , P r o t . 2. J u l i 1 8 8 4 S . 4 2 3 3 bis 4 2 4 1 1 6 , entsprechende A n w e n d u n g . " Daneben war Streichung beantragt. Kurlbaum D i e K o m m i s s i o n n a h m den A n t r a g 2 an. In d e r a u f z u n e h m e n d e n V o r s c h r i f t sol- (Nr 153, 9) len auch die ü b e r den negatorischen Anspruch beschlossenen V o r s c h r i f t e n als ents p r e c h e n d a n w e n d b a r in B e z u g g e n o m m e n werden. D e r P r ü f u n g bei der R e d a k t i o n bleibt überlassen, o b nicht die als $ 2 1 6 a v o r g e s c h l a g e n e B e s t i m m u n g durch M i t i n b e z u g n a h m e des § 9 2 0 der Z u s a m m e n s t e l l u n g in d e r v o r a u s g e h e n d e n V o r s c h r i f t entbehrlich g e m a c h t werden k ö n n e . M a n hatte e r w o g e n : D e r auch in den V o r s c h r i f t e n über den E i g e n t h u m s a n s p r u c h ü b e r g a n g e n e n Feststellungsklage sei auch hier nicht zu g e d e n k e n , wie im E n t w u r f g e s c h e h e . D e r erste S a t z des Antrages 2 b e z e i c h n e in A n s c h l u ß an § 9 0 8 der Z u s a m m e n s t e l l u n g , P r o t . 18. J u n i 1 8 8 4 S . 4 1 5 9 bis 4 1 6 6 1 7 , und insofern unter V e r b e s s e r u n g der F a s s u n g des E n t w u r f e s , G e g e n s t a n d und G e g n e r der V i n d i k a t i o n . D e r H e r a u s g a b e der S a c h e w e r d e die E i n r ä u m u n g des Mitbesitzes g l e i c h g e s e t z t , w e l c h e die z u r E r r e i c h u n g dieses Z w e c k e s erforderliche E i n r ä u m u n g der M i t i n h a b u n g in sich b e g r e i f e . D i e 15
" 17
S. bei §§ 986—1003 BGB. S. bei § 1104 BGB. S. bei §§ 985, 986 BGB. 885
§§1008-1011
3. Abschnitt: Eigenthum
entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften über den Eigenthumsanspruch einschließlich des negatorischen Anspruches ausdrücklich hervorzuheben, erscheine angemessen, um in dieser praktisch wichtigen Frage abweichenden Auffassungen keinen Raum zu lassen. O b gleichzeitig die Bestimmungen über die publizianische Klage in Bezug zu nehmen seien, oder ob es in Ansehung dieser, da streng genommen ein Eigenthumsanspruch nicht vorliege, einer besonderen Bestimmung bedürfe, sei bei der Redaktion zu erwägen. | Prot I 4296 TE-SachR§217
Kurlbaum (Nr 153, 5)
| Der § 217 des Entwurfs lautet: „Jeder Miteigenthümer kann ohne Zuziehung der übrigen den Anspruch auf Herausgabe der vorenthaltenen gemeinschaftlichen Sache an sämmtliche Miteigenthümer, die Freiheit der Sache von einem an derselben von Seiten eines Anderen beanspruchten Rechte, sowie die Ansprüche aus der Verletzung von Berechtigungen, welche mit dem Eigenthumsrechte an dieser Sache verbunden sind — Nachbarrechte, Grunddienstbarkeiten, Realgewerbeberechtigungen und dergl. — durch Erhebung von Klagen und Einreden geltend machen. Auf die ergehende Entscheidung kann jeder der übrigen Miteigenthümer sich berufen. Um die Entscheidung auch gegen die übrigen Miteigenthümer wirksam zu machen, ist der Gegner befugt, widerklagend auch gegen sie die Feststellung des ihm durch die Klage bestrittenen Rechts zu betreiben." Folgende Anträge waren gestellt: 1. den § 217 zu fassen: „Sind mit dem Eigenthum an einer mehreren Personen gemeinschaftlichen Sache untheilbare Rechte verbunden, so finden auf deren Geltendmachung die Vorschriften der §§ 337, 339 (K.E.) 18 entsprechende Anwendung."
Planck (Nr 156, 3)
2. den § 217 zu fassen: „Auf den den Miteigenthümern gegen den dritten Besitzer oder Inhaber der gemeinschaftlichen Sache zustehenden Anspruch auf Herausgabe derselben, sowie auf die ihnen nach Maßgabe der zu § 207 beschlossenen Bestimmung 19 oder auf Grund der mit dem Eigenthum der gemeinschaftlichen Sache verbundenen untheilbaren Rechte zustehenden Ansprüche, finden die Vorschriften der §§ 337 und 339 K.E. Anwendung. Das Recht jedes Miteigenthümers auf Grund seines Miteigenthums, die Einräumung des Mitbesitzes von jedem Besitzer und Inhaber zu fordern, wird durch die vorstehende Bestimmung nicht berührt." | Prot I 4297 | Der Urheber des Antrags 2 zog den Abs. 2 seines Antrags im Hinblick auf die zu § 216 gefaßten Beschlüsse zurück. Der § 217 wurde absatzweise berathen. Abs. 1. Der Antrag 2 Abs. 1 wurde angenommen. Erwogen war: In dem Abs. 1 des Antrages 2 werde, und zwar in größerer Vollständigkeit als in dem sachlich nicht abweichenden Antrage 1, auf diejenigen in dem Miteigenthum sich gründenden dinglichen Ansprüche, Vindikation, negatorischer und konfessorischer Anspruch, welche auf eine untheilbare Leistung gingen, hingewiesen. Die Naturalrestitution — Herausgabe der Sache und Wiederaufhebung der Verletzung — und die Unterlassung, welche das dingliche Recht einem jeden Dritten zur Pflicht mache, seien untheilbare Leistungen, wie in Ansehung der Herausgabe bereits 18 19
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S. bei