Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB: Einführung, Biographien, Materialien 9783110896701, 9783110074963


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German Pages 434 [436] Year 1978

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Table of contents :
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung (Werner Schubert)
Quellenverzeichnis (Werner Schubert)
Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Werner Schubert)
Kurzbiographien der Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Rosemarie Jahnel)
Materialien zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs auf das gesamte bürgerliche Recht
B. Die Vorkommission
C. Die Einsetzung der 1. Kommission durch den Bundesrat
D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
E. Die Vorbereitung der 2. Lesung des BGB-Entwurfs und Einsetzung der 2. Kommission
F. Die Geschäftsordnung der 2. Kommission
G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat
H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag und seine endgültige Verabschiedung durch den Bundesrat
I. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums über die Beratung des BGB im Reichstag
Länder-, Personen- und Sachregister
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Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB: Einführung, Biographien, Materialien
 9783110896701, 9783110074963

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Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen

Herausgegeben von Horst Heinrich Jakobs und Werner Schubert

W DE

G Walter de Gruyter · Berlin · New York

Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Einführung, Biographien, Materialien -

Von Werner Schubert

W DE

G 1978 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Dr. Horst Heinrich Jakobs, o. Professor an der Universität Bonn; Dr. Werner Schubert, o. Professor an der Universität Kiel.

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schubert, Werner: Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB : Einf., Biographien, Materialien / von Werner Schubert. - Berlin, New York : de Gruyter, 1978. (Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs) ISBN 3-11-007496-6 Copyright 1978 by Walter de Gmyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Com p., Berlin 30.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopte, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany

Satz und Druck: £. Kieser GmbH, Graphischer Betrieb, Augsburg Bindearbeiten: Berliner Buchbinderei Wübben ic Co, Berlin 42

Vorwort Anders als die Entstehung der Kodifikationen des Naturrechts ist die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1896 bislang nur in groben Umrissen bekannt. Die Quellenedidon, die mit dem vorliegenden Band eröffnet wird, soll die Vorgänge der Jahre 1869 bis 1896 aufhellen, soweit das nach den Verlusten des 2. Weltkrieges überhaupt noch möglich ist; denn es fehlen die Bestände des bayerischen, des sächsischen und des hessisch-dannstädtischen Justizministeriums. Auch die preußischen Bestände sind nicht vollständig überliefert, die überlieferten zudem lückenhaft. Außerdem müssen wohl die persönlichen Unterlagen von Kommissionsmitgliedern insbesondere der 1. Kommission als verloren gelten. Da auch die Aktenbestände des Reichs nicht immer sehr ergiebig sind, wird die äußere und innere Entstehungsgeschichte des BGB auch in Zukunft noch immer Lücken genug aufweisen. Gleichzeitig mit diesem Band erscheint der Quellenband zum Schuldrecht: „Allgemeine Lehren". Die Edition der Quellen zum Allgemeinen Teil wurde zurückgestellt, da den Herausgebern bei Inangriffnahme der Edition noch einige Quellen fehlten. Diese Lücke ist inzwischen geschlossen, so daß nach Abschluß der Quellenbände zum Schuldrecht der Quellenband zum Allgemeinen Teil erscheinen kann. Zu danken habe ich Frau Regierungsrätin Rosemarie fahnel (Kahl/Main), Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, für die Abfassung der Kurzbiographien in diesem Band und für die Anfertigung des Werkeverzeichnisses der behandelten Juristen. Jeder, der einmal biographische Studien betrieben hat, weiß, wie ungeheuer mühsam das Auffinden von Daten ist. Weiter habe ich zu danken den Archiven in Potsdam (Zentrales Staatsarchiv), Berlin-Dahlem (Geheimes Staatsarchiv), Bremen, Hamburg, Karlsruhe, Lübeck, München (Hauptstaatsarchiv und Geheimes Staatsarchiv), Schwerin und Stuttgart, die mir die Auswertung ihrer Bestände ermöglicht haben. Mein besonderer Dank gilt dem Zentralen Staatsarchiv Potsdam, ohne dessen Bestände diese Edition in der von den Herausgebern angestrebten Vollständigkeit nicht möglich gewesen wäre. Der Buchnachlaß von Gebhard (Mitglied der ersten und zweiten BGB-Kommission) im Archiv des Juristischen Seminars der Universität Heidelberg hat mir die Arbeit in vieler Hinsicht erleichtert. Es bleibt zu wünschen, daß sich der handschriftliche Nachlaß von Gebhard bald auffindet. Herr Professor Dr. Helmut Coing hat durch seine Fürsprache und durch sein Interesse das Zustandekommen dieser Edition wesentlich gefördert, und ich möchte ihm an dieser Stelle ausdrücklich danken. Großer Dank gebührt auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die das Forschungsprojekt mit Sachbeihilfen und einem großzügigen Druckkostenzuschuß gefördert hat. Endlich habe ich dem Verlag Walter de Gruyter und Co. zu danken, der die Betreuung der auf lange Jahre hin angelegten BGB-Quellenedition übernommen hat. Die zahlreichen Probleme der Druckgestaltung konnten mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Hassenpflug und Frau Klaunig, in deren Händen die Herstellung dieses Bandes gelegen hat, geklärt werden. Kiel, im August 1978 Werner Schubert

Inhalt Abkürzungsverzeichnis Einleitung (Werner Schubert)

XIII l

Quellenverzeichnis (Werner Schubert)

17

Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Werner Schubert) I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der l. Kommission (l 869—1874) II. Die Arbeit der 1. Kommission (1874-1889) III. Die Vorbereitung der 2. Lesung und die Einsetzung der 2. Kommission (1888 — 1890) IV. Die Arbeitder2. Kommission (1890-1896) V. DerBGB-Entwurf imBundesrat(1895-1896) VI. Der BGB-Entwurf im Reichstag (1896)

27 27 40

Kurzbiographien der Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Rosemarie Jahnel) I. Die Mitglieder der Vorkommission II. Die Mitglieder der 1. Kommission III. Die Hilfsarbeiter der 1. Kommission IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung V. Die Mitgliederdes Bundesrats-Ausschusses für Justizwesen (1895-1896) VI. Mitglieder des Reichstags (Antragsteller in der XII. Kommission und im Plenum) . .

69 69 72 87 91 110 115

Materialien zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

125

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs auf das gesamte bürgerliche Recht

125

I. Bericht von Krüger (Lübeck) über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 8. 6.1869

125

II. Der Antrag von Lasker im Bundesrat 1871 1. Bericht von Krüger (Lübeck) über die Sitzung der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen am 9. 12. 1871 2. Bericht von Krüger (Lübeck) vom 11. 12. 1871 nach Lübeck 3. Bericht der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen (Drucksache Nr. 192/ 1871 des Bundesrates)

50 57 60 64

127 127 130 132

III. Der Antrag von Lasker im Bundesrat 1872 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 9. 4.1872 2. Bericht von Schroeder (Hamburg) über die Bundesratssitzung am 9. 4.1872

136 136 138

IV. Die Stellung der Bundesstaaten zur Verfassungsänderung 1. Königreich Sachsen Stellungnahme der Regierung in der 2. Kammer der Landstände (l 872) 2. Königreich Württemberg a) Ergebnis der Nürnberger Konferenz vom 12.10. 1872 b) Gutachten von Kübel, Holzschuher und Kohlhaas zum Antrag von Lasker (1872) c) Erklärung von Mittnacht vom 24. 1. 1873 in der 2. Kammer 3. Königreich Bayern a) Gutachten von Neumayr über den Antrag von Lasker (1872) b) Stellung der bayr. Regierung zum Antrag von Lasker (1872) c) Erklärung von Fäustle vom 8.11.1873 in der 2. Kammer

139 139 139 142 142 143 146 148 148 149 152

VII

Inhalt V. Der Antrag von Lasker im Bundesrat 1873 1. Bericht von Krüger (Lübeck) über die Sitzung der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen am 31. 3.1873 2. Bericht von Liebe (Braunschweig) über die Sitzung der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen am 31.3.1873 3. Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. 4. 1873 4. Protokoll der Bundesratssitzung vom 12.12.1873 B. Die Vorkommission

155 155 157 158 159 160

I. Die Einsetzung der Vorkommission 1. Bericht von Hess über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 13.12.1873 2. Vorschlag von Sachsen über „zu beantragende Beschlüsse des Bundesraths" vom Januar 1874 3. Bericht von Liebe (Braunschweig) über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 8. 2.1874 4. Protokoll der Bundesratssitzung vom 28.2.1874

160

II. Materialien der Vorkommission 1. Expose von Goldschmidt vom 19. 3. 1874 „Über Plan und Methode für die Aufstellung eines Entwurfs eines Deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs" . . . . > 2. „Vorschläge" von Goldschmidt vom 28. 3. 1874 für die von der Vorkommission zu fassenden Beschlüsse 3. Gutachten der Vorkommission vom 15. 4.1874

163

C. Die Einsetzung der 1. Kommission durch den Bundesrat I. Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 9. 6. 1874 (Drucksache Nr. 78/1874 des Bundesrates) II. Protokoll der Bundesratssitzung vom 22. 6. 1874

160 160 161 163

163 165 170 186 186 199

III. 1. Bericht von Krüger (Lübeck) über die Sitzung des Justizausschusses am 30. 6. 1874 2. Bericht von Perglas (Bayern) über die Sitzung des Justizausschusses am 30. 6. 1874

201

IV. 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. 7.1874 2. Bericht von Perglas (Bayern) über die Sitzung des Bundesrates am 2. 7.1874

203 204

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs I. Verhandlungen über Vorfragen (1874-1880) 1. Protokoll vom 17. 9. 1874 2. Protokoll vom 19. 9.1874 (Geschäftsordnung, Gutachten der Vorkommission). . Anlage Nr. l (Anträge zur Geschäftsordnung von Schmitt) Anlage Nr. 2 (Anträge von Kübel) 3. Protokoll vom 22. 9. 1874 (Umfang des BGB) Anlage Nr. 3 (Anträge den Umfang des BGB betreffend von Weber, Planck) . . . . 4. Protokoll vom 23. 9. 1874 (Umfang des BGB) Anlage Nr. 4 (Antrag von Planck zum System des BGB; zur Verteilung der Redaktionsarbeiten) Anlage Nr. 5 (Antrag von Weber zum System des BGB; zur Verteilung der Redaktionsarbeiten) 5. Protokoll vom 24. 9.1874 (Verteilung der Redaktionsarbeiten) 6. Protokoll vom 26. 9. 1874 (Materien des Allgemeinen Teils) Anlage Nr. 6 (Antrag von Windscheid über die im Allgemeinen Teil zu regelnden Materien) 7. Protokoll vom 28. 9. 1874 (Materien des Allgemeinen Teils, Geschäftsordnung für die Redaktoren)

VIII

199

206 206 206 206 208 209 211 213 214 215 216 217 218 219 220

Inhalt Anlage Nr. 7 (Kübels Anträge zu einer Instruktion für die Redaktoren) 8. Protokoll vom 29. 9. 1874 (Wahl der Redaktoren; Geschäftsordnung für die Redaktoren) 9. Protokoll vom 4.10. 1875 (Plan für die Herbstberatungen 1875) 10. Protokoll vom 28.10.1875 (Abschluß der Herbstberatungen 1875) 11. Protokoll vom 18. 9.1876 (Auskünfte der Redaktoren) 12. Protokoll vom 17. 9. 1877 (Auskünfte der Redaktoren) 13. Protokoll vom 20.10.1877 (Abschluß der Herbstberatungen 1877) 14. Protokoll vom 4.10.1878 (Auskünfte der Redaktoren) 15. Protokoll vom 30.10. 1879 (Beschlüsse für die Hauptberatung) 16. Protokoll vom 28. 12. 1880 (Beschlüsse für die Hauptberatung) II. Konferenzen der Redaktoren (l874 —1879) a) Auszüge aus 58 Protokollen der Konferenzen der Redaktoren b) Ergebnisse der Besprechung des Kommissionsvorsitzenden Pape mit den Redaktoren am 30. 9. 1874 c) Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktoren

221 222 222 223 224 227 230 230 233 234 237 237 262 263

III. Geschäftsordnung für die Kommissionsberatungen von 1881 bis 1889 1. Entwurf einer Geschäftsordnung von Schmitt 2. Beratung des Entwurfs einer Geschäftsordnung am 4.10.1881 3. Geschäftsordnung vom 4.10.1881

266 266 268 270

IV. Berichte des Kommissionsvorsitzenden Pape an den Reichskanzler 1. Bericht vom 2. 10. 1874 2. Berichtvom 1.11.1875 3. Berichtvom27.10.1876 4. Zusammenfassende Darstellung der Vorgeschichte und der Kommissionsarbeiten bis Herbst 1876 (veröffentlicht als Bundesratsdrucksache Nr. l der Session 1876/1877) 5. Berichtvom24.10.1877 6. Bericht vom 29.10. 1878 7. Berichtvom22. 5. 1879 8. Berichtvom 12.11.1879 9. Anlagen zum Bericht vom 12. 11. 1879 (Auskünfte der Redaktoren über den Stand ihrer Arbeiten) 10. Berichtvom30.12. 1880 11. Bericht vom 31.12.1881 12. Berichtvom 29. 3. 1883 13. Bericht vom 14. 2. 1884 14. Bericht vom 5. 7.1885 15. Berichte vom 4. 7.1886 und vom 6. 7.1887 (Hinweis) 16. Bericht vom 27. 12.1887 anläßlich der Überreichung des l. BGB-Entwurfs

273 273 277 279

293 296 302 303 306 307 309 309

E. Die Vorbereitung der 2. Lesung des BGS-Entwurfs und Einsetzung der 2. Kommission . .

318

279 285 286 288 288

I. 1. Schreiben des Reichskanzlers (Reichsjustizamt) vom 6. 12. 1887 an Bayern über die weitere Behandlung des 1. BGB-Entwurfs 2. Antwort aus München vom 24.12.1887 3. Schreiben des Staatssekretärs im Reichsjustizamt von Schelling an den Reichskanzler vom 12. 1. 1888 4. Schreiben der Reichskanzlei an den Staatssekretär im Reichsjustizamt von Schelling vom 25. 1. 1888

322

II. 1. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 24. 1.1888 2. Beschluß des Bundesratsplenums vom 31.1.1888

322 325

III. Schreiben des Reichsjustizamtes vom 27. 3. 1888 an die im Justizausschuß vertretenen Bundesregierungen über die weitere Arbeit der BGB-Kommission

325

318 319 320

IX

Inhalt IV. 1. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 14. 6.1888 2. Beschluß des Bundesratsplenums vom 14. 6.1888 V. Schreiben des Reichskanzlers vom 27. 6.1888 an alle Bundesregierungen (Fragen zur Beurteilung des l. Entwurfs)

329

VI. Schreiben des preußischen Justizministers v. Schelling vom 4. 7. 1890 an den Reichskanzler

333

VII. Promemoria von Hagens vom 11.7. 1890 betreffend die weitere Behandlung des 1. Entwurfs VIII. Protokoll der Sitzung des preußischen Staatsministeriums vom 26. 7.1890

334 338

326 328

IX. Protokoll der Sitzung des preußischen Staatsministeriums vom 13.10.1890 X. l. Bericht von Stieglitz (Württemberg) über eine vertrauliche Besprechung im Justizausschuß des Bundesrates am 16.10. 1890 2. Bericht des Freiherrn von Stengel (Bayern) über eine vertrauliche Besprechung im Justizausschuß des Bundesrates am 16. 10.1890 3. Plan und Methode für die weitere Behandlung des in erster Lesung festgestellten Entwurfs eines BGB

343

XI. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 30. 10. 1890

344

XII. 1. Bericht von Stieglitz (Württemberg) über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 25.11.1890 2. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 25.11.1890 XIII. Stellungnahme des bayr. Justizministers Leonrad vom 27. 11. 1890 zur geplanten Wahl Gierkes in die 2. Kommission XIV. 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 4.12.1890 2. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 3.12.1890 und des Plenums am 4.12.1890 XV. 1. Bericht von Stieglitz (Württemberg) über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 12. 3.1891 2. Protokoll der Bundesratssitzung vom 12.3.1891 XVI. Protokoll der Bundesratssitzung vom 12. 5. 1892

338 340 341

347 347 349 350 352 353 354 355

XVII. Protokoll der Bundesratssitzung vom 25.10.1893

355

F. Die Geschäftsordnung der 2. Kommission I. Protokoll der 1. Sitzung der 2. Kommission vom 15. 12.1891 II. Entwurf einer Geschäftsordnung für die zum Zwecke einer zweiten Lesung des Entwurfs eines BGB eingesetzte Kommission III. Protokoll der 2. Sitzung der 2. Kommission vom 1. 4. 1891

357 357

G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat I. Schreiben des Reichskanzlers vom 19. 12. 1893 an alle Bundesregierungen zur Vorbereitung der Beratungen des 2. Entwurfs im Bundesrat II. Vorschlag des Reichskanzlers zur Ernennung der ständigen Kommissionsmitglieder zu Kommissarien des Reichskanzlers (April 1895) III. 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 27. 6. 1895 2. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates und des Plenums am 27. 6.1895

357 359 360 360 361 362 362

Inhalt IV. 1. Bericht von Schicker (Württemberg) über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 8. 7.1885 2. Der „Geschäftsplan für die Berathung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jusrizausschuß"

365

V. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 7. 10. 1895 (Beratung des E II rev)

366

VI. Bericht von Sieveking (Hamburg) über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 13. 11.1895 (Beratung des E II rev)

369

VII. Bericht von Schicker (Württemberg) über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 11. 12.1895 (2. Lesung des E II rev)

369

VIII. Die „Verteilung der Berichterstattung über den Entwurf des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch"

370

IX. Bericht von Heller über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 11.1. 1896

371

X. Bericht von Heller über die Sitzungen des Justizausschusses des Bundesrates am 14., 15. und 16.1.1896

372

XI. Protokoll der Bundesratssitzung vom 16. l. 1896 (Annahme des BGB) XII. Protokoll der Bundesratssitzung vom 23.1.1896 (Annahme des EG-BGB)

365

372 375

H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag und seine endgültige Verabschiedung durch den Bundesrat

377

I. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 17. 2. 1895

377

II. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 26. 2.1896 . .

379

III. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 27. 2.1896 . .

383

IV. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 6. 3.1896 . . .

383

V. Bericht des Gesandten von Lerchenfeld (Bayern) vom 8. 3.1896 VI. Bericht von Heller vom 8. 3.1896 an das bayr. Staatsministerium der Justiz VII. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 25. 4.1896 . . VIII. Bericht von Heller vom 10. 5.1896 an das bayr. Staatsministerium der Justiz

384 384 385 386

IX. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 20. 5.1896 . .

387

X. Bericht von Klügmann (Lübeck) vom 4. 6. 1896 über vertrauliche Mitteilungen von Nieberding an Mitglieder des Justizausschusses des Bundesrates

388

XI. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 8. 6.1896 . . .

389

XII. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 9. 6.1896 . . .

393

XIII. Protokoll der Bundesratssitzung vom 14. 7.1896

395

/. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums über die Beratung des BGB im Reichstag I. Protokoll der Sitzung vom 9. 3. 1896 (Maßnahmen gegen die Abschaffung der obligatorischen Zivilehe)

396

II. Protokoll der Sitzung vom 25. 3. 1896 (Maßnahmen gegen die Abschaffung der obligatorischen Zivilehe)

400

396

III. Protokoll der Sitzung vom 8. 5. 1896 (Beschlußfähigkeit des Reichstags)

403

IV. Protokoll der Sitzung vom 18. 5. 1896 (Beschlußfähigkeit des Reichstags)

406

V. Protokoll der Sitzung vom 4. 6. 1896 (Kompromiß mit den Parteien des Reichstags) . Länder-, Personen- und Sachregister

410 415

XI

Abkürzungsverzeichnis Abgeordn. ABR Abt. AcP ADB ADHGB amtl. BA Bayr. Bayr.HStA BGB

BGB1. Biograph.StaHB BR CPO DBJ DJT DJZ DR Dresd.E. DRiZ DS(Ds.) DZA EI EU EII rev

EG EGBGB (EG-BGB) EOK erl. evang. FGG

FS GBO Geh.

Abgeordneter Archiv für Bürgerliches Recht Abteilung Archiv für Bürgerliches Recht Allgemeine Deutsche Biographie Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch amtlich(es) Bundesarchiv bayerisch Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 18. 8. 1896 (RGB1. 1896,195) Bundesgesetzblatt Biographisches Staatshandbuch, hrsg. von Bettelsheim Bundesrat Civilprozeßordnungvom30.1.1877(RGBl. 1877,83) Deutsches Biographisches Jahrbuch Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Das Recht Entwurf eines für die deutschen Bundesstaaten gemeinsamen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866 (sogn. Dresdener Entwurf) Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsches Zentralarchiv Potsdam Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Erste Lesung. 1888 (l. Entwurf) Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, Zweite Lesung, 1894,1895; sogn. 2. Entwurf Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich Zweite Lesung (1895; sogn. Bundesratsvorlage) Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896, Reichstagsvorlage oder 3. Entwurf; Reichstagsdrucksache Nr. 87 der Session 1895/ 1897) Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche vom 18. 8. 1896 (RGBl.,604) Evangelischer Oberkirchenrat erläutert evangelisch Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. 5. 1898 (RGB1. 1898,189) Festschrift Grundbuchordnung vom 24. 3.1897 (RGBl. 1897,139) Geheimer (Rat), Geheimes (Staatsarchiv)

XIII

Abkürzungsverzeichnis Ges. GeschO G.L.A. Karlsruhe GS HGB HStA IPR IZ JB Jg· JhJB JMB1. JuS JW KG Kgl. KO Köm. Lfg. Lithinw. luth. MAZ MdR Motive

Nat. Ztg. NDB Nds.StuUB N.F. OA OLG PA Poschinger Prot. I Prot. II

RA Reg.Bl. RJA RGB1. ROHG RT Schwarz

StaHB St.B. StPO stv. SZGerm.

XIV

Gesetz Geschäftsordnung Generallandesarchiv Karlsruhe Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten Handelsgesetzbuch (Neufassung vom 10. 5. 1897, RGBl., 219) Hauptstaatsarchiv Internationales Privatrecht Illustri(e)rte Zeitung Jahrbuch Jahrgang Jherings Jahrbücher Justizministerialblatt Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Kammergericht königlich Konkursordnung (Neufassung vom 20. 5.1898, RGBL, 612) Kommission Lieferung Literaturhinweise lutherisch Münchener Allgemeine Zeitung Mitglied des Reichstags Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1888). - Sofern die Motive der Redaktoren zu den Teilentwürfen zitiert sind, ist dies besonders vermerkt bzw. ergibt es sich aus dem Zusammenhang. Nationalzeitung Neue Deutsche Biographie Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Neue Folge Ordensakte Oberlandesgericht Personalakte P., Fürst Bismarck und der Bundesrat, 5 Bände, 1897-1901 Protokolle der [1.] Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1881 -1889) Protokolle der [2.] Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (1890-1896; abgedruckt in der amtlichen Ausgabe von 1897-1899 und bei Mugdan) Reichsanzeiger Regierungsblatt Reichsjustizamt Reichsgesetzblatt Reichsoberhandelsgericht Reichstag Max Schwarz, Biographisches Handbuch der Reichstage, Hannover 1965 Wilhelm Kosch, Biographisches Staatshandbuch, 2 Bände, Bern 1963 Stenographische Berichte Straf Prozeßordnung vom 1.2.1877 (RGBl. 1877,253) stellvertretender^) Zeitschrift derSavigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung

Abkürzungsverzeichnis TE-OR TE-SachR WO Woche Zeitg. ZfHR ZfRG ZPO ZStA ZVG

Teilentwurf zum Obligadonsrecht von v. Kübel (1882) Teilentwurf zum Sachenrecht von Johow (1880) Wechselordnung Die Woche, Moderne Illustrierte Zeitung Zeitung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung Zivilprozeßordnung in der Fassung vom 20. 5.1898 RGB1.1898,410) Zentrales Staatsarchiv Potsdam Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 24. 3.1897 (RGB1., 97)

XV

Einleitung I. Über die Materialien zur Entstehung des BGB besteht noch heute, über 80 Jahre nach Beendigung der Redaktionsarbeiten, weithin Unklarheit, obwohl die leider viel zu wenig bekannte Bibliographie von Maas: „Bibliographie der amtlichen Materiahen zum Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich und zu seinem Einführungsgesetze", Berlin 1897, wenigstens die Materialien vollständig aufführt, die in die Bibliotheken des Reichsjustizamtes und des Reichsgerichts gelangt sind1. Zu den Materialien zum BGB gehören im wesentlichen folgende Quellenkomplexe: 1. die Protokolle der 1. BGB-Kommission von 1874-1889, 2. die Vorlagen der Redaktoren für die Kommission aus den Jahren 1875 — 1879 (einschließlich umfangreicher Begründungen), 3. die Protokolle der Konferenzen der Redaktoren der Jahre 1875 —1879, 4. die fünf Teilentwürfe (einschließlich umfangreicher Begründungen) der Redaktoren Gebhard, v. Kübel, Johow, Planck und v. Schmitt. Der Teilentwurf des Obligationenrechts ist unvollständig und umfaßt neben dem allgemeinen Schuldrecht nur noch das Kaufrecht, die Anweisung, den Auftrag, die ungerechtfertigte Bereicherung und das allgemeine Deliktsrecht2, 5. die von den Kommissionsmitgliedern in der 1. Kommission gestellten Anträge, geordnet nach den fünf Büchern des späteren BGB, 6. die zum Teil ausführlich begründeten Redaktionsvorlagen von Pape für das Obligationenrecht (ausgenommen Teile des allgemeinen Schuldrechts), das Sachenrecht, das Familien- und Erbrecht sowie die Redaktionsvorlgen von Johow für das Sachenrecht und von Planck für das Familienrecht (ebenfalls ausführlich begründet), 7. die vom Redaktionsausschuß der 1. Kommission erarbeitete erste Fassung des ersten Entwurfs, die sogen. „Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen", 8. der Kommissionsentwurf, 9. der 1. Entwurf, 10. die „Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen" der Öffentlichkeit und der Bundesregierungen zum 1. BGB-Entwurf, 11. die Protokolle der „Vorkommission des Reichs-Justizamtes" (für den Allgemeinen Teil, die meisten Materien des Schuldrechts und einige Abschnitte des Sachenrechts), 12. die in der „ Vorkommission " gestellten Anträge zum Allgemeinen Teil und zum Schuldrecht,

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Einzelheiten im Quellenverzeichnis in diesem Band und in den folgenden Quellenbänden zum Allgemeinen Teil, zum Schuld-, Sachen-, Familien- und Erbrecht sowie zum EG-BGB. Vgl. unten S. 43 ff. l

Einleitung

13. die Protokolle der 2. Kommission, 14. die in der 2. Kommission gestellten Anträge, geordnet nach den späteren Büchern des BGB, 15. die Redaktionsvorlagen („Vorläufige Zusammenstellung") von Planck für die Redaktionskommission, 16. die „Vorläufige Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktionskommission", 17. der 2. und der revidierte 2. Entwurf, 18. Materialien zur Beratung des revidierten 2. Entwurfs im Justizausschuß des Bundesrates und im Plenum, 19. Materialien zur Beratung des E III in der XII. Kommission des Reichstags und im Plenum. Von den hier nur summarisch aufgeführten Materialien liegen gedruckt vor die unter den Ziffern 3 (bis auf die Vorlagen von 1875), 4, 8, 9, 10, 13, 17, 18 (nur zum Teil) und 19 (nur zum Teil) aufgeführten Quellen. Über einige Stadien der Vor- und Redaktionsarbeiten fehlen bis jetzt Unterlagen. Es läßt sich nicht einmal feststellen, ob solche Unterlagen überhaupt jemals existiert haben. Jedenfalls sind bis jetzt nicht aufgefunden worden: 1. Protokolle über Besprechungen Papes mit den der Redaktoren von Ende 1879 bis September 1881, 2. Redaktionsvorlagen von Pape zum Allgemeinen Teil und zu Teilen des Allgemeinen Schuldrechts, 3. Protokolle oder sonstige Unterlagen für die Anträge der Reichskommissare in der 2. Kommission zu den nicht von der Vorkommission behandelten Teilen des Sachenrechts, zum Familienrecht, zum Erbrecht und zum EG-BGB, 4. Protokolle der Redaktionskommission der 2. Kommission. Die Edition der BGB-Materialien, die mit diesem Quellenband eingeleitet wird, will alle unmittelbaren Quellen zum BGB, soweit sie bekannt und nicht bereits allgemein zugänglich sind, in einer überschaubaren Form innerhalb eines nicht allzugroßen Zeitraums vorlegen. Wegen der Anordnung des materiellrechtlichen Teils der Edition verweise ich auf die Einleitung der Herausgeber im Band Schuldrecht I. Die Edition wird außer dem Band über die allgemeinen Quellen zur Entstehung des BGB voraussichtlich 12 Bände umfassen: Allgemeiner Teil, Schuldrecht I —III, Sachenrecht I —II, Familienrecht I —II, Erbrecht I —II, EG-BGB, Quellenband zur Grundbuchordnung und zum Zwangsversteigerungsgesetz. Das umfassende Ziel der Edition mußte allerdings von zwei Seiten her eingeschränkt werden: Einmal mußte darauf verzichtet werden, die umfangreichen Begründungen zu den Teilentwürfen erneut abzudrucken. Ein Neudruck würde rund 11300 Seiten (einschließlich der Begründung zum Einführungsgesetz) umfassen. Vertretbar wäre nur ein photomechanischer Nachdruck, der auch sehr erwünscht wäre, da sich das VerUnd zwar im Großformat: rd. 1145 Seiten für den Allgemeinen Teil; 1207 Seiten Begründung von Kübel; 1678 Seiten Materialzusammenstellungen von den Hilfsarbeitern; 2242 Seiten für das Sachenrecht; 2260 Seiten zuzüglich 500 S. Nachträge für das Familienrecht; 1234 Seiten zuzüglich 232 Seiten Nachträge für das Erbrecht; 800 Seiten zum EG-Entwurf von allen Redaktoren mit Ausnahme von v. Kübel. Die Entwürfe umfassen nochmals mehrere hundert Seiten.

Einleitung

ständnis der Protokolle der l. Kommission oft nur mit Hilfe der Begründungen vollständig erschließt. Ferner mußte darauf verzichtet werden, die Motive erneut abzudrukken. Sie liegen in der amtlichen Ausgabe von 1888 und in der Sammlung von Mugdan in genügender Anzahl vor. Auch eine Wiedergabe der Protokolle der 2. Kommission erfolgt bis auf die der Anträge nicht, weil auch sie in zwei Ausgaben überall greifbar sind. Allerdings ließe sich hier ein Nachdruck eher rechtfertigen, da beide Ausgaben das Original nicht textgetreu wiedergeben. Doch sind die Eingriffe der Bearbeiter in den Text nicht so gravierend, daß ein Neudruck von rund 5250 Seiten unumgänglich wäre. Ebensowenig ist es erforderlich, die in den Drucksachen und Protokollen des Reichstags enthaltenen Materialien zum BGB erneut vorzulegen. Zum anderen konnte der sehr umfangreiche Quellenkomplex, welcher die Beschäftigung der Bundesstaaten und der Reichsämter mit den BGB-Entwürfen betrifft, in dieser Edition nicht berücksichtigt werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Alle größeren Bundesstaaten haben sich in den Jahren 1888 bis 1890 und zum Teil noch einmal in den Jahren 1894 bis 1896 intensiv mit den BGB-Entwürfen befaßt und ihrerseits Kommissionen eingesetzt. Wichtige Fragen sind sogar in den Staatsministerien behandelt worden. Das Material hierüber bedarf noch der Erforschung. Hingewiesen sei auf die Archivbestände von Preußen, Mecklenburg, Bayern, Württemberg, Hamburg und Baden. Schon allein wegen des Umfangs dieser Materialien verbietet sich eine durchgehende Berücksichtigung im Rahmen dieser Edition, die das Ziel verfolgt, die ohnehin schon umfangreichen unmittelbaren Materialien zum BGB in übersichtlicher Form zusammenzustellen. Darüber hinaus ist für die Zwecke dieser Edition eine Aufarbeitung dieser Materialien nicht notwendig, da, bis auf zwei wichtige Ausnahmen4, die Entscheidungen in den Kommissionen und im Justizausschuß des Bundesrates gefallen sind. Die Bundesstaaten konnten hier ihre Wünsche und Vorstellungen durch ihre Vertreter zur Geltung bringen. Wieweit das insbesondere in der 2. Kommission geschehen ist, läßt sich an Hand der Namen der Antragsteller und der vom Reichsjustizamt gefertigten Zusammenstellung der Äußerungen der Bundesregierungen zum l. Entwurf ermitteln. Einer Heranziehung von Archivalien der größeren Bundesstaaten bedarf es hierfür im Regelfall nicht, da die rechtspolitischen Vorstellungen der einzelnen Bundesregierungen in Verbindung mit den erwähnten Zusammenstellungen in dieser Edition in hinreichender Weise deutlich werden5. Im übrigen sei auch darauf hingewiesen, daß das Verfahren bei Abfassung des BGB vollkommen aus dem Rahmen fiel. Üblicherweise wurden Gesetzesvorlagen in der damaligen Zeit vom Reichsjustizamt aufgestellt, während die maßgeblichen Entscheidungen für das BGB grundsätzlich in den vom Bundesrat eingesetzten unabhängigen Kommissionen fielen. Auch dies rechtfertigt es, eventuellen mittelbaren Einflüssen der Bundesstaaten und der Reichsämter nicht die Bedeutung beizumessen, die man· ihr beispielsweise beim Zustandekommen der Neufassung des HGB geben müßte.

Vereinsrecht und IPR (zum letzteren vgl. den Quellenband von H artwieg/Korkisch: Die geheimen Materialien zum IPR, 1973). Außerdem liegen für eine Reihe von Bundesstaaten die Stellungnahmen gedruckt vor: Bemerkungen der Bad. Regierung, o. O. (1891); Vorschläge des Hess. Ministeriums des Innern und der Justiz, als Manuskript gedruckt, Darmstadt 1891; Bemerkungen der Mecklenburg-Schwerinschen Regierung, 2 Bände 1891/1892; zur 2. Lesung ein weiterer Band 1895; Bemerkungen des Preuß. Justizministers, Berlin 1891; Äußerungen des würaembergischen Staatsministeriums, Stuttgart 1890; ferner metallographische Zusammenstellungen von Sachsen und Baden (nur für den E II); den Standpunkt Bayerns geben die „Bemerkungen" Jacubezkys wieder (genaue Nachweise bei Maas, Archiv für Bürgl. Recht, Bd. 17,1899, S. 39 f.).

Einleitung

Lediglich für das Vereinsrecht und einige andere rechtspolitisch brisante Fragen6 sollen, soweit es der Platz erlaubt, auch die Länder unmittelbar zu Worte kommen. Wollte man darüber hinausgehen, würde die ohnehin schon umfangreiche Edition zudem unübersichtlich werden, abgesehen davon, daß eine durchgängige Auswertung der Bestände der größeren Archive der ehemaligen Bundesstaaten den Beginn des Editionsvorhabens um Jahre verzögert hätte. Der Ertrag einer solchen Beschäftigung würde, da die Vorstellungen der Bundesregierungen bekannt sind, in keinem Verhältnis zum Aufwand stehen. Dagegen ist die Edition nicht beschränkt auf die Materialien zum BGB selbst, sondern bezieht auch die Materialien zum EG-BGB ein. Man könnte vielleicht meinen, daß sich eine Quellenedition zum EG-BGB heute nicht mehr rechtfertigen lasse, weil, abgesehen vom IPR, die meisten Bestimmungen keine große Bedeutung mehr haben. Ob das wirklich zutrifft, soll hier nicht näher untersucht werden. Doch sprechen für die Herausgabe der Materialien zum EG-BGB mehrere Gründe: Das EG-BGB enthält eine Fülle wohlabgewogener Übergangsregelungen, die auch heute noch der Beachtung wert sind. Zum anderen vermitteln die Quellen zum EG-BGB Einblick in die umfassende Beschäftigung der Kommissionen mit den zivilrechtlichen und prozessualen Bestimmungen der Reichsgesetze. Sie geben Einblick in die rechtspolitischen Vorstellungen der Bundesstaaten über den Umfang einer Zivilrechtskodifikation und über die Regelungsbedürftigkeit vom BGB nicht erfaßter Rechtsmaterien. In der Beschäftigung mit den Quellen zum EG-BGB wird vor allem die gesamte Rechtsordnung der damaligen Zeit zumindest in ihren Umrissen und ihren Entwicklungstendenzen wie nirgendwo anders sichtbar. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang beispielsweise nur auf den heute vollkommen in Vergessenheit geratenen § 136 EG-BGB, der zusammen mit den gesellschaftlichen Wandlungen eine Aushöhlung des individualistischen Vormundschaftsrechts des BGB ermöglicht hat. Die Entscheidung der Kommissionen, die bestehenden Reichsgesetze im wesentlichen unangetastet zu lassen und das BGB von rechtspolitischen Bestrebungen der Zeit möglichst freizuhalten, war folgenschwer, da sie die Herausbildung von Sonderprivatrechten in diesem Jahrhundert wesentlich erleichtert hat. II. Die isolierte Herausgabe der Materiahen zum BGB hat den — leider notwendigen — Nachteil, daß eine Gesamtschau der gesetzgeberischen Aktivitäten, die zum Aufbau und zur Entwicklung der modernen deutschen Privatrechtsordnung geführt haben, nur schwer vermittelt werden kann. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß die BGB-Kommissionen nicht die Entscheidungszentren für die außerhalb des BGB liegenden Gesetzesvorhaben waren. Insbesondere ist es nicht, wie das Gutachten der Vorkommission vorgeschlagen hatte7, zu einer zeitlich und personell mit den Arbeiten am BGB abgestimmten Revision des Handelsgesetzbuchs unter Einbeziehung des Versicherungs- und Verlagsrechts gekommen. Vielmehr sind die endgültigen Vorlagen der Nebengesetze zum BGB (Grundbuchordnung, Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) und zur Revision der (Zivilprozeßordnung, der Konkursordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie zur Neufassung des HGB im Reichsjustizamt, zum Teil in enger Zusammenarbeit mit Preußen, entstanden. Das bedeutet aber nicht, daß die BGB-Kommissionen und einige ihrer Mitglieder mit diesen Gesetzen nichts zu tun gehabt hätten. Vielmehr haben sie für alle diese Gesetze maßgebliche Vorarbeit geleistet. 6

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Für das IPR ist das weitgehend nicht mehr notwendig, da hierfür auf die Quellenedition von Hartwieg/Korkisch verwiesen werden kann. Vgl. unten S. 179ff.

Einleitung Da sich die Ausarbeitung dieser Gesetze aber praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit vollzogen hat, ist ihre Entstehungsgeschichte so gut wie unbekannt, zumindest aber noch nicht erforscht. Ein Verzicht auf die Herausgabe dieser Quellen hätte zur Folge, daß bedeutsame Quellen dem Rechtshistoriker und Rechtsdogmatiker nicht zur Verfügung stünden und damit erneut einer einseitigen Sicht der Privatrechtsordnung und Rechtsgeschichte Vorschub geleistet würde. Ein wesentlicher Teilbereich dieser für die Schaffung der gesamtdeutschen Rechtsordnung bedeutsamen Arbeiten würde aus dem Blickfeld geraten. Wenn man sich dazu entschlösse, die Quellen zu den genannten Gesetzen zu veröffentlichen, so wäre es allerdings wenig sinnvoll, sich nur auf die Vorarbeiten der BGBKommissionen zu beschränken. Es müßten in eine Edition auch die Materialien des Reichsjustizamtes, Preußens und des Justizausschusses des Bundesrates miteinbezogen werden, wenn man ein vollständiges Bild über das Zustandekommen dieser Gesetze erlangen und die rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in den Blick bekommen will. Für die Herausgeber dieser Edition stellt sich mithin die Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Weise die Quellen zur Revision der CPO, der KO und des GVG, zur Neufassung des HGB sowie die Quellen zur GBO, zum ZVG und FGG berücksichtigt werden sollen. Die Materialienbände von Habn/Mugdan enthalten trotz ihres Titels: „Die gesammten Materialien zu ..." nur die bereits vorher zugänglich gewesenen Reichstagsmaterialien zu diesen Gesetzen. Mit der Vorlage der Entwürfe an den Reichstag waren die wichtigsten Entscheidungen bereits gefallen. Der weithin unhistorische Umgang mit diesen Gesetzen hat seinen Hauptgrund in dieser unbefriedigenden Quellenlage. Nicht nur im Hinblick auf deren Anwendung, sondern noch mehr im Hinblick auf ihre geplante Revision sollten ihre geistigen, rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Grundlagen durch Editionen erschlossen werden. Das Erfahrungsmaterial, das in diesen Quellen niedergelegt ist, dürfte auch heute noch von großer Bedeutung sein. Man könnte die Quellen zu diesen Gesetzen weitgehend mit den Materialien zum EG-BGB verbinden. Damit würde der Umfang dieses Teils der vorliegenden Quellenedition wohl zu stark anwachsen. Die Quellen zu den gesetzgeberischen Arbeiten der Jahre 1894 — 1898 im Rahmen der Quellen zum EG-BGB zu berücksichtigen, ist vor allem aber deswegen bedenklich, weil damit die Bedeutung dieser Quellen nur unzureichend eingeordnet wäre. Mir erscheint es daher zweckmäßiger, das Problem der Herausgabe dieser Materialien auf eine differenziertere Art und Weise, auf die im folgenden kurz hingewiesen werden soll, zu lösen. Die Grundlagen für die Neufassung der CPO und der KO hat bereits die 1. Kommission im 1. EG-BGB-Entwurf gelegt. Die 2. Kommission beschloß dann in der 445. Sitzung im Herbst 1895, die im Entwurf des EG vorgeschlagenen Änderungen der CPO, des GVG und anderer Gesetze nicht in das EG zu übernehmen8, sondern in ein besonderes Gesetz aufzunehmen. Die Beratung dieser Bestimmungen erfolgte vom 20. 12. 1895 bis zum 8. 2. 1896. Aus den Beratungen ist der Entwurf eines „Gesetzes, betreffend Aenderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Civilprozeßordnung, der Konkursordnung und der Einführungsgesetze zur Civilprozeßordnung und zur Konkursordnung" (Drucksache des Bundesrates Nr. 29 von 1896) hervorgegangen. Das Reichsjustizamt hat diesen Entwurf zum Teil noch abgeändert und in zwei Gesetze aufgeteilt, die 1897 dem Bundesrat vorgelegt wurden (Drucksachen Nr. 119 für die CPO, das GVG und die StPO; Nr. 141 für die KO). Der Justizausschuß beriet die Vorlagen auf der Grundlage von damals üblichen, meist gedruckten „Zusammenstel8

Prot. II, Bd. 6, S. 574.

Einleitung

lungen der Aeußerungen der Bundesregierungen" zu diesen Entwürfen und zahlreicher metallographisch vervielfältigter Anträge und beschloß eine Reihe von Abänderungen. Nachdem diese vom Plenum des Bundesrates am 9. 12. 1897 (CPO, GVG, StPO) und am 26. 1. 1898 (KO) gebilligt waren, wurden die Entwürfe dem Reichstag übermittelt. Nur die Materialien von diesem Stadium ab sind chronologisch zusammengestellt in den Ausgaben von C. Hahn/B. Mugdan, Bd. 7: „Materialien zum Gesetz, betreffend Aenderungen der Konkursordnung nebst Einführungsgesetz " und Bd. 8: „Materialien zum Gesetz betreffend Aenderungen der Civilprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung" (Berlin 1898) enthalten. Allerdings sind die Berichte der Reichstagskommissionen insoweit unvollständig, als sie die Namen der Antragsteller nicht wiedergeben. — Die noch unveröffentlichten Quellen zur Neufassung der KO, soweit diese nicht bereits bei den Materialien zum EG-BGB wiedergegeben werden, sollen in einer separaten Edition der Materialien zur KO in der Fassung von 1877 und von 1898 mitgeteilt werden9. Hier soll auch der Entstehungsgeschichte der KO von 1898 im einzelnen nachgegangen werden. Für die Quellen zur CPO von 1898 ist ebenfalls eine separate Edition in Verbindung mit den unveröffentlichten Materialien zur CPO von 187710 vorgesehen. Diese Editionen sollen den Gesamtbestand der vorhandenen Quellen, auch soweit sie anderswo veröffentlicht sind, erschließen. Die Neufassung des Aug. Deutschen Handelsgesetzbuchs ist bedingt durch die Kodifizierung des Allgemeinen Teils, des Schuld- und des Sachenrechts im BGB. Die Quellen zur Neufassung des Handelsgesetzbuchs von 1897 sind nur zu einem kleinen Teil zugänglich. In der Ausgabe von Hahn/Mugdan Bd. 6: „Materialien zum Handelsgesetzbuch" sind lediglich die Reichstagsmaterialien zusammengestellt, wiederum ohne die Antragsteller mitzuteilen. Ferner ist ein vom Reichsjustizamt aufgestellter „Entwurf eines Handelsgesetzbuchs mit Ausschluß des Seehandelsrechts nebst Denkschrift" 1896 veröffentlicht worden. Beide BGB-Kommissionen haben wiederholt auf die Regelungen des ADHGB zurückgegriffen, sie zum Teil in den BGB-Entwurf übernommen oder Abänderungen vorgeschlagen. Die Revision des ADHGB ist also von den BGB-Kommissionen in vielfältiger Weise vorbereitet worden; die Entstehungsgeschichte beider Kodifikationen hängt eng miteinander zusammen. Noch im Endstadium, während der Beratung des 2. rev. Entwurfs im Justizausschuß des Bundesrates hat man Rücksicht auf die Beschlüsse der gleichzeitig tagenden HGB-Kommission genommen. Es ist also im höchsten Maß In einem Band der Sonderreihe von lus Commune zusammen mit J. Thieme, der die Quellen zur KO von 1877 bearbeiten wird. Für die KO von 1898 vgl. einstweilen die Akten im Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Rep. 84a Nr. 10610-10611. Die Akten des Reichsjustizamtes werden ebenfalls herangezogen werden. — Zur Entstehung der Konkursordnung von 1877 /. Thieme in: Einhundert Jahre Konkursordnung 1877 - 1977, Köln 1977, S. 50ff. 10 Die Quellen zur CPO von 1877 sind in der Quellensammlung von Hahn, 1. Abt. (1880), ebenfalls wiederum nur von der Reichstagsvorlage ab enthalten. Die in Aussicht genommene Edition müßte also die Protokolle der Kommission von 1871/72 und die Materialien zu den Verhandlungen im Bundesrat und dessen Justizausschuß enthalten (vgl. hierzu die von mir eingesehenen Akten des Reichskanzleramtes im ZStA Potsdam Nr. 592 — 596, 597 ff. (Protokolle), 605 ff. (Anträge), 611 ff. (weitere Entwicklung bis 1876), ferner die Akten des preußischen Justizministeriums im Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Rep. 84 a, Nr. 491 — 495 (zur Entstehungsgeschichte der CPO zuletzt Landau, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes, Köln 1977, S. 178 ff., 189 ff.). - Zur ZPO von 1898 vgl. die Akten des preußischen Justizministeriums, Rep. 84a, Nr. 3802 — 3804, 3817 und die entspr. Akten des Reichsjustizamtes.

Einleitung

erwünscht, daß auch die Quellen zum HGB von 1897 allgemein zugänglich gemacht werden, zumal über die rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Hintergründe vieler Bestimmungen des neuen HGB noch immer große Unklarheit herrscht. Ursprünglich sollte nach den Vorschlägen der Vorkommission von 1874 und wohl auch des Justizausschusses des Bundesrates11 das ADHGB durch eine Kommission revidiert werden. Von diesem Plan ist das Reichsjustizamt wieder abgekommen12, nachdem sich die Arbeiten am 1. BGB-Entwurf über 13 Jahre hingezogen hatten und damit zu erwarten stand, daß die Revision des ADHGB ebenfalls mehrere Jahre in Anspruch nehmen und damit das Inkrafttreten des BGB verzögern könnte. Deshalb arbeitete man im Reichsjustizamt in den Jahren 1894/1895 unter Berücksichtigung der Beschlüsse der BGB-Kommissionen einen HGB-Entwurf aus, der im Frühjahr 1895 mit einer Denkschrift den Bundesregierungen zugeleitet wurde13. Gleichzeitig wurde den Regierungen mitgeteilt, daß im Herbst 1895 eine Kommission aus Vertretern der Industrie und des Handels sowie aus Juristen der größeren Bundesstaaten den Entwurf einer Beratung unterziehen sollte. Die vom Reichskanzler berufene Kommission beriet den Entwurf in der Zeit vom 21. 11. bis 18. 12. 1895 (21 Sitzungen)14. Die Protokolle dieser Kommission sind unveröffentlicht. Im Frühjahr 1896 fanden dann noch zwei Konferenzen mit land- und forstwirtschaftlichen Vertretern statt (16.—17. 3. 1896). Nach einer kommissarischen Beratung des Entwurfs von 1895 im Reichsjustizamt (12. —13. 5. 1896) wurde aufgrund des Ergebnisses der Beratungen ein neuer Entwurf aufgestellt und dieser den Bundesregierungen zur Stellungnahme übersandt. Dieser Entwurf ist mit dem vom Reichsjustizamt im Sommer 1896 veröffentlichten Entwurf identisch. Im Herbst 1896 fand dann im Reichsjustizamt erneut eine kommissarische Beratung des Entwurfs statt, bei der die Kritiken der Bundesregierungen und der Öffentlichkeit berücksichtigt wurden. Die Kritiken der Bundesregierungen wurden in einer als Manuskript gedruckten Zusammenstellung vereinigt. Anschließend wurde Ende 1896 eine Neufassung des Entwurfs als Drucksache Nr. 133 dem Bundesrat zugeleitet. Der Justizausschuß des Bundesrates beriet den Entwurf auf der Grundlage der sog. Zusammenstellung und weiterer nur metallographisch vervielfältigter Anträge der Bundesregierungen und nahm allein in den ersten drei Büchern des Entwurfs 67 Änderungen vor (Drucksache Nr. 5 von 1897). Über die Einzelheiten der Beratungen im Justizausschuß geben die ausführlichen, noch unveröffentlichten Berichte von v. Heller (Bayern) und die Aufzeichnungen von Cohen (Hamburg) genauen Aufschluß. Der Bundesrat nahm die vom Justizausschuß vorgeschlagenen Änderungen am 21.1. 1897 an. Der Reichstag überwies die Vorlage der XVIII. Kommission, die auf der Grundlage von gedruckten Abänderungsanträgen den Entwurf einer Revision unterzog. Über die Sitzungen im einzelnen geben außer den Kommissionsprotokollen die ausführlichen Berichte von v. Heller nach München Aufschluß, während der Kommissionsbericht weder über den Sitzungsverlauf noch über die Namen der Antragsteller unterrichtet. — Diese hier 11

Vgl. unten S. 179ff.;195f. Vgl. unten S. 319, Fn. 4. 13 Das folgende nach von mir eingesehenen Akten des Reichsjustizamtes im ZStA Potsdam, Nr. 2658ff., 2663. Ferner Geh. StA Berlin-Dahlem, Rep. 84a, 899-900, 921. Bayr. HStA Abt. I, MJu 17080 - 17082. - Zur Entstehung des HGB von 1897 vgl. u. a. Lebmann-Ring, HGB für das Deutsche Reich, Berlin 1902, Einleitung; Gareis, HGB, 3. Aufl. 1904, Einleitung S. 23ff.; Dünnger-Hachenburg, Das HGB von 1897, 2. Aufl., Mannheim 1908, Einleitung; Zuletzt Hadding, in Festschrift zum 100jährigen Gebunstag des Reichsjustizamtes, Köln 1977, S. 268 ff. 14 Über das Ergebnis der Kommissionsberatungen Rießer, DJZ 1896, S. 131 ff., 152ff. 12

Einleitung

genannten Quellen sollen in einer separaten Edition spätestens dann vorliegen, wenn die Quellen zum 1. und 2. Buch des BGB erschienen sind. Die Edition wird chronologisch aufgebaut sein und sämtliche Materialien zu den einzelnen Bestimmungen des HGB nachweisen15. Die „Grundbuchordnung" (GBO) und das „Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung" (ZVG) beruhen auf den Vorarbeiten der 1. Kommission, sind aber aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht mehr der Beratung der 2. Kommission überwiesen worden16. Entsprechend einem Beschluß des Bundesrates vom 14. 6. 188817 hatte die l. Kommission die von Johow in enger Zusammenarbeit mit Alexander Achilles1 aufgestellten Entwürfe einer Grundbuchordnung und eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen noch beraten und diese Entwürfe dem Reichskanzler übersandt. Dieser hat jeweils nebst Motiven dem Bundesrat den Entwurf einer GBO am 9. 11. 1888 als Drucksache Nr. 132 und den Entwurf eines ZVG am 5. 4. 1889 als Drucksache Nr. 38 dem Bundesrat zugeleitet. Die Entwürfe sind mit Motiven veröffentlicht worden. In der Folgezeit19 unterzog vom 12. 10. 1895 bis zum 29. 5. 1896 eine „Kommission des Reichsjustiz-Amtes für die 2. Lesung des Entwurfs einer Grundbuchordnung" den Entwurf von 1888 einer Revision. Grundlage der Beratung war neben dem Entwurf ein ausführliches Votum von Achilles über den Entwurf von 1888 und den dazu eingegangenen Kritiken. Auch die Ergebnisse der Beratungen des Sachenrechts in der 2. Kommission wurden berücksichtigt. Der von der Kommission erarbeitete Entwurf20 wurde am 15. 7. 1896 zusammen mit einer Denkschrift den Bundesregierungen übersandt. Wegen einiger Beschlüsse des preußischen Staatsministeriums vom 11. 11. 1896 war am 16. 11. 1896 eine kommissarische Beratung zwischen Vertretern Preußens und denen des Reichsjustizamtes notwendig geworden. Ende 1896 ist dann der Entwurf einer Grundbuchordnung als Drucksache Nr. 159 dem Bundesrat zugeleitet worden und dort aufgrund einer Zusammenstellung der Kritiken der Bundesregierungen und metallographierter Anträge mehrerer Bundesstaaten im Justizausschuß beraten und vom Plenum Anfang 1898 mit 38 Änderungen gebilligt worden. Über das Schicksal dieses Entwurfs im Reichstag gibt die Quellensammlung von Hahn/Mugdan21 Aufschluß, allerdings ohne Einzelheiten über die Interna Kommissionsberatungen zu berichten. Ähnlich wie bei der GBO lief das weitere Gesetzgebungsverfahren für das ZVG22 13

Die Edition soll betreut werden von Chr. Krampe, B. Schmiedet und mir und soll, wenn möglich, 1980 erscheinen. — Ein zusätzlicher Quellenband zur Aktienrechtsnovelle von 1884, der im -wesentlichen ein Gutachten des Reichsoberhandelsgerichts von 1877, die Protokolle der Sachverständigenkommission, den Schriftwechsel zwischen dem RJA und dem Reichsamt des Innern sowie sämtliche Vorfassungen enthalten soll, ist vorgesehen (vgl. einstweilen die Quellen im ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 2859ff.; Reichsamt des Innern, Nr. 1 — 4). 16 Vgl. unten S. 345. 17 Vgl. unten S. 327 f. 18 Vgl. unten S. 91 f. 19 Vgl. Geh. StA Berlin-Dahlem, Rep. 84a Nr. 3850, 6720-6722. Die einschlägigen Akten des Reichs Justizamtes werden noch herangezogen werden. Protokolle über die Kommissionssitzungen sind, soweit ersichtlich, nicht geführt worden. Es existiert lediglich eine „Begründung der vorläufigen Zusammenstellung der Kommissionsbeschlüsse". 21 Bd. 5 der Quellensammlung unter dem Titel: „Materialien zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und zur Grundbuchordnung", Berlin 1897 (281 S.). 22 Vgl. Geh. StA Berlin-Dahlem, Rep. 84a Nr. 6075, 6081. Die einschlägigen Akten des Reichsjustizamtes werden für die Edition noch herangezogen. 8

Einleitung

ab. Auch hier beriet, und zwar in der Zeit vom 13. 10. 1894 bis zum 29. 2. 1896 (47 Sitzungen), unter maßgeblicher Beteiligung von Achilles eine „Kommission des Reichsjustizamtes für die 2. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen". Der endgültige Entwurf wurde im März 1896 dem Bundesrat als Drucksache Nr. 40 zugeleitet und auf der Grundlage einer ungedruckten Zusammenstellung der kritischen Äußerungen der Bundesregierungen sowie vieler Abänderungsanträge der Bundesstaaten im Justizausschuß beraten. Wegen der zahlreichen Änderungen wurde eine Neufassung des Entwurfs beschlossen und als Drucksache Nr. 149 dem Plenum zugeleitet und von diesem am 10. 12. 1896 genehmigt. Über die Verhandlungen im Reichstag unterrichtet die oben genannte Quellensammlung von Hahn/Mugdan23'. Es fragt sich nun, ob und inwieweit man die Materialien zur GBO und zum ZVG durch eine Quellenedition erschließen soll. Hierbei ist zweierlei zu berücksichtigen: Da die unvollständige Sammlung von Mugdan auch weiterhin benutzt wird, wäre es wünschenswert, wenn diese durch die viel aufschlußreicheren Materialien der l. Kommission und des Reichsjustizamtes ergänzt würde. Zweitens spricht für eine Veröffentlichung der Quellen zu den genannten Gesetzen, daß die Grundlagen von der 1. BGBKommission und von einem der maßgeblich am Immobiliarsachenrecht des BGB beteiligten Mitarbeiter, Alexander Achilles, gelegt worden sind. Achilles hat durch seine Begutachtung der Entwürfe von 1888/1889 auf der Grundlage des Ergebnisses der Beratungen der 2. Kommission und durch seine Mitwirkung in den Kommissionen des Reichsjustizamtes das weitere Schicksal dieser Entwürfe maßgeblich mitbeeinflußt. Diese Gesetze sind also zumindest den Grundlagen nach und auch in zahlreichen Einzelregelungen im wesentlichen das Werk der 1. Kommission und des maßgeblich am Sachenrecht des BGB beteiligten Achilles. Um die Arbeiten der BGB-Kommissionen, um die es bei dieser Edition geht, vollständig zu erschließen, erscheint daher eine Edition der Materialien zur GBO und zum ZVG unerläßlich, zumal in einem früheren Stadium nach den Plänen Johows eine engere Verknüpfung des ZVG mit dem materiellen Sachenrecht geplant war24. Allerdings erscheint es wenig sinnvoll, bei den Materialien der 1. Kommission stehenzubleiben. Es ist vielmehr der Gesamtbestand aller Quellen zu erschließen, wobei zu erwägen ist, ob für die Zeit nach 1889 eine Auswahl ausreicht. Da die beiden Gesetze auf den Redaktor des Sachenrechts Johow und dessen Hilfsarbeiter und späteren Kommissar des Reichskanzlers Achilles zurückgehen, werden die Materialien zur GBO und zum ZVG in einem Anhangsband zu den beiden Quellenbänden zum Sachenrecht publiziert werden. Hier wird dann auch die Entstehungsgeschichte dieser Gesetze näher darzulegen sein. Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) von 1898 geht ebenfalls auf die Arbeiten in der 1. Kommission zurück. Hier hatte Planck zwei Entwürfe ausgearbeitet: im Jahre 1881 den „Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren in Vormundschaftssachen und sonstigen das Familienrecht betreffenden Angelegenheiten für das Deutsche Reich" und im Jahre 1888 unter Berücksichtigung des Nachlaßrechts den „Entwurf eines Gesetzes für das Deutsche Reich, betreffend die Angelegenheiten der nichtstreitigen Rechtspflege". Der Bundesrat hat am 14. 6. 188825 die 1. Kommission ermächtigt, auch einen FGG-Entwurf zu erstellen. Aus Zeitmangel hat die Kommission den Entwurf von Planck jedoch nicht mehr beraten können. In der 23 24

Vgl. obenFn. 21. Vgl. §§ 492-565 TE-SachR. Vgl. unten S. 327 f.

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Folgezeit wurde auf der Grundlage der Planckschen Vorarbeiten und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beratungen in der 2. Kommission im Reichsjustizamt ein neuer Entwurf, „Grundzüge eines Gesetzes, betreffend die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit", erstellt26 und am 9. 12. 1896 an Preußen übersandt. Erst nachdem eine kommissarische Beratung zwischen Preußen und dem Reichsjustizamt über diesen Entwurf stattgefunden hatte, wurde der endgültig festgestellte Entwurf am 20. 3. 1897 den Bundesregierungen zur Begutachtung übersandt. Über die kritischen Äußerungen der Bundesregierungen fertigte das Reichsjustizamt eine umfangreiche Zusammenstellung an, die bei der Umarbeitung des Entwurfs im Reichsjustizamt zusammen mit erneuten preußischen Wünschen berücksichtigt wurde. Der Entwurf wurde anschließend als Drucksache Nr. 100 dem Bundesrat im Oktober 1897 zugeleitet, zusätzlich wegen seiner Bedeutung noch in einer Beilage zum Reichsanzeiger am 19. 10. 1897 auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Beratungen im Justizausschuß des Bundesrates erwiesen sich als äußerst schwierig, da zahlreiche Abänderungsanträge der Bundesstaaten vorlagen. Mit 55 Änderungen ist der Entwurf dem Plenum zugeleitet worden, das ihn Mitte 1898 annahm. Über die Reichstagsverhandlungen unterrichtet die Quellensammlung von Hahn/Mugdan21', wiederum ohne die Antragsteller für die Ausschußanträge mitzuteilen. Während für die GBO und das ZVG wenigstens die ersten Fassungen von 1888/1889 zugänglich sind, sind die Quellen zum FGG bis zur Vorlage des Entwurfs an den Reichstag so gut wie unbekannt. Eine Herausgabe der unveröffentlichten Materialien läßt sich unter zwei Gesichtspunkten rechtfertigen: Das FGG gehört zu den Nebengesetzen des BGB und ist von einem der maßgeblichsten Mitglieder der BGBKommissionen, Gottlieb Planck, vorbereitet worden; zahlreiche Anregungen aufgrund der Kommissionsberatungen sind in den FGG-Entwurf von 1888 eingeflossen. Die Vorgeschichte dieses Gesetzes ist also sehr eng mit den Arbeiten der 1. BGB-Kommission verflochten. Am Entwurf des Reichsjustizamtes haben ebenfalls Mitarbeiter der 2. Kommission entscheidend mitgewirkt und hierbei die Ergebnisse der Beratungen dieser Kommission verwertet. Um die Arbeiten der BGB-Kommission und ihrer Mitarbeiter vollständig zu erschließen, bedarf es auch der Kenntnis der Materialien zum FGG, zumal dessen Bestimmungen sehr eng mit den materiellrechtlichen Bestimmungen des Familien- und Erbrechts des BGB zusammenhängen. Zum anderen ist die wissenschaftliche und praktische Beschäftigung mit dem FGG weithin unhistorisch. Dies ist um so bedauerlicher, als auch bei den zahlreichen Änderungen des FGG, welche die Gesetzgebung seit 1898 vorgenommen hat, die Erfahrungen aus der Kodifikationsgeschichte nicht berücksichtigt werden konnten. Eine Edition der vollständigen Materialien zum FGG von 1898 dürfte also erwünscht und fruchtbar sein. Auch hier gilt es, den falschen Eindruck zu beseitigen, als enthalte die Quellensammlung von Mugdan die wesentlichen Materialien zu diesem Gesetz. Da die FGG-Entwürfe eng mit dem Namen Plancks verbunden sind, sollen die Materiahen als Anhangsband zu den Quellen zum Familienrecht ediert werden. III. Der vorliegende erste Band der Edition bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Ursprünglich war geplant, einige allgemeine Quellen zur Entstehungsgeschichte des BGB im Quellenteil zum Allgemeinen Teil zu bringen, während die Kurzbiographien 26

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Hierzu und zum folgenden vgl. Geh. StA Berlin-Dahlem, Rep. 84 a, Nr. 800, 801 und ferner die einschlägigen Materialien des Reichsjustizamtes. Bd. 7 der Quellensammlung unter dem Titel: „Materialien zum Gesetz über die Angelegenheiten der frerw. Gerichtsbarkeit. . .", Berlin 1898.

Einleitung der Kommissionsmitglieder und eine kurzgefaßte Entstehungsgeschichte des BGB im zuerst erscheinenden Quellenband Schuldrecht I enthalten sein sollten. Nach langen Überlegungen haben sich die Herausgeber entschlossen, die Edition mit einen Band allgemeiner Quellen zur Entstehungsgeschichte des BGB zu eröffnen. Maßgebend hierfür war die Notwendigkeit, daß diese Materialien dem Benutzer der Edition von Anfang an zur Verfügung stehen sollten und auch die noch immer viel zu wenig bekannte Entstehungsgeschichte des BGB umfangreicher dokumentiert werden sollte, als es bei dem ursprünglich geplanten Verfahren möglich gewesen wäre. Der erste Quellenband bringt nach einer Übersicht über die Materialien zur Entstehung des BGB eine kurzgefaßte Entstehungsgeschichte des BGB unter Einbeziehung der Lex Lasker. Im Mittelpunkt steht die Tätigkeit des Bundesrates und des Reichjustizamtes, ein Aspekt, der bislang bei allen Darstellungen zur Entstehung des BGB zu kurz gekommen ist. Darüber hinaus wird auf die Tätigkeit der beiden BGB-Kommissionen und auf die Quellenlage näher eingegangen. Ausführlich wird die Persönlichkeit des Redaktors des Obligationenrechts, Franz von Kübel, gewürdigt, der bislang in der Literatur sehr stiefmütterlich behandelt worden ist, während die Redaktoren Gebhard, Johow, Planck und Schmitt und ihr Anteil am BGB wenigstens in Umrissen bekannt sind28. Auch auf die überragende Bedeutung des Kommissionsvorsitzenden Heinrich Eduard Pape für die 1. Kommission und das Zustandekommen des 1. Entwurfs wird hingewiesen. Es wurde darauf verzichtet, bereits jetzt eine umfassende Entstehungsgeschichte des BGB in Angriff zu nehmen. Dies würde voraussetzen, daß zumindest das materiellrechtliche Quellenmaterial voll überschaubar wäre. Darüber hinaus erscheint eine Darstellung, die sich ausschließlich mit dem BGB befaßt, wenig fruchtbar. Es müßten zumindest die anderen gesetzgeberischen Bestrebungen zwischen 1871 und 1898 miteinbezogen werden, ein Unternehmen, das erst möglich ist, wenn der wichtigste Teil der archivalischen Quellen dieser Zeit erschlossen ist. Die vorliegende Darstellung beschränkt sich im wesentlichen auf die Tätigkeit der Kommissionen und des Bundesrats. Allerdings läßt sich die Entstehungsgeschichte des BGB nicht mehr in allen Einzelheiten mit hinreichender Klarheit aufhellen. Das gilt einmal für die Auswahl der Kommissionsmitglieder insbesondere durch Preußen. Sowohl die Akten des preußischen Justizministeriums als die des Reichsjustizamtes enthalten hierüber so gut wie keine Hinweise. Auch über die Vorbereitung der 2. Lesung des Entwurfs durch das Reichsjustizamt ist nur wenig Material vorhanden, insbesondere über die sogenannte Vorkommission des Reichsjustizamtes. Am schwersten wiegt aber wohl der Umstand, daß außer den Protokollen der Kommissionen, die den Verhandlungsverlauf nur in einer sehr schematisierten Form wiedergeben, keine brauchbaren Aufzeichnungen über den Sitzungsverlauf bekannt sind. Hier kann nur das kaum noch zu erhoffende Auffinden eines Nachlasses weiterhelfen. Der Schriftführer der l. Kommission, Wilhelm Neubauer, hat jedenfalls nach Abschluß der Kommissionsarbeiten im Jahre 1889 dem Reichsjustizamt keine eigenen Aufzeichnungen über den Sitzungsverlauf übergeben29. — Nicht durchgehend berücksichtigt werden die Arbeiten am BGB, die sich innerhalb des Reichsjustizamts in der Schlußphase des BGB vollzogen haben. Abgesehen davon, daß das Quellenmaterial hierzu nicht sehr befriedigend ist, ist dieser Aspekt der Entstehungsgeschichte des BGB für den Inhalt

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Vgl. unten S. 43,Fn.69. Vgl. die Übersicht der abgegebenen Materialien in der Akte Nr. 3873 des Reichsjustizamtes im ZStA Potsdam. 11

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dieser Kodifikation von geringer Bedeutung, da, mit Ausnahme des Internationalen Privatrechts, die Entscheidungen in den Kommissionen gefallen sind30. Für den Quellenteil dieses Bandes sind im wesentlichen drei Quellenkomplexe zu unterscheiden. Einmal bringt der Band die Materialien insbesondere der 1. Kommission, die sich in die anderen Bände der Edition nicht einfügen lassen, die aber für die Grundsatzentscheidungen der Kommissionen und für das Verständnis ihrer Arbeitsweise von maßgeblicher Bedeutung sind. Zum anderen werden Berichte von Mitgliedern des Justizausschusses und des Plenums des Bundesrates wiedergegeben, um auf diese Weise die Leitung der Arbeiten am BGB durch den Bundesrat zu dokumentieren. Amtliche Protokolle über die Sitzungen des Ausschusses für Justizwesen existieren grundsätzlich nicht31. Der Inhalt dieser Sitzungen läßt sich deshalb nur durch die Berichte von Bevollmächtigten der Bundesstaaten zum Bundesrat erschließen. In diesem Zusammenhang sei auf die besonders gründlichen Berichte von Wilhelm von Heller (Bayern)32 hingewiesen. Heller war in den Jahren 1888 bis 1890 Referent des Justizausschusses für das BGB und hat als solcher ausführliche Berichte nach München gesandt. Im übrigen werden jeweils die Berichte wiedergegeben, die am detailliertesten über die Sitzungen unterrichten. Ergänzende Details aus anderen Berichten werden, soweit notwendig, in den Fußnoten mitgeteilt. Der dritte Quellenkomplex betrifft die Schlußphase der BGB-Entwürfe im Bundesrat und Reichstag. Hier werden grundsätzlich nur die Teile der Berichte wiedergegeben, die sich mit allgemeinen Fragen befassen. Soweit Berichte materiellrechtliche Probleme betreffen, werden sie in den folgenden Quellenbänden mitgeteilt. Eine Ausnahme wurde nur für den von Nieberding mit den Parteien des Reichstags ausgehandelten, in seinen Einzelheiten noch wenig bekannten Kompromiß gemacht, ohne den das BGB im Juli 1896 wohl nicht verabschiedet worden wäre. Hier lediglich auf die Quellenbände zum Allgemeinen Teil, zum Familienrecht und zum EG-BGB zu verweisen, erscheint nicht angebracht, da man sich aus aufgeteilten Materialien nur schwer ein zusammenhängendes Bild über den Kompromiß machen könnte. Als Hauptquelle dienen die Berichte von v. Heller, der seine Regierung in München ausführlich über die Sitzungen der XII. Kommission informierte, während die amtlichen Materialien entweder nur das Ergebnis der Sitzungen festhalten (Protokolle der Kommission33) oder den Sitzungsverlauf überhaupt nicht mehr erkennen lassen (Bericht der Kommission). Über die internen Vorgänge im Reichsjustizamt, in den anderen Reichsämtern und in den preußischen Ministerien bringt die Edition, von Ausnahmen abgesehen34, keine Zu den Kurzbiographien der am Zustandekommen des BGB maßgeblich beteiligten Persönlichkeiten vgl. meine Anm. auf S. 69. 31 Nur selten hat man vertrauliche Protokolle angefertigt, so zum Beispiel für die Beratungen der Reichsjustizgesetze im Ausschuß in den Jahren 1874 und 1876. Aber auch diese Protokolle enthalten nur das Ergebnis der Beratungen. Für den Inhalt der Beratungen ist man auch hier auf Berichte von Mitgliedern des Justizausschusses angewiesen. 32 Über diesen vgl. unten S. 112. 33 Bis jetzt ungedruckt; Original im ZStA Potsdam, Reichstag, Nr. 758, 759. Eine Ausnahme betrifft das Vereinsrecht, dessen Quellen im Zusammenhang im Band über den Allgemeinen Teil wiedergegeben werden. Eine weitere Ausnahme betrifft das IPR, dessen Quellen von Hartwieg und Korkisch fast vollständig publiziert worden sind. Es sei aber darauf hingewiesen, daß diese Edition keine Hinweise über die Behandlung dieses Fragenkomplexes im Justizausschuß des Bundesrates enthält (vgl. dazu diese Edition S. 323ff.; 369f.). — Wegen weiterer kleinerer Komplexe sei auf die weiteren Quellenbände verwiesen (z. B. Quellen zu den SS 313,925 BGB, zum persönlichen Eherecht). — Im übrigen ist über das Verhältnis des ReichsFortsetzung der Fußnote auf Seite 13 12

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Quellen, da sie zur Erhellung der Entstehungsgeschichte des BGB nur wenig neue Gesichtspunkte vermitteln würden. Dokumentiert werden lediglich die Initiativen Preußens und des Reichsjustizamtes zur Vorbereitung der 2. Lesung des BGB-Entwurfs und die Stellung Preußens zum BGB in der Schlußphase im Frühjahr 1896. Die Stellung der größeren Bundesstaaten wie Bayern, Baden, Württemberg, Sachsen, Hessen-Dannstadt, Mecklenburg und Hamburg kann wegen des Umfangs der Materialien hierzu nicht detailliert dokumentiert werden. Zudem ist auch dieses Quellenmaterial für die allgemeine Entstehungsgeschichte für die Zeit nach 1874 nicht sehr aufschlußreich, da fast alle Bundesstaaten an einem möglichst schnellen Abschluß der Arbeiten am BGB interessiert waren und sich deshalb sehr kooperativ zeigten. Die grundlegenden Entscheidungen waren in den Jahren 1873 und 1874 gefallen. Im Anschluß an die Berichte von Heller über die Beratung des 3. BGB-Entwurfs in der XII. Reichstagskommission werden Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums während der Schlußphase des BGB gebracht. Sie zeigen, daß die Durchsetzung des BGB im Reichstag auf zahlreiche Schwierigkeiten stieß. Das umfangreiche Protokoll über die Sitzung vom 4. 6. 1876 (Genehmigung eines Kompromisses mit den Reichstagsparteien) konnte hier aus Platzgründen nur auszugsweise wiedergegeben werden; die weiteren Teile werden bei den Quellen zum Vereins- und persönlichen Eherecht vollständig mitgeteilt. Im folgenden ist noch auf einige der in neun Abschnitte aufgeteilten Quellen einzugehen. Der Quellenteil zur Lex Lasker ist unvollständig, da die maßgeblichen Akten von Sachsen und Bayern im letzten Weltkrieg verbrannt sind. Für die Stellung Preußens konnte ich das einschlägige Quellenmaterial noch nicht auffinden. Doch ist dieser Umstand im Zusammenhang dieser Quellensammlung nicht sehr erheblich, da Preußen neben dem Reichstag zumindest von 1871 ab offen für eine Verfassungsänderung eintrat. Wichtig war es mir, im ersten Quellenteil dieses Bandes den Widerstand der Königreiche Sachsen, Bayern und Württemberg, die im Bundesrat über eine Sperrminorität bei Verfassungsänderungen verfügten, zu dokumentieren und Berichte über die maßgebenden Sitzungen der Ausschüsse des Bundesrates zu bringen. Der zweite Quellenteil enthält das Material über die Arbeit der Vorkommission von 1874. Es ist bedauerlich, daß über die Sitzungen dieser Kommission wohl keine Protokolle geführt worden sind. Einigen Aufschluß über das allmähliche Entstehen des Gutachtens dieser Kommission vom 15. 4. 1874 geben immerhin die Exposes von Goldschmidt vom März 1874 und sein Gutachtenentwurf, der von der Kommission allerdings an zahlreichen Stellen abgeändert und ergänzt wurde. Danach kann Goldschmidt nicht mehr als der alleinige Verfasser dieses Gutachtens angesehen werden, zumal es seinen Ansichten nur teilweise entspricht. Die Gutachten der Vorkommission und des Justizausschusses werden in diesem Quellenband noch einmal abgedruckt, obwohl diese Dokumente in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bereits mehrfach veröffentlicht worden sind35. Im Rahmen der grundlegenden Quellen zur Entstehung des BGB kann auf diese Gutachten am wenigsten verzichtet werden, da sie für alle weiteren Stadien der Entstehungsgeschichte des BGB von nicht zu unterschätzendem Einfluß gewesen sind. Die Bedeutung dieser Gutachten für die Kodifikationsgeschichte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts ist bislang noch in keiner Weise hinreichend erkannt und gewürdigt worden. Als letztes sei noch auf die umfangreichen Materialien zur Arbeit der 1. Kommission

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Justizamtes zu den anderen Reichsämtern und insbesondere zum preußischen Justizministerium eine gesonderte Abhandlung vorgesehen. Vgl. die Nachweise unten S. 170,186. 13

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hingewiesen. Die Protokolle der 1. Kommission aus dem Jahre 1874 vermitteln einen Einblick in die grundlegenden Entscheidungen dieser Kommission. Leider sind diese Protokolle allzu knapp und teilen nur das Ergebnis der Verhandlungen mit. Einige darüber hinausgehende Details bringt lediglich der Bericht von Pape vom 2. 10. 1874 an den Reichskanzler. Die Protokolle der Redaktorenkonferenzen von 1874 — 1879 sind nur in Auszügen mitgeteilt; die zahlreichen rein geschäftlichen Mitteilungen sind weggelassen worden. Im übrigen sind auch diese Protokolle kurz und bringen über den Inhalt der Besprechung materiellrechtlicher Fragen wenig Einzelheiten. Wie aufschlußreich die geführten Diskussionen mitunter gewesen sein dürften, darüber unterrichtet eine erhalten gebliebene Aufzeichnung von Neubauer über die Haftung eines Ehegatten für die Schulden des anderen36. Über die Besprechungen Papes mit den Redaktoren ab Herbst 1879 sind überhaupt keine Aufzeichnungen auffindbar. Die Berichte von Pape aus den Jahren 1874 bis 1879 an den Reichskanzler enthalten zahlreiche Details insbesondere aus den Anfängen des BGB. Sie sind von 1876 ab in zum Teil gekürzter Form als Bundesratsdrucksachen veröffentlicht worden und als solche nicht zugänglich gewesen. Die Berichte werden hier in der ursprünglichen Fassung wiedergegeben und nur dort gekürzt, wo sie etwas wiederholen, was sich schon aus den Protokollen der 1. Kommission oder der Redaktorenkonferenzen ergibt. Neben den wenigen Mitteilungen von v. Schmitt nach München sind die Berichte von Pape die einzige bislang bekannt gewordene Quelle für die Arbeiten der 1. Kommission, welche über die Kommissionsprotokolle hinausführt. — Schließlich ist noch auf die Geschäftsordnungen der beiden Kommissionen hinzuweisen. Bei deren genauer Analyse erschließt sich, besonders im Hinblick auf die Abfassung der Protokolle, die Arbeitsweise der Kommissionen besser, als es lange Ausführungen vermöchten, die sich doch nur mehr oder weniger auf Vermutungen stützen müßten. IV. Mit den in diesem Band veröffentlichten Quellen wird zugleich ein Stück der Gesetzgebungsgeschichte im letzten Drittel des 19. Jhs. beleuchtet, soweit der Bundesrat sie mitgestaltet hat. Der Bundesrat diente im Verfassungssystem des Reichs37 der Verknüpfung des Konstitutionalismus deutscher Prägung mit dem bismarckschen Antiparlamentarismus. Er sollte unter preußischer Hegemonie als föderalistisches Organ das Aufkommen einer Reichsregierung verhindern und jeder Verselbständigung der Reichsexekutive entgegentreten. Daß dies auf die Dauer nicht gelingen konnte, läßt sich auch aus den hier veröffentlichten Dokumenten erkennen. Während noch die Einsetzung der 1. Kommission das Werk der Bundesstaaten gewesen war und diese Kommission dann unbehelligt durch die spätere Reichsleitung tagte, setzte ab 1888 eine viel stärkere Beaufsichtigung und Führung der Gesetzgebungsarbeiten durch das Reichsjustizamt ein. In der Schlußphase der Beratungen des BGB wird dann das sichtbar, was man als Beginn der Parlamentarisierung der Reichsexekutive bezeichnet hat: Der Staatssekretär des Reichs Justizamtes Nieberding verhandelt mit den Parlamentariern und spricht mit ihnen einen Kompromiß ab, dem das preußische

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Die Aufzeichnungen werden wiedergegeben bei den Quellen zum Ehegüterrecht. Das folgende beruht auf eigenen Archivstudien und auf dem Werk von M. Rauh: „Föderalismus im Wilhelminischen Reich", 1973. Allerdings krankt dieses Werk daran, daß zu wenig einzelne Gesetzesprojekte geschildert werden. Die breite Entstehungsgeschichte der Reichs-Militärstrafprozeßordnung weist zu viele Besonderheiten auf, als daß sie als repräsentativ gelten kann. — Zur Gesetzgebungsgeschichte der frühen Kaiserzeit neuerdings Thieme, aaO. (Fn.9), S. 35 ff. m.w.N.

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Staatsministerium zustimmen muß, wenn es das BGB nicht scheitern lassen will38. Allerdings waren die Einflußmöglichkeiten des Reichsjustizamtes auf das BGB, im Vergleich zu anderen Gesetzen dieser Jahre, beschränkt, da in der formell unabhängigen 2. Kommission die größeren Bundesstaaten und politischen Gruppierungen ein Übergewicht hatten. Die Gesetzgebungsvorlagen, über die der Bundesrat und seine Ausschüsse zu entscheiden hatten, entstanden bis zur Gründung des Reichsjustizamtes zumeist in den preußischen Ministerien, später dann im Reichsjustizamt selbst in enger Zusammenarbeit mit Preußen. Die anderen Bundesstaaten konnten ihre Wünsche in der Regel erst im Bundesrat und seinen Ausschüssen zur Geltung bringen. Rein zahlenmäßig verfügten die Mittelstaaten in den Ausschüssen, also auch im VI. Ausschuß für Justizwesen, über die absolute Mehrheit. Doch war es in wichtigen Fragen nicht ausgeschlossen, daß sie im Plenum überstimmt wurden. Das Ergebnis der Ausschußberatungen wurde von dem Referenten, meist einem Nichtpreußen, im Plenum vertreten. Den Vorsitz in den Ausschüssen führten zunächst preußische Minister, in späterer Zeit jedoch regelmäßig die Staatssekretäre des Reichs. Diese waren zugleich preußische Bevollmächtigte zum Bundesrat und damit Untergebene des Reichskanzlers. Alle Gesetzesvorlagen wurden, bevor über sie im Ausschuß endgültig abgestimmt wurde, im preußischen Staatsministerium beraten, an dessen Sitzungen regelmäßig der federführende Staatssekretär teilnahm. Das Verfahren bei der Ausarbeitung des BGB wich in wesentlichen Punkten von dem eben dargestellten Vorgehen bei anderen Gesetzen ab: für das BGB hatten nämlich die Mittelstaaten durchgesetzt, daß der Entwurf durch eine unabhängige Kommission auf der Grundlage einer in der Kommission selbst auszuarbeitenden Vorlage erstellt werden sollte. Den Vorsitz im Plenum des Bundesrates führte in der Regel Delbrück als Präsident des Reichskanzleramts, später der Staatssekretär des Reichsamts des Innern. Die Bundesstaaten ließen sich im Bundesrat durch ihre Bevollmächtigten vertreten, ihre Gesandten in Berlin. Die Minister der Bundesstaaten nahmen nur selten an den Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse teil. Schon bald nach der Reichsgründung entstand das Institut der „stellvertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrat"; — z. B. gehörte Heller zu ihnen. Es handelte sich bei ihnen um Spezialisten, die in der Lage waren, die „einzelstaatlichen Wünsche im Detail und in technischen Feinheiten"39 zu vertreten. Hingewiesen sei auch noch darauf, daß sich das Reich bei der Beratung umfangreicher Vorlagen zumeist durch Kommissare vertreten ließ, ein Verfahren, das man auch bei der 2. BGB-Kommission anwandte. Die stellvertretenden Bevollmächtigten sandten ihre Berichte an die zuständigen Ministerien, während der Gesandte und stimmführende Bevollmächtigte an das Außenministerium berichtete. Das läßt sich gut am Beispiel Bayerns verfolgen. Die Bundesratsbevollmächtigten hatten das Recht, jederzeit im Reichstag zu erscheinen und insbesondere auch an den Sitzungen der Kommissionen teilzunehmen. Davon zeugen vor allem die umfangreichen Berichte von Heller über die Beratung des BGB-Entwurfs in der XII. Kommission des Reichstags. 38

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Wenn Rauh, a.a.O., S. 131, feststellt, daß nach 1890 mit dem Verfall des Bismarckschen Systems die Abhängigkeit der Staatssekretäre des Reichs von den preußischen Ministern stieg, so mag dies im wesentlichen zutreffend sein. Auch Nieberding war vor allem Sprecher der verbündeten Regierungen und versuchte deren divergierende Ansichten auszugleichen. Darüber hinaus zeugen aber seine Initiativen hinsichtlich der parlamentarischen Durchsetzung des BGB von einem nicht zu gering zu veranschlagenden Handlungsspielraum. Allerdings müßte die Stellung Nieberdings noch detaillierter untersucht werden, als es hier möglich ist. Rauh, i. a. O., S. 104. 15

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Aus den Berichten der Bundesratsbevollmächtigten wird zugleich deutlich, daß der Reichskanzler und später die Reichsämter möglichst vermieden, die größeren Bundesstaaten zu majorisieren. Preußen strebte grundsätzlich einen Kompromiß an, nicht ohne freilich die größeren Bundesstaaten gegeneinander auszuspielen. „Wir suchen", so schrieb Bismarck bereits 1869, „die Regierungen, die mit uns nicht gleicher Meinung sind, zunächst zu überzeugen und suchen ihre Übereinstimmung zu gewinnen: namentlich, wenn gewichtige Stimmen widersprechen, verhandeln wir mit ihnen, machen Kompromisse und Konzessionen, solange wir glauben, sie machen zu können; erst wenn wir glauben, das nicht mehr zu können . . . dann muß die Sache zur Abstimmung kommen . Für diese Handlungsmaxime bietet das vorliegende Quellenwerk ein gutes Beispiel: in der Frage des 11. Kommissionsmitgliedes der 1. Kommission konnte und wollte Preußen nicht nachgeben, während es im übrigen hinsichtlich Besetzung und Arbeitsweise der Kommissionen den Mittelstaaten weit entgegengekommen ist, die dann freilich ihre Chancen in den Kommissionen nicht immer wahrnahmen. Freilich wird auch deutlich, daß viele Grundsatzentscheidungen außerhalb des Bundesrates fielen. Ein beliebtes Mittel waren Ministerkonferenzen oder direkte Fühlungnahmen Preußens mit den größeren Einzelstaaten. Auch Besprechungen mit Gesandten wurden dazu benutzt, Entscheidungen vorzubereiten. In diesem Rahmen spielt eine Bevorzugung Bayerns als zweitgrößtem Bundesstaat eine bedeutsame Rolle. Verwiesen sei hier auf das mit dem preußischen Justizminister abgesprochene Schreiben des Reichskanzlers vom 6. 12. 1887 an Bayern. Viele der Vorentscheidungen lassen sich nicht genau nachweisen, da Unterlagen fehlen. Die Entscheidung, daß eine 2. Lesung des BGB-Entwurfs stattfinden und wie sich diese vollziehen sollte, ist im Reichsjustizamt und im preußischen Staatsministerium gefallen. Der Bundesrat wurde mit dieser Entscheidung vor vollendete Tatsachen gestellt. Zumindest Bayern dürfte aber im voraus informiert gewesen sein, da der Bericht des bayerischen Vertreters über die Besprechung vom 16. 10. 1890 anders als der des württembergischen Bevollmächtigten keine Überraschung widerspiegelt. Waren die Grundfragen entschieden, wurden alle größeren Regu'nmi;i.-n .111 den weiteren Entscheidungen beteiligt und ihre Forderungen, soweit \vic möglich, berücksichtigt, freilich nur in dem von der Exekutive festgesetzten Rahmen. So konnten alle Bundesregierungen von 1894 ab ihre Wünsche zur Beratung des BGB-Entwurfs anmelden. Eine grundsätzliche Infragestellung des Entwurfs aber war nicht erwünscht und hätte kaum Aussicht auf Erfolg gehabt.

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Bismarck, Ges. Werke, Bd. XI, S. 34 (16. 3. 1869).

Quellenverzeichnis Die Materialien zum BGB sind, soweit sie in die Bibliotheken des Reichsgerichts und des Reichsjustizamtes gelangt sind, vollständig in der „Bibliographie der amtlichen Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich und zu seinem Einführungsgesetze" (Berlin 1897) von Georg Maas aufgeführt. Nicht nachgewiesen sind die Materialien, die nur für den internen Gebrauch der Kommissionen bestimmt waren, z. B. die von den Kommissionsmitgliedern gestellten Anträge. Diese Materialien befinden sich fast vollständig im Zentralen Staatsarchiv Potsdam und, von den Anträgen der Kommissionsmitglieder abgesehen, auch im Juristischen Seminar der Universität Heidelberg. Auffindbar waren zum Teil nur die metallographierten (autographierten) Abschriften der Originaltexte. Die Originale dürften insoweit kassiert worden sein. Verläßliche und annähernd vollständige Unterlagen von Kommissionsmitgliedern über den Verlauf der Kommissionssitzungen konnten trotz mehrjähriger Nachforschungen nicht aufgefunden werden: Der Nachlaß von Gottfried Schmitt im Bayer. Hauptstaatsarchiv München enthält nur die bereits bekannten Materialien zu den Entwürfen und handschriftliche Notizen, die vor allem Konzepte zum Erbrecht umfassen und im übrigen nur wenig über das hinausgehen, was in den Protokollen der l. Kommission und in den Anträgen überliefert ist. Im Büchernachlaß von Albert Gebhard1 im Juristischen Seminar der Universität Heidelberg befinden sich insbesondere die beiden Vorfassungen zum 2. Entwurf und die Protokolle der Vorkommission des Reichsjustizamtes. Der Handschriftennachlaß von Gebhard ist nicht auffindbar. Der Nachlaß von Gottlieb Planck in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen umfaßt im wesentlichen die Korrespondenz Plancks und bringt nur wenige Materialien zum BGB. Der Büchernachweis von Planck war nicht auffindbar und ist wohl nicht in eine öffentliche Bibliothek gelangt. Der Nachlaß des nichtständigen Mitgliedes der 2. Kommission Friedrich Balduin von Gagern (Schloß Neuenbürg bei Hessdorf über Erlangen) enthält die Materialien der 2. Kommission, und zwar auch die Redaktionsvorlagen von Planck und die sehr seltenen Anträge, welche allerdings noch auf ihre Vollständigkeit hin überprüft werden müßten. Nachgewiesen werden in diesem Einleitungsband nur die Quellen, die für alle Bände der Edition oder für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches im allgemeinen von Bedeutung sind. Quellen, die nur für die einzelnen Bücher des BGB oder das EG-BGB relevant sind, werden in den folgenden Bänden mitgeteilt. Sämtliche in diesem Band veröffentlichten Quellen werden in der jeweiligen OrigiDiesen Nachlaß hat die Ehefrau von Gebhard im Jahre 1910 mit Genehmigung des Badischen Justizministeriums dem Juristischen Seminar der Universität Heidelberg geschenkt. Er umfaßt lediglich die metallographierten Materialien und die Drucke zum BGB und enthält keine Handschriften, von einigen handschriftlichen Notizen in den metallographierten Materialien abgesehen. 17

Quellenverzeichnis

nalrechtschreibung wiedergegeben. Offensichtliche Schreibfehler sind stillschweigend berichtigt worden; nicht zweifelsfrei entzifferte Textstellen werden durch ein Fragezeichen gekennzeichnet. Die persönliche Anrede, die nur in wenigen der hier veröffentlichten Berichte auftaucht, ist generell weggelassen worden, ebenso wie die Schlußwendungen der Berichte, da sich Verfasser und Empfänger der Berichte aus der vom Herausgeber hinzugefügten Überschrift ergeben. - Sämtliche Fußnoten im Quellenteil stammen vom Herausgeber. A. Allgemeine Quellen Einen detaillierten Überblick über die Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs verschaffen die Archivalien des Deutschen Reichs (Zentrales Staatsarchiv Potsdam) und die Archivalien der Staatsarchive, in denen die Unterlagen der im Bundesratsausschuß für Justizwesen vertretenen Staaten2 aufbewahrt werden: /. Berlin-Dahlem (Geheimes Preußisches Staatsarchiv) a) Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch, Rep. 84 a Nr. 11772 -11778; 11832 -11835 b) Bürgerliches Gesetzbuch, Rep. 90, Nr. 2417-2422 (für die Zeit ab 1890; Parallelüberlieferungen, z. T. auf innerpreußische Vorgänge beschränkt). Im Zentralen Staatsarchiv Merseburg befinden sich Parallelüberlieferungen aus den anderen Ministerien. 2. Darmstadt (Hessisches Staatsarchiv; Bestände von Hessen-Darmstadt) Die Akten des Justizministeriums von Hessen-Darmstadt aus dem 19. Jahrhundert sind im 2. Weltkrieg verbrannt. Durch Zufall ist erhalten geblieben die umfangreiche Akte über die Entstehung des BGB von 1890 ab: Bestand 621 Nr. 1276 (mit Berichten von Dittmar und Hallwachs). 3. Dresden (Staatsarchiv, für das Königreich Sachsen) Die Akten des Justizministeriums sind im zweiten Weltkrieg verbrannt. Vorgänge zum Bürgerlichen Gesetzbuch befinden sich in den Akten anderer Ministerien: a) Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Nr. 7861 — 7862 b) Gesandtschaft Berlin Nr. 1899-1900. 4. Karlsruhe (Badisches Generallandesarchiv, für das Großherzogtum Baden) 233/13987— 13996 (die Civilgesetzgebung des Reichs, insbesondere die Justizgesetzgebung sowie das Civilgesetzbuch) 233/12705 (über die Erweiterung der Reichsgesetzgebungskompetenz für das gesamte bürgerliche Recht) 233/34801 - 34802 (Berichte aus Berlin) 234/3548-3550 (Berichte aus Berlin, 1888-1896; auch Berichte von Albert Gebhard) 234/3867 (Berichte aus Berlin, 1871 -1872) Das waren 1874: Baden, Bayern, Braunschweig, Lübeck, Preußen, Sachsen, Württemberg, in den Jahren ab 1888 waren im Justizausschuß vertreten: Bayern, Baden, Hessen-Darmstadt, Lübeck, Preußen, Sachsen, Württemberg. — Mecklenburg hat die Arbeiten am BGB sehr genau verfolgt, eine sehr fundierte Kritik am E I vorgelegt und auch für die Beratungen des E II rev im Bundesrat zahlreiche Anträge vorgelegt. Über die Bestände Mecklenburgs zum BGB und über die Stellung der Mecklenburgischen Staaten zu diesem Gesetzbuch werde ich demnächst eine gesonderte Abhandlung vorlegen. 18

A. Allgemeine Quellen

i. Lübeck (Archiv der Hansestadt Lübeck) Abt. VIII, 3 a Nr. 1-12 Parallelüberlieferungen (zum Teil mit eigenen Berichten) in den Archiven von Bremen und Hamburg: Staatsarchiv Bremen: Bestand 2 - M. 6. b. 3 (1871-1873); Bestand 2 - M. 6. b. 4. g. 2. i. Nr. l (3 Bände) Staatsarchiv Hamburg: Senat Cl I Lit. T Nr. 7 vol. 10. Fase, l (1874) und Fase. 9 (1879- 1894); Cl I Lit. T Nr. l vol. 11 (1871-1873, Berichte von Krüger u. a.); XI, 5 Archiv des Bevollmächtigten zum Bundesrat (1890—1895); I A a l vol. l (Berichte Krügers von 1874) 6. München (Bayerisches Hauptstaatsarchiv Abt. I und II) Abt. I (Allgemeines Staatsarchiv) MJU 16107- 16110(1873-1888) MJU 16111-16112(1888-1891) MJU 16113-16116 (1890-1896) MJU 16117-16118 (Bundesratsverhandlungen) MJU 16120 (Verhandlungen im Reichstag) Abt. II (Geheimes Staatsarchiv) MA 76 707(l874-l896) MA 76 726 und 76 729 (Beratung im Bundesrat) MA 76 730 — 76 731 (Beratung im Reichstag, Berichte von Heller) MA 76 158 (Ausdehnung der Reichskompetenz) 7. Potsdam (Zentrales Staatsarchiv) Im folgenden wird ein Überblick über den Gesamtbestand des Reichsjustizamtes zur Entstehung des BGB gegeben: Nr. 3810-3817: Abfassung eines deutschen BGB (1872-1899) Nr. 3818-3819: Veröffentlichung des aufgestellten Entwurfs (1886-1896) Nr. 3821-3830: Presseäußerungen zum BGB-Entwurf (1888-1896) Nr. 3831 —3834: Begutachtungen und Besprechungen des BGB-Entwurfs in handschriftlicher Form (1888-1896) Nr. 3835 — 3837: Begleitschreiben zu gedruckten Begutachtungen und Besprechungen (1888-1896) Nr. 3839: Zusammenstellung der Kritiken zum BGB (1889-1897) Nr. 3840: Dankschreiben für die Übersendung der Zusammenstellung (1890— 1892) Nr. 3841 —3842: Äußerungen der Bundesstaaten zum Entwurf eines BGB (18901892) Nr. 3850—3851: Protokolle und Anträge der Vorkommission des Reichsjustizamtes (1891-1892) Nr. 3852: Antwortschreiben der Bundesregierungen auf das Rundschreiben vom 19. 12. 1893 wegen Vorbereitung der Beschlußfassung über den BGB-Entwurf (1894) Nr. 3853 — 3854: Äußerungen der Bundesregierungen zum BGB-Entwurf 2. Lesung Nr. 3855: Beratungen im preußischen Staatsministerium über den BGB-Entwurf 2. Lesung (einschl. Voten) Nr. 3856: Zusammenstellung der Äußerungen der Bundesregierungen zur 2. Lesung Nr. 3857: Beratung im Justizausschuß (1895/96) Nr. 3858: Anträge im Justizausschuß 19

Quellenverzeichnis Nr. 3859: Nr. 3860: Nr. 3864:

Beschlüsse im Justizausschuß Aufnahme von Bestimmungen des IPR in das BGB Dankschreiben für Übersendung des BGB- und des EG-Entwurfs (Bundesratsvorlagen 1895-1896) Nr. 3865: Veranstaltungen für Vorträge im Interesse des Zustandekommens des BGB (l895-l896) Nr. 3866: Beratung des BGB in der Reichstagskommission (l896) Nr. 3867: Eingaben, Materialien usw. zu den Bestimmungen des BGB über dit Zivilehe (l 896) Nr. 3867—l: Agitatorisches Vorgehen gegen Maßnahmen der Regierungen hinsichtlich der Zivilehe (1896) Nr. 3867—2: Ordensverleihungen an Kommissionsmitglieder Nr. 3869-3871: Persönliche Angelegenheiten der BGB-Kommissionen (1874-1903) Nr. 3872 — 3873: Einsetzung, Geschäftsführung, Tätigkeit der 1. Kommission zur Vorbereitung des BGB, Berichte von Pape (1874-1889) Nr. 3874: Vorarbeiten, Protokolle der l. Kommission (1877-1880) Nr. 3875: Beschlüsse der Kommission (1877-1878) Nr. 3876 — 3900: Protokolle der 1. Kommission (metallographierte Fassung) Nr. 3901-3914: Anträge zur 1. Lesung Nr. 3915 — 3917: Vorl. Entwurf nach den Beschlüssen der 1. Beratung der 1. Lesung (sogn. Kommissionsentwurf) Nr. 3918: Gesuche um Berücksichtigung bei der Ausarbeitung des BGB Nr. 3919—3922: 1. Kommission: Einsetzung der Mitglieder, Hilfsarbeiter, Allgemeine Angelegenheiten (1874-1888) Nr. 3923-3938: Prot. und Anträge 1. Lesung (1881 -1887) Nr. 3939—3968: Prot. 1. Lesung (metallographierte Fassung) Nr. 3969-3985: Anträge zur 1. Lesung. Nr. 3986 - 3989: Protokolle der Redaktoren-Konferenzen u. a. (1874ff.) Nr. 3990: Beschlüsse der Kommission (Nov. 1879) Nr. 3991 — 4001: Redaktionsvorlagen der 1. Kommission Nr. 4002 — 4007: Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen (1884 — 1887) Nr. 4008: Materialien der Bundesregierungen für die BGB-Kommissionen Nr. 4009: Mitteilungen der Bundesregierungen über das eheliche Güterrecht Nr. 4010— 4014: Die partikularrechtlichen Rechtsnormen über Inhaberpapiere Nr. 4015: Gewährleistung beim Viehhandel (Gutachten) Nr. 4015/1: Mitteilungen über das Bergrecht Nr. 4016 — 4017: Vorschläge und sonstige Zusendungen von Privatpersonen und Behörden an die BGB-Kommission (1875 -1889) Nr. 4018: Die Bienen Nr. 4021: Handakten des Schriftführers Nr. 4023 —4034: Manuskript des Teilentwurfs zum Familienrecht (einschl. Begründung, 1886 ff.). Nr. 4046 - 4052: l. Kommission (l 876 -1879) Nr. 4060-4063: Beschaffung von Materialien, Gutachten (1874-1898) Nr. 4066 — 4077: Anträge und Vorschläge zur Berücksichtigung bei der Ausarbeitung des BGB (1874-1890) Nr. 4078: Kommission für die 2. Lesung (1890-1892) Nr. 4079 —4080: Mitteilungen im Reichs-Anzeiger über die 2. Kommission (1891 — 1895) 20

C. Quellen zur Entstehungsgeschichte des BGB von 1874 bis 1896

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

4081: 4083 — 4085: 4086: 4087: 4088 —4102:

Nr. Nr. Nr. Nr.

4103: 4104 —4111: 4112-4115: 4116 —4117:

Nr. 4118 — 4119: Nr. 4121: Nr. 4122: Nr. 4124:

Persönliche Angelegenheiten der 2. Kommission Vergütung der Mitglieder der 2. Kommission Einberufung der 2. Kommission Veröffentlichung über die Beratung der 2. Kommission Protokolle über die Beratungen der 2. Kommission (metallographiert) Protokolle und Anträge der Subkommissionen Anträge 2. Lesung Vorläufige Zusammenstellungen der Beschlüsse (l 891-l 896) Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktionskommission (1891-1895) Drucklegung der Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktionskommission Erscheinen des Kaisers in einer Sitzung der 2. Kommission Presseäußerungen zur 2. Lesung (1890-1895) Veröffentlichung der Protokolle 2. Lesung

Ferner sei noch hingewiesen auf den Bestand: Reichskanzleramt Nr. 703 ff. (Vorkommission und Beratungen ab 1874) Reichskanzlei Nr. 724 — 730 (Allgemeines zur Entstehungsgeschichte des BGB) 8. Stuttgart (Hauptstaatsarchiv, Bestände des Köngreichs Württemberg) E 130a (Staatsministerium) Nr. 819- 826 (1871 -1907; zum BGB) E 84 I Nr. 82ff. bes. 85 — 87 (Gesandtschaft Berlin; Bestände zur Entstehung des BGB). 9. Wolfenhüttel (Niedersächsisches Staatsarchiv; Bestände des Herzogtums Braunschweig) 19 B Neu Nr. 117 (vorläufige Sign.), Civilgesetzbuch 1871-1881 (u. a. Berichte von v. Liebe aus Berlin) 12 A Neu Fb 5 (3725) Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuchs, 1881 —1897. 10. Schwerin (Staatsarchiv) Bestand Justizministerium, Nr. 281 — 298. B. Vorkommission von 1874 Da Protokolle über die Sitzungen der Vorkommission nicht geführt worden sind, können in diesem Band lediglich die Vorarbeiten Goldschmidts in der Akte Nr. 703 des Reichskanzleramtes (Zentrales Staatsarchiv Potsdam) und der amtliche Kommissionsbericht vom 9. 6. 1874 (Bundesratsdrucksache Nr. 78) publiziert werden. C. Quellen zur Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1874 bis 1896 Mit Ausnahme der Protokolle der Konferenzen der Redaktoren handelt es sich bei den im folgenden unter I. bis III. zusammengestellten Materialien im wesentlichen um metallographisch vervielfältigte Abschriften. Die Metallographie (Autographic) war im vorigen Jahrhundert ein billiges und rasches Verfahren zur Vervielfältigung von Schriften und Zeichnungen: „Die Zeichnung oder Schrift wird mit einer Fett enthaltenden lithographischen Tusche auf autographischem, d. h. mit einer Mischung von Gummigurt, Alaun und Stärke präparierten Papier ausgeführt, letzteres sodann auf einen erwärmten lithographischen Stein oder eine Zinkplatte gelegt, auf der Rückseite mit verdünnter Salpetersäure benetzt und durch die Presse gezogen. Die Zeichnung erscheint alsdann auf dem Stein (oder der Platte), der nun in üblicher Weise geätzt wird" (Meyers Konversations-Lexikon, 6. Auflage, Bd. 2,1905, S. 188). 21

Quellenverzeichnis

1.1. Kommission I. Protokolle der Kommissionsberatungen von 1874 (nebst Anlagen). Fundort: Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichskanzleramt, Nr. 704; Nachlaß Gebhard im Juristischen Seminar der Universität Heidelberg. 2. Protokolle der Kommissionsberatungen von 1875 — 1880, soweit sie allgemeine Fragen betreffen (metallographiert). Fundort: Bibliothek des Oberlandesgerichts Gelle; Nachlaß Gebhard im Juristischen Seminar der Universität Heidelberg (mit Anmerkung von Gebhard). 3. Protokolle der Konferenzen der Redaktoren (nebst Anlagen). Fundort: Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizamt, Nr. 3988 — 3989. Ein Teil der Anlagen befindet sich nur im Nachlaß von Planck in der Niedersächsischen Staatsund Universitätsbibliothek Göttingen. 4. Protokolle der Kommission über die Beratung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (metallographiert; auf den ersten Seiten die Geschäftsordnung). Einzelnachweise in den folgenden Bänden. Fundort: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek; Nachlaß Gebhard im Juristischen Seminar Heidelberg; Eigentum des Herausgebers Schubert. — Original (einschließlich der Anträge) im ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 3923 — 3938. 5. Wegen der Vorschläge der Redaktoren (1875-1879) einschließlich der Begründung, der Redaktions-Vorlagen, der Teilentwürfe, der Anträge der Kommissionsmitglieder, der „Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen", des „Kommissions-Entwurfs" und des Entwurfs von 1887 vgl. die Quellennachweise in den Bänden zum Allgemeinen Teil, zum Schuldrecht, zum Sachenrecht, zum Familienrecht und zum Erbrecht sowie zum EG-BGB. II. Vorkommission des Reichsjustizamtes 1. Protokolle der „Vorkommission des Reichsjustizamtes für die zweite Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich". Die Protokolle sind durchlaufend paginiert (S. 1 — 647, 948 (!)— 970). Es fanden insgesamt 96 Sitzungen in der Zeit vom 5. 1. 1891 bis zum 7. 4. 1893 statt. Einzelnachweise zum Allgemeinen Teil, Schuldrecht und Sachenrecht in den folgenden Bänden. 2. Wegen der Anträge der Kommissionsmitglieder vgl. die Quellennachweise in den Bänden zum Allgemeinen Teil, zum Schuldrecht usw. Fundort: Zentrales Staatsarchiv Potsdam Reichsjustizamt, Nr. 3851 (nur bis S. 619), Juristisches Seminar der Universität Heidelberg (Nachlaß Gebhard); Eigentum des Herausgebers Schubert. III. 2. Kommission 1. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches (15. 12. 1890; 1. 4. 1891-18. 2. 1896). Fundort: Für die metallographierten Ausgaben u. a. Universitätsbibliothek Hamburg, Nachlaß Gebhard im Juristischen Seminar der Universität Heidelberg und andere Archive und Bibliotheken. Die metallographierten Ausgaben der Protokolle liegen in folgenden Druckausgaben vor: a) Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen 22

C. Quellen zur Entstehungsgeschichte des BGB von 1874 bis 1896

Gesetzbuchs. Im Auftrage des Reichs-Justizamtes bearbeitet von Achilles, Gebhard und Spahn, 6 Bände und l Registerband, Berlin 1897-18993. b) Mugdan, B.: Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Berlin 1899. Die erste Ausgabe bringt die Verhandlungen in chronologischer Reihenfolge, während Mugdan die Protokolle nach den Büchern des BGB und weitgehend auch nach Paragraphen geordnet hat. Abgesehen davon stimmen beide Ausgaben im wesentlichen überein. Bei beiden fehlen die Anwesenheitslisten und die geschäftlichen Mitteilungen. Leider ist in beiden Ausgaben die Wiedergabe der Protokolle nicht textgetreu. Für die Ausgabe des Reichsjustizamtes war folgendes Bearbeitungsprinzip maßgebend: „Der Inhalt der Protokolle wird, unter Weglassung lediglich geschäftlicher Mittheilungen, grundsätzlich so wiedergegeben, wie die Protokolle liegen. Dies schließt nicht aus, daß etwaige offensichtliche Irrungen berichtigt, daß der Kürze dienende oder das Verständniß erleichternde Aenderungen des Ausdrucks vorgenommen werden und daß Ausführungen, die mit Rücksicht auf den Inhalt des Gesetzbuchs und der Nebengesetze für die Auslegung ohne jede Bedeutung sein sollten, wegfallen, sofern dies nicht wegen des Zusammenhangs mit anderen Ausführungen unthunlich erscheint"4. Mugdan bringt nichts über die Bearbeitungsgrundsätze5. Für beide Ausgaben gilt, daß die Präsentation der Anträge gegenüber dem Original verändert ist6, diese aber textgetreu wiedergegeben werden. Sofern in die Textstruktur der Begründungen der Beschlüsse usw. eingegriffen wird, ist damit in der Regel eine Veränderung des Inhalts nicht verbunden. Es war wohl das Ziel aller Bearbeiter, lediglich vermeintliche stilistische Unebenheiten zu glätten. Das schließt natürlich nicht aus, daß der Inhalt in einigen Fällen leicht verändert worden ist7. Zahlreiche Vergleiche beider Druckausgaben mit den metallographierten Protokollen haben für alle Bücher des BGB und für das EG-BGB ergeben, daß in der Regel die Ausgabe von Mugdan die zuverlässigere ist. Das bedeutet aber nicht, daß nicht auch das Mugdansche Quellenwerk eine Reihe von größeren Eingriffen in den Text der Protokolle enthält. Auf der anderen Seite geht die Anordnung der Quellen durch Mugdan vom E I aus. Es folgen jeweils sofort eventuelle spätere Beratungen einschließlich die über die Revision des E II. Das hat dazu geführt, daß der Kontext, in dem die späteren Beratungen stehen,

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Die Protokolle zum Allg. Teil und zum EG sind von Gebhard, die zum Schuld- und Sachenrecht sind von A. Achilles und die zum Familien- und Erbrecht sind von Spahn bearbeitet worden. Die Originalprotokolle sind nicht auffindbar. Aus den metallographierten Protokollen im Nachlaß von Gebhard ergibt sich, daß dieser für die von ihm besorgte Herausgabe der Protokolle der 2. Kommission für den Allgemeinen Teil und das EG-BGB die Originalprotokolle eingesehen hat. Die von ihm in seinem Handexemplar mitgeteilten Abweichungen gegenüber dem Original sind gering, in dem von ihm betreuten Teil der Druckausgabe aber nicht berücksichtigt worden. Gebhard hat im Gegenteil die Protokolle zum Teil recht stark stilistisch überarbeitet. Prot. II, Bd. l S. XIV. Vgl. Band l des Mugdanschen Quellenwerkes, Vorwort, wo nur die Anordnung der Edition begründet wird. Insbesondere sind die Eingangsworte der jeweiligen Protokolle bzw. der Protokollabschnitte verändert und die Untergliederungen der Anträge anders geordnet worden; bei Mugdan sind öfters Anträge zu den Bestimmungen des E I aus mehreren Protokollabschnitten zusammengezogen worden. Welches System für die Änderungen verfolgt worden ist, ist nicht mehr auszumachen. In der Regel wird der Hrg. wohl die von ihm gewählten Änderungen im Ausdruck für die glattere oder präzisere Fassung gehalten haben. Insbesondere Gebhard hat die Fassung der Protokolle zum Allgemeinen Teil mitunter erheblich verändert. 23

Quellenverzeichnis

nicht immer deutlich wird; zuweilen sind die späteren Verhandlungen nur inhaltlich wiedergegeben oder nur schwer auffindbar, zuweilen sucht man nach ihnen auch vergeblich. Die vorliegende Edition richtet sich deshalb im wesentlichen nach der Anordnung der Anträge, wie sie sich aus der Ausgabe des Reichsjustizamtes ergibt. Aus Platzgründen können nur die Anträge zusammen mit den Antragstellern und das Ergebnis der Verhandlungen, nicht aber die umfangreichen Begründungen der Kommissionsbeschlüsse wiedergegeben werden . 2. Wegen der Anträge der Kommissionsmitglieder und Kommissare, der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse" von Planck, der „Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktionskommission", des Entwurfs zweiter Lesung und wegen des Entwurfs zweiter Lesung in der Fassung der Bundesratsvorlage (E II rev) vgl. die Quellennachweise in den folgenden Bänden. IV. Bundesrat Die Materialien des Bundesrates zum BGB und zum EG-BGB sind mit Ausnahme derjenigen zum Internationalen Privatrecht9 nicht publiziert und so gut wie unbekannt. Sie finden sich zerstreut in den einzelnen Staatsarchiven der Nachfolgeländer der Bundesstaaten, die im Justizausschuß des Bundesrates vertreten waren. Einiges Material ist auch im Zentralen Staatsarchiv Potsdam in den Beständen des Reichsjustizministeriums enthalten. Da Protokolle über die Ausschußsitzungen nicht geführt worden sind, ist für die Verhandlungen auf die Berichte der Ausschußmitglieder zurückzugreifen. Die Quellen des Bundesrates zum BGB lassen sich wie folgt zusammenfassen: /. Zusammenstellung der Beschlüsse des Justizausschusses des Bundes-Rathes zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches (13 Sitzungen im Jahre 1895, ferner die Sitzung des Ausschusses am 11.1. 1896 und die Beratung des EG-BGB vom 14. 1. bis zum 21. 1. 1896). Fundort: Nachlaß Gebhard (Juristisches Seminar der Universität Heidelberg); Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 3859. 2. Berichte über die Sitzungen des Justizausschusses des Bundesrates10·. a) Berichte von Schicker (Württemberg) im Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 130a Büschel 824, 825 (Berichte für 1895); E 74 I Büschel 87 (Berichte für 1896). b) Berichte von Heller (Bayern) im Geheimen Staatsarchiv München, MA 76/729. c) Berichte von Sieveking (Hamburg) im Staatsarchiv Bremen, 2-M, 6.b.4. g.i., Bd. II (auch im Archiv der Hansestadt Lübeck und im Staatsarchiv Hamburg vorhanden). d) Berichte von Hallwachs (Großherzogtum Hessen-Darmstadt) im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, G 21, Nr. 1272. e) Berichte von Rüger (Sachsen) im Staatsarchiv Dresden, Gesandtschaft Berlin, Nr. 1899.

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Weitere Einzelheiten über die Protokolle im Quellenband Schuldrecht I, S. l ff. „Die geheimen Materialien zur Kodifikation des deutschen IPR (1881 — 1896)", bearbeitet von O. Hartiviegund F. Korkisch, Tübingen 1973. Die Berichte von Schicker und Heller behandeln alle Sitzungen; die Berichte von Sieveking, Hallivachs und Riiger dagegen sind unvollständig und nehmen nicht zu allen Beratungspunkten Stellung. Berichte von Jagemann (Baden) und Nieberding (Preußen) liegen nicht vor.

C. Quellen zur Entstehungsgeschichte des BGB von 1874 bis 1896

f) Berichte von Langfeld (Mecklenburg-Schwerin) im Staatsarchiv Schwerin, Justizministerium, Nr. 297. 3. Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs zweiter Lesung, gefertigt im Reichs-Justizamte, Hefte I-V. Als Manuskript gedruckt, Berlin 189511. Fundort: Bayer. Hauptstaatsarchiv, Abt. I, MJu Nr. 16115. 4. Anträge (metallographiert) von Bundesstaaten zur 1. und 2. Lesung des E II rev im Justizausschuß des Bundesrates. Fundort: Nachlaß Gebhard (Seminar der Universität Heidelberg), auch im Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem, im Hauptstaatsarchiv München, im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt und in den Archiven der drei Hansestädte sowie im Nachlaß Planck (Nieders. Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen) vorhanden. i. Fassungsvorschläge für die vom Ausschuß des Bundesrats beschlossenen Änderungen von Jacubezky (30. 10. 1895, 6. 11. 1895), Mandry (7. 11. 1895) und Struckmann(29. 10. und 2. 11. 1895). Fundort: Nachlaß von Gebhard (Juristisches Seminar der Universität Heidelberg) 6. Die Änderungen des E II rev durch den Justizausschuß des Bundesrates ergeben sich aus der Bundesratsdrucksache Nr. 9 der Session 1896. V. Reichstag Die amtlichen Materialien des Reichstags sind publiziert in den Stenographischen Berichten und in den Drucksachen (Entwurf in Bd. 2 der Anlagen Nr. 87, Berichte Nr. l — 5 im Anlagenband 3 unter Nr. 440, 440a, 440b, 440c, 440d; diesem Bericht folgt eine Zusammenstellung des Entwurfs nach den Beschlüssen der XII. Reichstagskommission). Genaue bibliographische Nachweise finden sich bei Maas, Bibliographie der amtlichen Materiahen, S. 27—35. Die Berichte des Ausschusses folgen der Legalordnung des E III und enthalten nicht die Namen der Antragsteller. Nähere Einzelheiten über den Verlauf der Sitzungen enthalten: 1. die Protokolle der XII. Kommission. Diese Protokolle bringen nur das Ergebnis der Beratungen, ohne auf den Sitzungsverlauf näher einzugehen. Fundort: ZStA Potsdam, Reichstag, Nr. 758, 759. 2. die umfassenden 51 Berichte von Heller an den Kgl. Staatsminister der Justiz. Fundort: Bayer. Hauptstaatsarchiv Abt. I, MJu 16119, Originale; Geheimes Staatsarchiv München, MA 76 730, Abschriften. Der Wortlaut der von den Kommissionsmitgliedern gestellten Anträge ergibt sich nicht immer aus den offiziellen Berichten der Berichterstatter, sondern muß den Protokollen und den separat gedruckten Anträgen der einzelnen Kommissionsmitglieder entnommen werden. Es liegen insgesamt 159 Anträge vor. Sie tragen die Überschrift: Reichstag. 9. Legislaturperiode. IV. Session 1895/96. XII. Kommission. Abänderungsanträge zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs — Nr. 87 der Druck11

Heft I behandelt den Allg. Teil und das Schuldrecht, Heft II das Sachenrecht, Heft III das Familienrecht, Heft IV das Erbrecht, Heft V das IPR (letzteres abgedruckt bei Harfwieg-Korkisch, a. a. O., S. 257—297). Zum EG-BGB existiert nur eine metallographierte Zusammenstellung.

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Quellenverzeichnis

Drucksachen (ab Nr. 117 . . . zur zweiten Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. . .). Fundort: Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 3366 und Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 74 Büschel 86. Die Fassung des E III nach den Beschlüssen der Redaktionskommission ergibt sich aus einer separat gedruckten Zusammenstellung (ZStA Potsdam, Reichs Justizministerium, Nr. 3866, S. 163 — 194), die unveröffentlicht geblieben ist. Die im Plenum des Reichstags gestellten Anträge (Drucksachen Nr. 465 ff.) sind im Anlagenband 3, S. 2250ff., allgemein zugänglich (gute systematische Übersicht bei Maas, z. a. O., S. 31-34).

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Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs* I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der 1. Kommission Von der Gründung des Norddeutschen Bundes an gehörte es zum Programm der Nationalliberalen Partei, dem Norddeutschen Bund und, nach der Reichsgründung, dem Deutschen Reich die Gesetzgebungskompetenz für das gesamte bürgerliche Recht zu verschaffen1. Die Verfassung des Reichs von 1871 wies in Art. 4 Ziff. 13 dem Reich lediglich die Kompetenz für das Obligationenrecht, Strafrecht, Handels- und Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren zu, Materien, die bereits vor 1867 Gegenstand gesamtdeutscher Gesetze oder Entwürfe gewesen waren2. Nach der Reichsgründung beschloß der Reichstag aufgrund der Initiative der Nationalliberalen (Anträge von Miquel/Lasker) die Ausdehnung der Reichskompetenz auf das gesamte bürgerliche Recht und die Gerichtsverfassung. Von den Bundesstaaten stellte sich Preußen seit 1871 voll und ganz hinter die Initiative des Reichstags. Bismarck, der auf die Unterstützung der Nationalliberalen angewiesen war, machte sich deren Forderung nach Rechtseinheit zu eigen, zumal eine gewisse Zentralisierung in seinem Interesse lag. Zudem war Preußen seit dem Erwerb von Hannover und Hessen-Kassel in drei große Rechtsgebiete gespalten: in das des ALR, das des gemeinen Rechts und das des französischen Rechts. Bei der zunehmenden Industrialisierung und Mobilität der Bevölkerung hielt man eine Vereinheitlichung des Zivilrechts für notwendig und war entschlossen, notfalls eine eigene Kodifikation aus* Der nachfolgende Überblick konzentriert sich auf die politischen Hintergründe der Entstehungsgeschichte, auf die Arbeitsweise der Kommissionen und auf einige Aspekte der Entstehung des schuldrechtlichen Teilentwurfs. Eine umfassende Entstehungsgeschichte des BGB kann erst geschrieben werden, wenn das Quellenmaterial mit Abschluß der Edidon überschaubar ist. — Zur Entstehungsgeschichte des BGB vgl. Planck, Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1903, S. 4—17; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines BGB, Bd. l, S. III-XIV, Thieme, DJZ 1934, S. 918ff.; Schubert, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, S. 13 ff. — Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 468ff.; ders. Aufstieg, Blüte und Krisis der Kodifikationsidee, Festschrift G. Böbmer, 1954, S. 34ff.; ders. Der Kampf des 19. Jhs. um die Nationalgesetzbücher, Festschrift Felgentraeger, 1969, S. 409ff. — Ferner verdankt die folgende Studie den in Fn. 69 aufgeführten Werken von Kögler, Mertens und Vormbaum zahlreiche Hinweise und Anregungen. Vgl. Laufs, Die Begründung der Reichskompetenz für das gesamte bürgerliche Recht, in JuS 1973, S. 740ff., bes. 742; ferner H. Geiz, Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jht. als rechtspolitisches Problem, 1966, S. 152 ff. 2 Über die Behandlung des Antrags von Lasker im Bundesrat 1869 vgl. den Quellenteil unter A I. — Nach Aktenstücken, die detaillierte Aufschlüsse über die Stellung Preußens und des Reichs (Bismarcks) zum Antrag von Lasker zwischen 1869 und 1873 gewähren würden, habe ich vergeblich gesucht. Die Akte des preuß. Justizministers, Geh. StA Berlin-Dahlem, Rep. 84a, Nr. 6234, enthält außer Zeitungsausschnitten nur einige Gutachten zu Verfassungsfragen. Die Akten Nr. 1522, 1523 des Reichskanzleramts zur Reichsverfassung im ZStA Potsdam bringen auch keine näheren Aufschlüsse. Über die Absichten, die Bismarck mit dem Ausbau des Reichs verfolgte, vgl. Ges. Werke, Bd. Mb, 3. Aufl. 1931, Nr. 1460. 27

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zuarbeiten und in Kraft zu setzen3. Doch strebte Preußen primär ein Bürgerliches Gesetzbuch für Gesamtdeutschland an und ließ nichts unversucht, die anderen großen Bundesstaaten für eine Verfassungsänderung zu gewinnen. Im Ausschuß des Bundesrates für Verfassung und Justizwesen befürworteten den Antrag in der Sitzung vom 9. 12. 1871 nur Preußen und Lübeck, sowie der badische Gesandte Türckheim, der jedoch ohne Instruktion war, während die drei Königreiche vorher vereinbart hatten, den Antrag abzulehnen4. Schärfste Gegner waren Bayern und Württemberg, wo sowohl die Stände als auch die Könige einer Verfassungsänderung nicht zustimmten. Allerdings ließen der bayerische Ministerpräsident v. Lutz und der Justizminister Fäustle in Berlin durchblicken, daß sie persönlich eine Verfassungsänderung begrüßen würden5, da auf diese Weise Bayern die sonst nicht durchsetzbare obligatorische Zivilehe erhalten könne. Auch Braunschweig war zunächst gegen jede Verfassungsänderung. Dessen Gesandter v. Liebe hatte wenig Sympathien für den Antrag von Lasker, da er vom „Beruf" seiner Zeit für die Gesetzgebung keine sehr hohe Meinung hatte. Auf der anderen Seite war er sich der Unhaltbarkeit des damaligen Zustandes bewußt, da die Reichsgesetze zivilrechtlichen Inhalts die Privatrechtsordnungen der Länder zerstören könnten: „Ohne eine gemeinsame Civilgesetzgebung als letzte Basis für alle Spezialgesetze, die an irgendeiner Stelle das Mein und Dein berühren, wird schwerlich in Ordnung zu kommen sein." Insgesamt gesehen spielten bei der Ablehnung des Antrags von Lasker innere Schwierigkeiten der Mittelstaaten, ihre Furcht, die Justizhoheit zu verlieren6, aber auch die Solidarität der drei Königreiche, die für Verfassungsänderungen im Bundesrat über eine Sperrminorität verfugten, die maßgebende Rolle. Hinzu kam noch die Furcht vor einer Majorisierung Preußens bei der Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuchs. Man besorgte, daß Preußen den anderen 3

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In den preußischen Akten (Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Rep. 84a/11772) ist der Entwurf eines Votums des preuß. Justizministers an das Staatsministerium enthalten (ausgearbeitet von Förster; dem Justizminister am 20. 10. 1871 übersandt). Aus dem Beischreiben von Förster ergibt sich, daß die Vorstellungen Leonhardts über die Ausarbeitung einer preußischen Zivilrechtskodifikation schon sehr konkret waren. Der Entwurf sollte durch einen einzigen Juristen mit vier bis sechs Hilfsarbeitern aufgestellt werden. Das Gutachten plädiert für die möglichst baldige Ausarbeitung eines Gesetzbuchs, da Preußen seit 1866 in drei Rechtsgebiete gespalten sei (Landrecht, gemeines und französisches Recht). Das für Preußen bestimmte Zivilgesetzbuch sollte „in stetiger Festhaltung des Gedankens, daß es künftig das Deutsche Gesetzbuch werden kann", ausgearbeitet werden. Im Hinblick auf die fehlende Reichskompetenz schreibt Förster: „Solange ihr aber die Competenz für das gesammte Civilrecht fehlt, ist es vornehmlich Preußens Beruf, ein Civilgesetzbuch zu schaffen, denn gelingt es, ein solches Werk zu vollenden, so ist damit zugleich das deutsche Civilgesetzbuch vollendet, weil bei einem solchen für Preußen alle diejenigen Verschiedenheiten und Gegensätze des Rechts überwunden werden müssen, welche überhaupt in Deutschland vorkommen. Ein Civilgesetzbuch für den preußischen Staat würde unfehlbar bald seine Gültigkeit für ganz Deutschland erhalten und darum kann es unternommen werden, ohne eine künftige Reichsgesetzgebung zu präjudiziren und ohne die Gefahr einer Isolirung Preußens von Deutschland hervorzurufen" (Über das weitere Schicksal der Pläne Leonhardts, der das Votum erst am 1. 11. 1875 zu den Akten gegeben hat, ist bislang nichts bekannt geworden; sie dürften sich durch die weitere Entwicklung erledigt haben. Das Gutachten werde ich im Rahmen einer gesonderten Abhandlung herausgeben). Vgl. hierzu die unten abgedruckten Berichte von Krüger und den Ausschußbericht (S. 127ff.). Bericht von v. Liebe nach Dessau und Detmold vom 10. 11. 1871 (Nieds. StA Wolfenbüttel, Akte Civilgesetzgebung 1871 — 1881), hieraus auch das Zitat; vgl. ferner den Bericht vom 19. 12. 1871 nach Braunschweig. Der Antrag von Lasker bezog sich zunächst auch auf die Gesetzgebungskompetenz des Reichs auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung.

I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der l. Kommission

Bundesstaaten in einer vom Bundesrat eingesetzten Kommission mit einem fertigen Entwurf, an dem detaillierte Änderungen nur schwer möglich gewesen wären, konfrontieren würde. Diese Bedenken hat Preußen aber im Laufe der Jahre 1872—1873 zerstreuen können7. In der Folgezeit versuchte Preußen durch eine von ihm gesteuerte Pressekampagne die Mittelstaaten in der öffentlichen Meinung zu isolieren8, wodurch es hoffte, als erstes Württemberg aus der Phalanx der Mittelstaaten herauszubrechen. Obwohl sich alle Mittelstaaten9 außer Baden10 weiterhin dem Antrag von Lasker gegenüber ablehnend 7

Im Reichstag hatte Mittnacht am 29. 5. 1872 das Verhalten Preußens und des Reichskanzlers kritisiert und zu bedenken gegeben: „Wenn nach vielleicht jahrelanger Vorbereitung ein von den Rechtsverständigen eines Staates festgestellter Gesetzentwurf zum Vorschein kommt und wenn er, wie vorauszusetzen ist, noch so vortrefflich ist: wie glauben Sie dann, daß die übrigen Bundesregierungen noch einen großen Einfluß auf die Gestaltung dieses Gesetzgebungswerkes üben sollten? Im Bundesrathe können sie es nicht gut, dort gebricht es an der Zeit und noch an einigem anderen . . . so kann es denn doch vorkommen, daß ein solcher Gesetzentwurf ein gewisses Gepräge, einen gewissen Stempel erhält, von dem man wenigstens nicht unbedingt sicher ist, daß er der Stempel der allumfassenden Gemeinschaft i s t . . . hierin liegt die Gefahr, daß die Rechtsanschauungen und die Rechtsbildung eines Staates . . . doch vorzugsweise bestimmt sind, nationales Recht zu werden" (St. B. RT, Session 1871/73, Bd. 2, S. 612). Mittnacht hatte in diesem Zusammenhang auf das Reichsstrafgesetzbuch hingewiesen und die Entwürfe zu den Reichsjustizgesetzen und zur KO im Auge. Für die letzteren wurden dem Bundesrat zwar preußische Entwürfe vorgelegt, die aber, mit Ausnahme des GVG-Entwurfs, noch in Kommissionen beraten wurden, bevor sie den Bundesrat endgülüg passierten. Allerdings war der Einfluß der Bundesstaaten auf die endgültige Fassung dieser Gesetze gering. Für das GVG fanden dagegen bereits ab Ende 1872 Ministerkonferenzen statt. Am 11. 5. 1873 ( 261 der Protokolle des Bundesrats von 1873, S. 181) regte Bayern an, ob nicht künftige Reichsgesetze erst „nach vorgängiger Vernehmung der verbündeten Regierungen im Reichskanzler-Amte oder auf dessen Veranlassung zu fertigen seien und in den dazu geeigneten Fällen den Regierungen die Möglichkeit offen zu halten sei, schon in dem Vorbereitungsstadium solcher Gesetze an der Abfassung derselben mitzuwirken". Auf Vorschlag der Ausschüsse für Verfassung und für die Geschäftsordnung wurde am 31. 5. 1873 (§ 341, S. 223) beschlossen: „den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die Ausarbeitung der Entwürfe zu Reichsgesetzen in der Weise herbeizuführen, daß regelmäßig die Regierungen von dem Bevorstehen einer Vorlage Kenntniß und vor Feststellung des Entwurfs zu Geltendmachung ihrer Anschauungen ausreichende Frist und Gelegenheit erhalten." Einen durchschlagenden Erfolg hatten die Bundesstaaten nur im Falle der Ausarbeitung des BGB. Das Problem der Manipulation der öffentlichen Meinung durch Preußen, um bestimmte Vorhaben im Bundesrat durchzusetzen, ist leider noch wenig erforscht. Von den Hansestädten hielt Hamburg seine Zustimmung bis April 1873 zurück. Der Lübecker Senat stimmte am 10. 1. 1872, der Bremer Senat am 15. 1. 1872 (mit Vorbehalten wegen der Gerichtsverfassung) dem Antrag von Lasker zu. Braunschweig und Oldenburg verhielten sich bis 1873 ablehnend. Baden hatte sich bereits im Februar 1872 aufgrund eines Gutachtens des Justizministeriums vom 25. 1. 1872 für die Lex Lasker ausgesprochen. Das Gutachten (Bad. GLA Karlsruhe 234/3867) geht davon aus, daß die Kodifikation des Zivilrechts noch längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Bis dahin gelte es, den Gedanken der nationalen Einheit zu vertiefen: „Zu allen Zeiten ist die Gemeinsamkeit des Rechts als festeste Grundlage nationalen Bewußtseins und als der wirksamste Hebel der wirthschaftlichen TTiätigkeit des Volkes betrachtet worden". Das Ministerium meinte, ein Festhalten an der Kompetenz der Verfassung werde „veraltete, unter der Ungunst der Zeiten aufgedrängte Rechte verewigen". Die Erweiterung der Reichskompetenz dagegen ermögliche „die eines Culturvolkes allein würdige selbständige Rechtserzeugung, die Reform der im Laufe der Zeit ungenügend oder widersinnig gewordenen Gesetze, die Fortsetzung der Fußnote auf Seite 30

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verhielten, brachte Preußen am 8. 4. 1872 die Frage auf die Tagesordnung des Bundesratsplenums11. Wohl unter dem Einfluß der öffentlichen Meinung gaben Württemberg und Sachsen12 zu, daß sie einer Verfassungsänderung „im einzelnen Fall", d. h. lediglich zum Zwecke eines bürgerlichen Gesetzbuchs, nicht widersprechen würden. Eine Annahme des Antrags von Lasker ohne jede Garantie, daß Einzelgesetze nicht erlassen würden, lehnte man dagegen entschieden ab, da man die Partikularrechtssysteme bis zur Vereinheitlichung des Zivilrechts intakt halten wollte. Auf dem Wege von Einzelgesetzen ließen sich zudem auch, so befürchtete man, zentralistische Tendenzen besser durchsetzen als durch eine Kodifikation, an deren Ausarbeitung die Länder in einer Kommission von Anfang an mitarbeiteten. Bayern gab in der Sitzung des Bundesrates eine Erklärung ab, aus der sich ergab, daß man weiterhin den Antrag von Lasker ablehnte. Im Reichstag, der sich im Mai 1872 erneut mit dem Antrag von Lasker befaßte, gaben die Justizminister von Württemberg Mittnacht und von Bayern Fäustle sowie für Sachsen Geheimrat Held Stellungnahmen ihrer Regierungen ab. Miquel durchschaute die Hinhaltetaktik der Länder und führte aus13: „Wenn etwa die Absicht sein sollte, durch eine solche Kommission14 ein Civil-Gesetzbuch hinterher dem Reichstage als eine Vorlage des Bundesrathes vorzulegen, dann frage ich: ist dieser Weg nicht in Wahrheit, . . . nicht ein weit gefährlicherer? wird da die Nation zur Mitwirkung berufen? werden alle Anschauungen, die in der Nation vertreten sind, da zur Geltung kommen können? wird man da nicht das Werk gerade recht übereilen — umsomehr übereilen, je weniger gründlich die Vorbereitung und je weniger möglich die Critik ist?" Nach den Wünschen der Reichstagsmehrheit sollte das gesamtdeutsche Zivilrecht durch den Reichstag geschaffen und festgestellt werden, und zwar ohne daß deswegen auf den Erlaß von Einzelgesetzen verzichtet würde. Der Reichstag sollte die Freiheit haben, Einzelgesetze zu erlassen, ohne auf Kompetenzbeschränkungen Rücksicht nehmen zu müssen. Die Kodifikation sollte durch den Erlaß von Einzelgesetzen vorbereitet werden: „Ich schlage aber auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts die Specialgesetzgebung doppelt hoch an", so führte Lasker am 31. 5. 1872 aus, „weil ihr der Geist und die Fähigkeit für die Kodifikation erwachsen müssen. Ich hänge gar nicht der Methode an, daß man sich einige Theoretiker verschreibt, welche ein großes Gesetzbuch ausarbeiten; der Schuld dieses Verfahrens schreibe ich zu, daß unsere Gesetzbücher so sehr wenig mit Volksrecht durchdrungen sind. Wenn die Specialgesetzgebung tüchtig vorgearbeitet, wenn in ihr der deutsche Geist sich entfaltet, und wenn wir in gemeinsamer Arbeit

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Regelung der durch das sociale Leben geschaffenen neuen Rechtsverhältnisse". In diesem Zusammenhang wies man darauf hin, daß für das Bad. Landrecht in Baden keine Vorliebe bestehe und eine „selbständige wissenschaftliche Ausbildung des Code civil als badischem Partikularrecht" unmöglich sei; man sei auf das Ausland angewiesen. Diesen Zustand würde man gerne vertauschen mit einem gemeinsamen deutschen Recht. Im übrigen hob man hervor, daß das Landrecht „vielfach willkürlich vom Urtext" abweiche, Baden eine schlechte Pfandgesetzgebung aufweise usw. Allerdings wies man darauf hin, daß man auf dem Gebiete des Familien-, Ehegüter- und Erbrechts die Partikularrechte schonen müsse. Das Staatsministerium war der Meinung: „es seie auf dem Boden des Civilrechts selbst eine Schädigung der Volks- und der Staatsinteressen aus der Herstellung eines gemeinsamen (Zivilgesetzbuches nicht zu befürchten". Vgl. das Protokoll dieser Sitzung des Bundesrates (§ 132), unten S. 132 f. Über die Verhandlung der 2. Kammer des Kgs. Sachsen vgl. unten S. 139ff. Stenographische Berichte des Reichstags, 1871/73, Bd. 2, S. 607. — Über Lasker Laufs, in: Der Staat 13 (1974), 365 ff. Gemeint war eine Kommission der Bundesregierungen, von der Miquel ausging, daß für sie das Prinzip der Einstimmigkeit gelten würde.

I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der l. Kommission

gelernt haben, auch unsere Civilgesetze in Won und Geist nach deutscher Art zu gestalten, dann ist der rechte Zeitpunkt gekommen, an die Kodifikation zu gehen. Dann werden diejenigen, welche an der Vorbereitung Theil nehmen, nicht mit verschiedenen Systemen aus den verschiedenen Gegenden des Reiches kommen, sondern erfüllt sein mit den Grundsätzen und mit der Denk- und Ausdrucksweise, welche die Specialgesetzgebung vorbereitet hat."15 Andernfalls würden zwar die wissenschaftlich-theoretischen Gegenstände ausgeglichen werden. Als Ergebnis bekäme man dann aber ein „bürokratisch-juristisches Gesetzbuch"16, in dem vom Volksrecht, d. h. von einem auf die modernen Bedürfnisse zugeschnittenen Recht wenig zu spüren wäre. Bei der erneuten Beratung des Antrags im Sommer 1872 im Justizausschuß17 hatte sich an der Haltung der Mittelstaaten nichts geändert. Allerdings waren die Aussichten, daß alle drei Königreiche auf die Dauer ihre gemeinsame Haltung aufrecht erhalten würden, nicht mehr sehr groß18. Fäustle erklärte, in Bayern seien der König, der Landtag und die öffentliche Meinung gegen jede Kompetenzerweiterung, v. Liebe wies nach der Sitzung die Braunschweiger Regierung in einem Bericht darauf hin, daß aus den Diskussionen im Reichstag „peinlich genau" hervorgehe, was dieser eigen dich wolle, nämlich Einzelgesetze. Unter diesen Umständen hielt v. Liebe es für besser, „wenn die Sachen zunächst noch intakt blieben" in dieser „Zeit des fieberhaften Arbeitens auf dem Felde der Gesetzgebung". In der Folgezeit bemühten sich Bayern und Württemberg darum, eine gemeinsame Haltung zum Antrag von Lasker zu finden. Die Justizminister beider Länder trafen am 12. 10. 1872 in Nürnberg zu einer Konferenz zusammen19, wo außer der Lex Lasker auch noch Probleme der Gerichtsverfassung besprochen wurden. Man lehnte den sächsischen Vorschlag, im Rahmen einer Vereinbarung der Bundesstaaten einen Entwurf ausarbeiten zu lassen, ab, da man es für bedenklich hielt, „dem Reichsganzen selbst nur versuchsweise ein legislatorisches Vorgehen in Gebieten, welche verfassungsmäßig den Ländern zustehen, zuzugestehen"20. Die Minister hielten es für taktisch besser, möglichst bald in irgend einer Weise auf den Antrag einzugehen. Durch einen „rechtzeitigen, der Sachlage allseitig Rechnung tragenden Entschluß" könne man „manche ersprießlichen Früchte" gewinnen. Die Minister kamen überein, prüfen zu lassen, ob man von der Kompetenz des Reichs bestimmte Rechtsgebiete ausnehmen könne. Die Gutachter beider Staaten kamen bald zum Ergebnis21, daß sich eine Kompetenzbegrenzung nicht durchführen lasse und es deshalb das beste sei, wenn man die Gesetzgebungskompetenz des Reichs auf den Erlaß einer Zivilrechtskodifikation beschränken könnte. Allerdings war man sich in den Ministerien darüber klar, daß dieser Plan nur schwer durchzusetzen war. Bereits am 2. 2. 1873 schrieb Fäustle nach Stuttgart: „Nach meiner Ansicht ist in der Frage des Laskerschen Antrags nichts mehr zu gewinnen, 15 16

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St. B. des Reichstags, 1871/1873, Bd. 2, S. 623 (31. 5. 1872). St. B. des Reichstags, a. a. O., S. 623. Vgl. Bericht von v. Liebe vom 12. 6. 1872 über die Sitzung am 11.6. 1872 (hieraus auch das folgende Zitat). So der Bericht der sächsischen Gesandtschaft vom 7. 6. 1872 (StA Dresden, Bestand Außenministerium Nr. 8126). Vgl. die Zusammenfassung dieser Konferenz von württembergischer Seite, unten S. 142. So Fäustle in einem Bericht an den König vom 7. 12. 1873 (Geh. StA München MA 76138); hieraus auch das folgende Zitat. Vgl. unten S. 143 ff. die Gutachten von v. Neumayr und die Zusammenfassung der Gutachten der drei württembergischen Juristen durch v. Kübel. Die wesentlichen Teile des Gutachtens von v. Kübel habe ich im Rahmen einer Abhandlung in der „Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte", 34/35 (1975/76), 1978, publiziert. 31

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dagegen sehr viel an politischem Ruf und an Kredit für weitere Thätigkeit beim Reiche zu verlieren"22. Diese Frage müsse „durch eine Lösung im nationalen Sinne aus der Welt geschafft werden". Die 2. Kammer Württembergs hatte sich Ende Januar 1873 für den Antrag von Lasker ausgesprochen, allerdings unter der Voraussetzung, daß eine Kodifikation in Angriff genommen würde. Nachdem Mittnacht auch den König für den Antrag gewonnen hatte, ließ er den Widerstand Württembergs im Bundesrat fallen. Die Vorentscheidung zugunsten des Antrags von Lasker fiel in den Bundesratsausschüssen am 31. 3. 187323. Delbrück gab zunächst die Erklärung ab, daß für Preußen das nächste Ziel die Schaffung einer Zivilrechts-Kodifikation sei. Wie Württemberg gab jetzt auch Sachsen seinen Widerstand gegen den Laskerschen Antrag auf. Es erklärte aber unter Zustimmung Hessens, daß man sofort nach der Annahme des Antrags eine Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuchs einsetzen müsse. Oldenburg24 und Braunschweig schlössen sich dem an. Fäustle verlas für Bayern zunächst eine Erklärung des Königs vom 16. 12. 187225, wonach eine Zustimmung Bayerns nur möglich sei, wenn „das zu erstrebende nächste Ziel die Abfassung eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs" sei und Gewißheit darüber bestehe, daß dem auch die Kammern zustimmten. Fäustle erläuterte den Standpunkt Bayerns dahin, daß das Ministerium für die Kompetenzerweiterung sei, aber sehr entschieden gegen jede vom Reichstag beabsichtigte „Gesetzesmacherei"26. Man könne von Bayern nicht verlangen, daß es ohne Anhörung der Kammern für den Antrag stimme, da sonst die Stellung des Ministeriums unhaltbar werde. Wenn im Herbst die Kammern den Laskerschen Antrag ablehnen würden, so würde Bayern im Bundesrat gegen ihn stimmen. Die Kammern müßten sich dann mit der Majorisierung Bayerns abfinden. Da Preußen Bayern im Bundesrat keine Niederlage bereiten wollte, bevor dieses die Stände angehört hatte, lehnten die Ausschüsse den Antrag Badens ab, sofort abzustimmen, und beschlossen, dem Reichstag eine Erklärung mit dem Inhalt zukommen zu lassen, es bestehe begründete Aussicht, daß die Regierungen in naher Zukunft der Verfassungsänderung zustimmen würden27. „In diesem Falle", so hieß es im zweiten Teil der von Delbrück im Reichstag verlesenen Erklärung, „beabsichtigen die Regierungen mit der Publikation der Verfassungs-Aenderung eine Kommission zur Aufstellung des Entwurfs eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuches einzusetzen, da sie die Herstellung der Einheit des bürgerlichen Rechtes in einem Gesetzbuche für Deutschland als das zu erstrebende Ziel der in Rede stehenden Verfassungs-Aenderung betrachten." Die Hinauszögerung der endgültigen Entscheidung des Bundesrates bis zum Herbst 1873 war also auf Bayern zurückzuführen, das erst im Herbst die Stände hören konnte. Nachdem sich diese, wenn auch mit knapper Mehrheit28, für die Lex

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HStA Stuttgart 130a/819 (Nr. 41). Die 2. Kammer befürwortete die Änderung der Reichsverfassung mit 58 gegen 22 Stimmen. Vgl. unten S. 155 ff. den Bericht von Krüger über die Sitzung der Ausschüsse; femer den unten S. 157f. publizierten Bericht von v. Liebe vom 31. 3. 1873 (StA Wolfenbüttel a. a. O.). Aus dem Bericht von Krüger ergibt sich, daß Oldenburg sich ablehnend verhalten habe. Doch ist dem Bericht von v. Liebe und anderer Teilnehmer der Sitzung das Gegenteil zu entnehmen. Für die Sitzung des Bundesrates am 2. 4. 1873 lag allerdings eine zustimmende Erklärung von Oldenburg nicht vor. Geh. StA München MA 75158. So der Bericht von Fäustle vom 2. 4. 1873 an den König (Geh. StA München a. a. O.). Der Wortlaut der Erklärung ist im Protokoll des Bundesrates vom 2. 4. 1873, § 159 (vgl. unten S. 158) enthalten. Die 2. Kammer mit nur 77 gegen 74 Stimmen (vgl. unten S. 152 ff.).

I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der l. Kommission Lasker ausgesprochen hatten, stimmte der Bundesrat am 4. 12. 1873 gegen die Stimmen der beiden Mecklenburg29 und gegen die Stimme von Reuß ä. L.3 der Verfassungsänderung zu. Der Bundesrat hatte mit der Annahme des Antrags von Lasker am 4. 12. 1873 den Justizausschuß beauftragt, „über die Einsetzung einer solchen Kommission und über die sonst zur Aufstellung eines Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu treffenden Einleitungen baldthunlichst Vorschläge zu machen". Bereits am 13. 12. 1873 fand im Justizausschuß eine Besprechung31 statt, in welcher der Braunschweiger Gesandte v. Liebe32 meinte, daß die Kommission zur Ausarbeitung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs im wesentlichen selbständig die Grundsätze für die Aufstellung des Entwurfs festlegen solle. Demgegenüber meinten der württembergische und der hessische Vertreter, den Regierungen müßte zumindest Gelegenheit gegeben werden, die nicht vom Gesetzbuch zu regelnden Gegenstände genau zu bezeichnen. Friedberg33 stellte fest, daß er das früher auch für möglich gehalten habe, jetzt aber der Ansicht sei, daß man mehrere Persönlichkeiten mit der Klärung der Vorfragen beauftragen solle, damit dem Bundesrat nicht alle Verantwortlichkeit zufalle, ein Vorschlag, dem v. Liebe sofort zustimmte. Die endgültige Entscheidung für die Einsetzung einer sogn. Vorkommission fiel in der Ausschußsitzung vom 8. 2. 187434. Für eine solche Kommission setzte sich vor allem Leonhardt ein, welcher die Autorität hervorragender Juristen für das dem Plenum vorzuschlagende Verfahren hinter sich haben wollte. Dem schloß sich Fäustle für Bayern an. Er wünschte, daß sich die Vorkommission vor allem darüber aussprach, was der Landesgesetzgebung überlassen bleiben und ob man alles auf einmal oder stückweise kodifizieren sollte. Es ging also Fäustle darum, die Grenzen, Ziele und Methoden der künftigen Tätigkeit der Kommission festzulegen. Er hoffte, auf diese Weise die Arbeit dieser Kommission noch beeinflussen und einer etwaigen preußischen Dominanz entgegenwirken zu können. Auch von Liebe schloß sich Leonhardt an, da bei der „Größe und Wichtigkeit der Aufgabe" ein „planmäßiger Beginn unumgänglich" sei. Den Plänen Preußens trat Abeken für Sachsen entgegen, indem er seinen bereits vor der Sitzung des Ausschusses den Bundesregierungen zugänglich gemachten Plan erläuterte35. Die Hauptkommission sollte das bei der Ausarbeitung der Kodifikation anzuwendende Verfahren selbst festlegen. Entscheidend war für Sachsen, daß man eine Kommission von möglichst 13 Mitgliedern einsetzte, in der Preußen mit nur zwei bis drei Mitgliedern vertreten sein sollte und in der für die kleineren Bundesstaaten insgeDie Stellung Mecklenburgs zum BGB werde ich in einer gesonderten Abhandlung untersuchen. Reuß ä. L. hielt starr an der „legitimistischen Souveränitätsidee" bis 1902 unter dem weifisch gesonnenen Minister Meding aus dem ehem. Königreich Hannover fest und lehnte jede zentralistische Bestrebung des Reichs ab. 31 Vgl. den Bericht von Hess nach Stuttgart 130a/819 (unten S. 160). Über von Liebe vgl. den Quellenteil unter A. (Fn. 15). 33 H. v. Friedberg (geb. 1813 in Westpreußen, gest. 1895) war seit 1845 im preuß. Justizministerium mit Gesetzgebungsarbeiten befaßt; 1849 Oberstaatsanwalt in Greifswald (hier Habilitation); 1854 vortragender Rat im Justizministerium; 1873 Unterstaatssekretär im Justizministerium; 1876 Staatssekretär des Reichsjustizamtes; 1879 bis 1889 preußischer Justizminister. Friedberg hat vor allem maßgeblich das StGB und die StPO beeinflußt (vgl. über Friedberg Döhring, NDB). 34 Vgl. die Berichte von v. Liebe (Nieds. Staatsarchiv Wolfenbüttel 19 B Neu, Nr. 117, Akte Civilgesetzgebung 1871-1881); von Türckheim nach Karlsruhe (GLA Karlsruhe 233/13987) und von Fäustle (Bayr. HStA Abt. I, MJu Nr. 16107). 35 Vgl. unten S. 160f. 33

Entstehungsgeschichte des BGB samt drei Plätze vorgesehen waren. Die Kommission sollte die verschiedenen Rechtssysteme vergleichen, das Gemeinsame heraussuchen, Lücken ergänzen und dann auf dieser Basis den Entwurf erstellen. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich jedoch mit fünf gegen zwei Stimmen36 dem Vorschlag Leonhardts an, eine Vorkommission einzusetzen. Leonhardt schlug daraufhin als Mitglied dieser Kommission vor: Förster37 für Preußen, die Präsidenten der obersten Gerichte von Bayern, Sachsen und Württemberg und Goldschmidt. Auch dieser Vorschlag wurde angenommen, so daß der Ausschußantrag auf Einsetzung einer Kommission lautete, bestehend aus Förster, Goldschmidt, damals Professor an der Universität Heidelberg, Neumayr, Präsident des Bayer. Oberappellationsgerichts, Kübel, Obertribunalsdirektor in Stuttgart und v. Weber, Präsident des Sächsischen Oberappellationsgerichts38. Als am 20. 2. 1874 das Plenum über diese Vorschläge beriet, stand fest, daß Förster aus dem Justizministerium ausschied, so daß Leonhardt statt dessen den ersten Präsidenten des Paderborner Appellationsgerichts Meyer in Vorschlag brachte; da dieser wegen Krankheit verhindert war, an den Sitzungen teilzunehmen, ersetzte ihn der Bundesrat am 19. 3. 1874 durch den späteren preußischen Justizminister v. Schelling, damals Präsident des Appellationsgerichts in Halberstadt. Wie die Zusammensetzung der Kommission zeigt, hatten die Mittelstaaten in ihr die absolute Mehrheit. Sie setzten sich auch mit Erfolg dafür ein, daß die preußischen Wünsche39 so wenig wie möglich zur Geltung kamen. Obwohl Goldschmidt als Theoretiker in der Kommission bald eine führende Stellung einnahm, gelang es Kübel, die

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Außer Sachsen summte noch Württemberg gegen den Plan. Dessen Vorstellungen lassen sich einem Expose (verf. wohl Hess) von Anfang 1874 in den Ministerialakten entnehmen (HStA Stuttgart 130a/819). Danach sollte sofort eine Kommission eingesetzt werden bestehend aus sieben, maximal neun Mitgliedern: Vorsitzender aus Preußen, je ein Mitglied aus Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, evtl. noch aus zwei weiteren Staaten; ein Mitglied des Oberhandelsgerichts, evtl. Goldschmidt, ein Professor evtl. des deutschen Privatrechts. Nach Aufstellung eines Entwurfs sollte dieser auf der Grundlage der eingegangenen Kritiken von einer Kommission mit rund 15 Mitgliedern revidiert werden. Als Hauptproblem sah es der Gutachter an, ob bestimmte Materien von vornherein durch Bundesratsbeschluß von der Kodifizierung ausgenommen werden sollten (wie z. B. das eheliche Güterrecht). Er lehnte eine solche ohnehin nur vorläufige Bindung der Kommission als unpraktikabel ab. Die Länder sollten aber die Möglichkeit haben, der Kommission selbst bestimmte Wünsche hinsichtlich des Umfangs der Kodifikation zugehen zu lassen. Von einer sogn. Vorkommission hielt der Gutachter nicht viel, da er befürchtete, daß in dieser Preußen dominieren würde. Abgesehen von kleineren Rechtsmaterien sollte die Kodifikation das gesamte Gebiet des Immobiliarsachen-, Familienund Erbrechts umfassen. Franz Förster (geb. 1819 in Breslau, gest. 1878) habilitierte sich nach dem Studium der Rechte in Breslau; hier auch Mitglied des Konstitutionellen Zentral Vereins; anschließend bis 1868 im praktischen Justizdienst tätig. Seit 1868 als vonragender Rat im preuß. Justizministerium mit den wichtigsten Gesetzgebungsarbeiten befaßt (Gesetze zum Immobiliarsachenrecht, Vormundschaftsordnung, Teilnahme an den Beratungen im Ministerium über die Justizgesetze). Maßgeblicher Autor des preuß. GVG-Entwurfs von 1872. Weshalb er nicht in die Vorkommission und später in die Hauptkommission berufen wurde, ließ sich nicht mit letzter Klarheit aufhellen. Entscheidend war wohl, daß Leonhardt mit Förster, der bei den Süddeutschen als Zentralist sehr gefürchtet war, keinen Anstoß erregen wollte. Am 1. 3. 1874 trat Förster ins Kultusministerium unter Falk über, wo er bis zu seinem Tode wirkte (vgl. H. Meyer in ADB, Bd. 48, S. 661 ff.). Über diese Juristen vgl. den biographischen Teil. Diese gingen wohl dahin, den Entwurf, der als Beratungsgrundlage dienen sollte, durch einen einzigen Juristen ausarbeiten zu lassen (vgl. einen Artikel offiziösen Charakters hierüber in der Nationalzeitung vom Dez. 1873, Nr. 607, Morgenausgabe, und den Bericht von Kübel; HStA Stuttgart; 130a/819, Nr. 62, 65).

I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der 1. Kommission

Interessen der Mittelstaaten im wesentlichen durchzusetzen, wie seinen Berichten nach Stuttgart zu entnehmen ist40. Nach Kübel standen in der Kommission zwei Konzeptionen zur Debatte: Nach der ersten sollte der Entwurf durch einen einzigen Hauptredaktor, also in Einzelarbeit, erstellt und anschließend durch eine Kommission beraten werden; nach der zweiten sollte er durch eine Kommission erstellt werden, die die Arbeit auf mehrere Redaktoren verteilen sollte. „Der erste Weg schien mir", so schrieb Kübel, „die große Gefahr in sich zu schließen, daß der Entwurf einseitig (von Seite Preußens) aufgestellt werden könnte und die nachfolgende Kommission dem fertigen Entwurf als einer Macht gegenüber stände, gegen welche sie mit Hoffnung auf Erfolg nimmer ankämpfen konnte." Kübel plädierte „mit aller Energie" für den zweiten Weg, zumal er sich in einem Gespräch mit dem sächsischen und dem bayerischen Justizminister Rückendeckung geholt hatte. Über die Zusammensetzung der Hauptkommission war es ebenfalls zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Kübel und sein bayerischer Kollege traten für eine möglichst kleine Kommission von fünf oder sieben Juristen ein, wohl damit Preußen nur durch maximal zwei Mitglieder vertreten wäre. Da die drei anderen Mitglieder der Vorkommission für eine höhere Zahl votierten, einigte man sich auf maximal neun Mitglieder. Was die Auswahl der Mitglieder betraf, sollten, so Kübel, nach Goldschmidts Vorschlag „alle irgend geeigneten Kräfte von der Kommission beigezogen, insbesondere die Theoretiker, welche über die eine oder andere Materie geschrieben, als Mitarbeiter verwandt werden, während ich glaube, daß zwar Theoretiker 2 —3 in die Kommission gehören, eine Mehrzahl derselben aber von Uebel wäre". Am Schluß des Briefs stellte Kübel dann fest: „Am wenigsten Vertrauen habe ich auf reine Theoretiker". Kontrovers zwischen Kübel und Goldschmidt war endlich auch die Frage, ob die Kommission sich eng an das bestehende Recht halten, oder wie Kübel den Standpunkt von Goldschmidt formulierte, „alles ganz neu aufbauen" sollte. Auch in dieser Frage setzte sich Kübel durch. Goldschmidt entwarf dann das Kommissionsgutachten, das von der Kommission entsprechend den Wünschen Kübels in einigen Punkten noch abgeändert wurde41. Insbesondere wurde noch deutlicher herausgestellt, daß die Kodifikation sich dem geltenden Recht eng anschließen sollte, so daß Kübel nach Stuttgart schreiben konnte: „Die Vorschläge entsprechen in ihren wesentlichen Punkten dem von mir vertheidigten Plane und ich glaube, das Meinige nach bestem Wissen in der Kommission gethan zu haben."42 40

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Zum folgenden vgl. die Berichte von v. Kübel vom 28. 3. und 18. 4. 1874 in der Akte HStA Stuttgart 130a/819, Nr. 62, 65. Dazu im einzelnen unten, wo die Abweichungen der beiden Fassungen voneinander mitgeteilt sind. Auf eine ins einzelne gehende Interpretation dieses Gutachtens muß hier verzichtet werden (vgl. dazu Benöbr, JuS 1977, S. 79 ff., Schubert, Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, S. 13 ff.). Neumayr teilte nach München am 14. 4. 1874 (Bayr. HStA MJu 16107) mit, daß er zum Schluß allein für nur fünf bis sieben Kommissionsmitglieder plädiert habe, da auch von Kübel sich schließlich für neun Mitglieder ausgesprochen habe. Im folgenden seien noch Auszüge aus Briefen von L. Goldschmidt wiedergegeben, die mit den Berichten von v. Kübel nicht voll harmonisieren: Brief vom 18. 3. 1874 an seine Frau: „.. . Nach kurzer Ansprache überließ Minister Leonhardt uns unserem Schicksal, d. h. wir debattirten eine gute Stunde und einigten uns schließlich dahin, daß ich die zur Berathung geeigneten Punkte formuliren sollte. Uebermorgen wird dann die zweite Konferenz sein . . . Inzwischen werde ich die Berathungsgegenstände zu fixiren suchen und da ein Hauptangriff bedenklicher Art bereits abgeschlagen ist, so wird sich wohl Alles gut machen". Brief vom 20. 3. 1874 an seine Frau: „. . . Die Fortsetzung der Fußnote Seite 36 35

Entstehungsgeschichte des BGB Das von der Vorkommission am 15. 4. 1874 unterzeichnete Gutachten überwies der Bundesrat am 19. 4. 1874 dem Justizausschuß zur Begutachtung. Als Berichterstatter fungierte v. Liebe, der auch den Bericht des Ausschusses entwarf43. Es ist v. Liebes Verdienst, daß er die allzu konservative Tendenz des Gutachtens der Vorkommission abschwächte und im Bericht die zukünftige Kommission auf ihre vornehmlich gesetzgeberische, nicht bloß kompilatorische Aufgabe hinwies. In der Sitzung des Justizausschusses am 9. 6. 187444, wo das Gutachten der Vorkommission und der Bericht von v. Liebe gebilligt wurde, ließ dieser allerdings durchblicken, daß er die Ausarbeitung des Entwurfs durch einen einzigen Juristen vorgezogen hätte: „Wenn ein solcher existirte, auf den von selbst alle Blicke fielen, wäre dies vielleicht besser, aber ein solcher existire nicht; Herr von Waechter sei zu alt". Der Sitzung vom 9. 6. 1874 war ein längeres Tauziehen über die Zahl der Kommissionsmitglieder unter den Bundesstaaten vorausgegangen. Die kleineren Bundesstaaten wie Braunschweig und Lübeck plädierten für elf Mitglieder, ebenfalls Bayern, sofern gewährleistet wäre, daß es zwei von ihm benannte Juristen in die Kommission senden dürfte. Da auch Preußen einer Erhöhung der Mitgliederzahl von neun auf elf nicht abgeneigt war, einigte man sich im Ausschuß auf diese Zahl. Nachdem der Bundesrat die Gutachten der Vorkommission und des Justizausschusses am 22. 6. 187445 gebilligt hatte, stand die Wahl der Mitglieder an. Wenn von v. Liebe über die entscheidende Sitzung des Justizausschusses vom 30. 6. und des Plenums vom 2. 7. 1874 schreibt46: „Leider spielten bei der Wahl politische Rücksichten überhaupt eine große Rolle", so ist das insofern zutreffend, als nicht primär Personen zu wählen

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Verhandlungen gehen erträglich — die parcikularistische Seite ist durch Sachsen und Württemberg energisch vertreten, hat aber bisher nicht viel ausgerichtet .. .". Brief an Stobbe vom 8. 4. 1874: „.. . In der Gesetzgebungsfrage haben wir, hoffe ich, den Umständen nach den richtigen Weg eingeschlagen und wäre nur zu wünschen, daß man unserem Plan folgt...". Brief an Minister Jolly (Baden) am 9. 4. 1874: „.. . Bis auf die Zahl der Konferenzmitglieder dürfte der Entwurf Deinen Ansichten entsprechen; ich habe mich jedoch davon überzeugt, daß eine etwas größere Zahl von Mitgliedern gerade geeignet ist, eine ausreichende wissenschaftliche Vertretung in der Kommission herbeizuführen, nämlich der Art, daß die Redaktoren der Haupttheile hervorragende selbständige Kenner der Rechtstheorie sind. Alles kommt auf die Personalfragen an, und ich bitte Dich, Deinem Einfluß im Bundesrath dahin energisch geltend zu machen, daß nur ausgezeichnete Männer in die Kommission kommen. Von Romanisten würde ich Windscheid und Bruns für besonders geeignet halten, von Germanisten Roth und Laband oder Stobbe. Außerdem vielleicht Bahr (Ober-Appellationsgerichtsrath), Roßhirth, v. Kübel, v. Neumayr (München) und einige Andere. Ferner wäre zweckmäßig, daß nicht Berlin, sondern Leipzig Sitz der Kommission wäre; es könnte dann der Präsident des Reichsoberhandelsgerichts Pape Vorsitzender werden, was ich für besonders geeignet hielte, da es einer sehr energischen Leitung bedarf, Pape aber vortrefflich in jeder Beziehung qualifizirt ist. — Aus dem Entwurf wirst Du sehen, daß wir ganze und ordentliche Arbeit wollen — partikularistische Velleitäten habe ich schnell zurückgedrängt. . ." (zitiert nach L. Goldschmidt, Ein Lebensbild, als Manuskript gedruckt, Berlin 1898, S. 362-366). Unten S. 186 ff. — Auch dieses Gutachten kann hier im einzelnen nicht interpretiert werden (vgl. Schubert, a. a. O., S. 14ff.). Vgl. den Bericht von Krüger vom 8. 6. 1874 im StA Hamburg, l Aa l vol. l (Senatskommission für die Justizverwaltung), und von Türckheim im GLA Karlsruhe 233/13989 (hieraus das folgende Zitat). Auch in dieser Sitzung wurde von einigen bemerkt, es wäre am „erwünschtesten'1, „wenn einem Manne die Aufstellung des Entwurfs übertragen werden könne" (Bericht von Jolly nach Karlsruhe, GLA Karlsruhe, 233/13989). StA Wolfenbüttel, Bestand 19 B Neu (Civilgesetzbuch 1871-1881).

I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der l. Kommission

waren, weil die fünf größten Bundesstaaten in der Kommission vertreten sein mußten. Diese Staaten hatten in der Nominierung der Mitglieder freie Hand und entsandten deshalb Juristen in die Kommission, die ihnen als Vertreter ihrer Interessen am geeignetsten erschienen und die auch über einschlägige Erfahrungen auf gesetzgeberischem Gebiete verfügten. Bayern schickte neben Professor Roth als Germanisten den Ministerialrat Schmitt47, Sachsen den Oberappellationsgerichtspräsidenten Weher46*, der bereits am sächs. BGB mitgewirkt hatte, Württemberg den Obertribunalsdirektor Kübel, der maßgebend an der Ausarbeitung des Dresd. Entwurfs von 1866 beteiligt gewesen war, und Baden Windscheid und den Ministerialrat Gehhard, der an den Beratungen wichtiger Reichsgesetze in Berlin teilgenommen hatte, in die Kommission. Als Romanisten gewann Baden mit Windscheid ein Kommissionsmitglied, dessen Mitarbeit sich als außerordentlich fruchtbar und förderlich erweisen sollte. Aus den preußischen Rechtsgebieten kamen vier Mitglieder: Pape (Präsident des Reichsoberhandelsgerichts; vom Reich benannt), Johow, Kurlhattm und Planck, die, bis auf Johow, über mannigfache gesetzgeberische Erfahrungen verfügten, vor allem Pape, der bereits am ADHGB mitgearbeitet hatte. Statt Pape war wohl von preußischer Seite ursprünglich als Vorsitzender der Kommission Friedberg vorgesehen gewesen, der aber eine solche Wahl wiederholt abgelehnt hatte. Gegen die Wahl Papes allerdings hatten einige Staaten geltend gemacht, daß auf diese Weise das Reichsoberhandelsgericht vernachlässigt werden könnte, gegen die Wahl Plancks, daß dieser schon fast völlig erblindet sei. Planck bekam im Ausschuß nur fünf von sieben Stimmen, obwohl der preußische Staatsminister Friedberg wärmstens für ihn eingetreten war48. Damit hatte man Goldschmidt unberücksichtigt gelassen, was dieser zum Anlaß nahm, im Juli 1874 an Fitting zu schreiben: „Daß ich nicht, wie allgemein angenommen und auch von mir geglaubt wurde, Mitglied der Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch geworden bin, verschmerze ich für meine Person sehr leicht und mag der Sache nur förderlich sein, allein zu der schweren Kränkung, welche in der Nichtwahl liegt, habe ich keinen Anlaß gegeben."49 Umstritten war im Ausschuß das elfte Kommissionsmitglied. Von Preußen wurde die Wahl von Gustav Derscheid vorgeschlagen. Der aus Trier stammende Jurist war seit 1871 Rat am Appellationsgericht im Kolmar50 und sollte in der Kommission das französische und rheinische Recht vertreten. Damit wären die preußischen Rechtsgebiete durch fünf Juristen vertreten gewesen, während die kleineren Staaten keinen einzigen Juristen in der Kommission gehabt hätten. Außerdem wurden Bedenken gegen die fachliche Qualifikation der rheinischen Juristen laut. So schrieb v. Liebe nach Braunschweig, daß „die blos französischen und rheinischen Juristen meist theoretisch außerordentlich schwach" seien. Das französische Recht sei auch den badischen Juristen a

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Nach dem Tode von Weber wurde der Sachse Rüger in die l. Kommission gewählt (Protokoll der Bundesratssitzung vom 28. 3.1888, § 218). Bayern war auf die Nominierung von Kommissionsmitgliedern in keiner Weise vorbereitet. Zunächst war Wilhelm v. Behringer, Appellationsgerichtsrat in Augsburg (später Nachfolger Schmitts im Justizministerium), vorgesehen. Man wollte Schmitt wohl ursprünglich nicht in die Kommission entsenden, weil man ihn für die laufenden Geschäfte besonders in Berlin zur Verfügung haben wollte. Schmitt nahm die Wahl „unter einer Voraussetzung" an, ohne daß diese im einzelnen bekannt ist (vgl. die z. T. telegraphisch geführten Verhandlungen in der Akte des Bayr. HStA München, Abt. I, MJu 16107). Vgl. den Bericht des badischen Bevollmächtigten Türckheim im GLA Karlsruhe, 233/13989, ferner den Bericht von Krüger (StA Hamburg I A a l vol. 1). Goldschmidt, Ein Lebensbild, S. 366 - 367. Seit 1. 11. 1874 Präsident des Landgerichts Kolmar. 37

Entstehungsgeschichte des BGB

bekannt, ganz unbewandert sei im übrigen darin niemand. Da auch die Mittelstaaten Preußen nur zum Teil unterstützten, fiel Derscheid im Ausschuß durch. Zur Wahl standen ein hessisch-darmstädtischer, ein thüringischer oder ein mecklenburgischer Jurist51. Keiner fand die Mehrheit. Eine Mehrheit bekam schließlich der Hamburger Richter und bekannte Partikularrechtler Hermann Baumeister52. Mit dieser Entscheidung des Ausschusses gab sich Preußen nicht zufrieden53. Im Plenum des Bundesrates, das in einer sehr unerfreulichen Sitzung am 2. 7. 1874 zunächst die ersten zehn vom Ausschuß nominierten Juristen zu Kommissionsmitgliedern wählte, benannte Preußen statt Baumeister erneut Derscheid. Einen Austausch gegen Planck lehnte Leonhardt entschieden ab. Für den preußischen Justizminister waren keine fachlichen, sondern lediglich politische Gesichtspunkte entscheidend54. Es zeige sich unter den Juristen und Laien des Rheinlandes besonders in der jungen Generation in neuerer Zeit ein erfreulicher Rückgang von der früher fast allgemeinen Anschauung, als ob nur in französischen Rechtsinstitutionen ein wünschenswerter Zustand zu erblicken sei. Bei der Empfindlichkeit und Lebhaftigkeit der Rheinländer könne man aber damit rechnen, daß alsbald wieder die entgegengesetzte Meinung sich durchsetzen werde. Es würde Unruhe in Preußen und im Reichstag entstehen, wenn kein praktisch tätiger Jurist aus dem französischrechtlichen Gebiet in der Kommission vertreten sei. Die sieben Millionen Rheinländer hätten außerdem Anspruch auf zwei Vertreter in der Kommission. Da Preußen gegen die Kandidaten der süddeutschen Staaten keine Einwendungen erhoben hatte, stimmten diese nunmehr geschlossen für Derscheid, so daß Baumeister gegen die Stimmen Sachsens und fast aller kleineren Staaten abgelehnt war. Da über die rechtspolitischen Ansichten der Kommissionsmitglieder bisher wenig bekannt geworden ist5 , dürfte von Interesse sein und zumindest für die Vertreter der Mittelstaaten zutreffen, was Franz von Kübel56 zum „Reichszivilgesetzbuch" in dem von ihm herausgegebenen Württembergischen Gerichtsblatt geschrieben hat: „An sich möglich ist natürlich jede Aenderung, man kann schließlich überall durchgreifen und neues Recht im Wege der Gesetzgebung schaffen; aber es dürfte dies doch nicht die Aufgabe des Gesetzgebers sein, der ein nationales deutsches Gesetzbuch herstellen will und soll. Man wird dasselbe vielmehr aufbauen müssen auf dem Bestehenden, man wird die Rechtsentwicklung in den verschiedenen Theilen Deutschlands thunlichst beriick51

Und zwar Weber (Hof gerichtsrat), Amsberg (Mecklenburg) und Agricola (Thüringen): vgl. den Bericht von Türckheim über die Sitzung vom 30. 6. 1874 (GLA Karlsruhe 233/13 989). H. Baumeister (1806—1877) hat die hamburgische Verfassungsentwicklung und die hamburgische Gesetzgebung sehr stark im liberalen Sinne beeinflußt. Er stand, im Gegensatz zu den tatsächlich gewählten jüngeren Kommissionsmitgliedern, der Pandektenjurisprudenz fern. Von ihm stammt das einflußreiche Werk: „Das Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg", 2 Bde., Hamburg 1856. Die Vorwürfe Leonhardts (vgl. Anm. 53) entbehrten jeder Grundlage, soweit sie Baumeister betrafen. 53 Das erfuhr der hanseatische Gesandte Krüger (vgl. Bericht vom l. 71874, StA Hamburg, IA a l vol. 1) von Leonhardt. Dieser gab Krüger zu bedenken, daß Hamburg „in den die Justiz betreffenden Fragen zu sehr am Alten hänge und in der Kommission mehr hindernd als fördernd wirken" würde. Auch das hohe Alter von Baumeister führte Leonhardt ins Feld. 54 Vgl. die ausführlichen Bericht« von Krüger (Lübeck) im StA Hamburg unter I A a l vol. l;von Hess (Württemberg) im HStA Stuttgart (E 131 a/819) und des bayer. Vertreters im Geh. StA München (MA 76 707/1); unten C. IV. 1. Auch die von Planck müßten vor allem an seinen Parlamentsreden etc. noch analysiert werden. Über Kübel vgl. meinen Aufsatz: Franz von Kübel und Württembergs Stellung zur Lex Lasker, Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, Jg. 1975/76; erschienen 1978; ferner unten S. 75 ff. 38

I. Die Lex Lasker und die Einsetzung der l. Kommission sichtigen, und das Recht, wie es sich im deutschen Verkehrs- und Rechtsleben gestaltet, zu kodifizieren und festzustellen haben, wobei selbstverständlich eine Umbildung an der Hand der Erfahrung und eine sich hieran knüpfende Feststellung neuer aus dem Rechts- und Verkehrsleben sich ergebender Prinzipien nicht ausgeschlossen ist"57. Kübel hatte sich bereits 1872 gegen den Antrag von Lasker gewandt und vorerst ein nationales Obligationenrecht befürwortet58. Seiner Ansicht nach hatte der Antrag zum Ziel, aus politischen Gründen die gesamte Privatrechtsgesetzgebung zur Reichssache zu machen59. Hierfür liege „kein Bedürfniß vor, während für die deutschen Länder aus einer sofortigen vollständigen Uniformirung des Rechts empfindliche Nachtheile zu befürchten ständen". Insbesondere das Immobiliarsachen-, Familien- und Erbrecht könne man nicht kodifizieren, ohne „Verwirrung und Unzufriedenheit zu erregen und schwere Unzuträglichkeiten und Mißstände herbeizuführen". Die „große Frage eines das gesammte Privatrecht umfassenden gemeinsamen deutschen Gesetzbuchs" sollte vorerst noch der Zukunft vorbehalten bleiben. Die Grenzen, wie sie Art. 4 Nr. 13 der Verfassung der Reichsgesetzgebung bis 1873 gezogen hatte, bestanden seiner Ansicht nach zu Recht, da nur so die „Ueberschüttung mit dem im Reichstage so betitelten .Goldregen' von Gesetzen etwas nachlassen werde"60. Voraussetzung für eine gemeinsame Reichsgesetzgebung war für ihn eine „Uebereinstimmung der wirtschaftlichen Bedürfnisse und der Ansprüche und Anschauungen des Rechtslebens". Seine Ansicht formulierte er 1872 dahin: „Keine allgemeine Kompetenzerweiterung zum Zwecke willkürlicher Einzelgesetzgebung; dagegen Aufnahme solcher Bestimmungen in die Reichsverfassung, welche die Durchführung einer dem Bedürfnisse entsprechenden Kodifikation des Privatrechts ermöglichen. Das vorzüglichste Bedürfniß besteht in der Regelung des bürgerlichen Verkehrsrechts in Gemeinschaft mit einem allgemeinen Theile. In den anderen Gebieten liegt ein Bedürfniß nicht in diesem Grade und nicht in allen Theilen vor, vielmehr sind hier wesentliche Ausnahmen und ein theilweises Zurücktreten des Reichsrechtes in die Stellung eines subsidiären Rechtes erforderlich. Die Feststellung der hierfür leitenden Gesichtspunkte und der Grenzen für die Reichsgesetzgebung muß der Kompetenzregulirung zwischen der Reichs- und der Landesgesetzgebung vorangehen". Nehme man aber ein umfassendes Zivilgesetzbuch in Angriff, so würde dessen Fertigstellung Jahrzehnte dauern, während sich ein gemeinsames Obligationenrecht in relativ kurzer Zeit schaffen lasse. Wie richtig Kübel damit die künftige Entwicklung einschätzte, sollte die Folgezeit beweisen. So hatte das Vorgehen des Bundesrates in der Kodifikationsfrage für die Entwicklung des Zivilrechts in Deutschland weitreichende Konsequenzen, die allerdings wohl nur zum Teil beabsichtigt waren. Die Zusammensetzung der l. Kommission war die beste Garantie dafür, daß der Entwurf das geltende Recht nur harmonisierte, also keine grundsätzlichen gesetzespolitischen Neuerungen bringen würde. Daß die l. Kommission auf die sozialpolitischen Strömungen insbesondere der achtziger Jahre fast gar nicht eingegangen war, wurde ihr später von Gierke, Menger und anderen Juristen und Politikern vorgeworfen. Indessen sollte man nicht vergessen, daß aus diesen Strömun57 58

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Württ. Gerichtsblatt, Heft l (Herbst 1874} im Jg. 9 (1875), S. 5. Wegen der Stellungnahmen von v. Kübel zur Kodifikationsfrage vgl. Württ. Archiv für Recht und Rechtsverwaltung, Bd. 4 (1861), S. 454; Bd. 9 (1867), S. 226ff., 454ff.; Bd. 11 (1868), S. 292ff.; Zeitschrift für Versicherungsrecht von Malß, Bd. l (1866), S. 322ff.; vgl. auch Schubert, a. a. O. (wie Fn. 56). Württ. Gerichtsblatt, Bd. 5 (1872), S. 309f. (in der Fn.), hierauch das folgende Zitat. Württ. Gerichtsbl., Bd. 6 (1873), S. 11 (erschienen im Juni 1872); das folgende längere Zitat auf S. 13. 39

Entstehungsgeschichte des BGB

gen ein gesetzespolitisches Programm erst erwachsen war, nachdem die Kommission die entscheidenden Weichen für ihre Arbeit schon gestellt hatte. Daß der Entwurf aber nicht nur nicht auf die neueren sozialpolitischen Strömungen einging, sondern stärker als alle bisherigen deutschen Kodifikationen und Entwürfe liberales Gedankengut enthielt, ist wohl letztlich auf das Übergewicht der norddeutschen, insbesondere preußischen Juristen in der Kommission zurückzuführen. Die süd- und mitteldeutschen Staaten, in denen sich der Wirtschaftsliberalismus nicht so stark durchgesetzt hatte wie in Preußen, hätten den liberalen Tendenzen bei der Abfassung des BGB nur entgegenwirken können, wenn sie befähigtere Juristen, als es Schmitt, Roth, Kübel, Gebhard und Weber waren, in die Kommission entsandt hätten. So ließen sich zum Beispiel Mehrheiten für die Einführung von Formvorschriften nur schwer finden, wie die Entstehungsgeschichte des § 313 BGB eindrucksvoll belegt. Hinzu kam noch, daß die gesellschaftspolitisch wichtigen Materien des Sachen- und Familienrechts in die Hände von preußischen Redaktoren gelegt wurden, womit die Entscheidung für das neuere preußische Recht der frühen siebziger Jahre praktisch präjudiziert war. Im übrigen hat der Verzicht auf Einzelgesetze, den der Bundesrat mit der Zustimmung zur Verfassungsänderung gegenüber dem Reichstag stillschweigend durchgesetzt hatte, dazu geführt, daß eine kontinuierliche Modernisierung und Weiterentwicklung des bürgerlichen Rechts durch die parlamentarischen Instanzen insbesondere durch den Reichstag zunächst unterblieben ist. Auf der anderen Seite war auch nicht zu erwarten, daß diese Aufgaben von der l. Kommission gelöst wurden, die sich bewußt größte Selbstbeschränkung auferlegte, indem sie fast allen gesellschaftspolitisch relevanten Fragen aus dem Wege ging und auf die Spezialgesetzgebung verwies, ja selbst bestehende Spezialgesetze, wie das Reichshaftpflichtgesetz von 1871, unangetastet ließ. In welchem gesellschaftspolitischen Vakuum die Verfasser des 1. Entwurfs sich zuletzt befunden haben, wird durch nichts so deutlich belegt, wie durch die scharfe Kritik, die in den Jahren 1888 und 1889 von allen politischen und weltanschaulichen Richtungen am 1. Entwurf geübt wurde. Eine der Gründe für die Herausbildung von Sonderprivatrechten außerhalb des BGB insbesondere in unserem Jahrhundert ist in dem Streben der BGB-Kommissionen zu sehen, so etwas wie ein überzeitliches und vermeintlich politisch neutrales Privatrecht zu schaffen. Freilich sollte man auf der anderen Seite nicht verkennen, daß eine Integration der politischen Strömungen in das allgemeine Privatrecht dessen stärkere Politisierung zur Folge gehabt hätte und ein noch schnelleres Altern der Kodifikation bewirkt haben würde. II. Die Arbeit der 1. Kommission Die Kommission konstituierte sich am 17. 9. 1874 und legte in den sieben folgenden vorbereitenden Sitzungen61 die Grundzüge der Einteilung des künftigen Gesetzbuchs fest. Für die Redaktoren stellte sie auf Kübels Vorschlag hin bestimmte Arbeitsgrundsätze auf. In der Auswahl der Redaktoren schloß sich die Kommission den Vorschlägen Papes an, der seine Entscheidung in einem ausführlichen Schreiben vom 2. 10. 1874 an das Reichskanzleramt rechtfertigte62: „Sollte das der Kommission anvertraute Werk in nicht allzu ferner Zeit gelingen und den berechtigten Anforderungen genügen, so sei

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Die gesamten Materialien dieser Vorberatungen sind in diesem Band publiziert (Quellemeil D.I.) Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizministerium Nr. 3872, vollständig abgedruckt in diesem Band.

II. Die Arbeit der 1. Kommission bei der Wahl der Redaktoren nothwendig Bedacht darauf zu nehmen, daß dieselben . . . möglichst vollkommen durch die Praxis vertraut geworden seien, einestheils mit dem in den einzelnen Staaten und Staatsgebieten zur Zeit geltenden materiellen Zivilrecht und anderntheils mit den staatlichen, wirthschaftllichen und socialen Verhältnissen, welche auf jenes Recht einen Einfluß geübt haben und bei der Kodifikation oder Reform desselben die sorgfältigste Berücksichtigung verdienen." Aus einer Analyse der in Deutschland vertretenen Rechtssysteme folgte für Pape, daß als Redaktoren zu berufen seien ein gründlicher Kenner 1. des preußischen Rechts im engeren Sinne, 2. des französischen Rechts, 3. des bayerischen Rechts, 4. des württembergischen Rechts und 5. des Rechts der neuen Landesteile Preußens. Eingehend rechtfertigte er seine Entscheidung, daß er keinen sächsischen Juristen als Redaktor vorgeschlagen habe. Das sächsische Recht bedurfte seiner Meinung nach am wenigsten eines Vertreters, weil es in einer Kodifikation vorlag und jeder Redaktor sich deshalb leicht mit ihm vertraut machen konnte. Was die Personenfrage anging, so erschien Pape für das Sachenrecht der preußische Kammergerichtsrat Johow für sehr geeignet, „weil das Preußische Recht für das moderne Deutsche Immobiliarrecht grundlegend geworden und von der Preußischen Gesetzgebung auf dem Gebiete des letzteren nach umfassenden Vorarbeiten Reformen durchgeführt worden sind, welche für das Deutsche Civil-Gesetzbuch den größten Werth haben und ernsteste Beachtung verdienen". Für das Schuldrecht hatte er Kübel ausersehen, weil dieser sich am Dresdner Entwurf „in hervorragender Weise" beteiligt habe. „Die Ausarbeitung des schwierigen Familienrechts und des vielleicht noch schwierigeren Erbrechts", so schreibt Pape, „durfte nur gründlichen Kennern des deutschen Rechts anvertraut werden". Das Familienrecht wies er Planck zu, während er das Erbrecht Schmitt übertrug, wohl um den nach Preußen größten Bundesstaat Bayern von Anfang an in dieser rechts- und sozialpolitisch wichtigen Rechtsmaterie zu beteiligen, damit in den späteren Beratungen keine allzu großen Schwierigkeiten auftauchten. Da ein zweiter preußischer Jurist als Redaktor nicht in Betracht kam, mußte Gebhard als Vertreter des französischen Rechts der Allgemeine Teil übertragen werden, keine sehr glückliche Entscheidung, da das französische Recht einen Allgemeinen Teil im Sinne des deutschen Pandektenrechts nicht kannte. So mußte sich der ohnehin schon stark gemeinrechtlich interessierte Gebhard fast ausschließlich am gemeinen Recht orientieren. Da auch Derscheid später kaum französische Rechtsgedanken in die Kommissionsberatungen einbrachte, war der französischrechtliche Einfluß auf den ersten Entwurf sehr gering. Die Redaktoren waren nach der Instruktion61 der Gesamtkommission verpflichtet, sich in regelmäßigen Sitzungen „über Form und Inhalt ihrer Arbeiten zu besprechen und gegenseitig zu verständigen und hierdurch eine möglichst einheitliche Auffassung und Formgebung sowie eine erschöpfende Behandlung des Gesetzgebungsstoffes zu erstreben". Zu den Gegenständen, über welche sich die Redaktoren zu verständigen hatten, gehörten „insbesondere Form und Sprachweise des Gesetzbuchs, sowie die für das Ganze oder doch für mehrere Haupttheile der Arbeit maßgebenden Grundsätze und systematischen Anordnungen und die Bestimmung zweifelhafter Grenzen der den einzelnen Redaktoren zugewiesenen Gebiete". Nach Beendigung der erforderlichen Vorarbeiten sollten die Redaktoren die Entscheidung der Gesamtkommission über die grundlegenden Fragen herbeiführen. Dieses Programm ist nur unvollständig verwirklicht worden. Jeder Redakteur war so stark mit der eigenen Materie befaßt, daß er es

Sie ist in diesem Band vollständig publiziert und beruht auf Beschlüssen der Kommission (Quellenteil D. I). 41

Entstehungsgeschichte des BGB

ablehnte, sich in fremde Rechtsgebiete einzuarbeiten64. Am zeitraubendsten war die Stoffsammlung, da sich kein Redaktor an eine bestehende Kodifikation anlehnen durfte. Die Redaktorenkonferenzen, die anfangs wöchentlich, später nur noch alle zwei bis drei Wochen stattfanden, beschränkten sich immer mehr auf Fragen der Terminologie und auf geschäftliche Mitteilungen65. Am häufigsten brachten noch Schmitt und Johow materiellrechtliche Probleme zur Sprache. Über diese Beratungen, die man lediglich als Meinungsaustausch betrachtete, enthalten die Protokolle der Redaktorenkonferenzen nur selten Einzelheiten. Auch die Gesamtkommission wurde nicht gleichmäßig von allen Redaktoren systematisch mit den grundlegenden Fragen befaßt. Die umfangreichsten Vorlagen stammen von Johow und Schmitt sowie von Planck, während Kübel und Gebhard der Kommission nur Fragen vorlegten, die sie gerade bearbeiteten. Insgesamt gesehen bedeutete die Verpflichtung, für die Hauptkommission Vorlagen ausarbeiten zu müssen, für die meisten Redaktoren eine Verzögerung ihrer Arbeit. Die Gründe für die lange Dauer der Vorarbeiten versuchte Pape in mehreren Berichten an den Reichskanzler zu rechtfertigen. „Es galt", so schrieb er 187966, „das innerhalb des Deutschen Reichs bestehende, in mancher Hinsicht sehr abweichende Recht mit Zuverlässigkeit zu ermitteln, eine nicht geringe Zahl von Rechtsinstitutionen in ihren verschiedenen Gestaltungen sowie die thatsächlichen Verhältnisse, welche die abweichenden Entwickelungen und Ausgestaltungen hervorgerufen haben, zu ergründen, sorgfältig zu prüfen und zu erwägen, inwiefern hinsichtlich des einen oder anderen Rechtsinstituts ohne wesentliche und empfindliche Nachtheile und ohne schädliche Einwirkung auf die Landesverfassung und das öffentliche Recht für dieses oder jenes Gebiet ein einheitliches Recht sich begründen lasse, bei fast allen Materien auf die in Deutschland herrschenden, in weitem Umfange verschiedenartigen großen Rechtssysteme einzugehen behufs Vorbereitung der Entscheidung, welchem Systeme zu folgen sei, für eine große Zahl von rein juristischen Fragen über den gegenwärtigen Stand der Rechtswissenschaft vollständigen Aufschluß zu gewinnen, bei der Benutzung der neueren wissenschaftlichen Forschungen mit weiser Vorsicht zu verfahren und vor gefährlichen Neuerungen sich zu hüten, und wegen der unmeßbaren Vortheile, welche, wie in der neuren Zeit zur Genüge erkannt ist, für den Gesetzgeber aus der vergleichenden Rechtswissenschaft entspringen, auch das ausländische Recht in größtem Umfange zu erforschen". Der Hilfsarbeiter Johows Viktor v. Liebe umschrieb die Schwierigkeiten bei der Aufstellung der Teilentwürfe wie folgt67: „Die neueren Gesetzgebungen sowie auch die

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So Schmitt in seinem Bericht nach München vom 24. 10. 1877 im Bayer. Hauptstaatsarchiv München, MJu 16108. Schmitt sandte insgesamt 150 Berichte nach München, von denen einige aus den Jahren 1875 bis 1879 fehlen. Sie geben in einige Interna der Kommissionsberatungen Einblick. — Die Verpflichtung der Redaktoren, Vorlagen für die Hauptkommission zu erstellen, erwies sich zudem als sehr lästig. Dies hatte Kübel bereits im Herbst 1875 (Württ. Archiv, Bd. 10, S. 33) erkannt: „Die Ausführung dieser Vorschrift dürfte übrigens besondere Schwierigkeiten haben, da die Aufstellung leitender Prinzipien ohne vorherige Durchführung des Prinzips im Einzelnen in vielen Fällen zu keinem entscheidenden und befriedigenden Ergebniß wird führen können". Die Protokolle der Redaktorenkonferenzen befinden sich im Zentralen Staatsarchiv Potsdam und werden, soweit sie von sachlichem Interesse sind, in diesem Band wiedergegeben (Quellenteil D. II). Veröffentlicht als Bundesratsdrucksache Nr. 184 der Session 1879/1880. Dieser Bericht und die anderen Berichte von Pape sind in diesem Band wiedergegeben (Quellenteil D. IV). Nieds. Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 A NeuFb 3, 42; Brief vom 14.7.1878 nach Braunschweig.

II. Die Arbeit der 1. Kommission

Doktrin gehen so auseinander, daß es rein unmöglich ist, sich darauf zu beschränken, daß man eine mittlere Proportionale des gegenwärtig geltenden Rechts zieht. Man wird gedrängt, seinen eigenen Weg zu gehen: nur bleibt die ewige Grundlage das römische Recht. Bei der Divergenz und Unvollkommenheit der neueren Gesetzgebungen, unter denen die Leute überall sich ganz wohl befinden, muß man zweifeln, ob es auf das bürgerliche Recht strict ankommt. Wer auswanden, fragt niemals, welches Recht drüben gelte. Bei alledem lastet auf den Redaktoren und auch den unter ihnen stets mit ziemlichem Spielraum arbeitenden Hilfsarbeitern eine Last und Verantwortung, mit welcher die Verantwortlichkeit für eine einzelne Entscheidung in der Praxis nicht zu vergleichen ist. Dabei ist noch eine Schwierigkeit, daß ein Jeder in seinem Stollen arbeitet, ohne von der Substanz, welche die anderen nehmen, eine hinreichend genaue Kenntnis zu haben"68. Die Teilentwürfe für den Allgemeinen Teil von Gebhard, für das Sachenrecht von Johow, für das Familienrecht von Planck und für das Erbrecht von Schmitt lagen zu Beginn der jeweiligen Hauptberatungen vor. Auf diese Teilentwürfe wird, soweit erforderlich, in den Einleitungen zu den folgenden Bänden einzugehen sein. Über vier der Redaktoren, nämlich Gebhard, Johow, Planck und Schmitt ist kürzlich im Rahmen von Monographien zur Entstehung von Teilen des BGB näheres bekannt geworden69. Eine umfassendere Würdigung dieser Persönlichkeiten ist erst möglich, wenn ihre Arbeiten an den BGB-Entwürfen mit dieser Edition voll überschaubar sind. Dagegen ist der Redaktor des Obligationenrechts, Franz von Kübel, noch immer so gut wie unbekannt. Noch immer herrscht über seine Beteiligung an den Arbeiten der 1. Kommission große Unklarheit70. Es ist deshalb gerechtfertigt, im Rahmen der Entstehungsgeschichte des BGB auf Kübel etwas näher einzugehen, zumal die Edition mit den Materialien zum Schuldrecht beginnt. Franz von Kübel starb zwar kurz vor Beendigung der Beratungen des Obligationenrechts, ohne daß er der Kommission einen vollständigen Teilentwurf vorgelegt hätte. Von ihm stammen aber immerhin alle Vorlagen zu den Materien der heutigen „Allgemeinen Lehren" des Schuldrechts und zu folgenden Materien des „Besonderen Schuldrechts'': Kauf, Tausch, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag, Darlehen, Anweisung, unerlaubte Handlungen (ohne Spezialdelikte), Inhaberpapiere, Verpflichtung zur Leistung des Offenbarungseides sowie ferner Vorlagen über die Erfordernisse zur Eingehung eines Vertrages (Willenserklärung, Gegenstand der Verträge, Form der Verträge). Außerdem sei noch auf v. Kübels Vorlagen für die Gesamtkommission in den Jahren 1875 — 1879 hingewiesen: Schließung von Verträgen der in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, Viehmängel (zwei Vorlagen), Form der Verträge, Tragung der Gefahr beim Kauf, Natürliche Verbindlichkeiten, Zession von Forderungen, Vertragsantrag, das einseitige Versprechen als Grund der Verpflichtung zur Erfüllung (Auslobung, Versprechen zu Händen Dritter, Inhaberpapiere), Gesamtschuldverhältnis. Schließlich hat Kübel noch während der Kommissionsberatungen vollständige Entwürfe zur Miete, Pacht, Leihe sowie zum Dienstvertrag und zu Teilen des Gesell-

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v. Liebe weist dann noch darauf hin, daß die Zusammenfügung der Teilentwürfe noch ein sehr schwieriges Problem sein werde. Windscheid sei als „Zusammenfeger" in Aussicht genommen worden. Pape dränge beständig auf Fertigstellung der Teilentwürfe. Über Gebhard vgl. Kögler, Arbeiterbewegung und Vereinsrecht, 1974, S. 54ff.; Vormbaum, Die Rechtsfähigkeit der Vereine im 19. Jh., 1976, S. 131 ff.; über Schmitt Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970, S. 7ff.; über Johow und Planck, Schubert, a. a. O., S. 20ff. Vgl. Honseil, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Rechtsgeschäfte, 1974, S. 98; Leser, Der Rücktritt vom Vertrage, 1975, S. 32 (Fn.). 43

Entstehungsgeschichte des BGB

schaftsrechts als Anträge vorgelegt, diese aber nicht mehr detailliert begründen können71. Wenn Windscheid nach dem Tode Kübels an Planck schrieb, Kübel habe „keinen Werth für die Commission" gehabt72, dürfte dieses Urteil wohl nur zum Teil zutreffend sein. Kübel hat zwar wegen lang andauernder Krankheit an den Beratungen der Kommission nicht regelmäßig teilnehmen können. Während der Beratungen sind, nicht zuletzt unter dem Einflüsse Windscheids, seine Vorlegen formal, manchmal auch materiellrechtlich tiefgreifend umgestaltet worden73. Dies mag damit zusammenhängen, daß Kübels Gesetzgebungstechnik noch stark dem Dresdener Entwurf verpflichtet war und im Vergleich zur neueren Gesetzgebung Preußens und des Reichs umständlich und veraltet gewesen sein dürfte. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, daß die Redaktoren Johow, Planck und Schmitt nicht mehr mit den Anträgen von Windscheid konfrontiert waren und ihre Vorlagen aufgrund der bisherigen Beratungen weitgehend neu formuliert haben. Kübel war, wie aus einem Urteil von Pape hervorgeht, eine wissenschaftlich profilierte und originelle Persönlichkeit: „Der Redaktor des Obligationenrechts ist ein eminenter Jurist; er zeichnet sich nicht weniger durch ungewöhnliche theoretische Ausund Durchbildung als durch praktische Erfahrungen aus"74. Seine Vorlagen und noch mehr seine Begründungen hierzu, in denen er in sehr dezidierter Weise seine rechtspolitischen Vorstellungen niederlegte75, haben das Schuldrecht des BGB wohl stärker beeinflußt, als den unmittelbar beteiligten Kommissionsmitgliedern, die über Kübels zögernde Arbeitsweise und sein Fehlen in vielen Kommissionssitzungen verärgert waren, bewußt gewesen ist. Kübel76 galt, als er in die l. Kommission berufen wurde, in Württemberg als hervorragender Praktiker und Theoretiker. Als Direktor des Civilsenats des Stuttgarter Obertribunals hat er die württembergische Rechtsprechung maßgeblich beeinflußt. Mehr als andere Kommissionsmitglieder hatte er ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Praxis, was beim Schuldrecht um so notwendiger war, da es hier die zahlreichen gemeinrechtlichen Kontroversen abzuschneiden oder zu entscheiden galt. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten, die fast ausschließlich in württembergischen Zeitschriften erschienen sind, aber auch außerhalb Württembergs Beachtung gefunden hatten, befaßte er sich schon früh mit schuldrechtlichen Materien, u. a. mit der Lehre vom Irrtum und von der condictio indebiti77. Als sein Lebenswerk sind die umfangreichen Motive zum TE des Obligationenrechts, soweit er sie hat fertigstellen können, anzusehen. Für sie gilt, was Sarwey über Kübels literarische Arbeiten gesagt hat, nämlich, daß sie „durch eine vollständige Beherrschung des Stoffs, durch eine seltene, keine Erscheinung übersehende Kenntniß der Literatur, durch Schärfe des Unheils, eine streng wissenschaftliche, 71

Alle diese Vorlagen werden mit der Herausgabe der Quellen zum Allgemeinen Teil und zum Schuldrecht erstmals vollständig überschaubar sein. 72 Windscheids Brief an Planck vom 14. 1. 1884 (abgedruckt bei Schubert, ZRG, Rom. Abt., Bd. 95). Vgl. etwa Windscheids Einfluß auf das Bereicherungsrecht des E I (Schubert, ZRG, Rom. Abt., Bd. 92 [1975], S. 186-233). 74 Pape in seinem Bericht an den Reichskanzler am 12. 11. 1879 (vgl. unten S. 292). 75 Es ist zu bedauern, daß von Kübels Begründungen im allgemeinen nur sehr wenig in die Motive Eingang gefunden haben (vgl. etwa seine eigenen Ausführungen zum Vertrag zugunsten Dritter gegenüber den dürftigen Ausführungen in den „Motiven"). 76 Zur Biographie Kübels vgl. die Würdigungen von Eugen Kübel und Sarwey im Württembergischen Archiv, Bd. 23 (1882), Anhang S. I - XV. 77 Kübel in der Monatsschrift für die Justiz-Pflege in Württemberg, Bd. 20 (l 855), S. 184-265.

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II. Die Arbeit der 1. Kommission

doch die Bedürfnisse des Rechtslebens gleichmäßig berücksichtigende Methode und eine nie versagende Eleganz seiner Darstellung ausgezeichnet sind . Da die Motive zu den Teilentwürfen zum Teil in die auch heute noch benutzten Motive zum 1. Entwurf Eingang gefunden haben, ist Kübels Einfluß auf das heutige Rechtsleben noch nicht erloschen. Wie gewissenhaft Kübel vorging, beweist z. B. die Tatsache, daß er drei Monate an der Geschäftsführung ohne Auftrag gearbeitet hat. Seine wichtigste Aufgabe sah er in der Beherrschung der Literatur, was er auch in seinem Bericht an Pape aus dem Jahre 187979 als den Hauptgrund des langsamen Fortschreitens der Arbeit bezeichnete. Alles in allem war Kübel ein zutiefst konservativer, im territorialen Rechtsleben verwurzelter Jurist, der, wie überhaupt die Juristen der Mittelstaaten, gegenüber den »progressiveren", aber durchaus nicht immer sozialer eingestellten Juristen Preußens, in der Kommission keinen leichten Stand haue. Kübel hatte seine Ansichten über die Aufgaben der Kodifikation des Zivilrechts in einem Gutachten für die württembergische Regierung bereits im Jahre 1872 niedergelegt80. Hier setzte er sich mit den Vorgängen in Berlin auseinander: „In bedenklicher Weise haben politische Ansichten und Zeitströmungen auf manche Gesetze eingewirkt und die in einzelnen Gesetzen um der sozialen Frage willen hervortretende Berücksichtigung der Arbeiter und Bediensteten hat81, wie selbst Endemann, der sonst so beredte Vertheidiger der Reichskompetenz hervorhebt, ihre ernste Kehrseite. Nirgends ist es aber m. E. unstatthafter und schädlicher, als im Gebiete des Civilrechts, wenn die Gesetzgebung von einer Zeitströmung beeinflußt wird". Freilich konnte sich auch Kübel dem liberalen Zeitgeist nicht ganz entziehen, indem er manche heute als notwendig empfundene Differenzierung im Schuldrecht den „Bedürfnissen des Verkehrslebens" opferte und z. B. für die Formfreiheit eintrat. Die Hauptberatungen der 1. Kommission begannen am 1. 10. 1881, ohne daß der Schuldrechts-Teilentwurf abgeschlossen war. Kübel konnte aber bis 1882 wenigstens die „Allgemeinen Lehren" und einige wichtige Teile des Besonderen Teils zu Ende führen. Für den Rest legte die Kommission den Beratungen den Dresdner Entwurf82 und eine von den Hilfsarbeitern angefertigte Materialzusammenstellung zugrunde. Nach einem Kommissionsbeschluß vom 13. 12. 188283 sollten v. Liebe die Materialien zum Anerkenntnisvertrag, zum Kauf und Tausch84, Börner zur Schenkung und Struck mann zur Miete, Pacht, Viehverstellung und Gebrauchsleihe zusammenstellen. Diese Zusammenstellungen der Hilfsarbeiter sollten Auskunft geben über die Motive, auf denen die Bestimmungen des Dresd. Entwurfs beruhten, über das geltende Recht, über den Inhalt der neueren Entwürfe und über den gegenwärtigen Standpunkt der Doktrin und Praxis. Die Autorenschaft der übrigen Zusammenstellungen85 ließ sich bis jetzt noch nicht abschließend klären.

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Sarwey im Württem bergischen Archiv für Recht und Rechtsverwaltung, hrsg. von Kübel und Sarwey, Bd. 23 (1882), erschienen 1884 S. VIII (Anhang). Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizministerium Nr. 3872. Das Gutachten befindet sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 130a/819: hier auch das folgende Zitat. Die wichtigsten Teile des Gutachtens habe ich 1978 in der „Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte" publiziert. Kübel meinte hier die Gewerbeordnung und das sog. Schadensgesetz. Das allzu zeitbedingte Urteil Hedemanns über diesen Entwurf in seiner Schrift: Der Dresdner Entwurf von 1866, Berlin 1935, bedarf dringend einer Überprüfung. Protokoll der Sitzung von diesem Tage (unpaginiert und nicht Teil der eigentlichen Protokolle; bislang nur im Handexemplar von Schmitt in dessen Büchernachlaß aufgefunden). Diese Zusammenstellung entfiel, da Kübel die Vorlage zum Kauf und Tausch noch rechtzeitig fertigstellen konnte. Siehe Quellen Verzeichnis im Bd. „Schuldrecht I". 45

Entstehungsgeschichte des BGB

Über die Beratungen unterrichten in schematisierter Form die Protokolle der Kommission. Nach § 12 der Geschäftsordnung sollte das Protokoll nur enthalten: „1. die Bezeichnung der in der Sitzung anwesenden Mitglieder der Kommission und des Schriftführers; 2. die geschäftlichen Mittheilungen; 3. den Gang der Verhandlungen; 4. die gestellten Anträge; 5. die Ergebnisse der Abstimmungen. Die Namen der Redner, Antragsteller und Abstimmenden werden im Protokoll nicht vermerkt. Auf Antrag ist jedoch das Stimmenverhältnis, mit welchem ein Beschluß gefaßt worden ist, anzugeben." In § 13 war bestimmt, daß der Gang der Verhandlungen nur in „thunlichster Kürze" aufgezeichnet werden sollte. Das Protokoll sollte den „wesentlichen Inhalt der stattgehabten Berathung insoweit darlegen, als zum besseren Verständnisse der Beschlüsse erforderlich ist". Dies bedeutete, daß grundsätzlich nur das Ergebnis der Beratungen einschließlich der für den angenommenen Antrag vorgebrachten Gründe mitgeteilt wurde. Die für die Gegenmeinungen vorgebrachten Gründe sind dagegen nicht immer vollständig überschaubar. Das wird etwa deutlich im Protokoll über die Ablehnung der §§ 3 und 4 TE-OR Nr. 27 (Prot. I, S. 1380ff., abgedruckt bei § 362 BGB). In den Protokollen wird lediglich die Streichung dieser beiden Bestimmungen festgestellt und relativ knapp begründet, obwohl insbesondere über § 3 eine längere Debatte stattgefunden hat, in der sich mehrere Meinungen gegenüberstanden. Vor allem trat Windscheid für einen Antrag von Kurlbaum sehr engagiert ein. Das Abstimmungsergebnis beruhte letztlich darauf, daß für keine der verschiedenen Vorschläge eine Mehrheit zustande kam. Ähnlich war es bei § 4 TE-OR Nr. 27. Die Protokolle lassen auch hier den Meinungsstreit nicht erkennen, weil sie die Gegenmeinung nicht zu Worte kommen lassen86. Trotz dieser Mängel, die sich um zahlreiche andere Beispiele vermehren ließen, müssen die Protokolle Grundlage dieser Edition sein, da eine relativ vollständige und verläßliche Niederschrift über den Verlauf der Sitzungen bislang noch nicht aufgefunden werden konnte. Die Notizen von Schmitt über den Sitzungsverlauf sind unvollständig, in sich nicht immer genau und nur in Einzelfällen ausführlicher als die Protokolle. Bei der Lektüre der Protokolle sollte man sich immer vor Augen halten, daß sie primär der Rechtfertigung der Beschlüsse dienten. Die eigentliche Sachdiskussion, die, wenn überhaupt, nur kurz erwähnt wird, entzündete sich, an den einzelnen Anträgen, deren genaue Analyse insbesondere durch Pape im Mittelpunkt der Beratungen stand. Diese Analyse muß der heutige Leser der Protokolle weitgehend selbst vornehmen, wenn er die Arbeit der 1. Kommission richtig verstehen und würdigen will. Anhand der in dieser Edition mitgeteilten Namen der Antragsteller läßt sich nun das in der Kommission herrschende Kräfteverhältnis wenigstens teilweise überschauen. Einige zusätzliche Informationen über die Beteiligung der einzelnen Kommissionsmitglieder an den Beratungen lassen sich den Notizen von Schmitt entnehmen. Danach bestimmten im wesentlichen Pape, Windscheid, Planck und Kurlbaum den Gang der Beratungen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß der Einfluß Papes auf die inhaltliche und formale Gestaltung des E I nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Leider wird dieser Einfluß in den Protokollen der Kommission in keiner Weise sichtbar. Vielleicht läßt sich die Handschrift Papes im l. Entwurf künftig etwas deutlicher erkennen, wenn mit dieser Edition auch seine Redaktionsvorlagen mit den zum Teil umfangreichen Begründungen vorliegen. Pape war ein Meister der Verhandlungsführung, indem er zunächst die Vorlage und die gestellten Anträge genau kennzeichnete und

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Wenn in den Protokollen von einer Mehrheitsentscheidung die Rede ist, hat immer eine längere Sachdiskussion stattgefunden.

II. Die Arbeit der l. Kommission

häufig erst zum Schluß der Debatte seine eigene Meinung zu erkennen gab 7. Im übrigen wird in den wenigen erhaltenen Äußerungen von Kommissionsmitgliedern, die sich mit der Person Papes befassen, immer wieder dessen überlegene Stellung in der Kommission hervorgehoben. So schrieb Windscheid noch drei Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Kommission, er habe „unbegrenzten Respekt vor seiner geistigen Kraft"88. Planck wies in einem unveröffentlichten Expose aus dem Jahre 1890 über die weitere Behandlung des 1. Entwurfs darauf hin, daß Pape „durch seine wissenschaftliche Bedeutung, seine reiche practische Erfahrung und seine ganze Persönlichkeit wohl einen tiefgreifenden Einfluß auf die Gestaltung des Entwurfs gehabt"89 habe. Auch Schmitt erkennt Pape das „Hauptverdienst"90 am Entwurf zu, auch wenn er Papes Mittel, die Kommission zur Beschleunigung ihrer Arbeit anzuhalten, in seinen Berichten nach München recht scharf verurteilt. Insbesondere soll, so Schmitt, Papes „Treiberei-Geschicklichkeit" dazu geführt haben, daß die „Möglichkeit ausreichender Ueberlegung und Antragstellung"91 stark eingeschränkt gewesen sei. Der auch dogmatisch sehr konservative Grundzug des Entwurfs ist maßgeblich von Pape mitbestimmt worden; denn er war, wie Windscheid es in einem Brief an Planck ausdrückte, „kein Freund von Neuerungen"92. Man habe es immer wieder erfahren müssen, „daß es Punkte gibt, wo bei Pape das Verständniß aufhört"93. Bis zu seinem Ausscheiden aus der Kommission zum 1. 10. 1883 bestimmte Windscheid94 neben Pape die Beschlüsse und die Kommissionsentscheidungen. Wohl als einziger hat er, außer Pape, die jeweiligen Bestimmungen der Teilentwürfe immer genau

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Dies kann den Notizen von Schmitt über einzelne Sitzungen entnommen werden. Brief von Windscheid an Planck vom 31. 12. 1886 (Nachlaß Planck in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen). Die Briefe von Windscheid an Planck werden in ihrer Gesamtheit von mir in der Sav. Zeitschrift Rom. Abt. Bd. 95 (1978) veröffentlicht werden. Das Expose von Planck befindet sich im Nachlaß von Planck. Es war möglicherweise für das Reichsjustizamt bestimmt. Persönlicher Brief an den bayer. Justizminister Fäustle vom 9. 6. 1885 (Hauptstaatsarchiv München MJu Nr. 16110). Schmitt am 6. 12. 1883 an den bayer. Justizminister Fäustle (HStA München, MJu 16109). Wieweit das zutrifft ist nicht feststellbar, da entsprechende Paralleläußerungen von anderen Kommissionsmitgliedern fehlen (vgl. allerdings die Biographie über Pape von Neubauer, Sekretär und Hilfsarbeiter der 1. Kommission, in der ADB, Bd. 52 (1906), S. 750- 756). Papes Drängen umschreibt Schmitt im 96. Bericht vom 5. 1. 1874 damit, daß „bei Gott und dem nicht minder regierenden Herrn Pape alle Dinge möglich" seien. Windscheid in einem Brief an Planck vom 13. 1. 1886 (Nachlaß Planck). Windscheid in einem Brief an Planck vom 23. 12. 1883 (Nachlaß Planck). Über die Hintergründe von Windscheids Ausscheiden Schubert, SZ, Rom. Abt. Bd. 92 (1975), S. 186ff.; Bd. 95 (1977). - Als Windscheid Anfang 1880 das erste Entlassungsgesuch stellte, schrieb Pape an Bismarck, Windscheids Ausscheiden sei „in hohem Maße unerwünscht und von nicht geringen Nachtheilen begleitet. Die Kommission würde in ihm ein Mitglied verlieren, welches für sie wegen seiner ungewöhnlichen, das gesamte Civilrecht beherrschenden Kenntnisse, wegen seiner seltenen juristischen Begabung, nicht minder wegen seiner übrigen persönlichen Eigenschaften, die ihn zur kollegialischen Arbeit ausnehmend befähigen und ihm die Verständigung mit praktischen Juristen erleichtern, und wegen des hohen Ansehens, welches er als Rechtsgelehrter in allen juristischen Kreisen genießt, vom größten Werthe ist. Dazu kommt, daß er auf die von der Gesamtkommission bisher gefaßten grundlegenden Beschlüsse in erheblichstem Maße bereits eingewirkt hat und daß diese Beschlüsse, wenn er sich zurückzöge, leicht durch spätere Beschlüsse mehr oder weniger beseitigt und in ihren sachgemäßten Konsequenzen erschütten werden könnten". Über das zweite Gesuch Windscheids vom März 1882 Fortsetzung der Fußnote auf Seite 48

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Entstehungsgeschichte des BGB

durchgearbeitet und, wo es ihm notwendig erschien, Änderungsvorschläge abgefaßt95. Sie werden in den vier folgenden Bänden der Edition sukzessive mitgeteilt. Während die Stelle von Windscheid unbesetzt blieb, wurde als Ersatz für Kübel der Württemberger v. Mandry am 13. 3. 1884 vom Bundesrat in die Kommission berufen. Für die Ernennung eines Württembergers hatte sich Bismarck persönlich eingesetzt, der am 11. 3. 1884 den Staatssekretär im Reichsjustizamt Schelling angewiesen hatte, sich über eventuelle Bedenken Papes hinwegzusetzen: „Alle württembergischen Einwendungen . . . würden . . . sich mit stärkerem Gewichte demnächst im Bundesrathe geltend machen, und gerade die Opposition der Württembergischen Regierung ist nach Möglichkeit zu verhüten, weil sie bei der Begabung und dem Einfluß des Herrn von Mittnacht unter seinen Collegen über das württembergische Stimm-Verhältniß hinaus in die Waagschale fallen würde"95a. Nach dem Weggang Windscheids hatten die Vertreter der preußischen Rechtsgebiete in der l. Kommission ein Übergewicht von einer Stimme, da nach dem Tode Kübels die Stimme von Pape im Falle der Stimmengleichheit doppelt zählte. Hierüber hat sich Schmitt in seinen Berichten nach München öfters beklagt. Zu den Kommissionsmitgliedern, die meist für das preußische Recht eintraten, gehörten Pape, Planck, Johow, Derscheid und Kurlbaum, während die süddeutschen Vertreter zusammen mit dem Sachsen Weber mit fünf Stimmen nur über die Minderheit verfügten. Hinzu kam noch, was Schmitts Position in der Kommission erheblich erschwerte96, daß Roth97 selten in prinzipiellen Fragen mit Schmitt gleicher Ansicht war. Die preußischen Kommissionsmitglieder, allen voran Pape, Kurlbaum und Planck, haben sich mit ihren umfassenden Rechtskenntnissen und legislatorischen Fähigkeiten sehr schnell den süddeutschen Kommissionsmitgliedern Schmitt, Kübel, Gebhard und Roth als überlegen erwiesen. Das Gewicht dieser Juristen in der Kommission war nicht sehr groß, wie sich aus Windscheids Briefen an Planck ergibt. Schmitt stand z. B. in dem Ruf, „alles sub specie des Erbrechts" zu sehen98. Aus diesem Grunde hatte es Schmitt in der Kommission nicht leicht, die Wünsche der bayerischen Regierung, mit der er dauernd in Kontakt stand, besonders im Immobiliar-, Ehegüter- und Erbrecht durchzusetzen99.

heißt es in einem Schreiben Papes an den Reichskanzler: „Wie unerwünscht das in Aussicht gestellte Ausscheiden des Professors Dr. von Windscheid sein würde, brauche ich kaum zu erwähnen." Windscheid habe auf die Plenarberatungen und deren Ergebnisse einen erheblichen Einfluß geübt". In einem weiteren Bericht vom 29. 3. 1883 bezeichnete Pape das Ausscheiden Windscheids erneut als einen „unleugbar empfindlichen Uebelstand, der umso schwerer in's Gewicht fällt, je größer der Einfluß desselben auf die bisher gefaßten Beschlüsse gewesen ist." 95 Planck hat wohl erst nach dem Ausscheiden Windscheids eine stärkere Stellung in der Kommission erlangt, auch wenn er von Anfang an ein sehr eifriger Mitarbeiter war. 95a ZStA Potsdam, Reichsjustizamt, Nr. 3870. 96 Über Roths Verhalten in der Kommission machte sich Scbmitt in einem Brief an Fäustle vom 31. 12. 1874 (Bayer. HStA München, MJu 16110) Luft: Er habe bisher „die Unterstützung seines bayerischen Kollegen fast durchweg entbehren müssen". Es habe Perioden gegeben, „wo die Stimmendifferenz der bayerischen Mitglieder die Regel bildete". Der Antragsteller, „der die Bedürfnisse seines Staates hervorhebt, findet, wenn eine differente Abstimmung der Mitglieder aus demselben Staate vorliegt, den früheren Glauben nicht mehr". (Alles aus dem genannten Brief im Bayer. Hauptstaatsarchiv, Abt. I, MJu Nr. 16110). 97 Von Roth liegen so gut wie keine schriftlich fixierten Anträge vor. 98 Brief von Windscheid an Planck vom 23. 12. 1883 (Nachlaß Planck). 99 Mit diesen Rechtsmaterien befaßt sich Schmitt mehrmals in seinen Berichten nach München. Sehr bitter beklagte er sich einmal darüber, daß die „nordische Gesetzgebung eine andere Sprache spreche als der Süden" (Bericht vom 29.12.1886). 48

II. Die Arbeit der l. Kommission

Als der 1. Entwurf abgeschlossen war, wies Schmitt die bayerische Regierung in seinem Bericht vom 27. 12. 1887100 noch einmal darauf hin, daß die Reduzierung der Kommission auf zehn Mitglieder den engen Anschluß des Entwurfs an das preußische Recht ermöglicht habe. Es sei in der weiteren Beratung noch manches zu erreichen, sofern man nicht völlig aussichtslose Anträge stelle, ein Rat, von dem das bayerische Kommissionsmitglied in der 2. Kommission, Jacubezky, später in überreichlichem Maße Gebrauch machen sollte. Für die anderen Mitglieder der Kommission sind Weisungen der heimatlichen Justizministerien nicht nachweisbar und wohl auch nicht sehr wahrscheinlich101. Preußen soll sich um die Arbeiten „gar nicht gekümmert haben" und vom „Ergebnis" der Beratungen, dem 1. Entwurf, überrascht worden sein102. Allerdings konnte Preußen mit dem Entwurf durchaus zufrieden sein, da sich die von ihm benannten Kommissionsmitglieder durch ihre hervorragenden juristischen Fähigkeiten als die besten Interessenvertreter erwiesen hatten. Pape überreichte den 1. Entwurf am 27. 12. 1887 dem Reichskanzler, der ihn am 5. 1. 1888 dem Bundesrat zuleitete. Mit dem Problem der Veröffentlichung der Materialien der Kommission befaßte sich zunächst der Bundesratsausschuß für Justizwesen103. Dieser bedauerte es außerordentlich, daß keine von der Kommission genehmigten Motive vorlagen. Um die Arbeiten am BGB nicht noch weiter zu verzögern, nahm man aber den Vorschlag Papes, den später auch das Plenum genehmigte, an, den Entwurf zusammen mit den von Hilfsarbeitern zusammengestellten Motiven zu veröffentlichen. Diese Motive enthalten neben eigenen Ausführungen der Hilfsarbeiter vor allem Auszüge aus den Begründungen der Redaktoren zu den Teilentwürfen und aus den Protokollen der Kommission, ohne daß diese häufig gekürzten und aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissenen Auszüge als solche gekennzeichnet werden. Die Motive stammen für den Allgemeinen Teil von Börner, für das Schuldrecht von Ege und Struckmann (ohne daß über die Aufteilung etwas bekannt ist), für das Sachenrecht von v. Liebe (Mobiliarsachenrecht) und Achilles (Immobiliarsachenrecht), für das Familienrecht von Struckmann und für das Erbrecht von Neubauer104. „Die Ausarbeitung ist", so schrieb Pape Ende 1887 an den Reichskanzler, „zum großen Theile nach Anleitung der Redaktoren und in Ansehung des Obligationenrechtes des Könglich Preußischen Geh. Oberregierungsrathes Dr. Kurlbaum II erfolgt". Schmitt, der Redaktor des Erbrechts, schrieb am 18. 2. 1888 nach München105: Der Vorsitzende habe angeordnet, „daß die Thätigkeit der revidirenden Redaktoren sich auf das Anhören einer Verlesung des betreffenden Hilfsarbeiters und kurze Bemerkungen an diesen über hierbei etwa wahrgenommene Irrthümer oder Lücken zu beschränken habe". Jedes „tiefere Eindringen" sei bei der mangelnden Zeit zu unterlassen. Wenn die Motive zuweilen Ausführungen enthalten, die sich weder auf die Begründungen zu den Teilentwürfen noch auf die Kommissionsprotokolle zurückführen lassen, so handelt es sich wohl primär um eigenes Gedankengut der Hilfsarbeiter. Dabei ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß Aufzeichnungen aus den Verhandlungen der 1. Kommission 100 101

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Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Abt. I, MJu. Nr. 16110. In den Staatsarchiven in Karlsruhe und Stuttgart sind keine Anweisungen an Gebhard und v. Kübel bzw. v. Mandry auffindbar. Für Sachsen ließ sich nichts feststellen, da die Bestände des sächsischen Justizministeriums im letzten Weltkrieg weitgehend verbrannt sind. Bericht des bad. Geschäftsträgers in Berlin v. 25. 10. 1889 (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe 234/3548. Vgl. auch Einleitung zum Band „Schuldrecht I". Bericht von Pape vom 27. 12. 1887 (unten S. 310, Fn. 58). Bayer. HStA München Abt. I, MJu. Nr. 16110.

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Entstehungsgeschichte des BGB

verwertet worden sind. Über den Wert der Motive herrscht noch immer Streit. Sie sind zweifelsohne eine wissenschaftliche Arbeit von hohem Rang und ein wichtiges Hilfsmittel zur Erschließung der Grundlagen des l. Entwurfs. Sie haben die Dogmatik des BGB nach 1900 in einem heute noch nicht überschaubaren Maße bestimmt. Auf der anderen Seite sind die Motive nicht geeignet, die Entstehung des 1. Entwurfs in irgendeiner Weise zu erhellen, und insoweit als Quellenwerk unbrauchbar. Die 1. Kommission hat ihre Arbeiten erst am 30. 3. 1889 beendet. Nach dem Tode Papes am 8. 9. 1888 übernahm Johow den Vorsitz. Die Kommission arbeitete zunächst den Entwurf des Einführungsgesetzes aus. Die Beratungen gestalteten sich relativ einfach, da man den früher befolgten Grundsatz, „der Landesgesetzgebung nur im engsten Umfang Raum zu geben"106, aufgab. Andernfalls wäre die Beratung „eine viel eingehendere, schwierigere, längere gewesen", wie Schmitt nach München schrieb. Nach Abschluß der Arbeiten am Einführungsgesetz beriet die Kommission noch die Entwürfe zur Grundbuchordnung und zum Gesetz über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (beide von Johow auf der Grundlage preußischer Gesetze entworfen). Der von Planck ausgearbeitete Entwurf des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit konnte dagegen nicht mehr beraten werden. Bald nach seiner Veröffentlichung erschien über den ersten Entwurf eine heute nur noch schwer überschaubare Fülle kritischer Schriften und Aufsätze. Auch wenn heute die grundsätzliche Gegnerschaft von Gierke und Menger gegen den Entwurf unser Hauptinteresse beansprucht107, so sollte doch nicht übersehen werden, daß die meisten Kritiker mit den leitenden Grundsätzen des Entwurfs im Prinzip einverstanden waren108. Beanstandet wurden vor allem der doktrinäre, lehrbuchhafte Charakter des Entwurfs, dessen sprachliche Fassung und eine zu starke dogmatische Festlegung der Einzelregelungen. Um die Kritiken überschaubar zu machen, fertigte Struckmann im Reichsjustizamt eine Zusammenstellung der kritischen Äußerungen zu den einzelnen Bestimmungen des 1. Entwurfs an, die, als Manuskript gedruckt, die Arbeiten der 2. Kommission stark beeinflußt hat. Auch die Äußerungen der Bundesregierungen wurden im Reichs Justizamt systematisch geordnet und der 2. Kommission zur Verfügung gestellt. Grundlage der kritischen Äußerungen der Länder war ein Schreiben des Reichskanzlers vom 27. 6. 1889, in dem die wichtigsten rechtspolitischen Fragen zusammengefaßt waren109, zu denen die Reichsregierung die Meinung der verbündeten Regierungen hören wollte. Darüber hinaus nahmen mehrere Bundesregierungen insbesondere der größeren Staaten auch zu anderen Fragen ausführlich Stellung.

III. Die Vorbereitung der 2. Lesung und die Einsetzung der 2. Kommission Die Entscheidung über das weitere Schicksal des 1. Entwurfs fiel erst im Herbst 1890, nachdem feststand, daß die Bundesregierungen, wie im übrigen auch die Mehrzahl der Kritiker, den Entwurf als eine geeignete Grundlage für das zukünftige Gesetzbuch

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Schmitt m einem Brief vom 21. 4. 1888 nach München (Bayer. HStA a. a. O.). Kürzlich sind drei Monographien über Anton Menger erschienen, die dessen Stellungnahme zum E I ausführlich behandeln: 1. Eckart Müller, Anton Mengers Rechts- und Gesellschaftssystem, Berlin 1975, insbes. S. 43 ff.; 2. Karl-Hermann Kästner, Anton Menger (1841 — 1906). Leben und Werk, Tübingen 1974; 3. D. Willrodt-v. Westernhagen, Recht und soziale Frage. Die Sozial- und Rechtsphilosophie Anton Mengers, Hamburg 1975. Eine zusammenfassende Darstellung der Kritik am E I bei Schaben, a. a. O., S. 35 — 45. Dieser Brief wird in diesem Band vollständig mitgeteilt (Quellenteil E).

III. Die Vorbereitung der 2. Lesung und die Einsetzung der 2. Kommission anerkannten110. Für den weiteren Verlauf der Arbeiten am BGB hatte die Vorkommission vorgeschlagen, die 2. Lesung durch die ursprüngliche Kommission vornehmen zu lassen111. Dagegen hatte bereits das Reichsjustizamt Ende 1887 Bedenken, die es Preußen und Bayern mitteilte. Es plädierte damals für eine Verschmelzung der 2. Lesung des Entwurfs mit der Ausschußberatung im Bundesrat112. Dabei sollte die Vorbereitung dieser Beratung weitgehend in den Händen des Reichsjustizamtes liegen. Am 12.1.1888 suchte Schelltng, der Staatssekretär im Reichsjustizamt, um die Zustimmung Bismarcks nach, die 2. Lesung des Entwurfs nicht der bisherigen Kommission zu übertragen, sondern diese vielmehr aufzulösen. Schelling schlug eine Einrichtung vor, „nach welcher die zweite Lesung als unmittelbare Grundlage für die Beschlußfassung des Bundesraths und in Verbindung mit ihr, sei es im Justizausschuß selbst oder in einer besonderen Konferenz, von Vertretern der verbündeten Regierungen im mündlichen Meinungsaustausch vorgenommen würde, wobei durch Zuziehung von einzelnen Mitgliedern der bisherigen Kommission den Verfassern des Entwurfs Gelegenheit geboten werden könnte, ihrerseits auf die eingegangenen Kritiken und hervorgetretenen Aenderungsvorschläge sich zu erklären und die Einheitlichkeit des Gesetzgebungswerks zu wahren"113. Nachdem Bismarck die Auflösung der Kommission genehmigt hatte, fand zunächst am 27. 1. 1888 eine vertrauliche Besprechung statt zwischen dem Staatssekretär und dem preußischen und bayerischen Justizminister, in der diese die Vorstellungen Schellings teilten114. Danach erbat sich Schelling vom preußischen Justizminister noch einmal ausdrücklich die Zustimmung zu den Plänen des Reichsjustizamtes, die er ihm mit allen Details darlegte, wobei es ihm besonders darauf ankam, daß die Ausführungsgesetze zum BGB auch nicht mehr durch die 1. Kommission ausgearbeitet wurden1 . In seiner Antwort vom 13. 2. 1888114 erklärte sich Friedberg mit den Vorschlägen des Reichsjustizamtes grundsätzlich einverstanden. Als erstes ging er auf die Frage ein, „wem die Leitung der zur Vorbereitung der materiellen Beschlußfassung des Bundesrathes erforderlichen Arbeiten anzuvertrauen" sei. Nach Meinung Friedbergs kam dafür nur das Reichsjustizamt in Betracht: „Wird dieser Behörde die Heranziehung geeigneter Kräfte überlassen, welche unter ihrer Einwirkung und nach ihrer Weisung als ihre Organe die Prüfung der von der Kommission in erster Lesung festgestellten Entwürfe, die Erörterung der eingehenden Erinnerungen und die danach etwa erforderlich werdenden Aenderungen der Entwürfe vorzunehmen haben, so würde ich darin diejenige Einrichtung erblicken, welche die größte Garantie für die schnelle, unbefangene und sachentscheidende Beendigung der Vorarbeiten bietet." Im übrigen hatte Friedberg Bedenken, die Kommission bereits nach Ausarbeitung des Einführungsgesetzes und der Aenderungen der Reichjustizgesetze aufzulösen. Er ging davon aus, daß die Bundesregierungen ein Interesse daran haben würden, die Entwürfe einer GrundbuchordÜber die Kritik am E I ist hier eine gesonderte Darstellung nicht möglich. Einstweilen verweise ich auf meine Darstellung in der „Entstehung", S. 35ff.; zur Kritik am Eherecht Mikat, Festschrift für Eisener, 1977, S. 182 ff. 111 Vgl. unten S. 183 f. Vgl. das unten S. 318f. auszugsweise abgedruckte Schreiben an Bayern. Vgl. das unten im Quellenteil E vollständig abgedruckte Schreiben an Bismarck (Konzept im ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 3811). Hier auch die im folgenden erwähnte, unten abgedruckte Antwort Bismarcks vom 25.1.1888. 114 Vgl. Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Rep. 84a, Nr. 11773, und ZStA Potsdam, Reichsjustizministen um. \r. 3811. 114a Schreiben vom 2.1. 1888 (Konzept im ZStA Potsdam aaO.). 114b Original im ZStA Potsdam aaO. 51

Entstehungsgeschichte des BGB nung, eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und eines Zwangsversteigerungsgesetzes durch die Kommission abfassen zu lassen: Zumindest aber dürften die Bundesregierungen „den Wunsch haben, vor Einstellung der Kommissionsarbeiten eine Verständigung über die Grundzüge eines Plans zur weiteren Behandlung der Angelegenheit herbeizuführen." Entscheidend für Friedberg war, daß die Kommission die Frage, ob ein Bedürfnis zur Aufstellung von Ausführungsgesetzen bestehe, bejaht hatte: „Die betheiligten Regierungen werden, wie ich glaube, nicht geneigt sein, die erstere Frage (d. h. die Bedürfnisfrage, Anm. des Verf.) entgegen der Auffassung der Kommission zu verneinen, wenn nicht gewichtige Gründe für diesen Standpunkt geltend gemacht werden." Werde sie aber bejaht, dann sei es wichtig zu wissen, innerhalb welchen Zeitraums die Kommission die Entwürfe fertigstellen könne. Sei das innerhalb angemessener Zeit möglich, würden die Regierungen nicht abgeneigt sein, die Auflösung der Kommission bis zu dem Augenblick zurückzustellen, an dem die Entwürfe der drei Ausführungsgesetze vorliegen. Diese Antwort Friedbergs nahm Schelling zum Anlaß, den Kommissionsvorsitzenden Pape anzufragen1140, bis wann die Kommission die drei Ausführungsgesetze fertigstellen könne, wobei er als Termin den 1. 10. 1888 vorschlug. In seinem Antwortschreiben fand Pape die vorgeschlagene Frist zu knapp bemessen, nannte vielmehr den 1. 4. 1889 als Endtermin. Nachdem sich der preußische Justizminister damit einverstanden erklärt hatte, unterrichtete das Reichsjustizamt die im Justizausschuß vertretenen Staaten von den mit Preußen abgesprochenen Plänen über das weitere Schicksal der Kommission11411. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, daß die Bundesregierungen über ihr Einverständnis mit der Auflösung der Kommission nicht mehr ausdrücklich gefragt wurden. Diese war für das Reichsjustizamt nach den Absprachen mit Preußen und Bayern beschlossene Sache, gegen die sich die übrigen vier Staaten nicht wehrten. Nachdem die zustimmenden Antworten der Bundesregierungen beim Reichsjustizamt eingegangen waren, wurde am 14. 6. 1888 vom Bundesrat beschlossen, der 1. Kommission noch die Ausarbeitung des Entwurfs einer GBO, eines ZVG und, soweit möglich, eines FGG zu übertragen, sie aber spätestens zum 31. 3. 1889 aufzulösen. Nach den ursprünglichen Vorstellungen Schellings sollte die zweite Lesung des Entwurfs bereits Anfang bis Mitte 1889 beginnen. Davon war man im Reichsjustizamt aber bereits Mitte 1888 abgekommen, da die 1. Kommission bis zum Frühjahr 1889 beschäftigt war und zumindest einige ihrer Mitglieder an der 2. Lesung des Entwurfs teilnehmen sollten. Ende 1888 war man sich darüber einig, daß die erneute Beratung des Entwurfs nicht vor Jahresfrist beginnen könne. Über die Stimmung in Berlin im Oktober 1888 berichtet Krüger nach Bremen115 nach einer längeren Unterredung mit dem preußischen Justizminister Friedberg. Dieser habe ihm erklärt, so schreibt er an die Hansestädte, daß der Entwurf nach einigen Abänderungen Gesetz werden müsse, da die Erlangung der Rechtseinheit sonst „auf lange, lange Zeit" ein frommer Wunsch bleiben müsse. Der Entwurf habe Mängel. Das Bestreben, Kontroversen abzuschneiden, habe die Redaktion nicht glücklich beeinflußt, und „Finassirungen in den Text gebracht", die „ihm selbst, geschweige dem Amtsrichter, auf den ersten Blick nicht immer verständlich seien". Friedberg beklagte, daß für die

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Das folgende ebenfalls aus den Akten des Reichsjustizamts, ZStA Potsdam, Nr. 3811, fol. 53 ff. 114 d Vgl. unten Quellenteil E, Fn. 21. 115 Bericht vom 5. 10. 1888 im StA Bremen 2.-M.6.b.4.g.2.i.Nr. 1. 52

III. Die Vorbereitung der 2. Lesung und die Einsetzung der 2. Kommission

Revision eine so geeignete Persönlichkeit wie Pape fehle. Ihering und Unger hätten eine Beteiligung abgelehnt. Er denke an Windscheid oder Küntzel. Am 19. 2. 1889 trat die Nachfolge Schellings, der preußischer Justizminister geworden war, Oehlschläger als Staatssekretär des Reichsjustizamtes an. Durch diesen Wechsel in der Leitung des Reichsjustizamtes verzögerte sich die Inangriffnahme der 2. Lesung. Über Oehlschlägers ursprüngliche Pläne, die jedenfalls nicht voll mit denen Schellings übereinstimmten, läßt sich nur wenig feststellen. Doch ist er wohl von Anfang an bestrebt gewesen, angesichts der scharfen Kritik am Entwurf für dessen 2. Lesung eine unabhängige Kommission durch den Bundesrat einsetzen zu lassen, um eine Durchsetzung des Gesetzbuchs im Reichstag überhaupt erst zu ermöglichen. Vor allem bemühte er sich schon früh, als neuen Kommissionsvorsitzenden eine Persönlichkeit zu gewinnen, die nicht aus der Ministerialbürokratie stammte. Bereits im März 1889 ging in Berlin das Gerücht um, er sei mit Miquel und Bennigsen in Verbindung getreten116. Im Juni 1889 forderte dann der Reichskanzler in einem nicht mit dem preußischen Justizminister abgesprochenen Schreiben alle Bundesregierungen auf, sich zu bestimmten, rechtspolitisch und dogmatisch besonders umstrittenen Punkten des Entwurfs zu äußern 17. Auch dies deutet darauf hin, daß Oehlschläger bereits damals die 2. Lesung nicht mehr mit einer Beratung des Entwurfs im Bundesrat koppeln wollte. Im Juli 1890 kam dann Schelling auf seinen Plan zurück118, bereits vor der Revision des Entwurfs durch eine neue Kommission eine Verständigung zwischen den größeren Bundesregierungen über die Grundfragen des Entwurfs herbeizuführen. Im Reichsjustizamt hielt man von diesem Plan nicht viel, sondern fühlte sich ohne weiteres in der Lage, die Wünsche der Bundesregierungen bei der Vorbereitung der 2. Lesung zu berücksichtigen. Der Sachbearbeiter im Reichsjustizamt, Oberregierungsrat Hagens119, befürwortete in seinem „Promemoria betr. die weitere Behandlung des Entwurfs" vom 11.7. 1890120 eine eingehende Vorberatung des Entwurfs im Reichsjustizamt, bevor dieser einer größeren Kommission überwiesen werde. Im Reichsjustizamt sollte eine Neufassung des E I ausgearbeitet werden, welche die Kritik der Öffentlichkeit und die Wünsche der Bundesregierungen berücksichtigen und die sprachliche Fassung der Bestimmungen verbessern sollte. Auf der Grundlage dieses neuen Entwurfs sollte eine neue Kommission, die aus Regierungsvertretern, Mitgliedern der 1. Kommission und Politikern sowie angesehenen Juristen bestehen sollte, ihre Beschlüsse auf Fragen allgemeiner Wichtigkeit beschränken und die Arbeiten innerhalb kurzer Zeit abschließen. In einer Besprechung des Reichskanzlers mit Schelling und Oehlschläger am 17. 7. 1890121 setzte dieser im wesentlichen seine Ansichten durch, ohne daß allerdings konkrete Absprachen über die vom Reichs Justizamt vorzunehmende Vorberatung des 1. Entwurfs getroffen wurden. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stand vielmehr nur 116 117 118 119

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Brief von Schmitt nach München (Bayr. HStA MJu. 16110). Das Rundschreiben ist unten S. 329 ff. abgedruckt. Zum folgenden vgl. die auf den S. 333 ff. abgedruckten Archivalien. Carl v. Hagens (geb. 1838, gest. 1924), Sohn eines preußischen Amtsgerichtsrats und späteren Rechtsanwalts und Notars in Berlin, trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften in den preußischen Justizdienst ein. 1870 wurde er im preuß. Justizministerium und im Reichskanzleramt als Hilfsarbeiter eingesetzt, 1877 zum vortragenden Rat im Reichsjustizamt ernannt; 1890 zum Präsidenten des OLG Frankfurt a. Main ernannt. Hagens gilt neben Förster als der maßgeblichste Verfasser der KO von 1877 (vgl. den Nachruf von v. Marsson in der DJZ 1924, Sp.796f.). Unten S. 334 ff. vollständig abgedruckt. Vgl. Quellenteil E, Fn. 28. 53

Entstehungsgeschichte des BGB

noch die Frage der Zusammensetzung der neuen Kommission. Oehlschläger wurde ermächtigt, sich vertraulich an geeignete Persönlichkeiten zu wenden. Die Aufgaben der im Reichsjustizamt zu bildenden sowie der vom Bundesrat zu wählenden Kommission wurden nicht näher festgelegt. Insbesondere wurde nicht festgelegt, ob sich die neue Bundesratskommission nur auf die Beratung von Fragen allgemeiner Bedeutung beschränken sollte. Auch wenn in dieser Beziehung eine klare Kompetenzabgrenzung sicher nicht möglich gewesen wäre, so hätte man doch die Hauptkommission endasten und ihre Aufgaben beschränken können, wenn man das Reichsjustizamt offiziell mit der Redaktion und der Verarbeitung der zahlreichen Detailkritiken betraut hätte. Statt dessen wurde der Entwurf in der Folgezeit einer doppelten Revision unterzogen, zunächst durch die sog. „Vorkommission des Reichsjustizamtes" und anschließend durch die 2. Kommission. Die Existenz dieser „Vorkommission" ist erst kürzlich entdeckt worden122. Über ihre Einsetzung und über den jeweiligen Teilnehmerkreis ließ sich bisher nichts Genaues ermitteln. Schriftliche Anträge in der Kommission stellten für den Allgemeinen Teil Struckmann, Börner, Achilles und Planck, für das Schuldrecht Struckmann, Planck und Jacubezky123. Die Sitzungen der Vorkommission begannen am 5. 1. 1890, also zu einer Zeit, als sich die 2. Kommission schon konstituiert hatte, und wurden bis zum 7. 4. 1893 fortgesetzt (insgesamt 96 Sitzungen). Sie tagte vom 1. 4. 1891 ab aber nur noch an den Tagen, an denen die Hauptkommission keine Sitzungen abhielt. Die von der Kommission beschlossenen Änderungen des E I wurden von den Reichskommissaren als Anträge in die Kommissionsberatungen eingebracht. Wohl aus Zeitmangel hat die Vorkommission den Besonderen Teil des Schuldrechts und auch das Sachenrecht nur teilweise beraten. Das Familien- und Erbrecht ist von der Vorkommission überhaupt nicht behandelt worden. Da aber von den Reichskommissaren zum Familien- und Erbrecht wie auch zu den nicht behandelten Teilen des Schuld- und Sachenrechts Anträge gestellt wurden, ist anzunehmen, daß eine interne Beratung des E I im Reichsjustizamt den Kommissionsberatungen vorausgegangen ist. Die von reichswegen in der 2. Kommission gestellten Anträge auf der Basis der Beschlüsse der Vorkommission oder interner Beratungen im Reichsjustizamt haben die Hauptberatungen zwar erheblich beeinflußt, da sie meist die Majorität der Stimmen erhielten, sie aber zeitlich nur unwesentlich entlastet; denn die Kommissionsmitglieder, die nicht in der Vorkommission waren, aber auch Jacubezky machten mit ihren Anträgen eine nochmalige Beschäftigung mit vielen Problemen notwendig. Die Mitglieder des Justizausschusses des Bundesrates wurden erst am 16. 10. 1890 von Oehlschläger über die Pläne des Reichskanzlers informiert, nachdem sie bereits vom preußischen Staatsministerium am 13. 10. 1890 gebilligt worden waren. In dem den Mitgliedern überreichten Expose: „Plan und Methode für die weitere Behandlung des in erster Lesung festgestellten Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich"124 heißt es über die Zusammensetzung der Kommission unter II: „Die Kommission wird aus Juristen und aus Vertretern der wichtigsten wirthschaftlichen Interes122 123

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Vgl. P. Kögler, a. a. O., S. 78 f. Nicht aufgeklärt werden konnte, ob und inwieweit die Anträge von Struckmann für das Schuldrecht im Reichsjustizamt schon in einem anderen Gremium vorberaten worden waren. Börner war für den Allgemeinen Teil, Struckmann für das Schuldrecht, Achilles für das Sachenrecht im Reichsjusrizamt zuständig. Die Reichsanträge zum Familienrecht stellte Struckmann, zum Erbrecht Börner. Dieses Expose (HStA Stuttgart E 130a/Büschel 821) ist in diesem Band wiedergegeben (S. 343 ff.), ebenso die weitere Fassung von Ende Oktober 1890.

III. Die Vorbereitung der 2. Lesung und die Einsetzung der 2. Kommission

sen zusammengesetzt. Bei der Auswahl der juristischen Mitglieder wird auf Vertretung der Theorie und Praxis, insbesondere auch des Anwaltsstandes, auf Vertretung der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden größeren Rechtsgebiete sowie auf Betheiligung an den Arbeiten der früheren Kommission, bei der Auswahl der Vertreter wirthschaftlicher Interessen auf Vertreter der Landwirtschaft, des Handels und des Gewerbes sowie der Theorie der Volkswirthschaft Rücksicht genommen werden". Oehlschläger ging davon aus, daß die Kommission ihre Arbeiten bis Mai 1892 abgeschlossen haben würde. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, daß man die Aufgaben der Kommission auf die Behandlung der wichtigsten Fragen beschränkt hätte. In der Ausschußsitzung vom 30. 10. 1890 (Referent Heller aus Bayern) wurde das Expose des Reichsjustizamtes gebilligt. Personalfragen entschied man noch nicht, doch machte Oehlschläger bereits konkrete Vorschläge 2S. Es überrascht, daß die Frage, ob überhaupt eine 2. Lesung des Entwurfs in der vom Reichsjustizamt vorgeschlagenen Form stattfinden sollte, in den Ausschußsitzungen nicht diskutiert worden ist. Immerhin dürfte diese Grundsatzfrage mit Bayern abgesprochen gewesen sein. Wenn das Reichsjustizamt den Ausschuß praktisch vor vollendete Tatsachen stellte, zeigt dies, daß der Bundesrat seit den Anfängen des BGB zugunsten der Reichsexekutive an Gewicht verloren hatte. Allerdings hat der württembergische Bevollmächtigte zum Bundesrat seine Regierung auf das Vorgehen des Reichsjustizamtes in seinem Bericht über die vertrauliche Besprechung am 16. 10. 1890 aufmerksam gemacht und sie auf einige Artikel in der Nationalzeitung hingewiesen, die den von Oehlschläger vorgetragenen Plan propagiert hatten126. Lediglich das badische Justizministerium hatte sich Ende Oktober 1890 kritisch mit den Plänen des Staatssekretärs befaßt127. In Karlsruhe hätte man eine kleinere Kommission mit weisungsgebundenen Mitgliedern lieber gesehen, da man es für vordringlich hielt, daß der Entwurf im Bundesrat eine Majorität fand; nur wenn man in erster Linie die politischen Wünsche des Reichstags zufrieden stellen wolle, rechtfertige sich eine neue, unabhängige Kommission. Die Debatte über die zu wählenden Kommissionsmitglieder fand am 25. 11. 1890 statt128. Unumstritten war die Wahl Plancks, der als Generalreferent in Aussicht genommen war. Er wurde als Vertreter des Reiches benannt. Im übrigen wurden alle zuständigen Kommissionsmitglieder, vom Vorsitzenden abgesehen, von den im Justizausschuß vertretenen Staaten gestellt. Sie sollten geeignet sein, den Entwurf auch später im Bundesrat und Reichstag zu verteidigen. Preußen benannte Kiintzel und entsprechend den Wünschen Oehlschlägers einen Juristen, der die Praxis des altpreußischen Rechts genau kannte, den ehemaligen Königsberger OLG-Rat Hermann Gustav Eichholz. Bayern benannte Jacubezky, nachdem Schmitt eine Wiederwahl abgelehnt hatte. Für Sachsen gelangten Rüger, für Württemberg Mandry, für Darmstadt Dittmar, der vor seinem Eintritt in den Ministerialdienst ein bekannter Anwalt in Darmstadt gewesen war, und für Baden Gebhard in die Kommission. Die Wahl Gebhards durchzusetzen, bereitete dem badischen Vertreter einige Schwierigkeiten, weil Oehlschläger für Baden ursprünglich den Heidelberger Germanisten Schröder in die Kommission haben wollte. Diese Hindernisse entfielen, nachdem Oehlschläger erfahren hatte, daß Schröders wis125

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Vgl. hierzu u. a. die Berichte von Brauer (Baden) nach Karlsruhe vom 19. 10. und 31. 10. 1890 im Bad. GLA. Vgl. oben S. 340 f. (Bericht vom 16. 10. 1890). GLA Karlsruhe 234/3548. Vgl. Berichte von Stieglitz (Württemberg) vom 26. 11. 1890 (HStA Stuttgart, a. a. O.) und von Heller vom 25. 11. 1890 (Bayer. HStA München, MJu. 16112), Quellenteil E XII. 55

Entstehungsgeschichte des BGB

senschaftlicher Rang nicht allgemein anerkannt war. Lübeck benannte im Einverständnis mit Hamburg trotz Bedenken von Bremen129 den von den Beratungen der Reichsjustizgesetze her bekannten Hamburger Rechtsanwalt Wolffson, auf den Miquel das Reichsjustizamt aufmerksam gemacht hatte und für den sich auch Planck sehr einsetzte. Die wirtschaftlichen Interessen sollten vertreten sein in der Kommission durch Rüssel (als Vertreter des Handels), durch Danckelmann (als Vertreter eines Zweigs der Landwirtschaft) und durch Flesch130 (als Vertreter des Arbeiterstandes), den Miquel vorgeschlagen hatte und der in den Berichten einiger Bevollmächtigter stereotyp als „Arbeiterführer und Demokrat" bezeichnet wird. Doch ließ man Flesch im Laufe des November 1890 wieder fallen, offenbar weil die Bedenken zu groß waren, einen den Sozialdemokraten nahestehenden Juristen in die Kommission zu wählen. Für das Handwerk und die Industrie war keine Vertretung vorgesehen. Die größten Schwierigkeiten bereitete die Wahl des Vertreters der Volkswirtschaft. Ursprünglich hatte Oehlschläger vorgesehen, Schmoller in die Kommission zu wählen. Nachdem dieser abgesagt hatte, schlug Preußen, wenn auch nicht ohne Bedenken, die Wahl Gierkes vor. Gegen diesen Vorschlag wandte sich Bayern mit der Begründung, von einem Manne, der den l. Entwurf als Grundlage des künftigen bürgerlichen Gesetzbuchs verwerfe, könne eine konstruktive Mitarbeit in der Kommission nicht erwartet werden131. Württemberg, Hessen und Lübeck schlössen sich den Bedenken Bayerns an, so daß der Justizausschuß am 3. 12. 1890 die Wahl Gierkes gegen die Stimmen Preußens und Sachsens ablehnte. Statt dessen einigte man sich auf den bekannten Nationalökonomen Johannes Conrad (Professor in Halle)132. In der Plenarsitzung des Bundesrates am 4. 12. 1890 bestand Oehlschläger darauf, doch einen Germanisten in die Kommission zu wählen, da sonst der Vorwurf erhoben werden könnte, bei der Zusammensetzung der Kommission sei nach einer „gewissen Tendenz"133 verfahren worden. Der preußische Justizminister Schelling bedauerte es lebhaft, daß Gierke nicht die Majorität gefunden hatte. Anstelle Gierkes wurde als Germanist Sohm, den man allerdings noch nicht angefragt hatte, in die Kommission gewählt. Außer Sohm, Conrad, Danckelmann und Rüssel sind als nichtständige Mitglieder noch hervorzuheben Spahn (Zentrum), für den sich Windthorst sehr eingesetzt hatte, und von Cuny (Nationalliberale Partei), der zwanzig Jahre Richter im rheinisch-französischen Rechtsgebiet gewesen und vom preußischen Justizminister empfohlen worden Dieses hatte den Präsidenten des hanseatischen OLG Sieveking vorgeschlagen. In Berlin waren Bedenken laut geworden, weil Wolffson Jude war. Diese Bedenken hatte Krüger, der hanseatische Gesandte, in Berlin bald ausräumen können. 130 Über diesen vgl. fastrow in der Zeitschrift für Armenwesen, 16. Jg. 1915,5.328 — 334. 11 Das Gutachten des bayer. Justizministers Leonrad vom 27. 11. 1890, das auch Württemberg bekannt gegeben wurde, ist im Quellenteil E unter XIII abgedruckt. Über Conrad schrieb dessen Biograph Johannes Diehl in dem Jb. f. Nationalökonomie und Statistik, Bd. 104 (1915), S. 737-762: Conrad habe „bei einigen volkswirtschaftlich wichtigen Fragen entscheidend eingegriffen, so z. B. in der Frage des Vereinsrechts, wo er den liberalen Standpunkt vertrat,. . . Auch überall, wo statistisches Material eine Rolle spielte, griff er in die Debatte ein, z. B. bei einzelnen Verkehrsfragen, dann in der Frage der Behandlung der unehelich Geborenen". In der Frage des Anerbenrechts sei Conrad unterlegen ebenso wie in der Frage „über die Haftung des Eigentümers für durch seinen Besitz herbeigeführten Schaden, wo die Landwirte seine Gegner waren." — In der Frage des gesetzlichen Zinsfußes setzte sich Conrad ebenfalls nicht durch. Auch hinsichtlich des Erbbaurechts vertrat er eine andere Meinung als die Majorität. Gegen seinen Wunsch wurde die Gesetzgebung über die Fideikommisse der Landesgesetzgebung vorbehalten. 133 HStA Stuttgart E 130 a/821. 56

IV. Die Arbeit der 2. Kommission

war, sowie Hoffmann, der vom Freisinn benannt wurde. Später kam noch Wilke aus dem preußischen Rechtsanwaltsstand hinzu. Auf unüberwindliche Schwierigkeiten war das Reichsjustizamt bei der Suche nach einem Kommissionsvorsitzenden gestoßen. Der in Aussicht genommene liberale Politiker und damalige Oberbürgermeister Miquel von Frankfurt am Main kam nicht mehr in Betracht, nachdem er preußischer Finanzminister geworden war. Der Präsident der Reichsbank Richard Koch lehnte es ab, den Kommissionsvorsitz zu übernehmen. Vom Reichsgericht wollte sich das Reichsjustizamt niemanden „erborgen"134. Da der Vorsitzende eine im öffentlichen Leben stehende und anerkannte Persönlichkeit sein sollte, blieb nichts anderes übrig, als den Staatssekretär persönlich mit der Leitung der Kommission zu beauftragen, eine Lösung, die Oehlschläger bis zuletzt verhindern wollte, da der Staatssekretär zugleich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrat war und als solcher in Konflikt mit seinen persönlichen Ansichten kommen konnte. Die getroffene Regelung führte zu mehrfachem Wechsel im Kommissionsvorsitz. Nachdem Oehlschläger Anfang 1891 Präsident des Reichsgerichts geworden war, wurden Bosse, und, nachdem dieser preußischer Kultus- und Unterrichtsminister geworden war, Hanauer (schon seit dem 12. 3. 1891 Kommissionsmitglied) Staatssekretäre des Reichsjustizamtes und damit Kommissionsvorsitzende. Erst Nieberding verzichtete auf den Kommissionsvorsitz, um bei der späteren parlamentarischen Behandlung des neuen Entwurfs freie Hand zu haben. Als größter Staat stellte dann von 1893 an Preußen mit Küntzel den Vorsitzenden. IV. Die Arbeit der 2. Kommission Die Beschlüsse des Bundesrates vom 4. 12. 1890 über die Zusammensetzung der 2. Kommission und über deren Arbeitsweise135 haben dazu beigetragen, daß man sich bei der Revision des 1. Entwurfs stärker an der sozialen Realität und den Problemen der Zeit orientierte, als es die 1. Kommission getan hatte. Die vom Bundesrat vorgeschriebene Einsetzung einer Redaktionskommission entlastete die Beratungen der Gesamtkommission, die sich so verstärkt mit dogmatischen und rechtspolitischen Fragen befassen konnte. Nicht erfüllt hat sich der Wunsch des Bundesrates nach einem zügigen Fortgang der Revision, da die Kommissionsvorsitzenden in der 2. Kommission eine viel weniger autoritäre Stellung einnahmen als Pape in der 1. Kommission. Allgemein geschätzt wurde Bosse136, der den Diskussionen freien Raum gab. Auf ihn ist es wohl letztlich zurückzuführen, daß die Kommissionsverhandlungen viel länger als geplant dauerten, nämlich fünf Jahre. Über Bosse sei das Urteil von Jacubezky zitiert: „Er hat sich überraschend schnell in seine Aufgaben, die ihm bis zur Übernahme seines bisherigen Amtes fremd gewesen waren, hinein gearbeitet und es dazu gebracht, sich auch in schwierigen Fragen ein selbständiges Urteil zu bilden. Ein beträchtlicher Teil meiner

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Brauer am 19. 10. 1890 nach Karlsruhe (Bad. GLA Karlsruhe 234/3548). - Zu den Plänen, Miquel den Vorsitz zu übertragen, H. Herzfeld, Johannes v. Miquel, Bd. H, 1938, S. 154. Nach Herzfeld entsprach der Entwurf nicht den Idealen Miquels, der mehr der germanistischen Richtung zuneigte. Miquel war bis zuletzt dafür eingetreten, daß das Anerbenrecht im BGB geregelt wurde (Einzelheiten im Quellenband zum EGBGB). Prot. BR 1890, § 612. Über Julius Robert Bosse (1832-1901), 1891/92 Staatssekretär des Reichsjustizamtes, von 1892 bis 1899 Preußischer Unterrichts- und Kultusminister vgl. die Kurzbiographie von fahnel im biographischen Teil dieses Bandes; siehe auch Kögler, a. a. O., S. 89.

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Entstehungsgeschichte des BGB

Anträge verdankt die Annahme seiner Billigung und bei zahlreichen von der Mehrheit abgelehnten Anträgen gereichte es mir zur Genugtuung, ihn mit mir in der Minderheit zu sehen"137. Die späteren Kommissionsvorsitzenden Hanauer und Küntzel, beide Mitglieder der Kommission von Anfang an, haben die extensive Arbeitsweise der Kommission nicht mehr ändern könnnen. Die 2. Kommission hielt in der Zeit vom 1. 4. 1891 bis zum 8. 2. 1896 insgesamt 456 Sitzungen ab138, über die, wie in der 1. Kommission, Protokolle geführt wurden. Die Namen der Redner, Antragsteller und Abstimmenden sind in diesen Protokollen nicht genannt und werden in dieser Edition erstmals offengelegt. Wohl weil eine Publikation nach Abschluß der Kommissionsarbeiten geplant war, hat die 2. Kommission die Protokolle ausführlicher und übersichtlicher abfassen lassen als die l. Kommission. Sie wurden allerdings nicht von der Gesamtkommission genehmigt, sondern unterlagen nur der Überprüfung durch einen Protokollausschuß, der mit der Redaktionskommission identisch war. Ob Planck in der Kommission der „allein führende Kopf" war, wie erst kürzlich wieder gesagt wurde139, erscheint zweifelhaft, wenn man sich näher ansieht, wie der 2. Entwurf zustande kam. Zwar war Planck Generalreferent und hatte als solcher die Möglichkeit, schon vor der Diskussion zusammen mit dem Referenten seine Ansichten geltend zu machen. Auch auf die Redaktion des E II hatte er starke Einflußmöglichkeiten, da die von ihm angefertigte „Vorläufige Zusammenstellung der Beschlüsse für die zweite Lesung" als Redaktionsvorlage diente. Anders als in der 1. Kommission verfügten aber in der 2. Kommission auch die Mittelstaaten über juristisch sehr profilierte Persönlichkeiten, so daß ein Übergewicht Preußens nicht in dem Maße aufkommen konnte wie in der l. Kommission. Insbesondere Rüger (Sachsen) und Dittmar (Hessen), zwei erfahrene und erfolgreiche ehemalige Rechtsanwälte, wie auch der bekannte Hamburger Rechtsanwalt Wolffson haben in der Kommission intensiv mitgearbeitet und ihr ein stärker auf die Bedürfnisse der Praxis ausgerichtetes Gepräge gegeben. Rechtspolitische Fragen, denen die 1. Kommission ausgewichen war,, wurden von ihnen und auch von den nichtständigen Mitgliedern wiederholt zur Diskussion gestellt. Jacubezky (Bayern) und Mandry (Württemberg) brachten mit einer Vielzahl von Anträgen verstärkt süddeutsche Rechtsanschauungen zur Geltung, während demgegenüber die Anträge Plancks und auch der anderen preußischen Mitglieder zahlenmäßig stark zurücktraten. Freilich sollte nicht vergessen werden, daß den preußischen Wünschen wohl schon meist in der Vorkommission des Reichsjustizamtes Rechnung getragen worden war. In diesem Zusammenhang kann der Einfluß der drei Reichskommissare Achilles, Börner und Struckmann — die beiden letzteren wurden später Mitglieder der Kommission — nicht hoch genug veranschlagt werden. Als „enfant terrible"140 der Kommission galt der Bayer Jacubezky, der durch seine zahlreichen Anträge die Kommissionsarbeiten um mehrere Monate, wenn nicht gar um über ein Jahr aufgehalten hat. Jacubezky brachte primär bayerische Wünsche zur Geltung, die freilich meist seinen eigenen Vorstellungen entsprachen, da er als Referent im bayerischen Justizministerium die bayerischen Stellungnahmen zum E I maßgeblich 137 138

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Brief vom 25. 3. 1892 nach München (Bayer. HStA München, Abt. I, MJu. 16114). Eine vorbereitende Sitzung mit Feststellung der Geschäftsordnung hatte am 15. 12. 1890 stattgefunden; vgl. diese Edition Quellenteil F. Kögler, a. a. O., S. 89. So Windscheid in einem Brief an Planck am 10. 12. 1891 (Nachlaß Planck). Windscheids Kenntnisse der Arbeiten der 2. Kommission gehen auf seinen Fakultätskollegen Sohm und auf die ihm von der sächsischen Regierung überlassenen Kommissionsprotokolle zurück.

IV. Die Arbeit der 2. Kommission

mitbestimmt hat141. Zudem erwies sich Jacubezky als ein sehr scharfsinniger Dogmatiker und bestand unerbittlich auf genauer Ausdrucksweise, auf Beseitigung von Widersprüchen und auf klarer Gliederung des Gesetzes. Sein Beitrag zur Redaktion des E II dürfte kaum geringer als der Plancks sein, denn nach Beratung des Schuldrechts wurde Jacubezky ständiges Mitglied der Redaktionskommission, offensichtlich damit diese von seinen Fähigkeiten profitieren konnte und auch wohl, damit die Hauptkommission von allzu vielen Abänderungsanträgen verschont wurde. Trotzdem stellte er bei der Revision des E II im Herbst 1895 zahlreiche Anträge. Wie Nieberding dem bayerischen Bundesratsbevollmächtigten im Oktober 1895 mitteilte, hätten sich die übrigen Mitglieder der Kommission „schließlich dahin geeinigt, um weitere Verzögerungen zu vermeiden, die Anträge von Jacubezky ohne Debatte anzunehmen"142. Abschließend sei noch das Urteil Nieberdings aus dem Jahre 1893 über Jacubezky zitiert: Dieser Jurist „werde nicht nur allseitig als ein nützliches, sondern geradezu als unentbehrliches Mitglied der Kommission betrachtet, da kein anderes Mitglied an logischer Schärfe ihm gewachsen sei"143. Diesem Urteil fügte Lerchenfeld, der bayerische Gesandte, hinzu: „Allgemein wird dessen Begabung, glänzende Dialektik und juristische Schärfe anerkannt, die stets neue Gedanken zu Tage fördert, aber zugleich über sein zu starres Festhalten an der eigenen Ansicht und über seine zuweilen zu weit vom Ziele abführende Logik geklagt, welche öfters schon die Kommission auf Wege gebracht hat, die sich schließlich als nicht gangbar erwiesen haben". Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß außer Planck und Jacubezky sich auch die anderen ständigen Kommissionsmitglieder in großem Maße an den Arbeiten der Kommission beteiligten, so daß der 2. Entwurf mehr als der l. Entwurf als das Werk aller ständigen Kommissionsmitglieder anzusehen ist. Die Beiträge der nichtständigen Mitglieder, auch soweit sie wie Spahn, Cuny, Conrad und Sohm fast regelmäßig an den Sitzungen teilnahmen, beschränkten sich auf wertvolle Anregungen in rechtspolitischen, aber auch in dogmatischen Fragen, die zur Abschwächung des doktrinären Charakters des E I beitrugen. An der Redaktion indessen waren sie kaum beteiligt, auch Sohm nicht, dessen Anträge terminologisch und nicht selten auch dogmatisch aus dem Rahmen dessen fielen, was für die Gesamtkommission noch akzeptabel sein konnte. Auf die Bedeutung der Redaktionskommission für die endgültige Gliederung und Fassung des E II wurde bereits hingewiesen. Die Gesamtkommission ließ dieser Kommission einen viel größeren Spielraum, als ihn der Redaktionsausschuß der l. Kommission gehabt hatte. Die Hauptkommission befaßte sich grundsätzlich nicht mit Fragen des Systems und der sprachlichen Fassung der Beschlüsse, wohl weil sich solche diffizilen Probleme den nichtjuristischen Mitgliedern der Kommission, welche im übrigen die Abstimmung im Einzelfall durchaus beeinflussen konnten, nur schwer klarmachen ließen. Der Redaktionskommission gehörten an zunächst Hanauer, Planck und der Referent des betreffenden Buches (Gebhard für den Allgemeinen Teil und das EG, Jacuhezky für das Schuldrecht, Küntzel für das Sachenrecht, Mandry für das Familienrecht und Rüger für das Erbrecht). Nachdem Hanauer im Mai 1892 Kommissionsvorsitzender geworden war, trat an dessen Stelle Küntzel in die Redaktionskommission, in der er auch verblieb, nachdem er Vorsitzender geworden war. Jacubezky war seit Anfang 1893 auf Wunsch von Hanauer und Planck Vollmitglied der Redaktionskommission. 141

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Jacubezkys Kritik am 1. Entwurf liegt gedruckt vor unter dem Titel: „Bemerkungen zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich", München 1892 (im Bayer. Hauptstaatsarchiv München ist weiteres Material nicht auffindbar). Schreiben von Heller nach München vom 14. 10. 1895 (Geh. StA München, MA 76 726). Brief von Lerckenfeld vom 4. 8. 1893 (Geh. StA München, MA 76 707/2).

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Entstehungsgeschichte des BGB Der Redaktionskommission für die Revision des E II gehörten an Küntzel, Planck, Rüger, Gebhard, Mandry und Jacubezky sowie Börner, der bisher als Reichskommissar an den Sitzungen dieser Kommission teilgenommen hatte. Für die Beurteilung des 2. Entwurfs sind vornehmlich zwei Gesichtspunkte von Bedeutung: einmal die sprachliche Revision verbunden mit den nicht sehr tiefgreifenden Änderungen, zum anderen die Berücksichtigung von Wünschen der einzelnen Bundesstaaten und Interessengruppen. Den ersten Gesichtspunkt hat Windscheid in einem seiner letzten Briefe an Planck wie folgt umschrieben : „Es ist auffallend, wie wenig bisher sachlich geändert worden ist. Die verschiedenen Änderungen scheinen mir größtentheils wohl gelungen. Aber ich bin mit Dir der Meinung, daß es fraglich ist, ob nicht hier und da größere Lesbarkeit durch eine Minderung der Schärfe des Ausdrucks erkauft worden ist." Die Berücksichtigung der Kritik am E I bereits durch die Kommission wird nur der verurteilen, der nicht in Betracht zieht, daß der Entwurf noch die Hürden des Bundesrates und des Reichstags passieren mußte. Daß dies dann relativ reibungslos vonstatten ging, war nicht von vornherein selbstverständlich und nicht zuletzt das Verdienst der Kommission, die sich um einen Ausgleich der verschiedenen rechtspolitischen Vorstellungen bemüht hatte. Daß die meisten ständigen Mitglieder der Kommission von den heimischen Justizministerien Anweisungen erhielten oder sich in ihren Anträgen nach der Stellungnahme ihres Heimatstaates zum E I richteten, erwies sich als nützlich. Durch den ständigen Briefwechsel, den insbesondere die süddeutschen Kommissionsmitglieder mit ihren Justizministerien führten, waren die großen Bundesstaaten im Hinblick auf die spätere Behandlung des Entwurfs im Bundesrat darüber informiert, welche Wünsche durchsetzbar waren und welche nicht. Zwar mag sich die 2. Kommission, nachträglich betrachtet, immer noch unvollkommen der sozialen Realität geöffnet haben, wie etwa ein Vergleich des Dienstvertragsrechts des BGB mit dem sozialdemokratischen Gegenentwurf eines Arbeitsrechts zeigt. Insgesamt gesehen waren aber die sozialen Fortschritte gegenüber dem 1. Entwurf nicht unbeachtlich145. Über die Ergebnisse der Kommissionsberatungen konnte sich die Öffentlichkeit umfassend informieren, da fortlaufend darüber im Reichsanzeiger und anderen Zeitungen und Zeitschriften berichtet wurde. Der neue Entwurf wurde noch vor seiner endgültigen Fertigstellung mehrfach publiziert. So konnten die Öffentlichkeit und auch die Bundesstaaten kein anderes Gesetzgebungsvorhaben der Kaiserzeit so genau verfolgen und beeinflussen wie das Zustandekommen des 2. Entwurfs des BGB146.

V. Der BGB-Entwurf im Bundesrat Das endgültige Zustandekommen des BGB ist vornehmlich Nieberding zu verdanken, der 1893 auf den Vorsitz in der 2. Kommission verzichtet hatte, um den Bundesregierungen und dem Reichstag möglichst unbefangen gegenübertreten zu können. Bereits am 19. 12. 1893, knapp zwei Jahre vor der Fertigstellung des 2. Entwurfs (revidierte Fassung), forderte der Reichskanzler die Bundesregierungen zu sukzessiven Stellungnahmen zu den einzelnen Büchern des Entwurfs auf. Schon jetzt schlug der Reichs144 145

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Windscheid in Planck Am 10. 12. 1891 (Nachlaß Planck). Vgl. den Aufsatz von Planck in DJZ 1899, S. 181 -184: „Die soziale Tendenz des Bürgerlichen Gesetzbuches". So war es dem Bundesrat nicht möglich, das in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Vereinsrecht des E II rev wesentlich abzuändern, weil sonst das Zustandekommen des BGB ernsthaft gefährdet gewesen wäre.

V. Der BGB-Entwurf im Bundesrat

kanzler vor, die Beratung im Justizausschuß des Bundesrates auf das Notwendigste zu beschränken, auf Punkte, „die von hervorragender wirthschaftlicher und sozialpolitischer Bedeutung sind oder besondere Interessen des einzelnen Landesgebietes berühren"147. Begründet wurde der Wunsch, am Entwurf möglichst wenige Änderungen vorzunehmen, wie folgt: „Ich gehe davon aus, daß es bei der Beurtheilung des von der Kommission festgestellten Gesetzbuchs sowohl für den Bundesrath als auch für den Reichstag wesentlich um ein politisches Votum sich handeln wird. Wollte man den Entwurf im Bundesrath und nach dem so gegebenen Beispiel auch dann im Reichstag einer Durchberathung in allen Einzelheiten wie sonstige Gesetzesvorlagen unterziehen, so würde dies für die Vollendung des Gesetzgebungswerks, dessen Abschluß wohl im allseitigen Interesse liegt, mindestens einen Aufschub von Jahren bedeuten." Das vom Reichskanzler vorgeschlagene Verfahren wurde von den meisten Bundesregierungen gebilligt, am 6. 2. 1894 vom preußischen Staatsministerium148, das sich in der Folgezeit deshalb nur mit einigen Grundsatzfragen des Entwurfs befaßte. Lediglich Mecklenburg-Schwerin, das leider von jeder Mitwirkung an der Ausarbeitung des BGB ausgeschlossen war, wandte sich gegen eine rein politische Behandlung des Entwurfs149: Da es darauf ankomme, ein gutes und praktisch brauchbares Werk zu schaffen, dessen Regelungen ein in sich geschlossenes harmonisches Ganze bildeten, spiele es keine Rolle, ob das BGB ein Jahr eher oder später in Kraft trete. Man lehnte eine Beschränkung der Kritik auf prinzipielle Fragen ab und forderte, auch die „juristische Gestaltung" müsse zur Diskussion stehen. Obwohl die 2. Kommission ihre Arbeit am Entwurf erst Ende Oktober 1895 beendete, machte Nieberding bereits am 27. 6. 1895 im Justizausschuß des Bundesrates Vorschläge für die Behandlung des Entwurfs, die im wesentlichen gebilligt wurden150. Grundlage der Beratungen sollte eine Zusammenstellung der bis zum Herbst beim Reichsjustizamt eingegangenen Äußerungen der Bundesregierungen zum 2. Entwurf sein. Jedoch wurde auf Vorschlag Bayerns klargestellt, daß darüber hinaus noch weitere Anträge gestellt werden durften, wobei Nieberding allerdings um möglichste Zurückhaltung bat. Die Berichterstattung sollten übernehmen: Bayern für das Erbrecht (Hel147

Zitiert nach dem Schreiben an Württemberg (HStA Stuttgart E 130a/823). Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Rep. 90, 2419. Teile der Gutachten der Minister und Prot. des Staatsministeriums werden im materiellrechtlichen Teil der Edition abgedruckt. — Die zustimmenden Voten der Bundesregierungen sind in der Akte Nr. 3852 des Reichsjustizamtes im ZStA Potsdam enthalten. Zum folgenden das Schreiben Mecklenburg-Schwerins vom 22. 1. 1894. In der Antwort vom 6. 4. 1894 besteht das Reichsjustizamt auf Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, deren Prüfung und eventuelle Berücksichtigung ohne Schwierigkeiten möglich sein müsse. 149 a In seiner Antwort vom 19. 2. 1894 weist Nieberding das von Mecklenburg vorgeschlagene Verfahren zurück, das zwar nicht zu grundlegenden Änderungen, wohl aber einer erheblichen Verzögerung führen würde. In einer Replik weist Mecklenburg-Schwerin noch einmal darauf hin, daß die Kritik sich nicht auf rein politische Gesichtspunkte beschränken dürfe. Es wolle die juristischen Bedenken aber auf Fragen von erheblicher Bedeutung bzw. auf Fragen beschränken, deren Prüfung und Berücksichtigung ohne besondere Schwierigkeiten möglich sei. 150 Vgl. die Sitzungsberichte von Heller und Schicker (Geh. Staatsarchiv München MA 76 726 und HStA Stuttgart E 130 a/823). Fühlungnahmen hatte Nieberding schon Anfang April mit den größeren Bundesstaaten aufgenommen (vgl. Bericht von Heller vom 5. 4. 1895 im Geh. Staatsarchiv München, MA 76 726). In einem 5-Punkte-Plan von Nieberding ist die Bestellung von ständigen Mitgliedern der Kommission zu Kommissaren des Bundesrates vorgeschlagen (vgl. im einzelnen Quellenteil G).

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Entstehungsgeschichte des BGB

ler), Sachsen für das Familienrecht (Rüger), Württemberg für das Sachenrecht (Schikker), Baden für das Schuldrecht (Jagemann), Hessen-Darmstadt für den allgemeinen Teil (Finger) und endlich für das IPR und das EG-BGB Lübeck (Krüger, Sieveking). Auf welchen Erwägungen diese von Nieberding vorgeschlagene und vom Ausschuß genehmigte Verteilung beruhte, hat Heller in einem Bericht nach München im einzelnen geschildert151. Die Redaktion der beschlossenen Änderungen des Entwurfs sollte in die Hände der Kommissare des Bundesrates gelegt, also von Mitgliedern der 2. Kommission besorgt werden. In der Ausschußsitzung vom 8. 7. 1896 wurde dann der endgültige „Geschäftsplan für die Berathung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs im Justizausschuß" genehmigt152. Dem Entwurf sollte eine Denkschrift hinzugefügt werden, die bewußt knapp und allgemein gehalten wurde153, damit der Reichstag möglichst wenige Ansatzpunkte zu einer Kritik am Entwurf hatte. Der Justizausschuß des Bundesrates begann seine Beratungen am 7. 10. 1895, also zu einer Zeit, als der neue Entwurf dem Bundesrat noch nicht überwiesen worden war und die endgültige Fassung des EG-BGB noch nicht feststand. Über die von Bayern gegen dieses Verfahren geäußerten Bedenken hatte man sich bereits im Sommer hinweggesetzt. Auch die Wünsche Bayerns, die Behandlung des Entwurfs im Ausschuß nicht zu übereilen, stießen auf Nieberdings Ablehnung. Ausschußsitzungen fanden statt am 7., 9., 12., 15., 16., 18., 28. und 30. Oktober 1895, am 1., 11. und 13. November 1895 (1. Lesung) sowie am 10. und 11. Dezember 1895 (2. Lesung). Ende November/Anfang Dezember 1895 wurde auf Wunsch Preußens durch eine besondere Kommission (Vorsitzender Nieberding) das 6. Buch revidiert und in das EG-BGB verwiesen154. Der Justizausschuß des Bundesrates beschäftigte sich mit dem BGB-Entwurf abschließend am 11. 1. 1896. Am 15. und 16. Januar 1896 (1. Lesung) sowie am 20. 1. 1896 (2. Lesung) behandelte er das EG-BGB. Das Plenum des Bundesrates nahm den sog. 3. Entwurf am 16. 1. 1896, den des EG-BGB am 23. 1. 1896 an. An den Ausschußsitzungen nahmen regelmäßig teil Nieberding (für Preußen), Rüger (für Sachsen), Schicker (für Württemberg), Jagemann (für Baden), Finger, bei dessen Abwesenheit Hallwachs (für Hessen-Darmstadt) und Krüger, unterstützt von Sieveking (für Lübeck)155. Ohne Stimmrecht wohnten mehrere Vertreter der anderen Bundesregierungen den Sitzungen bei, insbesondere Ministerialrat Langfeld für die Mecklenburgischen Regierungen, die dem Entwurf gegenüber eine sehr kritische Stellung einnahmen. Ferner waren bei den Sitzungen als Kommissare des Reichskanzlers anwesend immer Struckmann, bei einzelnen Sitzungen Küntzel, Jacubezky, Börner, Mandry, Gebhard, Dittmar und Sohm. Vor Beginn der Einzelberatungen bat Nieberding die Bundesregierungen nochmals um Zurückhaltung156: „Die Größe der

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Die Abstimmung im Ausschuß erfolgte am 8. 7. 1895; im Plenum wurde diese Frage nicht verhandelt. Es erfolgte am 27. 6. 1895 lediglich eine Mitteilung über den Stand der Arbeiten (Prot. BR § 407). Dieser Plan ist in diesem Band, Quellenteil GIV 2 abgedruckt. Den Ausdruck „Motive" hatte man absichtlich vermieden, weil man von diesen Vollständigkeit erwartet hätte (vgl. Bericht von Jagemann nach Karlsruhe Mitte Oktober 1895, Bad. GLA 233/34801). Einzelheiten bei Hartwieg-Korkisch, Die geheimen Materialien zur Kodifikation des deutschen IPR, 1881 -1896, Tübingen 1973, S. 42ff. und Quellenteil. Krüger starb am 17. 1. 1896. An dessen Stelle nahmen verschiedene andere Vertreter aus den Hansestädten, insbesondere Klügmann für Lübeck teil. Bericht von Heuer über die Sitzung vom 7. 10. 1895 (Geh. Staatsarchiv München MA 76 726), unten Quellenteil G V.

V. Der BGB-Entwurf im Bundesrat

Aufgabe lege es dringendst nahe, bei der Beratung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Resignation zu üben und mit dem Vertrauen an das Werk zu gehen, daß die beiden Kommissionen ein annehmbares Werk geschaffen haben. Eine andere Art der Behandlung würde einen verhängnisvollen Einfluß üben auf die Art der Behandlung im Reichstage; dieser würde sich gleichfalls für berechtigt halten, den Entwurf nochmals durchzurevidieren. Dies würde das Ende des ganzen großen Gesetzgebungsunternehmens sein. Die politischen Folgen des Scheiterns dieses Werkes aber würden so weittragend sein, daß der Bundesrat alles aufbieten müsse, sie abzuwenden. Er müsse daher den Entwurf so ansehen, als hätte er selbst ihn gemacht und nur die sich findenden Übersehen, Irrtümer und Unklarheiten beseitigen, vielleicht hie und da auch die politischen Rücksichten zur Geltung zu bringen, die in der Kommission naturgemäß nicht in dem Maße zur Geltung kommen konnten"157. Eingehend beschäftigte sich der Bundesrat zunächst mit dem Vereinsrecht. Die 2. Kommission hatte gegen den Widerstand der meisten Bundesstaaten für Idealvereine das Normativsystem durchgesetzt158. Im Bundesratsausschuß wollte ein Teil der Bundesstaaten zum Standpunkt des 1. Entwurfs zurückkehren, also auf eine Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verein Rechtsfähigkeit erlangen sollte, im BGB verzichten. Preußen, das früher den stärksten Widerstand gegen eine Regelung des Vereinsrechts im Entwurf geltend gemacht hatte, setzte sich nunmehr für den Entwurf ein. Ausschlaggebend waren dafür innenpolitische Gesichtspunkte: Nachdem der Standpunkt der Kommission in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei, wäre es politisch gefährlich und zudem erfolglos, den Standpunkt des Entwurfs zu bekämpfen159. Allerdings nahm der Bundesratsausschuß am Vereinsrecht zwei wesentliche Änderungen vor, die dann allerdings in der Reichstagskommission keine Zustimmung fanden. Nach den Beschlüssen der 2. Kommission konnte die Verwaltungsbehörde gegen die Eintragung eines Vereins unter anderem Einspruch erheben, wenn ein Verein einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgte1 °. Auf Wunsch Preußens wurde dies auf Vereine ausgedehnt, die der Erziehung und dem Unterricht dienten. Nach dem 2. Entwurf sollte die Auflösung eines Vereins durch die Verwaltung im Wege eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolgen. Auch über den Einspruch der Verwaltungsbehörde gegen eine Eintragung eines Vereins im Vereinsregister sollte das Verwaltungsgericht entscheiden. Diese Regelung hielt insbesondere Preußen für bedenklich, da man, wie in der Konferenz des Staatsministeriums laut wurde, mit den Verwaltungsgerichten „in politischen Fragen keine sehr günstigen Erfahrungen gemacht habe"161. Der Ausschuß des Bundesrates setzte deshalb durch, daß sich das Verfahren bei Fragen der Vereinsauflösung und bei Einsprüchen der Verwaltung gegen Vereinseintragungen nach dem jeweiligen Landesrecht richten sollte162. Im Schuld- und Sachenrecht kam es nur bei wenigen Fragen zu längeren Debatten. 157 158 159

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Weitere Einzelheiten unten Quellenteil G V. Hierzu Kögler, a. a. O., S. 79ff. Vgl. Bericht von Schicker vom 778. 10. 1895 (HStA Stuttgart E 130a/824) und die Protokolle der preußischen Staatskonferenz sowie der von ihr eingesetzten Spezialkommission (Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem). Der Abdruck dieser Quellen erfolgt in Bd. 2 der Edition. § 55 (§ 59 E II rev). Eine ähnliche Regelung galt auch für die Auflösung von Vereinen, die solche Zwecke, entgegen der Vereinssatzung, verfolgten (§ 40 E II und E II rev). Protokoll der preußischen Staatskonferenz vom 30. 11. 1894 (Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem Rep. 90/2419); vollständig abgedruckt im Band: Allgemeiner Teil. Vgl. die SS 40, 41, 58, 59 E III, die dann von der RT-Kommission nach längerer Debatte i. S. des 2. Entwurfs abgeändert wurden (Quellenteil H). 63

Entstehungsgeschichte des BGB Im Streit um die Verschärfung der Formvorschriften des § 307 E II rev (§ 313 BGB) konnte sich Bayern gegenüber Preußen nicht durchsetzen163. Ebenfalls konnte Bayern den auf seine Initiative zurückgehenden § 252 E II rev (abgedruckt im Anhang zu den §§249 ff.), der auf eine Einschränkung des Umfangs des Schadensersatzes hinauslief, gegen den Widerstand Preußens und der Hansestädte nicht aufrechterhalten. Das Sachenrecht fand der Justizausschuß als nicht besonders gelungen, wie aus dem Bericht Schickers nach Stuttgart zu entnehmen ist164: „Von allen Mitgliedern des Ausschusses, insbesondere auch von dem Vorsitzenden, wurde je unter vier Augen darüber geklagt, daß die Fassung dieses Buches eine so überaus schwer verständliche ist und hierdurch sowie durch die Heranziehung verschiedener überflüssiger Komplikationen die ohnehin so schwierige Materie noch unnötig erschwert werde". Kontrovers war vor allem die Regelung des § 910 E II rev (§ 925 BGB), weil Preußen auf der ausschließlichen Zuständigkeit des Grundbuchamtes für die Entgegennahme der Auflassung beharrte. Bayern lehnte zusammen mit Sachsen und Hessen weiterhin die Briefhypothek ab. Im übrigen wurde die Stoffgliederung des Titels über das Grundpfandrecht als wenig gelungen empfunden. Gleichwohl verzichtete man aus zeitlichen Gründen auf eine Neugliederung, die Mecklenburg in einem sehr detaillierten Antrag vorgesehen hatte. Im Familienrecht versuchte Bayern die Eheanfechtungs- und Ehescheidungsgründe einzuschränken. Es hatte damit ebensowenig Erfolg wie mit dem Vorschlag, die Trennung von Tisch und Bett zuzulassen. Für die Beseitigung der exceptio plurium fanden Sachsen und Lübeck keine Mehrheit. Zum Erbrecht lagen zahlreiche Anträge von Bayern vor. Abgelehnt wurden u. a. das Vindikationslegat, das holographische Testament für Volljährige (auch von Württemberg und Elsaß-Lothringen beantragt), das gemeinschaftliche Testament für Verlobte sowie eine Stärkung der Position des Pflichtteilsberechtigten (unentziehbares Recht auf eine Quote der Erbschaft). Insgesamt gesehen zeigte sich auch im Bundesrat, daß die süddeutschen Staaten ihre Vorstellungen nur selten durchsetzen konnten, zumal sie nicht immer geschlossen auftraten. Allerdings widersetzte sich Preußen insbesondere den von Bayern gewünschten Änderungen im Erbrecht vor allem deswegen, weil jeder Eingriff in das System des Entwurfs eine längere Verzögerung bedeutet hätte165. VI. Der BGB-Entwurf im Reichstag Für die Behandlung des Entwurfs in der XII. Kommission des Reichstags, die nach mehrtägiger Plenardebatte (3. — 7.2. 1896) gewählt wurde166, ist die Tendenz kennzeichnend, rechtspolitische Auseinandersetzungen nur beschränkt an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Über die Beratungen dieser Kommission geben die Berichte der Referenten Auskunft 167 . Sie sind nach der Legalordnung des Entwurfs aufgebaut, las163 164

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Vgl. die Materialien zu § 313 BGB im Band Schuldrecht I. BerichtSd?icfcmvoml7. 10. 1892 (HStA Stuttgart, E 130a/824). In der 2. Lesung des Entwurfs wurde die von den Kommissaren vorgeschlagene Fassung der abgeänderten Bestimmungen festgestellt und einige Beschlüsse erster Lesung rückgängig gemacht (z. B. die zu den §§ 247 E II rev, § 307 E II rev = § 313 BGB). Bei der Verabschiedung des E II rev durch den Ausschuß am 11. 1. 1896 wurden nur noch geringe Abänderungen beschlossen. Zu den Reichstagsverhandlungen neuerdings ausführlich Vormbaum, Sozialdemokrade und Zivilrechtskodifikation, 1977, S. XXXVff.; LXXIXff. (von der Sicht der Sozialdemokratie aus); ferner auch Schubert, a. a. O. S. 52 ff. Hierüber und über die im folgenden genannten Materialien vgl. das Quellenverzeichnis unter III D.

VI. Der BGB-Entwurf im Reichstag

sen also den Verlauf der Sitzungen nur ungenau erkennen und enthalten in der Regel keine Angaben darüber, von wem die in der Kommission gestellten Anträge168 stammen und wie die einzelnen Parteien sich zu den Anträgen stellten. So war man bisher im wesentlichen auf Vermutungen angewiesen. Da auch die unveröffentlicht gebliebenen Protokolle der Kommission nur das Ergebnis der Beratungen einschließlich der noch in den Sitzungen gestellten Anträge wiedergeben, muß vor allem auf die bislang unbekannten, nicht publizierten Berichte von Heller (Bayern) und auf die bislang ebenfalls unveröffentlichten Anträge, welche die Mitglieder der XII. Kommission eingereicht haben, zurückgegriffen werden. Die Reichstagskommission bestand aus 21 Abgeordneten169, von denen drei der Reichskonservativen Partei, zwei der Reichspartei, einer der Deutsch-Sozialen Reformpartei, sechs dem Zentrum, einer der Fraktion der Polen, drei den Nationalliberalen, einer der Freisinnigen Vereinigung und je zwei der Freisinnigen Volkspartei und den Sozialdemokraten angehörten. An den 53 Sitzungen (7. 2. —12. 6. 1896) 70 nahmen die meisten Mitglieder des Justizausschusses des Bundesrates regelmäßig teil, insbesondere Nieberding, Schicker, Jagemann, Dittmar und Rüger, für Preußen ferner Küntzel171, für Bayern Heller. Die Kommissare des Bundesrates, meist ehemalige Mitglieder der 2. Kommission wie vornehmlich Struckmann, Planck, Jacubezky, Börner, Mandry und Gebhard ergriffen in den Kommissionssitzungen sehr häufig das Wort. Vorsitzender der Kommission war Spahn (Zentrum). Die Berichterstattung für das Plenum übernahmen Enneccerus für den Allgemeinen Teil und das Schuldrecht, Buchka für das Sachenrecht, Bachern für das Familienrecht und Schröder für das Erbrecht. Im Gegensatz zum Ausschuß des Bundesrates gab die XII. Kommission die Redaktion

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Die Berichte geben den Wortlaut der Anträge nicht immer genau und vollständig wieder; in einigen Fällen sind die Anträge auch ganz weggelassen. Zum Beispiel ist im Kommissionsbericht der Antrag der Sozialdemokraten zum Vereinsrecht (Nr. 22 der Anträge) nicht wiedergegeben. Der Antrag des Zentrums zum Vereinsrecht (Nr. 18 der Anträge) ist auseinandergerissen worden, so daß es unmöglich ist, sich über die Vorstellungen des Zentrums ein detailliertes Bild zu machen. — Zu den im folgenden genannten Berichten von Heller kommen noch die Berichte über die Kommissionssitzungen im „Vorwärts" (Vormbaum, a.a.O., S. 114ff.) hinzu. Diese Berichte sind meist weniger vollständig und detailliert als die Berichte von Heller; wo der Bericht des „Vorwärts" ausführlicher ist, wird in der Edidon darauf hingewiesen. Mitglieder der Reichstagskommission waren zunächst: Spahn, Lieber, B.uiuin. Vh.u-itlcr, Gröber, Lerno, v. Buchka, Hitnburg, v. Normann, Kauffmann, Munckel, Schröder, Wolszlegier, v. Gültlingen, v. Bernstorff, Frohme, Stadthagen, Förster, Bennigsen, Cuny, Enneccerus, Vorsitzender: Spahn (Sten. Berichte der RT-Session 1895/97, S. 821). Im Verlauf der Kommissionssitzungen wechselte die Zusammensetzung der Kommission mehrfach, ohne daß über den Zeitpunkt des Wechsels näheres bekannt ist. Anstelle von Bernstorff, Munckel, Normann, v. Gültlingen, Schaedler, Wolzlegier und Förster kamen in die Kommission Iskraut, Lenzmann, Marbe, v. Roon, Pauli, v. Salisch, Stumm-Halberg, Dziembowski-Pomian (über die wichtigsten Kommissionsmitglieder vgl. den biographischen Teil von R. Jahnel). — Über die Konstituierung der Kommission vgl. den Bericht des „Vorwärts" bei Vormbaum, a. a. O., S. 123 f. Da die Nationalliberalen Anspruch auf den Vorsitz in der Kommission erhoben hatten, mußte eine „Zettelwahl" durchgeführt werden: es stimmten für Spahn 12, für Bennigsen 2, für Buchka 4 Abgeordnete. Von Heller liegen nur Berichte über die Sitzungen vom 17. 2. bis zum 11.6. 1896 (1. bis 51. Sitzung) vor. Über die Sitzung vom 7. 2. 1896, in der sich die XII. Kommission konstituierte (vgl. Bericht, Drucksache Nr. 440, S. 1935) läßt sich nichts Genaueres mehr feststellen. In der Sitzung vom 12. 6. 1896 wurden wohl nur die Berichte genehmigt. Vgl. hierzu und zum folgenden Bericht Nr. 440, S. 1935 und den 1. Bericht von Heller vom 17. 2. 1896 (Bayer. HStA München, MJu. 16119) im Quellenteil H.

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Entstehungsgeschichte des BGB

nicht ganz aus der Hand, sondern wählte einen Redaktionsausschuß, dem Spahn, Enneccerus und Kauffmann angehörten172. Die Kommissare wurden lediglich beauftragt, Redaktionsvorschläge auszuarbeiten. Trotz des Drängens von Nieberding zogen sich die Verhandlungen über vier Monate hin. Dazu trug vor allem das Verhalten der Kommissare bei, die den Entwurf bis in die kleinsten Einzelheiten kompromißlos verteidigten. Darüber schrieb Schicker am 28. 3. 1896 nach Stuttgart173: „Die Art und Weise wie einem Parlament gegenüber Vorlagen zu vertreten sind, ist ihnen fremd". Gebhard, Planck, besonders aber Jacubezky, von dem bekannt sei, daß er schon die früheren Verhandlungen so fühlbar aufgehalten habe, daß man sagt, er habe „das Reich schon hundert Tausende gekostet", hielten „oft unerträglich lange Reden ohne jeden Nutzen". Wohl im Hinblick auf das Familienrecht beklagte sich Schicker ferner darüber, daß der bayerische Bevollmächtigte Heller in der Kommission den Entwurf bekämpfte, was er als eine „Fronde gegenüber den Vertretern des Reichs" bezeichnete, die als sehr mißliebig empfunden werde174. Kontrovers waren in der Kommission vor allem das Vereinsrecht175, das Dienstvertragsrecht, das Recht der unerlaubten Handlungen und insbesondere das Eherecht. Von den 51 Sitzungen, in denen sich die Kommission mit dem materiellen Recht befaßte, waren 14 dem Familienrecht gewidmet (24. 4. bis 16. 5. 1896). Vor der Beendigung der 1. Lesung im Ausschuß am 20. 5. 1896 bedurfte es noch einiger Anstrengungen des Staatssekretärs Nieberding und des preußischen Staatsministeriums, die Beschlußfähigkeit des Reichstags bis Ende Juli 1896 zu sichern und eine Vertagung der Beratung bis zum Herbst 1896 zu verhindern176. An einer Vertagung lag auch der Mehrheit des Zentrums wenig, da man eventuelle Beschlüsse des Katholikentags im Sommer nicht hätte unberücksichtigt lassen können. Nachdem die Gefahr einer Verschiebung der Beratung gebannt war, mußte man eine Verständigung zwischen den Vorstellungen der Ausschußmajorität und denen der Bundesregierungen suchen. Da die Beschlüsse der Kommission zum Vereinsrecht insbesondere für Preußen unannehmbar waren177, nahm Nieberding mit der Nationalliberalen Partei, der Reichspartei und dem Zentrum Verhandlungen auf und schlug einen Kompromiß vor, den Heller in einem Bericht vom 5. 6.1896 nach München wie folgt zusammenfaßte178: "I. Vereinsrecht: Die Nationalliberalen werden zur zweiten Lesung in der Kommission einen Antrag einbringen, nach welchem die Beschlüsse der ersten Lesung in zwei Punkten geändert werden sollen: Es soll wiederhergestellt werden das Einspruchsrecht der Verwaltungsbehörde gegen die Eintragung von politischen, sozialpolitischen und religiösen Vereinen; auf das Einspruchsrecht gegen die Eintragung von Vereinen, die dem Gebiete der Erziehung oder des Unterrichts angehörende Zwecke verfolgen, wäre dagegen zu verzichten. Über den Einspruch soll nicht durch die Gerichte, auch nicht durch die Verwaltungsbehörde, sondern im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens und, 172

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Dies ist nicht im Kommissionsbericht erwähnt, sondern nur dem 7. Bericht von Heller vom 27. 2. 1896 zu entnehmen. Die von Heller erwähnten Redaktionsvorlagen sind nicht auffindbar, ebenfalls nicht evtl. Unterlagen über die Redaktionsarbeiten. HStA Stuttgart E 74/Büschel 86. HStA Stuttgart, a. a. O., Bericht vom 7. 5. 1896. Vgl. unten die im Quellenteil H und I abgedruckten Materialien. Zur Behandlung des Vereinsrechts im Reichstag Kögler, a. a. O., S. 107ff., ohne allerdings auf die Details der Verhandlungen mit der preußischen Regierung näher einzugehen. Vgl. das Protokoll der Sitzung des preuß. Staatsministeriums vom 4. 6. 1896 (auszugsweise in diesem Band, Quellenteil I; vollständig in den folgenden Bänden). Zitiert nach einer Abschrift im Geh. Staatsarchiv München, MA 76 730. Zum Kompromiß im einzelnen vgl. den Quellenteil H und I.

VI. Der BGB-Entwurf im Reichstag

wo ein solches nicht besteht, im Wege des Rekurses nach Maßgabe der §§ 20, 21 der Gewerbeordnung entschieden werden. Das Zentrum hat sich verpflichtet, den Antrag zu unterstützen. Die Konservativen werden ohnehin für ihn sein. II. Eherecht. Die Regierungen sollen zugestehen: 1. die Einführung der Trennung von Tisch und Bett, 2. die Straflösigkeit der kirchlichen Trauung ohne vorangegangenen Zivilstandsakt in articulo mortis, 3. daß der erste Abschnitt des vierten Buches die Überschrift .Bürgerliche Ehe' erhält, 4. daß im Absatz l des § 1301 statt „kraft Gesetzes" gesagt wird „kraft dieses Gesetzes", 5. daß der § 1305 folgende Fassung erhält: ,Die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe werden durch die Vorschriften dieses Abschnitts nicht berührt' und als besonderer, mit der Überschrift ,Kirchliche Verpflichtungen' versehener Titel an den Schluß des Abschnitts über die Ehe gestellt wird"179. Dieser Kompromiß wurde vom Staatsministerium in Berlin am 4. 6. 1896 gebilligt und von den drei Parteien angenommen. In den Kommissionssitzungen vom 8. 6. und 9. 6. 1896 wurden die entsprechenden Änderungen180 mit 16 gegen die fünf Stimmen der Sozialdemokraten, der Freisinnigen Volkspartei und der Antisemiten angenommen. Dieser Kompromiß ermöglichte es, daß das BGB ohne größere Schwierigkeiten von der überwiegenden Mehrheit des Reichstages angenommen wurde, auch wenn er nicht in allen Einzelheiten durchgeführt wurde181. Die geschilderten Schwierigkeiten sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die meisten Parteien sich gegenüber dem Entwurf im ganzen gesehen äußerst zurückhaltend verhielten, ganz im Gegensatz etwa zu der Behandlung der Reichsjustizgesetze zwanzig Jahre vorher. Damals war es zu starken Kontroversen zwischen dem Parlament und den Regierungen gekommen182, bei denen die letzteren erheblich größere Zugeständnisse machen mußten als beim BGB183. Daß der Entwurf zum BGB in der Reichstagskommission und später im Reichstag selbst bei der Mehrheit auf keine härteren Widerstände stieß, dürfte auf folgende Gründe zurückzuführen sein: Im Gegensatz zu den Reichsjustizgesetzen war das BGB das Werk zweier im wesentlichen unabhängiger 179

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Der Kompromiß sah ferner vor, daß in Art. 86 EG-E III (Art. 86 EG-BGB) der Vorbehalt sich nur auf Summen über 3000 Mark beziehen sollte. Der Vorbehalt des Art. 87 Abs. l und 2 EG-E III (Art. 87 EG-BGB) sollte nicht gelten für Mitglieder von Kongregationen und Orden, die keine ordendichen Gelübde ablegten (Einzelheiten im Quellenteil H und im Quellenband zum EG-BGB). Vgl. die Anträge Nr. 148 (Bennigsen, Cuny, Enneccerus) und Nr. 151 (Bachern, Gröber, Lerno, Lieber, Marbe); sie werden in Bd. 2 der Edidon mitgeteilt werden. Auf Antrag des Abgeordneten Munckel (Freisinnige Volkspartei) nahm der Reichstag den von der XII. Kommission gestrichenen § 1552 E III (Scheidung wegen Geisteskrankheit) mit 161 gegen 133 Stimmen und 6 Enthaltungen wieder in den Entwurf auf (St. B. R. T. 1895/97, S. 3089; 1. 7. 1896). Vgl. Poscbinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat, Stuttgart und Leipzig 1897ff., Bd. 3, S. 115ff., 228ff., 292ff.; über die Beratungen im einzelnen vgl. die Beratungsprotokolle der RT-Kommission bei C. Hahn, Die gesammten Materialien zur CPO, Berlin 1880, 1. Abth. S. 256ff., 2. Abth. Die Protokolle sind im Gegensatz zu den Verhandlungen über das BGB nicht anonym, d. h. sie enthalten die Namen der Antragsteller und Redner. Vgl. Poschinger, a. a. O., S. 294ff. 67

Entstehungsgeschichte des BGB

Kommissionen. Die Berücksichtigung der Kritiken am 1. Entwurf durch die 2. Kommission hat dazu geführt, daß viele Forderungen der Öffentlichkeit und der politischen Parteien schon vorher erfüllt waren. Als förderlich erwies es sich, daß einige Abgeordnete des Reichstags Mitglieder der 2. Kommission gewesen waren wie z. B. Spahn und Cuny. Letztlich wurde auch die Zurückhaltung des Bundesrates gegenüber dem 2. Entwurf honoriert. So begnügte sich die überwiegende Mehrzahl der Kommissionsmitglieder damit, nur die kontroversen Fragen des Vereins-, Arbeits-, Delikts- und Eherechts ausführlich zu behandeln, während sie Eingriffe in die innere Struktur des Allgemeinen Teils, des Schuldrechts und des Erbrechts überwiegend ablehnte. Daß das BGB im Vergleich zu anderen Gesetzesvorhaben den Reichstag relativ reibungslos passierte, ist endlich auch auf das geschickte Taktieren der Reichsregierung, insbesondere ihres Staatssekretärs Nieberding zurückzuführen, der nichts unversucht ließ, die Abgeordneten für den Entwurf zu gewinnen. Über die von der XII. Kommission vorgeschlagenen Änderungen und einige weitere Anträge wurde im Plenum des Reichstages in der 2. Lesung vom 19. bis 27. 6.1896 beraten und abgestimmt184. Die 3. Lesung erfolgte dann am 30. 6. und am 1. 7. 1896. Allerdings verlief die Schlußphase der Beratungen im Reichstag sehr dramatisch. Die Beschlußunfähigkeit des Plenums stand während „afrikanischer Hitze" stets wie ein „drohendes Gespenst an seiner Pforte"185. Bismarck versuchte, die Konservativen zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem BGB zu bewegen. Als die Zulassung der Ehescheidung wegen Wahnsinns beschlossen war, wollten einige „Centrums-Heißsporne"186 vor allem aus Bayern gegen das BGB stimmen. Es bedurfte zahlreicher Gespräche mit diesen Abgeordneten, um eine Ablehnung des BGB durch größere Teile des Zentrums zu verhindern. Bei der Schlußabstimmung am 1. 7. 1896 stimmten von den 288 anwesenden Abgeordneten 222 für den Entwurf, 48 lehnten ihn ab, während 18 Abgeordnete sich der Stimme enthielten. Der Bundesrat billigte in seiner Sitzung vom 14. 7. 1896 die vom Reichstag beschlossenen Änderungen. Nachdem Kaiser Wilhelm II. am 18. 8. 1896 das Gesetz ausgefertigt hatte, wurde dieses als „Bürgerliches Gesetzbuch" im Reichsgesetzblatt am 24. 8. 1896 veröffentlicht und trat am 1. 1. 1900 in Kraft.

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Hierzu und zum folgenden Schuhen, a. a. O., S. 55 f. Der Reichstag war von der Reichsregierung damit unter Druck gesetzt worden, daß diese hatte verlauten lassen, sie werde den Reichstag schließen, falls die Mehrheit sich weigere, das BGB noch im Sommer anzunehmen (vgl. Vormbattm, a. a. O., S. 316; Bericht des „Vorwärts" vom 18. 6. 1896). Bericht des Bad. Gesandten vom 18. 6. 1896 nach Karlsruhe (GLA Karlsruhe, 233/43 802). Bericht vom 1. 7. 1896, Bad. GLA a. a. O.

Kurzbiographien der Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs* Von Rosemarie Jahnel L Die Mitglieder der Vorkommission Goldschmidt, Levin (* 30. 5. 1829 Danzig, t 16. 7. 1897 Kassel-Wilhelmshöhe, israel., verh. seit 1856 mit Adele Herrmann, kinderlos). Als Sohn des Danziger Großkaufmanns David G. war Levin Goldschmidt von Kindheit auf mit den Gepflogenheiten des Handelsverkehrs vertraut, worauf seine spätere außerordentliche Befähigung zur sachgemäßen Behandlung des Handelsrechts zumindest teilweise beruhte. Nach dem Abitur am Danziger Gymnasium begann er 1847 mit dem Medizinstudium in Berlin, da ihm als Juden das Studium der Rechte und die Laufbahn im Staatsdienst damals noch verschlossen war. Erst die Revolution von 1848 ermöglichte ihm, seiner Neigung zu folgen und zum Studium der Rechtswissenschaft überzuwechseln. Er studierte zunächst zwei Semester in Berlin, wo er Gneist und Keller hörte, dann ein Semester in Bonn, ab Oktober 1849 zwei Semester in Heidelberg * Die folgenden Kurzbiographien sollen den Lebens- und Berufsweg der Mitglieder der BGBKommissionen und der übrigen an der Abfassung des BGB maßgeblich beteiligten Juristen nachzeichnen. Eine Würdigung dieser Persönlichkeiten muß späteren Arbeiten vorbehalten bleiben und wird auch erst dann möglich sein, wenn sich nach Abschluß der Gesamtedidon der Anteil der einzelnen Kommissionsmitglieder am BGB übersehen läßt. Nur einige glaubwürdige Urteile von Zeitgenossen werden hier auszugsweise wiedergegeben. Die Bibliographie über das schriftstellerische Werk der Kommissionsmitglieder insbesondere der 1. und 2. Kommission soll vor allem dazu dienen, zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten über die Persönlichkeiten der weithin in Vergessenheit geratenen Verfasser des BGB zu vermitteln. Soweit möglich wurde Vollständigkeit erstrebt. Jedoch konnte nicht jede Zeitschrift von nur regionaler oder spezieller Bedeutung durchgesehen werden. Ausgewertet wurden: Kayser, Bücher-Lexikon (1865—1910), Deutsches Bücherverzeichnis (1911 — 1925), Bibliotheca iuridica (1849—1876), Maas, Bibliographie des BGB (ABR 16, 1899), ABR (1850-1921), AcP (1858-1922), DJZ (1896- 1925), Gruchots Beträge (1857-1925), Jherings Jahrbücher (1857-1912), Preußische Jahrbücher (1858-1920), Preuß. u. Deutsche Gerichtszeitung (1860-1867); für Franz von Kübel das Württ. Archiv, das Württ. Gerichtsblatt, die Zeitschrift für Versicherungsrecht; für die bayerischen Juristen die Blätter für Rechtsanwendung zunächst in Bayern, die Zeitschrift für Gerichtspraxis in Bayern; für die sächsischen Juristen das Sächsische Archiv für Bürgerliches Recht, das Sächsische Archiv für Rechtspflege. — Wegen weiterer Einzelheiten über die hier behandelten Juristen sei auf die demnächst erscheinende Frankfurter Dissertation von Rosemarie Jahnel: „Die Persönlichkeiten der Verfasser des BGB" verwiesen. Im Werkverzeichnis sind aufgeführt unter L: die selbständigen Werke, unter II.: die Zeitschriftenaufsätze, Festschriftenbeiträge usw. Im Quellenverzeichnis sind aufgeführt unter I.: die gedruckten Quellen, unter II.: die ungedruckten Quellen.

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Kurzbiographien der Verfasser des BGB

und abschließend noch ein Semester in Berlin. Dort wurde ihm die Zulassung zum Doktorexamen — wieder — aus konfessionellen Gründen versagt. Erst in Halle konnte er 1851 mit der Dissertation „De societate en commandite spec. L" promovieren. Nachdem er vier Jahre lang als Auskultator und Referendar bei den Gerichten seiner Vaterstadt tätig gewesen war, verzichtete er auf das Assessorexamen, da er nach wie vor wegen seiner jüdischen Konfession keinerlei Aussicht auf Anstellung im Staatsdienst hatte und ihm auch die Niederlassung als Rechtsanwalt nicht möglich war. Er wollte statt dessen die Universitätslaufbahn einschlagen, konnte sich aber an einer preußischen Universität nicht habilitieren. Dies gelang ihm schließlich im Juni 1855 mit einer Schrift über eine Digestenstelle, das Seedarlehen des Callimachus, in Heidelberg. Dort las er dann fünfzehn Jahre lang Römisches Recht, Handelsrecht, Preußisches Recht, Enzyklopädie, Methodologie und hielt regelmäßig exegetische Übungen und Praktika ab. Die badische Regierung ernannte Goldschmidt schließlich am 29. Mai 1860 zum außerordentlichen und am 8. März 1866 zum ordentlichen Professor. 1870 ging er nach Leipzig, um am neugeschaffenen norddeutschen Bundesoberhandelsgericht (seit 1871 Reichsoberhandelsgericht) das Amt eines Rates zu übernehmen, wo er fünf Jahre lang zu den angesehensten und einflußreichsten Mitgliedern zählte. Auf Anregung der badischen Regierung kam er 1874 in die vom Bundesrat zur Vorbereitung des BGB einberufene Vorkommission. Zuvor hatte er sich in einem Vortrag in der Gemeinnützigen Gesellschaft in Leipzig am 11.3. 1872 deutlich gegen eine stückweise Gesetzgebung und für das Kodifikationsprinzip ausgesprochen. In der Vorkommission hat er als Referent das Kommissionsgutachten vorbereitet und entworfen. 1875 folgte er dem Ruf der Universität Berlin auf den eigens für ihn errichteten Lehrstuhl für Handelsrecht, wo er siebzehn Jahre lang lehrte. Als Abgeordneter vertrat er die Stadt Leipzig im Deutschen Reichstag von 1875 bis 1877 als Mitglied der nationalliberalen Fraktion. Während dieser Zeit gehörte er der Reichstagskommission zur Beratung des Entwurfs einer Konkursordnung für das deutsche Reich an (1875). 1884 war er Mitglied der Kommission zur Begutachtung des Gesetzentwurfs betr. die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, 1887 Mitglied der Kommission zur Begutachtung des Entwurfs des späteren Genossenschaftsgesetzes von 1889 und 1890 Mitglied der Kommission für die Reform der juristischen Studien und des Prüfungswesens. Paul Laband, der mit Goldschmidt befreundet war, hebt in einem Nachruf (DJZ 1897, 297) vor allem zwei Eigenschaften Goldschmidts hervor, die charakteristisch für ihn gewesen sind: „Die eine war seine allseitige Bildung, nicht nur in allen Zweigen der Rechtswissenschaft, sondern auch der Geschichte und Philosophie, der Kunstgeschichte und Belletristik . . . Die andere Eigenschaft war die Vornehmheit und Reinheit seines Charakters." Werke Verzeichnis der Schriften in: L. Goldschmidt, Vermischte Schriften, 2 Bde., Berlin 1901, Bd. I, S. l —22. — Verzeichnis der Goldschmidtschen Publikationen, Beilage zu J. Messer, L. G., Berlin 1897, S. 51 ff. Quellen I. R. Adam, G. L., Altpreußische Biographie, Bd. III, Marburg 1975, S. 926. - K. Adler, G. L., BJ Bd. 2, Berlin 1898, S. 119-122. - Rolf Dietz, G. L., NDB Bd. 6, Berlin 1964, S. 617—618. - E. Döbring, Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, Berlin 1953, S. 398. — Julius Gierke, Große Deutsche Juristen der Vergangenheit, Stuttgart 1949, S. 26-27. — L. Goldschmidt, L. G., Ein Lebensbild in Briefen, Berlin 1898 (mit einem Vorwort von Adele Gold-

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I. Die Mitglieder der Vorkommission Schmidt). — E. Heymann, Hundert Jahre Berliner Juristenfakultät. Ein Gedenkblatt, DJZ 1910, 1103 ff. - den. DJZ 1910, S. 1168-1169. - H. Kalkoff, Nationalliberale Parlamentarier des RT und der Einzellandtage, Berlin 1917, S. 79. - Kosch, Biogr. StaHB I, S. 410. - P. Laband, DJZ 1897, 296ff. (Nachruf). - A. Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht, Berlin/Leipzig 1929, Anlage I A, S. 337, Nr. 9 - Max Pappenheim, L. G., ZfHR 47 (1898), S. 1-49. - ders., L. G., ADB 49 (1904), S. 438-448. - H. v. Poschinger, Bd. I, Stuttgart/Leipzig 1897, S. 274. - J. Riesser, L. G., Gedächtnisrede gehalten in der Jurist. Gesellschaft zu Berlin am 13. 11. 1897, Berlin 1897 (Verlag Otto Liebmann). — Stintzing-Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 3/2 Halbbd. Text, S. 938ff. Notenbd., S. 394ff. - IZ Bd. 109, Nr. 2822 vom 29. 7. 1897, S. 155-156. - II. PA Nr. 9931 Abt. 76, Generalia Universität Heidelberg, G. L. A. Karlsruhe. — Generalia Deutsches Reich, Abt. 234, Nr. 2867, G. L. A. Karlsruhe.

Kübel, Franz Philipp Friedrich von (Siehe l. Kommission) Neumayr, Ludwig Ritter von (1858), Dr. iur. (* 21. 3. 1810 München, t 4. 3. 1895 München, kath., ledig ?). Der Vater Neumayrs, Clement Ritter von N., war Staatsrat und Generaldirektor im bayerischen Finanzministerium. Sein Sohn trat nach dem Jurastudium in den bayerischen Justizdienst ein und wurde 1835 Akzessist am Appellationsgericht in München. Nach der großen Staatsprüfung erfolgte am 29. 1. 1838 seine Ernennung zum Assessor am Kreis- und Stadtgericht München. 1840 kam er in gleicher Funktion an das Appellationsgericht von Niederbayern in Passau. Am 18. 9. 1845 wurde er sodann zum Rat bei dem Appellationsgericht von Schwaben in Neuburg ernannt und 1849 zum Rat am Oberappellationsgericht in München befördert (seit 1884 Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts). Am 1. 3. 1851 wurde er als Ministeriahrat in das Staatsministerium der Justiz einberufen und dort am 28. 10. 1858 zum Generalsekretär ernannt. Die Leitung des Appellationsgerichts von Oberbayern in München übernahm er zum 27. 10. 1860. Präsident des Oberappellationsgerichts in München wurde er am 7. 12. 1868. Im Jahre 1870 erfolgte die Ernennung zum lebenslänglichen Reichsrat der Krone Bayerns. Vom 15. 9. 1871 bis Anfang 1873 vertrat er Bayern im Deutschen Bundesrat. Auf Vorschlag der bayerischen Regierung wurde er 1874 vom Bundesrat zum Mitglied der Vorkommission gewählt. Im selben Jahr war er Mitglied und zugleich Vorsitzender der vom Bundesrat eingesetzten Kommission zur Ausarbeitung einer deutschen Gemeinschuldordnung. Quellen I. Die Königlich Bayerischen Staatsminister der Justiz, II. Teil, hrsg. von dem Staatsministerium der Justiz, München 1931, S. 1096-1097, Anhang Nr. 29. - H. v. Poschinger, Bd. II, 1897, S. 140-141, 266, 323 und Bd. III, 1898, S. 123. - Walter Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918, Kallmünz/Opf. 1955, Nr. 731, S. 366, Nr. 44, S. 104. - IZ Bd. 104, Nr. 2698 vom 16. 3. 1895, S. 287. - II. O A Nr. 1895, Nr. 1974, Nr. 5421, Nr. 8826, Bayr. HStA München, Abt. I; PA Nr. 2930, MJu 2 des Bayr. HStA München, Abt. I (Personalakte Ludwig Neumayr, 1835—1895) ist verbrannt (Aktenausscheidung 1932).

Schelling, Hermann Ludwig von (seit 1857), Dr. phil., Dr. iur. h. c. (* 19. 4. 1824 Erlangen, f 15. 11. 1908 Berlin, evang., verh. seit 31. 3. 1857 mit Leonie Freiin Billing von Treuburg, verh. seit 12. 4. 1882 mit Margarete Wilckens, 2 Söhne). Schelling ging aus zweiter Ehe des bekannten Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph von Seh. (1775 — 1854) mit Pauline Gotter hervor. Hermann Seh. wuchs in Erlangen auf, wo sein Vater von 1820 bis 1827 als Universitätsprofessor lehrte. Bereits mit 17 Jahren gewann er die von der Münchner Philosophischen Fakultät gestellte 71

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Preisaufgabe mit seiner Schrift „De Solonis legibus apud oratores atticos" (Berlin 1842). Hierauf gestützt promovierte er in München zum Dr. phil., erhielt jedoch das Diplom erst, als er 20 Jahre alt geworden war. In der Zwischenzeit studierte er Rechtswissenschaft, zuletzt in Berlin. Dort bestand er die erste juristische Prüfung im Dezember 1844 mit großem Erfolg. Anschließend trat er in den preußischen Staatsdienst ein. Nach dem Assessorexamen im Jahre 1849 war er zunächst am Kammergericht tätig. Seit 1854 war er Staatsanwalt beim Kreisgericht in Hechingen, später beim Kammergericht und seit 1861 beim Berliner Stadtgericht. 1863 wurde er Appellationsgerichtspräsident in Glogau und kam ein Jahr später zunächst als Hilfsarbeiter in das preußische Justizministerium (1866 Vortragender Rat), dem er bis 1874 angehörte. Im selben Jahr wurde er Präsident des Appellationsgerichts in Halberstadt und 1875 Vizepräsident des Obertribunals in Berlin. Ende 1876 trat er die Nachfolge Friedbergs als Unterstaatssekretär im preußischen Justizministerium an. Im Oktober 1879 löste er Friedberg als Staatssekretär des Reichsjustizamts ab. Am 31. 1. 1889 wurde er, wiederum als Nachfolger Friedbergs, preußischer Justizminister und war neben Oehlschläger maßgeblich an der Vorbereitung der 2. Lesung des BGB-Entwurfs beteiligt. Während seiner neunjährigen Amtszeit im Reichsjustizamt arbeitete er sehr eng mit Bismarck zusammen. Er erstattete dem Kanzler zahlreiche Gutachten über wichtige staatsrechtliche Fragen, die regelmäßig Bismarcks Zustimmung fanden (Poschinger, Bd. IV, S. 144). Schillings erste legislatorische Arbeit wir die StPO für die neuen preußischen Provinzen (1867). 1874 führte er den Vorsitz in der Vorkommission. Während seiner Amtszeit im Reichsjustizamt war er mit der Einführung der Reichsjustizgesetze befaßt. Maßgeblich beteiligt war er auch an der Aktiengesetznovelle von 1884 und der weiteren Entwicklung des Genossenschaftswesens durch die Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haftung (1889), ferner an der dem Reichstag 1894 vorgelegten Novelle zur StPO und an Arbeiten zur Reform der ZPO (1894). Nach dem Ausscheiden aus dem Justizdienst wandte er sich seinen philologischen, bereits 1841 begonnenen Studien wieder zu. Homers Odyssee übersetzte er in Stanzen (1896). Quellen I. H. Hattenhatter, Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Köln 1977, S. 37. - H. v. Poicbinger, Bd. IV, S. 144, S. 127 und Bd. III, S. 139. - Österreich, von Schelling, Friedrich Wilhelm J., in: Lebensläufe aus Franken, Bd. III, Würzburg 1927, S. 418-434. - A. Teichmann, H. Seh., BJ Bd. 14 (1909), S. 387-389. - DJZ 1908, Sp. 1327. - JZ Bd. 131, S. 1003. - Nat.-Ztg. vom 16. 11. 1908, Abendausgabe. - Die Woche Bd. 47, S. 2072. - II. Abschrift aus den Schwäbischen Ahnentafeln 1931, Stadtarchiv Erlangen. - Div. Briefe Schellings befinden sich in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München, ferner im Schiller-Nationalmuseum Marbach (auch Gedichte) und im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (laut Auskunft der Zentralkartei der Autographen der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin).

Weber, Anton von (siehe 1. Kommission) II. Die Mitglieder der 1. Kommission Derscheid, Gustav Theodor Friedrich (* 14. 8. 1827 Trier, f nach 1890, evang., ledig). Derscheid, Sohn des Trierer Regierungssekretärs Wilhelm D., studierte nach dem Abitur am Trierer Gymnasium (1844) zunächst vier Semester in Bonn Rechts- und

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II. Die Mitglieder der 1. Kommission Staatswissenschaften und abschließend zwei in Berlin. Am 25. 9. 1847 bestand er die erste juristische Prüfung, das Auskultatorexamen, am OLG Frankfurt/Oder und am 31. 5. 1850 das Referendarexamen am OLG Köln mit „gut". Nach der dritten, der großen Staatsprüfung am 10. 4. 1854 in Berlin kam er zum 28. 12. 1854 als Assessor nach Trier an das Landgericht. Anfang 1856 wurde er an das Friedensgericht in Wittlich versetzt und dort am 5. 2. 1857 zum Friedensrichter ernannt. Zum 1.1. 1867 erhielt er eine planmäßige Assessorstelle beim Landgericht Trier. Seit dem 1. 2. 1869 war er als Landgerichtsrat in Saarbrücken tätig. Am 1.1. 1871 wurde er Appellationsgerichtsrat an dem neu eingerichteten Kaiserlichen Appellationsgericht in Colmar und am 23. 10. 1874 Präsident des Landgerichts in Colmar. Im gleichen Jahr war er in die 1. Kommission einberufen worden. Am 1. 10. 1879 trat er als Rat in das Reichsgericht ein und gehörte dort dem 2. Senat unter Bingner an. Die Pensionierung erfolgte auf sein Nachsuchen hin zum l. 1. 1890. Werke Nicht nachweisbar. Quellen I. Preuß. JMB1. 1850, S. 195; 1856, S. 2; 1857, S. 50; 1866, S. 310; 1869, S. 25; 1871, S. 218. A. Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht am 1. 10. 1929, Berlin/Leipzig 1929, S. 354. - Jahrbuch für Elsaß-Lothringen, Straßburg 1874, S. 197. - II. PA Nr. 152 des Reichsgerichts, Zentrales Staatsarchiv Potsdam (nach Notizen des Herausgebers W. Schubert). Gebhard, Albert, Dr. iur. (» 3. 1. 1832 Lahr/Schwarzwald, f 23. 10. 1907 Heidelberg, evang., verh. seit 1860 mit Emilie Eberlin, l Sohn). Mitglied der 1. und 2. Kommission, Kommissar des Bundesrats. Gebhard, Sohn des Gymnasialdirektors Karl August G. in Lahr, besuchte das „Lyzeum" in Karlsruhe und studierte ab Wintersemester 1849/50 zunächst zwei Semester lang in Tübingen Rechtswissenschaft, anschließend zwei in Göttingen und weitere drei in Heidelberg, wo er auch promovierte (1854). Am 29. 12. 1853 bestand er die 1. Staatsprüfung mit „gut befähigt" und war anschließend als Rechtspraktikant beim Oberamt Lahr tätig. Zum Referendar wurde er nach ebenfalls mit „gut befähigt" bestandenem 2. Jurist. Staatsexamen am 29. 11. 1856 ernannt und bis 1860 beim Oberamt Emmendingen verwendet. Am 9. 7. 1860 erhielt er die Stelle eines Sekretariatspraktikanten beim badischen Handelsministerium und am 20. 3. 1862 erfolgte seine Ernennung zum Finanzassessor bei der Zolldirektion. Bis zu seiner Einberufung als Ministerialrat in das badische Justizministerium am 12. 12. 1868 war er seit 1864 als Kreisgerichtsrat beim Kreis- und Hofgericht in Karlsruhe tätig. Im Mai 1871 wurde er in die „Kommission zur Feststellung des Entwurfs einer deutschen Civilprozeßordnung" entsandt. Im Frühjahr 1873 nahm er als Kommissar der badischen Regierung an den Beratungen über den Entwurf einer deutschen Gerichtsverfassung in Berlin teil. Am 2. 6. 1874 wurde er zum Mitglied der 1. Kommission gewählt und in dieser zum Redaktor des späteren „Allgemeinen Teils" bestimmt. Am 4. 6. 1890 erhielt er eine ordentliche Professur an der Universität Freiburg, die er nur einen Monat lang ausüben konnte, da er bereits am 4. 12. 1890 vom Bundesrat in die 2. Kommission berufen wurde. „Gebhard war eine zurückhaltende Natur. Nur wer ihm näher stand, wußte seinen Charakter, die Tiefe und Reinheit seines Gemütes, sein ideales Streben, die Treue und Lauterkeit seines Wesens richtig zu würdigen. Seinen Freunden war er ein treuer Freund, und immer war er bereit, mit Rat und Tat zu helfen, wo es not tat. Er war ein edler Mensch im besten Sinne des Wortes" (zit. nach Planck, DJZ 1908, Sp. 119/120).

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Kurzbiographien der Verfasser des BGB Werke

I. Protokolle der Kommission für die 2. Lesung des Entwurfs des biirgerl. Gesetzbuchs, im Auftrag d. RJA bearb. von Achilles, Gebbard, Spahn, Bd. 1-7, Berlin 1897-99 (Bearb. d. Prot. Allg. Teil u. EinfG). - II. Reichsgerichtsrat a. D. Dr. Achilles, in: DJ21900, S. 474. Quellen I. G. Planck, Geheimer Rat Prof. Dr. A. G. f, in: DJZ 1908, S. 119f. - II. PA Finanzministerium 76/2630, PA Justizministerium 76/9928, PA Hof- u. Kreisgericht Karlsruhe 76/9928a, G. L. A. Karlsruhe. — PA Fak. iur. IVe 47, Universitätsarchiv Freiburg. — Promotionsakte Gebhard 1854, C III, 3 a, Nr. 65, Universitätsarchiv Heidelberg. Johow, Reinhold Heinrich Sigismund (* 30. 5. 1823 Berlin, f 12. 1. 1904 Berlin, evang., verh. mit Marie J., l Sohn). Johow trat 1845 als Auskultator in den preußischen Staatsdienst ein. Seit März 1847 wurde er als Referendar beim Kammergericht beschäftigt. Am 3. 6. 1849 erfolgte seine Ernennung zum Assessor im Bezirk des Berliner Appellationsgerichts. Zum Kreisrichter in Kyritz wurde er am 15. 6. 1850 ernannt, wo er zuvor bereits als Gerichtsassessor „mit der Funktion bei der dortigen Gerichtskommission" tätig gewesen war. Später wurde er an das Kreisgericht nach Sigmaringen versetzt. Von dort kam er am 9. 3. 1857 als Staatsanwalt zum Kreisgericht Hechingen. Seit 9. 7. 1860 wirkte er als Appellationsgerichtsrat in Posen. 1868 gelangte er als Kammergerichtsrat zurück nach Berlin. Dort wurde er 1869 zum Obertribunalsrat ernannt. Der 1. Kommission gehörte er bis 1889 an, deren Vorsitz er nach dem Tode Papes im September 1888 führte. 1889 schied er auf sein Ansuchen hin als Kammergerichtsrat und Geheimer Oberjustizrat aus dem Justizdienst aus. Neben dem Entwurf des Sachenrechts arbeitete er den Entwurf einer Grundbuchordnung für das Deutsche Reich aus (1888) und war neben Achilles maßgeblich an der Ausarbeitung des Entwurfs eines Zwangsvollstreckungsgesetzes (1889) beteiligt. Werke

I. Preußisch-Hohenzollernsches Handbüchlein für Jedermann. Enth. einen kurzen Abriß d. Verfassung und Verwaltung d. preuß. Staaten vom Standpunkte d. Hohenzoll. Lande betrachtet .. ., Sigmaringen 1858. — Die preuß. Konkurs-Ordnung in ihrer heutigen Gestalt und das Gesetz vom 9. 5. 1855 ..., einschl. der Subhastations-Ordnung vom 15. 3. 1869. Textausgabe 1869. — Dass. mit Anmerkungen, Berlin 1871. — Zur Lehre von den Rechten des Pfandgläubigers an den Früchten der verpfändeten Sache, Berlin 1871. — Jahrbuch für endgültige Entscheidungen der Preuß. Appellationsgerichte, Bd. 1 — 8, Berlin 1872 — 1880. — Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit und in Strafsachen, Bd. l ff., Berlin 1881 ff., hrsg. zusammen mit O. Küntzel, später mit Ring (1900-1905). — Koch, C. F., Allgemeines Landrecht für die preuß. Staaten, Kommentar in Anmerkungen, bearb. u. a. von R. Johow, 2.-4. Bd. der 5. Aufl. Berlin 1874/75 (Bd. l, 7. Aufl., Bde. 2-4, 6. Aufl., Berlin 1878-80; 4 Bde., 8. Aufl., 1883 — 86). — Denkschrift über die Rückgabe der Unterpfandsbücher in den hohenzoll. Landen an die Gemeindebehörden vom 19. 4. 1854 nebst Ergänzung vom 20. 4. 1854 (ungedrucktes Manuskript, Staatsarchiv Sigmaringen). — II. Ueber das Anklagerecht im Strafprozeß (Deutsche Gerichtszeitung 3. Jg., Berlin 1861, Nr. 53, S. 213). — Buchrezensionen (Deutsche Gerichtszeitung 7. Jg., 1865, Nr. 9, S. 34-36; Nr. 10,5.39-40). - Aus der Praxis. Zur Lehre von der Expropriation. Entschädigung des Mieters für die vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses, unabhängig von der dem Eigentümer gebührenden Entschädigung (Gruchot Bd. 16,1872, S. 776 ff.). Quellen I. Preuß. JMB1. 1847, S. 89; 1849, S. 370; 1850, S. 202; 1857, S. 114; 1860, S. 305; 1868, S. 61; 1869, S. 53; 1873, S. 216; 1889, S. 257. - DJZ 1904, Sp. 153. - BJ Bd. 10, 1905, Berlin 1907, Anhang Sp. 55. - IZ Bd. 122,1904, S. 90. - II. Briefe Johows an Planck Nr. 102-125, Karton V, Nachlaß Planck, Nds. StuUB Göttingen. 74

II. Die Mitglieder der 1. Kommission

Kübel, Franz Philipp Friedrich von, Dr. iur. (* 19. 8. 1819 Tübingen, t 4. 1. 1884 Berlin, evang., verh. seit 24. 10. 1848 mit Louise Wüst, 3 Kinder). Kübel, ältester Sohn des Tübinger Oberjustizprokurators Friedrich Franz Karl K., besuchte das Gymnasium in Tübingen und studierte dort von 1836 — 39 die Rechte. Bereits im Alter von 20 Jahren bestand er die 1. jurist. Staatsprüfung. Anschließend promovierte er über ein Thema aus dem römischen Dotalrecht am 31. 12. 1840 zum Dr. jur. Nach der 2. Staatsprüfung im Juni 1841 war er als Gerichtsaktuar in Hall und Mergentheim beschäftigt. Im November 1846 wurde er in die Zivilkammer des Kreisgerichtshofes in Eßlingen berufen und im Oktober 1847 zum Oberjustizassessor ernannt. Am 21. 6. 1848 folgte er der Einberufung in die Zivilkammer des württembergischen Obertribunals in Stuttgart. Dort war er bis 1851 tätig (stv. Generalstaatsanwalt, Mitglied des ehegerichtlichen Senats). Im Oktober 1852 erfolgte seine Ernennung zum Oberjustizrat beim Kreisgerichtshof in Eßlingen und 1856 die Versetzung nach Ulm. Im Mai 1861 zum Obertribunalassessor und später zum Obertribunalsrat ernannt, war er von Ende 1862 bis Juni 1866 Mitglied der „Dresdener Kommission zur Ausarbeitung eines Obligationenrechts". Im Februar 1871 wurde er Obertribunalsdirektor und noch im gleichen Jahr Vorstand des Landesoberhandelsgerichts. 1877 wurde er dann zum Vizepräsidenten des Obertribunals ernannt. Auf Vorschlag der Württ. Regierung wurde Kübel vom Bundesrat in die am 1. 3. 1874 in Berlin zusammengetretene „Vorkommission'' (Fünferkommission) entsandt und anschließend im Juli 1874 in die 1. Kommission einberufen, in der er zum Redaktor des Obligationenrechts bestimmt wurde. Württemberg ernannte ihn 1879 noch zum Senatspräsidenten am Württ. Oberlandesgericht, nachdem er wegen der Kommissionsarbeiten die angebotene Stelle eines Senatspräsidenten am Reichsgericht abgelehnt hatte. Werke I. Handbuch des Württembergischen Erbrechts, hrsg. von A. H. Stein und F. v. Kübel, 4. neubearb. Aufl. von C. Hohl, Stuttgart 1876 (5. Aufl. 1881). - II. Aufsätze in: Württ. Archiv f. Recht u. Rechtsverwaltung (Mitred, seit 1858). — Württembergisches Gerichtsblatt (von Kübel 1869 begründet). - Seufferts Archiv (seit 1859). - Zeitschrift für Versicherungsrecht (ab 1866). Aufsätze im „Württembergischen Archiv für Recht und Rechtsverwaltung mit Einschluß der Administrativ-Justiz..." (hrsg. v. Sarwey, Bd. I, Stuttgart 1858; ab Bd. II, Stuttgart 1859 zs. mit Kübel): Zur Lehre von der kirchlichen Baulast (Bd. II, 1859, S. 8ff.). — Inwieweit sind die Parteien in den vor den Bezirksgerichten und Gemeinderäthen anhängigen Civilrechtsstreitigkeiten befugt, durch Anwälte sich vertreten zu lassen ... (Bd. II, 1859, S. 377ff.). — Wie ist die kritische Zeit beim Beweise der Vaterschaft zu unehelichen Kindern zu berechnen, .. . (Bd. II, 1859, S. 408 ff.). — Sind zur Entscheidung von Ansprüchen aus einem Gewerbelehrvertrage . . . die Civiloder Administrativjustizbehörden zuständig? (Bd. III, 1860, S. 93 ff.). — Legitimation von im Ehebruche erzeugten Kindern durch landesherrliches Rescript. Kompetenz (Bd. III, 1860, S. 266ff.). - Giltigkeit einer Pfandbestellung . . . Ein Rechtsfall (Bd. III, 1860, S. 275 ff.). - Aufsatz über die Kompetenz der Gerichte bei Fragen kirchlicher Baulast (Bd. IV, 1861, S. 135 ff.). Von dem Einfluß der Rechtskraft der Entscheidungsgrunde auf die Frage von der Appellabilität... (Bd. IV, 1861, S. 245ff.). - Ueber die Gerechtigkeit zu Luft und Licht (Bd. IV, 1861, S. 286ff.). - Der Raten Wechsel und die kassatorische Klausel (Bd. IV, 1861, S. 3 09 ff.). — Einige weitere Bemerkungen zu einem Aufsatz über die Frage der Zuständigkeit in Gewerbelehrlingssachen (Bd. IV, 1861, S. 363 ff.). - Beitrag zur Lehre vom Domicilwechsel (Bd. V, 1862, S. 59ff.). - Aufsatz über Zuständigkeitsfragen (Bd. V, 1862, S. 235 ff.). — Zu der Frage von der Cessibilität litigiöser Forderungen (Bd. VI, 1863, S. Iff.). - Aufsatz über Kompetenz- und Beweislastprobleme (Bd. VI, 1863, S. 89 ff.). — Bemerkungen zu einem Aufsatz über Zuständigkeitsprobleme (Bd. VI, 1863, S. 122 ff.). — Die Form der Schenkung von Todeswegen nach württembergischem Recht (Bd. VI, 1863, S. 356ff.). — Die Einwendung des Bürgen aus Versäumnissen des Gläubigers (Bd. DC, 1867, S. 226 ff.). — Die deutsche Einheit auf dem Gebiete der Rechtsgesetzgebung (Bd. IX, 1867, 75

Kurzbiographien der Verfasser des BGB S. 455 ff.). — Vom Gegenbeweise gegen die Rechtsvermutfaung der ehelichen Vaterschaft (Bd. X, 1867, S. Iff.). - Die Prozeßzinsen. Ein Votum der Dresdener Kommission (Bd. X, 1867, S. 61 ff.). — Haften mehrere Vollmachtgeber für die von ihren Bevollmächtigten gegen Dritte übernommenen Verbindlichkeiten als GesammtSchuldner? (Bd. XI, 1868, S. l ff.). — Die illiquide Kompensationseinrede (Bd. XI, 1868, S. 12 ff., S. 284ff.). - Zum Begriffe der gemeinen Anweisung (Bd. XI, 1868, S. 73 ff.). — Welche Bedeutung hat die Anerkennung eines ... Kindes durch den nachherigen Ehemann der Mutter für die Legitimation des Kindes? (Bd. XI, 1868, S. 88ff.). — Aufrechterhaltung eines in der vom Testator zunächst beabsichtigten Form ungiltigen Testaments .. . (Bd. XI, 1868, S. 104 ff.). — Die illiquide Kompensationseinrede unter dem Gesichtspunkt der neuen württ. CPO (Bd. XI, 1868, S. 284ff.). - Die Einforderung des Faustpfandes zur Konkursmasse des Verpfänders (Bd. XI, 1868, S. 290 ff.). - Die Anerkennungsklagen der neuen württ CPO (Bd. XII, 1869, S. l ff.). — Bemerkungen zu einem Aufsatz über Zahlung einer verzinslichen Geldschuld vor der Verfallzeit (Bd. XII, 1869, S. 57ff.). - Aufsatz über die Besetzung von Gerichten (Bd. XII, 1869, S. 83ff.). - Haften mehrere Vollmachtgeber... als Gesamtschuldner? (Bd. XTV, 1871, S. 317ff.). — Bemerkungen zu einem Aufsatz über die Gefahrtragung beim Kauf (Bd. XIX, 1878, S. Iff.). - Zu der Lehre von den sog. Verträgen zu Gunsten Dritter (Bd. XIX, 1878, S. 59ff.). Die Gewährleistung beim Viehhandel (Bd. XXI, 1880, S. l ff.). Aufsätze im „Württembergischen Gerichtsblatt unter Mitwirkung des Kgl. Justizministeriums" (hrsg. v. Kübel, Bd. I, Stuttgart 1869): Aufsätze über probleme der württ. CPO in: Bd. I, 1869, S. 11 ff., 38ff., 72ff., 151 ff., 308ff., 408ff.; Bd. II, 1870, S. 280ff., 291 ff., 380ff., 417ff.; Bd. III, 1870, S. 5ff., 98ff., 131 ff., 228ff.; Bd. IV, 1871, S. 220ff.; Bd. VI, 1873, S. 316ff.; Bd. VII, 1874, S. 163ff., 194ff., 388ff.; Bd. VIII, 1875, S. 324ff.; Bd. X, 1875, S. 14ff. - Das Reichsgesetz in Betreff der vertragsmäßigen Zinsen (Bd. IV, 1871, S. 243 ff.). — Das Landesoberhandelsgericht (Bd. V, 1872, S. 309 ff.). — Die Zuständigkeit des Landesoberhandelsgerichts in dritter Instanz . . . (Bd. V, 1872, S. 355ff.). - Nochmals das Landesoberhandelsgericht (Bd. V, 1872, S. 387ff.). Die deutsche Einheit auf dem Gebiete der Rechtsgesetzgebung (Bd. VI, 1873, S. 4 ff.). — Das Reichscivilgesetzbuch (Bd. IX, 1875, S. 4ff., 35ff.). — Zur württembergischen Justizverwaltung (Bd. IX, 1875, S. 70ff.). - Anmerkungen zu einer Beweislastfrage (Bd. IX, 1875, S. 364ff.). Fragmentarische Bemerkungen zu dem Entwurf eines deutschen GVG (Bd. IX, 1875, S. 267 ff.). — Die Beschlüsse der Justizkommission . . . Zu dem Entwurfe der CPO (Bd. X, 1875, S. 99 ff., 131 ff.). - Das Reichscivilgesetzbuch (Bd. X, 1875, S. 371 ff., 403 ff.). - Zur Frage von der Form der Verträge vom gesetzgeberischen Standpunkte (Bd. XII, 1877, S. 453 ff., 483 ff.). - Aufsatz über § 736 CPO (Bd. XIII, 1877, S. 42 ff.). - Beitrag zu der Lehre von der Auslobung (Bd. XIII, 1877, S. 327ff.). — Aufsatz über Zulassung dritter Personen zu Verhandlungen in Ehestreitigkeiten (Bd. XIV, 1878, S. 299ff.). — Zur Frage von der rechdichen Natur der Forderung aus Inhaberpapieren (Bd. XIV, 1878, S. 387 ff.). - Zur Frage von dem Regreßrechte und der Ausgleichungspflicht in Gesammtschuldverhältnissen (Bd. XV, 1879, S. 163 ff.). — Aufsatz über Zwangsvollstreckungsrecht nach der CPO (Bd. XV, 1879, S. 333 ff.). - Zur Frage von der Rechtskraft des Unheiles bei Gesammtschuldverhältnissen zugleich mit Rücksicht auf die CPO (Bd. XVI, 1879, S. 11 ff.). - Der animus recipiendi als Voraussetzung der actio neg. gestorum contraria (Bd. XVI, 9, S. 132 ff.). — Bemerkungen zur Auslegung des Württ. Gesetzes zur Ausführung der CPO (Bd. XVI, 1879, S. 216ff.). - Das negorium utiliter gestum (Bd. XVI, 1879, S. 233ff.). - Zum Begriffe der Anweisung (Bd. XVI, 1879, S. 320 ff.). — Die Bedeutung der Genehmigung für die actio neg. gestorum contraria (Bd. XVI, 1879, S. 345 ff.). - Anmerkung zur Kontumazirung des Klägers . . . (Bd. XVI, 1879, S. 373 ff.). — Zur Frage der Haftung des Geschäftsführers bei der ächten und unächten neg. gestio (Bd. XVI, 1879, S. 377ff.). - Zur Wucherfrage (Bd. XVII, 1880, S. 133 ff.). - Bemerkungen zu der Frage der Realverträge im modernen Rechte (Bd. XII, 1880, S. 374 ff.). — Aufsatz über Kompetenzfragen (Bd. XVIII, 1881, S. 378 ff.). - Zur Frage der Schließung eines Vertrages im Wege der Versteigerung (Bd. XIX, 1881, S. 353 ff.). - Zur Frage der Vertragsschließung unter Abwesenden (Bd. XIX, 1881, S. 372ff.). - Zur Frage der Haftung des Absenders eines Telegramms . . . (Bd. XIX, 1881, S. 403 ff.). - Aufsätze in der „Zeitschrift für Versicherungsrechf (hrsg. von C. Malß, Leipzig 1866ff.): Die Verhandlungen der Dresdener Bundeskommission . . . Ü!HT ik-n Versicherungsvertrag (Bd. 1,1866, S. 321 - 407; Bd. II, 1868, S. l -112). - Abhandlungen in Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten" (Imj;. von A.F.W. Preusser, Bd. 12ff., München 1859ff.) nicht einzeln ausgewiesen. — 76

II. Die Mitglieder der 1. Kommission Rezensionen von Urteilen des Obertribunals im „Württ. Archiv für Recht und Rechtsverwaltung": Bd. III, 1860, S. 141 ff., 381 ff.; Bd. IV, 1861, S. 157ff., 416ff.; Bd. V, 1862, S. 450ff.; Bd. VI, 1863, S. 138ff.; Bd. IX, 1867, S. 386ff.; Bd. X, 1867, S. 432ff.; Bd. XI, 1868, S. 114ff.; Bd. XII, 1869, S. 200ff.; Bd. XIII, 1870, S. 144ff., 225ff.; Bd. XIV, 1871, S. lOOff.; Bd. XV, 1873, S. 130ff.; Bd. XVI, 1874, S. 43ff., 226ff. (Zivilrecht). - Bd. III, 1860, S. 173ff., 421 ff.; Bd. V, 1862, S. 246ff.; Bd. VI, 1863, S. 393ff.; Bd. X, 1867, S. 77ff. (Wechselrecht). - Bd. X, 1867, S. 289ff., 337ff. (Buchrezensionen). Quellen I. Franz Kübel, Die Familie Kübel, Ettgart 1902. — Eugen Kübel u. E. O. C. von Sarwey, Zum Andenken an Franz Ph. Frd. von Kübel, 2 Teile, Württ. Archiv f. Recht u. Rechtsverwaltung, hrsg. v. F. Ph. Frd. v. Kübel u. E. O. C. v. Sarwey, Bd. 23, 1882, Tübingen 1884. - Schwäbischer Merkur vom 16. 1. 1884, S. 86.

Kurlbaum, Karl Dietrich Adolf, Dr. iur. (* 1829, t 25. 11. 1906 Stettin, evang., verh., l Sohn). Kurlbaum trat am 4. 9. 1850 in den preuß. Justizdienst ein und gehörte diesem über 56 Jahre lang an. Nach Abschluß der Justizausbildung war er zunächst seit 26. 4. 1859 als Gerichtsassessor im Bezirk des Appellationsgerichts Magdeburg tätig und wurde 1859 Stadt- und Kreisrichter in Magdeburg (1864 Kreisgerichtsrat). 1869 kam er als Appellationsgerichtsrat nach Hamm. Im Jahre 1872 wurde er in das Justizministerium einberufen und zum Geheimen Justizrat und Vortragenden Rat ernannt (1875 Geh. Oberjustizrat). Der 1. Kommission gehörte er von 1874 bis 1889 an. Seine Ernennung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts in Stettin erfolgte am 16. 8. 1889. In der Folgezeit widmete er sich besonders dem Fideikommißrecht und führte bis zu seinem Tode den Vorsitz im Fideikommißsenat des Stettiner OLG. Kurlbaum war an der Ausarbeitung der wichtigsten preuß. Gesetze (bis 1881) und der Reichsjustizgesetze beteiligt und hat diese in Kommissionen und im preußischen Abgeordneten- und Herrenhaus verteidigt. Werke I. Kritische Bemerkungen zu dem Entwurf eines Gesetzes über das Vormundschaftswesen nebst Erläuterungen. Berlin 1870. — Die Vormundschaftsordnung vom 5. 7. 1875 u. a., 15. Aufl., Berlin 1876 (32. Aufl. 1896). — Die preuß. Subhastationsordnung vom 15. 3. 1869 unter dem Einflüsse der deut. Justizgesetze und der preuß. Ausführungsgesetze zu denselben. Stuttgart 1879. — Neue Grundsätze der Zwangsversteigerung von Immobilien nach dem preuß. Gesetz vom 13. 7. 1883. Stuttgart 1883. — Deutsche Reichskonkursordnung. Erl. von G. v. Wilmowski, fortges. von K. Kurlbaum, A. Kurlbaum u. W. Kühne. 6. Aufl., Berlin 1902. — II. Unerlaubte Bedingungen bei Erbverträgen (Gruchot Bd. 3, 1859, S. 215ff.). — Ueber den Eigenthumserwerb bei gerichtlichem nothwendigem Verkaufe (Gruchot Bd. 4, 1860, S. 256 ff.). — Ueber die Rechtsverhältnisse aus correaler Verpfändung mehrerer Grundstücke (Gruchot Bd. 12, 1868, S. 507ff., Bd. 13, 1869, S. 200ff.). — Unstatthaftigkeit des Gegenbeweises gegen einen abgeleisteten Ignoranzeid (Gruchot Bd. 14, 1870, S. 85 ff.). — Ueber die Zusammenstellung der amtsgerichtlichen Urtheile und die Frage, ob eine Frist, deren Beginn von einer Zustellung abhängig ist, mit dieser auch gegen diejenige Partei beginnt, in deren präsumtiven Auftrage die Zusammenstellung erfolgt ist (Gruchot Bd. 24, 1880, S. 50ff.). — Inwieweit ist der Rang der Forderungen, deren Berichtigung aus dem Kaufgeld eines im Wege der Zwangsvollstreckung versteigerten Grundstücks verlangt wird, von der Anmeldung im Versteigerungstermin abhängig (Gruchot Bd. 34, 1890, S. l ff). — Bildung von Hypotheken-Instrumenten im Falle des § 17 Abs. 2 des Ges. v. 24. 5. 1853 ohne Zustimmung des Schuldners (Preuß. Gerichtszeitung 2. Jg., 1860, Nr. 7, S. 26). — Handelsgerichte? (Deut. Gerichtszeitung 3. Jg., 1861, Nr. 88, S. 353). — Über den Preuß. Entwurf eines Gesetzes betr. die Bearbeitung der Handelssachen ... (Deut. Gerichtszeitung 4. Jg. 1862, Nr. 27, S. 105 ff.).

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Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Quellen I. Preuß. JMB1. 1856, S. 313; 1859, S. 289; 1864, S. 205; 1869, S. 101; 1872, S. 261; 1875, S. 225; 1879, S. 445; 1889, S. 179; 1891, 175; 1900, S. 539; 1906, S. 551. - DJZ 1900, Sp. 410; 1906, Sp. 1358/59. — Vossische Zeitung vom 27. 11. 1906, Morgen- u. Abendausgabe. - Der Tag, Illustr. Unterhaltungsbeilage vom 30. 11. 1906. - BJ Bd. 11,1906, Anhang Sp. 39, Berlin 1908.

Mandry, Johann Gustav Karl von, ord. Prof. (* 31. 1. 1832 Waldsee/Württ., t 30. 5. 1902 Tübingen, kath., verh. seit 1862 mit Marie Wörz, 3 Kinder). Mitglied der 1. Kommission von 1884—89, Mitglied der 2. Kommission, Kommissar des Reichskanzlers im Bundesrat für die Verhandlungen im Reichstag. Mandry, Sohn des fürstlich Wolfeggschen Domänendirektors Karl M., besuchte das Lyzeum in Ravensburg (1841 — 45) und das Gymnasium in Ehingen (1845 — 49). Im Frühjahr 1849 bestand er das Abitur. Danach studierte er fünf Semester in Tübingen und zwei Semester in Heidelberg die Rechte und abschließend nochmals zwei Semester in Tübingen. Im Sommer 1854 bestand er das erste Staatsexamen mit der äußerst selten gegebenen Note l b, ebenso die zweite Staatsprüfung im Jahr 1855. Seine Laufbahn im württ. Justizdienst begann er 1856 zunächst als Assistent beim Stadtgericht Stuttgart. Am 16. 9. 1858 wurde er zum Gerichtsaktuar in Waldsee ernannt, jedoch beim Stadtgericht Stuttgart belassen. Am 15. 3. 1859 wurde er als Hilfsarbeiter in den Zivilsenat des Kreisgerichts Ulm versetzt. Seit dem 15. 7. 1860 war er wieder in Stuttgart als Oberjustizassessor tätig. Allein auf Grund seiner ausgezeichneten Examensergebnisse wurde Mandry, ohne provomiert zu haben, bereits am 20. 7. 1861 zum ord. Professor des röm. Rechts in Tübingen ernannt (seit 1867 auch für württ. Privatrecht). 1872/73 war er Rektor der Universität Tübingen. 1884 wurde er als Nachfolger Kübels in die 1. Kommission gewählt. In der 2. Kommission war er Referent des Familienrechts. Nach Beendigung der Arbeiten am BGB wurde er im November 1896 zum Vorsitzenden der im württ. Justizministerium zur Ausarbeitung eines Ausführungsgesetzes zum BGB einberufenen Kommission bestellt. Am 14. 4. 1899 erfolgte seine Ernennung zum Staatsrat (seit 1885 bereits Mitglied des Staatsgerichtshofs). Nach seiner Emeritierung wurde er am 10. 6. 1901 noch zum Mitglied der Kammer für Standesherrn auf Lebenszeit ernannt. Planck schreibt in seinem Nachruf für Mandry (DJZ 1902, S. 287): „Mandry war eine jener seltenen Persönlichkeiten, in denen Geist und Herz in der glücklichsten Harmonie stehen. Treue, Bescheidenheit und Selbstlosigkeit waren die hervorragendsten Eigenschaften seines Charakters. Sein Streben ging nur dahin, die Wahrheit zu erforschen und der Wissenschaft und dem Vaterlande zu dienen." Über Mandry's Tätigkeit in den Kommissionen teilt Planck mit, daß sie „nach der Natur der Sache nach außen wenig hervorgetreten (sei), sie aber eine sehr segensreiche (war). Er verband mit den gründlichsten Kenntnissen und einem scharfen Verstand einen klaren Blick für die Bedürfnisse des praktischen Lebens . . . Dazu kam ein unermüdlicher Fleiß und die Fähigkeit, sich in die Ansichten anderer hineinzudenken und sie zu würdigen. Sein Einfluß in der Kommission war um so größer, als er seine Ansichten zwar sachlich entschieden, aber immer in liebenswürdiger Form und mit der ihm eigentümlichen großen Anspruchslosigkeit vertrat. Alle, die seine Tätigkeit in der Kommission kennen lernten, werden darin einverstanden sein, daß das BGB ihm viel verdankt." Werke I. Die Gesetzgebung des Königreichs Bayern seit Maximilian II., Bd. 5, 2. Heft: Gesetz vom 28. 6. 1865 zum Schutz der Urheberrechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst,

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II. Die Mitglieder der 1. Kommission erl. von G. Mandry, hrsg. von Pollmarm, fortges. von Pözl, Erlangen 1867. — Über Begriff und Wesen des Peculium. Festschrift für Wächter. Tübingen 1869. — Das gemeine Familiengüterrecht mit Ausschluß des ehelichen Güterrechts, 2 Bde., Tübingen 1871 und 1876. — Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze. Tübingen 1878 (4. Aufl. 1898). — Das Grundbuchwesen in Württemberg. Festgabe für A. Schaffte. Tübingen 1901. — Das württembergische Privatrecht, 2 Bde., Tübingen 1901 und 1902/1903 (Bd.2 z.T. bearb. von O. Haidien). - II. Aufsätze im Archiv für civilistische Praxis (seit 1879 Mitherausgeber neben Bülow, Degenkolb, Franklin, Hartmann, von Kohlhaas, Wendt, Rümelin), Heidelberg 1865ff.: Zur Lehre vom Gegenstande der Condiktionen (Bd. 48, 1865, S. 220ff.). - Zum Andenken an Carl Joseph Anton Mittermaier (Bd. 48,1865, S. 417ff.). Ueber heredis institudo excepta re certa (Bd. 51, 1868, S. 83 ff.). — Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze (Bd. 59,1876, S. 279ff.; Bd. 60,1877, S. l ff., 165 ff.). - Zur Lehre vom Besitzwillen (Bd. 63,1880, S. l ff.). - Neue Auflagen von Lehrbüchern des Civilrechts (Bd. 64,1881, S. 193 ff.). - Die Prozeßfähigkeit der Ehefrau nach der RCPO (Bd. 65,1882, S. 132 ff.). - Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich in 2. Lesung (Bd. 79, 1892, S. 124ff., 457ff./Allgem. Teil/Schuldrecht; Bd. 80, 1893, S. 428 ff ./Einzelne Schuldverh.; Bd. 82, 1894, S. 243ff./Sachenrecht; Bd. 83 1894, S. 401 ff ./Familienrecht; Bd. 84, 1895, S. 3 74 ff ./Erbrecht, Anwendung ausländischer Gesetze). — Bemerkungen zu einigen Artikeln neuerer wünt. Gesetze. Das Gesetz vom 30. 6. 1865 in Betreff der Herabsetzung des Alters der Volljährigkeit (Württ. Archiv Bd. XII, 1869, S. 20ff.). — Gibt es Sondereigentum (dominium divisum) an einzelnen Stockwerken oder einzelnen Gelassen des Hauses? (Württ. Archiv Bd. XIII, 1870, S. 193 ff.). - Auswahl Quellen G. Planck, G. v. M., DJZ 1902, 287. - A. Teichmann, M. G. v., BJ Bd. 7, 1902, S. 133 u. Anhang Sp. 75. - E. Kern, G. M., in: Schwäbische Lebensbilder Bd. IV, 1948, S. 76ff. - Kronik des Schwäbischen Merkur vom 2. 6. 1902, Nr. 249. — (Vollständiger Quellennachweis bei Kern, a. a. O.; ferner bei W. Heyd, Bibliographie zur württ. Geschichte, 11 Bde., Stuttgart 1895—1974, Bd. 4, S. 373).

Pape, Heinrich Eduard, Dr. iur. h. c. der Univ. Breslau (* 13. 9. 1816 Brilon/Westf., 111. 9. 1888 Berlin, kath., verh. seit 29. 12. 1859 mit Clara Heineken, 3 Kinder). Pape, Sohn des Stadtrichters Caspar Anton Joseph P., besuchte das Progymnasium in Brilon, machte das Abitur am Gymnasium in Recklinghausen und studierte von 1833 — 36 in Bonn und Berlin Rechtswissenschaft und Kameralistik. Die erste und zweite juristische Prüfung bestand er mit „vorzüglich". Das dritte Staatsexamen legte er am 28. 3. 1843 mit „sehr gut" ab. Anschließend wurde er zum Oberlandesgerichtsassessor ernannt. Als solcher war er zunächst als Hilfsrichter und bei der Staatsanwaltschaft eingesetzt und an verschiedenen Orten tätig, bis er am 24. 6. 1850 schließlich zum Kreisrichter und Mitglied des See- und Handelsgerichts in Stettin ernannt wurde (seit 14. 6. 1856 Kreisgerichtsrat). Am 20. 9. 1856 kam er als Appellationsgerichtsrat nach Königsberg. Auf der Seerechtskonferenz in Hamburg, die ein gemeinsames deutsches Seerecht (ADHGB) entwarf, war er Berichterstatter (26. 4. 1858-22. 8. 1860). Gleichzeitig war er Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung eines ADHGB (1858 — 1861). 1859 wurde er zum Geh. Justizrat (seit 1887 Oberjustizrat) und Vortragenden Rat im preuß. Justizministerium ernannt. Don oblagen ihm u. a. die Arbeiten zur Einführung des ADHGB in Preußen. Der Kommission zur Revision des preuß. Zivilprozeß- u. Strafprozeßrechts gehörte er von 1861 — 64 an. Von 1867—70 war er Bevollmächtigter Preußens beim Bundesrat des Norddeut. Bundes und des Zollvereins. In dieser Funktion waren ihm bis Ende Juli 1870 alle wichtigen Arbeiten der Justizgesetzgebung und deren Vertretung im Bundesrat anvertraut. Ferner war er Mitglied der vom Bundesrat einberufenen Kommission zur Ausarbeitung eines Entwurfs einer „Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" (Berichterstatter und Mitglied des Redaktionsaus79

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Schusses von 1868 — 70). Am 2. 1. 1870 wurde er Präsident des 1869 errichteten Bundes(späteren Reichs-)Oberhandelsgerichts. Im Jahre 1874 wurde er vom Bundesrat in die 1. BGB-Kommission gewählt und anschließend vom Reichskanzler zu deren Vorsitzenden ernannt. Als 1879 das ROH G aufgelöst und das Reichsgericht errichtet wurde, ernannte man wider Erwarten nicht Pape, sondern Simson zu dessen Präsidenten. Pape starb am 12. 9. 1888, nachdem die 1. Kommission den ersten Entwurf des BGB (E I) und des EGBGB vollendet hatte. Wie Neubauer, der Schriftführer der 1. Kommission, mitteilt (ADB Bd. 52, S. 753), ist Pape „nicht bloß formal der Vorsitzende dieser Commission gewesen, sondern tatsächlich ihr Arbeits-Mittelpunkt, der alle Einzeltätigkeit in Fluß und Verbindung erhielt. Unermüdet unterzog er sich der Mühe, die Verhandlungen zu leiten, die Beschlüsse durch einleitende Vorträge vorzubereiten, die Streitfragen mit den geäußerten Bedenken und abweichenden Ansichten auszusondern, das Ergebnis zur Abstimmung zusammenzufassen, und vor allem widersprechende Mehrheitsbeschlüsse so zu verbessern, daß sie als Grundlage dienen konnten. Ganz besonders hervorragend war seine Auffassungsgabe. Üblich war, daß das einzelne Mitglied sich darauf beschränkte, Vorschläge (ohne Begründung) zu machen, wie die Vorschrift zu fassen sei. Nicht eines einzigen Falles vermag ich mich zu erinnern, in dem er von dem Antragsteller darauf aufmerksam gemacht werden mußte, seine Gründe seien nicht richtig erkannt, während er häufig in dem einleitenden Vortrage bemerken konnte, es sei schwierig, zu erkennen, ob der Antrag nicht noch etwas anderes bezwecke. Zuweilen unterbrach er die Sitzung, um in seinem Zimmer sich zurecht zu legen, wie scheinbar widersprechende Beschlüsse so zu berichtigen seien, daß sie neben einander bestehen könnten . . . Leugnen wird niemand, der (Pape) näher gekannt hat, daß er mit großem Wissen und ungewöhnlicher Kenntnis fast aller Lebensverhältnisse eine unbeugsame Unparteilichkeit und humane Anschauungen verband." Nach Planck (DJZ 1909, Sp. 954) war „der überragende Mann in der ersten Kommission Pape mit seinem alles umfassenden Scharfsinn und seiner staunenswerten Fülle legislativer Ideen". Werke Testamentarische oder Intestatsuccession? Ein Rechtsfall (Gruchot Bd. 3, 1859, S. 236ff.). — Muß die nach dem Gesetz vom 9. 5.1855 anzustellende Anfechtungsklage gegen den Erwerber und den Schuldner gerichtet werden? (Gruchot Bd. 3, 1859, S. 273ff.). — Ein in New York von einem Preußen errichtetes Testament ist nach den dort geltenden Gesetzen zu beurtheilen. Rechtsfall (Gruchot Bd. 6,1862, S. 389 ff.). Auswahl Quellen I. H. G. Mertens, H. E. P. in: Westfälische Lebensbilder Bd. XI, Münster 1975, S. 153 ff. (m. w. Lit.nachweisen). - Neubauer, Pape, H. E. in: ADB 52 (1906), S. 750ff. - F. Schnapp, Zum 150. Geburtstag von Heinrich Eduard Pape, in: DRiZ 1965, S. 365ff. — Schuhen, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentunisübertragung, Berlin 1966, S. 19ff. — Kosch, Biogr. StaHB Bd. II, S. 956. - Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht, S. 4ff., S. 337, S. 425. - Reichsanzeiger Nr. 233 vom 12. 9. 1888. - II. Acta 07.01 Reichskanzlei Nr. 724, DZA Potsdam 1/1969, BA R 43 F/724 - Fiche 3 - Bundesarchiv Koblenz.

Planck, Gottlieb Karl Georg, Dr. iur. h. c. der Univ. Tübingen (1877), ord. Honorarprofessor der Rechte (* 24. 6. 1824 Göttingen, f 20. 5. 1910 Göttingen, verh. seit April 1865 mit Johanna Steinbömer, l Sohn). Mitglied beider BGB-Kommissionen und Kommissar des Bundesrats. Planck stammte aus einer alten schwäbischen Gelehrten- und Theologenfamilie. Der 80

II. Die Mitglieder der l. Kommission Großvater Gottlieb Jakob Planck kam 1784 als Kirchenhistoriker an die Göttinger Universität. Plancks Vater, Wilhelm P., war ein angesehener im hannoverschen Justizdienst stehender Richter, später Obergerichtsdirektor in Göttingen und Verfasser der bürgerlichen Prozeßordnung von 1847. Gottlieb Plancks Cousin, Julius Wilhelm Planck (1817—1900), hatte den Lehrstuhl für Rechtsgeschichte an der Universität München inne. Dessen Sohn Max P. wiederum ist der bekannte Physiker und Nobelpreisträger. Gottlieb Planck studierte nach dem Abitur am Humanistischen Gymnasium in Gelle ab 1842 in Göttingen und Berlin Rechtswissenschaft. Im Frühjahr 1846 bestand er die erste juristische Prüfung in Hannover mit „vorzüglich gut" und im Januar 1848 legte er das zweite Examen mit großem Erfolg ab. Danach wurde er zum Kanzleiauditor in Hannover ernannt. Die Teilnahme am politischen Vereinsleben und sein Eintreten für die Reichsverfassung von 1848/49 brachte ihm die erste Strafversetzung nach Osnabrück ein (1849). Dort lernte er seinen späteren Parteifreund Rudolf von Bennigsen kennen. Nach dem dritten juristischen Examen blieb er als Kanzleiassessor in Osnabrück (April 1850). 1852 wurde er in die 2. Kammer des hannoverschen Landtags vom Wahlkreis Osnabrück als Vertreter der Demokratischen Partei gewählt. Hier schloß er sich der Opposition gegen die von der hannoverschen Regierung geplante Verfassungsänderung an. Dies brachte ihm die zweite Strafversetzung, dieses Mal an das Obergericht nach Aurich ein (1852). Im Jahre 1855 veröffentlichte er eine Schrift „Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. August 1855". Hierin übte er Kritik an der nicht auf verfassungsmäßigem Wege zustande gekommenen Verordnung, die das Obergericht Aurich unter seiner Mitwirkung für rechtsungültig erklärt hatte. Aufgrund dieses Urteils wurde Planck zum dritten Mal strafversetzt, und zwar nach Dannenberg (1855), wo er mit Miquel bekannt wurde. Als das Dannenberger Gericht 1859 im Zuge der hannoverschen Justizreorganisation aufgelöst wurde, beurlaubte ihn die hannoversche Regierung nicht nur auf unbestimmte Zeit, sondern versagte ihm auch den Zugang zur Advokatur. Zusammen mit Miquel beteiligte er sich daraufhin an der Gründung des Nationalvereins, was wiederum zur Folge hatte, daß seine Wahl zum Stadtsyndikus in Osnabrück (1861) wie auch seine von Windthorst befürwortete Berufung als Vertreter Hannovers in die „Dresdener Kommission" abgelehnt wurde. Im Jahre 1863 wurde er wieder in den Staatsdienst eingestellt, zunächst als Obergerichtsrat in Meppen. 1868 kam er an das Obergericht nach Göttingen. Noch im gleichen Jahr wurde er Appellationsgerichtsrat in Gelle. Dieses Amt hatte er bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1879 inne. Politisch war er wieder seit seiner Wahl in das preuß. Abgeordnetenhaus (1867) tätig. Dem Reichstag gehörte er von 1870—73 an. Erste legislatorische Erfahrungen erwarb er sich als Mitglied der Kommission für die Reichszivilprozeßordnung (1871 — 72). Daraufhin wurde er vom preuß. Justizminister Leonhardt dem Bundesrat als Mitglied für die 1. Kommission vorgeschlagen. Trotz eines Augenleidens, das 1873 zur vollständigen Erblindung geführt hatte, übernahm er in der Kommission die Bearbeitung des Familienrechts einschließlich der Motive. Nach Abschluß der Kommissionsarbeiten kehrte er nach Göttingen zurück, wo er am 9. 7. 1889 zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt wurde und Vorlesungen über die Grundzüge des 1. Entwurfs des BGB gehalten hat. 1890 wurde er vom Bundesrat in die 2. Kommission gewählt und zu deren Generalreferenten bestellt. Das vollendete Werk vertrat er dann auch im Reichstag als Kommissar des Bundesrats. Anschließend widmete er sich wieder seiner Vorlesungstätigkeit und literarischen Arbeit. Über Plancks Tätigkeit in der 1. Kommission berichtet Börner: „Planck gelang es

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Kurzbiographien der Verfasser des BGB sehr bald, sich eine hervorragende Stellung in der Kommission zu sichern. Er erwies sich auf allen Gebieten als zu Hause. Bewandert nicht bloß im gemeinen Rechte, sondern auch in den Partikularrechten mit größerem Geltungsgebiete, insbesondere im Preußischen Allgemeinen Landrechte, war ihm jede Kirchturmsjurisprudenz fremd. Dabei war er ein Meister der Dogmatik. Windscheid, der — ebenfalls Mitglied der Kommission — damals im Zenith seines Ruhmes stand, erkannte dies unumwunden an und ordnete nicht selten seine Ansicht derjenigen Plancks unter. In der Diskussion befähigten Planck rasche Auffassung, ungewöhnlicher Scharfblick, sicheres Urteil die schwierigsten Fragen, auch die unvermutet auftauchenden, zu klären. Seine Ansicht vertrat er, die Gründe für und wider gewissenhaft erwägend, ruhig, sachlich, nie verletzend in formvollendeter, durch ein sympathisches Organ unterstützter Rede. Gingen ja einmal die Wogen des Meinungsstreits hoch, so brauchte Planck nur das Wort zu ergreifen, um sie zu glätten. Alles das erklärte — ganz abgesehen von seiner Persönlichkeit, die jeden, der ihm näher trat, in ihren Bann zog — den großen Einfluß, den er in der Kommission hatte." (Zit. nach Aufzeichnungen von Börner, Karton 16, Nachlaß Planck, Nds. StuUB Göttingen.) Werke I. Über die verbindliche Kraft der Verordnung vom 1. 8. 1855. Bremen 1856. liilu's Gesetzbuch nebst EinfG, erl. i. V. m. A. Achilles, F. Andre, M. Greiff, F. Ritgen, O. Strecker, K. Unzner, Bd. I, II, IV, Berlin 1897/1898; Bd. I-VI, 1./2. Auflage, Berlin 1899/1902 (4. Aufl., Berlin 1914). — Die rechtliche Stellung der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch. Ein Vortrag. 1. u. 2. Aufl., Göttingen 1899. - Der Begriff der Widerrechtlichkeit im § 123 BGB. Festgabe der Göttinger Juristenfakultät für Regelsherger, 1901, S. 151 — 181. — II. Der Hannoversche Entwurf einer Hypotheken-Ordnung (Deutsche Gerichtszeitung 3. Jg., 1861, Nr. 19, S.73; Nr. 20, S. 78). - Zur Erörterung und Kritik der Hannoverschen bürgerlichen Prozeßordnung (Deutsche Gerichtszeitung 3. Jg., 1861, Nr. 43, S. 169; Nr. 45, S. 177; Nr. 47, S. 186. - Der Entwurf einer allgemeinen Deutschen Civilprozeßordnung (Deutsche Gerichtszeitung 5. Jg., 1863, Nr. 31, S. 125 ff.). - Die verbindliche Kraft der auf nicht verfassungsmäßigem Wege entstandenen Gesetze und Verordnungen (JhJB Bd. 9, 1868, S. 288ff., 381 ff.). - Der Entwurf einer Civilprozeßordnung für das deutsche Reich (Preuß. Jahrbücher Bd. 31, 1873, S. 162-194, 335-354). - Zur Kritik des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs f. d. Deutsche Reich (AcP Bd. 75, 1889, S. 327ff.). - Die soziale Tendenz des BGB (DJZ 1899, 181 ff.). - Die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten (DJZ 1899, 365 ff.). - Die Bedeutung des § 740 der Civilprozeßordnung (DJZ 1900, 77 ff., 246 ff.). - G. v. Mandry f (DJZ 1902, 287). - Anfechtung von Eheverträgen durch die Gläubiger eines der Ehegatten (DJZ 1905, 561 ff.). — Voraussetzungen der strengeren Haftung wegen ungerechtfertigter Bereicherung im Falle des §820 BGB (DJZ 1906, 23 ff.). - Zur Auslegung und Anwendung des § 826 BGB (DJZ 1907, 7ff.). - Geheimer Rat Professor Dr. Albert Gebhard t (DJZ 1908, 119 f.). - Das bürgerliche Recht und die arbeitenden Klassen (DJZ 1909, 23 ff.). -Auswahl Quellen I. F. Frensdorff, Gottlieb Planck, deutscher Jurist und Politiker. Berlin 1914. - Ders., Planck, Gottlieb Karl Georg, BJ Bd. 15, 1910, Berlin 1913, S. 3 ff, u. Anhang Sp. 67. - Karl Gunkel, 200 Jahre Rechtsleben in Hannover. Festschrift zur Erinnerung an die Gründung des kurhannoverschen Oberappellationsgerichts in Celle am 14.10.1711, Hannover 1911, S. 365 ff. - W. Rothert, Planck, Allgemeine hannoversche Biographie, Bd. I, Hannover 1912, S. 258 ff. — Leonhard, DJZ 1904, 609ff. (Zum 80. Geburtstag). - R. Sohm, DJZ 1910, 609ff. (Nachruf). - Liehmann, DJZ 1910, 614f. (Nachruf). - Das Recht 1904, 327f. (Zum 80. Geburtstag). - Das Recht 1910, 410 (Nachruf). - IZ Bd. 134, Nr. 3491 vom 26. 5. 1910, S. 989 (Nachruf). - Vossische Zeitung vom 21. 5. 1910, Abendausgabe (Nachruf). - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 985. - Biogr. Wörterbuch zur Deutschen Geschichte, begr. v. H. Kassier und G. Franz, 2. Aufl. bearb. von K. Bosl u. a., Bd. 2, München 1974, Sp. 2189 — 2191. - Zeitgenossenlexikon Sp. 1108 — Schubert, Die Entstehung der 82

II. Die Mitglieder der 1. Kommission Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, Berlin 1966, S. 20f. — II. Nachlaß Gottlieb Planck, Handschriftenabt, der Nds. StuUB Göttingen: Karton I-XVII und Rollen 18 — 23. Personalakten Karton III und IV; Briefe der Kommissionsmitglieder an Planck in Karton IV (Achilles, Börner u. a.); Karton V (Johow, Jacubezky u. a.); Karton VI (Küntzel, Neubauer, Nieberding); Karton VII (Rüger, Schmitt); Karton VIII (Sohm, Struckmann); Karton X (Wilke, Windscheid); Karton XI (Plancks Kränzchenvorträge ab 1900, Der Nationalverein und seine Entstehung, Vorlesungen 1889/90); Karton XIII und XIV (BGB-Materialien); Karton XVI (Zirkulare zum BGB-Kommentar, Grabreden, Würdigungen von Börner, Braun und Struckmann, Aus der Mutter Tagebuch); Kanon XVII (Material zu einer Biographie von G. P., handschriftliches Manuskript von Johanna Planck). Roth, Paul Rudolf von, Dr. iur., ord. Professor d. Rechte (* 11. 7. 1820 Nürnberg, 128. 3. 1892 München, prot., ledig). Roth, Sohn des damaligen bayr. Ministerialrats im Finanzministerium und späteren Präsidenten des Oberkonsistoriums und Staatsrats Karl Johann Friedrich R., studierte nach dem Abitur in München von 1834 — 40 Rechtswissenschaft und bestand im Oktober 1842 die praktische „Concursprüfung für Staatsdienstaspiranten" mit „ausgezeichneter Befähigung". Er promovierte am 2. 2. 1848 in Erlangen über die „Entstehung der Lex Bajuvariorum" und habilitierte sich schon drei Monate später in München (6. 5. 1848) mit der Schrift über „Die Krongutsverleihung unter den Merowingern". Im Jahre 1850 veröffentlichte er die aufsehenerregende und bahnbrechende „Geschichte des Beneficialwesens". Im Herbst 1850 folgte er einem Ruf als a. o. Professor nach Marburg, wo er zusammen mit Meibom das „Kurhessische Privatrecht" bearbeitete (1857/58). Später folgten das „Mecklenburgische Lehnrecht" (1858) und das „Bayerische Civilrecht" (3 Bde., 1871/72/75). Den Abschluß büdete das „System des deutschen Privatrechts", das unvollendet geblieben ist (3 Bde., 1880/1881/1886). 1853 wurde Roth ord. Professor in Rostock. Von dort kam er 1857 nach Kiel, wo er eine erste Abhandlung seines späteren Zentralthemas des ehelichen Güterrechts schrieb, nämlich über „Die particuläre Gütergemeinschaft nach kurhessischem Recht" (1858). Im April 1863 nahm er einen Ruf nach München an, wo er den Lehrstuhl für Deutsches Recht, Bayerisches Recht und Staatsrecht erhielt, den bisher Bluntschli innegehabt hatte. Von 1874 — 89 gehörte er als Germanist der 1. Kommission an und nahm seit 4. 10. 1881 regelmäßig an den Beratungen teil, wozu er nach Berlin übersiedelte. Seine Briefe bezeugen „lebhaftes Interesse" an der Kommissionsarbeit (zit. nach Schröder). Roth wurde später zum Vorwurf gemacht, durch seine passive Haltung in der 1. Kommission zur Vernachlässigung des deutschen Rechts bei der Ausarbeitung des 1. Entwurfs beigetragen zu haben. Diese Einschätzung geht in erster Linie auf Beurteilungen zurück, die Roths Werk und Persönlichkeit äußerst negativ gesehen haben (Richard Schröder und vor allem Karl von Amira), bedarf aber nach den neueren Forschungen Gagners einer Überprüfung. Werke

S. dazu Stintzing-Landsberg, III 2. Halbbd. Text, Kap. 20 III l (S. 886 ff.) und IV 2 (S. 926ff.) — Sten Gagner, Zielsetzungen und Werkgestaltung in Paul Roths Wissenschaft, in: FS für Hermann Krause, hrsg. v. S. Gagner, H. Schlosser u. W. Wiegand, Köln/Wien 1975. Quellen I. Karl v. Amira, Paul v. Roth, ADB 53 (1907), S. 538ff. - Richard Schröder, P. v. R., SZGerm. 13 (1892), S. 251 ff. - Sten Gagner, Zielsetzungen und Werkgestaltung in Paul Roths Wissenschaft, in: Festschrift für Hermann Krause, Köln/Wien 1975, S. 276ff., insbes. S. 279, 450. 83

Kurzbiographien der Verfasser des BGB — Schubert, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, Berlin 1966, S. 22 f.

Rüger, Konrad Wilhelm von, Dr. iur. (* 26. 10. 1837 Dresden, t 20. 2. 1916 Dresden, evang.-luth., verh. seit 12. 5.1870 mit Hulda Marie Pauline Börner, 2 Kinder). Mitglied der 1. und 2. Kommission. Rüger, Sohn des sächs. Hauptmanns Johann C. Wilhelm R., besuchte zunächst die Böttchersche Privatschule und dann das bekannte Gymnasium zum Hl. Kreuz in Dresden. Von 1856 bis 1859 studiene er in Leipzig Rechtswissenschaft (Pandektenvorlesung bei Wächter). Nach Bestehen der jur. Prüfung mit „gut" am 25. 9. 1860 war er bis 1865 in einer Anwaltskanzlei tätig und ließ sich anschließend als Rechtsanwalt nieder. Bereits am 28. 6. 1864 hatte er in Leipzig zum Doctor iuris promoviert. Am 1. 6. 1875 trat er in den sächs. Justizdienst ein und wurde Gerichtsrat am Appellationsgericht Dresden. Bereits 1876 war er als Hilfsarbeiter im Justizministerium beschäftigt, seit 1879 als Vortragender Rat. Zum 30. 6. 1880 schied er aus dem Staatsdienst aus und übernahm bis 1884 das Amt eines Bürgermeisters von Dresden (Leitung des Finanzamtes). Anschließend war er kurze Zeit bei der Brandversicherungskommission tätig. Danach kehrte er endgültig in den Staatsdienst zurück (Vonragender Rat im Justizministerium). Nach dem Tode Webers wurde er Anfang 1888 zum Mitglied der 1. Kommission gewählt. Aus der 2. Kommission schied er im März 1895 aus, um zum 1. 4. 1895 die Stelle eines Generalstaatsanwalts beim OLG Dresden anzutreten. Seit Juni 1895 war er zusätzlich als Vortragender Rat (seit 1898 im Range eines Ministerialrats) im Gesamtministerium beschäftigt. Am 19.6. 1901 übernahm er das Justizministerium, am 11.2. 1902 das Finanzministerium, das er bis zu seinem Rücktritt im Herbst 1910 leitete. Seit 21. 5. 1906 führte er außerdem den Vorsitz im Gesamtministerium. Rüger war zeitlebens der konservativen Weltanschauung verhaftet. Als im Landtag die Einführung der 4. Wagenklasse an Sonntagen zur Debatte stand, bezweifelte er, ob „es zu den unveräußerlichen Menschenrechten gehöre, sonntags auf Kosten der Allgemeinheit spazieren zu fahren". Als Finanzminister des Kgr. Sachsen brachte er zwar die völlig zerrütteten Staatsfinanzen in Ordnung und unterstützte den Mittelstand; gegenüber einer forcierten Industrialisierung aber verhielt er sich sehr reserviert. Die Forderung nach größerer Berücksichtigung des Liberalismus bezeichnete er als „hohle Phrase". Seine zahlreichen Parlamentsreden weisen ihn als guten Redner und Meister des deutschen Sprachgebrauchs aus. Die grundlegenden sächsischen Finanzgesetze von 1904—10 sind unter seiner Verantwortung entstanden. Rüger war äußerst vielseitig interessiert. So galt er als ein hervorragender Kenner der französischen Sprache und Literatur. Werke Aus dem Erbrechte des Deutschen BGB: 1. Allgemeiner Erbschaftserwerb, 2. Gesetzl. Erbfolge, 3. Testamentarische Erbfolge, 4. Erbvertrag, 5. Gemeinschaftl. Testament, 6. Nacherbfolge, 7. Vermächtniß, 8. Auflage, 9. Pflichtteilsrecht, 10. Testamentsvollstrecker, 11. Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten, 12. Mehrheit von Erben, 13. Erbschaftsanspruch, 14. Erbschein, 15. Erbverzicht (Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß, hrsg. v. S. Hoffmann, R. v. Sommerlatt u. F. Wulfert, Bd. 9, Leipzig 1899, S. 401-503). — Parlamentsreden in: „Mitteilungen über die Verhandlungen des ordentlichen Landtags im Königreich Sachsen, 2. Kammer". Quellen Leipziger Zeitung vom 30. 11. 1910, Abendausgabe, S. 3795 f. (Rücktritt des Ministers Konrad Wilhelm Rüger). - Sächsische Industrie 7. Jg. 1910, S. 69f. - Sächsische Staatszeitung vom 21. 12. 1916 (Nachruf). - Ecce der Crucianer 1916 (Nachruf). - DJZ 1901, 346. - II. PA Locat 80/Nr. 12, Staatsarchiv Dresden (nach Notizen und unter Mitarbeit des Hrsg. W. Schubert).

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II. Die Mitglieder der l. Kommission Schmitt, Gottfried Ritter von, Dr. iur. (* 30.9. 1827 Hofheim/Unterfranken, f 25. 8. 1908 Ebern bei Bamberg, katholisch, verh., 2 Kinder). Schmitt, Sohn des Gastwirts Joseph S., besuchte das Gymnasium in Münnerstadt, studierte Rechtswissenschaft in Würzburg und bestand die „Concursprüfung" (große bayr. Staatsprüfung) im Jahre 1852 mit „ausgezeichneter Befähigung" (Note I 64/84). Anschüeßend war er als Akzessist am Kreis- und Stadtgericht sowie am Wechselgericht in Würzburg und als Bezirksgerichtssekretär in Augsburg beschäftigt. Am 1.2. 1858 wurde er zum Bezirksgerichtsassessor in Kempten und im Jahre 1862 zum Bezirksgerichtsrat in Nürnberg ernannt. 1866 wurde er dann an das Bezirksgericht Bamberg versetzt und am 11. 1. 1869 als Appellationsgerichtsrat in das bayr. Staatsministerium der Justiz einberufen, dem er bis 1886 angehörte (seit 23. 9. 1872 Rat am obersten Gerichtshofe in München). Als stellvertr. Vorsitzender der BR-Kommission für den Entwurf einer CPO (1871) hat er den größten Teil der Kommissionsarbeiten geleitet und als stellvertr. Bevollmächtigter zum Bundesrat das Referat über die CPO im Bundesrat erstattet. Außerdem war er Mitglied der Reichskommission zur „Feststellung einer dt. Gemeinschuldordnung", der späteren Konkursordnung, und des Gerichtsverfassungsgesetzes. In Anerkennung seiner legislatorischen Leistungen im bayr. Justizministerium (Einführung der neuen CPO [1869/70] in Bayern, Ausarbeitung eines EinfG hierzu u. a.) erfolgte am 27. 2. 1874 seine Ernennung zum Ministerialrat. 1874 wurde er dann neben Roth als Vertreter Bayerns in die l. Kommission gewählt und von ihr zum Redaktor des Erbrechts bestimmt. Die ihm angebotene weitere Mitarbeit in der 2. Kommission lehnte er aus „dienstlichen und persönlichen Gründen" ab. Bereits 1883 war er zum OLG-Präsidenten extra stamm und am 1. 9. 1886 zum OLG-Präsidenten in Nürnberg ernannt worden, trat diese Stelle aber erst im Herbst 1889 nach seiner Rückkehr aus Berlin an. Präsident des Obersten Landesgerichts (München) wurde er am 1. 11. 1891, das er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 16. 10. 1899 leitete. 1897 wurde er geadelt (seit 1889 im Ritterstand) und in demselben Jahr zum lebenslänglichen Reichsrat der Krone Bayerns ernannt. In der Reichsratkammer nahm er an allen Gesetzgebungsberatungen teil und befaßte sich besonders mit dem Ausführungsgesetz zum BGB. Schmitt gehörte von 1863 — 69 als liberales Mitglied dem bayr. Abgeordnetenhaus an und war auch hier besonders im Gesetzgebungsausschuß tätig gewesen. In den dienstlichen Beurteilungen wird immer wieder seine ausgesprochene Begabung für legislatorische Arbeiten hervorgehoben. Werke

I. Drei Vorträge, gehalten im Club der liberalen Mittelpartei über den Entwurf des neuen Civilprozesses, München 1867. — Der Gerichtsvollzieher-Dienst nach der bayerischen Civilprozeßordnung vom 29. 4. 1869, München 1869/70. — Der bayerische Civilprozeß nach der Civilproceßordnung vom 29. 4. 1869 systematisch dargestellt, 2 Bde., Bamberg 1870/71. — Reichsgesetz betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 16. 5. 1894. Mit Einleitung, Anm. u. Reg., München 1894. — Bayerische Justizgesetze. Sammlung von Landesgesetzen für die Rechtspflege nach dem Stande vom Ende des Jahres 1904, München 1905, (1.-3. Lfg.), München 1899-1902. - Zeitschrift für das Notariat und die freiwillige Rechtspflege der Gerichte in Bayern, hrsg. v. Frd. Weber, unter ständiger Mitwirkung von Wilhelm ffenle und Gottfried Schmitt, N. F. 1. u. 2. Jg. 1900/1901. — II. Soll die künftige deut. Civilprozeßordnung den Ignoranz- und Credulitätseid aufnehmen? Gutachten für den 8. DJT, Berlin 1869 (Verhandlungen, S. 4ff.).— Ist unter der Voraussetzung freier richterlicher Beweiswürdigung die eidliche Vernehmung der Parteien als Zeugen in eigener Sache in den deut. Civilprozeß einzuführen? Gutachten für den 8. DJT, Berlin 1869 (Verhandlungen, S. 39 ff.). Quellen I. Die Kgl.-Bayr. Staatsminister der Justiz, II. Teil München 1931, S. 1108-1109. - H. G. 85

Kurzbiographien der Verfasser des BGB Mertens, Entstehung der Vorschriften des BGB über die ges. Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, Berlin 1970, S. 7ff. - Poschinger, Bd. III, 1898, S. 32-33,120-121. - W. Scbärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806-1918, Kallmünz/Opf. 1955, Nr. 751, S. 373/374 und Nr. 752, S. 374. - Hezle DJZ 1908, 1015-1016 (Nachruf). - IZ Nr. 3401 vom 3. 9. 1908, Bd. 131, S. 382 (Nachruf). - II. Acta des Kgl. Staatsministeriums d. Justiz: MJu. 16819, MJu. 16820, MJu. 16823 im Bayr. HStA München, Abt. I. - Acta MA 76707/2 im Bayr. HStA München, Abt. II.

Weber, Anton von, Dr. iur. (* 1817 vermutlich in Dresden, t 8. 2. 1888 Berlin, evang., verh., Kinder). Der Vater von v. Weber war der bekannte sächsische Jurist und Konsistorialpräsident Dr. Karl Gottlob von Weber, Verfasser eines weit verbreiteten Lehrbuchs des sächsischen Kirchenrechts. Nach dem Studium der Rechte in Leipzig und Berlin trat Anton von Weber in den sächsischen Justizdienst ein und wurde zunächst bei den Justizämtern Bautzen und Tharandt beschäftigt. Anschließend war er längere Zeit Rat am Appellationsgericht Dresden, bis er zu dessen Präsidenten ernannt wurde. 1871 übernahm er die Leitung des Oberappellationsgerichts (seit 1879 OLG) Dresden. Weber verfügte über mannigfaltige Erfahrungen auf legislatorischem Gebiet (Mitwirkung an der sächsischen Gesetzgebung während zweier Jahrzehnte), als er 1874 in die l. Kommission gewählt wurde. Der Nachruf im Dresdener Anzeiger rühmt seinen eisernen Fleiß, seine treueste Pflichterfüllung, seinen raschen Überblick, scharfen Verstand und seine seltene Milde bei der Beurteilung der Schwächen anderer. Der Reichsanzeiger schreibt: „Einerseits ausgezeichnet durch eine glänzende juristische Begabung, durch ein umfassendes Wissen und durch einen im langjährigen Richterdienst erworbenen reichen Schatz von praktischen Erfahrungen und andererseits hervorragend durch ungewöhnliche Arbeitsamkeit verbunden mit musterhafter Gewissenhaftigkeit" hat er „sich unschätzbare und unvergeßliche Verdienste erworben". Quellen I. Dresdener Anzeiger vom 10. 2. 1888 (Nachruf). - Leipziger Zeitung vom 9. 2. 1888 (Nachruf). Reichsanzeiger Nr. 35 vom 9. 2. 1888 (Nachruf). - H. Kretschmar, Karl von Weber, Berlin 1958 (für das Elternhaus). - P. Massel, Weber, Karl von, ADB 41 (1896), S. 345-349. - II. PA-Bestand Gesammtministerium im Staatsarchiv Dresden nicht auffindbar (Auskunft des Hrsg. W. Schubert).

Windscheid, Bernhard, Dr. iur., ord. Prof. f. Rom. Recht (* 26. 6. 1817 Düsseldorf, t 26. 10. 1892 Leipzig, kath., seit 1890 prot., verh. seit 4. 11. 1858 mit der Malerin Lotte Pochhammer, 4 Kinder). Bernhard Windscheid war das drittälteste Kind des Hypothekenbewahrers (Steuerrats) Ferdinand W. Er besuchte die Knabenschule in Emmerich und Recklinghausen, wohin der Vater versetzt worden war. 1834 machte er das Abitur am Gymnasium in Düsseldorf und widmete sich zunächst aus Neigung dem Sprachenstudium in Berlin. Aber sehr bald entschied er sich für die Jurisprudenz. Von 1834—36 studierte er Rechtswissenschaft in Berlin, Bonn und wiederum in Berlin, wo ihn die Vorlesungen Savignys stark beeindruckten. Nach der 1. Jurist. Prüfung (1837) war er eineinhalb Jahre im praktischen Justizdienst beim Landgericht Düsseldorf tätig. Am 22. 12. 1838 promovierte er über „De valida mulierum intercessione" und habilitierte sich zwei Jahre später in Bonn mit der Schrift „Zur Lehre vom Code Napoleon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte" (1840). Dort wurde er 1847 zum a. o. Professor für Römisches und Französisches Recht ernannt. Im Herbst desselben Jahres folgte er einem Ruf als Ordinarius nach Basel. Von dort ging er 1852 nach Greifswald, wo auch Jhering lehrte. 1857 kam er nach München und 1871 als Nachfolger Vangerows nach Heidelberg. Im 86

III. Die Hilfsarbeiter der l. Kommission

Herbst 1874 nahm er einen Ruf nach Leipzig an, wo er dann bis zu seinem Tode lehne. Bereits im Sommer 1874 war er auf Vorschlag Badens als Romanist zum Mitglied der 1. BGB-Kommission gewählt worden, der er bis zum 30. 9. 1883 angehörte. Über seine Tätigkeit in der 1. Kommission schreibt Planck (DJZ 1909, Sp. 952/953): „Windscheids Einfluß auf die Beschlüsse war groß. Er beherrschte wie kaum ein anderes Mitglied der Kommission das gemeine Recht, welches die Hauptgrundlage der beabsichtigten Kodifikation bilden sollte; er war sehr fleißig und verstand es, seine Ansichten klar und eindringlich vorzutragen. So lebhaft er bei der Diskussion seine Ansichten vertrat, so geschah dies doch immer in durchaus sachlicher Weise, ohne jemals die Verteidiger abweichender Ansichten zu verletzen. Er verstand es, sich in die Ansichten anderer hineinzudenken und diese in vollem Maße zu würdigen. Er bestand niemals eigensinnig auf seiner Ansicht, sondern gab sie ohne Zögern auf, wenn er sich von deren Unrichtigkeit überzeugte. Dazu kamen das Gewicht seiner Persönlichkeit und eine gewinnende Liebenswürdigkeit in dem geschäftlichen wie im außergeschäftlichen Verkehre. Der große Einfluß, welchen er infolge aller dieser Umstände hatte, war ein segensreicher." . . . „Windscheid hatte, wie er selbst öfter gesagt hat, keine oder nur geringe Phantasie. Auf die Schönheit der Fassung und ihre plastische Anschaulichkeit legte er deshalb weniger Gewicht als auf die Korrektheit." . . . »Der Geist von Windscheid hat auch bei den späteren Beratungen der Kommission fortgewirkt und die von ihm vertretene Methode der Behandlung des Rechtsstoffs ist festgehalten worden." Werke S. dazu Stintzing-Landsberg, III 2. Halbbd. Text Kap. 20 I 5 u. Notenband S. 362 ff. - Erik Wo//, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 4. Aufl., Tübingen 1963, Kap. 14, S. 591 ff. (insbes. S. 619-620). Quellen Paul Oertmann, Windscheids Lebensgang und Windscheid als Jurist, in: Bernhard Windscheids gesammelte Reden und Abhandlungen, hrsg. von Paul Oertmann, Leipzig 1904. — Gottlieb Planck, Windscheid als Mitarbeiter am BGB, in: DJZ 1909, Sp. 952ff. - Erik Wo//, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 4. Aufl., Tübingen 1963. — Franz Wieacker, B. W. zum 50. Todestag am 26. 10. 1942, in: DR 1942, Sp. 1440ff. - Dm., B. W., in: Gründer und Bewahrer, 1959, S. 181-196. - W. Schubert, Windscheids Briefe an Planck und seine Stellungnahme . . ., Sav. Zeitschrift, Rom. Abt., Bd. 95.

III. Die Hilfsarbeiter der 1. Kommission Achilles, Alexander (Siehe 2. Kommission) Börner, Heinrich (Siehe 2. Kommission) Braun, Theodor Carl Wilhelm Philipp, Dr. theol. h. c. (1897) (* 11. 1. 1837 Hannover, t 3. 3. 1927 Hildesheim, evang.-luth., verh. seit März 1870 mit Charlotte Neubourg, l Tochter). Braun, der Sohn des hannov. Kultusministers im Märzministerium und späteren Landrats von Stade, besuchte von 1846 bis 1855 das Lyzeum in Hannover und studierte nach dem Abitur (Ostern 1855) in Göttingen und Berlin Rechtswissenschaft. Im Herbst 1858 bestand er die 1. Juristische Staatsprüfung und war anschließend zunächst als Auditor im Hannov. Justizdienste tätig (beim Amtsgericht Peine, Neuhaus, Woltingerode und Obergericht Hannover). Nach bestandenem 2. und letztem Examen war er seit 13. 3. 1863 als Gerichtsassessor beim Obergericht in Osnabrück beschäftigt. Am 27. 5. 1869 wurde er mit den Geschäften eines Mitglieds des Kgl. evang. Konsisto87

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

riums zu Osnabrück beauftragt. In sein Dezernat fielen die kirchlichen Vermögensangelegenheiten und die Gerichtsbarkeit in Ehesachen. Im November 1865 wurde er etatsmäßiger Richter und als solcher zum Amtsrichter des Amtsgerichts in Lüchow ernannt. Es folgten Versetzungen an das Obergericht Aurich (1867), wo er sich mit dem Preußischen Landrecht beschäftigte und nach Hildesheim (1868) als Substitut des Kronanwalts. Am 17. 12. 1868 wurde er dort zum Obergerichtsassessor ernannt. Im Januar 1870 kam er zur Kronanwaltschaft nach Gelle. Dort arbeitete er seit Oktober 1872 in einer eigens dazu eingesetzten Kommission an der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes über das bäuerliche Privatrecht der Provinz Hannover (Gesetz vom 2. 6. 1874). Am 27. 10. 1873 erfolgte seine Ernennung zum Obergerichtsrat und am 22. 9. 1874 zum weltlichen Mitglied der Landessynode der evang.-luth. Kirche der Provinz Hannover. Auf Grund des Reskripts des Reichskanzlers vom 14. 10. 1874 wurde er als Hilfsarbeiter Plancks in die 1. Kommission einberufen. Zunächst erledigte er die Vorarbeiten für die allgemeine Gütergemeinschaft, später bearbeitete er die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern und das Vormundschaftsrecht. Am 1. 7. 1877 schied er infolge seiner Ernennung zum Mitglied des Evangelischen Ober-Kirchenrats (EOK) und Oberkonsistorialrat aus dem Justizdienst aus. Bereits am 13. 5. 1881 wurde er zum Vizepräsidenten des EOK ernannt. Am 1. 4. 1904 trat er in den Ruhestand. Werke I. (Juristische W.) Das Anerbenrecht. Ein Beitrag zur Abwehr von Angriffen gegen die Grundlagen der bäuerlichen Hofverfassung in der Provinz Hannover. Hannover 1872. — Zur Frage der engeren Vereinigung der deutschen evangelischen Landeskirchen. Berlin 1902. — Welche Handhaben bietet das bürgerliche Gesetzbuch den deutschen evangelischen Landeskirchen zum Schutz der evangelischen Interessen in den gemischten Ehen? Stuttgart 1902. — II. Ernst Hugo Seyfert, Senatspräsident beim Kgl. OLG (Sachs. Archiv für Rechtspflege 9. Jg., Leipzig 1914). Quellen I. Preuß. JMB1. 1868, S. 356; 1869, S. 1; 1870, S. 22; 1873, S. 299; 1877, S. 97. - II. EO Akte Präs. I l Bd. IV Bl. 149—151 betr. Lebenslauf und Briefwechsel über Brauns Berufung (Archiv der Evangelischen Kirche der Union, Berlin).

Ege, Karl Eugen Ferdinand von (* 22. 2. 1837 Eßlingen, t 25. 6. 1899 Leipzig, evang., verh., l Tochter). Ege war das jüngste der zehn Kinder des Registrators am Kgl. Gerichtshof für den Neckarkreis und späteren Direktors des Gerichtshofes in Eßlingen, Ernst Ege. Nach dem Abitur am Stuttgarter Obergymnasium studierte Ege von 1855 bis 1859 Rechtswissenschaft in Heidelberg und Tübingen. Die juristische Laufbahn begann er am 13. 1. 1862 als Gerichtsaktuar beim Amtsgericht Stuttgart, später in Münsingen und Riedlingen. 1870 kam er als Kreisrichter an den Kreisgerichtshof Ravensburg (1873 Kreisgerichtshof Stuttgart). Bald danach wurde er als erster Sekretär in das württ. Justizministerium einberufen. In den Jahren 1875/76 war er Schriftführer der Justizkommission des Reichstags bei den Verhandlungen über die CPO, KO, das GVG und der StPO. Anschließend war er Mitarbeiter Sarweys bei der Abfassung des Kommentars zur CPO. 1879 wurde Ege Landgerichtsrat in Stuttgart und im gleichen Jahr noch als Hilfsarbeiter in die 1. Kommission einberufen. Don unterstützte er insbesondere von Kübel. Nach seiner Rückkehr aus Berlin (1889) war er als Rat am Oberlandesgericht Stuttgart tätig, bis er am 1. 12. 1891 als Rat in das Reichsgericht eintrat. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tode am 25. 6. 1899 inne. Quellen I. Erinnerungsblatt an Karl von Ege. Eßlingen 1899. — Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht, 88

III. Die Hilfsarbeiter der 1. Kommission Anlage Ic Nr. 113. - Kronik des Schwäbischen Merkur Nr. 294 vom 28. 6. 1899 (Mittagsblatt). II. Auszug aus dem Eßlinger Kirchenregister (Stadtarchiv Eßlingen).

Liebe, Viktor Friedrich August von (* 5. 9. 1838 Wolfenbüttel, 113. 9. 1906 Berlin, evang.-luth., verh. mit Johanna Clara Henriette Nobiling, 2 Kinder). Liebes Vater, Dr. Friedrich August Gottlob von L. (1809—1885), hatte am Ausbau der deutschen Verfassung, an der Reichsgesetzgebung und an allen Justiz- und Finanzfragen des Reichs bedeutenden Anteil gehabt. Er ist u. a. Mitglied der Kommission gewesen, die 1847 in Leipzig eine Allgemeine Deutsche Wechselordnung ausarbeitete. 1848 war er Bundestagsgesandter Braunschweigs in der Frankfurter Nationalversammlung, später Ministerresident am preußischen Hof, Wirklicher Geheimer Rat und Bundesbevollmächtigter. Der Sohn, Viktor von L., trat 1860 in den braunschweigischen Justizdienst ein, nachdem er zuvor am 22. 12. 1859 die erste juristische Prüfung mit »gut" bestanden hatte. Er begann als Auditor in Riddagshausen und bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Nach dem am 9.6. 1864 mit »gut" bestandenen Referendarexamen war er anschließend beim Stadtgericht Braunschweig tätig. Am 1. 4. 1869 wurde er zum Assessor ernannt und zunächst als Stadtgerichtssekretär in Wolfenbüttel beschäftigt (1. 1. 1873 Kreisgerichtssekretär in Braunschweig, 20. 11. 1874 Obergerichtssekretär in Wolfenbüttel). Zum 19. 7. 1875 erhielt er die Stelle eines Kreisrichters in Wolfenbüttel. Während seiner Tätigkeit in der 1. Kommission wurde er am 15. 7. 1879 in Abwesenheit zum Oberlandesgerichtsrat in Braunschweig ernannt. In der 1. Kommission war er Johow und Schmitt als Hilfsarbeiter an Stelle von Martini zur Unterstützung beigegeben. Nach Abschluß der Kommissionsarbeiten trat er am 11.4. 1889 in das Reichsgericht als Rat ein, dem er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. 4. 1897 angehörte. Werke I. Der Besitz als Recht in thesi. Civilistische Abhandlung. Braunschweig 1876. — Sachenrecht. Erörterungen zu dem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Leipzig 1891. II. Der abstrakte obligatorische Vertrag im modernen Recht (Gruchot Bd. 28, 1884, S. 547ff.). Quellen I. H. Kreutzmann, Liebe, Hannover 1956 ( Biogr. über den Vater). — Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht, Anlage Ic Nr. 100. - H. Poschinger, Bd. I, 1897, S. 77f. - R. Zimmermann ADB 51 (1906), S. 698 ff. (Biogr. über den Vater). - II. PA Nr. 259 des Reichsgerichts, Zentrales Staatsarchiv Potsdam (nach Notizen des Hrsg. Schubert). — Auszug aus dem Register der Geborenen und Getauften der evang.-luth. Kirchengemeinde der Hauptkirche BMV Wolfenbüttel 1875, S. 162 Nr. 208 und 1838, S. 482 Nr. 94 (Stadtkirchenamt Wolfenbüttel).

Martini, Karl, Dr. iur. (* 22. 1. 1845 Rostock, 16. 10. 1907 Rostock, evang.). Martini stammte aus einer alteingesessenen mecklenburgischen Theologenfamilie. Während der Urgroßvater Superintendent und Hofprediger in Schwerin und der Großvater Theologieprofessor in Rostock, Würzburg und München gewesen sind, wandte sich der Vater, Carl Christian Friedrich M., der Jurisprudenz zu. Er war zuletzt Direktor eines Rostocker Mittelgerichts und zugleich des Landeskonsistoriums. Der Sohn schlug ebenfalls die Justizlaufbahn ein und zwar zunächst als Kanzleirat, später als Justizrat in Rostock tätig. Am 1. 1. 1900 wurde er zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Rostock ernannt. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tode am 6. 10. 1907 inne. In 89

Kurzbiographien der Verfasser des BGB die l. Kommission war er als Hilfsarbeiter zur Unterstützung von Johow und Schmitt, den Redaktoren des Sachen- und Erbrechts, entsandt worden. Quellen I.W. Heeß, Geschichtliche Bibliographie von Mecklenburg, 2. Teil, Rostock 1940, S. 1366/1367. - Mejer ADB 20 (1884), S. 501 f. - Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege, Rechtswissenschaft und Verwaltung, 46. Jg., 1930, Beilage vor Heft l, S. 1. - BJ Bd. 12, 1909, Sp. 56. Neubauer, Wilhelm Konrad (* 6. 1. 1836 Berlin, Sterbedatum unbekannt, verh. seit 1865, zweite Eheschließung 1868, 3 Kinder). Neubauer, Sohn eines Geh. Regierungsrats aus Berlin, besuchte das dortige Friedrich Wilhelm Gymnasium und studierte anschließend Rechtswissenschaft in Berlin und Heidelberg. 1857 wurde er zum Referendar beim Kammergericht ernannt und am 1. 10. 1861 zum Assessor beim Stadtgericht in Berlin (später Kreisgericht). 1862 trat er als Mitglied in die Kgl. Generalkommission für Pommern ein. 1863 bemühte er sich vergebens um Übernahme in die Verwaltung. Vielmehr wurde er an das Grundbuchamt in Alt-Landsberg versetzt, wo er 1864 zum Kreisrichter ernannt wurde. Auf Ansuchen hin kam er 1867 zurück nach Berlin an das Stadtgericht (seit 1871 Stadtgerichtsrat). Am 1.2. 1873 erfolgte seine Ernennung zum Kreisgerichtsrat. Als solcher war er mit der Erledigung von Grundbuchsachen betraut. In der 1. Kommission oblag ihm die Schriftführung sowie die Besorgung der geschäftlichen Interna, soweit diese nicht vom Reichskanzleramt besorgt wurden. Darüber hinaus war er Schmitt als Hilfsarbeiter beigegeben. Am 19. 7. 1878 wurde er zum Appellationsgerichtsrat beim Appellationsgericht in Glogau (später Landgerichtsrat) und 1880 zum Oberlandesgerichtsrat in Hamm ernannt. Von dort kam er 1889 als Kammergerichtsrat an das Kammergericht. Seit 6.11. 1895 wirkte er dort als Senatspräsident (9. Senat) bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1916. Werke I. Erläuterungen zur Grundbuch-Ordnung vom 5. 5. 1872 für das mit Grundbuchsachen befaßte Publikum, Berlin 1874. — Controversen aus dem preuß. Grundbuchrecht... in: Sammlung von Erörterungen über das preuß. Grundbuchrecht, Heft 1—4, Berlin 1874/75. — Zusammenstellung des in Deutschland geltenden Rechts, betr. Stammgüter, Familienfideikommisse, Familienstiftungen, bäuerliches Recht, Reallasten, Lehnrecht, unter Benutzung amtl. Materialien, Berlin 1879. - Das in Preußen geltende eheliche Güterrecht, Preuß. JMB1. 1879, S. 32 ff., 43 ff., 51 ff., 56ff., 64f., 66ff., 72f., 74ff., 78. — Das in Deutschland geltende eheliche Güterrecht, unter Benutzung amtlicher Materialien zusammengestellt, Berlin 1879. — Zusammenstellung des in Deutschland geltenden Rechts betreffend verschiedene Rechtsmaterien (Expropriation, Forstrecht, Jagdrecht, Fischereirecht, Deich- und Sielrecht, Näherrecht, Gesinderecht) unter Benutzung amtlicher Materialien, Berlin 1880. — Zusammenstellung des in Deutschland geltenden Wasserrechts einschl. des Mühlen-, Flößerei- und Flößrechts u. Nachträge zu den Zusammenstellungen von 1879 und 1880 über verschiedene Rechtsmaterien unter Benutzung amtl. Materialien, Berlin 1881. — Das eheliche Güterrecht des Auslandes, nebst Mitteilungen über das in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika geltende Erbrecht, zusammengestellt u. Benutzung amtl. Mat., Berlin 1882. — Die Gesetzgebung des deut. Reichs von der Gründung des Norddeutschen Bundes bis auf die Gegenwart. Mit Erläuterungen und Reg., hrsg. v. Neubauer u. a., Berlin/Leipzig 1883. — II. Sind die Feuerwehrmänner zu Berlin Staatsbeamte, . . . (Gruchot Bd. 12, 1868, S. 111 ff.). — Receptum der Eisenbahn bzgl. des mitgenommenen Passagiergepäcks ... Ein Rechtsfall (Gruchot Bd. 12,1868, S. 360 ff.). — Ist die Bestimmung des § 29 des Hypodiekengesetzes v. 24. 5. 1853 über die Zahlungsmodalitäten des Kapitals eine allgemein verbietende, oder ist sie für nachträgliche Verabredungen der Interessenten ohne Bedeutung? (Gruchot Bd. 14, 1870, S. 106 ff.). — Aufsatz über handelsrechtliche Fragen

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IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung (Gruchot Bd. 14,1870, S. 795 ff.). — Ueber die Abänderung der Norm dieses Eides, welcher durch Erkennmiß auferlegt ist (Gruchot Bd. 14, 1870, S. 828 ff.). - Ist, wenn über die Zulässigkeit eines inzwischen bedeutungslos gewordenen Arrestes gestritten wird, Appellation oder Rekurs das statthafte Rechtsmittel? (Gruchot Bd. 14, 1870, S. 833 ff.). — Anwendung der Vorschriften über Gewährleistung auf Verträge über Handlungen (Gruchot Bd. 17, 1873, S. 245 ff.). — Ueber die Alimentenprozesse der Ehefrauen gegen ihre Ehemänner während des Bestehens der Ehe (Gruchot Bd. 17, 1873, S. 856ff.). - Wer trägt die Kosten der Behufs der Feststellung des Pflichttheils vorgenommenen Taxation eines Nachlaßgrundstücks?. . . (Gruchot Bd. 17, 1873, S. 865ff.). — Das neue Gesetzbuch für Spanien von 1889 und die Beendigung des Entwurfs eines BGB (Gruchot Bd. 35, 1891, S. 261 ff.). — Der nichtkaufmännische Maklervertrag in der Praxis (ABR Bd. 6,1892, S. Iff.). - Beiträge zum Familienrecht (ABR Bd. 10,1895, S. 115ff., S. 149ff.). Quellen I. Preuß. JMB1. 1857, S. 341; 1861, S. 243; 1864, S. 165; 1867, S. 210; 1871, S. 137; 1873, S. 41; 1878, S. 119; 1880, S. 51; 1889, S. 31; 1895, S. 401; 1916, S. 17. - F. Holtze, Geschichte des Kammergerichts, 4. Teil, Das KG im 19. Jhdt., Berlin 1904, S. 322ff., S. 354, S. 362. - II. Akte Reichsjustizministerium 3868, Zentrales Staatsarchiv Potsdam (nach Notizen des Herausgebers W. Schubert).

Struckmann, Hermann Carl Sigismund (Siehe 2. Kommission) Vogel, Karl Georg Ludwig Lionel (* 21. 6. 1830, t 28. 12. 1883 Berlin, evang., verh. mit Emma Menges). Vogel wurde am 8. 9. 1865 zum Sekretär am Hofgericht Darmstadt ernannt, wo er zuvor bereits als Gerichts-Accessist tätig war. Am 25. 4. 1871 erfolgte sodann seine Ernennung zum Stadtgerichtsassessor beim Stadtgericht Darmstadt. Der Charakter als „Justizrat" wurde ihm am 3. 11. 1874 verliehen. Zugleich folgte die Einberufung in die 1. Kommission als Hilfsarbeiter von Kübel. Während dieser Tätigkeit wurde er am 22.7. 1876 zum Hofgerichtsrat am Hofgericht Darmstadt und am 11.9. 1879 zum Landgerichtsrat am Landgericht Darmstadt ernannt. Kurz vor seinem Tode wurde ihm am 17. 5. 1882 noch der Titel „Geh. Justizrat" verliehen. Quellen I. Hess. Reg. Bl. 1865/47, S. 858; 1871/17, S. 186; 1874/55, S. 653; 1876/40, S. 473; 1879/22, S. 171; 1882/13, S. 104. — II. Auszug aus dem Beerdigungsregister der Evang. Pfarrei Darmstadt, Nr. l von 1884, S. 386 und Nr. 1447 vom 23. 11. 1918 (Evangelische Gesamtgemeinde Darmstadt).

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung Achilles, Alexander Georg, Dr. iur. h. c. (1897) der Universität Leipzig (* 6. 3. 1833 Werben a. d. Elbe, f 21. 10. 1900 Berlin, evang., ledig). Hilfsarbeiter Johows in der 1. Kommission, Kommissar der Reichsregierung in der 2. Kommission. Achilles, Sohn des Kaufmanns Johann Georg A. aus Werben, besuchte das Gymnasium in Zerbst und Wittenberg und studierte nach dem Abitur am 17. 3. 1853 zwei Semester Jura in Halle, drei Semester in Bonn und zwei in Berlin. Die erste juristische Staatsprüfung bestand er am 29. 4. 1856 und das zweite juristische Staatsexamen am 13. 3. 1858 mit Auszeichnung. Die Referendarzeit, die er am Kreisgericht Erfurt und Oberlandesgericht Naumburg verbrachte, schloß er mit einem hervorragenden Assessorexamen ab. Nach der Ernennung zum Gerichtsassessor am 13.9.1861 war er zunächst im Bezirk des Appellationsgerichts Naumburg (Deutsch) tätig, bis er am 91

Kurzbiographien der Verfasser des BGB 1. 3. 1867 als Sudtrichter nach Berlin kam und dort am 24. 10. 1874 seine erste feste Anstellung als Stadtgerichtsrat erhielt (1879 Landgerichtsrat am Landgericht I in Berlin). In die 1. Kommission wurde er am 14. 10. 1874 einberufen und auf Wunsch Johows, des Redaktors des Sachenrechts, diesem als Hilfsarbeiter zugeordnet. Während seiner Arbeit in der 1. Kommission wurde er am 20. 5. 1882 zum Oberlandesgerichtsrat in Gelle ernannt. Als Kommissar der Reichsregierung nahm er dann an den Verhandlungen der 2. Kommission seit 1890 teil. Deshalb konnte er auch nicht in das Reichsgericht eintreten, obwohl er am 2. 7. 1891 zum Reichsgerichtsrat ernannt worden war. Schon das Amt als OLG-Rat in Gelle hatte er aus demselben Grund nicht ausüben können. Aus gesundheitlichen Gründen trat er am 1. 4. 1895 in den Ruhestand und widmete sich fortan ganz seiner schriftstellerischen Tätigkeit. In den beiden Kommissionen konnte er seine genauen Kenntnisse auf dem Gebiet des Grundbuchrechts verwerten (GBO-Entwurf, ZVollstr. in das unbewegl. Vermögen, Immobiliarsachenrecht einschl. Motive). Wie Gebhard mitteilt, war Achilles ein schlichter Mann, in dem sich „Tüchtigkeit mit seltener Herzensgüte vereinte". Werke Die preuß. Gesetze über Grundeigenthum und Hypothekenrecht vom 5. 5. 1872, hrsg. m. Einl. u. Köm. in Anm., Suppl. zur 5./4. Ausg. v. Kochs Landrecht f. d. preuß. Staaten. Berlin 1872. (3. Aufl. 1879- 81, 4. Aufl. 1894 bearb. v. O. Strecker). - Die Bestimmungen des ALR Teü I Titel 19 u. 20 u. der dies, abänd. u. erg. Gesetze, insbes. d. Gesetzes über den Eigenthumserwerb vom 5. 5. 1872. Mit Korn, in Anm. (aus Kochs Landrecht), Berlin 1875. - Das Pfand- u. Hypothekenrecht des preuß. Landrechts in seiner heutigen Gestalt, insbes. mit Rücksicht auf das Gesetz über den Eigentumserwerb vom 5. 5. 1872. Mit Köm. in Anm. (aus Kochs Landrecht 6./5. Ausg.), 2. Ausgabe, Berlin 1878. — Koch, C. F., Allgemeines Landrecht für die preuß. Staaten. Hrsg. m. Kommentar in Anmerkungen. Nach dem Tode des Verfassers bearbeitet u. a. von Alexander Achilles, 4 Bde., 4. Aufl. Berlin 1871/72, (1. Aufl. 1852/56). - BGB nebst Einf.G, Textausgabe mit Anm. und Sachregister, hrsg. von A. Achilles i. V. m. Andre, Greiff, Ritgen, Unzner. (Achilles: Köm. zu Buch III, Sachenrecht.) Berlin 1896 (4. Aufl. 1903; 5. Aufl. 1906). - Planck, BGB nebst EinfG, erl. i. V. m. Achilles, Andre, Greiff, Ritgen, Unzer, Bde. l, 2, 4, Berlin 1897/98, Bde. 1-6, 1./2. Aufl., Berlin 1899—1902. — Protokolle der Kommission für die 2. Lesung des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Auftrag des RJA bearb. von Achilles, Gebhard, Spahn, Berlin 1897 — 99 (Bde. 3 — 7, 1899). — Die Grundbuchordnung nebst den preuß. Ausführungsbestimmungen mit Kommentar und systematischer Übersicht über das materielle Grundbuchrecht. 2 Teile. 1. Teil: Das Reichsrecht. 2. Teil: Die preuß. Ausführungsbestimmungen. Berlin 1901. Hrsg. zs. mit O. Strecker. — H. Beiträge zur Lehre von der Auffassung des Eigentums (Gruchot Bd. 21, 1877, Iff.). Quellen I. A. Gebhard, Reichsgerichtsrat a. D. Dr. Achilles t, DJZ 1900, S. 474. - Gunkel, Zweihundert Jahre Rechtsleben in Hannover, Festschrift für das OLG Celle, Hannover 1911, S. 486. — Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht, Berlin/Leipzig 1929, S. 361, Anlage le. — H. PA Nr. l des Reichsgerichts, Zentrales Staatsarchiv Potsdam (nach Notizen des Hrsg. W. Schubert). — Briefe von Achilles an Planck Nr. l -21, Karton IV, Nachlaß Planck Nds. StUB Göttingen. Börner,Karl Heinrich, Dr. iur. h. c. der Univ.. Leipzig (* 20.6.1844 Wilsdruff/Krs. Meißen, t 6. 11. 1921 Dresden, evang.-luth., verh. seit 1880 mit Charlotte Elisabeth Gloystein, 4 Kinder). Seit 1874 Hilfsarbeiter in der 1. Kommission, von 1890 bis 1895 Kommissar des Reichskanzlers bei der 2. Kommission, seit 21. 3. 1895 Mitglied dieser Kommission. Börner, Sohn eines Wilsdruffer Sattlermeisters, besuchte von 1857 bis 1863 die Meißener Fürstenschule. Ursprünglich zum Studium der Theologie bestimmt, wandte

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IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung

er sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu (Universität Leipzig von 1863 bis 1867). Nachdem er am 15. 3. 1867 in Leipzig die erste juristische Staatsprüfung bestanden hatte, trat er am 1. 4. 1867 in den juristischen Vorbereitungsdienst ein (Akzessist, Hilfsreferendar, Referendar). Das Assessorexamen bestand er am 6. 2. 1872 mit „vorzüglich gut". Anschließend war er zunächst am Gerichtsamt Dresden, dann ab 1. 4. 1873 als Hilfsarbeiter am Appellationsgericht Leipzig und seit 1. 9. 1874 am Landgericht Dresden tätig (seit 1. 7. 1876 Landgerichtsrat, seit 1. 7. 1880 Landgerichtsdirektor). Von 1874 bis 1889 unterstützte er als Hilfsarbeiter der l. Kommission den Redaktor des Allgemeinen Teils, Albert Gebhard. Zum Vortragenden Rat im sächsischen Justizministeriums wurde er am 1. 4. 1889 ernannt Im Anschluß daran war er von 1890 bis 1895 als Kommissar des Reichskanzlers in der 2. Kommission, im Justizausschuß des Bundesrates und im Reichstag tätig. In der Folgezeit war er maßgebend an der Anpassung der sächsischen Gesetzgebung an das BGB beteiligt (seit 15. 7. 1901 Ministerialrat). Vom 1. 1. 1908 bis 30. 9. 1913 leitete er als Präsident das Oberlandesgericht Dresden. Er führte den Vorsitz im 6. Senat (Grundbuch- und Vormundschaftssachen, einstweilige Verfügungen). Wie sein Biograph Baring mitteilt, war Börner eine liebenswerte und charaktervolle, im evangelisch-lutherischen Glauben verwurzelte Persönlichkeit. Werke I. Die Bedeutung des bürgerlichen Gesetzbuchs für die sächsische Gemeindeverwaltung. Vortrag. Leipzig 1899. — Das Gesetz über Familienanwartschaften vom 7. 7. 1900, mit der Verordnung die Ausführung d. Ges. betr. vom 19. 9. 1900. Leipzig 1901. — Der Allgemeine "flieil des BGB. Vorträge vom 6. 12. 1897, 3. u. 17. 1. 1898 (Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß, hrsg. von S. Hoffmann, R. v. Sommerlatt, F. Vfttlfert, Bd. 8 Leipzig 1898, S. 22-53, 129-142), Leipzig 1901 (Bd. II der Vorträge über das BGB). - II. Der vorläufige Entwurf eines Gesetzes über FamUienfideikommisse für Preußen (DR 1903, S. 495 ff.). Quellen I. A. Baring, B., K. H., in: Afranischer Ecce, Heft 27, Dresden 1922, S. 3-6. - DJZ 1913, Sp. 1057/1058. — Zeitgenossenlexikon Sp. 150/151. — II. PA Justizministerium B 280, Staatsarchiv Dresden (nach Notizen und unter Mitarbeit des Hrsg. W. Schubert).

Bosse, Julius Robert, Dr. iur. h. c. der Univ. Marburg und Dr. theol. h. c. der Universität Halle (* 12. 7. 1832 Quedlinburg, t 31.7. 1901 Berlin, evang., verh. seit 1861 mit Alwine Lindenbein, 7 Kinder). Vorsitzender der 2. Kommission von April 1891 bis März 1892. Bosse, ältester Sohn des Brennereibesitzers Johann Christoph Julius B., studierte nach dem Abitur in Quedlinburg ab 1850 Rechtswissenschaft in Heidelberg, Halle und Berlin und bestand nach sechs Semestern die erste jurist. Prüfung. Danach war er zunächst als Auskultator in Quedlinburg tätig. Nach der zweiten und dritten Staatsprüfung (1858) war er bei der preuß. Gesandtschaft in Stockholm im Archiv beschäftigt. Im Frühjahr 1861 wurde er Kammerdirektor des Grafen zu Stolberg-Roßla und Mitglied des gräflichen Konsistoriums. Auf Wunsch des Oberpräsidenten von Hannover, Graf Otto zu Stolberg-Wernigrode (Vetter des Grafen Stolberg-Roßla), kehrte Bosse 1868 in den preuß. Staatsdienst zurück. Nachdem er sich in der Provinzialverwaltung bewährt hatte (Amtshauptmann in Uchte/Hannover, 1870 Konsistorialrat, 1872 Oberpräsidialrat in Hannover, Justitiar des Provinzialschulkollegiums), wurde er 1876 als Vortragender Rat in das preuß. Kultus- und Staatsministerium einberufen. Am 1.5. 1881 übernahm er, inzwischen zum Geheimrat ernannt, die Leitung der neu eingerichteten sozialpolitischen Abteilung im Reichsamt des Innern. Hier hat er zusammen mit dem ihm 93

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

befreundeten Staatssekretär von Boetticher die sozialpolitischen Reichsgesetze ausgearbeitet (Arbeiterversicherungsgesetze, Unfallversicherungsgesetz). Als Nachfolger Schellings wurde er 1891 Staatssekretär des Reichsjustizamts und führte als solcher von April 1891 bis Ende März 1892 den Vorsitz in der 2. Kommission. In dieser Stellung blieb er nur ein Jahr, da er am 23. 3. 1892 zum preuß. Minister der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ernannt wurde. Als Minister nahm er am 4.9.1899 aus politischen Gründen seinen Abschied (Ablehnung der Maßregeln über die Kanalvorlage). Bosse war ein strenggläubiger Christ. „In politischer Hinsicht entschieden konservativ, jedoch nicht ohne Betonung seiner selbständigen Auffassungen, hatte er ein offenes Auge für die Bedürfnisse des praktischen Lebens" (zit. aus einem Nachruf in: Illustrierte Zeitung, Nr. 3032 vom 8. 8. 1901, S. 212). Werke I. Das Reichsgesetz betr. die Invaliditäts- und Altersversicherung. Vom 22. 6. 1889. Erl. nach amtl. Quellen. Leipzig 1890. (3. Aufl. 1891), hrsg. zs. mit E. v. Woedtke. — Eine Dienstreise nach dem Orient. Erinnerungen, Leipzig 1900. — Die Hohenzollern als Volkserzieher. Hrsg. vom Vaterlandsverein. Berlin 1901. — Aus der Jugendzeit, Erinnerungen, 1904. — II. Abhandlungen seit 1868 in: „Volksblatt für Stadt und Land" (Quedlinburg), „Evang. Kirchenzeitung" (Berlin), „Jahrbücher für Staats- und Gesellschaftswissenschaften" (Berlin), „Schriftenreihe des Vereins für Sozialpolitik" (Bd. 34, 1887); bis 1890 Redaktion der „Monatsschrift für deutsche Beamte" (1875 zs. mit von Boetticher begründet). — Über die Ordnung der Hauswirtschaft mit besond. Rücksicht auf den Haushalt der Beamten, in: Wirtschaftsbuch für deutsche Beamte auf das Jahr 1903, Hannover 1903. — Auswahl. Quellen W. Bußmann NDB Bd. 2, Berlin 1955, S. 484. - DJ2 1901, S. 378 (Nachruf). - IZ Bd. 117a, Nr. 3032 vom 8. 8. 1901, Leipzig/Berlin 1901, S. 203 u. 212. — K. Mittelstadt, Beim Staatsminister Dr. Bosse, in: Die Woche, Moderne 111. Zeitung, 1899 Bd. II, Nr. 17 vom 8. 7. 1899, S. 65 ff. - R. Lüdicke, Die Preuß. Kultusminister u. ihre Beamten, Stuttgart/Berlin 1918, S. 11 u. 78. — Reichsanzeiger Nr. 180 vom 1. 8. 1901 (Nachruf).

Conrad, Johannes Ernst, Dr. phil., ord. Prof. f. Nationalökonomie (* 28. 2. 1839 Borkau/Westpreußen, t 25. 4. 1915 Halle/Saale, luth., verh. seit 1870 mit Bertha Hildebrandt (f 1875), seit 1877 mit Ida Ritschi, 5 Kinder). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission von 1890 — 95. Conrad, neuntes Kind des Gutsbesitzers Ernst Friedrich C., wuchs auf Gut Plochoczin bei Schwetz auf, besuchte einige Jahre das Gymnasium in Danzig, das er aus Gesundheitsgründen vorzeitig verlassen mußte, und war anschließend als Landwirt tätig. 1861 begann er Naturwissenschaften und Nationalökonomie zu studieren (Univ. Berlin und Jena). 1864 promovierte er in Jena zum Dr. phil. Nach ausgedehnten Studienreisen durch Europa habilitierte er sich 1868 mit einer agrarstatistischen Abhandlung in Jena, wo er 1870 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Im Jahre 1872 folgte er einem Ruf nach Halle auf den ordentlichen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre als Nachfolger Schmollers. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung vierzig Jahre lang. Zu seinem Forschungsgebiet gehörte vor allem der Bereich Agrarstatistik und Agrarpolitik. Als Sachverständiger in Angelegenheiten der Währung, Zölle und Volksschulgesetzgebung stand er der Regierung mehrfach zur Verfügung. Conrad gehört zu den Mitbegründern des „Vereins für Socialpolitik" (1872), an dessen Tagungen er regelmäßig teilnahm. Er schrieb eine Reihe umfassender nationalökonomischer Lehrbücher und Monographien und war Redaktionsleiter und Herausgeber führender Standardwerke auf dem 94

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung

Gebiet der Nationalökonomie, u. a. der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik" . Werke S. Nachruf in „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik", 104. Bd., III. Folge, 49. Bd., Jena 1915, S. 737ff., insbes. S. 742ff. Quellen Altpreußische Biographie, Bd. I, Marburg 1974, hrsg. i. A. d. Hist. Köm. f. Ost- u. Westpreuß. Landesforschung von C. Krollmann, S. 110. — Karl Diehl, Johannes Conrad t, Jahrbücher f. Nationalökonomie u. Statistik, 104. Bd., III. Folge, 49. Bd., Jena 1915, S. 737-762. - Albert Hesse, J. C., Mitteldeutsche Lebensbilder, 3. Bd., Magdeburg 1928, hrsg. v. d. Hist. Köm. f. d. Provinz Sachsen u. f. Anhalt, S. 496ff. - W. Meinhold, C. J. E., NDB Bd. 3, Berlin 1957, S. 335. Vossische Zeitung Nr. 211 vom 26. 4. 1915, Abendausgabe.

Cuny, Ludwig von, Dr. iur., ord. Prof. d. Rechte (* 14. 6. 1833 Düsseldorf, f 20. 7. 1898 Berlin, evang., verh. seit 1873, keine Kinder). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission, Reichstagsabgeordneter der Nationalliberalen Partei (Wahlkreis Koblenz), Mitglied der XII. Reichstagskommission. Cuny, Sohn des Regierungspräsidenten in Aachen, besuchte das Gymnasium in Aachen und anschließend Gymnasien in Koblenz, Berlin und Kleve. Von 1850—1853 studierte er in Bonn und Berlin Rechtswissenschaft und trat 1853 in den preußischen Staatsdienst ein. Nach dem Assessorexamen war er von 1858 bis 1870 als Assessor an den Landgerichten in Kleve, Köln und Bonn tätig. 1870 wurde er nach Elsaß-Lothringen versetzt und war vom 30. 10. 1870 bis 1. 10. 1871 Vorsitzender des in Straßburg errichteten ständigen Kriegsgerichts und gleichzeitig stellvertr. Kommissar für die Liquidation der französischen Bank in Straßburg. Danach wurde er Rat am neu eröffneten Appellationsgericht in Colmar. Im Jahre 1873 schied er aus dem Staatsdienst aus, da ihn der Wahlkreis Lennep — Solingen — Remscheid in das preußische Abgeordnetenhaus gewählt hatte. 1874 kam er als Abgeordneter der national-liberalen Partei für den Wahlkreis Dessau-Zerbst in den Deutschen Reichstag. In der Partei nahm er als Berater in juristischen Fragen eine führende Stellung ein. Am 19. 1. 1875 wurde er a.o. Professor in Berlin und 1889 ord. Honorarprofessor. An den Beratungen der 2. Kommission nahm er regelmäßig teil und berichtete über deren Verlauf dem befreundeten Reichsgerichtsrat Otto Bahr, dessen Wünschen auf Umgestaltung des Gesetzbuchs er in der Kommission entsprach, und zwar auch dann, wenn er anderer Ansicht war. Über Cuny berichtet Spahn: „Dabei trat auch seine Vorliebe für das französische Recht zu Tage; sein besonderes Interesse gehörte dem Erbrechte, für das er über die Gestaltung des Testamentsvollstreckers dem Juristentag berichtet hatte und für das er sich um die Aufnahme des handschriftlichen Privattestaments erfolgreich bemühte." (Zit. nach Spahn ADB 47, 1903, S. 578.) In der Folgezeit war er Vorsitzender der Reichstagskommission für das Auswanderungsgesetz. Wie sein Biograph Teichmann mitteilt, war er „eines der hervorragendsten und befähigsten Mitglieder der nationalliberalen Partei, ein Mann von sehr ausgedehntem und höchst exaktem Wissen, in seiner finanziell unabhängigen Stellung einer der fleißigsten und unermüdlichsten Arbeiter, eines der geschäftsgewandtesten Mitglieder parlamentarischer Commissionen, zugleich während der Zeit des Culturkampfes einer der heftigsten Gegner der Katholiken und des Centrums, doch bei vornehmer Gesinnung ehrlich bemüht, den Gegnern entgegenzukommen" (zit. nach Teichmann BJ Bd. 3, S. 131). 95

Kurzbiographien der Verfasser des BGB Werke I. Selbständige Werke nicht nachweisbar. U. Ist die vom Entwurf des 6GB angenommene Stellung des Testamentsvollstreckers zu billigen und wie ist sie nöthigenfalls anders zu regeln? Gutachten für den 21. DJT in Köln 1891 (Verhandlungen des 21. DJT Bd. l, S. 43-54; Bd. 3, S. 223 — 259, 435—441). — Einheitliche reichsgesetzliche Regelung des juristischen Prüfungswesens im Reich (DJZ 1898,169 ff.). - Altswahl. Quellen M. Spahn, L. v. C., ADB 47 (1903), S. 575ff. - A. Teichmann, Cuny, L. v., BJ Bd. 3, Berlin 1900, S. 131 f., Bd. 5, Anhang Sp. 14. - Amt. RT-Handbuch 1893, S. 136-137. - Kosch, Biogr. StaHB I, S. 217. - DJZ 1898,324.

Danckelmann, Bernhard Engelbert Joseph, Dr. iur. h. c. der Univ. Bonn (*5. 4. 1831 Oberförsterei Obereimer, Bez. Arnsberg, t 19. 1. 1901 Eberswalde, kath., verh. seit 17.6. 1862 mit Louise Franziska Reichensperger, 4 Kinder). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission und Kommissar des Bundesrats. Danckelmann, der älteste Sohn des preuß. Oberförsters Bernhard D., besuchte die Domschule in Paderborn und anschließend das Gymnasium Theodorianum ebendort, wo er 1849 das Abitur machte. Nach einem forstlichen Lehrjahr im Harz bezog er 1850 die Forstakademie in Eberswalde (bis 1852) und wandte sich nach mehrjähriger Tätigkeit im äußeren Forstdienst im Jahre 1855 dem Studium der Staats- und Rechtswissenschaften in Berlin zu. Bereits im Herbst 1856 bestand er das erste juristische Staatsexamen mit Auszeichnung. Anschließend arbeitete er dann wieder im äußeren Forstdienst (Taxationsarbeiten in Posen, 1862 — 64 Oberförster in Hambach), bis er 1864 zum Forstinspektor der Regierung in Potsdam und 1866 zum Direktor der Forstakademie in Eberswalde ernannt wurde. In nahezu 35jähriger Tätigkeit reformierte er nicht nur diese Hochschule, sondern organisierte und leitete darüber hinaus das forstliche Versuchswesen in Preußen (seit 1871) und förderte das forstliche Vereinswesen (Vorsitzender des 1899 begr. Deutschen Forstvereins). In der 2. Kommission und als Kommissar im Reichstag war er als Forstsachverständiger maßgeblich beteiligt. Daneben wirkte er bei der Forstgesetzgebung, der Forstrechtsablösung und der Holzzollpolitik mit. Werke I. Die Ablösung und Regelung der Waldgrundgerechtigkeiten, Berlin 1880/1888. — Gemeindewald und Genossenschaftswald, Berlin 1882. — Die Forstakademie Eberswalde 1830—1880, in: Festschrift zur SOjähr. Jubelfeier der Forstakademie Eberswalde, Berlin 1882. — Die deutschen Nutzholzzölle, Berlin 1883. U. Zahlreiche Aufsätze und Abhandlungen in der von ihm herausgegebenen „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen" (seit 1862) und in dem von ihm seit 1867 hrsg. „Jahrbuch der Preußischen Forst- u. Jagdgesetzgebung und -Verwaltung". Weitere Werke nachgewiesen bei A. Remele, Zs. f. Forst-u. Jagdwesen 1892, S. 10.

Quellen Dengler, Zum 100jährigen Geburtstag von B. D., Zs. f. Forst- u. Jagdwesen, 1931, S. 181 ff. — Kurt Mantel, D. B. E. J., NDB Bd. 3, Berlin 1957, S. 504f. - A. Remefc, B. E. J. D., Zs. f. Forst- u. Jagdwesen 1892, S. 3 ff. — Den., Landforstmeister Dr. B. D. f» Zs. f. Forst- u. Jagdwesen 1901, S. 125ff. - A. Teichmann, D. B. E. J., BJ Bd. VI, 1901, S. 91 ff. u. Anhang Sp. 21. - IZ Bd. 116a, Nr. 3004 vom 24. 1.1901, S. 119 und Nr. 3006 vom 7. 2. 1901, S. 201. - Reichsanzeiger Nr. 18 vom 21. 1.1901.

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IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung Dittmar, Emil Gerhard, Dr. jur. (*9. 7. 1842 Lampertheim/Hcsscn, t 15. 7. 1906 Darmstadt, evang., verh. seit 19. 2. 1873 mit Karoline Fitting, 4 Kiiulu . ly.uuiis;».··. M i t glied der 2. Kommission und stellv. Bevollmächtigter zum Bundesnit. Dittmar, der jüngere Sohn des Lampertheimer Pfarrers Carl l rudiich D., dessen Vater Ernst Ludwig D. ebenfalls Pfarrer gewesen war, besuchte das Gymnasium in Gießen und studierte ab 1860 zunächst Forstwissenschaft. Nach fünf Semestern wandte er sich den Rechtswissenschaften zu und promovierte auf Grund der Fakultätsprüfung vom 28. 11. 1864 ohne schriftliche Arbeit zum Dr. iur. Nach bestandener Staatsprüfung (1867) war er zunächst als juristischer Beirat bei der Gesellschaft der oberhessischen Eisenbahnbauunternehmung tätig. Reiche Erfahrungen sammelte er als Advocat in Gießen, wo er von 1870— 88 beim Hofgericht der Provinz Oberhessen (seit 1. 10. 1879 beim Landgericht Gießen) tätig war. Am 15. 5. 1888 trat er als Ministerialrat in das hessische Ministerium des Innern und der Justiz ein. Don gehörte er der am 11. 7. 1888 eingesetzten Kommission zur Begutachtung des BGB-Entwurfs an, die unter dem Vorsitz des Geheimen Staatsrats Hallwachs arbeitete. Dittmar leitete insbesondere die Arbeiten der rechtsrheinischen Mitglieder und fertigte eine Zusammenstellung der Kommissionsbeschlüsse für die Reichsregierung an. In der 2. Kommission war er Mitglied der Redaktionskommission. 1895 wurde er von Hessen als stellvertr. Bevollmächtigter in den Bundesrat entsandt und vom Bundesrat zum Kommissar des Reichskanzlers für die parlamentarischen Verhandlungen des BGB-Entwurfs gewählt. Nach deren Abschluß nahm er als Nachfolger von Hallwachs vertretungsweise die Geschäfte des hess. Ministers des Innern und der Justiz wahr. Mit der Trennung der beiden Ministerien (durch Verordnung vom 1.8. 1896) wurden ihm unter Verleihung des Titels und Ranges eines Ministerialdirektors die Verrichtungen des „Vorstandes des Großherzoglichen Justizministeriums" übertragen. Am 9. 6. 1898 wurde er zu dessen Präsidenten und am 6. 7. 1898 zum Justizminister ernannt. Dieses Amt hatte er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 10. 10. 1905 inne. Von Frühjahr 1897 bis Sommer 1899 tagte wiederum die Landeskommission. Unter der Leitung Dittmars ergingen die hessischen Ausführungsgesetze zum BGB, FGG, ZVG, zur GBO u. a. Nach 1900 schuf er noch ein neues Forst- und Feldstrafrecht, eine gesetzliche Gebührenordnung für die großherzoglichen Notare und führte die Grundbuchanlegung fort. Aufgrund seiner reichen juristischen Kenntnisse und unermüdlichen Tätigkeit gelang es ihm als Justizminister, die Rechtszersplitterung in Hessen „in geradezu mustergültiger Weise zu lösen" (zit. nach Darmstädter Zeitung). Werke Nicht nachweisbar. Quellen I. Großherzoglich hess. Regierungsblatt 1865 ff. — Darmstädter Zeitung Nr. 489 vom 18. 10. 1905 (Würdigung); Nr. 164 vom 16. 7. 1906 (Nachruf). - Deutsches Geschlechterbuch, Bd. 66, Görlitz 1919, S. 40ff. — Personal-Bestand der Großherzoglich Hess. Ludewigs-Universität Gießen, Verzeichniß der Studirenden (Gießen 1860—63). — II. Taufeintrag Emil Dittmar, Taufbuch der evang. Kirchengemeinde Lampertheim 1835—1842; Sterbebuchauszug von 1854, Evangelisches Kirchenarchiv Lampertheim. — Index Candidatorum a Facilitate iuridica Gissensi vel promotorum vel examinatorum de anno 1820— 1920, Blatt 1864, Nr. 4, Universitätsarchiv Gießen. — Familienstandsbogen Nr. Jur. 09, Stadtarchiv Darmstadt. — Acten des Großherzogl. Ministeriums d. Innern u. d. Justiz, G 21 Nr. 1276, Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. 97

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Eichholz, Hermann Gustav (* 18. 12. 1837 Galitten bei Heilsberg/Ostpreußen, f 17. 6. 1895 Berlin). Ständiges Mitglied der 2. Kommission. Eichholz war zunächst Auskultator bei dem ostpreußischen Tribunal in Königsberg und ab Juni 1861 Referendar in dessen Bezirk. Im Juli 1864 wurde er zum Assessor ernannt. Danach war er bis Ende Februar 1867 als Gerichtsassessor in Berlin beschäftigt. Am 1. 3. 1867 kam er als Stadtrichter zurück nach Königsberg an das Stadtgericht (Mai 1867 Stadtgerichtsrat). Seit 1. 10. 1879 war er als Landgerichtsrat und seit Dezember 1882 als Oberlandesgerichtsrat in Königsberg tätig. 1886 wurde er als Hilfsarbeiter in das preuß. Justizministerium nach Berlin einberufen und 1887 zum Geheimen Justizrat und Vortragenden Rat ernannt (1890 Geh. Oberjustizrat). Kurz vor seinem Tode wurde er im Jahre 1895 Präsident des Oberlandesgerichts in Posen. Werke Nicht nachweisbar. Quellen Preuß. JMB1. 1861, S. 139; 1864, S. 189; 1867, S. 66; 1876, S. 113; 1882, S. 383; 1887, S. 41; 1890, S. 145; 1895, S. 123; 1895, S. 219. - IZ Bd. 104, Nr. 2713 vom 29. 6. 1895, S. 762. - J. N. Weisfert, Biogr.-literarisches Lexikon für die Haupt- u. Residenzstadt Königsberg und Ostpreußen, Hildesheim/New York 1975.

Gagern, Friedrich Balduin Freiherr von (* 9. 6. 1843 Monsheim/Rheinhessen, f 5. 1. 1910 Schloß Neuenbürg bei Erlangen, kath., verh. mit Marie Gräfin Wimpfen, 6 Kinder). Zentrumsabgeordneter, nichtständiges Mitglied der 2. Kommission. Gagern, ältester Sohn Heinrichs v. G., des Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung von 1848, Enkel des Reichsfreiherrn Hans v. G., der als leitender Minister des Hauses Oranien am Wiener Kongreß teilgenommen hatte, besuchte das Lyzeum in Heidelberg und studierte dort. Nach zehnjähriger Dienstzeit als österreichischer Seeoffizier (Venedig/Triest) erwarb er 1872 das Rittergut Neuenbürg und war von da an politisch tätig. Er begann als Bürgermeister in der zum Gut gehörenden Gemeinde, war dann Mitglied der Kreisvertretung Oberfrankens und wurde 1884 Mitglied der bayerischen Abgeordnetenkammer. Von 1881 bis Juni 1893 vertrat er den Wahlkreis Oberfranken im Deutschen Reichstag. 1890 wurde er auf Vorschlag der bayerischen Regierung zum nichtständigen Mitglied der 2. Kommission als Vertreter der süddeutschen Landwirtschaft und des Zentrums gewählt. Nach Abschluß der Kommissionsarbeiten zog er sich aus der Politik zurück und wirkte noch bis 1905 im bayerischen Landwirtschaftsrat und im Eisenbahnrat. Quellen I. Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, hrsg. v. Franz Josef Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Berchtesgaden 1952, S. 125 ff. - IZBd. 134 vom 20. 1. 1910, S. 106. — Vossische Zeitung Nr. 8 vom 6. 1. 1910, Morgenausgabe. — Vossische Zeitung Nr. 9 vom 6. 1. 1910, Abendausgabe. - MAZ 1910, Nr. 5 vom 29. 1. 1910 (Nachrufe). - II. OA Nr. 474, Hauptstaatsarchiv München, Abt. I. — Weitere Quellen im Familienbesitz, Schloß Neuenbürg bei Heßdorf/Erlangen.

Gebhard, Albert (Siehe l. Kommission) Goldschmidt, Friedrich (* 20. 2. 1837 Berlin, t 13. 6. 1902 Marienbad). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission, Abgeordneter der Deutsch-Freisinnigen Partei. Goldschmidt, Sohn von Eduard G., der 1828 zusammen mit seinen Brüdern eine 98

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung

Kattundruckerei in Berlin begründet hatte, war zunächst praktisch in der väterlichen Fabrik tätig, bevor er sich dem Studium der Chemie an der Berliner Universität zuwandte. Nach einundeinhalbjährigem Aufenthalt in den USA übernahm er die Leitung der väterlichen Fabrik und wurde nach der Rückkehr aus dem Krieg von 1870/71 zum Direktor der neubegriindeten „Aktiengesellschaft Friedrichshöhe" gewählt, welche mit einem Kapital von 350000 Talern die Patzenhofersche Bierbrauerei übernahm und umgestaltete. Dieses Unternehmen leitete er bis zu seinem Tode. 1873 trat er in den „Großen Berliner Handwerker-Verein" als Lehrer ein, dessen Präsident er von 1879 — 98 war. Dem Deutschen Reichstag gehörte er als Vertreter des Wahlkreises Breslau von 1881 — 93 an. Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses war er von 1882 — 93. 1890 wurde er von der Reichsregierung als Vertreter der Industrie in die 2. Kommission einberufen. 1898 wurde er Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung und 1902 der Handelskammer. Werke I. Die Bräu-Industrie auf der Weltausstellung zu Philadelphia 1876. Bericht an die Kommissionen des Deutschen Reichs. Berlin 1876. — Friedrich List, Deutschlands großer Volkswirth. Betrachtungen über die heimischen und auswärtigen Erwerbsverhältnisse. 1. u. 2. Aufl., Berlin 1878. — Die Weltausstellung von 1878 und was sie lehrt. Zwei Vorträge, gehalten im Berliner Handwerker-Verein am 23. u. 30. 10. 1878. Stenogr. Bericht, Berlin 1879. — Die Weltausstellung in Philadelphia und die deutsche Industrie. Drei Vorträge. Berlin 1877. — Die Erhöhung der indirekten Steuern und ihr Einfluß auf das deutsche Erwerbsleben. Betrachtungen. Berlin 1879. — Friedrich und Paul Goldschmidt, Das Leben des Staatsrath Kunth. Berlin 1881. — Die Hohenzollern und die Gewerbefreiheit in Preußen, Berlin 1885. — Die soziale Lage und die Bildung der Handlungsgehülfen, Berlin 1894. — Gegen die Erhöhung der Brausteuer. Berlin 1893. — Zum dritten und vierten Male in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Zwei Vorträge, Berlin 1901. — II. Aufsätze in den ausgewerteten Zeitschriften nicht nachgewiesen. Quellen Paul Goldschmidt, Goldschmidt, F. in BJBd. 7,1902, Berlin 1905, S. 81 ff. u. Sp. 37. - Kosch, Biogr. StaHB I, S. 409. - IZ Bd. 118, Nr. 3078 vom 26. 6. 1902, S. 976. - Die Woche, Bd. II, Nr. 25 vom 21.6.1902.

Hanauer, Johann Josef Eduard (* 18. 3. 1829 Zweibrücken, f 30. 4. 1893 Berlin, kath., verh. mit Marie von DaH'Armi, 2 Kinder). Ständiges Mitglied der 2. Kommission seit 1891, Mitglied der Redaktionskommission, Vorsitzender der 2. Kommission von April 1892 bis Ende April 1893. Hanauer, Sohn des Rats am Kgl. Appellationsgericht des Rheinkreises, Eduard Nikolaus H., wuchs im damals zur bayerischen Pfalz gehörenden Zweibrücken auf. Über die Anfänge seiner juristischen Laufbahn ist nichts bekannt. Nachdem er bayerischer Staatsanwalt beim Gerichtshofe in München (seit 1.1. 1873) gewesen war, kam er im März 1875 als Geheimer Oberregierungsrat und Vortragender Rat in das Reichskanzleramt nach Berlin. Bereits zwei Jahre später wurde er Direktor des Reichsjustizamtes. 1886 erfolgte seine Ernennung zum Unterstaatssekretär des RJA und 1892 zum Staatssekretär des RJA. In dieser Stellung wurde er im gleichen Jahr Vorsitzender der 2. Kommission, nachdem Bosse den Vorsitz am 23. 3. 1892 wegen Übernahme des Kultusministeramtes aufgegeben hatte. Auch Hanauer konnte die Kommissionsarbeiten nicht bis zum Ende der Beratungen leiten. Nach seinem plötzlichen Tode übernahm Küntzel den Vorsitz in der Kommission. Der Lübecksche Gesandte Krüger schrieb am 12. 3. 1891 über ihn: „Der Direktor Hanauer gilt in juristisch-technischer Beziehung als eine besonders befähigte Persönlichkeit und geeignet, den Einfluß des Reichsjustizamts 99

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

in der Redaktionskommission zur Geltung zu bringen". Der Reichsanzeiger würdigte ihn als „ein leuchtendes Vorbild selbstloser Pflichterfüllung". Quellen I. Justizministerialblatt für das Königreich Bayern 1874, S. 22 und 1875, S. 87. — IZ Bd. 100, Nr. 2601 vom 6. 5. 1893, S. 482. - Reichsanzeiger Nr. 103 vom 1. 5. 1893 und Nr. 106 vom 4. 5. 1893 (Nachruf). - II. OA Nr. 1786 und Nr. 4480, HStA München, Abt. I. - Acta MJu. 16819 (Ernennungsurkunde Nr. 15725), Bayr. HStA München, Abt. I. - Senatsakten Nr. 11, Abt. VIII Gruppe 3 a (Bericht Krügers vom 12.3.1891), Archiv der Hansestadt Lübeck.

Helldorff-Bedra, Otto Heinrich von (* 16. 4.1833 Schloß Bedra/Krs. Querfurt, f 10. 3. 1908 ebenda, evang., verh. seit 1867 mit Klara Stammann, l Tochter). Als Abgeordneter der Konservativen Partei nichtständiges Mitglied der 2. Kommission. Helldorff, Sohn des Landrats Heinrich v. H., besuchte das Pädagogium in Halle, das Gymnasium in Eisenach, studierte Jura und Kameralistik in Bonn, Leipzig, Heidelberg und Berlin und war anschließend als Auskultator, Referendar und Assessor in Merseburg am Kreisgericht und beim Regierungspräsidium tätig. Von 1867 bis 1874 war er Landrat in Wetzlar. Dann schied er aus dem Staatsdienst aus. Von 1871 — 74 und 1877— 93 vertrat er den Wahlkreis Wetzlar im Reichstag. Seit 1880 war er auch Staatsrat und seit 1890 Mitglied des Preuß. Herrenhauses. Als Mitbegründer der Deutschkonservativen Partei (1876) und als deren Fraktionsvorsitzender (1879-81 und 1884-92) unterstützte er die Politik Bismarcks und hatte später persönlichen Einfluß auf Kaiser Wilhelm II. Helldorff vertrat in der Partei eine gemäßigte Richtung und hielt am Bündnis mit den Nationalliberalen fest (Kartell von 1887). 1892 wurde er vom „Kreuzzeitungsflügel" der Partei verdrängt, worauf er sich aus der Politik zurückzog. Durch seine Zusammenarbeit mit dem Reichskanzler hatte er bis 1890 großen Einfluß u. a. auf die Steuer- und Sozialgesetzgebung. Quellen H. Diez, Helldorff-Bedra, O. H. v., BJ Bd. 13, 1908, S. 140/141 und Anhang Sp. 39, Berlin 1910. - F. Frhr. Hiller v. Gaertingen, Helldorff, O. H. v., NDB Bd. 8, Berlin 1969, S. 474/475. Kosch, Biogr. StaHB I, S. 501. — Hans Booms, Die Deutsch-konservative Partei. Preußischer Charakter, Reichsauffassung, Nationalbegriff. Düsseldorf 1954.

Hoffmann, Julius Adolph (* 14. 4. 1835 Erfurt, t 15. 6. 1899 Berlin, evang., verh., Kinder). Reichstagsabgeordneter der Deutsch-Freisinnigen Partei, nichtständiges Mitglied der 2. Kommission. Hoffmann, Sohn eines alteingesessenen Erfurter Tabaksfabrikanten, wuchs mit seinen sieben Geschwistern in Erfurt auf, wo er das Gymnasium besuchte. Seit Juni 1859 wurde er als Referendar beim Kammergericht in Berlin beschäftigt. Nach der Ernennung zum Assessor im September 1862 war er als Gerichtsassessor beim Berliner Stadtgericht tätig (1869 Stadtrichter). Im Dezember 1875 wurde er zum Stadtgerichtsrat (später Amtsgerichtsrat) ernannt. 1879 kam er als Kammergerichtsrat an das Berliner Kammergericht, dem er bis zu seiner Pensionierung im September 1893 angehörte. Er war Mitglied des Deutschen Reichstags von Januar 1874 bis Juli 1878 für den Wahlkreis Schwarzburg-Rudolstadt, von Juli 1878 bis 13. 1. 1880 für den Wahlkreis Berlin 2 und von Oktober 1881 bis Februar 1890 wiederum für den Wahlkreis Schwarzburg-Rudolstadt als Mitglied der Fortschrittspartei und später der Freisinnigen Vereinigung. Außerdem war er vom 7. 3. 1884 bis 14. 1. 1887 zweiter Vizepräsident des Reichstages. 100

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung Werke Aus den jungen Tagen eines alten Erfurters. Nach dem Tode hrsg. von seiner Frau, Berlin 1899. Quellen Preuß. JMB1. 1859, S. 193; 1862, S. 269; 1869, S. 229; 1875, S. 253; 1883, S. 169; 1893, S. 283. — Johannes Biereye, Erfurt in seinen berühmtesten Persönlichkeiten. Eine Gesamtschau. Sonderschriften der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Heft 11, Erfurt 1937, S. 44. — Festschrift zum 350jährigen Jubiläum des Königl. Gymnasiums Erfurt 1561 — 1911, Erfurt 1911, S. 108. — Adolph Hoffmann, Aus den jungen Tagen eines alten Erfurters. (Nach dem Tode hrsg. v. seiner Frau) Berlin 1899. — Max Schwarz, Biogr. Handbuch der Reichstage, Hannover 1965, S. 351. - BJ Bd. 4,1899, Anhang Sp. 148, Berlin 1900. - Kosch, Biogr. StaHB I, S. 551.

Jacubezky, Karl August Ritter von (1896), Dr. iur. h. c. der Universität Würzburg (* 6. 8. 1845 München, f 3. 12. 1909 München, kath., ledig). Ständiges Mitglied der 2 . Kommission, Mitglied der Redaktionskommission, Kommissar des Reichskanzlers bei den Beratungen des BGB im Bundesrat und Reichstag. Jacubezky, Sohn des praktischen Arztes Max J., studierte die Rechte an der Universität München und bestand dort im Jahre 1870 die große Staatsprüfung, die „Concursprüfung", mit „ausgezeichneter Befähigung". Nach kurzer Tätigkeit als Rechtsanwalt wurde er am 1. 4. 1871 als Hilfsarbeiter in das bayer. Staatsministerium der Justiz einberufen. Danach war er vom 20. 8. 1874 bis 1877 Assessor am „Stadtgericht München links der Isar". Hier qualifizierte er sich in so hohem Maße, daß er zum 1. 2. 1877 wiederum in das Justizministerium zur Vorbereitung und Feststellung der Entwürfe von Ausführungsgesetzen zur Reichszivilprozeß- und Konkursordnung sowie zur Mitarbeit am Entwurf einer Subhastationsordnung einberufen wurde. Im Jahr darauf wurde er unter Weiterbeschäftigung im Ministerium der Justiz am 9. 11. 1878 zum Bezirksgerichtsrat (seit 25. 9. 1879 Landgerichtsrat), am 12. 1. 1883 zum Geheimen Sekretär im Referatsdienst und am 6. 4. 1885 zum Ministerialassessor ernannt. In Hinblick auf eine spätere Mitwirkung in der 2. Kommission erfolgte am 20. 3. 1888 die Ernennung zum Regierungsrat (seit 1. 6. 1892 Ministerialrat). Im bayer. Justizministerium war er u. a. Mitglied der 1888 eingesetzten Kommission zur Beratung des 1. BGB-Entwurfs. Hierzu arbeitete er die schriftliche Stellungnahme Bayerns aus, die dann 1892 unter seinem Namen veröffentlicht wurde. Als Mitglied der 2. Kommission übernahm er das Referat für das Recht der Schuldverhältnisse. Ab August 1896 nahm er seine Tätigkeit im bayer. Justizministerium wieder auf und leitete dort die Arbeiten zu den bayer. Ausführungsgesetzen zum BGB und seinen Nebengesetzen zwecks Einführung des BGB in Bayern. Diese Entwürfe vertrat er auch im bayer. Landtag mit großem Erfolg. Am 18. 9. 1897 wurde er zum Senatspräsidenten am Obersten Bayerischen Landesgericht ernannt, dessen 1. Zivilsenat er seit 1899 leitete (zuständig für Hypotheken-, Grundbuchsachen sowie für die unter das FGG fallenden Vormundschaftssachen). Über seine Tätigkeit in der 2. Kommission schreibt Planck in einem Nachruf: „Die Stellung Jacubezkys in der Kommission war anfangs keine leichte. Seine Ansichten wichen vielfach von dem ersten Entwurfe ab, und er suchte manche neue Gedanken zur Geltung zu bringen. Die Folge davon war eine große Zahl von Anträgen, die er stellte, und das Gefühl, daß dadurch die Beratungen in der Kommission verzögert würden, erzeugte eine gewisse Abneigung gegen die Anträge. Aber bald änderte sich doch die Lage. Man erkannte die gründlichen Kenntnisse und den Scharfsinn Jacubezkys; man erkannte die Berechtigung seines Strebens, den Bedürfnissen des praktischen Lebens gerecht zu werden und seine diesbezweckenden Anträge zugleich der ausgezeichneten juristischen Technik des ersten Entwurfs anzupassen, mehr und 101

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

mehr an, und bald wurde er eines der angesehensten und einflußreichsten Mitglieder der Kommission. Mancher Paragraph des BGB zeigt die Spuren des Jacubezkyschen Geistes. Auch in der Reichstagskommission und in dem Reichstage selbst war Jacubezky als Reichskommissar für das BGB erfolgreich tätig ..." (zit. nach MAZ v. 8.1.1910). Werke I. Bemerkungen zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Dem kgl.-bayer. Staatsministerium der Justiz vorgelegt. München 1892. — II. Zur Frage des allgemeinen Chikaneverbots (Gruchot Bd. 40,1896, 591). — Ist dem Testamentsvollstrecker auf Antrag ein Erbschein zu erteilen? (DR 1901, 575ff.). - Zum § 957 BGB (DR 1902, 4ff.). - Der § 27 Abs. l GBO im Verhältnis zu $ 1132 Abs. 2, § 1175 Abs. l S. 2 BGB (Gruchot Bd. 46, 1902, 65). — Die rechtliche Stellung des Kindes bei der Vaterschaftsanerkennung (DR 1903, 325ff.). - Das Rechtsverhältnis des eingebrachten Gutes gegenüber rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten der Frau (DR 1904, 324f.). - Zwei Fragen aus dem Pflichtteilsrechte (DR 1906, 281 ff.). - Zur Frage der Beschränkung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (DJZ 1904, 326 f.). — Abhandlungen zu den §§ 2315, 2316 BGB (Blätter für Rechtsanwendung zunächst in Bayern Bd. 71,1906,8. 397f.). Quellen I.v. HenleOJZ 1910, 56-58 (Nachruf). - DR 1909, 832 (Nachruf). - G. Planck, Senatspräsident von Jacubezky. Ein Nachruf, Münchner Allgemeine Zeitung 1910, Nr. 2 vom 8. 1. 1910. — Karl Unzner, Senatspräsident von Jacubezky. Ein Nachruf, Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern, 5. Jg., Nr. 24 vom 15. 12. 1909, S. 459/460. - IZ Bd. 133, Nr. 3467 vom 9. 12.1909, S. 1179. - VZ Nr. 571 vom 6. 12. 1909, Abendausgabe. — Walter Schärl, Die Zusammensetzung der bayer. Beamtenschaft von 1806 bis 1918, Kallmünz/Opf. 1955, Nr. 711, S. 359/360. - Die Königl.Bayer. Staatsminister der Justiz II, München 1931, S. 1117. — II. MJu. 16821, Antrag vom 5. 5. 1890 (Nr. 4637); MJu. 16 820, Bericht Fäustles an den König vom 21. 7. 1877; Bericht dess. vom 8. 11. 1878; MJu. 16822, Ernennungsurkunden (eine Personalakte J. ist nicht mehr vorhanden) im Bayer. HStA München, Abt. I.

Küntzel, Oscar Rudolph, Dr. iur. h. c. der Universitäten Halle und Königsberg (* 26. 9. 1834 Meseritz/Posen, f 15. 4. 1914 Berlin, verheiratet, 2 Söhne). Ständiges Mitglied der 2. Kommission (seit Mai 1893 Vorsitzender), Bevollmächtigter zum Bundesrat und Reichstag. Küntzel, Sohn eines Kreisgerichtsrats in Meseritz, bestand 1859 die Referendarprüfung und 1861 das große Jurist. Staatsexamen. Anschließend war er als Gerichtsassessor beim Appellationsgericht in Posen tätig. 1864 wurde er Kreisrichter beim Kreisgericht in Samter, danach in Schroda in Posen (seit 1871 Kreisgerichtsrat). Von dort kam er 1875 als Stadtgerichtsrat an das Stadtgericht Berlin (seit 1879 Landgerichtsrat am LG I in Berlin). 1881 wurde er zum Kammergerichtsrat ernannt. Im Jahre 1885 wurde er in das preuß. Justizministerium einberufen und noch im gleichen Jahr zum Geheimen Justizrat und Vortragenden Rat (1889 Geh. Oberjustizrat, 1894 Wirkl. Geh. Oberjustizrat) ernannt. In der 2. Kommission hatte er das Referat über das Sachenrecht. Nach dem Tode Hanauers wurde er 1893 Vorsitzender der 2. Kommission. Nach Abschluß der Arbeiten am BGB erfolgte im Jahre 1896 seine Ernennung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts in Marienwerder. Er verblieb jedoch im Justizministerium, um die Arbeiten zu den preußischen Ausführungsgesetzen zu leiten, welche zur Einführung des BGB in Preußen erforderlich wurden. Am 30. 6. 1900 wurde er zum Unterstaatssekretär im Justizministerium ernannt und verblieb in dieser Stellung bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. 6. 1913. Der Reichsanzeiger schreibt über Küntzel in einem Nach102

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung

ruf: „Küntzel war eine lebensfrohe und lebenskräftige Natur, ein Freund heiterer Geselligkeit, ein begeisterter Verehrer guter Musik, bis zuletzt von einer erstaunlichen Frische des Geistes und des Körpers. Vorbildlich in seiner nie versagenden Arbeitsfreude, unerreicht in rascher, scharfer Auffassung der rechtlichen tatsächlichen Zusammenhänge und in der zielsicheren Leitung schwieriger Beratungen, verband er in glücklichster Weise einen gesunden praktischen Sinn mit meisterhafter Beherrschung der Technik des Rechts und der Gesetzgebung." Werke

I. Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit und in Strafsachen, Bd. l ff., Berlin 1881 ff., hrsg. zusammen mit Reinhold Johow. — Mitherausgeber der Gruchot'schen „Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts". Begr. von J. A. Grttchot. Hrsg. von Rassow und Küntzel ab Bd. 16, Bd. l N. F. (1872), ab 1896 (mit Jaeckel ab 1904) hrsg. von Rassow, Küntzel und Eccius, Berlin 1872/1896 ff. — II. Ein Versuch zur Rettung der §S 155, 156 ALR In. I Tit. 11 (Gruchot Bd. 21, 1877, 96 ff.). - Unterbricht Streitverkündung die aufhebende Verjährung? (Gruchot Bd. 21, 1877, 417ff.). - Erwiderung auf Nr. IV (zu § 41 des preuß. Gesetzes über den Eigenthumserwerb vom 5. 5. 1872, verfaßt von Rassow) des vorgedruckten Aufsatzes, betr. den Einfluß der CPO auf $42 der Vormundschaftsordnung (Gruchot Bd. 25, 1881, 327ff.). - Zur Lehre von der Vorrechtseinräumung (Gruchot Bd. 26, 1882, 68ff.). — Zum achten Abschnitte des dritten Buches im zweiten Entwurf eines BGB f. d. deut. Reich (Gruchot Bd. 38, 1894, 423 ff.). — Beschlüsse, die von der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines BGB . . . gefaßt worden sind (Gruchot Bd. 39, 1895, 698ff., 837ff.; Bd. 40, 1896, 139 ff., 345 ff.). - Der Entwurf eines BGB f. d. deut. Reich in 2. Lesung und seine weiteren Schicksale (Gruchot Bd. 41, 1897, 132ff.; 855ff.; Bd. 42, 1898, 91 ff.). - Strohais kritische Bemerkungen über das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Gruchot Bd. 41, 1897, 583 ff., 808 ff., 912 a). Quellen DJZ 1904, Sp. 931 (70. Geburtstag). - DJZ 1906, Sp. 380. - DJZ 1913, Sp. 573 (Würdigung). - Lucas DJZ 1914, Sp. 608 (Nachruf). - Holtze, Geschichte des Kammergerichts. 4. Teil: Das KG im 19. Jhdt., Berlin 1904, S. 335, 336. - Reichsanzeiger Nr. 89 vom 16. 4. 1914 (Nachruf). Vossische Zeitung Nr. 189 vom 15. 4. 1914 (Nachruf). - Die Woche Nr. 28 u. 35 von 1900, Bd. III.

Leuschner, Ernst (* 23. 2. 1826 Waldenburg/Schlesien, t 3. 5. 1898 Eisleben, evangelisch). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission als Reichstagsabgeordneter der Reichspartei. Leuschner war nach dem Abitur am Maria-Magdalena-Gyrnnasium in Breslau (1844) zunächst als Bergmann tätig, bevor er fachwissenschaftliche Studien auf den Hochschulen in Berlin, Breslau und Halle machte. Nach achtjähriger Tätigkeit im Staatsdienst, zunächst als Berggeschworener in Dürenberg, als Bergmeister und Bergrat in Saarbrücken, später als Oberbergrat in Halle und Bergamtsdirektor in Tarnowitz, wurde er am 7.10.1861 Oberberg- und Hüttendirektor der Mansfeider Gewerkschaft in Eisleben und damit Leiter der gesamten Werke. Ferner war er Mitglied der Gewerbekammer für den Regierungsbezirk Merseburg, des Preuß. Staatsrats und des Volkswirtschaftsrates. Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhauses war er seit 1879 und des Reichstags von 1882 bis 3. 5. 1898 als Mitglied der Reichspartei für den Wahlkreis Merseburg. Quellen Berg- und Hüttenmännische Zeitung Nr. 19 vom 13. 5. 1898 (Leipzig 1898), S. 173/174. - BJ Bd. 5, 1900, Anhang Sp. 39 (Berlin 1903). - Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 201/202. - Schwarz, S. 387. 103

Kurzbiographien der Verfasser des BGB Mandry, Gustav von (Siehe 1. Kommission) Manteuffel-Crossen, Otto Carl Gottlob Freiherr von (* 29. 11. 1844 Berlin, f 4. 3. 1913 Berlin, evang.). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission als ReichstagsAbgeordneter der Deutschkonservativen Partei. Manteuffel, Sohn des preuß. Ministerpräsidenten Otto Freiherr v. M., wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen und Halle 1866 Offizier beim 12. Husarenregiment. 1872 begann er als Landrat des Kreises Luckau, in dem seine Güter lagen (Grossen), seine Verwaltungslaufbahn. 1896 wurde er zum Landesdirektor der Provinz Brandenburg ernannt. Mitglied des Deutschen Reichstags war er von 1877— 98 als Vertreter des Wahlkreises Frankfurt/Oder (Kalau/Luckau). Von 1891 -1908 war er Vizepräsident und von 1908—1911 Präsident des Herrenhauses, in das er 1883 einberufen worden war. Er stand auf dem rechten Flügel der Konservativen Partei und führte den Parteivorsitz in beiden Häusern von 1892 — 97. Im Reichstag war er Referent der Militärpensionsgesetze (1883 und 1886) sowie des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes gewesen, bevor er in die 2. Kommission einberufen wurde. Daneben war er Vorsitzender des Kommunallandtags der Niederlausitz, der Landesdeputation derselben, Vorsitzender des brandenburgischen Provinziallandtags sowie Mitglied der General- und Provinzialsynode der Provinz Brandenburg. Quellen IZ Nr. 3638 vom 20. 3. 1913 (Bd. 140 I), S. 604/605 (Nachruf). - Vossische Zeitung Nr. 116 vom 5. 3. 1913, Morgenausgabe (Nachruf). - Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 208. - T. Nipperdey, Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918, Düsseldorf 1962, S. 260/261. — Kosch, Biogr. StaHB II, S. 811. - H. v. Srbik, Deutsche Einheit, 1935 ff. Oehlschläger, Otto Karl von (1888), Dr. iur. h. c. der Univ. Königsberg (1894) (* 16. 5. 1831 Heiligenwalde/Ostpreußen, f 14. 1. 1904 Charlottenburg, evang., verh. mit Marie Mellenthin, l Sohn). Vorsitzender der 2. Kommission bis Februar 1891. Oehlschläger, Sohn des Königl. Amtmanns Karl Wilhelm O., eines Rittergutsbesitzers in Ostpreußen, studierte von 1850—53 in Königsberg Rechtswissenschaft und trat am 11. 5. 1853 in den preuß. Justizdienst ein. Im Feburar 1855 wurde er zum Referendar beim Appellationsgericht in Marienwerder ernannt. Nach der großen jurist. Staatsprüfung im Jahre 1858 verwaltete er als Gerichtsassessor zunächst Richterstellen in Danzig und Löbau (Westpreußen) und ging dann zur Staatsanwaltschaft über (1859 Staatsanwaltsgehilfe in Schweiz, 1864 Staatsanwalt beim Kreisgericht Marienwerder, 1870 Staatsanwalt in Königsberg). Im Jahr 1874 wurde er als Geh. Justizrat und Vortragender Rat (1878 Geh. Oberjustizrat) in das preuß. Justizministerium einberufen und mit der Aufgabe betraut, bei der Schaffung der Reichsjustizgesetze den Entwurf der Strafprozeßordnung umzugestalten. Er nahm an zahlreichen Sitzungen der Rechsjustizkommission teil und verteidigte als Vertreter des Bundesrats im Reichstag und im preuß. Abgeordnetenhaus mehrere Gesetzesvorlagen. Am 11. 11. 1879 wurde er Generalauditeur der Armee, und als solcher hat er Entwürfe zur Änderung der Militärstrafrechtspflege ausgearbeitet und eingereicht. 1883 wurde er Mitglied des Herrenhauses und Kronsyndikus. 1884 erfolgte die Einberufung in den preuß. Staatsrat. Zum 1. 1. 1885 wurde er zum Präsidenten des Kammergerichts ernannt. Im Februar 1889 trat er die Nachfolge des Staatssekretärs von Schelling, der preußischer Justizminister geworden war, an und bereitete die Wahl der 2. Kommission durch den Bundesrat vor, als deren Vorsitzender er am 15. 12. 1890 die Kommissionsberatungen eröffnete. Er schied aus der Kommission wieder aus, als er im Februar 1891 zum 104

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung

Präsidenten des Reichsgerichts ernannt wurde. Dieses Amt übte er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. 11. 1903 aus. Der Reichskanzler Fürst Bülow würdigte im Beileidstelegramm an die Witwe Oehlschlägers den Verstorbenen als einen als Mensch und Beamten gleich ausgezeichneten Mann, der sich um das deutsche Justizwesen, insbesondere das Reichsgericht in hohem Maße verdient gemacht habe. Werke

I. Preuß. Forst- und Jagdgesetze, m. Erl. hrsg. von O. v. Oehlschläger, A. Bernhardt, K. Frhr. v. Bülow und F. Sterneberg, 3 Bde., Berlin 1878-80, (1. Bd. 4. A. 1895). - Deri. u. A. Bernhardt, Gesetz betr. den Forstdiebstahl, Berlin 1904. — II. Anfangspunkt der Rechtskraft eines Urteils im bürgerlichen Prozeß. Betrachtungen über eine Entscheidung des Kgl. Obertribunals (Gruchot Bd. 6,1862, S. 373 ff.). Quellen I. Altpreußische Biographie, Bd. II, Marburg 1967, S. 477. — Erik Amburger, Das Kammergerich und seine Präsidenten, Berlin 1955, S. 50. — Frd. Holtze, Geschichte des Kammergerichts, 4. Teil: Das KG im 19. Jhdt., Berlin 1904, S. 312-319. - Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht am 1.10.1929, Berlin/Leipzig 1929, S. 10, S. 339, S. 425, S. 432. - H. Poschinger, Bd. V, Stuttgart/Leipzig 1901, S. 304. - IZ Bd. 118, Nr. 3071 vom 8. 5. 1902, S. 692 (Zum SOjährig. Dienstjubiläum). - IZ Bd. 122, Nr. 3160 vom 21. 1. 1904, S. 90 (Nachruf). - DJZ 1902, 264 (50j. (Dienstjubiläum). - DJZ 1903, 492 und DJZ 1904, 152. - RA Nr. 109 vom 10. 5. 1902. II. DZA Potsdam, Reichskanzlei, Akte Nr. 695 betr. RG-Präs., Mikrofilm R 43 F/695 des Bundesarchivs Koblenz.

Planck, Gottlieb (Siehe 1. Kommission) Rüger, Konrad Wilhelm (Siehe 1. Kommission) Russell, Emil (* 27. 7. 1835 Sögel, t 23. 10. 1927 Berlin). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission als Vertreter der Interessen des Handels. Russell, Sohn des Amtshauptmann R., wurde knapp 26jährig Bürgermeister der Stadt Papenburg. Der Jurist R. trat am 22. 5. 1872 die ihm auf Veranlassung Miquels angebotene Stellung als Syndikus der Diskonto-Gesellschaft in Berlin an. Zunächst beschäftigte er sich mit juristischen Problemen der Sicherung des im rumänischen Eisenbahnbauvorhaben angelegten deutschen Kapitals. Rumänien ernannte ihn dafür zum rumänischen Generalkonsul (1880). Zusammen mit Max von Schinckel, dem Vorstandsmitglied der Norddeutschen Bank in Hamburg, begründete er 1887 die Brasilianische Bank für Deutschland. Von 1876 — 1900 war er Geschäftsinhaber der Berliner Diskonto-Gesellschaft, die er 1895 mit der Norddeutschen Bank fusionierte. Zu seinen Hauptaufgaben in der Diskonto-Gesellschaft gehörte die Kapitalsicherung sowie die Mitverwaltung und Überwachung von Gesellschaften, an denen die Diskonto-Gesellschaft interessiert war. Schinckel schreibt in seinen Lebenserinnerungen über Russell: „Es spricht für die seltene Begabung Russells, daß er ohne eigentliche kaufmännische Vorbildung, aber ausgerüstet mit einem scharfen Verstand, ungewöhnlich großen juristischen Kenntnissen, vor allem aber mit einem unerbittlich rechtlich und gerecht denkenden Charakter, alsbald selbst neben einem Mann von der überragenden Bedeutung Adolph von Hansemanns eine so einflußreiche und häufig ausschlaggebende Stellung im Gremium der ersten Bank Deutschlands einnehmen konnte." (zit. nach Schmidt, S. 4). Quellen I. Festschrift zur Einweihung des neuen Rathauses der Stadt Papenburg im Juni 1913, Neuauf105

Kurzbiographien der Verfasser des BGB läge Münster 1972, S. 51-52. - Handbuch für das Reich auf das Jahr 1896, Berlin 1896, S. 124. Ernst Wilhelm Schmidt, Männer der Deutschen Bank und der Diskonto-Gesellschaft, Düsseldorf 1957, S. 42-43.

Sohm, Rudolf, Dr. iur. u. Dr. theol., ord. Prof. f. deut. Recht und Kirchenrecht (* 29. 10. 1841 Rostock, t 16. 5. 1917 Leipzig, luth., zweimal verh., seit 1882 mit Charlotte Kehrhahn, Kinder). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission und Kommissar des Bundesrats. Sohm, Sohn eines Rostocker Rechtsanwalts und späteren Landesarchivars, besuchte das Gymnasium in Rostock und studierte die Rechte in Rostock, Berlin und Heidelberg. 1864 promovierte er zum Dr. iur. in Rostock. Danach setzte er seine Studien bei Paul von Roth in München fort und habilitierte sich 1866 in Göttingen für Deutsches Recht und Handelsrecht, wo er 1870 zum a.o. Professor ernannt wurde. Noch im gleichen Jahr folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor für Kirchenrecht und Deutsches Recht nach Freiburg. Von dort wurde er 1872 nach Straßburg und 1887 nach Leipzig berufen. Statt des von Preußen in Aussicht genommenen Otto von Gierke kam er als Germanist in die 2. Kommission. Werke I. Selbständige Werke nachgewiesen in: Jahrbuch der Kgl. Bayer. Akademie der Wissenschaften, München 1918, S. 81 — 86. — II. Dort nicht nachgewiesen folgende Aufsätze (Auswahl): Die deutsche Genossenschaft in: Festgabe der Leipziger Jurist. Fakultät für B. W., Leipzig 1889, S. 139-181. - Adelsrecht und Namensrecht (DJZ 1899, 8ff.). - Die Entstehung des Deutschen BGB (DJ21906,66 ff.). Quellen I. K. v. Amira, R. S., Jahrbuch der Kgl. Bayer. Akademie der Wissenschaften, München 1918, S. 81 ff. - Döring, Geschichte der deut. Rechtspflege seit 1500, Berlin 1953, Anhang S. 444/445. DJZ 1909, Sp. 1017-1019 (Selbstbiographie). - P. Labanä, Zum 70. Geb. v. R. S., DJZ 1911, 1259f. - DJZ 1914, 868 (SOjähr. Dr. Jbl.). - W. KahlOJZ 1917,577ff. (Nachruf). - IZ Bd. 106, Nr. 2748 vom 29.2. 1896, S. 246ff. (Würdigung). - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 1113. - II. Aktendiener. Akte des Ministeriums des Innern. Universität Freiburg. Abt. 76, Nr. 10062, G. L. A. Karlsruhe.

Spahn, Peter, Dr. iur. h. c. der Universität Tübingen und Löwen (* 22. 5. 1844 Winkel/Rheingau, f 31. 8. 1925 Bad Wildungen, kath., verh. seit 27. 1. 1874 mit Emilie Helmer, 5 Kinder). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission als Zentrumsabgeordneter, Vorsitzender der XII. Reichstagskommission. Spahn stammte aus einer alteingesessenen Handwerkerfamilie des Rheingaus. Er bestand das Abitur auf dem Gymnasium in Hadamar bei Limburg und studierte anschließend Rechtswissenschaft in Würzburg, Tübingen, Berlin und Marburg. Die Referendarzeit verbrachte er am Appellationsgericht in Wiesbaden, wo er im Oktober 1873 zum Assessor ernannt wurde. 1874 kam er als Kreisrichter nach Marienburg in Westpreußen und 1887 als Landrichter nach Bonn. Im Jahre 1892 wurde er zum Oberlandesgerichtsrat in Posen und 1896 zum Kammergerichtsrat ernannt. Beide Ämter hat er jedoch kaum wahrnehmen können, da er 1891 auf Veranlassung von Windthorst in die 2. Kommission berufen wurde. Durch seine Mitarbeit am BGB, nach seinen Worten dem „bedeutendsten Werk seines Lebens" (zit. nach Neubach) zeichnete er sich in so hohem Maße aus, daß er statt Bennigsen zum Vorsitzenden der XII. Reichstagskommission gewählt wurde. Spahn hat außerdem an allen großen, vom Reichstag damals verabschiedeten Gesetzen mitgearbeitet (Militär-, Steuer-, Handelsgesetze). 106

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung

1898 wurde er zum Reichsgerichtsrat, 1905 zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Kiel und 1910 zum Oberlandesgerichtspräsidenten in Frankfurt/Main ernannt. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er im August 1917, als er preußischer Justiz minister wurde (bis 1918). Seit 1919 Mitglied der Nationalversammlung, gehörte er 1920 wieder dem Reichstag an, dessen Mitglied seit 1884 (des preuß. Herrenhauses seit 1882) und langjähriger Vizepräsident er gewesen war. Von 1912 —1917 war er Fraktionsführer des Zentrums im Reichstag. Gesetzgeber, Politiker und Staatsmann zugleich, hatte er sich unermüdlich „mit eisernem Fleiß und seiner ungeheueren Arbeitskraft" (zit. nach Neubach) emporgearbeitet und starb als Reichstagsabgeordneter. Werke I. Protokolle der Kommission für die 2. Lesung des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuchs, im Auftrag des RJA, bearb. von Achilles (SchuldR, SachenR), Gebbard (Allgem. T. und EinfG), Spahn (Familien- u. Erbrecht), Bd. 1 — 7, Berlin 1897—99. — Verwandtschaft und Vormundschaft nach dem BGB in: Das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Einzeldarstellungen, Bd. 9, Berlin 1901. — Die Ostafrikabahn. 1904. — Die Verwaltung des kirchlichen Vermögens. 1904. — Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919—1928, hrsg. v. Spabn u. a. — II. Das Eherecht. Zur Kritik des Entwurfs eines BGB f. d. deut. Reich (Ergänzungsheft d. Jurist. Rundschau f. d. kath. Deutschland, Frankfurt/M. 1890): Allgem. (S. 8-12). - I. Das Verlöbnis (S. 12-15). - II. Die Ehehindernisse und die Eheschließung (S. 15-39). - III. Die Ungültigkeit der Ehe (S. 39-48). - IV. Die Auflösung der Ehe (S. 48—61). — Die Verwaltung des Vermögens der Kirche, der Pfarreien und kirchlichen Stiftungen nach dem Entwurf des BGB. Zur Kritik eines BGB f. d. deut. Reich (II. Ergänzungsheft d. Jurist. Rundschau f. d. kath. Deutschland, S. 1-92, Frankfurt/M. 1891). Gewohnheitsrecht, in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 2. Bd. 1892, S. 1447-1452. - Die neue Literatur zur Konkursordnung (DJZ 1900, 432 ff.). — Urheberschutz und Verlagsvertrag nach den Beschlüssen der Reichstagskommission (DJZ 1901, 172 ff.). — Das Militärgericht und Bayern. Eine Civilistische Studie (Gruchot Bd. 45,1901, S. 481 ff.). - In letzter Stunde (DJZ 1911,1301 ff.). - Franz Adickes (DJZ 1915,278 ff.). Quellen I. Helmut Nettbach, Peter Spahn (1846—1925) in: Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 20. Jhdts., hrsg. v. R. Morsey, Mainz 1973, S. 65—80 (m. w. Literaturnachweisen). — Rudolf Morsey, Die Deutsche Zentrumspartei 1917— 1923. Düsseldorf 1966, S. 559ff. (m. w. Literaturnachw.). - Lobe, Fünfzig Jahre RG, Berlin/Leipzig 1929, Anlage Ic, S. 366, Nr. 158. - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 1116. - Wellstein, DJZ 1916,608 (70. Geb. v. P. S.). - DJZ 1925,1424 (Nachruf). - JW 1915,2178/2179 (Nachruf). - IZ Bd. 104, Nr. 2705 vom 4. 5. 1895, S. 514. - II. DZA Potsdam 1/1969, Reichskanzlei 01.07, Akte Nr. 697 und Nr. 707, Mikrofilme R 43 F/697, 707 des Bundesarchivs Koblenz. — Weitere Quellen im Familienbesitz des Enkels: Carl Peter Spahn in Wachtberg-Pech.

Struckmann, Hermann Carl Sigismund, Dr. iur. h. c. (1896) der Universität Göttingen (* 27. 7.1839 Osnabrück, t 20. 12. 1922 Berlin, evang., verh. seit 24. 5. 1870 mit Marie Babette Bertha von Gülich, 5 Kinder). Hilfsarbeiter Plancks seit 1877 und Nachfolger Rügers in der 2. Kommission (seit Anfang 1895), Kommissar der Reichsregierung bei den Verhandlungen der 2. Kommission, Kommissar des Bundesrats im Reichstag. Struckmann, jüngster Sohn des hannov. Justizrats Dr. Gustav Wilhelm S., war nach dem Abitur am Osnabrücker Ratsgymnasium (Ostern 1858) zunächst zwei Jahre lang als Landwirt tätig, bis er dem Beispiel seiner Brüder Johannes und Gustav folgend in Heidelberg, Berlin und Göttingen Rechtswissenschaft studierte. Im Juni 1862 bestand er in Hannover die 1. Staatsprüfung mit „gut" und am 15.8.1866 das 2. Juristische Staatsexamen mit „ausgezeichnet". Anschließend nahm er Hilfsrichtertätigkeiten beim 107

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Obergericht in Hannover und Amtsgericht in Osnabrück wahr. Am 1. 4. 1868 wurde er als Amtsgerichtsassessor Richter beim Amtsgericht in Emden. Von dort kam er am 1. 4. 1872 als kommissarischer Vertreter der Staatsanwaltschaft nach Göttingen, wo er am 27. 5. 1872 zum Obergerichtsassessor und etatmäßigen Mitglied des Göttinger Obergerichts ernannt wurde (seit 1877 Obergerichtsrat, 1879 Landgerichtsrat). Nachdem er bereits Schriftführer der Vorkommission gewesen war, wurde er am 1. 7. 1877 als Hilfsarbeiter Plancks in die 1. Kommission einberufen. Während seiner Tätigkeit in der Kommission erfolgte 1884 die Ernennung zum Oberlandesgerichtsrat in Kiel. Nach Vollendung des 1. BGB-Entwurf s fertigte er für das RJA eine Zusammenstellung der Kritiken zum 1. Entwurf an. Auf Wunsch des preuß. Landwirtschaftsministeriums wurde er vom Staatssekretär des RJA zu den Verhandlungen des preuß. Landes-ökonomie-Kollegiums über den 1. Entwurf hinzugezogen. Im Juli 1890 wurde er als Geh. Regierungsrat und Vortragender Rat in das Reichsjustizamt einberufen, dem er bis zum 1. 10. 1907 (Ruhestand) angehörte. An den Beratungen der 2. Kommission nahm er zunächst als Reichskommissar und seit 1895 als ständiges Mitglied teil. Er arbeitete an der Denkschrift zum BGB mit und vertrat es in den Verhandlungen im Reichstag. In der Folgezeit wirkte er an dem Ausführungsgesetz zum BGB und an weiteren im RJA vorbereiteten Gesetzen wie Verlagsrecht und Versicherungsrecht mit. Wie Struckmann in seiner Selbstbiographie mitteilt, verband ihn „eine besonders herzliche Freundschaft mit dem Wirklichen Geheimen Rate Professor Dr. Planck . . ., der bei seinem jüngsten Sohne Johannes eine Patenstelle übernommen hat(te)". Zu seinem Freundeskreis zählten auch Gebhard, von Mandry, Achilles, Johow, Danckelmann und Weber. Werke

I. Über die Rechtsbeständigkeit der ohne gutsherrlichen Consens erfolgten,. . . Veräußerungen ganzer Meierhöfe auf Grund des §6 der Verordnung vom 10. 11. 1831 .. .Ein Beitrag zum Hannover. Provinzialrechte. Hannover 1872. — II. Gesetzgebungsfrage betr. den Inhalt der Beweisverfügung im Civilprozeß (Verhandlungen 6. DJT, S. 209 ff.). — Ist es angemessen, daß durch die Subhastation sämmtliche auf dem subhastirten Grundstücke ruhenden Hypotheken fällig werden? (Verhandlungen 10. DJT, S. 63 ff.). - Beitrag zur Lehre von der Zahlung (Jh. JB Bd. 15, 1877, S. 251 — 267). — Über die Anfechtbarkeit der datio in solutum mittelst der actio Pauliana (Jh. JB Bd. 12, 1873, S. 313-398). - Ueber das zwischen dem Verkäufer und Käufer einer Ware bestehende rechtliche Verhältnis in Ansehung der Emballage,. .. (Gruchot Bd. 16,1872, S. 803 ff.). — Übersicht der Verhandlungen der Reichsjustizkommission über die Civilprozeßordnung (JW 1875,153 ff.). Quellen I. Bernhard Hüpeden, Die Abiturienten des Ratsgymnasiums in Osnabrück von 1829 bis 1941, Osnabrück 1949, S. 11. — Hermann Struckmann, Geschichte der Familie Struckmann aus Osnabrück, Selbstbiographie Nr. 70, S. 255 ff., Berlin 1909. - II. Briefe Struckmanns an Planck Nr. 57-81, Karton VIII, Nachlaß Planck, Nds. StuUB Göttingen.

Wilke, Richard Karl, Dr. iur. h. c. der Univ. Berlin (* 31. 12. 1830, f 6. 3. 1911 Potsdam, evang., verh., l Tochter). Nichtständiges Mitglied der 2. Kommission seit März 1891. Wilke wurde im Juli 1855 zum Assessor ernannt, nachdem er zuvor als Referendar im Bezirk des Berliner Kammergerichts beschäftigt worden war. Im Jahre 1856 wurde er Kreisrichter in Wanzleben mit der „Funkdon als Gerichtskommissarius" in Seehausen im Magdeburgischen. Im April 1861 erhielt er die Zulassung als Rechtsanwalt und Notar beim Kreisgericht in Wanzleben (mit der Residenzpflicht in Egeln). Im Juni 1864 kam er in dieser Stellung an das Stadt- und Kreisgericht in Magdeburg und wurde dort 108

IV. Die Mitglieder der 2. Kommission und die Kommissare der Reichsregierung 1868 unter Beibehaltung des Notariats Rechtsanwalt am Appellationsgericht Magdeburg. Anfang 1874 erfolgte seine Versetzung nach Berlin an das Stadtgericht. Dort kam er 1876 als Rechtsanwalt und Notar an das Kammergericht. Da er in der Berliner Rechtsanwaltschaft eine sehr angesehene Stellung einnahm, wurde er auf Wunsch dieser von der preußischen Regierung als Vertreter der preuß. Rechtsanwaltschaft 1892 noch nachträglich vorgeschlagen und vom Bundesrat in die 2. Kommission gewählt. Im August 1900 schied er aus dem Notariatsdienst aus und gab seine Zulassung als Rechtsanwalt beim Kammergericht auf. Werke

I. Anweisung zum Referiren für den Geltungsbezirk des preuß. Landrechts und der Gerichtsordnung. Ein Leitfaden. Paderborn 1873. — Ein Wort für die angefochtene Gültigkeit des von der Staatsregierung mit der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn-Gesellschaft abgeschlossenen Vertrages. Berlin 1879. — Gesetzliche Erbfolge und Pflichttheil (Gutachten aus dem Anwaltstande über die erste Lesung eines B. G. B., hrsg. i. A. d. Deut. Anwaltvereins von Adams, .. . Wilke u. a., 15 Hefte, Berlin 1888-1890. - Beitrag für den 20. DJT, 1889 in Straßburg: Verdient die vom Entwurf des BGB vorgeschlagene Abschaffung der wechselseitigen Testamente Zustimmung? Gutachten von Wilke und Laut, Berlin. - Referent des 21. DJT, 1891 in Köln über das Thema: Über die zweckmäßigste Regelung des Inventarrechts und die im Entwurf des B. G. B.s versuchte Gestaltung desselben. — Beitrag für den 22. DJT, 1893 in Augsburg: Wie ist den Mißbräuchen, welche sich bei den Abzahlungsgeschäften herausgestellt haben, entgegenzuwirken? Gutachten hierzu. (Verhandlungen 22. DJT, 1893, Augsburg). - Bericht des Schriftführers, Justizraths Wilke zu Berlin über die Rechtsentwicklung in Deutschland in den letzten zwei Jahren (Verhandlungen 23. DJT, 1895, Bremen). — Die Haftung des Erben für die NachlaßVerbindlichkeiten nach dem bürgerlichen Gesetzbuche (Veröff. d. Berliner Anwaltvereins, Heft 9, Berlin 1898). — Das Bürgerl. Gesetzbuch nebst dem EinfG mit Kommentar in Anm., hrsg. von den Rechtsanwälten, R. Wilke, Ferd. Reatz, Emil Koffka, Hugo Neumann, Bd. 5, Das Erbrecht, Berlin 1900. — Formularbuch für die freiwillige Gerichtsbarkeit. Auf Veranlassung des Berliner Anwaltvereins verfaßt von R. Wilke u. a., 1. und 2. Teil (Handelsrecht, BGB - Allgem. T. und Schuldrecht), Berlin 1901. - ferner Beiträge für den 24. und 25. DJT. - II. (Auswahl) Zum Börsengesetze (DJZ 1901, 325/326). - Zu dem landesherrlichen Scheidungsrecht (DJZ 1902,121). — Der 17. Deutsche Anwaltstag in Hannover (DJZ 1905,887). Quellen I. Preuß. JMB1. 1855, S. 205; 1856, S. 317; 1861, S. 80; 1864, S. 150; 1868, S. 70; 1873, S. 216; 1874, S. 54; 1876, S. 118; 1878, S. 20; 1900, S. 524 und 541. - DJZ 1900, 410 (Dienstjubiläum). Frd. Holtze, Geschichte des Kammergerichts. 4. Teil: Das KG im 19. Jhdt., Berlin 1904, S. 266 und S. 368. — Festgabe der Rechtsanwaltschaft des Kammergerichts für den Geh. Justizrat Dr. Richard Wilke, Berlin 1900, Vorwort. - II. Acta MA 76707/2 (Bericht Nr. 3269 I) Bayr. HStA München, Abt. II. - Briefe Wilkes an Planck Nr. 65-69, Karton X, Nachlaß Planck, Nds. StuUB Göttingen. Wolffson, Isaac, Dr. iur. (* 21. 1. 1817 Hamburg, t 12. 10. 1895 Hamburg, israelitisch, verh. mit Johanna Hirsch, 2 Kinder). Ständiges Mitglied der 2. Kommission. Wolffson, Sohn des Hamburger Kaufmanns Meijer W., besuchte zunächst die Israelitische Freischule und absolvierte dann die oberen Klassen des Johanneums in Hamburg. Von 1835 studierte er in Heidelberg, Göttingen und Berlin Rechtswissenschaft bis zur Promotion am 26. 3. 1838 in Göttingen, mit der er das Studium abschloß. Trotzdem konnte er sich nicht in Hamburg als Rechtsanwalt niederlassen, da Voraussetzung hierzu die Vorlage eines Hamburger Bürgerbriefs war, der Juden nicht erteilt wurde. Wolffson, für den eine Konversion nicht in Betracht kam, reichte dennoch am 1. 2. 1839 ein Zulassungsgesuch beim Obergericht ein, das abgelehnt wurde. Obwohl er deshalb nur beim Handelsgericht in mündlicher Verhandlung auftreten und Schriftsätze nicht selbst unterzeichnen konnte, erwarb er sich in der Folgezeit eine bedeutende Praxis und

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einen hochgeachteten Namen. Erst nachdem es den Juden durch Beschluß vom 23.2. 1849 ermöglicht worden war, das Bürgerrecht zu erwerben, konnte auch Wolffson förmlich zur Advokatur zugelassen werden. An der Verfassungsbewegung von 1848 hatte er sich aktiv beteiligt. In diesem Jahr wurde er Mitglied der ersten konstituierenden Versammlung Hamburgs („Constituante"). Er war seitdem zeitlebens politisch tätig. 1859 wurde er in die Hamburger Bürgerschaft gewählt und gehörte dieser 30 Jahre lang an (Präsident derselben 1861 — 1862). Er beteiligte sich an allen Gesetzesvorlagen. Von 1871 —1881 vertrat er Hamburg als Abgeordneter der Nationalliberalen Partei im Reichstag. In den Jahren 1875/76 war er Mitglied der Reichstagskommission für die Ausarbeitung der Justizgesetze. Trotz seines schon fortgeschrittenen Alters von 73 Jahren und damit verbundener schwerer persönlicher Opfer nahm er die Wahl in die 2. Kommission als einziges ständiges Kommissionsmitglied aus dem Rechtsanwaltschaftsstande an (1890). Nieherding schrieb nach Wolffsons plötzlichem Tode im Jahre 1895: „Ich bedaure insbesondere, daß er die Vollendung des Werkes, an welches er so viel Kraft und Zeit gesetzt hat, ich meine des Bürgerlichen Gesetzbuches, nicht mehr hat erleben sollen. Die Verdienste, welche er sich an den Arbeiten der Kommission für das Gesetzbuch durch sein ruhiges, maßvolles, nach allen Seiten gerecht abwägendes Urteil erworben hat, werden nicht vergessen werden" (zit. nach O. Dehn). Und Planck meint: „. . . Aber alle, die wir das Glück hatten, mit ihm an der Kommission teilzunehmen, haben uns seiner aufopfernden, nie ruhenden Tätigkeit gefreut und bewundernd zu ihm, dem 78jährigen hinauf geschaut, mit welchem Interesse und welcher Frische er an den Beratungen teilnahm und nicht selten wesentlich dazu beitrug, sie zu einem richtigen Ergebnis zu führen" (zit. nach O. Dehn). Werke I. Selbständige Werke nicht nachweisbar. - II. Ueber Gewissensvertretung (AcP 25, S. 255 ff.). Das Staatsrecht der Freien und Hansestadt Hamburg, in: Marquardsen, Handbuch des öffend. Rechts, Bd. 3, 2. Halbbd., 3. Abth., 1884, S. 3-35. - Das Extrahonorar der Rechtsanwälte (Preuß. Jahrbücher Bd. 74, 1893, S. 285 ff.). — Das Extrahonorar der Rechtsanwälte noch einmal (Preuß. Jahrbücher Bd. 74,1893, S. 554 ff.). — Der Gesetzentwurf über die Regelung der Richtergehälter in Preußen (Preuß. Jahrbücher Bd. 84,1895, S. 70) - Auswahl Quellen I. Jürgen Holland, Juristen im Verfassungskampf. Gründung und Wirken des Vereins Hamburger Juristen 1846-1860. Hamburg 1956, S. 26. - Wolf Brandts, I. W., ein Hamburger Jurist des 19. Jhdts., Hamburgische Geschichts- u. Heimatblätter, Bd. 8, Hamburg 1970, S. 256 ff. Wilhelm Heyden, Die Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft 1859—1862, Festschrift zum 6. 12. 1909, Hamburg 1909, S. 59ff. - Ernst Landsberg, I. W., ADB 44 (1898), S. 67/68. - Erich Lüth, Isaac Wolffson (1817—1895), ein hamburgischer Wegbereiter des Rechts und der deutschen Emanzipation, Hamburg 1963. — Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart i. A. d. Vereins für hamburg. Geschichte, begr. v. H. Schröder, fortges. v. A. H. Keüinghusen, Bd. 8, Hamburg 1883, Nr. 4494, S. 154. - II. Staatsarchiv Hamburg: Obergericht BIb4-A269-125 (Zulassung zur Advokatur, Antrag abgelehnt); Senatskommission für die Justizverwaltung-VI B. m. 31 (Hanseatische Anwaltskammer); Senat Cl. VII Lit. Ma Nr. 10 Vol. 3 Fase. 4 Jur. 34 (Matrikel der Advokaten); Zeitungsausschnitts-Sammlung A 773 — Wolffson, Dr. Isaac. — Rede von Dr. Otto Dehn in der Juristischen Gesellschaft aus Anlaß des 100. Geburtstags von Dr. I. W. (Sammlung biographischer Unterlagen im Familienbesitz: Ernst A. Wolffson, Hamburg).

V. Die Mitglieder des Bundesrats-Ausschusses für Justizwesen (1895/1896) Finger, Jakob, Dr. iur. h. c. (1893) und Dr. med. h. c. (1895) der Univ. Gießen (* 13. 1. 1825 Monsheim/Rheinhessen, t 30. 1. 1904 Darmstadt, mennonirisch, verh. seit 1854 mit Elise Millet, 6 Kinder). Vertreter von Hessen-Darmstadt. 110

V. Die Mitglieder des Bundesrats-Ausschusses für Justizwesen (1895/1896)

Finger stammte aus einer Mennonitenfamilie, die ihres Glaubens wegen 1696 aus dem Aargau in der Schweiz vertrieben wurde und in der Pfalz Aufnahme fand. Der Vater, Daniel F., besaß eine Mühle in Wachenheim. Jakob F., der älteste der drei Söhne, besuchte die Schule in Worms und wurde zwei Jahre lang bei einem Mennonitenprediger in Krefeld erzogen. Er studierte Rechtswissenschaft in Berlin, Heidelberg und Gießen. Dort bestand er die juristischen Examina „mit Auszeichnung" und war anschließend am Friedensgericht Oberingelheim und Bezirksgericht Alzey beschäftigt. 1855 verließ er den Staatsdienst um sich als Rechtsanwalt in Alzey niederzulassen, wo er über 21 Jahre lang tätig war. Von 1862 — 65 war er im Landtag Abgeordneter für die Stadt Worms (Mitglied der Fortschrittspartei). Am 21. 9. 1872 wurde er als Ministerialrat in das hess. Ministerium des Innern und der Justiz einberufen und zu dessen Präsidenten am 28. 5. 1884 und Staatsminister am 30. 7. 1884 ernannt. In vierzehnjähriger Amtszeit wirkte er bei edichen landesgesetzgeberischen Arbeiten mit: Abschluß der hess. Eisenbahngemeinschaft mit Preußen, beim sog. Beamtengesetz und den Justizgesetzen. Quellen I. Darmstädter Tagblatt Nr. 26 vom 1. 2. 1904. — Darmstädter Zeitung Nr. 51 vom 1. 2. 1904 und Nr. 189 vom 23. 4. 1904. — Theodor Ritsert, Darmstädter Namenbüchlein, Darmstadt 1905, S. 119, 120. — H. Polizeilicher Meldebogen (Stadtarchiv Darmstadt). — Ella Finger, Familiengeschichte (maschinenschriftliches Manuskript 1944, Stadtarchiv Darmstadt).

Hallwachs, Ludwig Moritz Hermann Wilhelm, Dr. theol. h. c. (1896) der Universität Gießen (* 23. 12. 1826 Darmstadt, t 9. 1. 1903 Darmstadt, evangelisch, verh. seit 8. 9. 1855 mit Emilie Hoffmann, l Sohn). Vom 7. 10. bis Mitte November 1895 Vertreter von Hessen-Darmstadt im Bundesrat. Hallwachs, Sohn des Großherzoglich hess. Wirkl. Geh. Rats und Präsidenten des Staatsrats, Wilhelm H., studierte in Gießen und Heidelberg Rechtswissenschaft und war zunächst am Hofgericht der Provinz Starkenburg in Darmstadt tätig: StaatsanwaltsSubstitut (1853), Hofgerichtsassessor (22. 1. 1862), Hofgerichtsrat (25. 9. 1865). 1866 setzte er sich als Abgeordneter der 2. Kammer für den Anschluß Hessens an den Norddeutschen Bund ein. Anfang Oktober 1872 wurde er als Ministerialrat in das Ministerium des Innern und der Justiz berufen, dem er bis zum 15. 4. 1896 angehörte. Anläßlich der Beratungen über den Entwurf des Personenstandsgesetzes wurde er bereits im Dezember 1874 als stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat nach Berlin entsandt. Am 6. 8. 1884 wurde er zum Geheimen Staatsrat ernannt und war als solcher Stellvertreter des Justizministers Finger. Vom 7. Oktober bis Mitte November 1895 nahm er an den Beratungen der Justizkommission des Bundesrats über das BGB teil. Infolge Erkrankung mußte er 1896 aus dem Staatsdienst ausscheiden. Gleichzeitig erfolgte seine Ernennung zum Wirkl. Geh. Rat (15. 4. 1896). 1898 wurde er zum Mitglied der Ersten Kammer im hess. Landtag auf Lebenszeit ernannt. Daneben war er Begründer des Evangelischen Kirchengesangvereins für Deutschland. Nachlaß Wilhelm Konrad Hallwachs und Söhne im hessischen Staatsarchiv Marburg (zur Zeit noch gesperrt). Quellen I. Hessisches Geschlechterbuch, Bd. 7, S. 39ff. und S. 67f. (Görlitz 1930). - H. Poschinger, Bd. III, S. 74/75 (Stuttgart/Leipzig 1898). Korrespondenzblatt des Evangelischen Kirchengesangvereins, 1903, Nr. 2. - Theologischer Jahresbericht, Bd. 23 (1903), S. 1196 (Berlin 1904). - K. Seil, L. H. in: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst (Göttingen 1903), S. 43 ff. — Darmstädter Tagblatt, Beilage Nr. 8 vom 10. 1. 1903. - II. Polizeiliche Meldebögen (Stadtarchiv Darmstadt). Ill

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Heller, Wilhelm von (* 1. 7. 1838 Beerbach bei Nürnberg, t 10. 11. 1909 München, prot., verh., l Kind). Vertreter von Bayern im Bundesrat, Bevollmächtigter zum Bundesrat. Heller, Sohn des prot. Pfarrers Johann Karl Konrad H., besuchte das Gymnasium in Nürnberg, die Universitäten Erlangen und Leipzig und bestand die zweite jurist. Prüfung 1862 „mit ausgezeichneter Befähigung". Die dienstl. Laufbahn begann er im Jahre 1865 als Ministerial-Akzessist (Hilfsarbeiter) im Staatsministerium der Justiz in München. Dann übte er neun Jahre lang das Richteramt an Stadt- und Bezirksgerichten in München aus. Am 16. 4. 1874 wurde er wiederum in das Justizministerium einberufen und mit dem Begnadigungsreferat betraut. Seine Ernennung zum Bezirksgerichtsrat erfolgte am 1. 1. 1875 und zum 1. Staatsanwalt am 1. 10. 1879. 1885 wurde ihm die Bearbeitung der Gegenstände des bürgerlichen Rechts übertragen. Am 1. 12. 1881 war er zum Ministerialassessor, am 16. 9. 1885 zum Oberregierungsrat und am 21. 2. 1887 zum Ministerialrat befördert worden. Im gleichen Jahr kam er als stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat nach Berlin, wo er insbesondere an den Beratungen des Bundesrats und des Reichstags über den Entwurf des BGB teilgenommen und die bayer. Abänderungsanträge namentlich auf dem Gebiet des Eherechts mit Geschick vertreten hat. Im Bundesrat war er Berichterstatter für das V. Buch (Erbrecht) und für den entsprechenden Teil des EinfG, für den Entwurf des Ges. über die Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung, für die Entwürfe des HGB einschließlich EinfG. Im Ausschuß für Justizwesen sowie als Referent dieses Ausschusses im Plenum des Bundesrats oblag ihm die Berichterstattung der Gegenstände des bürgerl. Rechts einschließlich des Prozeß- und Konkursrechts. In Anerkennung seiner Verdienste erfolgte 1892 die Erhebung in den nicht erblichen Adelsstand durch die bayer. Regierung. Am 18. 6. 1897 wurde er zum Staatsrat und unter Belassung in dieser Stellung am 16. 10. 1899 zum Präsidenten des Obersten Landesgerichts (als Nachfolger Schmitts) ernannt. Als solcher hat er dann noch neun Jahre lang an der Überleitung und Durchführung des BGB in Bayern mitgewirkt. Quellen I. Die Königl. Bayer. Staatsminister der Justiz II, München 1931, S. 1074 und 1115. — H. Poscbinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat, Bd. V (1901), S. 253/254. - II. Acta des kgl. Staatsmin. d. Justiz, MJu. 16821 (Nr. 16127) im Bayr. HStA München, Abt. I.

Jagemann, Eugen von, Dr. iur. (* 25. 5. 1849 Karlsruhe, t 15. 8. 1926 Heidelberg, katholisch, verh. seit 1874 mit Marie von Sonntag, 5 Kinder). Vertreter von Baden im Bundesrat, außerordentl. Gesandter und bevollmächtigter Minister. Jagemann, Sohn des bad. Ministerialrats Ludwig J., studierte die Rechte in Berlin, Brüssel und Heidelberg und promovierte 1872 über die „Arrha". Am 27. 1. 1881 wurde er in das badische Justizministerium einberufen, nachdem er zuvor als Amtsgehilfe und Staatsanwalt tätig gewesen war. Zu seinem Arbeitsgebiet gehörte das Gefängniswesen, die Mitbegutachtung der badischen Gesetzesvorhaben und seit 1890 die katholischen Kirchensachen. Von 1893 bis 1898 war er Gesandter Badens am preußischen Hof und Bundesratsbevollmächtigter und nahm als solcher an den Beratungen des BGB im Justizausschuß umd im Reichstag teil. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1903 wurde er im gleichen Jahr zum Honorarprofessor in Heidelberg ernannt. Dort hielt er dann noch über 22 Jahre lang Vorlesungen über Kriminalpolitik und Gefängniswesen. Werke I. Die Daraufgabe (Arrha). Vergleichende Rechtsstudie. Berlin 1873. — Die deutsche 112

V. Die Mitglieder des Bundesrats-Ausschusses für Justizwesen (1895/1896) Reichsverfassung. Vorträge. Heidelberg 1904. — Zur Reichsfinanzreform. Heidelberg 1905. — II. Zur Neugestaltung der Reichsfinanzen, DR 1906, 24ff., 86ff. — Ubiquitätsstrafurteile und Strafurteile mit Vorbehalt, DJZ 1912, 593 ff. — Zum 25jährigen Bestehen der „Internationalen Kriminalistischen Vereinigung", DJZ 1914,13 ff. Quellen I. Selbstbiographie: Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens 1849—1924, Heidelberg 1925. - II. PA-Nr. 23729 Akten-Diener und Akte des Justizministeriums Abt. 233, G. L. A. Karlsruhe. Krüger, Daniel Christian Friedrich Dr. iur. (* 22. 9. 1819 Lübeck, t 17. 1. 1896 Hamburg, evangelisch, verh. seit 23. 3. 1850 mit Elisabeth Donnenberg, 8 Kinder). Ministerresident der Hansestädte. Krüger, Sohn des Fabrikanten und Lübecker Senators Johann Friedrich K., studierte von 1839 bis 1843 Rechtswissenschaft in Bonn, Berlin und Götringen. Im Frühjahr 1843 promovierte er in Göttingen über das Thema „Commentatio de Veterum in Germania Provincialium Ordinum Origine Atque Natura." Am 28. 7. 1843 bestand er das juristische Examen am Oberappellationsgericht Lübeck mit „vorzüglich". Nach einem Studienaufenthalt in Paris ließ er sich am 4. 6. 1844 in Lübeck als Rechtsanwalt nieder, wo er bis 1856 tätig war. In zahlreichen Zeitungsartikeln und Broschüren vertrat er in dieser Zeit die Interessen seiner Vaterstadt Lübeck. 1845 erschien seine Schrift „Die Lübeck-Schweriner Eisenbahn in ihrem Verhältnis zu Mecklenburg und seinen Seestädten" und 1848 „Lübecks Nordischer Handel unter Berücksichtigung seiner Bedeutsamkeit für die deutsche Fabrikation." 1850 war er Mitglied des Erfurter Parlaments. 1856 wandte er sich der diplomatischen Laufbahn zu und kam zunächst als hanseatischer Ministerresident nach Kopenhagen. Von 1864—1866 war er Bundestagsgesandter in Frankfurt am Main. 1866 kam er als hanseatischer Ministerresident nach Berlin. Seit 1866 vertrat er Lübeck und seit 1873 auch Hamburg und Bremen im Bundesrat. Dort entwickelte er insbesondere in den Ausschüssen für Justizwescn (seit 1869), für Seewesen, Handel- und Verkehr, Eisenbahn-, Post-u. Telegraphenwesen u. a. eine rege Tätigkeit, über die er Berichte erstattet hat. Am 10. 3. 1888 verliehen ihm die drei Hansestädte den Rang eines außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers am preußischen Hof. Quellen I. Friedrich Krüger. Ein Lebensbild. Als Familiengeschichte zusammengestellt von Elsa Krüger (als Manuskript vervielfältigt, Weimar 1909; im Staatsarchiv Hamburg vorhanden). — P. Hasse, ADB Bd. 51 (1906), S. 404-408. - H. Poschinger, Bd. I (Stuttgart/Leipzig 1897), S. 141 ff. II. Zeitungsausschnittssammlung A 760 des Staatsarchivs Hamburg: Hamburger Korrespondent vom 18. 1.1896 MA. Nieberding, Arnold, Dr. iur. h. c. der Universität Tübingen (* 4. 5. 1838 Konitz/ Westpreußen, f 10. 10. 1912 Berlin-Charlottenburg, ledig). Staatssekretär des RJA und Vorsitzender des Bundesrats-Ausschusses für Justizwesen, Bevollmächtigter des Bundesrats. Nieberding, Sohn des Gymnasialdirektors Karl N., besuchte das Gymnasium in Recklinghausen und machte 1856 das Abitur. Anschließend studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Breslau, Heidelberg und Berlin, und bestand 1863 das Assessorexamen „mit Auszeichnung". Daraufhin war er als Assessor bei der Regierung in Breslau tätig und wurde 1866 als Hilfsarbeiter in das preußische Handelsministerium einberufen. 1872 trat er in das Reichskanzleramt über, wo er 1873 zum Regierungsrat, 1875

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Kurzbiographien der Verfasser des BGB

zum Vortragenden Rat und 1889 zum Direktor der ersten Abteilung des Reichsamtes des Innern ernannt wurde. Im Jahre 1893 kam er als Nachfolger von Hanauer als Staatssekretär in das Reichsjustizamt (bis 1909). Als Staatssekretär des RJA setzte er sich für die Beschleunigung der Arbeiten am BGB und dessen Annahme durch den Reichstag ein. In der Folgezeit war er vorzugsweise mit Vorarbeiten für die Reform des Strafrechts und des Strafprozesses sowie für die Revision des Handelsgesetzbuches befaßt. Nach R. Sohm war N. der „Politiker, der die diplomatische Leitung des Gesetzgebungswerkes in fester Hand hatte, der Kapitän, der das mächtige Gesetzgebungsschiff mit seiner kostbaren Ladung sicher in den Hafen gebracht" hat. Dazu führt er aus: „An der Feststellung des Inhalts des BGB hat Nieberding sich nicht in maßgebender Weise beteiligt. Aber die Durchbringung des BGB, das praktisch für das Gelingen Entscheidende, das war sein Werk. Und es war ein Werk, welches ein hohes Maß von Geschick und voraussehender Klugheit forderte. Die Änderungen, die das Zentrum durchsetzte, waren nur formaler Art. Das Gesetzbuch ging in allem Wesentlichen so durch, wie es geplant war" (zit. nach Sohm, DJZ 1909, Sp. 1346). Werke I. Wasserrecht und Wasserpolizei im preuß. Staate. Mit Anhang dazu: Preuß. Gesetze über Wasserrecht und Wasserpolizei, Breslau 1866. - Zur Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs in den Reichstag. Reden am 3., 4. und 5. 2. 1896. Berlin 1896. Quellen W. Kahl, A. N., DJZ 1912, Sp. 1313 ff. - R. Sohm und A. Wach, A. N., DJZ 1909, Sp. 1345 ff. - IZ Bd. 139, Nr. 3617 vom 24. 10. 1912, S. 773 ff.

Rüger, Konrad Wilhelm (Siehe 2. Kommission) Schicker, Maximilian Karl von (* 2. 3. 1847 Füssen, t 5. 6. 1909 Stuttgart, katholisch, verh. seit 13. 8. 1876 mit Augusta Gerstmayr, 4 Kinder). Ständiger Bevollmächtigter zum Bundesrat. Vertreter Württembergs im Bundesrat, Referent für das Sachenrecht des BGB. Schicker, ältester Sohn des Landrichters Josef S. in Füssen, studierte nach dem Abitur am St.-Anna-Gymnasium in Augsburg ab 1866 zunächst Philosophie, später Rechts- und Staatswissenschaften in München und bestand 1870 die erste und 1873 die zweite jurist. Staatsprüfung. Anschließend war er kurze Zeit als Rechtsanwalt tätig. Im Jahre 1874 wurde er bei der bayerischen Regierung in Augsburg als Akzessist (Hilfsarbeiter) beschäftigt und trat 1875 in den württembergischen Staatsdienst über. Nach dem Assessorexamen war er zunächst als Amtmann in Stuttgart, Heidenheim und Ulm tätig, bis er 1876 in das Württembergische Ministerium des Innern einberufen wurde. 1878 erfolgte seine Ernennung zum Regierungsassessor (1881 zum Regierungsrat, 1886 Oberregierungsrat), 1890 zum Ministerialrat, 1894 zum Regierungsdirektor und 1896 zum Ministerialdirektor. Als Bundesratsbevollmächtigter nahm er an den Verhandlungen über die Reichsjustizgesetze, über das BGB und dessen Nebengesetze sowie über sozialpolitische Gesetze teil. Ferner war er ein vom Bundesrat gewähltes, nichtständiges Mitglied des Reichsversicherungsamts und Mitglied der Kommission für Arbeiterstatistik. Werke I. Die Rechtsverhältnisse der Gewerbetreibenden und der Hülfskassenzwang. 1. Teil Stuttgart 1878, 2. Teil Stuttgart 1880. — Die deutsche Gewerbeordnung m. d. Ausf. Bestimmungen des 114

VI. Mitglieder des Reichstags (Antragsteller in der XII. Kommission und im Plenum Reichs und Württembergs. Stuttgart 1879. — Das Polizeistrafrecht und Polizeistrafverfahren im Königreich Württemberg. 2 Teile. Stuttgart 1880. — Das allgemeine Sportelgesetz vom 24. 3. 1881, hrsg. zus. mit K. Zeyer, Stuttgart 1881. — Die Invalidität«- und Altersversicherung nach dem Reichsgesetz vom 22. 6. 1889. Stuttgart 1891. — Das Krankenversicherungsgesetz und das Hülfskassengesetz mit Erl., sowie das Gesetz über die württ. Krankenpflegeversicherungen. Stuttgart 1884 (2. Aufl. 1893). - Die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich, Stuttgart 1884 (4. Auflage 1901). — II. Keine Aufsätze in den ausgewiesenen Zeitungen. Quellen I. H. Poschinger, Bd. V, S. 66ff. - Kronik des Schwäbischen Merkur vom 7. 6. 1909 (Nachruf) u. 8. 6. 1909 (Beerdigung). — Zeitgenossenlexikon (1931), S. 1259. — II. Familienregister des Stuttgarter Standesamtes über Seh., Stadtarchiv Stuttgart. — Auskunft des Kath. Stadtpfarramtes Füssen.

Sieveking, Ernst Friedrich, Dr. iur. (* 24. 6. 1836 Hamburg, f 13. 11. 1910 Hamburg). An den Beratungen des Justizausschusses des Bundesrats über den BGB-Entwurf nahm er zusammen mit Krüger teil. Sieveking, Sohn eines Hamburger Bürgermeisters, promovierte am 1. 5. 1857 in Göttingen zum Doctor iuris und erhielt am 25. 6. 1858 in Hamburg die Zulassung zur Advokatur. In über zehnjähriger Praxis erwarb er sich umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet des Handels- und Seerechts, insbesondere des internationalen Seerechts. 1879 übernahm er, nachdem er sein Amt als Senator niedergelegt hatte, die Leitung des höchsten hanseatischen Gerichts, des damals neu errichteten hanseatischen Oberlandesgerichts, dem er 30 Jahre lang vorstand. Daneben war er jahrelang Präsident der Seerechtskonferenzen und nahm an solchen auch im Ausland teil. Quellen I. Martin, DJZ1909, Sp. 1422. - F. Sieveking, Die Hamburger Universität, Hamburg 1905. II. Zeitungsausschnittssammlung A 768 des Staatsarchivs Hamburg: Hamb. Fremdenblatt Nr. 268 vom 14. 11. 1910. — Zur Geschichte einer Hamburgischen Anwaltssozietät, A 452/417 Kapsel l des Staatsarchivs Hamburg (PA Sieveking im Staatsarchiv Hamburg nicht vorhanden).

VI. Mitglieder des Reichstags (Antragsteller in der XII. Kommission und im Plenum) Auer, Ignaz (* 19. 4. 1846 Dommelstadl bei Passau, f 10. 4. 1907 in Berlin). Mitglied der Fraktion der Sozialdemokraten für den Wahlkreis Sachsen (Glauchau-Meerane). Auer erlernte das Satderhandwerk, schloß sich als Wandergeselle der sozialdemokratischen Bewegung an, wurde 1872 Vorsitzender des „Allgemeinen Deutschen Sattlervereins " in Berlin, 1873 Expedient des Dresdener „Volksboten", 1874 Sekretär der Hamburger Organisation der Eisenacher Partei A. Bebels und nahm 1875 an der Vereinigung der beiden sozialdemokratischen Parteien in Gotha teil. 1877 erstmals in den Reichstag gewählt und in die Redaktion der „Berliner Freien Presse" entsandt, wurde er 1878 aus Berlin und 1880 aus Hamburg wegen seines Eintretens für die Partei ausgewiesen, und lebte dann fünf Jahre als Möbelhändler in Schwerin. Seit 1890 hauptamtliches Mitglied des sozialdemokratischen Parteivorstandes, neben A. Bebel und W. Liebknecht führend in der Sozialdemokratischen Partei. Mitglied des Reichstags bis zu seinem Tode. 115

Kurzbiographien der Verfasser des BGB Quellen

Amtl. RT-Handbuch, 1893, S. 138. - P. Mayer, I. A. in: NDB Bd. l, (Berlin 1953) S. 430. F. Osterrotb, Biogr. Lexikon des Sozialismus, Bd. I, Hannover 1960, S. 349. — Schwarz, S. 257. Bachern, Karl Josef Emil (* 22. 9. 1858 Köln, f 11. 12. 1945 Burgsteinfurth, katholisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Von Oktober 1889 bis Januar 1907 Zentrumsabgeordneter im Reichstag für den Wahlkreis Düsseldorf. Bachern entstammte einer rheinischen Verlegerfamilie. Vom Vater Josef B. zum Schriftleiter der mitbegründeten „Kölnischen Volkszeitung" bestimmt, schlug er den vorgezeichneten Weg nicht ein, sondern ließ sich nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Straßburg 1886 in Köln als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht nieder. Er war Träger der Verhandlungen mit dem Vatikan bei Abschluß des Kulturkampfes. 1889 wurde er in das preußische Abgeordnetenhaus und in den Reichstag gewählt. Als einer der Hauptvertreter des Zentrums setzte er sich entschieden für eine Mäßigung der Partei ein. Bevor er 1896 in der Reichstagskommission mit dem Referat über das Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs betraut wurde, hatte ihm bereits 1890 das Referat über den Entwurf eines Reichsgesetzes betreffend die Gewerbegerichte oblegen. Quellen A. Rittbaler, C. B. in: NDB, Bd. I (Berlin 1953), S. 494. - Schwarz, S. 258. Bennigsen, Karl Wilhelm Rudolf von, Dr. iur. h. c. (* 10. 7. 1824 Lüneburg, t 7. 8. 1902 auf Bennigsen bei Springe, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission, Vertreter der Nationalliberalen Partei für den Wahlkreis Hannover von 1887—98 im Reichstag. Bennigsen, Sohn des hannov. General- und Militärbevollm. beim Bundesrat Karl v. B., trat nach dem Studium der Rechte in Göttingen und Heidelberg zunächst als Amtsauditor in den Staatsdienst ein, aus dem er zehn Jahre später als Obergerichtassessor in Göttingen wieder ausschied, weil ihm der Urlaub zur Ausübung seines Abgeord.Mandats verweigert worden war. B. war Mitbegründer des „Deutschen Nationalvereins'' und dessen Präsident von 1859 — 67. Von 1856—1866 Führer der Hannoverschen Opposition, danach Mitglied des Norddeutschen Reichstags und des Preuß. Abgeordnetenhauses, dessen Vizepräsident von 1867— 73 und Präsident 1873 — 1879 (Führer der Nationalliberalen Partei), trat er 1887 nochmals an die Spitze seiner Partei im Reichstag, nachdem er 1883 seine Mandate niedergelegt hatte. Von 1888 — 97 Oberpräsident von Hannover. An der Justizgesetzgebung von 1876 war er maßgeblich beteiligt. 1877/78 scheiterte eine Ministerkandidatur Bennigsens. Quellen H. Oncken, Rudolf v. Bennigsen, 2 Bde. Stuttgart/Leipzig 1910. - Kosch, Biogr. StaHB I, S. 91/92. - H. Herzfeld, R. v. B., NDB Bd. 2, 1955. S. 50-52. - C. Moeller, R. v. B., in: Die Woche, Nr. 33 vom 16. 8. 1902 (Bd. III). Böhme, Carl Emil Hugo, Dr. iur. (* 13. 7. 1842 Reudnitz bei Leipzig, 110. 5. 1904, evangelisch). Nationalliberaler Abgeordneter für den Wahlkreis Sachsen (AnnabergSchwarzenburg). Rechtsanwalt seit 1868 und Notar seit 1873 in Annaberg im Erzgebirge, Justizrat. Mitglied des Reichstags seit 1871 (Fortschrittspartei) bis Juni 1898. Seit 1875 Mitglied der II. Kammer im Sachs. Landtag.

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VI. Mitglieder des Reichstags (Antragsteller in der XII. Kommission und im Plenum Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 147. - Schwarz, S. 274.

Bumiller, Lamben (* 15. 10. 1852 Jungingen bei Hechingen, f 19. 8. 1908 Ostrach, katholisch). Zentrumsabgeordneter für den Wahlkreis Hohenzollern'sche Lande, Mitglied des Reichstags von Juni 1893 - 16. 12. 1905. Katholischer Pfarrer in Ostrach (Hohenzollern) seit 1891, zuvor, nach dem Studium in Innsbruck und Löwen, Hilfspfarrer in Württemberg, Katechet in Böhmen, Studienpräfekt in Sigmaringen und sieben Jahre Religionslehrer in Hechingen. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 152. - Schwarz, S. 284/285.

Buchka, Gerhard von, Dr. iur. (* 22. 12. 1851 Neustrelitz, t 1935, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission (Berichterstatter des Sachenrechts). Mitglied des Reichstags von Juni 1893 bis 26. 4. 1898 als Vertreter der Deutsch-konservativen Partei für den Wahlkreis Mecklenburg-Schwerin (Rostock). Buchka begann seine juristische Laufbahn nach dem Studium in München, Göttingen und Rostock 1873 als Amtsauditor in Schwerin. 1877 wurde er Justizrat in Rostock, 1879 Landgerichtsrat in Schwerin und 1884 Landgerichtsdirektor in Güstrow. 1886 kam er als Oberlandesgerichtsrat zurück nach Rostock. Von 1898 bis 1900 leitete, er als Direktor die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes. Im Jahre 1902 wurde er zum Vizekanzler der Universität Rostock ernannt (auch Geh. Legationsrat). Buchka schrieb neben zahlreichen Abhandlungen zum BGB in der Deutschen Juristenzeitung (DJZ 1896, 1897, 1898,. 1900, 1901, 1908, 1909, 1913 und 1914) auch verschiedene Aufsätze (Bd. 4ff. 1884) in der „Mecklenburgischen Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft", deren Mitherausgeber er gewesen ist. 1875 erschien eine Monographie über „Die Hypothek des Eigentümers nach den neuesten deutschen Gesetzgebungen und in ihrem Verhältnis zum römischen Recht" (Wismar 1875). Einer vergleichenden Darstellung des bürgerlichen Gesetzbuches und der Landesrechte (Berlin 1897/98) folgte eine solche über die ZPO, KO und das HGB in alter und neuer Gestalt (zusammen mit F. Oe£&erhrsg., Berlin 1899). Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 151. - Kosch, Biogr. StaHB L, S. 176.

Cuny, Ludwig von (Siehe 2. Kommission) Dieden, Christian (* 17. 12.1810 Uerzig a. d. Mosel, t 28. 12.1898 ebenda, katholisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Trier (Witdich-Bernkastel). Weingutsbesitzer aus Uerzig an der Mosel; Mitglied des Reichstags von 1874 bis 28. 12. 1898 und des preußischen Abgeordnetenhauses (1854/55,1860-61 und 1873). Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 159. - Schwarz, S. 295.

Dziembowski-Pomian, Sigismund von, Dr. iur. (* 5. 10. 1858 Schloß Goranin, Kreis Konin, f 20. 7. 1918 Posen, katholisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Mitglied der Fraktion der Polen im Reichstag. Abgeordneter für den Wahlkreis Posen (Wreschen-Pleschen). MdR vom 16. 4.1889 - Juni 1903 und 1907 bis 1912. Dziembowski-Pomian besuchte das Mariengymnasium in Posen, studierte die 117

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Rechte an der Universität Breslau, promovierte 1880 zum Dr. iur. und führte als Rechtsanwalt (OLG Posen) auch politische Prozesse. Seit 1889 Stadtverordneter in Posen. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 161. - Schwarz, S. 301.

Enneccerus, Ludwig Karl Martin, Dr. iur., ord. Prof. der Rechte (* 1. 4. 1843 Neustadt am Rübenberge/Hannover, 131. 5. 1928 Marburg/Lahn, lutherisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Vertreter der nationalliberalen Partei im Reichstag für den Wahlkreis Oldenburg (Oldenburg-Lübeck-Birkenfeld). Enneccerus, Sohn des Pastors Ludwig E., bezog 17jährig die Universität Göttingen zum Studium der Mathematik, später der Rechtswissenschaft, promovierte am 23. 6. 1868 „summa cum laude" und habilitierte sich am 22. 4. 1870 für Römisches Recht. Am 17. 4. 1872 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt. 1873 folgte er einem Ruf als Ordinarius von Göttingen nach Marburg, wo er bis 1921 lehrte. Parlamentarisch tätig: Mitglied des Kommunallandtags des Bezirks Kassel (1874), des hessischen Provinziallandtags (1879) und des Provinzialrats des Kreistags (1886), vom 26. 10. 1882 bis 1898 Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhauses und von 1887-90 und 1893-98 des Reichstags. Er war auch Berichterstatter in der Kommission für das Genossenschaftsgesetz im Reichstag. In der XII. Reichstagskommission übernahm er die Berichterstattung für den Allgemeinen Teil und das Schuldrecht des BGB-Entwurfs. Von Enneccerus stammt eines der ersten, später führenden Lehrbücher zum BGB (Das bürgerl. Recht, Bd. I, AT und SchuldR, Marburg 1898. - Bd. II, SachenR, FamR, ErbR von O. Lehmann, Marburg 1901). Quellen I. (Auswahl) S. Heyer, L. E., NDB Bd. 4, Berlin 1959, S. 536-537. - Dm., L. E. in: Lebensläufe aus Kurhessen und Waldeck, Bd. IV, Marburg 1950, S. 59ff. - Heymann, DJZ 1913,452 und 1928, 435. - A. Manigk, E. L., DBJ Bd. 10, 1928, S. 56ff. u. Anhang Sp. 322 (m. w. Literaturnachw.). - Dm., E. L., ZfRG Rom. Abt. Bd. 49, 1929, S. 698ff. mit Werkverzeichnis. - II. PA Vol. I Repos. II Titel II Lit. A b Nr. 21 des Universitäts-Kuratoriums Marburg, Universitätsregistratur Marburg.

Frohme, Karl Franz Eugen (* 4. 2. 1850 Hannover, t 9. 2. 1933 Hamburg, Dissident). Mitglied der XII. RT-Kommission. Sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Schleswig-Holstein (Altona-Stormarn). Frohme, zunächst als Maschinenbauer tätig, studierte Geschichte und Nationalökonomie und unternahm zahlreiche Studienreisen ins Ausland. Seit 1870 war er als Journalist politisch tätig und wurde deshalb mehrfach zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt. Redakteur des „Volksfreunds" in Frankfurt (1875) und seit 1880 des „Hamburger Echos". MdR von 1881 bis 1924. QueUen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 166. - Kosch, Biogr. StaHB I, S. 363. - F. Osterrotb, Biogr. Lexikon des Sozialismus, Bd. I, Hannover 1960, S. 89/90. - Schwarz, S. 317.

Gröber, Adolf (* 11. 2. 1854 Riedlingen, t 19. 11. 1919 Berlin, katholisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Württemberg (Esingen-Laupheim-Blaubeuren). 118

VI. Mitglieder des Reichstags (Antragsteller in der XII. Kommission und im Plenum

Gröber, Sohn eines Kunsthandwerkers, studierte Rechtswissenschaft in Tübingen, Leipzig und Straßburg. Seit 1878 war er als Richter und Staatsanwalt in Württemberg tätig. 1895 wurde er zum Landgerichtsrat und 1912 zum Landgerichtsdirektor in Heilbronn ernannt. Seit 1887 gehörte er dem Reichstag an. Seit 1889 war er Mitglied der zweiten Kammer des Württ. Landtags, wo er mehrere Jahre lang Berichterstatter des Einkommensteuergesetzes war (1893 auch Berichterstatter der Militärkommission). Im August 1917 trat er die Nachfolge Spahns als Vorsitzender des Reichstagszentrums an, wurde dann Vorsitzender der Gesamtpartei und im Oktober 1918 Staatssekretär im Reichskabinett des Prinzen Max von Baden. Als Mitglied der Nationalversammlung arbeitete er an der Weimarer Verfassung mit. Quellen Carl Bachern, A. G., DBJ 2. Überleitungsband 1928, S. 388 ff. - Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 171/172. - Schwarz, S. 330.

Haußmann, Conrad, Dr. iur. (* 8. 2. 1857 Stuttgart, f H. 2. 1922 Stuttgart, evangelisch). Abgeordneter der Deutschen Volkspartei aus dem Wahlkreis Württemberg (Balingen-Rottweil). Haußmann, Sohn des Demokratenführers Julius H. und Zwillingsbruder des Vorsitzenden der Deutschen Volkspartei, Friedrich H., ließ sich 1883 zusammen mit diesem in Stuttgart als Rechtsanwalt nieder. Seit 1889 war er Mitglied des Württ. Landtags, seit 1890 des Reichstags. 1918 kam er als Staatssekretär in das Reichskabinett des mit ihm befreundeten Prinzen Max von Baden. In der Weimarer Nationalversammlung gehörte er der Fraktion der Deutschen Demokratischen Partei an und war dort Vorsitzender des Verfassungsausschusses. Daneben war er als Publizist, Essayist, Lyriker und Übersetzer tätig. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 177. - Kosch, Biogr. StaHB I, S. 483. - Schwarz, S. 340.

Himburg, Ernst, Dr. iur. (* 18. 3. 1851 Hohengöhren in der Altmark, Todesdatum unbekannt, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Abgeordneter der deutsch-konservativen Partei. Himburg besuchte das Gymnasium in Stendal und studierte anschließend Rechtswissenschaft in Heidelberg und Berlin. Als Referendar war er in Genthin und Magdeburg tätig. 1881 wurde er Gerichtsassessor in Magdeburg, später in Stendal, Osnabrück und Jerichow. 1887 kam er als Amtsrichter nach Osterburg. Er besaß dort ein Rittergut. Quellen Schwarz, S. 295. — Zeitgenossenlexikon Sp. 608.

Kauffmann, Gustav (* 23. 9. 1854 Stolp/Pommern, t 2. 10. 1902 Berlin, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Abgeordneter der Freisinnigen Volkspartei aus dem Wahlkreis Liegnitz (Liegnitz-Goldberg-Haynau). Kauffmann wurde 1880 beim Landgericht I in Berlin als Rechtsanwalt zugelassen. 1891 erfolgte die Ernennung zum Notar. Seit 1898 war er als Kommunalpolitiker tätig (Mitglied des Magistrats, Stadtrat) und zweimal Bürgermeister von Berlin. Auch als Publizist trat er hervor. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 190. - Die Woche Nr. 18 vom 4. 5. 1901, S. 1890 und Nr. 41 vom 11. 10. 1902,5.788.

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Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Lenzmann, Julius (* 8. 11. 1848 Hagen/Westf., t 21. 3. 1906 Berlin, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Abgeordneter der Deutsch-Freisinnigen Volkspartei aus dem Wahlkreis Amsberg (Altena-Iserlohn). Lenzmann war bis 1874 als Kreisrichter und danach als Rechtsanwalt und Notar in Lüdenscheid tätig. Außerdem war er Mitglied des Magistrats der Stadt Lüdenscheid und des Kreistages für Altena. MdR seit 1881. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 200. - Kosck, Biogr. StaHB II, S. 754/755. - Schwarz, S. 386.

Lerno, Franz Xaver (* 13. 2. 1849 Straubing, t 18. 1. 1920 München, katholisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Oberpfalz (Amberg). Lerno besuchte das Gymnasium in Straubing und Regensburg. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaft in Würzburg. 1879 wurde er III. Staatsanwalt am Landgericht Straubing, 1880 Amtsrichter in Nürnberg, 1883 Amtsrichter in Passau, 1886 II. Staatsanwalt am Landgericht München I und 1890 Landgerichtsrat in Weiden. Zuletzt war er Generalstaatsanwalt und Senatspräsident am Oberlandesgericht München. Mitglied des Bayerischen Landtags. MdR von Juni 1893 bis Juni 1903. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 200. - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 757/758.

Letocha, Paul (* 17. 1. 1834 Radzionkau/Oberschlesien, f 5. 2. 1901 Ziegenhals, katholisch). Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Oppeln (Kattowitz-Zabrze). Letocha studierte Rechtswissenschaft in Breslau und Berlin. Von 1857 bis 1862 war er als Auskultator und Referendar in den Bezirken der Appellationsgerichte von Ratibor, Breslau und Bromberg tätig. 1862 wurde er zum Gerichtsassessor ernannt. Anschließend war er in richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Stellung in Berlin tätig. Nach zehnjähriger Tätigkeit als Kreisrichter in Berlin kam er 1873 als Gerichtskommissarius nach Storkow und 1882 zurück an das Amtsgericht I in Berlin. Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses seit 1882. MdR von 1884 bis 1903, zugleich Mitglied der Reichsschuldenkommission. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 201. - Schwarz, S. 387.

Lieber, Ernst Philipp, Dr. iur. (* 16. 11. 1838 Camberg/Hessen-Nassau, t 31. 3. 1902 Camberg, katholisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Wiesbaden (Unterwesterwald-Rheingau). Lieber besuchte das Gymnasium in Aschaffenburg und Hadamar und studierte Rechtswissenschaft in Würzburg, München, Bonn und Heidelberg. Danach war er zunächst Privatgelehrter. Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses seit 1870. MDR von 1871 bis 1902. Nach dem Tode Windthorsts (1891) Führer des linksliberalen Flügels des Zentrums. Bedeutend war Lieber auch auf dem Gebiet der Gesetzgebung. Neben Spahn, Gröber und Bachern hat er durch seine praktische Kompromißpolitik zum Zustandekommen des BGB beigetragen. Auf ihn gehen die Leges Lieber (Gesetze über die Schuldentilgung) zurück. 120

VI. Mitglieder des Reichstags (Antragsteller in der XII. Kommission und im Plenum

Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 202/203. - IZBd. 118, Nr. 3067 vom 10. 4. 1902. Maltzan, Wilhelm Freiherr von und zu Wartenberg und Penzlin (* 20. 2. 1854 Moltzow/Mecklenburg-Schwerin, t 28. 9. 1933 Moltzow, evangelisch). Abgeordneter der Deutsch-Konservativen Partei aus dem Wahlkreis Mecklenburg-Schwerin (MalchinWaren). MdR von Juni 1893 bis Juni 1898. Maltzan studierte nach dem Abitur am Gymnasium in Lübeck Rechtswissenschaft in Heidelberg und Göttingen. Von 1877—1880 war er als Referendar in Merseburg und Hannover tätig. Seit 1886 Deputierter der Ritterschaft des wendischen Kreises. Im Dezember 1892 wurde er zum Landrat des Herzogtums Güstrow ernannt. Er besaß ein Rittergut in Moltzow in Mecklenburg-Schwerin. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 207. - Schwarz, S. 395. Marbe, Ludwig August (* 30. 8. 1839 Freiburg, f 20. 9. 1907 Freiburg, katholisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Baden (Freiburg). Marbe studierte in Freiburg und München Rechtswissenschaft. 1862 begann er als Rechtspraktikant, wurde 1866 Referendar und ließ sich 1869 als Rechtsanwalt in Freiburg nieder. Seit 1871 Landtagsabgeordneter, von 1881-1887 Stadtrat. MdR von 1884 bis Januar 1907. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 208. - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 813. - Schwarz, S. 396.

Müller, Wilhelm (* 22. 3. 1830 Scheeßeln/Hannover, t 14. 5. 1915, evangelischlutherisch). Abgeordneter der Deutschen Reichspartei aus dem Wahlkreis Hannover (Harburg). MdR von Juni 1893 bis Juni 1898. Müller widmete sich nach dem Studium am Polytechnikum in Hannover der Bewirtschaftung seiner Güter in Scheeßeln Mühle bei Scheeßel im Königreich Hannover (ökonomierat). Präsident des Provinzial-Landwirtschaftsvereins für den Regierungsbezirk Stade. Vorsitzender des hannoverschen Sparkassenverbandes. Mitglied der Landessynode Hannover, des Bezirksausschusses Stade und des Landes-Eisenbahnrats und Bezirkseisenbahnrats. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 214/215. - Schwarz, S. 409.

Munckel, Carl August (* 23. 1. 1837 Pyritz/Pommern, 110. 4. 1903 Berlin, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Abgeordneter der Freisinnigen Volkspartei aus dem Wahlkreis Liegnitz (Grünberg-Freystadt). MdR seit 1881. Munckel wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Berlin dort am 1.1. 1864 zur Advokatur zugelassen. Später erfolgte die Ernennung zum Notar. Seit 1882 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses. Mitglied des Provinziallandtags von Brandenburg. Vorsitzender des Stadtverordneten-Kollegiums von Charlottenburg. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 215. - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 897. - Schwarz, S. 410. 121

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Pauli, Moritz Carl Otto (* 24. 12. 1838 Ottendorf/Schlesien, t 7. 4. 1917 Eberswalde, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Abgeordneter der Deutschen Reichspartei aus dem Wahlkreis Potsdamm (Oberbarnim) in Schlesien. Pauli studierte Mathematik und Naturwissenschaften in Halle und Berlin. Zunächst war er als Lehrer, später als Rektor der höheren Bürgerschule in Luckenwalde und Eberswalde (l. Oberlehrer, Gymnasialprofessor) tätig. Er trat auch als Publizist hervor. MdR von Juni 1893 bis Januar 1912. Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses seit 1898. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 219. - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 959. Sp. 1072/1073.

Zeitgenossenlexikon

Rembold, Alfred Franz (* 27. 9. 1844 Leutkirch i. A., t 12. 12. 1922 Ravensburg, katholisch). Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Württemberg (RavensburgSaulgau). Rembold studierte in München, Heidelberg und Tübingen Rechtswissenschaft. 1867 trat er in den württembergischen Gerichtsdienst ein. Seit 1870 war er als Rechtsanwalt in Ravensburg tätig. MdR vom 21. 3. 1893 bis Juni 1903. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 224/225. - Schwarz, S. 435.

Rintelen, Viktor Dr. iur. h. c. der Universität Löwen (* 17. 8. 1826 Wesel, 121. 9. 1908 Berlin, katholisch). Zentrumsabgeordneter aus dem Wahlkreis Trier. Rintelen trat 1848 in den preußischen Staatsdienst ein, war zunächst Gerichtsassessor (1852), dann Kreisrichter in Dortmund (1855 — 65) und wurde 1871 Appellationsgerichtsrat in Hamm. 1877 kam er als Obertribunalsrat nach Berlin und wurde 1879 Geheimer Oberjustizrat beim Kammergericht und Mitglied des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte. Seit 1883 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses. MdR von Oktober 1884 bis Januar 1907. Publizistisch tätig. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 226/227. - Schwarz, S. 438. - Zeitgenossenlexikon Sp. 1188/1189.

Roon, Waldemar Albrecht Johann Graf von (» 4. 7. 1837 Berlin, t 27. 3. 1919 Krobnitz, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Abgeordneter der DeutschKonservativen Partei aus dem Wahlkreis Minden (Minden-Lübbecke). Offizier seit 1. 5. 1855, Hauptmann im Generalstabe (1864), Teilnahme an dem deutsch-dänischen Krieg in Schleswig (1864) und 1866 an dem Feldzug in Böhmen. Als Major im Generalstabe Teilnahme am deutsch-französischen Krieg 1870/71. Regimentskommandeur seit 1877, Generalmajor (1883) und Generalleutnant (1888). Von 1893 bis 1903 politisch tätig. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 229. - Schwarz, S. 441.

Salisch, Heinrich Rudolf von (* 1.6. 1846 Jeschütz bei Trebnitz/Schlesien, t 6. 3. 1920 Postel, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Mitglied der Deutsch-Konservativen Fraktion im Reichstag aus dem Wahlkreis Breslau (MilitschTrebnitz). MdR von Juni 1893 bis Juni 1903. 122

VI. Mitglieder des Reichstags (Antragsteller in der XII. Kommission und im Plenum

Salisch besuchte die Forstakademie Eberswalde und die Universitäten Breslau und Heidelberg. Er schlug die Staatsforstlaufbahn ein (1867—74) und war danach Standesbeamter. Mitglied des Kreisausschusses und Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 231. - Schwarz, S. 444.

Schröder, Hugo (* 10. 4. 1829 Insterburg, f 25. 9. 1899 Eisenach, evangelisch). Mitglied der XII. RT-Kommission. Abgeordneter der Freisinnigen Vereinigung aus dem Wahlkreis Frankfurt/O. (Landsberg-Soldin). Schröder, Sohn des Berliner Stadtgerichtspräsidenten, studierte nach dem Besuch der Gymnasien in Königsberg und Berlin, Rechtswissenschaft an den Universitäten in Berlin und Breslau. Anschließend wurde er Referendar (1850) und Gerichtsassessor (1854). Nach kurzer Tätigkeit bei der kgl. Eisenbahn-Direktion in Bromberg, trat er in den preuß. Justizdienst ein: Staatsanwalt am Kreisgericht Suhl in Pommern (1856—1862), später in Wittenberg. Seit 1862 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses. Im gleichen Jahr Entlassung aus dem Staatsdienst wegen einer Abstimmung im preuß. Abgeordnetenhaus. Nach Rückkehr in den Staatsdienst im Jahre 1875 wurde er zum Rat beim Stadtgericht in Berlin ernannt, seit 1877 Kammergerichtsrat. Anschließend kam er als Rat an das neu begründete Verwaltungsgericht. Publizistisch tätig. Redakteur der "Nationalzeitung". MdR von 1874—1898. Auf kirchlichem und kirchenpolitischem Gebiet tätig: Förderer des 1863 in Frankfurt/O. begründeten „Protestantenvereins", Präsident desselben seit 1880. Vorsitzender der „Vereinigten Kreissynode", Mitglied der Brandenburgischen Provinzialsynode, von 1881 — 90 Vorsitzender der Berliner Stadtsynode. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 237. - Kohhchmidt, H. S. in: BJ Bd. 4, 1899 (Berlin 1900), S. 167/68.

Spahn, Peter (Siehe 2. Kommission) Stadthagen, Arthur (* 23. 5. 1857 Berlin, t 4. 12. 1917 Berlin, mosaisch/später religionslos). Mitglied der XII. RT-Kommission. Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag aus dem Wahlkreis Potsdam (Niederbarnim). MdR von Februar 1890 bis 4. 12.1917. Stadthagen besuchte das Friedrichs-Gymnasium und die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Nach Abschluß des Assessorexamens am 26. 3. 1884, erhielt er am 19. 5. 1884 die Zulassung als Rechtsanwalt. Seit 1889 Stadtverordneter in Berlin. Am 17. 11. 1892 wurde er durch Urteil des Ehrengerichtshofes in Leipzig aus dem Anwaltstande entfernt. In einer öffentl. Rede hatte er zur Qualität der Richter in Preußen und im Reich Stellung genommen. Darüber hinaus wurden viele Prozesse gegen ihn wegen seiner politischen Tätigkeit und der Übernahme der Verteidigung in politischen Prozessen eingeleitet. Zehn Jahre lang Redakteur des „Vorwärts", nahm er sich in seiner publizistischen Tätigkeit namentlich der Arbeiterfragen an. Quellen Amtl. RT-Handbuch 1893, S. 243. - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 1120. - Osterroth, Biogr. Lexikon des Sozialismus, Bd. I, S. 296/297. - Schwarz, S. 470. 123

Kurzbiographien der Verfasser des BGB

Stumm-Halberg, Karl Ferdinand Freiherr von (seit 1888) (* 30. 3. 1836 Saarbrükken, f 8. 3. 1901 Schloß Halberg bei Saarbrücken, evangelisch). Mitglied der XII. RTKommission. Abgeordneter der Reichspartei aus dem Wahlkreis Trier. Stumm-Halberg besuchte die Universitäten Bonn und Berlin, übernahm 22jährig die Leitung der umfangreichen Werke seines Vaters (begr. 1715) und baute die Firma Gebr. Stumm in Neunkirchen zum führenden Werk der saarländischen Schwerindustrie (mit 10000 Beschäftigten) aus. Für seine Arbeiter schuf er zahlreiche Wohlfahrtseinrichtungen und regte im Parlament sozialpolitische Einrichtungen an. Gegner der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften. Mitbegründer der Deutschen Reichspartei. Mitglied des Abgeordnetenhauses seit 1867, MdR von 1867-81,1889-1901. Seit 1882 lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses. Quellen IZ Bd. 116a, b, Nr. 3011 vom 14. 3. 1901 und die „Stumm-Nr." vom 11. 4. 1901. - Kosch, Biogr. StaHB II, S. 1140.

Vielhaben, Georg Wilhelm, Dr. iur. (* 6. 7. 1860 Bremen, | 10. 7. 1927 Hamburg, evangelisch). Abgeordneter der Deutsch-Sozialen Reformpartei aus dem Wahlkreis Kassel. Vielhaben besuchte die Realschule in Bremerhaven, das Gymnasium in Bremen und studierte Rechtswissenschaft in Berlin. Im Juni 1885 wurde er Referendar in Hamburg, im März 1889 ließ er sich dort als Rechtsanwalt nieder. Von 1891 — 93 Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Hamburg-Altona, ferner Mitglied der Hamburger Kommission zur Errichtung von Arbeitsnachweisen. Am 23. 4. 1895 erstmals in den Reichstag gewählt, legte er das Mandat am l. 6. 1900 wieder nieder. Quellen Nachtrag zum Amtl. RT-Handbuch für die 9. LP 1893/98 (Berün 1896), S. 26/27. - Kartei V. des Politikerarchivs, Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestags.

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Materialien zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs auf das gesamte bürgerliche Recht Der Reichstag des Norddeutschen Bundes nahm am 5. 5. 1869 den Antrag von Miquel-Lasker auf Erlaß eines Gesetzes an, durch das dem Bund die gemeinsame Gesetzgebung über „das gesammte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren, einschließlich der Gerichtsorganisation'' zugewiesen werden sollte, an.1. Der Antrag wurde in den Jahren 1871,1872 und 1873 von den Nationalliberalen wiederholt und mit großer Mehrheit angenommen. Der Bundesrat beschäftigte sich seit 1869 regelmäßig mit diesem Antrag und billigte ihn erst in der Sitzung vom 12. 12. 1873. Im folgenden werden einige Quellen zur Behandlung des Antrags der Nationalliberalen durch den Bundesrat und die größeren Bundesstaaten mitgeteilt.

I. Bericht von Krüger (Lübeck) vom 8. 6. 1869 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 8.6.18692 In der heutigen Sitzung des Justiz-Ausschusses referirte Herr von Watzdorf3 über den vom Reichstage angenommenen Antrag, das gesammte bürgerliche Recht sowie die Organisation der Gerichte in die Kompetenz der Bundesgesetzgebung einzureihen. Derselbe erachtete es für bedenklich, diesem Antrage Folge zu geben, theils weil man schon im Prinzipe Kompetenzerweiterungen thunlichst entgegentreten müsse, theils weil das bürgerliche Recht großenteils dem individuellen Leben der Einzelstaaten angehöre, in welches bundesseitig einzugreifen schädlich sei. Sollte für eine Rechtsmaterie sich ein Bedürfniß gemeinsamer Regelung herausstellen, so werde man sich durch eine Verfassungsinterpretation, wie sie schon mehrfach Statt gehabt habe, helfen können, ohne eine Aenderung der Verfassung vornehmen zu müssen. Er rathe deshalb, die Ablehnung des Antrages dem Bundesrathe zu empfehlen. Geh. Rath Klemm4 trat diesen Ausführungen für Sachsen bei, indem er geltend machte, daß die Gesetzgebung der Einzelstaaten gelähmt werde, wenn das gesammte Rechtsgebiet der Kompetenz der Bundesorgane unterstellt würde. Diesen Ausführungen gegenüber erklärte ich meine persönliche Ansicht dahin, daß ich die geäußerten Bedenken vollkommen theilen und den gestellten Antrag auch meiVgl. hierzu und zum folgenden die Abhandlung von Laufs, JuS 1973, S. 742 ff. m. w. N. Zitiert nach den Beständen des Archivs der Hansestadt Lübeck (13 w I, vol. A Fase. 6; hier auch die folgenden Berichte von Krüger). Christian Bernhard von Watzdorf (1804—1870) vertrat die Interessen Weimars in Berlin. Er entstammte einem alten thüringischen Adelsgeschlecht. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Leipzig war er zunächst im Justizdienst des Königreichs Sachsen tätig, ehe er 1843 in den großherzoglich sächsischen Staatsdienst als Nachfolger des Staatsministers v. Fritsch eintrat (vgl. Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat, Stuttgart und Berlin, 1897, Bd. l, S. 71 ff.). 4 Klemm war stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat für das Königreich Sachsen (seit 1871 Präsident des sächs. Appellationsgerichts, später des OLG; vgl. Poschinger, a. a. O., Bd. 2, S. 203 f.). 125

Materialien zur Entstehung des BGB

nerseits unterstützen würde, wenn nicht durch den Beschluß über das Oberhandelsgericht5 die Sachlage völlig alterirt wäre. Es scheine mir ein Widerspruch in sich selbst zu sein, von Bundeswegen einen gemeinsamen obersten Gerichtshof zu constituiren, und dem Bunde die Möglichkeit zu entziehen, diesem Gerichtshofe durch eine gemeinsame bürgerliche Gesetzgebung eine übereinstimmende Grundlage für seine Erkenntnisse zu geben. Denn daß das Oberhandelsgericht die Quelle seiner Entscheidungen nur zu geringem Theile aus dem Handelsgesetzbuche und Wechselrecht entnehmen könne, werde kaum von irgendeiner Seite noch bestritten werden. Solle aus dieser Institution überhaupt etwas Gedeihliches werden, so müsse für die Kodifikation des bürgerlichen Rechts und vor allem für Ausarbeitung des allgemeinen Theils desselben Sorge getragen werden. Die noch bestehende Verschiedenheit der Ansichten über die obersten Rechtsnormen müsse die Uebereinstimmung der Rechtsprechung auch in Handelssachen erheblich beeinträchtigen. Den Beschluß wegen des Oberhandelsgerichts hätten die Hansestädte nicht zu verantworten. Daß aber durch ihn allein der Miquel-Laskersche Antrag provocirt worden, lasse sich bei unbefangener Erwägung gar nicht verkennen und ich könne auch den letzteren nur als die nothwendige Konsequenz und Ergänzung des Ersteren betrachten. Daß es Rechtsgebiete gebe, die von einer einheitlichen Regelung auszunehmen seien, wie z. B. das eheliche Güterrecht, das Erbrecht usw. werde von keiner Seite bestritten und ich würde deshalb empfehlen, nicht das gesammte bürgerliche Recht, wie es der Reichstagsbeschluß beantragt habe, sondern das bürgerliche Recht ohne jenen Zusatz, in die Kompetenzbestimmungen der Verfassung aufzunehmen, beziehungsweise einen dahin gehenden Antrag dem Reichstage in seiner nächsten Session vorzulegen. Eventuell würde ich nichts dagegen einwenden, wenn man gewisse Rechtsmaterien, wie die vorgenannten, von der Bundeskompetenz ausschließen wolle. Zu einer Ablehnung des ganzen Antrages aber könne ich aus den dargelegten Gründen nicht rathen. Auch den vom Referenten vorgeschlagenen Ausweg, sich durch Verfassungsinterpretation, oder durch Zweidrittelmajorität zu helfen, wenn das Bedürfniß hervortrete, eine einzelne Rechtsmaterie von Bundeswegen zu regeln, könne ich mich nicht anschließen. Durch gewaltsames Hineininterpretiren in die Verfassung, wie es nach meiner Ansicht bei dem Oberhandelsgerichte geschehen sei, werde man den Verfassungsboden viel ernstlicher erschüttern, als durch Aenderung einer einzelnen Bestimmung. Der Ausweg aber, im Wege der Zweidrittelmajorität bei einer Gesetzesvorlage impticite die Verfassung abzuändern, scheine mir nicht minder bedenklich, man werde schließlich gar nicht mehr wissen, was eigentlich Verfassungsrecht sei. Mein Votum könne ich hiernach nur dahin abgeben, dem Bundesrathe den Reichstagsbeschluß als eine Konsequenz des Gesetzentwurfs über das Oberhandelsgericht mit Streichung des Wortes „gesammtes" zur Annahme zu empfehlen. Geh. Rath Pape6 trat in der Sache meinen Ausführungen bei, stellte jedoch anheim, 5

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Die Errichtung des Bundes- (später Reichs-) Oberhandelsgerichts war von Sachsen in der Session 1869 des Bundesrates beantragt worden. Im Justizausschuß trat die Majorität für diesen Antrag ein (Preußen, Sachsen, Sachsen-Weimar und Coburg-Gotha; ablehnend Lübeck). Bei der Beratung der Kompetenzfrage (Art. 4 Ziff. 13 der Verf.) stellte Lübeck hilfsweise den von der Mehrheit abgelehnten Antrag, sofort einen obersten Gerichtshof zu beschließen. Im Plenum vertraten u. a. Hessen, Mecklenburg und Hamburg die Meinung, für das Gesetz sei die für eine Verfassungsänderung notwendige Mehrheit erforderlich (diese Problematik war erledigt, nachdem § l des Entwurfs mit einer Mehrheit von 37 Stimmen angenommen worden war). Gegen das Gesetz stimmten die beiden Mecklenburg, Hessen, Lübeck, Bremen und Hamburg. Im Reichstag stieß die Vorlage auf keine größeren Schwierigkeiten (eine Abhandlung über die Entstehungsgeschichte des Reichs-Oberhandelsgerichts ist in Vorbereitung). Pape vertrat die preußischen Interessen (über Pape vgl. oben S. 79 ff.).

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A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

ob man nicht bei der vorhandenen Divergenz der Ansichten, und mit Rücksicht darauf, daß es zweifelhaft sein könne, ob der von mir gestellte Antrag die Zweidrittelmajorität erlangen würde, dem Bundesrathe empfehlen könne, den Gesetzesvorschlag des Reichstages einstweilen auf sich beruhen zu lassen, da augenblicklich ein praktisches Bedürfniß zu einer Entscheidung über denselben nicht vorliege. Diesem Auswege schlössen Sachsen und Weimar sich an, während ich mir die definitive Aeußerung darüber vorbehielt7. .. II. Der Antrag von Lasker im Bundesrat 1871 1. Bericht von Krüger (Lübeck) vom 9.12.1871 über die Sitzung der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen am 9. 12. 1871 Der mit großer Majorität vom Reichstage angenommene Lasker'sche Antrag wegen Erweiterung der Reichskompetenz auf das bürgerliche Recht und die Gerichtsorganisation war dem Tribunalrath Kohlhaas8 aus Stuttgart zum Referat, jedoch mit der Weisung überwiesen, daß die Sache keine Eile habe. Am letzten Donnerstag sprach Minister Delbrück unerwartet den dringenden Wunsch aus, daß die Ausschüsse für Verfassung und Justiz vor Abreise der Bevollmächtigten darüber in Berathung treten möchten. — In Folge dessen haben die Ausschüsse gestern über jenen Gegenstand verhandelt. Der Referent Kohlhaas sprach sich in seinem Vortrage entschieden gegen den Lasker'schen Antrag aus. Die Reichsverfassung sei erst vor Jahresfrist zum Abschluß gebracht. Schon dieser Grund müsse hinreichen, ihrer Aenderung entgegenzutreten. Letztere sei auch durch sachliche Gründe nicht geboten. Mit gutem Vorbedacht habe die Verfassung die Reichskompetenz auf das Obligationen- und Handelsrecht beschränkt; diese dienten den Beziehungen des allgemeinen Verkehrs. Das Personen-, Familien- und Erbrecht äußerten ihre Wirkung in beschränkten Kreisen und seien mit Das Plenum des Bundesrates befaßte sich am 10. 6. 1869 mit dem Antrag von Lasker (§ 269, S. 8 f.). Lübeck erklärte sich mit dem Antrag prinzipiell einverstanden und beantragte lediglich die Streichung des Wortes „gesammte". Die Mehrheit beschloß, dem Reichstagsantrag „keine Folge zu geben". Lübeck gab folgende Erklärung ab: „Abgesehen davon, daß die Bundesgesetzgebung in ihrer fortschreitenden Entwicklung gar nicht wird vermeiden können, in die bürgerliche Gesetzgebung einzugreifen, kommt in Betracht, daß durch den mit dem Reichstage vereinbarten Beschluß über die Errichtung eines Ober-Handelsgerichtshofs eine Lage geschaffen ist, die es zur unabweisbaren Notwendigkeit macht, auch andere TTieile des bürgerlichen Rechts, als das der Bundesgesetzgebung unterstellte Obligationenrecht, in den Kreis der Bundeskompetenz zu ziehen. Schon bei den Verhandlungen über das Ober-Handelsgericht ist hervorgehoben, daß dieser Gerichtshof die Quelle seiner Entscheidungen nur zu geringem Hieile aus dem Handelsgesetzbuche und Wechselrecht zu entnehmen vermag, zu größerem "flieile aber auf das dem Handelsrecht unlösbare Civilrecht hingewiesen ist. Es wird demnach nicht zu leugnen sein, daß der Mangel einheitlicher Grundsätze in Bezug auf das geltende bürgerliche Recht die Judikatur des Ober-Handelsgerichts erschweren und die Wirksamkeit dieser Bundesinstitution erheblich beeinträchtigen muß. Wenn hierbei keineswegs verkannt werden soll, daß es im Civilrecht einzelne Materien giebt, die sich durch ihre Natur der einheitlichen Regelung entziehen, und wenn dem zu Folge der Bevollmächtigte in dem vom Reichstage beschlossenen Gesetzentwurfe die Streichung des Wortes ,gesammte' empfehlen konnte, so glaubt dieser doch im Uebrigen diesen Entwurf als die nothwendige Konsequenz des Beschlusses über die Errichtung eines Ober-Handelsgerichts auffassen zu müssen." Obertribunals-Rat Kohlhaas (geb. 1828) war seit 1868 als vortragender Rat im würnembergischen Justizministerium tätig; seit 1879 Senatspräsident am OLG Stuttgart, dessen Präsident er von 1886-1894 war (Poschinger, a. a. O., Bd. 2, S. 164). 127

Materialien zur Entstehung des BGB

den besonderen Verhältnissen der Territorien eng verwachsen. Die gemeinsame Gesetzgebung auf diesen Gebieten sei gefährlich. Ein Bedürfniß in dieselben einzugreifen, sei jetzt so wenig wie früher vorhanden. Sollte es bei Abfassung des Obligationenrechtes nothwendig werden, einzelne Rechts-institute aus anderen Materien mit in die Bearbeitung hineinzuziehen, so könne man diesem Erforderniß, so weit es reiche, später entgegenkommen. Die Einführung der Prozeß-Ordnung erheische allerdings die Feststellung gewisser gemeinsamer Normen für die Gerichtsorganisation. Soweit dies Maaß gehe, sei eine Abänderung der Verfassung nicht nöthig, darüberhinaus sei sie schädlich. Bei der Allgemeinheit des Lasker'schen Antrages könnten Besetzung, Sitz und Sprengel der Gerichte, Anstellung, Versetzung und Entlassung von Richtern in die Gerichtsorganisation gezogen werden. Der Referent beantragte daher Ablehnung des Lasker'schen Antrages. Minister Delbrück9 hielt den formalen Einwand nicht für zutreffend. Die Verfassung sei im vorigen Jahre nicht gemacht, sondern nur redigirt mit Bezug auf den Eintritt der Südstaaten, ohne wesentliche materielle Aenderung. Mit mehr Grund könne man anführen, daß die Kompetenz der Nr. 13 des An. 4 der Verf. noch nicht durch die Reichsgesetzgebung erschöpft sei. Dagegen komme in Betracht, daß die Sonderung der Rechtsmaterien in der Nr. 13 nicht auf inneren Momenten, sondern auf einem zufälligen Umstände beruhe. Man habe in die Verfassung die Materien aufgenommen, welche vor 1866 als Gegenstände gemeinsamer Gesetzgebung in Anregung gebracht seien. Wenn man im Nordd. Bunde der Ausdehnung der Kompetenz entgegengetreten sei, so habe das Motiv vornehmlich darin gelegen, daß man die Kluft zwischen dem Bunde und Süddeutschland nicht habe erweitern wollen. Jetzt könne die Entscheidung nicht mehr aus formalen, sondern nur aus materiellen Gründen entlehnt werden. Geh. Rath Falk10 verbreitete sich ausführlich über die materielle Seite der Sache: Der Antrag beruhe lediglich auf practischen Gesichtspunkten. Er gebe zu, daß man gewisse Rechtsgebiete der Autonomie den Einzelstaaten nicht nehmen dürfe. Aber welche dies seien, darüber bestehe große Meinungsverschiedenheit. Von der einen Seite würden das Hypothekenrecht und Eherecht als unantastbar, von anderer Seite aber gerade als Gegenstände bezeichnet, deren allgemeine Regelung unerläßlich sei. Das Erbrecht wolle Niemand principaliter regeln, höchstens könne es sich nur um Herstellung eines eventuellen Rechtes handeln, wie es in Preußen eingeführt sei. Jede prinzipielle Aussonderung sei unmöglich, die Rechtslehren hingen eng mit einander zusammen. Man habe das Bedürfniß der vorgeschlagenen Competenzerweiterung geläugnet. Eine Reihe von Reichsgesetzen zeigten das Gegentheil. Bei dem Haftpflichtgesetz11 habe man in dem Paragraphen über die Verjährung die Rechte der Minderjährigen berühren müssen. In der Prozeßordnung würden eine Menge von Bestimmungen in das Civilrecht hinübergreifen. Belehrend seien auch die Erfahrungen über das Dresdener Obligationenrecht. Der Entwurf habe Fiasco gemacht, weil er sich in Schranken bewe9

Martin Friedrich Delbrück (geb. 1817 in Berlin, gest. 1903) trat nach dem Studium der Rechte 1837 in den preuß. Staatsdienst (1848 Ministerialdirektor und Chef der Handelsabteilung); 1867 Präsident des Bundes- (später des Reichs-) Kanzleramts, 1868 preuß. Minister ohne Portefeuille; am 1. 6. 1876 auf eigenen Wunsch entlassen, da er u. a. Bismarcks Schutzzollpolitik ablehnte. 10 Adalbert Falk (geb. 1827 in Metschkau/Schlesien, gest. 1900) war seit 1847 im preuß. Justizdienst tätig, 1861 Hilfsarbeiter im Justizministerium, — seit 1862 Richter in Glogau; von 1868—1872 vortragender Rat im Justizministerium; (Bevollmächtigter zum Bundesrat, Mitglied der CPO-Kommission von 1871/72); anschließend bis 1879 Kultusminister, zuletzt Präsident des OLG Hamm (Poschinger, a. a. O., Bd. l, S. 117). 11 RGB1.1871, S. 207ff. 128

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gen mußte, die einzuhalten unmöglich war. Was die Organisation der Gerichte anbelange, so sei ohne Bestimmung darüber die Rechtsmittel-Lehre gar nicht zu erledigen. Die Schranken der Nr. 13 des Art. 4 der Verfassung führten nothwendig zu einer mangelhaften Gesetzgebung. Es entstehe die Frage, ob man dieselben allgemein beseitigen, oder im einzelnen Falle darüber hinaus gehen wolle. Der letztere Weg sei nicht anzurathen, weil fortwährend die Verfassungsfrage aufgeworfen werden müsse. Ein solches beständiges Zerren an der Verfassung werde die Wirksamkeit der letzteren mehr beeinträchtigen als stärken. Daher könne die Annahme des Lasker'schen Antrages nur befürwortet werden. Herr v. Pfretschner12 schloß sich dem Votum des Württembergischen Referenten an. Der formale Gesichtspunkt sei nicht außer Acht zu lassen, derselbe sei auch bei Ablehnung des Antrages auf Diäten vom Bundesrathe betont. Die Verfassung sei vor Jahresfrist erst mit den süddeutschen Kammern vereinbart. Ein Bedürfniß sie zu ändern, liege jetzt nicht vor. Er wolle die Hoffnung nicht aufgeben, daß eine Fassung gefunden werden könne, welche die erhobenen Bedenken beseitige. Für den Augenblick könne er nicht zustimmen. Geh. Rath Schmalz13 erklärte sich für Sachsen mit der Auffassung von Bayern und Württemberg einverstanden. — Herr v. Türckheim14 bemerkte, daß er die Ansichten der Badischen Regierung noch nicht aussprechen könne, glaubte aber persönlich, den Gründen des Geh. Rath Falk seine Anerkennung nicht versagen zu können. — Herr v. Liebe15 erklärte, daß er beauftragt sei, mit Sachsen zu stimmen. Persönlich halte er nicht viel von Codificationen, doch scheine ihm die Trennung der Rechtsmaterien bedenklich. — Ich16 erklärte mich persönlich mit dem Principe des Antrages einverstanden. Derselbe sei zum dritten Male im Reichstage gestellt und diesmal mit einer sehr großen Majorität angenommen. Der Grund liege in der Unnatur der Zerreißung von Gegenständen, welche innerlich zusammengehörten. Ein solcher Torso sei dem Gewissen des deutschen Juristen zuwider, er widerstrebe der ganzen Bildungsmethode, welche in Deutschland üblich sei, wo man auf den Zusammenhang des Rechtes als eines organischen Ganzen besonderes Gewicht lege. Die Streitfrage sei so erschöpft, daß sich neue Gesichtspunkte für und wider kaum noch geltend machen ließen. Jeder wisse, daß 12

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Adolf von Pfretschner (geb. 1820 in Würzburg, gest. 1901) kam nach Abschluß des Studiums der Rechtswissenschaften 1849 ins bayerische Finanzministerium. Seit 1856 Ministerialrat, wurde er 1865 Handelsminister und leitete ab 1866 das Finanzministerium, bis ihm der König 1872 das Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußern sowie den Vorsitz im Ministerrat übertrug. Pfretschner galt als gemäßigt liberal (vgl. Poschinger, a. a. O., Bd. 2, S. 135 f.). Schmalz (1811 — 1893) widmete sich nach dem Studium der Rechtswissenschaft zunächst der Advokatur und trat dann im Jahre 1848 in den sächsischen Staatsdienst ein (Innenministerium; von 1873 — 1883 Direktor der Ministerialabteilung für Ackerbau, Handel und Gewerbe; vgl. Poschinger, a. a. O., Bd. 2, S. 278). Hans Frh. von Türckheim (1814—1892) war Gesandter Badens in Berlin und dessen stellvertretender Bevollmächtigter beim Bundesrat (Poschinger, a. a. O., Bd. 2, S. 40ff.) Frd. August von Liebe (1809—1885) vertrat die Interessen Braunschweigs im Bundesrat; v. Liebe, Sohn eines Buchhalters, ließ sich nach dem Studium in Göttingen zunächst als Advokat in Braunschweig nieder. 1837 trat er in den Justizdienst Braunschweigs ein. Seit 1841 in der Verwaltung tätig, gelangte er 1848 in den diplomatischen Dienst und vertrat seit 1855 Braunschweig in Berlin. 1861 —1867 stimmführendes Mitglied des Staatsministeriums. 1867 Ministerresident und sdmmführender Bevollmächtigter Braunschweigs zum Bundesrat. In Berlin war sein Einfluß infolge des Ansehens, das er genoß, beträchtlich (vgl. Poschinger, a. a. O., Bd. l, S. 77ff.; Kreutzmann, Liebe, Hannover 1956. D. h. Krüger (über diesen oben S. 113).

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Materialien zur Entstehung des BGB die entscheidenden Momente nicht in der Materie selbst, denn darüber könne unter den Juristen kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehen, sondern in der politischen Frage beruhten. Meines Erachtens sei es Aufgabe des Ausschusses, durch eine veränderte Fassung des Antrages die sachlichen Bedenken zu beseitigen, welche von der einen oder anderen Seite gegen eine zu weitgehende Anwendung der Competenz erhoben worden. Da der Baierische Bevollmächtigte der Hoffnung Raum gelassen, daß eine solche Redaktion gefunden werden könne, so beantragte ich Aussetzung des Beschlusses, um bei Beginn der Frühjahrs-Session derartige Vorschläge vorzulegen. Da der Baierische Bevollmächtigte jedoch seinerseits ein Eingehen auf den Antrag nicht glaubte in Aussicht stellen zu können, und der Minister Delbrück Werth darauf legte, heute noch zu einem Beschlüsse zu gelangen, so blieb mein Vorschlag auf Aussetzung der Sache in der Minorität. Bei der Abstimmung, über den Lasker'schen Antrag erklärten sich demnach 4 Stimmen (die drei Königreiche und Braunschweig) gegen, 3 Stimmen (Preußen, Baden und Lübeck) für denselben. — Es wird vom Ausschuß schriftlicher Bericht erstattet, das Majoritätsvotum vom Tribunal-Rath Kohlhaas, das Minoritätsvotum vom Geh. Rath Falk entworfen werden. 2. Bericht von Krüger (Lübeck) vom 11. 12. 1871 nach Lübeck . . . beehre ich mich, zu dem Berichte über die Ausschußverhandlungen bezüglich des Lasker'schen Antrages Nachstehendes hinzuzufügen: Ueber die Stellung der Regierungen zu diesem Antrage herrschte, so lange die Reichsversammlung beisammen war, große Unklarheit. — Zwar hatte Herr von Lutz17 bei Gelegenheit der Verhandlungen mit den Reichstagsfractionen über die Novelle zum Strafgesetzbuch auf eine vertrauliche Anfrage Lasker's erwidert, die Bairische Regierung könne einer Competenz-Erweiterung jetzt nicht zusammen, wenn sie nicht die Bairischen Partikularisten in das ultramontane Lager hinüberdrängen wolle — eine Eventualität, die sie unter allen Umständen vermeiden müsse, weil sie vielleicht bald zu einer Auflösung des Bairischen Landtages schreiten müsse. Das Votum Baierns aber konnte allein das Schicksal des Antrages nicht entscheiden. Sachsen, das sich im Nordd. Bunde von vorne herein mit Entschiedenheit gegen einen gleichlautenden Antrag ausgesprochen, beobachtete jetzt eine Haltung, hinter der man eine Sinnesänderung vermuthen durfte, zumal General-Staatsanwalt Schwarze aus Dresden, der mit seiner Regierung stets Fühlung hat, und ihr nicht gerne Verlegenheiten bereitet, sich offen zu dem Lasker'schen Antrage bekannte. Auch von Württemberg glaubte man sich eines direkten Widerspruchs nicht versehen zu dürfen, nachdem Minister von Mittnacht sich vor wenigen Monaten in der Juristen-Versammlung zu Stuttgart18 offen im Sinne des Antrages ausgesprochen hatte. — Auf dieser Combination beruhte die Meinung, die auch in der Presse vielfach verbreitet worden, daß der Antrag diesmal vom Bundesrathe nicht zurückgewiesen werde. Inzwischen müssen wohl Besprechungen unter den Mittelstaaten Statt gefunden, und ihrem Entschlüsse eine andere Richtung gegeben haben, denn schon am Abend vor der Ausschußsitzung sagte mir der württembergische Gesandte, daß die 14 Stimmen, Johann Frh. von Lutz (1826—1890), Sohn eines Volksschullehrers, war zunächst im bayerischen Justizdienst als Richter tätig (u. a. Protokollführer auf der Nürnberger Konferenz, deren Protokolle er 1861 herausgab), von 1867 bis 1872 war er Staatsminister der Justiz; von 1868 bis 1890 auch Kultusminister; seit 1880 führte er den Vorsitz im Ministerrat. 18 Vgl. hierzu Schubert in der „Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte", Bd. 34/35 (1975/76), 1978. 130

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welche bekanntlich jede Verfassungsänderung hindern können, „zusammenhalten" würden. Dieser Gesichtspunkt, sich in Verfassungsfragen nicht zu trennen, weil nur unter dieser Voraussetzung der Art. 78 der Verfassung einen practischen Werth für die Mittelstaaten hat, wird für Sachsen muthmaßlich das Motiv gewesen sein, dem Votum Baierns sich anzuschließen. Und was Württemberg betrifft, so mag neben dieser Rücksicht noch die Stimmung der Hofkreise und die Haltung der partikularistischen Demokratie bestimmend mitgewirkt haben. Dem Fürsten Bismarck kann diese Wendung der Dinge nicht unbekannt geblieben sein, und daraus erkläre ich mir das plötzliche Vorgehen Delbrücks, das augenscheinlich auf besonderer Weisung beruht. Durch Vertagung des Beschlusses konnte der Reichskanzler nichts mehr gewinnen, er zog es vor, den Widerstand der Mittelstaaten schon jetzt zu constatiren, um dagegen seinerseits Stellung zu nehmen. Dazu lagen für ihn mehrere Gründe vor: Zunächst wird er darüber nicht im Zweifel sein, daß der Reichstag die Ablehnung des mit großer Majorität und ohne jeglichen Widerspruch der Regierungen angenommenen Lasker'schen Antrages übel empfinden wird. Man wird darin die Quittung erblicken, welche dem Reichstage für dessen Nachgiebigkeit in der Münzfrage, der Strafrechtsnovelle und dem Militär-Budget von den Regierungen ertheilt wird. Man wird dem Reichskanzler vorwerfen, daß er durch seine Concessionen an dynastische Empfindungen und partikulare Bedürfnisse nur der centrifugalen Strömung Vorschub geleistet. Man wird in der Renitenz der 14 Stimmen den Beleg dafür finden, daß es bedenklich war, den Mittelstaaten das Veto in die Hände zu legen. Je mehr der Reichskanzler sich beim Münzgesetze, wo es um äußere Formen sich handelte, dem dynastischen Interesse nachgegeben, um so mehr wird er jetzt, wo es um reale Dinge sich handelt, auf die Seite des Reichstages hinübertreten. Hiezu wird er auch durch spezifisch preußische Interessen gedrängt. Das Gesetz über die Noth-Ehe, welches an den Landtag gelangen soll, wird ebenso gewiß im Herrenhause durchgehen, als im Abgeordnetenhause verworfen werden. In letzterem verlangt man die obligatorische Civil-Ehe, auf die das Herrenhaus nie eingehen wird. Um (!) aus diesem Conflict, der sich in Bezug auf andere dringliche Gegenstände der Gesetzgebung noch wiederholt, wird Preußen genöthigt, den Reichstag mit dieser Frage zu befassen, wozu es der Competenz-Erweiterung bedarf. — Die Sache ist mit dem heutigen Beschlüsse noch nicht zu Ende, äußerte Minister Delbrück vertraulich nach der Ausschuß-Sitzung. Man darf also annehmen, daß Preußen seinen Standpunkt weiter verfolgen will. Was nun den Standpunkt betrifft, der in der schwebenden Streitfrage unsererseits im Bundesrathe einzunehmen ist, so muß ich gestehen, daß ich die Stellung der Mittelstaaten nicht für haltbar erachte, und daß ich es für einen Fehler ansehe, wenn sie ihr Veto in dieser Frage geltend machen wollen. Ich beklage jeden Juristen, dem die Aufgabe gestellt wird, nachzuweisen, daß sich das Recht in beliebige Stücke zerlegen läßt. Die in der Nr. 13 des § 4 gezogene Schranke ist bisher nicht eingehalten worden und kann auch nicht eingehalten werden, wenn das Reich überhaupt von der ihm jetzt zustehenden Competenz Gebrauch machen will. Was man als das materielle Prozeßrecht bezeichnet, gehört größtentheils dem Civilrechte an. Will man ein Obligationenrecht schaffen, so wird man gar nicht umhin können, den s.g. Allgemeinen Theil vorauszuschicken, mithin Rechtsbegriffe und Verhältnisse festzustellen, die mehr oder weniger allen Rechtsgebieten angehören. Nicht zu läugnen ist, daß es Rechtsmaterien giebt, die mit localen Bedürfnissen und Gewohnheiten so eng zusammenhangen, daß ein nivellirendes Eingreifen der Reichsgesetzgebung sehr unerwünscht und schädlich wäre. Eine prinzipielle Aussonderung dieser Materien würde aber äußerst schwierig sein und wenig fruchten. Hält man Bundesrath und Reichstag für fähig, einen unverständigen Gebrauch 131

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von ihrer Competenz zu machen, so würde auch die Competenzschranke allein schwerlich ausreichen, das Uebel zu verhindern. — Anders liegt die Sache meines Erachtens bezüglich der Gerichts-Organisation . . .

3. Bericht der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen (Drucksache Nr. 192 des Bundesrates der Session 1871) Berlin, den 9. Dezember 1871. Der Reichstag hat in der Sitzung vom 15. November 1871 in Veranlassung eines Antrages der Abgeordneten Lasker und Genossen dem nachfolgenden Gesetz-Entwurfe zuzustimmen beschlossen: Einziger Paragraph: An die Stelle der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reichs tritt die nachfolgende Bestimmung: „Die gemeinsame Gesetzgebung über das gesammte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren einschließlich der Gerichts-Organisation." Nachdem dieser Gegenstand den Ausschüssen des Bundesrathes für die Verfassung und für Justizwesen zur Berichterstattung zugewiesen worden ist, haben die Ausschüsse denselben in ihrer Sitzung vom 8. Dezember 1871 berathen und sind mit Stimmenmehrheit zu dem Antrag gelangt: „der Bundesrath wolle beschließen, dem von dem Reichstag angenommenen Gesetz-Entwurf nicht zuzustimmen." Hierbei ist die Mehrheit in den Ausschüssen von folgenden Erwägungen ausgegangen. Die Verfassung des Deutschen Reichs sei erst vor weniger als Jahresfrist vereinbart worden, und es werde schon die Erwägung, daß es sich um eine nicht unerhebliche Aenderung der kaum erst vereinbarten Verfassung handle, zur Ablehnung des fraglichen Aenderungsvorschlags unter der Voraussetzung führen müssen, daß nicht ein sehr dringendes sachliches Bedürfniß für die vorgeschlagene Aenderung sich geltend gemacht habe. Ein solches Bedürfniß sei weder bezüglich des Civilrechts, noch bezüglich der Gerichts-Organisation als gegeben anzuerkennen. Betreffend das Civilrecht, so werde angenommen werden dürfen, daß bei der Schöpfung der Verfassung mit Vorbedacht und aus guten Gründen die Kompetenz der Reichsgesetzgebung auf das Obligationenrecht, Handels- und Wechselrecht beschränkt worden sei. In der That liegen zureichende Motive für diese Beschränkung nahe. Obligationenrecht, Handels- und Wechselrecht dienen den Beziehungen des großen Verkehrs und können und sollen deshalb für ein großes Verkehrsgebiet gleichheitlich geregelt werden. Personenrecht, Familienrecht, Sachenrecht, Erbrecht wirken vorzugsweise -nur in beschränkteren Kreisen und hängen mit vielfältigen Verhältnissen der Territorien, in welchen sie sich historisch entwickelt haben, mehr oder weniger eng zusammen. Wie hiernach die gleichheitliche Normirung dieser Materien für alle Bundesstaaten kein absolutes Bedürfniß sei, so werde andererseits eine solche gleichheitliche Normirung im einen oder anderen Punkte nicht ohne empfindliche Schädigung berechtigter Interessen möglich sein. Was zur Zeit der Errichtung der Verfassung als Bedürfniß nicht erkannt wurde, das werde auch jetzt als ein solches nicht anzuerkennen sein; sei doch der verflossene Zeitraum zu kurz, als daß er ein solches Bedürfniß hervorgekehrt haben könnte. Es möge sein, daß die Reichsgesetzgebung in Erfüllung der ihr durch Art. 4 Nr. 13 der Verfassung bezüglich des Obligationenrechts gestellten Aufgabe und behufs der richtigen und sachgemäßen Erfüllung dieser Aufgabe über die bestehende verfassungsmäßige Grenze in Absicht auf die eine oder andere weitere Rechtsmaterie hinauszugreifen das Bedürfniß empfinden werde; hierauf im Bedürfnißfall zurückzukommen, werde der Zukunft vorzubehalten sein; schon jetzt aber die gesammte Civilgesetzge132

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs bung der Reichsgesetzgebung zu überantworten, dürfte um so weniger angehen, als die Reichsgesetzgebung mit der Ausführung der ihr bezüglich des Obligationenrechts gestellten Aufgabe noch nicht einmal den Anfang gemacht habe, und es zahlreiche partikularrechtlich entwickelte wohlberechtigte Civilrechts-Institutionen gebe, welche mit der Erfüllung der dermaligen verfassungsmäßigen Aufgabe der Reichsgesetzgebung in keinem näheren Zusammenhang stehen und die Normirung durch die ihrer Quelle entfernt stehende Reichsgewalt nicht ohne Schaden ertragen würden. Ueberdies würde die Annahme der vorgeschlagenen Verfassungsänderung die nachtheilige Folge haben, daß, obwohl das Zustandekommen eines deutschen Civilgesetzbuchs erst von einer entfernteren Zukunft zu erhoffen wäre, doch schon jetzt die Thätigkeit der Landesgesetzgebungen in allen Gebieten des Civilrechts khm gelegt und die Abhülfe selbst empfindlicher Mißstände im Wege der Landesgesetzgebung faktisch unmöglich gemacht werden würde. In Betreff der Gerichts-Organisation sei anzuerkennen, daß die Einführung der Reichsprozeßgesetze die Aufstellung gewisser gleichheitlicher Normen über Organisation der Gerichte, insoweit solche eine Bedingung der gleichmäßigen Handhabung der Gesetze über das Verfahren bilden, zur Folge werde haben müssen. Wieweit dieses Maaß reiche, das werde bei der definitiven Feststellung der Prozeßgesetze zu erwägen sein; so weit dieses Maaß reiche, werde es einer Abänderung der Verfassung nicht bedürfen. Ueber dieses Maaß hinaus zu gehen, dazu liege überall kein Grund vor, dafür könne nicht einmal ein Bedürfniß der Rechtseinheit geltend gemacht werden. Daß es aber viele Punkte gebe, welche über jenes Maaß hinausfallen und doch in das Gebiet der Gerichts-Organisation fallen, dies werde einleuchtend sein, wenn anstatt alles Weiteren nur an die Normen über Besetzung der Gerichte außerhalb der einzelnen Prozeßfälle, an die Bestimmung ihrer Sitze und Sprengel, an die Kompetenzbestimmungen bezüglich der nicht zum gerichtlichen Verfahren gehörigen gerichtlichen Geschäfte, an die Vorschriften über Anstellung, Beförderung, Versetzung und Entfernung der Richter und des übrigen Gerichtspersonals erinnert werde. All Dieses und noch Mehreres könne in das Gebiet der Gerichts-Organisation gezogen werden, und wenn solche Konsequenzen gezogen werden, dann werde von der den Bundesstaaten durch die Reichsverfassung nicht entzogenen Justizhoheit nichts übrig bleiben, und der Zustand, welcher hieraus für die Bundesstaaten erwachse, werde um so bedenklicher sein, je enger in denselben die Gerichts-Organisationen im Allgemeinen mit der Organisation anderer staatlicher Institutionen verwachsen sei. Es bestehe aber auch keinerlei Bedürfniß, welches dazu dränge, solche Konsequenzen möglich zu machen. Die Minderheit, von welcher ein Mitglied ausdrücklich hervorhob, daß ihm eine bestimmte Instruktion seitens seiner hohen Regierung noch nicht zugegangen sei, sprach sich für die Zustimmung zu dem Beschlüsse des Reichstags aus. Die Ansichten der einzelnen Mitglieder der Minderheit sind im Folgenden zusammengefaßt. Der vorangestellte formelle Gesichtspunkt der Unthunlichkeit einer Verfassungsänderung, nachdem die Verfassung erst vor so kurzer Zeit in das Leben getreten sei, könne nicht getheilt werden. Bei Feststellung der Reichsverfassung sei man allseits darüber einig gewesen, daß es sich jetzt nicht um eine materielle Aenderung, sondern nur um die Zusammenfassung der geltenden Bestimmungen in eine Urkunde handeln könne. Eher könnte das geltend gemachte Bedenken aus dem Umstände abgeleitet werden, daß die der Reichsverfassung zum Grunde liegende Norddeutsche Bundesverfassung auch noch nicht lange Zeit bestanden habe. Es seien indeß auch die Gesichtspunkte, welche bei Abgrenzung des Inhalts des An. 4 Nr. 13 der Norddeutschen Bundesverfassung bestimmt hätten, insoweit äußerlicher Natur gewesen, als man theils nur diejenigen Materien aufgenommen habe, welche an sich schon von erheblichster staatsrechtlicher

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Bedeutung gewesen seien, theils bei der Aufzählung der einzelnen Rechtsgebiete an die schon vom vormaligen Deutschen Bunde in Angriff genommenen Materien sich angeschlossen habe. In der Folge sei zwar eine Aenderung des Art. 4 Nr. 13 der Norddeutschen Bundesverfassung angeregt worden, man habe sich aber zu einer solchen nicht entschlossen, weil andere Aufgaben noch nicht in Angriff genommen gewesen seien, und die, wenn auch entfernt, vorgelegene Aussicht auf den Beitritt der süddeutschen Staaten gegen eine Ausdehnung der Verfassung gesprochen habe. Hiernach könnten lediglich materielle Bedenken in der vorliegenden Frage den Ausschlag zu geben geeignet sein. In materieller Beziehung aber sei Folgendes zu erwägen: Das Obligationenrecht, Handels- und Wechselrecht stehe mit dem übrigen bürgerlichen Rechte in einer so engen, durch die zahlreichsten gegenseitigen Beziehungen begründeten Verbindung, daß ohne Uebergriffe in den Bereich des in Art. 4 Nr. 13 der Verfassungsurkunde nicht erwähnten bürgerlichen Rechts eine gedeihliche und insbesondere eine einheitliche Lösung der dort der Reichsgesetzgebung für einzelne Zweige dieses Rechts gestellten Aufgabe nicht möglich sei. Eine konsequente Entwickelung der Grundsätze, welche auf einem der bezeichneten Spezialgebiete für richtig erkannt worden sei, greife über dessen Grenzen hinaus, und werde darum, wenn man diese Grenzen festhalte, zum Nachtheile zweckmäßiger Ordnung der betreffenden Materie gehemmt. Auf der anderen Seite sei der Einfluß des unverändert gebliebenen bürgerlichen Rechts des einzelnen Landes auf die Entwicklung des von der Reichsgesetzgebung geregelten Rechtszweiges so mächtig, daß die Bestimmungen der Reichsgesetze in den einzelnen Bundesstaaten leicht eine gänzlich verschiedene, ihrem wahren Inhalte widersprechende Anwendung finden würden. Diese Ansichten seien bei den wiederholten und eingehenden Erörterungen über den vorliegenden Gegenstand, über welchen sich eben deshalb überhaupt schwerlich etwas Neues sagen lassen werde, so ausführlich begründet und mit so zutreffenden, auch aus der Zeit nach der Gültigkeit der Reichsverfassung entnommenen Belägen versehen worden, daß man sich auf jene Verhandlungen beziehen dürfe. Nur Folgendes wolle man hervorheben: daß der Entwurf eines Obligationenrechts, welcher durch die von dem vormaligen Deutschen Bunde zu Dresden niedergesetzte Kommission ausgearbeitet worden sei, ungeachtet der auf dieses Werk von tüchtigen Kräften verwendeten Anstrengung, so wenige Befriedigung hervorgerufen habe, sei ein Zeugniß im Großen dafür, wie die besondere, von der Bearbeitung des übrigen bürgerlichen Rechts losgelöste Behandlung des Obligationenrechts zu keinem erwünschten Ziele führe. In der nachtheiligen Einwirkung des bürgerlichen Rechts der einzelnen Bundesstaaten auf die sachgemäße Anwendung des Reichsrechts habe einer der Gründe beruht, welche zur Errichtung des Reichsoberhandelsgerichts geführt hätten und zur Ausdehnung der Zuständigkeit desselben drängten (vergl. Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 § 10), — Maßnahmen, welche dem gedachten Gerichtshofe zugleich die schwere, und ihm darum durch Herstellung einheitlicher Normen des bürgerlichen Rechts möglichst zu erleichternde Aufgabe zuwiesen, eine Reihe der verschiedensten bürgerlichen Rechte zur Anwendung zu bringen. Der Zusammenhang des nach Art. 4 Nr. 13 zur Zuständigkeit des Reichs gehörigen „gerichtlichen Verfahrens" mit dem gesammten bürgerlichen Rechte sei gleichfalls überaus eng, seine Rückwirkung auf die Gestaltung des ersteren reiche weit. Die Arbeiten der früheren Norddeutschen Prozeßkornmission, wie die der gegenwärtig thätigen gäben den Beweis. Von einer Regelung des Zwangsvollstreckungsverfahrens in Bezug auf unbewegliche Sachen habe wegen der Verschiedenheit der Landesgesetze über den Erwerb und die Belastung des unbeweglichen Eigenthums gänzlich oder doch in der Hauptsache Abstand genommen werden müssen. Die Darstellung und Entwickelung der einzelnen prozessualen Institute bedinge zahlreiche Vorschriften, welche dem soge134

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs nannten materiellen Prozeßrechte angehören; dieses Recht sei indeß im Wesentlichen nichts Anderes als das bürgerliche Recht, wie es im Prozesse zur Geltung komme, so daß bei strengem Festhalten am Wortlaute des Art. 4 Nr. 13 die Zuständigkeit des Reichs zum Erlasse jener doch unentbehrlichen Vorschriften bestritten werden, oder wenigstens gewichtiger, die Gedeihlichkeit der Gesetzgebung beeinträchtigender Zweifel darüber entstehen könne, wo die Zuständigkeit des Reichs ihre Grenze erreiche. Die nach den vorstehenden Andeutungen für die Reichsgesetzgebung zur Lösung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderliche Freiheit der Bewegung werde durch Annahme des vom Reichstage beschlossenen Gesetzentwurfs gewonnen. Dieselbe bald eintreten zu lassen, sei daher ein Bedürfniß, auch wenn man zugeben möchte, daß die Herstellung eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs schon mit Rücksicht auf die Erledigung anderer großer, bereits in Angriff genommener gesetzgeberischer Arbeiten nicht zu den in naher Zukunft zu erfüllenden Aufgaben der Reichsgesetzgebung gehöre. Der von der Ausschußmehrheit angedeutete Weg, durch Ausdehnung der Reichskompetenz je in den einzelnen Fällen den hervortretenden Bedürfnissen Abhülfe zu gewähren, lasse sich selbstredend nicht einschlagen, wenn es sich um Ausarbeitung eines umfassenden Obligationenrechts handen sollte. Wie hervorgehoben, könne man den an ein solches zu stellenden Anforderungen nicht gerecht werden, ohne nach allen Seiten hin freie Bewegung zu haben, so daß sich hier eben nur durch die jetzt in Rede stehende Verfassungsänderung helfen lasse. Wenn es sich um einzelne Materien handle, könne man auf dem bezeichneten Wege allerdings zum Ziele kommen, und eine Durchsicht der bisher beschlossenen Reichsgesetze werde vielleicht Bestimmungen ergeben, zu denen man in stillschweigender Beschreitung jenes Weges gelangt sei. Aber einen glücklich gewählten könne man denselben doch nicht nennen. Er mache, wenn auch im einzelnen Falle nicht weitgreifende, so doch häufige Verfassungsänderungen nöthig, könne zu unerwünschten Streitigkeiten, ob eine solche vorliege, führen, und befinde sich somit im Widerspruche mit dem Grundgedanken jeder Verfassung, der Herstellung fester und zweifelloser Zustände. Die Annahme der beantragten Verfassungsänderung führe solche herbei und verdiene darum den Vorzug. Die von derselben besorgten Nachtheile würden nicht praktisch werden. Man könne mit der Mehrheit der Ausschüsse zwar anerkennen, daß es gewisse Gebiete gebe, auf welchen die Reichsgesetzgebung ihr Feld nicht habe oder doch nur in beschränkter oder subsidiarischer Weise thätig sein dürfe, wie z. B. auf dem Boden des bäuerlichen Rechts, Familien- und Erbrechts. Allein die Gründe hierfür beruhten in dem Ansprüche auf Anerkennung, welchen Rechtsbildungen besitzen, die in der Eigenart einzelner Landestheile, insbesondere des Charakters und der Sitte seiner Bewohner wurzeln, und darunter lebenskräftig seien. Wo solche Kraft vorhanden, werde sie sich auch der Reichsgesetzgebung gegenüber ebenso geltend machen, wie sie dies in den einzelnen Bundesstaaten, insbesondere auch in Preußen, vermocht habe. Um in dieser Beziehung dennoch übrig bleibende Bedenken zu beseitigen, scheine sich der Ausweg zu bieten, der Reichsgesetzgebung zwar die Zuständigkeit für das bürgerliche Recht im Allgemeinen zu gewähren, von derselben aber gewisse Rechtsmaterien auszuschließen. Abgesehen aber davon, daß man ein derartiges Vorgehen nicht für nöthig halte, vermöge man auch nicht die Ueberzeugung zu gewinnen, daß dasselbe zum Ziele zu führen geeignet sei. Bisher sei eine Formel für den Ausdruck dieses Gedankens nicht gefunden. Es bestehe Streit, welche Materien sich für den gedachten Ausschluß eigneten. Derselbe werde die oben angedeuteten, aus der bisherigen Abgrenzung der Rechtsgebiete erwachsenden Nachtheile gleichfalls haben, und zwar in Folge der schärferen Abgrenzung an den betreffenden Stellen in verschärftem Maaße — mit dem alleinigen Unter-

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schiede vielleicht, daß diese Nachtheile auf dem Gebiete der Landesgesetzgebung fühlbarer sein würden, als auf dem der Reichsgesetzgebung. Ein Lahmlegen der ersteren durch die Ausdehnung der Kompetenz der letzteren sei nicht zu befürchten. An eine Kodifikation des bürgerlichen Rechts durch die Landesgesetzgebung sei bei dem Ausdrucke dieser Besorgniß offenbar nicht gedacht, sondern nur an die Regelung einzelner Rechtsbeziehungen und Rechtsmaterien; an diese aber werde man im Falle wirklichen und dringenden Bedürfnisses immer gehen können. Anlangend die Gerichtsorganisation, so theile man zwar die Ansicht, daß ein einheitliches Prozeßverfahren in Civil- und Strafsachen auch einheitliche gerichtsorganisatorische Vorschriften unausweichlich bedinge, ja daß ohne solche eine gemeinsame Civilprozeßordnung oder Strafprozeßordnung gar nicht geschaffen werden könne und darum das Gebiet der Gerichtsorganisation in so weit schon jetzt dem Reiche zustehe. Wie stark der Zusammenhang beider Rechtsgebiete sei, habe sich z. B. bei den Arbeiten der gegenwärtig thätigen Civilprozeß-Kommission gezeigt. Denn dieselbe habe in ihrer überwiegenden Mehrheit ausdrücklich zu Protokoll niedergelegt, daß sie bei ihren Beschlüssen über die Rechtsmittel von gewissen, bestimmt angegebenen Voraussetzungen gerichtsorganisatorischer Natur ausgegangen sei. Allein ebenso unzweifelhaft sei es, daß im Anschluß an die Wortfassung des Art. 4 Nr. 13 und insbesondere, weil der Gerichtsorganisation nicht ausdrücklich gedacht sei, die als vorhanden angenommene Kompetenz des Reichs nicht allseitig anerkannt werde. Schon um der Klarstellung der Frage willen sei die Aenderung des Art. 4 Nr. 13 erwünscht. Ohne dieselbe werde überdies der Zweifel nicht zu lösen sein, wo die aus der Regelung des gerichtlichen Verfahrens hergeleitete Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung ihre Grenzen habe. Man werde z. B. kaum in der Lage sein, gewisse Bestimmungen über die Ausbildung der Richter, über ihre Unabhängigkeit oder ihre Belastung mit nicht prozessualischen Geschäften als nothwendige Folgen der Vorschriften über das Prozeßverfahren zu bezeichnen, und dennoch äußerten die beiden erstgedachten Momente den entscheidendsten Einfluß auf die Abgrenzung der Kompetenz zwischen dem Einzelrichter und dem Kollegium, sowie auf die Frage, ob und in wie weit die ergehenden Urtheile einem Rechtsmittel zu unterwerfen seien, und ebenso sei die Feststellung der dem Richter überhaupt obliegenden Geschäfte nicht ohne Bedeutung für das Maaß der ihm im Prozesse zuzumessenden Arbeit und damit auf die Konstruktion des Verfahrens selbst. Daß die Reichsgesetzgebung über das für die Lösung ihrer Aufgaben nöthige Maaß hinausgehe, sei gerade auf diesem Gebiete nicht zu befürchten: es handle sich hier nicht um abstrakte Rechtssätze und deren Aenderung, sondern um Beseitigung oder Modifizirung konkreter Gestaltungen, wie der Gerichtsbehörden, deren große Bedeutung und weitreichender Zusammenhang mit anderen konkreten Beziehungen des Lebens die Bürgschaft ausreichender Kraft zum Widerstande gegen unberechtigte Einwirkung der Gesetzgebung gewähre. Der Ausschuß für die Verfassung: Delbrück. v. Pfretzschner, Schmalz, Türckheim. Der Ausschuß für Justizwesen: Falk, v. Neumayr, v. Kohlhaas, v. Liebe, Krüger.

III. Der Antrag von Lasker im Bundesrat 1872 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 9. 4.1872 § 132 (S. 79-81): Unter Nr. 192 der Drucksachen von 1871 haben die Ausschüsse für die Verfassung und für Justizwesen über den Beschluß des Reichstags wegen Abän136

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

derung der Nr. 13 des Artikel 4 der Reichsverfassung (§ 575 der Protokolle von 1871) Bericht erstattet: Referent: Justiz-Minister von Mittnacht. Der Königlich württembergische Bevollmächtigte bemerkte Folgendes: „Indem er den Mehrheits-Antrag befürworte, sei es nicht seine Meinung, daß die durch Nr. 13 des Artikel 4 der Reichs-Verfassung gezogene Grenze strikte für alle Zukunft einzuhalten wäre. Die württembergische Regierung werde angemessenen Erstreckungen der Zuständigkeit der Reichs-Gesetzgebung im einzelnen Fall nicht entgegentreten und insbesondere der Abfassung eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Reich lebhaftes Interesse und jede ihr mögliche Förderung zuwenden. Zufolge Beschlusses des Norddeutschen Bundesraths vom 21. Februar 1870 sei der Entwurf eines Bundesgesetzes über die Gerichtsverfassung und die gerichtlichen Institutionen in Vorbereitung. Für eine Mittheilung über den Stand dieser Arbeit an den Deutschen Bundesrath wäre die von ihm vertretene Regierung besonders dankbar. Er sei der Ansicht, daß bei einem in die einzelnstaatlichen Verhältnisse so rief eingreifenden Gegenstande eine Mitwirkung der Bundesstaaten schon bei der ersten Aufstellung des Gesetz-Entwurfs von besonderem Interesse wäre. Das Ziel, die Grundzüge einer gemeinsamen Gerichtsorganisation auch ohne strikte Einhaltung der durch die bestehende Reichs-Verfassung gezogenen, ohnedem etwas zweifelhaften Grenze durch Reichsgesetz zu erhalten, ließe sich wohl auch ohne Aenderung der Reichsverfassungs-Urkunde durch gemeinsame Arbeit und Verständigung erreichen. Würde dieser Gedanke Anklang finden, so wäre wohl seine nähere Erörterung freien Besprechungen innerhalb oder außerhalb der Ausschüsse anheimzugeben. Der Königlich bayerische Bevollmächtigte gab die Erklärung ab, daß er sich dem fraglichen Reichstags-Beschlusse gegenüber ablehnend verhalten werde. Er beziehe sich in allen Punkten auf die Gründe des Mehrheitserachtens im Berichte der Ausschüsse für die Verfassung und das Justiz-Wesen vom 9. Dezember 1871 und wolle hinsichtlich der beantragten Erweiterung der Reichskompetenz in Absicht auf das gesammte bürgerliche Recht nur noch darauf aufmerksam machen, wie die dem Gesetzentwurfe gegebene Fassung die Befugniß des Reiches in sich schließen würde, nach dem jeweiligen Ermessen der gesetzgebenden Faktoren im Betreff der Bedürfnißfrage, schon bevor eine umfassende Kodifikation des Privatrechtes nothwendig und möglich geworden ist, durch Erlassung spezieller, nur einzelne Materien betreffender Gesetze vorzugehen. Durch die Möglichkeit eines solchen regellosen Erlasses von Reichs-Spezialgesetzen auf dem ganzen Gebiete des Privatrechtes werde nicht nur schon jetzt die Thätigkeit der Landesgesetzgebungen in allen Zweigen des Civilrechts lahm gelegt, sondern auch eine erhöhte Rechtsunsicherheit geschaffen, da die Spezialbestimmungen zu dem •in Kraft bleibenden übrigen Inhalte der Partikularrechte selten vollständig passen würden, letztere daher in ihrem organischen Zusammenhange immer mehr alterirt werden würden. Anbelangend die Gerichtsorganisation, so vermöge von Seite der bayerischen Vertretung dem Reichstagsbeschlusse in seiner allgemeinen Fassung um so weniger beigepflichtet zu werden, als derselbe den Verlust der den Bundesstaaten durch die Reichsverfassung nicht entzogenen Justizhoheit zur notwendigen Konsequenz hätte. Dagegen sei anzuerkennen, daß es auf diesem Gebiete eine Reihe von Fragen gebe, ohne deren gleichmäßige Regelung die in Aussicht genommenen Gesetze über das Civil- und Strafverfahren nicht zum Abschlüsse gebracht werden können. Zur Erreichung dieses Zweckes erscheine aber eine Veränderung der Reichsverfassung nicht erforderlich, weil viele Punkte schon im Bereiche des „gerichtlichen Verfahrens" im Sinne des Art. 4 Z. 13 der Reichsverfassung liegen und da, wo die Grenzen streitig sind, sich der Weg loyaler 137

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Verständigung mehr empfehlen dürfte. Unter allen Umständen aber sei wünschenswerth, daß die einseitige Aufstellung eines ersten Entwurfes des Gesetzes über gemeinsame Bestimmungen für die Gerichtsverfassung vermieden wird und daß sich Vertreter der am meisten betheiligten Staaten schon bei dem ersten Aufbau des Gesetzes durch persönlichen Zusammentritt und eingehende mündliche Berathung aller sich darbiethenden Fragen betheiligen. Auf den Vorschlag des Vorsitzenden wurde beschlossen, mit Rücksicht auf die abgegebenen Erklärungen die Angelegenheit nochmals an die berichtenden Ausschüsse zu verweisen, mit dem Ersuchen, wegen der ferneren Behandlung der Sache anknüpfend an diese Erklärungen Vorschläge abzugeben. 2. Bericht von Schroeder (Hamburg) vom 9. 4. 1872 über die Bundesratssitzung am 9.4.187219 . . . Sodann kam der Laskersche Antrag wegen Ausdehnung der Reichskompetenz auf das gesammte Rechtsgebiet zur Verhandlung, dessen plötzliche Wiederaufnahme allgemeine Ueberraschung erregt hatte. Die Stimmung ist fast durchweg dem Antrage abgeneigt — so viel ich ermitteln konnte, würden nur Preußen, Baden und Lübeck dafür gestimmt haben — und man verstand daher nicht, weshalb die Sache nicht noch ruhen blieb. Es stellte sich dann auch heraus, daß es auf eine Abstimmung gar nicht abgesehen war, sondern nur darauf, den Preußischen Rückzug zu maskiren und dem Reichstage, eintretenden Falles antworten zu können, daß die Angelegenheit nicht reponirt sei. Nachdem der Württembergische Justizminister v. Mittnacht20 die Sachlage recapitulirt und die Erklärung abgegeben hatte, daß seine Regierung sich nach wie vor ablehnend zu dem Antrage verhalten müsse, übrigens aber, falls sich im einzelnen Falle ein praktisches Bedürfniß herausstelle, einer Competenzerweiterung keineswegs sich widersetzen werde, sprach sich der Bayerische Justizminister Fäustle21 im wesentlichen dahin aus, daß er zwar seinerseits die Herausreißung einzelner Rechtsmaterien, um sie von Reichswegen zu codificiren, nicht empfehlen könne, daß aber auch seine Regierung den Weg, welchen der Laskersche Antrag verfolge, nicht für angemessen erachte, vielmehr für richtiger halte, zunächst die materielle Bedürfnißfrage zu prüfen. Zu dem Ende scheine es aber nicht erwünschent, daß eine einzelne Regierung mit Gesetzesvorschlägen hervortrete, welche sie sich so zu sagen „auf den Leib geschnitten habe"22, sondern er würde etwa den Weg freier Ministerconferenzen vorziehen, um sich zunächst über gewisse Grundzüge, beispielshalber für die Gerichtsverfassung, zu ver19

Staatsarchiv Hamburg, Senat Cl. I. Lit. T, Nr. l vol. 11. Hermann Frh. von Mittnacht (geb. 1825 in Stuttgart, gest. 1909) war nach dem Studium der Rechtswissenschaft zunächst im württembergischen Justizdienst tätig. Seit 1861 Führer der Konservativen in der 2. Kammer des Landtags; 1868—1878 württembergischer Justizminister; führte die Verhandlungen über den Eintritt Württembergs in das Deutsche Reich; 1870—1890 Präsident des Ministeriums. 21 Joh. von Fäustle (geb. 1828 in Augsburg, gest. 1887) war zunächst im bayr. Justizdienst beschäftigt (1862 Vorstand des Stadtgerichts München). 1865 wurde er Referent im Justizministerium und zugleich Landtagskommissar; 1871 bis zu seinem Tode Justizminister. Sein Anteil an den Reichjustizgesetzen und seine Reform des bayr. Justizwesens ist noch weitgehend unerforscht. Preußen hatte bislang regelmäßig im Auftrage des Reichskanzlers Gesetzentwürfe ausgearbeitet, die dann dem Bundesrat zugeleitet wurden. Die anderen Bundesstaaten hatten dann kaum mehr Gelegenheit, eine Abänderung der Entwürfe in ihrem Sinne durchzusetzen. Deshalb hat man z. B. für das Gerichtsverfassungs-Gesetz den Weg freier Ministerkonferenzen gewählt (Dez. 1872; April 1873). 20

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A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs ständigen. Fürst Bismarck constatirte nunmehr, daß über das anzustrebende Ziel keine Meinungsverschiedenheit zu sein scheine, daß man nur über den einzuschlagenden Weg verschieden denke und unter diesen Umständen eine einfache Ablehnung des Lasker'schen Antrages nicht zutreffend sein würde. Er schlug daher vor, die Abstimmung bis auf Weiteres auszusetzen und den Gegenstand an die Ausschüsse für Justizwesen und Verfassung zurück zu verweisen, wobei sich Bayern auf Anfrage des Vorsitzenden bereit erklärte, bei der Ausschußberathung Anträge im Sinne der zu der Ausschußmajorität gehörenden Regierungen zu stellen. Der Vorschlag fand allseitige Zustimmung. IV. Die Stellung der Bundesstaaten zur Verfassungsänderung 1. Königreich Sachsen Stellungnahme der Regierung in der 2. Kammer der Landstände (1872) Das Königreich Sachsen lehnte zunächst eine Kompetenzerweiterung ab, sprach sich aber für die Kodifikation des bürgerlichen Rechts durch eine von den Bundesregierungen eingesetzte Kommission aus. Dieser Entwurf sollte veröffentlicht und nach einer Revision durch eine neue Kommission dem Bundesrat vorgelegt werden23. Die Akten des sächsischen Justizministeriums sind nicht mehr auffindbar. Der Standpunkt der Regierung läßt sich aber entnehmen einem „Sächsischen Promemoria", von dem sich im Nachlaß von Schmitt (Bayr. HStA München, Abt. I) ein Auszug befindet. Dieser im einzelnen nur schwer lesbare Auszug lautet: „1. Eine dahin gehende Erweiterung der Reichskompetenz. .. (i. S. des Antrags von Lasker) erscheint unthunlich; denn, a) ein unbeschränktes und fortdauerndes Eingreifen der Reichsgesetzgebung in einzelne Partien des Partikularrechts durch Spezialbesämmungen, welche zu dem formell in Kraft bleibenden verschiedenen Partikularrecht nicht immer passen können, muß bei der Unzuträglichkeit des Nebeneinanderbestehens heterogener, auf verschiedenen Grundsätzen beruhender Rechtsnormen zu einer fortwährenden Aenderung des formell in Kraft bleibenden Partikularrechts Anlaß geben müssen, um dasselbe inhaltlich in Uebereinstimmung mit dem Reichsrecht zu bringen, b) Jede Partikulargesetzgebung auf einem Gebiete aber, für welches die Reichsgesetzgebung competent ist, erscheint an und für sich bedenklich: a) weil nie mit Sicherheit vorausgesehen werden kann, ob nicht in kurzer Zeit ein neues Reichsgesetz abermals ändernd eingreifen werde: ß) weil die mit jedem neuen Reichsgesetz sich ändernde Competenzgrenze mitunter zweifelhaft sein kann. Welche Situation für die Einzelstaaten, die immer der Correctur . . . ( ? ) unterworfen werden, ob sie die Grenzen ihrer legislativen Befugniß nicht überschritten haben. Aber auch die nothwendige Ruhe und Sicherheit in der Pardculargesetzgebung wird hierdurch untergraben; die Erhaltung eines normalen Rechtszustandes unmöglich, ) Eine Gelegenheitsgesetzgebung wird nur schwer bestimmte Prinzipien festhalten und zu einem harmonischen Ganzen gelangen. Daher nur in Codificationsform vorgehen, wenn überhaupt etwas geschehen soll. 2. ... 3. Sachsen kann sich darüber, ob es sein eigenes codificirendes und befriedigendes bürgerliches Gesetzbuch zu Gunsten eines Reichscodex aufgeben und hiemit auch auf das Gesetzgebungsrecht verzichten soll, erst schlüssig machen, wenn ein als brauchbar anerkannter Entwurf zu einem gemeinsamen Gesetzbuche vorliegt. Bis dahin kann — bei den großen Schwierigkeiten des Unternehmens und der Unmöglichkeit, ohne umfassende Vorarbeiten im Voraus zu übersehen, ob und in wieweit es überhaupt möglich sein werde, ein umfassendes Gesetzbuch zu schaffen, welches den verschiedenartigen particulären Verhältnissen und Bedürfnissen entspricht — die Competenz des Reichs zu einem solchen Gesetzbuch nicht anerkannt, vielmehr muß der Versuch gemacht werden, ob sich ein brauchbares umfassendes Gesetz überhaupt machen lasse. Gelingt aber der Versuch, so wird der Sanctionirung des Werks als Reichsgesetz die in Art. 4 Nr. 13 gezogene Competenz kein Hinderniß sein, daß die Einzelstaaten dann dem an sich natürlichen Streben der Natur nach einem gemeinsamen Recht schwerlich nicht in der Lage sein werden, ihre Zustimmung zu versagen (so Fortsetzung der Fußnote auf Seite 140 139

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Die II. Kammer der sächsischen Landstände sprach sich im Februar 1872 mit 42 gegen 23 Stimmen lediglich dafür aus, daß die Regierung einer Ausdehnung der Reichskompetenz auf die „Erlassung eines allgemeinen Gesetzbuchs über das Privatrecht" zustimmen solle24. Der Standpunkt der Regierung ergibt sich aus der Erklärung der Regierungskommissare in einer Ausschußsitzung: Diese verneinten das „Vorhandensein eines allgemeinen Staatsinteresses für Herstellung eines im ganzen deutschen Reiche giltigen Privatrechts, 1. weil in Sachsen ein bürgerliches Gesetzbuch existire, welches das Land befriedige; 2. weil ein allgemeines, das ganze Civilrecht umfassendes Gesetz ein Nationalrecht nicht herstellen werde, indem verschiedene Verhältnisse der Einzelstaaten verschiedene sein und bleiben würden, die Entwicklung eines Nationalrechts vielmehr, sowie das römische Recht, lange Jahre, ja Jahrhunderte langer Zeit bedürfe, 3. weil, wenn man, wie es scheine, gar kein gemeinsames deutsches Reichscivilgesetzbuch schaffen, sondern nur nach und nach mit einzelnen Materien vorgehen wolle, wie z. B. die Herstellung eines deutschen Civilprozesses die Abänderung verschiedener Bestimmungen des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs bedingen werde"25. In der Sitzung der 2. Kammer vom 23. 2. 1872 führte dann der Justizminister Abeken26 aus27: „Ich erinnere mich, ich kann mich ausgesprochen haben — und das entspricht auch jetzt noch meiner Meinung —, daß ich stets die Competenzgrenze, auch bei HGB, WO). 4. Es ist deshalb, sollte sich das Bedürfniß eines gemeinsamen Civilrechts außer Sachsen (wo es nicht besteht, Ziff. 2) geltend machen, derselbe Weg einzuschlagen, auf welchem seiner Zeit die Codification des Handels-und Wechselrechts unternommen worden ist und demgemäß zwischen den Bundesregierungen auf dem Vertragswege zu vereinbaren, in welcher Weise vorgegangen werden soll, um zu einem Entwurf zu gelangen, über dessen Adoption sich dann die Einzelstaaten schlüssig machen können. Soll hiernach etwas wahrhaft Entsprechendes pp. erzielt werden, so darf hierbei nicht so verfahren werden, wie bei der Vorbereitung der bisher erlassenen Reichsgesetze. — Schon zur ersten Aufstellung eines Entwurfs ist aus den hervorragendsten Theoretikern und Praktikern der einzelnen Rechtsgebiete eine Kommission einzusetzen, welche ihren Arbeitsplan selbst macht bezw. die Vorarbeiten, sowie die Ausarbeitung der Entwürfe der einzelnen Materien unter ihre Mitglieder vertheilt. Der Entwurf soll alle diejenigen Materien enthalten, von denen sich bei Vergleich der Particularrechte resp. Einrichtungen . . . ( ? ) erweist, daß ihre gleichmäßige Codification zweckmäßig und ausführbar ist. Die Commission kann mit allen deutschen Regierungen . . . ( ? ) unmittelbar verkehren. Der fertige erste Entwurf ist für einen bestimmten und mindestens zwei Jahre umfassenden Zeitraum den Regierungen und Facultäten zur Prüfung vorzulegen und nach Eingang der Kritiken und Abänderungsvorschläge von der nämlichen Commission der Revision zu unterstellen. Der rev. Entwurf ist durch den Druck zu veröffentlichen. Um seine practische Brauchbarkeit zu erproben, hat zwei Jahre lang in jedem deutschen Civilgerichtshof 2. und 3. Instanz ein hierzu besonders zu bestellender Referent jeden einzelnen vorkommenden Streitfall bezw. auch ältere Sachen nach dem Entwurf zu entscheiden und dies dem Collegium vorzutragen. Nach Ablauf der Frist hat jedes Gericht das Ergebniß mit Abänderungsvorschlägen der Commission vorzulegen. Diese . . . ( ? ) neu zusammengesetzte Commission benutzt das hierdurch sowie durch die öffentliche Kritik gewonnene Material zur weiteren Revision und legt den so festgestellten Entwurf dem Bundesrath vor" (1872). Mittheilungen über die Verhandlungen des ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen während der Jahre 1872-1873, 2. Kammer, Bd. 2, S. 1155-1156; eine am 16. 2. 1872 wiederholte Abstimmung ergab nur 18 Gegenstimmen (S. 1174—1175). 25 Mittheilungen über die Verhandlungen, a. a. O., S. 1125. 26 Wilhelm Ludwig Abeken (geb. 1826 in Dresden, gest. daselbst 1890) war nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Leipzig und Heidelberg zunächst als Staatsanwalt (von 1856 ab) in Berna tätig; anschließend richterliche Tätigkeit in Dresden, 1866 Rat im Justizministerium, 1871 Justizminister des Königreichs Sachsen. 27 Mittheilungen über die Verhandlungen, a. a. O., S. 1144— 1145. 140

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

welche Art. 4 der Bundesverfassung in Betreff des Privatrechts zieht, für unhaltbar gehalten habe, wie sich dies bisher schon bei der Specialgesetzgebung des Reichs bewahrheitet hat, und zwar um deswillen ist die Grenze unhaltbar, weil, wie im Bericht der Deputation28 richtig hervorgehoben ist, alle Materien des Privatrechts dergestalt mit einander im Zusammenhang stehen, daß man an der einen Materie nichts ändern kann, ohne zugleich mehr oder weniger in eine andere überzugreifen. Die Specialgesetzgebung, wie sie Seiten des Reichs auf Grund der Competenzbestimmung des Art. 4 der Reichsverfassung jederzeit stattfinden kann, führt von selbst zur Erweiterung der Competenzgrenzen thatsächlich hin und wenn das Reich auf Grund seiner jetzigen Competenz ein Gesetz erläßt, welches einzelne Punkte nothwendig enthalten muß, die auf andere Materien des Privatrechts übergreifen, auf die sich die Competenzbestimmung des An. 4 nicht bezieht, wird die Regierung, wenn ein Bedürfniß zu diesem Uebergriffe auf ein anderes Gebiet vorliegt, die Competenzfrage niemals erheben. In diesem Sinne hat bereits die Regierung in der Deputationssitzung darauf hingewiesen, daß, insofern die Reichsproceßordnung nothwendig einige derartige materiellrechtliche Bestimmungen enthalten muß, die Regierung solcher Bestimmungen halber lediglich aus dem Grunde, weil sie nicht unter Artikel 4 fallen, sich nicht veranlaßt sehen kann, gegen den Erlaß der Reichsprozeßordnung mit diesen Bestimmungen Einwendungen zu erheben. Für den Fall, daß die Aeußerung des Abg. Lasker29, um darauf zurückzukommen, sich auf eine Privatbesprechung bezogen haben sollte, die ich mit einem sächsischen Reichstagsabgeordneten in Betreff meiner persönlichen Ansicht über den Antrag auf Erweiterung der Competenz des Bundes gehabt habe, so bemerke ich darüber, daß ich mich dahin ausgesprochen, daß es meiner Ueberzeugung nach zur Erreichung der Rechtseinheit, die an sich wünschenswerth sei und die auch für immer sich nicht aufhalten lassen werde, nicht der richtige Weg sei, wenn man so im Allgemeinen, ohne jede Beschränkung die Reichsgesetzgebung zum Erlaß von Specialgesetzen auf dem ganzen Gebiete des Privatrechts competent machen wolle; daß sich aber, wenn man einmal für die Rechtseinheit sich aussprechen wolle, die Sache anders ansehen lassen würde, wenn man dem Antrage die Beschränkung beifüge, daß das Reich wohl zum Erlaß eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs competent sein solle, dagegen bis zum Erlaß dieses allgemeinen Gesetzbuchs sich des Erlasses von Specialgesetzen enthalten müsse, außer so weit die Competenz dazu bereits in Art. 4 der Bundesverfassung begründet sei. Das ist auch jetzt meine Meinung, daß der Antrag auf unbeschränkte Ermächtigung des Reichs, auf dem ganzen Gebiete des Privatrechts Specialgesetze zu erlassen, dem öffentlichen Interesse, dem Reichsinteresse und dem Interesse der Einzelstaaten zuwiderlaufen würde. Ich beziehe mich in dieser Beziehung auf die ausführliche Darlegung des Präsidenten Dr. Schaffrath30, mit der ich im Wesentlichen vollständig übereinstimme. An und für sich ist gar nicht zu verkennen, daß dem Antrage Lasker und Genossen, dessen Empfehlung hier angerathen worden ist, ein Gedanke von nationaler 28

Mittheilungen über die Verhandlungen, S. 1124 ff. Lasker hatte im Reichstag ausgeführt: „Um das Bedürfniß (nämlich nach einer Kompetenzausweitung, Anm. des Verf.) zu charakterisiren, berufe ich mich auf einen wichtigen Umstand, welcher kein Geheimniß, sondern von den betreffenden Personen selbst öffentlich bekannt ist. Sämmtliche Justizminister aller deutschen Staaten sind als Personen, als Justizminister — ich weiß nicht, wie sie vom Standpunkte der Politik aus sich entscheiden — als Personen sind sie für die Ausdehnung der Kompetenz; jeder einzelne hat dies öffentlich bekannt, und zu meiner großen Freude kann ich sagen, daß auch in Sachsen diese bedeutende Umwandlung vor sich gegangen ist" (St. B. RT, Session 1871/73, Bd. l, S. 287; 15.11.1871). 30 Die umfangreiche Rede von Schaffrath kann hier nicht wiedergegeben werden (vgl. Mittheilungen über die Verhandlungen, a. a. O., S. 1130ff.). 29

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Bedeutung und Berechtigung zu Grunde liegt. Jede Nation hat die Triebkraft, sich ein eigenes Recht zu erzeugen; der Besitz eines eigenen umfassenden Privatrechts ist jedenfalls ein Vortheil und ist es daher nicht zu verwundern, wenn, nachdem Deutschland gesetzgebende Organe erhalten hat, in diesen Organen sich das Streben und der Wunsch rege macht, den Mangel eines gemeinsamen Rechts, der jetzt noch vorhanden ist, auf dem Gesetzgebungswege zu ergänzen. Allein, ob es schon an der Zeit sei, dem Reiche die Aufgabe zu stellen, ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch zu erlassen, ist eine Frage, über die man verschiedener Ansicht sein kann. Auf diese Frage führt nothwendig der Antrag des Herrn Präsidenten Dr. Schaffrath und für den Fall, daß derselbe an die Regierung gelangen sollte, hat sich dieselbe weitere Erwägung vorzubehalten31. 2. Königreich Württemberg a) Ergebnis der Nürnberger Konferenz vom 12.10.1872 Wie die anderen Mittelstaaten lehnte auch Württemberg zunächst den Antrag des Reichstags auf Erweiterung der Kompetenz des Reichsgesetzgebers ab32. Der bayerische und der württembergische Justizminister hielten am 12. 10. 187233 in Nürnberg eine Konferenz über Fragen der Justizgesetzgebung ab. Das Ergebnis der Konferenz wurde von württembergischer Seite wie folgt zusammengefaßt34: „Man war darin einig, daß eine rein negative Stellung zu dem genannten Beschlüsse nicht als haltbar zu erachten sei, zumal einer solchen auch innere Gründe nicht zur Seite stehen. Wenn jedoch andererseits auch aus sachlichen Gründen daran festzuhalten sei, daß der fragliche Beschluß in seiner Allgemeinheit zu weit gehe, so werde es als Aufgabe der auf diesem Standpunkte stehenden Regierungen zu betrachten sein, selbst mit einem Vorschlag hervorzutreten, welcher, wenn er dem Reichstagsbeschlusse entgegen komme, so andererseits dem Standpunkte der betreffenden Regierungen durch die formulirte Bezeichnung derjenigen Rechtsgebiete gerecht werde, innerhalb derer die Legislative auch fernerhin den Bundesstaaten zu verbleiben hätte. Die Diskussion eines diesfälligen Vorschlags führte zu dem Ergebniß, daß die Frage nach dieser Seite hin noch weiterer Untersuchung bedürfe. Man vereinigte sich, eine solche beiderseits eintreten zu lassen und die Ergebnisse sich gegenseitig mitzutheilen, wobei dann insbesondere auch die Frage in das Auge zu fassen wäre, ob der Reichsgesetzgebung das gesammte Civilrecht mit gewissen zu bestimmenden Ausnahmen oder umgekehrt nur einzelne speziell aufzuzählende Materien des Civilrechts zu überweisen seien. Endlich war man darin einverstanden, daß jedenfalls dem Reichstagsbeschlusse nicht vor erfolgter Entscheidung über die Gerichtsorganisation zuzustimmen sei."

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Zu den Verhandlungen über die Verfassungsänderung in den sächs. Kammern im Jahre 1873 vgl. Mittheilungen,S. 10ff. (5. 11. 1873; I.Kammer),S.211 ff.(20. 11. 1873;2. Kammer). Zur Stellung Württembergs zum Antrag von Lasker vgl. meinen Aufsatz „Franz von Kübel und Württembergs Stellung zur Erweiterung der Reichskompetenz für das gesamte bürgerliche Recht", in der „Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte", Bd. 34/35 (erschienen 1978) So nach den Notizen in den württembergischen Akten; nach den Aufzeichnungen von Schmitt (Bayr. Hauptstaatsarchiv München, Abt. I, Nachlaß Schmitt) fand die Konferenz vom 11. bis 13. 10. 1872 statt. HStA Stuttgart, E 130a/819. Von bayerischer Seite sind amtliche Aufzeichnungen nicht vorhanden; es existiert lediglich im Nachlaß von Schmitt eine kurze Zusammenfassung des Konferenzergebnisses.

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A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

b) Gutachten von Kübel, Holzschuher und Kohlhaas zum Antrag von Lasker (1872) b) Der württembergische Justizminister Mittnacht beauftragte Ende Oktober 1872 Franz von Kübel35 und die beiden Richter Kohlhaas und Holzschuher, ein Gutachten über die Frage zu erstatten, ob sich eine präzise Formel dafür finden lasse, welcher Kompetenzbereich den Ländern Erhalten bleiben solle. Das von Kübel erstellte Gesamtgutachten vom 6. 12. 1872 lautet36: „. . . 1. Einstimmig sind wir der Ansicht, daß der Antrag auf eine Verfassungsänderung, welche der Reichsgesetzgebung den regellosen Erlaß von Spezialgesetzen in dem gesammten Gebiete des bürgerlichen Rechts gestatten würde, unbedingt zurückgewiesen werden sollte, da eine durch den Gesichtspunkt des augenblicklichen, wirklichen oder vermeintlichen, Bedürfnisses bestimmte, von jeweiligen politischen Ansichten und Zeitbestimmungen beeinflußte Gelegenheitsgesetzgebung im Gebiete des Privatrechts schon an sich als gefährlich und verwerflich erscheine, zudem aber hiedurch der Zusammenhang der Gesetzgebung in den einzelnen deutschen Staaten empfindlich gestört, der Ueberblick maßlos erschwert und ein unerträglicher Zustand der Rechtsunsicherheit und Rechtsverwirrung herbeigeführt, auch der Landesgesetzgebung einerseits die fast unmögliche Aufgabe der fortwährenden Einpassung der Spezialgesetze in die bestehenden Privatrechtsgesetzgebungen auferlegt, anderer Seits dieselbe bei der täglichen Gefahr eingreifender Aenderungen durch die Reichsgesetzgebung thatsächlich lahmgelegt werden müßte, ohne daß das zu erstrebende Ziel der nationalen Rechtseinheit gefördert wäre, welches nach unserer Ansicht nur auf dem Wege der Kodifikation sich erreichen läßt. Der Umstand, daß der Reichsgesetzgebung schon durch die jetzige Kompetenzbestimmung und der ihr gegebenen Auslegung die Möglichkeit eröffnet ist, wenigstens im Gebiete des Obligationenrechts in die verschiedenen Rechtssysteme durch Spe/.ialgesetze störend einzugreifen, kann unseres Erachtens einen Grund nicht abgeben, die schon hierin liegende und durch die Erfahrung bestätigte Gefahr durch eine Erweiterung der Kompetenz noch zu vergrößern. Dabei haben wir jedoch nicht verkannt, daß Fälle eintreten können, wo auch gemeinsame Spezialgesetze zum Wohle des Ganzen als dringend und unumgänglich sich erweisen können. Wir sind aber der Ansicht, daß für Fälle dieser Art im Eintreten von Fall zu Fall nach Maßgabe des Art. 78 der Reichsverfassung der geeignete und für die Beschränkung auf das unabweisbare Bedürfniß die wünschenwerthe Garantie gewährende Weg zu erachten sei. 2. Einstimmig sind wir weiter der Ansicht, daß das von den namhaftesten Juristen unterstützte und bevorwortete Verlangen nach Erlassung eines bürgerlichen Gesetzbuches innerhalb der durch die Verschiedenheit der wirtschaftlichen Bedürfnisse und bestehender Einrichtungen, sowie der Ansprüche und Anschauungen des Rechtslebens begründeten Grenzen als berechtigt anzuerkennen, daß ferner das bürgerliche Recht, mit den durch die vorgedachten Rücksichten bestimmten Ausnahmen, der Kodifikation in einem allgemeinen deutschen Gesetzbuche gar wohl fähig und die Erlassung eines solchen Gesetzbuchs ungeachtet der entgegenstehenden großen Schwierigkeiten

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Über Franz von Kübel vgl. oben S. 75 ff.; über Kohlhaas diesen Abschnitt Fn. 8. Die drei Referenten hatten Einzelgutachten erstellt. Das umfangreiche und sehr aufschlußreiche Gutachten von v. Kübel habe ich in seinen wichtigsten Partien in der „Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte " Bd. 34/35 (erschienen 1978) veröffentlicht. Die hier folgende Zusammenfassung aller drei Gutachten (HStA Stuttgart £ 130a/819) übersandte Kübel dem •württembergischen Justizminister am 6.12.1872.

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Materialien zur Entstehung des BGB wünschenswerth und zu erstreben, auch unserer Zeit und den juristischen Kräften der Gegenwart Beruf und Fähigkeit zu einer Rechtskodifikation nicht abzusprechen sei. Wir sind ferner darin einverstanden, daß einem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche gegenüber voraussichtlich eine Reihe von Bedenken, welche gegen eine einheitliche Regelung so mancher Rechtsmaterie zur Zeit noch bestehen, verschwinden werden, auch von einer vor vielen Jahren nicht zu vollendenden Kodifikation — im Hinblick auf die aus der eingehenden Erforschung der bestehenden Rechte und der jahrelangen Erörterung der verschiedenen Rechtsmaterien zu erhoffenden Klärung des Unheils über die verschiedenen Bedürfnisse und Interessen der Einzelstaaten — die Achtung und Schonung berechtigter Eigenthümlichkeiten der Landesrechte sich mit viel mehr Grund erhoffen lassen, als dies im jetzigen Augenblick, bei ungenügender Kenntniß der bestehenden Rechtsbesonderheiten und ihres Werthes und ihrer Begründung in den lokalen Verhältnissen und Bedürfnissen, von dem regellosen Eingreifen einer Specialgesetzgebung des Reiches zu erwarten wäre. Verschiedene Anzeigen haben sich jedoch bezüglich der Frage geltend gemacht, ob von den vorstehenden Erwägungen ausgegangen der beantragten Ausdehnung der Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung nicht wenigstens in der Beschränkung auf eine Gesammtkodifikation des bürgerlichen Rechts zugestimmt und demgemäß die Erlassung eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs der Reichsgesetzgebung zugewiesen werden könnte. Der Unterzeichnete, der zur näheren Begründung seiner Ansicht auf den beihegenden Vortrag zu beziehen sich erlaubt36*, geht davon aus, daß, wenn überhaupt auf eine Kompetenzerweiterung schon jetzt eingegangen werden und nicht die Betretung des nachher unter Ziff. 4 zu erwähnenden Weges vorgezogen werden wollte, unter gewissen Voraussetzungen der Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung „die Erlassung eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches" weiter zuzuweisen und dies in die Ziff. 13 des Art. 4 der Reichsverfassung aufgenommen werden könnte, wodurch dem Antrag des Reichstages, soweit solcher als berechtigt zu erkennen, entsprochen würde. Als Voraussetzung für ein solches Eingehen auf eine Erweiterung der Kompetenz würde ich jedoch betrachten, daß der sofortige Angriff einer das gesammte bürgerliche Recht umfassenden Kodifikation vorher geführt, daß über die Betheiligung der einzelnen Staaten an dieser Gesetzgebungsarbeit und die Vorbereitungen an derselben unter den betheiligten Regierungen zuvor bestimmte und maßgebende Verabredungen getroffen und daß endlich hierbei bezüglich des Schutzes berechtigter Partikularitäten formelle Zusicherungen verlangt würden. Unter diesen Voraussetzungen, deren Erreichbarkeit ich dahingestellt lassen muß, würde ich evtl. die Erweiterung der Kompetenz in der Beschränkung auf die Gesammtkodifikation nicht für bedenklich erachten und zwar würde ich diese Kompetenzerweiterung, wenn überhaupt darauf eingegangen werden wollte, bevorworten, ohne bezüglich der von der einheitlichen Regelung auszunehmenden Rechtsmaterien eine Bestimmung in die Verfassung aufzunehmen. Ich würde meinerseits glauben, daß aufgrund der von mir vorausgesetzten Verabredungen hiervon umsomehr abgesehen werden könnte, als nach meiner, auch von den Herren Kollegen getheilten Ueberzeugung durch eine Gesammtkodifikation wohl ein großer Theil der vorliegenden Bedenken beseitigt und die Gefahr eines Eingriffs in die berechtigten partikularrechtlichen Institute erheblich vermindert würde. Andererseits wäre meines Erachtens kaum zu erwarten, daß der Reichstag sich auf eine verklausulirte Zuweisung der Kodifikation an die Reichsgesetzgebung einlassen würde, da selbst ohne solche Klausel das Zugeständniß hinter dem Antrag des Reichstages

36a Teyweise veröffentlicht in der in Fn. 36 genannten Zeitschrift. 144

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

zurückbleiben und seiner, mindestens vorzugsweise, auf die Erlassung von Spezialgesetzen gerichteten Tendenz nicht entsprochen würde. Die Herren v. Kohlhaas und v. Holzschuher36b sind dagegen der Ansicht, daß auch einer auf die Erlassung eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches beschränkten Erweiterung der Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung nicht zugestimmt werden könne, indem die hierin liegende formelle Schranke immer im einzelnen Falle als unnatürlich empfunden und deshalb, nachdem die Sache gewährt wäre, irgendwie zu umgehen gesucht werden würde. Es stünde mit Grund zu befürchten, daß in Bälde die partiale Kodifikation und selbst die Erlassung von Spezialgesetzen unter die neue Verfassungsbestimmung gezogen und gerade mit ihrer Hilfe durchzusetzen versucht werden würde. Zudem stehe einer Beschränkung der Kompetenzerweiterung auf die Erlassung eines bürgerlichen Gesetzbuches der Umstand entgegen, daß im Gebiete des Obligationenrechts die Ermächtigung zur Spezialgesetzgebung schon aus der bestehenden Kompetenzbestimmung gefolgert werde. — Ich kann nicht bestreiten, daß die zuerst angeführten Bedenken sich erheben lassen; ich könnte denselben aber unter den Voraussetzungen, an welche ich das evtl. Eingehen auf die Kompetenzwertweiterung knüpfen würde, seine entscheidende Bedeutung nicht beilegen. 3. Betreffend die Frage, ob, wenn die Ausdehnung der Reichskompetenz auf weitere Gebiete des bürgerlichen Rechts zur Zeit nicht schon überhaupt abgewiesen werden wollte, eine Formel gefunden werden könne, wodurch die Reichskompetenz bezüglich der zur einheitlichen Normirung ungeeigneten partikulären Zivilrechtsinstitutionen ausgeschlossen würde, so sind wir einstimmig der Ansicht, daß es auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen müßte, wenn man jenen Ausschluß durch eine Formel präzisiren wollte, wodurch der Reichsgesetzgebung nur einzelne weitere Rechtsmaterien, außer dem ihr bereits zugewiesenen Obligationenrechte, überlassen würden. Eine derartige Formel, zumal in einer für eine Verfassungsbestimmung geeigneten Fassung, wäre schon wegen der Unmöglichkeit eines geeigneten Ausdrucks für die Zuweisung des sog. allgemeinen Theiles des bürgerlichen Rechtes unerfindbar, ganz abgesehen von den vielen sonstigen in meinem Vortrage ausgehobenen fast unüberwindlichen Schwierigkeiten. Dagegen ist Herr von Holzschuher der Ansicht, daß eine Grenzbestimmung, wonach von der allgemein anzuerkennenden Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung gewisse bestimmt zu bezeichnende Rechtsmaterien ausgeschlossen Im Hauptvotum trat Holzschuher dafür ein, daß sofort mit der Ausarbeitung eines BGB-Entwurfs begonnen würde. Anschließend sollten dann die Länder ihre Spezialentwürfe feststellen und sich im Bundesrat, sofern eine Einigung über eine Verfassungsänderung nicht zustande komme, den Inhalt des Entwurfs festlegen. Für den Fall, daß man eine Kompetenzerweiterung schon jetzt wünsche und dabei bestimmte Materien ausscheiden wolle (was Holzschuher für verfehlt ansah), stellte Holzschuher in einem Hilfsgutachten fest, daß die Formel in etwa lauten könnte: dem Reich ist zuzuweisen die Gesetzgebungskompetenz „über das gesammte bürgerliche Recht, mit Ausnahme jedoch des besonderen Rechts der unbeweglichen Sachen, des Dienstbarkeitsrechts, des Familienvermögens- und des Erbrechts". — Im Anschluß an die Beratungen der Gutachter am 4. 12. 1872 setzte sich Holzschuher nochmals energisch für die Ausarbeitung eines BGB ein: „Ich habe mich überzeugt, daß die Frage der Gesamtcodification von Jahr zu Jahr dringender, brennender werden wird, und frage, warum man mit dem, was doch einmal geschehen muß, und was selbst unter anderen politischen Constellationen nicht sehr geraume Zeit in Anspruch nehmen wird, nicht jetzt beginnen will. Die jetzige Wissenschaft wird sich der Aufgabe sicherlich so gewachsen zeigen und die dazu nöthigen Kräfte bieten, wie dies etwa in 20 Jahren der Fall sein würde. Württemberg aber wird sich ein unschätzbares Verdienst erwerben, wenn es auch diesmal mit dem Antrage, den Schritt zu thun, der zu der gemeinsamen Gesetzgebung führt, vorangeht." 145

Materialien zur Entstehung des BGB würden, nicht unthunlich erachtet werden könne. Herr von Holzschuher hat in einem eventuellen Votum und den Beilagen zu demselben ausgeführt, welche Rechtsmaterien vom Standpunkte des württembergischen Rechts zur Zeit und abgesehen von den etwa nach der Bearbeitung eines Zivilgesetzbuchsentwurfes sich ergebenden Modifikationen von der Zuweisung an die Reichsgesetzgebung auszunehmen sein dürften, und hat in seinem eventuellen Votum verschiedene Formeln vorgeschlagen, welche seinen Gedanken zum Ausdruck bringen. Herr von Kohlhaas und der Unterzeichnete sind jedoch der Ansicht, daß sich eine entsprechende Formel, welche nach irgend einer Richtung befriedigen würde, nicht finden lasse und glaubt sich der Unterzeichnete diesfalls auf seine beiliegende Ausführung und das Votum des Herrn von Kohlhaas beziehen zu können. 4. Einstimmig sind wir dagegen der Ansicht, daß sich nicht auf die bloße Negation des von dem Reichstage gestellten Antrags beschränkt werden, sondern Schritte zur Ausarbeitung einer Kodifikation des bürgerlichen Rechts geschehen sollten. Ich meinerseits glaube noch immer, daß der richtige Weg wäre, zunächst an einem Verkehrsrechtsgesetze sich zu versuchen, wie ich dies in meinem Vortrag näher dargelegt habe, Herr von Holzschuher glaubt, daß sofort Schritte zur Anbahnung eines umfassenderen Zivilgesetzbuches in der in seinem prinzipalen Votum entwickelten Weise geschehen sollte, womit ich mich evtl. auch einverstanden erklären könne, und Herr von Kohlhaas glaubt, daß der richtige Weg wäre, wenn mit Ausführung der Ziff. 13, wie sie jetzt liegt, der Anfang gemacht würde, wobei nichts im Wege stünde, der mit der Arbeit betrauten Kommission anheim zu geben, ihre Arbeit auf diejenigen weiteren Rechtsmaterien auszudehnen, in welche nach ihrem Dafürhalten zur befriedigenden Lösung der verfassungsmäßigen Aufgabe eingegriffen werden müsse, eine Ansicht, die im wesentlichen mit der meinigen zusammentrifft." (gez. Dr. Kübel) c) Erklärung von Mittnacht vom 24. 1. 1873 in der 2. Kammer37 . . . Die Schaffung eines gemeinen deutschen Civilrechts durch die Organe der Reichsgewalt, von welchen allein es geschaffen werden kann, halte ich für ein zu erstrebendes Gut, daneben für etwas, dem man sich nicht entziehen kann, nachdem die Verfassung bereits so weit gegangen ist, als geschehen, nachdem sie Herstellung der Rechtseinheit im Strafrecht, im gerichtlichen Verfahren, im Handels- und Wechselrecht und im Obligationenrecht der Reichsgesetzgebung zugewiesen hat. Ein gemeines Deutsches Privatrecht verstehe ich aber nicht so, daß der Gesetzgeber durch sein Machtgebot überall Uniformität herzustellen hätte. Es gibt im Privatrecht Gebiete, z. B. auf dem Boden des bäuerlichen Rechts, des Familien- und Erbrechts, in welchen eigenartige Rechtsbildungen Anspruch auf Anerkennung haben, wo deshalb die Reichsgesetzgebung sich begnügen müßte, nur dispositive Bestimmungen zu treffen, welche bestehenden und begründeten partikularen Rechtsbildungen Raum lassen. Ich habe seit dem letzten Reichstagsbeschlusse die Frage näher untersucht und drei Sachverständige38, nicht, wie unwahrer Weise behauptet ward, das oberste Landesgericht darüber gehört, ob sich für den Ausdruck dieses Gedankens eine in die Verfassung aufzunehmende Formel finden ließe, entweder so, daß von der in der Verfassung allgemein anzuerkennenden Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung für das bürgerliche Recht

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Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten von 1870—1873, 7. Protokollband, S. 3662 ff. Vgl. das oben mitgeteilte Gutachten.

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gewisse bestimmt zu bezeichnende Materien auszuschließen, oder daß der in bestimmter Weise zu limitirenden Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung gewisse weitere Materien, als die dermalige Nr. 13 des Art. 4 der Verfassung enthält, zuzuweisen wären. Ich kam zu dem Resultate, daß dies unausführbar sei, daß also die erwünschte und erforderliche Beruhigung in diesem Punkte anderswo als in dem Wortlaut der betreffenden Verfassungsbestimmung gesucht werden müsse. Sodann halte ich für das zu erstrebende Ziel ein allgemeines deutsches bürgerliches Gesetzbuch, nicht die bloße Einreißung einer Kompetenzschranke, nicht eine unbestimmte Zahl von Spezialgesetzen, eingegeben vom augenblicklichen wirklichen oder vermeintlichen Bedürfniß, beeinflußt vielleicht von jeweiligen politischen Ansichten und Zeitströmungen. Wären wir für die Inangriffnahme einer Kodifikation des Privatrechts noch nicht reif, so würden wir, glaube ich, von einer erweiterten Kompetenz auch keinen richtigen Gebrauch machen. Ist das Civilrecht ein großer Organismus, ein Ganzes, nicht nach Schulbegriffen in einzelnen bestimmten Abschnitten auseinander zu halten — und das ist ja die Hauptbegründung des Gesetzesantrags — so suche man auch ein Ganzes zu geben und eröffne nicht für die Einzelnstaaten die Perspektive Jahre langer, empfindlicher Störung des Zusammenhangs ihrer Gesetzgebung, der Nothwendigkeit, einmal dies, das andere mal ein anderes Spezialreichsgesetz in ihr Rechtssystem einzupassen, eine Perspektive möglicher Rechtsunsicherheit und Rechtsverwirrung. Daß es nicht meine Meinung ist, hinter die Kodifikation mich zu verstecken, weil sie ein Werk ist, was Jahre kostet, daß ich vorgängige Reichspezialgesetze nicht ausgeschlossen, sie aber auf das unumgänglich Nothwendige beschränkt wünsche, habe ich schon im Reichstage gesagt39. Ob man nun eine Aenderung der Reichsverfassung früher oder später vornehmen will, ist von meinem Standpunkte aus ein vergleichungsweise untergeordneter Punkt. Hier könnte ich mich fügen. Ich bin zwar bisher der Ansicht gewesen, daß für einzelne Bedürfnißfälle der Ausdehnung der Kompetenz der Reichsgesetzgebung die Zustimmung aller Regierungen oder jedenfalls der entscheidenden Mehrheit derselben unschwer zu erlangen, die Aenderung der Verfassungsurkunde also so besonders dringlich nicht wäre. Indessen haben solche Einzelnabweichungen von der Verfassung, namentlich wenn sie häufiger und mit einem gewissen System vorkommen, auch ihr Beunruhigendes und Schädliches, und will der Deutsche Reichstag, wie der Fall ist, damit sich nicht begnügen, und ist die K. Regierung des Einverständnisses der Landesvertretung versichert, so würde ich nach meiner persönlichen Ansicht ein Hinderniß gegen eine entsprechende Aenderung der Verfassung nicht abgeben. Nur das glaube ich: Soll die Verfassung geändert werden, soll, wie die Reichsverfassung von 1849 sagte, der Reichsgewalt obliegen, durch die Erlassung allgemeiner Gesetzbücher über bürgerliches Recht, Handels- und Wechselrecht, Strafrecht und gerichtliches Verfahren die Rechtseinheit im Deutschen Volke zu begründen, dann müssen, glaube ich, zunächst die Regierungen die Initiative ergreifen, dann müssen sie die Sache wirklich anfassen und in die Hand nehmen, einen Plan aufstellen, wie die Kodifikation anzugreifen und auszuführen und wieweit sie auszudehnen, und diesen Plan sofort zu verwirklichen beginnen. Hiezu mitzuwirken bin ich jederzeit bereit und würde in diesem Sinn auch einer Aenderung der Verfassung nach meiner persönlichen Ansicht zustimmen können40.

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Stenographische Berichte R. T., Session 1871/3, Bd. 2,610ff. (29. 5. 1872). Die 2. Kanuner stimmte einer Verfassungsänderung mit dem Ziel, daß eine Zivilrechtskodifikation geschaffen würde, mit 58 gegen 22 Stimmen zu; Verhandlungen, S. 3758. 147

Materialien zur Entstehung des BGB

3. Königreich Bayern a) Gutachten von Neumayr über den Antrag von Lasker (1872) Wie Württemberg und Sachsen stand auch Bayern einer Verfassungsänderung ablehnend gegenüber41. Nach der Nürnberger Konferenz ließ es durch den Präsidenten des bayerischen Oberappellationsgerichts, Ludwig Ritter von Neumayr42, ein Gutachten über die Verfassungsänderung ausarbeiten. Das Gutachten lautet in einer Zusammenfassung durch von Schmitt43: „Gutachten des Herrn v. Neumayr lediglich vom sachlichen Standpunkt mit Ausschluß politischer Motive: I. a) Bayern bedarf dringender als ein anderer Staat der Civilrechtsreform. Das beweist der geradezu jämmerliche Zustand des dermaligen Stands der bürgerlichen Gesetzgebung. Die Buntscheckigkeit der Statutarrechte, die Unsicherheit der Rechtsstatistik, die Atomisirung der Rechtsgebiete selbst nach Distrikten, Ortschaften, Häusern, Hausparzellen usw. b) Diese Reform kann nicht auf dem Wege der Ausflickung, Modifikation oder theilweisen Beseitigung einzelner Statutarrechte, sondern nur durch eine Kodifikation des Civilrechts, durch Schaffung eines für das ganze Land geltenden, die sämmtlichen Statutarrechte beseitigendes und ersetzendes Civilgesetzbuch geschehen, c) Das kann nicht im Wege der Landesgesetzgebung geschehen, weil der Hauptabschnitt, das Obligationenrecht, schon zur Reichszuständigkeit gehört und man sich mit dem neuen bayerischen Gesetzbuch nicht der Gefahr aussetzen kann, daß dasselbe sofort wieder durch Reichsgesetz durchlöchert, durchbrochen und sein organischer Zusammenhang erschüttert werde, d) Hiernach ist der Weg der Reichsgesetzgebung (Vertrag zwischen (?) einzelnen Bundesstaaten nicht mehr wohl möglich) der einzig praktikable, e) Die Gefahr, daß durch ein . . . ( ? ) Gesetzbuch den eigenthümlichen bayerischen Materien in Bezug auf gewisse Rechtsmaterien zu nahe getreten werde, insbesondere eheliches Güterrecht, Fideikommisse, Lehen, agrarische Verhältnisse, ist nicht besorgniserregend. — Die Reichsgesetzgebung wird genöthigt sein, hier die Partikularrechte bestehen zu lassen, oder dem Vertrage der Betheiligten Spielraum zu geben; auch hat noch Niemand hierin einen Grund gefunden, ein bayerisches allgemeines Gesetzbuch zu perhorresciren. Angenommen aber selbst schmerzliche Eingriffe . . . (?), so sind das kleine Uebel gegen den Nutzen des Ganzen. Demgemäß ist „nicht nur für Bayern kein ausreichender sachlicher Grund gegeben, der Erweiterung der Reichszuständigkeit auf das gesammte bürgerliche Recht entgegenzutreten, vielmehr die Erweiterung im Interesse der Verbesserung des bayerischen Rechtszustandes als wünschenswerth zu betrachten". II. Eine Ausscheidung der einzelnen Materien des Civilrechts und eine Vertheilung zwischen der Zuständigkeit des Reichs und der Einzelstaaten kann mit praktischem Erfolge nicht durchgeführt werden, weil eben die verschiedenen Materien des Civilrechts nicht mechanisch abtrennbare Massentheile, sondern Gebiete eines Organismus sind, der nur in der Auffassung und Behandlung als ein Ganzes lebensfähig zu gestalten

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Die Akten des Justizministeriums über die Lex Lasker sind leider im 2. Weltkrieg verbrannt. Nur Teile der Vorgänge sind noch erhalten in der Akte MA Nr. 76158 des Geh. Staatsarchivs München. Im übrigen werde ich demnächst über die Stellung Bayerns zur Verfassungsänderung eine gesonderte Abhandlung veröffentlichen. Über Neumayr (seit 1874 Mitglied der Vorkommission) vgl. oben S. 71. Nachlaß Schmitt (Bayr. HSt A München Abt. I). Das Gutachten selbst oder eine Abschrift davon ist nicht mehr auffindbar; der schwer lesbare Text von Schmitt enthält zahlreiche Abkürzungen, die ich aufgelöst habe. An vier Stellen konnte ich den Text nicht entziffern.

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ist. — So kann das Reich das Obligationenrecht nicht codifiziren, weil hierzu die Festsetzung und Regelung einer großen Anzahl von allgemeinen Rechtsgrundsätzen erforderlich wäre, die nicht nur für das Obligationenrecht, sondern auch für alle anderen Sparten des Civilrechts maßgebend sind, die für das Obligationenrecht nur dann sachgemäß normirt werden können, wenn feststeht, daß sie auch für die betreffenden übrigen Sparten in gleicher Weise Anwendung finden und deren Normirung daher nur von einer gesetzgebenden Gewalt ausgehen kann, welche nicht blos für das Obligationenrecht, sondern für das ganze Civilrecht die zuständige ist. — Dieser Theil bleibt ganz derselbe, wenn auch der Reichszuständigkeit neben Obligationenrecht noch die eine andere Civilrechtsmaterie, z. B. ein Theil des Familienrechts oder des Sachenrechts zugewiesen würde. Die Regelung des allgemeinen Theils des Civilrechts wird auch unter dieser Voraussetzung weder dem Reich noch den Einzelstaaten zustehen, und beide werden daher nach wie vor außer Stande sein, die ihnen zugewiesenen Theile des Civilrechts zu codificiren. Auch die Zuweisung des gesammten allgemeinen Theils des Civilrechts ans Reich hülfe nicht. Denn es ist nicht möglich, den allgemeinen Theil eines Civilgesetzbucb.es sachgemäß a priori zu construiren, jedenfalls nicht möglich, ihn sachgemäß zum Abschluß zu bringen, wenn nicht gleichzeitig die sämmtlichen Specialsparten geregelt werden und hierdurch die Probe gemacht ist, ob die Bestimmungen des allgemeinen Theils auch in der Durchführung jeder Einzelspane sich als richtig und vollkommen anpassend bewähren. Die Civilgesetzgebung ist m. E. ein organisches Ganze und sein Aufbau kann nicht in die Hände verschiedener gesetzgeberischer Gewalten nach Materien (sei es allgemeiner oder specieller) gelegt resp. vertheilt werden. III. Nur die Codification des Civilrechts . . . ( ? ) entspricht den bayerischen Interessen. Fragmentarische Umgestaltung einzelner Materien durch Einzelgesetze nach Gelüst, Bedürfniß, oder Wunsch ist unannehmbar. Schon dermal ist es für ein Gericht, namentlich den bayerischen obersten Gerichtshof schwierig, sich in der Unzahl der bayerischen fragmentarischen Gesetze zu recht zu finden, sie richtig zu interpretiren, zu bemessen, ob und inwieweit die alten nicht durch neue Gesetze oder durch die Handhabung des obersten Gerichts, obsolet geworden. — Würde dieses Gros an Rechten noch durch Fragmente ohne alle Rücksicht auf die Landesstatutarrechte vermehrt, so müßte die Schwierigkeit . . . ( ? ) der Rechtsanwendung sich sehr steigern. In der Regel würde jedes solche Reichsgesetz eine Anzahl bayerischer Statutarrechte durchschneiden . . . ( ? ) und bei den meisten von diesen letzteren Bestimmungen es höchst zweifelhaft machen, ob und inwieweit sie dem Wonlaut und Sinn der Reichsgesetzgebung gegenüber noch als fortgeltend zu betrachten sind. Denkt man sich ein solches Fortwirken der Reichsgesetzgebung nur halbwegs ergiebig durch mehrere Jahre, so muß eine unlösbare Wirrniß in Bayern das Resultat sein. — Nicht entgegensteht, daß das Reich schon für Obligationenrecht zuständig; denn die Statutarrechte haben zumeist Sachen-, bau-, familien- und erbrechtliche Materien zum Inhalt. — Demgemäß geht das Gesammtgutachten dahin, „daß für Bayern — von einem solchen Standpunkte aus — die Annahme des besagten Antrags dann, aber auch nur dann unbedenklich und sogar vortheilhaft erscheine, wenn die angestrebte Erweiterung der Reichszuständigkeit auf die Codification des gesammten Civilrechts, also auf die Herstellung eines allgemeinen, das gesammte bürgerliche Recht umfassenden Gesetzbuchs mit Ausschluß jeder Einzelgesetzgebung beschränkt wird" (München, 29. 11. 1872). b) Stellung der bayr. Regierung zum Antrag von Lasker (1872) Die Stellung der bayerischen Regierung ergibt sich aus dem Bericht des Justizmini-

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sters Fäustle an den König vom 7. 12. 1872. In diesem Bericht44 heißt es unter anderem: „Was hierin (d. h. in dem Gutachten von Neumayr, Anm. des Verf.) über die Frage auseinandergesetzt ist, ob zur Wahrung der Landesinteressen eine weitere Ausscheidung bestimmter, der Landesgesetzgebung vorzubehaltender civilrechtlicher Materien dienlich, dann ob eine solche Ausscheidung praktisch durchführbar und zur Hebung der bestehenden Schwierigkeiten geeignet wäre, vermag der treugehorsamst Unterzeichnete nach seiner juristischen Ueberzeugung nur als vollkommen richtig anzuerkennen. Ebenso scheint dem treugehorsamst Unterzeichneten die Auseinandersetzung des Gutachtenstellers über die Vortheile, welche das rechtzeitige Zugeständniß einer geschlossenen Codification des bürgerlichen Rechts durch die Reichsgesetzgebung für einen gedeihlichen Abschluß der vorwürfigen Verfassungsfrage und in ihrem Erfolge für die Hebung und Besserung der bayerischen Rechtszustände im Gefolge haben würde, sehr zutreffend. Eine solche Codification könnte Bayern und Deutschland zu der längst mit Recht ersehnten Reform und Einheit des Civilrechts auf einem Wege verhelfen, der bei der von selbst hiebei sich aufdrängenden Notwendigkeit, gründlich und mit allseitiger Würdigung der verschiedenartigen Rechtszustände in Deutschland zu Werke zu gehen, zugleich die Wahrung der besonderen Rechtsbedürfnisse Bayerns ermöglichen würde. Die Beschränkung der Reichscompetenz auf eine solche Codification würde zugleich Bayern vor den schon oben dargelegten Mißständen bewahren, welche aus dem Ueberwuchern einer Reihe einzelner, nicht durch besondere Dringlichkeitsrücksichten veranlaßter spezieller Reichsgesetze entspringen müßten. Da endlich ein codificatorisches Vorgehen nur das Werk längerer Zeit sein könnte, so bliebe inzwischen der bayerischen Landesgesetzgebung freie Hand und insbesondere die Möglichkeit, in Bezug auf einzelne besonders hervortretende Schäden des bayerischen Rechts inzwischen schon landesrechtlich bessernde Abhilfe zu schaffen. Der treugehorsamst Unterzeichnete vermöchte es daher nur als eine allseitig gedeihliche Lösung der Frage zu betrachten, wenn es gelingen würde, den fraglichen Vorschlag, welcher ein Vorbild bereits in dem Projekte einer deutschen Reichsverfassung vom Jahre 1849 hat, durchzusetzen. Jedenfalls dürfte sich in dieser Richtung ein ernstlicher Versuch dringend empfehlen. Nicht zu verkennen ist übrigens, daß die Frage, welche Stellung Euerer Königlichen Majestät Staatsregierung gegenüber dem critischen Antrage schließlich einnehmen wolle, unter allen Umständen und gleichviel, welche Position genommen wird, eine zu wichtige ist, als daß sich die Abgabe definitiv bindender Erklärungen empfehlen könnte, ehevor Gelegenheit gegeben war, die desfallsigen Anschauungen der Kammern des bayerischen Landtags zu vernehmen. Der treugehorsamst Unterzeichnete hat in allen diesen Richtungen auch Euerer Königlichen Majestät Ministerrath Vortrag erstattet, welcher seinen desfallsigen Anschauungen Billigung zugewendet hat und es mit dem treugehorsamst Unterzeichneten für räthlich erachten würde, daß im Bundesrathe bei den weiteren Verhandlungen über die vorwürfigen Gegenstände etwa in nachberührter Art und Weise sich geäußert werde: „dem vorliegenden Reichstagsbeschlusse gegenüber, welcher die Erweiterung der Reichskompetenz auf das ,gesammte bürgerliche Recht' bezwecke, biete sich vor Allem die Frage an, ob nicht eine dem § 64 der Reichsverfassung vom 28. März 1849, wonach der Reichsgewalt die Erlassung allgemeiner Gesetzbücher über bürgerliches Recht pp. obliegen soll, nachzubildende Fassung den Vorzug verdiene. Denn bei dem Wortlaute 44

Geh. Staatsarchiv München, MA 76 158.

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des gedachten Reichstagsbeschlusses fehle es an jeglicher Garantie dafür, daß das Vorgehen mit Einzelngesetzen auf die Fälle des unabweisbar notwendigen Bedürfnisses beschränkt bleibe. Nach wie vor aber müsse es als ein bedenklicher Uebelstand bezeichnet werden, wenn die Möglichkeit bestünde, im ganzen Gebiete des Civilrechts auf dem Wege der Reichsgesetzgebung beliebig Einzelngesetze zu erlassen, bald in diese, bald in jene Materie in fragmentärer Weise umgestaltend einzugreifen und hiedurch die Schwierigkeit und Unsicherheit der unter den gegenwärtigen Uebergangsverhältnissen ohnedieß schon vielfach komplizirten Rechtsanwendung zu steigern. — Je umfassender ferner die Aufgabe der Reichsgesetzgebung im Gebiete des bürgerlichen Rechtes seinerzeit gegriffen wird, desto leichter würde sich überschauen und bemessen lassen, welche der vorhandenen partikulären Rechtsbildungen sich zur Forterhaltung eignen und in welchem Umfange dies der Fall sei, desto weniger würde Grund zu der Befürchtung bestehen, daß die noch lebensfähigen partikularen Rechtsbildungen allzu rasch und gewaltsam beseitigt werden würden. Von diesen Bedenken abgesehen sei die bayerische Staatsregierung weit entfernt, dem vorliegenden Antrage auf Erweiterung der Reichskompetenz die sachliche Begründung abzusprechen. Es lasse sich nicht verkennen, daß eine Codification des bereits zur Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung gehörigen Obligationenrechts für sich allein nicht thunlich erscheine, weil hierzu die Feststellung und Regelung einer großen Zahl von allgemeinen Rechtsgrundsätzen erforderlich wäre, die nicht nur für das Obligationenrecht, sondern auch für alle anderen Sparten des Civilrechts maßgebend seien, die für das Obligationenrecht nur dann sachgemäß normirt werden könnten, wenn feststehe, daß sie auch für die betreffenden übrigen Sparten in gleicher Weise Anwendung fänden, — und deren Normirung daher nicht von einer gesetzgebenden Gewalt, welche ausschließlich für das Obligationenrecht, sondern nur von einer solchen, welche für das ganze Civilrecht die zuständige ist, ausgehen sollte. Wie gerne indeß auch die bayerische Staatsregierung das Vorhandensein einer sachlichen Berechtigung des vorliegenden Antrags anerkenne und die Begründung der Rechtseinheit Deutschlands in den dafür geeigneten Richtungen nach Kräften zu fördern bestrebt sei, so dürfe sie sich doch der Erwägung nicht verschließen, daß die hier angestrebte Erweiterung der Reichskompetenz eine Beschränkung der Landesgesetzgebung zur Folge habe, wie sie einschneidender kaum gedacht werden könne. Sie halte es vielmehr als ihre Pflicht, ihre Stimme für eine Erweiterung der Reichszuständigkeit in der angedeuteten Richtung nicht eher abzugeben, als bis sie sich darüber vergewissert habe, inwieweit sich ihre Anschauung im Einklang mit jener der bayerischen Kammer befinde." Mittelst einer derartigen Aeußerung würde einerseits offen und wahr, das was an dem Laskerschen Antrage Berechtigtes ist, anerkannt, anderseits aber auch auf die Mängel desselben aufmerksam gemacht und die Stellung der bayerischen Staatsregierung zu ihren eigenen Gesetzgebungsfaktoren präcisiert. . .4S. 45

Der König ermächtigte die Regierung zu einer zustimmenden Erklärung, „wenn eine Garantie dafür gegeben sein würde, daß das zu erstrebende nächste Ziel die Abfassung eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzes" sei und Gewißheit darüber bestehe, daß dem auch die Kammern zustimmten. Den Standpunkt der Regierung legte Fäustle in einem Brief an den württembergischen Justizminister vom 13. 2. 1873 dar: „. . . ist die bayerische Regierung .. . der Ansicht, daß es aus sachlichen Gründen für die Dauer nicht bei derjenigen Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung in Bezug auf das bürgerliche Recht belassen werden kann, welche dermalen die Reichsverfassung aufstellt, daß vielmehr eine wesentliche Erweiterung dieser Competenz Fortsetzung der Fußnote auf Seite 152 151

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c) Erklärung von Fäustle vom 8.11.1873 in der 2. Kammer Den Standpunkt der bayerischen Regierung legte der Justizminister Fäustle am 8. 11. 1873 in der 2. Kammer der Abgeordneten dar46. Fäustle führte u. a. aus47: Nunmehr, meine Herren, stehe ich auch keinen Augenblick an, die Meinung der Regierung offen darzulegen und zu erklären, daß dieselbe die Zustimmung zu dem Antrage für dringend wünschenswerth hält, und daß sie es freudig begrüßen würde, wenn sie in den bayerischen Kammern einer gleichen Auffassung begegnen und von diesen in dem Streben unterstützt würde, in einer so wichtigen Frage Bayern zu keiner isolirten und, ich darf wohl sagen, jetzt schon als fruchtlos vorauszusehenden Verneinung im Bundesrathe verurtheilt zu sehen. Sind die Verhältnisse derart gelagert, wie ich sie vom wissenschaftlichen Standpunkte aus geschildert habe, so erscheint es, nachdem das ganze Obligationenrecht der Reichsgesetzgebung bereits überantwortet ist, meines Erachtens ganz undenkbar, daß die bayerische Staatsregierung und die bayerische Landesvertretung sich jemals in die Lage versetzen wird, die Zeit, die Mühe und die Kosten aufzuwenden für ein bayerisches Civilgesetzbuch über diejenigen Materien, welche nicht in den Bereich des Obligationenrechtes fallen, wenn die Gefahr besteht, das nach jahrelanger Anstrengung zu Stande gebrachte Werk vielleicht wenige Monate, nachdem es in Wirksamkeit getreten, schon wieder durch die Reichsgesetzgebung in einzelnen Partien außer Kraft gesetzt, in seinem ganzen organischen Zusammenhange erschüttert und durchbrochen sehen zu müssen. Wir können z. B. die Reichsgesetzgebung nicht hindern, wenn sie bei Codification des Obligationenrechtes die allgemeinen Grundbegriffe des Rechtes in ihren Bereich zieht. Es geht aber doch nicht an, daß in den der bayerischen Gesetzgebung verbliebenen Materien in jenen wesentlichsten Richtungen andere Principien gelten als in der Reichsgesetzgebung. Damit ist wohl der fachmännische Beweis geliefert, daß, wer das Obligationenrecht gesetzlich zu regeln befugt ist, eigendich die ganze Civilgesetzgebung in der Hand hat. wird zugestanden werden müssen. Sie ist aber .. . der Meinung, daß aus einer vorbehaltlosen Anerkennung solcher erweiterten Zuständigkeit nach zwei Richtungen unerträgliche Wirkungen für das Rechtsleben der Einzelstaaten eintreten könnten, nemlich Erstens insofern, als es Materien geben kann, welche für alle Folgezeit besser der Einzelngesetzgebung überlassen und sich zu einer einheitlichen Regelung für ganz Deutschland überhaupt nicht qualifiziren; zweitens insofern, als auf denjenigen Gebieten, welche der Reichsgesetzgebung nicht vorenthalten werden sollen, zunächst lediglich mit Spezialgesetzen vorgegangen werden könnte, welche mit den im Uebrigen aufrecht bleibenden Landesrechten sich nur sehr schwer vereinigen ließen und auf diese Art statt heilsamer Reformen eher Verwirrung in dem Rechtszustande der einzelnen deutschen Staaten erregen würden. — Ich halte deshalb .. . dafür, daß es unter allen Umständen wünschenswerth wäre, die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung in Absicht auf das sogenannte bürgerliche Recht überhaupt nur in dem Sinne anzuerkennen, daß das Reich lediglich im Wege der Codifikation vorgehen kann, wie dies schon in der Reichsverfassung vom Jahre 1849 zum Ausdrucke gelangt ist und wobei dann auch für die Erhaltung des noch lebensfähigen partikulären Rechtsstoffes hinreichende Garantien gegeben wären . . ." (im folgenden weist Fäustle dann noch darauf hin, daß Bayern zur Zeit dem Reich die volle Kompetenz für das Zivilrecht nicht zugestehen könne). 46 Die Kammer sprach sich an diesem Tage mit nur 3 Stimmen Mehrheit (77 gegen 74 Stimmen) für eine Verfassungsänderung aus (Stenographische Berichte der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtags in den Jahren 1873/1874, Bd. l S. 39). Gegner waren die Patrioten (die sogn. partikularisdsch-ultramontane Partei; seit 1887 Zentrum). 47 Sten. Berichte, S. 36-37. 152

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

Was Bayern bedarf, was ihm dringend noth thut, meine Herren, das ist nach meinem Dafürhalten ein gemeinsames bürgerliches Gesetzbuch. Dies bekommen wir aber nur vom Reiche, und wer die Hand dazu nicht bietet, der kommt nothwendig zu dem Schlüsse: Lieber die Stagnation als ein gemeinfaßliches, in die Sprache und Sitten unserer Zeit übersetztes bürgerliches Gesetzbuch! Meine Herren! Bei aller Anerkennung der auf möglichste Aufrechterhaltung der Selbständigkeit Bayerns gerichteten Bestrebungen — soweit möchte ich für meine Person die Consequenz und den Pessimismus nicht getrieben haben. Man hat bemerkt, es sei große Gefahr, daß die bestehenden Particularrechte, soweit sie noch lebensfähig sind, vom Reiche nicht beachtet werden. Meine Herren, ich komme hier in der That zur gegentheiligen Auffassung. Wer in legislativen Dingen bewandert ist, der wird mir bestätigen, daß derjenige am conservativsten ist, der die größte Aufgabe vor sich hat. Je größer die Aufgabe im Gebiete des bürgerlichen Rechtes gegriffen ist, desto mehr wird sich der Gesetzgeber Enthaltsamkeit auferlegen müssen und nicht in Dinge mischen, die er nicht regeln kann, oder an deren einheitlicher Regelung kein Interesse besteht. Die Garantie, daß lebensfähige Particularrechtsbestimmungen und Statuten gewahrt bleiben, haben wir beim Reiche vielleicht mehr, als wenn wir selbst codificiren würden. Ich glaube, das Reich wird weniger nivelliren als wir es thäten, wenn wir mit der Aufgabe der Codification uns befassen würden. Ich bin in diesem Falle umso weniger besorgt, als das, was wir in dieser Beziehung zu schützen haben, alle ändern Staaten in Deutschland auch zu schützen bestrebt sein müssen. Es ist die Art des deutschen Volkscharakters, daß jeder Stamm seine besondern Eigenthümlichkeiten hat, seine Sonderbildungen pflegt und werth hält. Was die Bayern Besonderes haben, haben die Mecklenburger, haben die Hessen, haben alle deutsche Stämme in gleicher Weise, jeder von ihnen hat dasselbe Interesse wie wir, nämlich das Interesse, daß die bestehenden particulären Rechtsbildungen namentlich im Gebiete des Familien- und Erbrechts, soweit sie lebensfähig sind, nicht gewaltsam beseitigt und aufgeopfert werden. Wir haben bereits in dieser Beziehung ein Beispiel an dem Entwurfe der deutschen Civilproceßordnung, und das macht mich auch geneigt, bezüglich des Kommenden weniger besorgt zu sein, als der Herr Abg. Kurz bezüglich der Hypothekenordnung ist48. Als die Commission zur Ausarbeitung einer deutschen Civilproceßordnung an die Frage kam49, wie das Immobiliar-Executionswesen im Civilprocesse geregelt werden solle, hat sie das Ganze den einzelnen Landesgesetzgebungen überlassen, und die bayerische Staatsregierung wird seinerzeit in der Lage sein, in dieser Beziehung dem bayerischen Landtag einen artikelreichen Entwurf vorzulegen. Es ist einfach deshalb geschehen, weil man in die Immobiliar-Gesetzgebungen der deutschen Einzelnstaaten nicht eingreifen, die besonderen Eigenthums- und Hypothekengesetze nicht alteriren wollte. Auch wenn wir eine allgemeine deutsche Civilgesetzgebung erreichen, wird es sicher nicht ausbleiben, daß große Rechtsgebiete den einzelnen Staaten zur autonomen Regelung überlassen werden müssen. Ich erinnere nur an die Fideicommisse und an die agrarische Gesetzgebung. Es werden auf vielen Gebieten dispositive Bestimmungen nothwendig werden, welche den bestehenden und begründeten particulären Rechtsbildungen freien Raum lassen.

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Vgl. Sten. Berichte, S. 29 ff. Die Kommission zur Ausarbeitung einer Civilprozeßordnung tagte in den Jahren 1871/1872, unter dem Vorsitz des preußischen Justizministers Leonhardt. Die Protokolle dieser Kommission, an der für Bayern Gottfried von Schmitt teilnahm, sind nicht veröf fentlicht. 153

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Man hat gesagt: Obgleich vom Präsidenten des Reichskanzleramtes im Reichstage die bereits angeführten Erklärungen abgegeben wurden50, vor Specialgesetzen seien wir doch nicht sicher. Meine Herren! Das Alles als Unmöglichkeit zu bezeichnen, ist wohl Niemand in der Lage. Aber, meine Herren, die sofortige Bildung der Commission, die sofortige Beschäftigung derselben mit Ausarbeitung eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches trägt das wirksamste Correctiv in sich selbst. In dem Momente, wo die Commission die vorliegende große Aufgabe in Angriff genommen und das ganze bürgerliche Recht im organischen Zusammenhang zum Gegenstande ihrer legislativen Thätigkeit gemacht haben wird, wird es doppelt bedenklich sein, einzelne kleine Materien durch Specialgesetze einer gesonderten Regelung zu unterwerfen und einer zusammenhängenden Behandlung im Civilgesetzbuche zu entziehen. Die Specialgesetzgebung würde sich sicher auf unabweisbar dringliche Gegenstände beschränken, und da möchte ich mir zu bemerken erlauben, daß Gesetze, welche so dringlich sind, daß sie vor der Codification des bürgerlichen Rechtes beim Reiche nicht abgewehrt werden können, unter veränderten Verhältnissen auch von der bayerischen Legislative nicht abgelehnt werden könnten. Man hat die Behauptung aufgestellt, und ich halte mich für verpflichtet sie sorgfältig zu würdigen, daß mit der Annahme des vorliegenden Antrages die Mediatisirung Bayerns ausgesprochen werde. Meine Herren! Ich bin durch mein Herz und meine Pflicht gemahnt in dieser Beziehung mindestens so ängstlich und empfindlich zu sein wie diejenigen Herren, welche diesen Punkt angeregt haben; mein höchstes Streben ist die Landesrechte zu wahren und insbesondere an den Rechten meines erhabenen Königs und Herrn auch nicht das Geringste zu vergeben. Aber ich kann nicht begreifen, wie durch den vorliegenden Antrag irgendwie die Souveränität und die Selbständigkeit des Staates beeinträchtigt /iverden soll. Wir haben jetzt schon seit vielen Jahren ein allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch und eine allgemeine Wechselordnung. Sie sind zu Stande gekommen durch einfaches Jasagen der bayerischen Kammern, ohne daß es ihnen vergönnt gewesen wäre noch Zusätze oder Abstriche vorzunehmen. Es hat die bayerische Regierung seinerzeit selbst den Anstoß zu einer Codification des Obligationenrechtes gegeben*1;" wir haben seit Existenz der Reichsverfassung mannigfache gemeinsame Gesetze — Sie mögen über dieselben urtheilen wie Sie wollen; das meine Herren, wird man mit Grund nicht behaupten können, daß dadurch die Souveränität, überhaupt die Selbständigkeit unseres Staates irgendwie Eintrag erlitten hat. Man dürfte vor Aufstellung solcher Behauptungen wohl daran thun, sich die Sache genau anzusehen und dieselbe einer nüchternen, unbefangenen Betrachtung zu unterwerfen. Die Gründe, aus denen die Rechtseinheit auch mit der durchweg förderativen Entwicklung des Reiches verträglich ist, sind einfach gelagert. Wer wird leugnen wollen, daß heut zu Tage in so und so vielen Rechtsprincipien nicht einmal die geographischen Grenzen einer großen Nation mehr maßgebend sind, daß fast der überwiegende Theil des Privatrechtes in Folge der großartigen Entwicklung unseres Verkehrslebens internationale Natur angenommen hat? Jedenfalls aber ist die gegenwärtige geographische Grenze der deutschen Bundesstaaten keine Grenze für ihr Recht. Wie sich schon an den alten deutschen Volksrechten die gemeinsame nationale Grundlage überall nachweisen läßt, so ist dies jetzt, wo die einzelnen Stämme noch viel näher aneinander gerückt sind, noch in viel höherem Grade der Fall. Württemberg und Baden haben im Großen und Ganzen kaum mehr ein anderes Rechtsbedürfniß als Bayern, Hessen hat kaum mehr ein anderes so Vgl. unten S. 158f. (sowie St. B. R. T. 1873, Bd. l, S. 169). si Gemeint ist die Ausarbeitung des später sogn. Dresdner Entwurfes von 1866. 154

A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

Rechtsbedürfniß als Preußen und Preußen kaum mehr ein anderes als Bayern. Derartige Dinge, meine Herren, können nicht in geographische Grenzen gebannt werden, das Recht hat eine internationale Natur und unter allen Umständen eine große nationale Grundlage und Bedeutung, und deshalb bedarf es einer gemeinsamen Regelung. Auf politische Erörterungen werde ich, wie ich schon anfänglich gesagt habe, mich nicht einlassen; nur einen einzigen Punkt will ich berühren, der sich auf die Thätigkeit der bayerischen Vertreter im Bundesrath bezieht. Man hat bemerkt, das Beste wäre einfach „Nein" zu sagen, die bayerische Regierung soll sich im vorliegenden Falle majorisiren lassen. Meine Herren! Ich ehre auch diese Meinung, aber sie heißt im Effect nichts Anderes als: Man will sich ein freiwilliges Martyrium auflegen, um schließlich bei einer Consequenz anzukommen, die man jetzt wahrscheinlich selbst noch nicht will, eine Fronde gegen das Reich. Meine Herren, dazu bin ich nicht zu brauchen, und ich fürchte, daß wir Bayern mit jener verzweiflungsvollen Resignation auch allein stehen würden, denn die Feinde der bayerischen Sonderrechte leben nicht in Preußen allein. Ich glaube, meine Herren, daß, wer den bayerischen Interessen im Deutschen Reiche wirksam dienen will, darauf verzichten muß, sich in den Schmollwinkel zu stellen. Wir müssen mitthun, wir müssen treu und thätig mitarbeiten an dem gemeinsamen Werke; dann ist unsere Stimme von hoher Bedeutung, dann ist sie nächst Preußen vielleicht eine der einflußreichsten in Deutschland. Wer in der Lage sein will, unbegründete Ansprüche mit Nachdruck und wirksam zurückzuweisen, der darf sich in denjenigen Fällen nicht unnachgiebig zeigen, wo berechtigte Wünsche und Ansprüche zu befriedigen sind. In einem Punkte bin ich vielleicht ein Particularist, so stark wie man es nur sein kann. In wichtigen großen Fragen der inneren oder äußeren Reichspolitik den Heimatstaat Bayern im Bundesrath majorisirt zu sehen, (Links: Bravo!) das ist für mich ein Anblick, den ich kaum vertrage. (Links: Bravo!)

V. Der Antrag von Lasker im Bundesrat 1873 1. Bericht von Krüger (Lübeck) vom 31. 3. 1873 über die Sitzung der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen am 31.3.1873 52 . Bei einer heute in den vereinigten Ausschüssen für Justiz und Verfassung Statt gehabten vertraulichen Besprechung über den Antrag Lasker wegen Erweiterung der Reichscompetenz auf das gesammte bürgerliche Recht (Nr. 19 d. Drucks, des Reichstages) sprachen Preußen, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Braunschweig und Lübeck die Bereitwilligkeit aus, jenem Antrage zuzustimmen, die erstgenannten Regierungen unter der Bedingung, daß gleichzeitig mit der Annahme des Gesetz-Entwurfes durch Beschluß des Bundesrathes eine besondere Commission mit Ausarbeitung eines umfassenden Gesetzbuches über das bürgerliche Recht beauftragt werde. Nur dadurch werde man der fortdauernden Versuchung, durch Gelegenheits-Gesetze in die Particularrechte einzugreifen, wirksam begegnen können. Auch würde nur auf diesem Wege den Rücksichten Rechnung getragen werden, die man den erhaltungswerthen particularen Rechtsinstitutionen schuldig sei. Der Baierische Minister war persönlich der Annahme des Lasker'schen Antrages geneigt, glaubte aber eine bindende Erklärung erst dann abgeben zu können, wenn er in ähnlicher Weise, wie es in Württemberg geschehen, die Baierischen Stände zu Rathe

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Zitiert nach einer Abschrift des Berichts im Staatsarchiv Hamburg Cl I Lit. T Nr. l vol. 11 (Senat). 155

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gezogen habe. Er wünschte deshalb Aussetzung der Beschlußfassung bis zum Herbst. — Oldenburg erklärte dem Lasker'schen Antrage nicht zustimmen zu können, weil er zu weit gehe; es gebe Rechtsmaterien, die sich für eine allgemeine Codification nicht eigneten. Minister Delbrück bemerkte, daß er, wenn auch jetzt schon dem Lasker'schen Antrage die verfassungsmäßige Majorität gesichert scheine, doch eine Majorisirung Baierns in dieser wichtigen Frage nicht für wünschenswerth halte und stellte zur Erwägung, ob man nicht einer Erklärung über den Antrag dadurch begegnen könne, daß schon jetzt vom Bundesrathe die Einsetzung einer Commission behufs Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches beschlossen werde. Dieser Vorschlag wurde von Baiern und Sachsen aus formellen und constitutionellen Gründen, und von mir auch deshalb bekämpft, weil der Reichstag zu dem Glauben inducirt werde, daß durch einen solchen Beschluß die Competenz-Erweiterung ad calendas graecas verschoben werden solle. Ich schlug deshalb vor, dem Reichstage zu erklären, daß der Bundesrath erst nach Annahme des Lasker'schen Antrages sich über denselben schlüssig machen könne, dabei jedoch sowohl die begründete Hoffnung, daß der Antrag die erforderliche Majorität finden werde, als auch namentlich die Ansicht auszusprechen, daß die verbündeten Regierungen als das Ziel der Competenz-Erweiterung die Herstellung eines gemeinsamen bürgerlichen Rechtes betrachten müßten. Minister Delbrück erachtete es von seinem Standpunkt aus für bedenklich, bloße Hoffnungen auszusprechen, und erklärte, daß er sich unter den gegenwärtigen Umständen darauf beschränken müsse, dem Reichstage lediglich die formale Sachlage, wie sie aus den bisherigen Erklärungen im Bundesrathe sich ergebe, mitzutheilen. Nach Beendigung der Sitzung machte sich unter mehreren Bevollmächtigten die Ueberzeugung geltend, daß die von Minister Delbrück beabsichtigte Erklärung nicht nur den Reichstag unbefriedigt lasse, sondern vor Allem den Bundesrath in eine üble Lage bringe, wenn dieser zu einer so häufig und lange ventilirten Frage gar keine Stellung nehme. Ein solches Verhalten werde eine scharfe Kritik hervorrufen und das Ansehen des Bundesrathes notwendig beeinträchtigen. Man kam deshalb auf meinen Vorschlag zurück, und wurde in einer Conf erenz, an der die Minister von Fäustle, von Mittnacht, Abeken und Hoffmann, Präsident Friedberg und der Unterzeichnete Theil nahmen, eine Erklärung folgenden Inhalts vereinbart: „Der Bundesrath habe die Verhandlungen über den in der vorigen Session beschlossenen und nun erneuerten Antrag Lasker im Laufe des letzten Jahres nicht zum Abschluß gebracht, weil zu jener Zeit demselben nicht die verfassungsmäßige Majorität zu Theil geworden wäre. Inzwischen habe der Antrag eine günstigere Aufnahme gefunden, und sei begründete Aussicht vorhanden, daß derselbe, wenn nicht mit der in einer Frage von solcher Bedeutung wünschenswerthen Einstimmigkeit, so doch mit der verfassungsmäßig erforderlichen Majorität zur Annahme gelangen werde. Zu diesem Falle beabsichtige der Bundesrath, gleichzeitig mit Annahme des Gesetz-Entwurfes eine Commission behufs Ausarbeitung des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches einzusetzen, weil er nur in der Herstellung der Einheit des bürgerlichen Rechtes das Ziel der in Rede stehenden Competenz-Erweiterung erblicken könne." Die Erklärung wurde sofort von uns gemeinsam redigirt und dem Minister Delbrück mit dem Ersuchen mitgetheilt, einen Beschluß des Bundesrathes darüber am Mittwoch vor der Reichstagssitzung herbeizuführen. Wie ich heute Abend von Delbrück höre, ist er von seinen Bedenken zurückgetreten und bereit, sich unserem Vorschlage anzuschließen.

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A. Die Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

2. Bericht von Liebe (Braunschweig) vom 31. 3.1873 über die Sitzung der Ausschüsse für Verfassung und Justizwesen am 31.3.1873 53 . . . . Für Baiern erklärte der Minister v. Faustle, daß man sich in einer schwierigen Lage befinde. Der Antrag habe große Tragweite, und enthalte eine erhebliche Verfassungsänderung. Das Ministerium sei wohl in der Sache selbst dafür, aber nur für eine Codification, und sehr entschieden gegen die von dem Urheber des Antrags nach dessen Erklärungen beabsichtigte Gesetzesmacherei über allerlei Einzelheiten, wodurch der Rechtszustand in den Ländern verdorben und der Rechtswissenschaft nur geschadet werde. Man finde aber in den bairischen Cammern ein Hinderniß: die Majorität sei gegen jede Erweiterung der Competenz des Reichs. Viele meinen sogar, daß das Ministerium ohne Consens der Cammern gar nicht befugt sei, einer Veränderung der Reichsverfassung zuzustimmen (eine Ansicht, die das Ministerium übrigens nicht theile). Man könne nicht verlangen, daß Baiern jetzt, ohne daß man mit den bairischen Kammern einig sei, für den Antrag stimme. Im Oktober könne man darüber mehr im klaren sein, jedes frühere Vorgehen mache vielleicht die Stellung des Ministeriums unhaltbar. Man könne recht gut warten. Werde Baiern überstimmt (d. i.: fänden sich nicht 14 Stimmen gegen den Antrag) so sei freilich die Sache klar und die bairischen Cammern müßten sich beruhigen. Unangenehm genug sei es freilich, daß schon jetzt in Baiern dem Ministerium der Vorwurf gemacht werde, sie opferten rücksichtslos die Rechte der Länder. Sachsen, die Minister Abeken und v. Friesen: die Frage eines gemeinsamen Civilrechtes sei nur eine Frage der Zeit, und man habe nur zu überlegen, welcher Weg der beste sei. Man werde sächsischer Seits sofort, wenn der Antrag durchgehe, die Niedersetzung einer Commission beantragen, welche einen Codex auszuarbeiten habe. Von vorn herein den Inhalt beschränken könne man nicht, und es sei Aufgabe der Commission und später des Bundesrath.es zu sagen, daß der Landesgesetzgebung die dafür geeigneten Materien — solche die mehr lokaler und besonderer Natur seien — überlas-

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Nieds. StA Wolfenbüttel, 19 B Neu, vol. Nr. 117. Die am Schluß des Briefs erwähnten Besprechungen über das Reichsgericht fanden am 3. und 4. 4. 1873 in Berlin statt. Auf dieser Konferenz gab Bayern seinen Plan auf, statt eines Reichsgerichts einen Rechtshof nach dem Muster des Pariser Kassationshofs zu installieren. — Weitere Einzelheiten über die bedeutsame Sitzung vom 31. 3. 1873 bringt v. Bülo-w in seinem Bericht an die Mecklenburg-Schwerinsche Regierung (StA Schwerin, Justizministerium, Nr. 282): Faustle meinte, sobald die Frage der Kodifikation in die Hände von Fachleuten übergehe, sei „derselben der politische Zahn ausgebrochen". Sachsen habe mehr Zurückhaltung gezeigt als Württemberg. Beiden Staaten sei es darum gegangen, durch sofortige Inangriffnahme einer Kodifikation einen Mißbrauch der Kompetenzerweiterung zu verhindern. Baden und Lübeck hätten vorbehaltlos zugestimmt, v. Liebe (wie auch der Vertreter Oldenburgs) hätte sehr scharf auf die Gefährdung der Einzelstaaten durch Spezialgesetze des Reichstags hingewiesen, welche nach v. Liebes Auffassung „die Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit des Rechtslebens gefährdeten". Von den preußischen Vertretern sei Friedberg sehr viel weiter gegangen als Delbrück: ersterer „suchte mit dem Reichstag zu intimidiren und, um diesen zu beschwichtigen, beiläufig die Zusage auf Errichtung eines Reichsgerichtshofes zu erwirken, bemerkte auch, wenn man nur codificiren wolle, so heiße das, dem Volk, das um Brot bitte, zwar keinen Stein zu geben, aber in 10 Jahren Kuchen zu versprechen". Delbrück habe darauf hingewiesen, daß der preußische Standpunkt bekannt sei. Wegen der Bedeutung der Verfassungsänderung wünsche Preußen die Zustimmung Bayerns. Nach „einigen ziemlich lebhaften Repliken der Herren v. Faustle und Friesen gegen Friedberg" habe man dann beschlossen, dem Reichstag eine Erklärung in Aussicht zu stellen. — v. Bülow wies in seinem Bericht zu Schluß seine Regierung darauf hin, daß der Reichstag eine „Fülle von Spezialgesetzen" erlassen werde, wodurch „Ruhe und Recht" gestört werde. 157

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sen würden. Eine Fassung, die den Antrag auf Codifikation beschränke, sei schwer zu finden. Württemberg: Man lasse die früheren Bedenken gegen die Verfassungsänderung fallen, sei aber für Codifikation. — Hessen war für den Antrag, betrachtete aber die Codifikation wenigstens als das weitere Ziel. — Baden war für den Antrag und machte geltend, daß das unangenehme Eingreifen von Spezialgesetzen schon jetzt nicht vermieden werde. Für Braunschweig bemerkte ich, daß ich eine allgemeine Vorschrift, wie sie der Antrag enthalte, nicht für gut halte. Eine Codification sei zu wünschen: Einzelgesetze über Materien des Civilrechts seien ganz entschieden von Uebel. — Ebenso fiel die Erklärung von Oldenburg aus. — Die Hansestädte waren für den Antrag: ebenso auch Preußen. Daß jetzt gleich eine Commission zur Entwerfung eines Codex berufen werde, ehe man wisse, wie sich die Verfassungsfrage gestalte, schien nicht räthlich. Eben so wenig, daß man dem Reichstage Versprechungen über ein Reichsgericht — über welches in der nächsten Zeit Conferenzen der Minister der größeren Staaten statt finden sollen — mache und ihn durch solche verstörte. Schließlich blieb nur übrig, sich dahin zu einigen, daß dem Reichstage bei den bevorstehenden Verhandlungen mitgetheilt werde, wie die Frage stehe, ohne dabei die Ansichten der einzelnen Regierungen hervorzuheben. Viel Neigung, Baiern zu überstimmen, schien übrigens nicht vorhanden zu sein, und die weitere Gestaltung der Sache ist abzuwarten. 3. Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. 4.1873 § 159 (S. 104—105): Der Vorsitzende theilte mit, daß die Ausschüsse für die Verfassung und für Justizwesen über die Stellung, welche zu dem von dem Abgeordneten Lasker und Genossen im Reichstage eingebrachten Antrage auf Erlaß eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reiches (Nr. 19 der Drucksachen des Reichstags) einzunehmen sei, vertraulich berathen haben. Die dabei zum Ausdrucke gekommenen Auffassungen der in den Ausschüssen vertretenen hohen Regierungen seien in nachstehender, event, bei den Berathungen des Antrags im Reichstage abzugebender Erklärung zusammengefaßt worden: „Der im vergangenen Jahre vom Reichstage angenommene Antrag des Herrn Abgeordneten Lasker und Genossen, wie derselbe jetzt unter Nr. 19 der Drucksachen erneuert worden, hat im Bundesrath zu wiederholten Verhandlungen Veranlassung gegeben. Die bei diesen Verhandlungen hervorgetretenen Schwierigkeiten haben im Laufe des letzten Jahres einen Abschluß derselben nicht gestattet, gegenwärtig sind sie indessen so weit überwunden, daß die begründete Aussicht vorhanden ist, es werde die in einer so wichtigen Frage gewiß wünschenswerthe Einstimmigkeit oder doch die verfassungsmäßig erforderliche Mehrheit der Stimmen zu jener Abänderung der Verfassung in naher Zeit erzielt werden. — In diesem Falle beabsichtigen die verbündeten Regierungen mit der Publikation der Verfassungs-Aenderung eine Kommission zur Aufstellung des Entwurfes eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuches einzusetzen, da sie die Herstellung der Einheit des bürgerlichen Rechtes in einem Gesetzbuche für Deutschland als das zu erstrebende Ziel der in Rede stehenden Verfassungs-Aenderung betrachten."54 54

Die Erklärung ist von Delbrück abgegeben worden am 2. 4. 1873 (St. B. RT, Session 1873, Bd. l, Fortsetzung der Fußnote auf Seite 159

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A. Die Auadehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reichs

Mit Rücksicht auf die in dieser Erklärung enthaltenen Mittheilungen über die beabsichtigte fernere Behandlung der Angelegenheit halte er es für geboten zu konstatiren, ob die Erklärung den Auffassungen des Bundesraths entspreche. Die Bevollmächtigten für Mecklenburg, Großherzogthum Sachsen, Oldenburg und Hamburg hielten sich, mangels Instruktion, das Protokoll offen. Die Bevollmächtigten der übrigen Regierungen stimmten der Erklärung zu. 4. Protokoll der Bundesratssitzung vom 12.12.1873 § 601 (S. 440): Es wurde über den laut §. 162 der Protokolle vom Reichstage angenommenen Gesetz-Entwurf, betreffend die Abänderung der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reichs, Beschluß gefaßt. Mit 54 Stimmen gegen die 4 Stimmen von beiden Mecklenburg und Reuß älterer Linie wurde beschlossen, dem Gesetz-Entwurfe die Zustimmung zu ertheilen. — Der Gesetz-Entwurf wird zur Allerhöchsten Vollziehung vorgelegt werden. Der Königlich bayerische Bevollmächtigte erklärte: „daß die bayerische Regierung durch das von ihr abgegebene zustimmende Votum ihrer Stellung zur Frage der Erhaltung des obersten Landes-Gerichtshofes nicht präjudizirt haben wolle." Der substituirte Bevollmächtigte für Großherzogthum Sachsen stimmte dem Gesetz-Entwurfe unter der Voraussetzung bei, daß zugleich die Ausarbeitung eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs bezweckt und demnächst in Angriff genommen werde. Der substituirte Bevollmächtigte für Oldenburg schloß sich dieser Voraussetzung mit dem Wunsche an, daß zu Spezialgesetzen nur im Falle dringender Notwendigkeit gegriffen werde. Der Vorsitzende bemerkte hierauf: „Zufolge der in der Sitzung vom 2. April d. J. — §. 159 der Protokolle — getroffenen Verständigung sei bei Berathung des soeben angenommenen Gesetz-Entwurfs im Reichstage von dem Präsidenten des ReichskanzlerAmts erklärt worden, daß die verbündeten Regierungen, wenn der Entwurf die verfassungsmäßige Stimmenmehrheit im Bundesrathe finde, mit Publikation der Verfassungsänderung eine Kommission zur Aufstellung des Entwurfs eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs einzusetzen beabsichtigten. Im Hinblick auf diese Erklärung und den soeben gefaßten Beschluß habe er zu beantragen: ,den Ausschuß für Justizwesen zu ersuchen, über die Einsetzung einer solchen Kommission und über die sonst zur Aufstellung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu treffenden Einleitungen baldthunlichst Vorschläge zu machen.'" Die Versammlung beschloß demgemäß.

S. 169). Delbrück hatte den Schlußteil der Erklärung verändert: „. . . indem sie davon ausgehen, daß die Einheit des bürgerlichen Rechts in Deutschland der wesentlichste Zweck und das wesentlichste Ziel des vorliegenden Antrags ist". Gegen diese Veränderung hat insbesondere Württemberg protestiert (vgl. HStA Stuttgart, E 130a/819). 159

B. Die Vorkommission I. Die Einsetzung der Vorkommission 1. Bericht von Hess (Württemberg) vom 13. 12.1873 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 13.12.1873 * Am Schlüsse der heutigen Sitzung des Justizausschusses brachte Unterstaatssekretär Friedberg das zur Ausarbeitung eines Civilgesetzbuchs einzuschlagende Verfahren zur Sprache. Gh. Rath v. Liebe eröffnete die Besprechung mit der Erklärung, es werden sich der einzusetzenden Commission nicht wohl Fingerzeige geben lassen, nach welchen Grundsätzen sie bei Aufstellung eines Entwurfs vorgehen solle. — Hingegen sprach ich mich dafür aus, daß den Regierungen Gelegenheit gegeben werde, ihre Willensmeinung bezüglich der auszuscheidenden Materien an den Bundesrath gelangen zu lassen, worin mir der Hessische Bevollmächtigte beitrat. — Dagegen erklärte Friedberg, er habe selbst früher dies für möglich gehalten, sei aber zu der entgegengesetzten Ansicht gekommen. Dabei warf er die Frage auf, ob nicht der Justizausschuß einzelne besonders geeignete Capazitäten beiziehen könnte, damit nicht ihm selbst alle Verantwortlichkeit zufalle, was v. Liebe sofort bejahte. — Bayern und Sachsen sprachen sich nicht aus. In Betreff Sachsens habe ich schon früher berichtet. Man kam überein, über den Gegenstand sich Instruktion zu erbitten. Die Sache wird wohl sehr bald wieder in den Ausschuß gelangen. Sollte es zur Beiziehung der bemerkten Capazitäten kommen, so dürfte nach meinem Dafürhalten in Erwägung kommen, ob denselben ein Stimmrecht zugestanden werden könnte. 2. Vorschlag von Sachsen über „zu beantragende Beschlüsse des Bundesraths" vom Januar 18742 1. Zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Gesetzes, welches das Privatrecht umfassen soll, insoweit dessen einheitliche Regelung mit Rücksicht auf die in den Bundesstaaten bestehenden Verhältnisse, Einrichtungen und Bedürfnisse für zweckmäßig zu befinden ist, wird eine Commission eingesetzt. 2. Die Commission soll aus 13 Mitgliedern bestehen, welche theils im praktischen Justizdienst, theils in der theoretischen Pflege der Rechtswissenschaft Hervorragendes geleistet. 3. In der Commission sollen die bestehenden Rechte in Preußen durch 3 Mitglieder, 1

HStA Stuttgart 130a/819; über Friedberg vgl. unten S. 33 Fn. 33; über die sächsischen Pläne unten unter II. Die Stellungnahme Württembergs ergibt sich aus einem Schreiben von Mittnacht an Spitzemberg vom 26. 1. 1874: Danach sollten keine Kapazitäten herangezogen werden; in der neuen Kommission sollten alle größeren Bundesstaaten vertreten sein. Femer heißt es in diesem Schreiben: „Es erscheint nicht angemessen, der Kommission Direktiven über die formelle und materielle Behandlung ihrer Aufgabe und insbesondere über die Auswahl der etwa der Landesgesetzgebung vorzubehaltenden Rechtsmaterien zu ertheilen". Die Bundesregierungen sollten indessen berechtigt sein, unter Vermittlung des Reichskanzleramts der Kommission gegenüber Wünsche äußern zu dürfen." 2 Weitere Einzelheiten Bayr. HStA München, Abt. I, MJu. 16107.

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B. Die Vorkommission

in Bayern, Königreich Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin und Strelitz mit Oldenburg, den Thüringischen Staaten mit Anhalt und Braunschweig, den Hansestädten durch je l Mitglied und die juristischen Fakultäten der deutschen Universitäten durch 2 Mitglieder (v. Wächter, Windscheid) vertreten sein. 4. Die Mitglieder der Commission ernennt der Bundesrath, den Präsidenten derselben aus deren Mitte der Kaiser. 5. Die Geschäftsordnung für die Commission wird von ihr selbst ausgearbeitet und dem Bundesrath zur Genehmigung vorgelegt. 6. Die Regierungen der Bundesstaaten werden ersucht, der Commission die etwa vorhandenen Gesetzentwürfe mitzutheilen, welche sie bei der sub l bezeichneten Arbeit berücksichtigt zu wissen wünschen. 7. Die Commission stellt den Plan, nach welchem bei Vorbereitung und Ausführung der ihr gestellten Aufgabe zu verfahren, nach eigenem Ermessen fest und beschließt im Besonderen darüber, ob eines der vorhandenen Gesetze über das Privatrecht oder einzelne Materien desselben oder einer der etwa vorhandenen Entwürfe zu einem solchen Gesetze ganz oder theilweise den Berathungen zu Grunde zu legen, oder ob einzelnen oder mehreren ihrer Mitglieder die Ausarbeitung eines den Berathungen zu Grunde zu legenden Entwurfs oder die Ausarbeitung von Vorlagen für einzelne Materien des Privatrechts zu übertragen sei. 8. Anträge, welche darauf gerichtet sind, daß gewisse Bestimmungen in den Entwurf aufzunehmen oder der Landesgesetzgebung vorzubehalten seien, können von den Ministerien oder sonstigen obersten Regierungsbehörden der Bundesstaaten unmittelbar an die Commission gebracht werden. 9. Die Commission beschließt, ob und inwieweit die Bestimmungen der in das Gebiet des Privatrechts einschlagenden Reichsgesetze, ins Besondere des Handelsgesetzbuchs, der Wechselordnung und des Gesetzes über die Genossenschaften, beziehentlich mit Modifikationen, den auszuarbeitenden Entwurf an geeigneten Stellen einzuarbeiten seien. 10. Die Commission hat ihren Sitz in . . . 2a und beschließt über die Zeit der zu gemeinschaftlicher Berathung abzuhaltenden Sitzungen. 11. Der ausgearbeitete Entwurf wird veröffentlicht und unter Berücksichtigung der Kritik von der Commission einer Revision unterworfen. Der revidirte Entwurf gelangt an den Reichskanzler zur weiteren geschäftlichen Veranlassung. 12. Die Mitglieder der Commission erhalten für jeden Tag, den sie im Dienste der Aufgabe der Commission außerhalb ihres Wohnsitzes zubringen, außer den Reisekosten je ... Mark Auslösung. Sachliche Ausgaben der Commission passiren in Rechnung auf Grund der Attestation ihrer Nothwendigkeit durch den Präsidenten der Commission. 3. Bericht von Liebe (Braunschweig) vom 8. 2. 1874 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 8. 2.18743 Zu § 601 der Protokolle von 1873 ist der Justizausschuß beauftragt worden, über die wegen Abfassung eines Civilgesetzbuchs zu treffenden Einleitungen Vorschläge zu Nach der ursprünglichen Fassung des Expose war Frankfurt a. M. als Sitz der Kommission vorgesehen. Zitiert nach der Akte des Nds. StA Wolfenbüttel 19 B Neu Nr. 117. In einem Bericht von Fortsetzung der Fußnote auf Seite 162 161

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machen. — Heute wurde vom Justizausschuß unter dem Vorsitze des Justizministers Leonhardt über die Sache berathen. Leonhardt war der Ansicht, daß man zunächst eine Kommission von wenigen, etwa fünf, bedeutenden und hervorragenden Juristen berufen müsse, welche über Plan, Methode und Grenzen der ganzen Arbeiten sich zu äußern hätten. In dieser Beziehung könne weder der Justizausschuß noch der Bundesrath es auf sich nehmen, etwas vorzuschreiben, und man müsse die Autorität hervorragender Juristen für sich haben. Der Baierische Minister Fäustle war derselben Meinung, und wünschte nur der zu berufenden Kommission etwas zu ... (?). Die Commission müsse über die offenbar vorhandenen Vorfragen sich äußern und namentlich darüber, ob man durchweg oder in manchen Materien nur Grundzüge aufstellen und das Einzelne den Landesgesetzen überlassen solle, welche Materien man ausscheiden und ob man Alles auf einmal oder stückweise vorlegen solle. Der Sächsische Minister Abeken meinte dagegen, eine Vorcommission sei nicht nöthig; man könne gleich eine größere Commission berufen, und dieser auch die Aufgabe der Vorcommission zuweisen. Dabei legte er gewisse Grundzüge vor: man solle Juristen aus den Ländern der verschiedenen Rechtssysteme berufen, die Rechtssysteme vergleichen, das Gemeinsame herausnehmen, ergänzen etc., etc. — Der Württembergische Minister v. Mittnacht schien gleicher Ansicht zu sein. Ich glaubte mich der Ansicht des Justizministers Leonhardt anschließen zu müssen, eben wegen der Größe und Wichtigkeit der Aufgabe. Man kann nicht verfahren, wie bei gewöhnlichen Gesetzentwürfen, bei deren Abfassung die Referenten in Form von Artikeln und Paragraphen hinschreiben, was sie über die Materien sagen zu müssen meinen. Einen Plan und eine Methode muß man hier haben und die ausarbeitende Commission kann nicht gleich in medias res gehen. Möglich, daß sich während der Arbeit neue Gesichtspunkte finden: das schließt aber die Nothwendigkeit eines planmäßigen Beginnens nicht aus. Diese Ansicht fand dann auch gegen die Stimmen der Minister von Sachsen und Württemberg die Majorität. Leonhardt schlug nun als Mitglieder der Kommission vor: den Geheimen Oberjustizrath Foerster in Berlin, den Präsidenten des Oberappellationsgerichtes zu München v. Neumayr, den Präsidenten des Oberappellationsgerichtes zu Dresden Weber, den Präsidenten des Obertribunals zu Stuttgart Kübel, den Reichsoberhandelsgerichtsrath Goldschmidt in Leipzig. Ein Widerspruch dagegen fand sich nicht, und es wird demgemäß ein Antrag beim Bundesrathe gestellt werden . . . Krüger über dieselbe Sitzung (Archiv der Hansestadt Lübeck Abt. VIII Nr. 11) äußerte Krüger die Vermutung, daß Württemberg wohl deshalb gegen die Einsetzung einer Vorkommission sei, weil es befürchtete, „daß es zur Bildung einer größeren Commission gar nicht kommen werde, wenn die Einleitung einer s.g. Vorkommission übertragen sei". Die anderen Mitglieder des Justizausschusses gingen indessen davon aus, daß die Kommission ihre Arbeit in zwei bis drei Wochen erledigen könne. Krüger teilte am Schluß seines Berichts nach Lübeck noch mit, daß ihm die Personalvorschläge nicht ganz befriedigt hätten: „Durch einen bloßen Kompromiß zwischen bestehenden Parricularrechten werden wir nie ein gutes Gesetzbuch erhalten." — Zur Sitzung vom 8. 2. 1874 vgl. auch den Bericht des Mecklenburgischen Gesandten (StA Schwerin, Nr. 282): Hier heißt es, daß man namentlich von v. Neumayr und von v. Weber erhofft habe, daß sie Goldschmidt „ausreichend die Stange halten" und der Absicht, diesem die alleinige Ausarbeitung der Kodifikation zu übertragen, entgegentreten würden. Das Hauptmotiv für die Einsetzung einer Vorkommission wird darin gesehen, „daß man dem Bundesrath für den doch wohl nicht für unmöglich gehaltenen Fall eines Scheiterns des ganzen Werkes einen Rückhalt gegenüber der öffentlichen Meinung darin geben will, daß von vornherein der erste Plan auf das Erachten unzweifelhaft tüchtiger Juristen basiert sein soll". 162

B. Die Vorkommission 4. Protokoll der Bundesratssitzung vom 28. 2.1874 §. 130 (S. 90.): Unter Nr. 27 der Drucksachen hat der VI. Ausschuß über die zur Aufstellung des Entwurfs eines Deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu treffenden Einleitungen (§. 601 der Protokolle von 1873) Vorschläge gemacht. Auf den Vortrag des Justiz-Ministers Dr. Leonhardt wurde beschlossen, die nachstehend genannten fünf deutschen Juristen, nämlich: Goldschmidt, Rath beim Reichs-Oberhandelsgericht in Leipzig, Kübel, Direktor des Obertribunals von Württemberg in Stuttgart, Meyer, Erster Präsident des Königlich preußischen Appellationsgerichts in Paderborn4, v. Neumayr, Präsident des Ober-Appellationsgerichts von Bayern in München, v. Weber, Präsident des Ober-Appellationsgerichts von Sachsen in Dresden, zu berufen mit der Aufgabe, über Plan und Methode, nach welcher bei Aufstellung des Entwurfs eines Deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu verfahren sei, gutachtliche Vorschläge zu machen.

II. Materialien der Vorkommission 1. Expose von Goldschmidt vom 19. 3.1874: „Ueber Plan und Methode für die Aufstellung des Entwurfs eines Deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs"5 Weder der Wortlaut des von dem Hohen Bundesrath der Kommission ertheilten Auftrages, noch die erläuternden Bemerkungen, mit welchen Seine Excellenz der Königlich Preußische Staatsminister der Justiz Herr Dr. Leonhardt Namens des Justizausschusses des Hohen Bundesraths die Berathungen der Kommission eröffnet hat. setzen diesen Berathungen andere Schranken, als die Natur einer vorbereitenden Begutachtung mit sich bringt. Außerhalb der gestellten Aufgabe dürfte hiernach der Versuch liegen, den Umfang der künftigen Gesetzgebung anders als in den allgemeinsten Umrissen zu begrenzen, oder zwischen widerstreitenden Grundprinzipien schon gegenwärtig Entscheidung oder Vermittelung zu treffen. Entsprechen dagegen dürfte es der Aufgabe, daß über Plan und Methode der Gesetzgebung dem Hohen Bundesrath ein möglichst eingehendes Gutachten erstattet wird. Und zwar nicht in Beschränkung auf die Aufstellung eines ersten Entwurfs, vielmehr wäre zu erwägen, auf welchem Wege am zweckmäßigsten zu demjenigen definitiven Entwurf zu gelangen sei, welcher Grundlage der eigentlichen legislativen Behandlung werden kann. Nach diesen Gesichtspunkten, welche wesentlich schon in der ersten vorläufigen Besprechung der Kommission von verschiedenen Seiten angeregt worden sind, scheinen sich für die Berathung folgende Fragen in nachstehender Ordnung zu empfehlen: I. Plan und Methode 1. Soll eines der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden Gesetzbücher des bürgerlichen Rechts oder ein für einen Einzelstaat des Deutschen Reichs bisher ausgearAn Stelle des erkrankten Meyer wurde vom Bundesrat am 19. 3. 1874 der spätere preußische Justizminister v. Schelling, damals erster Präsident des Appellationsgerichts Halberstadt, in die Vorkommission gewählt (§ 174 der BR-Protokolle). Original im ZStA Potsdam, Reichskanzleramt, Nr. 704. Protokolle sind, soweit ersichtlich, über die Sitzungen nicht geführt worden (vgl. auch Entstehungsgeschichte unten S. 34ff.). Die Sitzungen wurden am 18. 3. 1874 eröffnet und dauerten bis zum 15. 4. 1874. 163

Materialien zur Entstehung des BGB

beiteter Entwurf des bürgerlichen Rechts in dem Sinne für eine geeignete Grundlage des gemeinsamen Deutschen Gesetzbuchs erklärt werden, daß auf dieser Grundlage alsbald Kommissionsberathungen eröffnet werden, das betreffende Gesetzbuch oder der betreffende Entwurf somit eine Vorlage des hohen Bundesrathes an die Kommission bildet? Oder: Soll ein neuer selbständiger Entwurf verfaßt werden, welcher unter freier Berücksichtigung der bereits geltenden Gesetzbücher und der seither ausgearbeiteten Gesetzentwürfe der Einzelstaaten sowie des ehemaligen Deutschen Bundes sich die Aufgabe stellt, das den Gesammtzuständen des Deutschen Reichs entsprechende bürgerliche Recht in einer den Anforderungen der heutigen Wissenschaft entsprechenden Form kodifizirend zusammenzufassen? Wird die erste Alternative bejaht, so wird weiter zu erwägen sein, welches der bestehenden Gesetzbücher oder welcher der bereits ausgearbeiteten Entwürfe (des ganzen bürgerlichen Rechts, eines Theiles) sich zur Grundlage der Kommissionsberathungen eignet; und es versteht sich alsdann die Bejahung der Frage 3 von selber, wogegen die Frage 2 sich erledigt. Wird die zweite Alternative bejaht, so ist folgende Frage zu beantworten: 2. Auf welchem geeignetsten Wege ist zur Aufstellung eines neuen selbständigen Entwurfs zu gelangen? a) Ausarbeitung durch eine größere, gemeinsam berathende Kommission? Für den Bejahungsfall: Nach welchen Gesichtspunkten ist diese Kommission zusammenzusetzen ? Es können in Betracht kommen: politische, technische, örtliche (insbesondere wegen Verschiedenheit der Rechtsgebiete) Gesichtspunkte. Wie hoch soll sich annähernd die Zahl der Mitglieder belaufen? b) Ausarbeitung durch eine größere Kommission, welche sich für die Bearbeitung der einzelnen Theile in Spezialkommissionen theilt, demnächst aber alle einzelnen Theile und das Ganze in gemeinsamer Berathung feststellt? Für den Bejahungsfall sind die gleichen Fragen wie ad a zu beantworten. c) Ausarbeitung durch mehrere Redaktoren, von welchen jeder einen Theil für sich entwirft, welche jedoch demnächst den ganzen Entwurf gemeinschaftlich feststellen? Im Bejahungsfalle: Nach welchen Gesichtspunkten hat die Wahl dieser Redaktoren stattzufinden? Wie viele Spezialtheile beziehungsweise wie viele Spezialredaktoren? d) Gleiches System wie ad c, jedoch unter Hinzutritt eines Gesammtredaktors, welchem obliegt, für die einheitliche und gleichmäßige Gestaltung des Entwurfs nach Inhalt und Form Sorge zu tragen? und zwar entweder so, daß auf die gemeinsame Feststellung des gesammten Entwurfs durch die Spezialredaktoren eine nochmalige Redaktion des Gesammtredaktors folgt? oder so, daß die Redaktion des Gesammtredaktors die gemeinsame Feststellung des ganzen Entwurfs durch die Spezialredaktoren ersetzt? e) Ausarbeitung durch Einen Redaktor (vielleicht 2, 3 gemeinsam arbeitende Redaktoren)? Für die Fälle a—e, insbesondere für die Fälle c — e wäre in Betracht zu ziehen: f) Soll es statthaft sein, für gewisse Fragen Enqueten zu veranstalten? 164

B. Die Vorkommission

g) Soll es dem einen oder den mehreren Redaktoren oder auch der größeren Kommission zustehen, für alle oder einzelne Gegenstände die Zuordnung von Spezialkommissionen oder Spezialkommissaren zu beantragen? 3. Soll der vollendete und einheitlich redigirte Entwurf einer nochmaligen Prüfung durch eine vom Bundesrath bestellte Kommission unterzogen werden? Im Bejahungsfalle: Nach welchen Grundsätzen ist diese Kommission zusammenzusetzen? (Vergl. ad 2 a) //. Plan und Umfang 1. Soll das Gesetzbuch ein prinzipales oder ein nur subsidiäres sein? Im ersten Falle: Wie weit soll den Landesrechten Raum zu abweichenden Normen gelassen werden? 2. Sollen alle Theile des bürgerlichen Rechts in das Gesetzbuch Aufnahme finden? Oder sollen einige und welche von vornherein ausgeschlossen werden? 3. Soll das Gesetzbuch sich wesentlich auf Feststellung der leitenden Prinzipien und deren nächste Folgesätze oder Ausnahmen beschränken? Oder:

Soll dasselbe in eine mehr kasuistische Entwickelung eintreten? 4. Soll eine bestimmte Stoffeintheilung (System) in Vorschlag gebracht werden? Berlin, den 19. Maerz 1874 (gez.) Dr. Goldschmidt. 2. „Vorschläge" von Goldschmidt vom 28. 3. 1874 für die von der Vorkommission zu fassenden Beschlüsse6 I. Es wird ein Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches verfaßt, welcher unter freier Berücksichtigung der geltenden Gesetzbücher und der bereits ausgearbeiteten Gesetzentwürfe der Einzelstaaten sowie des ehemaligen Deutschen Bundes sich die Aufgabe stellt, das den Gesammtzuständen des Deutschen Reichs entsprechende bürgerliche Recht in der den Anforderungen der heutigen Wissenschaft gemäßen Form codificirend zusammenzufassen. II. Der Entwurf soll umfassen: das gesammte Privatrecht ausgenommen 1. diejenigen Theile, welche in das zu redigirende Handelsgesetzbuch Aufnahme finden. Nämlich: den Inhalt des gegenwärtigen Handelsgesetzbuchs, modificirt nach den unten VIII folgenden Gesichtspunkten: die deutsche Wechselordnung, das Recht der Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften; die Seemannsordnung nebst allen seerechtlichen Spezialgesetzen, soweit sie zur codificirenden Zusammenfassung geeignet sind; das Reichs-Eisenbahnrecht in gleichem Maße, das Verlagsrecht; das Recht der Binnenschifffahrt; das gesammte Versicherungsrecht. Ob das Urheberrecht und das etwaige Reichsrecht, betreffend Patente, Marken-, Muster-, Modell-Schutz, Banken und Banknoten in den Bereich des Handelsgesetzbuchs codificirend hineinzuziehen oder es in soweit bei der Reichs-Spezialgesetzgebung zu belassen sei, bleibt künftiger Erwägung vorbehalten. Für Post- und Telegraphen-Recht, sowie die Gewerbeordnung hat es jedenfalls bei der Reichs-Spezialgesetzgebung sein Bewenden. Das Recht der Inhaberpapiere und sonstigen an die Schriftform gebundenen Rechts-

Original im ZStA Potsdam, Reichskanzerlamt, Nr. 704 165

Materialien zur Entstehung des BGB

geschähe ist jedenfalls im Zusammenhange des bürgerlichen Gesetzbuches festzustellen, vorbehaltlich der etwaigen späteren Zuweisung an das Handelsgesetzbuch. 2. Das Bergrecht. Doch erscheint auch dessen Kodifikation für das Deutsche Reich wünschenswerth, der Abfassung des bürgerlichen Gesetzbuchs voraufgehend oder nachfolgend. 3. Die im Absterben begriffenen Institute überwiegend germanischen Ursprunges. Diese sind schlechthin dem bestehenden und künftigen Landesrecht zu überlassen und die Aufgabe des bürgerlichen Gesetzbuches kann insoweit lediglich eine negative sein. So: das Lehenrecht (Erbzins- und Erbpacht-Recht, Emphyteusis), das Recht der Reallasten und Ablösungen, das Näherrecht, das Recht der Stammgüter, das Recht der bestehenden Familien-Fideicommisse. Anlangend das Recht künftig zu errichtender Familien-Fideicommisse, erscheint es statthaft der Landesgesetzgebung Raum zu lassen. 4. Das Recht der Bauerngüter, soweit eigenthümliche Erb- und Theilungs-Verhältnisse in Frage stehen. Für Süd- und Mittel-Deutschland ohne erhebliche Bedeutung, eignet sich dasselbe nicht zur gemeinschaftlichen Regelung, es ist dem Landesrecht zu überlassen, und die Aufgabe des bürgerlichen Gesetzbuches kann auch hier höchstens eine negative sein, nämlich gesetzliche Begrenzung statthafter Abweichungen von den Principien des gemeinen Rechts. 5. Gewisse Institute, welche einer detaillirten und mindestens im Einzelnen abweichenden Regelung nach örtlichen Verhältnissen und eigenthümlichen geschäftlichen Bildungselementen bedürfen, zugleich mit wesentlich polizeilichem Inhalt durchsetzt sind. So das Forstrecht, das Wasserrecht im weitesten Umfange (auch Mühl-, Floß-, Flößerei-Recht), das Fischereirecht, das Jagdrecht, das Deich- und Siel-Recht, das Bauund Nachbar-Recht, das Recht der Zusammenlegung von Grundstücken, das Enteignungsrecht, das Gesinderecht. Es wird jedoch sorgfältig zu erwägen sein, in wiefern die privatrechtlichen Grundprincipien dieser Institute sich zur gemeinsamen Kodificirung eignen, und da die leitenden Prinzipien des Sachenrechts, theilweise auch des Obligationenrechts sich richtig nur bei voller Kenntniß dieser Institute feststellen lassen, so werden die Hauptredaktoren des Sachen- und des Obligationenrechts Bedacht nehmen, durch geeignete technisch-juristische Kräfte gedrängte Uebersichten der für diese Spezialmaterien in den verschiedenen Theilen Deutschlands bestehenden Rechtsgrundsätze, etwa in Form von Gesetzentwürfen mit erläuterndem Apparat ausarbeiten zu lassen. — Dagegen hat das bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen insbesondere das gesammte Familienrecht, einschließlich des Eheschließungs- und Ehescheidungsrechts, das Vormundschaftsrecht, das Erbrecht, das eheliche Güterrecht und das Immobiliar-Sachenrecht. Für das eheliche Güterrecht insbesondere wird es sich empfehlen, zwei oder allenfalls drei Hauptssysteme desselben zu codificiren, und den Landesgesetzen die Bestimmung darüber zu überlassen, welches der betreffenden Systeme in dem Einzelstaate oder gewissen Theilen desselben subsidiär gelten solle; endlich dürfte es allenfalls den Einzelstaaten vorbehalten bleiben, statt der vom Gesetzbuch geregelten Systeme ein anderes bestehendes, aber zu codificirendes System als Landesrecht festzuhalten. Selbstverständlich ist das einschlägige Reichsrecht, unverändert oder mit den erforderlichen Modifikationen, in das System des bürgerlichen Gesetzbuchs einzureihen, z. B. hinsichtlich der Zinsen, der Schuldhaft, der Beschlagnahme von Arbeits- und Dienstlohn, des Erwerbes und Verlustes von Bundes- und Staatsangehörigkeit, der confessionellen Gleichberechtigung, hinsichtlich Münze, Papiergeld, Maaß und 166

B. Die Vorkommission

Gewicht u. dgl. mehr. Weiterer Erwägung ist vorzubehalten, ob das Gesetzbuch den einen oder anderen Gegenstand nur in seinen leitenden Grundsätzen regelt und SpezialAusführungsgesetze hinzutreten, z. B. hinsichtlich des Rechts der Corporationen, bezw. die bestehenden Reichsgesetze aufrechterhalten werden. III. Die Stoffanordnung (System) hat im Wesentlichen dem Vorgange der neueren Doktrin des gemeinen Rechtes, der neueren Civil-Gesetzbücher und Entwürfe zu folgen. Dem freien Ermessen der Kommission sind in dieser Beziehung keine Schranken zu setzen. Eine casuistische Entwicklung und die Aufnahme lediglich reglementärer, zur richterlichen Instruktion dienender Vorschriften erscheint unangemessen; neben den leitenden Principien werden jedoch auch die wichtigsten Folgesätze und die Ausnahmen zu regeln sein, dem Vorbilde der neuesten Gesetzbücher und Entwürfe entsprechend. Gedrungene Kürze und eine gemeinverständliche aber in consequenter Technik durchgeführte Rechtssprache ist zu erstreben. IV. Der Entwurf soll in einer zur Vorlage an den Hohen Bundesrath und demnächstigen legislativen Berathung geeigneten Gestalt durch eine Commission von etwa 9 Mitgliedern ausgearbeitet werden. Bei Zusammensetzung dieser Commission ist einerseits auf ausreichende Vertretung der innerhalb des Deutschen Reiches bestehenden größeren Rechtsgebiete, andererseits auf volle wissenschaftliche und praktische Beherrschung des Rechtsstoffes Rücksicht zu nehmen, daher die Betheiligung hervorragender selbständiger Kenner der Rechtstheorie unentbehrlich. Sie zerfällt in etwa 5 redigirende Mitglieder (Haupt-Redaktoren) und in etwa 4 überwiegend controlirende und kritisirende Mitglieder. Es steht ihr frei, in allen geeignet erscheinenden Fällen Enqueten zu veranstalten. Specialkommissare und Spezialkommissionen zu ernennen, ohne dabei auf den Kreis ihrer eigenen Mitglieder beschränkt zu sein. Insbesondere werden die HauptRedaktoren bedacht sein müssen, für kleinere Abschnitte ihres Redaktionsgebietes, welche in irgendeiner Beziehung erhebliche Schwierigkeiten darbieten, durch freigewählte geeignete Persönlichkeiten, sei es praktische, sei es theoretische Juristen, Entwürfe unter vergleichender Berücksichtigung der vorhandenen Rechtssysteme ausarbeiten zu lassen und so die hervorragendsten Kräfte Deutschlands für die gemeinsame Arbeit nutzbar zu machen. V. Der Kommission wird ein bestimmter Ort angewiesen, an welchem die Kommissionsberathungen stattfinden und ein gemeinsames Sekretariat besteht. Dagegen ist nicht erforderlich, daß alle oder auch nur die redigirenden Mitglieder dauernd an dem Sitze der Kommission beisammen bleiben. Die Gemeinsamkeit der Arbeit soll nicht weiter reichen, als die Natur der gestellten Aufgabe nothwendig mit sich bringt. Die Aufgabe der Kommission beschränkt sich daher auf die zweckmäßige Einleitung der Einzelarbeiten, auf die Vermittelung zwischen den selbständig arbeitenden Haupt-Redaktoren, auf die Prüfung der ausgearbeiteten Entwürfe, deren richtige Zusammenfügung und einheitliche Redaktion. Ist so in einem ersten Kommissionsentwurf die Grundlage für das bürgerliche Gesetzbuch gewonnen, so wird im Zusammenhange damit die bereits vorbereitete Revision des Handelsgesetzbuchs (unten VIII) durchzuführen, endlich in einer zweiten Lesung der zweite und letzte Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen sein. VI. Für die Herstellung eines ersten vollständigen Entwurfes empfiehlt sich der nachstehende Geschäftsgang: 1. Bei ihrem Zusammentreten hat die Kommission ihre Geschäftsordnung festzustellen, ihren Vorsitzenden zu wählen und das Bureau zu konstituiren, endlich sich über diejenigen Gesichtspunkte vorläufig zu verständigen, welche für die Ausarbeitung aller 167

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oder mehrerer Haupttheile des Entwurfes von bestimmender Bedeutung sind, unbeschadet einer späteren Modifikation der gefaßten Beschlüsse und einer späteren Ergänzung derselben auf Antrag eines oder mehrerer der Hauptredaktoren. Auf dieser Maßgabe wird vorläufig festzustellen sein, was den Gegenstand der vorauf gehenden Erläuterungen unter I bis III bildet, und es wird ferner eine Verständigung über gewisse, oberste Rechtsprinzipien anzubahnen sein, z. B. über die Frage ob das Immobiliarsachenrecht nach römischen Grundsätzen oder nach denen des modernen Grundbuchsystems zu regeln, ob das römische oder das germanische Vindikationssystem anzunehmen; ob die Gültigkeit formloser Rechtsgeschäfte, insbesondere Verträge von besonderen Ausnahmen abgesehen anzuerkennen sei u. dgl. mehr. 2. Demnächst haben die Einzelarbeiten in allen Haupttheilen möglichst gleichzeitig zu beginnen unbeschadet der einstweiligen Zurückstellung von Spezialmaterien, der successiven Bearbeitung der Unterabtheilungen, und der successiven Berathung jedes einzelnen vollendeten Haupttheiles durch die Kommission. Für folgende Haupttheile des Entwurfes werden jedenfalls die Redaktoren aus dem Kreise der Kommission bestellt: a) das Obligationenrecht, b) das Personen-, Vormundschafts- und Familien-Recht, mit Ausschluß des ehelichen Güterrechts; c) das eheliche Güterrecht und das Erbrecht, jedenfalls unter Zuziehung zweier Subredaktoren; d) das Immobiliarsachenrecht und das gesammte Pfandrecht; e) die übrigen Institute des Sachenrechts, einschließlich des Besitzes. Die unter d und e genannten Haupttheile des Entwurfes werden in gemeinschaftlicher Arbeit ihrer beiden Hauptredaktoren schließlich festgestellt. Verständigung unter den Hauptredaktoren über Grenzpunkte ihrer Gebiete, sowie über gemeinschaftliche Lehren wird nach Lage der Sache in gelegentlichen Konferenzen zu erfolgen, und in Differenzfällen über wichtige Fragen die Entscheidung der wenn erforderlich zusammenzuberufenden Kommission einzutreten haben. Die Hauptredaktoren haben aus den von ihnen selber und den hinzugezogenen Spezialredaktoren, Kommissaren und Gutachtern ausgearbeiteten Spezialentwürfen den Gesammtentwurf ihres Haupttheiles festzustellen und die Motive der Kommission einzureichen. 3. Die Haupttheile werden von der Kommission in einmaliger Lesung berathen und vorläufig festgestellt, wobei zugleich die Ausscheidung der allgemeinen Lehren in geeigneter Weise vorzubereiten ist. 4. Nach Feststellung sämmtlicher Haupttheile durch die Kommission arbeitet ein Hauptreferent unter geeigneter Mitwirkung der Hauptredaktoren den allgemeinen Theil des Gesetzbuchs aus und knüpft hieran die Vorschläge wegen der nunmehr etwa gebotenen Umgestaltung der einzelnen Theile, desgleichen über deren Zusammenfügung unter einander und mit dem allgemeinen Theil. 5. Ueber diese Vorschläge tritt die Kommission in Berathung, stellt auf Grund derselben den Entwurf als ganzes fest, unterzieht denselben endlich in redaktioneller Beziehung auf den Vortrag eines hierzu ernannten Referenten einer Revision. VII. Der so in erster Lesung festgestellte Entwurf wird durch Veröffentlichung der allgemeinen Beurtheilung unterstellt und den Bundesregierungen zur Kenntnißnahme, sowie zum Zwecke etwaiger Erinnerungen mitgetheilt. Demnächst erfolgt, auf den 168

B. Die Vorkommission Vortrag eines oder mehrerer sogleich nach Beendigung der ersten Lesung ernannter Referenten unter Berücksichtigung der hervorgetretenen Erinnerungen, sowie der etwa aus der Mitte der Kommission selber hervorgehenden Abänderungs- und Ergänzungsvorschläge die zweite Lesung des Gesammtentwurfs durch die Kommission, woran sich dessen formelle Schlußredaktion in gleicher Weise wie bei der ersten Lesung anschließt. Damit ist die Aufgabe der Kommission gelöst und die weitere Behandlung des dem hohen Bundesrathe zu überreichenden Entwurfes des Gesetzbuches und eines Einführungsgesetzes zu demselben dem hohen Bundesrath anheimzustellen. VIII. Das mittelst Revision und Ergänzung neu zu bearbeitende Handelsgesetzbuch entnimmt seinen Stoff theils aus dem bestehenden Reichsrecht, theils aus den noch zu codificirenden Instituten des gesammten Versicherungsrechts, des Verlagsrechts und des Binnenschifffahrtsrechts oben II. Zugleich aber hat eine neue Grenzregulirung zwischen dem bürgerlichen Gesetzbuch und dem Handelsrecht stattzufinden. Es wird bei Feststellung des bürgerlichen Gesetzbuchs zu erwägen sein, wieweit die Rechtssätze des Deutschen Handelsgesetzbuches, insbesondere des vierten Buches einer allgemeinen Anwendung auf den gesammten auch unvermittelten Verkehr fähig sind. Insoweit scheiden dieselben aus dem Handelsgesetzbuch aus, nicht minder scheiden aus demselben diejenigen Rechtssätze aus, welche in gewissen Richtungen die Grundsätze eines oder des anderen bestehenden Zivilrechtssystems für den Handelsverkehr modificiren, sofern jene Grundsätze selber durch das Bürgerliche Gesetzbuch Abänderungen erleiden. Demgemäß kann die Revision des Handelsgesetzbuches in diesen Richtungen erst in Angriff genommen werden, nachdem wenigstens das Sachenrecht und Obligationenrecht des bürgerlichen Gesetzbuches in erster Lesung von der Commission festgestellt sind. Dagegen ist es zweckmäßig, sofort die Codification der bisher nicht geregelten Theile durch Ernennung von Spezialredaktoren anzubahnen, deren Jedem eine Commission geeigneter juristischer und technischer Sachverständiger beizuordnen ist. So werden für die Berathung des Verlagsrechts Schriftsteller, Componisten und Verleger, etwa von dem Börsen-Verein Deutscher Buchhändler committirt, hinzuzuziehen sein; für die Berathung des Versicherungsrechts Vertreter der Privatversicherungsgesellschaften der verschiedenen Zweige und der Landes-, Provinzial-, Kreis-Versicherungsanstalten; für das Binnenversicherungsrecht Vertreter aus dem Kreise der Schiffahrtsinteressenten. — Diese Arbeiten können während der Berathung des ersten Entwurfes des Civilgesetzbuches soweit vorbereitet sein, daß sogleich nach dessen Vollendung ein erster, revidirter Entwurf des Handelsgesetzbuches entworfen und einer besonders für diesen Zweck eingesetzten gemischten Commission von Juristen und Vertretern des Handelsstandes vorgelegt wird. Der Redaktor dieses revidirten Entwurfes wird mit dem Hauptredaktor des Obligationenrechts in möglichst enge Beziehungen zu treten und für die gehörige Uebereinstimmung mit dem Entwurf des Civilgesetzbuches zu sorgen haben. Die bei der zweiten Lesung des Civilgesetzentwurfes eintretenden Abänderungen lassen soweit erforderlich, sich mit Leichtigkeit für den revidirten Handelsgesetzentwurf verwerthen und es wird der nahezu gleichzeitigen Vorlage beider Entwürfe an den hohen Bundesrath kein Hinderniß entgegenstehen. Jedenfalls würde das revidirte Handelsgesetzbuch sich innerhalb des voraussetzlich längeren Vacationstermins für die Einführung des bürgerlichen Gesetzbuches vollenden lassen und gleichzeitig mit diesem in Kraft treten können. — Berlin, den 28. März 1874

gez. Dr. Goldschmidt

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3. Gutachten der Vorkommission vom 15. 4.18747 In Ausführung des durch Beschluß des Hohen Bundesraths vom 28. Februar d. J. den Unterzeichneten ertheilten Auftrags, über Plan und Methode, nach welchen bei Aufstellung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu verfahren sei, gutachtliche Vorschläge zu machen, beehren sich dieselben als das Ergebniß ihrer Berathungen dem Hohen Bundesrath die in der Anlage folgenden Vorschläge zu unterbreiten, denselben einige erläuternde Bemerkungen vorausschickend. Die Unterzeichneten gehen davon aus, daß ihnen nicht obliegt, sich über die Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu äußern, sie8 vielmehr lediglich den Umfang der an sich feststehenden Aufgabe im Allgemeinen zu begrenzen und den Weg zu bezeichnen haben, auf welchem die Lösung derselben am sichersten, am besten und am schleunigsten zu erreichen sein dürfte. Sie halten dafür, es werde das künftige Gesetzbuch den berechtigten Wünschen der deutschen Nation, den Interessen aller Einzelstaaten, den Anforderungen der Wissenschaft und der Rechtsübung nur unter der Voraussetzung entsprechen, daß an den bewährten gemeinschaftlichen Instituten und Sätzen der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden Civilrechts-Systeme festgehalten, bei Divergenzen Entscheidung in erster Linie nach Rücksicht des Bedürfnisses und der Zweckmäßigkeit, in zweiter Linie nach juristisch-logischer Folgerichtigkeit getroffen, daß mit schonender Rücksicht auf das überlieferte Recht und eigenthümliche örtliche Verhältnisse9 die energische und konsequente Durchführung der den Verhältnissen der Gegenwart entsprechenden Rechtsprinzipien verbunden wird; endlich daß die Formulirung der aufzunehmenden Rechtssätze sich gleichmäßig von einer gelehrten Geheimsprache, wie von einer die unentbehrliche technische Bestimmtheit und Genauigkeit verwischenden sogenannten Popularisirung fern hält, vielmehr gedrungene Kürze und eine zwar gemeinverständliche, aber in konsequenter Technik durchgeführte Rechtssprache erstrebt wird. So stellt sich die zu lösende Aufgabe im Wesentlichen als eine dreifache: Es ist der Gesammtbestand der innerhalb des Deutschen Reichs geltenden Privatrechtsnormen mit Rücksicht auf deren Zweckmäßigkeit, innere Wahrheit und folgerichtige Durchführung zu untersuchen. Es ist sorgsam zu prüfen, wieweit die von der gemeinsamen Grundlage des sogenannten gemeinen Rechts (gemeinen Civilrechts und deutschen Privatrechts) abweichenden Bestimmungen der neueren großen Civilgesetzgebungen, der Landesgesetze

Der Abdruck folgt der Bundesratsdrucksache Nr. 54. Die Vorkommission hatte das Gutachten am 15. 4. 1874 abschließend beraten (vgl. oben S. 35f.). Grundlage der Schlußberatung war ein Gutachtenentwurf von Goldschmidt. Die Abweichungen des Entwurfs (gedruckt; z. B. im Bayr. HStA München, Abt. I, MJu. 16107 vorhanden) vom endgültigen Gutachten werden in den Fußnoten mitgeteilt. Die Änderungen gehen im wesentlichen auf Kübel zurück. Das Gutachten der Vorkommission ist wiederholt abgedruckt worden, u. a. in: ZHR Bd. 20 (1875), S. 134ff.; Württemb. Gerichtsblatt Bd. 9 (1875), S. 6ff.; Rassow in Gruchot Bd. 21 (1877), S. 167ff.; Goldschmidt, Vermischte Schriften, Bd. l (1901), S. 511 ff.; Zum Gutachten zuletzt Benöhr, JuS 1966 S. 79 ff. 8 Das Wort „sie" ist im Entwurf von Goldschmidt nicht enthalten. 9 Die Worte „und eigenthümliche örtliche Verhältnisse" sind am 15. 4. 1874 hinzugefügt worden. 170

B. Die Vorkommission

und der etwaigen Reichsgesetze beizubehalten seien, oder ob und welche Ausgleichung zu versuchen sei. Es ist endlich auf richtige Formgebung und Anordnung die höchstmögliche Sorgfalt zu verwenden. Diese Aufgaben sind weitgreifender, als jemals zuvor einem deutschen oder außerdeutschen Gesetzgebungswerke gestellt waren10. Sie sind nicht unlösbar bei dem gegenwärtigen Stande der deutschen Wissenschaft und Rechtsübung, bei der fortschreitenden Assimilirung der wirthschaftlichen und Rechtszustände. Sie erfordern jedoch einen erheblichen Aufwand von wissenschaftlicher Einsicht, von Erfahrung und Umsicht und können gelöst werden nur durch verständige Zusammenfassung der geeignetsten Kräfte11. Darf auch dem zu schaffenden Gesetzbuch nicht die unerreichbare Aufgabe beständiger Dauer gestellt werden, so gilt es doch keineswegs, nur ein vorläufiges Nothdach über den verschiedenen Rechtssystemen und seit einem Jahrtausend auseinandergehenden Sonder-Rechtsbildungen aufzurichten, vielmehr soll eine feste gemeinschaftliche Grundlage des deutschen bürgerlichen Rechts gewonnen werden, hergestellt in derjenigen Vollkommenheit, welche dem Maße der in der Nation vorhandenen rechtsschöpferischen Kraft entspricht und so vor alsbaldiger Aenderung bewahrt. Inhalt und Form des künftigen deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs werden mindestens auf Menschenalter geradezu das Niveau der deutschen Rechtswissenschaft und Rechtsübung bestimmen; erhebliche Mängel würden die vielbeklagte Trennung der Theorie und Praxis verewigen, Gediegenheit nach Inhalt und Form dagegen würde die Wissenschaft in höherem Grade als bisher dem Ausbau und der Ergründung des bestehenden Rechts zuführen, zugleich zwischen dieser Wissenschaft und der Rechtsübung heilsame Wechselbeziehung herstellen. Hiernach untersagt es sich, dem künftigen Gesetzbuch oder einem Haupttheile desselben12 eines der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden Civil-Gesetzbücher, oder einen der für einen deutschen Einzelstaat oder für den Bereich des ehemaligen Deutschen Bundes ausgearbeiteten Gesetzentwürfe unmittelbar zu Grunde zu legen13. Daß der Codex Maximilianeus bavaricus civilis und das Preußische Allgemeine Landrecht für diesen Zweck ungeeignet sind, bedarf keiner Ausführung. Der Code Napoleon beruht theilweise auf eigenthümlich französischer Grundlage wie auf den nivellirenden Gesetzen der Zwischenzeit und ist, bei unverkennbarer redaktioneller Geschicklichkeit, doch nach Form und Inhalt ungleichmäßig14 gearbeitet, fehlerhaft in seinem System, steht vielfach hinter dem Ergebniß der deutschen Wissenschaft und den Anforderungen des heutigen Verkehrsbedürfnisses, z. B. im Immobiliarsachenrecht, zurück und vermag insbesondere für die erforderliche Ausgleichung der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden Rechtsverschiedenheiten eine geeignete Grundlage nicht zu bieten. Näher liegen der Entwurf eines Civil-Gesetzbuchs für das Großherzogthum Hessen,

Im Gutachtenentwurf heißt es „sind". Im Gutachtenentwurf heißt es „aller irgend geeigneten Kräfte". Der Eingang des Absatzes lautet im Entwurf bis hierher: „Hiernach untersagt sich selbstverständlich die unmittelbare Anknüpfung des künftigen Gesetzbuchs ganz oder in einem Haupttheile desselben an . ..". Die Worte „unmittelbar zu Grunde zu legen" sind im Entwurf nicht enthalten. Im Entwurf steht vor „ungleichmäßig" noch „sehr". 171

Materialien zur Entstehung des BGB

das bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, der im Sachenrecht und Obligationenrecht vollendete Entwurf eines bürgerlichen Gestzbuchs für das Königreich Bayern, endlich der auf Anlaß der ehemaligen deutschen Bundesversammlung abgefaßte Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse. Indeß steht doch den beiden ersten vornehmlich entgegen, daß sie die beschränktere Aufgabe der Kodifikation für einen Einzelstaat von mäßigem Umfange zu lösen hatten, dem sächsischen Gesetzbuche überdies, daß es15 mit der Ausgleichung verschiedener Rechtssysteme sich nicht zu befassen hatte, indem es in seinem Bereiche ein im Wesentlichen einheitliches Recht bereits vorfand. Auf einer breiteren Basis beruhen die beiden letzten Entwürfe, welche in sorgfältiger Berücksichtigung des Gesammtbestandes der deutschen Civilrechtssysteme abgefaßt sind. Immerhin aber entsprechen auch sie nur theilweise den an das deutsche Gesetzbuch16 zu stellenden Anforderungen, enthalten nur Bearbeitungen von Haupttheilen, und der Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse insbesondere zeigt sich in der freien und vollen Ausgestaltung der Rechtssätze mehrfach17 beschränkt, theils durch seine Anlehnung an das deutsche Handelsgesetzbuch, theils durch die gerechtfertigte Scheu, in andere Rechtstheile überhaupt und in die bestehenden verschiedenen Civilrechtssysteme allzutief einzugreifen. Sonach wird zwar die Gesetzgebungs-Kommission die innerhalb des Reichs bestehenden Gesetzbücher und Einzelgesetze, desgleichen die Entwürfe, insoweit solche als Zeugnisse der Praxis in Betracht kommen, neben der Theorie und Uebung des gemeinen Rechts als Bausteine des deutschen Gesetzbuchs verwerthen; sie wird sogar geeignetenfalls die Herstellung einzelner Theile ihres Werks an die eine oder andere dieser Vorarbeiten unmittelbar anknüpfen können18; sie wird endlich19 von dem reichen Schatz gesetzgeberischer Erfahrung, welcher in jenen20 Gesetzbüchern, Gesetzen und Entwürfen, in verwandten legislativen Arbeiten Oesterreichs, der Schweiz und anderer auswärtiger Staaten aufgehäuft ist, Nutzen ziehen; sie hat jedoch ihre Aufgabe als eine21 selbständige, an keine bestimmte Vorlage gebundene zu erfassen und durchzuführen. — Plan und Methode der Ausarbeitung sind bedingt durch den Umfang des Gesetzbuchs. In dieser Beziehung dürfte zunächst davon auszugehen sein, daß derjenige Theil des Privatrechts, welcher unter der Bezeichnung Handelsrecht eine abgesonderte Darstellung zu erfahren pflegt und auch reichsgesetzlich erhalten hat, neben dem bürgerlichen Gesetzbuch in seiner bisherigen Selbständigkeit verbleibt. Nicht nur entspricht dies dem Vorgange nahezu aller auswärtiger Gesetzgebungen, sondern es streiten dafür auch gewichtige innere Gründe. Denn es kommen einerseits gewisse, dem Handel durchaus eigenthümliche Institute und Rechtssätze in Betracht, welche mit einander in innerem und geschichtlichem Zusammenhange stehen, daher nicht einfach nach systematischen Anforderungen in das bürgerliche Gesetzbuch eingereiht werden können. Es pflegen andererseits im Handelsrecht gewisse Prinzipien des Verkehrsrechts zuerst in eigenthümlicher Ausbildung und Schärfe hervorzutreten, deren einfache Ueber15

Von hier ab bis „in sorgfältiger Berücksichtigung" heißt es statt dessen im Entwurf: „in zahlreichen Materien auf eigenthümlicher einheimischer Landesgesetzgebung und Praxis fußt. Freier verhalten sich in diesen Richtungen die beiden letzten Entwürfe, zumal sie. ..". Die Worte „an das deutsche Gesetzbuch" sind gegenüber dem Entwurf neu. 7 Im Entwurf heißt es „vielfach". 18 Dieser Satz ist bis „anknüpfen können" im Entwurf nicht enthalten. 19 Im Entwurf heißt es „ferner". Im Entwurf heißt es „diesen". Im Entwurf folgen hier noch die Worte „durchaus freie". 172

B. Die Vorkommission

tragung auf d,n gesammten Verkehr erheblichen Bedenken unterliegt; es ist dem Handelsrecht ein größeres Maß der Beweglichkeit und der Uebereinstimmung mit dem Recht auswärtiger Nationen nothwendig, als dem sonstigen Privatrecht. Endlich würde auch die Kontinuität der an das deutsche Handelsgesetzbuch22 sich anlehnenden Rechtsübung und Wissenschaft erhebliche Störungen erleiden, wollte man deren Inhalt in seine einzelnen Bestandtheile auflösend, dem bürgerlichen Gesetzbuch einverleiben. Dagegen werden aus dem Handelsgesetzbuche diejenigen Sätze auszuscheiden haben, welche der allgemeinen Anwendung auf den gesammten Verkehr fähig und daher zur Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch geeignet erscheinen; es wird ferner erst nach Feststellung des bürgerlichen Gesetzbuchs sich bestimmen lassen, welche eigentliche Ausnahmen von dessen Rechtssätzen, z. B. hinsichtlich der Zinsen, der Konventionalstrafe, der Form der Rechtsgeschäfte, des Interesse und dergleichen für den Handelsverkehr beizubehalten oder aufzustellen sind. Im Zusammenhange hiermit wird die seit geraumer Zeit in Aussicht genommene Revision des geltenden23 Handelsgesetzbuchs2 durchzuführen sein. Inwieweit dabei zugleich die in das Handelsrecht einschlagenden Reichsspezialgesetze in geeigneter Umarbeitung dem neuen deutschen Handelsgesetzbuch einzuverleiben seien, bleibt künftiger Erwägung vorbehalten25. Als solche Spezialgesetze dürften außer der allgemeinen deutschen Wechselordnung26 in Betracht kommen: das Gesetz über Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften, die Seemannsordnung nebst den27 seerechtlichen Einzelgesetzen und28 das Reichs-Eisenbahnrecht. Ob das Urheberrecht und das etwaige Reichsrecht, betreffend Patente, Marken-, Muster-, Modell-Schutz, Banken und Banknoten in den Bereich des bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Handelsgesetzbuchs kodifizirend hineinzuziehen, oder ob es insoweit bei der Reichs-Spezialgesetzgebung zu belassen sei, wird zunächst von der Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch zu ermessen sein29. Für Post- und Telegraphenrecht, sowie für die Gewerbeordnung30 hat es bei der Reichs-Spezialgesetzgebung zu verbleiben. Das Recht der Inhaberpapiere31 ist im Zusammenhange des bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen, vorbehaltlich der etwaigen späteren Zuweisung an das Handelsgesetzbuch. Der neuen gemeinschaftlichen Regelung bedürfen das Verlagsrecht, das Binnenschiffahnsrecht und das gesammte Versicherungsrecht mit Ausschluß des bereits kodifizirten Seeassekuranzrechts. Ein gemeinschaftliches Gesetz über das Verlagsrecht ist dringendes Bedürfniß und war bereits im Anschluß an das Reichsgesetz vom 11. Juni 1870, das Urheberrecht betreffend, in Aussicht genommen; das Binnenschiffahrtsrecht und das Versicherungsrecht sollten schon von der Nürnberger HandelsgesetzgebungsKonferenz berathen werden und ihre nothwendige Regelung ist bisher theils an techniIm Entwurf folgt hier noch: „und die deutsche Wechselordnung". Das Wort „geltenden" ist im Entwurf nicht enthalten. Hier folgt im Entwurf noch: „wie der Wechselordnung, unter Einfügung der einschlägigen Reichsgesetze und einiger neu zu kodifizirender Institute". Dieser Satz von „Inwieweit" ab ist im Entwurf nicht enthalten. Der Satzanfang lautet im Entwurf: „Unter den Reichsgesetzen dürften hier. .." 27 Im Entwurf sind hier noch die Worte enthalten: „zur Kodifikation geeigneten". Im Entwurf sind hier noch die Worte enthalten: „in gleichem Maße". 29 Statt „wird zunächst . . . zu ermessen sein" heißt es im Entwurf: „bleibt künftiger Erwägung vorbehalten". Statt des folgenden heißt es im Entwurf: „bewendet es jedenfalls bei der Reichsspezialgesetzgebung". Hier folgt im Entwurf noch: „und der sonstigen an die Schriftform gebundenen einseitigen Verkehrsgeschäfte". 173

Materialien zur Entstehung des BGB sehen, theils an äußeren Schwierigkeiten gescheitert. Alle diese Gegenstände gehören in den Bereich des Handelsgesetzbuchs, nach dessen allgemeinen Prinzipien die einschlägigen Rechtsgeschäfte schon gegenwärtig zum überwiegenden Theile zu beurtheilen sind, und es erscheint gerathen, ihre Kodifikation gleichzeitig mit den Arbeiten über das bürgerliche Gesetzbuch in Angriff zu nehmen. — Von den übrigen Theilen des Privatrechts eignet das Bergrecht aus ähnlichen Gründen wie das Handelsrecht, obwohl dessen einheitliche Regelung für das gesammte Reich zweckmäßig erscheint, sich zur Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch nicht. Es dürften ferner auszuschließen sein die im Absterben begriffenen Institute überwiegend germanischen Ursprungs, welche als trümmerhafte Reste mittelalterlichen Wirthschafts- und Verwaltungs-Systems in die Gegenwart hineinragen; sie können dem Landesrecht, unter welchem sie bestehen, überlassen bleiben und die Aufgabe des bürgerlichen Gesetzbuchs wird insoweit eine lediglich negative sein, nämlich in gesetzlicher Begrenzung ihrer weiteren Zulassung bestehen. Dahin gehören das Lehnrecht, das Recht der ablösbaren Reallasten, wohl auch das Erbzins- und Erbpachtrecht, die Emphytheusis, das Näherrecht, das Recht der Stammgüter und der bestehenden Familien-Fideikommisse. Anlangend das Recht künftig zu errichtender32 FamilienFideikommisse, mag es statthaft sein, der Landesgesetzgebung Raum zu lassen. Auch eine gemeinsame Kodifizirung des bäuerlichen Güterrechts, soweit solches die Geschlossenheit der Höfe, deren Erhaltung durch eigenthümliche Erb- und Theilungs-Normen, das Altentheil und dergl. angeht, dürfte sich für das bürgerliche Gesetzbuch nicht empfehlen, wenn auch vielleicht die hierbei allein betheiligten norddeutschen Einzelstaaten sich über gemeinschaftliche Regelung einigen. Es endlich eine beträchtliche Anzahl von Instituten, welche im Einzelnen nur nach dem Bedürfniß und den geschichtlich gegebenen Verhältnissen größerer oder kleinerer Distrikte geregelt werden können und deren theilweise polizeilicher Inhalt ein weiteres Hinderniß der Kodifizirung bildet. So z. B. das Forstrecht, das Wasserrecht im weitesten Umfange (auch Mühl-, Flötz-, Flößerei-Recht), das Fischereirecht, das Jagdrecht, das Deich- und Siel-Recht, das Bau- und Nachbar-Recht, das Recht der Zusammenlegung von Grundstücken, das Enteignungsrecht, das Gesinderecht. Es wird jedoch sorgfältig zu erwägen sein, ob nicht die privatrechtlichen Grundprinzipien dieser Institute sich zur gemeinschaftlichen Regelung im Gesetzbuch eignen, und da die obersten Sätze des Sachenrechts, zum Theil auch des Obligationenrechts, sich richtig nur bei voller Kenntniß dieser Institute feststellen lassen, so werden die Redaktoren Bedacht nehmen müssen, durch geeignete Kräfte gedrängte Uebersichten der für diese Verhältnisse in den verschiedenen Theilen Deutschlands bestehenden Rechtssätze ausarbeiten zu lassen. Bestimmter Vorschläge in diesen Richtungen glauben indessen die Unterzeichneten sich enthalten zu sollen, um der freien Entscheidung der Gesetzgebungs-Kommission nach sorgfältiger Prüfung aller maßgebenden Gesichtspunkte nicht vorzugreifen. Andere Gegenstände als die vorgenannten dürfen dagegen nach Ueberzeugung der Unterzeichneten nicht prinzipiell33 ausgeschlossen werden. Das künftige deutsche Gesetzbuch soll im Wesentlichen vollständig sein und als einheitliches Ganzes in das Leben treten34. Der Gedanke einer stückweisen Regelung des Privatrechts, ja auch nur die einstwei-

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Die Worte „künftig zu errichtender" sind im Entwurf gesperrt gedruckt. Das Wort „prinzipiell" ist gegenüber dem Entwurf neu. Die Worte „und als einheitliches Ganzes in das Leben treten" sind im Entwurf nicht enthalten. — Hiernach ist im Entwurf kein Absatz gemacht worden.

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B. Die Vorkommission

lige Ausscheidung wichtiger Haupttheile hat für sich lediglich den Vonheil beschleunigter Kodifizirung der zuerst in Angriff genommenen Theile, dagegen wider sich weit überwiegende und durchaus entscheidende Gegengründe. Die deutsche Nation begehrt ein Gesetzbuch des bürgerlichen Rechts, nicht einige kodifizirte Rechtszweige. Die im Einzelnen anscheinend leichtere Arbeit wird in Wahrheit vervielfältigt und über einen weit längeren Zeitraum vertheilt. Dazu tritt die Gefahr, daß Ermüdung oder ein unvorhergesehenes politisches Hinderniß den Fortgang hemmen. Endlich läßt sich kaum irgendwo eine sichere Grenzlinie ziehen; jede neue Einzelarbeit führt die Nothwendigkeit mit sich, das bereits Festgestellte in zahlreichen Punkten abändern zu müssen, und die erheblichsten Schwankungen in den Grenzgebieten der einzelnen Rechtszweige sind unvermeidlich. Doktrin und Praxis aber der großen örtlichen Rechtsgebiete sind außer Stande, einzelne kodifizirte Rechtszweige ihren Rechtssystemen einzureihen, das Gefühl der Rechtsunsicherheit wird permanent und an Stelle einheitlicher systematischer Beherrschung des Rechtsstoffes tritt die Gewöhnung an vereinzelte zusammenhangslose Gesetze. Am empfindlichsten würden dergleichen Nachtheile diejenigen Gegenden treffen, welche seit geraumer Zeit sich der Wohlthat eines einheitlichen Gesetzbuchs erfreuen, und sie wären für die Gebiete des französischen Rechts, insbesondere für das Reichsland Elsaß-Lothringen, sogar politisch gefährlich. Schon im gegenwärtigen Zeitpunkte ist die Ausgleichung der Sinnesweise und der wirtschaftlichen Zustände innerhalb des Deutschen Reichs, soweit solche überall für eine gemeinsame Gesetzgebung erforderlich ist, genugsam vorgeschritten, um innerhalb des bezeichneten Rahmens sogar in den mehr geschichtlich gebundenen Rechtszweigen die Assimilirung durchführen zu können. So hat das bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen das gesammte Familienrecht einschließlich des Eheschließungs- und Ehescheidungsrechts, das Vormundschaftsrecht, das Erbrecht, das eheliche Güterrecht, das Immobiliarsachenrecht, das Recht der juristischen Personen, vornehmlich der Korporationen und der Genossenschaften35. Freilich wird es hier der Schonung, z. B. hinsichtlich der bestehenden Grundbuchseinrichtungen, bedürfen, es werden Vorbehalte für das Landesrecht unerläßlich sein. Es wird das eheliche Güterrecht insbesondere sich nicht einheitlich, sondern nur in seinen zwei oder drei Grundsystemen, etwa als modifizirtes Dotalsystem, als System der allgemeinen Gütergemeinschaft und als System der Errungenschaftsgemeinschaft gesetzlich gestalten lassen, derartig, daß in den verschiedenen Theilen Deutschlands je das eine dieser Systeme nach Bestimmung der Landesgesetze zur gesetzlichen Geltung gelangt. Immerhin aber wird auch hier der Vortheil erreicht, daß zahllose durchaus zufällige oder willkürliche Verschiedenheiten, welche lediglich durch die Macht der Trägheit sich erhalten, häufig in unverstandener Formulirung den Betheiligten aufgenöthigt werden, verschwinden, während der freien Vereinbarung keine anderen als die nothwendigen allgemeinrechtlichen Schranken gezogen sind. Dabei mag es auch statthaft erscheinen, daß ein Einzelstaat oder der Theil eines solchen sein bisheriges eigenthümliches eheliches Güterrecht unverändert als Landesrecht beibehalte, sofern er nur durch dessen Kodifizirung für ausreichende Rechtssicherheit sorgt36.

Die Worte: „das Recht der juristischen Personen, vornehmlich der Korporationen und der Genossenschaften" sind gegenüber dem Entwurf neu. Im Entwurf folgt hier noch: „Bei der hier weit auseinandergehenden Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse und dem Ineinandergreifen römischer und germanischer Rechtsgrundsätze wird ohne Hinzuziehung mehrerer Subredaktoren sich die Aufgabe prinzipieller Behandlung und Durchführung schwerlich lösen lassen". 175

Materialien zur Entstehung des BGB

Inwieweit das einschlägige Reichsrecht unverändert oder mit den erforderlichen Modifikationen in das System des bürgerlichen Gesetzbuchs einzureihen sei, muß der Prüfung im Einzelnen überlassen bleiben37. Das System hat im Wesentlichen dem Vorgang der neueren Doktrin des gemeinen Rechts, der neueren Civilgesetzbücher und Entwürfe zu folgen. Dem freien Ermessen der Kommission sind jedoch in dieser Beziehung keine Schranken zu ziehen. Eine kasuistische Entwickelung und die Aufnahme lediglich reglementärer, zur richterlichen Instruktion dienender Vorschriften erscheint unangemessen, nur werden, wie dies bereits im Code Napoleon, dem sächsischen Gesetzbuch und den neuesten Entwürfen geschehen ist, neben den leitenden Prinzipien auch die wichtigsten Folgesätze und die Ausnahmen zu regeln sein. — Soll ein den vorstehenden Anforderungen entsprechendes Gesetzbuch überhaupt und innerhalb eines nicht allzu langen Zeitraumes vollendet werden, so erscheint eine richtige Verbindung von selbständiger Einzelarbeit und zusammenfassender Gemeinarbeit unerläßlich. Es ist weder thunlich, die definitive, ja auch nur die erste Ausarbeitung des Gesammtentwurfes in die Hand eines einzigen Rechtsgelehrten mit bloßen Hülfsarbeitern zu legen, noch empfiehlt sich die Vertheilung der Arbeit an mehrere einzelne, unabhängig von einander vorgehende Redaktoren. Bietet der erste Weg den allerdings sehr erheblichen Vortheil einheitlicher Denkund Sprachweise, so würde es doch, sogar unter der kaum zutreffenden Voraussetzung, daß ein einziger Rechtsgelehrter den gesammten Rechtsstoff in allen Theilen gleichmäßig beherrsche, mehr als gewagt erscheinen, auf Fähigkeit, Leben und Arbeitskraft dieses Einzelnen die große nationale Aufgabe zu stellen; es ließe die Zeit der Durchführung sich nicht übersehen und es müßte unter allen Umständen der vollendete Entwurf einer kommissionellen Prüfung durch Vertreter der verschiedenen großen Rechtsgebiete unterzogen werden. Der Vertheilung der Arbeit an mehrere einzelne Redaktoren aber steht entgegen, daß es hier an jeder Gewähr einheitlicher Auffassung und Formgebung mangelt, daß die Aufstellung gewisser unentbehrlicher leitender Gesichtspunkte, wie die Ausgleichung kaum vermeidlicher Differenzen von außen her zu erfolgen hätte, endlich, daß auch hier ein Abschluß ohne vorgängige Kommissionsberathung unthunlich wäre. Hiernach dürfte sich eine Regelung der An empfehlen, daß die Einleitung der Gesammtarbeit nach einheitlichem Plane und gewissen leitenden Gesichtspunkten durch eine aus hervorragenden praktischen und theoretischen Juristen38 zweckmäßig zusammengesetzte Kommission erfolgt, daß dieser die Möglichkeit der Kontrole und der Ausgleichung von Differenzen im Fortgange der Arbeit gewahrt bleibt, und daß ihr der vorläufige wie der endliche Abschluß obliegt, im Uebrigen aber der selbständigen Thätigkeit39 Einzelner in der Bearbeitung der Theilentwürfe40 thunlichst freier Spielraum gewährt wird. Diese Einzelarbeit hat in allen Haupttheilen möglichst41 gleichzei37

Im Entwurf lautet der Absatz: „Das einschlägige Reichsrecht ist selbstverständlich unverändert oder mit den erforderlichen Modifikationen in das System des bürgerlichen Gesetzbuchs einzureihen, soweit es sich nicht empfiehlt, die Reichs-Spezialgesetze in ihrer Integrität beizubehalten und nur etwa die leitenden privatrechtlichen Grundsätze in das bürgerliche Gesetzbuch herüberzunehmen ". Statt „hervorragenden praktischen und theoretischen Juristen" heißt es im Entwurf „selbständigen Kennern der Rechtstheorie und der Rechtsübung". 39 Im Entwurf steht statt dessen „Arbeit". 40 Die Worte „in der Bearbeitung der Theilentwürfe" sind gegenüber dem Entwurf neu. 41 Statt „in allen Haupttheilen möglichst" heißt es im Entwurf „an möglichst vielen Punkten". 176

B. Die Vorkommission

tig zu beginnen und es haben die Theilentwürfe42 sich43 allmählich zum Ganzen zusammenzuschließen. Entscheidend aber dürfte sein, daß vom Beginne bis zum Abschluß des vollendeten Gesammtentwurfes Leitung, Ueberwachung und wesentliche Durchführung der Arbeit in denselben Händen verbleiben. Zieht dann die Kommission auf Vorschlag der Redaktoren der Haupttheile von vornherein die geeigneten Kräfte44, eine jede in ihrem Bereiche, zur Mitwirkung heran, sei es durch Einholung vpn Gutachten, sei es durch Uebertragung45 von Spezialentwürfen oder sonstigen Vorarbeiten, erlangen so die Redaktoren46 alsbald volle Uebersicht über den Umfang des verwendbaren Rechtsstoffes, wie über die verschiedenen Möglichkeiten der Auffassung und Durchführung; erfolgt dergestalt die erste Inangriffnahme in sorgfältigster Weise und nach den umfassendsten Gesichtspunkten, so wird die Förderung des Werkes auf geringere47 Schwierigkeiten stoßen und die Gefahr vermieden werden, daß erst im Laufe der Arbeit oder gar nach deren Abschluß erhebliche neue Gesichtspunkte hervortreten, störende Abänderungen oder Ergänzungen nothwendig erscheinen. Die in der Anlage zusammengestellten Vorschläge versuchen diese Erwägungen im Einzelnen durchzuführen. Es wird daher einer näheren Begründung derselben nur noch in wenigen Punkten bedürfen. Eine Zahl von 9 Kommissionsmitgliedern ist nicht so groß, um durch schwankende Mehrheiten die Einheitlichkeit der Beschlüsse zu gefährden, dagegen ausreichend, um eine genügende Anzahl von gründlichen Kennern der hauptsächlichsten örtlichen Rechtsgebiete einestheils, von solchen hervorragenden Juristen, welche zur Redigirung der Haupttheile besonders geeignet erscheinen, anderntheils zu umfassen. Neben diesen redigirenden Mitgliedern steht so eine etwa gleiche Zahl mehr kontrolirender Mitglieder, deren vorwiegende Aufgabe die unbefangene Prüfung aller Theilentwürfe, die Wahrung einheitlicher Gesichtspunkte und die zur richtigen Würdigung unentbehrliche volle Berücksichtigung der vernehmlichsten örtlichen Rechtsverschiedenheiten sein wird. Die vorgeschlagene Zahl dürfte auch für den Fall genügen, daß der Hohe Bundesrath glauben sollte, bei der Zusammensetzung der Kommission auch politische Rücksichten in Rechnung ziehen zu müssen48. Zu den einleitenden und grundlegenden Arbeiten der Kommission gehört insbesondere die vorläufige Verständigung über gewisse theils technische, theils prinzipielle Fragen von allgemeiner Bedeutung. So über Umfang, System, Form, Sprachweise des Gesetzbuchs; darüber ob das Immobiliarsachenrecht nach römischen Grundsätzen oder nach denen des modernen Grundbuchssystems zu regeln, ob das römische oder das

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Im Entwurf heißt es „kleinere Entwürfe". Vor „allmählich'* sind im Entwurf noch die Worte enthalten „in immer erweiternden Gruppen". Der Satzanfang lautet im Entwurf: „Ziehen dann die der Kommission als Mitglieder angehörenden Referenten alle irgend geeigneten Kräfte . . .". Statt „Uebertragung" heißt es im Entwurf „Kommittirung". Statt der Worte „oder sonstigen Vorarbeiten, erlangen so die Redaktoren" ist im Entwurf nur enthalten: „erlangen sie so". Im Entwurf „geringe". Dieser Absatz lautet im Entwurf: „Die vorgeschlagene Zahl von 9 Kommissionsmitgliedern findet darin ihre Rechtfertigung, daß einerseits die Redaktoren der Haupttheile als ständige Mitglieder der Kommission angehören müssen, andererseits eine etwa gleiche Zahl mehr kontrolirender Mitglieder sich empfiehlt, deren Aufgabe die Wahrung einheidicher Gesichtspunkte, gleichzeitig aber die für die Kritik unentbehrliche volle Berücksichtigung der in den Hauptgebieten des Deutschen Reichs bestehenden Rechtsverschiedenheiten sein werden. Ob daneben bei der Zusammensetzung der Kommission auch politische Rücksichten zu entscheiden haben, glaubten die Unterzeichneten dem Hohen Bundesrath anheim geben zu müssen". 177

Materialien zur Entstehung des BGB germanische Vindikationssystem für Fahrhabe zu befolgen, ob die Gültigkeit formloser Verträge nur durch besondere gesetzliche Ausnahmen zu begrenzen sei und dergleichen mehr. Nur wäre es bedenklich, diese ersten Festsetzungen als schlechthin bindend zu behandeln, da sehr wohl erst bei Prüfung der Einzelheiten, bei dem Versuche der Durchführung sich Aenderungen als zweckmäßig herausstellen und neue Grundfragen auftauchen können. Je enger in dieser Hinsicht der Kreis der vorläufigen Feststellungen gezogen wird, um so geringer ist die Gefahr übereilter, weil allzu abstrakter Beschlüsse und von Debatten ohne sicher entscheidendes Ergebniß. Dagegen müssen die Redaktoren verbunden sein, bevor sie ihre Entwürfe im Einzelnen durchführen, über etwa zweifelhafte beherrschende Grundprinzipien die Entscheidung der Kommission einzuholen, z. B. ob für das Vormundschaftsrecht das Institut des Familienraths anzunehmen, welches Hauptsystem oder welche Hauptsysteme des ehelichen Güterrechts zu regeln seien und dergleichen mehr. Wie hierdurch möglicher Weise vergebliche Arbeit erspart wird, so verringert sich andererseits die Gefahr, daß die vollendete Durchführung eines unrichtigen oder nur halb richtigen Prinzips zweckmäßigen Abänderungen hinderlich werde. Daß die sämmtlichen Kommissionsmitglieder oder auch nur die redigirenden beständig49 am Sitze der Kommission beisammen bleiben, dürfte nicht erforderlich sein; nur muß für ein ständiges Sekretariat gesorgt und gehörige Vorkehrung getroffen sein, daß die Einberufung der Kommission jeder Zeit nach Bedürfniß erfolgen könne. So namentlich, falls bei Differenzen unter den Redaktoren über wichtige Fragen eine Vorentscheidung der Kommission zweckmäßig erscheint. Im Uebrigen ist es den Redaktoren zu überlassen, in welcher Weise sie geeignetenfalls unter sich die wünschenswerthe Verständigung herstellen wollen. Soweit es für die Herstellung von Spezialentwürfen oder sonstigen Vorarbeiten der Zuziehung von Spezialkommissaren5 oder Gutachtern außerhalb des Kreises der Kommissionsmitglieder bedarf, würde an sich der Kommission obliegen, die Genehmigung des Bundesraths einzuholen und dessen Vermittlung nachzusuchen51. Da es sich indeß um häufige Vorkommnisse von an sich geringer Wichtigkeit handeln dürfte, auch der Bundesrath nicht dauernd versammelt ist, so empfiehlt es sich, die für diesen Zweck erforderliche Genehmigung und Vermittelung in die Hände des Reichskanzlers zu legen. Die Vertheilung52 des Stoffes unter etwa fünf Redaktoren empfiehlt sich sowohl durch die Notwendigkeit der Arbeitstheilung, wie durch die dergestalt begründete Möglichkeit, jedes Hauptgebiet einem für dieses vorzugsweise befähigten Juristen zuzuweisen. Ueber die Art der Vertheilung hat die Kommission frei zu befinden. Bei ihren insoweit nur vorläufigen Vorschlägen wurden die Unterzeichneten von der Erwägung geleitet, daß für das zwar sehr umfangreiche und im Einzelnen schwierige, aber mehrfach in neueren Gesetzbüchern und Entwürfen gründlich vorbereitete Obligationenrecht, bei entsprechender Mitwirkung von Spezialkommissaren und Gutachtern, Ein Redaktor ausreichen dürfte; daß das Immobiliarsachenrecht eines besonderen, mit diesem Rechtsgebiet genau vertrauten Redaktors bedarf, welchem jedoch auch das weniger wichtige Mobiliarpfandrecht zugetheilt werden mag, sofern nur der Gesammtentwurf des Sachenrechts gemeinschaftlich von seinen beiden Redaktoren Im Entwurf heißt es „dauernd". Im Entwurf heißt es „Spezialredaktoren". 51 Im Entwurf heißt es statt dessen „zu erbitten, namentlich auch hinsichtlich der zu gewährenden Honorare". 52 Der gesamte Absatz ist im Entwurf nicht enthalten. 50

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B. Die Vorkommission festgestellt wird; daß Vormundschaf tsrecht und der größte Theil des Familienrechts zweckmäßig in Einer Hand liegen; endlich daß auch für das eheliche Güterrecht und das Erbrecht sich ein gemeinsamer Redaktor, jedoch unter Zuordnung mehrerer Spezialkommissare, empfiehlt, indem diese Rechtszweige theils vielfach in einander greifen, theils auf einer ganz eigenthümlichen Verbindung römischer und germanischer Grundsätze beruhen, theils endlich in vorzüglichem Maße gründliche Kenntniß und genaue Berücksichtigung der weitgreifenden örtlichen Rechtsverschiedenheiten erheischen. Ein allgemeiner T h e i l , wenngleich von nur mäßigem Umfang, ist nicht zu entbehren. Die Schwierigkeit seiner Abfassung liegt darin, daß einerseits zahlreiche Lehren der Sondertheile sich nur auf Grund feststehender allgemeiner Rechtsprinzipien regeln lassen, andererseits die genaue Begrenzung der letzteren nur mittelst einer Prüfung an dem Inhalt der Sondertheile gewonnen werden kann. Unter diesen Umständen erscheint es gerathen, nicht von dem Allgemeinen zum Besonderen herabzusteigen, vielmehr ausgehend von dem Besonderen das Allgemeine aus diesem allmälig auszuscheiden. Werden derart die wichtigsten allgemeinen Lehren mit Rücksicht auf deren Gestaltung und Konsequenzen in jedem Sondertheil geprüft, so ergiebt sich schließlich, welche Rechtssätze zur Aufnahme in den allgemeinen Theil geeignet erscheinen und welche Rechtssätze jedem Sondertheil zu verbleiben haben. Unter Benutzung eines so gewonnenen Kernes vermag der von der Kommission zu bestellende Hauptreferent, unter geeigneter Mitwirkung der Redaktoren, unschwer einen vorläufigen Entwurf des allgemeinen Theils auszuarbeiten und der Kommission vorzulegen. Aehnlich54 verhält es sich mit dem Entwurf eines Einführungsgesetzes, welches das Verhältniß zwischen dem Gesetzbuch und den in Kraft verbleibenden Landesrechten im Einzelnen, und soweit das Gesetzbuch selbst hierüber keine Bestimmungen enthält, zu regeln, zugleich die erforderlichen Vorschriften über die Anwendung des Gesetzbuchs auf bereits bestehende Rechtsverhältnisse zu enthalten hat. Sind55 sämmtliche Haupttheile des Entwurfs von der Kommission berathen, so empfiehlt sich für die nunmehrige Aufgabe der Zusammenfügung, der Ausgleichung, der gleichmäßigen korrekten Formgebung, nicht minder für die Vorbereitung der zweiten Lesung und für die endgültige Redigirung eine einheitliche, wenngleich der Kontrole und Genehmigung der Kommission unterliegende, Leitung. Diesen Zwecken dient der von der Kommission zu bestellende Hauptreferent, dessen schon oben bei der Erwähnung des allgemeinen Theils und des Einführungsgesetzes gedacht ist. Eine Veröffentlichung56 des Gesammtentwurfs oder auch nur einzelner Theilentwürfe empfiehlt sich vor Beendigung der ersten Lesung nicht, da erst in diesem Zeitpunkte eine richtige Beurtheilung der Kommissionsarbeiten möglich erscheint. Dagegen erscheint es nothwendig, alsbald nach Herstellung eines vollständigen ersten Entwurfs denselben der öffentlichen Kritik zu unterstellen, und, indem sogleich nach beendigter erster Lesung eines oder mehrere Mitglieder der Kommission, womöglich der Hauptreferent unter geeigneter Zuziehung der Redaktoren, mit der kritischen Zusammenstellung und Würdigung aller erheblichen Bedenken und Abänderungsvorschläge betraut werden, ist für die zweckmäßige Vorbereitung der zweiten Lesung ausreichende Gewähr gegeben. Während der Bearbeitung des bürgerlichen Gesetzbuchs kann die erforderliche Revision und Vervollständigung des Handelsgesetzbuchs derartig vorbereitet werden,

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Dieser Absatz ist im Entwurf nicht enthalten. Dieser Absatz ist im Entwurf nicht enthalten. Dieser Absatz ist im Entwurf nicht enthalten. Dieser Absatz ist im Entwurf nicht enthalten. 179

Materialien zur Entstehung des BGB

daß deren Abschluß nahezu gleichzeitig mit der Vorlage des Civilgesetz-Entwurfs an den Bundesrath erfolgt, zum mindesten das revidirte Handelsgesetzbuch innerhalb des voraussetzlich längeren Vakationstermins für die Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs vollendet wird und gleichzeitig mit diesem in Kraft tritt. Wenngleich nun die Unterzeichneten sich nicht für berufen erachten, ins Einzelne gehende Vorschläge über die Revision und Vervollständigung des Handelsgesetzbuchs zu machen, so glauben sie doch den Weg bezeichnen zu sollen, auf welchem auch diese Aufgabe am zweckmäßigsten und möglichst gleichzeitig mit der Vollendung des bürgerlichen Gesetzbuchs zu lösen sein dürfte. Dieser Weg weicht in einigen57 Beziehungen von dem für die Ausarbeitung des bürgerlichen Gesetzbuchs empfohlenen Gange ab. Denn anders als bei dem letzteren, steht für das Handelsgesetzbuch nicht eine Neuschöpfung, vielmehr nur eine Revision und Ergänzung des bereits bestehenden Reichsrechts in Frage. Es bedarf hier ferner nothwendig der Mitwirkung von Sachverständigen, und zwar wird nicht nur58 eine eigenthümliche Qualifikation sowohl der zu betheiligenden Juristen59 wie der aus anderen Berufskreisen heranzuziehenden Kräfte erfordert60, sondern61 es ist zugleich diese Qualifikation eine verschiedene, einmal für jeden einzelnen der drei62 neu zu bearbeitenden Rechtszweige, sodann für den nur zu revidirenden Grundstock des Handelsgesetzbuchs63 mit Einschluß der etwa in dasselbe aus dem anderweitigen Reichsrecht

Im Entwurf heißt es „mannigfachen". Die Worte „nicht nur" sind erst im Gutachten enthalten. Im Entwurf heißt es „der betheiligten Juristen". 60 Im Entwurf heißt es: „hinzuzuziehenden Kräfte erforderlich". 61 Im Entwurf beginnt hier ein neuer Satz, dessen Eingang lautet: „Zugleich aber ist diese Qualifikation ..." Die Worte „der drei" sind erst im endgültigen Text enthalten. Von den Worten „mit Einschluß" ab ist das folgende von der Kommission neu gefaßt worden. Statt dessen heißt es im Gutachtenentwurf: „Für letzteren empfiehlt sich die Beiziehung hervorragender Kaufleute, hingegen für das Verlagsrecht die Zuziehung von Verlegern, Schriftstellern und Komponisten; für das Versicherungsrecht die Mitwirkung von Vertretern der Privatversicherungsgesellschaften der verschiedenen Versicherungszweige und der Landes-, Provinzial-, Kreis-Versicherungsanstalten, für das Binnenschifffahrtsrecht die Betheiligung von Schifffahrtsinteressenten. Es läßt sich somit die Aufgabe der Vervollständigung und Revision des Handelsgesetzbuchs nicht füglich durch eine einzige Kommission lösen; es ist nicht nothwendig, daß schon von vornherein eine solche Kommission bestehe, und nicht zweckmäßig, daß die bei Ausarbeitung der neuen Theile und bei der Revision des Handelsgesetzbuchs zugezogenen technischen Sachverständigen auch in den späteren Stadien der Arbeit mitwirken. Dagegen ist es wünschenswerth, daß diejenigen Vorarbeiten, welche zunächst ohne Rücksicht auf das bürgerliche Gesetzbuch geschehen können, nämlich die erste Ausarbeitung des Versicherungsrechts, des Verlagsrechts und des Binnenschifffahrtsrechts, alsbald in Angriff genommen werden, damit nicht unter ihrer Verzögerung der Abschluß des Ganzen leide. Liegt dann der erste Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs vor, so kann die bereits durch einen Hauptredaktor vorbereitete Revision des gegenwärtigen Handelsgesetzbuchs begonnen werden. Sind auch hierüber die Kommissionsberathungen beendigt, so handelt es sich im Wesentlichen nur noch um eigentlich juristische Aufgaben, für welche es der Mitwirkung technischer Sachverständiger nicht mehr bedarf. Dagegen wäre dringend zu empfehlen, mindestens die Redaktoren der neu hinzutretenden Theile und unumgänglich, einige Mitglieder der Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch zu der Handelsgesetz-Kommission von vornherein hinzuzuziehen. Denn es kann nur auf diese Weise die erforderliche Uebereinstimmung zwischen den neuen Theilen und dem Grundstock des Handelsgesetzbuchs einerseits, zwischen dem ganzen Fortsetzung der Fußnote auf Seite 181 58

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aufzunehmenden Abschnitte. Endlich erscheint hier weder die gleichzeitige Inangriffnahme sämmtlicher Theile zweckmäßig, noch empfiehlt sich, daß von vornherein eine Kommission zur Leitung der erforderlichen Arbeiten eingesetzt werde. Vielmehr64 ist wünschenswerth, daß diejenigen Vorarbeiten, welche zunächst ohne Rücksicht auf das bürgerliche Gesetzbuch geschehen können, nämlich die erste Ausarbeitung und sachverständige Begutachtung des Versicherungsrechts, des Verlagsrechts und des Binnenschifffahrtsrechts, alsbald bewirkt werden, damit nicht unter ihrer Verzögerung der Abschluß des Ganzen leide. Hierzu genügt, daß der Bundesrath für jeden dieser Rechtszweige, oder auch für mehrere oder alle zusammen einen Redaktor ernennt, daß dieser einen vorläufigen Entwurf des ihm überwiesenen Rechtszweiges ausarbeitet, und daß demnächst über jeden dieser Theilentwürfe vom Bundesrath berufene, mit diesen Rechtszweigen vorzugsweise vertraute technische und juristische Sachverständige zur gutachtlichen Berathung zusammentreten. So empfiehlt sich für die Berathung des Verlagsrechts die Betheiligung von Verlegern, Schriftstellern und Komponisten, die Berathung des Versicherungsrechts die Betheiligung von Vertretern der verschiedenen Versicherungszweige öffentlichen und Privatbetriebs; für die Berathung des Binnenschifffahrtsrechts die Betheiligung von Schifffahrtsinteressenten. Diese Betheiligung dürfte über eine begutachtende Berathung nicht hinauszugehen haben, da es nicht unbedenklich erscheint, Gesetzesarbeiten durch eine möglicherweise überwiegende Zahl von Nichtjuristen herstellen und den in mannigfachen Beziehungen obwaltenden Interessenkonflikt durch die Betheiligten selbst entscheiden zu lassen, da endlich die mehr juristischen Einzelheiten der Mitberathung technischer Sachverständiger nicht bedürfen. Sind65 diese Vorarbeiten einerseits, der erste Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs andererseits-vollendet, so kann die Kommission zur Aufstellung des Gesammtentwurfs eines neuen Handelsgesetzbuchs eingesetzt werden. Wenn angänglich, haben derselben die Redaktoren der neu bearbeiteten Rechtszweige und einige Mitglieder der Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch, am zweckmäßigsten deren Hauptreferent und der Redaktor des Obligationenrechts anzugehören. Denn es kann nur auf diese Weise die erforderliche Uebereinstimmung zwischen den neuen Theilen und dem Grundstock des Handelsgesetzbuchs einerseits, zwischen dem ganzen Handelsgesetzbuch und dem bürgerlichen Gesetzbuch andererseits erreicht werden. Und es ist eine derartige Kombination um so eher möglich, als die erste Revision und Zusammenfügung des Handelsgesetzbuchs in denjenigen längeren Zeitraum fällt, welcher zwischen der ersten und zweiten Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs liegt. Der66 von dieser Kommission alsbald nach ihrem Zusammentreten zu ernennende Hauptreferent hat einen vorläufigen revidirten Entwurf des bestehenden Handelsgesetzbuchs, einschließlich der etwa aus dem anderweitigen Reichsrecht demselben hinzuzufügenden Abschnitte, auszuarbeiten. Gleichzeitig kann die Kommission die von deren Redaktoren ihr vorgelegten Entwürfe der neu bearbeiteten Rechtszweige feststellen, demnächst aber unter Zuziehung einer entsprechenden Anzahl mitentscheidender

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Handelsgesetzbuch und dem bürgerlichen Gesetzbuch andererseits erreicht werden. Und es ist diese Zuziehung um so eher möglich, als die erste Revision und Zusammenfügung des Handelsgesetzbuchs in denjenigen Zeitraum fällt, welcher zwischen der ersten und der zweiten Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs liegt". Dieser gesamte Absatz ist gegenüber dem in Fn. 63 mitgeteilten ursprünglichen Abschluß des vorherigen Absatzes erweitert und neu gefaßt worden. Dieser Absatz ist gegenüber dem Gutachtenentwurf neu. Dieser Absatz ist gegenüber dem Gutachtenentwurf neu. 181

Materialien zur Entstehung des BGB

Mitglieder aus dem Handelsstande den vom Hauptreferenten inzwischen revidirten und geeignetenfalls ergänzten Grundstock des Handelsgesetzbuchs in Berathung ziehen. Ist auch dieser Theil der Berathung erledigt, so handelt es sich im Wesentlichen nur noch um eigentlich juristische Aufgaben, für welche es der Mitwirkung technischer Sachverständiger nicht bedarf, wie denn auch aus gleichem Grunde deren Zuziehung bei der zweiten Lesung des Gesammtentwurfs eines Handelsgesetzbuchs nicht erforderlich erscheint. Berlin, den 15. April 1874. (gez.) v. Schelling. Goldschmidt, v. Kübel, v. Neumayr. v. Weber. Anlage: Vorschläge67 L Zur Ausarbeitung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs in einer zur Vorlage an den Bundesrath und demnächstigen legislativen Behandlung geeigneten Gestalt wird von dem Bundesrath eine Kommission eingesetzt. II. Der Entwurf soll unter Berücksichtigung68 der geltenden Gesetzbücher und der von den Einzelstaaten sowie im Auftrage des ehemaligen Deutschen Bundes über einzelne Rechtstheile ausgearbeiteten Gesetzentwürfe, das den Gesammtzuständen des Deutschen Reichs entsprechende bürgerliche Recht in einer den Anforderungen der heutigen Wissenschaft gemäßen Form kodifizirend zusammenfassen. III. Das Handelsrecht soll nicht in den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs aufgenommen werden, sondern Gegenstand besonderer Kodifikation sein. IV. Die Kommission für die Entwerfung eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs wird aus hervorragenden praktischen und theoretischen Juristen zusammengesetzt, wobei zugleich auf Vertretung der innerhalb des Deutschen Reiches bestehenden größeren Rechtsgebiete Rücksicht genommen wird. Sie besteht aus 9 theils redigirenden, theils überwiegend kontrolirenden und kririsirenden Mitgliedern. V. Die Kommission hat ihren Sitz in . . ., woselbst die Kommissionsberathungen stattfinden und ein ständiges Sekretariat eingerichtet wird. VI. Die Kommission stellt ihre Geschäftsordnung fest. Sie darf in allen geeignet erscheinenden Fällen den redigirenden Mitgliedern (Redaktoren) Spezialkommissare beiordnen, Gutachten einholen und Vorarbeiten für einzelne Abschnitte des Entwurfs herstellen lassen. Soweit sie zu diesen Zwecken der Mitwirkung von Personen bedarf, welche nicht Mitglieder der Kommission sind, hat sie die Zustimmung und Vermittelung des Reichskanzlers nachzusuchen. — Sie ist befugt, über Gegenstände ihres Geschäftskreises von den Zentralbehörden der einzelnen Bundesstaaten Auskunft unmittelbar zu erholen. VII. Behufs Herstellung eines ersten vollständigen Entwurfs ist das nachstehende Verfahren einzuhalten: 1. Die Kommission bestimmt den Umfang und das System des Gesetzbuchs; sie entscheidet über die Benutzung bereits vorliegender Gesetzgebungsarbeiten als etwaiger Die Vorkommission hat das Ergebnis des Gutachtens in Vorschlägen zusammengefaßt, die ebenfalls in der Drucksache des Bundesrates Nr. 53 veröffentlicht wurden. Auch hierfür existiert eine Entwurfsfassung von Goldschmidt. Im folgenden werden Abweichungen gegenüber dem Entwurf nur mitgeteilt, soweit sie den Entwurf sachlich abändern. Im Entwurf steht: „unter freier Berücksichtigung". 182

B. Die Vorkommission Grundlagen für einzelne Theile des Entwurfs69 und verständigt sich über diejenigen Gesichtspunkte, welche für die Ausarbeitung aller oder mehrerer Haupttheile des Entwurfs maßgebend sind, vorbehaltlich einer späteren Aenderung oder Ergänzung der gefaßten Beschlüsse. 2. Demnächst hat die Bearbeitung der einzelnen Haupttheile des Entwurfs durch die hierzu bestellten Redaktoren möglichst gleichzeitig zu beginnen, unbeschadet der einstweiligen Zurückstellung einzelner Institute und der sukzessiven Bearbeitung der Unterabtheilungen70. 3. Die Redaktoren der Haupttheile werden aus den Mitgliedern der Kommission von dieser bestellt, und zwar etwa je ein Redaktor: a) für das Obligationenrecht; b) für das Vormundschafts- und Familienrecht, mit Ausschluß des ehelichen Güterrechts; c) für das eheliche Güterrecht und das Erbrecht; d) für das Immobiliarsachenrecht und das gesammte Pfandrecht; e) für die übrigen Institute des Sachenrechts einschließlich des Besitzes. Jeder Redaktor hat über Prinzipien, welche den von ihm zu bearbeitenden Haupttheil beherrschen, zur geeigneten Zeit die Vorentscheidung der Kommission einzuholen. — Diese Entscheidung ist auch dann einzuholen, wenn mehrere Redaktoren über Grenzpunkte ihrer Gebiete oder über gemeinschaftliche Lehren in wichtigen Beziehungen sich nicht zu verständigen vermögen. — Jeder Redaktor hat auf Grundlage der von ihm selbst und den etwa beigezogenen Spezialkommissaren ausgearbeiteten Theilentwürfe den Gesammtentwurf seines Haupttheils festzustellen und mit Motiven der Kommission einzureichen. 4. Nach Vollendung jedes einzelnen Haupttheils oder mehrerer Haupttheile erfolgt deren Berathung und vorläufige Feststellung durch die Kommission in einmaliger Lesung, wobei zugleich die Ausscheidung der dem allgemeinen Theil und der dem Einführungsgesetz vorzubehaltenden Bestimmungen in geeigneter Weise vorzubereiten ist. 5. Nach vorläufiger Feststellung sämmtlicher Haupttheile durch die Kommission entwirft ein von dieser ernannter Hauptreferent unter geeigneter Mitwirkung der Redaktoren den Allgemeinen Theil des Gesetzbuchs, sowie das Einführungsgesetz und knüpft hieran die Vorschläge wegen der durch die Ausscheidung des allgemeinen Theils etwa gebotenen Umgestaltung der einzelnen Haupttheile, desgleichen über deren Zusammenfügung untereinander und mit dem Allgemeinen Theile. 6. Ueber diese Entwürfe und Vorschläge tritt die Kommission in Berathung, stellt auf Grund derselben den Entwurf als Ganzes fest und unterzieht den letzteren schließlich in redaktioneller Beziehung auf den Vortrag des Hauptreferenten der Revision. VIII. Der so in erster Lesung festgestellte Entwurf wird nebst Motiven veröffentlicht und den Bundesregierungen mitgetheilt. IX. Die von Seiten der Bundesregierungen und anderweitig erhobenen Bedenken

Der Satzteil von „sie entscheidet" ab bis hierher ist von der Vorkommission eingefügt worden. Hier folgt im Entwurf noch: „und der sukzessiven Berathung jedes einzelnen vollendeten Haupttheils durch die Kommission". 183

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oder Abänderungsvorschläge, für welche ein angemessener Zeitraum freizulassen ist71, werden von einem oder mehreren sogleich nach Beendigung der ersten Lesung durch die Kommission ernannten Referenten zusammengestellt und geprüft. Demnächst findet auf Vortrag des oder der ernannten Referenten und unter Berücksichtigung der etwa aus der Mitte der Kommission selbst hervorgehenden Abänderungs- und Ergänzungs-Vorschläge die zweite Lesung des Gesammtentwurfs mit Einschluß des Einführungsgesetzes durch die Kommission statt, woran sich dessen formelle Schlußredaktion in gleicher Weise wie bei der ersten Lesung anschließt. — Der so festgestellte Entwurf nebst Motiven wird dem Bundesrath überreicht. X. Die Kodifikation des Handelsrechts ist durch Revision und Ergänzung des geltenden Handelsgesetzbuch in folgender Weise zu bewirken: 1. Der Entwurf eines neuen deutschen Handelsgesetzbuchs soll folgende neu hinzutretende Theile umfassen: die in dem geltenden Handelsgesetzbuche fehlenden Zweige des Versicherungsrechts; das Recht der Binnenschifffahrt; das Verlagsrecht. 2. Für jeden der neu hinzutretenden Theile wird alsbald ein vorläufiger Entwurf mit Motiven ausgearbeitet. Die Ausarbeitung erfolgt durch einen oder mehrere von dem Bundesrathe ernannte Spezialredaktoren72. — Jeder dieser Entwürfe wird der gutachtlichen Berathung technischer und juristischer Sachverständiger, welche vom Bundesrathe hierzu berufen werden, unterstellt. Auf Grund dieser Begutachtung erfolgt die Feststellung der drei Entwürfe durch die Spezialredaktoren. 3. Nach beendigter erster Lesung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs wird zur Aufstellung eines Entwurfs eines deutschen Handelsgesetzbuches von dem Bundesrathe eine Kommission ernannt, welche aus hervorragenden praktischen und theoretischen, mit dem Handelsgesetzbuche vertrauten Juristen, sowie aus Mitgliedern der Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch besteht. 4. Die von den Spezialredaktoren ausgearbeiteten Theilentwürfe werden der Kommission übergeben und von dieser auf den Vortrag des Spezialredaktors in einmaliger Lesung berathen und festgestellt. 5. Der Inhalt des geltenden Handelsgesetzbuches wird durch einen von der Kommission sofort nach ihrem Zusammentritte bestellten Hauptreferenten der Revision unterzogen. Der aus dieser Revision hervorgegangene vorläufige Entwurf wird von der Kommission berathen und festgestellt. Zu dieser Berathung sind Mitglieder des Handelsstandes beizuziehen. 6. Sodann beschließt die Kommission, auf den nach vorgängiger Verständigung mit den Spezialredaktoren erstatteten Vortrag des Hauptreferenten, über die einheitliche Zusammenfügung der aus den Kommissionsberathungen hervorgegangenen Theil-Entwürfe und unterzieht den Gesammtentwurf der endlichen redaktionellen Feststellung. Der so in ersterLesung vollendete Gesammtentwurf eines deutschen Handelsgesetzbuchs wird nebst Motiven veröffentlicht und den Bundesregierungen mitgetheilt. 71

Dieser Relativsatz ist im Entwurf noch nicht enthalten. Der Entwurf von Goldschmidt hatte nur einen einzigen Spezialredaktor vorgesehen. Nach dem Vorschlag von Goldschmidt sollte zunächst ein vom Bundesrat ernannter Hauptredaktor den Inhalt „des gegenwärtigen Handelsgesetzbuchs" einer Revision unterziehen (vgl. Ziff. 5). Dann erst sollte die Kommission bestellt werden. Dieser Kommission sollten von Anfang an auch Mitglieder des Handelsstandes angehören.

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B. Die Vorkommission

7. Nach beendigter zweiter Lesung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs wird, auf den Antrag des Hauptreferenten, der Gesammtentwurf des Handelsgesetzbuchs einer zweiten Lesung und schließlichen redaktionellen Feststellung durch die Kommission unterzogen. Der so festgestellte Entwurf nebst Motiven wird dem Bundesrath überreicht.

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C. Die Einsetzung der 1. Kommission durch den Bundesrat L Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 9. 6.18741, betreffend 1) das Gutachten der zur Berathung des Planes und der Methode für die Aufstellung des Entwurfes eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches gewählten Kommission (Nr. 53 der Drucksachen); 1

Bundesratsdrucksache Nr. 78 von 1874 (auch veröffentlicht im Württ. Gerichtsblatt Bd. 9 [1875], S. 35; vom Rassow, Gruchot, Bd. 21 [1877], S. 195 ff.) - Das Gutachten ist von v. Liebe abgefaßt worden (vgl. den Brief von Friedberg an v. Liebe vom 19. 5. 1874 im Nieds. StA Wolfenbüttel, worin jener seine Zustimmung zu dem Bericht zum Ausdruck bringt). Der Bericht ist mitbeeinflußt von Eduard Trieps, einem Freund von v. Liebe (geh. Rat im Braunschweigischen Staatsministerium), dem v. Liebe das Gutachten der Vorkommission zugesandt hatte. Aus einem Brief an v. Liebe ergibt sich u. a. folgendes: Trieps meint, man sei nach der Lektüre des Gutachten ebenso klug wie vorher. Man müsse sich darüber im klaren sein, was man mit der Ausarbeitung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs erreichen wolle. Die Kommission habe richtig gehandelt, wenn sie „kurz und bündig darlegte, die deutsche Nation wollte ihr jus connubii und commercii gestaltet wissen, weil der jetzige Zustand seiner ideellen Seite nach ein unwürdiger und für das Verkehrsleben ein schädlicher sei. Das würde von selbst die Erwägung gestützt haben, was muß nothwendig und unbedingt gleichmäßig feststehen, wenn man überhaupt von einem einheitlichen Recht im Ernst sprechen will". Trieps fragt dann, was unter der von der Kommission „erwarteten Vollständigkeit des Gesetzbuchs" zu verstehen sei. Er fragt, ob man der Pandekten- oder der Institutionenmethode folgen solle. Er plädiert für das letztere, d. h. es sollten nur die Grundsätze geregelt werden. Das Gesetzbuch sollte kein „Nachschlagewerk" sein. Die Sammlung der Normen für ein solches wäre zudem ein unerschöpfliches Werk und würde sehr lange dauern. Der Kommission müsse gesagt werden, daß sie an die Vorschläge der Vorkommission nicht gebunden sei, sondern sie ihr nur zur Beachtung empfohlen seien. Außerdem müsse darauf hingewiesen werden, daß die Kommission in einigen Jahren ihre Arbeit vollendet haben müsse. Daraus ergebe sich, daß eine allzu ausgedehnte Sammlung und Vergleichung der geltenden Rechtsnormen usw. nicht möglich sei. Das Ziel der Kodifikation solle sein: Gleichheit der Rechtsinstitute, Gleichmäßigkeit der bestehenden Rechtsmaximen zum Zwecke eines einheitlichen Rechtslebens. „Die laxen Grundsätze", so heißt es im Brief weiter, „welche hier bezüglich der sogn. berechtigten Eigenthümlichkeiten bestehen, sind verderblich für das gesunde Gedeihen eines nationalen Rechts." Es sollte insbesondere nur ein einziges gesetzliches, eheliches Güterrecht und einheitliche sachenrechtliche Grundsätze geben. Für die Erhaltung und weitere Entwicklung der Rechtseinheit schlug Trieps vor: „Die praktische Nachhülfe, damit auch in den Combinationen des Lebens die Einheit und Harmonie des Rechts gefördert und erhalten werde, muß man in einem höchsten einheitlichen Organe suchen. Ein solches Organ, welches Theorie und Praxis in sich vereint, und die höchste viva vox juris ist, darf auf keinen Fall, namentlich nicht in dem centrifugalen und subjektivistischen Deutschland, fehlen." Es sollte dafür sorgen, daß sich das Recht „gleichsam von innen heraus consequent und systematisch" entwickle und so ein steter Verjüngungsprozeß stattfinde. So werde das Recht zwar älter, aber es altere nicht. Es sei „zugleich Gegenstand der Ehrfurcht und der lebensfrohen Befriedigung". Wer dieses Organ bilden sollte, sagte Trieps nicht. — Da sich das Gesetzbuch auf „Institutionen" beschränken sollte, kam es ferner nach Trieps auf einen guten Rechtsunterricht an: „Für die höheren Aufgaben des Rechtslebens kann die erforderliche Bildung nur durch ernste Wissenschaft, namentlich durch freieres Studium des Römischen Rechts und des Rechts der neueren Culturvölker erlangt werden."

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C. Die Einsetzung der 1. Kommission durch den Bundesrat

2) die Verhandlungen über die Reform der Gesetzgebung über das Aktienwesen In den Sitzungen vom 28. Februar und 19. März d. J. §§.130 und 1743 der Protokolle hat der Bundesrath beschlossen, durch eine zu berufende Kommission ein Gutachten über den Plan und die Mediode, welche bei Ausarbeitung des Entwurfs eines deutschen bürgerüchen Gesetzbuchs zum Anhalt zu dienen haben würden, erstatten zu lassen. Die Kommission hat ihrer Aufgabe durch Einreichung des der Vorlage vom 16. April d. J. Nr. 534 angeschlossenen Gutachtens genügt, und zufolge des Beschlusses vom 19. April d. J.5 wird der Justizausschuß sich über den Gegenstand zu äußern haben. Wenn es sich um Vorschläge „über Plan und Methode für die Abfassung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches" handelt, so sondert sich die Aufgabe wesentlich in zwei Theile. Zunächst waren Inhalt und Umfang des zu schaffenden Werkes näher zu präzisiren. Alsdann waren über die äußeren Mittel, durch welche, und die geschäftlichen Wege, auf welchen die Arbeit in Angriff zu nehmen sei, Vorschläge zu machen. Die Kommission hat diese beiden Theile der zu lösenden Aufgabe wohl getrennt, und den ersten in den erläuternden Bemerkungen behandelt, den zweiten aber durch die beigefügten Vorschläge6 erledigt. Es ist in jedem Falle dankenswerth, daß die Kommission auf den erwähnten ersten Theil der Aufgabe näher eingegangen ist, und sich nicht blos an den mehr formellen zweiten Theil gehalten hat. Das Meiste wird freilich in jener Beziehung der mit der Ausarbeitung des Entwurfes selbst zu beauftragenden Kommission zu überlassen sein; die Aufstellung bestimmter Gesichtspunkte ist aber nach der Natur der zu stellenden Aufgabe unerläßlich. Es handelt sich nicht um ein Einzelgesetz, um Feststellung eines einzelnen Rechtssatzes, noch auch um gesetzliche Regelung eines einzelnen Rechtsinstituts. Die Aufgabe ist vielmehr so umfassender Natur, daß eine nähere Präzisirung nicht entbehrt werden kann. Die bereits vorhandenen Kodifikationen weisen mit voller Entschiedenheit auf diese Nothwendigkeit hin. Das Zustandekommen der Gesetzbücher — wobei von dem römischen Rechte, welches überhaupt nicht als ein in neuerem Sinn kodifizirtes Gesetz vorliegt, abzusehen ist, — hat jedesmal eine verhältnismäßig lange Zeit in Anspruch genommen, weil sich die Schwierigkeiten bezüglich des Planes und der Mediode während der Ausführung einstellten und die Stadien verfehlter Versuche durchgemacht werden mußten. Dergleichen vergebliche Arbeit läßt sich durch Präzisirung der Aufgabe von vornherein, wenn nicht beseitigen, doch erheblich einschränken. Im Ganzen hat der Ausschuß den Ausführungen der Kommission nur beipflichten und anerkennen können, daß dieselbe ihre Aufgabe nach den eben bezeichneten zwei Seiten hin gelöset hat. Es wird daher für den Ausschuß nicht darauf ankommen, neue und abweichende Vorschläge zu machen und neben der Arbeit der Kommission eine zweite Arbeit vorzulegen. Es entspricht vielmehr der Sachlage, wenn die Ansichten der

Weitere Einzelheiten zur Reform des Aktienwesens in der Ausgabe der HGB-Materialien (vgl. oben S. Fn 15 und Gareis-Fuchsberger, ADHGB, 1891, S. 307-308. 3 Vgl. oben S. 163. 4 Vgl. oben S. 170 ff. Das Plenum des Bundesrates hatte an diesem Tage dem Justizausschuß das Gutachten zur Äußerung übergeben (vgl. Prot. § 213, S. 156). 6 Vgl. oben S. 182 ff. 187

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Kommission resumirt und nochmals in ihrem Zusammenhang dargelegt werden. Zu diesem Zwecke ist es angemessen, die einzelnen Punkte, auf welche sich das Gutachten erstreckt, folgendermaßen von einander zu unterscheiden: I. Beschränkung der Aufgabe auf das Civilrecht und nähere Bestimmung des Umfangs derselben, II. Beschaffenheit des zu verarbeitenden Stoffes, III. Verarbeitung und Eintheilung des Stoffes, IV. Methode der Redaktion, V. Revision des Handelsrechts, VI. Geschäftliche Behandlung der ganzen Aufgabe. Zu I. Die Aufgabe beschränkt sich auf das bürgerliche Recht, das Civilrecht. Es scheiden also öffentliches Recht, Strafrecht und Prozeß von vorn herein aus. Aus dem civilen Privatrecht sind aber ferner auszuscheiden: 1. Das Handelsrecht. Dieses ist in einem besonderen Gesetzbuche bereits kodifizirt worden und es empfiehlt sich aus den von der Kommission angegebenen Gründen, dasselbe in dieser Trennung zu belassen. Eine Revision wird freilich unerläßlich sein. Die Kommission hat hierüber besondere Vorschläge gemacht, auf welche sub V. zurückzukommen sein wird. 2. Eben so wird das Bergrecht, wie es sich in neueren umfassenden Gesetzen kodifizirt findet, nicht in das bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen sein. 3. Das Gutachten scheidet ferner aus einzelne im Absterben begriffene Institute des deutschen Rechts, namentlich das Lehnrecht, die Reallasten, das Erbenzins- und Erbpachtrecht, die Emphyteusis, das Näherrecht, das Recht der Stammgüter und Familienfideikommisse. Anlangend das Recht zur Errichtung der Familienfideikommisse, soll es statthaft sein, der Landesgesetzgebung Raum zu lassen. Daß allgemein die hierher gehörigen Institute nicht für das abzufassende Civilrecht geeignet sind, wird schwerlich bestritten werden. Manches ist obsolet geworden oder in einer Reihe von Territorien abgeschafft: es wird nicht die Rede davon sein können, es wieder zu revivisziren. Inzwischen wird sich doch die Aufmerksamkeit der Kommission auch auf diese Institute richten müssen. In manchen Beziehungen greifen nämlich dieselben modifizirend in die Grundsätze des allgemeinen Civilrechts ein, und sind zum Theil mit denselben geradezu unverträglich. Es wird daher zu erwägen sein: inwieweit sie durch das neue Gesetzbuch, wenn dasselbe sie ganz übergeht, als abgeschafft betrachtet werden müßten, und inwieweit es sich empfehlen kann, ihnen entweder noch eine Einwirkung ausdrücklich zu gestatten, oder dieselbe auszuschließen oder einzuschränken. Eine förmliche Kodifizirung dieser Rechtsinstitute würde dabei allerdings nicht in Frage kommen. Immerhin wird man sich indeß doch die Frage vorlegen müssen, ob man ein getheiltes Eigenthum, ein Obereigenthum und ein Nutzungseigenthum, wie es das österreichische Gesetzbuch §§. 357—360 anerkennt, anerkennen will. Es möchte nicht gerathen sein, die künftige Kommission hier im voraus zu beschränken. 4. Ebenso ist das bäuerliche Güterrecht provinziell und lokal außerordentlich verschieden, und hängt mit einer Reihe besonderer Verhältnisse zusammen, die vielleicht nur die Aufstellung sehr allgemeiner gemeinsamer Gesichtspunkte, aber keine gemeinsame Regulirung gestatten, wenn nicht in lang eingelebte Gewohnheiten in ungerechtfertigter Weise eingegriffen werden soll. Es empfiehlt sich daher allerdings, das Recht 188

C. Die Einsetzung der l. Kommission durch den Bundesrat der Bauergüter nicht zu berühren, und es von den besonderen Landesrechten abhängig zu machen, welche Güter als unter dem bäuerlichen Recht stehend zu betrachten sind. 5. Das Gutachten der Kommission erwähnt endlich noch einer Anzahl von Instituten, welche im Einzelnen nach polizeilichen und wirthschaftlichen Rücksichten geregelt sind und sich — obgleich die Einwirkung civilrechtlicher Grundsätze geblieben — doch von dem Civilrechte gewissermaßen abgezweigt habe, Forstrecht, Wasserrecht, Recht der Mühlen, der Flößerei, Fischerei, Jagd-, Deich- und Sielrecht, Baurecht, Gemeinheitstheilungsrecht, Expropriationsrecht, Gesinderecht. In spezieller Gliederung und mit Regelung der Einzelnheiten werden diese Institute nicht aufzunehmen sein, wohl aber weist das Gutachten mit Recht darauf hin, daß die privatrechtlichen Grundprinzipien sich zur gemeinschaftlichen Regelung eignen, indem alle diese Institute, was diese Grundprinzipien anlangt, doch unter dem allgemeinen Civilrechte stehen. Eine weitere Ausscheidung von Rechtsinstituten, die in die Sphäre des Privatrechts gehören, hat die Kommission nicht vorgeschlagen, und es scheinen dafür auch gute Gründe vorhanden gewesen zu sein. Nach dem Gange der Rechtsentwicklung in Deutschland hat sich im Laufe der Zeit die Landesgesetzgebung immer selbständiger entwickelt, und das gemeine Recht, für welches eine Gesetzgebung nicht mehr existirte, so zurückgedrängt, daß, mag man über die Fortexistenz eines gemeinen deutschen Rechts denken wie man will, der Schwerpunkt ganz entschieden in die Landesrechte fiel. Es erklärt sich daraus eine gewisse Besorgniß, das im engeren Kreise Gepflegte alterirt zu sehen und die fernere Einwirkung darauf zu verlieren. So mag denn der Wunsch geäußert sein, diese oder jene Institute, die sich zur Regelung durch Landesgesetze besonders eigneten und mehr einer lokalen und partikularen Ausbildung und Pflege bedürfen, von der Kodifikation auszunehmen und den Landesgesetzgebungen zu überlassen. In der That hat hier nun das Reichsgesetz vom 20. Dezember 1873 einen wichtigen Schritt gethan, indem es die Kompetenz des Reichs zur Gesetzgebung über das Obligationenrecht auf das gesammte Civilrecht ausdehnte. Soll das Civilrecht überhaupt kodifizirt werden, und diese Frage steht nicht mehr zur Entscheidung, so läßt sich die Kodifikation nicht auf das Obligationenrecht beschränken. Die einzelnen Rechtsinstitute fügen sich im Systeme zu Rechtsmaterien und ganzen Rechtsgebieten zusammen, und die Beschränkung der Kodifikation auf einzelne Institute oder selbst Materien würde zum Entstehen eines aus dem Zusammenhange gerissenen Bruchstücks führen. Die einzelnen Institute haben mannigfache Berührungspunkte mit einander, und bei einer Scheidung derselben nach Reichs- und Landesrecht würden ohne Zweifel Unsicherheiten und neue Verschiedenheiten sich ergeben. Theils würde der Rechtszustand dadurch nicht gebessert und der Wissenschaft eher geschadet als genützt, ganz besonders aber würde eine solche Einzelarbeit in einem großen Kontraste zu der dem Deutschen Reiche gewordenen Aufgabe stehen, nach welcher ein ganzes Civilgesetzbuch erwartet werden darf. Wollte man diejenigen Institute ausnehmen, für welche eine Ueberweisung an das Landesrecht gewünscht werden könnte, so würde man nach und nach Eherecht, Vormundschaftsrecht, Familienrecht, Hypothekenrecht, und endlich sämmtliche dingliche Rechte auszusondern in der Lage sein, so daß schließlich nichts übrig bliebe als das Obligationenrecht, womit dann die Absicht des Gesetzes vom 20. Dezember 1873 wieder vereitelt wäre. Wird einmal der Schritt zu einer Rechtseinheit in Deutschland gemacht, so muß er in der That vollständig gemacht werden, und eine halbe und unvollständige Lösung der Aufgabe wäre ein Mißerfolg, den man mit allen Kräften abzuwenden bemüht sein muß. Die Kulturzustände, die Lebensverhältnisse sind im Ganzen im Deutschen Reiche

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Materialien zur Entstehung des BGB

gleich, und dem Zustande von Mannigfaltigkeit und Ungewißheit, der Geltung eines internationalen Privatrechts zwischen den einzelnen deutschen Staaten, kann sehr wohl ein Ende gemacht werden. Soll durch ganz Deutschland ein jus connubii und jus commercii gelten, soll innerhalb Deutschlands die Lehre von der räumlichen Beschränkung der Geltung des Rechts wirklich abgethan werden, so wird man nicht von vorn herein Ausnahmen zulassen dürfen. Es mag sich empfehlen, bei manchen der von der Kommission beispielsweise angeführten Institute, Familienrecht, einschließlich des Eheschließungs- und Ehescheidungsrechts, Vormundschaftsrechts, Erbrechts, Immobiliarsachenrechts, Rechts der juristischen Personen, Korporationen und Genossenschaften bei der Schaffung eines neuen Gesetzbuchs, mit Vorsicht und Schonung zu verfahren. Diese Vorsicht und Schonung wird sich indeß der Nothwendigkeit gleicher Prinzipien unterordnen müssen. Die Handlungsfähigkeit, die Statusrechte, das Recht juristischer Personen werden nicht von Land zu Land verschieden bleiben dürfen. Ob Vorbehalte für das Landesrecht, z. B. bei Grundbuchseinrichtungen, zu machen sind, die mehr als die partikulare Ordnung blos reglementärer Dinge zulassen, wird demnächst die mit dem Werke selbst betraute Kommission ermessen. Hier läßt sich nicht mehr sagen, als daß theils das Verhältniß zwischen Reichsrecht und Landesrecht wohl zu beachten, theils aber die Verweisung auf Landesrecht niemals ein Ausweg wird sein dürfen, auf welchem man suchen könnte, über Schwierigkeiten hinwegzukommen. II. Begrenzt sich hiernach der Umfang des zu kodifizirenden Civilrechts, so wird es ferner auf die Beschaffenheit des damit gegebenen Stoffes ankommen. Die Kommission hat sich daran gehalten, daß im Wesentlichen das Gegebene zu kodifiziren sei; sie hat der späteren Kommission die Ausscheidung, Auswahl und Ausgleichung überlassen. Man kann hiermit nur einvertanden sein. Es kann sich ferner jetzt nicht um die Aufgaben der legislativen Politik, also nicht darum handeln, welche Prinzipien für die einzelnen Rechtsinstitute in Anwendung zu bringen sind. Diese größeren prinzipiellen Fragen werden der Kommission vorzubehalten sein; in dem jetzigen Stadium der Vorberathungen ist auf dieselben nicht einzugehen. Faßt man aber den zu bearbeitenden Stoff näher ins Auge, so ergiebt sich sogleich, daß die Aufgabe eine erheblich größere ist, als die bisher bei der Abfassung von Gesetzbüchern zu lösende war. Im einzelnen Staate mag die bloße Anhäufung von Gesetzen und Rechtsnormen auf das Bedürfniß einer Vereinfachung durch Kodifikationen hinführen. Dann hat man es mit einem zur Klarheit zu bringenden Rechtszustande zu thun. In Deutschland hat man aber jetzt die Rechtszustände einer Reihe von Staaten vor sich, die verschiedenartig und abweichend sind. Man hat rezipirtes und einheimisches Recht, Landesgesetze und ganze Gesetzbücher. Der Stoff ist also mannigfaltiger und komplizirter. Mit Recht bemerkt die Kommission, daß keines der vorhandenen Gesetzbücher und keiner der vorhandenen Entwürfe schlechthin zur Grundlage zu nehmen sei. Allen haften mehr oder weniger Mängel an, alle werden freilich als Vorarbeiten zu berücksichtigen sein, die Arbeit soll aber eine neue und eigenartige sein. Der Stoff ergiebt sich theils aus dem gemeinen römischen und deutschen Privatrecht, theils aus den vorhandenen Landesgesetzgebungen, welche — selbst wenn sie a priori verfahren und Neues bieten wollten — doch jenes gemeine Recht materiell verarbeitet, mannigfach modifizirt und nur seine formelle Geltung aufgehoben haben. Man wird nicht das jetzt geltende gemeine Recht als in zwei verschiedene Massen, das rezipirte fremde und das einheimische Recht gesondert aufzufassen haben, sondern eben die organische Verbindung beider als Ziel betrachten müssen. Manche Institute 190

C. Die Einsetzung der 1. Kommission durch den Bundesrat

des römischen Rechts sind unter dem Einfluß des deutschen Rechts weiter entwickelt worden. Im deutschen Rechte hat sich die Mischung von öffentlichem und Privatrecht vielfach geklärt. Für diesen usus modernus des gemeinen Rechts findet sich nicht blos in der Doktrin desselben, sondern auch in den neueren Gesetzbüchern der Anhaltspunkt. Die Aufgabe gewinnt an Umfang dadurch, daß neben den positiven Gesetzen auch die Wissenschaft und Theorie des Rechts sowie die Praxis zu berücksichtigen sein werden. Die Sichtung und Klärung des Stoffes wird also, wie die Kommission mit Recht bemerkt, eine recht weitgreifende, aber doch keine unlösbare Aufgabe sein. Von geringerem Umfange ist das vorhandene in civilrechtliche Materien einschlagende Reichsrecht, rücksichtlich dessen es der Prüfung des Einzelnen überlassen bleiben wird, ob es unverändert oder mit Modifikationen in das System des bürgerlichen Gesetzbuchs einzureihen sei. Bei einzelnen Gesetzen, wie dem Gesetze über vertragsmäßige Zinsen vom 14. November 18677, die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließungen vom 4. Mai 18688, dem Gesetze über Bundes- und Staatsangehörigkeit vom I.Juni 18709, mag die Entscheidung hier leicht sein. Bei dem Gesetze vom 7. Juni 1871 über die Verbindlichkeit zum Schadenersatze bei Eisenbahnen10 u. s. w. wird es einer genaueren Erwägung bedürfen, da dasselbe in mehrere civilrechtliche Materien übergreift, und die Gestattung von Ausnahmen aus Utilitätsgriinden eben da erwogen werden muß, wo die Aufstellung der Regel erwogen wird. Die Kommission erkennt hiernach die zu lösende Aufgabe als eine dreifache: 1) Es ist der Gesammtbestand der innerhalb des Deutschen Reichs geltenden Privatrechtsnormen mit Rücksicht auf deren Zweckmäßigkeit, innere Wahrheit und folgerichtige Durchführung zu untersuchen. 2) Es ist sorgsam zu prüfen, wieweit die von der gemeinsamen Grundlage des sogenannten gemeinen Rechts (gemeinen Civilrechts und deutschen Privatrechts) abweichenden Bestimmungen der neueren großen Civilgesetzgebungen, der Landesgesetze und der etwaigen Reichsgesetze beizubehalten seien, oder ob und welche Ausgleichung zu versuchen sei. 3) Es ist endlich auf richtige Formgebung und Anordnung die höchstmögliche Sorgfalt zu verwenden. III. Was nun die Verarbeitung des gewonnenen Stoffes betrifft, so kommt es — von der redaktionellen Behandlung vorläufig noch abgesehen — in Betracht, daß die Kommission drei verschiedene, und in der Art und Weise der Ausarbeitung zu sondernde Stücke ins Auge gefaßt hat: ein Einführungsgesetz, einen dem Civilkodex voranzustellenden sogenannten allgemeinen Theil, und das Gesetzbuch selbst. Ein Einführungsgesetz wird allerdings unerläßlich sein. Man wird von demselben transitorische Vorschriften zu erwarten haben; Vorschriften also über das Verhältniß des neuen Gesetzbuchs zu den bestehen bleibenden Rechten, sowie zu bestehenden Rechtsverhältnissen. Diese Vorschriften werden nicht zu entbehren sein und scheinen eine besondere Aufmerksamkeit zu verdienen, weil in der That die Sache hier nicht so einfach liegt, wie sie bei Erlaß eines neuen Gesetzbuchs für einen einzelnen Staat liegen würde. Zunächst wird die formelle Geltung der verschiedenen Systeme des Privatrechts, mögen sie bereits kodifizirt sein oder nicht, aufgehoben. 7

BGB1. 1867,5.159 BGB1.1868,5.149 9 BGB1. 1869,5.305 10 RGB1. 1871,5. 207. 8

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Materialien zur Entstehung des BGB Welche Stellung die Rechtswissenschaft selbst zu den neu gewonnenen Grundlagen des abzufassenden Gesetzbuchs anzunehmen haben wird, ob ihre Entwicklung eine stetige bleiben, ob sie auf den neuen Grundlagen neue Wege zum wissenschaftlichen Ausbau des neu entstandenen Rechts suchen wird, das sind Fragen, die überhaupt nicht gesetzlich gelöst werden können, und die man am wenigsten gesetzlich im bejahenden Sinne wird beantworten wollen. Ferner aber verhält es sich mit der derogirenden Kraft des neuen Gesetzbuchs anders, als es sich nach den im früheren Deutschen Reiche für Reichsgesetze geltenden Nonnen, und als es sich in Einzelstaaten bei Landesgesetzen damit verhalten würde. Von einer salvatorischen Klausel wird im Ganzen gar nicht, im Einzelnen nur in der Weise die Rede sein können, daß der Landesgesetzgebung dieser oder jener Punkt zur näheren im Reichsgesetzbuch nicht gegebenen Regulirung überlassen wird. Es soll indeß nicht gesagt sein, daß dieses überhaupt, oder daß es in einem irgend beachtenswerthen Umfange geschehen müsse. Das neue Gesetz derogirt den vorhandenen Reichsgesetzen im Kollisionsfalle, weil es das neuere ist. Den Landesgesetzen derogirt es dagegen aus einem anderen Grunde. Es stammt nicht aus einer koordinirten Rechtsquelle, so daß der Vorzug des neueren Gesetzes aus einer für Kollisionsfälle anwendbaren Interpretationsregel folgte, sondern es verdankt einer übergeordneten Rechtsquelle seine Entstehung; es übt deshalb seine derogirende Kraft schlechthin, und derogirt nicht nur älteren, sondern geht auch allen späteren Landesgesetzen vor. Es werden somit auch die Fälle des Ineinanderpassens und Nebeneinanderstehens verschiedener sich nicht direkt entgegenstehender Bestimmungen anders zu beurtheilen sein, als da, wo es sich um verschiedene Rechtssätze aus koordinirten Quellen handelt. Die Kommission ist ferner der Ansicht, daß ein allgemeiner Theil, wenngleich von nur mäßigem Umfange, nicht zu entbehren sein werde. In den Hand- und Lehrbüchern hat man bekanntlich einen sogenannten allgemeinen Theil für nothwendig gehalten. Im Ganzen findet sich in diesem allgemeinen Theile die Lehre von Recht und Gesetz überhaupt entwickelt, und angeschlossen sind solche Rechtssätze oder ganze Materien, die entweder nicht in bestimmten Geboten oder Verboten bestehen, sondern Rechtswahrheiten feststellen, oder die nicht einem einzelnen Rechtsinstitute allein zukommen, sondern ihre Einwirkung auf mehrere Institute oder gar das ganze Rechtsgebiet äußern. Ein Blick in die neueren und älteren Systeme zeigt, wie sehr verschiedenartig der Umfang ausgefallen ist. In den Gesetzbüchern herrscht gleichfalls eine große Verschiedenheit. Die Pandekten — wenngleich hier von einer Systematik, wie wir sie jetzt erfordern, nicht die Rede ist — beginnen mit den Titeln de justitia et jure, de origine juris, de legibus, und schließen mit dem Titel de regulis juris. Der Code civil hat als allgemeinen Theil einen Titre preliminaire von sechs Artikeln, der von den Gesetzen überhaupt handelt. Das Allgemeine Landrecht giebt zuerst in 108 Paragraphen als Einleitung eine Reihe allgemeiner Sätze: dann sollen nach der Ansicht der Verfasser die ersten sieben Titel des ersten Buchs allgemeine Rechtswahrheiten enthalten. Das österreichische Gesetzbuch beginnt mit einer Einleitung von 14 Paragraphen über die bürgerlichen Gesetze überhaupt und behandelt dann in drei Theilen das Personenrecht, das Sachenrecht und die gemeinschaftlichen Bestimmungen des Personenund Sachenrechts. Einen umständlicheren allgemeinen Theil in sechs Abtheilungen und 185 Paragraphen enthält das sächsische Gesetzbuch, es handeln diese Abtheilungen von den bürgerlichen Gesetzen, von den Personen, den Sachen, den Handlungen, den Rechten und von der Sicherung, Verwahrung und Verfolgung der Rechte. 192

C. Die Einsetzung der l. Kommission durch den Bundesrat

Es ist nun nicht anzurathen, der Kommission bezüglich des allgemeinen Theils bestimmte Vorschriften zu machen, und insonderheit das Entnehmen allgemeiner Rechtssätze aus dem Besonderen als das Ziel anzudeuten. Was von den Rechtslehrern, namentlich von Savigny im Civilrechte (Bd. l S. 389ff.) über die sich nach solchen Gesichtspunkten ergebende Ausscheidung eines allgemeinen Theils »von nicht unbeträchtlichem Umfange" gesagt ist, mag sich auf die Systematik der Wissenschaft beziehen: für ein Gesetzbuch wird es schwerlich in gleicher Weise anwendbar sein. Insonderheit ist die Abstraktion der allgemeineren Rechtsbegriffe und Rechtswahrheiten aus dem Besonderen nicht Sache des Gesetzgebers, sondern der Theorie, und mit Recht hat Ihering bemerkt, daß die Präzipitirung der Rechtssätze zu Rechtsbegriffen die wissenschaftliche Auffassung und Behandlung eines Rechts von der Darstellung desselben in einem Gesetzbuch scheide, daß der Gesetzgeber sich darauf beschränken könne, seine Anforderungen in ihrer ursprünglichen unmittelbar praktischen Form aufzustellen. Es wird sich daher empfehlen, der künftigen Kommission in dieser Beziehung freie Hand zu lassen, und zu erwarten, ob und eine wie umfangreiche Einleitung oder Sammlung allgemeiner Rechtssätze sie für nöthig hält. Ueberhaupt möchte diese Frage mit der von der Redaktionsweise in einem sehr nahen Zusammenhange stehen. IV. Von bedeutender Wichtigkeit und geradezu entscheidend für Werth und Charakter ist dann aber die Form, die dem Stoffe gegeben werden muß, oder die anzuwendende Methode der Redaktion. Das Gutachten der Kommission betont die richtige Formgebung und Anordnung und bemerkt, daß die Formulirung der aufzunehmenden Rechtssätze sich gleichmäßig von einer gelehrten Geheimsprache, wie von einer, die unentbehrliche technische Bestimmtheit und Genauigkeit verwischenden Popularisirung fern halten, vielmehr gedrungene Kürze und eine zwar gemeinverständliche, aber in konsequenter Technik durchgeführte Rechtssprache erstreben müsse. Das betrifft indeß nur die mehr formelle Seite der Sache. Es kommt daneben wesentlich auch darauf an, was und wieviel gesagt werden soll. Das Gutachten bemerkt mit Recht, daß das zu befolgende System im Wesentlichen dem Vorgange der neueren Doktrin des gemeinen Rechts, der neueren Civilgesetzbücher und Entwürfe zu folgen haben werde, daß sich jedoch in dieser Beziehung dem Ermessen der künftigen Kommission keine Schranken ziehen ließen. Ferner wird bemerkt, daß eine kasuistische Entwickelung und die Aufnahme lediglich reglementärer, zur richterlichen Instruktion dienender Vorschriften unangemessen erscheine, daß indeß, wie dieses bereits im Code Napoleon, dem sächsischen Gesetzbuche und den neuesten Entwürfen geschehen sei, neben den leitenden Prinzipien auch die wichtigsten Folgesätze und die Ausnahmen zu regeln sein würden. Es werden hiermit allerdings richtige Andeutungen gemacht sein: die Hauptsache muß der Einsicht der Redaktoren überlassen bleiben. Für diese wird es sich geltend machen, daß es neben der Gesetzgebungspolitik, die sich mit der innern Güte und Zweckmäßigkeit der zu erlassenden Vorschriften beschäftigt, auch eine Technik der Gesetzgebung giebt, die freilich als Wissenschaft noch wenig ausgebildet sein mag, die aber erfahrungsmäßig für den Werth der zu erlangenden Resultate von ganz entscheidendem Einflüsse ist. Ein Gesetzbuch ist nicht zu entwerfen, wie ein Gesetz über einen einzelnen Gegenstand des öffentlichen oder Privatrechts. Es handelt sich bei letzterem meist nur um organisatorische Vorschriften, Regeln, welche die Behörden zu befolgen haben und Einwirkung auf Recht und Interessen der Privaten in ganz bestimmter Beziehung. Selbst gegen die Kodifikationen anderer ganzer Rechtsgebiete macht sich hier ein Unterschied geltend. Die Prozeßordnung regelt Prozeduren und wird daher 193

Materialien zur Entstehung des BGB

nothwendig einen mehr oder weniger reglementären Charakter haben. Das Strafrecht hat es mit bestimmten Verboten und Straf Sanktionen zu thun, und seine ganze Struktur gestaltet sich darnach einfacher. Das Civilrecht hat dagegen den ganzen vielfach verzweigten Lebensverkehr zum Gegenstande und läßt sich weder auf reglementäre Vorschriften, noch auf einfache Gebote und Verbote — mit denen in primitiven Zeiten die ersten Anfänge der Gesetzgebung gemacht wurden — beschränken. Gleichwohl ist auch eine Zusammenstellung des gesammten Rechtsstoffes, eine Darlegung alles dessen, was sich über die Sache sagen läßt, in paragraphenweiser Ordnung nicht möglich und es ergiebt sich die Aufgabe, für die nothwendige Konzentrirung und Beschränkung ein Prinzip zu gewinnen. Es leuchtet auf den ersten Blick ein, daß die Arbeit keine blos kompilatorische sein darf. Justinian konnte bei seinem legislatorischen Unternehmen zwei Kodices vor Augen haben: eine eigentliche Gesetzsammlung, und ein corpus juris enucleati, welches letztere das ganze übrige Recht in der Form mit gesetzlicher Autorität bekleideter Excerpte aus den Schriften der Rechtsgelehrten darstellte. Auch in England scheint seit den bekannten Lehrsätzen Bakos über Kodifikationen nur an eine mehr kompilatorische und sichtende Arbeit, bei welcher — ähnlich wie Justinian vorgeschrieben hatte — nur similitudines und discordiae zu entfernen und obsolete Vorschriften wegzulassen sein würden, gedacht zu sein (Quarterly review Januar 1874 Seite 74)11. Für die neuere Kodifikation in Deutschland steht es anders. Der Rechtszustand beruht wohl auf Gesetzen, aber nicht auf einzelnen Gesetzen, von denen sich lediglich eine neue praktische Handausgabe zusammenstellen ließe. Das gemeine Recht ist längst legislativ, systematisch und wissenschaftlich verarbeitet, und die vorhandenen Kodifikationen, in denen es sich in positiver Gesetzesform wiederfinden mag, sind für die jetzt bevorstehende Aufgabe nur Beispiele und Muster. Man hat es daher nicht mit bloßen Zusammenstellungen, sondern mit der systematischen Verarbeitung eines ganzen, theils auf Gesetzen, theils auf Gewohnheitsrecht, Wissenschaft und Praxis beruhenden Rechtszustandes zu thun, der in Gesetzesform zu bringen ist. Diese Arbeit ist eine wissenschaftliche, systematische und sogar künstlerische. Die Regel, daß Widersprüche und Wiederholungen zu vermeiden und unbrauchbar gewordene Vorschriften wegzulassen seien, mag für bloße Kompilationen ausdrücklich gegeben werden; für die bevorstehende Arbeit ist sie überflüssig, denn sie ergiebt sich aus der systematischen Natur derselben von selbst. Statt solcher Regeln tritt den Redaktoren hier die neue und größere Aufgabe entgegen, sich Regeln einer legislativen Technik klar zu machen, die über die bei der Abfassung von Einzelgesetzen zu befolgenden Regeln noch hinausgehen. Ein rein empirisches Verfahren, daß das, was über ein Institut bekannt ist, in Artikelform niedergeschrieben wird, ist außer Frage. Der glückliche Takt, der hin und wieder die Redaktoren von Gesetzbüchern leitete, ersetzt ein planmäßiges Verfahren nicht, nach welchem man sich genau darüber Rechenschaft giebt, was gesetzlicher Sanktion bedarf und was nicht. Eine Beschränkung auf Gebote und Verbote, auf gesetzliche Sanktionen im engsten Sinne, wobei alles, was auf Interpretation, auf auctoritas prudentium, aequitas oder jus gentium beruht, ausgeschieden würde, kann nicht in Frage kommen. Auf diese Weise wird die ganze Masse des vorhandenen Rechtsstoffes nicht zu sondern sein. Ebensowenig wird alles, was der Wissenschaft und Interpretation zukommt, als Gesetz festzustellen sein; auf diese Weise läßt sich das Recht nicht fixiren und immobilisiren. Justinian mochte in dem Citirgesetze einen Anhalt finden, die exzerpirten Ansichten der Rechts gelehrten mit gesetzlicher Sanktion zu bekleiden, und

Gemeint ist das „Law Magazine and [Law] Review" und nicht das berühmte „Law Quaterly Review" (Bd. l erst 1885 erschienen). 194

C. Die Einsetzung der l. Kommission durch den Bundesrat

in den Institutionen und Pandekten Rechtsbücher zu schaffen, die theils Kompendien, theils Gesetzbücher sind; für die heutige Zeit ist die Grenze zwischen Gesetz und Wissenschaft — die bei jenem Verfahren verwischt wurde — klar festzuhalten, und zu scheiden, was dem Gesetzgeber und was der Wissenschaft zukommt. Dieser Gesichtspunkt wurde schon bei der Abfassung des österreichischen Gesetzbuchs befolgt. Der erste Entwurf in acht Foliobänden wurde revidirt und der Kompilationskommission im Jahre 1772 die Anweisung ertheilt: Soll das Gesetz- und Lehrbuch nicht mit einander vermengt, mithin alles jenes, was nicht in den Mund des Gesetzgebers, sondern ad cathedram gehört, aus dem Kodex ausgelassen werden. Was hiernach das Maß anbetrifft, so ist man zunächst darüber einverstanden, daß die prinzipielle Behandlung der kasuistischen vorzuziehen, und Vollständigkeit nicht in dem Sinne zu erstreben ist, daß jeder einzelne Fall seine spezielle Regel der Entscheidung fände. Aus der Struktur und dem Sinne der behandelten Rechtsinstitute müssen sich die einzelnen Normen der Entscheidung durch logische Folgerung ergeben. Das Recht selbst besteht nicht aus einzelnen Rechtssätzen, sondern diese ordnen sich in Verbindung mit den praktisch vorhandenen Verhältnissen zu Rechtsinstituten zusammen. Diese scharf aufzufassen und die leitenden Prinzipien zu geben, aus denen sich für die Einzelnheiten die Normen ableiten lassen, mag die Hauptaufgabe des technischen Theils der ganzen Arbeit sein. Tiefer in diese Materie einzugehen, würde — ganz besonders, weil dieselbe noch einer hier nicht zu unternehmenden weiteren Forschung bedarf — hier nicht am Orte sein. Die Grenzen zwischen dem Allgemeinen und Besonderen lassen sich vielleicht so finden, daß sich zwei Gebiete scheiden, das der Prinzipien, deren Anwendung und Fruchtbarmachung der Praxis und Wissenschaft zu überlassen ist (ex jure quod est regula fiat), und das der ganz speziellen Vorschriften, durch welche dasjenige bestimmt wird, was, wie z. B. Fristen, Formen, Zahlen oder konkrete Merkmale, nicht durch Reflexion gefunden werden kann. Es ist zu bezweifeln, ob sich genauere Regeln geben lassen. V. Die Arbeit der Kodifikation würde sich nach dem oben bereits sub I. 1. Bemerkten auch auf das Handelsgesetzbuch erstrecken, welches neben dem Civilgesetzbuche fortgelten muß und nicht in dasselbe hinein verarbeitet werden kann. Die im Handelsrechte geltenden, aus dem gemeinen Civilrechte entnommenen Sätze werden aus dem Handelsrechte auszuscheiden sein, und es wird erwogen werden müssen, welche Ausnahmen in einzelnen Beziehungen (Zinsen, Konventionalstrafe, Form der Rechtsgeschäfte, Interesse u.s.w.) für den Handelsverkehr zu statuiren sind. Der Erwägung wird es endlich bedürfen, ob nicht überwiegende Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen, einzelne in das Handelsrecht einschlagende Spezialgesetze unverändert oder in einer mit dem übrigen Inhalte des Handelsgesetzbuchs konformen Gestalt in dieses aufzunehmen. Dahin gehören nach der Bemerkung der Kommission: die Wechselordnung, das Gesetz über Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften; die Seemannsordnung nebst den seerechtlichen Einzelgesetzen und das Eisenbahnrecht. Aehnliche Erwägungen würden bezüglich des Urheberrechts, des Patent-, Markenund Musterschutzes, der Bankgesetze eintreten. Das Post- und Telegraphenrecht, sowie die Gewerbeordnung, würden ausgeschlossen sein. Das Recht der Inhaberpapiere würde im Zusammenhange mit dem Civilrecht festzustellen sein — vorbehaltlich späterer Zuweisung an das Handelsrecht. Schlechthin zur Aufnahme in das Handelsgesetzbuch werden endlich von der Kommission empfohlen: das Versicherungsrecht, das Verlagsrecht und das Recht der Binnenschifffahrt. 195

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Im Ganzen ist der Ausschuß mit diesen Ansichten der Kommission einverstanden: zu enge Grenzen werden der Thätigkeit der späteren Kommission damit sicher nicht gezogen. Es ist hier indeß noch eines speziellen Gegenstandes zu gedenken: des Rechts der Aktiengesellschaften. In Nr. 30 der Drucksachen des Reichstags von 1873 findet sich eine in der Sitzung des Reichstags vom 4. April 1873 umständlich motivirte Interpellation des Abgeordneten Lasker, welche den Herrn Reichskanzler um Auskunft darüber ersucht: ob ihm die im Aktienwesen bemerkbar gewordenen Mißbräuche bekannt seien, und ob eine Remedur erwartet werden könne? In der ertheilten Antwort12 ist enthalten, daß der Gegenstand wohl bemerkt und Gegenstand der ernsten Berathung geworden sei, daß man auch beabsichtige, die einzelnen Regierungen um Mittheilung der gemachten Erfahrungen und der wünschenswerth scheinenden Maßregeln zur Abhülfe zu ersuchen. Die demgemäß eingeforderten Aeußerungen der Regierungen liegen jetzt vor. Das Reichskanzler-Amt hat in einem Schreiben vom 28. April c. den Ausschuß ersucht, sich bei der Berathung über Plan und Methode für die Ausarbeitung des Civilgesetzbuchs, zugleich auch darüber schlüssig zu machen und einen Beschluß des Bundesraths herbeizuführen, ob die wegen eventueller Aenderung des Aktienrechts eingeleiteten Verhandlungen bis zur allgemeinen Revision des Handelsgesetzbuchs zu sistiren, oder aber in separate zum Abschluß zu bringen seien. Der Ausschuß wird sich daher auch über diesen Punkt zu äußeren haben. Es ist zu diesem Ende nicht nöthig, genauer auf die notorische Sachlage oder das Materielle der Aktiengesetzgebung und die zu deren Verbesserung gemachten Vorschläge einzugehen. Die neuere Aktiengesetzgebung, welche durch Aufhebung des Konzessionszwanges und der staatlichen Beaufsichtigung eine größere Freiheit gewährt, hat damit nicht gerade ein neues Experiment gemacht, sondern ist nur einem an sich richtigen Gesichtspunkt und dem Vorgange anderer Gesetzgebungen gefolgt. Es hat indeß in Verbindung mit dem erwachten regeren Treiben auf dem Gebiete der materiellen Interessen nicht an schlimmen Erfahrungen fehlen können, und im Ganzen hat sich die Rechnung, die auf den Satz: jura vigilanübus, gemacht werden mußte, nicht bestätigt. Gleichgültig kann sich die gesetzgebende Gewalt diesem Zustande gegenüber allerdings nicht verhalten und nicht erwarten, daß das Publikum durch Schaden klug und vorsichtig gemacht werde. Auch hat die Erfahrung gezeigt, daß hier die Sitte nicht mächtiger ist als das Gesetz. So sehr nun aber der Gegenstand der Aufmerksamkeit werth ist, so wenig scheint es gerathen, jetzt mit besonderen gesetzlichen Maßregeln einzuschreiten. Die eingetretenen schlimmen Folgen sind jetzt nicht mehr rückgängig zu machen, und nach der hoffentlich in der Hauptsache überstandenen Krisis ist die Lage im Augenblick nicht der Art, daß rasche Maßregeln nöthig wären. Es kann sich ohnehin nicht empfehlen, gerade unter dem Eindrucke einer überstandenen Kalamität ein gesetzgeberisches Werk zu unternehmen. Man wird nicht daran denken, das Institut der Aktiengesellschaft, welches immer neben seinen Lichtseiten auch seine Schattenseiten haben wird, zu beseitigen. Ebenso wenig wird sich die nachtheilige Lage, in der sich Gewinnsucht und Leichtgläubigkeit einer komplizirten Geschäftsform gegenüber befinden, ganz beseitigen lassen. Es wird also für den Gesetzgeber immer auf eine Vermittelung zwischen der zu gestattenden 12

Delbrück im RTam 4.4.1873 (St. B. R. T., 1873, S. 224).

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C. Die Einsetzung der 1. Kommission durch den Bundesrat Freiheit im Gebrauche jener Geschäftsform und der nothwendigen Rücksicht auf Beschränkung des Mißbrauchs ankommen. Hier mag sich die Grenze unter Beachtung der gemachten Erfahrungen finden und die Frage näher erörtern lassen, ob die Abhülfe mehr vom Civilrechte oder vom Straf rechte zu erwarten ist. Ein Bedürfniß zu schleuniger Abhülfe und zu außerordentlichen Maßregeln — und solche würden im jetzigen Augenblicke in einer neuen Regulirung des Aktienwesens zu erkennen sein — ist sonach nicht vorhanden. Man kann einstweilen auch wohl darauf rechnen, daß eine strenge Handhabung der Strafgesetze gegen den Mißbrauch der aus der Gesetzgebung über das Aktienwesen herzuleitenden Rechte von Einfluß sein werde. Sonach ist der Ausschuß der Ansicht, daß die Revision der Gesetze über Aktiengesellschaften mit der Revision des Handelsgesetzbuchs zu verbinden sei. VI. In Bezug auf die geschäftlichen Mittel und Wege, durch welche die Arbeit zu unternehmen ist, hat die Kommission bestimmt formulirte Vorschläge gemacht, die im Ganzen für sachgemäß gehalten werden müssen. Die Redigirung des Entwurfs kann nicht in die Hände eines einzigen Rechtsgelehrten gelegt werden; die Arbeit würde zu groß sein und ihre Vollendung würde nicht nur die Kräfte eines Einzelnen erschöpfen, sondern auch zu lange Zeit in Anspruch nehmen. Ebenso würde bei der Vertheilung an mehrere ganz unabhängig von einander arbeitende Redaktoren Zusammenhang und Einheit fehlen, es würde Manches vergeblich gearbeitet werden und eine Schlußrevision durch eine Kommission müßte erst Einheit und Zusammenhang herstellen. Es ist daher eine Kombination von Einzelarbeit und Thätigkeit einer Kommission vorgeschlagen. Die Kommission, für welche die Zahl von neun Mitgliedern in Vorschlag gebracht ist, welche Zahl vielleicht höher zu greifen sein dürfte, würde zunächst gewisse einleitende Fragen von allgemeiner Bedeutung feststellen. Dann würden etwa fünf Mitglieder mit der Redaktion der Hauptabtheilungen: a) Obligationenrecht, b) Vormundschafts- und Familienrecht mit Ausschluß des ehelichen Güterrechts, c) eheliches Güterrecht und Erbrecht, d) Inimobiliarsachenrecht und Pfandrecht, e) die übrigen Theile des Sachenrechts und der Besitz zu beauftragen sein. Die Kommissionsmitglieder und insonderheit die Redaktoren brauchen nicht immer sämmtlich am Sitze der Kommission versammelt zu bleiben; wenn auch nicht gerade ein durchaus ununterbrochener Aufenthalt am Sitze der Kommission vorzuschreiben ist, so wird doch davon auszugehen sein, daß mindestens die Redaktoren ihren ständigen Aufenthalt an diesem Sitze nehmen. Die Redaktoren können sich unter einander in Verbindung setzen; sie können von der Kommission noch die Zuziehung von Spezialkommissaren oder Einholung von Gutachten, die außerhalb des Kreises der Kommission zu erstatten wären, beantragen; sie können ferner die Entfernung von Differenzpunkten oder von Fragen, deren Lösung ihnen wünschenswerth scheint, seitens der Kommission veranlassen. Die Entwürfe werden von der Kommission, sowie sie eingehen, geprüft und festgestellt. Für die Zusammenfügung des Ganzen wird ein Hauptreferent bestellt, dem zugleich die Ausarbeitung des allgemeinen Theils wie des Einführungsgesetzes obliegt. Nach Feststellung des Entwurfs in erster Lesung wird derselbe den Regierungen mitgetheilt und veröffentlicht.

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Die Veröffentlichung nach Beendigung der ersten Lesung empfiehlt sich, da es wünschenswerth ist, die Urtheile der Kritik über den Entwurf zu vernehmen. Diese Urtheile werden zu sammeln und zu beachten sein; die Arbeit der Zusammenstellung und Prüfung derselben wird der Kommission zufallen, welche damit einzelne Mitglieder, wo möglich den Hauptreferenten unter Zuziehung der Redaktoren zu beauftragen haben würde. Außerdem würden die Bemerkungen der einzelnen Regierungen zu erwägen sein. Der danach in zweiter Lesung festgestellte Entwurf wäre alsdann dem Bundesrathe zur weiteren legislativen Behandlung zu übergeben. Die Kommission hat sich zugleich über die Art und Weise, wie die Revision und Ergänzung des Handelsgesetzbuchs zu Stande zu bringen sein würde, geäußert, und hierfür einen besonderen Weg als passend bezeichnet. Man würde nicht gleich von vorn herein eine Kommission ernennen, sondern für die neu einzureihenden Theile, Versicherungsrecht, Verlagsrecht und Recht der Binnenschifffahrt, Redaktoren bezeichnen, einen für jeden Theil oder auch für mehrere Theile. Die Entwürfe würden dann durch Juristen und nicht juristische Sachverständige gutachtlich zu berathen sein. Nach Beendigung dieser Vorarbeit und Vollendung des ersten Entwurfs des Civilgesetzbuchs wäre eine Kommission zur Aufstellung des neuen Gesammtentwurfs des Handelsgesetzbuchs zu berufen, welcher zur Erzielung der erforderlichen Uebereinstimmung und Gleichmäßigkeit die Redaktoren der neu bearbeiteten Theile des Handelsrechts und Mitglieder der Kommission für das Civilgesetzbuch, namentlich der Hauptreferent und der Redaktor des Obligationenrechts, anzugehören hätten. Diese zweite Kommission hätte durch ihren Hauptreferenten den Entwurf einschließlich der sonst noch aus dem Reichsrechte hineinzuziehenden Theile (Genossenschaftsrecht, literarisches Eigenthum u.s.w.) fertig stellen zu lassen, die von den Redaktoren gelieferten Arbeiten über die neu kodifizirten Theile festzustellen, und demnächst den vorhandenen und ergänzten Grundstock des Handelsrechts unter Zuziehung von Sachverständigen zu berathen. Nach beendigter erster Lesung hätte auch hier die Veröffentlichung und die Mittheilung an die Regierungen zu erfolgen. Die zweite Lesung würde ohne Zuziehung der Sachverständigen erfolgen. Nach diesen Erörterungen hat sich der Ausschuß zu folgendem Antrage geeinigt: Der Bundesrath wolle beschließen: 1) Die in dem Gutachten der in den Sitzungen vom 28. Februar und 19. März d. J. (§§. 130 und 174 der Protokolle) gewählten Kommission über Plan und Methode, welche bei der Aufstellung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu befolgen sind, enthaltenen Ansichten und Vorschläge werden im Allgemeinen gebilligt. 2) Die zur Entwerfung des Gesetzbuchs zu berufende Kommission hat aus elf Mitgliedern zu bestehen, welche vom Bundesrathe mit Stimmenmehrheit gewählt werden. Aus der Zahl derselben wird der Vorsitzende vom Reichskanzler ernannt. 3) Die Kommission hat ihren Sitz in Berlin, wo die mit der Redaktion beauftragten Mitglieder während der Arbeit ihren ständigen Aufenthalt nehmen. 4) Die Kommission regelt ihren Geschäftsgang und bleibt ihr überlassen, die in der Anlage des Gutachtens vom 15. April d. J. enthaltenen Vorschläge als Anhaltspunkte zu benutzen. 5) Die weitere Bestimmung über Zusammensetzung der mit Aufstellung des Entwurfs des deutschen Handelsgesetzbuchs zu beauftragenden Kommission bleibt vorbehalten. 198

C. Die Einsetzung der l. Kommission durch den Bundesrat

6) Die Revision der Gesetzgebung über die Aktiengesellschaften ist mit der Revision des Handelsgesetzbuchs zu verbinden. (gez.) Friedberg. Dr. Schmitt. Held. Spitzemberg. Neidhardt. v. Liebe. Krüger13. II. Protokoll der Bundesratssitzung vom 22. 6.1874 §. 328 (S. 230): Der VI. Ausschuß hat unter Nr. 78 der Drucksachen Bericht erstattet, betreffend 1. das Gutachten der zur Berathung des Planes und der Methode für die Aufstellung des Entwurfes eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches gewählten Kommission (Nr. 53 der Drucksachen); 2. die Verhandlungen über die Reform der Gesetzgebung über das Aktienwesen Auf den Vortrag des Wirklichen Geheimen Raths von Liebe wurde beschlossen: 1. Die in dem Gutachten der in den Sitzungen vom 28. Feburar und 19. März d. J. (§§. 130 und 174 der Protokolle) gewählten Kommission über Plan und Methode, welche bei der Aufstellung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu befolgen sind, enthaltenen Ansichten und Vorschläge werden im Allgemeinen gebilligt. 2. Die zur Entwerfung des Gesetzbuchs zu berufende Kommission hat aus elf Mitgliedern zu bestehen, welche vom Bundesrathe mit Stimmenmehrheit gewählt werden. Aus der Zahl derselben wird der Vorsitzende vom Reichskanzler ernannt. 3. Die Kommission hat ihren Sitz in Berlin, wo die mit der Redaktion beauftragten Mitglieder während der Arbeit ihren ständigen Aufenthalt nehmen. 4. Die Kommission regelt ihren Geschäftsgang und bleibt ihr überlassen, die in der Anlage des Gutachtens vom 15. April d. J. enthaltenen Vorschläge als Anhaltspunkte zu benutzen. 5. Die weitere Bestimmung über Zusammensetzung der mit Aufstellung des Entwurfs des deutschen Handelsgesetzbuchs zu beauftragenden Kommission bleibt vorbehalten. 6. Die Revision der Gesetzgebung über die Aktiengesellschaften ist mit der Revision des Handelsgesetzbuchs zu verbinden. 7. Den berichtenden Ausschuß zu ersuchen, mit thunlicher Beschleunigung die nach Nr. 2 zu wählenden elf Mitglieder dem Bundesrathe in Vorschlag zu bringen. Ein von dem Großherzoglich badischen Bevollmächtigten gestellter Antrag, in Ziffer 3 die Worte „wo die mit der Redaktion beauftragten Mitglieder während der Arbeit ihren ständigen Aufenthalt nehmen" zu streichen, erhielt nicht die Zustimmung der Mehrheit. III. 1. Bericht von Krüger (Lübeck) vom 30. 6. 1874 über die Sitzung des Justizausschusses am 30.6.187414 In der heutigen Sitzung des Justizausschusses wurden von Seiten des Unter-StaatsseDie hier genannten Mitglieder des Justizausschusses vertraten in der Reihenfolge der Unterzeichnung folgende Bundesstaaten: Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Hessen, Braunschweig, Lübeck. Zitiert nach StA Hamburg, Senatskom. f. d. Justiz-Verwaltung, I A a, l vol. 1. 199

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cretairs Dr. Friedberg15 Namens des Justizministers Leonhardt für die Kommission zur Ausarbeitung des Civilgesetzbuches folgende Personen vorgeschlagen: I. und 2. die Professoren Dr. v. Windscheid in Heidelberg (Romanist) und Dr. Roth in München (Germanist), 3. Appellations-Rath Derscheid in Colmar, zur Vertretung des Rheinischen (französischen) Rechts, 4. Oberhandelsgerichtspräsident Dr. Pape in Leipzig, 5. Obertribunalrath Johow, Berlin, 6. Appellationsrath Planck, Gelle, 7. Geh. Rath Kurlbaum II, vortragender Rath im Justizministerium, Berlin, 8. Ministerialrath Schmidt, München, 9. Ober-Appellationsgerichts-Präsident von Weber, Dresden, 10. Ober-Tribunaldirector von Kübel, Stuttgart, II. Ministerial-Rath Gebhardt, Carlsruhe. Außerdem wurden von anderer Seite in Vorschlag gebracht: 12. Ober-Appellationsgerichts-Präsident a. D. Siebenhaar (Sachsen)16, 13. Hofgerichtsrath Weber (Hessen)17, 14. Ober-Appellations-Rath von Amsberg (Mecklenburg)18, 15. Appellations-Rath Agricola (Thüringen)19, 16. Obergerichts-Rath Dr. Baumeister (Hamburg)20. Die Ausschußberathung, an der auch Mecklenburg21 Theil nahm, begann damit, daß jeder Bevollmächtigte für seinen Candidaten plaidine. Da aber Niemand sich weiter hervorwagte, erlaubte ich mir, den Preußischen Vorschlag von seiner principiellen Seite zu critisiren, indem ich hervorhob, daß die Candidaten Nr. 3 und 4 den Preußischen Stimmen zugerechnet werden müßten, letztere also nahezu die Hälfte aller Stimmen in Händen hätten. Dadurch erlange Preußen ein zu großes Uebergewicht in der KomUber diesen vgl. oben S. 33 Fn. 33. Wegen der unter den Ziff. 1 — 11 vorgeschlagenen Personen vgl. oben S. 72 ff. 16 Eduard Siebenhaar (geb. 1806 in der Niederlausitz, gest. 1893; über S. vgl. Pagenstecher in ADB Bd. 54, S. 336f.) war seit 1856 an den Arbeiten zum sächs. BGB befaßt (über dieses schrieb er Monographien und Kommentare); Mitglied der Dresdener Kommission; Verf. der Schrift: „Ideen über die Abfassung eines BGB", Dresden 1874; Siebenhaar war im Justizdienst tätig, zuletzt Rat am Oberappellationsgericht Dresden, seit 1869 dessen Vice-Präsident. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1873 bis zu seinem Tode wissenschaftlich und schriftstellerisch tätig. August Weber (geb. 1828, gest. 1900 in Darmstadt) war zunächst im hess. Justizdienst tätig; seit 1875 im Ministerium des Innern beschäftigt, von 1884 ab Präsident des Finanzministeriums, von 1890-1898 Finanzminister des Großherzogt. Hessen. Julius von Amsberg (geb. 1830 in Dobbertin-Mecklenburg; gest. 1930 in Schwerin; zuerst im praktischen Justizdienst tätig; 1866 ins Justizministerium einberufen; 1872 Oberappellationsrat; 1874—1876 Direktor im Reichskanzleramt; ab 1877 im Justizministerium mit der Einführung der Reichsjustizgesetze in Mecklenburg befaßt; 1879 LG-Direktor in Güstrow; von 1893 -1904 Justizminister von M.-Schwerin. 19 Über Agricola ließ sich nichts ermitteln. 20 Über diesen oben Entstehungsgeschichte, Fn. 52. 21 Ohne Stimmrecht. 200

C. Die Einsetzung der l. Kommission durch den Bundesrat

mission. Unbillig scheine es mir, daß in einer Kommission von eilf Mitgliedern nur die fünf großen Staaten vertreten, sämmtliche kleineren Staaten aber unberücksichtigt geblieben seien. Jedenfalls liege kein Grund vor, Elsaß-Lothringen vor anderen Bundesstaaten eine Vertretung zu gewähren, da das Rheinisch-französische Recht ohnehin schon durch Baden vertreten sei. Endlich äußerte ich meine Bedenken gegen die Person des Appellations-Gerichtsrath Planck, der fast ganz erblindet und aus diesem Grunde auszuschließen sei, wenn auch seine hervorragende juristische Begabung nicht bestritten werden solle. Nach einer längeren Diskussion über die Prinzipien und Personen wurde über die letzteren einzeln abgestimmt, und meinem Antrage entsprechend die Wahl des Appellationsgerichts-Rath Derscheid mit 4 gegen 3 Stimmen22 abgelehnt; dagegen wurden die anderen Vorschläge Preußens angenommen, der des Appellations-Rath Planck mit 5 gegen 2 Stimmen . Es kam mir noch darauf an, an Stelle Derscheids eine der übrigen fünf vorgeschlagenen Personen zu wählen. Nachdem das pro und contra der einzelnen Kandidaten nochmals discutirt war, hatte ich die Genugthuung, für Dr. Baumeister zu der meinigen noch drei Stimmen (Bayern, Sachsen und Braunschweig) zu gewinnen, während die übrigen Vorgeschlagenen in der Minderheit blieben. Demzufolge wurde Dr. Baumeister in den Vorschlag des Ausschusses aufgenommen und die Liste sofort dem Staatsminister Delbrück mitgetheilt. Es wird nun davon abhängen, ob der Justizminister Leonhardt sich bei dem Beschlüsse des Ausschusses beruhigt. Dr. Friedberg hat mir versprochen, zu dem Ende sein Möglichstes aufzubieten. Sollte Preußen im Bundesrathe gegen Dr. Baumeister stimmen, so würde er schwer durchzubringen sein. Denn ich darf Ew. Hochwohlgeboren nicht verhehlen, daß die Eifersucht sich zu regen beginnt, und man eine Bevorzugung darin erblicken will, daß Hamburg binnen kurzer Zeit zum dritten Male in wichtigen Justiz-Kommissionen24 eine Vertretung erlangt, die den meisten kleineren Staaten einschließlich Hessens bisher versagt blieb. 2. Bericht von Perglas (Bayern) vom 30. 9. 1874 über die Sitzung des Justizausschusses am 30. 6. 18742? . . . Herr v. Liebe referirte über den bezüglichen Bundesrathsbeschluß und vertrat zugleich die Vorschläge der Landesregierungen, die ihm zugegangen waren, so von Seite Mecklenburg für die Wahl des Herrn Amsberg26, von Hamburg Herrn Baumeister27, dann eines Candidaten, den Weimar für die Thüringischen Staaten beantragte28 . . ., endlich Badens für Herrn Gebhard29 und das persönliche Gesuch des Herrn 22

Für Derscheid stimmten Preußen, Lübeck und Württemberg. Ablehnend Lübeck; von wem die zweite Gegenstimme stammt, ist nicht feststellbar. Welche Justizkommission im einzelnen gemeint waren, läßt sich nicht genau feststellen: Hamburg war vertreten in der StPO-Kommission von 1873 durch Mittelstadt (Oberstaatsanwalt), in der KO-Kommission von 1874 durch Albrecht (Präses des Hamburger Handelsgerichts); in der CPO-Kommission von 1871/1872 war Hamburg nicht vertreten. 25 Geh. StA München MA 76 707/1. 26 Vgl. obenFn. 18. 27 Vgl.obenFn.30. Agricola(vgl. obenFn. 19). Über Gebhard und die folgenden zu Mitgliedern der l. Kommission gewählten Juristen vgl. die Kurzbiographien S. 72 ff. 201

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Siebenhaar30, eines k. sächsischen bekannten Juristen und Beamten, nun außer Dienst. Der Vorsitzende, Unterstaatssekretär Herr Friedberg31, ergriff hierauf für die allgemeine Einleitung der Sache das Wort. Vor der Sitzung hatte ich noch persönlich mit ihm Rücksprache gepflogen, wie schon gestern mit Herrn Delbrück, nachdem ich Euer Excellenz geehrte Depesche vom 28. ds. Nr. 230 erhalten hatte32, und ist mir von dem Präsidenten des Reichskanzler-Amtes die bündigste Zusicherung für die Wahl der beiden bayerischen Candidaten in die Commission ertheilt worden, wovon ich Hochdieselben mit heutiger Mittagspost privatim bereits benachrichtigt habe. Herr Friedberg leitete seinen Vortrag ein mit Hinweisung zuerst auf die Wahl aus dem Kreise der Professoren und Wissenschaft und rühmte hiefür die hohe Geltung und Autorität im deutschen Privat- und im römischen Rechte des Herrn Paul von Roth in München, und Herrn Windscheid in Leipzig (z. Zt. noch in Heidelberg), welche Herren zu bezeichnen und zu empfehlen er sich beschränken müsse, obwohl auf preußischen Universitäten gewiß noch viel hervorragende Namen aufzuführen sein würden, und diese Universitäten unlieb berührt sein werden, wenn sie nicht in Betracht gezogen würden, die beschänkte Zahl von 11 Mitgliedern in der Commission erlaube aber keine weiteren Vorschläge auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft und aus dem Kreise der Professoren. Dann meinte Herr Friedberg, es entspräche der Aufgabe des Bundesraths, ein Mitglied der Commission aus den Reichslanden (Elsaß-Lothringen) zu wählen, und nannte den Appellationsgerichts-Rath in Colmar, Derscheid, früher in preußischen Diensten in der Rheinprovinz, wie denn auch indicirt sei, aus den höchsten Reichsbeamten zu wählen, wofür er den Präsidenten und Excellenz von Pape nannte, und für Vertretung der übrigen drei preußischen Rechtsgebiete die Herren: Johow, Obertribunalrath in Berlin, den Appellationsgerichts-Rath Planck in Celle und den vortragenden Rath im Justizministerium dahier, Kurlbaum II, namhaft machte, mit Hervorhebung der hohen Befähigung dieser Herren. Endlich empfahl der Vorsitzende mit gleicher Wärme und Anerkennung der Berechtigung für Vertretung in der Commission für Bayern den Ministerialrath Dr. Schmitt, für Sachsen den Herrn von Weber, für Württemberg den Herrn von Kübel, für Baden den Herrn Dr. Gebhard. Dr. Friedberg beklagte, daß mit der Aufstellung dieser Kandidaten sich die Liste abschließen müsse, indem die Zahl von 11 Mitgliedern der Commission hiemit erschöpft werde. Er bemerkte schließlich, daß es nicht Sache des Ausschusses sei, für das erste und zweite Stadium der Commission zu wählen, indem der Commission überlassen bleibe, sich in diesen zu theilen, und anerkannte, daß der künftige Vorsitzende der Commission den ständigen redaktionellen Mitgliedern in derselben die juristischen und sachgemäßen Hülfsarbeiter beizugesellen und für ihre Auswahl gleich bei Constituirung der Commission Sorge zu treffen habe, die für die Bearbeitung der einzelnen Materien denselben in der Sache erforderlich sein werden. Herr Friedberg verhehlte nicht das Mißliche, den obersten Handelsgerichtshof auf Jahre ohne seinen Präsidenten lassen zu müssen, meinte aber, daß hiebei das Reichsinteresse für die hohe Aufgabe der Commission den Vorzug vor jeder anderen Erwägung erhalten müsse. Ich habe im Laufe der Diskussion, die nun folgte, nun das Won ergriffen, um meine Anwesenheit im Ausschusse zu motiviren und die Vorschläge meiner Regierung geeignet zu empfehlen. — Von Hessen wurde beantragt, den Hofgerichtsrath Weber in die Commission zu wählen. — Dr. Krüger gab der Erwägung anheim, ob die „Preußische" 30 31

VghobenFn. 16. Über Friedberg vgl. oben S. 33. Mitteilung über die Nominierung von v. Roth und v. Schmitt zu Kommissionsmitgliedern.

202

C. Die Einsetzung der l. Kommission durch den Bundesrat

Vertretung, die eigentlich aus 5 Mitgliedern bestehe, nicht doch allzuhoch gegriffen sei, und beantragte dringend, sich auf die Wahl nur eines Mitgliedes für rheinisches (französisches) Recht beschränken, daher auf die des Herrn Derscheid in Colmar verzichten zu wollen, und vertrat dann die Ansprüche für den Obergerichtsrath Baumeister in Hamburg. Auch gegen Planck, der fast erblindet ist, sprach sich der Vertreter Lübecks sehr lebhaft aus, dem entgegen Dr. Friedberg betonte, daß ungeachtet dieser Infirmität Justizminister Leonhardt diesen ausgzeichneten Rechtsgelehrten fortwährend in erster Linie stelle und zu Berathung ziehe, und hielt an dem Vorschlage seiner Wahl entschieden fest. — Endlich wurde zur Abstimmung geschritten. Ihr Ergebniß beehrte ich mich bereits Eurer Excellenz telegraphisch zur Kenntniß zu bringen. — Einstimmig wurden gewählt die Herren: Schmitt, v. Roth, Windscheid, v. Pape, Kurlbaum II, Johow, Weber, Kübel; — Gebhard mit allen Stimmen gegen Eine, Planck mit 5 gegen 2 — Derscheid in Colmar aber blieb in der Minderheit.33 Es wurden dann die noch beantragten Candidaten zur Wahl gebracht, und schließlich von ihnen nur Baumeister mit 4 Stimmen gewählt. Im Ausschusse erhob sich von keiner Seite Widerspruch, die Plenar-Sitzung zur Beschlußnahme über die Anträge des Ausschusses schon morgen oder übermorgen abzuhalten, wenn sie hiefür anberaumt werden wolle34.

IV. 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. 7.1874 §. 346 (S. 243): Der Wirkliche Geheime Rath von Liebe berichtete mündlich über die vom VI. Ausschuß auf Grund des Beschlusses im § 328 Nr. 7 der Protokolle35 wegen der Wahlen für die mit Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs zu beauftragende Kommission gemachten Vorschläge. Nachdem ein Antrag des Minister-Residenten Dr. Krüger, die Kommission aus 12 Mitgliedern zusammen zu setzen, mit Stimmenmehrheit abgelehnt war, wurde beschlossen, folgende Juristen zu Mitgliedern der Kommission zu wählen: 1. Appellationsgerichtsrath Derscheid in Colmar, 2. Ministerialrath Dr. Gebhard in Carlsruhe, 3. Ober-Tribunalrath Johow in Berlin, 4. Ober-Tribunal-Direktor Dr. von Kübel in Stuttgart, 5. Geheimen Justizrath und vortragenden Rath Kurlbaum II. in Berlin, 6. Reichs-Oberhandelsgerichts-Präsident, Wirklichen Geheimen Rath Dr. Pape in Leipzig, 7. Appellationsgerichtsrath Planck in Celle, 8. Ordentlichen Professor Dr. von Roth in München, 9. Ministerialrath Dr. Schmitt in München, 10. Präsident des Ober-Appellationsgerichts von Weber in Dresden, 11. Professor Dr. von Windscheidt in Heidelberg.

Zu den Stimmverhältnissen vgl. auch oben Fn. 22,23. Perglas fügt noch hinzu, daß ihm Krügers Bemerkungen über das „preußische Uebergewicht in der Kommission begründet" erscheine, er aber nicht gegen die preußischen Vorschläge votiert habe. 203

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2. Bericht von Perglas (Bayern) vom 2. 7.1874 über die Sitzung des Bundesrates am 2. 7.187435 . . . Zu Nr. 6b36 ergriff der Königlich Preußische Justizminister Herr Leonhardt das Wort und bemerkte ungefähr folgendes: „Ich bin einverstanden mit den Wahl-Vorschlägen des Ausschusses mit Ausnahme eines Punktes, indem für die Königlich Preußische Regierung aus politischen und sachlichen Gründen nöthig erscheint, daß ein Mitglied in die Commission gewählt werde, welches unter der Herrschaft des code civil dienstlich thätig gewesen ist". Der Minister erinnerte dann an die Anhänglichkeit der Rheinländer an das französische Gesetz und zugleich an die seit 1866 erfolgte andere Strömung in den Rheinprovinzen für eine deutsch-nationale Rechtsentwicklung: Wenn jetzt ein Vertreter des rheinischen Rechts nicht in diese Commission gewählt werde, würde es bedenkliche Folgen haben, die äußeren Schwierigkeiten dürfe man nicht vermehren. Es sei zu erwägen, daß der Code civil eine große Rechtsschöpfung sei, die in Deutschland für 7 Millionen Einwohner Geltung habe, daher der Code aller Beachtung erfordere. — Geibs37 Angriffe gegen die rheinischen Rechtsgelehrten seien für diese Commission nicht entscheidend pp.; bei Berathung der Concurs-Ordnung38 werde der Mangel eines rheinischen Juristen in der Commission empfindlich vermißt. Gebhard von Carlsruhe genüge nicht in dieser Richtung, da das badische Recht nicht als Code-civil-Recht anerkannt werden könne, und wenn Dr. Gebhard geeignet wäre zur Vertretung des Code civil, würden die 7 Millionen Rheinländer doch Anspruch auf zwei Vertreter behalten. Er verwies dann auf die zu empfehlende Wahl des Appellationsgerichts-Rathes Derscheid in Colmar und auf das gebotene politische Interesse der Vertretung des Reichslandes39. Die Interessen von Hamburg müßten hiebei ganz in Hintergrund treten; der Reichstag würde sich nicht wenig übel berührt fühlen, wenn Rheinisches Recht so unvertreten in der Commission bliebe. Damit schloß vorerst Herr Leonhardt seine Bemerkungen. Dr. Krüger erwiderte40, 35

Geh. StA München MA 76 707/1; der Bericht von Krüger vom 2. 7. 1874 ist gegenüber diesem Bericht weniger ergiebig. Er wird, soweit notwendig, in den Fn. in Auszügen wiedergegeben. Der Tagesordnung. Die Angriffe sind enthalten in dem Werk: „Die Reform des deutschen Rechtslebens", 1848. — Karl Gustav Geib (geb. 1808 in der Rheinpfalz, gest. 1864) wurde 1836 ao., 1842 ordentlicher Prof. in Zürich (für Strafrecht und Proxcß), seit 1851 in Tübingen. Geibs Hauptwerk ist eine Geschichte des römischen Strafprozeßrechts (1842). 38 Vgl. hierzu Landau, in: Vom Reichsjusti/.amt zum Bundesministerium der Justiz, 1977, S. 183. 9 Nach dem Bericht von Krüger hat Leonhardt im Ausschuß darauf hingewiesen, er dürfe zu einem großen Fehler (d. h. der Übergebung der rheinischen Juristen bei der Wahl der Kommissionsmitglieder) nicht schweigen. Krüger faßt in seinem Schreiben nach Lübeck seine Argumente wie folgt zusammen: „Ich stellte diesem Antrage das schon im Ausschuß zur Geltung gebrachte Moment gegenüber, daß .es unpolitisch sei, in einer so zahlreichen Commission die kleineren Staaten ganz unberücksichtigt zu lassen und selbst hinter Elsaß-Lothringen zurückzustellen. Das Rheinische Recht sei ohnehin durch Baden, Baiern (Pfalz) und auch den Präsidenten Pape vertreten, der Chef des Cassationshofes für Elsaß-Lothringen und genau mit dem code civil bekannt sei. Ueberdies habe das französische Recht seine Bedeutung weniger dem materiellen Gehalt, als der Form, der Methode der Codification zu verdanken, sein Einfluß auf die deutsche Rechtsbildung könne daher nur eine beschränkte sein. Auch scheine es mir billig, aus einem großen und mannigfaltigen Verkehrsleben heraus einen Juristen in eine Commission zu berufen, die Fragen zu lösen habe, welche tief in die Verkehrsverhältnisse einschneiden. Ich erinnerte an die allgemeinen Lehren, die Fortsetzung der Fußnote auf Seite 20) 204

C. Die Einsetzung der 1. Kommission durch den Bundesrat

daß er „beklage", daß der Herr Justizminister sich nicht der vorgeschlagenen Liste anschließen wolle. — Er könne nicht billigen, daß nur 5 Staaten Deutschlands in der Commission vertreten sein würden, und fände es nicht passend, daß alle übrigen Staaten hinter dem Reichslande zurückstehen müßten. Pape sei auch Kenner des rheinischen Rechts, ebenso die beiden von Bayern in Vorschlag gebrachten Juristen. Dann lobte der Vertreter von Lübeck die hohe Befähigung des Dr. Baumeister und suchte die Berechtigung Hamburgs für eine Vertretung in der Commission zur Geltung zu bringen. „Ein wenig Seeluft", meinte Dr. Krüger, könne der Commission nicht schaden, und sei dem Süden gegenüber der Norden nicht ausreichend in der Commission vertreten! Darauf replizirte Minister Leonhardt, daß er geglaubt habe, Berlin sei im Norden Deutschlands gelegen, jedenfalls, wenn Herr Krüger dies nicht anerkenne, würde er zugeben, daß Hannover zu Norddeutschland gehöre, von wo Planck aus Celle berufen werde. Er könne nicht anerkennen, daß Pape, Schmitt und Roth als Vertreter des rheinischen Rechts gelten könnten, Pape würde vielleicht aber als ein Gegner desselben am Rheine betrachtet werden wollen. Nachdem Dr. Krüger noch den Versuch machte, die vorgeschlagene Wahl des Dr. Planck von Celle in die Commission zu Gunsten des Dr. Baumeister rückgängig zu machen, nahm Herr Leonhardt entschieden Partei für Planck, den er als „unübertroffen in legislativer Beziehung" bezeichnete, und behielt sich die Freiheit vor, falls dessen Wahl nicht erfolgen sollte, an seine Stelle einen anderen, aber einen preußischen Juristen in Vorschlag zu bringen, da Preußen wohl berechtigt sei, durch drei Mitglieder in der Commission vertreten zu werden. Alles dieses sprach der Justizminister mit sehr scharfem Tone, und formulirte dann seinen Antrag dahin: „anstatt Dr. Baumeister den Derscheid in Colmar in die Commission zu wählen". Dr. Krüger brachte nun in Vorschlag, die Commission auf 12 Mitglieder zu erhöhen, welchem Ansinnen aber wiederum Herr Leonhardt sehr entschieden entgegentrat, und ergriff auch der Vorsitzende41 das Wort dagegen, so daß schließlich der Antrag Krügers fast einstimmig abgelehnt wurde. Herr Delbrück constatirte endlich zum Schlüsse der nicht erquicklichen und langen Debatte, die ich hier nur flüchtig zu skizziren mich beehrte, daß kein Widerspruch gegen die 10 Mitglieder erhoben worden sei, die von dem Ausschusse in Vorschlag für die Commission gebracht seien (. . .), und daß nur bezüglich eines vorgeschlagenen Mitgliedes ein Antrag zu Gunsten einer anderen Wahl vorliege, und ließ über den Antrag des Justizministers abstimmen, der die Majorität erhielt, so daß anstatt Dr. Baumeister der Rath Derscheid gewählt ist. Dagegen stimmten alle kleinen Staaten, die vertreten waren durch die Herrn Krüger, von Liebe und von Bülow, doch stimmte auch der k.sächsische Bevollmächtigte gegen den Antrag. Ich gab selbstverständlich bei obwaltender Sachlage und in Rücksicht der guten Unterstützung, die Bayern für seine Vorschläge von Preußen erhalten hatte, mein Votum für den Antrag des Ministers Leonhardt. . . . Grundsätze des Pfandrechts, das Obligationenrecht, welches die Grundlage für das ganze Handelsrecht bilde, die Regelung der ehelichen Güterrechte, deren Rückwirkung auf die kaufmännischen und industriellen Creditverhältnisse von großer Tragweite sei u.s.w. Ein solches Mitglied scheine mir geradezu unentbehrlich. — Ueberhaupt müsse ich darauf aufmerksam machen, daß, wenn dem Antrage des Justizministers entsprochen werde, von den eilf Commissionsmitgliedern 6 dem südlichen und 5 dem mittleren Deutschland angehören würden; der Norden mit seinen Rechts- und Lebensanschauungen sei unvertreten. Ich knüpfte hieran den Antrag, Derscheid als zwölftes Mitglied in die Kommission zu wählen ..." 41 Delbrück. 205

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs I. Verhandlungen über Vorfragen (1874-1880) 1. Protokoll der ersten Sitzung vom 17. 9.1874 (anwesend: alle Kommissionsmitglieder, Schriftführer Neubauer) Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung um 12 Uhr. Derselbe bewillkommnete die Kommission und sprach die Ueberzeugung aus, daß dieselbe Alles, was in ihren Kräften stehe, thun werde, um dem ihr gewordenen höchst ehrenvollen ebenso schwierigen als wichtigen Auftrage thunlichst bald zu entsprechen. I. Es wurde sodann zunächst erörtert, daß die Beschlüsse des Bundesrathes vom 22. Juni d. J.1 es nicht unzweifelhaft erscheinen lassen, in wie weit die Vorschläge der Vor-Kommission vom IS"" April d. J.2 als für die jetzige Kommission bindende und maßgebende anzusehen sind und daß, wenn den Vorschlägen gefolgt würde, der Vorschlag zu VII unter Zahl l, für das erste Stadium der Berathungen einer Ergänzung bedürfen möchte. Behufs näherer Erwägung dieser wichtigen Vorfrage und Stellung von bezüglichen Anträgen wurde der Ober-Tribunal-Direktor Dr. von Kübel zum Referenten bestellt. II. Ferner soll in Gemäßheit des Beschlusses des Bundesrathes unter Nr. 4, eine Geschäftsordnung, zunächst nur für das erste Stadium der Berathungen, und möglichst kurz, entworfen werden. Zum Referenten hierfür wurde der Ministerial-Rath Dr. Schmitt bestellt. III. Die nächste Sitzung wurde, um den Herrn Referenten genügende Zeit zur Vorbereitung zu lassen, auf den 19. September Vormittags 10V2 Uhr anberaumt. 2. Protokoll der zweiten Sitzung vom 19. 9.1874, Schriftführer Neubauer I. Zur Geschäftsordnung wird vom Referenten beantragt: die Geschäftsordnung anzunehmen, wie solche die Anlage l ergiebt3. Generell wurde dazu nichts erinnert. Zu § 3 wurde bemerkt, daß diese Vorschrift sich nicht auf die Wahl der Redaktoren bezieht. Zu § 4 Nr. 3 wurde vorgeschlagen, diesen Absatz zu fassen: „3. die Bezeichnung des Gegenstandes der Berathung". Beschlossen wurde, den Absatz zu fassen: „ „3. den Gang der Verhandlung im Allgemeinen." " Mit dieser Maßgabe wurde die Geschäftsordnung, wie beantragt, angenommen, nachdem darauf hingewiesen war, daß dieselbe nur für das erste Stadium der Berathungen maßgebend sein solle. 1

Vgl. oben S. 199. Vgl.obenS. 170ff. 3 Die Anlagen werden im Anschluß an das Protokoll mitgeteilt. 2

206

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Einige Mitglieder behielten sich für die künftige sachliche Erörterung Anträge wegen Aufnahme der Motive in die Protokolle vor. Zu § 5 wurde gewünscht, daß in der nächstfolgenden Sitzung das noch nicht vervielfältigte Protokoll der vorangegangenen Sitzung aufliegen soll. Als selbstverständlich wurde angenommen, daß, wer sprechen will, vom Vorsitzenden das Wort zu erbitten hat und daß es dem Vorsitzenden überlassen bleibt, die Sitzungen anzuberaumen. II. Die Anträge des Ober-Tribunal-Direktors Dr. von Kuebel über die Bedeutung der Vorschläge und Ansichten der Vor-Kommission — Anlage 2 — sind dahin formulirt, daß A. die Annahme der zusammengestellten Vorschläge der Vor-Kommission beantragt wird, B. beantragt wird, 1. die Feststellung von Umfang und System des Gesetzbuchs in den Hauptgrundzügen, 2. die Verständigung über Form und Sprachweise, 3. die Entscheidung über die etwaige Benutzung bereits vorliegender Gesetzgebungs-Arbeiten als Grundlage für einzelne Theile des Entwurfs, und 4. die vorläufige Verständigung über, für die Ausarbeitung aller oder mehrerer Haupttheile des Entwurfes maßgebende Gesichtspunkte, überall nach Vorbereitung der Berathung durch Referenten. Die Kommission einigt sich auf Vorschlag des Vorsitzenden dahin: daß ohne prinzipielle Beschlußfassung darüber, in wie weit die Vorschläge der VorKommission zufolge der Beschlüsse des Bundesraths für bindende zu erachten sind, an den Grundprinzipien der Vor-Kommission dahin festzuhalten ist, daß kein vorhandenes Gesetzbuch und kein vorhandener Entwurf die Grundlage der Berathung sein soll, daß vielmehr aus dem Schooße der Kommission selbst ein den Berathungen zu Grunde zu legender Vor-Entwurf hervorzugehen hat, und zwar soll dieser Vor-Entwurf durch verschiedene, mit Ausarbeitung der Theilentwürfe zu beauftragende Redaktoren verfaßt werden. Im Anschluß an den Vorschlag der Vor-Kommission zu VII, l 4 und den Antrag des Referenten zu B. l, wurde beschlossen, einen Referenten und einen Korreferenten zu ernennen, welche über den Umfang des zu entwerfenden Gesetzbuchs, — über die Zahl der Redaktoren und die Abgrenzung der einzelnen Redaktionsgebiete, so wie über das zu Grunde zu legende System in seinen Hauptgrundzügen und so weit es zur Abgrenzung der Redaktionsgebiete erforderlich, Bericht erstatten sollen. Als Referent wurde Präsident von Weber, als Korreferent Appellationsgerichtsrath Planck erwählt. Dagegen wurde beschlossen, keinen Referenten zur Beschlußfassung über die Form und Sprachweise des Gesetzbuchs zu ernennen. Die Kommission ist aber dahin einig, daß die Redaktoren sich, was die juristische Terminologie angeht, möglichst der deutschen Sprache bedienen sollen, so weit es, ohne in Purismus zu verfallen, oder die Verständlichkeit zu beeinträchtigen, ausführbar, und daß dieselben sich, abgesehen von den Fällen, wo reglementarische Bestimmungen zu geben sind, möglichster Kürze befleißigen und von Kasuistik frei halten sollen. 4

Vgl. oben S. 182 f. 207

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Ueber den Antrag zu B. 3 soll nicht generell, sondern erst auf Vorschlag der zu ernennenden Redaktoren befunden werden. Auch zu B. 4 des Antrags wurde beschlossen, maßgebende Gesichtspunkte für die Ausarbeitung des Entwurfs erst festzustellen, nachdem darüber die Redaktoren auf Grund der Information über die bestehenden Rechte berichtet haben werden. III. Die Kommission hält für erforderlich, daß geprüft werde, ob nicht außer den von der Vor-Kommission vorgeschlagenen Maßregeln noch andere Maßregeln möglich und nöthig sind, um zu verhindern, daß die Theilentwürf e Widersprechendes enthalten, oder doch der Harmonie entbehren. Auch sollen die Redaktoren jedenfalls verpflichtet werden, die die Materie beherrschenden Prinzipien der Entscheidung der Kommission zu unterbreiten, bevor sie an die Einzeln-Arbeiten gehen. Ferner soll geprüft werden, ob die Redaktoren zu regelmäßigen Besprechungen zu veranlassen sind, — ob sie zu einer S üb-Kommission zu vereinigen, — ob nicht schon von vornherein, — und jedenfalls vor Beginn der Berathung der Theilentwürfe durch die Kommission ein Haupt-Referent zu ernennen ist. Ober-Tribunal-Direktor Dr. von Kuebel wurde behufs Entwerfung einer desfallsigen Instruktion für die Redaktoren zum Referenten bestellt. Diese Instruktion soll jedoch erst nach erfolgter Beschlußfassung zu II zur Berathung gestellt werden. IV. Mit Rücksicht auf die erforderliche Vorbereitung der beiden Referenten wird die nächste Sitzung auf Dienstag den 22. September, Vormittags 10V2 Uhr, anberaumt. Anlage Nr. l: Anträge zur Geschäftsordnung von Schmitt § l Die zu stellenden Anträge müssen dem Vorsitzenden in schriftlicher Fassung vorgelegt werden. Soweit es angeht, werden die eingebrachten Anträge schon vor der Sitzung, in welcher sie zur Berathung gelangen sollen, vervielfältigt und sämmtlichen Mitgliedern der Commission mitgetheilt. § 2 Die Beschlüsse der Commission werden von den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern mit Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. § 3 Die Wahl der Referenten erfolgt auf Vorschlag des Vorsitzenden mittelst Vereinbarung oder, in Ermangelung einer solchen, durch Abstimmung in der Commission. § 4 Das Protokoll soll nur enthalten: 1. Die Bezeichnung der in der Sitzung anwesenden Mitglieder der Commission und des Schriftführers, 2. die geschäftlichen Mittheilungen, 3. den Gang der Diskussion im Allgemeinen, 4. die gestellten Anträge, 5. die Ergebnisse der Abstimmungen. Auf Antrag ist die Stimmenzahl, mit welcher ein Beschluß gefaßt ist, zu bemerken. § 5 Das Protokoll einer jeden Sitzung ist von dem Vorsitzenden und dem Schriftführer zu unterzeichnen. Eine Verlesung und Feststellung des Protokolls in der Sitzung findet nur auf Antrag statt. 208

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Die Protokolle werden vervielfältigt und empfängt jedes Mitglied zwei Exemplare derselben. gez. Dr. Schmitt, Referent Anlage Nr. 2: Anträge Dr. von Kübel Referent betrachtet als seine Aufgabe, festzustellen 1. ob und inwieweit die Kommission durch den Beschluß des Bundesrathes an die von der Vorkommission bezüglich der Geschäftsbehandlung gemachten Vorschläge als gebunden zu betrachten sei, 2. ob und inwieweit sich in denjenigen Richtungen, in welchen der Hauptkommission die Regelung ihres Geschäftsganges überlassen ist, die Vorschläge der Vorkommission zur Annahme empfehle, 3. was im Falle ihrer Annahme demnächst zu geschehen hätte. Dagegen hat Referent nicht als in den Kreis seiner jetzigen Aufgabe fallend betrachtet, eventuell jetzt schon materielle Anträge bezüglich der der Kommission in dem jetzigen Stadium ihrer Arbeiten zunächst zufallenden Aufgaben zu stellen. Referent geht von folgenden Sätzen aus: I. Der Beschluß des Bundesrathes in Ziffer l5, wodurch die Ansichten sowohl als die Vorschläge der Vorkommission über Plan und Methode, welche bei Aufstellung des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches zu befolgen seien, im Allgemeinen gebilligt werden, spricht hiermit diese Billigung ebensowohl bezüglich des Inhalts des Gutachtens, als bezüglich der formulirten Vorschläge der Vorkommission aus. II. Für die Auslegung des Bundesrathsbeschlusses ist, da solcher dem Antrage des Justizausschusses durchaus entspricht, dessen Bericht von maßgebender Bedeutung. III. Der Bericht des Justizausschusses spricht aus, daß im Ganzen den Ausführungen der Vorkommission nur beigepflichtet werden könne (S. 2)6 und daß insbesondere die in Bezug auf die geschäftliche Behandlung der ganzen Aufgabe gemachten formulirten Vorschläge für sachgemäß zu erkennen seien (S. 12)7. In diesem Sinne muß daher auch die von dem Justizausschusse beantragte und von dem Bundesrath hiernach beschlossene Billigung der Ansichten und Vorschläge der Vorkommission verstanden werden. IV. In Ziffer 2 und 3 des Bundesrathsbeschlusses ist mit bindender Wirkung für die Hauptkommission ausgesprochen, 1. daß das bürgerliche Gesetzbuch von dieser Kommission zu entwerfen ist, 2. daß zu diesem Zwecke Mitglieder der Kommission mit der Redaktion zu beauftragen sind, 3. daß die Kommission ihren ständigen Sitz in Berlin habe und die mit der Redaktion beauftragten Mitglieder während der Arbeit daselbst ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen haben. V. Aus Ziffer 4 des Bundesrathsbeschlusses, wonach der Hauptkommission bei der ihr zugewiesenen Regelung ihres Geschäftsganges überlassen ist, die formulirten Vor5

Vgl. oben S. 199.

6

Vgl. oben S. 187. 7 Vgl. oben S. 197 f.

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Materialien zur Entstehung des BGB schlage der Vorkommission als Anhaltspunkte zu benutzen, folgt, daß im Uebrigen die Hauptkommission an diese Vorschläge nicht formell gebunden ist. Indem aber der Bundesrath in Ziffer l seines Beschlusses sich mit den Ansichten und Vorschlägen der Vorkommission im Allgemeinen einverstanden erklärt und letztere als im Ganzen sachgemäß erkannt hat (oben Ziffer III), muß hierin die Voraussetzung ausgesprochen gefunden werden, daß die Hauptkommission bei Regelung ihres Geschäftsganges nicht ohne zwingende Gründe von jenen Vorschlägen abgehen werde. VI. Als maßgebend für die geschäftliche Behandlung der Arbeit hat die Vorkommission neben der Rücksicht auf die Erzielung eines allen berechtigten Anforderungen möglichst entsprechenden Werkes die weitere Rücksicht auf möglichste Beschleunigung der Arbeit zur Erreichung jenes Zieles betrachtet. Von den als denkbar sich darbietenden Hauptwegen zu diesem Ziele: 1. Bearbeitung des Entwurfes durch einen Rechtsgelehrten, oder 2. durch mehrere unabhängig von einander arbeitende Rechtsgelehrte, in beiden Fällen mit nachfolgender Berathung durch eine Kommission, 3. Ausarbeitung des Entwurfes durch die Kommission selbst, oder 4. Aufstellung des Entwurfes durch die Kommission mit Vertheilung der Redaktionsarbeiten untere mehrere aus der Kommission zu wählende, von dieser abhängige und durch sie unter sich verbundene Redaktoren, hat die Vorkommission den letzteren Weg als den, den maßgebenden Rücksichten verhältnißmäßig am meisten entsprechenden erkannt. VII. Dieser Grundgedanke der Vorschläge der Vorkommission hat in den Ziff. 2 und 3 des Bundesrathsbeschlusses Anerkennung mit für die Hauptkommission bindender Wirkung gefunden (oben Ziffer IV). Nur die Art der Durchführung im Einzelnen ist der Regelung der Hauptkommission, unter Berücksichtigung der Vorschläge der Vorkommission als Anhaltspunkte, überlassen. VIII. Die Vorschläge der Vorkommission unterscheiden folgende Stadien des Geschäftsganges: 1. Einleitung der Gesammtarbeit durch vorläufige Bestimmung von Systemen, Umfang, Form und Sprechweise des Gesetzbuches, sowie durch vorläufige Verständigung, über leitende Gesichtspunkte; sodann Vertheilung der Redaktionsarbeiten unter einzelne Mitglieder der Kommission; 2. Bearbeitung der einzelnen Haupttheile des Entwurfes durch die Redaktoren unter Verpflichtung derselben zu gegenseitiger Verständigung vermittelst freier Besprechungen, sowie zur Einholung der Entscheidung der Commission über, die einzelnen Haupttheile beherrschende Prinzipien, sowie über wesentliche Meinungsverschiedenheiten unter den Redaktoren; 3. Berathung der entworfenen Haupttheile durch die Kommission mit gleichzeitiger Ausscheidung der in den allgemeinen Theil und in das Einführungsgesetz zu verweisenden Bestimmungen; 4. Entwerfung des allgemeinen Theiles und des Einführungsgesetzes und Zusammenfassung des Ganzen durch einen (wo möglich aus der Mitte der Redaktoren zu wählenden) Hauptreferenten; 5. Berathung der diesfälligen Anträge des Hauptreferenten durch die Commission und schließliche redaktionelle Feststellung des Entwurfes durch dieselbe auf den Vortrag des Hauptreferenten.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

IX. Die Annahme dieser, auch von dem Justizausschuß des Bundesrathes im Ganzen als sachgemäß erkannten und von dem Bundesrath im Allgemeinen gebilligten Vorschläge durch die jetzige Commission wird beantragt. X. Den Bedenken, welche der von der Vorkommission vorgeschlagenen und von dem Bundesrath beschlossenen Theilung der Redaktionsarbeiten unter mehrere Redaktoren unleugbar entgegenstehen, soll durch die Zuweisung der Einleitung der ganzen Arbeit an die Commission und die dieser vorbehaltene Entscheidung von Differenzen und Feststellung von leitenden Prinzipien, durch die Verpflichtung der Redaktoren zu gegenseitiger Verständigung durch freie Besprechungen und endlich durch die in die Hände des Hauptreferenten gelegte Zusammenfassung des Ganzen, soweit überhaupt möglich, begegnet werden. Einen weiteren Antrag weiß Referent in dieser Beziehung nicht zu stellen. XL Zu den einleitenden und grundlegenden Arbeiten der Haupt-Commission im ersten Stadium gehören nach den Vorschlägen der Vorcommission, wie sie von dem Referenten in Ziffer VIII und IX bevorwortet sind, 1. die Feststellung von Umfang und System des Gesetzbuches in den Hauptgrundzügen, 2. die Verständigung über Form und Sprechweise, 3. die Entscheidung über die etwaige Benutzung bereits vorliegender Gesetzgebungsarbeiten als Grundlagen für einzelne Theile des Entwurfes und 4. die vorläufige Verständigung über, für die Ausarbeitung aller oder mehrerer Haupttheile des Entwurfes maßgebende Gesichtspunkte. Zum Zwecke der Berathung dieser Punkte durch die Commission erscheint weitere Vorbereitung durch Referenten unumgänglich und zwar dürfte sich die Aufstellung von mehr als einem Referenten empfehlen. Die Priorität wird der Feststellung von Umfang und System des Gesetzbuches gebühren, da hierdurch der Beschluß über die Art der Vertheilung der Arbeit unter die Redactoren bedingt ist. gez. Dr. von Kübel

3. Protokoll der dritten Sitzung vom 22. 9. 1874, Schriftführer Neubauer I. Das Protokoll der beiden früheren Sitzungen wurde verlesen, und mit einigen Abweichungen genehmigt. II. Es wurde beschlossen, im Protokoll die Namen der Antragsteller in der Regel und die Bezeichnung „Herr" stets wegzulassen. III. Zur Erörterung wurden zunächst gestellt die Anträge der beiden Referenten, den Umfang des bürgerlichen Gesetzbuchs betreffend, welche lauten, wie die Anlage Nr. 38 ergiebt. Der Passus l, wonach das bürgerliche Gesetzbuch das ganze materielle Privatrecht umfassen soll, wird einstimmig angenommen. Der Passus 2, wird dahin angenommen, daß er heißt:

Die Anlage wird im Anschluß an das Protokoll mitgeteilt. 211

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„ „Ausgeschlossen und der Ordnung durch das neue Handels-Gesetzbuch überlassen bleiben: a) das den Gegenstand der Wechselordnung und des jetzigen Handelsgesetzbuchs bildende Recht, einschließlich des Rechts der Aktiengesellschaften, b) das den Gegenstand der Seemanns-Ordnung und der seerechtlichen Spezialgesetze bildende Recht, c) das Recht der Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaft, d) das Binnenschifffahrtsrecht, e) das gesammte Versicherungsrecht, f) das Verlagsvertragsrecht." " Daran wird weiter angeschlossen die Bestimmung: „ „3. Ausgeschlossen bleiben ferner: a) das Urheber-Recht, das Recht des Patent-, Marken-, und Muster-Schutzes, b) die Bankgesetzgebung, vorbehaltlich der in das bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmenden Bestimmung über Inhaber-Papiere, c) das Post- und Telegraphenrecht, d) das Bergrecht, vorbehaltlich der künftigen Prüfung der Frage, wie weit einzelne dessen Gebiete angehörende Bestimmungen in das bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen seien." " Der Passus zu 2 i und 2k der Anträge wird gestrichen. Der Satz 4 der Anträge wird wörtlich angenommen, wie er vorgeschlagen ist, und also beschlossen: „„Ausgeschlossen bleibt ferner das Lehnrecht und das Recht der Stammgüter, vorbehaltlich der künftigen Entscheidung der Frage, ob diese Institute ferner zuzulassen, und welche Stellung ihnen eventuell zu den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs zu geben sei." " Der Satz 5 der Anträge wird angenommen, und nur in Absatz b das Wort „ablösbaren" gestrichen, so daß derselbe nunmehr lautet: „ „Der späteren Entscheidung der Commission bei Berathung des Sachenrechts und bezüglich des Erbrechts bleibt vorbehalten, in Betreff a) des Erbpachtrechts, Erbzinsrechts und der Emphyteusis, b) des Rechts der Reallasten und der Bann- und Zwangsrechte, c) des Näherrechts, d) des in einzelnen Theilen des Deutschen Reichs bestehenden besonderen bäuerlichen Güterrechts, e) der Familienfideikommisse, festzustellen, ob diese Institute ganz oder theilweise zu beseitigen, eventuell ob und in wie weit dieselben in dem bürgerlichen Gesetzbuche zu ordnen seien, oder die Ordnung der Landesgesetzgebung zu überlassen sei." " Satz 6 der Anträge wird in folgender Fassung angenommen: „„Raum zu lassen innerhalb näher zu erwägender Grenzen ist der Landesgesetzgebung für das Forstrecht, das Wasserrecht einschließlich des Mühlen-, Flötz- und Flößereirechtes, das Fischereirecht, das Jagdrecht, das Deich- und Sielrecht, das Bau- und Nachbarrecht, das Recht der Gemeinheitstheilungen, der Ablösungen von Reallasten, Dienstbarkeiten und Zwangs- und Bann-Rechten, das Recht der Zusammenlegung von Grundstücken, das Enteignungsrecht und das Gesinderecht." " 212

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Der Schlußpassus der Anträge zu 6 wird gestrichen. IV. Die nächste Sitzung wird auf Mittwoch, den 23. September Vormittags 10V2 Uhr anberaumt. Anlage Nr. 3: I. „Anträge, den Umfang des bürgerlichen Gesetzbuchs betreffend" von Weber, Planck 1. Das bürgerliche Gesetzbuch soll sich auf das gesammte bürgerliche Recht erstrekken, mit den nachfolgenden Ausnahmen und näheren Bestimmungen. 2. Ausgeschlossen und der Ordnung durch das neue Handelsgesetzbuch oder durch Spezial-Reichsgesetze überlassen bleiben: a) das den Gegenstand der Wechselordnung und des jetzigen Handelsgesetzbuchs bildende Recht, einschließlich der Aktiengesellschaften, b) das den Gegenstand der Seemannsordnung und der seerechtlichen Spezialgesetze bildende Recht, c) das Recht der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, d) das Binnenschifffahrtsrecht, e) das gesammte Versicherungsrecht, f) das Recht des Patent-, Marken- und Musterschutzes, g) die Bankgesetzgebung, vorbehaltlich der in das bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmenden Bestimmungen über Inhaberpapiere, h) das Post- und Telegraphenrecht, i) das Eisenbahnrecht, vorbehaltlich der Frage über Aufnahme der den Gegenstand des Gesetzes vom 7. Juni 1871 über Verbindlichkeit zum Schadenersatz pp. bildenden Bestimmungen, k) die Gewerbeordnung, 1) das Urheber- und Verlagsrecht. 3. Ausgeschlossen von der Kodifikation im bürgerlichen Gesetzbuch bleibt das Bergrecht, vorbehaltlich der künftigen Prüfung der Frage, wieweit einzelne dessen Grenzen berührende Bestimmungen in das Immobiliar-Sachenrecht aufzunehmen seien. 4. Ausgeschlossen bleibt ferner das Lehnrecht und das Recht der Stammgüter, vorbehaltlich der künftigen Entscheidung der Frage, ob diese Institute ferner zuzulassen, und welche Stellung ihnen — eventuell zu den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs zu geben sei. 5. Der späteren Entscheidung der Kommission bei Berathung des Sachenrechts und bezüglich des Erbrechts bleibt vorbehalten, in Betreff a) des Erbpachtrechts, Erbzinsrechts und der Emphyteusis, b) des Rechts der (ablösbaren) Reallasten und der Bann- und Zwangsrechte, c) des Näherrechts, d) des in einzelnen Theilen des Deutschen Reichs bestehenden besonderen bäuerlichen Güterrechts, e) der Familienfideikommisse festzustellen, ob diese Institute ganz oder theilweise zu beseitigen, eventuell ob und 213

Materialien zur Entstehung des BGB

inwieweit dieselben in dem bürgerlichen Gesetzbuche zu ordnen oder der Landesgesetzgebung zu überlassen seien. 6. Raum zu lassen ist der Landesgesetzgebung für das Forstrecht, das Wasserrecht einschließlich des Mühlen-, Flötz- und Flößereirechts, das Fischereirecht, das Jagdrecht, das Deich- und Sielrecht, das Bau- und Nachbarrecht, das Recht der Gemeinheitstheilungen und der Zusammenlegung von Grundstücken, das Enteignungsrecht und das Gesinderecht. Ob und inwieweit jedoch demungeachtet die privatrechtlichen Grundprinzipien dieser Institute sich zur gemeinschaftlichen Regelung im bürgerlichen Gesetzbuche eignen, ist der speziellen Berathung des Sachen- und beziehentlich, was das Gesinderecht anlangt, des Forderungsrechts zu überlassen. 7. Inwieweit die privatrechtlichen Bestimmungen einzelner Reichsgesetze in das bürgerliche Gesetzbuch unverändert oder mit Modifikationen aufzunehmen, imgleichen, wieweit die in dem Entwurfe der bürgerlichen Prozeßordnung und der Concursordnung enthaltenen privatrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen und in das bürgerliche Gesetzbuch unverändert einzureihen oder beziehentlich abzuändern seien, ist der künftigen Beschlußfassung bei Berathung der einzelnen einschlagenden Rechtsmaterien vorzubehalten. gez. von Weber. Planck. 4. Protokoll der vierten Sitzung vom 23. 9. 1874, Schriftführer Neubauer I. Die Anträge der beiden Referenten, den Umfang des bürgerlichen Gesetzbuchs betreffend (Anlage 3) zu 7, werden angenommen, jedoch in folgender Fassung: „ „In wie weit die privatrechtlichen Bestimmungen einzelner Reichsgesetze in das bürgerliche Gesetzbuch unverändert oder mit Modifikationen aufzunehmen, ingleichen, wie weit die in dem Entwurfe der bürgerlichen Prozeßordnung und der Konkursordnung enthaltenen privatrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen, und in das bürgerliche Gesetzbuch unverändert einzureihen, oder abzuändern seien, oder in wie weit solche Bestimmungen besonders in Kraft zu erhalten, ist der künftigen Beschlußfassung bei Berathung der einzelnen einschlagenden Rechtsmaterien und des Einführungsgesetzes vorzubehalten." " II. Die Anträge des Referenten, betreffend das System des bürgerlichen Gesetzbuchs und die Vertheilung der Redaktionsarbeiten enthält die Anlage Nr. 5, die Abänderungsanträge des Correferenten zu einzelnen bezüglichen Anträgen die Anlage Nr. 49. Satz l des Antrages in Anlage 5 wurde nach Streichung des ersten Absatzes dahin angenommen: „ „Das bürgerliche Gesetzbuch hat zu zerfallen in A. einen allgemeinen Theil, B. einen besonderen Theil, nämlich a) das Sachenrecht mit Einschluß des Pfandrechts, und das Recht des Besitzes, b) das Obligationenrecht, wobei vorbehalten bleibt die definitive Beschlußfassung, welcher terminus technicus (Recht der Forderungen, Recht der Schuldverhältnisse) zu wählen, aus einem allgemeinen und einem besonderen Theile bestehend, 9

Die Anlagen werden im Anschluß an das Protokoll mitgeteilt.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

c) das Familienrecht (insbesondere Eherecht, Verhältniß zwischen Eltern und Kindern, Vormundschaftsrecht) vorbehaltlich der Beschlußfassung darüber, ob und in wie weit auch das sogenannte Personenrecht anzureihen, und ob dann die allgemeine Bezeichnung „Familienrecht" zu ändern, d) Erbrecht." " Der Satz zu 2) des Antrages ist nur dahin angenommen worden: „ „Die Vertheilung der Arbeit unter die zu bestellenden Redaktoren erfolgt in folgender Weise:" " Satz 3) des Antrages wurde gestrichen, ohne damit über die Zahl der Redaktoren zu präjudiciren, und unter Vorbehalt der Feststellung der Zeit der Ernennung des HauptReferenten. Die Commission einigte sich demnächst noch dahin, daß die Zahl der Redaktoren höchstens fünf betragen soll, und daß das Sachenrecht nur von einem Redaktor bearbeitet werden soll. III. Zur Beschlußfassung darüber, welche anderen Materien außer den vorgenannten noch im Gesetzbuche zu behandeln seien, wird Geheim-Rath Windscheid einen Vorschlag entwerfen. Anlage Nr. 4: „Abänderungsanträge zu den Anträgen sub II., betreffend das System des bürgerlichen Gesetzbuchs und die Vertheilung der Redaktionsarbeiten"10 von Planck ad 3. 1. An Stelle von Nr. 3 die folgende Bestimmung zu setzen: die Ernennung eines Hauptreferenten bleibt ausgesetzt. ad 4. 2. An Stelle von Nr. 4 folgende Bestimmung zu setzen: Das Sachenrecht, einschließlich der in den Anträgen sub I.3.5.6 erwähnten Fragen, bezüglich des Bergrechts, des Erbpachts-, Erbzinsrechts und Emphyteusis, des Rechts der ablösbaren Reallasten, Zwangs- und Bannrechte, des Näherrechts, imgleichen des Forstrechts, Wasserrechts, Deich- und Sielrechts, Bau- und Nachbarrechts, der Gemeinheitstheilungen und der Zusammenlegung von Grundstücken, auch des Enteignungsrechts, ferner des Jagd- und Fischereirechts, einschließlich auch der allgemeinen Lehren von den Sachen werden in der An unter zwei Redaktoren vertheilt, daß der Eine vorzugsweise das Immobiliarsachenrecht, soweit dasselbe mit der Frage über die Ein- und Durchführung des Grundbuchssystems im Zusammenhange steht, der Andere das Mobiliarsachenrecht zu bearbeiten hat und sie sich im Uebrigen über die Vertheilung des Stoffes unter sich zu verständigen haben. Das Ergebniß dieser Verständigung ist dem Präsidenten der Kommission anzuzeigen. ad 5. 3. An Stelle Nr. 5 folgende Bestimmung zu setzen: Die Bearbeitung des Rechts der Forderungen, sowie die Bearbeitung aller Lehren des allgemeinen Theils, soweit sie nicht nach den Anträgen sub 2 und 4 den Redaktoren anderer Theile überwiesen sind, wird an zwei Redaktoren übertragen, welche sich über die Theilung des Stoffes unter sich zu verständigen haben. Das Ergebniß dieser Verständigung ist dem Präsidenten der Kommission anzuzeigen. ad 6. 4. In dem Antrage sub 6 hinter dem Worte: „Vormundschaft" folgende Worte einzuschalten: 10

Vgl. Anlage Nr. 5, oben S. 216 f. 215

Materialien zur Entstehung des BGB

„sowie das sogenannte Personenrecht (physische Personen, Civilstandsregister, Verschollenheit u.s.w.) mit Ausschluß jedoch der Lehre von juristischen Personen." ad 7. 5. An Stelle der Nr. 7 folgende Bestimmung zu setzen: Das eheliche Güterrecht und das Erbrecht wird unter zwei Redaktoren in der Art vertheilt, daß a) der Eine das eheliche Güterrecht und das Intestaterbrecht, sowie das Lehnrecht, das Recht der Stammgüter, der Familienfideikommisse und das bäuerliche Erbrecht, soweit diese Institute nach den Beschlüssen über den Umfang dieses Gesetzbuchs in Betracht kommen und unter Vorbehalt einer darüber mit dem Redaktor des Immobiliarsachenrechts zu treffenden Verständigung, b) der Andere das übrige Erbrecht zu bearbeiten hat. Eine Verständigung der beiden Redaktoren über eine andere Venheilung des Stoffes unter ihnen, als die hier vorgeschriebene, ist zulässig, das Ergebniß derselben jedoch dem Präsidenten der Kommission anzuzeigen. ad 8. 6. An Stelle von Nr. 8 folgende Bestimmung zu setzen: Sämmtliche Redaktoren haben zugleich die Bestimmungen des Einführungsgesetzes in Betreff der ihnen überwiesenen Theile vorzubereiten. gez. Planck Anlage Nr. 5: II. „Anträge das System des bürgerlichen Gesetzbuchs und die Vertheilung der Redaktionsarbeiten betreffend", von Weber 1. Das System des bürgerlichen Gesetzbuchs hat sich im Allgemeinen an die neuere Doktrin und die neueren Gesetzgebungsarbeiten anzuschließen. Demnach hat das bürgerliche Gesetzbuch zu zerfallen in A. einen allgemeinen Theil, der die allgemeinen, für alle oder mehrere Hauptabschnitte des besonderen Theiles maßgebenden Grundsätze, einschließlich des sogenannten Personenrechts, zu umfassen hat, B. einen besonderen Theil, nämlich a) das Sachenrecht (Besitz, Eigenthum, Pfandrecht, Dienstbarkeiten und übrige dingliche Rechte an fremden Sachen) b) das Forderungsrecht, aus einem allgemeinen und besonderen Theile bestehend, c) das Familienrecht (Eherecht, Verhältniß zwischen Eltern und Kindern, Vormundschaftsrecht) d) Erbrecht. 2. Die Vertheilung der Arbeit unter die zu bestellenden Redaktoren erfolgt im Allgemeinen nach den vier Abtheilungen des besonderen Theiles. 3. Die Aufstellung eines allgemeinen Theiles und eines Einführungsgesetzes durch einen dazu zu bestimmenden Redaktor (Hauptreferent) bleibt bis nach der ersten Berathung der besonderen Theile vorbehalten. 4. Das Sachenrecht wird unter zwei Redaktoren in der Art vertheilt, daß, vorbehaltlich der Verständigung unter einander über die allgemeinen Lehren, a) der Eine vorzugsweise das Immobiliarsachenrecht, einschließlich der Grunddienstbarkeiten, und das gesammte Pfandrecht, so wie die in den auf den Umfang des bürgerlichen Gesetzbuchs bezüglichen Anträgen zu I, 3.5.6 erwähnten Fragen bezüglich des Bergrechts, des Erbpachts-, Erbzinsrechts und Emphyteusis, des Rechts der 216

D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB ablösbaren Reallasten, Zwangs- und Bannrechte, des Näherrechts, ingleichen des Forstrechts, Wasserrechts, Deich- und Sielrechts, Bau- und Nachbarrechts der Gemeinheitstheilungen und der Zusammenlegung von Grundstücken, auch des Enteignungsrechts zu behandeln, b) der Andere das übrige Sachenrecht, ingleichen die in dem Antrage unter I 6 berührte Frage wegen des Jagd- und Fischereirechts zu bearbeiten hat. Eine hiervon abweichende Vertheilung einzelner Materien des Sachenrechts unter diese beiden Redaktoren bleibt der Vereinbarung derselben vorbehalten, ist jedoch dem Präsidenten der Kommission anzuzeigen. 5. Der Redaktor des Forderungsrechts hat das gesammte Forderungsrecht, einschließlich der Lehre von der Schenkung und den Inhaberpapieren, zu bearbeiten. 6. Der Redaktor des Familienrechts hat das Eherecht, mit Ausschluß des ehelichen Güterrechts, das Verhältniß zwischen Eltern und Kindern (ehelichen und außerehelichen) und die Vormundschaft zu behandeln. 7. Der Redaktor des Erbrechts hat das gesammte Erbrecht und das eheliche Güterrecht zu behandeln, auch die in den Anträgen über Umfang des bürgerlichen Gesetzbuchs zu I. 4 bezeichnete Frage wegen des Lehnrechts \und der Stammgüter, so wie die zu I. 5 unter d und e erwähnten Fragen betreffs des bäuerlichen Güterrechts und der Familienfideikommisse unter Verständigung mit dem Redaktor des Immobiliarsachenrechts zu bearbeiten. 8. Jeder Redaktor eines besonderen Theiles hat auch die dem ihm zugetheilten besondern Theile zunächst stehenden, künftig in den allgemeinen Theil zu verweisenden Bestimmungen mit vorzubereiten, vorbehaltlich der Verständigung mit den übrigen Redaktoren. 9. Die Zuziehung von Spezialcommissaren zu Bearbeitung einzelner Rechtsmaterien auf Antrag des damit betrauten Redaktors bleibt der Beschlußfassung der Kommission vorbehalten. gez. v. Weber

5. Protokoll der fünften Sitzung vom 24. 9. 1874, Schriftführer Neubauer I. Bei der fortgesetzten Berathung der Anträge des Referenten, die Vertheilung der Redaktionsarbeiten betreffend, — Anlage 5, — wurden angenommen, der Antrag zu 4 dahin: „„Das Sachenrecht wird von einem Redaktor bearbeitet. Dieser hat zugleich zu behandeln die in den auf den Umfang des bürgerlichen Gestzbuchs bezüglichen Beschlüssen zu 3 d, 4, 5 und 6 berührten Fragen in Betreff des Bergrechts, des Lehnrechts, des Rechts der Stammgüter, des bäuerlichen Güterrechts und der Familien-Fideikommisse, des Erbpachtrechts, des Erbzinsrechts und der Emphyteusis, soweit sie das Sachenrecht angehen, ferner des Rechts der Reallasten, der Zwangs- und Bannrechte und des Näherrechts, imgleichen des Forstrechts, des Wasserrechts, der Fischerei, des Jagdrechts, des Deich- und Siel-Rechtes, des Bau- und Nachbar-Rechtes, der Ablösungen, Gemeinheitstheilungen und der Zusammenlegung von Grundstücken, auch des Enteignungsrechtes;" " der Antrag zu 5 dahin: „ „Ein Redaktor hat das gesammte Obligationenrecht, einschließlich der Lehre von der Schenkung unter Lebenden, und von den Inhaberpapieren, so wie die in den

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Materialien zur Entstehung des BGB Beschlüssen über den Umfang des bürgerlichen Gesetzbuchs unter 6 erwähnte Frage des Gesinderechts zu bearbeiten;" " der Antrag zu 6, — modifizirt, — dahin: „ „Ein Redaktor hat das Familienrecht, insbesondere das Eherecht mit Einschluß des ehelichen Güterrechts, das Verhältniß zwischen Eltern und Kindern, ferner die Rechtsverhältnisse aus außerehelichem Beischlafe und das Vormundschaftsrecht zu bearbeiten ;"" der Antrag zu 7 dahin: „ „Ein Redaktor hat das gesammte Erbrecht zu bearbeiten, auch die in den Beschlüssen über den Umfang des bürgerlichen Gestzbuchs zu 4 bezeichnete Frage wegen des Lehnrechts und der Stammgüter, so wie die zu 5 daselbst unter d und e erwähnten Fragen in Betreff des bäuerlichen Güterrechts und der Familienfideikommisse, soweit sie das Erbrecht angehen, zu behandeln." " Satz 8 und 9 der Anträge des Referenten wurden gestrichen, dagegen wurde der Antrag des Correferenten zu 8 dahin angenommen: „ „Sämmtliche Redaktoren haben zugleich die Bestimmungen des Einführungsgesetzes in Betreff der ihnen überwiesenen Theile vorzubereiten." " II. Die Beschlußfassung über die Vorschläge des Geheim-Rath Windscheid in Betreff der noch außerdem im Gesetzbuche zu behandelnden Materien11 wurde ausgesetzt.

6. Protokoll der sechsten Sitzung vom 26. 9. 1874, Schriftführer Neubauer Bei Erörterung der Frage, welche Rechtsmaterien bei Ernennung je eines Referenten für das Sachen-, Obligationen-, Familien- und Erbrecht, weil sie zu den betreffenden Rechtsgebieten überhaupt nicht, oder doch nicht ausschließlich gehören, oder zu gehören scheinen und deshalb geeignet sind, einem Redaktor besonders zur Bearbeitung überwiesen zu werden, — vorbehaltlich der demnächstigen Entscheidung, ob es rathsam sein werde, den einen oder anderen Gegenstand als dem Gebiete der Rechtswissenschaft angehörend, oder aus anderen Gründen zu übergehen, sowie an welcher Stelle die einschlagenden Rechtsnormen aufzunehmen seien, — wurden unter Zugrundelegung der Zusammenstellung des Referenten in Anlage 612, als solche Rechtsmaterien bezeichnet und bestimmt: „1. Das Recht (sogenanntes Recht im objektiven Sinne) im Besonderen: Gesetz, (lex scripta,) Gewohnheitsrecht, (verbindliche Kraft, Erfordernisse, Beweis,) Autonomie. Privilegien. Zeitliches Gebiet des Rechts (Rückwirkende Kraft). Räumliches Gebiet des Rechts (sogenannte Collision der Statute)". Beschlossen wurde, über das richterliche Prüfungsrecht, in Betreff des verfassungsmäßigen Zustandekommens der Gesetze wegen der überwiegend politischen Bedeutung dieser Frage im Gesetzbuche und in den Motiven Nichts zu sagen. Dem Redaktor wird überlassen, zu prüfen, ob der Staatsvertrag als Rechtsquelle zu erwähnen, — ferner, ob im Gesetzbuche oder im Einführungsgesetze über die Autonomie der Landesherren und des hohen Adels etwas zu bestimmen, — weiter, ob die Materie vom zeitlichen 11 2

Vgl. Anlage Nr. 6 zum Protokoll vom 26.9.1874. Die Anlage wird im Anschluß an das Protokoll mitgeteilt.

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D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB Gebiete des Rechts vielleicht lediglich der Wissenschaft zu überlassen, oder in das Einführungsgesetz zu verweisen, — desgleichen, ob die Materie vom örtlichen Gebiete des Rechts geeignet, darüber etwas in das Gesetzbuch aufzunehmen. Ferner wurden als zu behandelnde Rechtsmaterien angenommen: „2. Die Rechte, wenn man von ihrem besonderen Inhalte absieht, und zwar: a) was das Subjekt der Rechte betrifft, das Personenrecht im engeren Sinne: Beginn und Ende der physischen Persönlichkeit (Rechtsverhältniß des Kindes im Mutterleibe; Constatirung von Geburt und Tod; Verschollenheit; jus commorientium) Rechtsfähigkeit (Einfluß des religiösen Bekenntnisses, der Staatsangehörigkeit, der Ordenseigenschaft pp.) [wobei der Prüfung überlassen bleibt, ob die Reichs-Specialgesetze aufzunehmen, oder im Einführungsgesetze oder im Gesetzbuche zu erwähnen], Handlungsfähigkeit (Einfluß von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand, Interdiktion,) Juristische Personen. b) was die Entstehung und den Untergang (Veränderung) der Rechte angeht: die Rechtsgeschäfte einschließlich der Verträge, Voraussetzungen der Gültigkeit (Ernstlichkeit des Willens, Betrug, Zwang, Irrthum) Heilung der Ungültigkeit, Auslegung, Selbstbeschränkung der Wirkung durch Bedingung, Befristung, Voraussetzung. (Modus.)"

Anlage Nr. 6: Wenn man davon ausgeht, daß das bürgerliche Gesetzbuch zu enthalten habe die Rechtstheile: Sachenrecht, Obligationenrecht, Familienrecht, Erbrecht, so bleiben im Wesentlichen folgende Rechtsmaterien übrig, welche nach der Ansicht des Referenten in einem dieser Rechtstheile ihren Platz nicht finden. 1. Das Recht (sog. Recht im objectiven Sinn). Im Besonderen: Gesetz. Richterliches Prüfungsrecht in Betreff des verfassungsmäßigen Zustandekommens. Beweis. Gewohnheitsrecht. Verbindliche Kraft. Erfordernisse. Beweis. Autonomie. Privilegien. Zeitliches Gebiet des Rechtes. Im Besonderen: Ausschluß der rückwirkenden Kraft. Räumliches Gebiet des Rechts (sog. Collision der Statute oder internationales Privatrecht). 2. Die Rechte, wenn man von ihrem besonderen Inhalt absieht. Und hier im Einzelnen a) was das Subject der Rechte betrifft: Beginn und Ende der physischen Persönlichkeit (Rechtsverhältniß des Kindes im Mutterleib; Konstatirung von Geburt und Tod; Verschollenheit; sog. jus commorientium); Rechtsfähigkeit (Einfluß des religiösen Bekenntnisses, der Staatsangehörigkeit PP-)> Handlungsfähigkeit (Einfluß von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand, Interdiction), Juristische Personen. b) Was die Entstehung und den Untergang (Veränderung) der Rechte angeht: die Rechtsgeschäfte: Voraussetzungen der Gültigkeit, Heilung der Ungültigkeit, Auslegung, Beschränkung der Wirkung durch Bedingung, Befristung, Voraussetzung (Modus), die Verjährung der Ansprüche und die unvordenkliche Verjährung, Regeln über Messung der Zeit, die Restitution (wenn sie anerkannt werden soll).

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Materialien zur Entstehung des BGB

c) Was die Ausübung und Geltendmachung der Rechte angeht: Chikane, Selbsthülfe, sog. Klagenrekurs, Einfluß des Prozesses auf das materielle Rechtsverhältniß: Beginn des Prozesses (Haftung des Beklagten für Früchte und Zinsen und bei Untergang und Beschädigung des Prozeßgegenstandes pp.), Unheil (Veränderung des Rechtszustandes während des Laufes des Prozesses, Rechtskraft), Beweis. gez. von Windscheid

7. Protokoll der siebenten Sitzung vom 28. 9.1874, Schriftführer Neubauer 1. Es wurde in fortgesetzter Berathung der Zusammenstellung in Anlage 6 des vorhergehenden Protokolls beschlossen, daß zu den im Eingange des gedachten Protokolls bezeichneten Materien ferner gehören: zu 2b: „„die Verjährung der Ansprüche (Klagen) und die unordentliche Verjährung; die Regehi über Messung der Zeit; die Restitution (wenn sie anerkannt werden soll.)"" zu 2c: „ „c) Was die Ausübung und Geltendmachung der Rechte angeht: Chikane, Collision der Rechte und sogenannter Klagenkonkurs, Selbsthülfe, Einfluß des Prozesses auf das materielle Rechtsverhältniß, Beginn des Prozesses (Haftung des Beklagten für Früchte und Zinsen, und bei Untergang und Beschädigung des Prozeßgegenstandes pp.), Litigiosität, Unheil (Veränderung des Rechtszustandes während des Laufes des Prozesses; Rechtskraft), Beweis." " II. Es wurde sodann beschlossen, einen fünften Redaktor zu ernennen, welchem die Bearbeitung der vorstehend und im vorigen Protokolle näher bezeichneten Materien, sowie aller derjenigen, eine besondere Bearbeitung verdienenden Materien zu übertragen, welche nicht in das Redaktionsgebiet eines der Redaktoren des Sachen-, Obligationen-, Familien- und Erb-Rechts fallen — ohne Präjudiz für die Entscheidung, ob eine Rechtsnorm aufzunehmen sei, und wo sie ihre Stelle zu finden habe. III. Die Wahl der fünf Redaktoren soll morgen unter Zuweisung der Redaktionsgebiete auf Vorschlag des Vorsitzenden erfolgen. IV. Bei Berathung der Anträge des Ober-Tribunais-Direktor Dr. von Kuebel zur Instruktion für die Redaktoren — Anlage 7 — wurden diese Anträge zu l bis 5 in folgender Fassung angenommen: „ „1. Jeder Redaktor . . . (wie Antrag von Kübel). . . und mit Motiven zu versehen. 2. Die Redaktoren . . . (wie Antrag von Kübel) . . . sowie eine erschöpfende Behandlung des Gesetzgebungsstoffes zu erstreben. 3. Zu den Gegenständen . . . (wie Antrag von Kübel) . . . und Sprachweise des Gesetzbuchs, sowie die für das Ganze oder doch für mehrere Haupttheile der Arbeit maßgebenden Grundsätze und systematischen Anordnungen und die Bestimmung zweifelhafter Grenzen der den einzelnen Redaktoren zugewiesenen Gebiete. Die Besprechungen . . . (wie Antrag von Kübel). 4. Der Präsident der Kommission wird . . . (wie Antrag von Kübel). 5. Mit der Leitung der Sitzungen . . . (wie Antrag von Kübel)." " 220

D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB Anlage Nr. 7: „Anträge zu einer Instruktion für die Redaktoren" von Kübel 1. Jeder Redaktor hat den ihm zugewiesenen Haupttheil des von der Kommission zu entwerfenden bürgerlichen Gesetzbuches auszuarbeiten. 2. Die Redaktoren sind jedoch verpflichtet, sich in regelmäßigen Sitzungen über Form und Inhalt ihrer Arbeiten zu besprechen und gegenseitig zu verständigen und hierdurch eine möglichst einheitliche Auffassung und Formgebung zu erstreben. 3. Zu den Gegenständen, worüber die Redaktoren sich nach Anleitung der von der Kommission aufgestellten allgemeinen Gesichtspunkte zu verständigen haben, gehören insbesondere Form, Sprachweise und System des Gesetzbuches, sowie die für das Ganze oder doch für einzelne oder mehrere Haupttheile der Arbeit maßgebenden Grundsätze und die Bestimmung zweifelhafter Grenzen der den einzelnen Redaktoren zugewiesenen Gebiete. Die Besprechungen sollen sich auf alle Theile der Arbeit, soweit sie zu Zweifeln Anlaß geben, erstrecken und die Förderung einheitlicher Arbeit durch gegenseitigen Gedankenaustausch erzielen. 4. Der Präsident der Kommission wird sich über den Stand der Arbeiten durch zeitweise Theilnahme an den Sitzungen und Besprechungen der Redaktoren in steter Kenn miß erhalten, auf gleichmäßige Förderung der Arbeit und möglichste Ausgleichung von wichtigen Meinungsdifferenzen in angemessener Weise hinwirken und je nach dem Stande der Arbeiten die Einberufung der Kommission verfügen. 5. Mit der Leitung der Sitzungen und Besprechungen der Redaktoren, an welchen der Präsident der Kommission nicht selbst Antheil nimmt, wird von diesem einer der Redaktoren beauftragt, welcher auch die Verbindung zwischen den Redaktoren und dem Präsidenten vermittelt. Für diejenigen Sitzungen der Redaktoren, in welchen der von dem Präsidenten ernannte Stellvertreter desselben selbst referirt, wird von den Redaktoren ein anderer Vorsitzender aufgestellt. 6. Handelt es sich um Entscheidung präjudizieller Fragen durch die Redaktoren, so ist der Präsident der Kommission hiervon zuvor in Kenntniß zu setzen, um dessen Theilnahme an den betreffenden Sitzungen zu ermöglichen. 7. Soweit der einzelne Redaktor der Beihülfe weiterer Kräfte zur Sammlung von Materialien, Erstattung von Gutachten, Ausarbeitung einzelner Spezialtheile oder sonstigen Vorarbeiten bedarf, wird der Präsident der Kommission auf Antrag des Redaktors das Erforderliche einleiten. Bei Aufstellung von Hülfsarbeitern ist insbesondere auf die Vertretung derjenigen Rechtsgebiete Bedacht zu nehmen, welche nicht schon durch die Redaktoren vertreten sind. 8. Die Feststellung des Systems des Gesetzbuches, die Bestimmung der für die Ausarbeitung aller oder einzelner Haupttheile des Entwurfes maßgebenden Gesichtspunkte, sowie die Aufstellung der die einzelnen Haupttheile des Entwurfes beherrschenden Prinzipien hat durch die Kommission zu erfolgen. Die Redaktoren haben daher, nach Vollendung der hierfür erforderlichen Vorarbeiten und ehe sie mit der Durchführung ihrer Arbeit im Einzelnen beginnen, die Entscheidung der Kommission über das System des Gesetzbuches, sowie über die von ihnen vorbereiteten präjudiziellen Prinzipienfragen herbeizuführen und wird nach Vollendung der Vorarbeiten der Präsident den Zusammentritt der Kommission zu diesen Zwecke veranlassen. Auch die Entscheidung über wesentliche Meinungsverschiedenheiten unter den

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Redaktoren bezüglich der Grenzpunkte ihrer Gebiete oder über gemeinschaftliche Lehren während der Dauer ihrer Arbeit bleibt der Kommission vorbehalten, welche zutreffenden Falls je nach Bedürfniß von dem Präsidenten einberufen werden wird. 9. Hat ein Redaktor die ihm zugewiesene Arbeit vollendet, so übergiebt derselbe solche dem Präsidenten, welcher das Weitere zum Zwecke der Berathung durch die Kommission einleiten wird. 10. Die Bestellung des Hauptreferenten und des hierfür, sowie für die Zusammenfügung der Theilentwürfe durch denselben geeigneten Zeitpunktes bleibt künftiger Beschlußfassung der Kommission vorbehalten. gez. Dr. von Kübel. 8. Protokoll der 8. Sitzung vom 29. 9.1874, Schriftführer Neubauer I. Auf Vorschlag des Vorsitzenden wurden zu Redaktoren erwählt: Ober-Tribunalsrath Johow für das Sachenrecht, Oberappellationsgerichts-Rath Planck für das Familienrecht, Ministerialrath Dr. Schmitt für das Erbrecht, Ober-Tribunais-Direktor Dr. von Kuebel für das Obligationenrecht, Ministerialrath Dr. Gebhard für die außer den vorbedachten noch zu behandelnden Materien, 11. Die Anträge der Anlage 7 des vorhergehenden Protokolls zu 6 bis 10 wurden in folgender Fassung angenommen: „ „6. Handelt es sich . . . (wie Antrag von Kübel). 7. Soweit der einzelne Redaktor . . . (wie Antrag von Kübel; statt „einzelner Spezialtheile" heißt es „einzelner Entwürfe"). 8. Die Redaktoren haben nach Vollendung der erforderlichen Vorarbeiten und ehe sie mit der Durchführung ihrer Arbeiten im einzelnen beginnen, die Entscheidung der Kommission über die für die Ausarbeitung aller oder mehrerer Haupttheile des Entwurfs maßgebenden Gesichtspunkte, sowie über die Prinzipien, welche die einzelnen Theile des Entwurfs beherrschen, ferner über die Benutzung der etwa zu Grunde zu legenden Gesetzgebungsarbeiten herbeizuführen und zu dem Ende ihre Anträge dem Präsidenten vorzulegen. Der Präsident wird alsdann unter Mittheilung der Anträge den Zusammentritt der Kommission veranlassen. Auch die Entscheidung . . . (wie Nr. 8 Abs. 3 des Antrags von Kübel). 9. Hat ein Redaktor die ihm zugewiesene Arbeit vollendet, so übergiebt er solche dem Präsidenten, welcher sofort den Entwurf nebst Motiven den Mitgliedern der Kommission mittheilen und das Weitere zum Zwecke der Berathung durch die Kommission einleiten wird. 10. Die Bestellung des Hauptreferenten . . . (wie Antrag von Kübel)" ". III. Es wurde sodann beschlossen, für jetzt die Thätigkeit der Kommission einzustellen. IV. Die Redaktoren werden schon morgen unter Vorsitz des Präsidenten zu einer Berathung zusammentreten. 9. Protokoll der 1. Sitzung von 1875 vom 4. 10.1875, Schriftführer Neubauer 1. Der Vorsitzende der Kommission theilt mit, was bei der Kommission seit deren letztem Zusammentritte vorgekommen ist. Insbesondere wurden erwähnt: 222

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

die Anordnung des Vorsitzenden vom 1. Oktober 187413, die Berufung der Hülfsarbeiter, das Gutachten des Professor Schroeder über eheliches Güterrecht14, die Benutzung des Mommsen'schen Erbrechts-Entwurfs, die Ermittelungen über die Hypothekengesetze der einzelnen deutschen Staaten, bezw. die im Gebrauch befindlichen Hypotheken- (Grund-, Stock- pp.) Bücher, die der Kommission zugegangenen und die für dieselbe angeschafften Bücher, die Beschlüsse der Redaktoren über termini technici und andere Gegenstände. 2. Die Kommission beschließt, daß die Hülfsarbeiter — selbstverständlich ohne Stimmrecht — den Sitzungen der Hauptkommission beiwohnen sollen. 3. Die Geschäftsordnung wird vorläufig beibehalten, wie sie am 19. September v. J. beschlossen worden ist. 4. Die Vorlagen sollen in folgender Reihenfolge zur Berathung gelangen15. 1. die Vorlage des Ministerial-Raths Dr. Gebhard über die Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte, 2. die desselben Redaktors über die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, — im Anschluß daran die Vorlage des Ober-Tribunais-Direktor Dr. von Kuebel, dessen bezüglichen Gegenvorschlag betreffend — , 3. die des Appellationsgerichts-Rath Planck, betreffend die Richtigkeit und Ungültigkeit der Ehe, 4. die des Ober-Tribunals-Rath Johow, betreffend die Erwerbung des Eigenthums an a) Immobilien, b) Mobilien, 5. die desselben Redaktors über die Vindikation der Mobilien, 6. die des Appellationsgerichts-Rath Planck über das eheliche Güterrecht, 7. die des Ministerial-Rath Dr. Schmitt, betreffend: a) die Intestaterbfolge, b) die Testierfreiheit, c) die Testamentsformen, 8. die des Ober-Tribunals-Direktor Dr. von Kuebel bezüglich der Gewährleistung für Mängel bei der Veräußerung von Haustieren. 5. Die Sitzungen der Kommission sollen regelmäßig an den Wochentagen Montag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend (Samstag) — in dieser Woche aber ausnahmsweise noch am Dienstag, Donnerstag und Freitag stattfinden. 6. Die Redaktoren gaben, ein Jeder für sich, eine kurze Mittheilung über den bisherigen Gang und den derzeitigen Stand ihrer Arbeiten. 10. Protokoll der 15. Sitzung von 1875 vom 28. 10. 1875, Schriftführer Neubauer 6. Man war übereinstimmend der Ansicht, daß die gegenwärtigen Berathungen die Zweckmäßigkeit der vorläufigen Feststellung von grundlegenden Prinzipien zur Die Anordnung des Vorsitzenden wird bei den Materialien zu den Konferenzen der Redakoren mitgeteilt, vgl. S. 262. Soweit möglich wird dieses Gutachten zumindest in seinen wesentlichen Teilen bei den Quellen zum Familienrecht mitgeteilt werden. Die Vorlagen werden bei den Quellen zum materiellen Recht im einzelnen mitgeteilt werden. 223

Materialien zur Entstehung des BGB

Genüge ergeben haben, und daß es angezeigt sei, nach Ablauf des Winters die Kommission wieder zusammen zu berufen, um die Berathung und Feststellung solcher Prinzipien fortzusetzen, — zu welchem Ende die Herren Redaktoren zeitig die erforderlichen Anträge zu stellen sich vorbehalten. 7. Der Vorsitzende schloß die Sitzung, indem er der zuversichtlichen Erwartung Ausdruck gab, daß das schwierige Werk, welches die Kommission zu vollenden habe, in nicht allzu ferner Zeit zu Stande kommen werde. 8. Der zweiten Sitzung, sowie allen folgenden Sitzungen wohnten sämmtliche Hülfsarbeiter der Kommission bei.

11. Protokoll der 1. Sitzung von 1876 vom 18. 9. 1876, Schriftführer Neubauer 1. Der Vorsitzende gedenkt dessen, was im Laufe des verflossenen Jahres bei der Kommission vorgekommen ist. Insbesondere wurde erwähnt: a. In der fünfzehnten Sitzung von 1875 wurde der Zusammentritt der GesammtKommission für das nächste Frühjahr in Aussicht genommen; derselbe sei auf den übereinstimmenden Wunsch der Redaktoren unterblieben. b,c,d.... e. Die Redaktoren des Sachen-, Obligationen- und Erbrechts hätten von der Mehrzahl der Regierungen Auskunft gewünscht über die Partikularrechte und die praktische Geltung in Betreff derjenigen Institute, welche in den am 22. September 1874 bezüglich des Umfangs des Gesetzbuchs gefaßten Beschlüssen zu 4., 5. und 6. gedacht sind; nicht minder habe der Redaktor des allgemeinen Theils eine Auskunft bezüglich der Familienstiftungen erbeten. Auch diesem Verlangen habe das Reichskanzler-Amt auf Grund des mitgetheilten Berichts des Vorsitzenden entsprochen. Antworten seien bisher nicht eingegangen. 2. Die Vorlagen sollen in folgender Reihenfolge zur Berathung gelangen: I. zunächst die aus dem Gebiete des Obligationenrechts: 1. die über die Form der Verträge, Nr. l, 2. die über die Tragung der Gefahr beim Kauf, Nr. 7. II. dann die aus dem Gebiete des Familienrechts: 3. die in Betreff der Schuldenhaftung der Ehefrau, Nr. 2, 4. die in Betreff der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau, Nr. 12, 5. die in Betreff der elterlichen Gewalt, Nr. 4, 6. die über die Wirkung der Volljährigkeitserklärung und der Heirath, Nr. 11. III. demnächst die aus dem Gebiete des Sachenrechts: 7. die in Betreff des Pfandrechts an Grundstücken, Nr. 8, 8. die, betreffend die Ansprüche aus dem verlorenen Besitze eines Grundstücks, Nr. 3; IV. weiter die aus dem Gebiete des Erbrechts: 9. die, betreffend die Erwerbung der Erbschaft, die Schuldenhaftung u.s.w., Nr. 5, 10. im Anschluß daran die bezüglich des Besitzes an Erbschaftsgegenständen, Nr. 13, 224

D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB V. die völlig für sich stehenden: 11. die bezüglich der Zwangs- und Bannrechte pp. Nr. 9, 12. die betreffend die Todes- und Lebensvermuthung, Nr. 6. Die Reihenfolge wurde nach Berücksichtigung der von mehreren Seiten geäußerten Wünsche durch Beschluß festgestellt. 3. Die Geschäftsordnung wird wiederum vorläufig beibehalten, wie sie am 19. September 1874 beschlossen worden ist. 4. Die Sitzungen sollen viermal in der Woche am Montag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend, — in dieser Woche aber noch am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend . . ., und zwar um 11 Uhr vormittags stattfinden. 5. Die Redaktoren gaben kurze Mittheilungen über den bisherigen Gang und den derzeitigen Stand ihrer Arbeiten, und zwar dahin: A. Der Redaktor des allgemeinen Theils: Es sei der Entwurf über das Personenrecht aufgestellt; derselbe umfasse die physische Person (Beginn u. Ende der Persönlichkeit, Leibesfrucht, Verschollenheit, jus commorientium, rechtliche Verschiedenheit der Personen pp., Verwandtschaft, Schwägerschaft) und die juristische Person; letztere vorbehaltlich der Regelung der Familienstiftung. Die die physische Person betreffenden Motive seien bearbeitet. Die Vorschriften über Konstatirung von Geburt und Tod ständen noch aus. — Desgleichen sei aufgestellt der Entwurf über die Rechtsgeschäfte (Geschäftsfähigkeit, Form der Willenserklärung, Vertretung, Ernstlichkeit des Willens, Irrthum, Betrug, Zwang, Ungültigkeit, Selbstbeschränkung der Wirksamkeit des Willens). Ueber die Verjährung hege ein von dem Herrn Hülfsarbeiter aufgestellter, eingehend begründeter Entwurf vor, der aber noch der Prüfung und Feststellung im Einzelnen bedürfe. — Der Abschnitt über Ausübung, Verletzung und Schutz der Rechte, insbesondere über den Einfluß des Prozesses auf das materielle Rechtsverhältniß stehe noch aus. — Was das objektive Recht anbelange, so seien die zu fassenden Vorarbeiten über Gesetz im Allgemeinen und die zeitlichen Grenzen desselben beendet, so daß mit der Feststellung der in den Entwurf aufzunehmenden Einzelvorschriften begonnen werden könne, die Vorarbeiten über die Regelung der räumlichen Grenzen des Rechts seien im Laufe. B. Der Redaktor des Sachenrechts: Nachdem er bis zum Beginn der vorigen Herbstsession der Kommission den ersten Abschnitt des Sachenrechts: „Allgemeine Bestimmungen (I. über Sachen; II. des Grundstücksrechts)" und den Abschnitt „Eigenthum" entworfen, habe er nach Beendigung jener Session zunächst die Ergebnisse der damaligen Berathung der sachrechtlichen Vorlagen verwerthet, insbesondere für die Motive. Sodann seien der zweite Abschnitt „Besitz" und der Abschnitt „Pfand- und Hypothekenrecht" in Angriff genommen worden. Die Titel „Sachenbesitz", „Allgemeine Grundsätze der Ersitzung" und „Hypothekenrecht" seien entworfen, und die Motive dazu theils ausgearbeitet, theils vorbereitet. Auf dem Gebiete der besonderen Fragen, deren Erledigung dem Redaktor des Sachenrechts theils allein, theils in Verbindung mit dem Redaktor des Erbrechts, aufgetragen sei, sei das Nachbarrecht nebst Motiven entworfen, wegen der vorzugsweise deutschrechtlichen, mehr oder weniger im Absterben begriffenen Institute eine nähere Auskunft von den Bundesregierungen, und wegen des Bergrechts ein Gutachten von dem Königlich Preußischen Handelsministerium erbeten; zur Erledigung der auf die Zwangs- und Bannrechte bezüglichen Spezialfragen, unter Heranziehung der Real-Gewerbeberechtigungen der Kommission eine Vorlage unterbreitet, über

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Materialien zur Entstehung des BGB

das Familienfideikommiß seien umfassende Vorstudien gemacht, die zu der vorläufigen Aufstellung eines motivirten Entwurfs kodifizirender Bestimmungen geführt hätten, — bevor jedoch die betheiligten Redaktoren sich über die der Kommission zu unterbreitenden Vorschläge schlüssig machen könnten, sei die noch ausstehende Erledigung der erwähnten Auskunftserbittung abzuwarten. Neuerdings sei der Abschnitt „Dienstbarkeiten" in Angriff genommen. C. Der Redaktor des Obligationenrechts: Er habe seit den Kommissionssitzungen des vorigen Jahres zunächst den allgemeinen Theil mit Ausnahme des Abschnittes über die Schuldverhältnisse aus einem Versprechen und unter Vorbehalt der späteren Ergänzung mehrfacher Lücken weiter bearbeitet, vom besonderen Theil den Kauf und Tausch durchgearbeitet, die Kondiktionenlehre vorbereitet und die Schenkung in Angriff genommen. D. Der Redaktor des Familienrechts: Nach Beendigung der vorjährigen Kommissionssitzungen sei zunächst das eheliche Güterrecht in Angriff genommen, und auf Grund der in dem ersten Jahre gemachten Vorarbeiten und der Beschlüsse der Kommission ein Entwurf in zwei Hauptabschnitten, davon einer das gesetzliche, der andere das vertragsmäßige Güterrecht enthalte, ausgearbeitet worden. Die Arbeit habe indessen nicht ganz vollendet werden können, indem der Redaktor einerseits durch längeres Unwohlsein behindert worden, und es andererseits für wünschenswerth gehalten habe, vor dem diesjährigen Zusammentritte der Kommission das ganze Familienrecht insoweit durchzuarbeiten, um beurtheilen zu können, ob und welche Prinzipienfragen der Kommission zur Entscheidung vorzulegen seien. Es sei deshalb die Bearbeitung des ehelichen Güterrechts unterbrochen, und auf Grund der vom Obergerichtsrath Braun gemachten Vorarbeiten zuerst das Vormundschaftsrecht, jedoch unter Beschränkung auf die Vormundschaft über Minderjährige, und dann der Abschnitt von der elterlichen Gewalt bearbeitet worden. Da in dem ersten Jahre außer den Vorarbeiten für das eheliche Güterrecht auch die Lehren von dem Verlöbniß, der Eheschließung, der Ehescheidung und von den Wirkungen der Ehe auf die Person der Gatten, sowie die allgemeinen Grundsätze über das Rechtsverhältniß zwischen Eltern und ehelichen Kindern bearbeitet seien, so sei nunmehr das ganze Familienrecht mit Ausnahme des Abschnitts über das Rechtsverhältniß der unehelichen Kinder, des Abschnitts betreffend die Vormundschaft über Volljährige, und der Abschnitte über Adoption und Einkindschaft durchgearbeitet worden. Der aufgestellte vorläufige Entwurf bedürfe indessen in allen seinen Theilen noch einer gründlichen Revision. Für die Motive sei das Material ziemlich vollständig gesammelt, die Ausarbeitung aber erst in einzelnen Partien vollendet. E. Der Redaktor des Erbrechts: Was die Normen über die Delationsgründe betreffe, so seien jene über Testament und Erbvertrag in Text und Motiven fertig gestellt. Doch sei dieses mit zwei Einschränkungen zu verstehen: Auf die Bestimmungen über Vermächtnisse und Testamentsvollstrecker beziehe sich die Erklärung nicht; diese seien zwar im Texte, nicht aber auch die Motive hierzu, von dem Redaktor selbst endgültig festgestellt. Ferner bedürften auch die fertig gestellten Theile einer allgemeinen Revision nach Erledigung der übrigen noch zu bearbeitenden Theile des Entwurfs. — Anlangend die Intestaterbfolge und das Pflichttheilsrecht, so gelte hierfür das über die Bestimmungen vorn Vermächtniß Gesagte. — Die Bestimmungen über die Erwerbung der Erbschaft und ihre Wirkungen seien in der Bearbeitung begriffen. Er glaube endlich veranlaßt zu sein, für das Einführungsgesetz oder ein besonderes Gesetz eine Anzahl von Kompetenz- und Verfahrensvorschriften, insbesondere betreffend die Rechtsmittel in Verlas226

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

senschaftssachen, zu entwerfen. Solche gehörten zwar in das bürgerliche Gesetzbuch nicht, gleichwohl würden sie in gewissem Maße für dessen Durchführung unerläßlich sein. Der Redaktor des Obligationenrechts bemerkte, daß er die Absicht, eine Vorlage über die Naturalobligation zu bringen, nicht mehr hege, da die Frage nach seiner Ueberzeugung mehr eine Konstruktions- als eine Prinzipienfrage sei. 12. Protokoll der 1. Sitzung von 1877 vom 17. 9. 1877, Schriftführer Neubauer 1. Der Vorsitzende machte Mittheilung von den im Laufe des verflossenen Jahres vorgekommenen Personal-Veränderungen, insbesondere auch von dem Ausscheiden und dem Eintritte zweier Hülfsarbeiter , ferner von dem Eingange verschiedener Petitionen, Vorstellungen und Denkschriften. Derselbe bemerkte, daß im vorigen Jahre nach Beendigung der Berathungen das Gutachten der Königlich Preußischen technischen Deputation für das Veterinärwesen in Betreff der Viehmängel eingegangen sei, und die darüber von ihm erbetenen Aeußerungen der Bundes-Regierungen ihm zumeist schon zugegangen seien, während noch ausstehen die Erklärungen der Regierungen von Bayern, Württemberg, Sachsen-Koburg, Reuß j. L. und Schaumburg-Lippe. Erwähnt wird, daß der Reichskanzler auf Antrag des Redaktors des Obligationenrechts ersucht worden ist, die Bundes-Regierungen zu veranlassen, Auskunft zu ertheilen über gewisse Rechtsnormen in Bezug auf Inhaberpapiere. 2. Es wurde beschlossen, die diesjährigen Vorlagen in folgender Reihenfolge zur Berathung zu stellen: A. Die aus dem Gebiete des Sachenrechts, nämlich die Vorlagen Nr. 5 über das Pfandrecht an Schiffen und Nr. 6 über die Erwerbung der Dienstbarkeitsrechte an Grundstücken und das Verhältniß solcher Rechte zum Grundbuche; B. die Vorlage Nr. 2 über die Vormundschaft; C. die Vorlagen aus dem Gebiete des Erb- und Familienrechts: 1. Nr. 4 in Betreff der Erbverträge, 2. Nr. 7 bezüglich des Erbrechts des überlebenden Ehegatten; D. die Vorlagen aus dem Gebiete des Obligationenrechts: 1. Nr.3 in Betreff der natürlichen Verbindlichkeiten, 2. Nr. l wegen Uebertragung der Forderungen, 3. Nr. 8 bezüglich des Vertragsantrags, 4. Nr. 11 das einseitige Versprechen als Verpflichtungsgrund zur Erfüllung angehend; E. aus dem Gebiete des allgemeinen Theils, die Vorlagen Nr. 9 und 10, die Verjährung betreffend. 3. Die Geschäftsordnung wird bis auf Weiteres beibehalten, wie sie am 19. September 1974 beschlossen worden ist. 4. Die Sitzungen sollen viermal in der Woche, am Montag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend stattfinden, und zwar um 11 Uhr Vormittags. 5. Die Redaktoren berichteten über den bisherigen Gang und den derzeitigen Stand ihrer Arbeiten dahin: A. Der Redaktor des allgemeinen Theils: Seit der Beendigung der letzten Kommissions-Berathungen habe er den Entwurf über die Anspruchsverjährung durchgearbeitet. Derselbe sei auf die sogenannte kurze

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Ausgeschieden waren Braun und Martini, eingetreten v. Liebe und Struckmann.

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Materialien zur Entstehung des BGB

Verjährung ausgedehnt, und auch in dieser Richtung mit Motiven versehen worden. Zu dem (neben dem Entwurfe über das Personenrecht) schon früher aufgestellten Entwurfe über das Rechtsgeschäft seien die Motive des die Bedingungen behandelnden Abschnittes ausgearbeitet und die Lehre von der Stellvertretung einer Revision unterzogen worden. Ferner seien die über den Beweis aufzunehmenden Bestimmungen festgestellt und motivirt worden. Was das objektive Recht anbelange, so sei ein vorläufiger Entwurf über das Gesetz und das zeitliche Gebiet des Rechts aufgestellt, wobei zugleich die Gesichtspunkte erörtert worden seien, welche für die in das Einführungsgesetz aufzunehmenden Uebergangsbestimmungen leitend sein dürften; diese das objektive Recht betreffenden Entwürfe bedürften übrigens noch weiterer Prüfung und der Ergänzung durch Bestimmungen über das Gewohnheitsrecht. In Betreff der räumlichen Grenzen des Rechts seien die sehr umfangreichen Vorarbeiten für den Entwurf und dessen Motive zwar noch nicht vollständig, aber nahezu beendet. — Der Abschnitt über die Standesbeamtung und derjenige über Ausübung und Geltendmachung der Rechte sei (abgesehen von der Beweislehre), noch nicht bearbeitet; desgleichen nicht die Familienstiftung. B. Der Redaktor des Sachenrechts: Der Entwurf des Sachenrechts sei in 9 Abschnitte getheilt, von denen fünf wieder in Titel (2 bis 6 an der Zahl) zerfielen. Es träten noch hinzu zwei Gruppen von Bestimmungen: a) die in das Einführungsgesetz aufzunehmenden, und b) solche das Verfahren in nicht streitigen Rechtssachen, insbesondere in Grundbuchsachen, betreffende Bestimmungen, welche bei der Bearbeitung des Hauptentwurfs als Inhalt eines neben dem bürgerlichen Gesetzbuche und gleichzeitig mit demselben in Kraft tretenden Gesetzes vorausgesetzt seien. Für sämmtliche Abschnitte des Hauptentwurfs und für das Verfahren in Grundbuchsachen betreffenden Bestimmungen liege ein vorläufiger Textentwurf nebst Materialiensammlung für die Motive vor; es fehle jedoch nicht an einzelnen Lücken, deren Ausfüllung aus verschiedenen Gründen noch habe vorbehalten bleiben müssen. Die Ausarbeitung der Motive, mit welcher eine Revision des Textes nach Inhalt und Form Hand in Hand gehe, habe schon vor längerer Zeit begonnen, erstrecke sich auch bereits über einige Abschnitte, schreite aber unerwartet langsam vorwärts, weil die unentbehrliche Auseinandersetzung mit der bestehenden Gesetzgebung und mit der Literatur, selbst wenn man sie auf das Nöthigste beschränke, ungemein zeitraubend sei, zumal vielfach, um den Zug der historischen Entwicklung klarzulegen, auf nicht mehr geltendes und auf ausländisches Recht eingegangen werden müsse. Für das Einführungsgesetz werde bei der Motivirung des Hauptentwurfs das Nöthige vermerkt. Ausgearbeitet könnten die betreffenden Bestimmungen erst werden nach der Fertigstellung des Hauptentwurfs nebst Motiven und der Aufarbeitung der mit dem Pensum des Sachenrechts verbundenen Spezialfragen. — Von den letzteren seien bisher bearbeitet bezw. in der Bearbeitung begriffen diejenigen, welche sich beziehen auf das Bergrecht, das Jagdund Fischereirecht, die Zwangs- und Bannrechte und Realgewerbeberechtigungen, das Nachbarrecht und das Familienfideikommiß. Die Erledigung dieses Theils der ihm gestellten Aufgabe sei verzögert durch das langsame Eingehen der von den Bundes-Regierungen erbetenen Auskünfte. Es fehlen namentlich noch die seinerseits von dem Königlich Preußischen landwirthschaftlichen Ministerium erbetenen Auskünfte. C. Der Redaktor des Obligationenrechts: Die Arbeit sei seit der letzten Zusammenkunft der Kommission nicht so weit vorgeschritten, wie zu wünschen gewesen, und werde sich daraus die Nöthigung ergeben, die Motive kürzer zu arbeiten, da eine Bearbeitung derselben in der Weise, wie die Vorlagen 228

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

es zeigen, unverhältnißmäßig viele Zeit in Anspruch nehme. Vom allgemeinen Theile sei inzwischen das einseitige Versprechen mit Auslobung, Vertrag zu Gunsten Dritter und Inhaberpapieren bearbeitet worden. Der letztere Abschnitt bedürfe noch einer theilweisen Ueberarbeitung nach Beschaffung weiterer Materialien; ferner sei die Cession bearbeitet worden. Im besonderen Theile seien Darlehen, Miete, Pacht, Gebrauchsleihe bearbeitet, dieselben bedürften aber theilweise noch einer Ueberarbeitung. Die Dienstverdingung sei in Angriff genommen, für Mandat seien Vorarbeiten gemacht. D. Der Redaktor des Familienrechts: Auf Grund der in dem vorigen Jahre gefaßten Beschlüsse sei zunächst der Abschnitt des Entwurfes über die elterliche Gewalt einer Revision unterzogen, und in Gemäßheit jener Beschlüsse geändert worden. Sodann sei die Ausarbeitung der Motive des ehelichen Güterrechts in Angriff genommen und sei dabei der Entwurf selbst einer nochmaligen Revision und theilweisen Umarbeitung unterzogen worden. In Betreff des gesetzlichen Güterrechts sei diese Arbeit im Wesentlichen vollendet. Ausgearbeitet sei femer der Abschnitt des Entwurfs über die Vormundschaft für Volljährige und über die Adoption. Ebenso seien die Motive für das ganze Vormundschaftsrecht, und im wesentlichen auch die Motive des Abschnitts von der Adoption fertig gestellt. Rückständig sei hiernach noch die Ausarbeitung der Abschnitte über den Einkindschaftsvertrag und das Rechtsverhältnis der unehelichen Kinder, so wie der Motive zu den Abschnitten von der Eingehung und Auflösung der Ehe, von dem vertragsmäßigen ehelichen Güterrechte und von dem Elternrechte. E. Der Redaktor des Erbrechts: Die nachfolgende Ueberschrift bezeichne den Stand seiner Arbeit. Doch fänden sich hier und da kleinere Lücken, welche noch auszufüllen seien, z. B. bezüglich des Rechtes des Fiskus auf erblose Verlassenschaften u.s.w., ferner seien die nachfolgenden Angaben von der ersten Bearbeitung zu verstehen, welche vor der Drucklegung noch einer genauen Revision bedürfe; endlich müsse der entsprechende Theil des Einführungsgesetzes noch bearbeitet werden. Entwurf. I. Abschnitt. Testament. 1. Titel. Allgemeine Bestimmungen. 2. Titel. Erbeinsetzung. 3. Titel. Vermächtisse und andere Auflagen. 4. Titel. Bestellung von Testamentsvollstreckern. 5. Titel. Errichtung und Aufhebung letzter Willen. (Testament). II. Abschnitt. Einsetzungsvertrag. III. Abschnitt. Berufung aus dem Gesetze. 1. Titel. Gesetzeserben. 2. Titel. Pflichttheilsberechtigte. 3. Titel. Erbverzicht (Verzicht auf das Erbrecht aus dem Gesetze und auf das Pf lichttheilsrecht). IV. Abschnitt. Erwerbung der Erbschaft. Rechtsverhältniß des Erben. 1. Titel. Anfall der Erbschaft. 2. Titel. Erwerbung der Erbschaft. (Verlust). 3. Titel. Rechtsverhältniß des Erben im Allgemeinen. 4. Titel. Nachlaßmasse. 5. Titel. Verbindlichkeiten der Erbschaft. 6. Titel. Auseinandersetzung der Miterben. 229

Materialien zur Entstehung des BGB

Hiervon seien der dritte und vierte Titel des ersten Abschnitts in der Bearbeitung begriffen, alle anderen Abschnitte und Titel im Text und den Motiven fertiggestellt. 13. Protokoll der 21. Sitzung von 1877 vom 20.10.1877, Schriftführer Neubauer ... 3. Nachdem der gegenwärtige Stand der Kommissions-Arbeiten noch einer näheren Besprechung unterzogen, und festgestellt war, daß die Vollendung der Entwürfe nicht unwahrscheinlich erst im Jahre 1879 gelingen werde, nachdem ferner die Ansicht Zustimmung gefunden hatte, es liege im Interesse der Sache, und sei dringend zu wünschen, daß, falls auf die Vollendung der Entwürfe im Jahre 1878 nicht zu rechnen sei, die Hauptkommission spätestens im Herbst 1878 zu einer neuen Berathung zusammentrete, und die Herren Redaktoren für diese Berathung zeitig die nöthigen Vorlagen fertig stellen, erklärte der Vorsitzende die unter dem 27. August d. Js. eingeleiteten, am 17. September begonnenen Berathungen der Hauptkommission für geschlossen. 14. Protokoll der 1. Sitzung von 1878 vom 4.10.1878, Schriftführer Neubauer 1. Der Vorsitzende machte Mittheilung von den seit dem letzten Zusammentritte der Kommission vorgekommenen Personalveränderungen, von dem Eingange verschiedener der Kommission überwiesenen Petitionen und Anträge, sowie von Drucksachen und metallographirten Darstellungen des geltenden Rechtes. Im Anschlüsse an diese Mittheilungen zeigten die Redaktoren des Sachen- und Obligationsrechtes an, daß die von des Herrn Staatssekretärs Excellenz im April d. Js. in Aussicht genommenen Besprechungen und Berathungen über einige Gesetzentwürfe im Juni d. Js. stattgefunden haben17, und in den etwa zwei Wochen dauernden Sitzungen erledigt worden sind. 2. Es wurde beschlossen, die Vorlagen in folgender Reihenfolge zur Berathung zu bringen: A) die Vorlage Nr. 4 über das Gesammtschuldverhältniß; B) die Verträge zu Gunsten Dritter, Vorlage Nr. 11 von 1877; C) die Vorlage Nr. l, Superficies betreffend; D) die Vorlagen Nr. 2 und 3 über das Familienfideikommiß. 3. Die Geschäftsordnung wird auch diesmal so beibehalten, wie sie am 19. September 1874 beschlossen worden ist. 4. Die Sitzungen sollen viermal in der Woche, am Montag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend, jedesmal um 11 Uhr Vormittags, stattfinden. 5. Die Redaktoren berichteten über den Gang und den derzeitigen Stand ihrer Arbeiten dahin: A. der Redaktor des allgemeinen Theils: Seit dem letzten Zusammentritte der Kommission sei seine Arbeit nicht in dem Maße gefördert worden, wie er es gehofft habe. Er sei im Juli d. Js., während er mit der Ausarbeitung einer die Lehre vom Irrthum betreffenden Vorlage beschäftigt gewesen, 17

Über den Inhalt dieser Besprechungen ist nichts Näheres bekannt.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

von einem Unwohlsein ergriffen worden, das ihn vielfach gehemmt und schließlich genöthigt habe, eine Unterbrechung eintreten zu lassen, welche er auf das nothdürftigste Maß beschränkt habe. Dies sei der Grund, welcher ihn leider gehindert habe, die beabsichtigte Vorlage einzubringen. Eine andere Vorlage, welche die Behandlung der Privatvereine mit korporativer Tendenz zum Gegenstande hatte, sei vorbereitet worden, soweit dies vom ihm als Redaktor des allgemeinen Theils habe geschehen können; dieselbe habe aber müssen zurückgestellt werden, weil es nicht mehr gelang, die Verständigung mit dem Herrn Redaktor des Obligationenrechts herbeizuführen, da dessen Zeit von der eigenen Arbeit in Anspruch genommen worden. Die Vorlage habe aber wegen des Zusammenhangs der Materie mit der dem Obligationenrechte angehörigen Behandlung der Kollektivgesellschaft in Gemeinschaft mit diesem Redaktor eingebracht werden sollen. — Anlangend das objektive Recht, so sei der Entwurf über die räumlichen Grenzen des Rechts aufgestellt und mit eingehenden Moiven versehen worden. Die Bestimmungen über den Wohnsitz seien entworfen und motivirt. Die Ausarbeitung der die Lehre vom Rechtsgeschäfte betreffenden Motive, verbunden mit einer Revision des ersten Entwurfs sei fortgesetzt worden, aber noch nicht beendet. Die Abtheilung, welche die Ausübung der Rechte behandele, sei in Angriff genommen. Noch nicht in Angriff genommen sei die Lehre vom Einfluß des Prozesses auf das Rechtsverhältniß (das materielle Aktionenrecht) und über die Standesbeamtung, endlich von der Familienstiftung. Er hoffe, daß es ihm, die Möglichkeit ununterbrochener Arbeit vorausgesetzt, gelingen werde, den Theilentwurf bis zum Ablaufe des nächsten Jahres fertigzustellen. B. der Redaktor des Sachenrechts, welcher im Allgemeinen Bezug nahm auf die im vorigen Jahre von ihm ertheilte Auskunft: In Text und Begründung fertiggestellt seien der erste Abschnitt „Allgemeine Bestimmungen" in seinen beiden Titeln l „Allgemeine Bestimmungen über Sachen" und 2 „Allgemeine Bestimmungen des Grundbuchrechts", der zweite Abschnitt „Besitz" und von dem dritten Abschnitte „Eigenthum", welcher in sechs Titel zerfalle, der größte Theil. Die Begründung zu dem von den Grunddienstbarkeiten handelnden ersten Titel des sechsten Abschnitts und zu dem von dem Pfandrechte an beweglichen Sachen handelnden zweiten Titel des achten Abschnitts sei entworfen, aber noch nicht durchweg festgestellt. Für das Familienfideikommiß und die Superficies seien der vierte und fünfte Abschnitt bestimmt, sofern deren Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch in der gegenwärtigen Sitzung beschlossen werden sollte. Sowohl in Ansehung dieser, als der übrigen Materien (Abschnitt VI Titel 2 „Persönliche Dienstbarkeiten", Abschnitt VII „Reallasten", Abschnitt VIII Titel l „Hypothek" und Titel 3 „Pfandrecht an Rechten", Abschnitt IX „Ordnung der dinglichen Ansprüche bei der Zwangsversteigerung") lägen für die Begründung Vorarbeiten vor, welche zum großen Theil umfassend seien. Die Begründung der allgemeinen Bestimmungen des Grundbuchrechts habe viel Zeit gekostet, und nehme einen verhältnißmäßig sehr großen Umfang ein, enthalte aber bereits die Generalmotive für das gesammte Immobilienrecht, so daß die Begründung der einzelnen Institute sich dadurch erheblich vereinfache. Er hoffe den Entwurf zum sachenrechtlichen Theil des Gesetzbuches nebst Motiven in Jahresfrist druckfertig herstellen zu können, sofern die gegenwärtig ihm zur Verfügung stehenden Hülfskräfte ihm zur Seite blieben. Dagegen werde der sachenrechtliche Theil des Einführungsgesetzes voraussichtlich erst später abgeschlossen werden können, da auf den Inhalt desselben mehrere dem Redaktor überwiesene Spezialfragen von Einfluß sein würden, welche erst nach Fertigstellung des Hauptentwurfs zur Bearbeitung gelangen würden. Der Druck des Hauptentwurfs könne aber sofort nach dessen Fertigstellung beginnen; der sachenrechtliche Theil des Einführungsgesetzes werde dann sobald 231

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als möglich nachfolgen. Der Beginn der Berathungen über die Entwürfe werde hierdurch voraussichtlich nicht verzögert werden. C. der Redaktor des Obligationenrechts: Er sei zu seinem Bedauern durch Krankheit in seinen Arbeiten sehr aufgehalten worden, indem er in Folge dessen vom Februar bis Ende April am Arbeiten gänzlich verhindert, und vor- wie nachher in seiner Arbeitskraft durch Ueberreizung der Kopfnerven erheblich behindert gewesen sei. Auch hätten ihn, und theilweise selbst seinen Hülfsarbeiter, die Theilnahme an Berathungen im Reichskanzler-Amt gegen vier Wochen in Anspruch genommen. Es seien bearbeitet worden Dienstverdingung, Werkverdingung, Mandat und Anweisung, in Bearbeitung sei die negotiorum gestio. Außerdem sei eine zeitraubende Zusammenstellung über die Gesetzgebung in Betreff der Inhaberpapiere gefertigt worden, die jedoch noch der Ueberarbeitung bedürfe, auch habe die Bearbeitung der Gesammtschuldverhältnisse, welche in der Vorlage Nr. 4 nur theilweise zur Berathung gestellt sei, einen erheblichen Zeitaufwand erfordert. An eine Vollendung der Arbeit im nächsten Jahre sei nur bei angestrengtester Arbeit zu denken, und könne er nur versprechen, bei zu erhoffender Erhaltung seiner Gesundheit das Mögliche zu tun, wobei jedoch nicht unterlassen werden möge, auf den großen Umfang des dem Redaktor des Obligationenrechts zugewiesenen Antheils an der Gesammtarbeit hinzuweisen. D. der Redaktor des Familienrechts: Bearbeitet seien seit dem letzten Zusammentritte der Kommission die Abschnitte über die Adoption, die Einkindschaft und das Rechtsverhältniß der unehelichen Kinder. Neben dem letzteren sei nach Vereinbarung mit dem Herrn Redaktor des Obligationenrechts zugleich das ganze aus dem unehelichen Beischlafe entstehende Verhältniß der Bearbeitung mitunterzogen. Für die gedachten Abschnitte seien sowohl der Entwurf als die Motive fertiggestellt. Ausgearbeitet seien ferner die Motive des ganzen Abschnitts über das Rechtsverhältniß zwischen Eltern und ehelichen Kindern mit Ausnahme des die elterliche Gewalt betreffenden Unterabschnitts. Sodann sei der Abschnitt über das vertragsmäßige Güterrecht der Ehegatten einer eingehenden Revision unterzogen, und sei die Bearbeitung der Motive dieses Abschnitts begonnen, aber noch nicht vollendet. In Verbindung damit sei auch der Abschnitt über das gesetzliche Güterrecht der Ehegatten nebst seinen Motiven einer nochmaligen Revision und theilweisen Umarbeitung unterzogen worden. Rückständig sei hiernach noch die Ausarbeitung der Motive für die Abschnitte über Eingehung und Auflösung der Ehe und über die elterliche Gewalt, sowie die Vollendung der Motive zu dem Abschnitte über das eheliche Güterrecht. Es müsse dann aber noch der ganze Entwurf nebst Motiven im Zusammenhange einer Revision unterzogen werden. Er sei in Folge längeren und wiederholten Unwohlseins, durch welches seine Arbeitskraft sehr geschwächt worden, in dem letzten Jahre mit der Arbeit nicht soweit vorgerückt, als er gehofft habe. Er hoffe aber dennoch im Laufe des nächsten Jahres, — abgesehen vielleicht von dem Einführungsgesetze, — fertig zu werden. E. der Redaktor des Erbrechts: Beim Beginn der Berathungen der Kommission im September 1877 fehlten zur Fertigstellung des Entwurfs des Erbrechts in erster Bearbeitung die Lehren von den

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Vermächtnissen, gemeinen Auflagen und Testamentsvollstreckern. Diese Lehren seien nunmehr fertig gestellt und damit der Entwurf des Erbrechts in Text und Motiven in erster Bearbeitung mit vier Abschnitten und 410 Paragraphen erledigt. Es sei sodann mit der Revision der Arbeit Behufs der Drucklegung begonnen worden; die drei ersten Abschnitte mit 290 Paragraphen seien in der Revision erledigt. Es erübrige demnach noch: 1. die Erledigung der Revision des letzten Abschnitts, Erwerbung der Erbschaft und Rechtsverhältniß des Erben pp., §§ 291 ff.; 2. die Bearbeitung einiger Bestimmungen des Einführungsgesetzes. In letzterer Beziehung seien zwar die Redaktoren nur zur Vorbereitung angewiesen; allein, insoweit das Einführungsgesetz Bestimmungen über das Verhältniß des neuen Gesetzbuchs zum bisher geltenden Rechte zu enthalten habe, müßten diese zugleich mit dem Entwurfe erledigt werden. Ueber den Behandlungsmodus dieser Vorschriften hätten die Redaktoren auch eine vorläufige Einigung bereits getroffen. Was die bezüglichen Vorschriften für das Erbrecht betreffe, so seien dieselben während der Bearbeitung des Entwurfs des Erbrechts vorbereitet, aber noch nicht ausgearbeitet. Er nehme an, daß mit der Drucklegung in nicht sehr ferner Zeit werde begonnen werden können. 15. Protokoll der 1. Sitzung von 1879 vom 30. 10. 1879, Schriftführer Neubauer Der Beschlußfassung wurde zunächst im Anschluß an die Vorschläge der Vor-Kommission-B undesraths-Drucksache Nr. 53 von 1874 — zu VII. 418, und den zum Beschluß erhobenen Antrag des Ausschusses für Justizwesen — Bundesraths-Drucksache Nr. 78 von 1874 — zu 1) (S. 13)19, sowie die Instruktion der Redaktoren (Nr. 9 von 1874) unter Nr. 920 die Frage unterbreitet, wie es mit der Berathung des nunmehr vorliegenden Theilentwurfs, des Erbrechts, zu halten sei, insbesondere, ob es nothwendig, dieselbe so lange auszusetzen, bis auch die übrigen Theilentwürfe vollendet und gedruckt sein werden. Weiter wurde erörtert, welches Verfahren überhaupt in Ansehung der Berathung der Theilentwürfe einzuhalten sei und inwiefern sich die Ergänzung oder Berichtigung der in dieser Beziehung früher gefaßten Beschlüsse in Rücksicht auf die bisherigen Erfahrungen und den gegenwärtigen Stand der Dinge empfehlen möchte. Nach eingehender Berathung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte wurde beschlossen: 1. Die Berathung des das Erbrecht enthaltenden Theilentwurfs bleibt bis zur Vollendung der übrigen Theilentwürfe ausgesetzt. 2. Nachdem auch die übrigen Entwürfe vollendet, gedruckt und in die Hände der Kommissionsmitglieder gelangt sein werden, wird alsbald — und schon nach Verlauf weniger Wochen — die Hauptkommission zu einer kurzen Sitzung zusammenberufen, wo zunächst über das bei der Berathung der Entwürfe einzuhaltende weitere Verfahren, soweit die unten folgenden Beschlüsse in dieser Beziehung noch eine Ergänzung erheischen, Beschluß zu fassen, und insbesondere die Reihenfolge festzustellen, in welcher die Entwürfe zur Berathung zu bringen sind. 18

Vgl. oben S. 183. Vgl. oben S. 198. 20 Vgl. oben S. 220 ff. 19

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3. Die Entwürfe werden einer doppelten Berathung unterzogen. Die erste Berathung soll im Wesentlichen nur eine sachliche sein, so daß thunlichst die formelle Seite ausscheidet und Fassung oder Redaktion im Allgemeinen auf sich beruhen bleiben. Dadurch ist namentlich nicht ausgeschlossen, daß erhebliche Fragen der Terminologie und Oekonomie entschieden werden. Bei dieser ersten Berathung haben die einzelnen Redaktoren, jeder für sein Gebiet oder für den von ihm aufgestellten Theilentwurf, als Referenten zu fungiren. Zum Zwecke dieser Berathung wird die Kommission erst dann zusammenberufen, nachdem die Mitglieder genügende, jedoch nicht über wenige Monate zu bemessende, Zeit gehabt haben, mit dem Inhalte der Entwürfe sich vertraut zu machen. 4. Nach dem Schlüsse der ersten Berathung wird auf Grund der Ergebnisse derselben ein Hauptentwurf des ganzen künftigen Gesetzbuchs ausgearbeitet, der also die einzelnen Theilentwürfe in sich aufzunehmen und in Bezug auf Form und Inhalt ein harmonisches Ganze zu bilden hat. Dieser Hauptentwurf wird von der Kommission von Neuem vollständig, sowohl in sachlicher als formeller Hinsicht, berathen, und solchergestalt der schließliche, dem Bundesrathe als Ergebnis der ersten Lesung vorzulegende Entwurf des Gesetzbuchs festgestellt. Die Beschlußfassung über die Art und Weise, wie der der zweiten Berathung zu Grunde zu legende Hauptentwurf aufzustellen, bleibt ausgesetzt. Sie kann schon bei oder vor Beginn der ersten Berathung erfolgen. 5. Sollte Ostern 1880 der eine oder andere Entwurf noch nicht vollendet sein, so wird der betreffende Redaktor ihn, soweit er vollendet ist, dem Vorsitzenden Behufs der Veranlassung des Druckes und der Vertheilung vorlegen, die Hauptkommission aber bei der unter Nr. 2 vorgeschlagenen Berathung darüber beschließen, ob und inwiefern die erste Berathung der Entwürfe bis zur Vollendung des noch unvollständigen Theilentwurfs ausgesetzt werden müsse. 16. Protokoll der 1. Sitzung von 1880 vom 28.12. 1880, Schriftführer Neubauer 1. Der Vorsitzende gab eine ausführliche Darstellung der Lage der Dinge und des gegenwärtigen Standes der Kommissionsarbeiten. An diese Darlegung anknüpfend und unter Hinweisung auf die von der Gesammtkommission am 30. Oktober v. Js. gefaßten Beschlüsse hob er hervor, es zeige sich die Notwendigkeit, über zwei wichtige Fragen Beschluß zu fassen, über die Fragen nämlich: 1. ob im Anschluß an die früher aus erheblichen Gründen bestimmte und bisher festgehaltene Berathungsmethode die — wenn auch nur hauptsächliche — Vollendung des Entwurfs des Allgemeinen Theils und des Entwurfs des Obligationenrechts abzuwarten sei, bevor in die sachliche Berathung der Entwürfe seitens der Gesammtkommission eingetreten werde, oder ob es vorgezogen werden müsse, ohne auf diese Vollendung zu warten, mit der Berathung der schon vollendeten drei Theilentwürfe in nächster Zeit, d. i. im nächsten Frühjahr gegen Ostern, zu beginnen und den Zeitpunkt, wo die Gesammtkommission zu dem Zwecke zusammenzutreten habe, jetzt zu bestimmen, 2. in welcher Reihenfolge in dem einen oder anderen Falle die Entwürfe oder die einzelnen Theile derselben in Berathung zu nehmen seien. Zugleich wies er darauf hin, daß es für die Entscheidung beider Fragen von maßgebender Bedeutung sein werde, Auskunft darüber zu erlangen, ob der Herr Redaktor des A. Th. und der Herr Redaktor des O. R. im Stande seien, die Zeit mit einiger Sicherheit zu bestimmen, zu der die betreffenden beiden Entwürfe ganz oder zum hauptsächlichen Theile gedruckt und vertheilt sein würden. 234

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB Auf das Ersuchen, sich hierüber zu äußern, erklärte: 1. Der Herr Redaktor des Obligationenrechts: Er sei zu seinem lebhaftesten Bedauern durch ein langwieriges körperliches Leiden gehindert worden, seine Arbeit in der erwünschten Weise zu fördern und habe sich in Folge dessen auf Anregung des Arztes längere Zeit mit dem Gedanken getragen, um dauernde Enthebung von allen Geschäften zu bitten. Erst, nachdem sich im Laufe des Sommers seine Gesundheit wiederhergestellt habe, sei ihm möglich geworden, sich in der erforderlichen Weise seiner Arbeit wieder zu widmen und dürfte er bei jetzt gekräftigter Gesundheit hoffen, sie zu Ende führen zu können. Der besondere Theil des Entwurfs sei zum größeren Theile vorbereitet und würden in nächster Zeit die Abschnitte vom Mandat, von der Vollmacht und von den Kondiktionen zum Druck gegeben werden können, während im übrigen eine theilweise Ueberarbeitung nothwendig sei. Von dem allgemeinen Theile sei der Titel von der Entstehung der Schuldverhältnisse durch Vertrag in der Revision begriffen und werde die Drucklegung in der nächsten Zeit gleichfalls erfolgen können. Im Weiteren sei vielfach theils Ueberarbeitung nothwendig, theils müßten Lücken ergänzt werden, so daß vor Ende des Jahres 1881 eine Vollendung des Entwurfs sich nicht in Aussicht nehmen lasse; wohl aber werde es zu ermöglichen sein, diejenigen Theile des Entwurfs, welche für den Beginn der Berathungen erfordert werden, bis zum Herbste fertigzustellen und er werde alle seine Kräfte einsetzen, um dies Ziel zu erreichen, wobei er freilich davon, die Motive in der bisherigen Weise auszuarbeiten, werde absehen und sich im Interesse der Förderung der Arbeit desfalls eine Selbstbeschränkung werde auferlegen müssen, so schwer ihm dies auch fallen werde; 2. Der Herr Redaktor des allgemeinen Theils: Er sei an Fertigstellung seiner Arbeit insbesondere durch eine Störung seiner Gesundheit gehindert worden, an welcher er längere Zeit gelitten und die ihn genöthigt habe, ärztliche Hilfe zu suchen; er hoffe, sein Pensum sammt Motiven so rechtzeitig zu vollenden und zum Drucke zu geben, daß beim Zusammentritt der Kommission am 1. Oktober k. Js. mit der Berathung desselben begonnen werden könne. Sollte sich diese Fertigstellung nicht vollständig bewirken lassen, so werde er, vom Falle unerwarteter Krankheit abgesehen, jedenfalls in der bezeichneten Zeit diejenigen Abschnitte vorlegen, welche für die Gestaltung des Gesetzbuchs von prinzipieller Bedeutung seien, so daß dem Beginne der Berathung kein Hinderniß erwachsen werde. Die Erklärungen führten zu einer ausführlichen Debatte über das nunmehr zu befolgende Berathungsverfahren und die Beantwortung der obigen Fragen. Von einer Seite wurde geltend gemacht, es sei im höchsten Maße bedenklich, von dem bisherigen Berathungsplane abzuweichen, und mit den in den Beschlüssen vom 30. Oktober d. Js. vorgesehenen sachlichen Berathungen zu beginnen, bevor der Entwurf des A. Th. und des O. R. ganz oder hauptsächlich vollendet seien und da die Voraussetzung begründet erscheine, daß letzteres noch im Herbst k. Js. der Fall sein werde, so empfehle es sich, die sachlichen Berathungen bis zum nächsten Herbst auszusetzen. Von anderer Seite wurde diese Ansicht mit dem Einwände bekämpft, es fehle jede Gewähr, daß im nächsten Herbst die Sachlage sich wesentlich geändert habe, in welchem Falle doch nichts übrig bleiben werde, als in die sachliche Berathung der vollendeten Entwürfe einzutreten. Es sei deshalb vorzuziehen, damit die Gesammtkommission nicht noch länger in Unthätigkeit zu verharren gezwungen sei, den Beginn der sachlichen Berathungen auf das nächste Frühjahr zu bestimmen. Eine dritte Ansicht ging dahin: mit der sachlichen Berathung der drei im Wesentlichen vollendeten Entwürfe werde nur dann ohne wesentliche Nachtheile begonnen 235

Materialien zur Entstehung des BGB werden können, wenn mindestens gewisse Abschnitte des A. Th. und des O. R., insbesondere die Abschnitte des A. Th. über die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie das Rechtsgeschäft und aus dem O. R. der sogenannte allgemeine Theil oder die allgemeine Vertragslehre im Entwurfe vorliegen. Denn es könne kaum zweifelhaft sein, daß die Berathung der gedachten Abschnitte der Berathung des Sachen-, Familien- und ErbRechts vorauszugehen habe. Die Herren Redaktoren des A. Th. und des O. R. würden daher zu veranlassen sein, die betreffenden Abschnitte alsbald fertigzustellen; die Fertigstellung müsse in wenigen Monaten möglich sein; es stehe deshalb nichts entgegen, den Beginn der sachlichen Berathungen auf Ostern des kommenden Jahres mit der Maßgabe zu beschließen, daß den Gegenstand der Berathungen zunächst jene Abschnitte zu bilden hätten. Von einer Seite wurde, als gegen die vorstehende Ansicht das Bedenken geäußert war, die zeitige Fertigstellung der in Rede stehenden Abschnitte sei gleichfalls ungewiß und außerdem in Anschlag zu bringen, daß die Herren Redaktoren des A. Th. und des O. R. durch die sachlichen Berathungen an der Vollendung ihrer Theilentwürfe verhindert sein würden, und dies Bedenken lasse sich überhaupt gegen den Beginn der sachlichen Berathungen vor Vollendung aller Entwürfe erheben, als Aushülfe empfohlen, den Beginn der Berathungen zwar auf Ostern kommenden Jahres zu bestimmen, zugleich aber zu beschließen, daß, soweit die betreffenden Entwürfe alsdann nicht vollendet seien, der Dresdener Entwurf des Obligationenrechts und bezw. der allgemeine Theil des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs den Berathungen zur Grundlage zu dienen haben. Gegen diese Ansicht wurde aber eingewendet, ihre Befolgung führe zu einem Verfahren, welches mit allen früheren Beschlüssen in unversöhnlichem Widerspruche stehe, es könne deshalb nur äußerstenfalls gewählt werden. Bei dem Schluß der Berathung lagen folgende Anträge zur Abstimmung vor: 1. Der Antrag, die Gesammtkommission wird schon im nächsten Frühjahr in die sachlichen Berathungen der Entwürfe bezw. anlangend den A. Th. und das O. R. der in nächster Zeit fertigzustellenden, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, das Rechtsgeschäft und den wichtigen Abschnitt des allgemeinen Theils des Obligationenrechts umfassenden Theilentwürfe eintreten, die Berathungen allenfalls im Herbste schließen und bis zum kommenden Frühjahr aussetzen, damit in der Zwischenzeit die Entwürfe des A. Th. und des O. R. vollendet werden können. Der Antrag wurde durch Mehrheitsbeschluß abgelehnt mit 7 gegen 4 Stimmen. 2. Der Antrag, die sachlichen Berathungen werden bis zum nächsten Herbst in der sicheren Erwartung ausgesetzt, daß bis dahin der Entwurf des A. Th. und der Entwurf des O. R. fertiggestellt, gedruckt und zeitig vertheilt sind. Am 1. Oktober 1881 tritt die Gesammtkommission zu dem angegebenen Zwecke zusammen. Die einzelnen Entwürfe werden in folgender Reihenfolge beraten: a) Allgemeiner Theil, b) Obligationenrecht, c) Sachenrecht, d) Familienrecht, e) Erbrecht. Es bleibt jedoch vorbehalten, zu bestimmen, daß verschiedene Abschnitte des A. Th. sowie des O. R. in einer anderen Reihenfolge und erst nach Berathung der anderen Theilentwürfe oder des einen oder anderen derselben, und daß einzelne Abschnitte des O. R. gleichzeitig mit konnexen Abschnitten des A. Th. zu berathen seien. Der Antrag wurde durch Mehrheitsbeschluß gebilligt. 3. Der zu dem vorstehenden Antrage gestellte zusätzliche Antrag: Sollte wider Erwarten der Entwurf des A. Th. und des O. R. nicht zu der angegebe-

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

nen Zeit fertiggestellt sein, so wird anlangend das Obligationenrecht der Dresdener Entwurf, anlangend den allgemeinen Theil das sächsische bürgerliche Gesetzbuch, soweit nöthig und hinsichtlich der fehlenden Stücke als Grundlage der Berathungen gewählt. gelangte gleichfalls durch Mehrheitsbeschluß zur Annahme. Dasselbe war der Fall 4. mit dem Antrage: Die Herren Redaktoren des allgemeinen Theils und des Obligationenrechts werden veranlaßt, um der aus dem vorstehenden, zum Beschluß erhobenen Antrage zu 3 sich ergebenden unerwünschten und immerhin mißlichen Eventualität vorzubeugen, bei der Aufstellung der von ihnen auszuarbeitenden Entwürfe und insbesondere bei der Ausarbeitung der Motive sich der thunlichsten Kürze zu befleißigen. Im Anschluß hieran wünschten einige Mitglieder, es möchte befürwortet werden, daß diejenigen Mitglieder, welche nicht Redaktoren sind, im Interesse des sorgfältigen Studiums der Entwürfe vom 1. April k. Js. ab oder doch längere Zeit vor Beginn der Berathungen von ihren bisherigen Amtsgeschäften befreit werden. 2. In Ansehung des General-Referenten wurde auf Vorschlag des Vorsitzenden die Beschlußfassung ausgesetzt. 3. Der Vorsitzende machte auf Grund der in den Redaktoren-Sitzungen seit dem November v. Js. stattgehabten Besprechungen noch Mittheilung über einige allen Theilentwürfen zu Grunde liegenden Prinzipien. Es wurde der Wunsch geäußert, den Mitgliedern der Kommission diese Mittheilungen noch besonders zugehen zu lassen21. 4. Behufs Feststellung des Protokolls wurde eine Sitzung auf Mittwoch den 29. Dezember Mittags l Uhr anberaumt.

II. Konferenzen der Redaktoren (1874-1879) a) Auszüge aus 58 Protokollen der Konferenzeivder Redaktoren Die Redaktoren haben in den Jahren 1874 bis 1879 unter dem Vorsitz von Johow in regelmäßigen, später in unregelmäßigen Abständen Konferenzen abgehalten. Über den Inhalt der meisten Konferenzen wurden kurze Protokolle geführt. Soweit diese Protokolle rein geschäftliche Mitteilungen enthalten, kann auf einen Abdruck verzichtet werden. Es werden im folgenden nur die Protokolle oder Protokollteile wiedergegeben, die allgemeine Fragen der Gesetzesterminologie, der Verfahrensweise und des materiellen Rechts behandeln. Soweit die Protokolle lediglich rein materiellrechtliche Fragen des Sachen-, Familien- oder Erbrechts betreffen, werden sie bei den Quellen zum Sachen-, Familien- und Erbrecht mitgeteilt.

1. Protokoll der 1. Konferenz vom 21.10.1874 6. Was die Rechtschreibung angeht, so wird man sich schon in den Entwürfen möglichst der im Reichsgesetzblatt bestehenden Rechtschreibung anschließen. 7. Termini technici, welche ein einzelner Redaktor anzuwenden entschlossen ist, sollen möglichst bald den übrigen Redaktoren zur Kenntniß gebracht werden, damit die termini technici für das Gesetzbuch vereinbart werden. Hierüber ist nichts bekannt. Sämtliche hier wiedergegebenen Protokolle nach den Akten des Reichsjustizamtes, ZStA Potsdam, Nr. 3988-3989. 237

Materialien zur Entstehung des BGB 8. Angeregt wurde, ob nicht einem Redaktor zur Pflicht zu machen sein dürfte, zu prüfen, wie die einheitliche Gerichtsverfassung für die nichtstreitige Gerichtsbarkeit als Unterlage für die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs zu regeln sein wird. Die Erledigung dieser Frage wurde noch vertagt, doch wird jeder Redaktor die für ihn wichtigen Gesichtspunkte fixiren, soweit sich dazu Anlaß bietet. 9. Angeregt wurde ferner die Frage, welche Form für die zunächst vorzulegenden Prinzipienfragen zu wählen, und ob insbesondere ein zusammenhängender Bericht beizulegen, — ferner, in welchem Umfange überhaupt die Prinzipienfragen vorzulegen. Ein bestimmter Beschluß wurde über diese Frage noch nicht gefaßt. Dagegen war man einig, daß ein jeder Redaktor, sobald er in Betreff einer Prinzipienfrage so weit zu sein glaubt, solche formulirt vorlegen zu können, die Formulirung bewirken soll. Auf Grund dieser Vorlagen, welche vervielfältigt und mitgetheilt werden sollen, wird dann beschlossen werden. Solche Vorlagen werden den Stoff für die nächsten Sitzungen liefern.

2. Protokoll der 2. Konferenz vom 9. 11. 1874 3. Der Appellationsgerichts-Rath Planck erachtet aus den in der Anlage zusammengestellten Erwägungen ein Gutachten für erforderlich über die Frage, wie das eheliche Güterrecht, wenn demselben das System der partikulären Gütergemeinschaft zu Grunde gelegt wird, gesetzlich zu regeln sei. Darüber, ob ein solches Gutachten nach Maßgabe der Instruktion für die Redaktoren schon jetzt zu erfordern sei, wurden Bedenken angeregt. Dieselben sind jedoch nach näherer Erwägung fallen gelassen. Man war mit dem Antrage in jeder Beziehung sachlich einverstanden. Geeignete Persönlichkeiten, von welchen ein solches Gutachten erfordert werden möchte, wurden außer den in der Anlage Genannten nicht namhaft gemacht. Es wurde sodann der stellvertretende Vorsitzende ersucht, den Antrag seiner Excellenz, dem Herrn Präsidenten Pape zu unterbreiten. Anlagen: a) Vorschlag an Pape Eine Uebersicht des jetzt in Deutschland geltenden einheimischen ehelichen Güterrechts ergiebt, daß dasselbe in drei Hauptgruppen zerfällt, indem ihm entweder das System der bloßen Verwaltungsgemeinschaft (Gütereinheit) oder das der allgemeinen Gütergemeinschaft oder das der partikulären Mobiliar- bezw. Errungenschafts-Gemeinschaft zu Grunde liegt. Daneben gilt das römische Dotalsystem nur in einem verhältnismäßig kleinen Theile Deutschlands. Um eine sichere Grundlage für die Entscheidung der Frage zu gewinnen, ob für ganz Deutschland ein und dasselbe System des ehelichen Güterrechts und eventuell welches in dem Gesetzbuch festzustellen, oder ob mehrere Systeme coordinirt in der Art in das Gesetzbuch aufzunehmen, daß in dem einen Theil von Deutschland das eine, in dem anderen das andere zur Anwendung komme oder ob endlich ein System als das regelmäßig zur Anwendung kommende Recht festzustellen, daneben aber andere Systeme in der Art in das Gesetzbuch aufzunehmen seien, daß es den Parteien gestattet wird, sich vertragsmäßig den Grundsätzen derselben zu unterwerfen, — behufs Entscheidung dieser Frage erscheint es dem unterzeichneten Redaktor des Familienrechts wünschenswerth, das eheliche Güterrecht vorläufig nach jedem der obengedachten Systeme wenigstens in den Grundzügen auszuarbeiten. Er wünscht zu diesem Zwecke ein Gutachten, über die Frage, wie das eheliche Güterrecht, wenn demselben das System der partikulären Gütergemeinschaft zu Grunde gelegt wird, unter Berücksichtigung der verschiedenen z. Z. in Deutschland vorkommenden Formen dieses Systems (namentlich also einerseits der Mobiliargemeinschaft

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB des französischen Rechts und andererseits der in Württemberg, Frankreich, Theilen von Bayern, Hessen u.s.w. geltenden Errungenschaftsgemeinschaft) in einer den praktischen Bedürfnissen entsprechenden Art gesetzlich zu regeln sei. Es würden dabei die gesammten in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse sowohl während bestehender Ehe als nach Auflösung derselben sowohl unter den Eheleuten selbst als den Kindern und Dritten gegenüber zu berücksichtigen und die juristische Konstruktion derselben und ihr Verhältniß zu den übrigen Theilen des Rechts klar zu legen sein; besonders erwünscht würde es sein, wenn die Ergebnisse des Gutachtens in der Form eines vollständigen Gesetzentwurfs zusammengestellt würden. Der unterzeichnete Redaktor beantragt daher veranlassen zu wollen, daß ein mit dem fraglichen Rechtsinstitute und den sonst in Betracht kommenden Verhältnissen vertrauter hervorragender Jurist um die möglichst baldige Ausarbeitung eines Gutachtens und Gesetzentwurfs der oben bezeichneten Art ersucht werde. Herr Professor Richard Schröder2 in Würzburg, der Verfasser der Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, welcher sich in einem für den Juristentag erstatteten Gutachten zwar gegen die einheitliche Regelung des ehelichen Güterrechts in Deutschland, aber für die Verschmelzung der Mobiliar- und Errungenschaftgemeinschaft erklärt hat, oder Herr Appellationsgerichtsrath Binding3 in Frankfurt a. M., welcher sich in verschiedenen Aufsätzen sehr warm dafür ausgesprochen hat, daß dem ehelichen Güterrechte für ganz Deutschland das System der Errungenschaftsgemeinschaft zu Grunde gelegt werden möchte, wird vielleicht geeignet und geneigt sein, einen solchen Auftrag zu übernehmen. — Der Unterzeichnete wagt indessen bei seiner mangelhaften Personalkenntniß keinen bestimmten Vorschlag zu machen, sondern bittet den Herrn Vorsitzenden die geeignete Persönlichkeit beauftragen zu wollen, gez. Planck. b) Antwort von Pape vom 15. 11. 1874 Ew. Hochwohlgeboren4 verhehle ich nicht, auf das geehrte Schreiben vom 9. d. Mts. ganz ergebenst zu erwidern, daß der demselben beigelegte, auf Erstattung eines Gutachtens über die partikulare eheliche Gütergemeinschaft sich beziehende Antrag des Herrn Appellationsgerichtsraths Planck insofern nicht unbedenklich sein dürfte, als die Frage sich erhebt, ob nicht in erster Reihe der unserer Kommission als Mitglied angehörende Professor Dr. v. Roth zur Ausarbeitung des begehrten Gutachtens zu veranlassen sein wird. Nach meiner Ansicht, in welcher ich durch Mittheilungen bestärkt bin, die ich aus hiesigen sachkundigen Kreisen empfangen habe, muß Herr v. Roth für die in Rede stehende Arbeit mindestens in gleichem Maße als befähigt und geeignet gelten, als die beiden anderen Juristen, die neben ihm noch in Betracht kommen könnten . . . Da er Mitglied der Kommission ist, so liegt die Besorgniß nahe, daß sein Uebergehen ein gewisses Aufsehen erwecken und von ihm vielleicht als eine, seinen wohl verdienten 2

Richard Schröder (1838—1917) habilitierte sich nach kurzer Tätigkeit im preuß. Justizdienst 1863 an der Univ. Bonn; dort 1870 o. Professor; 1873 in Würzburg; 1882 in Straßburg; 1885 in Göttingen; 1888 in Heidelberg. Als Schüler von Beseler und Waitz hat er Grimms Weistümer Bd. 5, 6 herausgegeben. Mitarbeiter am deutschen Rechtswörterbuch; Verfasser einer deutschen Rechtsgeschichte (1. Aufl. 1889). Der Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit war die Zeit der Volksrechte und das Mittelalter. Eines seiner Hauptwerke ist eine mehrbändige Geschichte des ehelichen Güterrechts (seit 1863). Über Schröder vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte der Dt. Rechtswissenschaft, Bd. III 2. Text, S. 897f.; Noten S. 377f. Karl Binding ist u. a. Autor des Werkes: Die Lehre von der Haft der Eheleute für ihre Schulden nach dem Frankfurter ehelichen Güterrechte, Frankfurt a. M. 1871. Adressat dieses Briefes ist Johow. 239

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Ruf beeinträchtigende Zurücksetzung empfunden könnte werden. Nicht zu verkennen ist, daß gerade seine Eigenschaft als Mitglied der Kommission in anderer Rücksicht Bedenken zu erwecken vermöchte, Bedenken, die, wenn ich nicht irre, im Schooße der Kommission zur Sprache kamen, als die Instruktion für die Herren Redaktoren berathen wurde. Allein diese Bedenken scheinen es kaum zu rechtfertigen, von seiner Person ohne Weiteres abzusehen, indem ihm die Entscheidung zu überlassen sein möchte, ob er ihnen überhaupt einen Werth oder ein solches Gewicht beilegt, um deshalb den betreffenden Auftrag abzulehnen. Mir wäre es erwünscht, bevor ich das Weitere veranlasse, die Ansicht der Herren Redaktoren insbesondere des Herrn Appellationsgerichtsrath Planck darüber zu erfahren, ob andere, mir nicht bekannte Gründe vorliegen, sich nicht an den Herrn Dr. von Roth zu wenden, ob etwa die Voraussetzung begründet sei, derselbe werde sich dem Auftrage nicht unterziehen, oder umgekehrt, das Gegentheil anzunehmen sei, worüber vielleicht Herr Ministerialrath Dr. Schmitt allenfalls nach vorheriger vertraulicher Anfrage Auskunft zu geben im Stande ist (gez. Pape). 3. Protokoll der 3. Konferenz vom 14.11.1874 4. Man vereinbarte folgende Ausdrücke für das neue Gesetzbuch: Erwerbung = Akt des Erwerbens Erwerb = das Erworbene Antheil = Ideeller Teil, insoweit es sich um das Verhältniß des Subjekts zur getheilten Sache handelt, ohne daß die Quote ins Auge gefaßt wird. Bruchtheil = Ideeller Theil, insoweit objektiv von der Art der Theilung die Rede ist, insbesondere, soweit die Quote in Betracht kommt. Begriffstheil wird nicht beliebt. Vo//jährigkeit ist dem Ausdruck Großjährigkeit vorzuziehen, weil bei diesem Zustande die Größe nicht in Betracht kommt. Angeregt wurde die Frage, ob für Kontrahenten die Vertragenden zu sagen sei; nach Mittheilung der in den Dresdener Konferenzen erhobenen Bedenken wurde die Beschlußfassung darüber ausgesetzt. 4. Protokoll der 4. Konferenz vom 21. 11.1874 4. Das Schreiben des Herrn Präsidenten der Kommission vom 15. d. Mts., betr. das von dem Appellationsgerichts-Rath Planck beantragte Gutachten wurde verlesen. . . . Schon bei der ersten Besprechung über den Antrag des Appellationsgerichts-Raths Planck ist von demselben zur Sprache gebracht, daß er wegen Erstattung des Gutachtens vor Allen an den Prof. Dr. von Roth gedacht, von demselben aber absehen zu müssen geglaubt habe, weil bei den einleitenden Berathungen der Kommission ausdrücklich davon die Rede gewesen sei, daß es nicht zulässig sein solle, ein nicht zu den Redaktoren gehörendes Kommissionsmitglied mit Hülfsarbeiten für ein Redaktionspensum zu beauftragen. Dieser Bemerkung war damals von den übrigen Redaktoren nicht widersprochen. Bei der heutigen Besprechung wurde zunächst festgestellt, daß in den Protokollen ein derartiger Beschluß der Kommission sich nicht aufgezeichnet finde. Die Redaktoren theilten aber übereinstimmend mit, daß nach ihrer deutlichen Erinnerung der Vorschlag eines Kommissionsmitgliedes, „die von einem Redaktor für nöthig erachteten Gutachten und Theilentwürfe vorzugsweise von Kommissionsmitgliedern, welche bei der Redaktion nicht betheiligt seien, zu erfordern", auf den bestimmtesten Widerspruch gestoßen und von keiner Seite unterstützt, eine solche Heranziehung von nicht redigirenden Kommissionsmitgliedern vielmehr von mehreren 240

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB Seiten für unzulässig erachtet worden sei. — Die Ansichten gingen heute nur darüber auseinander, welche Bedeutung jenem Meinungsaustausch bei dem Mangel eines förmlichen Beschlusses beizulegen sei. — Da der Ministerialrath Dr. Schmitt in dem Briefe an den Professor Dr. von Roth auch auf seinen Vorgang bei den Kommissionsberathungen hingewiesen hat, so wurde beschlossen, „nach dem Eingange der Antwort des Professors Dr. von Roth diese Angelegenheit in einer unverzüglich zu veranlassenden besonderen Konferenz zu erledigen". 5. Auf Anregung des Obertribunais-Direktors Dr. von Kübel wurde nach längerer Berathung beschlossen, im Bürg. Gesetzb. für „Obligation" zu sagen „Schuldverhältniß", für die „subjectiven" und „objektiven Schuldverhältnisse" die Ausdrücke Forderung und Schuld, Gläubigerund Schuldner zu gebrauchen; abgesehen von dem Obligationenrecht aber die auf einem erworbenen Rechte beruhenden gegenseitigen Beziehungen mit Anspruch und Verbindlichkeit zu bezeichnen. Für „analog" wurde der Ausdruck „entsprechend" bestimmt. Man war ferner einstimmig der Meinung, daß Begriffsdefinitionen grundsätzlich aus dem Gesetzbuche fortzulassen seien, daß zu solchen Definitionen aber nicht gehören: Bestimmungen über das von einem bestimmten Ausdruck beherrschte Gebiet, z. B. darüber, was zu den unbeweglichen Sachen zu rechnen, ferner Bestimmungen über die Erfordernisse eines Rechtsgeschäfts, z. B. darüber, was zu einer Auflassung gehöre . . . 5. Protokoll der 5. Konferenz vom 28. 11.1874 3. Das Antwortschreiben des Professors Dr. von Roth an den Ministerialrath Dr. Schmitt wird mitgetheilt5. Der Appellationsgerichtsrath Planck erklärt mit Bezug auf die Vorschläge des Professors von Roth, daß er seinem früheren Antrage, wie er formulirt vorliegt, nur hinzufügen wolle: „es möge bei der Erstattung des Gutachtens insbesondere auf den Württembergischen Entwurf von 18406 Rücksicht genommen werden" und daß er jetzt vorzugsweise den Professor Dr. Schröder mit der Aufgabe betreut zu sehen wünsche. Im Uebrigen beharre er bei seinem Antrage und müsse er nach Allem, was er über den Württembergischen Entwurf von 1840 gelesen, zur Zeit Bedenken tragen, über denselben ein Gutachten von einem Kenner des französischen Rechts zu erfordern. - Eine abweichende Ansicht wird nicht geäußert. 4. Dem Vorschlage des Ober-Tribunais-Direktors Dr. von Kuebel gemäß wird beschlossen, im bürgerlichen Gesetzbuche zu sagen: für „Contrahiren" = Vertrag schließen, für „Contrahenten" = Vertragschließende, je nach Umständen auch „der eine" oder „der andere Theil". 5. Von einer Seite wurde geltend gemacht, daß in der mitgetheilten Zusammenstellung der Beschlüsse aus den Protokollen7 Satz IV die Auffassung zulasse, als halte sich die Kommission für befugt, die Gerichtsverfassung für die nichtstreitige Gerichtsbarkeit zu ordnen. Man war übereinstimmend der Ansicht, daß ein solcher Gedanke nicht ausgesprochen werden sollte. Es wurde beschlossen, der Nr. IV folgende Fassung zu geben: „Jeder Redaktor wird, wenn im Verlaufe seiner Arbeit Gesetzesbestimmungen in Frage kommen, welche den Bestand gewisser Organe für die Handhabung der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit zur Voraussetzung haben, hierüber Vortrag erstatten". 5

Das Antwortschreiben befindet sich nicht bei den Akten. Gemeint ist der „Entwurf eines Gesetzes über die eheliche Gütergemeinschaft für das Königreich Württemberg nebst Motiven", Stuttgart 1840. Diese Zusammenstellung wird im Anschluß an die Protokolle mitgeteilt. Sie wurde fortlaufend vom Schriftführer Neubauer gerührt. 241

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6. Von anderer Seite wird die Fassung zu VII. der vorgedachten Zusammenstellung bemängelt, und ergab die Besprechung, daß die Fassung richtiger folgendermaßen zu lauten habe: „„Beschlossen ist ferner, im bürgerlichen Gesetzbuche die im Rechte gegründete Befugniß, von bestimmten Personen ein Thun oder Unterlassen zu fordern, mit „Anspruch", die gegenüberstehende Verpflichtung mit „Verbindlichkeit" zu bezeichnen, im Obligationenrecht aber hierfür sich der Ausdrücke „Forderung" und „Schuld" zu bedienen, und für „Obligation" den Ausdruck „Schuldverhältniß" zu gebrauchen, auch die in dem Schuldverhältniß sich gegenüberstehenden Personen „Gläubiger" und „Schuldner" zu benennen" ". 7. Nach ausführlicher Besprechung des Anschreibens8 und der vertraulich mitgetheilten Skizze9 ergab sich, daß alle Redaktoren darüber einig sind, daß die von einer anderen Seite gesprächsweise erwartete, noch weiter gehende Spezialisirung der Fragen keinen Falls erfolgen dürfe. Die vier anderen Redaktoren sprachen sich übereinstimmend dafür aus, daß sie den hier versuchten Mittelweg, ein Netz der die wichtigsten Abschnitte des Sachenrechts beherrschenden Prinzipien aufzustellen, auch schon für zu weitgehend erachteten, insbesondere deshalb, weil die Skizze theils Sätze, an welche sich eine Meinungsverschiedenheit nicht knüpfen werde, enthalte, theils weil sie Folgesätze aufnehme, welche nur in der Begründung vorzubringen sein würden. Mehrere Redaktoren theilten mit, daß es sich bei ihrem Pensum, — da nur Fragen in Betracht kommen sollten, welche für die ganze Arbeit oder doch einen größeren Theil derselben präjudiziell sein würden — nur um sehr wenige Fragen handeln könne. Man verständigte sich darüber, daß es nicht dem Gedanken der Kommission entspreche, mit vielen Fragen an sie heranzutreten, auch zu solchen kein Bedürfniß vorhanden sei, da eine Berathung der nicht völlig durchgearbeiteten Prinzipien leicht eine vergebliche sein könne und die Redaktoren, wenn sie zunächst nur die von ihnen zu befolgenden Prinzipien bearbeiten sollten, vielfach doppelte Arbeit haben würden. — Man war endlich einig, daß es wünschenswerth sei, sich gegenseitig die künftig zur Beschlußfassung vorzulegenden Prinzipien (präjudiziellen Sätze), sobald sie festgestellt sind, vorzulegen. — Der Obertribunalsrath Johow sprach schließlich den Wunsch aus, daß die übrigen Redaktoren aus den vorgelegten Grundsätzen Veranlassung nehmen möchten, Bedenken, welche sie dagegen hegten, ihm vertraulich mitzuteilen, — und wurde beschlossen, zum Austausch derartiger vertraulicher Mittheilungen die Grundsätze in der nächsten Konferenz einmal durchzusprechen. a) Anlage I Bericht an die Redaktions-Kommission, betreffend die von der Gesammt-Kommission festzustellenden Prinzipien und den dadurch bedingten Arbeitsplan. Die Kommission hat bei den einleitenden Berathungen die Verständigung über solche Gesichtspunkte, welche für die Ausarbeitung aller oder mehrerer Haupttheile des Entwurfs maßgebend sind, nicht, wie die Vorkommission vorgeschlagen hatte, sofort erledigt, sondern vertagt und mit dem anderen Vorschlage der Vorkommission in Verbindung gebracht, wonach jeder Redaktor über Prinzipien, welche den von ihm zu bearbeitenden Haupttheil beherrschen, zur geeigneten Zeit die Entscheidung der Kom-

Das Anschreiben stammt von Johow und wird als Anlage zu diesem Protokoll mitgeteilt. Sie ist nicht in den Akten des Reichsjustizamtes enthalten. Die Wiedergabe erfolgt nach einer Metallographie aus dem Nachlaß von Gottlieb Planck (Nieders. Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen). 9 Die Skizze befindet sich ebenfalls nicht bei den Akten des Reichsjustizamtes und wird im Quellenband zum Sachenrecht mitgeteilt.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB mission einzuholen hat. Hierauf beruht die No. 8 der Instruktion für die Redaktoren10, in welcher bestimmt ist: „Die Redaktoren haben nach Vollendung der erforderlichen Vorarbeiten und ehe sie mit der Durchführung ihrer Arbeiten im Einzelnen beginnen, die Entscheidung der Kommission einzuholen über die für die Ausarbeitung aller oder mehrerer Haupttheile des Entwurfs maßgebenden Gesichtspunkte, sowie über die Prinzipien, welche die einzelnen Theile des Entwurfs beherrschen." In welcher Weise diese Bestimmung zu befolgen sei, ist bereits mehrfach in der Redaktions-Kommission besprochen worden, jedoch ohne ein formulirbares Ergebniß. Es mangelte der Besprechung an der Grundlage bestimmter Vorschläge. Allgemein anerkannt wurde, daß es nicht möglich sei, in allen Redaktionsgebieten gleichförmig zu verfahren; in dem einen Gebiete könne es ersprießlich sein, Vorarbeiten zur Gewinnung aller für das Gebiet festzustellenden Prinzipien zu machen und die Entscheidung der Kommission über alle gewonnenen Prinzipien gleichzeitig einzuholen, bevor auch nur ein Abschnitt im Einzelnen ausgearbeitet worden, während in anderen Redaktionsgebieten die Arbeit immer auf einen einzelnen Theil beschränkt bleiben, d. h. die Vorarbeit, die Feststellung der Prinzipien und die Durchführung des einen Theils vollendet sein müsse, ehe ein anderer Theil überhaupt in Angriff genommen werden könne. Um meinerseits unter Beirath meiner Herren Kollegen zu einem festen, der Instruktion entsprechenden Arbeitsplan zu gelangen, wird es daher nicht sowohl auf die Auffindung einer für jedes Redaktionsgebiet passenden Verfahrensweise, sondern nur darauf ankommen, was meinem Pensum am Besten entspricht. Mein Pensum umfaßt das Sachenrecht, mit Einschluß des Pfandrechts und des Rechtes des Besitzes, sowie die Erledigung einer Reihe dieses Gebiet berührender Spezialfragen. Keine der letzteren steht mit den Hauptmaterien des Sachenrechts in so innigem Zusammenhange, daß die Feststellung der Prinzipien für diese abhängig wäre von der vorgängigen Entscheidung der einen oder der anderen Spezialfrage. Die Erörterung der Prinzipien des Sachenrechts wird daher von den Spezialfragen getrennt zu halten sein. Die bisherigen Vorarbeiten haben mich zu der Ansicht geführt, daß es nach der Natur des Sachenrechts nicht nur möglich, sondern auch für die Aufgabe des Redaktors förderlich ist, über alle Prinzipien, welche im Sinne der Instruktion von der Kommission vorgängig festzustellen sind, gleichzeitig und ehe die Ausarbeitung im Einzelnen beginnt, an die Kommission zu berichten. Vorausgesetzt ist hierbei, daß die Bestimmung in No. 8 der Instruktion nur solche allgemeinen Prinzipien meint, welche für die Ausarbeitung im Einzelnen präjudizirlich sind, deren vorgängige Entscheidung also nöthig ist, um der Gefahr vorzubeugen, daß sich die Arbeit in größerem Umfange als vergeblich erweist. Unter „Ausarbeitung im Einzelnen" ist hier die Aufstellung des Entwurfs in formulirten Paragraphen gemeint. Daß es schon bei der Bearbeitung der Prinzipien vielfach erforderlich wird, sich die Konsequenzen eines Prinzips durch Aufstellung einer detaillirten Skizze klar zu machen, wird nicht verkannt. Die beiliegende Skizze11 der für das Sachenrecht vorzuschlagenden Prinzipien soll nur veranschaulichen, in welchen Grenzen die Vorentscheidung der Kommission nach meinem Dafürhalten einzuholen ist. Es ist daher nicht die Absicht, die einzelnen Sätze zur Berathung zu stellen. Wie die Skizze ergiebt, verbreiten sich die Prinzipien nicht gleichmäßig über die Gebiete des Sachenrechts. Dies beruht auf der Erwägung, daß es der Vorentscheidung

11

Die Instruktion für die Redaktoren ist oben S. 220 ff. mitgeteilt worden Vgl. Fn. 9. 243

Materialien zur Entstehung des BGB der Kommission nur bei solchen Fragen bedürfe, bei denen die in Deutschland geltenden Rechtssysteme in den Grundgedanken auseinandergehen. Die Skizze macht übrigens auf Vollständigkeit noch nicht Anspruch. Die Feststellung der vorgeschlagenen Prinzipien12 würde in einem an die Kommission zu erstattenden Berichte zu beantragen und zu begründen sein. Die Begründung müßte, ohne sich in weitläufige Ausführungen zu verlieren, das gesammte Material zur Anschauung bringen, das für die Beurtheilung der Frage erheblich ist. In diesem Umfange das Ergebniß der Vorstadien schriftlich mitzutheilen, ist meines Erachtens zur gründlichen Vorbereitung der Berathung unentbehrlich. Auch wird dadurch, soweit die Vorschläge Zustimmung finden, für die Begründung des künftigen Entwurfs vorgearbeitet. Von den bei dem Pensum des Sachenrechts zu erledigenden Spezialfragen werden, soweit ich bis jetzt Einblick gewonnen, die meisten zur Aufnahme umfassender Bestimmungen in das Bürgerliche Gesetz-Buch keinen Anlaß bieten. Wo das mit Zuversicht angenommen werden darf, erachte ich eine Vorentscheidung der Kommission für entbehrlich; überdies wird sich in solchen Fällen erst auf Grund des im Einzelnen durchgearbeiteten Entwurfs beurtheilen lassen, ob über den Gegenstand etwas zu sagen ist, und event, an welcher Stelle und welchen Inhalts. Sofern aber bei der einen oder anderen Spezialfrage die Vorentscheidung der Kommission erforderlich wird, würde ich hierüber an dieselbe besonders zu berichten haben. Da die Kommission nach Lage der Umstände zur Vorentscheidung von Prinzipienfragen nicht oft wird zusammentreten können, — ich nehme an, daß dies vor dem Beginn der Kommissionsberathungen über die durchgearbeiteten Entwürfe nicht öfter als zweimal, etwa im Frühjahr und im Herbst 1875 geschehen werde, — so wird Vorsorge zu treffen sein, daß der aus Anlaß der Spezialfragen zu erstattende Bericht nicht zu weit hinausgeschoben wird. Die vorstehenden Erwägungen führen zu folgendem Arbeitsplan: Erstes Stadium. Aufstellung der vorzuschlagenden Prinzipien für die Bearbeitung des Sachenrechts mit Beiseitelassung der Spezialfragen. Ausarbeitung des hierüber an die Kommission zu erstattenden Berichts. Zweites Stadium (bis zur Feststellung der Prinzipien durch die Kommission). Bearbeitung der Spezialfragen. Bericht an die Kommission über diejenigen Fragen, in Betreff deren eine Vorentscheidung erforderlich. Drittes Stadium. Ausarbeitung des Entwurfs im Einzelnen und der Motive, wobei die Spezialfragen an geeigneter Stelle zur Erörterung gelangen. — Ich erlaube mir diesen Gegenstand der Besprechung in den Redaktorenkonferenzen hiermit ganz ergebenst zu unterbreiten. Einige Spezialfragen erheischen umfassende Vorarbeiten, die, wenn die Gesammtarbeit nicht eine erhebliche Verzögerung erleiden soll, weder von mir noch von dem mir zur Seite gestellten ständigen Hülfsarbeiter gemacht werden können; wegen Beschaffung desselben werde ich binnen kurzem Anträge zur Besprechung vorlegen. gez. Johow. 6. Protokoll der 6. Konferenz vom 5. 12.1874 3. Es wurde auf Antrag des Ober-Tribunalraths Johow beschlossen: 12

In der Skizze sind fünf allgemeine Grundsätze und 18 Fragen aus dem Immobiliarsachenrecht aufgeführt.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

A. Als Ausdrücke für die Eintheilung des bürgerlichen Gesetzbuchs werden nach dem Vorgange des Entwurfs der Civilprozeßordnung13 angenommen: „Buch, — Abschnitt, — Titel", so daß das bürgerliche Gesetzbuch in Bücher, jedes Buch in Abschnitte, ein Abschnitt nach Bedürfniß in Titel zerfällt. Die Bezeichnung weiterer Unterabtheilungen wird für den Bedürfnißfall vorbehalten. — Die einzelnen Absätze werden mit § (Paragraph) und durchlaufenden Zahlen bezeichnet. B. Für Pertinenz soll der Ausdruck die Zubehör gebraucht werden. C. Die Worte „theilweise", „vorzugsweise" und andere Zusammensetzungen mit „weise" können auch als Eigenschaftsworte, nicht blos als Adverbien gebraucht werden. 4. (Vertrauliche Besprechungen über die Skizze Johows, betreffend Prinzipien des Sachenrechts. Einzelheiten wurden nicht aufgezeichnet.) 7. Protokoll der 7. Konferenz vom 12. 12. 1874 1. Auf Antrag des Ministerialraths Dr. Schmitt wurden folgende termini technici festgestellt: Nachlaß = Gesammtheit der von einem Verstorbenen hinterlassenen (übertragbaren) Vermögensrechte; Erbe = Rechtsnachfolger in den Nachlaß (Universalsuccessor); Erblasser = Rechtsvorgänger des Erben (bezw. Vermächtnißnehmers); Erbschaft = Nachlaß als Gegenstand der Erbfolge, Nachlaß in Beziehung auf den Erben; Erbfolge = Eintritt des Erben in die Erbschaft (Universalsuccession in den Nachlaß in toto wie in parte quota). 2. Auf Veranlassung desselben Redaktors wurden Meinungen ausgetauscht über Erbrecht im objektiven und subjektiven Sinne, ob für ersteres etwa Erbschaftsrecht (Sachs. G.B.), Verlassenschafts- oder Nachlaß-Recht zu setzen, ferner ob und wie Erbfolgerecht, Erbfolgerrecht zu verwenden. — Ein bezüglicher Antrag wird zur Zeit nicht gestellt. 3. ... wurde der Antrag des Obertribunalraths Johow, „betreffend die Beschaffung des Einblicks in die zur Zeit in Deutschland auf dem Gebiete des Immobiliarsachenrechts vorhandenen Zustände", wie er in der Anlage präzisirt ist, zur Erörterung gestellt. Die Redaktoren erklärten sich insgesamt mit dem Antrage durchaus einverstanden. Anlage Berlin, den 12. Dezember 1874, Antrag des Redaktors Einen besonders schwierigen Theil des Sachenrechts bilden die Rechte an unbeweglichen Sachen. Als „den Gesammtzuständen des Deutschen Reichs" auf diesem Gebiete entsprechend kann meines Erachtens nur ein solches Immobiliarsachenrecht erachtet werden, welches nach dem Grundbuchsystem gearbeitet ist, also zur Voraussetzung hat das Vorhandensein öffentlicher Bücher, welche von jedem in Verkehr befindlichen Immobile eine zur Feststellung der Identität ausreichende Beschreibung und über die an demselben bestehenden dingliche Rechte, mit Einschluß des Eigenthums zuverlässige Auskunft geben. Das beste Mittel zur Gewinnung einer festen Grundlage für die Grundstücksbeschreibung ist die Spezialvermessung und die Veranschaulichung ihrer Ergebnisse durch Karten, wie dies insbesondere in einigen Landestheilen Preußens, in Bayern, Sachsen, 13

Reichstagsvorlage Nr. 6 von 1874/1875. 245

Materialien zur Entstehung des BGB

Württemberg und dem Großherzogthum Hessen durchgeführt, in anderen Ländern, insbesondere in Baden, in Ausführung begriffen ist. Die an einem Grundstücke bestehenden dinglichen Rechte erkennbar zu machen, ist in einzelnen deutschen Staaten in verschiedenem Umfang und in verschiedener Form erstrebt worden, und zwar überall durch ineinandergreifende Vorschriften des materiellen Rechts und des Verfahrens. — Auch das in das deutsche bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmende materielle Grundbuchrecht muß das Bestehen gewisser Einrichtungen und Grundsätze des Verfahrens zur Voraussetzung haben. Der Redaktor des Sachenrechts muß sich daher einen gründlichen Einblick in die vorhandenen Zustände verschaffen, ein solcher kann aber durch das Studium der einschlagenden Landesgesetze allein nicht gewonnen werden, es bedarf dazu auch der Anschauung aus dem Leben gewonnener Beispiele. Zu solchen Beispielen gehören insbesondere: I. was die Einrichtungen zur Grundstücksbeschreibung betrifft, A. wo eine spezielle Landesvermessung stattgefunden hat, a. l Exemplar eines Kartenblattes, welches überwiegend Feldgrundstücke enthält; b. l Exemplar eines Kartenblattes, welches einen Theil einer größeren Stadt darstellt, c. Abschrift einer Seite desjenigen Buches, in welchem sämmtliche Grundstücke eines bestimmten Bezirks eingezeichnet stehen (Güter-, Stock-, Lager-, Flurbuch, Kataster) und zwar einer solchen Seite, aus welcher zugleich ersichtbar, wie bei Veränderung des Flächenstandes (Zertheilung oder Zusammenlegung) verfahren wird. B. wo eine spezielle Bodenvermessung nicht stattgefunden hat, aber anderweitige Einrichtungen (z. B. zu Steuer- oder Grundbuchzwecken) bestehen, welche die Zusammenstellung und Beschreibung aller Grundstücke eines bestimmten Bezirks zum Ziele haben oder doch ermöglichen, ein diese Einrichtungen veranschaulichendes Beispiel. II. aus dem zur Kundbarmachung der Rechte an den einzelnen Grundstücken dienenden Buche (Grund-, Hypotheken-, Pfandbuch und dergl.) die Abschrift eines Foliums, und zwar sowohl von einer Landgemeinde als von einer Stadtgemeinde, wo diesem Zwecke zwei nebeneinander bestehende Bücher dienen, z. B. ein Buch für den Nachweis des Eigenthums und der dauernden Belastungen, ein anderes für die Einschreibung der Hypotheken, würden die mitzutheilenden Beispiele die korrespondirenden Stellen beider Bücher erhalten müssen. (Was Bayern betrifft, so würde die Abschrift des Foliums eines mit Ewiggeld belasteten Münchener Hauses besonders erwünscht sein). Zu solchem Anschauungsmaterial kann ich — abgesehen von Preußen — ohne Mitwirkung der hohen Bundesregierungen nicht gelangen. Es erscheint deshalb gerathen, an sämmtliche Bundesregierungen, mit Ausnahme der preußischen, das Ersuchen zu richten, zur Abhülfe des geschilderten Bedürfnisses dienliche Beispiele aufstellen und an die Kommission gelangen zu lassen. Das Aufsuchen und die Benutzung der einschlagenden Gesetze und Reglements würde sehr erleichtert werden, wenn es den hohen Bundesregierungen gefiele, bei ihrer Sendung eine Zusammenstellung der Gesetze und Reglements nach dem Datum und der Stelle, wo die Publikation geschehen, und soweit etwa Separatdrucke zur Verfügung stehen, je ein Exemplar derselben beizufügen. Demgemäß erlaube ich mir, im Einverständniß mit den übrigen Redaktoren, den gehorsamsten Antrag, Erw. Exzellenz wollen geneigtest Sich mit den hohen Bundesregierungen dieserhalb ins Vernehmen setzen. gez. Johow. 246

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

8. Protokoll der 11. Konferenz vom 16.1. 187514 l.Der Ministerialrath Dr. Schmitt übergab beifolgende Formulirung zweier erbrechtlicher Fragen15, betreffend die Erwerbung der Erbschaften und der Vermächtnisse, nebst vorläufigem Entwurf der entsprechenden Paragraphen, in Betreff der Erwerbung der Erbschaft in doppelter Fassung, je nachdem man die Antritts-Erwerbung oder die Erwerbung ipso jure annimmt. . . . Der angeknüpfte Meinungsaustausch ergab, daß noch immer erhebliche Bedenken über die Ausführbarkeit der Nr. VIII. der den Redaktoren ertheilten Instruktion obwalten. 9. Protokoll der 12. Konferenz vom 23. 1. 1875 1. (Beratungen über die von Schmitt gestellten Fragen. Die überwiegende Mehrzahl verwirft die Erwerbung der Erbschaft kraft Gesetzes). 2. Als Kunstausdrücke wurden festgestellt: Erbfolgerecht = Recht aus dem Anfalle, Erbrecht = Inbegriff des Rechts aus der erworbenen Erbschaft. Auch das Wort „Erbrecht" im objektiven Sinne soll zur Bezeichnung des Inhalts des betreffenden Buchs des Gesetzbuchs festgehalten werden. Das von anderer Seite empfohlene Wort „Nachlaßrecht" wurde nicht von allen Seiten gewünscht. 10. Das Protokoll der 13. Konferenz über Fragen des Erbrechts wird bei den Quellen zum Erbrecht mitgeteilt werden. 11. Protokoll der 14. Konferenz vom 6. 2. 1875 2. (Zur Anfrage Papes, ob Ostern 1875 eine Sitzung der Gesamtkommission stattfinden solle, äußerten sich alle Redaktoren ablehnend; es führten aus:) A. Der Ministerialrath Dr. Schmitt, daß er zwar im Stande sei, der Kommission, wenn sie zu Ostern 1875 zusammentrete, Fragen, betreffend die Erwerbung der Erbschaften und der Vermächtnisse, sowie betreffend die Haftung des Erben für die Erbschaftsschulden zu unterbreiten, daß er es indessen, da diese Fragen die Zahl der aus dem Gebiete des Erbrechts zur Entscheidung zu bringenden Prinzipienfragen nicht erschöpfen und wegen deren Zusammenhangs mit anderen noch nicht bearbeiteten Lehren des Erbrechts für besser und förderlicher erachte, wenn die Kommission erst im Herbste zusammentrete. B. Der Ober-Tribunais-Direktor Dr. von Kübel, daß er der Kommission vorab zu erledigende Prinzipienfragen überhaupt nicht zu unterbreiten haben werde, weil er solche Prinzipien, wie sie für die Vorberathung in der Kommission sich eignen, im Obligationenrechte bisher nicht gefunden habe. Er führte aus: Die Vor-Kommission habe als zu entscheidende Prinzipienfrage aus dem Gebiete des Obligationenrechts nur die über die Form der Verträge (schriftliche oder mündliche Form) bezeichnet. In dieser Beziehung erscheine eine Vorberathung nicht nöthig. Es sei nicht wahrscheinlich, daß das Prinzip des preußischen Allgemeinen Landrechts angenommen werde. Die Frage sei also nur, ob für einzelne Verträge, — und zwar für welche — Formvorschriften zu geben seien. — Andere Prinzipien — z. B. das durch eine Reihe von Lehren von ihm

In den vorhergehenden Sitzungen war die Skizze von Johow über die sachenrechtlichen Prinzipien besprochen worden. Diese „Formulirung" fehlt fei in den Akten des Reichsjusrizamtes. Sie befindet sich aber im Nachlaß v. Planck und wird bei den Quellen zum Erbrecht mitgeteilt. 247

Materialien zur Entstehung des BGB verfolgte, ob ein Versprechen ohne Annahme, bezw. inwieweit einen Verpflichtungsgrund abgeben könne, — könnten erst entschieden werden, wenn die Arbeit im Detail vollständig vorliege, da die Uebersicht des Details zur Begründung der Ansicht des Redaktors nöthig sei. Die fortgesetzte Bemühung, ein zur Vorberathung geeignetes Prinzip aufzufinden (so zu sagen, eine Jagd auf ein solches), würde nur eine nutzlose Zeitverschwendung herbeiführen. Er könne also die Berufung der Kommission vorläufig noch nicht wünschen. C. Der Apfellationsgerichtsratb Planck, daß auch er die Einberufung der Kommission zu Ostern d. J. nicht wünschen könne. Er machte geltend: Er würde bezüglich des ehelichen Güterrechts, — mit welchem er sich bekanntlich bisher nur beschäftigt habe — die Grundzüge des Systems der sogenannten Gütereinheit und der allgemeinen Gütergemeinschaft vorlegen können. Allein auch diese Grundzüge würden für jetzt nur provisorisch sein können, weil bezüglich des Systems der Errungenschaftsgemeinschaft, dessen Bearbeitung Professor Schröder übernommen habe, noch Nichts vorgelegt werden könne. Professor Schröder habe die Vollendung seiner Arbeit frühestens für den Juni in Aussicht gestellt und diese Ausarbeitung desselben werde zunächst noch sorgfältig zu prüfen sein. Die von der Kommission zu entscheidende wichtige prinzipielle Frage, ob mehrere Systeme und welche in den Entwurf aufzunehmen, ob ferner eines derselben und eventuell welches, als das herrschende in der Art festzustellen sei, daß die übrigen nur für den Fall Anwendung finden können, wenn die Parteien dies vereinbart hätten, lasse sich zweckmäßig erst klären (?), wenn die Grundzüge aller möglichen, etwa in Betracht kommenden Systeme vorlägen. D. Der Ministerialratb Dr. Gebhard, daß er ebenfalls einen schon zu Ostern d. J. erfolgenden Zusammentritt der Kommission nicht für sachgemäß halten könne. Es sei ihm überhaupt zweifelhaft, ob das Gebiet des allgemeinen Theils, welches er bisher vorzugsweise in Angriff genommen habe, — die Lehre vom subjektiven Rechte (subjektives Recht im engeren Sinne), Entstehung und Untergang der Rechte, Rechtsgeschäfte, Erfordernisse der Gültigkeit pp. — Fragen präjudizieller Natur biete. Allerdings berge diese Materie eine Reihe wissenschaftlicher Probleme, mit deren Lösung sich die Literatur in der eingänglichsten Weise beschäftigt habe, ohne daß eine Aussicht auf Versöhnung der entgegenstehenden Ansichten gewonnen worden sei, so z. B. hinsichtlich des Rechtssubjekts (juristische Person, subjektloses Gut), in der Lehre von der Bedingung hinsichtlich der Frage, was bedingt sei (die Existenz des Willens, das Geschäft, die gewollte Wirkung pp.). Aber er glaube nicht, daß solche Fragen wissenschaftlicher Konstruktion vorweggenommen und in fruchtbringender Weise einer Vorberathung unterzogen werden könnten; die Erörterung des theoretischen Ausgangspunkts müsse vielmehr hier mit der Berathung der einzelnen Bestimmungen verbunden werden, wobei sich nicht selten zeigen dürfte, daß man selbst bei abweichendem theoretischen Standpunkte zu denselben praktischen Gesichtspunkten und Rechtsregeln gelange. Bei anderen, unmittelbar praktischen Punkten, bezüglich deren die Möglichkeit verschiedener Ansichten nahe liege, z. B. bei der Frage, ob und welche Altersstufen hinsichtlich der Handlungsfähigkeit innerhalb der Minderjährigkeit zu unterscheiden seien, wie die Verschollenheit, Todeserklärung zu behandeln seien, liege die Gefahr nicht vor, daß der Redaktor einen Seitens der Kommission nicht gebilligten Weg einschlage, ein umfassender Theil der Arbeit vergeblich gemacht und durch die Umgestaltung eine erhebliche Schwierigkeit bereitet werden würde. — ... E. Der Obertribunalsrath Johow erinnerte an die bald nach dem Beginne seiner Thätigkeit von ihm vorgelegte Skizze solcher rechtlicher Prinzipien, welche er der

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Berathung unterstellt habe, um damit zu einem festen Arbeitsplane zu gelangen. Er führte aus: Die Besprechung der Skizze habe von vornherein ergeben, daß es nur die Absicht gewesen sein könne, über solche Prinzipien die Vorentscheidung der Kommission einzuholen, deren künftige Annahme zweifelhaft sei und welche zugleich einem größeren Teile der Arbeit präjudiziren. Beim Durchgehen der einzelnen Sätze habe sich sodann eine weitgehende Uebereinstimmung der Ansichten über wichtige Sätze des Sachenrechts herausgestellt und, wo es an einer solchen gemangelt, habe sich gezeigt, daß die Frage entweder nur für eine geringe Zahl von Paragraphen präjudiziell sei, oder sich nur auf der Grundlage eines detaillirten Entwurfs mit Sicherheit beurtheilen lasse. In Folge dessen habe er den Plan, zunächst Prinzipien aufzusuchen, über welche an die Kommission Behufs Herbeiführung einer Vorentscheidung zu berichten, schon seit Monaten aufgegeben und sich zur Entwerfung der einzelnen Abschnitte seines Pensums gewidmet. Erst wenn diese Arbeit zu einem vorläufigen Abschlüsse gelangt sein werde, werde sich übersehen lassen, über welche Prinzipien noch vor der Vollendung des Entwurfs und seiner Begründung die Vorentscheidung der Kommission einzuholen sei. Es sei übrigens nicht außer Acht zu lassen, daß es sich meistens nur um ein EntwederOder handeln werde und in diesen Fällen die Aufstellung eines Eventualentwurfes es vielleicht ermögliche, von einer besonderen Vorentscheidung des Prinzips ganz abzusehen. Jedenfalls würde der auf dem Gebiete des Sachenrechts verfolgte Arbeitsplan eine empfindliche Störung erleiden, wenn der Redaktor für eine Friihjahrssession der Kommission die Berathung sachenrechtlicher Prinzipien vorlegen sollte. . . 3.[Beratung über erbrechtliche Fragen (wird bei den Quellen zum Erbrecht mitgeteilt).] 4. Als technische Bezeichnungen wurden festgestellt: Vermachtes Recht = Gegenstand des Vermächtnisses; Vermächtniß-Anordnung = letztwilliger, auf Zuwendung eines einzelnen Vermögensbestandtheils gerichteter Dispositionsakt (das Wort soll nur gebraucht werden, wo der Akt in Frage); Vermächtniß = Inhalt der Vermächtniß-Anordnung. 12. Protokoll der 18. Konferenz vom 6.3.1875 3. Der Obertribunalsrath Johow bemerkte mit Bezug auf die heute zur Vertheilung gelangte Textskizze aus dem Gebiete des Sachenrechts16, daß, wie auch in der beigefügten Erläuterung hervorgehoben sei, die formulirten Paragraphen noch nicht definitiv festgestellt, auch noch nicht in der Form fertig seien. — Die Mittheilung erfolge als eine durchaus vertrauliche, und habe lediglich den Zweck, Meinungsäußerungen, insbesondere mit Rücksicht auf die von den anderen Redaktoren auf ihrem Arbeitsfelde aufgestellten Ansichten, hervorzurufen und die Uebereinstimmung der Arbeiten zu fördern. 4. Der Ministerialrath Dr. Schmitt überreichte einen formulirten Antrag17, zwei erbrechtliche Fragen betreffend. Derselbe soll vervielfältigt und in der Folge erst besprochen werden. 5. Bei Besprechung der Frage, wie die Entscheidung, in welchem Umfange die Erbeinsetzungsverträge in das bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen sein möchten, vorzubereiten sei, wurde als besser und erfolgreicher angesehen, von den einzelnen RegieDiese Textskizze befindet sich nicht bei den Akten des Reichsjustizamtes, sondern war nur im Nachlaß Planck auffindbar (der Abdruck erfolgt im Quellenband zum Sachenrecht). Auch diese Textskizze befindet sich nicht in den Akten des RJA (Mitteilung erfolgt aus dem Nachlaß von Planck im Quellenband zum Erbrecht). 249

Materialien zur Entstehung des BGB

rungen Gutachten unter möglichster Berücksichtigung des zu Gebote stehenden statistischen Materials einzufordern, als lediglich statistische Feststellungen zu veranlassen. 13. Protokoll der 19. Konferenz vom 13. 3. 1875 4. Der Obertribunalsrath Johow ließ die Fortsetzung seiner Textskizze18 nebst Erläuterung vertheilen, indem er wegen der Bedeutung und des Zwecks der Mittheilung auf die am 6. d. Mts. zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug nahm. 5. (Besprechung von erbrechtlichen Fragen; wird bei den erbrechtlichen Quellen mitgteilt). 6. Als termini technici wurden festgestellt: Letztwillige Verfügung = jede auf den Todesfall des Erblassers einseitig errichtete und ebenso widerrufliche Disposition nach ihrem ganzen Inhalt und nach ihrer Form (Akt); Letzter Wille = Gesammtinhalt einer oder der letztwilligen Verfügung. Letztwillige Anordnungen = der spezifische Inhalt einer letztwilligen Verfügung im Einzelnen (z. B. Erbeinsetzung pp., Vermächtniß). 14. Protokoll der 21. Konferenz vom 1. 4.1875 2. Auf den Antrag des Ober-Tribunais-Direktor Dr. von Kübel wurden als termini technici angenommen: für Offerte = Vertragsantrag bezw. Antrag; für Acceptation = Annahme. Ueber die Bedeutung des Ausdrucks „Im Zweifel" fand eine Verständigung statt; eine formulirte Definition wird der Ober-Tribunais-Direktor Dr. von Kübel in nächster Konferenz vorlegen. Derselbe übernahm es, aus den Dresdener Protokollen eine Anzahl Ausdrücke, welche auf allen oder doch mehreren Redaktionsgebieten anzuwenden sein möchten, und deren Feststellung dort bereits Schwierigkeiten bereitet hat, zusammenzustellen und der Erörterung zu unterbreiten. 15. Protokoll der 22. Konferenz vom 10. 4. 1875 l. Der Obertribunais-Direktor Dr. von Kübel formulirte seinen Antrag, dessen das Protokoll über die 21. Konferenz zu 2 gedenkt, dahin: „Wird für ein Rechtsverhältniß, das je nach dem Willen der Parteien eine verschiedene rechtliche Auffassung zuläßt, eine Bestimmung getroffen, weil erfahrungsgemäß eine gewisse Auffassung des Rechtsverhältnisses als von den Parteien der Regel nach gewollt anzunehmen ist, und soll die getroffene Bestimmung gelten, wenn nicht ein anderer Wille der Parteien aus ihren Erklärungen oder aus den Umständen erhellt, so wolle hierfür der Ausdruck gebraucht werden: daß die fragliche Gesetzesbestimmung ,im Zweifel' gelte pp. Es sind also die Fälle gemeint, wo die in der Erfahrung gegründete Unterstellung eines regelmäßig zutreffenden bestimmten Willens der Parteien die Voraussetzung für die getroffene Bestimmung bildet und letztere nur gelten soll, so lange nicht ein anderer Wille der Parteien erhellt" . Gegen diese Formulirung des bereits in der 21. Konferenz vereinbarten Gedankens wurde Nichts erinnert. 18

Vgl. Fn. 16. Kübel führt in seinem Vorschlag an: „z. B. DresdE. An. 12. Bei einem Schuldverhältnis hat im Zweifel jeder Gläubiger einen gleichen Antheil zu fordern, jeder Schuldner einen gleichen Antheil zu leisten. — Art. 77. Im Fall der Verabredung einer besonderen Form für den Vertrag ist im Zweifel anzunehmen, daß dies nur zur Erlangung eines Beweismittels geschehen ist" (von Kübel nicht wörtlich zitiert).

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D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

2. Auf Anregung des Ober-Tribunais-Direktors Dr. von Kuebel wurde besprochen, in welchem Sinne die Bezeichnungen „nichtig", „ungiltig" und „anfechtbar" im Gesetzbuche zu gebrauchen seien. Es theilte der Ministerialrath Dr. Gebhard mit, daß im allgemeinen Theile von Eintheilung der Geschäfte in „gültige" und „ungültige" ausgegangen werde, und daß als Arten der letzteren „nichtige" und „anfechtbare" angesehen werden. Die Bezeichnung der Geschäfte als „ungültige" werde sich voraussichtlich im Gesetzbuche entbehren lassen. — Von mehreren Seiten wurde der Wunsch ausgesprochen, daß im allgemeinen Theile für anfechtbare Geschäfte möchte die Aufhebung ex tunc als regelmäßige Folge ausgesprochen werden, damit nur die etwaigen Abweichungen bei einzelnen Rechtsgeschäften aufzunehmen seien. Der Ministerialrath Dr. Gebhard erklärte, noch nicht zum Abschluß gelangt zu sein mit der Erwägung, ob in den allgemeinen Theil eine solche Vorschrift aufgenommen werden könne. — „Anfechtbar" wird, wie konstatirt wurde, allseitig so aufgefaßt, daß anfechtbare Geschäfte durch einfache Erklärung der Betheiligten — nicht durch Unheil — hinfällig sein sollen. 3. Auf Antrag des Ministerialraths Dr. Schmitt wurden als termini technici festgestellt: Erbeinsetzung = letztwillige Berufung zur Erbfolge — im Gegensatz zum Vermächtniß; Ersatzerbe = Substitut bei der Vulgar-Substitution; Nacherbe = heres fideicommissarius, Erbe, welcher die Erbschaft überkommt, nachdem ein anderer dieselbe einige Zeit gehabt hat; das entsprechende Wort: „Vorerbe" = Fiduciar, wird möglichst wenig gebraucht werden; Vollstrecker des letzten Willens = Testamentsexekutor. Auf Antrag des Ministerialraths Dr. Gebhard wird angenommen, daß der Ausdruck „Es macht keinen Unterschied, ob" und nicht der gleichmäßig in anderen Gesetzbüchern verwendete Ausdruck: „Es ist gleichgültig, ob" im Gesetzbuche gebraucht werden soll.

16. Protokoll der 23. Konferenz vom 17. 4. 1875 1. Es wurde als terminus technicus auf dem Gebiete des Erbrechts noch festgestellt: Vorvz«ivermächtniß = Praelegat. 2. Im Anschluß an die Frage, ob bezw. wo die arrha sponsalitia (Mahlschatz, sächsisches Gesetzbuch §§ 1553 bis 1556) praktisch vorkommt, fanden verschiedene Besprechungen über Fragen des Familienrechts statt. Zu Aufzeichnungen darüber ergab sich keine Veranlassung.

17. Protokoll der 24. Konferenz vom 24. 4. 1875 2. Der Ministerial-Rath Dr. Schmitt erbat sich vom Redaktor des Familienrechts Aufklärungen über dessen Intentionen bezüglich des ehelichen Güterrechts, im Interesse der Bearbeitung des Erbrechts und des Pflichttheilsrechts der Ehegatten. (Der genaue Wortlaut des 12 Seiten umfassenden Protokolls wird bei den Quellen zum Familienrecht mitgeteilt.)

18. Protokoll der 25. Konferenz vom 1.5.1875 3. Die angeschlossenen Besprechungen, betreffend einige Grenzgebiete zwischen dem Familienrechte und dem allgemeinen Theil (insbesondere die Nichtigkeitsklage bezüglich der Ehen), boten zu Aufzeichnungen keinen Anlaß. 251

Materialien zur Entstehung des BGB

19. Protokoll der 26. Konferenz vom 8. 5.1875 Es fanden Besprechungen statt über die Zweckmäßigkeit der Mittheilung einzelner Formulirungen. Der Ober-Tribunais-Direktor Dr. von Kübel hielt es für höchst zweifelhaft, ob dadurch ein großer Nutzen geschafft wird. Derselbe stellte in Aussicht, daß er den allgemeinen Theil des Obligationen-Rechts, sobald er denselben fertig hergestellt haben werde, drucken und an alle Mitglieder der Kommission vertheilen lassen werde, indem er geltend machte, daß daran von ihm demnächst nicht mehr erheblich zu ändern sein werde, und unbedeutende Aenderungen leicht durch Nachträge mitgetheilt werden könnten. — Die anderen Redaktoren hielten eine Mittheilung, sobald nur der einzelne Redaktor zu einem gewissen Abschluß gelangt sein werde, für höchst wünschenswerth, um wesentliche Verschiedenheiten zu beseitigen, oder doch zu klären, bevor die HauptKommission mit der Entscheidung befaßt sein werde. 20. Protokoll der 27. Konferenz vom 14. 5. 1875 2. Auf Anfrage des Ober-Tribunalraths Johow theilte der Obertribunalsdirektor Dr. v. Kübel mit, daß er bisher für dolus — Arglist, für culpa — Fahrlässigkeit gebraucht habe, aber noch keineswegs schlüssig sei, ob er nicht für Arglist — Vorsatz oder Absicht gebrauchen werde. Man verständigte sich dahin, daß dolus und culpa . . ., mit „Verschuldung" bezeichnet werden sollen (vergl. Haftpflichtgesetz vom 7. Juli 1871). 3. Auf Antrag des Obertribunals-Rath Johow wurden als Kunstausdrücke festgestellt: redlicher/unredlicher Besitz für possessio bonae fidei, malae fidei; guter/böser Glaube für bona/mala fides, die letzteren Ausdrücke wurden dem „redlichen/nichtredlichen Glauben" vorgezogen. 4. (Kübels Antrag, Probleme der Tiermängelhaftung einer besonderen Commission von Thierärzten, sowohl Praktikern als Theoretikern, zu unterbreiten)20. 21. Protokoll der 28. Konferenz vom 22. 5.187521 2. Der Ministerialrath Dr. Schmitt schlug vor, die Namen für die verschiedenen Arten der Erben festzustellen. Derselbe beantragt: Wahlerbe = Willenserbe, also zugleich Testaments- und Vertragserbe bezeichnend, Stammerbe = gesetzlicher Erbe, davon ausgehend, daß auch die Wahlerben gesetzliche Erben sind (das Wort wird abgeleitet von Abstammung, welche zunächst die Quelle sei des Erbrechts der sogenannten gesetzlichen Erben, und auch für die Adoptirten und die Ehefrau — falls dieser letzteren ein Erbrecht zugestanden wird — insofern paßt, als diese durch Adoption bezw. Ehe in die Familie aufgenommen werden); — Pflichttheilserbe — (nicht Notherbe) = derjenige welcher, von dem Willen des Erblassers unabhängig, einen Erbtheil zu beanspruchen hat. Die anderen beiden anwesenden Redaktoren sind mit dem Antrage mit der Maßgabe einverstanden, daß es bei dem Ausdruck „gesetzlicher Erbe" zu belassen sei. Der Appellationsgerichtsrath Planck macht insbesondere geltend, daß die Bezeichnung in Theorie und Praxis in Geltung und nicht wohl mißzuverstehen sei. Der Miriisterialrath Dr. Gebhard wies darauf hin, daß auch das Römische Recht vom heres legitimus spreche, und daß man von gesetzlichen Ansprüchen (ex lege) gegenüber den vertraglichen rede, obschon auch letztere auf dem Gesetze beruhen. 20

Einzelheiten im Bericht von Pape vom 2. 11. 1876 (vgl. S. 282f.); die Problematik ist im Herbst 1875 auf Vorschlag Papes von der Hauptkommission behandelt worden (Einzelheiten im Bd. Schuldrecht II). 21 Nicht anwesend waren Johow und Kübel. 252

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

22. Protokoll der 29. Konferenz vom 29.5.1875 2. Der Redaktor des Sachenrechts konstatirte, daß er sich in Uebereinstimmung mit den übrigen Herrn Redaktoren befindet, wenn er im Sachenrecht „Anspruch" (gedacht ist besonders an Eigenthums-Anspruch) gleichbedeutend mit „materielles Klagerecht" gebraucht, und daß er sich damit nicht in Widerspruch setzt mit den früheren Beschlüssen über die Bedeutung von Anspruch. 23. Protokoll der 32. Konferenz vom 19. 6.1875 3 — 6. (Mitteilung der Redaktoren, welche Materien sie der Hauptkommission zur Beratung im Herbst 1875 vorlegen wollen)22. 24. Protokoll der 35. Konferenz vom 21. 8.1875 3. (Das Gutachten von Schröder über das eheliche Güterrecht soll gedruckt werden; Einzelheiten bei den Quellen zum Familienrecht). 25. Protokoll der 38. Konferenz vom 18. 9.1875 2. Die auf Veranlassung des Appellationsgerichts-Rath Planck erfolgten Besprechungen über die künftige Ausführung der Nr. 10 der Instruktion für die Redaktoren23 ergaben, daß die Redaktoren übereinstimmend es für zweckmäßig erachten: I. daß die Berathung und Beschlußfassung über den fertig gestellten Entwurf erst beginne, sobald alle fünf Theile fertig sind, II. daß die einzelnen Theile so, wie sie aus der Hand des betreffenden Redaktors kommen (also ohne Umarbeitung durch den Hauptreferenten) der Berathung unterbreitet werden, III. daß zunächst der allgemeine Theil der Berathung unterstellt werde, IV. daß der Hauptreferent spätestens zu der Zeit, wo die einzelnen Arbeiten an die Kommissionsmitglieder zuerst vertheilt werden, festgestellt werde, V. daß es lediglich der Anordnung des Herrn Präsidenten zu überlassen, ob und in welcher Weise die Sache bei dem nächsten Zusammentritt der Kommission zur Berathung zu bringen. 26. Protokoll der 39. Konferenz vom 13.11.1875 l. (Über einen Antrag von Planck über die Beschaffung weiteren Materials zum Ehegüterrecht; Näheres bei den Quellen zum Familienrecht). 27. Protokoll der 41. Konferenz vom 11.12.1875 4. (Der Wunsch von Mitgliedern, daß 1876 im Frühjahr und im Herbst Sitzungen abgehalten werden sollen, wurde von allen Redaktoren abgelehnt. Zur Begründung wurde geltend gemacht): Alle Redaktoren seien jetzt mit der Formulirung und Motivirung umfassender Abschnitte ihrer Pensen beschäftigt, wobei namentlich die Ergebnisse der Oktoberbe-

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Vgl. das Protokoll der Sitzung der Gesamtkommission vom 4. 10. 1875 (oben S. 223 f.). Vgl. oben S. 221 f.

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Materialien zur Entstehung des BGB

rathung zur Verarbeitung gelangen. Um Vorlagen zu einer Frühjahrssitzung vorzubereiten, würde diese Arbeit schon bald unterbrochen, und etwas Neues in Angriff genommen werden müssen. Bei der späteren Rückkehr zu der einstweilen bei Seite gelegten Arbeit würden die abgerissenen Fäden nur mit erheblichem Verlust wieder angeknüpft werden können. Die Zeit zwischen der Aprilsitzung und der Oktobersitzung würde durch unentbehrliche Erholungszeit in der Mitte durchbrochen; in derselben würde daher immer nur verhältnißmäßig kurze Zeit zusammenhängend gearbeitet werden können, und diese Arbeitszeit würde überdies (?) dadurch geschmälert, daß die Redaktoren wiederum nicht nur eigene Vorlagen vorzubereiten, sondern auch mit den Vorlagen der anderen Redaktoren sich vertraut zu machen, sie eingehend zu prüfen, und etwaige Gegenanträge zu formuliren und zu begründen haben. Wolle man die hierzu nur zu den Kommissionsberathungen erforderliche Zeit auch nur zu je zwei Monaten veranschlagen, was gewiß nicht zu hoch gegriffen sei, so würden dadurch die Redaktoren während vier Monaten des Jahres 1875 ihrer nächsten Aufgabe entzogen. Wenn man nun weiter die Erholungszeit hinzurechne und beachte, daß die Arbeit auch durch das Zerreißen der Arbeitszeit gestört und gehemmt werde, so würde für die Ausarbeitung der Entwürfe im Jahre 1876 kaum mehr als ein halbes Jahr übrig bleiben. Diese Uebelstände würden auch dadurch nicht erheblich gemindert werden, wenn jeder Redaktor nur für eine Sitzung Vorlagen machen würde, etwa zwei Redaktoren Vorlagen für die Aprilsitzung, die anderen Redaktoren für die Oktobersitzung. Denn auch in diesem Falle erfahre jeder Redaktor eine zweimalige Unterbrechung seiner Arbeiten. Jedenfalls werde der Gesammtverlust an dem Fortschreiten der Redaktionsarbeiten bei einem zweimaligen Zusammentreten der Kommission viel größer sein, als bei einmaligem24. 28. Protokoll der 43. Konferenz vom 8. 1. 1876 3. (Planck überreicht ein Expose über die Haftung der Frau für Schulden des Mannes; abgedruckt bei den Quellen zum Familienrecht.) 4. Besprochen wurde auf Anregung des Redaktors des Erbrechts, ob man Bestimmungen für erforderlich erachte, welche vorschreiben, daß das vom Erblasser übergebene Testament nicht mit Bleistift, und nicht mit Zeichenschrift, bezw. Stenographie geschrieben sein dürfe. 29. Protokoll der 44. Konferenz vom 22. 1.1876 2. (Ausführliche Besprechung des Expose von Planck)25. 30. Protokoll der 45. Konferenz vom 5. 2. 1876 1. (Erörterung der Frage 6 der Planckschen Thesen. In der Debatte ergaben sich verschiedene Meinungen, über die nichts aufgezeichnet wurde). 31. Protokoll der 49. Konferenz vom 1. 4. 1876 3. Der Redaktor des allgemeinen Theils, Ministerialrath Dr. Gebhard, bringt im Anschluß an die die Verwandtschaft und Schwägerschaft betreffenden Bestimmungen 24

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Pape hat aufgrund der Wünsche der Redaktoren die nächsten Sitzungen der Gesamtkommission erst auf den Herbst 1876 einberufen. Über diese Besprechung existiert eine umfangreiche Niederschrift von Neubauer; sie wird bei den Quellen zum Familienrecht abgedruckt.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

des allgemeinen Theils einige Fragen, betreffend die Sprachweise des Gesetzbuchs zur Berathung. Man verständigte sich dahin, daß dem natürlichen Begriffe der Verwandtschaft gemäß unter dem Ausdruck „Verwandte" nur diejenigen Personen zu verstehen seien, deren eine von der anderen abstammt, oder welche von demselben Dritten abstammen, nicht aber die durch sogenannte künstliche oder bürgerliche Verwandtschaft (Adoption, Einkindschaft) verbundenen. Soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzbuchs auch die uneheliche Zeugung bezw. Geburt ein Verwandtschaftsverhältniß begründet, umfaßt der bezeichnete Ausdruck sowohl die ehelichen als die unehelichen Verwandten. Unter „Eltern" und „Kinder" sollen nur Aszendenten und Deszendenten ersten Grades verstanden werden. Aszendenten sollen „Ahnen" genannt werden. Darüber ob für „Deszendenten" „Abkömmlinge" oder „Nachkommen" zu sagen, waren die Ansichten getheilt.

32. Protokoll der 50. Konferenz der Redaktoren vom 8. 4. 1876 2. Bei der Fortsetzung der Besprechung betreffend die die Verwandtschaft und Schwägerschaft angehenden Bestimmungen entschied sich die Mehrheit dafür, in Berücksichtigung des durchgreifenden Sprachgebrauchs der neueren Gesetzgebungen für „Deszendenten" zu sagen „Abkömmlinge". Der Ausdruck „uneheliche Kinder" bezw. „uneheliche Verwandtschaft" wird im Anschluß an die Reichsgesetze und viele andere Kodifikationen vor außerehelichen Kindern bezw. außerehelicher Verwandtschaft bevorzugt. — Unter „Verschwägerten" sollen diejenigen verstanden werden, welche mit dem anderen Ehegatten verwandt sind, ohne Rücksicht darauf, ob die betreffende, die Schwägerschaft vermittelnde Ehe durch Tod oder Scheidung gelöst oder getrennt worden ist. Darüber, was unter Familie zu verstehen, soll eine Definition in das Gesetzbuch nicht aufgenommen werden. 33. Protokoll der 52. Konferenz vom 6. 5. 1876 3. Der Redaktor des Sachenrechts regte die Feststellung einiger, die Lehre vom Besitz betreffenden Kunstausdrücke an. Er führte aus: In dem Begriffe des Sachbesitzes seien zwei Elemente enthalten: 1. das äußere Machtverhältniß der Person zur Sache, 2. der auf das Haben der Sache gerichtete Wille. Dieser Wille ist a) entweder darauf gerichtet, die Sache wie ein Eigenthümer zu haben, b) oder darauf, die Sache als eine fremde zu haben, und zwar entweder a) lediglich als Stellvertreter desjenigen, der die Sache als die seinige haben will oder b) zugleich im eigenen rechtlichen Interesse; er schlug vor: I. für das äußere Machtverhältniß der Person zur Sache den Ausdruck „thatsächliehe Gewalt" zu gebrauchen (in Betracht gezogene Bezeichnungen: Gewalt des Besitzers, natürliche Gewalt, Gewalt und Gewahrsam, thatsächliche Macht, körperliche Macht oder Gewahrsam, Gewahrsam); II. den Ausdruck „Besitz" nur zu verwenden für die mit dem Willen, die Sache wie ein Eigenthümer zu haben, verbundene thatsächliche Gewalt. — Widerrathen wurde die Verwendung des Ausdrucks „Besitz" a) im weiteren Sinne für Ausübung thatsächlicher Gewalt schlechthin, b) für Ausübung thatsächlicher Gewalt im eigenen Interesse, wobei wieder zu scheiden wäre: a) Interesse wie ein Eigenthümer (der „vollständige Besitz" des Preußischen Landrechts, der „Eigenthumsbesitz" des Züricher Gesetzbuchs); b) anderes rechtliches Interesse (der „unvollständige Besitz" des Preußischen Landrechts, der Pacht-, Mieths-, Pfand- u.s.w. Besitz" des Züricher Gesetzbuchs); 255

Materialien zur Entstehung des BGB III. den Ausdruck „Gewahrsam" zu verwenden, um den auf dem natürlichen Unterschiede der unbeweglichen und beweglichen Sachen beruhenden besonderen Charakter zu bezeichnen, welchen die thatsächliche Gewalt an beweglichen Sachen hat. Es soll also der Ausdruck „Gewahrsam" nicht ausgedehnt werden auf die thatsächliche Gewalt überhaupt (Preußisches Landrecht) und nicht beschränkt werden auf die besondere Art der Ausübung thatsächlicher Gewalt, welche in den römischen Quellen mit dem Ausdrucke custodia bezeichnet wird. Diesen Vorschlägen wurde allseitig zugestimmt. Dagegen fand der Vorschlag des Redaktors, den Ausdruck „Inhaber" (wie in dem preußischen Entwurfe von 1834 und dem bayerischen Entwurfe) zu verwenden zur Bezeichnung dessen, welcher die Sache als eine fremde in seiner thatsächlichen Gewalt hat, sei es lediglich als Stellvertreter des Besitzers, sei es zugleich im eigenen rechtlichen Interesse, keine Zustimmung. Man einigte sich dahin, den Ausdruck „Inhaber" in dem sprachgebräuchlichen Sinne zu verwenden, d. h. zur Bezeichnung dessen, der eine Sache in seiner thatsächlichen Gewalt hat, schlechthin, so daß also von dem besonderen Inhalte des Willens abgesehen wird. Danach ist auch der Besitzer Inhaber, mit dem Willen, die Sache als die seinige zu haben. — Einen Kunstausdruck für den „Inhaber einer fremden Sache" zu bestimmen, wurde vorbehalten.

34. Protokoll der 53. Konferenz vom 20. 5. 1876 3. Auf Veranlassung des Redaktors des Familienrechts fand eine eingehende Besprechung darüber statt, welcher Sinn mit dem Wort „Veräußerung" zu verbinden sei. Man war Anfangs übereinstimmend der Meinung, daß in den Allgemeinen Theil eine Bestimmung darüber aufzunehmen sein werde, was das Gesetz unter „Veräußerung" verstehe, und daß für den Inhalt dieser Bestimmung der Artikel 5 des bayerischen Entwurfs — Hauptstück von den Rechtsgeschäften — zum Vorbilde zu dienen habe, jedoch mit Hinzunahme der Verpfändung; Veräußerung würde danach bedeuten ein Rechtsgeschäft, wodurch das Eigenthum oder ein anderes Recht an einer Sache oder eine Forderung aufgegeben oder auf einen Anderen übertragen, oder wodurch eine dingliche Belastung auf eine Sache gelegt oder eine Sache oder eine Forderung verpfändet wird. Es ergaben sich jedoch im Laufe der Berathung erhebliche Zweifel darüber, ob der Begriff der Veräußerung auf bestimmte Rechte zu beschränken sei, es wurden insbesondere die Anfallsrechte in Betracht gezogen. Schließlich überwog die Ansicht, daß ebenso wie bei der Dresdener Konferenz von einer Legal-Definition gänzlich abzusehen und der Wissenschaft zu überlassen sei, den Inhalt des Begriffes festzustellen, daß es jedoch unbedenklich sei, bei der Redaktion den Ausdruck „Veräußerung" nur zu gebrauchen für das Geschäft, durch welches die betreffende Rechtsveränderung sich vollzieht, nicht für den obligatorischen Vertrag, durch welchen die Verpflichtung übernommen wird, die betreffende Rechtsveränderung herbeizuführen.

35. Protokoll der 54. Konferenz vom 2. 6. 1876 (Über Thesen von Schmitt über den Besitz des Erben an den Nachlaßgegenständen und den diesem zu gewährenden Besitzschutz, ferner die Behandlung des Nachlasses überhaupt und im Falle einer Überschuldung im besonderen, endlich die Eintragung des Eigenthums in das Grundbuch im Falle der Erwerbung unter einer resolutiven oder suspensiven Bedingung; die Thesen von Schmidt werden bei den erbrechtlichen Quellen abgedruckt.)

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D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

36. Protokoll der 59. Konferenz vom 11. 11. 1876 1. (Über das Gutachten der technischen Deputation für das Veterinärwesen; von Kübel als wenig ergiebig bezeichnet)26 4. Der Redaktor des Obligationenrechts brachte zur Sprache, ob die Bezeichnung „Hypothek" für die sogenannte Konsenshypothek beibehalten werden solle. Er war der Ansicht, daß das Wort als terminus technicus nicht gewählt werden sollte, weil es ein fremdländisches sei, und weil der bisherige, in der Wissenschaft geläufige Begriff ein wesentlich anderer sei. Der Redaktor des Sachenrechts erklärte, er behalte sich vor, auf diesen Gegenstand zu gelegener Zeit zurückzukommen. 37. Protokoll der 60. Konferenz vom 25.11.1876 1. Der Ober-Tribunalsrath Johow brachte zur Sprache, in welches Redaktionsgebiet die Lehre von der „Pfändung" gehöre. Man verständigte sich dahin, daß dieselbe von dem Redaktor des allgemeinen Theils bei Erörterung der Lehre von der Selbsthülfe zu behandeln sein werde. 38. Protokoll der 61. Konferenz vorn 9.12. 1876 2. Der Redaktor des Sachenrechts brachte zur Sprache, in welches Redaktionsgebiet das Retentionsrecht falle. Man war einverstanden, daß bei der Bearbeitung des Obligationenrechts festzustellen sei, in welchen Fällen ein Retentionsrecht zu gewähren sei, daß dagegen die Wirkung des Retentionsrechts, — wenigstens soweit die vorzugsweise Befriedigung in Betracht komme, — im Sachenrechte im Anschluß an das Pfandrecht am besten zu erörtern sei, daß endlich in der Begründung des allgemeinen Theils auf jene Erörterungen zu verweisen sei. 4. Der Redaktor des Obligationenrechts gedachte der Zession dinglicher Rechte. Er behielt sich vor, sich mit dem Redaktor des Sachenrechts zu verständigen, wer von ihnen die Zession dinglicher Ansprüche und eventuell deren Wirkung zu behandeln habe. 39. Protokoll der 64. Konferenz vom 27. 1. 1877 3. Die auf die Abtretung des dinglichen Anspruchs sich beziehende Anfrage, welche der Redaktor des Obligationenrechts in der 61. Konferenz der Redaktoren an den Redaktor des Sachenrechts gerichtet hat, wurde beantwortet, und zwar unter Hervorhebung derjenigen ins Sachenrecht berührenden Zweifel und Kontroversen, welche in der neueren gemeinrechtlichen Literatur bei dieser Materie erörtert sind. Hieran knüpfte sich eine längere Diskussion über die juristische Konstruktion der Abtretung der Ansprüche überhaupt und der dinglichen insbesondere, namentlich mit Bezug auf den doppelten Unterschied 1. zwischen der völligen Abtretung des Anspruchs und der Abtretung zur Geltendmachung des Anspruchs des Abtretenden durch den Zessionar in dessen eigenem rechtlichen Interesse (z. B. Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe oder auf Uebergabe einer beweglichen Sache zu dem Zwecke, dem Cessionar den Gewahrsam der ihm von dem Zedenten verpfändeten Sache zu verschaffen), 2. zwischen der zweiten vorgedachten Art der Abtretung und der bloßen Bevollmächtigung. — Auch die hiermit verwandte Frage, wie die Geltendmachung der zu einem Vermögen gehörigen Ansprüche durch denjenigen, welchem der Nießbrauch an diesem

Einzelheiten im Quellenband Schuldrecht II.

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Materialien zur Entstehung des BGB

Vermögen zusteht, rechtlich zu konstruiren sei, und welche besonderen materiellen Folgen dieselbe habe, wurde in die Diskussion gezogen. — Ob und wieweit die besprochenen Fragen zu allgemeinen Bestimmungen im Obligationenrechte oder zu Spezialbestimmungen im Sachenrechte, oder zu Erörterungen bei der Begründung des einen oder des anderen Entwurfes Anlaß geben, blieb der Verständigung zwischen den betheiligten Redaktoren überlassen. 40. Protokoll der 65. Konferenz vom 10. 2.1877 3. Der Redaktor des Sachenrechts brachte zur Sprache, daß im Sachenrecht für verschiedene Zwecke schriftliche Urkunden erfordert werden müßten, und daß es ihm deshalb darauf ankomme, zu erfahren, ob im allgemeinen Theile oder im Obligationenrechte Bestimmungen über die für schriftliche Urkunden nöthigen Erfordernisse gegeben würden; er denke dabei an Vorschriften etwa des Inhalts, wie sie in Art. 16 des Hauptstücks von den Rechtsgeschäften im Bayerischen Entwurfe von 186127xaufgestellt sind. — Der Redaktor des allgemeinen Theils erklärte sich bereit, zu prüfen, ob er Vorschriften dieses Inhalts aufstellen solle, indem er bemerkte, daß er bisher solche nicht entworfen habe, die Frage aber nach den heute von den verschiedenen Seiten geltend gemachten Gesichtspunkten nochmals sorgfältig erwägen werde. 4. Der Redaktor des Familienrechts fragte an, ob man im Gesetzbuche den Ausdruck „Rechtshandlungen", wie in den §§22ff. der Deutschen Konkurs-Ordnung28, gebrauchen solle. Man war geneigt, diese Frage zu bejahen. 41. Protokoll der 68. Konferenz vom 24. 3. 1877 3. Es fanden ferner Besprechungen über die Beweislast bei suspensiv bedingten Rechtsgeschäften statt. Eine Beschlußfassung wurde nicht beliebt. . . 42. Protokoll der 69. Konferenz vom 14. 4. 1877 2. (Johow teilt mit, daß der Kommission über das Auswärtige Amt der Entwurf eines Schweizer Obligationenrechts zugegangen sei)29. 4. Die Besprechungen über die Beweislast bei resolutiv bedingten Rechtsgeschäften führten zu längeren eingehenden Debatten über die Resolutivbedingungen, gaben jedoch, da Beschlüsse nicht gefaßt wurden, zu Aufzeichnungen keinen Anlaß. 43. Protokoll der 70. Konferenz vom 28.4.1877 2. Es fanden sodann eingehende Besprechungen statt über den Kommissionsbeschluß vom 16. Oktober 187530, wonach geprüft werden soll, ob der dritte Erwerber, welcher von dem auf Grund ungültiger Buchung Eingetragenen unentgeltlich erworben hat, nicht mit der Bereicherungsklage in Anspruch genommen werden könne, und zwar in Höhe der Bereicherung, welche zur Zeit der Erhebung des Anspruchs bestehe, und

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Art. 16 Abs. l bayr. E. lautet: „Die Giltigkeit einer Privatrechtsurkunde ist, soweit nicht für einzelne Rechtsgeschäfte besondere Erfordernisse vorgeschrieben sind, lediglich durch die eigenhändige Unterschrift der handelnden Personen bedingt". Vgl. §§29ff.KOn.F. Kübel hatte bereits 1877 ein gedrucktes Exemplar erhalten und dieses für seine Vorlagen benutzt. Vgl. die Materialien zu den §§ 816, 892 f. BGB.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB zwar insbesondere in der Richtung, in welchem Zusammenhange diese Fragen mit verwandten Fragen aus dem Gebiete des allgemeinen Theils bezw. des Obligationenrechts stehen. 44. Protokoll der 73. Konferenz vom 8. 6. 1877 6. Die angeschlossenen Besprechungen, insbesondere über die Anspruchsverjährung und die hierauf bezügliche Auslegung des § 11 des Einführungsgesetzes zum ReichsGerichtsverfassungs-Gesetze31 und des § 139 der Reichs-Civilprozeß-Ordnung32 führten nicht zu Beschlüssen. 45. Protokoll der 78. Konferenz vom 3. 11. 1877 3. Im Anschluß an die Erörterungen in der Kommissionssitzung vom 26. September d. J.33 verständigten sich die Redaktoren dahin, „Verfügung von Todeswegen" als Gattungsbegriff zu gebrauchen, als dessen Unterabtheilungen anzusehen sind: l. letztwillige Verfügung, gleichbedeutend mit Testament (Kodizill mitumfassend); 2. Erbeinsetzungs- und Vermächtniß-Verträge. Vgl. die Ueberschrift des zwölften Titels des ersten Theils des preußischen A. L. R. die §§ l, 2 daselbst und die Ueberschriften der beiden Abschnitte dieses Titels. 46. Protokoll der 79. Konferenz vom 17. 11. 1877 2. (Mitteilung, daß die Materialien der Bundesregierungen über die Inhaberpapiere eingegangen sind). 47. Protokoll der 80. Konferenz vom 1. 12. 1877 3. Im Anschluß an frühere Besprechungen, wonach jeder Theilentwurf in Abschnitte, die Abschnitte aber je nach Bedürfniß in Titel zerfallen sollen, fand man Nichts dagegen zu erinnern, daß, wenn der einzelne Redaktor es für angemessen erachten sollte, die einzelnen Paragraphen des Titels mit unter sich fortlaufenden Zahlen versehen werden, dergestalt, daß bei jedem Titel wiederum mit der Zahl l angefangen wird. Man ging dabei davon aus, daß es sich empfehlen möchte, die durch alle fünf Theilentwürfe fortlaufenden Zahlen erst zu bestimmen, wenn die erste Berathung stattgefunden haben wird. 48. Protokoll der 81. Konferenz vom 15.12.1877 3. Der Kreisrichter von Liebe34 hat in Folge des ihm ertheilten Auftrages eine Denkschrift über das besondere bäuerliche Güterrecht35 ausgearbeitet. Der Redaktor des Sachenrechts theilte mit, daß er dieselbe mit einem von ihm verfaßten Votum dem mitbetheiligten Redaktor des Erbrechts zugestellt habe, und hob zugleich hervor, daß nach dem Ergebnisse der Arbeit auch der Redaktor des Familienrechts sachlich betheiligt sei und daß ferner die Arbeit wertvolles Material in Ansehung des Hofübergabevertrages enthalte, welches den Redaktor des Obligationenrechts voraussichtlich interessieren werde. 31 32

Das EG-GVG ist in der urspriingl. Fassung abgedruckt im RGBl. 1877, S. 77ff. Vgl. § 148 ZPO.

Vgl. die Materialien zum Erbrecht. Es handelt sich um den Hilfsarbeiter von Johow, den Braunschweiger Juristen Viktor von Liebe. Einzelheiten bei den Quellen zum Einführungsgesetz zum BGB. 259

Materialien zur Entstehung des BGB

49. Protokoll der 85. Konferenz vom 9. 2.1878 6. Verschiedene Besprechungen, insbesondere über den Erbschein und über § 595 der Deutschen Civilprozeß-Ordnung36 führten nicht zu Beschlüssen und gaben daher zu Aufzeichnungen keinen Anlaß. 50. Protokoll der 88. Konferenz vom 23. 3.1878 3. Von einer Seite wurde angeregt, es erscheine erforderlich, über die formale Behandlung des Verhältnisses des bürgerlichen Gesetzbuchs zu den in anderen Reichsgesetzen bereits enthaltenen civilrechtlichen Bestimmungen und zu den Landesgesetzen civilrechtlichen Inhalts ein Einverständniß unter den Redaktoren herbeizuführen. Das Bedürfniß solcher Verständigung wurde allerseits anerkannt. Der Herr Redaktor des Erbrechts erklärte sich auf den ihm geäußerten Wunsch bereit, eine von ihm bereits versuchte Formulirung den übrigen Redaktoren mitzutheilen. . . .

51. Protokoll der 92. Konferenz vom 1.6. 1878 3. (Johow teilt mit, daß die Schweizer Gesandtschaft in Berlin der Kommission demnächst den Text des umgearbeiteten Schweizer Obligationenrechts-Entwurfs mitteilen will; den Text des allgemeinen Teils habe er schon erhalten). 4. Der Redaktor des Erbrechts machte in Verfolg des ihm in der 88. Konferenz ausgesprochenen Wunsches im Interesse gleichmäßiger Erledigung dieser Angelegenheit durch alle Redaktoren, sich dem Vorgange der Reichs-Justizgesetze (Einführungsgesetze zum Gerichtsverfassungsgesetze, zur Civil- und Strafprozeßordnung sowie zur Konkursordnung) anzuschließen, und demgemäß etwa folgende Bestimmungen in das Einführungsgesetz zum bürgerlichen Gesetzbuche aufzunehmen: § a: „Die landesgesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Bundesstaaten treten außer Kraft, sofern nicht bestimmt ist, daß sie unberührt bleiben. — Unberührt bleiben pp." — § b: „Die Bestimmungen der Reichsgesetze werden durch das bürgerliche Gesetzbuch nicht berührt. — Aufgehoben werden pp. — Abgeändert werden pp." — Nach einer sehr eingehenden Begründung dieses Vorschlages fand derselbe, unter Vorbehalt späterer Einigung über die Fassung, die Zustimmung der anwesenden Redaktoren, und zwar in Ansehung des ersten §. unbedingt, in Ansehung des zweiten §. in dem Sinne, daß die Redaktoren bei ihrer Arbeit einstweilen von der Voraussetzung solcher Bestimmungen ausgehen, und den Versuch machen werden, ob der Gedanke durchführbar sei. Die Besprechung hierüber führte ferner zu dem Einverständnis, daß: a) die Frage einer besonderen Erwägung bedürfe, ob die civilrechtlichen Bestimmungen in Staatsverträgen des Reichs und der Bundesstaaten mit auswärtigen Staaten unter die oben vorgeschlagenen Paragraphen zu ziehen sei; b) eine Bestimmung in Ansehung derjenigen Vorschriften der Reichsgesetze erforderlich sein werde, welche auf Landesgesetze verweisen. Hinsichtlich der in Elsaß-Lothringen geltenden Reichs- und Landesgesetze erklärte der Redaktor des Erbrechts, später Vorschlag machen zu wollen. Es werde darauf ankommen, welche dieser Gesetze den Bestimmungen des einen und anderen Paragraphen zu unterwerfen seien. . . . 36

§ 595 CPO entspricht § 646 ZPO (geändert).

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

52. Protokoll der 95. Konferenz vom 24. 8. 1878 3. (Wegen Krankheit ist es Gebhard nicht möglich, eine Vorlage über den Irrtum und über das Vereinsrecht rechtzeitig fertig zu stellen). 53. Protokoll der 97. Konferenz vom 14. 12. 1878 2. (Der Schweizer Gesandte in Berlin, Roth, erhält von der Kommission die Zusammenstellung der Kommissionsbeschlüsse und die Vorlagen des Redaktors des Obligationenrechts; er stellt in Aussicht, eine Fassung des überarbeiteten Schweizer Obligationenrechts-Entwurfs zur Verfügung zu stellen.) 3. (Johow stellt den Redaktoren seinen vorläufigen Entwurf über das Miteigentum zur Verfügung). 54. Protokoll der 99. Konferenz vom 8. 2. 1879 3. Der Redaktor des Erbrechts trug vor, daß er den bisher von ihm gebrauchten Ausdruck „Vorbehaltserbe" für denjenigen Erben, welcher die Inventarwohlthat hat, jetzt selbst beanstande, weil das französische Recht darunter etwas Anderes verstehe und weil ihm das Wort nicht auszudrücken scheine, was gemeint sei. Er stellte zur Erwägung, ob Wohlthatserbe, Vorsichtserbe oder mit der Deutschen Civil-Prozeßordnung Benefizialerbe bevorzugt werde. Die Redaktoren waren einstimmig der Ansicht, daß ein besonderer terminus technicus für denjenigen Erben, welchem noch das Recht zustehe, die Inventarwohlthat anzrufen, nicht nothwendig erscheine, und daß es sich empfehle, nur einen terminus technicus für denjenigen Erben zu bestimmen, welcher bereits ein Inventar unter Beobachtung der gesetzlichen Fristen, also rechtzeitig niedergelegt hat. Als ein solcher terminus technicus wurde von mehreren Redaktoren der „Vorsichtserbe" bevorzugt, nachdem aber die Mehrheit sich gegen diese Bezeichnung ausgesprochen hatte, der Ausdruck „Inventarerbe" einstimmig angenommen. 4. Der Redaktor des Sachenrechts erwähnte, daß er für die im Reichs-Gesetzbuche zu regelnde superficies eine deutsche Bezeichnung vorschlagen werde, und erbat Meinungsäußerungen (zum) Wort Erbbaurecht. Dieser Ausdruck fand nicht allseitige Zustimmung, vielmehr bevorzugten andere „Bau- und Keller-Recht", noch andere „Platz-Recht". Eine Beschlußfassung erfolgte nicht. 55. Protokoll der 100. Konferenz vom 8. 3.1879 2. (Johow teilt den anderen Redaktoren seine Vorschläge über den Eigentumsanspruch mit.) 56. Protokoll der 101. Konferenz vom 3. 4. 1879 2. (Besprechungen auf Veranlassung von Gebhard über das Grundbuchrecht.) 57. Protokoll der 104. Konferenz vom 28. 6.1879 2. (Besprechungen über die „Lehre vom Retenrionsrechte") 58. Protokoll der Konferenz vom 11.10.1879 2. Es sollen fortan regelmäßige Sitzungen jeden Sonnabendmittag 12 Uhr stattfinden. In denselben müssen die Redaktoren mündlich vom Stand ihrer Arbeiten Mittheilung machen, und namentlich über den Inhalt der zu vollendenden Arbeiten so weit 261

Materialien zur Entstehung des BGB

Aufschlüsse geben, daß sie dem eigenen Mitdenken des Vorsitzenden die Richtung angeben könnten. Beschlüsse sollen nicht erfolgen. Es wird angenommen, daß insoweit eine größere Kongruenz der Arbeiten zu erzielen sein werde37. b) Ergebnisse der Besprechung des Kommissionsvorsitzenden Pape mit den Redaktoren am 30. 9.1874 Der Vorsitzende der Kommission gestattet sich im Anschluß an die in der Sitzung vom gestrigen Tage erfolgten Verständigungen der verehrlichen Herren Redaktoren folgende ganz ergebenste Mittheilungen zu machen. 1. Zu dem im § 5 der Instruktion für die Herren Redaktoren bezeichneten Stellvertreter des Vorsitzenden ist Herr Obertribunalsrath Johow ernannt. 2. Als Sitzungslokal steht den Herren Redaktoren das bisher von der Kommission benutzte Sitzungszimmer oder der anstoßende Saal zur Verfügung. 3. Die Büreauarbeiten werden wie bisher für die Kommission von dem Bureau des Reichskanzler-Amts besorgt. 4. Die Korrespondenz in den die Redaktionsarbeiten betreffenden Angelegenheiten, insbesondere die mit dem Vorsitzenden zu führende Korrespondenz wird unter der Bezeichnung „Reichs-Dienst-Sache" durch Vermittelung des Bureaus des Reichskanzler-Amts portofrei befördert. 5. Die Verrichtungen des Schriftführers in den Sitzungen wird Herr Kreisgerichtsrath Neubauer versehen, welcher auch für die geschäftlichen interna, soweit sie von dem Bureau des Reichskanzler-Amts nicht selbständig wahrgenommen werden können, zu sorgen und zu dem Zwecke mit den einzelnen Herren Redaktoren, insbesondere mit dem Herrn Obertribunalsrath Johow Verbindung zu pflegen hat. 6. Vorläufig und bis ein Anderes von den Herren Redaktoren beschlossen ist, finden die regelmäßigen Sitzungen nur an jedem Sonnabend statt. Die Sitzungen beginnen um 10 Uhr Vormittags. Die erste Sitzung wird am 10. October d. Js. sein. 7. Ist die Anschaffung eines Buches erforderlich, so empfiehlt es sich, mit dem vortragenden Rath im Reichskanzler-Amte Herrn Geheimen Regierungsrath Dr. von Möller Rücksprache zu nehmen, welcher das Weitere veranlassen wird. 8. Wenn einer der Herren Redaktoren von Berlin sich zu entfernen veranlaßt wird, so erstattet er dem Vorsitzenden oder bei dessen Abwesenheit dem Herrn Obertribunalsrathe Johow Anzeige über die Zeit, während welcher er nicht in Berlin anwesend ist. 9. Der Vorsitzende wird unverweilt bei dem Herrn Reichskanzler die erforderlichen Anträge stellen, damit jedem der Herren Redaktoren ein Hilfsarbeiter zugeordnet werde. Insofern einer der Herren Redaktoren noch einer anderweitigen Hülfe oder einer nur durch Vermittelung der Kommission zu erlangenden Auskunft etc. bedarf, sieht der Vorsitzende den desfalltigen Anträgen entgegen. Berlin, den 1. October 1874. gez. Pape.

Aufzeichnungen über diese Besprechungen existieren leider nicht (vgl. auch den Bericht von Pape vom 30. 12. 1880 an den Reichskanzler, unten S. 301. 262

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

c) Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktoren38 Auszug aus den Protokollen der Redaktions-Kommission. I. Beschlüsse allgemeiner Art. 1. Die Hülfsarbeiter können und sollen den Sitzungen beiwohnen. 2. Die Rechtschreibung soll sich der im Reichsgesetzblatte festgehaltenen Rechtschreibung anschließen. 3. Begriffsdefinitionen sollen grundsätzlich im Gesetzestext nicht gegeben werden. 4. Jeder Redaktor soll die Formulirung der Prinzipienfragen bewirken, sobald er soweit zu sein glaubt, solche vorlegen zu können. Die bezügliche Ausarbeitung soll vervielfältigt und vertheilt werden. Daraus soll der Stoff für die nächsten Sitzungen entnommen werden. 5. Jeder Redaktor wird, wenn im Verlaufe seiner Arbeit Gesetzesbestimmungen in Frage kommen, welche den Bestand gewisser Organe für die Handhabung der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit zur Voraussetzung haben, hierüber Vortrag erstatten. II. Beschlüsse, die Eintheilung und die Sprachweise des Gesetzbuchs betreffend. l.Das Gesetzbuch soll in Bücher, jedes Buch in Abschnitte, ein Abschnitt nach Bedürfniß in Titel zerfallen. Die Bezeichnung weiterer Unter-Abtheilungen wird für den Bedürfnißfall vorbehalten. Die einzelnen Sätze werden mit Paragraph (§.) und durchlaufenden Zahlen bezeichnet. 2. Die Worte „theilweise", „vorzugsweise" und andere Zusammensetzungen mit „weise" können auch als Eigenschaftsworte, nicht blos als Adverbien gebraucht werden. 3. Es soll gesagt werden: „Es macht keinen Unterschied, ob" nicht aber, um diesen Gedanken auszudrücken, das im Handelsgesetzbuch mit gleicher Bedeutung gebrauchte: „Es ist gleichgültig, ob". 4. Nur, wenn für ein Rechtsverhältniß, welches je nach dem Willen der Parteien eine verschiedene rechtliche Auffassung zuläßt, eine Bestimmung getroffen werden soll, weil erfahrungsgemäß eine gewisse Auffassung des Rechtsverhältnisses als von den Parteien der Regel nach gewollt anzunehmen ist, und wenn diese Bestimmung gelten soll, falls nicht ein anderer Wille der Parteien aus ihren Erklärungen oder aus den Umständen erhellt, soll gesagt werden, daß eine Gesetzesbestimmung „im Zweifel" gelte. Es sind also die Fälle gemeint, wo die in der Erfahrung gegründete Unterstellung eines regelmäßig zutreffenden bestimmten Willens der Parteien die Voraussetzung für die getroffene Bestimmung bildet, und letztere nur gelten soll, so lange nicht ein anderer Wille der Parteien erhellt. III. Beschlüsse über die termini technici. Allgemeines: A. 1. Termini technici, welche ein Redaktor anzuwenden entschlossen ist, sollen den übrigen Redaktoren thunlichst bald zur Kenntniß gebracht werden. B. Allgemeiner Theil: 2. Volljährigkeit = Großjährigkeit; (dies letztere Wort wird nicht beliebt).

Die folgende „Zusammenstellung'* stammt von Neubauer, dem Schriftführer der Kommission. 263

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C. Sachenrecht: 3. Erwerbung = Akt des Erwerbens, 4. Erwerb = das Erworbene, 5. Antheil = ideeller Theil, insoweit es sich um das Verhältniß des Subjekts zur getheilten Sache handelt, ohne daß die Quote ins Auge gefaßt wird, 6. Bruchtheil = ideeller Theil, insoweit von der Art der Theilung (objektiv) die Rede ist, insbesondere, soweit die Quote in Betracht kommt; (Begriffstheil wird nicht beliebt.) 7. Entsprechend = analog, 8. Die Zubehör = Pertinenz, D. Obligationenrecht: 9. Schuldverhältniß (Gläubiger und Schuldner) = Obligation, 10. a, Anspruch = die im Rechte gegründete Befugniß, von bestimmten Personen ein Thun oder Unterlassen zu fordern, b, Verbindlichkeit = die dem Ansprüche gegenüberstehende Verpflichtung, c, Forderung = Anspruch im Gebiete des Obligationenrechts, d, Schuld = Verbindlichkeit im Gebiete des Obligationenrechts, 11. a, Vertrag schließen = kontrahiren, b, Die Vertragschließenden, (je nach Umständen auch der eine oder andere Theil) = Kontrahenten, c, Vertragschließung = Perfektion des Vertrages, 12. a, Vertragsantrag bezw. Antrag = Offerte, b, Annahme = Acceptation. E. Erbrecht: 13. Nachlaß = Gesammtheit der von einem Verstorbenen hinterlassenen (übertragbaren) Vermögensrechte, 14. Erbe = Rechtsnachfolger in das Ganze oder in einen im Verhältniß zum Ganzen bestimmten Theil (Bruchtheil) des Nachlasses, (Universalsuccessor), 15. Erblasser = Rechtsvorgänger des Erben, 16. Erbschaft = Nachlaß als Gegenstand der Erbfolge, Nachlaß in Beziehung auf den Erben, 17. Erbfolge = Eintritt des Erben in die Erbschaft (Universalsuccession in den Nachlaß pro toto wie pro parte quota, [v. supra],) 18. Erbfolgerecht = Recht aus dem Anfalle der Erbschaft, 19. Erbrecht = Inbegriff der Rechte aus der erworbenen Erbschaft, vorbehaltlich des Gebrauchs des Ausdrucks „Erbrecht" auch im objektiven Sinne als Inbegriff der Rechtsnormen über die Erbfolge, insofern sich hierfür bezw. für die Ueberschrift des fünften Buchs eine andere passende Bezeichnung nicht bieten sollte, 20. Letztwillige Verfügung = jeder von dem Erblasser auf den Fall seines Todes einseitig, widerruflich, in sich geschlossen und förmlich errichtete Dispositionsakt, ohne Unterscheidung seines spezifischen Inhalts (Erbeinsetzung, [nach gemeinem Rechte Testament,] oder sonstige Disposition [nach gemeinem Rechte Kodizill,],) 21. Letzter Wille = Inhalt der letztwilligen Verfügung im Allgemeinen, 264

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB 22. Letztwillige Anordnung = der spezifische Inhalt einer letztwilligen Verfügung im Einzelnen (z. B. Erbeinsetzung pp.; Vermächtniß), 23. Erbeinsetzung = letztwillige Berufung zur Erbfolge — vorbehaltlich des Gebrauchs dieses Ausdrucks auch für die vertragsmäßige Berufung zur Erbfolge, — 24. Vermächtniß in doppelter Bedeutung = a, die letztwillige Anordnung, durch welche einem unmittelbar oder mittelbar Bedachten auferlegt wird, einem Dritten einen Vortheil, welcher nicht in Ueberlassung der Erbschaft oder eines Bruchtheils derselben besteht, zuzuwenden (kommt es darauf an, den Dispositionsakt in Frage besonders zu bezeichnen, so soll hierfür der Ausdruck gebraucht werden: „Vermächtniß-Anordnung"), b, Inhalt der Vermächtniß-Anordnung, 25. Vermachtes Recht = Gegenstand einer Vermächtnißzuwendung, 26. Ersatzberufung = Vulgarsubstitution, 27. Ersatzerbe = der an Stelle eines Ändern für den Fall, daß dieser zur Erbschaft nicht gelangt, als Erbe letztwillig berufene (Substitut bei der Vulgarsubstitution), 28. Nacherbe = der auf das Ganze oder einen Bruchtheil der vom erstberufenen Erben erworbenen Erbschaft nachberufene Erbe (heres fideicommissarius), 29. Vorerbe = der erstberufene (Fiducia) im Verhältniß zum Nacherben. Der Ausdruck soll nur gebraucht werden, wo das gegensätzliche Verhältniß beider Erben zu betonen ist, 30. Vollstrecker des letzten Willens = Testamentsexekutor, 31. Vorausvermächtniß = Prälegat. Berlin, Mitte April 1875 32. Verwandte = nur diejenigen Personen, deren eine von der anderen abstammt, oder welche von demselben Dritten abstammen; (also nicht miteingeschlossen die durch künstliche oder bürgerliche Verwandtschaft [Adoption, Einkindschaft] Verbundenen). Soweit uneheliche Geburt bezw. Zeugung ein Verwandtschaftsverhältniß begründet, umfaßt der Ausdruck sowohl die ehelichen als die unehelichen Verwandten. 33. Eltern = Aszendenten ersten Grades; nur für diese zu gebrauchen 34. Kinder = Deszendenten ersten Grades; nur für diese zu gebrauchen 35. Ahnen = Aszendenten 36. Abkömmlinge = Deszendenten 37. uneheliche Kinder = außereheliche Kinder wird nicht beliebt, 38. Verschwägerte = diejenigen, welche mit dem anderen Ehegatten verwandt sind. Dieselben werden darunter verstanden, ohne Rücksicht darauf, ob die die Schwägerschaft vermittelnde Ehe durch Tod oder Scheidung gelöst oder getrennt worden ist, 39. Familie = wird im Gesetzbuch nicht definirt, 40. Redlicher-unredlicher Besitz = posessio bonae fidei — malae fidei, 41. Guter — böser Glaube = fides bona — mala; nicht beliebt wird redlicher — unredlicher Glaube, 42. Inhaber = Derjenige, welcher eine Sache schlechthin in seiner thatsächlichen Gewalt hat, also abgesehen von dem besonderen Inhalt des Willens,

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43. Besitz = die mit dem Willen, die Sache wie der Eigenthümer (gehörig) zu haben, verbundene ^tatsächliche Gewalt, 44. Gewahrsam = der besondere Charakter, welcher die thatsächliche Gewalt an beweglichen Sachen hat, 45. Veräußerung = das Rechtsgeschäft, durch welches die Veräußerung sich vollzieht — nicht der obligatorische Vertrag, durch welchen die Verpflichtung zu veräußern übernommen wird, also das Rechtsgeschäft, wodurch das Eigenthum oder ein anderes Recht an einer Sache oder eine Forderung aufgegeben, oder auf einen Anderen übertragen wird, oder eine dingliche Belastung auf eine Sache gelegt wird. Berlin, im Juli 1876.

III. Geschäftsordnung für die Kommissionsberatungen von 1881 bis 1889 1. Entwurf einer Geschäftsordnung von Schmitt1 § l. Die erste Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs zerfällt in die vorläufige Feststellung der einzelnen Theilentwürfe (erste Berathung) und in die sachlich sowie formell vollständige Feststellung des Gesammtentwurfes, welcher — die Ergebnisse der ersten Berathung umfassend, nach Form und Inhalt harmonisch — von dem Hauptreferenten hergestellt wird (zweite Berathung). § 2. Die erste Berathung soll im Wesentlichen nur eine sachliche sein, so daß thunlichst die formelle Seite ausscheidet und Fassung oder Redaktion im allgemeinen auf sich beruhen bleiben. Dadurch ist jedoch namentlich nicht ausgeschlossen, daß erhebliche Fragen der Terminologie und Oekonomie entschieden werden. § 3. Gegenstand und Grundlage der ersten Berathung bilden: 1. der vorliegende Entwurf eines allgemeinen Theils und in Ansehung der Bestimmungen über juristische Personen die bezüglichen Vorschriften des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs, sofern nicht bis zur Berathung dieser Materie der Entwurf vervollständigt ist; 2. der vorliegende Entwurf eines Rechts der Schuldverhältnisse und hinsichtlich der fehlenden Stücke der Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse; 3. der vorliegende Entwurf eines Sachenrechts; 4. der vorliegende Entwurf eines Familienrechts; 5. der vorliegende Entwurf eines Rechts der Erbfolge. § 4. Die einzelnen Entwürfe werden in der § 3 angegebenen Reihenfolge berathen. Es bleibt jedoch vorbehalten, zu bestimmen, daß verschiedene Abschnitte des Allgemeinen Theils, sowie des Rechts der Schuldverhältnisse in einer anderen Reihenfolge und erst nach Berathung der anderen Theilentwürfe oder des einen oder anderen derselben und daß einzelne Abschnitte des Rechts der Schuldverhältnisse gleichzeitig mit konnexen Abschnitten des Allgemeinen Theils zu beraten seien. 1

Dieser Entwurf ist nicht Bestandteil der Kommissionsprotokolle.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

§ 5. Bei der ersten Berathung haben die Redaktoren, jeder für sein Gebiet, als Referenten zu fungieren. Soweit im übrigen Referenten zu bestellen sind, erfolgt die Wahl derselben auf Vorschlag des Vorsitzenden mittels Vereinbarung oder in Ermangelung einer solchen durch Abstimmung in der Kommission. § 6. Die Sitzungen der Kommission zur Berathung der Entwürfe finden am Montag, Mittwoch und Freitag einer jeden Woche statt. § 7. Der Vorsitzende eröffnet und schließt die Sitzung, leitet die Berathung und Abstimmung. Nach dem Vonrage des Referenten wird die Berathung durch den Vorsitzenden eröffnet. Jedes Mitglied ist berechtigt, das Wort zu ergreifen, jedoch nicht, ohne es vorher verlangt und von dem Vorsitzenden erhalten zu haben; der Vorsitzende ertheilt das Wort nach der Reihe der Anmeldungen zu demselben. Die Hülfsarbeiter können den Sitzungen beiwohnen, sind jedoch nicht berechtigt, das Wort zu ergreifen. § 8. Jedes Mitglied ist berechtigt, formulirte Anträge zu stellen, mögen sie Streichung, Abänderung oder den Zusatz von Bestimmungen bezwecken. § 9. Die Anträge müssen dem Vorsitzenden in schriftlicher Fassung vorgelegt werden. Soweit es angeht, sollen die Anträge schon vor derjenigen Sitzung, für welche sie bestimmt sind, dem Vorsitzenden übergeben, vervielfältigt und sammtlichen Mitgliedern der Kommission mitgetheilt werden. Ueber Anträge, welche nicht spätestens am Tage vor der betreffenden Sitzung den übrigen Mitgliedern schriftlich zugegangen sind, wird erst in der nächstfolgenden Sitzung verhandelt oder endgültig abgestimmt, wenn dies von dem Referenten verlangt oder auf den Antrag eines anderen Mitgliedes von der Kommission beschlossen wird. § 10. Anträge auf Aenderung gefaßter Beschlüsse oder auf nochmalige Berathung eines bereits erledigten Gegenstandes können nur zur Diskussion gelangen, wenn das Eingehen auf dieselben vorher von der Kommission beschlossen worden ist. S 11. Die Beschlüsse der Kommission werden von den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern mit Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Abstimmung erfolgt getrennt von der Debatte. Bei der Abstimmung ist die Motivirung des Votums ausgeschlossen. § 12. Ueber jede Sitzung der Kommission wird ein Protokoll durch einen von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Hülfsarbeiter als Schriftführer geführt. Die Heranziehung eines zweiten Hülfsarbeiters zur Unterstützung des Protokollführers ist nicht ausgeschlossen. § 13. Das Protokoll soll nur enthalten: 1. die Bezeichnung der in der Sitzung anwesenden Mitglieder der Kommission und des Schriftführers; 2. die geschäftlichen Mittheilungen; 3. den Gang der Verhandlungen im Allgemeinen; 4. die gestellten Anträge; 5. die Ergebnisse der Abstimmungen. Die Namen der Redner, Antragsteller und Abstimmungen werden im Protokoll nicht vermerkt. Auf Antrag ist jedoch das Stimmenverhältniß, mit welchem ein Beschluß gefaßt ist, anzugeben. 267

Materialien zur Entstehung des BGB § 14. Die Aufzeichnung des Ganges der Verhandlungen im Allgemeinen soll in thunlichster Kürze erfolgen, jedoch in der bisher beobachteten Weise den wesentlichen Inhalt der stattgehabten Berathung insoweit darlegen, als zum besseren Verständnisse der Beschlüsse erforderlich ist. § 15. Das Protokoll unterliegt der Kontrolle eines Ausschusses. Der Ausschuß besteht aus dem Vorsitzenden der Kommission als Ausschußvorstand, dem betheiligten Referenten als Ausschußreferenten und einem dritten ständigen Mitgliede, welches in der in § 5 Absatz 2 bestimmten Weise gewählt wird. Der Protokollführer übergiebt das seinerseits fertiggestellte Protokoll unverzüglich dem Referenten, welcher darüber dem Ausschusse Vortrag erstattet. Auf die Sitzungen des Ausschusses finden die Vorschriften über die Kommissionssitzungen entsprechende Anwendung. Ein Protokoll wird über die Ausschußsitzungen nicht geführt. § 16. In einer Kommissionssitzung, welche zu diesem Zwecke am Sonnabend einer jeden Woche stattfindet, werden die von dem Ausschusse kontrollirten Protokolle der in dieser Woche stattgehabten Sitzungen verlesen, festgestellt und von dem Schriftführer, welcher dieselben aufgenommen hat, unterzeichnet. Auf Protokolle über Sitzungen zu dem vorbezeichneten Zwecke finden die Bestimmungen der §§ 15,16 Absatz l keine Anwendung. § 17. Protokolle jeder Art werden vervielfältigt und empfängt jedes Kommissionsmitglied zwei Exemplare, jeder Hülfsarbeiter ein Exemplar derselben. Eine Veröffentlichung der Protokolle, sowie überhaupt der Berathungen, Beschlüsse und Akten der Kommission bleibt bis auf Weiteres ausgeschlossen. § 18. Um bei weiterem Fortschreiten der Verhandlungen den Zusammenhang mit früheren Beschlüssen nicht zu verlieren, sowie um die seinerzeitige Arbeit des Hauptreferenten vorbereitend zu erleichtern und abzukürzen, wird der Protokollausschuß (§ 14) nach Beendigung der Berathung eines jeden Abschnitts oder doch eines jeden Theilentwurfs die darauf bezüglichen Kommissionsbeschlüsse auf Vortrag des Referenten als Ganzes feststellen, hierbei namentlich Inkongruenzen des Inhalts und der Fassung verschiedener Beschlüsse aufdecken, bei Inkongruenzen des Inhalts aber die Entscheidung der Kommission einholen. Die Beschlüsse des Ausschusses werden vervielfältigt und in der gleichen Anzahl wie die Sitzungsprotokolle den Kommissionsmitgliedern und Hülfsarbeitern mitgeteilt. § 19. Die Beschlußfassung über die Art und Weise der Aufstellung des der zweiten Berathung zu Grunde zu legenden Hauptentwurfs sowie des Einführungsgesetzes, desgleichen die Bestellung des Hauptreferenten und die Revision der vorstehenden Geschäftsordnung für die zweite Berathung (erste Lesung des Gesammtentwurfs) bleibt vorbehalten.

2. Beratung des Entwurfs einer Geschäftsordnung in der 1. Sitzung der Kommission vom 4. 10. 1881, Schriftführer Neubauer (Prot. I S. l - 6) Der Vorsitzende begrüßte die Anwesenden und gab dem Bedauern Ausdruck, daß der Präsident Dr. von Kuebel nicht anwesend sei, weil er durch ein hervorgetretenes Leiden genöthigt worden sei, noch jetzt im Herbst eine Badereise anzutreten. Sodann gab derselbe eine übersichtliche Darstellung der Geschäftslage, wobei er unter anderem erwähnte: Vollständig fertig gestellt seien die Entwürfe des Erbrechts und des Familienrechts.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB Vom Sachenrechte seien noch rückständig der achte Abschnitt (jedoch sei der Druck der Motive zu diesem Abschnitt bereits begonnen), weiter das Einführungsgesetz und die Grundbuchordnung; letztere sei noch nicht so bald zu erwarten. Vom allgemeinen Theile liege jetzt gleichfalls ein im Wesentlichen vollständiger Entwurf vor, jedoch zum Theile ohne die Motive. Von letzteren seien jedoch die zum Personenrechte im Drucke befindlich und würden in kurzem vollständig vertheilt werden; aber gänzlich fehlten die Motive zu den ersten vier Paragraphen und zu Titel 4 des zweiten Abschnitts. Vom Obligationsrechte seien nur einige Abschnitte fertig gedruckt und vertheilt. Da der Redaktor des Obligationenrechts einen vollständigen Entwurf, auch nur des allgemeinen Theils bisher nicht vorgelegt habe, so sei nach seiner Abreise vom Landgerichtsrath Struckmann auf Anordnung ein solcher Entwurf nach der von dem Redaktor vor seiner Abreise mitgetheilten Disposition und nach Anleitung des Kommissionsbeschlusses vom 28. Dezember v. J. aufgestellt und dieser Entwurf bereits gedruckt und vertheilt worden. Dieser Entwurf reproduzire im Allgemeinen die Bestimmungen des Dresdener Entwurfs, soweit nicht die von dem Herrn Redaktor bereits abgelieferten Arbeiten zum Anhalt hätten dienen können. Mitgetheilt wurde aus einem Briefe des Präsidenten Dr. von Kuebel an den Landgerichtsrath Vogel, daß die Nachrichten über das Befinden des ersteren nicht gerade günstig lauten und derselbe erst in der mit dem 17. Oktober beginnenden Woche zurückzuerwarten sei. Der Vorsitzende bemerkte ferner, er habe, da die frühere Geschäftsordnung ausdrücklich nur für das bisherige Stadium der Berathung bestimmt sei, den Ministerialrath Dr. von Schmitt, welcher Referent für jene Geschäftsordnung gewesen, ersucht, einen Geschäftsordnungs-Entwurf für das gegenwärtige neue Stadium auszuarbeiten. Ein solcher Entwurf liege vor und sei schon gestern vertheilt worden. Es wurde sofort in die Berathung dieses Entwurfs eingetreten, da hiergegen von keiner Seite Bedenken erhoben wurden. Der Referent begründete zunächst diesen Entwurf im Allgemeinen. Daran reihte sich die besondere Begründung der einzelnen Paragraphen. Hieran wurde die Diskussion angeschlossen. Das Resultat war folgendes: Die §§1 — 4 wurden mit der Maßgabe genehmigt, daß dem § 3 mit Bezug auf die Ziffer 2 beigefügt werden soll: „Vorbehalten bleibt jedoch, demnächst zu beschließen, ob nicht an Stelle des Dresdener ein anderer, aus dem Schöße der Kommission selbst hervorgehender Entwurf des Rechts der Schuldverhältnisse zu beschaffen sei." Auch die §§5 — 7 wurden genehmigt, jedoch soll dem § 6 beigefügt werden: „Die Sitzungen beginnen um 11 Uhr vormittags." Die §§ 8 und 9 wurden nach längerer Diskussion zu einem Paragraphen vereinigt und in der Weise genehmigt, daß der erste Absatz des neuen § 8 lautet: „Jedes Mitglied ist berechtigt, Anträge zu stellen." Als zweiter und dritter Absatz wurden die beiden Absätze des § 9 des Entwurfs in der Fassung des Referenten eingestellt. Als vierter Absatz wurde hinzugefügt: „Anträge auf getrennte Abstimmung unterliegen den Bestimmungen der Absätze 2 und 3 nicht." Der Antrag, die Absätze l und 2 des § 9 des Referenten-Entwurfs dahin zu fassen: „Die Anträge sind dem Vorsitzenden in schriftlicher Fassung vorzulegen und können ohne diese Form nicht zur Abstimmung gelangen. Soweit es angeht, sollen die Anträge schon vor derjenigen Sitzung, für welche sie bestimmt sind, dem Vorsitzenden übergeben, vervielfältigt und sämmtlichen Mitgliedern der Kommission mitgetheilt werden. Die Annahme von Anträgen, welche nicht spätestens am Tage vor der betref-

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Materialien zur Entstehung des BGB fenden Sitzung den übrigen Mitgliedern schriftlich zugegangen sind, kann erst in der nächstfolgenden Sitzung endgültig erfolgen, wenn dies von dem Referenten verlangt wird. Auf den Antrag eines Mitgliedes kann die Kommission sowohl die endgültige Abstimmung, als auch die Berathung solcher Anträge aussetzen." und der weitere Antrag, in dem Absätze 2 die Worte: „verhandelt oder" zu streichen, wurden von der Mehrheit abgelehnt. Die §§ 10—13 des Entwurfs wurden angenommen. Zu einer längeren Diskussion gab der § 14 des Entwurfs nach zwei Richtungen Anlaß. Von einer Seite wurde in Betreff der Ziffer 3 des § 13 des Entwurfs gewünscht, den Inhalt des Protokolls — nach dem Vorgange der Protokolle der Civilprozeß-Kommission2 auf die Verzeichnung des äußeren Ganges der Berathung in der Art zu beschränken, daß lediglich die gestellten Anträge und die Ergebnisse der Abstimmungen Aufnahme finden, also der § 14 gestrichen werde. Von anderer Seite wurde eine Erweiterung des materiellen Inhalts der Protokolle dahin beantragt, daß der wesentliche Inhalt der stattgehabten Diskussion überhaupt aufgezeichnet und demgemäß die beschränkenden Schlußworte des Referenten Vorschlags: „insoweit . . ., als zum besseren Verständnisse der Beschlüsse erforderlich ist" gestrichen werden. Beide Anträge fanden nicht die Zustimmung der Mehrheit, vielmehr wurde der Vorschlag des Referenten von der Mehrheit gebilligt. Hierbei wurde ohne Widerspruch hervorgehoben, daß mit Annahme eines Vorschlages zwar die dafür geltend gemachten legislativpolitischen Motive (z. B. für das Grundbuch-System, für die Entscheidung usw.) als gebilligt gelten können, daß aber Motive rechtswissenschaftlichen oder rechtsphilosophischen Inhalts mit der Annahme eines Vorschlags noch nicht als gebilligt anzusehen seien. Der § 15 des Entwurfs wurde mit dem Schlußsatz: „doch hat der betreffende Protokollführer der Ausschußsitzung beizuwohnen" angenommen. Die §§16, 17 des Entwurfs wurden ohne Widerspruch gebilligt, ebenso der § 19, der § 18 aber mit der Maßgabe, daß das Wort „seinerzeitige" in Zeile 3 von oben gestrichen wird und mit dem Bemerken, daß das Wort „Abschnitt" im allgemeinen und nicht in dem technischen Sinn der Theilentwürfe zu verstehen ist. Eine nochmalige Berathung der Geschäftsordnung, wie sie sich hiernach gestaltet hat, in der nächsten Sitzung wird nicht für erforderlich gehalten, vielmehr soll die nach Maßgabe der gefaßten Beschlüsse von dem Referenten festgestellte Geschäftsordnung alsbald vertheilt werden. 3. Geschäftsordnung vom 4. 10. 188l3 § l. Die erste Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs zerfällt in die vorläufige Feststellung der einzelnen Theilentwürfe (erste Berathung) und in die sachlich sowie formell vollständige Feststellung des Gesammtentwurfes, welcher — die Ergebnisse der ersten Berathung umfassend, nach Form und Inhalt harmonisch — von dem Hauptreferenten hergestellt wird (zweite Berathung). § 2. Die erste Berathung soll im Wesentlichen nur eine sachliche sein, so daß thunlichst die formelle Seite ausscheidet und Fassung oder Redaktion im Allgemeinen auf 2

Gemeint sind hier die unveröffentlichten Protokolle der Civilproceßrechtskommission, der u. a. Planck und Schmitt angehört hatten. Diese Protokolle sind zu finden z. B. im Zentralen Staatsarchiv, Potsdam. 3 Der endgültige Text der Geschäftsordnung ist nicht Teil der Kommissionsprotokolle, ist diesen aber meist beigeheftet.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB sich beruhen bleiben. Dadurch ist jedoch namentlich nicht ausgeschlossen, daß erhebliche Fragen der Terminologie und Oekonomie entschieden werden. § 3. Gegenstand und Grundlage der ersten Berathung bilden: 1. der vorliegende Entwurf eines allgemeinen Theils und in Ansehung der Bestimmungen über juristische Personen die bezüglichen Vorschriften des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs, sofern nicht bis zur Berathung dieser Materie der Entwurf vervollständigt ist; 2. der vorliegende Entwurf eines Rechts der Schuldverhältnisse und hinsichtlich der fehlenden Stücke der Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse; 3. der vorliegende Entwurf eines Sachenrechts; 4. der vorliegende Entwurf eines Familienrechts; 5. der vorliegende Entwurf eines Rechts der Erbfolge. Vorbehalten bleibt jedoch, demnächst zu beschließen, ob nicht an Stelle des Dresdener ein anderer, aus dem Schöße der Kommission selbst hervorgehender Entwurf des Rechts der Schuldverhältnisse zu beschaffen sei. § 4. Die einzelnen Entwürfe werden in der § 3 angegebenen Reihenfolge berathen. Es bleibt jedoch vorbehalten, zu bestimmen, daß verschiedene Abschnitte des allgemeinen Theils sowie des Rechts der Schuldverhältnisse in einer anderen Reihenfolge und erst nach Berathung der anderen Theilentwürfe oder des einen oder anderen derselben und daß einzelne Abschnitte des Rechts der Schuldverhältnisse gleichzeitig mit konnexen Abschnitten des allgemeinen Theils zu berathen seien. § 5. Bei der ersten Beratung haben die Redaktoren, jeder für sein Gebiet, als Referenten zu fungiren. Soweit im Uebrigen Referenten zu bestellen sind, erfolgt die Wahl derselben auf Vorschlag des Vorsitzenden mittels Vereinbarung oder in Ermangelung einer solchen durch Abstimmung in der Kommission. § 6. Die Sitzungen der Kommission zur Berathung der Entwürfe finden am Montag, Mittwoch und Freitag einer jeden Woche statt. Die Sitzungen beginnen um 11 Uhr vormittags. § 7. Der Vorsitzende eröffnet und schließt die Sitzung, leitet die Berathung und Abstimmung. Nach dem Vonrage des Referenten wird die Berathung durch den Vorsitzenden eröffnet. Jedes Mitglied ist berechtigt, das Wort zu ergreifen, jedoch nicht, ohne es vorher verlangt und von dem Vorsitzenden erhalten zu haben; der Vorsitzende ertheilt das Wort nach der Reihe der Anmeldungen zu demselben. Die Hilfsarbeiter können den Sitzungen beiwohnen, sind jedoch nicht berechtigt, das Wort zu ergreifen. § 8. Jedes Mitglied ist berechtigt, Anträge zu stellen. Die Anträge müssen dem Vorsitzenden in schriftlicher Fassung vorgelegt werden. Soweit es angeht, sollen die Anträge schon vor derjenigen Sitzung, für welche sie bestimmt sind, dem Vorsitzenden übergeben, vervielfältigt und sämmtlichen Mitgliedern der Kommission mitgetheilt werden. Ueber Anträge, welche nicht spätestens am Tage vor der betreffenden Sitzung den übrigen Mitgliedern schriftlich zugegangen, wird erst in der nächstfolgenden Sitzung verhandelt oder endgültig abgestimmt, wenn dies von dem Referenten verlangt oder auf den Antrag eines anderen Mitgliedes von der Kommission beschlossen wird.

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Materialien zur Entstehung des BGB Anträge auf getrennte Abstimmung unterliegen den Bestimmungen der Absätze 2 und 3 nicht. § 9. Anträge auf Aenderung gefaßter Beschlüsse oder auf nochmalige Berathung eines bereits erledigten Gegenstandes können nur zur Diskussion gelangen, wenn das Eingehen auf dieselben vorher von der Kommission beschlossen worden ist. § 10. Die Beschlüsse der Kommission werden von den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern mit Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Abstimmung erfolgt getrennt von der Debatte. Bei der Abstimmung ist die Motivirung des Votums ausgeschlossen. §11. Ueber jede Sitzung der Kommission wird ein Protokoll durch einen von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Hilfsarbeiter als Schriftführer geführt. Die Heranziehung eines zweiten Hilfsarbeiters zur Unterstützung des Protokollführers ist nicht ausgeschlossen. § 12. Das Protokoll soll nur enthalten: 1. die Bezeichnung der in der Sitzung anwesenden Mitglieder der Kommission und des Schriftführers; 2. die geschäftlichen Mittheilungen; 3. den Gang der Verhandlungen im Allgemeinen; 4. die gestellten Anträge; 5. die Ergebnisse der Abstimmungen. Die Namen der Redner, Antragsteller und Abstimmungen werden im Protokoll nicht vermerkt. Auf Antrag ist jedoch das Stimmenverhältniß, mit welchem ein Beschluß gefaßt ist, anzugeben. § 13. Die Aufzeichnung des Ganges der Verhandlungen im Allgemeinen soll in thunlichster Kürze erfolgen, jedoch in der bisher beobachteten Weise den wesentlichen Inhalt der stattgehabten Berathung insoweit darlegen, als zum besseren Verständnisse der Beschlüsse erforderlich ist. § 14. Das Protokoll unterliegt der Kontrolle eines Ausschusses. Der Ausschuß besteht aus dem Vorsitzenden der Kommission als Ausschußvorstand, dem betheiligten Referenten als Ausschußreferenten und einem dritten ständigen Mitgliede, welches in der in § 5 Absatz 2 bestimmten Weise gewählt wird. Der Protokollführer übergiebt das seinerseits fertiggestellte Protokoll unverzüglich dem Referenten, welcher darüber dem Ausschusse Vortrag erstattet. Auf die Sitzungen des Ausschusses finden die Vorschriften über die Kommissionssitzungen entsprechende Anwendung. Ein Protokoll wird über Ausschußsitzungen nicht geführt; doch hat der betreffende Protokollführer der Ausschußsitzung beizuwohnen. § 15. In einer Kommissionssitzung, welche zu diesem Zwecke am Sonnabend einer jeden Woche stattfindet, werden die von dem Ausschusse kontrollirten Protokolle der in dieser Woche stattgehabten Sitzungen verlesen, festgestellt und von dem Schriftführer, welcher dieselben aufgenommen hat, unterzeichnet. Auf Protokolle über Sitzungen zu dem vorbezeichneten Zwecke finden die Bestimmungen der §§ 14,15 Absatz l keine Anwendung. § 16. Protokolle jeder Art werden vervielfältigt und empfängt jedes Kommissionsmitglied zwei Exemplare, jeder Hilfsarbeiter ein Exemplar derselben.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB Eine Veröffentlichung der Protokolle, sowie überhaupt der Berathungen, Beschlüsse und Akten der Kommission bleibt bis auf Weiteres ausgeschlossen. § 17. Um bei weiterem Fortschreiten der Verhandlungen den Zusammenhang mit früheren Beschlüssen nicht zu verlieren, sowie um die Arbeit des Hauptreferenten vorbereitend zu erleichtern und abzukürzen, wird der Protokollausschuß (§ 14) nach Beendigung der Berathung eines jeden Abschnitts4 oder doch eines jeden Theilentwurfs die darauf bezüglichen Kommissionsbeschlüsse auf Vortrag des Referenten als Ganzes feststellen, hierbei namentlich Inkongruenzen des Inhalts und der Fassung verschiedener Beschlüsse aufdecken, bei Inkongruenzen des Inhalts aber die Entscheidung der Kommission einholen. Die Beschlüsse des Ausschusses werden vervielfältigt und in der gleichen Anzahl wie die Sitzungsprotokolle den Kommissionsmitgliedern und Hilfsarbeitern mitgetheilt. § 18. Die Beschlußfassung über die Art und Weise der Aufstellung des der zweiten Berathung zu Grunde zu legenden Hauptentwurfs sowie des Einführungsgesetzes, desgleichen die Bestellung des Hauptreferenten und die Revision der vorstehenden Geschäftsordnung für die zweite Berathung (erste Lesung des Gesammtentwurfs) bleibt vorbehalten.

IV. Berichte des Kommissionsvorsitzenden Pape an den Reichskanzler 1. Bericht vom 2. 10. 1874 Eurer Durchlaucht beehre ich mich ganz gehorsamst zu berichten, daß die seitwärts benannte Kommission1, nachdem sie am 17. September zusammengetreten war, am 29. September ihre ersten und einleitenden Berathungen geschlossen hat. Das Ergebniß der letzteren erhellt im Wesentlichen aus den Berathungsprotokollen2, welche bereits zu Eurer Durchlaucht Kenntniß gelangt sein werden. Indem ich das Einzelne betreffend auf diese Protokolle Bezug zu nehmen mir gestatte, darf ich mich auf die Mittheilung beschränken, daß von der Kommission zunächst eine Geschäfts-Ordnung für das erste Stadium der Berathungen festgestellt, sodann aber in Anlehnung an die von dem Bundesrath im Allgemeinen gebilligten Ansichten und Vorschläge der Vorkommission der Beschluß gefaßt ist: „kein vorhandenes Gesetzbuch und keine der vorhandenen Entwürfe solle für die Aufstellung des Entwurfs die Grundlage der Berathungen bilden, vielmehr aus dem Schöße der Kommission selbst ein den Berathungen zum Grunde zu legender Vorentwurf hervorgehen und dieser Vorentwurf durch verschiedene, mit der Ausarbeitung von Theilentwürfen zu beauftragende Redaktoren verfaßt werden." Nachdem hierauf der Umfang und das System des Gesetzbuchs, wenn auch nur im Allgemeinen, bestimmt waren, erfolgte die Feststellung der Zahl der Redaktoren und die Abgrenzung des Redaktionsgebietes eines jeden einzelnen Redaktors.

„Abschnitts" ist nicht im technischen Sinne der Theilentwürfe zu verstehen (diese Anm. ist Teil der Geschäftsordnung).

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D. h. die „Kommission zur Entwerfung eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich". Die Beratungsprotokolle sind in diesem Band, S. 206 ff. vollständig abgedruckt. 273

Materialien zur Entstehung des BGB In Ansehung der Wahl der Redaktoren, deren Zahl auf fünf bestimmt wurde, und der Zuweisung der Redaktionsgebiete, hatte die Kommission durch einhelligen Beschluß mir die Vorschläge überlassen. Auf meinen Antrag, der von keiner Seite beanstandet worden ist, und zu keiner Art von Diskussion geführt hat, sind zu Redaktoren ernannt worden: 1. der Königlich Preußische Obertribunalsrath Johow, 2. der Königlich Preußische Appellationsgerichtsrath Planck, 3. der Königlich Bayerische Ministerialrath Dr. Schmitt, 4. der Königlich Württembergische Obertribunalsdirektor Dr. von Kübel, 5. der Großherzoglich Badische Ministerialrath Dr. Gebhard. Der Antrag wurde von mir im Schöße der Kommission im Wesentlichen folgendergestalt motivirt: Sollte das der Kommission anvertraute Werk in nicht allzu ferner Zeit gelingen und den berechtigten Anforderungen genügen, so sei bei der Wahl der Redaktoren nothwendig Bedacht darauf zu nehmen, daß dieselben, so weit es sich bei ihrer beschränkten Zahl erreichen lasse, möglichst vollkommen durch die Praxis vertraut geworden seien einestheils mit dem in den einzelnen Staaten und Staatsgebieten zur Zeit geltenden materiellen Zivilrecht und anderntheils mit den staatlichen, wirthschaftlichen und socialen Verhältnissen, welche auf jenes Recht einen Einfluß geübt haben und bei der Kodifikation oder Reform desselben die sorgfältigste Berücksichtigung verdienen. Im Deutschen Reiche ständen sich gegenwärtig drei privatrechtliche Systeme mehr oder weniger schroff gegenüber, das Preußische Recht im engeren Sinne, das Gemeine Recht und das Französische Recht. Bei dem Bayerischen Rechte und dem Rechte des Königreichs Sachsen könne von einem ähnlichen Gegensatze nicht die Rede sein. Das Bayerische Land-Recht sowohl als das Sächsische Civilgesetzbuch stellen sich im Großen und Ganzen nur als eine Kodifizirung des Gemeinen Rechts dar, wie dies zur Zeit der Abfassung jener Gesetzbücher durch Praxis und Doktrin sich gestaltet habe. Mit dem Gemeinen Rechte habe es aber überhaupt eine eigenthümliche Bewandniß. Nirgends gelte es wegen seiner nur subsidiairen Anwendbarkeit rein und unverändert; überall sei es mehr oder weniger alterirt, modifizirt und zerklüftet durch die prinzipalen Rechtsquellen, die provinziellen, lokalen und statutarischen Rechtsnormen und durch die in der neueren Zeit in der eingreifendsten Weise auf verschiedenen Gebieten thätig gewesenen Gesetzgebung. Aus nahe liegenden Gründen habe das Gemeine Recht eine um so eigenthümlichere Gestaltung empfangen, je größer der betreffende Staat oder das betreffende Rechtsgebiet sei. Dies gelte sichtbar zunächst in hervorragender Weise von den beiden, zum Geltungsbereiche des Gemeinen Rechts gehörenden großen Süddeutschen Staaten Bayern und Württemberg, nicht minder aber auch von den, demselben Bereiche angehörenden neuen Landestheilen Preußens, als dem vormaligen Königreich Hannover, dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen, dem vormaligen Herzogthum Nassau, den Elbherzogthümern u.s.w. Hieraus erhelle, daß zu Redaktoren zu berufen seien ein gründlicher Kenner 1. des Preußischen Rechts im engeren Sinne, 2. des Französischen Rechts, 3. des Bayerischen Rechts, 4. des Württembergischen Rechts, 5. des Rechts der neuen Landestheile Preußens.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Es liege der Einwand nahe, ein gründlicher Kenner des Rechts des Königreichs Sachsen sei gleichfalls nöthig. Allein bei der beschränkten Zahl der Redaktoren könne der Einwand nur durch Uebergehen des Vertreters eines der genannten fünf Rechtsgebiete berücksichtigt werden. Die zu entscheidende Frage sei also einleuchtend die: welches Recht am wenigsten eines besonderen Vertreters bedürfe. Das Sächsische Recht könne aber am ehesten eines solchen entbehren und zwar aus zwei Gründen. Einmal liege das Sächsische Recht in einer ebenso vollständigen als gelungenen Kodifikation vor. Vor noch nicht geraumer Zeit eingeführt, so daß es durch Praxis und Wissenschaft eine besondere Entwickelung nur im beschränkten Maße habe erfahren können, sei es jedem Redaktor in leichtester Weise zugänglich und es könne mit voller Sicherheit darauf gerechnet werden, daß bei den großen Vorzügen des Sächsischen Civilgesetz-Buchs jeder Redaktor mit ihm sich gründlich vertraut machen und es bei seinen Arbeiten benutzen werde. Sodann komme in Betracht, daß das Sächsische Civilgesetz-Buch im Wesentlichen als prinzipale Rechtsquelle gelte, neben welcher Provinzial-, Lokal- und Statutarrechte nicht in Kraft beständen. Die Unzuträglichkeit, welche darin gefunden werden könne, daß ein Sächsischer Jurist sich nicht unter den Redaktoren befinden werde, ließe sich endlich auch noch dadurch möglichst ausgleichen, daß ein Sächsischer Jurist als Hilfsarbeiter herangezogen und ihm aufgetragen werde, sich allen Redaktoren zur Informationsertheilung zur Verfügung zu stellen. Ohne Zweifel sei somit für das Recht des Königreichs Sachsen besser gesorgt, als für das der Thüringischen Staaten, der Mecklenburgischen Großherzogthümer, des Großherzogthums Oldenburg etc., welche im Gegensatze zum Rechte des Königreichs Sachsen jeder speziellen Vertretung in der Kommission entbehre. Anlangend die Vertretung des Französischen Rechts, so erscheine es angemessen, bei der Wahl zugleich auf die Vertretung des Badischen Rechts zu sehen, weil, wenn auch das Badische Privatrecht im Wesentlichen mit dem Französischen übereinstimme, doch die Badischen Verhältnisse in Folge der vielen reformatorischen Gesetze, welche in neuer Zeit im Großherzogthum Baden erlassen seien, eine besondere Berücksichtigung erheischen. Kaum zu erwähnen brauche ich, daß die Wahl gelenkt ist 1. auf den Obertribunalsrath Johow als gründlichen Kenner des Preußischen Rechts im engeren Sinne, 2. auf den Appellationsgerichtsrath Planck als gründlichen Kenner des Rechts der neuen Landestheile Preußens, 3. auf den Ministerialrath Dr. Schmitt als gründlichen Kenner des Bayerischen Rechts, 4. auf den Direktor Dr. von Kübel als gründlichen Kenner des Württembergischen Rechts, 5. auf den Ministerialrath Dr. Gebhard als gründlichen Kenner des Französischen Rechts. Auf Grund meiner, gleichfalls ohne Diskussion adoptirten Vorschläge ist als Redaktionsgebiet zugeteilt: 1. dem Obertribunalsrath Johow das Sachenrecht, 2. dem Appellationsgerichtsrath Planck das Familienrecht, einschließlich des ehelichen Güterrechts, 3. dem Ministerialrath Dr. Schmitt das Erbrecht, 4. dem Direktor Dr. von Kübel das Obligationenrecht, 5. dem Ministerialrath Dr. Gebhard der sogenannte allgemeine Theil. Dem Obertribunalsrath Johow das Sachenrecht zu überweisen, schien mir deshalb 275

Materialien zur Entstehung des BGB angemessen, weil das Preußische Recht für das moderne Deutsche Immobiliarrecht grundlegend geworden und von der Preußischen Gesetzgebung auf dem Gebiete des letzteren nach umfassenden Vorarbeiten Reformen durchgeführt sind, welche für das Deutsche Civilgesetzbuch den größten Werth haben und die ernsteste Beachtung verdienen. Für die Ausarbeitung des Obligationenrechts glaubte ich den Direktor Dr. von Kübel deshalb vorschlagen zu müssen, weil er bei der Aufstellung des auf Anlaß der ehemaligen Deutschen Bundesversammlung in Dresden abgefaßten Entwurfs eines allgemeinen Deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse sich in hervorragender Weise betheiligt hat3, die Ausarbeitung des schwierigen Familienrechts und des vielleicht noch schwierigeren Erbrechts durfte nur gründlichen Kennern des Deutschen Rechts anvertraut werden. Für das Familienrecht fiel die Wahl auf den Appellationsgerichtsrath Planck, weil ich ihn namentlich für die Ausarbeitung des Eherechts am geeignetsten hielt. Hieraus ergab sich von selbst, daß für die Ausarbeitung des Erbrechts der Ministerialrath Dr. Schmitt, für die des allgemeinen Theils der Ministerialrath Dr. Gebhard zu wählen waren. Die Redaktoren sind mit einer, wie die Protokolle ergeben, von der Kommission nach eingehender Berathung festgestellten Instruktion versehen, welche insbesondere vorsieht, daß ich als Vorsitzender der Kommission mit den Redaktoren in steter Verbindung bleibe, alle erheblichen Vorfälle zu meiner Kenntniß gelangen, die wichtigeren Berathungen mir vorher angezeigt und tief eingreifende Beschlüsse nicht ohne meine Zuziehung und Mitwirkung gefaßt werden. Damit während meiner Anwesenheit in Leipzig die Verbindung mit mir in einfacher Weise vermittelt und es für die Leitung der Sitzungen den Redaktoren nicht an einem Stellvertreter fehle, habe ich in Ausführung eines Kommissionsbeschlusses dem Obertribunalsrath Johow meine Stellvertretung für die Geschäfte übertragen, die ich in Leipzig nicht täglich besorgen kann. Die Redaktoren sind am 30. September unter meinem Vorsitz zu einer ersten Sitzung zusammengetreten. In dieser Sitzung hat jeder der Redaktoren den nach meinem Dafürhalten berechtigten Wunsch ausgesprochen, daß ihm alsbald vorläufig ein praktischer Jurist als Hülfsarbeiter namentlich zur Sammlung des Materials zur Seite gestellt werden möge. Der Obertribunalsrath Johow wünscht als Hülfsarbeiter den Königlich Preußischen Stadtgerichtsrath Achilles zu Berlin, welcher mit dem neuen Preußischen Immobiliarrecht, wie seine schriftstellerischen Leistungen überzeugend lehren, gründlich vertraut ist; der Appellationsgerichtsrath Planck hat sich als Hilfsarbeiter den Königlich Preußischen Obergerichtsrath Braun zu Gelle erbeten. Nach einer mündlichen Mittheilung des Königlich Preußischen Herrn Justizministers glaube ich annehmen zu dürfen, daß der Erfüllung beider Wünsche kein Hinderniß entgegenstehe. Der Ministerialrath Dr. Schmitt begehrt einen Hilfsarbeiter, welcher mit dem Preußischen Erbrecht genau bekannt ist. Als solchen gestatte ich mir den Königlich Preußischen Kreisgerichtsrath Neubauer, den bisherigen Schriftführer der Kommission, in Vorschlag zu bringen; ich habe demselben vorläufig das Schriftführeramt für die Sitzungen der Redaktoren und die Besorgung der geschäftlichen interna, soweit sie von dem Bureau des Reichskanzleramts nicht selbständig wahrgenommen werden können, aufgetragen, womit er ohne Zweifel nicht ausreichend beschäftigt ist. Für den Ministerialrath Dr. Gebhard wird aus den oben angeführten Gründen ein Jurist aus dem Königreich Sachsen als Hülfsarbeiter gewählt und mit der Weisung versehen werden müssen, auch den übrigen Redaktoren in so weit behülflich zu sein, als es sich um die Information über die Rechtsinstitutionen etc. des Königreichs Sachsen handelt. Das dem Mini-

Uber Einzelheiten dieser Beteiligung ist bislang nichts bekannt. 276

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

sterialrath Dr. Gebhard zugetheilte Redaktionsgebiet läßt die Ueberweisung eines mit dem Rechte des Königreichs Sachsen anvertrauten Hilfsarbeiters besonders erwünscht erscheinen. Der Königlich Sächsischen Regierung dürfte zu überlassen sein, eine geeignete Persönlichkeit in Vorschlag zu bringen; ich selbst befinde mich nicht in der Lage, eine geeignete Person vorzuschlagen. Als Hilfsarbeiter für den Direktor Dr. von Kübel möchte sich ein Jurist aus einem der größeren, in der Kommission nicht vertretenen Staaten empfehlen, sei es aus dem Großherzogthum Hessen oder den Mecklenburgischen Großherzogthümern, oder dem Großherzogthum Oldenburg oder Sachsen. Eine solche Wahl würde auch dem Kommissionsbeschlusse entsprechen, welcher in einer Bestimmung der den Redaktoren ertheilten Instruktion (Nr. 7)4 einen Ausdruck gefunden hat. Sämmtliche Redaktoren haben ferner den Wunsch geäußert, daß die einzelnen Regierungen veranlaßt werden mögen, die an ihre Anordnungen gebundenen Bibliotheken anzuweisen, den Redaktoren auf Ersuchen das eine oder andere Werk zeitweilig zur Benutzung zu überlassen. Eurer Durchlaucht stelle ich hierauf ganz gehorsamst anheim, hochgeneigtest zu veranlassen, daß als Hilfsarbeiter den fünf Redaktoren zugeordnet werde: 1. der Königlich Preußische Obergerichtsrath Braun zu Gelle, 2. der Königlich Preußische Stadtgerichtsrath Achilles zu Berlin, 3. der Königlich Preußische Kreisgerichtsrath Neubauer daselbst, 4. ein von der Königlich Sächsischen Regierung zu bezeichnender Sächsischer Jurist, 5. ein von der betreffenden Regierung zu bezeichnender Jurist eines der größeren in der Kommission nicht vertretenen Staaten, daß ferner dem Wunsche der Redaktoren entsprechend die in Frage kommenden Bibliotheken die Weisung empfangen, auf Ersuchen den Redaktoren das eine oder andere Werk zeitweilig zur Benutzung zu verabfolgen. Der Präsident des Reichs-Oberhandelsgerichts 2. Bericht vom 1. 11. 1875 Eure Durchlaucht haben bereits Kenntniß davon erlangt, daß die Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs jüngst von mir nach Berlin zusammen berufen war, um über verschiedene Hauptprinzipien, welche bei Aufstellung des Entwurfs zur Richtschnur zu nehmen seien, mündliche Berathung zu pflegen. Die Berathungen haben unter meinem Vorsitze am 4. Oktober dieses Jahres begonnen; mit Eifer und ohne Unterbrechung bis zur Erschöpfung des vorliegenden Berathungsmaterials fortgeführt, haben sie am 28. Oktober nach ungefähr vierwöchentlicher Dauer geschlossen werden können. Sämmtliche Mitglieder der Kommission hatten sich zu ihnen eingefunden; auch hat kein Mitglied in den verschiedenen Sitzungen gefehlt, welche für die mündlichen Berathungen bestimmt waren. Den Zweck der letzteren habe ich bereits oben anzugeben mir gestattet. Es galt, entsprechend den durch Beschluß des Bundesraths vom 22. Juni 1874 im Wesentlichen genehmigten Vorschlägen der Vorkommission (No. VII l — 3)5, über gewisse grundlegende Hauptprinzipien zu einem Verständnisse zu gelangen. In Ansehung dieser Prinzipien waren von den

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VgLS.221. Vgl. S. 182 f. 277

Materialien zur Entstehung des BGB Redaktoren und zwar von jedem Redaktor für das ihm zugewiesene Redaktionsgebiet schriftliche Anträge gestellt und letztere sämmtlichen Mitgliedern einige Zeit vor dem Zusammentritt der Kommission behufs gründlicher Vorbereitung mitgetheilt. Welche Anträge gestellt worden sind und zu welchen Beschlüssen dieselben geführt haben, ergeben die Berathungsprotokolle6 und deren Unterlagen, welche, wie ich glaube annehmen zu dürfen, bereits zu Eurer Durchlaucht Kenntniß gelangt sind. Indem ich daher auf dieselben Bezug zu nehmen mir erlaube, kann ich mich auf folgende ganz gehorsamste Bemerkungen beschränken. — Das Ergebniß der Berathungen darf ich im Allgemeinen als ein günstiges bezeichnen. Die von der Kommission gefaßten Beschlüsse erachte ich zum größten Theil für sachgemäß. Sie sind ferner derartig, daß sie die Arbeiten der Redaktoren wesentlich zu erleichtern und zu vereinfachen versprechen. Nachdem die Kommission, vollzählig versammelt und auf Grund eingehender Erörterungen für diesen oder jenen Hauptgrundsatz sich entschieden hat, ist für den betreffenden Redaktor ein fester Anhalt gewonnen, welcher es ihm ermöglicht, seine Arbeiten zu begrenzen und ihnen eine bestimmte Richtung zu geben, während auch die übrigen Redaktoren die von der Kommission getroffene Entscheidung bei ihren Arbeiten gebührend zu berücksichtigen vermögen. Es gilt dies im erhöhten Maße von solchen, der Zahl nach nicht geringen Entscheidungen, deren spätere Aenderung nach den obwaltenden Umständen nicht zu erwarten oder zu besorgen ist. Kaum minder groß erscheint aber der Gewinn, daß durch die Berathungen die Mitglieder der Kommission in nähere Berührung getreten sind, in der mannigfachsten Hinsicht ein gegenseitiger Austausch der Ansichten und Meinungen erfolgt, der Gefahr einer einseitigen Beurtheilung erheblicher Fragen zeitig begegnet und für die Ausarbeitung der Theilentwürfe ein sicherer Boden gewonnen ist. Noch in einer anderen Rücksicht möchte ich das Ergebniß der Berathungen ein erfreuliches nennen. Ich habe von denselben den Eindruck empfangen, daß die Zusammensetzung der Kommission und die Persönlichkeit der einzelnen Mitglieder ein gedeihliches Zusammenwirken in Aussicht stellt und daß kein Grund zu der Besorgniß vorliegt, die Eigenthümlichkeiten des einen oder anderen Mitglieds könnten die Arbeiten und deren Vollendung ungebührlich erschweren. Noch bestimmter hat sich herausgestellt, wie lebhaft jedes Mitglied das Gelingen des schwierigen Werkes herbeiwünscht und wie eifrig jeder Einzelne bestrebt ist, zur Erreichung des Ziels nach besten Kräften beizutragen. Bei der gegenwärtigen Lage der Dinge liegt die Förderung der Arbeiten vorzugsweise in den Händen der Redaktoren. Diese sind mit der Aufstellung der Theilentwürfe unter Benutzung der ihnen zur Verfügung gestellten Hülfskräfte beschäftigt. Nach den Mittheilungen, die ich empfangen, sind sie mit den ebenso mühevollen als zeitraubenden Vorarbeiten schon ziemlich weit gediehen. Freilich kann ich mich der Besorgniß nicht erwehren, es möge eine nicht unerhebliche Zeit verstreichen, bis die Entwürfe vollendet sind und der Hauptkommission zur Berathung unterbreitet werden können. Einen großen Nachtheil vermag ich darin insofern nicht zu erblicken, als je sorgfältiger und umsichtiger die Entwürfe ausgearbeitet sind, um so einfacher und kürzer die demnächstigen Berathungen der Hauptkommission sich gestalten werden. Am Schluß der jüngst beendeten Berathungen waren übrigens alle Mitglieder einhellig der Ansicht, daß dieselben in jeder Hinsicht heilsam und fördernd gewirkt hätten und daß es im hohen Grade erwünscht sei, sie zur geeigneten Zeit wieder aufzunehmen. Meine Absicht ist, nach Ablauf der Winterzeit die Kommission zu ähnlichen Berathun-

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Vgl. Protokoll vom 4. 10. 1875 oben unter D. I. 9.

278

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

gen wieder einzuberufen. Es ist Vorsorge getroffen, daß alsdann ein geeignetes Berathungsmaterial wieder vorliegen wird. 3. Bericht vom 27. 10. 1876 Über die Kommissionssitzungen von 1876 schreibt Pape: „Je eingehender die Prüfung war und je gründlicher jeder einzelne Gegenstand erörtert worden ist, so zwar, daß kein irgend in Frage kommender Gesichtspunkt unberücksichtigt geblieben ist, umso gerechtfertigter erscheint die Voraussetzung, die gefaßten Beschlüsse würden im Wesentlichen einer späteren Aenderung nur ausnahmsweise unterliegen. Von der Ueberzeugung getragen, daß die im gegenwärtigen Stadium von der Hauptkommission gefaßten Beschlüsse nur dann wahrhaft fruchtbar sein werden, wenn ihnen die reiflichste Prüfung vorausgegangen ist, bin ich bei der Leitung der Debatten stets darauf bedacht gewesen, jede Uebereilung und die Außerachtsetzung des einen oder anderen wichtigen Gesichtspunkts zu verhüten. Die jüngsten Berathungen werden daher, wie zuversichtlich erwartet werden kann, die Erreichung des Ziels wesentlich gefördert haben. Die Redaktoren haben für die Ausarbeitung der Theilentwürfe noch eine breitere, festere und sicherere Grundlage gewonnen, als sie ihnen durch die früheren Plenarberathungen verschafft war. Die gründlichen Debatten haben überdies zum Austausch der Ansichten über eine nicht geringe Zahl von noch anderen belangreichen Fragen geführt, die nicht den unmittelbaren Gegenstand der Vorlagen bildeten. . . . Pape teilt dem Reichskanzler im folgenden mit, daß er davon ausgehe, die Vollendung der Theilentwürfe werde „in nicht zu ferner Zeit möglich sein". Er habe den Eindruck, „daß nach Verlauf eines Jahres die Entwürfe, wenn nicht vollendet, doch der Vollendung nahe gebracht werden und höchst wahrscheinlich vor oder bei Ablauf des zweiten Jahres mit der Durchberathung der Theilentwürfe von Seiten der Hauptkommission begonnen werden kann". 4. Zusammenfassende Darstellung der Vorgeschichte und der Kommissionsarbeiten bis Herbst 1876 Am 2. 11. 1876 hat Pape dem Reichskanzler eine Zusammenstellung über die „Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich" übersandt und ihm anheim gestellt, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie wurde am 30. 12. 1876 dem Bundesrat mitgeteilt (Bundesrats-Drucksache Nr. l der Session 1876/77) und außerdem am 13. 1. 1877 in einer „Besonderen Beilage", S. 1 — 9, zum „Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger" Nr. 2 von 1877 veröffentlicht. Da die umfangreiche Zusammenstellung im wesentlichen eine gedrängte Zusammenfassung der in diesem Bande mitgeteilten Quellen (Gutachten der Vorkommission, Gutachten des Justizausschusses des Bundesrates, Protokoll der Kommissionssitzungen vom September 1874, Berichte von Pape aus den Jahren 1874— 1876) enthält, wird hier nur das wiedergegeben, was über den Inhalt der genannten Quellen hinausgeht. Die Zusammenstellung hat die Überschrift: „Die Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich" und ist wie folgt gegliedert: A. Die Vorbereitung des Werkes § l (Änderung des Art. 4 Nr. 13 der Reichsverfassung) § 2 (Einsetzung der Vorkommission) 279

Materialien zur Entstehung des BGB

§ 3 (Gutachten der Vorkommission) § 4 (Gutachten des Justizausschusses des Bundesrates) § 5 (Einsetzung der l. Kommission) B. Die Förderung des Werkes durch die zur Ausarbeitung des Entwurfs bestellte Kommission § 6 (Ergebnisse der Kommissionsberatungen im Herbst 1874) § 7 (Hilfsarbeiter der Kommission) § 8 (Auskünfte der Bundesregierungen, Gutachten von Prof. Schröder) § 9 (Bericht über die Kommissionsberatungen von 1875) § 10 (Auskünfte der Bundesregierungen, Gutachten, Materialsammlungen) § 11 (Bericht über die Kommissionsberatungen von 1876) Im folgenden werden Auszüge aus § 7, der § 8 sowie Teile des § 10 und des § 11 wiedergegeben: § 7: ... Auf den demgemäß von dem Präsidenten erstatteten Bericht hat der Reichskanzler als Hülfsarbeiter zugewiesen 1. den Königlich preußischen Kreisgerichtsrath Neubauer in Berlin dem Redaktor des Erbrechts, 2. den Königlich preußischen Stadtgerichtsrath Achilles daselbst dem Redaktor des Sachenrechts, 3. den Königlich preußischen Obergerichtsrath Braun in Gelle dem Redaktor des Familienrechts, 4. den Königlich sächsischen Gerichtsrath Börner in Leipzig dem Redaktor des allgemeinen Theils, 5. den Großherzoglich hessischen Stadtgerichtsassesor (jetzt Hof gerichtsrath) Vogel in Darmstadt dem Redaktor des Obligationenrechts, die beiden zuletzt genannten zugleich mit der Bestimmung, den übrigen Mitgliedern der Kommission über die im Königreich Sachsen bezw. im Großherzogthum Hessen bestehenden Rechtsinstitutionen u.s.w. auf Erfordern Information zu ertheilen. Zur weiteren Förderung des Werkes hatten übrigens die Regierungen, dem ihnen übermittelten Wunsch der Redaktoren entsprechend, die an ihre Anordnungen gebundenen Bibliotheken angewiesen, den Redaktoren auf Ersuchen das eine oder das andere Werk zeitweilig zur Benutzung zu verabfolgen. Die Bibliotheken sind den Anträgen, welche an sie gelangten, bereitwilligst nachgekommen. § 8: Während die Redaktoren und die Hülfsarbeiter der Lösung ihrer schwierigen Aufgabe sich zu widmen begannen, stellte sich alsbald die Nothwendigkeit heraus, sie bei ihren Arbeiten in verschiedener Weise zu unterstützen: 1. Für den Entwurf des Familienrechts erhob sich die wichtige Frage: a) ob für ganz Deutschland ein und dasselbe System des ehelichen Güterrechts und eventuell welches in dem Gesetzbuche festzustellen, oder b) ob mehrere Systeme koordinirt in der Art in das Gesetzbuch aufzunehmen, daß in dem einen Theil von Deutschland das eine, in dem anderen das andere zur Anwendung komme, oder c) ob endlich Ein System als das regelmäßig zur Anwendung kommende Recht festzustellen, daneben aber andere Systeme in der Art in das Gesetzbuch aufzunehmen 280

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

seien, daß es den Parteien gestattet bleibe, sich vertragsmäßig den Grundsätzen derselben zu unterwerfen. Um eine sichere Grundlage für die Entscheidung dieser Frage zu gewinnen, hielt der Redaktor des Familienrechts für nöthig, das eheliche Güterrecht vorläufig nach jedem der drei Hauptsysteme, welche in Deutschland gelten, — dem System der Verwaltungsgemeinschaft (Gütereinheit), dem System der allgemeinen Gütergemeinschaft und dem System der partikulären (Mobiliar- bezw. Errungenschafts-) Gemeinschaft — wenigstens in den Grundzügen auszuarbeiten. Zu diesem Zweck wünschte er aber zunächst ein Gutachten über die Frage, wie das eheliche Güterrecht, wenn demselben das System der partikulären Gütergemeinschaft zu Grunde gelegt würde, unter Berücksichtigung der verschiedenen zur Zeit in Deutschland vorkommenden Formen dieses Systems in einer den praktischen Bedürfnissen entsprechenden Art gesetzlich zu regeln wäre. Die Zusammenfassung der Ergebnisse des Gutachtens in der Form eines vollständigen Gesetz-Entwurfs erschien ihm dabei besonders wünschenswerth. Der Appellationsgerichtsrath Planck beantragte deshalb, unter Zustimmung der übrigen Redaktoren, „veranlassen zu wollen, daß ein mit dem fraglichen Rechtsinstitut und den sonst in Betracht kommenden Verhältnissen vertrauter hervorragender Jurist um die möglichst baldige Ausarbeitung eines Gutachtens und Gesetz-Entwurfs der oben bezeichneten Art ersucht würde."7 Auf den Vorschlag des Präsidenten der Kommission ersuchte der Reichskanzler im Dezember 1874 den Professor Dr. Richard Schröder in Würzburg, sich der Erstattung jenes Gutachtens unter Beifügung eines Gesetz-Entwurfs zu unterziehen. Der Professor Schröder hat bereitwilligst den Auftrag übernommen und Gutachten und GesetzEntwurf bereits im August 1875 eingereicht8. 2. Das Immobiliarsachenrecht ist in den deutschen Staaten mit wenigen Ausnahmen auf der Grundlage öffentlicher Bücher geordnet. Die Einrichtung dieser Bücher und die Bedeutung derselben für das materielle Recht ist indeß in den verschiedenen Gebieten in mehrfacher Hinsicht eine prinzipiell verschiedene. Das Partikularrecht zeigt in dieser Hinsicht ein Bild ganz außerordentlicher Zersplitterung. Bei der Unvollständigkeit des literarischen Materials glaubte deshalb der Redaktor des Sachenrechts die Hülfe der Bundesregierungen in Anspruch nehmen zu müssen, um sichere Kenntniß von den Einrichtungen zu erlangen, welche einestheils in Ansehung der Beschreibung der Grundstücke und anderntheils in Ansehung der Verzeichnung der letzteren und der auf diese sich beziehenden Rechte in öffentliche Bücher gegenwärtig in den einzelnen Staats- und Rechtsgebieten bestehen. Nicht zu verkennen war, daß eine authentische Auskunft hierüber für die Entwerfung des das Immobiliarrecht enthaltenden Theils des Gesetzbuches von großem Werthe sein würde, daß sie sogar schwer zu entbehren sein möchte, wenn anders jener wichtige Theil des Gesetzbuches den einmal gegebenen Zuständen und Verhältnissen sich passend anschließen und die neuen Rechtsnormen für dieses oder jenes Gebiet nicht größere Verwickelungen und Uebelstände hervorrufen sollen, als das ihnen zum Grunde zu legende einheitliche System mit Nothwendigkeit erheischt. Das gewünschte Material ist denn auch von allen Regierungen auf das durch Vermittelung des Reichskanzlers an sie ergangene Ersuchen dem Redaktor des Sachenrechts auf das bereitwilligste zur Verfügung gestellt worden9. Vgl. die in diesem Bande abgedruckten Protokolle der Redaktorenkonferenzen. Das Gutachten wird, soweit dies aus Platzgründen möglich ist, bei den Quellen zum Familienrecht mitgeteilt werden. Große Teile dieses Materials sind noch erhalten im Zentralen Staatsarchiv Potsdam. 281

Materialien zur Entstehung des BGB 3. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich für die Erledigung der nach dem Obigen über den Umfang des Gesetzbuchs unter Nr. 3 d, 4, 5 und 6 gefaßten Beschlüsse10. Auf eine sachgemäße Lösung der Aufgaben, welche nach den erwähnten Beschlüssen dem Redaktor des Sachenrechts und beziehentlich des Erbrechts zufallen, kann nur dann gerechnet werden, wenn die Redaktoren mit den einschlagenden Bedürfnissen und Zuständen der einzelnen Gebiete und mit dem daran sich knüpfenden partikularen Rechte vollkommen vertraut sind. Die hiernach nöthigen Ermittelungen erscheinen aber um so zeitraubender und mühevoller, je verschiedener sowohl die in Betracht kommenden Verhältnisse als der damit im Zusammenhang stehende Rechtszustand, zumal unter der Einwirkung zahlreicher neuer Gesetze, sich gestaltet haben. Die Redaktoren des Sachenrechts und des Erbrechts würden kaum im Stande gewesen sein, das unentbehrliche Material zu sammeln, zusammenzustellen, zu sichten und behufs weiterer Verwendung zu bearbeiten, wenn ihre übrigen Arbeiten nicht einen unverhältnißmäßigen Aufenthalt erleiden sollten. Schon in dem Gutachten der Vorkommission Seite 711 und dem Bericht des Ausschusses für Justizwesen Seite 1212 ist die Nothwendigkeit anerkannt, zur Lösung der gestellten Aufgabe Arbeitskräfte heranzuziehen, welche außerhalb der Kommission ständen. Die Redaktoren des Sachenrechts und des Erbrechts hielten vorläufig die Bestellung eines neuen Hülfsarbeiters zu dem gedachten Zwecke für ausreichend. Auf ihren Antrag wurde ihnen ein solcher in der Person des Großherzoglich mecklenburgischen Kanzleiraths (jetzt Justizraths) Dr. Martini in Rostock zugeordnet, diesem in dem ihn berufenden Erlaß des Reichskanzlers vom 25. Februar 1875 zugleich aber die Verpflichtung auferlegt, den übrigen Mitgliedern der Kommission über die im Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin bestehenden Rechtsinstitutionen etc. auf Erfordern Information zu ertheilen. Inmittelst hatten die Redaktoren nach den verschiedensten Richtungen mit der Lösung ihrer Aufgabe sich eifrigst beschäftigt. § 10:... I. Die Kommission hatte nach Berathung der die Gewährleistung für Mängel bei der Veräußerung von Hausthieren betreffenden Vorlage beschlossen, durch Vermittelung des preußischen Ministers für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten von der in Folge Verordnung vom 21. Mai 1875 errichteten Deputation für das Veterinärwesen ein motivirtes Gutachten über folgende Fragen erstatten zu lassen: l.über die in den Motiven des Redaktors erörterte Hauptfrage, ob nämlich den Vorschriften des Gesetzbuches über die Gewährleistung für Mängel bei der Veräußerung von Hausthieren das Prinzip zum Grunde zu legen sei, welches der Redaktor das Prinzip des römischen Rechts nennt, oder ob umgekehrt das von ihm als das deutschrechtliche bezeichnete Prinzip oder das Prinzip zur Richtschnur zu nehmen sei, welches das gemischte genannt ist? 2. welche Krankheiten, wenn dem Prinzip des deutschen Rechts oder dem gemischten Prinzip der Vorzug gegeben wird, je nach Verschiedenheit der Thiergattungen in den betreffenden Vorschriften als die zu vertretenden hervorzuheben und welche Fristen für die einzelnen Krankheiten als die maßgebenden zu bestimmen seien? 3. ob etwa noch in einer anderen Richtung besondere Vorschriften zum Zweck der sachgemäßen Regelung der in Frage stehenden Gewährleistungspflicht sich empfehlen dürften?

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Vgl. oben S. 211 ff. Vgl. oben S. 178. Vgl. oben S. 197.

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D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Das Gutachten ist erst im Oktober 1876 eingegangen13 und, dem gefaßten Beschluß gemäß, sämmtlichen Bundesregierungen mit dem Ersuchen übersandt worden, die Kommission von den Bedenken in Kenntniß zu setzen, zu welchen das Gutachten und dessen Berücksichtigung bei der Aufstellung des Gesetz-Entwurfs ihnen Anlaß geben möchten. Nachdem die Rückäußerungen der Regierungen eingegangen sein werden, wird die Kommission auf den Vortrag des betreffenden Redaktors die vorbehahene Entscheidung treffen. II. Dem Redaktor des Erbrechts begegneten besondere Schwierigkeiten bei der Feststellung der das gegenwärtig geltende Erbrecht betreffenden Rechte und Gesetze der Großherzogthümer Sachsen-Weimar und Oldenburg, der Herzogthümer Sachsen-Meiningen-Hildburghausen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha und Anhalt, der Fürstenthümer Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ä. L., Reuß j. L., Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold, endlich der freien Städte Hamburg, Lübeck und Bremen. Die Regierungen dieser Staaten haben deshalb auf den Wunsch des Redaktors sich darüber geäußert, welche erbrechtlichen Normen in ihren Gebieten zur Zeit sich in Kraft befinden. III. Noch ausgedehnter waren die Ermittelungen, welche im Gebiet des ehelichen Güterrechts erforderlich wurden. Der Appellationsgerichtsrath Planck hatte von den mannigfachen hierauf sich beziehenden Rechtsnormen, deren Geltungsgebiet und praktischer Anwendung auf mühevollem Wege Kenntniß zu erlangen gesucht. Allein nach der Natur der Dinge war das von ihm beschaffte Material theils unvollständig geblieben, theils seine Zuverlässigkeit anfechtbar. Das Bedürfniß fühlend, sich eine noch vollkommenere und sichere Grundlage zu verschaffen, hatte er, unter Zustimmung der übrigen Redaktoren, beantragt, die Regierungen zu vermögen, durch eine von ihnen zu ertheilende Auskunft das vorliegende Material möglichst zu ergänzen. Von den fünf Fragen, deren eingehende Beantwortung er wünschte, bezweckten die ersten vier die Feststellung des bestehenden Rechtszustandes, die fünfte dagegen statistische Erhebungen mannigfacher Art zur Anbahnung eines richtigen Urtheils darüber, ob das bestehende Güterrecht dem Bedürfniß entspreche, oder nicht, und folgeweise, ob und in welcher Richtung eine Aenderung angezeigt sei. Sollten diese Erhebungen überhaupt oder doch ohne Aufwand unverhältnißmäßiger Mühe und Arbeit nicht möglich sein, so wurde doch eine allgemeine Bezeugung darüber, ob, in welchem Umfange und in welcher Richtung eine vertragsmäßige Ausschließung des gesetzlichen ehelichen Güterrechts vorkommt, als in hohem Grade willkommen bezeichnet. Obschon sich nicht verkennen ließ, daß die begehrte Auskunft für dieses oder jenes Gebiet mit Schwierigkeiten verbunden sein möchte und mühevolle Ermittelungen erforderlich machen könnte, so nahm doch die Zentralstelle des Reichs aus Rücksicht auf den hohen Werth, welchen das zu beschaffende Material für die Herstellung eines sachgemäßen Entwurfs des ehelichen Güterrechts haben würde, keinen Anstand, die Bundesregierungen unter dem 28. November 1875 zu ersuchen, den gestellten Anträgen thunlichst zu entsprechen. Das gewünschte Material ist inzwischen in reichem Maße eingegangen. Im September 1876 waren nur noch wenige Regierungen mit ihren Aeußerungen in Rückstand. IV. Auch in Ansehung der in den Beschlüssen der Kommission über den Umfang des bürgerlichen Gesetzbuches unter 4, 5 und 6 bezeichneten Rechtsinstitute

Es bleibt vorbehalten, Einzelheiten aus diesem Gutachten im Band Schuldrecht II zu publizieren. 283

Materialien zur Entstehung des BGB (Lehnrecht etc., Emphyteusis etc., Forstrecht, Wasserrecht etc.)14 zeigten sich noch besondere Ermittelungen unentbehrlich. Die betheiligten Redaktoren hatten sich nämlich überzeugt, daß ohne Mitwirkung der Landesregierungen die auf diese Institute sich beziehenden Rechtsnormen nicht mit Zuverlässigkeit ermittelt werden konnten. Was das preußische Recht anlangt, so waren in Folge mündlicher Verhandlungen in den betreffenden Ministerien die erforderlichen Erhebungen und Mittheilungen zugesagt worden. Von der bayerischen Regierung war dem Redaktor des Erbrechts das auf die Familienfideikommisse und die bäuerlichen Erbgüter bezügliche Material an Gesetzen, Entwürfen etc. direkt zugegangen. Mit den hieraus sich ergebenden Einschränkungen wurden die Bundesregierungen, entsprechend dem Antrage der Redaktoren des Sachenrechts, des Erbrechts und des Obligationenrechts, von dem Reichskanzler-Amt mittelst Schreibens vom 25. April 1876 ersucht, über das die gedachten Rechtsinstitute betreffende Partikularrecht mit Ausschluß der Zwangs- und Bannrechte, über welche die erforderliche Information anderweit beschafft werden konnte, und die praktische Bedeutung einzelner derselben eine erschöpfende Darstellung ausarbeiten zu lassen. Ein ähnliches Ersuchen wurde in Ansehung der auf die Familienstiftungen sich beziehenden partikularen Rechte auf den Wunsch des Redaktors des allgemeinen Theils an die Regierungen der meisten Bundesstaaten gerichtet. Die Erledigung dieser Angelegenheiten steht noch aus. §11: Über die Kommissionsberatungen des Jahres 1876 führt die Zusammenstellung aus: . . . Je eingehender die Prüfung war und je gründlicher jeder einzelne Gegenstand erörtert worden ist, so zwar, daß kaum irgend ein in Frage kommender Gesichtspunkt unberücksichtigt geblieben ist, um so gerechtfertigter muß die Voraussetzung erscheinen, die gefaßten Beschlüsse würden im wesentlichen einer späteren Aenderung nur ausnahmsweise unterliegen. Die jüngsten Berathungen der Kommission haben daher, wie zuversichtlich erwartet werden kann, die Erreichung des Ziels wesentlich gefördert. Die Redaktoren haben für die Ausarbeitung der Theilentwürfe noch eine breitere, festere und sicherere Grundlage gewonnen, als sie ihnen durch die früheren Berathungen der Kommission verschafft war. Die gründlichen Debatten haben überdies zum Austausch der Ansichten über eine nicht geringe Zahl von noch anderen belangreichen Fragen geführt, die nicht den unmittelbaren Gegenstand der Berathungen bildeten. Auch hierdurch sind die Arbeiten der Redaktoren in nicht zu unterschätzender Weise gefördert, indem jeder einzelne Redaktor in noch reicherem Maße Gelegenheit gehabt hat, die rechtlichen Auffassungen der Hauptkommission kennen zu lernen und bei dem einen oder anderen Gegenstande der aus der Natur der Dinge sich ergebenden Gefahr einer zu einseitigen Beurtheilung zu entgehen. Nach den Mittheilungen der Redaktoren und im Hinblick auf die Erleichterung und Förderung ihrer Arbeiten durch die jüngsten Beschlüsse und Berathungen der Kommission darf die Vollendung der Entwürfe in nicht zu ferner Zeit erwartet werden. Freilich läßt sich bei dem bedeutenden Umfange und der großen Schwierigkeit des Werkes die Zeit dieser Vollendung mit einiger Sicherheit gegenwärtig noch nicht bestimmen. Allein bei Würdigung des Ergebnisses der neuerlichen Berathungen der Kommission wird die Hoffnung eine gerechtfertigte sein, daß nach Verlauf eines Jahres die Entwürfe, wenn auch nicht vollendet, doch der Vollendung nahe gebracht sein werden, daß auch nicht unwahrscheinlich vor oder bei Ablauf des zweiten Jahres mit der Durchberathung der Theilentwürfe von Seiten der Kommission begonnen werden kann und daß bei dieser Durchberathung die bisherigen Berathungen und Beschlüsse der Kommission sich als werthvoll und die Arbeit erleich14

Vgl. oben S. 212 f.

284

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB temd und abkürzend erweisen werden. Noch wahrscheinlicher ist, daß vorher die Kommission nochmals zu einer Vorberathung über grundlegende Prinzipien oder zur Entscheidung von Fragen, über welche die Redaktoren unter sich zu einem Verständniß nicht haben gelangen können, wieder zusammentreten wird. Das Reichskanzler-Amt nimmt übrigens, wie zum Schluß nicht unerwähnt bleiben soll, von allen wichtigen, die Thätigkeit der Kommission betreffenden Vorgängen Kenntniß; alle zur Vervielfältigung gelangenden Schriftstücke werden ihm in einigen Exemplaren mitgetheilt; es ist hierdurch und durch die Berichte des Vorsitzenden der Kommission genügend in den Stand gesetzt, den Gang der Arbeiten im allgemeinen zu übersehen und erforderlichenfalls unterstützend und erleichternd einzugreifen. 5. Bericht vom 24. 10. 187715 . . . Nach dem Schluß der im Herbst vorigen Jahres stattgehabten Berathungen der Hauptkommission haben die fünf Redaktoren ihre, auf die Vollendung der Theilentwürfe gerichteten Arbeiten mit Eifer wieder aufgenommen. Obschon sie diesem zunächst ins Auge zu fassenden Ziele sich erheblich genähert haben, so ist dasselbe jedoch bisher weder erreicht, noch schon in nächster Zeit seine Erreichung zu erwarten. Um übersehen zu können, wie weit der Einzelne gediehen sei, habe ich jeden Redaktor zu einer kurzen Anzeige über den gegenwärtigen Stand seiner Arbeiten veranlaßt. Die erstatteten Anzeigen erlaube ich mir nachstehend mitzutheilen . . ,16. Der Inhalt dieser Anzeigen und die auf Grund derselben mit den Redaktoren gepflogenen mündlichen Besprechungen lassen der Hoffnung nicht mehr Raum, schon im Jahre 1878 würden die Theilentwürfe vollendet sein, führen vielmehr zu der Ueberzeugung, auf die Vollendung sei erst im Jahre 1879 und kaum vor dessen Ablauf zu rechnen, welche Verspätung ich wegen der großen Zahl und der Erheblichkeit der zu besiegenden Hindernisse bereits in dem Bericht vom 27. Oktober 1876 als eine mögliche angedeutet habe. Anlangend die Thätigkeit der Hauptkommission, so war dieselbe zur Berathung einer nicht unerheblichen Zahl von wichtigen grundsätzlichen Fragen, deren alsbaldige Erledigung die Redaktoren bei der Fortsetzung ihrer speziellen Arbeiten inmittelst wieder für angezeigt erachtet hatten, von Neuem auf den 17. September dieses Jahres nach Berlin zusammenberufen. Sie hat am gedachten Tage die Berathung jener Fragen begonnen, ohne Unterbrechung fortgesetzt und am 20. Oktober beendet. Sämmtliche Mitglieder haben an diesen Berathungen Theil genommen. Vorbereitet waren dieselben, wie in den beiden früheren Jahren, durch besondere, von den Redaktoren in der eingehendsten Weise motivirte und durch den Druck vervielfältigte Vorlagen . . ,17. Da dem Reichs-Justizamt die Vorlagen sowohl als die auf deren Erledigung sich beziehenden Berathungsprotokolle mitgetheilt sind, so wird es nicht nöthig sein, auf das Einzelne näher einzugehen. Das Gesammtergebniß dieser neuen Berathungen der Hauptkommission kann ich, wie in den früheren Fällen, nur als ein erfreuliches bezeichDieser Bericht ist bis auf zwei Auslassungen dem Bundesrat als Drucksache Nr. 120 der Session 1877/78 zugänglich gemacht worden. Pape gibt hier die Auskünfte der fünf Redaktoren, so wie sie im Protokoll der Kommissionssitzung vom 17. 9. 1877 enthalten sind (vgl. S. 227ff.) wörtlich wieder. Auf einen nochmaligen Abdruck wird deshalb an dieser Stelle verzichtet. Der letzte Satz der Auskunft des Redaktors des Sachenrechts ist in der Bundesratsdrucksache weggelassen. Pape führt im folgenden die Vorlagen auf (vgl. hierzu Protokoll der Kommissionssitzung vom 17.9. 1877; oben S. 227). 285

Materialien zur Entstehung des BGB nen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß durch die neuen, mit der größten Gründlichkeit gepflogenen Berathungen und durch die auf Grund derselben gefaßten Beschlüsse die Ausarbeitung der Theilentwürfe erleichtert und zugleich für die demnächstige Durchberathung dieser Entwürfe und für die Feststellung des Hauptentwurfs eine beträchtliche Ersparung von Mühe und Zeit gesichert ist. Die Kommission hat deshalb auch am Schluß ihrer diesjährigen Arbeiten für das künftige Jahr ähnliche, von den Redaktoren durch neue Vorlagen zeitig vorzubereitende Berathungen in Aussicht genommen. Von Interesse dürfte eine übersichtliche Zusammenstellung der von der Hauptkommission bisher gefaßten Beschlüsse sein. Eine solche, die Orientierung der Kommissionsmitglieder und die künftigen Berathungen erleichternde Zusammenstellung wird von den Redaktoren, von jedem für sein Redaktionsgebiet, in nächster Zeit angefertigt werden18. Eurer Durchlaucht werde ich nicht ermangeln, diese Zusammenstellung, sobald ich in den Besitz derselben gelangt bin, zu überreichen, wobei ich mir jedoch die gehorsamste Bemerkung gestatte, daß ihre Veröffentlichung nicht erwünscht wäre. Die letztere bleibt bedenklich, einmal, weil die Zusammenstellung von der Kommission selbst nicht geprüft und festgestellt sein wird, sodann aber auch vorzugsweise, weil die betreffenden Beschlüsse nach der Natur der Sache doch mehr oder weniger nur einen provisorischen Charakter haben und daher nicht geeignet sind, der öffentlichen Kritik unterstellt zu werden.

6. Bericht vom 29.10.187819 Eurer Durchlaucht habe ich die Ehre, unter Bezugnahme auf den Bericht vom 24. Oktober 1877 über den Fortschritt der Kommissionsarbeiten und deren gegenwärtigen Stand Folgendes ganz gehorsamst zu berichten. Die Hauptkommission ist seit Erstattung jener Berichte nur einmal und zwar in jüngster Zeit zur Berathung verschiedener prinzipieller Fragen auf Grund der von den betreffenden Redaktoren ausgearbeiteten Vorlagen zusammengetreten. Die Zahl dieser Vorlagen war nur eine mäßige, indem sie auf vier sich beschränkte20. . . . Das Berathungsmaterial ist in der Zeit vom 4. bis zum 23. Oktober dieses Jahres unter Mitwirkung sämmtlicher Kommissionsmitglieder eingehend berathen und vollständig erledigt. In dieser Beziehung darf ich auf die dem Reichs-Justizamt zugegangenen Berathungsprotokolle verweisen. So wie in den früheren Fällen, so habe ich auch bei den diesjährigen Berathungen der Hauptkommission dafür zu sorgen mich bemüht, daß durch gründliche Erörterung nicht allein der in den Vorlagen unmittelbar angeregten Fragen, sondern auch durch Ausdehnung der Berathung auf andere Grundsätze der künftigen Feststellung des Hauptentwurfs thunlichst vorgearbeitet werde. Die Hoffnung, daß auch die diesjährigen Berathungen der Hauptkommission in der gedachten Hinsicht fördernd und heilsam gewirkt haben, wird von allen Mitgliedern der Kommission getheilt. Im übrigen ist die Zeit seit Erstattung der im Eingange erwähnten Berichte von den Redaktoren zur Fortsetzung ihrer speziellen Arbeiten eifrig benutzt worden. Zur Feststellung, wie weit der Einzelne gediehen und wie nahe er dem Ziele gekommen sei, habe ich die fünf Redaktoren von neuem veranlaßt, besondere Anzeige zu erstatten, welche Fortschritte inmittelst gemacht seien, und zu welcher Zeit die Vollendung der Entwürfe 18 19

Teile dieser Zusammenstellung werden in den folgenden Bänden der Edition mitgeteilt werden. Der Bericht ist publiziert worden als Bundesratsdrucksache Nr. 130 der Session 1878/79. Wegen der Vorlagen vgl. Protokoll über die Kommissionssit/unj; vom 4. 10. 1878 (vgl. oben S. 230).

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

erwartet werden könne. Die Auskunft, welche in dieser Beziehung am 4. Oktober ertheilt worden ist, lasse ich wörtlich folgen: . . .21 Wie diese Anzeigen ergeben, darf auf die Vollendung der Entwürfe in nicht ferner Zeit gerechnet werden. Nicht unwahrscheinlich wird bis zum Ablauf des nächsten Jahres der Abschluß erreicht und damit einer der wichtigsten und mühsamsten Theile des großen Werks erledigt sein. Freilich ist nach dem Inhalte der Anzeigen nicht mit voller Sicherheit darauf zu bauen, daß sämmtliche Theilentwürfe am Schlüsse des nächsten Jahres in ganzer Vollendung vorliegen. Nur von dem Entwurfe des Erbrechts läßt sich mit Zuverlässigkeit annehmen, er werde bis dahin und muthmaßlich sogar schon früher vollständig abgeschlossen und gedruckt sein. Wenn die übrigen Redaktoren eine ähnliche Aussicht wie der Redaktor des Erbrechts, allerdings wider mein Erwarten, nicht haben eröffnen können, so finden ihre mehr oder weniger unbestimmten Zusicherungen und der beträchtliche Zeitaufwand, welchen die Aufstellung der Theilentwürfe in Anspruch nimmt, ihre Erklärung einestheils in den großen, nicht selten erst im Laufe der Arbeiten hervortretenden Schwierigkeiten, mit welchen die Redaktoren zu kämpfen haben, sodann in der Sorgfalt, Gründlichkeit und Umsicht, mit welcher dieselben, wie ich genügend zu erfahren Gelegenheit gehabt habe, bei Ausarbeitung der Entwürfe und der Motive verfahren, dann aber auch, mindestens bei drei der vier Redaktoren, in längerem oder kürzerem körperlichen Leiden, wodurch ihre Arbeitskräfte zeitweilig gehemmt oder beeinträchtigt wurden. Das letztere gilt namentlich von dem Redaktor des Obligationenrechts, welchen ein ernstes und längeres Leiden in bedauerlicher Weise verhindert hat, seine Arbeiten in dem gehofften Umfange zu fördern. Nach meinem Dafürhalten wird bei der gegenwärtigen Lage der Dinge im Vertrauen auf die erprobte Pflichttreue und Tüchtigkeit der Redaktoren und in der Hoffnung, daß ihre Leistungsfähigkeit keinen wesentlichen Abbruch erleiden werde, sodann um Uebereilungen zu verhüten, die später einen noch größeren Zeitverlust nach sich zu ziehen drohen, die Vollendung der Entwürfe vorläufig abzuwarten sein. Auf die freilich wünschenswerthe Beschleunigung des Abschlusses der Theilentwürfe noch besonders hinzuwirken, dazu möchte es gegenwärtig sowohl an einem genügenden Anlaß als einem geeigneten Mittel fehlen. Insbesondere kann von einer fördernden Einwirkung der Hauptkommission auf die Arbeiten der Redaktoren kaum noch die Rede sein. Die Theilentwürfe sind bereits zu weit vorgeschritten, als daß das Eingreifen der Hauptkommission durch grundlegende Beschlüsse und prinzipielle Entscheidungen noch weiter einen günstigen Erfolg für die baldige Vollendung der Entwürfe hoffen ließ. Die Enthaltsamkeit, welche die Redaktoren in diesem Jahre bei Beantragung von Beschlüssen der Hauptkommission gezeigt haben, beweist schon, daß sie weitere prinzipielle Entscheidungen derselben nicht mehr für nöthig oder für angemessen halten. Dazu kommt, daß jede neue Berathung der Hauptkommission die Redaktoren zur Unterbrechung ihrer speziellen Arbeiten zwingt und insofern nur hemmend zu wirken droht. . . . 21

Pape gibt hier die Auskünfte, welche die Redaktoren am 4. 10. 1878 zu Protokoll gegeben haben (vgl. oben S. 230 ff.), wörtlich wieder. Auf einen nochmaligen Abdruck an dieser Stelle wird deshalb verzichtet. — Die Drucksache Nr. 130 des Bundesrates dagegen teilt nur Auszüge aus diesen Auskünften mit: Von der Auskunft Gebhards fehlt etwa die Hälfte (von „seit dem Zusammentritte" bis „eingetauscht werden sollen"). Die Auskunft Johows ist vollständig wiedergegeben. Von der Auskunft Kübels fehlt der Eingang: „Er sei zu seinem Bedauern" bis „vier Wochen in Anspruch genommen". Von der Auskunft Plancks fehlt der letzte Absatz. Dagegen ist die Auskunft von Schmitt dem Bundesrat vollständig mitgeteilt worden.

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Materialien zur Entstehung des BGB

7. Bericht vom 22. 5. 187922 Pape zeigt zunächst an, daß Schmitt seinen Teilentwurf vollendet hat. Er schlägt eine Druckauflage -von 300 Exemplaren vor2 , „obschon anerkannt werden mag, daß der Entwurf künftig in rechtshistorischer Beziehung einen gewissen Werth erlangen kann". Der Bericht enthält im folgenden dann kurze Auskünfte der vier übrigen Redaktoren2*. Im Anschluß hieran heißt es im Schreiben: „Nach den vorstehenden Anzeigen ist auf die Vollendung der Theilentwürfe im Laufe des gegenwärtigen Jahres nicht mehr zu rechnen. Gehofft kann nur werden, daß im ersten Viertel des nächsten Jahres die Entwürfe zum Abschluß gelangen werden, und auch diese Hoffnung ist in Ansehung des auf das Obligationenrecht sich beziehenden Theilentwurfs aufzugeben . . . Je unerfreulicher es ist, daß die Vollendung der Theilentwürfe sich so beträchtlich verzögert, um so nöthiger erscheint es, Alles zu vermeiden, was einen neuen Aufenthalt herbeizuführen droht. Ein solcher Aufenthalt würde unvermeidlich sich ergeben, wenn die Hauptkommission auch im Laufe dieses Jahres ähnlich wie in früheren Jahren zu einer Berathung zusammentreten würde. Die Redaktoren haben mir auch einhellig den Wunsch kundgegeben, von einer solchen Berathung, weil sie voraussichtlich den Abschluß der meisten übrigen Entwürfe um mehrere Monate verzögern würde, gänzlich abzusehen, und damit die Anzeige verbunden, daß von ihnen Vorlagen als Berathungsmaterial nicht zu erwarten seien. In Frage könnte nur kommen, ob nicht die Hauptkommission nach Vollendung des Druckes des Erbrechtsentwurfs zu dem Zwecke zusammen zu berufen sei, um Beschluß darüber zu fassen, ob mit der Berathung und Feststellung dieses Entwurfs noch vor Vollendung der übrigen Theilentwürfe zu beginnen sei. — Ein solches Verfahren würde den Beschlüssen des Bundesrath.es bezw. den Vorschlägen der Vorkommission und den Beschlüssen der Hauptkommission allerdings entsprechen, ist aber bei der gegenwärtigen Lage nicht unbedenklich, in welcher Rücksicht nur hervorgehoben zu werden braucht, daß, so wie die Hauptkommission in Thätigkeit tritt, die Ausarbeitung der übrigen Theilentwürfe unterbrochen und die Zeit ihrer Vollendung noch Ungewisser werden." 8. Bericht vom 12. 11. 187925

Eurer Durchlaucht hoher Erlaß vom 19. September dieses Jahres — R. J. A. Nr. 4414 — und die dadurch veranlaßte mündliche Besprechung vom 24. September26 haben mich bestimmt, die Gesammtkommission zu einer kurzen Sitzung auf den 30. Oktober einzuberufen, um Beschluß darüber zu fassen, wie es mit der Berathung des kürzlich im wesentlichen vollendeten, das Erbrecht umfassenden Theilentwurfs zu halten, welches Verfahren ferner überhaupt in Ansehung der Berathung aller Theilentwürfe zu befolgen sei und inwiefern sich die Ergänzung oder Berichtigung der in dieser

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Nicht als Bundesratsdrucksache veröffentlicht. Die meisten Exemplare der gedruckten Teilentwürfe und Motive hierzu sind leider verschollen. Nur wenige Exemplare sind in öffentliche Bibliotheken, ein Teil ist in Archive gelangt. Diese Exemplare sollten möglichst bald Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden. Von einem Abdruck wird hier abgesehen, da sie keine neuen Gesichtspunkte gegenüber den bisherigen Auskünften enthalten. Dieser Bericht ist dem Bundesrat als Drucksache Nr. 184 der Session 1879/1880 zugeleitet worden. Über den Inhalt dieser Besprechung vom 24. 9. 1879 ist leider nichts bekannt; die entsprechende Aktennotiz befindet sich in der Personalakte von Pape, die nicht auffindbar ist.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Beziehung früher gefaßten Beschlüsse in Rücksicht auf die bisherigen Erfahrungen und den gegenwärtigen Stand der Dinge empfehlen möchte. Sämmtliche Kommissionsmitglieder haben sich zu dieser Sitzung eingefunden und den angegebenen Berathungsgegenstand durch folgende Beschlüsse erledigt: . . ,27. Bei der Fassung der vorstehenden Beschlüsse ist, wie der letzte Beschluß erkennen läßt, von der Voraussetzung ausgegangen, sämmtliche Theilentwürfe würden nebst den Motiven gegen Ostern 1880 in ähnlicher Vollständigkeit wie gegenwärtig der Erbrechtsentwurf aufgestellt und druckfertig sein. Die Voraussetzung gründet sich auf die von den einzelnen Redaktoren abgegebenen Erklärungen28 und enthielten Zusicherungen, deren aus der besonderen Anlage ersichtlicher wörtlicher Inhalt zugleich Aufschluß darüber giebt, wieweit der einzelne Redaktor mit seinen Arbeiten gediehen und wodurch deren Abschluß verhindert ist. Zur Erläuterung der gefaßten Beschlüsse gestatte ich mir noch folgende ehrerbietigste Bemerkungen: 1. Den bereits vollendeten, das Erbrecht enthaltenden Theilentwurf sofort und noch vor der Vollendung der übrigen Entwürfe der Berathung durch die Hauptkommission zu unterziehen, ist aus zwei Gründen nicht für angemessen erachtet. Einmal droht ein solches Verfahren die Vollendung der übrigen Entwürfe in nicht zu übersehender Weise zu verzögern, indem es die mit der Ausarbeitung der letzteren beauftragten Redaktoren nöthigen würde, sowohl während der Berathung des Erbrechtsentwurfs als schon vorher behufs der Vorberathung auf dieselbe ihre speziellen Arbeiten einzustellen, um sie später nach Verlauf einer längeren Zeit wieder aufzunehmen. Eine derartige Unterbrechung wird aber die noch rückständigen Arbeiten um so beträchtlicher verzögern, als erfahrungsmäßig eine unterbrochene schwierige Arbeit nicht ohne erheblichen Verlust an Mühe und Zeit von neuem begonnen wird. Sodann aber verspricht die Berathung des Erbrechtsentwurfs, wenn damit der Anfang gemacht wird, kein befriedigendes Ergebniß. Ohne Zweifel müßten ebenso zahlreiche als wichtige Theile des Entwurfs wegen ihres engen Zusammenhanges mit anderen nicht erbrechtlichen Materien von der Berathung vorläufig ausgeschlossen bleiben. Aus der Berathung würde nur ein sehr unvollkommenes Stück des Erbrechts für das künftige Gesetzbuch hervorgehen können und dieselbe später in einem Umfange erneuert werden müssen, daß voraussichtlich die auf die erste Berathung verwendete Mühe und Zeit zum großen Theil als verloren zu betrachten wären. Von allen Theilen des bürgerlichen Gesetzbuchs möchte überhaupt gerade das Erbrecht wegen seiner weitgreifenden Abhängigkeit von den übrigen Theilen zur Feststellung in erster Reihe am wenigstens geeignet sein. 2. Die einzelnen Entwürfe werden, weil sie nicht von Einem verfaßt sind, sondern von fünf verschiedenen Verfassern herrühren, vielfach in formeller Hinsicht, nicht selten aber auch in sachlicher Hinsicht von einander abweichen. Die Disharmonien sind nicht unwahrscheinlich noch größer und zahlreicher, als früher vorausgesetzt ist. Denn das zu ihrer thunlichsten Verhütung vorgesehene Mittel, die Anordnung nämlich, daß die Redaktoren in engster Verbindung mit einander die Theilentwürfe aufzustellen und über alle zu besorgenden oder hervortretenden Differenzen sich zu verständigen, in

"JA

Pape teilt hier die Kommissionsbeschlüsse Nr. l bis 5 vollständig mit. Sie sind im Protokoll der Sitzung vom 30. 10. 1879 enthalten und werden hier nicht noch einmal abgedruckt (vgl. oben S. 233 f.). Von „Erklärungen" ab ist der folgende Satzteil nicht in der Bundesratsdrucksache Nr. 184 enthalten. Die Anlagen sind ebenfalls nicht mitveröffentlicht worden. Sie werden hier als Anhang zu diesem Bericht mitgeteilt.

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Materialien zur Entstehung des BGB Ermangelung einer solchen Verständigung aber die Entscheidung der Hauptkommission herbeizuführen hätten, möchte sich nicht in dem gehofften Maße bewährt haben. Je größer und zahlreicher aber die Disharmonien sein werden, um so begründeter ist auch die Besorgniß, daß aus dem Mangel eines harmonischen Entwurfs für die Berathungen der Gesammtkommission schwer zu besiegende Hindernisse und Weiterungen entspringen. Zur Beseitigung dieses unverkennbaren Uebelstandes könnte sich der Ausweg empfehlen, einer ersten Berathung nur das Ziel der Entfernung jener Disharmonien zu setzen, und auf Grund der desfallsigen Beschlüsse alsdann einen neuen Hauptentwurf ausarbeiten zu lassen, der, befreit von allen äußeren und inneren Widersprüchen, für eine vollständige Berathung der Gesammtkommission eine geeignete Grundlage zu bilden vermöge. Allein ein solches Verfahren ist als unzweckmäßig erkannt. Abgesehen von der Schwierigkeit, die Disharmonien im voraus festzustellen, wird eine, nur die Beseitigung der Abweichungen bezweckende Berathung mehr oder weniger an der Notwendigkeit scheitern, bei der Entscheidung namentlich der sachlichen Verschiedenheiten in großem Umfange auf die einschlagenden Rechtsmaterien einzugehen und auch solche Theile der Entwürfe, wobei keine Disharmonien sich zeigen, in die Erörterung hineinzuziehen, wodurch jede feste Grundlage für die Berathung verloren gehen und mancherlei Verwirrungen entstehen müßten. Wenn es ferner richtig ist, daß bei der ersten Berathung der Entwürfe bis zur völligen Erschöpfung des sachlichen Inhalts die Redaktoren, ein jeder für den von ihm verfaßten Theilentwurf als geborene Referenten zu fungiren haben, aus welcher Stellung sie, wie namentlich eine nähere Prüfung des Erbrechte-Entwurfs und der Motive desselben überzeugend lehrte, ohne große Nachtheile nicht verdrängt werden dürfen, so wird diese Stellung ihnen bei jenem Verfahren kaum in vollem Maße bewahrt werden können. Deshalb ist einem anderen, aber verwandten Verfahren der Vorzug gegeben. Die Entwürfe sollen nämlich zwar sofort und in ihrem vollen Umfange der Berathung unterzogen werden, diese Berathung soll aber zunächst im Wesentlichen und vorbehaltlich einiger, insbesondere die Terminologie und Oekonomie betreffenden Ausnahmen nur eine sachliche sein. Eine solche, im Wesentlichen nur auf das Materielle sich beschränkende Berathung wird mehr oder weniger nur einen kursorischen Karakter haben; sie wird, weil die erfahrungsmäßig einen großen Zeitverlust verursachende formelle Seite — Redaktion und Fassung — vorläufig ausscheidet, keinen zu großen Zeitaufwand erfordern, die Möglichkeit gewähren, die Verrichtungen der Referenten den Redaktoren so lange als nöthig zu belassen, und ein Ergebniß liefern, welches die Aufstellung eines sowohl in sachlicher als formeller Beziehung harmonischen, einer zweiten Berathung zu unterziehenden Hauptentwurfs erheblich erleichtert. Es ist zu hoffen, daß auch diese zweite Berathung, obschon sie auf die formelle Seite sich gleichfalls erstrecken muß, in einer um so kürzeren Frist zum Abschluß gelangen wird, je mehr durch die einer künftigen Beschlußfassung vorbehaltenen Maßregeln dafür gesorgt ist, daß der ihr zum Grunde liegende Hauptentwurf mindestens in materieller Hinsicht zu neuen zeitraubenden Erörterungen nicht führen wird. Das beschlossene Verfahren ist zudem in Rücksicht auf die den einzelnen Kommissionsmitgliedern für die Vorbereitung zu gewährende Zeit mit dem Vortheil verbunden, daß die Berathung der Entwürfe früher beginnen kann, als möglich wäre, wenn nicht die formelle Seite zunächst ausgeschieden würde. 3. In die erste Berathung der Entwürfe kann einleuchtend erst dann eingetreten werden, wenn die einzelnen Mitglieder der Kommission genügende Zeit gehabt haben, mit dem Inhalte derselben sich vertraut zu machen. Die Vorbereitungsfrist braucht jedoch keine zu geräumige zu sein. Es werden trotz des großen Umfangs des Berathungsmaterials wenige Monate genügen, weil einestheils die erste Berathung nur eine

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

sachliche sein wird und weil anderenteils die sämmtlichen Mitglieder der Kommission aus Anlaß der von der Gesammtkommission bisher schon gepflogenen materiellen Berathungen und gefaßten prinzipiellen Beschlüsse in nicht geringem Maße bereits orientirt sind. Zur Abkürzung der nöthigen Vorbereitungsfrist wird es aber auch dienen, wenn die Gesammtkommission, sobald die Entwürfe auch nur einige Wochen in den Händen der Mitglieder und diese im Stande gewesen sind, von dem Inhalte derselben im allgemeinen sich Kenntniß zu verschaffen, zu einer kurzen Sitzung zusammentritt, um die Reihenfolge festzustellen, in welcher die Entwürfe berathen werden sollen, wobei zugleich auf Grund jener allgemeinen Kenntniß auch noch über einige andere Einzelheiten behufs Erleichterung und Abkürzung der späteren Berathung beschlossen werden kann. In dieser Beziehung ist insbesondere die Möglichkeit von Belang, daß der eine oder andere Entwurf gegen Ostern 1880 noch nicht so weit vollendet, als gehofft ist. Der Fall wird in Ansehung des das Obligationenrecht enthaltenden Theilentwurfs nach den von dem Redaktor desselben gemachten Mittheilungen vielleicht sich zutragen. Nach dem, einen solchen Fall vorsehenden Beschluß soll alsdann der betreffende Entwurf, soweit er vollendet ist, mit den übrigen Entwürfen gedruckt und vertheilt, auch die erste Berathung der Entwürfe sofort eingeleitet werden. Es ist unterstellt, der noch fehlende Theil des bezüglichen Entwurfs vermöge das Eintreten in diese Berathung nicht zu hindern; da er nicht allein in einer mäßigen Nachfrist ohne Voraussetzung von Störungen sich beschaffen lasse, sondern muthmaßlich auch nur solche Materien betreffen werde, die vorläufig auf sich beruhen könnten, was insbesondere von dem Entwurf des Obligationenrechts insofern gelte, als es für die erste Berathung der Entwürfe während einer geraumen Zeit genügen müßte, wenn der allgemeine und der auf die wichtigeren Rechtsgeschäfte sich beziehende spezielle Theil desselben vollendet seien, auf diese Vollendung aber für die fragliche Zeit mit einiger Bestimmtheit gerechnet werden dürfe. Weil jedoch mit voller Sicherheit vorher nicht ermessen werden kann, ob nicht der fehlende Theil zu umfangreich und wichtig sei, um vor einer größeren oder kleineren Ergänzung in die sachliche Berathung der Entwürfe eintreten zu können, muß der Gesammtkommission Gelegenheit gewährt werden, hierüber sowie über die Mittel und Wege, wie das Hinderniß in angemessener Weise und in kürzester Frist sich beseitigen lasse, zu berathen und zu beschließen. Die vorbereitende Berathung wird sich auch darauf erstrecken können, wie der, der zweiten Berathung zum Grunde zu legende überaus wichtige Hauptentwurf aufzustellen sei. Für die Entscheidung kann der Inhalt der Entwürfe nicht ohne Bedeutung sein, weshalb sie im gegenwärtigen Stadium noch auszusetzen war. Es wird aber auch noch der demnächstigen Prüfung bedürfen, ob die Entscheidung nicht angemessener sogar bis zum Abschluß der ersten Berathung der Entwürfe zu vertagen sei, da auch deren Ergebnisse und die dabei gemachten Erfahrungen für die Bestimmung des richtigen Weges von Einfluß werden können. . . ,29. Die Gesammtkommission hat übrigens bei der eingangs erwähnten Zusammenkunft in drei nachfolgenden Sitzungen auf Grund von Anträgen der Redaktoren noch verschiedene sachliche Beschlüsse gefaßt. Auf Grund eines Vorschlags des Redaktors des Allgemeinen Theils ist über die den Personenvereinen beizulegende juristische Persönlichkeit, auf Grund zweier Vorschläge des Redaktors des Sachenrechts über das Wesen des sogenannten Retentionsrechts und dessen Behandlung im Gesetzbuche sowie über den Verkauf der Faustpfänder und auf Grund eines Vorschlags des Redaktors des

Weggelassen sind die auch in der Bundesratsdrucksache enthaltenen Ausführungen Papes zu den zu erwartenden Kosten der Kommissionsarbeiten. 291

Materialien zur Entstehung des BGB

Obligationenrechts über die Gewährleistung bei der Veräußerung von Hausthieren ausführlich berathen und beschlossen. Das Nähere hierüber erhellt aus den, dem Reichs-Justizamte zugegangenen Berathungsprotokollen. Wenn ich mich schließlich über die gegenwärtige Lage der Kommissionsarbeiten und deren bisherige Ergebnisse im allgemeinen aussprechen darf, so habe ich vor allem hervorzuheben, daß mit dem nahen Abschluß der einzelnen Theilentwürfe ein überaus wichtiger Theil der der Kommission gestellten Aufgabe gelöst sein wird. Groß und zahlreich sind die Schwierigkeiten, welche gerade bei der Ausarbeitung dieser ersten Entwürfe zu besiegen waren. Es galt, das innerhalb des Deutschen Reichs bestehende, in mancher Hinsicht sehr abweichende Recht mit Zuverlässigkeit zu ermitteln, eine nicht geringe Zahl von Rechtsinstitutionen in ihren verschiedenen Gestaltungen sowie die thatsächlichen Verhältnisse, welche die abweichenden Entwickelungen und Ausgestaltungen hervorgerufen haben, zu ergründen, sorgfältig zu prüfen, in wiefern hinsichtlich des einen oder anderen Rechtsinstituts ohne wesentliche und empfindliche Nachtheile und ohne schädliche Einwirkung auf die Landesverfassung und das öffentliche Recht für dieses oder jenes Gebiet ein einheitliches Recht sich begründen lasse, bei fast allen Materien auf die in Deutschland herrschenden, in weitem Umfange verschiedenartigen großen Rechtssysteme einzugehen behufs Vorbereitung der Entscheidung, welchem Systeme zu folgen sei, für eine große Zahl von rein juristischen Fragen über den gegenwärtigen Stand der Rechtswissenschaft vollständigen Aufschluß zu gewinnen, bei der Benutzung der neueren wissenschaftlichen Forschungen mit weiser Vorsicht zu verfahren und vor gefährlichen Neuerungen sich zu hüten, und wegen der unmeßbaren Vortheile, welche, wie in der neueren Zeit zur Genüge erkannt ist, für den Gesetzgeber aus der vergleichenden Rechtswissenschaft entspringen, auch das ausländische Recht in größtem Umfange zu erforschen. Eine besondere Schwierigkeit knüpft sich noch an die Reformen, welche auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts durch die Reichs-Justizgesetze und durch die in Ausführung oder aus Anlaß derselben ergangenen zahlreichen, ein sorgsames Studium erheischenden Landesgesetze hervorgerufen sind. Wenn die Entwürfe die angegebenen Schwierigkeiten, denen noch manche andere sich hinzufügen ließen, glücklich überwunden haben, und wenn die Motive zu denselben in jeder Richtung das zur Entscheidung geeignete Material enthalten, so ist das vorgesteckte Ziel obgleich noch nicht erreicht, doch die zu seiner Erreichung erforderliche wesentlichste Vorbedingung erfüllt. Für die Berathungen der Hauptkommission ist alsdann eine so sichere, feste und erschöpfende Grundlage gewonnen, daß es nicht allzu schwer halten kann, in einer mäßigen Zeit zur Feststellung eines allen billigen Anforderungen genügenden Hauptentwurfs zu gelangen, zumal durch die von der Gesammtkommission während der Ausarbeitung der Theilentwürfe gefaßten und grundlegenden Beschlüsse den späteren Berathungen in reichem Maße vorgearbeitet ist. Daß aber die Theilentwürfe nebst Motiven, wie angegeben, gestaltet sein werden, darf mit Zuverlässigkeit gehofft werden. Die Hoffnung gründet sich namentlich auf den vollendeten Entwurf des Erbrechts nebst Motiven und auf die von den Redaktoren der übrigen Entwürfe bisher mitgetheilten bezw. zum Druck geförderten Arbeiten in Verbindung mit den bisherigen Berathungen der Gesammtkommission und den dabei gemachten Erfahrungen. Je gegründeter aber die Hoffnung ist, um so erklärlicher erscheint die auf die Ausarbeitung der Theilentwürfe bisher verwendete Zeit und um so weniger wird darauf Gewicht gelegt werden können, daß ihre Vollendung nicht so schleunig erfolgt ist, als vielleicht erwartet wurde. Muthmaßlich wird auch der Umstand, daß ich das am l. Oktober dieses Jahres erloschene Amt des Präsidenten des Reichs-Oberhandelsgerichts nicht mehr bekleide und seitdem meinen Wohnsitz nach Berlin habe verlegen können, auf die Beschleuni292

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

gung der Arbeiten von günstigem Einfluß sein. Nunmehr im Stande, meine Zeit und Kräfte den Kommissionsarbeiten ungetheilt zu widmen, werde ich mehr wie früher für die Förderung der Arbeiten zu sorgen vermögen. 9. Anlagen zum Bericht vom 12. 11.187930 A. Auskunft des Redaktors des Allgemeinen Theils über den Stand seiner Arbeiten . . . Die Aufstellung der Grundsätze, welche sich auf die Rechte als solche, abgesehen von ihrem besonderen Inhalt, beziehen, verlangt eine allgemeine Betrachtung des gesammten Rechtsgebiets. Was die Wissenschaft bezüglich der fundamentalen Lehren des Rechts zu Tag gefördert hat, muß durchforstet, Feststehendes von im Flusse Begriffenen geschieden, das Herrschaftsgebiet der Wissenschaft von demjenigen der positiven Satzung abgegrenzt, das Resultat mit dem Inhalte der Gesetzgebungsarbeiten verglichen; nach seiner praktischen Verwertbarkeit geprüft, und in Rechtssätzen dispositiver Natur ausgesprochen werden, durch sorgsam erwogene Fassung die Tragweite der allgemeinen Vorschriften in zutreffender Weise begrenzt. . . .31. B. Auskunft des Redaktors des Sachenrechts über den Stand seiner Arbeiten Von den acht Abschnitten, in welche der Entwurf des Sachenrechts zerfallen wird, sind — mit Vorbehalt einer gründlichen Revision und der Ausfüllung einzelner Lücken — in Text und Motiven von mir festgestellt: Abschnitt I. Allgemeine Bestimmungen über Sachen, Abschn. II. Besitz, Abschn. III. Eigenthum, Abschnitt IV. Superficies und von dem Abschn. VII. Pfandrecht, der das Pfandrecht an beweglichen Sachen behandelnde II. Titel und eine umfassende Einleitung zu der Begründung dieses Abschnitts. Nach den von mir ertheilten Direktiven ausgearbeitet, aber von mir noch nicht festgestellt sind Text und Motive des Abschn. V. Dienstbarkeiten, des Abschn. VI. Reallasten und zum großen Theil auch des 1. Titels des VII. Abschnitts, welcher von der Grundstücks-Hypothek handelt, sowie des vom Pfandrecht an Rechten handelnden III. Titels dieses Abschnitts. Der VIII. Abschnitt, welcher das sogen, materielle Subhastationsrecht enthalten wird, ist über die Aufstellung eines ersten Textentwurfs und gelegentliche Sammlung von Material für die Motive noch nicht hinaus gekommen. Die Arbeit ist absichtlich zurückgestellt in der Erwartung, daß die Landes-Ausführungsgesetze zu den sogen. Reichs-Justizgesetzen wesentliche Modifikationen des in den einzelnen Bundesstaaten geltenden Subhastationsrechtes enthalten würden, die inzwischen publizirten Ausführungsgesetze ergeben, daß diese Erwartung begründet war. In Ansehung der von der Kommission in Aussicht genommenen Ausscheidung gewisser das Sachenrecht berührender Materien aus dem bürgerlichen Gesetzbuche und in Ansehung der Feststellung der Grenzen, innerhalb deren bei anderen Materien den Bundesstaaten Raum zu belassen ist, sind von mir umfassende Vorarbeiten veranlaßt auf dem Gebiete des Familienfideikommisses und des bäuerlichen Güterrechts (verwerthet bei der Vorlage Nr. 2 der Session von 187832, des Bergrechts, des Jagd- und FischereiErhalten ist nur ein metallographiertes Exemplar im Zentralen Staatsarchiv Potsdam, Reichjustizamt, Nr. 3872, fol. 180-191. Im übrigen enthält die Auskunft von Gebhard gegenüber der Auskunft von 1878 (vgl. oben S. 230 f.) keine neuen Gesichtspunkte, weshalb hier auf einen vollständigen Abdruck verzichtet wird. Vgl. die Einzelheiten hierzu im Quellenband zum EG-BGB. 293

Materialien zur Entstehung des BGB

rechtes, sowie des Wasserrechtes. Diese Vorarbeiten haben zum Theil zur Aufnahme von Bestimmungen in den Hauptentwurf geführt, werden aber zum größten Theil ihre Verwerthung bei der Begründung der zu entwerfenden Bestimmungen des Einführungsgesetzes, zu denen das Sachenrecht Anlaß giebt, finden. Daß der Hauptentwurf noch nicht fertig ist, vielmehr zur Fertigstellung noch drei bis vier Monate angestrengter Arbeit erforderlich sind, ist — abgesehen von unverschuldeten persönlichen Störungen — hauptsächlich veranlaßt durch die von mir immer wieder unterschätzte Weitschichtigkeit des partikularen Gesetzesmaterials, welches bei der Redaktion des Sachenrechts zu bewältigen ist, und in der Schwierigkeit der Ermittelung desselben. Ich weise in dieser Beziehung insbesondere hin auf die zahlreichen Hypotheken- und Pfandgesetze, die sämmtlich eine große Zahl von Paragraphen enthalten und nach Inhalt und Anordnung auf das mannichfaltigste von einander abweichen und im Laufe der Jahre viele Modifikationen und Ergänzungen erfahren haben, und zwar in umfassendem Maße durch die neuerdings publizirten Landes-Ausführungsgesetze zu den Reichs-Justizgesetzen; letztere haben zeitraubende Umarbeitung bereits für fertig erachteter Theile der Motive zur Folge. Noch weitschichtiger ist das Gesetzesmaterial in denjenigen Materien, bei denen öffentliches Recht und Privatrecht sich mischen, ein Material, welches hauptsächlich zu berücksichtigen ist bei dem Nachbarrecht, den Servituten, den Reallasten und den oben erwähnten Ausscheidungsfragen. Die von den Bundesregierungen erbetenen Auskünfte sind zu sehr verschiedener Zeit, zum Theil erst neuerdings eingegangen, zum Theil noch rückständig; dadurch sind mehrfache Aenderungen und Umarbeitungen veranlaßt. Außerordentlich zeitraubend ist ferner die Bewältigung der unablässig zuströmenden Literatur, die seit einiger Zeit überwiegend die Richtung einer kritischen Revision der Grundgedanken, auf denen die einzelnen Rechtsinstitute basiren, eingeschlagen hat; ich brauche in dieser Beziehung nur auf die Fruchtbarkeit der Besitz- und der Pfandrechte-Literatur hinzuweisen. Nach Fertigstellung des Hauptentwurfs werde ich denselben behufs der Drucklegung und Vertheilung überreichen. Die Bestimmungen des Einführungsgesetzes, zu denen das Sachenrecht Anlaß giebt, und eine größere Vorlage, betreffend die formalen Voraussetzungen des Immobilienrechts (die Grundbuchordnung), können erst später fertig gestellt werden. Der Beginn der Plenarberathungen der Kommission über die Entwürfe ist aber hiervon unabhängig, da die Mitwirkung meiner beiden Hülfsarbeiter bei jenen Arbeiten mir die Vorbereithung zu den Plenarberatungen und die Theilnahme an denselben ermöglichen wird. gez. Johow (5. 11. 79) C. Auskunft des Redaktors des Obligationenrechts über den Stand seiner Arbeiten Der allgemeine Theil des Obligationenrechts theilt sich in sechs Abschnitte, deren erster vom Wesen der Schuldverhältnisse, von der Naturalobligation, der alternativen Obligation, den Theil- und Gesammtschuld-Verhältnissen und den untheilbaren Obligationen handelt, während der zweite Abschnitt die Entstehung der Schuldverhältnisse durch Verträge (Gegenstand der Verträge, dabei Verträge über die Erbschaft eines bestimmten Dritten, Vertragseingehung, Offerte, Vertragschließung unter Abwesenden, Form, Bestärkungsmittel der Verträge, Rechte und Verpflichtungen aus Verträgen, insbesondere Eviktion und Mängelgewähr), der dritte Abschnitt die Entstehung durch einseitiges Versprechen (Auslobung, sogen. Vertrag zu Gunsten Dritter, Inhaberpapiere) behandelt. Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit den Wirkungen der Schuldverhältnisse, insbesondere der Pflicht zur Erfüllung, den Folgen der Nichterfüllung (Verzug), Zusammentreffen mehrerer Forderungen, der fünfte Abschnitt handelt von 294

D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

der Cession, der sechste von der Erlöschung der Schuldverhältnisse. Einzelnes in den drei letzten Abschnitten ist noch zu bearbeiten, und Anderes zu überarbeiten, was bis zu der Vollendung der Haupttheile des besonderen Theils verschoben bleiben sollte, jetzt aber zunächst vorgenommen werden und nach Möglichkeit gefördert werden soll. Der besondere Theil soll in zehn Abschnitten die einzelnen Verträge behandeln, im ersten Kauf, Tausch, Schenkung, im zweiten Darlehen, Miethe, Pacht, Gebrauchsmiethe, im dritten Dienstverdingung, Werk verdingung, Maklervertrag, im vierten Mandat, Anweisung, Trödelvertrag, Hinterlegungsvertrag, negotiorum gestio, im fünften Gesellschaftsvertrag und communio incidens, im sechsten Schuldverhältnisse aus gewagten Geschäften, im siebenten Schuldverhältnisse aus Verträgen auf Anerkennung, Feststellung oder Sicherstellung von Versprechen, im achten Schuldverhältnisse aus ungehöriger Bereicherung (Kondiktionen), im neunten Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen, im zehnten Schuldverhältnisse aus Zuständen. Der fünfte Abschnitt ist gegenwärtig in Bearbeitung, der vierte wurde zuletzt bearbeitet. Dabei hat beispielsweise die von mir zuletzt fertig gestellte negotiorum gestio, obwohl vorbereitet von einem Hülfsarbeiter, mich trotz angestrengtester Arbeit über drei Monate festgehalten und dürfte dieses Beispiel zeigen, wie schwer es ist, wenn man die Literatur beherrschen will (was doch wohl die Aufgabe sein wird), die Arbeit in der erwünschten Weise zu fördern: Einen großen Theil der Zeit nimmt, neben dem Lesen und Durcharbeiten der massenhaften Literatur und deren Exzerpirung, das Sammeln der Materialien, die Zusammenstellung der Gesetzgebungsarbeiten und Entwürfe, weg, und schließlich, wenn die Vorarbeiten gemacht sind, kommt erst die Hauptarbeit, die Fertigstellung der Motive, die zugleich über das in den Entwurf nicht Aufgenommene Aufschluß geben müssen. Ein Hauptgrund des langsameren Fortschreitens der Arbeit liegt daher in dieser selbst. Dazu kam für mich früher ein rheumatisches Leiden, im letzten Jahre aber eine schwere Erkrankung, die sich als eine Ueberreizung der Kopfnerven herausstellte und mich längere Zeit arbeitsunfähig machte. Ein leichterer Anfall hat sich diesen Sommer wiederholt. Der Arzt hat mir schon im vorigen Jahre erklärt, daß wiederholte Anfälle mich für lange arbeitsunfähig machen könnten und es ergiebt sich hieraus die Notwendigkeit, in der Arbeit ein gewisses Maß zu halten, so daß ich eine Beschleunigung mit dem besten Willen nicht erzwingen kann. D. Auskunft des Redaktors des Familienrechts über den Stand seiner Arbeiten Vollendet sind im Entwurfe und in den Motiven von dem ersten Abschnitte über die Ehe die Titel über das Verlöbniß, die materiellen Erfordernisse der Ehe, die Eheschließung, die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, die Wirkungen der Ehe auf die persönlichen Verhältnisse der Ehegatten, sowie auf das Vermögen derselben (das gesetzliche Güterrecht), und von dem vertragsmäßigen Güterrechte die Titel über vollständige Gütertrennung und allgemeine Gütergemeinschaft nebst Einkindschaft, ferner der ganze zweite und dritte Abschnitt. Der zweite Abschnitt behandelt das Rechtsverhältniß der Abkömmlinge, einschließlich der unehelichen Abkömmlinge, der dritte Abschnitt das Vormundschaftsrecht. Noch nicht völlig fertig sind die Abschnitte über die Auflösung der Ehe durch Scheidung und in Folge einer Todeserklärung, sowie über Errungenschaftsgemeinschaft, Mobiliargemeinschaft und die allgemeinen Bestimmungen in Betreff der Eheverträge. Der Entwurf und die Motive der letztgedachten 3 Abschnitte sind zwar ausgearbeitet, sie bedürfen indessen, nachdem der Abschnitt über die allgemeine Gütergemeinschaft in diesem Jahr einer Ueberarbeitung unterzogen ist, um sie damit in Einklang zu bringen, einer Revision und theilweisen Umarbeitung. Sodann werden der Entwurf 295

Materialien zur Entstehung des BGB

und die Motive, ehe sie zum Drucke gelangen können, noch einmal im Zusammenhange durchgesehen werden müssen und werden hierbei noch einige Nebenpunkte von geringerer Erheblichkeit zur Erledigung gelangen. Die ganze Arbeit wird, wenn nicht unvorhergesehene Hindernisse eintreten, voraussichtlich bis Ostern nächsten Jahres soweit vollendet sein, daß alsdann der Druck beginnen kann. Während des Drucks und in der Zwischenzeit bis zum Zusammentritte der Kommission wird dann noch der Entwurf des Einführungsgesetzes zu bearbeiten sein. Die Gründe, aus welchen die Arbeit nicht so rasch vollendet worden, wie früher erwartet und gehofft wurde, sind theils sachlicher, theils persönlicher Natur. In ersterer Beziehung darf besonders auf die außergewöhnlichen Schwierigkeiten hingewiesen werden, welche die Bearbeitung des ehelichen Güterrechts geboten hat. Die von den Regierungen erbetenen Mittheilungen über die bestehenden Rechte und deren Geltungsgebiet, sowie über die Zahl und Art der abgeschlossenen Eheverträge sind erst im Laufe des Jahres 1877 vollständig eingegangen. Mehr als hundert verschiedene Rechte mußten berücksichtigt und wenigstens soweit durchgearbeitet werden, als erforderlich war, um die Hauptrichtungen zu erkennen, in welchen sich das eheliche Güterrecht entwickelt hat. Für manche dieser Rechte stehen nur sehr dürftige Quellen zu Gebote und viele wichtige Fragen sind in der Theorie wie sowie in der Praxis bestritten. Zu der sich hieraus ergebenden Schwierigkeit, das bestehende Recht vollständig zu übersehen, trat nun die zweite nicht minder schwierige Aufgabe, zu untersuchen, inwieweit die Verschiedenheit des bestehenden Rechts auf einer Verschiedenheit der realen Lebensverhältnisse oder auf mehr oder weniger zufälligen Umständen beruhe, inwieweit es gegenüber der Aufgabe, ein einheitliches Recht zu schaffen, möglich sei, den sich widerstreitenden Auffassungen der verschiedenen Rechte gerecht zu werden und welche juristischen Formen sich am besten dazu eignen, um einerseits dem praktischen Bedürfnisse zu genügen und andererseits doch kein dem übrigen Systeme des Entwurfs fremdartiges und mit demselben nicht übereinstimmendes Element aufzunehmen. Die Zweifel, welche sich bei der Beantwortung der letztgedachten Fragen aufgedrängt, haben den Redaktor veranlaßt, die in den Entwurf aufgenommenen Bestimmungen über die allgemeine Gütergemeinschaft im Laufe dieses Jahres noch einmal umzuarbeiten und ist es dadurch hauptsächlich veranlaßt, daß der Entwurf nicht schon gegen Ende dieses Jahres völlig fertig sein kann. Trotz der hervorgehobenen sachlichen Schwierigkeiten würde übrigens die Bearbeitung des Familienrechts schon erheblich früher vollendet worden sein, wenn nicht der Redaktor wiederholt durch ernstes Unwohlsein, theils ganz am Arbeiten verhindert worden, theils wenigstens seine Arbeitskraft dadurch so geschwächt worden wäre, daß er trotz der äußersten Anspannung seiner Kräfte nur langsamer, als sonst möglich gewesen wäre, die ihm gestellten Aufgabe zu bewältigen im Stande war. 10. Bericht vom 30.12.188033 In dem Berichte, welchen Eurer Durchlaucht ich am 12. November vorigen Jahres über den damaligen Stand der Kommissionsarbeiten, unter Mittheilung der über das künftige Berathungsverfahren von der Gesammtkommission am 30. Oktober 1879 gefaßten Beschlüsse und unter Darlegung der für diese Beschlüsse maßgebend gewesenen Gründe zu erstatten die Ehre hatte, glaubte ich die Erwartung aussprechen zu dürfen, die von den fünf Redaktoren auszuarbeitenden, demnächst von der Gesammtkom33

Dem Bundesrat als Drucksache Nr. 13 der Session 1880/81 vorgelegt.

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB mission zu berathenden und festzustellenden Theilentwürfe würden nebst den Motiven im wesentlichen insgesammt gegen Ostern 1880 aufgestellt und druckfertig sein, und in ihre Berathung sodann nach rechtzeitiger Drucklegung und Vertheilung voraussichtlich noch vor dem 1. April 1881 eingetreten werden können. Derselben Erwartung ist auch in dem Berichte Ausdruck gegeben, welcher über die dem Kommissionsmitgliede Geheimen Justizrath Professor Dr. von Windscheid zu gewährende Möglichkeit, im Wintersemester 1881 bis 1882 die Pandekten zu lesen, unter dem 14. Januar 1880 erstattet worden ist. Die Vollendung der Theilentwürfe — abgesehen von dem bereits seit längerer Zeit abgeschlossenen, gedruckten und vertheilten Erbrechtsentwurf — hat sich jedoch nicht in so kurzer Zeit vollzogen, als erwartet worden ist. Anlangend zunächst den Entwurf des Familienrechts und des Sachenrechts, so hat die Drucklegung beider Entwürfe nebst den Motiven allerdings schon im April 1880 den Anfang genommen. Vollendet ist der Druck aber erst: 1. der des Familienrechtsentwurfs im Juli und bei Berücksichtigung der einen wichtigen Theil der Motive bildenden Anlagen der letzteren im November 1880, 2. der des Sachenrechtsentwurfs gleichfalls erst bei Ablauf des vorigen Monats. Der Sachenrechtsentwurf ist außerdem nicht ganz vollständig; die fehlenden Stücke — das materielle Subhastationsrecht und die Grundbuchordnung — fallen indessen kaum ins Gewicht; denn sie sind für das Ganze nicht allein von nur geringer Erheblichkeit, sondern es läßt sich auch in Frage stellen, ob es nicht vorzuziehen sei, beide Materien wegen ihrer selbständigen, theilweise auf das materielle Privatrecht im engeren Sinne sich nicht beschränkenden Karakters besonderen Gesetzen vorzubehalten, die zweckmäßiger erst dann zur Berathung gebracht werden, wenn der Hauptentwurf des Gesetzbuchs berathen und festgestellt ist. Ein Gleiches gilt von einer, nicht auf das materielle Tutelrecht, sondern nur auf das Verfahren bei den Vormundschaftsbehörden sich beziehenden besonderen Vormundschaftsordnung, deren Entwerfung und Vorlegung der Redaktor des Familienrechts sich noch vorbehalten hat. In Ansehung des Obligationenrechts gestatte ich mir unter Bezugnahme auf den Bericht vom 12. November vorigen Jahres daran zu erinnern, daß von Anfang an zweifelhaft war, ob nicht die Vollendung dieses Entwurfs sich verspäten und ob es zu vermeiden sein werde, die sachlichen Berathungen der Entwürfe zu beginnen, wenn auch nur der Haupttheil des Entwurfs des Obligationenrechts nebst den Motiven im Druck vorliege. Der hierauf sich beziehende Beschluß der Kommission, verbunden mit dem Bestreben, jedem vermeidlichen Aufenthalt vorzubeugen, hat den Redaktor des Obligationenrechts bestimmt, seinen Entwurf in Abweichung von dem Verfahren, welches die Redaktoren des Erbrechts, Familienrechts und Sachenrechts befolgt haben, in einzelnen Stücken, die ohne Rücksicht auf die Ordnung des Theilentwurfs selbst und auf die in diesem ihnen zugedachte Stellung ausgewählt sind, also kein zusammengehöriges Ganze eines in sich geschlossenen Abschnitts bilden, zum Drucke und zur Vertheilung zu bringen. Für die späteren Berathungen entstehen daraus allerdings einige Unzuträglichkeiten. Allein aus dem angegebenen Grunde habe auch ich gegen das Verfahren nichts erinnern zu können geglaubt. Obschon dem Redaktor zur Förderung seiner Arbeiten durch Eurer Durchlaucht hohen Erlaß vom 16. Dezember 1880 auf den in dem Bericht vom 20. November 1880 motivirten Antrag in der Person des Königlich württembergischen Landesgerichtsraths Ege zu Stuttgart ein zweiter Hülfsarbeiter zugeordnet worden ist, so sind gleichwohl, seitdem im September 1880 die Drucklegung begonnen, bis jetzt erst folgende Stücke des Entwurfs in mäßigen Zwischenräumen zum Druck und zur Vertheilung gelangt: l. über das einseitige Versprechen, einschließlich der Auslobung, des Vertrags zu Gun-

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Materialien zur Entstehung des BGB

sten Dritter und der Rechtsnormen über die Inhaberpapiere, 2. über die Gewährleistung beim Viehhandel, 3. über die Rechtsnachfolge in die Forderung (die auf die Zession sich beziehenden Rechtsnormen), 4. über die Geschäftsführung ohne Auftrag, 5. über die Anweisung oder Assignation, 6. über das Darlehn, 7. über die Gesammtschuldverhältnisse, 8. über die Form der Verträge. Jüngst ist auch noch ein kurzer, nur wenige Seiten füllender Abschnitt der Motive zur allgemeinen Vertragslehre; worin die bekannte Schloßmann'sche Vertragstheorie gewürdigt und deren Unbeachtlichkeit dargelegt wird, zum Druck eingeliefert. Von dem Entwurfe des Allgemeinen Theils ist bis jetzt, wie ich zu meinem lebhaften Bedauern anzeigen muß, noch nichts abgeliefert und gedruckt. Erst vor einigen Tagen hat der Redaktor des Allgemeinen Theils von den Motiven einen Abschnitt zum Druck eingereicht, der überdies nur das keineswegs der frühzeitigen Berathung bedürfende internationale Privatrecht behandelt. Auf diesen Aufenthalt ist früher nichts weniger als gerechnet; er ist um so unerwarteter gekommen, je bestimmter vorausgesetzt war, die Aufstellung des Entwurfs des Allgemeinen Theils werde unter keinen Umständen später vollendet sein, als die des Entwurfs des Familienrechts und des Sachenrechts. Wenn der von der Gesammtkommission am 30. Oktober 1879 gefaßte letzte Beschluß dahin ging (Nr. 5): „Sollte Ostern 1880 der eine oder andere Entwurf noch nicht vollendet sein, so wird der betreffende Redaktor ihn, soweit er vollendet ist, dem Vorsitzenden-behufs der Veranlassung des Drucks und der Vertheilung vorlegen, die Hauptkommission aber darüber beschließen, ob und inwiefern die erste Berathung der Entwürfe bis zur Vollendung des noch unvollständigen Theilentwurfs ausgesetzt werden müsse", so war streng genommen Ostern 1880 noch nichts abgeliefert, der Beschluß also seinem Wortverstande nach, auch in seinem letzteren Theile unausführbar; alles was später, zum Theil in größeren oder geringeren Zwischenräumen eingeliefert wurde, ist in kürzester Frist gedruckt und vertheilt, und nachdem das gedruckte und vertheilte Material den aus dem Obigen ersichtlichen Umfang gewonnen hatte, die Gesammtkommission behufs Beschlußfassung über das weitere Verfahren zu einer Sitzung auf den 28. Dezember dieses Jahres nach Berlin einberufen, und somit der gedachte Beschluß in entsprechender Weise zur Ausführung gebracht. . . ,34. Die Kommission sah sich bei ihrer Berathung über das im Anschluß an die Beschlüsse vom 30. Oktober vorigen Jahres nunmehr einzuhaltende Verfahren einer früher nicht vorausgesetzten und unerwünschten Sachlage gegenüber. So sehr auch die Ueberzeugung vorherrschte, es sei dringend geboten, in naher Zeit und wenn irgend thunlich schon im nächsten Frühjahr mit der in den Beschlüssen vom 30. Oktober vorigen Jahres bestimmten ersten nur sachlichen Berathung der Entwürfe anzufangen, und die Gesammtkommission nicht länger in Passivität verharren zu lassen, so schienen doch einem hierauf hinzielenden Beschlüsse das Fehlen des bei weitem größeren Theils des Entwurfs des Obligationenrechts und der gänzliche Mangel des Entwurfs des Allgemeinen Theils um so hindernder entgegen zu stehen, je weniger sich verkennen ließ, daß gewissen Abschnitten der fehlenden Theile, insbesondere aus dem Allgemeinen Theile den Abschnitten über die Rechts- und Handlungsfähigkeit, sowie das Rechtsgeschäft, und aus dem Obligationenrecht den v/ichtigeren, zum Allgemeinen Theile desselben gehörenden Abschnitten bei Feststellung der Reihenfolge der Berathungen die erste Stelle gebühren werde. . . .3S. Pape weist im folgenden zunächst hinsichtlich der Kommissionsbeschlüsse auf das Protokoll der Sitzung vom 28. 12. 1880 hin (vgl. ZStA Potsdam, a. a. O., fol. 211 Rückseite bis 212; zum Protokoll oben S. 234ff.). 35 Im Anschluß hieran weist Pape darauf hin, es sei von großer Wichtigkeit gewesen, genaue Fortsetzung der Fußnote auf Seite 299 298

D. Die l. Kornmission zur Ausarbeitung des BGB

Es machten sich verschiedene Ansichten geltend. Die eine Ansicht ging dahin, in die sachliche Berathung der vollendeten drei Entwürfe alsbald, und zwar schon im nächsten Frühjahr, einzutreten und in alle daraus entspringende Nachtheile sich zu ergeben. Eine andere Meinung war, die Berathung der Entwürfe sei bis zum nächsten Herbst, wo voraussichtlich alle Entwürfe vollendet vorliegen, schlimmstenfalls nur einige und minder wichtige Abschnitte im Rückstande sein würden, zu vertagen. Als dritte Ansicht wurde die vertreten: der Beginn der sachlichen Berathung def Entwürfe sei auf das nächste Frühjahr mit der Maßgabe zu bestimmen, daß die Redaktoren des Obligationenrechts und des Allgemeinen Theils schon in nächster Zeit die vorerwähnten, nicht zu entbehrenden und zunächst zu berathenden Abschnitte ihrer Entwürfe fertig zu stellen haben. Wie sich von selbst versteht, führte die Diskussion zugleich zu einer Erörterung der Frage, in welcher Reihenfolge die Entwürfe bei der Voraussetzung, sie seien insgesammt vollendet, am zweckmäßigsten zu berathen seien, in welcher Rücksicht die Auffassung keinen Widerspruch fand, daß im allgemeinen und vorbehaltlich der in Ansehung verschiedener Abschnitte zu beschließenden Ausnahmen wegen der Abhängigkeit des Familien- und Erbrechts von dem Obligationen- und Sachenrecht, wegen der größeren Einwirkung des Obligationenrechts auf das Sachenrecht als des letzteren auf das erstere und weil dem Entwurfe des allgemeinen Theils wichtige Gegenstände überwiesen, die für das Obligationenrecht von maßgebendem Einflüsse seien, die nachstehende Reihenfolge als die Sachgemäßeste sich empfehle: Allgemeiner Theil, Obligationenrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht. Die Mehrheit entschied für die zuvor erwähnte zweite Ansicht, indem sie den ihr entsprechenden Antrag zum Beschluß erhob: . . ,36. Der Beschluß ist in erster Reihe durch das Vertrauen dikdrt, die beiden noch rückständigen Entwürfe würden mindestens hauptsächlich noch rechtzeitig vor dem 1. Oktober 1881 vollendet, gedruckt und vertheilt sein. Er beruht sodann auf der Erwägung, wie bedenklich es sei, von der einmal aus wichtigen Gründen beschlossenen Berathungsmethode nachträglich abzuweichen, und welcher großer Nachtheil drohe, wenn durch Beginn der sachlichen Berathungen vor Vollendung jener beiden Entwürfe oder des erheblichsten Theils derselben die betreffenden Redaktoren in ihren Arbeiten gestört und unterbrochen würden, deren Abschluß alsdann in ganz unbestimmte Ferne rücke. Zugleich ist die Notwendigkeit in Betracht gezogen, die sachlichen Berathungen mit gewissen, zum Allgemeinen Theil und zum Obligationenrecht gehörenden, noch nicht bearbeiteten Materien zu beginnen, während mit einiger Sicherheit auf eine so zeitige Fertigstellung der einschlagenden Abschnitte der Theilentwürfe, daß dieselben schon nach wenigen Monaten zur Berathung gestellt werden könnten, kaum sich rechnen lasse. Nicht ohne Einfluß auf den gefaßten Beschluß ist ferner die Erklärung des Geheimen Justizraths Professors Dr. von Windscheid gebheben, nach einer jüngst von der Königlich sächsischen Regierung empfangenen Zusicherung vermöge er seine Kräfte37 ohne Rücksicht auf sein Lehramt der Kommission zur Verfügung zu stellen und würde seine Beurlaubung auch während der Wintersemester fortan keinen Anstand finden. Nach den gemachten Erfahrungen war die Möglichkeit in Anschlag zu bringen, das Vertrauen auf die rechtzeitige Fertigstellung der beiden Entwürfe könne immerhin

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Auskunft über den Stand der Arbeiten der zwei Redaktoren zu erlangen. Ihre Erklärungen seien in das Protokoll wörtlich übernommen worden. „Dieselben waren", so fährt Pape fort, „nur unvollkommen geeignet, die Entscheidung zu erleichtern". Es folgt hier die wörtliche Wiedergabe des Kommissionsbeschlusses unter 2. (vgl. oben S. 236). Zu dieser Erklärung vgl. Schuhen, ZRG, Rom. Abt., Bd. 95 (1978).

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Materialien zur Entstehung des BGB

getäuscht werden. Um ihr thunlichst vorzubeugen, ist zugleich beschlossen worden, die betreffenden beiden Redaktoren würden veranlaßt, bei der Aufstellung der von ihnen auszuarbeitenden Entwürfe und insbesondere bei der Ausarbeitung der Motive sich der thunlichsten Kürze zu befleißigen. Der Beschluß steht im engen Zusammenhange mit einem ändern, für welchen sich gleichfalls eine Mehrheit gefunden hat, mit dem Beschlüsse nämlich: sollte wider Erwarten der Entwurf des Allgemeinen Theils und des Obligationenrechts nicht zu der angegebenen Zeit fertig gestellt sein, so wird, anlangend das Obligationenrecht, der Dresdener Entwurf, anlangend den Allgemeinen Theil das bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, soweit nöthig und hinsichtlich der fehlenden Stücke als Grundlage der Berathungen, gewählt. Die Majorität ist zu diesem Beschlüsse durch die Betrachtung bestimmt worden, es sei einestheils unerläßlich, der Vertagung der Berathungen der Gesammtkommission über den künftigen Herbst hinaus durch ein unfehlbares Mittel zu begegnen und anderntheils sei der Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über die Schuldverhältnisse ein als vorzüglich anerkanntes Werk, welches zugleich einige sehr wichtige, nach den Beschlüssen der Kommission dem Allgemeinen Theil überwiesene Abschnitte enthalte, folglich in Verbindung mit dem betreffenden Abschnitt des in der Praxis bewährt befundenen sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs auch den Entwurf des Allgemeinen Theils zu ersetzen geeignet erscheine. Wie mißlich es übrigens sei, wenn der Beschluß, der mit den früheren über das Berathungsverfahren gefaßten Beschlüssen in einem schwer zu versöhnenden Widerspruch steht, zur Ausführung gelangen müßte, ist von keiner Seite verkannt worden. Das Vorstehende liefert ein Bild von der gegenwärtigen Lage der Dinge. Wenn auch die Sachlage in einer Beziehung keine erfreuliche sein mag, so erscheint sie doch keineswegs als eine solche, welche die ernste Besorgniß zu erwecken vermöchte, die Kommission werde in absehbarer Zeit und in befriedigender Weise das ihr anvertraute große Werk nicht vollenden. In dem Vordergrunde steht die wichtige Thatsache, daß von den fünf Theilen, aus welchen das Gesetzbuch bestehen soll, drei Theile im Entwurfe vollendet und nebst den dazu gehörigen, sehr umfassenden und gründlichen Motiven gedruckt sind. Diese drei Theilentwürfe nebst den Motiven sind, wie kein Unbefangener verkennen wird, ganz hervorragende Leistungen. Die Motive insonderheit lehren zur Genüge, welche zahlreiche und große Schwierigkeiten zu überwinden waren und durch mühevollste Arbeit und angestrengtesten Fleiß in der That besiegt sind. Jeder, welcher sich mit ihnen vertraut macht, wird zugleich die geraume Zeit erklärlich finden, welche solche ausgedehnten und erschöpfenden Arbeiten in Anspruch genommen haben. Entwürfe und Motive müssen zugleich aber die Ueberzeugung gewähren, in welchem hohen Grade sie die künftigen Berathungen der Gesammtkommission und die Auf- und Feststellung eines den Zweck erfüllenden, die Kritik bestehenden Hauptentwurfs zu erleichtern versprechen. Zu einer ähnlichen Auffassung berechtigen die verschiedenen, bereits vollendeten und gedruckten Abschnitte des Obligationenrechts. Nichts rechtfertigt sodann die Besorgniß, der noch rückständige Theil des Entwurfs des Obligationenrechts und der noch fehlende Entwurf des Allgemeinen Theils würden anders ausfallen, und wenn es auch unzweifelhaft als ein Uebelstand erkannt werden muß, daß gegen die Erwartung und aus jeder Vorberechnung sich entziehenden Gründen der größere Theil des Obligationenrechts-Entwurfs und der Entwurf des Allgemeinen Theils gegenwärtig noch im Rückstande sind, so eröffnen doch die von der Gesammtkommission am 28. Dezember dieses Jahres gepflogenen Berathungen und gefaßten Beschlüsse die tröstliche Aussicht, daß das Fehlende in nächster Zeit beschafft werden wird, sowie die Gewißheit, daß die sachlichen Berathungen der Entwürfe von Seiten der Gesammtkommission im künftigen Herbst an einem schon bestimmten Tage 300

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB auf zureichender Grundlage unfehlbar beginnen werden. In der That handelt es sich bei dem Uebelstande nur um einen nicht erwarteten Aufenthalt von einem halben Jahre. Was meine persönliche Thätigkeit während der Zeit seit dem Oktober vorigen Jahres betrifft, so habe ich die Arbeiten der Redaktoren nach Kräften zu fördern und für die künftigen Berathungen der Gesammtkommission die Wege zu ebnen gesucht. Zu dem Ende sind insonderheit von mir die Redaktoren und Hülfsarbeiter regelmäßig an jedem Sonnabend mit Ausschluß einer im Sommer zur Erholung bestimmten Ferienzeit zu mehrstündigen Besprechungen versammelt38. In diesen Sitzungen wurden die verschiedensten, für die Ausarbeitung des Gesetzbuchs und das Einführungsgesetz besonders erheblichen Gegenstände erörtert. Es war mein Bemühen, einen Austausch der Meinungen und Ansichten sowie die Verständigung über manche sowohl allgemeine als spezielle Fragen herbeizuführen, deren Erledigung nicht allein für den Inhalt des Gesetzbuchs, sondern auch für die Harmonie der Theilentwürfe erforderlich ist, zumal solcher Fragen, bei denen ich zu erkenen glaubte, daß sie bisher übersehen oder verschieden beurtheilt oder unvollständig oder nicht richtig gewürdigt sein möchten. Vielfach fand ich mich veranlaßt, meine persönliche Ansicht über den einen oder anderen erheblichen Gegenstand ausführlich darzulegen und zur Beachtung zu empfehlen, und wenn der Gegenstand in einem bereits gedruckten Entwurfe vorläufig erledigt ist, die Vorbereitung von Abänderungen zur Erleichterung oder Abkürzung der künftigen Berathungen der Gesammtkommission anzuregen. Wenn ich nicht irre, sind meine Bemühungen auf die Gestaltung der Theilentwürfe und deren Harmonie nicht ohne Einfluß geblieben oder werden es nicht bleiben, während sie zugleich hoffentlich die künftigen Berathungen nicht unerheblich erleichtern werden. Es erübrigt mich darüber zu äußeren39, ob es möglich gewesen wäre, dem Uebelstand vorzubeugen, daß zwei Entwürfe gegenwärtig ganz oder zum größeren Theile noch im Rückstande sind. Als ich ihn herannahen sah, habe ich es an Anregungen, die Arbeiten zu beschleunigen, nicht fehlen lassen. Insbesondere habe ich den Redaktor des Allgemeinen Theils wiederholt ersucht, seinen Entwurf, und sei es auch nur stückweise, zum Drucke einzuliefern; ich empfing mehrfache beruhigende Zusicherungen, die jedoch unerfüllt blieben. Das Verhalten des Redaktors vermag ich nur durch die Voraussetzung zu erklären, er habe von Anfang an eine unpassende Arbeitsmethode gewählt und andererseits fehle ihm die wünschenswerthe Entschlußfähigkeit, die verbunden mit einer übertreibenden Besorgniß, Unvollkommenes zu liefern und der Kritik zu verfallen, ihn ungeachtet seiner nicht geringen Begabung und seiner schätzenswerthen Kenntnisse verhindern, zum Abschluß zu kommen. Um diesen zu erreichen, habe ich geeignete Rathschläge nicht vorenthalten, überdies aber ihm schon vor mehreren Wochen den unter den Hülfsarbeitern befindlichen, sehr befähigten Oberlandesgerichtsrath Dr. v. Liebe als zweiten Hilfsarbeiter zugeordnet; auch hat sich auf mein Ersuchen der Appellationsgerichtsrath Dr. Planck erbeten, ihm thunlichst bei dem Abschluß seiner Arbeiten Rath und Beistand zu leihen, wozu sich vielleicht auch noch einer der anderen Redaktoren bereit finden läßt. — Um so gegründeter wird die Hoffnung sein, die jüngsten Berathungen und Beschlußfassungen der Gesammtkommission würden einen Druck ausüben, der zu einer günstigen Wendung führen müsse und die Besorgniß nicht aufkommen lasse, es werde auch im Laufe des nächsten Sommers der Entwurf eines Allgemeinen Theils weder ganz noch hauptsächlich vollendet werden. Der Redaktor des Obligationenrechts ist ein eminenter Jurist; er zeichnet sich nicht

Über diese Zusammenkünfte ließen sich bislang keine Aufzeichnungen auffinden. Dieser und der folgende Absatz sind nicht in der Bundesratsdrucksache enthalten. 301

Materialien zur Entstehung des BGB weniger durch ungewöhnliche theoretische Aus- und Durchbildung als durch praktische Erfahrungen aus; außerdem auf dem Gebiete der Gesetzgebung geschult und bewandert, ist er sicherlich in hohem Maße befähigt und geeignet, einen brauchbaren, wenn nicht vorzüglichen Entwurf des Obligationenrechts zu liefern, zumal er schon bei der Berathung des Dresdener Entwurfs in hervorragender Weise mitgewirkt hat. Wenn er gleichwohl mit seinen immerhin schwierigen und umfassenden Arbeiten im Rückstand geblieben ist, so wird der Grund darin liegen, daß er durch Krankheit in höherem Maße, als besorgt werden konnte, behindert worden ist; daß er zeitweilig mit erheblichen Gesundheitsstörungen zu kämpfen hatte, ist gewiß. Seine Persönlichkeit erfordert übrigens eine behutsame Behandlung und gestattet insbesondere nicht, ihn zur Beschleunigung seiner Arbeiten anders als in schonender Weise anzuregen. Da ihm, wie oben erwähnt, schon im Beginn dieses Jahres zur Förderung seiner Arbeiten ein zweiter Hülfsarbeiter zugeordnet ist40 und da seine Gesundheit in der letzten Zeit sich erheblich gebessert (hat) und gegenwärtig seine völlige Arbeitsfähigkeit nicht zu bezweifeln ist, so wird das Vertrauen gerechtfertigt sein, er werde die noch fehlenden Theile seines Entwurfs vor Ablauf des Sommers nachliefern und allenfalls nur solche Abschnitte im Rückstand lassen, die vorläufig und für längere Zeit entbehrt werden können. Alle Mittel, die zu Gebote standen, um dem erwähnten Uebelstand zu verhüten, glaube ich erschöpft zu haben. In Ansehung der späteren Aufstellung des Hauptentwurfs hat die Gesammtkommission die Beschlußfassung ausgesetzt. Da dieselbe erst nach Abschluß der sachlichen Berathungen in Angriff genommen werden kann und über die Art und Weise, wie dabei am angemessensten zu verfahren sei, sich zur Zeit noch nicht genügend urtheilen läßt, so ist der Vertagung der Entscheidung der Vorzug gegeben. . . .

11. Bericht vom 31.12.188l41 Pape berichtet zunächst über den Beginn der Kommissionsberatungen am 1. 10. 1881 und weist darauf hin, daß vom Allgemeinen Teil noch das Einführungsgesetz und ein Teil der Motive fehlen. Er fährt fort: „Es läßt sich aber schon jetzt erkennen, daß das Ergebniß der Berathungen ein günstiges sein wird. Ohne Zweifel werden die gefaßten Beschlüsse in Verbindung mit den Berathungsprotokollen nicht allein die Aufstellung eines im Wesentlichen als die Gesammtarbeit der Kommission anzusehenden und in sachlicher sowie in formeller Hinsicht befriedigenden Entwurf ungemein erleichtern, sondern auch zur Abkürzung des vorgesehenen späteren Stadiums der Berathungen dienen." Pape setzt sich anschließend mit der Tatsache auseinander, daß Kübel wegen seiner Krankheit nur wenige neue Vorlagen habe liefern können. „Demzufolge habe ich", fährt er im Bericht fort, „durch einen der Hülfsarbeiter einen, vorläufig nur den Allgemeinen Theil des Obligationenrechts umfassenden besonderen Entwurf anfertigen lassen, der den Dresdener Entwurf mit denjenigen Abänderungen enthält, welche sich aus den, von dem Redaktor des Obligationenrechts abgelieferten und in den neuen Entwurf gehörigen Orts eingestellten Abschnitten sowie aus den Vorbeschlüssen der Kommission ergeben42. Es wäre unverkennbar in hohem Maße unerwünscht, wenn auf Grund eines solchen, insbesondere auch der Motive entbehrenden Entwurfs vielleicht gar wähDieser zweite Hilfsarbeiter ist Ege. Nicht als Bundesratsdrucksache veröffentlicht. Der mit der Aufstellung dieses Entwurfs beauftragte Hilfsarbeiter war Struckmann. Der Inhalt dieses Entwurfs ergibt sich aus der Gliederung, wie ich sie im Band Schuldrecht I der Edidon, Fortsetzung der Fußnote auf Seite 303

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

rend längerer oder kürzerer Zeit, ohne persönliche Theilnahme des Redaktors des Obligationenrechts, das letztere berathen werden müsse. Allein so mißlich auch der Ausweg erscheint, so wird damit hoffentlich wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten und nicht ohne Zeitverlust, zum Ziele zu gelangen sein." 12. Bericht vom 29. 3. 188343 . . . In Befolgung44 der von der Kommission früher gefaßten Beschlüsse ist mit der Berathung der fünf Theilentwürfe am 4. Oktober 1881 begonnen und in erster Reihe der Entwurf des Allgemeinen Theils in Berathung genommen worden. Diese Berathung, mit welcher die Erledigung einiger weniger Abschnitte des Entwurfs des Allgemeinen Theils des Obligationenrechts verbunden wurde, gelangte im Februar 1882 zum Abschluß. Unerledigt blieben nur zwei Abschnitte des Allgemeinen Theils, nämlich der Abschnitt über die Kollision der Gesetze und der Abschnitt über die juristischen Personen. Der erste Abschnitt mußte zurückgestellt werden, weil er nach seiner besonderen Beschaffenheit mit Erfolg erst dann berathen werden kann, wenn der wesentliche Inhalt des ganzen Gesetzbuchs feststeht und zu überblicken ist; der zweite Abschnitt war vorläufig auszuscheiden, weil er in schwer zu lösender Verbindung mit dem, zum speziellen Theile des Obligationenrechts gehörenden Gesellschaftsrechte steht. Nach Erledigung des Allgemeinen Theils wurde zur Berathung des Allgemeinen Theils des Obligationenrechts übergegangen. Die Berathung desselben erfolgte auf Grund eines vom Redaktor des Obligationenrechts aufgestellten, nach und nach in einzelnen Abschnitten vorgelegten und mit ausführlichen Motiven versehenen Theilentwurfs. Als im Dezember 1882 der sehr umfassende Allgemeine Theil des Obligationenrechts vollständig durchberathen war, mußte über die Folgeordnung der weiteren Berathung und wie die letztere vorzubereiten sei, von neuem Beschluß gefaßt werden. Der Redaktor des Obligationenrechts hatte nämlich bis dahin nur für wenige Abschnitte des speziellen Obligationenrechts, zu dessen Berathung nach dem früher bestimmten Plane nunmehr überzugehen war, Theilentwürfe nebst Motiven fertig gestellt. Es waren damals solche Entwürfe nur über folgende Abschnitte geliefert: l. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung; 2. Geschäftsführung ohne Auftrag; 3. Darlehn; 4. Anweisung. Die Kommission entschied, in Uebereinstimmung mit den früheren Beschlüssen, die Berathung des Obligationenrechts nicht zu unterbrechen, vielmehr sofort in die Berathung des speziellen Theils desselben einzutreten. Das Protokoll vom 13. Dezember 1882 giebt über die Gründe des Beschlusses und über die zu seiner Durchführung für dienlich erachteten Maßregeln näheren Aufschluß45. Inmittelst sind zuerst die oben erwähnten vier Abschnitte auf Grund der

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S. 20 ff. mitgeteilt habe. Der Entwurf ist 1882 durch Nachlieferung sämtlicher noch fehlenden Vorlagen zum Allgemeinen Teil des Schuldrechts durch von Kübel hinfällig geworden (vgl. den folgenden Bericht von Pape vom 29. 3. 1883). Veröffentlicht als Bundesratsdrucksache Nr. 67 der Session 1881/83. Pape teilt zunächst mit, daß Windscheid zum 1. 10. 1883 aus der Kommission ausscheiden wolle und ihn, Pape, ersucht habe, schon jetzt die Entscheidung darüber herbeizuführen, daß er zu jenem Zeitpunkt als Mitglied der Kommission enüassen werde (nicht in der Bundesratsdrucksache enthalten; vgl. zu Windscheids Absichten, die Kommission zu verlassen, meine Abhandlung in der ZRG, Rom. Abt. Bd. 92 [1975], S. 188 ff.). Dieses Protokoll ist nicht Teil der allgemeinen Beratungsprotokolle. Sein wesentlicher Inhalt wird von Pape im folgenden wiedergegeben (weitere Einzelheiten in der Entstehungsgeschichte in diesem Band, oben S. 40 ff.). 303

Materialien zur Entstehung des BGB Theilentwürfe des Redaktors berathen; sodann sind zur Berathung gelangt der Abschnitt über die Schuldanerkennung und das Schuldversprechen, sowie der Abschnitt über die Schenkung. Die Berathung dieser letzteren Abschnitte erfolgte nach Anleitung des Dresdener Entwurfs und unter Benutzung von Ausarbeitungen, welche von Hülfsarbeitern in Gemäßheit der nach dem Protokoll vom 13. Dezember 1882 vorbehaltenen Anordnungen zeitig beschafft waren46. Das Auskunftsmittel, nach Anleitung des Dresdener Entwurfs und unter Benutzung solcher Ausarbeitungen der Hülfsarbeiter zu berathen, hat sich dergestalt bewährt, daß große Uebelstände kaum zu besorgen sind, wenn davon später noch in größerem Umfange Gebrauch gemacht werden müßte. Gegenwärtig wird der Abschnitt vom Kauf, dieser Abschnitt aber wieder auf Grund eines inzwischen von dem Redaktor mit Motiven vorgelegten Theilentwurfs berathen; ein erheblicher Theil dieses wichtigen Abschnitts ist bereits erledigt. Von dem Redaktor sind Theilentwürfe über weitere Abschnitte noch nicht eingeliefert; es ist aber Anordnung getroffen, daß, wenn solche nicht rechtzeitig beschafft werden möchten, hieraus erhebliche Ungelegenheiten nicht entspringen können; einige Hülfsarbeiter haben Auftrag erhalten, für die nach Beendigung der Berathung des Abschnitts über den Kauf zunächst und nöthigenfalls nach Anleitung des Dresdener Entwurfs zu erledigenden Abschnitte die in dem Protokolle vom 13. Dezember 1882 gedachten Ausarbeitungen zu liefern; eine solche, sehr umfassende Ausarbeitung, welche auf Miethe und Pacht sich bezieht, ist bereits fertiggestellt, gedruckt und vertheilt. Ohne Zweifel ist zur Zeit der spezielle Theil des Obligationenrechts keineswegs im wesentlichen schon als erledigt anzusehen. Es ist noch eine nicht geringe Zahl von Abschnitten, worunter mehrere von nicht unerheblicher Bedeutung zu berathen. Im Rückstande sind noch die Abschnitte über Pacht und Miethe, über Dienst- und Werkverdingung, über Gebrauchsleihe, Mandat, Depositum, Gemeinschaft und Gesellschaft, gewagte Verträge, Bürgschaft, Pfandvertrag, Vergleich, Schiedsvertrag, über Spezialdelikte und Obligationen aus Zuständen. Welche Zeit die Erledigung derselben noch in Anspruch nehmen werde, läßt sich nach den bisherigen Erfahrungen mit Sicherheit nicht bestimmen. Möglich ist, daß das Ziel am 1. Oktober d. J. erreicht wird, möglich aber auch, daß bis dahin das ganze laufende Jahr verstreicht. Wenn es auffallend erscheinen möchte, daß das gegenwärtige Stadium der Berathungen sich länger hinzieht, als vorausgesetzt wurde, so erklärt sich dies, abgesehen von den Hindernissen, welche daraus entsprungen sind, daß der Redaktor des Obligationenrechts wegen Krankheit mit seinen Arbeiten in Rückstand geblieben47 ist, noch insbesondere aus einem Umstände, worin weniger ein Nachtheil gefunden als ein erheblicher Gewinn erblickt werden kann. Der Plan, die erste Berathung, wenn auch nicht auf Feststellung der leitenden Grundsätze und der prinzipiellen Vorschriften, dennoch thunlichst auf den sachlichen Inhalt der in das Gesetzbuch aufzunehmenden Rechtsnormen zu beschränken, hat sich nicht streng durchführen lassen. Es war nicht zu umgehen, alle einzelnen Paragraphen der Entwürfe zur Berathung zu stellen; die meisten Paragraphen riefen aber nach Ausweis der Berathungsprotokolle eine größere oder geringere Zahl von Abänderungsanträgen hervor, welchen eine sachliche Bedeutung nur selten sich absprechen ließ; es wurden viele Beschlüsse gefaßt, durch welche die Grundlagen der Entwürfe mehr oder weniger verrückt und ganz anders als die darin enthalte-

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Vgl. oben S. 45. Im unveröffentlichten Bericht heißt es hier noch „und sein Leistungsvermögen durch Krankheit geschmälert". Die vorherigen Worte „wegen Krankheit" sind erst vom Reichskanzleramt eingefügt worden. "

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D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB nen Bestimmungen nöthig wurden. Die Berathungen gewannen hierdurch einen so großen Umfang, daß es nur Zeitverlust gewesen wäre, die mit der materiellen Seite nur zu oft in untrennbarer Verbindung stehende formelle Seite in großem Umfange auszuscheiden und der späteren Zeit zur Erledigung vorzubehalten. Hinzu trat die Nothwendigkeit, die gefaßten Beschlüsse in korrekter und anschaulicher Weise und in einwandfreier Fassung von Zeit zu Zeit zusammenzustellen, damit bei der fortschreitenden Berathung das bisher Beschlossene vollkommen übersehen werden und stets die gebührende Beachtung finden könne. Solche Zusammenstellungen erwiesen sich um so nothwendiger, je zahlreicher und wichtiger die Abweichungen der beschlossenen Vorschriften von den in den Entwürfen enthaltenen waren. In dem §.18 der Geschäftsordnung vom 4. Oktober 1881 ist auch vorgesehen, daß Zusammenstellungen der gedachten Art durch einen besonderen, von dem Vorsitzenden geleiteten Ausschuß von Zeit zu Zeit gefertigt werden48. Die Ausführung dieser Vorschrift ist dazu benutzt worden, die Zusammenstellungen zu einem, den bisherigen Beschlüssen entsprechenden vollständigen Entwurfe zu gestalten. Dieser, von dem Ausschusse hergestellte und nach den späteren Beschlüssen fortwährend ergänzte und berichtigte Entwurf ist zwar von der Kommission selbst noch nicht geprüft und genehmigt. Erreicht aber ist und wird durch dies Verfahren, daß die spätere Aufstellung eines den demnächstigen Berathungen zum Grunde zu legenden Haupt-Entwurfs entbehrlich, mindestens die Aufstellung eines solchen Entwurfs ohne besonderen Aufwand von Zeit und Mühe leicht zu bewirken sein wird, zumal durch die umfangreiche Erstreckung der Beschlüsse auch auf die formelle Seite die breiteste und ausgiebigste Grundlage für den Haupt-Entwurf gegeben ist. Was die von den Redaktoren noch zu beschaffenden Arbeiten anlangt, so erhellt aus dem obigen, wie weit der Redaktor des Obligationenrechts noch im Rückstande ist. Der Redaktor des Allgemeinen Theils hat das Einführungsgesetz und die Motive zu dem Abschnitte über die juristischen Personen noch zu liefern. Von dem Redaktor des Sachenrechts ist nur die minder wichtige Grundbuchordnung noch nachzuliefern, diese aber nach seiner Versicherung dem Abschlüsse nahe. Im übrigen sind alle Arbeiten fertiggestellt. . . .49.

Es handelt sich hier um die sog. „Zusammenstellungen der sachlich beschlossenen Bestimmungen"; diese werden jeweils in den folgenden Quellenbänden mitgeteilt. In dem vom Reichsjustizamt nicht veröffentlichten Schlußteil des Berichts setzt sich Pape mit dem Ausscheiden Windscheids aus der Kommission auseinander: Dessen Weggang sei „unleugbar ein empfindlicher Uebelstand, der umso schwerer ins Gewicht fällt, je größer der Einluß desselben auf die bisher gefaßten Beschlüsse gewesen ist". Seine Versuche, Windscheid zum Bleiben in der Kommission zu veranlassen, seien gescheitert. Als einen für ihn maßgebenden Grund habe Windscheid angegeben, er sei der sächsischen Regierung gegenüber durch feste Zusicherungen gebunden. Nur zu der Erklärung habe er sich verstanden, „er sei bereit, bei der späteren Revision oder wiederholten Lesung der unter seiner Mitwirkung beschlossenen Vorschriften während eines Sommersemesters mitzuhelfen." Ein Ersatz für Windscheid sei zwar nicht unerläßlich, aber in hohem Maße erwünscht und angemessen. Der Nachfolger solle „aus der Zahl der angesehensten Rechtslehrer des Gemeinen Civilrechts genommen", aber Vorsorge getroffen werden, daß sich nicht nachträglich ähnliche Schwierigkeiten ergeben wie bei Windscheid. Am besten sei es deshalb, einen Rechtslehrer der Berliner Hochschule (Dernberg, Goldschmidt, Eck) in die Kommission zu berufen. Jeder derselben würde sich eignen (wegen der Einzelheiten hinsichtlich des Ausscheidens Windscheids aus der l. Kommission vgl. Schubert, ZRG, Rom. Abt. Bd. 92 (1975), S. 188ff.); die Kommission hat von der Bereitschaft Windscheids, an der Revision der von ihm mitbeschlossenen Bestimmungen mitzuwirken, keinen Gebrauch gemacht. An Stelle Windscheids gelangte der Tübinger Romanist v. Mandry in die Kommission (Anfang 1884). 305

Materialien zur Entstehung des BGB 13. Bericht vom 14. 2. 188450 Euerer Durchlaucht habe ich in dem Berichte vom 29. März 1883 über den damaligen Stand der Kommissionsarbeiten Bericht zu erstatten mich beehrt. In Anschluß an diesen Bericht und in Ergänzung desselben gestatte ich mir, über den gegenwärtigen Stand der Dinge Folgendes gehorsamst anzuzeigen. Die Berathung sowohl des Allgemeinen Theils des Gesetzbuchs als des Obligationenrechts ist nunmehr beendet, nur ein kleiner, zum Allgemeinen Theil gehörender Abschnitt, nämlich der über das sogenannte internationale Privatrecht, ist im Rückstand geblieben; seine Erledigung mußte ausgesetzt werden, weil er nach seiner Beschaffenheit unverkennbar mit vollem Erfolge sich erst dann berathen läßt, wenn alle Haupttheile des Gesetzbuchs vollendet vorliegen. Wie aus meinem Berichte vom 29. März 1883 erhellt, hat die Berathung des Allgemeinen Theils und des Obligationenrechts einen anderen Verlauf genommen, als vorausgesetzt war. Sie hat sich weit umfassender und gründlicher gestaltet, als anfangs im Plane lag. Die zahlreichen Anfechtungen, welche die Vorlagen erfuhren, und die in formulirten Abänderungsanträgen ihren Ausdruck fanden, führten zu einem so großen Umfange der Berathungen und der zu fassenden Beschlüsse, daß die Vorlagen im wesentlichen sowohl nach der materiellen als nach der formellen Seite völlig erschöpft wurden. Da überdies die Vorlagen durch die Beschlüsse ebenso mannigfache als eingreifende Aenderungen erlitten hatten, so fand sich der nach der Geschäftsordnung mit der Zusammenstellung der Beschlüsse beauftragte, von dem Vorsitzenden geleitete Ausschuß um so mehr bestimmt, diese Zusammenstellung in der Art zu bewirken, daß auf Grund der gefaßten Beschlüsse zwei vollständige neue Entwürfe, der eine für den Allgemeinen Theil, der andere für das Obligationenrecht, angefertigt worden sind. Als jüngst die Berathung des Obligationenrechts beendet war, kam im Schooße der Kommission zur Sprache, ob es sich nicht empfehle, die beiden neuen, von der Kommission selbst noch nicht geprüften und genehmigten Entwürfe zum Zweck der Entscheidung über Anordnung und Eintheilung, sowie zur Berichtigung nicht zweifelhafter Mängel und Fehler einer kursorischen Prüfung zu unterziehen. Die Kommission hat für ein solches Verfahren entschieden. Man hielt dasselbe für angemessen, damit eine festere Grundlage für die späteren Berathungen gewonnen werde und damit ein wichtiger Theil der von der Kommission zu lösenden Aufgabe schon jetzt zu einem gewissen Abschluß gelange. Die beiden Entwürfe sofort einer neuen Berathung zum Zwecke einer gründlichen Revision zu unterwerfen, erachtete man für bedenklich. Man glaubte, daß eine derartige Revision verfrüht sein werde, weil erst die Berathung des Sachenrechts, des Familienrechts und des Erbrechts ein sicheres Urtheil ermöglichen werde, inwiefern die beiden Entwürfe der Berichtigung und Ergänzung bedürfen. Das von der Kommission genehmigte Verfahren ist zur Ausführung gelangt, auch der Druck der gedachten beiden Entwürfe bereits eingeleitet. Keiner Erwähnung bedarf es, daß durch die Fertigstellung dieser beiden Entwürfe erhebliches erreicht ist. Es sind damit von den fünf Theilen, aus welchen das Gesetzbuch bestehen wird — Allgemeiner Theil, Obligationenrecht, Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht — die beiden ersten Theile, und unter diesen das durch seine Bedeutsamkeit hervorragende Obligationenrecht, zu einem vorläufigen Abschluß gelangt, indem für beide Theile zwei, aus den Berathungen der Kommission selbst hervorgegangene, von der letzteren im wesentlichen genehmigte Entwürfe vorliegen, deren vorbehaltene Revision auf erhebliche Schwierigkeiten und Weiterungen nicht stoßen kann. Das Ergebniß darf um so mehr 50

Veröffentlichtals Drucksache des Bundesrats Nr. 21 der Session 1884.

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D. Die I. Kommission zur Ausarbeitung des BGB befriedigen, als die Erledigung des Allgemeinen Theils und des Obligationenrechts durch Verzögerung der den Berathungen zum Grunde zu legenden Vorlagen, vorzugsweise aber dadurch erschwert worden ist, daß der schon vor geraumer Zeit erkrankte und am 5. Januar d. J. verstorbene Redaktor des Obligationenrechts außer Stand gesetzt war, die von ihm zu beschaffenden Vorlagen vollständig zu liefern, so daß für Ersetzung der fehlenden Theile auf dem in dem Berichte vom 29. März 1883 erwähnten Aushülfswege gesorgt werden mußte. Die Kommission ist jüngst in die Berathung des Sachenrechts eingetreten. Für das letztere, einschließlich der Grundbuchordnung und des materiellen Subhastationsrechts, sowie des einschlagenden Theils des Einführungsgesetzes, liegt ein von dem Redaktor des Sachenrechts angefertigter Entwurf nebst ausführlichen Motiven vor. Ebenso vollständig sind die Entwürfe, welche für das Familienrecht und das Erbrecht, deren Erledigung nach der des Sachenrechts erfolgen soll, von den betreffenden Redaktoren vorgelegt sind. Unter diesen Umständen wird die Erwartung nicht unberechtigt sein, daß die Berathung des Sachenrechts, Familienrechts und Erbrechts einen geringeren Zeitaufwand verursachen wird, als die des Allgemeinen Theils und des Obligationenrechts in Anspruch genommen hat. Ob indessen die Erwartung sich erfüllen werde, läßt sich zur Zeit mit Bestimmtheit noch nicht beurtheilen. Der kürzere oder längere Verlauf der Berathungen hängt nach den gemachten Erfahrungen in nicht geringem Maße von Zufälligkeiten ab, welche sich der vorherigen Berechnung entziehen. Von den durch die Redaktoren zu beschaffenden Vorarbeiten ist gegenwärtig nur der Entwurf des Einführungsgesetzes, soweit dieses in den Bereich des Allgemeinen Theils und des Obligationenrechts fällt, im Rückstande. Insofern der Allgemeine Theil in Frage kommt, hat der Redaktor des Allgemeinen Theils die Einlieferung der noch rückständigen Arbeit für die nächste Zeit in bestimmte Aussicht gestellt. Betreffend den auf das Obligationenrecht sich beziehenden Theil, welcher an sich wenig erhebliche Theil von dem Redaktor des Obligationenrechts zu beschaffen war, so ist dessen Fertigstellung unterblieben. Nach dem Tode des Redaktors ist ein Hülfsarbeiter der Kommission mit der Aufstellung eines vorläufigen Entwurfs beauftragt. Zum Schlüsse gestatte ich mir die Bemerkung, daß die Motive für die aus den Berathungen der Kommission hervorgegangenen Entwürfe des Allgemeinen Theils und des Obligationenrechts in den, den Berathungen zum Grunde gelegten gedruckten Vorlagen und in den Berathungsprotokollen vollständig enthalten sind. Es fragt sich, ob es nicht nöthig sein werde, zur Erleichterung der Orientirung und Uebersicht noch andere und insbesondere gedrängtere Motive zu liefern; indessen wird eine solche Ausarbeitung erst nach der vorbehaltenen Revision der Entwürfe erfolgen können. Es schließt dies nicht aus, die Ausarbeitung schon jetzt vorzubereiten, in welcher Hinsicht auch das Geeignete vorgesehen werden wird. . . . 14. Bericht vom 5. 7. 188551 Ueber den gegenwärtigen Stand der Kommissionsarbeiten beehre ich mich zur hochgeneigten Kenntnißnahme Folgendes zur Anzeige zu bringen. Die Berathung des Entwurfs des Sachenrechts war im April d. J. beendet. Die Gesammtkommission hat hierauf den im Laufe der Berathungen von dem Redaktionsausschusse aufgestellten Entwurf der Prüfung unterzogen. Mit dem letzteren ist zugleich eine erneuerte Prüfung der früher festgestellten Entwürfe des Allgemeinen Theils und des Obligationenrechts verbunden worden. Dies wurde für nöthig erachtet, 51

Veröffentlicht als Drucksache des Bundesrats Nr. 119 der Session 1885.

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Materialien zur Entstehung des BGB weil im Laufe der Berathung des Sachenrechts nicht wenige Beschlüsse gefaßt waren, durch welche die beiden anderen Entwürfe Berichtigungen und Ergänzungen erfahren hatten oder erledigen mußten. . . ,52. Inmittelst ist in die Berathung des Entwurfs des Familienrechts eingetreten. Ein nicht unerheblicher Theil dieses Entwurfs hat gleichfalls bereits seine Erledigung gefunden. Soweit die Erledigung reicht, ist zugleich von dem Redaktionsausschusse in der bisherigen Weise ein besonderer Entwurf des Familienrechts auf Grund der Beschlüsse der Gesammtkommission aufgestellt. Die Sachlage ist hiernach gegenwärtig die, daß von den fünf Theilen, aus welchen das bürgerliche Gesetzbuch bestehen wird: Allgemeiner Theil, Obligationenrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht, die drei ersten Theile in einem vollständigen Entwurfe vorliegen, welcher in materieller und formeller Hinsicht von der Gesammtkommission geprüft und gebilligt ist, während der Entwurf des Familienrechts in der Berathung begriffen ist, nach deren Beendigung nur der Entwurf des Erbrechts noch der Erledigung bedarf. Der gegenwärtige Stand der Dinge dürfte als ein ungünstiger sich nicht bezeichnen lassen, wenn in Betracht gezogen wird, daß die Plenarberathungen erst im Oktober 1881 haben beginnen können und manche, auf mehr oder weniger zufälligen Gründen beruhende Hindernisse und Hemmungen zu überwinden waren. Vor Allem aber ist zu berücksichtigen, daß die aus den Berathungen der Kommission hervorgegangenen drei Theil-Entwürfe die in dem Beschlüsse des Bundesraths vom 22. Juni 1874 vorgesehene erste Lesung für den betreffenden Theil des Gesetzbuchs zu ersetzen geeignet sind. Wenn der Entwurf des Familienrechts und der Entwurf des Erbrechts in gleicher Weise vollendet sind, auf welche Vollendung in nicht zu ferner Zeit mit Sicherheit gerechnet werden darf, so kann, vorbehaltlich einer nur wenige Zeit erfordernden kursorischen Nachprüfung, die erste Lesung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs für abgeschlossen erachtet werden, so daß der Vorlegung des Entwurfs behufs Anordnung der Veröffentlichung ein Hinderniß nicht mehr entgegenstehen wird. Es werden alsdann noch auszuarbeiten sein: das Einführungsgesetz, die Grundbuchordnung und noch einige andere Gesetze, welche durch die Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit nicht das Einführungsgesetz das Erforderliche vorsehen wird, nöthig werden dürften, nämlich ein Gesetz, betreffend die Ergänzung und Berichtigung oder die Revision der Civilprozeßordnung, ein Gesetz, betreffend die Ergänzung und Berichtigung oder die Revision der Konkursordnung, ein Gesetz, betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen und ein Gesetz, betreffend die Behandlung der Extrajudizialsachen. Diese Gesetze, für welche zum großen Theile bereits Entwürfe vorliegen, werden in der Zeit, welche zwischen die Veröffentlichung des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuchs und den Beginn der zweiten Lesung fällt, zur Berathung und Feststellung gelangen können. Aus dem Vorstehenden erhellt, daß bei der Berathung des Sachenrechts auf die Grundbuchordnung nicht eingegangen, daß auch die Rechtsnormen über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ausgeschieden sind. Da die Grundbuchordnung als eine bloße Prozedurordnung zur Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch sich nicht eignet, so empfahl es sich, von deren Feststellung vorläufig abzusehen und sich darauf zu beschränken, für dieselbe eine Zahl von leitenden Grundsätzen zu beschließen. Die Grundbuchordnung wird übrigens, weil sie zum großen Theil nur instrukrioneller Natur ist und deshalb den Landesgesetzen thunlichst freie Hand zu lassen sein wird, auf eine nicht große Zahl von Anordnungen sich beschränken können. Hier folgte ein Hinweis darauf, daß die ersten Entwürfe (Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht) gedruckt vorliegen. Man hat dies dem Bundesrat wohl deswegen nicht mitgeteilt, um den Entwurf besser geheim halten zu können. 308

D. Die l. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

Betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, so lassen sich freilich theoretisch die materiellen Rechtsnormen von den Prozedurnormen scheiden. Allein für das Gesetz ist eine solche Scheidung überaus bedenklich. Werden, dieser Scheidung entsprechend, die materiellen Rechtsnormen in das bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, die Prozedurnormen einem besonderen Gesetze vorbehalten, so ergeben sich hieraus für das Verständniß und die Anwendung des Immobiliarexekutionsrechts schwere Uebelstände. Es verdient entschieden den Vorzug, alle auf die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sich beziehenden Rechtsnormen nach Vorbild des preußischen Gesetzes vom 13. Juli 1883 (Gesetz-Samml. S. 131) und anderer modernen Partikulargesetze in Einem Gesetze zu vereinigen, welches in Ergänzung der in dieser Beziehung unvollständig gebliebenen Civilprozeßordnung und im Anschluß an das in der letzteren vollständig enthaltene Mobiliarexekutionsrecht zu erlassen sein wird. Bei der Berathung des Sachenrechts sind für die Immobiliarexekutionsordnung einige wichtige materielle Rechtsnormen gleichfalls bereits berathen und festgestellt. In dem Entwurfe des Sachenrechts ist auf die für die Grundbuchordnung und für das Gesetz über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen beschlossenen Prinzipien, soweit es zum richtigen Verständniß des Entwurfs dienlich erschien, in besonderen Noten hingewiesen. 15. Berichte vom 4. 7. 1886 und vom 6. 7. 188753 Von einem Abdruck wird abgesehen, da die Berichte vom 4. 7. 1886 und vom 6. 7. 1887 nichts enthalten, was sich nicht schon aus den Kommissionsprotokollen ergibt. 16. Bericht vom 27.12.1887 anläßlich der Überreichung des 1. BGB-Entwurfs54 Euerer Durchlaucht habe ich die Ehre, den von der Kommission in erster Lesung festgestellten Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (eines Deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs) in mehreren Exemplaren zur hochgeneigten weiteren Veranlassung gehorsamst zu überreichen, indem in dieser Vorlegung zugleich folgende ehrerbietige Bemerkungen anzuschließen gestatte. . . .ss. Nach Erledigung des letzten, auf das Erbrecht sich beziehenden Theil-Entwurf s ist der ganze Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs von der Gesammtkommission nochmals zum Zweck der endgültigen Feststellung einer generellen Revision unterzogen, welche am 30. September 1887 begann und im Dezember 1887 zum Abschluß gelangt ist. Die Auf- und Feststellung des nunmehr vorliegenden Entwurfs erster Lesung hat somit die Thätigkeit der Gesammtkommission ungefähr 6 Jahre und

54

Die Berichte befinden sich im Zentralen Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 3873. Der Bericht ist veröffentlicht als Drucksache des Bundesrats Nr. 2 des Jahres 1888. Das Reichsjustizamt hat den Bericht erheblich gekürzt. Der Abdruck folgt der Bundesratsdrucksache. Die Auslassungen werden in den Fußnoten kenntlich gemacht. Pape bringt im folgenden eine Darstellung der Entstehungsgeschichte des 1. Entwurfs. Sie ist hier weggelassen, da diese Darstellung auf den vorhergehenden Berichten beruht, die sie nur zusammenfaßt. Von Bedeutung ist nur die Feststellung von Pape über die Arbeit des Redaktionsausschusses: „Die Berathungen des Ausschusses erfolgten auf Grundlage der von dem Vorsitzenden geordneten und in formulirter Fassung vorgelegten Beschlüsse der Gesammtkommission." 309

Materialien zur Entstehung des BGB 3 Monate in Anspruch genommen, während die Zeit vom September 1874 bis Oktober 1881 auf die mühsamen Vorarbeiten der Redaktoren verwendet ist. . . ,56. Die Beschlüsse des Bundesraths vom 22. Juni 1874 sehen vor, daß der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs mit Motiven vorzulegen sei. Die Motive sind vollständig enthalten in den von den Redaktoren ausgearbeiteten Motiven zu den Vor-Entwürfen, vornehmlich aber in den über die Berathungen der Kommission fortdauernd geführten S7 Protokollen . Eine besondere Wichtigkeit wohnt den Berathungs-Protokollen bei. Denn dieselben beschränken sich keineswegs auf Mittheilung der Debatten und gefaßten Beschlüsse, sondern es findet sich darin durchgehends die Aufzeichnung der Gründe, auf welchen die beschlossenen einzelnen Vorschriften sowie die Ablehnung der zur Aufnahme vorgeschlagenen, aber nicht angenommenen Bestimmungen beruhen. Diese Gründe sind, da jedes Protokoll alsbald nach der Aufnahme in einer Sitzung der Kommission verlesen und festgestellt ist, als von der letzteren gebilligt anzusehen. Unverkennbar ist das die Motive des vorliegenden Entwurfs umfassende Material ungewöhnlich umfangreich und von einer, die Orientirung erschwerenden Beschaffenheit. Es ist daher die Ausarbeitung von gedrängteren, die Uebersicht und Aufklärung erleichternden Motiven für sachgemäß erachtet. Die kürzeren, als ein Auszug aus dem gedachten vollständigen Motivenmaterial zu betrachtenden Motive sind von den Hülfsarbeitern der Kommission beschafft. . . ,58. Es mußte davon abgesehen werden, diese59 Motive der Prüfung und Genehmigung der Kommission zu unterbreiten, als deren Werk sie daher nicht unmittelbar und nur im beschränkten Sinne zu betrachten sind. Denn ein solches Verfahren würde voraussichtlich zu einer Art von einer neuen Lesung oder wiederholten Berathung des ganzen Entwurfs, wenn nicht darüber hinaus, geführt und ohne wesentlichen Nutzen zu stiften, eine außerordentlich beträchtliche Zeit in Anspruch genommen haben. Die kürzeren Motive sind noch nicht gedruckt; die Anordnung des Druckes ist vielmehr vorläufig noch ausgesetzt. Die Einführung des Entwurfs wird noch verschiedene Nebengesetze erforderlich machen. 1. In erster Reihe steht das nach den Beschlüssen des Bundesraths vom 22. Juni 1874 von der Kommission auszuarbeitende Einführungsgesetz. Dieses Gesetz ist insoweit vorbereitet, als von jedem Redaktor, im Einklänge mit den oben erwähnten Kommissionsbeschlüssen, für den ihm zur Bearbeitung überwiesenen Theil des Gesetzbuchs und, anlangend das Obligationenrecht, von dem Königlich württembergischen Landgerichtsrath Ege, unter Nachprüfung des Königlich preußischen Geheimen Ober-Justiz raths Dr. Kurlbaum II, ein Vor-Entwurf nebst Motiven ausgearbeitet ist. Aufgabe des Einführungsgesetzes wird sein, den Zeitpunkt zu bezeichnen, in welchem das bürgerliche Gesetzbuch in Geltung tritt, den räumlichen Geltungsbereich 56

Pape weist hier im einzelnen auf den Wechsel von Kommissionsmitgliedern und Hilfsarbeitern hin. Pape weist hier zunächst auf den beträchtlichen Umfang der Materialien hin. 58 Hier stellt Pape fest, daß bearbeitet sind die Motive zum Allgemeinen Teil von Börner, die Motive zum Schuldrecht von Ege, zum Teil von Struckmann, die Motive zum Sachenrecht von v. Liebe und von Achilles, die Motive zum Familienrecht von Struckmann, die Motive zum Erbrecht von Neubauer. „Die Ausarbeitung ist", so fährt Pape fort, „zum großen Theile nach Anleitung der Redaktoren und in Ansehung des Obligationenrechtes des Königlich Preußischen Geh. Ober-Justizrathes Dr. Kurlbaum II erfolgt". 59 Im Original steht an dieser Stelle „auch die kürzeren". 310

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

desselben zu bestimmen, den Begriff von Gesetz sowie den einem Vorbehalte für die Landesgesetze beiwohnenden Sinn zu verdeutlichen und die nur transitorischen, namentlich die auf die bestehenden oder noch schwebenden Rechtsverhältnisse sich beziehenden Rechtsnormen aufzustellen, dabei zugleich Vorsorge zu treffen, daß es in den Gebieten, deren bürgerlichem Rechte das dem Immobiliarsachenrechte des Entwurfs zu Grunde liegende Grundbuchsystem bisher fremd geblieben ist, während der Zeit bis zur Anlegung der Grundbücher für den Immobiliarverkehr an zureichenden transitorischen Rechtsnormen nicht fehle. Sodann aber wird das Einführungsgesetz die Frage, inwiefern das bisher geltende materielle Privatrecht durch das bürgerliche Gesetzbuch verdrängt und aufgehoben werde, also in welchem Umfang das bürgerliche Gesetzbuch auf dem Prinzip der Kodifikation beruhe, klar und bestimmt zu entscheiden haben. In dieser Hinsicht hat es auf der einen Seite Auskunft zu geben, inwiefern die bisherigen privatrechtlichen Reichsgesetze in Geltung bleiben, und betreffendenfalls welche Aenderungen und Ergänzungen sie erleiden, und auf der anderen Seite die privatrechtlichen Materien zu bezeichnen, in Betreff welcher das Landesrecht, sei es vollständig, sei es innerhalb gewisser Schranken, mit der Maßgabe seine Geltung behauptet, daß auch neue Landesgesetze zulässig sind. In beiderlei Beziehung verdient zur richtigen Würdigung des Entwurfs Folgendes hervorgehoben zu werden. a. Nach den Beschlüssen des Bundcsraths vom 22. Juni 1874 soll das bürgerliche Gesetzbuch sich zunächst auf das Handelsrecht nicht erstrecken. In dieser Hinsicht ist bestimmt, daß nach Vollendung des bürgerlichen Gesetzbuchs das deutsche Handelsgesetzbuch der Revision durch eine besondere Kommission zu unterziehen sei, über deren Zusammensetzung die weiteren Anordnungen vorbehalten sind. Zugleich ist der späteren Prüfung und Entscheidung vorbehalten, ob nicht überwiegende Zweckmäßigkeitsgründe es räthlich machen, verschiedene in das Handelsrecht einschlagende reichsrechtliche Spezialgesetze, insbesondere die Wechselordnung, das Gesetz über die Erwerbsund Wirthschaftsgenossenschaften, die Seemannsordnung nebst anderen seerechtlichen Einzelgesetzen, die auf das Urheberrecht, das Patent-, Marken-, Musterschutz-, Eisenbahn- und Bankwesen, unter Absehen von der Gewerbeordnung und von dem Postund Telegraphenrecht, unverändert oder in einer mit dem übrigen Inhalt des Handelsgesetzbuchs übereinstimmenden Gestalt in das letztere aufzunehmen, während das Versicherungsrecht, das Verlagsrecht und das Recht der Binnenschiffahrt bei der Revision des Handelsgesetzbuchs zu berathen und diesem jedenfalls einzuverleiben, dagegen die Rechtsnormen über die Inhaberpapiere schon bei der Berathung des bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen, vorbehaltlich der späteren Entscheidung, ob nicht die letzteren Rechtsnormen später in das Handelsgesetzbuch zu versetzen seien. Hieraus erklärt sich, daß der vorliegende Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs, abgesehen von den Vorschriften über die Inhaberpapiere, in Ansehung der vorstehend bezeichneten Materien sich schweigend verhält. Der Grund des Schweigens beruht zum Theil aber noch auf einem anderen und weitergreifenden Grundsatz, welcher in dem Einführungsgesetz seinen bestimmten Ausdruck finden wird, nämlich auf dem von der Kommission beschlossenen Grundsatz, daß überhaupt alle dem Gebiete des materiellen Privatrechts angehörenden reichsgesetzlichen Normen in Kraft bleiben, soweit nicht das bürgerliche Gesetzbuch und das Einführungsgesetz ein Anderes ergeben, daß umgekehrt das privatrechtliche Landesrecht, soweit nicht ein Anderes bestimmt sei, seine Geltung verliere. Der nachträglichen Prüfung und Entscheidung wird vorbehalten bleiben können, ob es nicht nach Lage der Dinge den Vorzug verdiene, die Revision des Handelsgesetzbuchs erst nach der Publikation des bürgerlichen Gesetzbuchs und während der jedenfalls geräumig zu bemessenden Zeit vorzunehmen, welche von dem Zeitpunkte der Publika311

Materialien zur Entstehung des BGB tion bis zu dem Tage verstreichen wird, wo das bürgerliche Gesetzbuch in Kraft treten soll. b. In Gemäßheit der Beschlüsse des Bundesraths vom 22. Juni 1874 soll das bürgerliche Gesetzbuch nicht allein das öffentliche Recht mit Einschluß des Strafrechts und Prozeßrechts übergehen, sondern auch noch auf verschiedene andere, an sich, sei es ganz oder theilweise, dem Gebiete des Privatrechts angehörende Materien sich nicht erstrecken. Als solche Materien sind bezeichnet: das Bergrecht, das Lehnrecht, das auf die (ablösbaren) Reallasten sich beziehende Recht, das Erbzins- und Erbpachtrecht, das die Emphyteusis betreffende Recht, das Recht der Stammgüter und Familienfideikommisse, das bäuerliche Güterrecht, das Forstrecht, Wasserrecht, Mühlenrecht, Flößereirecht, Fischereirecht, Jagdrecht, Deichrecht, Sielrecht, Baurecht (Nachbarrecht), Gemeinheitstheilungsrecht (Recht der Zusammenlegung der Grundstücke), Enteignungsrecht und Gesinderecht. Diese Materien sollen nach jenen Beschlüssen, vorbehaltlich gewisser Ausnahmen und Beschränkungen, dergestalt der Landesgesetzgebung überlassen bleiben, daß sowohl die bestehenden Rechtsnormen ihre Geltung behalten als auch neue Rechtsnormen im Wege der Landesgesetzgebung ergehen können. Der vorliegende Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs befaßt sich daher im Allgemeinen auch nicht mit den vorstehend genannten Materien, berührt sie vielmehr nur innerhalb enger Grenzen. Daß in Betreff derselben das Landesrecht unter gewissen Ausnahmen und Beschränkungen unberührt bleibt, wird, wie erwähnt, mit der erforderlichen Klarheit im Einführungsgesetz bestimmt werden, welchem auch die Bestimmung jener Ausnahmen und Beschränkungen, soweit solche nicht schon unmittelbar aus dem Gesetzbuche selbst sich ergeben, vorbehalten sind. c. Das Einführungsgesetz wird nach den vorliegenden Entwürfen noch einige andere das geltende Reichsrecht betreffende Vorschriften, sowie außer den bereits erwähnten noch einige andere Vorbehalte zu Gunsten des Landesrechts enthalten, namentlich zum Zweck der Aufrechterhaltung solcher landesgesetzlicher Rechtsnormen, welche im engsten Zusammenhange mit dem öffentlichen Rechte stehen, oder zum Zweck der Lösung von Zweifeln, welche in Ansehung der fortdauernden Geltung gewisser Rechtsnormen insofern sich erheben können, als sich deren privatrechtlicher Karakter in Frage stellen läßt. Diese Vorschriften und Vorbehalte einzeln aufzuführen, ist gegenwärtig und solange die Berathung des Einführungsgesetzes nicht abgeschlossen ist, nicht angänglich. Einige derselben ergeben sich übrigens schon aus verschiedenen, dem vorliegenden Entwurfe an den einschlagenden Stellen beigefügten Noten. d. Das Einführungsgesetz wird außerdem zu bestimmen haben, inwiefern die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs auf die privatrechtlichen Verhältnisse der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie der Fürstlichen Familie Hohenzollern keine Anwendung finden, und inwiefern die privatrechtlichen Verhältnisse der vormals reichsständischen, seit 1806 mittelbar gewordenen Familien nach besonderen, von den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs abweichenden Rechtsnormen zu beurtheilen sind. 2. Das Immobiliarsachenrecht, wie es im Entwurfe geregelt ist, erfordert die Erlassung einer über das formelle Verfahren in den Grundbuchsachen bestimmenden Grundbuchordnung. Diese eignet sich wegen ihres überwiegend reglementaren und formellrechtlichen Karakters nicht zur Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch, während es auf der anderen Seite bedenklich erscheint, sie in vollem Umfange dem Landesrechte zu überlassen, weil, wie die Berathung des Sachenrechtes ergeben hat und auch aus einigen Noten zum Texte des Entwurfs zu erkennen ist, verschiedene Vorschriften, welche als 312

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB Ordnungsvorschriften der Grundbuchordnung vorzubehalten waren, mit materiellrechtlichen Vorschriften des Entwurfs in so enger Verbindung stehen, daß sie ein im Wege der Reichsgesetzgebung zu sicherndes einheitliches Recht erfordern dürften, damit nicht die Einheitlichkeit des materiellen Sachenrechts gefährdet werde. Es versteht sich von selbst, daß das die Grundbuchordnung enthaltende Reichsgesetz sich in engen Schranken halten und durchgehende das nur Reglementare der Landesgesetzgebung oder Landesjustizverwaltung zur Erledigung überlassen kann. Der Entwurf einer solchen Grundbuchordnung nebst Motiven ist von dem Redaktor des Sachenrechts bereits ausgearbeitet und zur Vorlage gebracht60. 3. Die Civilprozeßordnung enthält nur wenige und dürftige Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, während sie die Zwangsvollstrekkung in das übrige Vermögen sowohl in formeller als materieller Hinsicht mit geringen Ausnahmen erschöpfend geregelt hat. Der Grund jener Unvollständigkeit liegt darin, daß die Verschiedenheit des im Deutschen Reich geltenden materiellen Immobiliarsachenrechts der einheitlichen Gestaltung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen kaum zu bewältigende Hindernisse bereitete. Der vorstehende Grund wird mit der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs sich erledigen und damit als im höchsten Maße sachdienlich sich ergeben, die in der Civilprozeßordnung sich findende Lücke durch ein besonderes Reichsgesetz über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen auszufüllen. Dies tritt um so deutlicher hervor, als einigen sachenrechtlichen Vorschriften des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuchs, worauf auch in einigen Noten zum Texte des Entwurfs hingewiesen ist, die Voraussetzung zu Grunde liegt, daß für die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen gewisse Rechtsnormen gelten. Es war in Frage gekommen, ob es nicht rathsam sei, die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, soweit diesen Vorschriften ein materiellrechtlicher Karakter beiwohnt, entsprechend dem von dem Redaktor des Sachenrechts ausgearbeiteten Sachenrechts-Entwurfe in den Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs aufzunehmen. Aber der Gedanke mußte aufgegeben werden, weil der bezeichnete Weg eine aus praktischen Gründen mißliche und auch schwer durchführbare Trennung der materiellrechdichen und formellrechtlichen Rechtsnormen erheischt, bei einer ebenso wichtigen als schwierigen Materie durch Zersplitterung der gesetzlichen Vorschriften die Uebersichtlichkeit und Verständlichkeit des geltenden Rechts stört und dessen praktische Handhabung in bedenklicher Weise erschwert. Die Vertheilung der Rechtsnormen in verschiedene Gesetze steht auch nicht im Einklänge mit dem von den modernen sogenannten Subhastationsgesetzen befolgten und dem von der Civilprozeßordnung in Ansehung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen eingehaltenen Systeme. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die Erlassung eines besonderen Reichsgesetzes über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen insofern nicht unwesentlich erleichtert ist, als derartige Gesetze jüngst in Preußen, Bayern und Sachsen erlassen sind, Gesetze, welche in den hauptsächlichen Grundsätzen sowohl unter sich als mit den einschlagenden Vorschriften des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuchs harmoniren und nach zuverlässigen Nachrichten in der Praxis sich als wohlthätig erwiesen haben. (Zu vergleichen preußisches Gesetz über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 13. Juli 1883 [Gesetz-Samml. S. 131];

Der Entwurf ist 1888 von der 1. Kommission noch beraten worden: der von der Kommission dem Reichskanzler zugeleitete Entwurf wurde dem Bundesrat als Drucksache Nr. 2 der Session 1888 vorgelegt und mit Motiven ebenfalls noch 1888 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (vgl. oben S. 8 f.). 313

Materialien zur Entstehung des BGB

bayerisches Gesetz über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 23. Februar 1879 [Gesetz- und Verordnungsbl. S. 203] mit dem Aenderungsgesetze vom 29. Mai 1886 [Gesetz- und Verordnungsbl. S. 239]; sächsisches Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 15. August 1884 [Gesetz- und Verordnungsbl. S. 223]). Die Ausarbeitung des Entwurfs eines Reichsgesetzes über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist von dem Redaktor des Sachenrechts bereits in Angriff genommen. Die auf die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sich beziehenden materiellrechtlichen Vorschriften, welche der das Sachenrecht umfassende Entwurf dieses Redaktors enthalten hat und von deren Berathung aus dem obigen Grunde abgesehen ist, werden, soweit sie nicht nach dem vorliegenden Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs zu ändern oder aufzugeben sind, in jenem neuen Entwurf ihre Stelle finden61. 4. Das Verfahren in den Angelegenheiten der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit bildet mindestens in seinem vollen Umfange an und für sich keinen Gegenstand des materiellen bürgerlichen Rechts. Es hat daher in dem vorliegenden Entwurf nur insofern eine Regelung erfahren, als es mit materiellen Rechtsnormen in einem nicht zu lösenden Zusammenhang steht, wie z. B. bei den Vorschriften über Errichtung der Testamente und bei einer Gruppe von Vorschriften, welche die Eheschließung, das Vormundschaftswesen und die behördliche Mitwirkung in Erbschaftsfällen betreffen. Im Uebrigen wird also die unter Nr. 2 gedachte Grundbuchordnung außer Betracht gelassen, in Ansehung des Verfahrens in Angelegenheiten der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit das Landesrecht maßgebend bleiben. Allein es fragt sich doch, ob nicht der Einheitlichkeit des materiellen Rechts eine gewisse Gefahr drohe, wenn nicht in der fraglichen Beziehung noch etwas weiter gegangen werde. Insbesondere möchte es sich zur Abwendung jener Gefahr empfehlen, im Wege der Reichsgesetzgebung einheitliche Vorschriften zu erlassen über die örtliche Zuständigkeit der Behörden, über die Zulässigkeit der Abänderung der Verfügungen, Beschlüsse und Entscheidungen, deren Zustellung, Wirksamkeit, Anfechtung und Rechtskraft. Vorschriften dieser Art eignen sich wegen ihres formellrechtlichen Karakters und weil sie mit den civilprozeßrechtlichen Normen verwandt sind, ebensowenig wie die letzteren zur Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch. Betreffend die Grundbuchsachen, so hat der von dem Redaktor des Sachenrechts vorgelegte Entwurf der Grundbuchordnung das Erforderliche vorgesehen. Anlangend die Vormundschaftssachen und die sonstigen das Familienrecht betreffenden Angelegenheiten, so hat der Redaktor des Familienrechts einen sehr ausführlichen Entwurf eines Reichsgesetzes über das Verfahren in solchen Sachen unter Beifügung von Motiven zur Vorlage gebracht. Mit der Kommission davon ausgegangen, daß die reichsgesetzliche Regelung auf dasjenige zu beschränken sei, was unerläßlich erscheint, um der gedachten Gefahr vorzubeugen, wird der von dem Redaktor des Familienrechts vorgelegte Entwurf in nicht unerheblichem Maße zu vereinfachen und in der vereinfachten Gestalt auf die noch übrigen Extrajudizialsachen, namentlich die Nachlaßsachen, auszudehnen sein, wobei auch die Berücksichtigung der Grundbuchsachen nicht ausgeschlossen wäre. Die Kommission hat beschlossen, daß in der hieraus sich ergebenden Weise

Der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist 1888/89 von der 1. Kommission noch beraten worden. Der von der Kommission verabschiedete Entwurf wurde 1889 als Bundesratsdrucksache Nr. 38 der Session 1889 dem Bundesrat zugänglich gemacht und mit Motiven der Öffentlichkeit übergeben. 314

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

der in Rede stehende Gegenstand bei Berathung der erwähnten Entwürfe zu erledigen sei62. 5. In Folge der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs werden verschiedene Aenderungen und Ergänzungen der Reichs-Civilprozeßordnung und der Reichs-Konkursordnung unerläßlich, sei es, um das in den beiden Prozeßordnungen enthaltene materielle Prozeßrecht oder auch diese oder jene Prozedurnormen mit den einschlagenden Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs in den erforderlichen Einklang zu bringen, sei es zur Hebung von Zweifeln, inwiefern gewisse Vorschriften der Prozeßordnungen als durch das bürgerliche Gesetzbuch aufgehoben oder geändert anzusehen seien, sei es endlich zur Beseitigung von Unvollständigkeiten, welche wegen der bisherigen Verschiedenheit des materiellen Privatrechts bei Aufstellung der Prozeßordnungen mitunter sich als unvermeidlich ergaben. So enthält, um nur ein wichtiges Beispiel zu erwähnen, die Konkursordnung keine zureichenden Vorschriften über den Umfang der Immobiliarmasse sowie den Umfang und die Rangordnung der aus der Immobiliarmasse zu berichtigenden Ansprüche, verweist in dieser Hinsicht vielmehr auf die Reichsgesetze und die vorzugsweise in Betracht kommenden Landesgesetze (§. 39 der Konkursordnung). Die desfallsige Unvollständigkeit der Konkursordnung beruht auf demselben Grunde, welcher bei Aufstellung der Civilprozeßordnung von der vollständigen Regelung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen abgehalten hat. Die nach dem Vorstehenden erforderlichen Aenderungen und Ergänzungen der beiden Prozeßordnungen sind zu keinem kleinen Theile in den vorliegenden Entwurf selbst aufgenommen, die meisten aber dem Einführungsgesetze beziehungsweise in Ansehung der vorerwähnten Unvollständigkeit der Konkursordnung dem Gesetze über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vorbehalten, viele derselben jedoch in Noten zum Texte des Entwurfs, oft unter genauer Bezeichnung ihres Inhalts, bereits angekündigt63. Ob es aber nicht angemessener sei, aus Anlaß der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs die beiden Prozeßordnungen oder auch noch das eine oder andere Reichsgesetz, insbesondere das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 23) einer vollständigen Revision und neuen Redaktion zu unterziehen, darüber möchte erst befunden werden können, wenn der Inhalt des bürgerlichen Gesetzbuches endgültig feststeht. 6. Eine nicht geringe Wichtigkeit ist der in der neueren Zeit und erst nach den Beschlüssen des Bundesraths vom 22. Juni 1874 vielfach erörterten reichsgesetzlichen Regelung der besonderen Erbfolge in die landwirthschaftlichen Grundstücke beizumessen. Die Kommission ist nach sorgfältiger Prüfung des in Betracht kommenden, im reichsten Maße ihr zugänglich gewordenen Materials zu der Ueberzeugung gelangt, daß es unstatthaft ist, für das ganze Gebiet des Reichs im Wege der Reichsgesetzgebung eine besondere Erbfolge in die landwirthschaftlichen Grundstücke einzuführen. Es giebt ohne Zweifel und, wie allgemein anerkannt wird, im Deutschen Reich nicht wenige Gebiete, für welche in solches Gesetz nicht paßt. Ist dies richtig, so kann das fragliche Gesetz auch nur für bestimmte Gebiete des Reichs erlassen werden, die Bezeichnung dieser Gebiete aber wegen Verschiedenheit der maßgebenden, der Prüfung durch die

63

Eine Beratung des Planckschen Entwurfs hat nicht mehr stattgefunden. Zum weiteren Gesetzgebungsverfahren vgl. oben S. 9f. Zur Revision der CPO und der KO vgl. oben S. 5f. 315

Materialien zur Entstehung des BGB

Organe der Reichsgesetzgebung sich mehr oder weniger entziehenden Verhältnisse nur auf dem Wege der Landesgesetzgebung erfolgen. Reichsgesetzlich kann unter den obwaltenden Umständen die Aufstellung der betreffenden erbrechtlichen Normen nur unvollkommen und namentlich mit dem Vorbehalte bewirkt werden, daß dieselben nur dann und insoweit Anwendung finden, als deren Geltung für das ganze Gebiet oder gewisse Gebietstheile eines Bundesstaates durch Landesgesetz bestimmt wird, wobei zugleich der Landesgesetzgebung noch die Befugniß gewahrt bleiben muß, die eine oder andere Rechtsnorm zu modifiziren oder von der Anwendung auszuschließen. Nach diesem Standpunkte gehören die in Frage kommenden reichsgesetzlichen Rechtsnormen systematisch nicht in das bürgerliche Gesetzbuch, sondern in das Einführungsgesetz. Das letztere wird daher besondere Rechtsnormen über die Erbfolge in die landwirthschaftlichen Grundstücke mit der Vorschrift enthalten, daß dieselben nur für die Gebiete in Kraft träten, für welche ihre Geltung durch die Landesgesetzgebung bestimmt werde. Sollte es gleichwohl aus anderen Gründen den Vorzug verdienen, über jenen systematischen Grund hinwegzusehen und die gedachten Rechtsnormen dem bürgerlichen Gesetzbuche selbst mit den geeigneten Vorbehalten für die Landesgesetze, namentlich etwa mit dem Vorbehalte einzuverleiben, daß der Landesgesetzgebung überlassen bleibe, die Geltung derselben für das ganze Staatsgebiet oder einige Theile des letzteren auszuschließen, so würde nichts entgegenstehen, die Vorschriften aus dem Einführungsgesetze zu entfernen und am Schlüsse des bürgerlichen Gesetzbuchs inzustellen, so daß sie in passender Weise den letzten Abschnitt des das Erbrecht enthaltenden Theils des Gesetzbuchs bilden würden. Hervorzuheben ist noch, daß der Entwurf Vorschriften über das internationale Privatrecht nicht aufgenommen hat. Die Kommission erachtete es für zweifelhaft, ob Vorschriften dieser Art zur Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch sich eignen; sie glaubte sich des Urtheils hierüber, weil die Entscheidung zu nicht geringem Theile von politischen Erwägungen abhänge, enthalten zu müssen. Gleichwohl sind von der Kommission Vorschriften, welche das internationale Privatrecht betreffen, berathen und festgestellt. Diese von der Kommission beschlossenen, aus 26 Paragraphen bestehenden Vorschriften sind in einer besonderen Beilage in mehreren Exemplaren beigefügt64, indem die Entscheidung anheimgestellt wird, ob sie dem Entwurfe einzuverleiben seien oder nicht und ob sie im letzteren Falle auch bei der Publikation des Entwurfs von der Veröffentlichung auszuschließen wären. Der Entwurf wird an keiner Stelle einer Aenderung bedürfen, wenn das Gesetzbuch Vorschriften über das internationale Privatrecht nicht enthalten soll. Möchte aber die Entscheidung dahin ausfallen, daß der Entwurf durch Aufnahme solcher Vorschriften zu ergänzen sei, so würden die in der besonderen Beilage enthaltenen, von der Kommission beschlossenen Vorschriften, ohne daß der Entwurf auch in diesem Falle einer Korrektur bedürfte, in einem besonderen sechsten, mit der Ueberschrift „Räumliche Herrschaft der Rechtsnormen" zu versehenden Buche am Schlüsse des Entwurfs aufgenommen werden können. Vorschriften über die zeitliche Kollision der Gesetze sind im Entwurfe übergangen, weil nach der Ansicht der Kommission allgemeine Vorschriften solcher Art sich kaum aufstellen lassen, indem vielmehr bei jedem neuen Gesetze konkret geprüft werden muß, ob und inwieweit ihm nach seinem Inhalte und nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers rückwirkende Kraft oder Wirksamkeit für die bestehenden oder noch 64

Dem Bundesrat als Beilage zum „Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich" zugeleitet (Drucksache Nr. 2 der Session 1888). Zur Entstehung dieser Bestimmungen über das IPR vgl. die Quellenedition von Hartwieg-Korkisch und den Quellenband der vorliegenden Edition zum EG-BGB.

316

D. Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des BGB

schwebenden Rechtsverhältnisse beizumessen sei. Wie es in dieser Beziehung mit dem bürgerlichen Gesetzbuche sich verhalte, wird das Einführungsgesetz in umfassender Weise bestimmen. Seine desfallsigen Vorschriften können übrigens für die Auslegung und Anwendung anderer Reichsgesetze unter Umständen von nicht geringem Belange werden. Euerer Durchlaucht stelle ich gehorsamst anheim, den von der Kommission in erster Lesung festgestellten Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich an den Bundesrath zu leiten, dessen früheren Beschlüssen es entsprechen würde, wenn dieser Entwurf nicht allein den einzelnen Bundesregierungen zur Prüfung und Aufstellung etwaiger Erinnerungen mitgetheilt, sondern auch, um die Ansichten weiterer Kreise über den Entwurf zu erfahren, durch die Presse mit einer geeigneten Aufforderung zur Kritik veröffentlicht würde. Bei einer solchen Veröffentlichung würden die in dem Entwurfe vor den einzelnen Paragraphen in Klammern stehenden und unter den einzelnen Paragraphen sich findenden Hinweisungen65 unterdrückt werden können. Die Kommission wird, sofern nicht anderweite Anordnungen ergehen, die bereits begonnene Berathung des Einführungsgesetzes fortsetzen und sich sodann zur Berathung der oben unter Nr. 2, 3, 466 bezeichneten Nebengesetze wenden.

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Diese ist auch geschehen. Der dem Bundesrat zugeleitete BGB-Entwurf enthält Hinweise auf die Teilentwürfe, die Vorläufige Zusammenstellung, den Kommissions-Entwurf und die Protokolle der 1. Kommission (vgl. unten S. 322 f., Fn. 9). Der unter Ziff. 4 genannte Entwurf ist nicht mehr beraten worden. 317

Materialien zur Entstehung des BGB

E. Die Vorbereitung der 2. Lesung des BGB-Entwurfs und Einsetzung der 2. Kommission I. 1. Schreiben des Reichskanzlers (Reichsjustizamt) vom 6. 12. 1887 an Bayern1 über die weitere Behandlung des 1. BGB-Entwurfs . . . Es ist nun m. E. nicht darauf zu rechnen2, daß die bestehende Kommission ohne Veränderung ihres Mitgliederbestandes in die zweite Lesung eintreten und dieselbe zu Ende führen kann. Vermuthlich wird der Entwurf nach einer Veröffentlichung ziemlich lebhafter Kritik begegnen. Es fehlt im Deutschen Juristenstande, namentlich unter den Professoren nicht an Elementen, welche den an sich löblichen Ehrgeiz besitzen, bei der ferneren Ausarbeitung des Gesetzbuches zur Rathe gezogen zu werden. Sie werden es an Kundgebungen in der Fach- und Tagesliteratur nicht fehlen lassen, um die öffentliche Meinung für die Notwendigkeit der Hereinziehung neuer juristischer Kräfte zu interessieren. Sollten sich auch die verbündeten Regierungen gegen solche Bestrebungen verschließen, so würde sich doch im Laufe der Jahre ein Ersatz ausscheidender Mitglieder kaum vermeiden lassen, zumal einige der gegenwärtigen Mitglieder den Wunsch haben sollen, sich von der weiteren Mitarbeit zurückzuziehen. Ich habe nun aber die Besorgniß, daß jede, auch nur theilweise Umgestaltung der Kommission für den Abschluß des Werks gefährlich werden könnte (wie ich denn aus dem gleichen Grunde einen Ersatz für den vor 3 Jahren ausgeschiedenen Professor v. Windscheid nicht angeregt habe). Der jetzt vorliegende, an das bestehende Recht sich anschließende Entwurf bietet eine gediegene Grundlage dar, auf welcher m. E. fortgebaut werden muß. Eine erneute Berathung in der Kommission unter Mitwirkung anderer als der bisherigen Mitglieder könnte leicht zu unlöslichen Differenzen führen oder, wenn ein neuer Entwurf zu Stande kommt, demselben eine für die Regierungen unannehmbare Gestalt geben. Ein zweites Bedenken, welches ich gegen den Vorschlag der Vorkommission3 hege, betrifft die Betheiligung der Regierungen an der zweiten Lesung. Mir scheint es der Stellung der Regierungen nicht zu entsprechen, wenn sie darauf verwiesen sein sollen, ihre Bedenken und Abänderungsvorschläge der Gesetzbuchs-Kommission, in welcher sie als solche nicht vertreten sind, zur Prüfung und Beschlußfassung zu unterbreiten. Ueberdies halte ich den Weg einer lediglich schriftlichen Stellungnahme für unpraktisch. Wenn alle Bundesregierungen sich einzeln ohne Berührung unter einander schriftlich äußern sollen, so würde, zumal ja nicht bloß die Justizministerien, sondern auch Zitiert nach einer Abschrift in den Akten des Preußischen Justizministeriums, Geh. StA BerlinDahlem, Rep. 84a, Nr. 11773. Vor dieser Anfrage hatte sich der Reichskanzler mit dem preußischen Justizminister in Verbindung gesetzt. Dieser hatte die Ansichten des Reichskanzlers gebilligt. Im Eingang des Briefes weist Bismarck zunächst darauf hin, daß man sich nach der Ausarbeitung des E I über die „fernere geschäftliche Behandlung des Entwurfs schlüssig machen müsse". Es gehe vor allem um die Frage, ob man die bisherige Kommission auflösen solle oder nicht. Er stellt fest, daß dieser Brief nur seine persönlichen Ansichten wiedergebe. Unter Hinweis auf die Vorschläge Nr. IX der Vorkommission (vgl. oben S. 183 f.) entwickelt dann der Reichskanzler seine Vorschläge. 3 Vgl. oben S. 183 f. (Nr. IX). 318

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

andere Ressorts der Staatsverwaltung betheiligt sind, sich ein großes Material von Erinnerungen und Vorschlägen aufhäufen, unter welchen sich viele mißverständliche oder geradezu aussichtslose befinden würden. Die Zusammenstellung und Sichtung dieses Stoffes dürfte einen kaum lohnenden Zeitaufwand erfordern. Hiernach dürfte schon das praktische Bedürfniß auf eine Einrichtung hinweisen, wonach ein mündlicher Meinungsaustausch von Vertretern der verbündeten Regierungen sowohl unter einander als mit den Mitgliedern der bisherigen Kommission stattfindet. Es lassen sich verschiedene Wege denken, um zu einer solchen Berathungsweise zu gelangen. Der einfachste würde darin bestehen, daß der Bundesrath einem Ausschusse den Auftrag ertheilt, den Entwurf einer Durchberathung unter Zuziehung der Mitglieder der Civilgesetzbuch-Kommission (oder eines Ausschusses aus denselben) zu unterwerfen. Sollte es für angemessen erachtet werden, dabei noch andere juristische Capazitäten zu betheiligen, so würde, wie dies bei einer Berathung, deren Leitung die Regierungen in der Hand haben, nicht besonders bedenklich erscheinen. Es läßt sich nicht verkennen, daß eine solche Verschmelzung der s. g. zweiten Lesung mit der Ausschußberathung des Bundesrathes einen erheblichen Zeitgewinn zur Folge haben würde. Die in Aussicht stehende Verlängerung der Legislatur-Perioden des Reichstags ist für das Zustandekommen des Gesetzbuchs recht günstig. Um aber diese Gunst der Verhältnisse auszunutzen, wird man die Vorlage an den Reichstag schon im ersten, spätestens aber im zweiten Jahr der mit dem Jahr 1889/90 beginnenden neuen Legislaturperiode bewirken müssen. Dies wird sich nicht erreichen lassen, wenn die zweite Lesung in der Kommission und die Berathung im Bundesrath als von einander getrennte Akte vorausgehen müssen. Werden dagegen beide Akte mit einander verschmolzen, so würde die Berathung vielleicht schon im Winter 1888/89 beginnen können. Jedenfalls würde es wohl möglich sein, die Berathung bis zum Frühjahr 1890 und noch so rechtzeitig zu Ende zu führen, daß der Reichstag noch mit der Vorlage befaßt werden und zu deren Berathung eine perennirende Kommission wählen könnte, ohne welche die Sache im Reichstag doch nicht durchzubringen sein wird. Entschuldigen Euere Excellenz die Weitläufigkeit meiner vorstehenden Bemerkungen, welche übrigens, wie ich wohl fühle, die Sache noch keineswegs erschöpfen. Es werden vielmehr, wenn es gelingen sollte, eine Einigung der Königlich Bayerischen und der Preußischen Regierung über die im Allgemeinen zu befolgende Methode zu erzielen, noch manche Detail-Fragen zu erwägen und zu erledigen sein. Da ich indessen vielleicht hoffen darf, daß Euere Excellenz nach erfolgter Einreichung des Entwurfs an den Bundesrath Sich Selbst nach Berlin begeben werden — was mir persönlich zur größten Freude gereichen würde — so werden jene sekundären Fragen einer mündlichen Besprechung vorbehalten bleiben können . . .4 2. In der Antwort aus München vom 24. 12. 1887s heißt es, daß Bayern damit einverstanden sei, „daß die Berathung des Entwurfs in Im folgenden geht das Schreiben noch auf das Problem einer ADHGB-Revision ein; eine Totalrevision, für die kein Bedürfnis bestehe, würde Jahre dauern „bei den weitgehenden Ansprüchen des Handelsstandes, an der Ausarbeitung betheiligt zu sein". Dann könne das BGB in diesem Jahrhundert nicht mehr in Kraft treten. Es wird vorgeschlagen, das ADHGB im Rahmen des EG-BGB zu revidieren. Auch das Verlagsrecht und das Binnenschiffahrtsrecht seien zu revidieren. Abschrift des Schreibens in der in Fn. l genannten Akte. — Bayern hatte, wie dem Schreiben zu entnehmen ist, mit Justizministern anderer Bundesstaaten Fühlung genommen. Diese waren weitgehend der gleichen Ansicht wie Bayern. 319

Materialien zur Entstehung des BGB

einem Ausschusse des Bundesrathes unter Zuziehung von Mitgliedern der Zivil-Gesetzbuch-Kommission einerseits den verbündeten Regierungen die ihnen gebührende Einflußnahme sichert, andererseits den Kommissionsmitgliedern neben der Gelegenheit, die von ihnen selbst gewünschten Verbesserungen anzuregen, die Möglichkeit bietet, auf die Wahrung der Einheitlichkeit des Gesetzgebungswerks hinzuwirken"6. 3. Schreiben des Staatssekretärs im Reichsjustizamt von Schelling an den Reichskanzler Bismarck vom 12.1.18886a Nachdem der von der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs in erster Lesung aufgestellte Entwurf dem Bundesrathe vorgelegt worden ist, wird zunächst die Frage zu entscheiden sein, in welcher Weise eine zweite Lesung des Entwurfs vorzunehmen und insbesondere ob die bisherige Kommission damit zu befassen sein wird. Die sogenannte Vorkommission, welche vom Bundesrath im Jahre 1874 zu Vorschlägen über Plan und Methode für die Aufstellung des Entwurfs berufen war, hat in ihrem Gutachten vom 15. April 1874 (Nr. 53 der Drucksachen) vorgeschlagen, daß der von der Gesetzbuchskommission ausgearbeitete Entwurf erster Lesung nebst Motiven veröffentlicht und den Bundesregierungen mitgetheilt, daß sodann nach einem angemessenen Zeitraum die von Seiten der Bundesregierungen und anderweitig erhobenen Bedenken oder Abänderungsvorschläge durch Referenten der Kommission zusammengestellt werden, demnächst die zweite Lesung des Entwurfs durch diese Kommission stattfinden und daß der so festgestellte Entwurf dem Bundesrath überreicht werden sollte. Die Vorschläge jener Vorkommission, von welchen die bezeichneten nur einen untergeordneten Theil bildeten, hat der Bundesrath auf Grund der von dem Ausschusse für Justizwesen unterm 9. Juni 1874 erstatteten Bericht (Nr. 78 der Drucksachen) in der Sitzung vom 22. Juni 1874 (Protokolle § 328) „im allgemeinen" gebilligt. Bei der jetzigen Lage der Sache erheben sich aber Bedenken, gegen die damals in Aussicht genommene Beibehaltung der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs. Nach Veröffentlichung des Entwurfs werden nicht bloß die Vertreter der Rechtswissenschaft und die zur Rechtspflege berufenen Richter, Anwälte und Notare, sondern auch die Vertreter wirthschaftlicher Interessen mit ihren Urtheilen und Vorschlägen hervortreten, und es dürfte sich empfehlen, die Berücksichtigung dieser Aeußerungen nicht in das Stadium der Verhandlungen des Reichstages zu verlegen, sondern dieselben schon für die Entscheidungen des Bundesrathes nutzbar zu machen. Man kann gewiß sein, daß es an Kundgebungen in der Fach- und Tagesliteratur sowie in Interessentenkreisen nicht fehlen wird. Vorbereitungen dazu sind bereits mehrfach getroffen. Die Verwertung dieser Aeußerungen, auf welche sich die zweite Lesung wesentlich erstrecken und stützen muß, der Kommission zu überlassen, dürfte schon deshalb nicht rathsam sein, weil die Interessentenkreise die volle Unbefangenheit der zur Würdigung ihrer Anträge berufenen Instanz beanspruchen können, diese

Bayern meinte, daß schwerwiegende Gründe dafür sprächen, die Beratung schon möglichst bald beginnen zu lassen. Allerdings sollte die Zeit für eine kritische Beschäftigung mit dem Entwurf nicht „zu sehr verkürzt" werden. Bei dem ADHGB, der CPO und der KO werde man sich auf Ergänzungen beschränken können. 6a ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 3811, fol. 32 ff. (Wiedergabe nach dem von v. Schelling unterzeichneten Konzept, das Hagens entworfen hatte). 320

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

Eigenschaft aber der Kommission, gegen deren Arbeit sich jene Anträge richten, schwerlich beigemessen werden wird. Dazu kommt, daß die Wünsche der Interessentenkreise, wesentlich aber die Ausstellungen, zu welchen sich die Regierungen veranlaßt sehen möchten, sich überwiegend nicht auf juristisch-technischem, sondern auf wirthschaftlichem Gebiete bewegen und allgemeine politische Gesichtspunkte berühren werden, so daß für ihre Berücksichtigung die nur aus Juristen zusammengesetzte Kommission, wie vorzüglich auch ihre Arbeit vom juristischen Standpunkt ist, schwerlich das unentbehrliche Vertrauen finden wird. Auch scheint es mir der Stellung der Regierungen nicht zu entsprechen, wenn diese dem Vorschlage der Vorkommission zufolge darauf angewiesen sein sollen, der Gesetzbuchskommission ihre Bedenken und Abänderungsvorschläge zur Prüfung und Beschlußfassung zu unterbreiten. Ueberdies halte ich den Weg einer lediglich schriftlichen Stellungnahme für unpraktisch. Wenn alle Bundesregierungen sich einzeln ohne Berührung unter einander schriftlich äußern sollen, so würde, zumal ja nicht nur die Justizministerien, sondern auch andere Ressorts der Staatsverwaltung betheiligt sind, sich ein großes Material von Erinnerungen und Vorschlägen anhäufen, unter welchen sich viele mißverständliche oder geradezu aussichtslose befinden würden. Die Sichtung dieses Stoffes würde einen kaum lohnenden Zeitaufwand erfordern. Hiernach dürfte das praktische Bedürfniß, um den Regierungen die ihnen gebührende Einflußnahme, den Interessentenkreisen die angemessene Berücksichtigung ihrer Wünsche und zugleich dem Werke den ungehemmten Fortgang zu sichern, auf eine Einrichtung hinweisen, nach welcher die zweite Lesung als unmittelbare Grundlage für die Beschlußfassung des Bundesraths und in Verbindung mit ihr, sei es im Justizausschuß selbst oder in einer besonderen Konferenz, von Vertretern der verbündeten Regierungen im mündlichen Meinungsaustausch vorgenommen würde, wobei durch Zuziehung von einzelnen Mitgliedern der bisherigen Kommission den Verfassern des Entwurfs Gelegenheit geboten werden könnte, ihrerseits auf die eingegangenen Kritiken und hervorgetretenen Aenderungsvorschläge sich zu erklären und die Einheitlichkeit des Gesetzgebungswerks zu wahren. Einer solchen Einrichtung bestimmte Gestalt zu geben, kann späterer Entschließung vorbehalten werden, da zunächst der Kritik des Entwurfs ein angemessener Zeitraum zu gewähren ist und in die weitere Berathung desselben keinesfalls vor dem nächsten Winter eingetreten werden kann. Dagegen drängt die Entscheidung über Beibehaltung oder Auflösung der bisherigen Kommission. Dieselbe ist zur Zeit noch mit Feststellung der für die Einführung des Gesetzbuchs nothwendigen Bestimmungen beschäftigt. Mit dem Abschluß dieser Arbeiten dürfte ihre Aufgabe für erledigt zu erachten sein, da die Sammlung und Zusammenstellung der für die zweite Lesung bestimmten Aeußerungen und Vorschläge durch das Reichsjustizamt erfolgen kann, welches noch nicht bestand, als im Jahre 1874 der Bundesrath die oben bezeichneten Beschlüsse faßte. Es dürfte angemessen sein, wegen Auflösung der GesetzbuchsKommission zunächst mit den Regierungen der größeren Bundesstaaten in's Einvernehmen zu treten, und bitte ich Euere Durchlaucht gehorsamst, mich hierzu ermächtigen zu wollen. Nach vertraulichen Aeußerungen der Herren Justizminister von Preußen und Bayern glaube ich annehmen zu dürfen, daß dieselben meine vorstehend dargelegte Auffassung theilen.

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Materialien zur Entstehung des BGB 4. Schreiben der Reichskanzlei an den Staatssekretär im Reichsjustizamt von Schelling vom 25.1.18886b Euerer Excellenz beehre ich mich unter Bezugnahme auf das hochgeneigte Schreiben vom 12. d. Mts., No. 142, das Einverständniß des Herrn Reichskanzlers damit ergebenst mitzutheilen, daß die zweite Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches der bisherigen Commission nicht übertragen, und letztere also aufgelöst werde. Se. Durchlaucht stellt Euerer Excellenz demgemäß anheim sich zu diesem Zwecke mit den betreffenden Bundesregierungen in Verbindung zu setzen, (gez. Rottenburg.) II. 1. Bericht von Heller vom 24.1. 1888 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 24. 1.18887 . . . wunschenswerth wäre allerdings gewesen8, daß der Entwurf mit einer Begründung versehen werde, welche sich als ein Werk der Kommission betrachten ließe. Wie die Sache aber nun einmal liege, werde man sich dabei bescheiden müssen, daß eine solche Begründung nicht vorliege. Es stehe wohl außer Zweifel, daß die Ausarbeitung einer dem angedeuteten Erfordernisse entsprechenden Begründung den Eintritt des Stadiums, in dem man sich jetzt befinde, noch um einen sehr erheblichen Zeitraum hinausgeschoben haben würde. Gleichwohl werde man, wenn die Veröffentlichung des Entwurfs den beabsichten Zweck erreichen und nicht dazu führen solle, den Entwurf in vielen seiner Theile einer schiefen Beurtheilung auszusetzen, nicht davon absehen können, ihm das zu seiner Erläuterung dienende Material mit auf den Weg zu geben. Die Berathungsprotokolle seien zu umfangreich, als daß sie sich jetzt, wo es auch an einer Beschleunigung der Veröffentlichung viel gelegen sei, zur Veröffentlichung eigneten. Überdies würden zu einem Verständnisse wohl auch die Veröffentlichung der Vorentwürfe samt Motive erforderlich sein. Der außerordentlich große Umfang dieser Arbeiten lasse die Veröffentlichung als nicht thunlich erscheinen. Es erübrige daher nichts anderes, als mit dem Entwurfe die von den Hilfsarbeitern der Kommission ausgearbeitete Darstellung der Motive zum Gegenstand der Veröffentlichung zu machen. Mein erster Antrag ginge daher dahin, dem Bundesrate Beschlußnahme dahin vorzuschlagen, daß der Entwurf und die bezeichnete Begründung veröffentlicht werden. Was die Form der Veröffentlichung betreffe, so würden die hinter den Paragraphenziffern des Entwurfs und unter dem Texte der Paragraphen sich findenden Hinweisungen wie auch die unter dem Texte der Anmerkungen stehenden Hinweisungen9 zu Original im Zentralen Staatsarchiv Potsdam, Reichs Justizministerium, Nr. 3811, fol. 47. Geh. Staatsarchiv München M A 76 707/2. Heller trug als Berichterstatter dem Ausschuß vor, die Drucksache Nr. 53 von 1874 sehe auf S. 16 unter Nr. VIII. (vgl. oben S. 183) vor, daß der Entwurf mit „Motiven" zu veröffendichen sei. Bayern sei der Meinung, daß der Entwurf nicht ohne Beigabe einer Begründung veröffentlicht werden könne. Im abgedruckten Teil des Berichts begründet dann Heller zunächst seinen Vorschlag. 9 Der Entwurf der 1. BGB-Kommission, soweit er dem Bundesrat vorgelegt worden war, enthält u. a. Angaben über die entsprechenden Bestimmungen des TE, der sogn. Zusammenstellung und des Kommissionsentwurfs. Bei dem in etwa dem § 249 BGB entsprechenden § 219 E I sieht das folgendermaßen aus. § 219. (218.) [159,185 Abs. 2.] Fortsetzung der Fußnote auf Seite 323

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission unterdrücken, die Anmerkungen selbst aber beizubehalten sein. Was die Begründung betreffe, so werde es sich, um ihren Wert in den Augen der Öffentlichkeit nicht zu sehr herabzusetzen, wohl nicht empfehlen, sie als Werk der Hilfsarbeiter ausdrücklich zu bezeichnen. Es möchte vielmehr angemessen sein, sie als „auf Grund der von den Redaktoren ausgearbeiteten Motive zu den Vorentwürfen und der Beratungsprotokolle der Kommission aufgestellte Begründung des Entwurfs" der Öffentlichkeit zu übergeben10. Gesonderter Erwägung bedürfe die Frage, ob sich die Veröffentlichung auf die von der Kommission beschlossenen Vorschriften über die räumliche Herrschaft der Rechtsnormen zu erstrecken habe11. In dieser Beziehung hätte ich mir die Antragsstellung vorzubehalten, bis die Vertreter der übrigen im Ausschusse vertretenen Bundesstaaten, insbesondere die Vertretung Preußens, ihre Anschauung kundgegeben haben würden. Für jetzt hätte ich nur zu bemerken, daß, wenn die Anschauungen dahin gingen, daß diese Vorschriften nicht zu veröffentlichen seien, Bayern durch seine Zustimmung seiner künftigen Stellungnahme zu der — heute noch nicht zu erörternden — Frage, ob Bestimmungen über den bezeichneten Gegenstand in das Gesetzbuch aufzunehmen seien oder nicht, nicht präjudicirt haben wolle. Falls der Ausschuß sich für die Nichtveröffentlichung entscheide, werde es sich ferner, um das Publikum nicht neuerdings, wie es schon durch die in der Tagespresse erfolgte vollständige Veröffentlichung des Berichts des Kommissionsvorsitzenden geschehen sei, auf diesen Gegenstand besonders aufmerksam zu machen, vielleicht empfehlen, der Anschauung der Kommission und eventuell des Bundesrats in dem zu fassenden Beschlüsse, der voraussichtlich gleichfalls seinem Wortlaute nach alsbald in die Presse gelangen werde, nicht förmlichen Ausdruck zu geben, sondern sich mit mündlicher Konstatirung des Einverständnisses über die Nichtveröffentlichung zu begnügen, zumal die letztere im Beschlüsse schon dadurch angedeutet sei, daß die Veröffentlichung des „Entwurfs" — dessen Bestandteil jene Bestimmungen ja zur Zeit noch nicht seien — beschlossen werde. . . . Zweckmäßig werde es sein, daß der Beschluß des Bundesraths über Veröffentlichung vom Herrn Reichskanzler in der Tagespresse veröffentlicht werde. Damit eine förmliche „Aufforderung zur Kritik" (Bericht des Kommissionsvorsitzenden S. II) 12 Der Schuldner hat den Schadenersatz dadurch zu leisten, daß er denjenigen Zustand herstellt, welcher vorhanden sein würde, wenn der zum Schadensersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, und daß er, soweit diese Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, den Gläubiger in Geld entschädigt. O. R. Nr. 15 §. 15 Abs. l, Nr. 22 §. 2. Prot. 13. Sept., 4. Okt. 1882, 30. Jan. 1884 S. 1026-1034,1129-1133, 3244, 3246. Vergl. S. 469; 1084; 1152; 1210, 1216, 1217; 1343; 2815; 2841; 3510; 3511; 4154; 4210; 4215; 4217; 4258;7521;7906. (Die Ziffern in den runden Klammern weisen auf den Kommissionsentwurf, in den eckigen Klammern auf die sogn. Zusammenstellung hin.) Im Bericht des württembergischen Mitgliedes des Justizausschusses (v. Stieglitz) heißt es zu dieser Frage noch: „Uebrigens soll der Umstand, daß diese Motive eine von der Kommission nicht geprüfte Arbeit sind, . . . nicht ausdrücklich hervorgehoben werden. Dabei bemerkte der Geh. Oberreg.-Rath Dr. Hagens vom Reichsjustizamt, daß Sorge getragen würde, daß diese Motive zuvor wenigstens einer Prüfung seitens des Vorsitzenden der Kommission unterzogen werden" (Bericht vom 24. 1. 1888, HStA Stuttgart 130a/820). Wie weit das geschehen ist, ließ sich nicht ermitteln. Über das Schicksal der IPR-Normen des Entwurfs vgl. die ausführliche Quellenedition von Hartwieg/Korkisch, Die geh. Materialien des Dt. IPR 1891-1896, 1973, S. 162ff. Über die Sitzung des Justizausschusses am 24. l. 1888 enthält diese Edition keine Angaben. 12 Vgl. oben S. 317. 323

Materialien zur Entstehung des BGB

zu verbinden, empfehle sich nicht. Wohl aber sei es angezeigt, der Bekanntmachung des Bundesratsbeschlusses die Bemerkung beizufügen, daß Besprechungen des Entwurfs bei dem Reichs-Justizamte eingereicht werden können. Mein weiterer Antrag gehe deshalb dahin, den Herren Reichskanzler zu ersuchen, zur Ausführung des Beschlusses über die Veröffentlichung des Entwurfs das Erforderliche zu veranlassen und den Beschluß in der bezeichneten Weise zu veröffentlichen. — Ich erörterte hierauf den weiteren Inhalt des Berichts und sprach mich dahin aus, daß in die Besprechung derjenigen Fragen, zu deren Aufwerfung die Darlegungen des Berichts über die weiteren Aufgaben der Kommission und der sonst etwa zur Ausarbeitung der dort bezeichneten Gesetzentwürfe zu Berufenden Anlaß geben, heute noch nicht wohl eingetreten werden könne. Das Gleiche gelte von der Frage hinsichtlich der Vornahme der zweiten Lesung des Entwurfs und zwar sowohl wann als von wem die letztere vorzunehmen sei. Für jetzt dürfte sich lediglich empfehlen, den Beschluß zu beantragen, daß Bestimmung über die zweite Lesung des Entwurfs vorbehalten bleibe. Ich beantrage hienach, als „Antrag des Justizausschusses" Folgendes zu beschließen: „Der Bundesrat wolle beschließen: 1. Der in erster Lesung festgestellte Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich und die auf Grund der von den Redaktoren ausgearbeiteten Motive zu den Vorentwürfen und der Berathungsprotokolle der Kommission aufgestellte Begründung des Entwurfs werden veröffentlicht. 2. Der Herr Reichskanzler wird ersucht, zur Ausführung dieses Beschlusses das Erforderliche zu veranlassen und denselben mit dem Beifügen zu veröffentlichen, daß Besprechungen des Entwurfs bei dem Herrn Reichskanzler (Reichs-Justizamt) eingereicht werden können. 3. Bestimmung über die zweite Lesung des Entwurfs bleibt vorbehalten." Staatssekretär Dr. von Schelling13 ergriff hierauf das Wort, um den Standpunkt der preußischen Regierung in der Frage der Veröffentlichung der Bestimmungen über die räumliche Herrschaft der Rechtsnormen darzulegen. Die preußische Regierung sei der Ansicht, daß diese Veröffentlichung nicht wünschenswert sei, keineswegs aber sei sie der Meinung, daß die Regelung der Materie im Gesetzbuche ganz umgangen werden könne. Bedenklich seien die beschlossenen Bestimmungen insofern, als durch sie der inländische Richter gezwungen sei, ausländisches Recht anzuwenden, ohne daß — was das Gesetz ja überhaupt nicht könne — die Bürgschaft gleichen Verfahrens vom Auslande gegeben sei. Dieses Bedenken treffe übrigens keineswegs bezüglich aller Bestimmungen zu. So seien z. B. die Bestimmungen, soweit sie den Grundsatz „locus regit actum" adoptirten, vom politischen Standpunkte vollkommen unbedenklich. Die Hauptbedenken lägen auf dem Gebiete der Bestimmungen für das Familien- und das Erbrecht. Die Bedenken seien wesentlich dadurch hervorgerufen, daß die Kommission statt des Grundsatzes vom Wohnsitzrecht den vom Staatsangehörigkeitsrecht angenommen habe. Die Bedenken richteten sich dagegen, daß dieses Prinzip in Gesetzesform ausgesprochen werden soll. Man habe keine Sicherheit dafür, daß das Ausland Gegenseitigkeit üben werde (vgl. z. B. § 21). Zweckmäßiger sei es, die Anerkennung dieses Prinzips im Vertragswege zu erzielen. Die aus den Bestimmungen selbst entspringenden Nachtheile könnten möglicherweise auch schon aus ihrer Veröffentlichung entstehen. — Allerdings behalte § 26 das Vergeltungsrecht vor; allein 13

Vgl. oben S. 71 f.

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

dies System werde von dem Herrn Reichskanzler nicht gebilligt. — Er beantrage daher Nichtveröffentlichung. Damit, daß man das Einverständniß über die Nichtveröffentlichung nicht in Beschlüsse zum Ausdrucke bringe, sondern nur mündlich konstatire, sei er einverstanden. Der württembergische Bevollmächtigte, Dr. von Stieglitz, erklärte, ohne Instruktion zu sein hinsichtlich der Frage der Veröffentlichung der Bestimmungen über die räumliche Herrschaft der Rechtsnormen, und stimmte im übrigen den gestellten Anträgen zu. — Im übrigen ergriff zu den gestellten Anträgen niemand das Wort. Sie galten hiernach als einstimmig angenommen. . . .14. 2. Der Antrag des Justizausschusses wurde von Plenum des Bundesrates am 31. 1. 1888 angenommen (Prot. des Bundesrates 1888, § 56, S. 27). III. Schreiben des Reichsjustizamtes vom 27. 3. 1888 an die im Justizausschuß vertretenen Bundesregierungen15 Der Beschluß, welchen der Bundesrath auf die Vorlage vom 5. Januar d. J., betreffend den in erster Lesung festgestellten Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs — Nr. 2 der Drucksachen — in der Sitzung vom 31. Januar d. J. gefaßt hat, — Prot. § 56, Drucks. Nr. 11 — läßt die Frage unberührt, ob und inwieweit die in dem Berichte des Vorsitzenden der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs vom 27. Dezember v. J.16 bezeichneten Nebengesetze zur Ein- und Ausführung des bürgerlichen Gesetzbuchs von der Kommission zu entwerfen seien. Es dürfte an der Zeit sein, eine Entscheidung über diese Frage herbeizuführen. Die Notwendigkeit, daß das Einführungsgesetz von der Kommission durchberathen werde, kann so wenig einem Zweifel begegnen, daß die Kommission schon jetzt mit dieser Berathung befaßt ist. Zu dem Einführungsgesetze gehört auch die Revision der mit dem bürgerlichen Gesetzbuch in untrennbarem Zusammenhange stehenden Bestimmungen der Reichsjustizgesetze, wogegen eine vollständige Revision und neue Redaktion der Civilprozeßordnung und der Konkursordnung oder anderer Reichsgesetze, insbesondere des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes pp. vom 6. Februar 1875 (Bericht Nr. 5) wohl erst, nachdem das bürgerliche Gesetzbuch erlassen sein wird, in Erwägung kommen kann. Die Aufstellung von Normen über die Erbfolge in die landwirthschaftlichen Grundstücke (Bericht Nr. 6) wird in dem Einführungsgesetze meines Dafürhaltens nicht fehlen dürfen. Als Nebengesetze zur Ausführung des bürgerlichen Gesetzbuchs bringt der Bericht unter Nummer 2 den Erlaß einer Grundbuchordnung, unter 3 den eines Gesetzes über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen und unter Nr. 4 in gewissem Umfange den Erlaß eines Gesetzes über das Verfahren in den Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit in Anregung. Mir erscheinen diese Gesetze zwar sämmtlich Der Ausschußantrag wurde gedruckt (Drucksache Nr. 11/1888). — Im Bericht von v. Stieglitz (vgl. oben Fn. 10) heißt es noch: „Nach Schluß der Sitzung bemerkte der Vorsitzende, auf Anfrage des Unterzeichneten, daß den Landesregierungen eine Frist zur Abgabe ihrer Erklärungen und Abänderungsvorschläge so wenig als bei anderen Vorlagen ertheilt werde, daß aber die Prüfung und Kritik durch die weiteren Kreise eine Frist von mindestens einem Jahr von der Drucklegung an in Aussicht genommen werde, und daß solange auch die Bundesregierungen Frist zur Stellungnahme haben und jedenfalls von ihnen die Entscheidung der Frage abhänge, ob und wann die II. Lesung vorzunehmen sei." Die Wiedergabe des Schreibens erfolgt nach den Beständen des Geh. Staatsarchivs München MA 76 707/2. 16 Vgl. oben S. 324 f. 325

Materialien zur Entstehung des BGB nicht als ein unentbehrlicher Bestandtheil des Gesetzgebungswerks, der gleichzeitige und einheitliche Erlaß einer Grundbuchordnung und einer Subhastationsordnung aber doch zur Ergänzung des bürgerlichen Gesetzbuchs äußerst wünschenswerth. Dabei wird es zutreffend sein, was der Bericht hervorhebt, daß das die Grundbuchordnung enthaltende Reichsgesetz sich in engen Schranken halten und die Erledigung alles nur Reglementaren durchgehends der Landesgesetzgebung oder der Landesjustizverwaltung überlassen muß. Einheitliche Vorschriften über das Verfahren in den Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit können, soweit sie das Verfahren in Vormundschaftssachen und sonstigen Angelegenheiten des Familienrechts sowie in Nachlaßsachen betreffen, wohl gleichfalls für wünschenswerth gelten, dürften aber nicht nur auf das dringendste Bedürfniß zu beschränken sein, sondern überhaupt denselben Anspruch auf Dringlichkeit, wie die Grundbuch- und die Subhastationsordnung nicht erheben können. Wird der Stoff hiernach beschränkt, so möchte es bei der nahen Verbindung, in welcher die Nebengesetze mit dem Inhalte des bürgerlichen Gesetzbuchs selbst stehen, sich gewiß empfehlen, ihre Vorbereitung durch die bisherige Kommission bewirken zu lassen. Indeß wird hierfür der Zeitraum, welcher zu der Vorbereitung erforderlich sein wird, nicht ohne Bedeutung erscheinen. Auch praktische Rücksichten geben Anlaß, einen bestimmten Zeitpunkt, mit dem die Berathungen der Kommission ihr Ende finden, von vornherein ins Auge zu fassen. Für die Mitglieder der Kommission, insbesondere die auswärtigen, ist es von ersichtlichem Werthe, möglichst früh und ausreichende Zeit vorher zu wissen, bis wann sie an ihre Thätigkeit und den Aufenthalt in Berlin gebunden sind, um die eintretenden Veränderungen ihrer Verhältnisse in geeigneter Weise vorbereiten zu können, und es ist für sie wünschenswerth, daß das Ende auf den Schluß eines Kalenderquartals bestimmt werde. Ich habe demnach den Vorsitzenden der Kommission um Aeußerung über den Zeitpunkt ersucht, welcher für den Abschluß der Kommissionsberathungen in Aussicht zu nehmen sei, wenn diese in dem vorberegten Umfange sich außer dem Einführungsgesetz auf eine Grundbuch- sowie eine Subhastationsordnung zu erstrecken haben; auch die Vorberathung des Gesetzes über das Verfahren in den Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit sei in Betracht zu ziehen, jedoch nur soweit, als der Kommission für eine solche noch Zeit verbleibe. Dabei war meinerseits auf den 1. Oktober d. J. als einen geeigneten Termin hingewiesen. Der mir darauf seitens des Vorsitzenden der Kommission zugegangene Bericht nimmt jedoch an, daß der Abschluß der Berathungen des Einführungsgesetzes, der Grundbuch- und der Subhastationsordnung vor dem 1. April k. J. nicht erreicht sein werde, und hebt hervor, daß sich dadurch auch die Möglichkeit erhöhe, bis dahin zugleich die Extrajudizialordnung zu erledigen. Ich bin hiernach der Meinung, daß es angemessen sein wird, den 1. April 1889 als Zeitpunkt für den Schluß der Kommissionsberathungen festzusetzen und die Aufgaben derselben in der von mir angedeuteten Weise zu begrenzen. Der Königlich Preußische Herr Justizminister hat sich mit dieser Auffassung einverstanden erklärt. Es würde mir vor weiteren Maßnahmen höchst willkommen sein, auch die Auffassung der übrigen im Ausschusse des Bundesraths für Justizwesen vertretenen Regierungen kennen zu lernen. . . .

IV. 1. Bericht von Heller vom 14. 6.1888 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 14. 6. 188817 In der unter dem Vorsitze des Staatssekretärs von Schelling heute abgehaltenen Geh. Staatsarchiv München MA 76 707/2 (adressiert an den Justizminister). 326

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

Sitzung des Justizausschusses erstattete ich Vortrag zum Zwecke der durch das Schreiben des Reichs-Justizamts vom 29. vor. Mts. angeregten Beschlußfassung. Nach Erörterung des einschlägigen Inhalts des von dem Vorsitzenden der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs an den Reichskanzler erstatteten Berichts vom 27. Dezember vor. Js. — Nr. 2 der Drucksachen — und der Vorschläge des Reichs-Justizamts beantragte ich, der Ausschuß wolle dem Bundesrate empfehlen, zu beschließen: „Der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs außer der Ausarbeitung des Entwurfs eines Einführungsgesetzes die Ausarbeitung von Entwürfen einer Grundbuchordnung, eines Gesetzes über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen und unter der Voraussetzung, daß hierdurch der Abschluß der Kommissionsberatungen nicht über den von dem Vorsitzenden der Kommission hierfür in Aussicht genommenen Zeitpunkt — 31. März 1889 — verzögert wird, eines auf die zur einheitlichen Durchführung der Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs erforderlichen Vorschriften sich beschränkenden Gesetzes über das Verfahren in den Angelegenheiten der nichtstreitigen Rechtspflege zu übertragen". Der großherzoglich badische Bevollmächtigte, Freiherr von Marschall18, erklärte, daß seine Regierung nicht frei sei von Bedenken dagegen, daß der Kommission für den Abschluß ihrer Beratungen ein bestimmter Termin schon jetzt gesetzt werde. Einerseits sei ja die Möglichkeit, daß die Kommission bis zu diesem Zeitpunkte auch mit den beiden Entwürfen, die sie unter allen Umständen feststellen soll, nicht fertig werde, andererseits könnte ein solcher Beschluß, der die Auflösung der Kommission für den bezeichneten Zeitpunkt herbeiführe, unter Umständen geeignet sein, der noch vorbehaltenen Beschlußfassung über die zweite Lesung vorzugreifen. Die Bedenken wurden jedoch von dem Bevollmächtigten nicht weiter verfolgt, nachdem der Vorsitzende bemerkt hatte, daß eine Beschlußfassung im Sinne des von dem Referenten gestellten Antrags nicht die Bedeutung haben solle, als wolle man schon jetzt die Kommission unter allen Umständen von der Teilnahme an der zweiten Lesung ausschließen. Eine etwaige Wiedereinberufung der Kommission als solcher aber oder einer größeren oder kleineren Zahl ihrer Mitglieder werde durch die Annahme des Antrags keineswegs ausgeschlossen. Übrigens sei es ihm noch völlig ungewiß, wann zur zweiten Lesung werde geschritten werden können. Bei dem großen Umfange der Motive dürfe man die der öffentlichen Kritik gestattete Frist nicht zu kurz bemessen. Er glaube kaum, daß man früher als im Jahre 1890 an die zweite Lesung gehen könne. Bis dahin aber könne man doch unmöglich die Kommission beisammenbehalten; sie würde lange Zeit unbeschäftigt sein. Die Festsetzung eines Zeitpunktes für den Schluß der Kommissionsberatungen betrachtete er vornehmlich als einen Akt der Rücksicht gegen die Mitglieder der Kommission; diese müßten doch bei Zeiten Gewißheit darüber erlangen, wie lange sie noch an ihre Thätigkeit gebunden seien und für welchen Zeitpunkt sie sich auf die eintretende Änderung vorzubereiten hätten. Durch diese Erklärungen bekannte sich auch der sächsische Bevollmächtigte, Geheimer Rat Held19, für befriedigt, der persönlich geneigt war, daran Anstoß zu nehmen, Ad. Hrm. Frh. Marschall von Bieberstein (geb. 1842) trat nach dem Studium der Rechtswissenschaft in den badischen Justizdienst; seit 1875 auch parlamentarisch taug (u. a. Reichstagsabgeordneter). Von 1883 ab badischer Gesandter in Berlin und Bevollmächtigter beim Bundesrat. 1890 Staatssekretär im Auswärtigen Amt (Poschinger, Bd. 5, S. 139). 19 Held (1830—1894), in Leipzig geobren, war im sächsischen Justizdienst zunächst vornehmlich als Staatsanwalt tätig. Seit 1870 vortragender Rat im Justizministerium, gehörte er von Fortsetzung der Fußnote auf Seite 328

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Materialien zur Entstehung des BGB

daß man einer solchen Kommission eine Frist setze, und dafür hielt, daß sich die Frage mittelbar durch Ausfallenlassen des bezüglichen Etatansatzes bei der Beratung des künftigen Reichs-Justizetats hätte erledigen lassen. Immerhin möchte er anheimgeben, den auf die Frist bezüglichen Teil des zu beschließenden Ausschußantrags etwas zu mildern durch eine Änderung der Redaktion. — Der württembergische Bevollmächtigte, Direktor von Stieglitz20, gab namens seiner Regierung der — ohnehin von allen Ausschußmitgliedern geteilten — Voraussetzung Ausdruck, daß durch die heutige Beschlußfassung der Entscheidung über die zweite Lesung in keiner Weise vorgegriffen werde. — Der hanseatische Bevollmächtigte, Gesandter Dr. Krüger, gab insbesondere mit Rücksicht auf das hohe Lebensalter des Vorsitzenden der Kommission dem Wunsche Ausdruck, daß die zweite Lesung möglichst bald vorgenommen werde. Der Vorsitzende erklärte hierauf, daß auch er sich freuen würde, wenn die zweite Lesung früher, als er vorhin angegeben, möglich sei, und daß man unter allen Umständen darauf Bedacht nehmen müsse, die Entwürfe dem Reichstage im Laufe der ersten Jahre der künftigen (fünfjährigen) Legislaturperiode vorlegen zu können. — Der großherzoglich badische Bevollmächtigte richtete an den Vertreter des Reichs-Justizamtes die Frage, ob es nicht beabsichtigt sei, vor der Beschlußfassung über die zweite Lesung den Bundesregierungen Gelegenheit zu geben, ihre auf den Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs bezüglichen Anträge zu stellen. Hierauf erwiderte der Kommissar des Reichs-Justizamts, Geheimer Oberregierungsrat Hagens, er betrachte es keineswegs für ausgeschlossen, daß man schon geraume Zeit vor dem für den Beginn der zweiten Lesung in Aussicht zu nehmenden Zeitpunkte Vorbereitungen für dieselbe in Angriff nehme. Darunter verstehe er nicht blos die Sammlung und Sichtung des anfallenden kritischen Materials, sondern insbesondere auch — sei es schriftlich oder im Wege kommissarischer Verhandlung zu führenden — Meinungsaustausch mit den Bundesregierungen. Nachdem die Diskussion hiermit geschlossen war, wurde der Antrag des Referenten, und zwar der auf das Gesetz über das Verfahren in den Angelegenheiten der nichtstreitigen Rechtspflege bezügliche Teil desselben in folgender Fassung: „und, soweit hiezu der Kommission bis zu dem von dem Vorsitzenden derselben in Aussicht genommenen Termine (31. März 1889) Zeit verbleibt, auch die Ausarbeitung von Vorschriften zu übertragen, welche zur einheitlichen Durchführung der Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Verfahren in den Angelegenheiten der nichtstreitigen Rechtspflege erforderlich sind," einstimmig angenommen. . . .21 2. Der im Bericht von Heller vom 14. 6. 1888 genannte Antrag wurde vom Plenum des Bundesrates am seihen Tage angenommen (§ 361, S. 207).

1872 —1894 dem Bundesrat an (seit 1879 Erster Staatsanwalt am OLG; Referent im Gesamtministerium); vgl. Poschinger, Bd. 2, S. 280. 20 v. Stieglitz (geb. 1830), Direktor im württemb. Justizdepartement, war zunächst im Richterdienst tätig, bevor er im November 1887 zum württembergischen Bevollmächtigten beim Bundesrat ernannt wurde (Poschinger, Bd. V, S. 280 f.). 21 Im Bericht des württembergischen Bundesratsbevollmächtigten v. Stieglitz heißt es ferner noch: „Geh. Oberregierungsrath Hagens führte noch aus ... Bezüglich der zweiten Lesung, die erst auf das Jahr 1890 in Aussicht genommen sei, können natürlich in der Zwischenzeit die nöthigen Vorbereitungen veranstaltet und die Aeußerungen und Wünsche der Regierungen entgegengenommen werden". 328

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

V. Schreiben des Reichskanzlers vom 27. 6. 1889 an alle Bundesregierungen22 (sogn. Rundschreiben des Reichskanzlers) Seitdem der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs veröffentlicht worden, ist an ihm die Kritik in reichem Maße hervorgetreten. Eine Fülle gutachtlicher Besprechungen ist erschienen und im Erscheinen begriffen; auch haben Vertretungen wirtschaftlicher Interessen ihre Wünsche zu dem Entwurfe kund gegeben oder deren Kundgebung eingeleitet. Schon jetzt ist erkennbar, daß die Vorschläge der Kritik, entsprechend den Anschauungen und Interessen der Einzelnen, von einander erheblich abweichen und oft in entgegengesetzter Richtung sich bewegen. Zu ihrer Verwerthung für den Entwurf bedarf es eines Ausgleichs, der von einheitlichen Gesichtspunkten geleitet sein muß. Selbst unabhängig hiervon, um so mehr aber angesichts der erhobenen Kritik, erscheint es geboten, durch unbefangene Prüfung sich die Gewißheit zu verschaffen, daß der Entwurf, welcher in weitestem Umfange den Rechtsverkehr auf lange Jahre hinaus zu regeln bestimmt ist, in seinen Grundsätzen sowohl den wirthschaftlichen Bedürfnissen und der nothwendigen Bewegungsfreiheit des Verkehrs, als auch dem Sinn für Sitte, Sittlichkeit und Ordnung, dem Staatsbewußtsein und den gemeinsamen Ueberlieferungen gebührend Rechnung trägt. Solche Prüfung liegt in erster Linie den Regierungen ob. Die Größe des Gesetzgebungswerks wird es aber bedingen, daß die Regierungen ihre Stellungnahme nicht auf das Stadium endgültiger Beschlußfassung im Bundesrath beschränken. Vielmehr würde es für eine ersprießliche Förderung des Werkes von hohem Werthe sein, wenn die Regierungen Vorbehalts dieser späteren Beschlußfassung und um dieselbe vorzubereiten, schon jetzt sich von den bezeichneten Gesichtspunkten aus über den Entwurf zu äußern gewillt wären. Indem ich mich mit der Bitte um eine solche Aeußerung an das Königlich Preußische Staatsministerium ergebenst wende, erlaube ich mir in der Anlage eine Zusammenstellung beizufügen, in welcher unter Weglassung juristisch-technischer Fragen, eine Reihe von Punkten allgemeiner Bedeutung hervorgehoben sind, welche der Beurtheilung vorwiegend bedürfen und vielleicht die Grundlage für eine einheitliche Behandlung bieten. Selbstverständlich liegt mir fern, durch diese Zusammenstellung den Kreis der Erörterungen irgendwie einschränken zu wollen. Der Reichskanzler, gez. v. Bismarck. An das Königlich Preußische Staatsministerium. R. J. A. Nr. 1778. Anlage. Zusammenstellung einzelner für die Beurtheilung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs wichtiger Punkte.

Hier wiedergegeben nach den Beständen des Geh. Staatsarchivs Berlin-Dahlem Rep. 84a Nr. 11846. Die bis 1881 eingegangenen Äußerungen wurden vom Reichsjustizamt zusammengefaßt und als Manuskript 1891 gedruckt (Neudruck 1967) unter dem Titel: „Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs gefertigt im Reichs-Justizamt". Band I. und Band II. „Als Manuskript gedruckt." — Nicht berücksichtigt sind: „Bemerkungen der Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen Regierung zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich und eines Einfuhrungsgesetzes zu diesem Gesetzbuch. Zweiter Band." Schwerin 1892. Über diese Äußerungen existiert eine vom Reichsjustizamt nachträglich gefertigte handschriftliche Zusammenstellung. 329

Materialien zur Entstehung des BGB I. Allgemeiner Theil. 1. Ausschluß der Todeserklärung von Ausländern (§ 5); 2. Nichtaufnahme der Entmündigung wegen Trunksucht (§§ 28,29); 3. Verzicht auf reichsgesetzliche Regelung der Entstehung und Endigung von Körperschaften (§ 42); Haftung der Körperschaft für die von dem Vorstand in Ausübung seiner Vertretungsmacht begangenen widerrechtlichen Handlungen (§ 46); Erstreckung der für Körperschaften gegebenen Vorschriften auf Körperschaften des öffentlichen Rechts (Mot. I S. 82,103); 4. EinflußlosJgkeit der Punktationen (§ 78 Abs. 2 und § 91; Mot. I S. 182); Nichtaufnahme besonderer Vorschriften zum Schütze der Analphabeten (§ 92; Mot. I S. 187, 188); Bedeutungslosigkeit des Briefwechsels für die Wahrung schriftlicher Vertragsform (S 94; Mot. IS. 189); 5. Nichtigkeit (Nichtanfechtbarkeit) einer Willenserklärung wegen Irrthums pp.; Unterscheidung zwischen grober und anderer Fahrlässigkeit (§§ 95,97— 99); 6. Ausschluß nachträglicher Beibringung der Vollmacht bei einer wegen Nichtvorlegung derselben zurückgewiesenen Kündigung pp. (§ 122); 7. Sicherung aufschiebend bedingter Forderungen im Konkurse ohne Rücksicht auf das Vorhandensein eines Arrestgrundes (§ 133 Abs. 2, 3); 8. Dauer der Verjährungsfristen (§§ 155-157, 165- 167); 9. Gestattung der Selbsthülfe gegen die Person des Verpflichteten (§ 189); 10. Ablehnung von Prozeßzinsen (Mot. I S. 362, II S. 55). 11. Nichtaufnahme der Eintragung in das Staatsschuldbuch pp. unter die Mittel der Sicherheitsleistung (§ 199; Einf. Ges. An. 57). II. Recht der Schuldverhältnisse. 12. Unbeschränktheit des Umfanges des Schadensersatzes, insbesondere Unerheblichkeit, ob der Schaden vorauszusehen war (§218 Abs. l, § 220); Leistung des Schadensersatzes durch Herstellung des früheren Zustandes (§219); Ersatz von immateriellem Schaden als Ausnahme (§221); 13. Nichtaufnahme besonderer Vorschriften, betreffend den Zahlungsort für Zahlungen seitens öffentlicher Kassen (§ 230 Abs. 2); 14. Verzug des Gläubigers ohne Verschulden desselben (§ 254); 15. Unterlassung reichsgesetzlicher Regelung der Hinterlegbarkeit von Urkunden und Kostbarkeiten (§ 280 Abs. 2); 16. Voraussetzungen der Wirksamkeit der Abtretung gegenüber dem Schuldner und sonstigen Dritten (§ 294 Abs. 2, §§ 303-308); 17. Schuldübernahme bei Anrechnung von Hypotheken auf den Kaufpreis (§318 Abs. 2); 18. Theilung der Schuld bei Mehrheit von Schuldnern (§ 320, s. H.G.B. Art. 280); 19. Gerichtliche oder notarielle Form bei Veräußerung von Grundstücken (§ 351 Abs. 1); Heilung des Formmangels durch Auflassung pp. (§ 351 Abs. 2); 20. Beseitigung des gesetzlichen Kündigungsrechts bei hohen Vertragszinsen (§ 358, Ges. v. 14. Nov. 1867 § 2); Unbeschränktheit der Höhe von Konventionalstrafen

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission 420, 421); Nichtaufnahme von Vorschriften gegen Ausbeutung des Schuldners bei Abzahlungsgeschäften, Möbelleihverträgen, Viehverstellung etc.; 21. Umfang des Rücktrittsrechtes bei Nichterfüllung gegenseitiger Verträge (§ 369); 22. Gewährleistung und Gefahrübergang beim Viehkauf nach deutschrechtlichen Grundsätzen (S§ 400, 463, 465); 23. Beschränkung des Widerrufs bei Schenkungen auf den Fall des Undanks (§ 449); 24. Formfreiheit der Mieth- und Pachtverträge über Grundstücke, insbesondere Landgüter; Grundsatz „Kauf bricht Miethe" (§§ 509-512, 532, 537); Zulässigkeit von Untermiethe und Unterpacht ohne Zustimmung des Vermiethers bezw. Verpächters (S§ 516, 532, 533); Recht des Miethers und Pächters auf Zurückbehaltung des Grundstücks (SS 520, 532, 533); Abgrenzung des Pfandrechts für Vermiether und Verpächter (SS 521, 532, 543); Ausschluß der Remission am Pachtzins (S 534); Zins- und Kündigungstermine (SS 517,539, 522, 537); 25. Gleiche Kündigungsfrist für Dienstverträge jeder Art (SS 559, 563); 26. Abgrenzung des Werkvertrages gegenüber dem Kaufe (S 568); Ablehnung eines gesetzlichen Pfandrechts für Uebernehmer und Handwerker am Baugrundstück; 27. Umfang der Haftung der Gastwirthe für eingebrachte Kostbarkeiten und Werthpapiere (S 627); 28. Gestattung vertragsmäßiger Anwendung der Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft auf Erwerbsgesellschaften (S 659); 29. Formfreiheit der Bürgschaft (SS 668, 91); 30. Zulassung des abstrakten Schuldversprechens (SS 683, 684); Aufstellung eines solchen beim Akzept einer Anweisung (S 607), nicht bei der Annahme des Zessionars als Gläubigers (SS 302, 303; Mot. II S. 130). 31. Verpflichtung aus einer ohne Willen des Ausstellers in Verkehr gelangten Schuldverschreibung auf Inhaber (S 686); Versagung der Einrede des unredlichen Erwerbes (S 687); Ablehnung des Institutes der Außerkurssetzung (S 700; Einf. Ges. Art. 105 Abs. 2); 32. Prinzip der Verschuldung für Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen (SS 704, 705); beschränkte Haftung für fremdes Verschulden; beschränkte Haftung bei Beschädigungen durch Geisteskranke, Trunkene, Kinder, durch Thiere pp. (SS 708-712, 734, 735); Haftung wegen Verletzung der Amtspflicht (S 736); III. Sachenrecht. 33. Gründung des Besitzschutzes auf die Inhabung (SS 814 — 820); Versagung selbständigen Schutzes des Besitzes ohne Inhabung (S 821); Schutz des Inhabers gegen denjenigen, für welchen er innehat (S 815 Abs. 4); 34. Allgemeine Anerkennung der Unabhängigkeit einer Rechtsübertragung vom Grunde derselben (dinglicher Vertrag) (SS 828, 829, 874; vergl. oben Nr. 30, auch SS 290,294); 35. Schutz des redlichen Erwerbs bei Unentgeltlichkeit (SS 837, 877); 36. Ablehnung der Vorrechtseinräumung ohne Einwilligung der Zwischenberechtigten (S 841); 37. Ablehnung der Vormerkung für obligatorische Ansprüche (S 844);

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Materialien zur Entstehung des BGB

38. Nothwendigkeit der Auflassung vor dem Grundbuchamt (§ 868); 39. Ablehnung des Fruchterwerbes seitens des Pächters vor der Trennung (§ 901 Abs. 2, SS 902, 794); 40. Anerkennung eines dinglichen Vorkaufsrechts (SS 952ff.); Ablehnung eines dinglichen Wiederkaufsrechts (Mot. Ill S. 451, 452); 41. Eintragungszwang bei Dienstbarkeiten (SS 966, 828, 1044); Ausschluß der Ersitzung (Mot. Ill S. 165, 477); zeitliche Begrenzung persönlicher Dienstbarkeiten für juristische Personen (SS 1014,1049). 42. Verzicht auf reichsgesetzliche Beschränkung der Reallasten nach dem Gegenstand und hinsichtlich der Ablösbarkeit (SS 1051 ff., Einf. Ges. An. 41); Nichtregelung der Rentengüter (Mot. Ill S. 579, 631); 43. Die verschiedenen Formen des Pfandrechts an Grundstücken: Buchhypothek, Briefhypothek, Sicherungshypothek, Grundschuld (SS 1062, 1106, 1125, 1135); Eigenthümerhypothek (SS 1094,1097ff.); 44. Unzulässigkeit der Verpfändung von Früchten auf dem Hahn pp. (S 1145; Mot. Ill S. 799); 45. Pfandverkauf ohne gerichtliche Ermächtigung (S 1169ff.); IV. Familienrecht. 46. Rechtliche Unverbindlichkeit des Verlöbnisses; beschränkter Umfang des Schadensersatzes wegen Verlöbnisbruches (SS 1227,1228); 47. Ehebruch als ein nicht die Ungültigkeit der Ehe begründendes Ehehinderniß (S 1237, SS 1250, 1259); Unerheblichkeit eines nicht durch Betrug hervorgerufenen Irrthums über wesentliche Eigenschaften für die Gültigkeit der Ehe (SS 1250, 1259); Richtigkeit formungültiger Ehen ohne Nichtigkeitsklage (S 1252); 48. Beschränkung des Verfügungsrechtes, nicht der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau (SS 1300ff.;Mot. IV, S. 219ff.); 49. Einheitliches eheliches Güterrecht (Ablehnung des Regionalsystems); Verwaltungsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand (SS 1283 ff., Mot. IV S. 133f.); 50. Grundsätzliches Erforderniß der Zustimmung der Ehefrau zu Verfügungen des Ehemannes über das Ehegut bei der Verwaltungsgemeinschaft (SS 1318ff.; Mot. IV S. 269ff.); grundsätzliche Freiheit der Verfügung des Ehemannes über das Gesammtgut bei der Gütergemeinschaft (S§ 1353ff.; Mot. IV S. 349ff.); 51. Persönliche Haftung des Ehemannes, nicht der Ehefrau für die Schulden bei Gütergemeinschaft (SS 1359ff.); 52. Anerkennung der fortgesetzten Gütergemeinschaft (SS 1383 ff.); 53. Ehescheidung: Ablehnung der Scheidung wegen Geisteskrankheit und der Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung (S 1440, Mot. IV S. 567ff., 570); Theilung des Gesammtgutes nach Hälften (S 1377, Mot. IV S. 610, 611); Ablehnung von Ehescheidungsstrafen (Mot. IV S. 615, 616); Zuweisung der Kindererziehung je nach der Schuld eventuell nach dem Geschlecht (SS 1456, 1457); 54. Auflösung der Ehe in Folge Todeserklärung (S 1464); 55. Grundsätzliche Beschränkung der Vermuthung für die Ehelichkeit eines Kindes auf den Fall, daß die Empfängnißzeit ganz oder zum Theil in die Ehe fällt (SS 1468—1470); ausschließliches Anfechtungsrecht des Ehemannes (SS 1471 ff.); 332

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

56. Gegenseitige Unterhaltspflicht der Geschwister (§§ 1480,1489); 57. Elterliche Gewalt der Mutter (§§ 1501, 1538-1543); Beendigung der elterlichen Gewalt, einschließlich der Nutznießung, durch Eintritt der Volljährigkeit, nicht durch Heirath oder Begründung eines selbständigen Haushaltes (§§ 1501, 1557; Mot. IV S. 826, 828); 58. Eintritt des unehelichen Kindes in die Familie der Mutter (§§ 1568, 30 Abs. 3); Begrenzung der Ansprüche von Mutter und Kind gegenüber dem Vater (§§ 1571 -1578); Ablehnung eines Erbrechts (Mot. V S. 359); 59. Schranken für die Anlegung des Mündelvermögens (§§ 1664ff.). V. Erbrecht. 60. Beseitigung des Vindikationslegats (§ 1865); 61. Unzulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente, insbesondere der Ehegatten (S 1913); 62. Ablehnung erleichterter Formen für Nachzettel, welche im Testament vorbehalten sind (Mot. V S. 293); 63. Verwandtenerbfolge ohne Beschränkung hinsichtlich der Linien (§ 1969); Erbrecht des Ehegatten (§ 1971); Gestaltung des Erbrechts des Fiskus (§ 1974); 64. Ausschluß der Geschwister (vergl. oben Nr. 56) und Großeltern vom Pflichttheilsrechte(§1975); 65. Erbschaftserwerb kraft des Gesetzes (§§ 1749,2025); 66. Ablehnung der Erbengemeinschaft im Sinne des preußischen Rechts; getheilte Schuldenhaftung mehrerer Erben (§§ 1750, 2051); 67. Grundsätzliche Haftung des Erben über die Kräfte des Nachlasses hinaus (§ 2092); Richterliche Inventarfrist (§§ 2096, 2097); Persönliche Haftung des Inventarerben bis zum Werthe des Nachlasses (§ 2133); 68. Ausgleichspflicht der Miterben: Beschränkung auf den Fall der gesetzlichen Erbfolge (§ 2157); Gestaltung der Ausgleichspflicht als Nachlaßverbindlichkeit, Loslösung von der Erbauseinandersetzung (§§ 2163, 2164). VI. Schreiben des preuß. Justizministers v. Schelling vom 4. 7. 1890 an den Reichskanzler23 Eurer Excellenz Herr Amtsvorgänger hat mittelst Schreibens vom 27. Juni v. Js. R.J.A. Nr. 1776 die Regierungen der Bundesstaaten zu einer vorbereitenden Aeußerung über den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs aufgefordert und ihnen eine Zusammenstellung von 62 besonders wichtigen Punkten24 zur Beurtheilung vorgelegt. Wäre mir vor Erlaß dieses Ausschreibens Gelegenheit geboten gewesen, meine Ansicht über dasselbe auszusprechen, so würde ich mir erlaubt haben, Bedenken über die Zweckmäßigkeit dieses Schritts zu äußern. Eine Vermehrung des für die Beurtheilung des Entwurfs vorhandenen, schon übergroßen schriftlichen Materials dürfte nicht zu einer Förderung, sondern eher zu einer 23

Zitiert nach dem Exemplar in den Akten des Reichsjustizamtes im Zentralen Staatsarchiv Potsdam, Nr. 3812, f öl. 87 ff. In Wirklichkeit handelt es sich um 68 Fragen. 333

Materialien zur Entstehung des BGB

Hemmung des Werks gereichen. Schon allein das Votum, welches ich über die vorgelegten 62 Fragen an das Staatsministerium zu richten beabsichtige, und von welchem bereits mehr als die Hälfte fertiggestellt ist, wird, ungeachtet des Strebens nach Knappheit — einen Umfang von 100 Bogen voraussichtlich übersteigen. Eine Beschlußfassung des Staatsministeriums über eine Vorlage von solchen Dimensionen dürfte mit großen Schwierigkeiten verbunden sein; noch erheblicher scheinen mir die inneren Nachtheile des eingeschlagenen Verfahrens. Das Bürgerliche Gesetzbuch kann nur durch Kompromisse zwischen den Regierungen zustande kommen. Für wesentlich erachte ich namentlich eine Verständigung der diesseitigen Staatsregierung mit der bei dem Gelingen des Werkes am meisten interessierten Königlich Bayerischen Regierung. Wenn aber die Regierungen genöthigt werden, ihre Auffassungen in getrennten schriftlichen Erklärungen ohne Fühlung untereinander festzulegen, wird der Weg zu einem Ausgleich der Meinungsverschiedenheiten wenn nicht vollständig verschlossen, doch in hohem Grade erschwert. Meines unvorgreiflichen Erachtens dürfte von der Einholung schriftlicher Aeußerungen der Bundesregierungen Abstand zu nehmen und an deren Stelle eine mündliche Berathung innerhalb des Bundesrathes zu setzen sein. Die Zahl der zur Erörterung zu stellenden Punkte wird sich, bei Ausscheidung aller minder wesentlichen, erheblich vermindern und die Besprechungen in den mit der Berichterstattung zu beauftragenden Ausschüssen auf die Dauer weniger Wochen sich beschränken lassen. Nehmen, wie es zu wünschen ist, die Justizminister der größeren Staaten an diesen Berathungen Theil, so würde sich zugleich eine Verständigung über die weitere geschäftliche Behandlung des Gesetzgebungswerks erzielen lassen. Was diesem letzten Punkt anlangt, so nehme ich keinen Anstand, meine Meinung dahin auszusprechen, daß zur zweiten Lesung des Entwurfs eine neue Kommission einzuberufen und dieselbe vorzugsweise aus Vertretern der Regierungen und Mitgliedern des Reichstags zusammenzusetzen sei, damit durch ihre Berathungen die Wege für die spätere verfassungsmäßige Einigung zwischen Bundesrath und Reichstag nach Möglichkeit gebaut werden. Eurer Excellenz habe ich nicht unterlassen wollen, meine vorstehenden Bedenken und unmaßgeblichen Vorschläge ergebenst zu unterbreiten. Den Mitgliedern des Königlichen Staatsministeriums habe ich keine Mittheilung von dem Inhalte dieses Schreibens gemacht, da die Frage der geschäftlichen Behandlung des in Rede stehenden Entwurfs dem Staatsministerium nicht vorliegt und die Anregung zu einer entsprechenden Stellungnahme desselben nur von Eurer Excellenz ausgehen könnte. VII. Promemoria von Hagens vom 11. 7. 1890 „betreffend die weitere Behandlung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs"25 1. Der veröffentlichte Entwurf eines BGB ist eine erste Lesung und setzt, bevor die verfassungsmäßige Beschlußfassung von Bundesrath und Reichstag eintreten kann, eine zweite Lesung voraus. Wird der Gedanke festgehalten, diese nicht der früheren Köm-

Zentrales Staatsarchiv, Potsdam, Reichsjustizamt, Nr. 3812, fol. 92 ff. Wiedergegeben wird hier nur der endgültige Text des Votums. Das Votum wurde erst am 13. 5. 1893 zu den Akten genommen. — Bereits unter dem 7. 7. 1890 hatte Hagens ein Schreiben des Reichskanzlers an die Bundesregierungen entworfen, wonach der Reichskanzler an dem eingeschlagenen Verfahren festhalte, d. h. auf die Beantwortung der Fragen Wen lege. (Zentrales Staatsarchiv a. a. O., fol. 90 f.). Dieses Schreiben ist, soweit feststellbar, nicht herausgegangen. 334

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

mission, deren Mitglieder ohnehin theils gestorben theils in andere Stellungen getreten sind, oder einer anderen juristisch-technischen Kommission oder dem Reichsjustizamt zu übertragen, sondern einer vorzugsweise aus Vertretern der Regierungen, juristischen und volkswirthschaftlichen Autoritäten und politisch einflußreichen Personen zusammenzusetzenden Kommission, deren Ansehen Gewähr bietet, daß der von ihr festgestellte Entwurf, — von einzelnen prinzipiell oder politisch wichtigen Fragen abgesehen, — im Wesentlichen und in der Durcharbeitung die Zustimmung von Bundesrath und Reichstag findet, so bedarf es zur Vorbereitung dieser zweiten Lesung noch ernster Arbeit. 2. Die mit der Veröffentlichung des Entwurfs an Jedermann gerichtete Aufforderung, „mit Urtheilen und Vorschlägen zur Verwerthung für die weitere Beschlußfassung über den Entwurf hervorzutreten", war nicht mehr als recht und billig. An dem Aufbau eines Gesetzbuchs, welches die bürgerlichen Rechts- und Lebensverhältnisse des gesammten Volkes auf unabsehbare Dauer zu regeln bestimmt ist, muß das gesammte Volk berufen sein, in freier Mitarbeit sich zu bediätigen und die verschiedenartigen Wünsche selbst vorzubringen. Dem aber entspricht es, daß mit demselben Ernst die eingegangenen Wünsche, soweit sie irgend von Werth erscheinen, geprüft und, soweit sie begründet sind, berücksichtigt werden. Welche Fülle gutachtlicher Äußerungen in Presse und Litteratur und welche nach Inhalt und Umfang bedeutungsvolle Kundgebungen von Vertretungen wirthschaftlicher Interessen eingegangen sind, zeigt die im Reichsjustizamte gefertigte Zusammenstellung, welche trotz des Strebens nach Kürze fünf Bände umfassen und mit dem die noch eingehenden Äußerungen und Kundgebungen enthaltenden Nachtrags schwerlich einen viel geringeren Umfang einnehmen wird, als die zu dem Entwurf veröffentlichten Motive. Dieses kritische Material und seine gebotene Verarbeitung betrifft keineswegs bloß juristische, wirtschaftliche oder ethische Prinzipienfragen, sondern erstreckt sich auf die einzelnsten Bestimmungen, von denen kaum eine nicht erheblich wäre. 3. Nothwendiger noch und dringlicher, als die Wünsche aus den Kreisen der Bevölkerung und der Interessenvertretungen ist es, die Auffassung der Regierungen über den Entwurf zu hören und zu berücksichtigen. Bei der späteren, verfassungsmäßigen Beschlußfassung im Bundesrath kann nur über Hauptfragen durch Abstimmung Entscheidung getroffen werden. In diesem Stadium ihre Haltung zu den einzelnen und wesentlichen Bestimmungen des Entwurfs zur Geltung zu bringen, ist keine Regierung, auch nicht die preußische, in der Lage. Die Auffassung der Regierungen muß daher schon vorher kund geworden und thunlichst berücksichtigt sein. In diesem Sinne ist das Rundschreiben des Reichskanzlers vom 27. Juni v. J. an die Regierungen ergangen, und es ist zu erwarten, daß von den Hauptregierungen ausnahmslos in das Einzelne gehende Erklärungen werden abgegeben werden. Einige solche Erklärungen, wie die von Baden und die des Statthalters von Elsaß-Lothringen, liegen schon vor. Von Preußen steht ein reiches Material in Aussicht; es ist gern zu glauben, daß allein das Votum, welches der Justizminister über die diesseits gestellten 68 Fragen abgeben wird, einen Umfang von 100 Bogen übersteigen wird; der Landwirthschaftsminister hat dem Staatsministerium schon Voten über die Behandlung des Wasserrechts, der Wuchergesetzgebung und des Anerbenrechts und jetzt ein auf das ganze Gutachten des Landesökonomiekollegiums sich erstreckendes Votum vorgelegt; von den Ministern des Inneren und des Handels, — von letzterem Minister mit Rücksicht auf das bevorstehende Gutachten des Deutschen Handelstages — sind gleichfalls Voten zu erwarten. Wenn nun auch von einer, die Sache eher hemmenden als fördernden, förmliche Beschlußfassung im Staatsministerium selbst Abstand genommen wird, so sind jene Äußerungen des Justiz- und der 335

Materialien zur Entstehung des BGB Ressortminister als Anhalt für die weitere Behandlung des Entwurfs doch geradezu unentbehrlich. Ähnlich verhält es sich mit den Äußerungen der übrigen größeren Regierungen. 4. Außer der notwendigen Verarbeitung des kritischen und des von den Regierungen abzugebenden Materials (2 und 3) und im Anschluß an diese Verarbeitung ist es unerläßlich, die Redaktion des Entwurfs, soweit möglich, zu verbessern. Die Schwerfälligkeit und Abstraktheit in der Ausdrucksweise und die potenzirten Verweisungen haben dem Entwurfe die meisten Gegner geschafft. Der Wunsch nach größerer Gemeinverständlichkeit des Ausdrucks ist in der Bevölkerung ein ganz allgemeiner. Die Ausdrucksweise nach dieser Richtung völlig umzuändern, ist zwar nicht mehr möglich; durchführbar aber und nothwendig ist es, die schlimmsten Stellen und Fehler zu beseitigen. 5. Diese nach Vorstehendem (2, 3, 4) für die zweite Lesung zu bewältigende Aufgabe kann nicht ohne Weiteres der einzuberufenden Kommission überwiesen werden. Weder in pleno noch in Ausschüssen könnten, wenn nicht die Kommission Jahre lang tagen soll, eine ernstliche Prüfung und Ausnutzung des umfangreichen kritischen Materials erfolgen. Ebensowenig würde, — wie immer die Kommission zusammengesetzt wäre, — eine homogene Verwerthung des Materials und Einarbeitung desselben in den Entwurf zu hoffen sein. Vornehmlich aber fehlte jede Gewähr, wenn nicht Möglichkeit, den Regierungen für ihre Auffassungen die ihnen gebührende Berücksichtigung zu verschaffen. Die Theilnahme von berathenden Regierungs-Kommissarien gewährt keine Sicherheit, andererseits ist es nicht möglich, eine dem Einfluß der respektiven Regierungen entsprechende Zahl von Vertretern zu Mitgliedern der Kommission zu bestellen. 6. Die vorbereitende Thätigkeit unter Berücksichtigung der seitens der Regierungen gehegten Wünsche ist eine Aufgabe, welche dem Reichsjustizamt zufällt. Für Ausschüsse des Bundesraths wäre der Stoff ein zu gewaltiger. Eine Verringerung des Stoffs ist nicht möglich; ihn auf Fragen von allgemeiner Bedeutung zu beschränken, würde wenig Nutzen gewähren; für solche Fragen tritt die Beschlußfassung der Kommission und die spätere verfassungsmäßige Beschlußfassung des Bundesraths ein; die für beide Instanzen erforderliche Vorbereitung besteht gerade in der Durcharbeitung des ganzen Stoffs. Diese würde nicht in den Ausschüssen, sondern thatsächlich nur durch Regierungskommissarien geleistet werden können, und dabei stimmten in den Ausschüssen die nur dort vertretenen Staaten und deren Vertreter nur nach ihren Instruktionen. Eine Einheitlichkeit und richtige Durchführung dürfte die Arbeit leicht vermissen lassen. 7. Die nothwendige Fühlung mit den Regierungen kann für die Vorarbeit auch im Reichsjustizamt hinlänglich gewahrt werden. Das Reichsjustizamt hat die besten Hülfskräfte zur Verfügung. Es wird berufen sein, den Entwurf in den ferneren Stadien zu vertreten, in der neuen Kommission, im Bundesrath und im Reichstag, und nachdem der Entwurf festgestellt sein wird, liegt der weitere Ausbau der Gesetzgebung auf Grund des B.G.B., die Revision des H.G.B, u.s.w. in erster Linie dem Reichsjustizamt ob. Es darf keiner Vorarbeit in der Gestaltung des Entwurfs fremd sein. 8. Es sind Kommissare zu bestellen, ein Hauptkommissar und für jedes der fünf Bücher des Entwurfs ein Spezialkommissar, damit für jedes Gebiet immer zwei Mitglieder des Reichjustizamts informiert sind. Sollte das Reichsjustizamt für seine sonstigen Arbeiten so viel Kräfte nicht entbehren können, so wäre zu überlegen, ob nicht die Aufgabe des Hauptkommissars Herrn Geh.-Justizrath Planck zu übertragen wäre. Eventuell genügten die Herren Struckmann, Börner und Achilles.

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission 9. Sobald die Äußerungen der Regierungen oder deren Minister im Wesentlichen zusammengestellt sein werden, muß die Vorarbeit der Kommissare beginnen. Dem Preußischen Justizminister und den übrigen jedesmal betheiligten Ressortministern ist Gelegenheit zu geben, sich kommissarisch zu betheiligen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß der Justizminister die ständigen Spezial-Kommissare (8) ganz oder theilweise bestellt. Auch Bayern ist die Betheiligung zu eröffnen. Sachsen hält sich vielleicht durch Geheim-Rath Börner genügend vertreten. — Andere Regierungen würden, je nachdem es die von ihnen abgegebenen Äußerungen zum Entwurf wünschenswerth machen, zu einzelnen Punkten zuzuziehen sein. In wichtigen Fragen entscheidet auf Vortrag der Staatssekretär, ob mit Regierungen in besonderes Benehmen, kommissarisch oder durch materielle Korrespondenz, zu treten ist. 10. Die Ergebnisse sind in Vorschlägen zum Entwurf zusammenzufassen; die Abänderungsvorschläge sind zu formuliren; soweit zu ihrer Begründung nicht eine Bezugnahme auf die Zusammenstellung der Kritiken (2) genügt, sind die Gründe kurz anzugeben. Eigene Vorschläge und bloß redaktionelle Vorschläge (4) sind keineswegs ausgeschlossen. Insoweit von der Kritik gewünschte Abänderungen nicht vorgeschlagen werden, wird, wenn es überhaupt eines Eingehens hierauf bedarf, meist die Bezugnahme auf die in der Zusammenstellung enthaltenen Gegengründe genügen, und inwieweit es nöthig ist, nicht adoptirte Abänderungsvorschläge von Regierungen zur Sprache zu bringen, muß dem Takte überlassen bleiben. Im ganzen dürfen die Äußerungen und Wünsche der Regierungen für die Kommission nicht in die Erscheinung zu treten haben. 11. Der Kommission wären mit dem Entwurf die Vorschläge und die Zusammenstellung (2) vorzulegen. Auf dieser Grundlage wäre die Kommission befähigt, die zweite Lesung in verhältnismäßig kurzer Zeit vorzunehmen. Ihre Berathungen und Beschlüsse würden sich im Wesentlichen auf Fragen von allgemeiner Wichtigkeit beschränken können, für welche die Kommission nach ihrer Zusammensetzung kompetent ist. Was die Zusammensetzung betrifft, so darf die Kommission nicht zu klein sein. Abgesehen von der nothwendigen Anzahl von Mitgliedern aus den Kreisen der Regierungen und der verschiedenen zu berücksichtigenden politischen Parteien und abgesehen davon, daß einige Mitglieder auch der früheren Kommission entnommen werden müssen, empfiehlt es sich auch einige andere angesehene Juristen, wie Gierke (vielleicht auch Bahr), die sich in der Kritik hervorgethan haben, und einige Mitglieder aus Interessenvertretungen (landwirthschaftlichen und gewerblichen) zu berufen. Bei einer größeren Kommission erleichtert sich auch die Bildung von Ausschüssen. Vor allem aber erhöht sich durch die Größe der Kommission, die allerdings die Zahl von 30 keineswegs überschreiten dürfte, das Gewicht ihrer Beschlüsse für Bundesrath und Reichstag. 12. Es ist kaum anzunehmen, daß durch die vorstehend verlangte Vorbereitung für die Thätigkeit der Kommission das Gesetzgebungswerk im Ganzen würde verzögert werden. Die Vorarbeit verkürzt die Thätigkeit in der Kommission wie im Bundesrath und Reichstag. Auch ist nicht nothwendig, daß die Kommission ihre Thätigkeit nach völligem Abschluß der Vorarbeit beginnt. Jedenfalls ist sie nicht notwendig; fällt sie fort, so ist eine ernstliche Umarbeitung des Entwurfs, soweit sie nach der aufgebotenen Kritik stattfinden müßte, nicht durchführbar.

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Materialien zur Entstehung des BGB VIII. Protokoll der Sitzung des preußischen Staatsministeriums vom 26. 7. 189026 Das Staatsministerium trat heute zu einer Sitzung zusammen, aus welcher Folgendes zu verzeichnen war:

1., bis 2., pp. 3. Der Herr Ministerpräsident theilte mit, daß das Votum des Herrn Justizministers, betreffend den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, vom 18. d. M.27 in Folge einer Besprechung28, die sie mit einander und mit dem Staatssekretär des Reichsjustizamts gehabt hätten, entstanden sei. Er hege den Wunsch, das Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuches möglichst zu fördern und es sei zu diesem Zweck die Berufung einer neuen Kommission beabsichtigt, an welcher Männer aus allen Berufskreisen Theil nehmen würden. Das Staatsministerium erklärte sich dem Vorschlage des Votums gemäß damit einverstanden, daß die noch rückständige Antwort auf das Schreiben des Herrn Reichskanzlers vom 27. Juni 1889 zur Beschleunigung der Sache nicht Namens des Staatsministeriums, sondern Namens des Herrn Justizministers ergehe. IX. Protokoll der Sitzung des preußischen Staatsministeriums vom 13.10. 189029 In der heutigen Sitzung des Königlichen Staatsministeriums wurde Folgendes berathen und beschlossen: . . .

Zitiert nach einer Metallographie im Zentralen Staatsarchiv Potsdam, Reichskanzlei Nr. 727. Anwesend waren: v. Caprivi, v. Bötticher, Frh. Lucius von Ballhausen, Herrfurth, Miquel. Im Votum (Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem Rep. 84a, Nr. 11775) wurde vorgeschlagen, die Stellungnahme zu den Fragen des Reichskanzlers dem Reichsjustizamt direkt zugehen lassen zu dürfen und auf eine Beratung in der Staatskonferenz zu verzichten, weil wegen des Umfangs der abzugebenden Stellungnahme eine abschließende Beurteilung im Staatsministerium untunlich sei. 28 Diese Besprechung hat am 17. 7. 1890 beim Reichskanzler mit Oehlschläger, dem Justizminister von Schelling und dem Finanzminister Miquel stattgefunden. Ein Protokoll über diese Besprechung existiert nicht. Auf dem Einladungsschreiben (Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizamt, Nr. 3812, fol. 99) hat Oehlschläger den wesentlichen Inhalt dieser Besprechung festgehalten: Danach wurde es dem preußischen Justizministerium frei gestellt, sich mit Bayern über die kritischen Äußerungen zum BGB-Entwurf direkt ins Benehmen zu setzen. Oehlschläger wurde ermächtigt, „zur Vorbereitung der Frage, welche Personen für die Commission zur 2. Lesung des Entwurfs ins Auge zu fassen seien, sich vertraulich an geeignete Persönlichkeiten zu wenden und ihre Bereitwilligkeit festzustellen." In der Kommission sollten vertreten sein außer Juristen (auch Rechtsanwälte und Rechtslehrer) auch Politiker, Landwirte, Industrielle, Kaufleute und Volkswirte. Auf die „Gesichtspunkte der verschiedenen Rechtssysteme, der Konfessionen (kath./evang.) und der Verschiedenheit Nord- und Süddeutschlands" sollte bei der Personenauswahl Rücksicht genommen werden. Sobald die Mitgliederliste feststand, sollte der Bundesrat angegangen werden, bezüglich der 2. Lesung Beschluß zu fassen. Die Wahl der Mitglieder sollte so früh wie möglich erfolgen, damit sie sich einige Monate vor dem Zusammentritt mit dem Entwurf vertraut machen könnten. — Eine detaillierte Verständigung Preußens mit Bayern über die Kritik am Entwurf fand allerdings nicht statt. Man tauschte lediglich die Stellungnahmen aus (vgl. Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Rep. 84 a, 11775). Zitiert nach einer Metallographie im Zentralen Staatsarchiv Potsdam Nr. 3812, fol. 182ff. An der Sitzung nahmen teil: v. Caprivi, v. Bötticher, v. Goßler, Herrfurth, v. Schelling, v. Berlepsch, Miquel, v. Kaltenborn-Stachau, Oehlschläger. 338

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission 3. Der Herr Minister-Präsident erklärte, er habe bereits in der Sitzung vom 26. Juli d. J.30 dem Staatsministerium mitgetheilt, daß zum Zwecke einer zweiten Lesung des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuches eine zweite Kommission berufen werden solle. Er bringe den Gegenstand heute zur Sprache, vornehmlich um die Ansicht des Staatsministeriums über die Person des Vorsitzenden derselben kennen zu lernen. Der Herr Staatssekretär des Reichsjustizamts hielt Vortrag über die gegenwärtige Lage der Sache. Es sei Absicht, die Kommission zusammenzusetzen aus Juristen, welche die verschiedenen in Frage stehenden Rechtssysteme, das Allgemeine Landrecht, das gemeine und das französische Recht, aber auch die verschiedenen juristischen Berufsklassen, Theoretiker, Praktiker, auch Anwälte verträten, jedoch nicht allein aus Juristen, sondern auch aus Vertretern anderer Interessenkreise, so der Landwirthschaft, der Industrie, von Handel und Gewerbe. Die von dem früheren Herrn Reichskanzler erbetenen Aeußerungen der deutschen Regierungen seien zum größten Theil eingegangen, auch durch Erörterungen in der Presse in mancherlei Versammlungen hätten sich die streitigen Fragen vielfach geklärt und seien diese Erklärungen im Reichsjustizamt verarbeitet und in fünf Druckbänden herausgegeben. Man habe sich bisher bemüht, einen Vorsitzenden zu finden, welcher außerhalb der amtlich betheiligten Kreise stehe, habe jedoch eine Reihe ablehnender Antworten erhalten. Für einen ferneren Vorschlag, den er zu machen habe, erbitte er die hohe Genehmigung31. Der Herr Justizminister hielt diesen Vorschlag zwar nicht für ungeeignet, meinte jedoch, daß eigentlich der Staatssekretär des Reichsjustizamts die gegebene Person für diese Stellung sei. Der Herr Finanzminister war derselben Ansicht und meinte, daß wenn die Kommission aus etwa 28 Mitgliedern, so wie vorgeschlagen worden, und unter Anhörung der Führer des Reichstags zusammengesetzt werde, ihr Unheil als ein unabhängiges Geltung gewinnen werde, wenn auch der Vorsitzende vermöge seines Amtes sich nicht in einer ungebundenen Stellung befinde. Der Herr Staatssekretär sprach die Besorgniß aus, daß als Vorsitzender der Kommission, welche eine unabhängige sein solle, er in eine prekäre Stellung zum Bundesrath und zum Reichstage kommen könne, wo es ihm namentlich obliegen würde, als preußischer Bundesraths-Bevollmächtigter Auffassungen zu vertreten, zu welchen er sich bei den Kommissionsberathungen vielleicht in Gegensatz gestellt habe. Wenigstens würde er sich dann in der Kommission an den Abstimmungen nicht zu betheiligen haben. Der Herr Vize-Präsident erklärte: diese Bedenken theile er nicht. Das bürgerliche Gesetzbuch werde als Präsidialvorlage an den Bundesrath und den Reichstag gelangen, für welche der Reichskanzler verantwortlich sei. Derselbe stehe auch der zu berufenden Kommission gegenüber frei da und es würden bei der Berathung im Bundesrath und im Reichstage nicht die Ansichten der Kommission, sondern diejenigen des Präsidiums beziehungsweise der verbündeten Regierungen zu vertreten sein. Damit sei es sehr wohl verträglich, daß der Staatssekretär des Reichs-Justizamtes in der Kommission wie jedes andere Mitglied seine persönliche Ueberzeugung zur Geltung bringe und auch für diese stimme. Es erhob sich hiergegen kein Widerspruch und der Herr Minister-Präsident bemerkte, wenn das Staatsministerium prinzipielle Bedenken gegen die Ernennung des Staatssekretärs des Reichsjustiz-Amts zum Vorsitzenden der Kommission nicht hege, werde er als Reichskanzler in diesem Sinne verfahren. . . . 30 1

Vgl. oben unter VIII. Um welchen Vorschlag es sich gehandelt hat, läßt sich nicht feststellen. 339

Materialien zur Entstehung des BGB

X. 1. Bericht von Stieglitz vom 16.10.1890 über eine vertrauliche Besprechung im Justizausschuß des Bundesrates am 16.10.189032 Im Anschluß an die Plenarsitzung des Bundesraths fand heute im VI. Ausschuß unter dem Vorsitz des Staatssekretärs von Oehlschläger eine vertrauliche Besprechung über die weitere Behandlung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs statt. Der Vorsitzende führte aus: in eine zweite Lesung werde eingetreten werden müssen und, da die erste Kommission nicht mehr beisammen sei und auch nicht mehr z. B. wegen Todes einzelner Mitglieder zusammengesetzt werden könne, sei eine neue Kommission zu wählen. Wie diese zusammenzusetzen sei, werde sich hauptsächlich nach den Ausstellungen zu richten haben, welche dem Entwurf gemacht werden: die Kommission werde daher nicht lediglich aus Juristen, sondern auch aus Vertretern der verschiedenen Interessenkreise (Handel und Gewerbe, Land- und Forstwirthschaft) zusammenzusetzen sein. Zweckmäßig werden solche Personen zu wählen sein, welche auch an den weiteren Stadien, welche der Entwurf zu durchlaufen habe, mitzuwirken berufen seien, also Mitglieder des Bundesraths und Mitglieder der Hauptfraktionen des Reichstags. Was die Mitglieder des Bundesraths betreffe, so sei er der Meinung, daß diejenigen Staaten in die Kommission Vertreter senden sollen, welche im Justizausschuß vertreten seien, und daß die von diesen Staaten zu bezeichnenden Mitglieder, falls sie nicht schon Bundesrathsbevollmächtigte wären, erforderlichen Falls dann, wenn einmal der Entwurf im Justizausschuß und im Plenum zur Berathung komme, zu stellvertretenden Bevollmächtigten zu ernennen seien. Preußen würde entsenden den Geh.Rath Planck in Göttingen (Mitglied der ersten Kommission), welcher schon seit einem Jahre mit der Umarbeitung des Entwurfs in redaktioneller Beziehung beschäftigt sei (im Auftrag des Reichs-Justizamts)33 und sodann noch einen vortragenden Rath aus dem Preußischen Justizministerium; mehr nehme Preußen nicht in Anspruch. — Die Bevollmächtigten der weiteren betheiligten Staaten (Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen und Lübeck) erklärten übereinstimmend, daß sie die Intentionen ihrer Regierungen nicht kennen und daher selbstverständlich mit der Bezeichnung von Personen, welche etwa in Betracht kommen könnten, ihren Regierungen nicht vorgreifen dürften. In diesem Sinne bezeichnete Bayern (Frhr. von Stengel) den Oberreg.Rath Jacubezky, Sachsen (von Schlichen) den Geh. Justizrath Rüger (am Schluß Mitglied der 1. Kommission), Württemberg (durch mich) den Professor Dr. von Mandry, Baden den jetzigen Professor in Freiburg Gebhard (Mitglied der l. Kommission) oder den Professor Schröder in Heidelberg. Der Vorsitzende bemerkte: die Wahl des Letzteren wäre vorzuziehen, weil er Germanist sei und der Entwurf von den Germanisten vorzugsweise angefochten worden sei. — Hessen (Dr. Neidhardt) den Geh. Staatsrath Dr. Hallwachs und Lübeck (Dr. Krüger) den Präsidenten des Oberlandesgerichts34, wobei der Vorsitzende äußerte: eine Vertretung des Rechtsanwaltsstandes wäre sehr erwünscht, und er möchte rathen, daß die Hansestädte auf die Entsendung eines Rechtsanwalts Bedacht nehmen möchten. — Was die Mitglieder des Reichstags anlange — fährt der Vorsitzende fort, — so werde er sich sofort, wenn die VIII. Kommission des Reichstags wieder, zusammentrete, am 5. November mit den Führern der Hauptfraktionen in Verbindung setzen; er nehme aus der nationalliberalen Partei etwa Kalbe (nicht mehr im Reichstag) und Hammacher, aus der deutschfreisinnigen Goldschmidt und Alexander Meyer in Aussicht; 32 33

34

HStA Stuttgart E 130a/821. In welcher Weise Planck sich im Auftrag des Reichsjustizamtes mit der Revision des E I befaßt hat, ließ sich nicht feststellen (vgl. auch Plancks Nachlaß und die Akten des Reichsjustizamtes). Sieveking (vgl. oben S. 115).

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

vielleicht komme auch ein ihm von Minister Miquel bezeichneter Stadtrath Flesch35 in Frankfurt a. M. (Demokrat und Arbeiterfreund) gleichsam als Vertreter der Arbeiter in Betracht. Je nach der Wahl der Mitglieder des Reichstags werde ein Vertreter der Volkswirthschaft, wobei an Professor Schmoller, und der Forstwirthschaft, wobei an Oberforstmeister Danckelmann gedacht werde, beizuziehen sein. Er denke sich die Kommission aus 21 bis höchstens 25 Mitgliedern bestehend, nämlich aus etwa 11 ständigen Mitgliedern und den weiteren als unständigen, welch letztere unbeschadet des Rechts der Theilnahme an allen Sitzungen zum Erscheinen nur dann verpflichtet sein sollen, wenn der Vorsitzende es für erforderlich halte. — Aus den juristischen Mitgliedern der Kommission soll je für ein Buch des Entwurfs ein Referent ernannt werden (5 Referenten). Ein von dem Bundesrath zu ernennender Generalreferent, als welcher Planck in Aussicht genommen werde, habe den Entwurf nach den Beschlüssen der Kommission u.s.w. einer redaktionellen Bearbeitung zu unterziehen und die Redaktionskommission (der Generalreferent, der Referent des betreffenden Buches und ein von der Kommission zu wählendes Mitglied) darüber zu beschließen. Der Vorsitzende trägt Vorstehendes zum Theil aus dem dem Bundesrath seiner Zeit vorzulegenden vorläufigen Entwurf eines Antrags des VI. Ausschusses36 vor und soll den Ausschußmitgliedern, aber nur diesen eine metallographirte Abschrift davon zugehen, die ich sofort einsenden werde. Nach einer weiteren Mittheilung des Vorsitzenden soll der Kommission auch eine Zusammenstellung der Aeußerungen der Regierungen zu dem Entwurf37, die leider zum Theil z. B. von Preußen noch nicht eingegangen seien, zugestellt werden; die Kommission soll schon im nächsten Monat behufs der Festsetzung der Geschäftsordnung und Bestellung der Referenten zusammentreten, ihre sachlichen Berathungen aber erst etwa im März k. J. beginnen, wenn die Referate soweit beendigt seien; ein Vorsitzender für die Kommission sei bis jetzt noch nicht gefunden, schließlich müsse er selbst den Vorsitz übernehmen. Das Wichtigste und Dringlichste sei, schließt der Vorsitzende, für die im Ausschuß vertretenen Regierungen, die Bezeichnung der Mitglieder der neuen Kommission und er bitte, ihm die getroffene Wahl sobald als möglich mitzutheilen. Ich gestatte mir diesem Bericht noch Folgendes anzufügen: Der Vorsitzende hat die Nothwendigkeit der Bildung einer neuen Kommission für die zweite Lesung nicht näher begründet; aber wie der Plan, so wird auch der Gedankengang, auf dem er beruht, im wesentlichen den Ausführungen entsprechen, welche in den Artikeln der Nationalzeitung vom 29. August, 4. und 9. September d. J. enthalten sind. — 2. Bericht des Freiherrn von Stengel (Bayern) vom 18. 10. 1890 über eine vertrauliche Besprechung im Justizausschuß des Bundesrates am 16. 10. 189038 . . . Zu den in der Anlage enthaltenen Vorschlägen39 gestatte ich mir auf Grund des in der Ausschußsitzung vom 16. d. M. von dem Vorsitzenden erstatteten ausführlichen Vertrages erläuternd und ergänzend noch Folgendes zu bemerken: „Bei dem vorgeschlagenen Plan ist davon ausgegangen, daß, nachdem der Entwurf 35 36 37 38

39

Vgl. oben S. 56, Fn. 130 Vgl. unten unter 3.; S. 343 f. Vgl. oben Fn. 22. Geh. Staatsarchiv München MA 76 707/2 - Hr. Freiherr von Stengel (geb. 1837) war Ministerialrat im bayr. Finanzministerium und vertrat Bayern seit 1877 in mehreren Ausschüssen. An der Besprechung des Justizausschusses nahm er nur vertretungsweise für v. Heller teil (vgl. Poschinger, a. a. O., Bd. 5, S. 181 f.). Vgl. unten unter 3. 341

Materialien zur Entstehung des BGB eines bürgerlichen Gesetzbuches in erster Lesung festgestellt, der öffentlichen Kritik unterzogen und das hierdurch gewonnene Material verarbeitet worden ist, nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, eine zweite Lesung des Gesetzentwurfes in Fluß zu bringen. Da die Kommission, welche den Entwurf in erster Lesung festgestellt hat, nicht mehr vorhanden ist und in ihrer früheren Zusammensetzung vollzählig auch nicht mehr berufen werden könnte, so ergiebt sich die Nothwendigkeit der Wahl und Einsetzung einer neuen Kommission für die zweite Lesung von selbst, und es fragt sich nur, nach welchen Gesichtspunkten bei der Zusammensetzung derselben zu verfahren sein wird. Wenn man die Ausstellungen berücksichtigt, welche an dem Gesetzentwurfe in seiner dermaligen Fassung hauptsächlich gemacht wurden, so wird man für alle Fälle gut thun, in die neue Kommission nicht lediglich Juristen vom Fach, sondern auch andere Leute, Vertreter größerer Interessenkreise, zu berufen. Andererseits werden die bei der Größe und dem Umfang des Gesetzgebungswerkes mit dessen Studium verbundenen Schwierigkeiten es als zweckmäßig erscheinen lassen, bei der Auswahl das Augenmerk auf Personen zu lenken, die auch in den weiteren Stadien an dem Werke mitzuarbeiten berufen sind. Vor allem wird es sich also empfehlen, daß diejenigen Staaten, welche Mitglieder des Justizausschusses sind, auch in der Kommission vertreten sind und zwar womöglich durch Persönlichkeiten, welche s. Z. als Stellvertreter wenigstens ad* hoc auch in den Bundesrath und in den Justizausschuß eintreten. Anlangend die Zuziehung von Mitgliedern des Reichstags, so wird bei deren Auswahl namentlich auch auf solche Persönlichkeiten zu sehen sein, von denen angenommen werden darf, daß sie s. Z. auch mit dem erforderlichen Einflüsse innerhalb ihrer Fraktion für den Entwurf zu wirken vermögen. Zunächst würden nun also die im Justizausschusse vertretenen Regierungen daran zu denken haben, wen sie als Mitglied in die Kommission entsenden wollen. . . . Zum Generalreferenten (Ziff. VII.) würde sich Planck wohl am besten eignen. Derselbe ist auch bereits seit Jahr und Tag mit einer Umredaktion des Entwurfs beschäftigt. Der erste Zusammentritt der Kommission würde womöglich bereits im nächsten Monat (November) zu erfolgen haben. Der Beginn der sachlichen Berathungen ist für den Monat März 1891 in Aussicht genommen. Im Juni würde dann eine Sommerpause von einigen Monaten gemacht, während welcher die Redaktionskommission eine nochmalige gründliche Revision der durchberathenen Theile vorzunehmen hätte. Im Herbst und Winter würde hierauf der Text vollends durcharbeitet werden können, so daß man bis etwa April oder Mai 1892 mit der zweiten Lesung in der Kommission fertig wäre. — Den Vorsitzenden der Kommission wird der Bundesrath zu wählen haben. — Eine zeitweise Veröffentlichung der Arbeiten der Kommission durch den Reichsanzeiger, wie solche mehrfach in Anregung gebracht wurde, dürfte, da dieselbe bei dem nunmehrigen Stand der Sache eigentlich keinen Zweck hätte, besser unterbleiben. Jedenfalls würde die Veröffentlichung der einzelnen Theile des in zweiter Lesung festgestellten Textes des Gesetzentwurfes ohne die Motive dem Zwecke nicht genügen." Im Vorstehenden glaube ich das Wesentliche aus dem Vortrage von Oehlschlägers, soweit dasselbe nicht schon in der Metallographie gesagt ist, skizzirt zu haben . . .40 Graf von Lerchenfeld-Köfering (1843—1925; außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Bayerns in Berlin) hatte am 22. 10. 1890 eine Besprechung mit Oehlschläger, der ihm folgendes über die in Aussicht genommene 2. Lesung des BGB-Entwurfs mitteilte (Geh. Staatsarchiv München, MA 76 707/2): „. .. Danach soll nunmehr mit der II. Lesung des Entwurfs in einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern begonnen werden, welche Kommission aus Vertretern einzelner Bundesregierungen und anderer als geeignet erscheinender Persönlichkeiten Fortsetzung der Fußnote auf Seite 343 342

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

3. Plan und Methode für die weitere Behandlung des in erster Lesung festgestellten Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich41 I. Der in erster Lesung festgestellte Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich sowie der Entwurf eines Einführungsgesetzes zu demselben werden einer zweiten Lesung unterzogen. Zu diesem Zwecke wird von dem Bundesrathe eine neue Kommission eingesetzt. II. Die Kommission wird aus Juristen und aus Vertretern der wichtigsten wirthschaftlichen Interessen zusammengesetzt. Bei der Auswahl der juristischen Mitglieder wird auf Vertretung der Theorie und Praxis, insbesondere auch des Anwaltstandes, auf Vertretung der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden größeren Rechtsgebiete sowie auf Betheiligung an den Arbeiten der früheren Kommission, bei der Auswahl der Vertreter wirthschaftlicher Interessen auf Vertreter der Landwirthschaft, des Handels und des Gewerbes sowie der Theorie der Volkswirthschaft Rücksicht genommen. Die Gesammtzahl der Mitglieder wird auf 21 festgesetzt. III. Die Mitglieder sind theils ständige theils nicht ständige; Die letzteren sind, unbeschadet ihres Rechts zur Theilnahme an sämmtlichen Sitzungen, verpflichtet zum Erscheinen nur insoweit, als der Vorsitzende dies für erforderlich hält. IV. Die Reichsbehörden sowie die einzelnen Bundesregierungen können zu den Berathungen Kommissare entsenden. Dieselben sind nach näherer Bestimmung der Geschäftsordnung berechtigt, das Wort zu ergreifen und Anträge zu stellen. zusammenzusetzen wäre. Bei der Wahl der Letzteren empfehle es sich einerseits so zu verfahren, daß Jurisprudenz, Landwirtschaft, Industrie und Handel in der Kommission vertreten seien, andererseits solche Persönlichkeiten, aus diesen Interessengruppen zu nehmen, welche im parlamentarischen Leben stehen. Auf diese Weise werde die Kommission in steter Fühlung mit der Volksvertretung stehen, was für das künftige Schicksal des Entwurfs im Reichstag wichtig scheine, ebenso wie die Mitwirkung der Regierungsvertreter in der Kommission die Fühlung mit dem Bundesrath verbürge. — Der Bundesrath werde demnächst über diese Sachbehandlung zu entscheiden haben. Billige er dieselbe, so würde man auch dort die Auswahl der Kommissionsmitglieder insbesondere auch der parlamentarischen Interessenvertreter zu treffen haben. Einstweilen scheine es ihm, von Oehlschläger, nützlich, wegen dieser Auswahl vorläufige Fühlung mit den Führern der 5 größeren Parteien im Reichstage, den Konservativen, Freikonservativen, Nationalliberalen, Centrum und Fortschrittlern, zu suchen. Speciell aus den Reihen des Centrums wünsche er Vertreter der Landwirtschaft vorzuschlagen, wobei er davon ausgehe, daß einer dieser Vertreter ein Bayer sein müsse. Dabei habe er an den Grafen Konrad Preysing und den Freiherrn Carl von Getto gedacht, und bäte mich, ihm meine Ansicht über deren Wahl zu sagen. — Ich erwiderte, daß Graf Preysing weder in der Lage, noch geneigt sein würde, die Aufgabe zu übernehmen, und was Freiherrn von Getto betreffe, dieser zwar sowohl als Jurist als als Landwirth geeignet scheine, jedoch weder einer parlamentarischen Körperschaft angehöre noch in parlamentarischen Kreisen meines Wissens besonderen Einfluß besitze, wonach also seine Wahl kaum den gewollten Zweck fördern würde. Bei der sich hier anschließenden Erörterung über andere etwa geeignete Persönlichkeiten machte ich den K. Kämmerer Freiherrn von Gagern namhaft, welcher zwar vielleicht geringere positive Kenntnisse, als Freiherr von Getto besitzt, aber sowohl dem Reichstag als dem Bayerischen Landtag angehört und von welchem zu erwarten steht, daß er mit dem Königlichen Regierungsvertreter in der Kommission Fühlung unterhält und später im Reichstage auch für seine in der Kommission genommene Stellung eintritt. . ." Dieses Expose enthält die in den beiden Berichten über die vertrauliche Sitzung des Justizausschusses am 16. 10. 1890 erwähnten Vorschläge des Reichsjustizamtes für einen Beschluß des Bundesrates. Die Wiedergabe erfolgt nach einem Exemplar des HStA Stuttgart. 343

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V. Die Beschlüsse der Kommission werden von den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern mit Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. VI. Aus den juristischen Mitgliedern der Kommission werden fünf Referenten bestellt, und zwar je ein Referent für die einzelnen Bücher des Entwurfs. Die Berathung in der Kommission erfolgt auf Vortrag des betreffenden Referenten und unter Berücksichtigung der aus der Mitte der Kommission hervorgehenden oder von Seiten der Regierungskommissare gestellten Anträge. Die Anträge sind dem Vorsitzenden in schriftlicher Form einzureichen. VII. Ein vom Bundesrath ernannter Generalreferent unterzieht auf der Grundlage der von der Kommission gefaßten sachlichen Beschlüsse und unter Berücksichtigung der aus der Mitte der Kommission und anderweitig erhobenen Fassungsbedenken den Entwurf einer redaktionellen Revision. Auf seinen Vortrag erfolgt die definitive Feststellung der Redaktion durch eine besondere Redaktionskommission. Dieselbe wird durch den Generalreferenten als Vorsitzenden, durch den Referenten des betreffenden Buchs und durch ein von der Gesammtkommission zu wählendes Mitglied gebildet. Die Beschlüsse der Redaktionskommission werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit der sämmtlichen Mitglieder erforderlich. VIII. Die Kommission stellt im Uebrigen ihre Geschäftsordnung fest. IX. Die Kommission tritt am . . . zunächst zum Zwecke der Erledigung der für den Beginn der sachlichen Berathungen erforderlichen Geschäfte zusammen. Der Beginn der sachlichen Berathungen findet erst am . . . statt. XL Bericht von Heller vom 30.10.1890 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 30.10.189042 Der Ausschuß für Justizwesen beriet in der unter dem Vorsitze des Staatssekretärs von Oehlschläger heute abgehaltenen Sitzung über die vom Reichsjustizamte für die weitere Behandlung des in erster Lesung festgestellten Entwurfs eines BGB gemachten Vorschläge. . . . ging ich über zur Erörterung der Frage, ob es an der Zeit sei, die Entscheidung über die Vornahme einer zweiten Lesung herbeizuführen. Die Frage sei zu bejahen, doch habe man vielleicht nicht geint, wenn man, bevor die nunmehrigen Vorschläge gemacht waren, sich das in Aussicht genommene Verfahren wenigstens in einer Beziehung etwas anders vorstellte. Die am 27. Juni 1889 seitens des Reichskanzlers erfolgte Versendung des bekannten Fragebogens an die Bundesregierungen habe die Annahme hervorrufen können, es sei für den Fall, daß sich aus den einkommenden Beantwortungen wesentliche Meinungsverschiedenheiten der Regierungen über wichtige Fragen ergeben, beabsichtigt, vor dem Beginn der zweiten Lesung eine Ausgleichung dieser Meinungsverschiedenheiten herbeizuführen, damit in den Fragen, bezüglich deren dies gelänge, die Regierungen schon bei der zweiten Lesung eine gleichmäßige Haltung einzunehmen in der Lage wären. Dies scheine nun nicht beabsichtigt zu werden, und es sei deshalb wohl die Frage erlaubt, ob auf die Beantwortung des Fragebogens jetzt überhaupt noch besonderer Wert gelegt werde. Der Vorsitzende erwiderte hierauf, daß die Beantwortung des Fragebogens sehr erwünscht sei und daß er sehr dankbar sein würde, wenn ihm die noch ausstehenden 42

Geh. Staatsarchiv München M A 76 707/2.

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission Aeußerungen der Regierungen recht bald zugingen. Letztere seien ihm mehr wert als die Kritiken des Entwurfs. Es sei beabsichtigt, dieselben zusammenzustellen, und auf grund derselben der Kommission die hienach veranlaßten Abänderungsvorschläge zu unterbreiten. Die von den Regierungen etwa gewünschte Verständigung werde sich gelegentlich der Kommissionsberatungen und durch die von den Regierungen zu entsendenden Kommissare bewerkstelligen lassen. Hierauf wurde in die Einzelberatung der Vorschläge43 eingetreten. Dieser wurde eine neue Fassung der Vorschläge zugrunde gelegt, zu deren Entwerfung ich gestern mit dem Staatssekretär von Oehlschläger und dem Geheimen Oberregierungsrat Struckmann im Reichsjustizamt zu einer Konferenz zusammengetreten war. Dieselbe enthält außer mehreren redaktionellen Aenderungen, auch eine Anzahl sachlicher Aenderungen und Ergänzungen. Die Beratung führte zu einstimmiger Annahme dieser Vorschläge. Ausgesetzt blieb nur die Festsetzung der Zahl der Kommissionsmitglieder sowie die Bezeichnung der dem Bundesrate zur Wahl in die Kommission vorzuschlagenden Persönlichkeiten . . . Den hienach beschlossenen Ausschußantrag enthält die Anlage44. Zu demselben bemerke ich im einzelnen noch folgendes: Bei Nr. I machte ich darauf aufmerksam, daß die Grundbuchordnung und die Subhastationsordnung hier nicht erwähnt seien. Ich beantragte, sich hiemit einverstanden zu erklären, weil diese Gesetzentwürfe sich nicht dazu eignen, in einer so großen Kommission einer zweiten Lesung unterzogen zu werden, dafür auch nach Lage der Sache ein Bedürfnis nicht bestehe. Die beiden Entwürfe könnten wohl seiner Zeit im Justizausschusse des Bundesrats unmittelbar weiter behandelt werden45. — Der Vorsitzende sprach sich in gleichem Sinne aus mit dem Beifügen, daß die Aenderungen, die diese Entwürfe nach dem Ergebnisse der zweiten Lesung des Entwurfs des BGB etwa zu erfahren haben werden, seiner Zeit im RJA könnten vorbereitet werden. Hinsichtlich der Zahl der Kommissionsmitglieder Nr. I Abs. 2 bemerkte der Vorsitzende, daß die ursprünglich vorgeschlagene Zahl von 21 sich voraussichtlich als unzureichend erweisen werde, man werde wahrscheinlich sich für 23 entscheiden müssen, um einerseits die Wünsche der Regierungen nach Thunlichkeit erfüllen, andererseits namentlich eine entsprechende Beteiligung der Fraktionen des Reichstags erzielen zu können. Bei Nr. II stellte ich die Frage, wie das Verhältnis der Zahl der juristischen Mitglieder zu der Zahl der übrigen Mitglieder gedacht sei; beifügend, daß diese Frage endgiltig wohl erst bei der Erledigung der Personenvorschläge werde beantwortet werden können. Der Vorsitzende stimmte letzterem bei und bemerkte im übrigen, daß die juristischen Mitglieder jedenfalls sich in der Mehrheit befinden müssen. Bei Nr. III bemerkte ich, daß darüber, wieviele von den Kommissionsmitgliedern ständige, wieviele nichtständige Mitglieder sein sollen, femer darüber, ob zu ständigen Mitgliedern ausschließlich Juristen zu wählen seien, gleichfalls erst bei der Entscheidung der Personenfrage werde Bestimmung getroffen werden können. Hinsichtlich des zweiten Punktes sei vielleicht zu erwägen, ob etwa dem Vertreter der Theorie der Volkswirtschaft ein Platz unter den ständigen Mitgliedern einzuräumen sei. — In letzterer Beziehung äußerte sich der Vorsitzende nicht, im übrigen stimmte er meinen Bemerkungen zu. 4

Die Vorschläge entsprechen wörtlich dem Beschluß des Bundesrates am 4. 12. 1890 (vgl. unten S. 350ff.) und werden deshalb hier nicht separat mitgeteilt. 44 Vgl. Fn. 43. 45 Vgl. oben S. 8 f. 345

Materialien zur Entstehung des BGB Daß der Vorsitzende — entsprechend dem Vorgange bei Bildung der früheren Kommission — sowie dessen Stellvertreter vom Reichskanzler aus der Zahl der Mitglieder ernannt werden (Nr. IV Abs. 2), wurde allseitig als sachgemäß anerkannt. — Ebenso erklärte man sich damit einverstanden, daß der Generalreferent und die Referenten vom Vorsitzenden bestellt werden (Nr. V). Durch den Schlußsatz der Nr. V wird eine in den ursprünglichen Vorschlägen sich findende Lücke in offenbar zweckmäßiger Weise ausgefüllt. Auch in der Bestellung des Generalreferenten zum allgemeinen Korreferenten (Nr. VII) erblickte man eine zweckmäßige Ergänzung der Vorschläge. Die Nr. VIII, ferner Nr. IX, worin die Bildung der Redaktionskommission einigermaßen anders geregelt ist als in dem früheren Vorschlag, endlich Nr. X und Nr. XI gaben zu einer weiteren Erörterung keinen Anlaß. Hinsichtlich der weiteren geschäftlichen Behandlung kam man dahin überein, daß dem Plenum des Bundesrats erst dann Bericht erstattet werde, wenn auch die Personenfrage zur endgiltigen Beschlußfassung bereift sein wird. Der Vorsitzende teilte hierauf folgendes mit: Von Seite des Reichs werde als Mitglied der Kommission vorgeschlagen der Geheimrat Professor Dr. Planck in Göttingen, der voraussichtlich zum Generalreferenten werde bestellt werden. Außer diesem wird Staatssekretär von Oehlschläger selbst zum Kommissionsmitglied gewählt werden sollen, wovon er übrigens heute keine ausdrückliche Andeutung machte. Von den einzelnen Bundesstaaten seien ihm bis jetzt genannt: . . .46. . . . Im übrigen seien in das Auge gefaßt: Professor Dr. Schmoller als Vertreter der Theorie der Volkswirtschaft, Oberforstmeister Dankelmann in Eberswalde als Vertreter eines Zweigs der Landwirtschaft, Generalkonsul Rüssel, Theilhaber der hiesigen Diskontobank als Vertreter der Interessen des Handels. Außerdem komme vielleicht noch in Frage der . . . Stadtrat Flesch in Frankfut a. M.47, der vielleicht von den Arbeitern als Vertreter ihrer Interessen anerkannt würde. Doch sei es ihm noch zweifelhaft, ob man sich auf die Wahl dieses Mannes einlassen soll. — Was sodann die aus dem Reichstage zu entnehmenden Mitglieder betrifft, so müsse er sich vor Mitteilung endgiltiger Vorschläge mit den Vorständen der verschiedenen Fraktionen ins Benehmen zu treten vorbehalten. Vorläufig habe er in das Auge gefaßt: von den Konservativen: den Rittergutsbesitzer Freiherrn von Manteuffel, der sich auch schon bereit erklärt habe und Rittergutsbesitzer von Helldorf, über dessen Bereitwilligkeit er übrigens noch im Ungewissen sei; — von den Freikonservativen: den Landesökonomierat Nolbe. Dieser sei zwar nicht mehr Mitglied des Reichstags, aber er besitze viel Einfluß in seiner Partei. Man könnte allenfalls auch an den Abgeordneten von Kardorff denken. Doch sei er von dem Vorschlag dieses Mannes gewarnt worden. Er befürchte auch, daß man an demselben wegen seiner ausgesprochenen bimetallistischen Richtung Anstoß nehmen würde. — Vom Zentrum kommen Freiherrn von Gagern, insbesondere auch als Vertreter der süddeutschen Landwirtschaft, in Frage. Als weiteres Zentrumsmitglied würde ihm Freiherr von Huene am erwünschtesten sein. — Von der Nationalliberalen könne er noch niemand vorschlagen; gedacht habe er an den Abgeordneten Dr. Hammacher. — Von den Deutsch-Freisinnigen habe er in das Auge gefaßt den Abgeordneten Goldschmidt, Brauereidirektor in Berlin, insbesondere wegen seiner Eigenschaft als Industrieller. Als zweiten habe er ursprünglich den Rechtsanwalt Munckel gewollt, doch sei er von

47

Von Bayern: Jacubezky, von Sachsen: kein Vorschlag; von Württemberg: höchstwahrscheinlich v. Mandry; von Baden: Gebhard; von Hessen: Dittmar; als Kommissar Hallwachs (über alle diese Juristen vgl. den biographischen Teil dieses Bandes). Vgl. oben S. 56.

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

diesem wieder abgekommen. Vielleicht komme man auf Dr. Alexander Meyer (Berlin) oder auf den Meklenburger Dr. Witte. Endlich müsse man in der Kommission entschieden einen Germanisten haben. Als solcher sei wohl am geeignesten Professor Dr. Schröder in Heidelberg. Man könne auch an Professor Dr. Gierke denken und vielleicht wäre es taktisch ratsam, ihn zu wählen. Allein dies scheine ihm denn doch bedenklich, weil Gierke den Entwurf vollständig negiere, während man doch auf dem Entwurfe als Grundlage fortarbeiten wolle. . . . XII. 1. Bericht von Stieglitz (Württemberg) vom 26. 11. 1890 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 25.11.189048 In einer gestern Abend abgehaltenen Sitzung des Justizausschusses wurde den Mitgliedern je eine Liste der Vorschläge über die in die Kommission zu berufenden Mitglieder zugestellt49. . . . Die Liste der ständigen Mitglieder liegt jetzt vollständig vor, sofern von Preußen weiter der Geh. Ober-Justizrath Eichholz in Berlin, von Sachsen der Geh. Justizrath Dr. Rüger in Dresden und von Württemberg der Professor Dr. von Mandry in Tübingen bezeichnet ist. Die Bestellung der 10 ständigen Mitglieder wird keinen Anstand haben. — Von den nichtständigen Mitgliedern haben sich Nr. 1 — 10 für die Annahme einer Wahl erklärt. Nr. l und 2 gehören den Konservativen, Nr. 3 der Reichspartei, Nr. 4 und 5 dem Centrum (Nr. 5 Gegner des Eherechts des Entwurfs), Nr. 6 der nationalliberalen, Nr. 7 und 8 der deutschfreisinnigen Partei an. Nr. 2, 5 und 8 sind zur Zeit nicht Mitglieder des Reichstags. Professor Dr. Schmoller hat abgelehnt, deshalb ist Danckelmann (Nr. 10) eingestellt worden. Mit dem Professor Dr. Gierke und (alternativ) Professor Dr. Conrad (Nr. 11) ist noch nicht verhandelt. Hier liegt einige Schwierigkeit. Von Professor Schröder in Heidelberg, der in Aussicht genommen war, hat man, wie Staatssekretär von Oehlschläger erklärt, abgesehen, weil er nicht hervorragend sei. Da der Entwurf hauptsächlich von germanistischer Seite angegriffen worden ist, so soll ein Germanist in die Kommission kommen. Von Dr. Gierke, dem Hauptgegner sei zu befürchten, daß seine Mitwirkung zu einer Förderung der Berathungen nicht dienen werde, weil er gerne und sehr viel rede; übrigens sei man im Preuß. Landes-Oekonomie-Kollegium, dessen Mitglied er sei, mit dieser seiner Übeln Eigenschaft auch fertig geworden; Conrad aber sei blos Nationalökonom. — Wenn ein anderer namhafter Germanist bezeichnet werden kann, so dürfte wohl auf diesen die Wahl sich lenken; andererseits wird es der künftigen Kritik des aus der zweiten Lesung hervorgegangenen Entwurfs zu gut kommen, wenn Gierke zur Mitwirkung berufen wird, und die Zusammensetzung namentlich der ständigen Mitglieder der Kommission bürgt dafür, daß Anschauungen, welche in das Rechtsleben der Gegenwart nicht mehr passen, nicht zum Siege gelangen werden. Auch ist nicht ausgeschlossen, daß Gierke die Wahl ablehnt, wenn er noch jetzt ein grundsätzlicher Gegner des Entwurfs ist. Ob jetzt noch, nachdem die Parteien ihre Mitglieder bezeichnet und diese eventuell die Annahme der Wahl zugesagt haben, der Gedanke, die Wahl auf den Regierungsrath Leemann zu lenken (. . .), zu verfolgen ist, muß ich höherem Ermessen anheim stellen. 2. Bericht von Heller vom 25. 11. 1890 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 25.11.189050 . . . Diese Vorschläge weichen von den vorläufigen Vorschlägen, über die ich am 30. 48 49 50

HStA Stuttgart, 130 a/821. Die Liste entspricht dem Beschluß des Bundesrates vom 4. 12. 1890 (vgl. unten S. 350f.). Hinzugekommen ist als 12. nichtständiges Mitglied lediglich Professor Sohm aus Leipzig. Bayr. HStA München, Abt. I, MJu. 16112. 347

Materialien zur Entstehung des BGB

vor. Monats berichtet habe, mehrfach ab. Soweit dies der Fall ist, erlaube ich mir, zu denselben folgendes zu bemerken: 1. Der Geheime Bergrat Leuschner ist seit 1882 Mitglied des Reichstags und gehört dort der Fraktion der Reichspartei an. 2. Der Landgerichtsrat Spahn ist zur Zeit nicht Mitglied des Reichstags, wenn er nicht etwa — worüber ich im Augenblick Gewißheit nicht erlangen konnte — durch eine in jüngster Zeit vollzogene Nachwahl Mitglied geworden ist, gehörte aber früher dem Reichstage an und ist Anhänger des Zentrums. Der Vorschlag seiner Person entspricht einem dringenden Wunsch Dr. Windthorsts. Letzterer ist, wie mir Staatssekretär von Oehlschläger vor einigen Tagen mitteilte, zunächst nicht recht einverstanden gewesen damit, daß das Zentrum in der Kommission durch Freiherrn von Gagern vertreten werde. Er wollte vielmehr zwei dem Zentrum angehörige Juristen in der Kommission haben, offenbar zu dem Zweck, daß der katholisch-kirchliche Standpunkt hinsichtlich des Eherechts dort eine ausgiebige Vertretung finde. Staatssekretär von Oehlschläger hielt indeß an Freiherrn von Gagern fest und acceptierte an Stelle des ursprünglich in das Auge gefaßten Abgeordneten Freiherrn von Huene den Landgerichtsrat Spahn51. Dieser hat, wenn ich nicht irre, über die eherechtlichen Bestimmungen des Entwurfs geschrieben. 3. Professor Dr. von Cuny ist Mitglied des Reichstags und gehört dort der Fraktion der Nationalliberalen an. Er stand etwa 20 Jahre lang im rheinpreußischen Justizdienste und ist als Kenner des rheinischen Rechts auf Anregung des preußischen Justizministers in Vorschlag gebracht. 4. Amtsgerichtsrat Hoff mann ist meines Wissens zur Zeit nicht Mitglied des Reichstags, gehörte demselben aber früher an und ist auf Vorschlag des Fraktionsvorstandes der Deutsch-Freisinnigen auf die Liste gesetzt. 5. Professor Schmoller hat die Berufung in die Kommission abgelehnt. Über Professor Schröder52 in Heidelberg hat Staatssekretär von Oehlschläger inzwischen Urteile vernommen, die ihn bestimmten, von dessen Person abzusehen. Er sei ihm als wenig bedeutend, mehr Philologe als Jurist bezeichnet worden. Er selbst sei deshalb trotz der jüngst geäußerten Bedenken doch wieder auf Professor Gierke zurückgekommen, zumal dieser die zwei Eigenschaften: des Nationalökonomen und des Germanisten in sich vereinige. Er verkenne die obwaltenden Bedenken auch jetzt noch nicht, glaube aber, daß es unter allen Umständen nach außen einen vorteilhaften Eindruck machen werde, wenn dieser entschiedene Gegner des Entwurfs zur Mitarbeit an demselben berufen würde. Staatsminister von Goßler53 habe namentlich die vorzüglichen Charaktereigenschaften Gierke's betonend, gegen dessen Berufung keine ernstlichen Bedenken. Für den Fall, daß sich der Justizausschuß oder der Bundesrat gegen die Wahl Professor Gierke's aussprechen sollte, ist Professor Dr. Conrad in Halle vorgeschlagen, der freilich nur Nationalökonom ist, so daß im Falle seiner Berufung die germanistische

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Karl Frh. von Hoiningen-Huene (geb. 1837 in Köln, gest. 1900), vertrat das Zentrum im Reichstag von 1884—1893; bekannt durch die „lex Huene"; von Beruf Offizier und Gutsbesitzer. — Über Spahn vgl. oben S. 106 f. (hier auch das Schriftenverzeichnis). 52 Über Schröder vgl. oben Teil DII. Fn. 2. 53 Gustav v. Goßler (geb. 1838 in Naumburg a. S., gest. 1902), seit 1859 im preuß. Justizdienst tätig; 1874 Hilfsarbeiter im preuß. Innenministerium, 1879 Unterstaatssekretär im Unterrichtsministerium, das er von 1881 — 1891 leitete; beendete den Kulturkampf; 1881 Präsident des Reichstags (Konservative Partei); von 1891 ab Oberpräsident für Westpreußen. 348

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

Rechtslehre in der Kommission nicht vertreten sein würde. Um der Entschließung der verbündeten Regierungen hinsichtlich dieser beiden Persönlichkeiten in keiner Weise vorzugreifen, hat Staatssekretär von Oehlschläger noch bei keinem derselben über die Bereitwilligkeit zur Annahme der etwaigen Berufung angefragt. Alle übrigen Herren haben schon Zusage erteilt. XIII. Stellungnahme des bayr. Justizministers Leonrad vom 27.11.1890 zur geplanten Wahl Gierkes in die 2. Kommission54 Dagegen erachtet das unterfertigte K. Staatsministerium es für geboten, die Wahl des Professors Dr. Gierke mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Professor Dr. Gierke hat den in erster Lesung festgestellten Entwurf für ungeeignet erklärt, die Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches zu werden. Er findet in demselben nur „abgestandene Pandektenjurisprudenz", welche für den sittlichen und sozialen Beruf der Privatrechtsordnung kein Verständnis habe, verwirft mehr noch als den Inhalt einer Anzahl aus dem römischen Recht stammender Rechtssätze die der romanistischen Rechtswissenschaft entnommene Prägung der Rechtsbegriffe und verlangt, daß das künftige Gesetzbuch sich in viel höherem Maße von dem überlieferten Rechte lossage und mit schöpferischer Kraft neue Gedanken verwirkliche. Er hat sich auch der Aufgabe nicht entzogen, wenigstens Umrisse der Rechtsgestaltungen zu geben, welche er dem Bedürfnisse unserer Zeit angemessen erachtet. So bereitwillig man anerkennen mag, daß er darin manchen bemerkenswerthen Beitrag geliefert hat, dürfte doch nicht zu bestreiten sein, daß ein großer Theil seiner Gedanken mindestens zur Aufnahme in das Gesetzbuch nicht bereift ist. In der Berufung zum Kommissionsmitgliede müßte Gierke die Aufforderung erblicken, seine Anschauungen zur Geltung zu bringen, dem künftigen Gesetzbuch des deutschen Reiches den Stempel seines Geistes aufzudrücken. An Hingabe für diese Aufgabe und an Geschicklichkeit, seine Ansichten zu vertreten und insbesondere unter den nichtjuristischen Mitgliedern der Kommission Anhänger für dieselben zu gewinnen, ließe er es sicher nicht fehlen. Daraus entstände die Gefahr, daß die Kommissionsberatungen sich zu einem unaufhörlichen Kampf zwischen Gierke und denjenigen Mitgliedern, welche seine zu weit gehenden Forderungen zu bekämpfen hätten, gestalten würden, der Kraft und Zeit der Kommission in einem ihre Aufgabe schädigenden Maße in Anspruch nähme. Das unterfertigte K. Staatsministerium ist der Überzeugung, daß die Beratungen der Kommission einen förderlichen Verlauf und das erwünschte Ergebnis nur versprechen, wenn der in erster Lesung festgestellte Entwurf als Grundlage des künftigen Gesetzbuches, wozu er nach der Ansicht der verbündeten Regierungen und der überwiegenden Mehrzahl der Kritiker tauglich ist, angesehen und von dem Versuche, durch kühne Schöpfungen dem bürgerlichen Rechte eine von der jetzigen wesentlich verschiedene Gestalt zu geben oder gar mit den von der bisherigen Rechtswissenschaft geformten Rechtsbegriffen die Grundlagen der juristischen Technik in Frage zu stellen, abgestanden wird. Aus diesem Grunde vermag dasselbe in Professor Dr. Gierke den richtigen Mann zur Mitwirkung bei der zweiten Lesung des Entwurfs nicht zu erblicken, dagegen könnte es die Wahl des Professors Dr. Conrad, welcher zu den hervorragendsten und

Zitiert nach dem von Jacubezky entworfenen Schreiben in den Akten des Bayr. HStA München, Abt. I, MJu. 16112. Eine Abschrift dieses Schreibens befindet sich auch in den württembergischen Akten (HStA Stuttgart 130 a/821). Der Bericht ist adressiert an das „K. Bayerische Staatsministerium des K. Hauses und des Aeußern". 349

Materialien zur Entstehung des BGB

mit den unsere Zeit bewegenden Fragen am meisten vertrauten Nationalökonomen zählt, nur mit Freude begrüßen. . . .

XIV. 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 4. 12.1890 § 612 (S. 305 — 307): Auf den von dem Ministerialrath Heller Namens des VI. Ausschusses mündlich erstatteten Bericht wurde im weiteren Verfolg des §. 6 der Protokolle von 1888 beschlossen: I. Der in erster Lesung festgestellte Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, sowie der Entwurf eines Einführungsgesetzes zu demselben werden einer zweiten Lesung unterzogen. Zu diesem Zweck wird eine Kommission von zweiundzwanzig Mitgliedern — theils Juristen, theils Vertretern der verschiedenen wirthschaftlichen Interessen — eingesetzt. II. Bei der Auswahl der juristischen Mitglieder soll die Rücksicht auf Vertretung der Theorie und Praxis, insbesondere auch des Anwaltstandes, auf Vertretung der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden größeren Rechtsgebiete, sowie auf Betheiligung an den Arbeiten der früheren Kommission, bei der Auswahl der Vertreter wirthschaftlicher Interessen die Rücksicht auf Vertretung der Landwirthschaft, des Handels und des Gewerbes, sowie der Theorie der Volkswirthschaft obwalten. III. Die Mitglieder sollen theils ständige, theils nichtständige sein; die letzteren sind, unbeschadet ihres Rechts an sämmtlichen Sitzungen theilzunehmen, zum Erscheinen nur insoweit verpflichtet, als der Vorsitzende dies für erforderlich hält. Während der Dauer der Kommissionsberathungen oder einer auf besondere Anordnung des Vorsitzenden außerhalb der Kommissionsberathungen stattfindenden Beschäftigung erhalten die Mitglieder zwanzig Mark Tagegelder, die nicht in Berlin einheimischen Mitglieder außerdem Ersatz der Reiseauslagen und für jeden Tag ihrer Anwesenheit in Berlin eine Zulage von zehn Mark. IV. Demgemäß werden berufen als ständige Mitglieder: 1. Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirklicher Geheimer Rath von Oehlschläger in Berlin, 2. Geheimer Justizrath, Professor Dr. Planck in Göttingen, 3. Geheimer Ober-Justizrath Küntzel in Berlin, 4. Geheimer Ober-Justizrath Eichholz in Berlin, 5. Ober-Regierungsrath Jacubezky in München, 6. Geheimer Rath Dr. Rüger in Dresden, 7. Professor Dr. von Mandry in Tübingen, 8. Geheimer Rath, Professor Dr. Gebhard in Freiburg in Baden, 9. Ministerialrath Dr. Dittmar in Darmstadt, 10. Rechtsanwalt Dr. jur. Wolffson sen. in Hamburg; als nichtständige Mitglieder: 1. Landrath und Rittergutsbesitzer Freiherr von Manteuffel-Crossen auf Schloß Grossen bei Drahnsdorf in Preußen, 2. Rittergutsbesitzer von Helldorf auf Bedra in Preußen, 350

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

3. Ober-Berg- und Hüttendirektor, Geheimer Bergrath Leuschner in Eisleben in Preußen, 4. Gutsbesitzer Freiherr von Gagern auf Neuenbürg und in Erlangen, 5. Landgerichtsrath Spahn in Bonn, 6. Geheimer Justizrath, Professor Dr. von Cuny in Berlin, 7. Brauereidirektor Goldschmidt in Berlin, 8. Amtsgerichtsrath Hoffmann in Berlin, 9. Geschäftsinhaber der Diskonto-Gesellschaft in Berlin, Bürgermeister a. D., Generalkonsul Russell in Charlottenburg, 10. Direktor der Forstakademie in Eberswalde in Preußen, Oberforstmeister Dr. Danckelmann daselbst, 11. Professor Dr. Conrad in Halle a. S., 12. Professor Dr. Sohm in Leipzig. Der Vorsitzende der Kommission und dessen Stellvertreter werden aus der Zahl der Mitglieder vom Reichskanzler ernannt. V. Der Vorsitzende bestellt aus den juristischen Mitgliedern der Kommission einen Generalreferenten und für die einzelnen Bücher des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs je einen Referenten. Der Referent des ersten Buchs ist zugleich Referent für den Entwurf des Einführungsgesetzes. VI. Der Reichskanzler und die einzelnen Bundesregierungen können zu den Berathungen Kommissare entsenden. Diese sind nach näherer Bestimmung der Geschäftsordnung berechtigt, das Won zu ergreifen und Anträge zu stellen. VII. Die Berathung in der Kommission erfolgt auf Vonrag des betreffenden Referenten sowie des Generalreferenten als Korreferenten und unter Berücksichtigung der aus der Mitte der Kommission hervorgehenden oder von Seiten der Regierungskommissare gestellten Anträge. Die Anträge sind dem Vorsitzenden in schriftlicher Form einzureichen. VIII. Die Beschlüsse der Kommission werden von den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern nach Summenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. IX. Der Generalreferent unterzieht auf der Grundlage der von der Kommission gefaßten sachlichen Beschlüsse und unter Berücksichtigung der aus der Mitte der Kommission und anderweitig erhobenen Fassungsbedenken den Entwurf einer redaktionellen Revision. Auf seinen Vortrag erfolgt die definitive Feststellung der Redaktion durch eine besondere Redaktionskommission. Diese wird durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Gesammtkommission als Vorsitzenden, durch den Generalreferenten und durch den Referenten des betreffenden Buchs gebildet. Soweit der letztere zugleich der stellvertretende Vorsitzende oder der Generalreferent ist, wird ein drittes Mitglied von dem Vorsitzenden der Gesammtkommission aus deren Mitte ernannt. Die Beschlüsse der Redaktionskommission werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit der sämmtlichen Mitglieder erforderlich. X. Die Kommission stellt im Uebrigen ihre Geschäftsordnung fest. XI. Die Kommission tritt noch im Laufe dieses Jahres zum Zweck der Erledigung der für den Beginn der sachlichen Berathungen erforderlichen Geschäfte zusammen. Die sachlichen Berathungen beginnen am 1. April 1891. 351

Materialien zur Entstehung des BGB

2. Bericht von Heller vom 4.12.1890 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 3.12. 1890 und des Plenums am 4.12.189055 . . . Hinsichtlich der Wahl des 11. nichtständigen Mitgliedes erörterte ich56 ... die gegen die Berufung des Professors Dr. Gierke obwaltenden Bedenken. Ich empfahl demgemäß, von dessen Person abzusehen, dagegen den Professor Dr. Conrad dem Bundesrate vorzuschlagen. Der großherzoglich hessische Gesandte erklärte, daß auch er sich angesichts der ihm zugegangenen Instruktion der für Bayern abgegebenen Erklärungen vollständig anschließe. Der K.württembergische Bevollmächtigte Direktor Dr. von Stieglitz war ohne Instruktion, sprach sich aber persönlich gleichfalls gegen die Wahl Gierke's und für die Wahl Conrad's aus, obwohl es an sich sehr erwünscht sein würde, einen Germanisten in der Kommission zu haben. Der Vorsitzende57 bemerkte, er habe, wie dem Ausschusse bekannt sei, von Anfang an Bedenken gegen die Wahl des Professors Gierke gehabt. Er sei auch jetzt noch schwankend. Für denselben lasse sich jedoch geltend machen, daß er ein in hohem Grade geistreicher Mann und durchaus redücher Charakter ist. Er würde, zum Mitglied der Kommission gewählt, sich die Mühe positiven Schaffens machen. Freilich habe er sich auf seinen Standpunkt, von dem aus er den ganzen Entwurf als ungeeignet und verfehlt ablehnt, festgelegt, die verbündeten Regierungen stünden auf dem entgegengesetzten Standpunkt. Hiernach wolle er auf Gierke's Wahl nicht schlechthin bestehen. Auf die Frage des hanseatischen Gesandten, ob denn angenommen werden könne, daß Professor Gierke einer Berufung in die Kommission Folge leisten würde, erwiderte der Vorsitzende, Professor Schmoller, den er hierüber vertraulich angefragt habe, halte es für ganz unzweifelhaft. Letzterer habe zugleich bemerkt, man solle doch Gierke nicht für so gefährlich halten; verlange man von ihm formulierte Anträge, so würde er gewiß keine bringen. Schmoller sei freilich ein Freund Gierke's und wünsche vielleicht um deswillen dessen Wahl in die Kommission. Von Gierke selbst sei es möglicher Weise anzunehmen, daß er die Mitgliedschaft(in) der Kommission als eine Art Reklame für seine Person benützen würde. Auch den etwa zu erzielenden taktischen Gewinn könne man kaum hoch anschlagen; es sei vielmehr mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß Gierke auch den unter seiner Mitwirkung zustande gekommenen Entwurf zweiter Lesung einer schonungslosen Kritik unterziehen werde. Der Hauptgewinn würde seiner Ansicht nach darin liegen, daß durch die Wahl Gierke's der Kommission ein in hohem Grade geistreiches Mitglied zugeführt werden würde. Dazu komme, daß Gierke jetzt für den bedeutendsten Germanisten gelte und zugleich Nationalökonom sei. Im weiteren Verlauf der Diskussion ergab sich Übereinstimmung darüber, daß es höchst erwünscht sein würde, wenn ein Germanist in die Kommission gewählt werden könnte, aber von keiner Seite konnte eine geeignete Persönlichkeit bezeichnet werden. Für Professor Schröder, gegen den sich der Vorsitzende wiederum in der von mir schon früher berichteten Weise aussprach, interessierte sich niemand. Der Vorsitzende bemerkte schließlich, einen Nationalökonomen müsse man schlechterdings in der Kommission haben; an diesem liege mehr als an einem Germanisten. Bei der hierauf folgenden Abstimmung wurde die Wahl Gierke's mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Gegen dieselbe stimmten Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Lübeck, dafür Preußen und Sachsen. Einstimmig wurde sodann beschlossen, als elftes nichtständiges Mitglied den Professor Dr. Conrad dem Bundesrate vorzuschlagen ... 55 56

57

Bayr.HStA München MJu. 16112. Heller in der Sitzung des Justizausschusses am 3. 12. 1890 auf der Grundlage des unter XIII. wiedergegebenen Berichts. v. Oehlschläger.

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E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

Der Antrag, welchen ich nach den Beschlüssen des Ausschusses in der heutigen Plenarsitzung des Bundesrats zur Annahme zu empfehlen hatte, ist in der Anlage enthalten59. Die Vorschläge unter Nr. I, II, III wurden ohne Diskussion einstimmig angenommen. — Nachdem ich zu Nr. IV insbesondere über den Verlauf und das Ergebnis der im Ausschusse über die Wahl des elften nichtständigen Kommissionsmitgliedes gepflogenen Beratung berichtet hatte, ergriff Staatssekretär von Oehlschläger das Wort. Nach den Vorschlägen des Ausschusses fehle in der Kommission ein Germanist. Da gerade die Germanisten den Entwurf am heftigsten angegriffen haben, sei zu befürchten, daß von dieser Seite der Vorwurf werde erhoben werden, es sei bei der unter Ablehnung der Wahl eines Germanisten erfolgten Zusammensetzung der Kommission mit einer gewissen Tendenz verfahren worden. Dieser Vorwurf müsse ferngehalten werden. Preußen beantrage deshalb, die Zahl der nichtständigen Mitglieder auf zwölf zu erhöhen und als zwölftes nichtständiges Mitglied einen Germanisten zu wählen. Auf Professor Gierke wolle er angesichts der bei der Mehrheit herrschenden Stimmung nicht zurückkommen, dagegen schlage er den Professor Dr. Sohm in Leipzig vor. Der K.preußische Justizminister von Schelling empfahl dringend die Annahme dieses Antrags, wobei er durchblicken ließ, daß er die gegen die Wahl Gierkes geltend gemachten Bedenken nicht für schwerwiegend genug halte, um diese Wahl abzulehnen und daß er die Ablehnung bedauere. Wir glaubten nach Lage der Sache, insbesondere im Hinblick auf die schon bei der Ausschußberatung allerseits anerkannten Rätlichkeit der Wahl eines Germanisten uns ebenfalls für den gestellten Antrag aussprechen zu sollen. Das gleiche geschah von Seite Hessens, Württembergs, Sachsens und Badens. Nr. IV der Vorschläge wurde hierauf unter Hinzufügung des Professors Dr. Sohm als zwölften nichtständigen Mitglied einstimmig angenommen60. Hieraus ergab sich die Ersetzung der Zahl „einundzwanzig" in Nr. I Abs. 2 durch „zweiundzwanzig . . ."61. XV. 1. Bericht von Stieglitz (Württemberg) vom 12. 3.1891 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 12. 3. 189l62 Sitzung des VI. Ausschusses vom 12. März 1891. Vorsitzender: der Preußische Staat- und Justizminister Dr. von Schelling. Referent: Ministerialrath Heller . . . Die nächste Veranlassung zur geplanten Vermehrung der Mitgliederzahl und Aenderung im Vorsitz der Redaktionskommission war der Wunsch der Reichsjustizverwaltung, den Direktor Hanauer63, welcher nach der Neubesetzung des Staatssekretariats Vgl. oben S. 350 f. unter IV. Unter den nichtständigen Mitgliedern fehlte noch Sohm. Vgl. oben S. 350 ff. Sohm war vor der Wahl nicht angefragt worden. Er nahm die Wahl telegraphisch an (Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizamt, Nr. 3812). 61 Bereits am 3.12. 1890 hatte Baden in der Ausschußsitzung ohne Erfolg beantragt, die Zahl der Kommissionsmitglieder auf 22 zu erhöhen, um zusätzlich zu Conrad auch noch einen Germanisten in der Kommission zu haben. — Der weitere Antrag von Mecklenburg, als 23. nichtständiges Mitglied v. Amsberg in die Kommission zu wählen, wurde von niemandem unterstützt und abgelehnt. Nur die im Justizausschuß des Bundesrates vertretenen Regierungen sollten auch in der Kommission vertreten sein. 62 HStA Stuttgart, 130a/822. Über Hanauer vgl. oben S. 99 f. Hanauer fühlte sich durch die Ernennung des jüngeren Bosse zum neuen Staatssekretär übergangen. Hanauer galt als befähigter und scharfsinniger Jurist, ohne daß er diese Eigenschaften nach außen hin im Bundesrat und Reichstag entsprechend zur Geltung bringen konnte. 59

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Materialien zur Entstehung des BGB

ausscheiden wollte, dem Reichsjustizamt und dem bürgerlichen Gesetzbuch, dessen Entwurf er schon seit Jahren seine Thätigkeit zugewendet hatte, als eine bedeutende juristische Kraft durch seine Ernennung zum ständigen Mitglied der Gesammtkommission und durch seine Stellung zum Vorsitzenden der Redaktionskommission zu erhalten. Es ist dies im meinem an Seine Excellenz den Herrn Staatsminister der Justiz Dr. von Faber am 7. d. Mts. erstatteten Bericht64 näher dargelegt. In dem Ausschuß wird der Antrag unter II l damit begründet, daß die Reichsjustizverwaltung in der Redaktionskommission mit Rücksicht auf ihre bisherige und künftige Thätigkeit in Beziehung auf den Entwurf eine genügende Vertretung sich sichern müsse. Gleichzeitig soll eine Beschwerde des Rechtsanwaltstandes über ungenügende Vertretung durch die Ernennung des Rechtsanwalts Justizrath Wilke65 in Berlin zum nichtständigen Mitglied abgeholfen werden. Wilke ist 60 Jahre alt, evangelisch, war 4 Jahre Kreisrichter, trat dann zur Rechtsanwaltschaft über und gilt, wie der Vorsitzende vorträgt, für einen der allerangesehensten Rechtsanwälte in Berlin, welcher auch literarisch in Ansehung des Entwurfs thätig gewesen ist. — Die beabsichtigte Aenderung im Vorsitz der Redaktionskommission hat eine Aenderung der Bestimmung IX des Beschlusses des Bundesraths vom 4. Dezember 1890 (§ 612 der Protokolle von 1890)66 von selbst zur Folge, da an Stelle des daselbst bezeichneten stellvertretenden Vorsitzenden der Gesammtkommission (Ober-JustizRath Küntzel) als Vorsitzender nunmehr Hanauer treten soll, während der stellvertretende Vorsitzende der Gesammtkommission als einfaches Mitglied der Redaktionskommission bleibt. Die Aenderung im Eingang der Vorschrift IX hat ihren Grund darin, daß man es für angemessener hält, die redaktionelle Redaktion nicht von dem Antrag des Generalreferenten, welcher Mitglied der früheren Kommission war, abhängig zu machen. Im übrigen sollen nach dem Antrag etwa erforderliche Ergänzungen oder Verstärkungen der Redaktionskommission durch die Gesammtkommission erfolgen. Durch diese Bestimmung, welche an Stelle der unvollständigen bisherigen Vorschrift tritt, daß, soweit der Referent des betreffenden Buchs zugleich der stellvertretende Vorsitzende oder der Generalreferent sei, ein drittes Mitglied von dem Vorsitzenden der Gesamtkommission aus deren Mitte ernannt werde, wird das Besetzungsverfahren beweglicher gestaltet. — Die abweichenden Bestimmungen in Absatz 2 der Ziffer IX sind eine Folge der Erhöhung der Zahl der Mitglieder der Redaktionskommission. 2. Protokoll der Bundesratssitzung vom 12. 3.1891 §. 141 (S. 63): Auf den von demselben Referenten67 Namens des VI. Ausschusses mündlich erstatteten Bericht wurde im Verfolg des §. 11468 der Protokolle beschlossen, I. an Stelle des in Folge seiner Ernennung zum Präsidenten des Reichsgerichts aus der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich ausgeschiedenen Wirklichen Geheimen Raths von Oehlschläger 64

In diesem Bericht (HStA Stuttgart a. a. O.) ist nichts wesentlich anderes als im hier wiedergegebenen Bericht enthalten (vgl. auch Fn. 63). — Schicker weist darauf hin, daß Hanauer den Ruf eines „sehr befähigten, scharfsinnigen und feinen Juristen" genieße, aber diese Eigenschaft nach außen nicht zur Geltung bringen könne. 65 Über Wilke und dessen Schriften vgl. oben S. 108 f. 66 Vgl. oben S. 351. 67 v. Heller. 68 In dieser Sitzung (§114) hatte der Vorsitzende mitgeteilt, daß Oehlschläger wegen seiner Ernennung zum Präsidenten des Reichsgerichts um Entlassung aus der 2. BGB-Kommission bitte. 354

E. Vorbereitung der 2. Lesung, Einsetzung der 2. Kommission

den Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirklichen Geheimen Rath Dr. Bosse als ständiges Mitglied in die Kommission zu berufen; II. die Zahl der Mitglieder der Kommission auf vierundzwanzig zu erhöhen und demgemäß weiter zu berufen 1. den Direktor des Reichs-Justizamts, Wirklichen Geheimen Rath Hanauer als ständiges Mitglied, 2. den Rechtsanwalt Justizrath Wilke in Berlin als nichtständiges Mitglied; III. die Nr. IX des Beschlusses vom 4. Dezember vorigen Jahres — §. 612 der Protokolle — folgendermaßen zu ändern: IX. Auf der Grundlage der von der Kommission gefaßten sachlichen Beschlüsse und unter Berücksichtigung der aus der Mitte der Kommission und anderweitig erhobenen Fassungsbedenken wird der Entwurf durch eine besondere Redaktionskommission einer redaktionellen Revision unterzogen. Die Redaktionskommission wird durch den Direktor des Reichs-Justizamts, Wirklichen Geheimen Rath Hanauer als Vorsitzenden, durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Gesammtkommission, durch den Generalreferenten und durch den Referenten des betreffenden Buchs gebildet. Anordnungen wegen etwa erforderlicher Ergänzung oder Verstärkung der Redaktionskommission erfolgen durch Beschluß der Gesammtkommission. Die Beschlüsse der Redaktionskommission werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit von wenigstens drei Mitgliedern erforderlich. Bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. XVI. Protokoll der Bundesratssitzung vom 12. 5. 1892 §. 408 (S. 293): Auf den von dem Ministerialrath von Heller Namens des VI. Ausschusses mündlich erstatteten Bericht wurde im Verfolg des §. 374 der Protokolle beschlossen69, I. die in Nr. III des Beschlusses vom 12. März 1891 - §. 141 der Protokolle enthaltene Fassung der Nr. IX des Beschlusses vom 4. Dezember 1890 — §. 612 der Protokolle — dahin zu ändern, daß der zweite Satz folgendermaßen lautet: Die Redaktionskommission wird durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Gesammtkommission als Vorsitzenden, den Generalreferenten und den Referenten des betreffenden Buchs gebildet; II. an Stelle des in Folge seiner Ernennung zum Königlich preußischen Staatsminister und Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten aus der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich ausgeschiedenen Dr. Bosse den vortragenden Rath im Reichs-Justizamt, Geheimen Regierungsrath Struckmann als ständiges Mitglied in die Kommission zu berufen. XVII. Protokoll der Bundesratssitzung vom 25.10. 1893 §. 575 (S. 420): Auf den von dem Ministerialrath Freiherrn von Stengel Namens des VI. Ausschusses mündlich erstatteten Bericht wurde beschlossen70, Anlaß für diesen Beschluß war das Ausscheiden Bosses aus der Kommission und die Übertragung des Vorsitzes in der Kommission an Hanauer. Anlaß für diesen Beschluß war der Tod des Kommissionsvorsitzenden Hanauer. Nieberding, der neue Staatssekretär des Reichsjustizamt, wollte nicht in die Kommission gewählt werden, um Fortsetzung der Fußnote auf Seite 3 6

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Materialien zur Entstehung des BGB

I. an Stelle des durch den Tod aus der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschiedenen Staatssekretärs Hanauer ein anderes Mitglied nicht in die Kommission zu berufen; II. in Nr. IV des Beschlusses vom 4. Dezember 1890 — §. 612 der Protokolle — den Absatz 2 durch Nachstehendes zu ersetzen: Der Vorsitzende der Kommission wird aus der Zahl der Mitglieder vom Reichskanzler ernannt. Der Reichskanzler ist ermächtigt, für Fälle vorübergehender Behinderung des Vorsitzenden wegen dessen Vertretung durch ein anderes Mitglied der Kommission das Erforderliche zu veranlassen. Der Staatssekretär des Reichs-Justizamts ist befugt, in besonderen Fällen an Stelle des Vorsitzenden die Leitung der Berathungen mit vollem Stimmrecht (Nr. VIII des Beschlusses vom 4. Dezember 1890) zu übernehmen, sowie außerdem Fragen, über die bereits Beschluß gefaßt ist, mit Rücksicht auf solche Gesichtspunkte, welchen die Reichsverwaltung eine größere Tragweite beimißt, in der Kommission zur wiederholten Berathung und Beschlußfassung zu bringen. III. unter Abänderung des Beschlusses vom 12. Mai 1892 — §. 408 der Protokolle — in Nr. IX des Beschlusses vom 4. Dezember 1890 den zweiten Satz dahin zu fassen: Die Redaktionskommission wird durch den Vorsitzenden der Gesammtkommission, durch den Generalreferenten und durch den Referenten des betreffenden Buchs gebildet.

den Entwurf im Bundesrat und Reichstag unbefangen vertreten zu können. Der bisherige stellvertretende Vorsitzende der Kommission, Oskar Künzel, wurde deren Vorsitzender, blieb aber zugleich Mitglied der Redaktionskommission. Zum Abschluß sei noch darauf hingewiesen, daß der Bundesrat am 21. 3. 1895 Börner (an Stelle des ausgeschiedenen Rüger) in die Kommission wählte (§ 192 der Protokolle von 1895). 356

F. Die Geschäftsordnung der 2. Kommission

F. Die Geschäftsordnung der 2. Kommission I. Protokoll der 1. Sitzung der 2. Kommission am 15.12. 189l1, Schriftführer Kayser . . . Der Kommission wurde danach der als Anlage zum Protokoll beigefügte Entwurf einer Geschäftsordnung2 vorgelegt. Sie beschloß die Annahme dieser Geschäftsordnung, wobei § 12 derselben nach Ausfüllung der offen gelassenen Stellen die nachstehende Fassung erhielt: „Die Sitzungen der Kommission finden am Mittwoch, Donnerstag, Freitag, und nach Bedürfniß auch am Sonnabend einer jeden Woche statt; sie beginnen um 11 Uhr". Bei der Durchberathung der Geschäftsordnung ergab sich in der Kommission ein Einvernehmen über die folgenden zur Erörterung gelangten Punkte: 1. Unter den Vorträgen des Referenten und Generalreferenten im § 3 sollen mündliche Vorträge verstanden werden. 2. Bei der Wiederaufnahme eines Antrags nach § 7 solle der Antragsteller zur Begründung verstattet werden, ehe über die Frage der Zulässigkeit seines Antrags beschlossen werde. 3. Zu § 8 Ziff. 3 solle es nicht ausgeschlossen sein, daß Vorträge nebst schriftlicher Begründung im Protokoll als Theile derselben aufgenommen werden. Bei § 11 wurde die Frage angeregt, ob und inwieweit die Kommission ihre Verhandlungen und Beschlüsse der O effentlich keit unterbreiten solle. Gegen eine Veröffentlichung von Amts wegen wurde insbesondere geltend gemacht, daß sich die Befugniß der Kommission zur Vornahme derselben mangels einer vom Bundesrath ertheilten Ermächtigung bezweifeln lasse, sowie daß dadurch eine Gefährdung der Stetigkeit der Berathungen zu besorgen sei. Die Kommission war hiernach darüber einverstanden, daß von einer amdichen Veröffendichung abzusehen sei, daß aber keinem Mitglied Geheimhaltung ihrer Verhandlungen und Beschlüsse auferlegt werden solle. . . . II. Entwurf einer Geschäftsordnung für die zum Zwecke einer zweiten Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, sowie des Entwurfs eines Einführungsgesetzes zu demselben eingesetzte Kommission3 § l. Die Geschäftsordnung der zum Zwecke der zweiten Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, sowie des Entwurfs eines Einführungsgesetzes zu demselben einberufenen Kommission wird auf der Grundlage des Bundesrathsbeschlusses vom 4. Dezember d. J. durch die nachstehenden Bestimmungen geregelt. § 2. Die Sitzungen der Kommission finden am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und nach Bedürfniß auch am Sonnabend einer jeden Woche statt; sie beginnen um 11 Uhr. Zitiert nach dem metallograph. Exemplar im ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 4088. Vgl. unten unter II. 3 Der Entwurf ist Teil der Protokolle (S. 5—8) und stammt aus dem Reichsjustizamt. 357

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§ 3. Der Vorsitzende eröffnet und schließt die Sitzung; er leitet die Berathung und Abstimmung. Nach den Vorträgen des Referenten und des General-Referenten wird die Debatte durch den Vorsitzenden eröffnet. § 4. Der Vorsitzende eitheilt das Wort in der Reihenfolge, in welcher die Meldung zum Wort erfolgt ist. Der Referent und der General-Referent erhalten auf ihr Verlangen das Wort nach Schluß der Debatte. § 5. Anträge sind formulirt dem Vorsitzenden am Tage vor der Sitzung, für welche sie bestimmt sind, einzureichen. Sie werden vervielfältigt und sämmtlichen Mitgliedern, sowie den Kommissaren mitgetheilt. Ueber Anträge, welche nicht spätestens am Tage vor der Sitzung den Mitgliedern und den Kommissaren schriftlich zugegangen sind, wird erst in der nächstfolgenden Sitzung verhandelt oder endgültig abgestimmt, wenn dies von dem Referenten oder von dem Generalreferenten verlangt oder auf den Antrag eines anderen Mitglieds oder eines Kommissars von der Kommission beschlossen wird. Anträge auf getrennte Abstimmung unterliegen der Schriftlichkeit und den Bestimmungen des Absatz 2 nicht. § 6. Die Abstimmung erfolgt getrennt von der Debatte. Bei der Abstimmung ist eine Rechtfertigung des Votums ausgeschlossen. § 7. Anträge auf Aenderung gefaßter Beschlüsse oder auf nochmalige Berathung eines bereits erledigten Gegenstandes können nur zur Diskussion gelangen, wenn das Eingehen auf dieselben vorher von der Kommission beschlossen worden ist. § 8. Ueber jede Sitzung der Kommission wird ein Protokoll durch einen von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Schriftführer aufgenommen. Das Protokoll soll enthalten: 1. die Bezeichnung der in der Sitzung anwesenden Kommissionsmitglieder, der Kommissare und des Schriftführers; 2. geschäftliche Mittheilungen; 3. die gefaßten Beschlüsse nebst einer kurzen Begründung derselben. Die Namen der Redner, Antragsteller und Abstimmenden werden im Protokoll nicht vermerkt. Auf Antrag ist jedoch das Stimmenverhältniß, mit welchem der Beschluß gefaßt ist, anzugeben. § 9. Das Protokoll unterliegt der Kontrolle eines Ausschusses. Der Ausschuß besteht aus denselben Mitgliedern, aus welchen die Redaktionskommission gebildet ist. Der Schriftführer übergiebt das fertiggestellte Protokoll unverzüglich dem Referenten, welcher dasselbe den übrigen Mitgliedern des Ausschusses zustellt. In der ersten Kommissionssitzung einer jeden Woche werden die kontrollirten Protokolle der in der vorausgehenden Woche stattgehabten Sitzungen bis zum Ablauf der Woche zur Einsicht ausgelegt; sie gelten als genehmigt, wenn nicht vor dem letzten Sitzungstage der Woche Widerspruch erfolgt. Ueber einen erhobenen Widerspruch entscheidet die Kommission. Die Protokolle sind, sobald sie als genehmigt gelten oder ein erhobener Widerspruch erledigt ist, von dem Schriftführer, im Falle der Behinderung desselben von dem Vorsitzenden des Ausschusses zu unterzeichnen. 358

F. Die Geschäftsordnung der 2. Kommission

§ 10. Das Protokoll über die Sitzungen der Redaktionskommission4 soll enthalten: 1. die Bezeichnung der in der Sitzung anwesenden Mitglieder und des Schriftführers; 2. die gestellten Anträge; 3. die gefaßten Beschlüsse. Das Protokoll wird unverzüglich von dem Schriftführer dem Vorsitzenden der Redaktionskommission zur Prüfung übergeben und nach erfolgter Prüfung von dem Schriftführer, im Falle der Behinderung desselben von dem Vorsitzenden unterzeichnet. §11. Die Protokolle der Kommission werden vervielfältigt und den Mitgliedern sowie den Kommissaren in je zwei Exemplaren zugestellt. § 12. Auf die Sitzungen des Ausschusses und der Redaktionskommission finden, insoweit nicht abweichende Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften über die Kommissionssitzungen entsprechende Anwendung. § 13. Es bleibt vorbehalten durch Beschluß der Kommission Subkommissionen über einzelne Theile einzusetzen. § 14. Der von der Redaktionskommission festgestellte Entwurf wird der Kommission zur Genehmigung vorgelegt. Eine Wiederaufnahme der sachlichen Berathung über einzelne Gegenstände erfolgt nur auf Grund eines besonderen Kommissionsbeschlusses. III. Protokoll der 2. Sitzung der 2. Kommission vom 1. 4. 1891, Protokollführer Jecklin . . . Die Anregung des Vorsitzenden, von der folgenden Woche an zunächst versuchsweise die Sitzungen auf die drei ersten Tage der Woche (Montag, Dienstag, Mittwoch) zu verlegen, fand keinen Widerspruch. Für die Dauer dieser Abänderung des § 2 der Geschäftsordnung soll auch der § 9 der Geschäftsordnung insofern als geändert gelten, als im Abs. 4 die Worte „vor dem letzten Sitzungstage" durch die Worte „vor Ablauf der Woche" zu ersetzen sind. Die Sitzungen sollen pünktlich um 11 Uhr ihren Anfang nehmen und in der Regel gegen 3V2 Uhr geschlossen werden; um l Uhr tritt eine halbstündige Pause ein. Es folgte eine Reihe weiterer geschäftlicher Mittheilungen. Die Auslegung der kontrollirten Protokolle (Geschäftsführung § 9 Abs. 4) wird im Bibliothekzimmer des Reichs-Justizamts stattfinden, woselbst die Einsicht derselben jederzeit unter Vermittlung eines Bibliothekbeamten erfolgen kann. Ebendaselbst werden die auf das Rundschreiben des Herrn Reichskanzlers seitens der Bundesregierung eingegangenen gedruckten und handschriftlichen Aeußerungen zur Einsichtnahme ausliegen. Die Sitzungsprotokolle sollen den Bundesregierungen in mindestens zwei Exemplaren fortlaufend mitgetheilt werden. Auch soll im Reichsanzeiger von Zeit zu Zeit über den Stand der Kommissionsberathungen — ohne nähere Angabe der gefaßten Beschlüsse — berichtet werden. Nachdem sodann beschlossen worden war, von jeder Generaldiskussion über den Entwurf als Ganzes in der gegenwärtigen Lage Abstand zu nehmen, wurde in die Berathung der Bestimmungen des Entwurfs eingetreten . . .

Protokolle der Redaktionskommission sind bis jetzt noch nicht aufgefunden worden; ob sie tatsächlich geführt worden sind, habe ich bis jetzt nicht feststellen können. 359

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G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat I. Schreiben des Reichskanzlers vom 19.12.1893 an alle Bundesregierungen zur Vorbereitung der Beratung des 2. Entwurfs im Bundesrat1 Nachdem die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines BGB die Berathung des vom Sachenrechte handelnden dritten Buchs des Entwurfs beendigt hat und nunmehr in der Berathung des vierten Buches über das Familienrecht erheblich vorgerückt ist, kommt der Zeitpunkt näher, in welchem der Bundesrath über den Entwurf zweiter Lesung Beschluß zu fassen haben wird. Es erscheint daher angezeigt, schon jetzt die Frage zu erwägen, in welcher Weise diese Beschlußfassung zweckmäßig erfolgen möchte. Ich gehe davon aus, daß es bei der Beurtheilung des von der Kommission festgestellten Gesetzbuchs sowohl für den Bundesrath als auch für den Reichstag wesentlich um ein politisches Votum sich handeln wird. Wollte man den Entwurf im Bundesrath und nach dem so gegebenen Beispiel auch dann im Reichstag einer Durchberathung in allen Einzelheiten, wie sonstige Gesetzesvorlagen, unterziehen, so würde dies für die Vollendung des Gesetzgebungswerks, dessen Abschluß wohl im allseitigen Interesse liegt, mindestens einen Aufschub von Jahren bedeuten. Da aber in Folge einer solchen Verzögerung die Theilnahme des Volkes mehr und mehr von dem Gesetzgebungswerk sich abwenden müßte, so würde darüber hinaus mit der Gefahr zu rechnen sein, daß unter dem Einflüsse der einer so großen Aufgabe naturgemäß entgegentretenden Schwierigkeiten die abschließenden Erörterungen innerhalb der gesetzgebenden Körper überhaupt in das Stocken gerathen. Dieser Gefährdung des ganzen Gesetzgebungswerkes wird mit allen Mitteln vorgebeugt werden müssen. Was die Mitwirkung des Bundesraths betrifft, so scheint es mir geboten zu sein, daß die Ausschußberathungen nicht nur auf das Nothwendige beschränkt bleiben, sondern auch vorher derart vorbereitet werden, daß sie ohne großen Zeitverlust zu einer Entscheidung führen können. Bei einer von großen Gesichtspunkten geleiteten Behandlung des Gegenstandes im Bundesrathe wird auch vom Reichstag erwartet werden dürfen, daß er eine, dem Interesse des nationalen Werkes entsprechende Selbstbeschränkung bei seiner verfassungsmäßigen Mitwirkung sich auferlegen werde. Zur Beschleunigung der Berathungen des Bundesraths kann es meines Erachtens besonders dienen, wenn die Bundesregierungen geneigt sein sollten, schon demnächst zu dem Entwurfe zweiter Lesung in der Weise Stellung zu nehmen, daß sie die von der Kommission jeweils festgestellten Theile des Entwurfs prüfen, dabei aber, entsprechend dem zuvor angedeuteten Gesichtspunkte, ihre Erinnerungen auf solche Punkte beschränken, die von hervorragender wirthschaftlicher und sozialpolitischer Bedeutung sind oder besondere Interessen des einzelnen Landesgebietes berühren. Die beiden ersten Bücher des Entwurfs sind auch redaktionell schon festgestellt und in der festgestellten Fassung gedruckt; die Feststellung der Fassung des dritten Buchs mit dem Druck dieses Buches darf in Kurzem erwartet werden. Es liegt also genügendes Material für die in Anregung gebrachte Prüfung vor. Zwar hat die Kommission sich vorbehalten, 1

Hier wiedergegeben nach den Beständen des HStA Stuttgart E 130a/823.

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G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat

die einzelnen festgestellten Theile später noch einer Schlußrevision zu unterziehen. Aber diese Revision wird, wie vorauszusehen ist, nicht zu Abänderungen führen, welche die Bundesregierungen abhalten könnten, schon vorher Stellung in der Sache zu nehmen. Wenn dann die Bundesregierungen ihre Erinnerungen und Wünsche hierher mittheilen würden, so vermöchte auch die Reichsjustizverwaltung zur Beschleunigung der Arbeiten mitzuwirken. Ich glaube, daß die Bundesregierungen in der Lage sein würden, ihre Aeußerungen nach den einzelnen Büchern des Entwurfes getrennt, und demgemäß für das erste Buch etwa zum I.Juli 1894, für die folgenden Bücher aber je um ein Vierteljahr später dem Reichs-Justizamt zugehen zu lassen. Geschähe dies, so könnte eine Zusammenstellung2 der Erinnerungen und Wünsche mit der Begutachtung der Reichsverwaltung in entsprechenden Terminen den Regierungen mitgetheilt und somit auf schnellstem Wege eine Unterlage für die dann voraussichtlich nur kurzen Berathungen im Bundesrath selbst gewonnen werden. Indem ich mich des allseitigen Einverständnisses darüber versichert halten darf, daß von Seiten der Bundesregierungen in jeder Weise auf eine Förderung des Gesetzgebungswerks hingewirkt werden muß, gestatte ich mir an das Königlich Württembergische Ministerium3 die Bitte zu richten, von den Bedenken, welche gegen den von mir vorgeschlagenen Weg etwa bestehen sollten, mir gefälligst Kenntniß zu geben, im ändern Falle aber Maßnahmen dahin treffen zu wollen, daß der Entwurf zweiter Lesung in dem von mir bezeichneten Sinne dort einer Prüfung unterzogen und daß die dabei sich ergebenden Anträge ohne Verzug dem Reichs-Justizamte mitgetheilt werden. (gez.) v. Caprivi II. Vorschlag des Reichskanzlers zur Ernennung der ständigen Kommissionsmitglieder zu Kommissarien des Reichskanzlers (April 1895)4 1. Die ständigen Mitglieder der Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch wirken bei der Vertretung der Vorlage im Bundesrath und Reichstag mit. 2. Sie werden zu dem Behufe für die Verhandlungen im Bundesrath zu Kommissarien der Reichskanzlers durch diesen, für die Verhandlungen im Reichstag zu Kommissarien der verbündeten Regierungen durch Beschluß des Bundesraths berufen. 3. Für die Berathungen im Bundesrath, die zum Theil in die Zeit der Feststellung des Einführungsgesetzes durch die Kommission fallen müssen, wird es nur der zeitweisen Zuziehung einzelner Kommissionsmitglieder bedürfen, so daß deren nächste Aufgabe nicht beeinträchtigt wird. 4. In welchem Umfange und für welche Rechtsgebiete vorzugsweise die einzelnen Kommissionsmitglieder für die Vorlage einzutreten haben, unterliegt der Bestimmung des Reichskanzlers.

Eine solche „Zusammenstellung" ist 1895 als Manuskript gedruckt worden und diente dem Justizausschuß als Beratungsgrundlage. Eine entsprechende Bitte ist an alle Bundesstaaten herausgegangen. Zitiert nach dem Exemplar im HStA Stuttgart E 130a/823. Die Bundesregierungen sind diesem Wunsche entgegengekommen. Die Wahl zu Kommissaren des Reichskanzlers für die Reichstagsverhandlungen erfolgte am 23. 1. 1896 (§ 45 der Protokolle des Bundesrates von 1896). Gewählt wurden: Hermes, Planck, Jacubezky, Börner, So hm, Mandry, Gebhard, Struckmann und Küntzel. 361

Materialien zur Entstehung des BGB

5. So lange die Kommissionsarbeiten noch laufen, erhalten die Kommissionsmitglieder eine besondere Remuneration für ihre Thätigkeit im Bundesrathe nicht. Nach dem Abschluß der Kommissionsarbeiten, womit die derzeitige Remunerirung der Kommissionsmitglieder als solche endet, wird die Remunerirung der Kommissarien, soweit sie nicht in Berlin ein Amt bekleiden, in gleicher Weise erfolgen, wie diejenige der Kommissionsmitglieder. III. 1. Protokoll der Bundesratssitzung vom 27. 6. 1895 § 407 (S. 288): Der Vorsitzende trug vor: Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (zweite Lesung) werde voraussichtlich mit Beginn des Herbstes, also zu einem Zeitpunkt an den Bundesrath gelangen, zu welchem regelmäßige Plenarsitzungen mit Sicherheit nicht vorauszusehen seien. Es werde daher beabsichtigt, den Entwurf, vorbehaltlich der nachträglichen Genehmigung des Bundesraths, alsbald nach dem Eingange dem VI. Ausschusse zu überweisen, damit dieser in der Lage sei, ohne Verzug noch vor dem Zusammentritt der Plenarversammlung in die Berathung des Entwurfs einzutreten. Für die Berathung selbst liege es im Plane, die Berichterstattung über die einzelnen Bücher des Entwurfs an verschiedene Berichterstatter nach näherer Verständigung im Ausschusse zu vertheilen, um mit Hülfe einer solchen Geschäftsvertheilung die Berathung des Entwurfs möglichst zu fördern. Eine für den Reichstag bestimmte Denkschrift zu dem Entwurf werde im Reichs-Justizamt vorbereitet, und die einzelnen Theile dieser Denkschrift sollen dem Bundesrath so zeitig zugehen, daß in den Ausschußberathungen bei jedem Buche des Entwurfs auch der zugehörige Abschnitt der Denkschrift berücksichtigt werden könne. Die Versammlung nahm hiervon Kenntniß. 2. Bericht von Heller vom 27. 6. 1895 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates und des Plenums am 27. 6. 1895s In der heutigen Plenarsitzung des Bundesrats machte der Vorsitzende, Staatsminister Dr. von Bötticher, die in dem anliegenden Entwurfe einer Protokollstelle enthaltene Mitteilung6. — Die Versammlung nahm davon Kenntnis; das Wort wurde von anderer Seite dazu nicht ergriffen. In einer der Plenarsitzung vorangegangenen Sitzung des Ausschusses für Justizwesen hatte der Staatssekretär Nieberding jene Mitteilung angekündigt und daran folgende vertrauliche weitere Mitteilungen geknüpft: Die Beratung des Entwurfs durch die Kommission sei so weit gediehen, daß er zu Anfang des Herbstes bei dem Bundesrate werde eingebracht werden können. Jene Mitteilung im Plenum erfolge namentlich auch zu dem Zwecke schon jetzt, damit die im Justizausschusse vertretenen Regierungen rechtzeitig die für die Beratung im Ausschusse noch erforderlichen Vorbereitungen treffen, insbesondere jede einzelne dieser Regierungen zu den von den anderen Regierungen zu dem Entwurfe zweiter Lesung eingebrachten Abänderungsanträgen und Vorschlägen Stellung nimmt. Durch die im Reichs-Justizamt hergestellte, als Manuskript gedruckte „Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen"7, von der die Hefte I und II schon erschienen 5

Geh. Staatsarchiv München MA 76 726 (Adressat ist das Staatsministerium der Justiz). Dieser Entwurf stimmt mit dem endgültigen Protokoll (vgl. oben unter III1.) überein. 7 Der Inhalt dieser sogn. Zusammenstellung wird jeweils im materiellrechtlichen Teil der Edition wiedergegeben.

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G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat

seien und Heft III demnächst erscheinen werde, seien die Anträge und Vorschläge zur Kenntnis sämtlicher Regierungen gebracht. Die Mitteilung hat sodann den weiteren Zweck, die im Justizausschusse nicht vertretenen Regierungen dazu zu veranlassen, daß sie sich darüber schlüssig machen, ob sie Kommissarien zu den Beratungen des Justizausschusses abordnen wollen. Schon jetzt müsse der Justizausschuß sich darüber schlüssig machen, wie hinsichtlich der Berichterstattung über den Entwurf im Ausschusse verfahren werden soll. Der Entwurf bestehe aus sechs Büchern, von denen fünf von ziemlich gleichem Umfange seien. Er sei der Meinung, daß die Berichterstattung nach Büchern verteilt werden sollte. Im Falle des Einverständnisses mit diesem Vorschlag werde man zweckmäßigerweise die Verteilung sofort vornehmen, das zur Berichterstattung notwendige Material (Entwürfe der einzelnen Bücher, Protokolle der Kommission für die zweite Lesung, Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen) werde den Mitgliedern des Justizausschusses so bald als möglich zur Verfügung gestellt werden. Zu Anfang des Herbstes könne man dann mit der Beratung im Ausschusse beginnen. Das dabei zu bewältigende Material sei nicht allzu groß, es sei vollständig enthalten in der Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen. An der Hand dieser Zusammenstellung werde sich die ganze Beratung abwickeln. Er gehe von der Annahme aus, daß es der Wille der Regierungen sei, nur noch die in der Zusammenstellung enthaltenen Erinnerungen und Anträge zum Gegenstand der Beratung im Justizausschusse und im Bundesrate zu machen. Hinsichtlich der erwähnten Mitteilung des für die Berichterstattung erforderlichen Materials könne er in Aussicht stellen, daß das Material zum ersten Buche sofort, das zum zweiten und dritten anfangs September, das zum vierten Mitte September, das zum fünften und sechsten anfangs Oktober den Mitgliedern des Ausschusses zugehen werde. Er nehme an, man werde wöchentlich drei Sitzungen halten, zu jedem Buche etwa zwei Wochen brauchen8, somit bis Weihnachten 1895 die Beratung im Ausschusse zum Abschlüsse bringen. Diejenigen Mitglieder der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs, die dort als Referenten thätig waren, würden für die Beratung des Entwurfs im Bundesrate zu Kommissaren des Reichskanzlers ernannt werden, die Schriftführer der Kommission würden ebenfalls dem Justizausschusse attachiert werden und zur Verfügung der Berichterstatter stehen. Von den einzelnen Teilen der für den Reichstag bestimmten Denkschrift würden, soweit es nötig sein wird, schon vor ihrer Einbringung bei dem Bundesrate den Mitgliedern des Justizausschusses Abzüge zugehen. Hinsichtlich der Verteilung der Bücher zur Berichterstattung schlage er vor9, die Berichterstattung über das Erbrecht Bayern zu übertragen, die über das Familienrecht Sachsen, die über das Sachenrecht Württemberg, die über das Recht der Schuldverhältnisse Baden, die über den Allgemeinen Teil Hessen, die über das internationale Privatrecht Lübeck. Diesem schlage er ferner auch die Berichterstattung über das Einführungsgesetz zu übertragen vor. Zu diesen Vorschlägen sei er durch folgende Erwägungen bestimmt worden: Die Verteilung müsse so geschehen, daß die einzelne Regierung dem Inhalte des Buchs, über das ihr Vertreter zu referiren hat, möglichst unbefangen gegenübersteht; sie werde dann in der Lage sein, das Referat am besten zu erstatten. Im übrigen eigne sich das internationale Privatrecht wegen der besonders lebhaften Beziehungen der Hansestädte zum Auslande am besten für Lübeck; auch das EinführungsgeIn Wirklichkeit sind erheblich weniger Sitzungen abgehalten worden (vgl. oben S. 62). Dieser Vorschlag war mit den betreffenden Referenten und z. T. auch mit den Bundesstaaten abgesprochen worden.

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Materialien zur Entstehung des BGB setz werde dort eine ganz unbefangene Würdigung finden. Die Uebertragung der Berichterstattung über das Obligationenrecht an Baden entspreche dem Wunsche des Gesandten von Jagemann (. . .). Württemberg sei ein Land, in dem die agrarischen Interessen überwiegen; für dieses eigne sich daher das Sachenrecht. Das Familienrecht enthalte eine Anzahl von Fragen, die es zweckmäßig erscheinen lassen, die Berichterstattung in die Hände einer Regierung zu legen, von der man voraussetzen könne, daß sie weder auf einseitig evangelischem noch auf einseitig katholischem Standpunkte steht. Dies sei vorzugsweise von Sachsen anzunehmen, das einen katholischen König und eine evangelische Regierung habe. Das Erbrecht sei politisch so wichtig, daß Bayern als der größte der in Frage kommenden Bundesstaaten auf die Berichterstattung darüber Anspruch machen könne. Hierauf würde also Hessen zu Beginn des Oktober mit der Berichterstattung den Anfang machen, Baden in der zweiten Hälfte des Oktober folgen, Württemberg anfangs November daran kommen, Sachsen in der zweiten Hälfte des November, Bayern zu Anfang des Dezember. Lübeck würde mit dem internationalen Privatrechte im Dezember den Schluß machen. Das Einführungsgesetz werde wohl erst im Laufe des Januar 1896 im Ausschusse zur Beratung kommen können. Beginnen würden die Beratungen des Justizausschusses zwischen dem 3. und 7. Oktober 1895. Der Entwurf unterliege dermalen noch einer letzten Durchsicht seitens der Kommission, die wesentlich redaktioneller Art sei. Für die Beurteilung des Entwurfs und die Stellungnahmen der Regierungen zu ihm seien die dabei eintretenden Aenderungen ohne Bedeutung. Der Königlich Sächsische Gesandte Graf Hohenthal beantragte, über die Vorschläge des Staatssekretärs nicht schon heute, sondern in einer späteren Sitzung Beschluß zu fassen. Ich schloß mich diesem Antrage an, ohne mich über die Vorschläge im einzelnen zu äußern. Dagegen machte ich im allgemeinen darauf aufmerksam, daß nach den Vorschlägen des Vorsitzenden die Beratung des Entwurfs des Gesetzbuchs nicht blos beginnen, sondern nahezu abgeschlossen werden würde, bevor feststeht, in welcher Gestalt das Einführungsgesetz aus den Beratungen der Kommission hervorgeht. Ich verwies auf den inneren Zusammenhang zwischen dem Gesetzbuche und dem Einführungsgesetze und legte die Schwierigkeiten dar, welche sich bei einzelnen Materien und Bestimmungen des Gesetzbuchs daraus ergeben können, daß zu ihnen bestimmte Stellung genommen werden muß, bevor sich übersehen läßt, wie die dazu in Beziehung stehenden Bestimmungen des Entwurfs des Einführungsgesetzes von der Kommission gestaltet worden sein werden. Mindestens müsse eine zweite Lesung nach der Erledigung des Einführungsgesetzes stattfinden. Der Staatssekretär Nieberding erwiderte hierauf, die Kommission werde bei der Beratung des Entwurfs des EG zuerst an den Teil des Gesetzes herantreten, der die Vorbehalte für die Landesgesetzgebung enthält. Während dieser Zeit werde der Justizausschuß die Bücher I. bis III. behandeln, die von den Beziehungen zum Landesrechte wenig oder gar nicht berührt würden. Wenn man an das IV. und V. Buch kommt, werde man schon übersehen, wie sich der Entwurf des EG nach den Beschlüssen der Kommission gestaltet. Daß übrigens eine nochmalige Lesung des Gesetzbuchs nach der Erledigung des EG vorbehalten bleiben müsse, sehe er als selbstverständlich an. Von anderer Seite wurde das Wort nicht ergriffen. — Schließlich bemerkte der Staatssekretär, daß sich der Justizausschuß bei Fassung von Abänderungsbeschlüssen darauf werde beschränken müssen, den materiellen Inhalt der Abänderungen zu beschließen. Diese Beschlüsse wären dann den Kommissarien zu überweisen, und deren Aufgabe werde es sein, die Beschlüsse zu redigieren. Die Redaktion werde dann bei der zweiten Lesung der Beschlußfassung des Justizausschusses unterstellt werden. . . .

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G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat

IV. 1. Bericht von Schicker (Württemberg) vom 9. 7.1895 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 8. 7. 189510 In der gestrigen Sitzung des VI. Ausschusses unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Nieberding wurde über den nebenbezeichneten Gegenstand weiter berathen. Graf Lerchenfeld erklärte das Einverständniß der Bayerischen Regierung mit den vom Vorsitzenden am 27. Juni gemachten Vorschlägen unter der Voraussetzung, daß eine zweite Lesung stattfinde und daß, wenn auch im Allgemeinen nur die bisher kundgegebenen Anregungen Gegenstand der Verhandlung sein sollen, doch nicht grundsätzlich durch geschäftsordnungsmäßige Bestimmung weitere Anträge ausgeschlossen sind. Die Bemerkungen Bayerns zum VI. Buch würden dem RJA wohl schon im Juli zugehen. Der Vorsitzende erwiderte: Neue Anträge, welche sich im Laufe der Verhandlungen als nothwendig herausstellen, sollen und können nicht ausgeschlossen sein. Aber äußerste Beschränkung mit solchen Anträgen sei allerdings sehr zu wünschen. Ob die zweite Lesung durch den Inhalt des EG nothwendig wird, könne dahin gestellt bleiben. Jedenfalls könne man bei derselben nicht alles Einzelne wieder durchgehen, sondern man erwarte die Anträge, welche sich aus dem Inhalt des EG ergeben. Die Erinnerungen zum Buch V sollen bis 1. Oktober, diejenigen zu Buch VI auf 1. November einlaufen. — Graf Hohenthal erklärte das Einverständniß der K. Sächsischen Regierung mit den Vorschlägen, ich dasselbe Namens der Württembergischen Regierung mit dem Ausdruck der bereits bestätigten Voraussetzung hinsichtlich der zweiten Lesung. Direktor Scherer bekundete das Einverständniß der Badischen Regierung, bezweifelte aber, ob es möglich sei, zu dem EG rechtzeitig Stellung zu nehmen, wenn der Entwurf desselben so spät ausgegeben werde. Der Vorsitzende erwiderte: Die Berathung über das EG finde erst im nächsten Jahre statt. Uebrigens werde diese Berathung nicht so schwierig sein, denn über das Verhältniß des Landesrechts zum Entwurf werde im Einzelnen schon vorher Berathung gepflogen sein und das Verhältniß zu den Reichsgesetzen biete zwar Schwierigkeiten, aber keine solchen von politischer Bedeutung; die allgemeinen und Uebergangsbestimmungen werden keine Schwierigkeiten mac .ien. Wirklicher Geheimer Rath Dr. Neidhardt und Senator Klügmann11 waren noch ohne Instruktion. Der Vorsitzende wurde nun ermächtigt, seine Vorschläge metallographiren und an die Mitglieder des Ausschusses und die stimmführenden Bevollmächtigten verteilen zu lassen12. Ins Plenum kommen diese Vorschläge nicht mehr, da sie jetzt ein Internum des Ausschusses bilden. . . ,13. 2. Der „Geschäftsplan für die Berathung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs im Justizausschuß"14 1. Die Berathungen sollen in der Zeit vom 3. bis 7. Oktober d. Js. beginnen. Die Einladungen dazu werden um die Mitte September in der für Ausschußsitzungen üblichen Weise ergehen. 2. Es ist in Aussicht genommen, wöchentlich drei Sitzungen zu halten, um auf diese Weise die Möglichkeit zu schaffen, die Berathung der Bücher I —VI vor Weihnachten 10 11 12

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HStA Stuttgart E 130a/823. Neidhardt vertrat Hessen-Darmstadt, Klügmann (Lübeck) die Hansestädte. Vgl. unten unter II. Der bayerische Bericht (Geh. Staatsarchiv München M A 76 726) stimmt mit dem Bericht von v. Schicker inhaltlich überein. Wiedergegeben nach den Beständen des HStA Stuttgart E 130a/823. 365

Materialien zur Entstehung des BGB

zu vollenden. Die Berathung des Einführungsgesetzes ist für den Januar k. Js. in Aussicht genommen. 3. Die Berichterstattung wird übernehmen für Buch I Hessen, Buch II Baden, Buch III Württemberg, Buch IV Sachsen, Buch V Bayern, Buch VI und Einführungsgesetz Lübeck. Die Berathung soll in der hier angegebenen Reihenfolge vor sich gehen, also mit Buch I zu Anfang Oktober beginnen. 4. Der Berichterstattung soll die im Reichs-Justizamt gefertigte Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen zu dem Entwurf II. Lesung zu Grunde gelegt werden. Für die Ausschußberathungen handelt es sich vornehmlich darum, die in dieser Zusammenstellung enthaltenen Erinnerungen zu erledigen. Doch bleibt es den Mitgliedern des Ausschusses unbenommen, noch neue Anträge zu stellen, soweit nachträglich für ihre hohen Regierungen ein Anlaß dazu sich ergeben sollte. 5. Jedes an der Berichterstattung betheiligte Mitglied des Ausschusses wird alsbald erhalten: ein Exemplar der vorgedachten Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen zu Buch I bis IV, ein Exemplar des Entwurfs I. Lesung, ein Exemplar des Entwurfs II. Lesung in der zur Zeit vorliegenden Formulirung, die nur noch einer Schlußredaktion in der Kommission unterzogen wird, ein Exemplar der Protokolle der Kommission II. Lesung für dasjenige Buch, für welches der betreffende Staat die Berichterstattung übernommen hat. Späterhin und baldmöglichst werden zur Veitheilung gelangen: Denkschriften zu den einzelnen Büchern des Entwurfs, je drei Exemplare der einzelnen Bücher des Entwurfs II. Lesung mit den aus der noch vorbehaltenen Schlußredaktion sich ergebenden Aenderungen, also in der zur Vorlage an den Bundesrath bestimmten Gestalt, die Protokolle II. Lesung für diejenigen Bücher, für welche die Vertheilung vorher nicht erfolgt war, sowie die Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen zu Buch V und VI. 6. In den Berathungen werden die an der Ausarbeitung des Entwurfs hauptsächlich betheiligten ständigen Mitglieder der Kommission als Vertreter des Reichskanzlers erscheinen, soweit der Gang der Verhandlungen dazu Anlaß giebt. 7. Die von dem Ausschuß beschlossenen Aenderungen werden von einem Protokollführer, der aus den Protokollführern der Kommission entnommen ist, aufgezeichnet. Die Redaktion der Beschlüsse übernehmen die Kommissarien des Reichskanzlers. Die redigirten Aenderungen werden dem Ausschuß vorgelegt. 8. Soweit der Inhalt des Einführungsgesetzes noch nachträglich zu Anträgen auf Abänderung von Bestimmungen des Gesetzbuchs selbst Anlaß geben sollte, bleibt eine Revision der zu dem Gesetzbuche bereits gefaßten Beschlüsse vorbehalten. 9. Die aus den endgültigen Beschlüssen des Ausschusses sich ergebenden Aenderungen des Entwurfs werden ohne begründenden Bericht dem Plenum des Bundesraths gedruckt vorgelegt. V. Bericht von Heller vom 7.10. 1895 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates (Beratung des E II rev)15 Der Ausschuß des Bundesrats für Justizwesen begann heute die Beratung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. Zitiert nach den Beständen des Geh. Staatsarchivs München MA 76 726. 366

G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat Von den Staaten, die Mitglieder des Ausschusses sind, waren vertreten: Preußen durch den Staatssekretär Nieberding, der den Vorsitz führt, Bayern durch mich, Sachsen durch den Generalstaatsanwalt Geheimen Rat Dr. Rüger, Württemberg durch den Regierungsdirektor von Schicker, Baden durch den Gesandten von Jagemann, Hessen durch den Staatsminister Finger, der von dem Geheimen Staatsrat Hallwachs begleitet war, Lübeck durch den Hanseatischen Gesandten Dr. Krüger, der zu seiner Unterstützung den Präsidenten des Oberlandesgerichts zu Hamburg Dr. Sieveking zugezogen hatte16. Als Vertreter der dem Ausschusse nicht angehörenden beiden Großherzoglich Mecklenburgischen Regierungen war der zum stellvertretenden Bundesratsbevollmächtigten ernannte Ministerialrat Dr. Langfeld anwesend17. Die Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen hatte als Kommissar den Geheimen Justizrat Stadier abgeordnet18. Der Vorsitzende teilte mit, daß zu Kommissaren des Reichskanzlers ernannt seien die ständigen Mitglieder der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs Küntzel, Jacubezky, Börner, Dr. von Mandry, Dr. Gebhard, Dr. Dittmar und Struckmann. Von diesen werde der zuletzt Genannte an den Verhandlungen des Ausschusses ständig teilnehmen; die übrigen würden sich einfinden, soweit ihre Teilnahme an den Verhandlungen der Kommission es gestattet und die Wichtigkeit der im Ausschusse jeweils zur Beratung stehenden Teile des Entwurfs es erfordert. Als Schriftführer ist der Amtsrichter Greiff dem Ausschusse beigegeben. Die nach Nr. 719 des Geschäftsplans von dem Protokollführer zu fertigenden Aufzeichnungen werden vervielfältigt und den Mitgliedern des Ausschusses mitgeteilt werden. Der Vorsitzende bezeichnete hierauf als diejenigen Gegenstände, die von den Gesetzgebungsfaktoren des Reichs erledigt werden müßten, bevor an das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs gedacht werden könne, 1. die Revision des Handelsgesetzbuchs. Diese werde den Bundesrat voraussichtlich im nächsten Jahre beschäftigen20; 2. die Regelung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Die Vorarbeiten im Reichsjustizamte seien abgeschlossen, der Gesetzentwurf werde noch in diesem Winter an den Bundesrat kommen21; 3. die Regelung des Grundbuchwesens. Das Reichsjustizamt sei mit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs beschäftigt; er hoffe, daß dieser noch vor dem Ablaufe dieses Jahres dem Bundesrate werde vorgelegt werden können22;

Für Bremen nahm Senator Pauli regelmäßig teil (vgl. dessen Berichte im Staatsarchiv Bremen). Allerdings ohne Stimmrecht. — Adolf Langfeld (geb. 1854 in Rostock, gest. 1939); zuerst als Rechtsanwalt tätig; seit 1880 im Schwerinschen Justizdienst (1886 Landgerichtsrat); 1887 Vortragender Rat im Justizministerium (1889 Ministerialrat); 1895 stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat für Mecklenburg; danach mit den Ausführungsgesetzen zum BGB befaßt. 1900 LG-Präs. in Schwerin; 1904 Justizminister, 1914—1918 Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin; auch schriftstellerisch tätig. 18 Ferner nahmen an dieser Sitzung noch mehrere andere Bevollmächtigte teil. Diese Protokolle geben nur das Ergebnis der Beratungen wieder; sie werden, soweit notwendig, in den folgenden Quellenbänden wiedergegeben. 20 Vgl. oben S. 6 ff. 21 Vgl. oben S. 8 f. 22 Vgl. oben S. 8f. 17

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Materialien zur Entstehung des BGB

4. die Abänderung der Zivilprozeßordnung und der Konkursordnung. Mit dieser sei die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs befaßt, soweit dieser Entwurf die Abänderung notwendig macht. Vorbehalten bleibe aber, ob nicht diese Abänderungen mit den aus anderen Gründen notwendig werdenden Änderungen zu einem besonderen Gesetzentwurfe zusammenzufassen seien23; 5. die Ordnung des Verfahrens in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die durch das BGB einheitlich geregelt werden. Dieser Gesetzentwurf solle als Schlußstein des ganzen Gesetzgebungswerkes an den Bundesrat kommen24. Vorbehalten bleibe dann endlich noch die Regelung des Verlagsrechts und der privatrechtlichen Seite des Versicherungswesens. Diese Gegenstände würden aber erst nach dem Inkrafttreten des BGB an die Gesetzgebungsfaktoren gebracht werden, etwa im ersten Jahre danach. Andernfalls müßte der Zeitpunkt für das Inkrafttreten des BGB allzuweit hinausgerückt werden. Der Vorsitzende schloß hieran folgende allgemeine Bemerkungen: Die Größe der Aufgabe lege es dringendst nah, bei der Beratung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Resignation zu üben und mit dem Vertrauen an das Werk zu gehen, daß die beiden Kommissionen ein annehmbares Werk geschaffen haben. Eine andere Art der Behandlung würde einen verhängnisvollen Einfluß üben auf die Art der Behandlung im Reichstage; dieser würde sich gleichfalls für berechtigt halten, den Entwurf nochmals durchzurevidieren. Dies würde das Ende des ganzen großen Gesetzgebungsunternehmens sein. Die politischen Folgen des Scheiterns dieses Werks aber würden so weittragend sein, daß der Bundesrat alles aufbieten müsse, sie abzuwenden. Er müsse daher den Entwurf so ansehen, als hätte er selbst ihn gemacht, und nur die sich etwa findenden Übersehen, Irrtümer und Unklarheiten beseitigen, vielleicht hie und da auch die politischen Rücksichten zur Geltung bringen, die in der Kommission naturgemäß nicht in dem Maße zur Geltung kommen konnten. Er hoffe hiernach, daß es möglich sein werde, die Arbeiten des Ausschusses in verhältnismäßig kurzer Zeit zu Ende zu bringen. Er glaube ferner, die Meinung des Reichskanzlers auszudrücken, wenn er sage, daß man Wert darauf legen müsse, daß der Reichstag noch in der bevorstehenden Session die Vorlage zeitig genug erhalte, um aus dem Zeitpunkte der Einbringung keinen Grund dazu entnehmen zu können, die Erledigung in die nächste Session zu vertagen. Der Reichskanzler sei der Meinung, daß eine so günstige Konstellation wie jetzt für das Zustandekommen des Werks in absehbarer Zeit nicht wieder kommen werde. Es sei zu hoffen, daß man bei allen Parteien, die für diese nationale Aufgabe Verständnis besitzen, ein Entgegenkommen finden werde, auf das man in der vorigen Session noch nicht rechnen konnte. Die konservative Partei stehe unter dem Eindruck einer Katastrophe, die alle die Elemente zurückzutreten nötige, welche dem Zustandekommen des Gesetzbuchs erhebliche Schwierigkeiten zu bereiten geneigt wären. Die national-liberale Partei habe sich in ihrer Presse für das Zustandekommen des Gesetzbuchs sehr stark engagiert, so daß anzunehmen ist, sie halte sich für verpflichtet, auch im Reichstage für das möglichst baldige Zustandekommen kräftig einzutreten. Die links stehenden Parteien sähen ein, daß sie ihre gesunkene Stellung nur durch ein energisches Eintreten für das Werk wieder heben können. Sie haben die Empfindung, daß, wenn sie den gegenwärtigen Zeitpunkt verpassen, sie damit rechnen müssen, später einen Entwurf zu bekommen, der sich, von ihren politischen Zielen noch viel weiter entfernt, als der gegenwärtige. Bei den Führern komme mehr und mehr die Ansicht zur Geltung, daß sie einen 23 24

Vgl. oben S. 8 f. Vgl.obenS.9f.

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G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat politischen Fehler begehen würden, wenn sie nicht die Hand ergreifen, die die Regierungen ihnen darbieten. Das Zentrum leide erheblich unter dem Eindrucke seiner ungeschickten Leitung der Beratung der Umsturzvorlage und der Strafprozeßordnungsvorlage25. Es fühle das Bedürfnis, die große Aufgabe zu erledigen in einem Zeitpunkte, in dem es die geschäftliche Leitung des Hauses noch beherrscht. Das alles dränge dazu, alles aufzubieten, damit der Entwurf in der bevorstehenden Session des Reichstags auch von diesem erledigt wird. Man verständigte sich hierauf darüber, daß wöchentlich vier Sitzungen gehalten werden sollen, je am Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag, vormittags 9 Uhr beginnend, . . .26.

VI. Bericht von Sieveking vorn 13. 11.1895 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 13. 11. 1895 (Beratung des E II rev)27 . . . Nach Mittheilung des Staatssecretairs Nieberding wird die zweite Lesung des bürgerlichen Gesetzbuchs Anfang Dezember beginnen. Vorher würde noch das VI. Buch (internationales Privatrecht) im Ausschusse auf die Tagesordnung kommen, jedoch zunächst nur, um die Prinzipienfrage zu entscheiden, ob diese Materie als besonderer Abschnitt oder als Schlußbestimmungen in dem Gesetzbuch verbleiben oder in das Einführungsgesetz hinübergenommen werden solle. . . ,28. VII. Bericht von Schicker vom 15. 12. 1895 über die Sitzung des Justizausschusses des Bundesrates am 11. 12. 1895 (2. Lesung des E II rev)29 . . . Nachdem hiermit die Berathung des V. Buches beendet war, schlug der Vorsitzende vor, sofort auf das VI. Buch überzugehen und erklärte: Die Preußische RegieDie Umsturzvorlage vom 17. 12. 1894 hatte das Ziel, bestimmte auf Umsturz gerichtete Bestrebungen unter Strafe zu stellen. Die Vorlage wurde durch das Zentrum und die Konservativen durch weitere Beschränkungen belastet, so daß sie am 11. 5. 1895 scheiterte. — Die Strafprozeßrechtsvorlage (eines Gesetzes betreffend Änderung und Ergänzung des GVG und der StPO, DS Nr. 15, Session 1894/1895) war unerledigt geblieben. 26 Der nun folgende Teil des Berichts und der Inhalt der weiteren Berichte werden in den materiellrechtlichen Teilen der Edition mitgeteilt. Im Bericht des württembergischen Bevollmächtigten von v. Schicker heißt es darüberhinaus noch: „Daß die Regierungen noch nicht im Besitz des neuesten Entwurfs nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, welcher den Verhandlungen zu Grunde gelegt werden soll, gekommen sind, und auch die Ausschußmitglieder erst einen Theil dieses neuesten Entwurfs erhalten haben, solle durch unvorhergesehene Verspätung seitens der Kommission entschuldigt werden. In nächster Woche würden die Regierungen den Entwurf vollständig erhalten. — Die Zusammenstellung der Erinnerungen der einzelnen Regierungen wurde nicht als Vorlage an den Bundesrath anerkannt. Damit die in Folge dessen nicht an den Bundes rath gelangenden Erinnerungen der nicht im Justizausschuß vertretenen Staaten nicht erst im Plenum zur Berathung kämen, will der Vorsitzende die sonst von anderer Seite nicht aufgenommenen Erinnerungen namens Preußens zur Erwägung verstellen, ohne für sie zu stimmen. — ... Bei der Berichterstattung wurde der neueste, dem Königlichen Staatsministerium nicht zugegangene, von mir aber in einem Exemplar dem Herrn Staatsrath von Breitling zugesandte Entwurf nach den Beschlüssen der Redaktionskommission zu Grunde gelegt. Dieser unterscheidet sich vom Entwurf II durch eine vielfach geänderte Fassung, durch vielfache Versetzung der Paragraphen an andere One, durch vollständig geänderte Nummerirung der Paragraphen und nicht selten durch materielle Aenderungen, auch durch Einschiebung einiger allerdings weniger neuer Paragraphen ..." (gemeint ist hier der E II rev). Zitiert nach dem Exemplar an den Bremer Senator Pauli (Staatsarchiv Bremen 2 — M.6.b.4.g.2.i.Nr. 1). Zur weiteren Entwicklung hinsichtlich des VI. Buches vgl. Hartwieg-Korkisch,a. a. O., S. 242 ff. 29 HStA Stuttgart E 130a/823. Die 2. Lesung des E II rev fand am 10. und 11. 12. 1895 statt. 369

Materialien zur Entstehung des BGB rung30 halte allerdings Vorschriften über die räumlichen Grenzen des Rechts und die Anwendung fremden Rechts für nothwendig, theils weil jetzt schon derartige Vorschriften in einzelnen Staaten bestehen, theils weil die Gerichte solcher bedürfen. Es erscheine aber richtiger, diese Bestimmungen in das Einführungsgesetz aufzunehmen. Er beantrage deshalb, das VI. Buch abzulehnen und sich damit einverstanden zu erklären, daß die nothwendigen Bestimmungen zu dem gedachten Zweck in das Einführungsgesetz genommen werden. Die Preußische Regierung werde dann entsprechende Anträge vorlegen. Die Vertreter von Bayern, Sachsen und Baden stimmten zu. Ich erklärte, ohne Instruktion zu sein, aber der Antrag in dieser Form erscheine mir nicht annehmbar, man könne doch nicht ohne Verhandlung im Einzelnen das ganze VI. Buch ablehnen, sondern höchstens die Versetzung seines Inhalts in das Einführungsgesetz beschließen. Ebenso äußerte sich der Bevollmächtigte von Hessen. Der Vorsitzende änderte nun seinen Antrag und die Majorität beschloß die Versetzung des Inhalts des VI. Buchs in das Einführungsgesetz. Der Vorsitzende erklärte hinsichtlich der weiteren Geschäftsbehandlung: Da vor der Schlußabstimmung das Einführungsgesetz zu berathen sei, nach dessen Durchberathung aber alsbald das Plenum über das Bürgerliche Gesetzbuch beschließen solle, und zu diesem Behuf die im VI. Ausschuß nicht vertretenen Staaten in Bälde die Ausschußanträge kennen lernen sollten, so werde er diese vorläufig ohne Namensunterschrift drucken31 und versenden lassen mit der Bemerkung, daß die Ratifikation erst nachfolgen werde . . . VIII. Die „Vertheilung der Berichterstattung über den Entwurf des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch"32 Genehmigt in der Sitzung des Justizausschusses vom 19. Dezember 1895. Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften. Art. 1 — 5. Hessen. Zweiter Abschnitt. (Verhältniß des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu den Reichsgesetzen.) Art. 11,15,16. Bayern. Art. 8, 9, 14, 20. Sachsen.

Über die Stellung Preußens zum Internationalen Privatrecht und der Revision des VI. Buchs durch eine Kommission vgl. Hartwieg-Korkisch, a. a. O., S. 250ff. Dieser Druck ist weitgehend identisch mit den endgültigen Auschußanträgen, die Anfang Januar 1896 verabschiedet wurden. 32 Zitiert nach dem Exemplar des Bayer. HStA Abt. I, MJu. 16117. Der entsprechende Vorschlag des Reichsjustizamtes vom 17. 12. 1895 (Bayr. HStA MJu. 16117) war folgendermaßen motiviert: „Der Entwurf des Einführungsgesetzes, auf welchen im Nachfolgenden Bezug genommen wird, gelangt am Mittwoch den 18. Dezember im Ausschuß zur Venheilung. Gegenwärtigem Vorschlag Hegt in der Hauptsache die Tlieilung nach Materien zu Grunde, welche für die Berichterstattung über das Gesetzbuch maßgeblich war." Nach den Vorschlägen des Reichsjustizamtes waren, anders als nach der endgültigen Verteilung, vorgesehen: für Bayern: Art. 34-35(an Württemberg); Art. 105 -l 07 (an Sachsen); für Sachsen: Art. 108-113,120-124(an Bayern); der letzte Abschnitt sollte wie folgt aufgeteilt werden: Art. 168—179 an Bayern; Art. 180-184 an Sachsen; Art. 150- 167 an Württemberg; Art. 141 -149 an Baden; Art. 126- 140 an Hessen (diese Änderungen gehen, wie einem Bericht von v. Heller zu entnehmen ist, auf den Wunsch Bayerns zurück, vgl. Bayr. HStA MJu. 16117). 370

G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat Art. 10. Württemberg. Art. 13, 21-28. Baden. An. 6, 7,17-19. Hessen. Art. 12. Lübeck. Dritter Abschnitt. Verhältniß des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu den Landesgesetzen. Art. 31-33,58-62, 72-77, 108-113, 120-124. Aryem.

Art. 78-85,105-107.5ÄcAicw. Art. 34-45, 57, 86-104. Württemberg. Art. 46-54,63-71,114-119. Baden. Art. 29, 30, 55, 56,125. Hessen. Vierter Abschnitt. Bestimmungen auf internationalem Gebiet. (Noch in den Entwurf einzuschalten.) Lübeck. Letzter Abschnitt. Uebergangsbestimmungen. Art. 182-185. Bayern. Art. 168-181. Sachsen. Art. 152-167. Württemberg. Art. 141-151. Baden. Art. 126-140,186. Hessen. IX. Bericht von Heller vom 11. 1. 1896 über die Sitzung des Justizausschusses am 11.1.189633 . . . Bemerkungen des Vorsitzenden darüber, wie zur möglichsten Abkürzung und Vereinfachung der Beratung und Beschlußfassung des Bundesrats die Vortragserstattung im Plenum am zweckmäßigsten einzurichten sei, gaben mir Veranlassung, dem Ausschusse eine vorläufige Mitteilung darüber zu machen, welche Anträge Bayern bei der Plenarberatung voraussichtlich stellen wird. Preußen wird, wie der Vorsitzende bemerkte, keinen Antrag stellen; auch von den übrigen im Ausschusse vertretenen Regierungen sind — wenigstens nach den bis heute den Bevollmächtigten zugegangenen Instruktionen — Anträge nicht zu erwarten. Darüber, ob Mecklenburg Anträge stellen wird, konnte Dr. Langfeld einen bestimmten Aufschluß noch nicht geben; er bezeichnete es übrigens als nicht wahrscheinlich. Wie sich die im Ausschusse nicht vertretenen Regierungen verhalten werden, läßt sich mit Sicherheit nicht beurteilen. Der Vorsitzende nahm an, daß jedenfalls erhebliche Anträge von diesen Regierungen nicht zu erwarten seien. Unter allen diesen Umständen sei mit Bestimmtheit darauf zu rechnen, daß die Beschlußfassung des Plenums zu weiteren als den vom Ausschusse beantragten Aenderungen nicht führen werde. Er beabsichtige deshalb, mit dem Drucke der für den Reichstag bestimmten Vorlage sofort beginnen zu lassen, damit der Entwurf an die Mitglieder des Reichstags alsbald nach der Einbringung verteilt werden kann. Auch der Druck der Denkschrift müsse so gefördert werden, daß diese gleichzeitig mit dem Entwurfe im Reichstage eingebracht und verteilt werden kann. Der Einleitung der Denkschrift werde eine statistische Darstellung des hinsichtlich des Bürgerlichen Rechts in Deutschland dermalen bestehenden Zustands sowie eine vorläufige, für die Regierun33

Geh. StA München MA 76 729. 371

Materialien zur Entstehung des BGB

gen durchaus unverbindliche Übersicht über die wesentlichsten der Änderungen beigegeben werden, die im Zusammenhange mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche für die Revision der Zivilprozeßordnung nach den Vorschlägen der Kommission in Aussicht zu nehmen sein werden. Ich knüpfte hieran die Frage, ob beabsichtigt sei, dem Entwurfe des Einführungsgesetzes eine Denkschrift beizugeben. Der Vorsitzende verneinte es. Mit Rücksicht hierauf glaubte ich darauf aufmerksam machen zu sollen, daß es sich bei der Beratung des Entwurfs des Einführungsgesetzes unter Umständen als wünschenswert herausstellen könne, eine oder die andere Bestimmung dieses Entwurfs in der dem Entwurfe des Bürgerlichen Gesetzbuchs beizugebenden Denkschrift, insbesondere etwa in der das Einführungsgesetz mehrfach berührenden Einleitung, etwas näher zu beleuchten, daß dies aber dann unmöglich wäre, wenn der Druck der Denkschrift schon jetzt ins Werk gesetzt wird. Ich verwies beispielsweise auf den Begriff des „Anerbenrechts" und die hierauf bezüglichen Anträge mehrerer Regierungen. Dies gab den Anstoß zu einer vorläufigen Besprechung dieser Anträge. . . .34. X. Bericht von Heller vom 18.1. 1896 über die Sitzungen des Justizausschusses des Bundesrates am 14., 15. und 16.1. 189635 . . . In der Sitzung vom 14. d. Mts. machte der Vorsitzende, Staatssekretär Nieberding, zunächst die in der '/usammenstellung der Beschlüsse des Justizausschusses vom 14. d. Mts. unter Nr. l bezeichnete Mitteilung36. Er bemerkte dazu: In der Sitzung des Justizausschusses vom 11. d. Mts. habe er die von Bayerischer Seite gestellte Frage, ob beabsichtigt sei, dem Entwurfe des Einführungsgesetzes eine Denkschrift beizufügen, verneint. Bei nochmaliger Erwägung der Sache sei er indes zu der Überzeugung gekommen, daß es doch ratsam sei, dem Reichstage wenigstens zum dritten Abschnitte des Gesetzentwurfs einiges Auslegungsmaterial zu geben37. Dabei bestehe vielleicht die Möglichkeit, auch aus der Beratung des Entwurfs im Justizausschusse einiges in den Materialien unterzubringen, namentlich etwa in der Weise, daß die die Redaktionskommission für den Justizausschuß bildenden ständigen Mitglieder der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs bei der Fassung ihrer Redaktionsbeschlüsse sich auch über die eine oder andere der im Ausschusse als der Erläuterung besonders bedürftig bezeichneten Fragen in ihrem Sitzungsprotokolle äußern und das Protokoll den Materialien hinzugefügt wird. Zur allgemeinen Besprechung des Entwurfs ergriff niemand das Wort. . . . XL Protokoll der Bundesratssitzung vom 16.1. 189638 §.26 (S. 13 — 15): Der Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirkliche Geheime Rath Nieberding erläuterte mündlich den unter Nr. 9 der Drucksachen vorliegenden 34

Einzelheiten hierzu im Quellenband zum EG-BGB (Art. 64). Bayr. HStA München, MJu. 17117. 36 Diese Mitteilung lautet: „Der Herr Vorsitzende theilt mit, daß die Absicht bestehe, dem Reichstage die Materialien zum dritten Abschnitt des Einführungsgesetzes, d. h. die einschlägigen Stellen der Motive zum Entwurf 1. Lesung und der Protokolle 2. Lesung, vorzulegen." 37 Vgl. Drucksachen des Reichstags, Session 1895/97, ad. Nr. 87a, S. 808-854 (nur Auszüge aus den Motiven und den Prot. II). 38 Auf einen vollständigen Abdruck eines Berichtes über diese Sitzung wird hier verzichtet (vgl. Bericht von v. Mittnacht vom 16. 1. 1896 an das Königliche Staatsministerium in Stuttgart, Fortsetzung der Fußnote auf Seite 373 35

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G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat

Antrag39 des Ausschusses, betreffend den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich, zweite Lesung — Nr. 103 der Drucksachen von 1895 — 40 , und berichtete über die dazu eingegangenen Eingaben. Es wurde im Verfolg der §§. 407 und 560 der Protokolle von 1895 beschlossen, 1. dem Gesetz-Entwurf in der Fassung des Ausschußantrages in erster und zweiter Lesung die Zustimmung zu ertheilen; 2. die zugehörige, im Reichs-Justizamt ausgearbeitete Denkschrift dem Reichstag mitvorzulegen41; 3. die einschlägigen Eingaben durch die Beschlußfassung zu Ziffer l für erledigt zu erklären. Bayern stimmte dem §. 30742 in der Voraussetzung zu, daß in den Entwurf der Grundbuchordnung eine Bestimmung aufgenommen wird, wonach unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen die Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstück in das Grundbuch nur eingetragen werden soll, wenn dem Grundbuchamt eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Urkunde über den Vertrag vorgelegt wird, durch den die Verpflichtung zur Uebertragung des Eigenthums begründet wird43. Abgelehnt wurden mit Stimmenmehrheit nachstehende Anträge Bayerns: I. den Antrag des Ausschusses für Justizwesen, soweit er sich auf die §§. 910, 100044 des Entwurfs bezieht, abzulehnen und den §§. 910, 1000 in der Fassung des Entwurfs die Zustimmung zu ertheilen; II. außer den vom Ausschusse im Uebrigen beantragten Abänderungen des Entwurfs folgende Abänderungen zu beschließen :

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HStA Stuttgart, E 130 a/826). Wiedergegeben sei nur der Anfang: „Staatssekretär Nieberding gab eine eingehende Darstellung, wie der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nach vorgängiger Vernehmung der Bundesregierungen und Zusammenstellung der Äußerungen derselben, im Ausschuß VI behandelt wurde. Er schlug dann vor, nur die einzelnen Bücher aufzurufen, die Anträge zu denselben entgegenzunehmen und je den Referenten sich hierüber äußern zu lassen". Der Antrag enthält die vom Justizausschuß beschlossenen Änderungen; sie werden in den materiell-rechtlichen Teilen der Edition wiedergegeben. Gemeint war der sogn. E II rev, dem Bundesrat vorgelegt am 18. 12. 1895. Die sogn. „Denkschrift" war den Mitgliedern des Justizausschusses im Entwurf zugeleitet worden, damit Änderungswünsche rechtzeitig vorgebracht werden konnten. Auf eine Denkschrift zum Einführungsgesetz hat man verzichtet (vgl. indessen Fn. 38). 307 E II rev entspricht § 313 BGB. Nach dem Bericht von Mittnacht (vgl. Fn. 33) führte v. Heller noch aus: „Ministerialrath von Heller gab aus den Verhandlungen eine Darstellung, wie der anfängliche Widerstand gegen die Bestimmung des zweiten Absatzes des § 307 auf Grund der Versprechung fallen gelassen wurde, dafür zu sorgen, daß es bundesgesetzlich ermöglicht werde, der Eintragung in das Grundbuch eine Prüfung des Kausalvertrages vorhergehen zu lassen. Ein Widerspruch gegen die von der Bayerischen Regierung ausgesprochene Voraussetzung wurde von keiner Seite erhoben". Vgl. SS 925,1015 BGB; der Antrag wurde von Sachsen und Hessen unterstützt. Die folgenden Anträge hatten nur den Zweck, den politischen Standpunkt Bayerns im Plenum zu wahren. — Weitere Einzelheiten hierzu im Quellenband zum Familienrecht (Nach dem Bericht von Heller vom 16. 1. 1896, Geh. Staatsarchiv München, MA 76 729 stimmten die beiden Mecklenburg den Anträgen Nr. 2 —4, 6— 8 zu; anders z. T. der Bericht von Mittnacht, oben Fn. 38, auf dem die Hinweise in den folgenden Fn. auf das Verhalten der Bundesregierungen beruhen). 373

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1. Der §.1318 erhält folgende Fassung46: Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der sich bei der Eheschließung in der Person des anderen Ehegatten geirrt hat. 2. Der §. 1319 erhält folgende Fassung47: Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei. Kenntniß der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden. Ist die Täuschung nicht von dem anderen Ehegatten verübt worden, so ist die Ehe nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung bei der Eheschließung gekannt hat. 3. Zwischen §. 1319 und §. 1320 wird folgender §. 1319a eingestellt48: Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, dem vor der Eheschließung die nach den kirchlichen Vorschriften erforderliche Trauung von dem anderen Theile zugesichert worden ist, wenn die Trauung von diesem verweigert wird oder aus einem anderen Grunde nicht zu erlangen ist. 4. Zwischen §. 1342 und §. 1343 wird folgender §. 1342a eingestellt49: Ist der eine Ehegatte wegen eines Verschuldens des anderen Ehegatten berechtigt, auf Scheidung (oder auf dauernde Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft) zu klagen, so kann er die Herstellung der häuslichen Gemeinschaft verweigern. 5. Zwischen §. 1553 und §. 1554 werden folgende Paragraphen eingestellt50: §. 1553 a. Der Ehegatte, der in den Fällen der §§. 1550 bis 1553 auf Scheidung zu klagen berechtigt ist, kann statt auf Scheidung auf dauernde Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft klagen. Verlangt der andere Ehegatte, daß die Ehe, wenn die Klage begründet ist, geschieden werde, so ist die Klage als Klage auf Scheidung anzusehen. §. 1553b. Ist auf dauernde Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erkannt, so kann jeder der Ehegatten, wenn nicht Wiederaufnahme des ehelichen Lebens stattgefunden hat, auf Grund des Urtheils im Wege einer neuen Klage Scheidung verlangen51. 6. Der §. 1554 wird gestrichen52. 7. Der Absatz 2 des §. 1556 erhält folgende Fassung53: Die Fristen laufen nicht, solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Wird der zur Klage berechtigte Ehegatte von dem anderen Ehegatten aufgefordert, entweder die häusliche Gemeinschaft herzustellen oder die Klage zu erheben, so laufen die Fristen von dem Empfange der Aufforderung an. 8. Die Nr. 5 vom Absatz l des §. 1785 erhält folgende Fassung54:

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§ 1318 E II rev entspricht § 1333 BGB. § 1319 E II rev entspricht § 1334 BGB. Diesem Antrag stimmte Mecklenburg zu. § 1342 entspricht § 1357 BGB. § 1553 entspricht § 1368 BGB. Vgl. hierzu den Bericht von Mittnacht (Fn. 38): „Der Gesandte von Oertzen (für Mecklenburg, Anm. des Hrg.) erklärte, daß der Antrag zu § 1342 a unter der Bedingung der Streichung der Worte ,oder auf dauernde Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft' und die Anträge zu §§ 1554 und 1556 von Mecklenburg unterstützt werden." § 1554 E II rev entspricht § 1569 BGB; diesem Antrag schloß sich Hessen an. § 1556 E II rev entspricht § 1371 BGB. § 1785 E II rev entspricht § 1807 BGB; dieser Antrag wurde von Mecklenburg unterstützt.

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G. Der 2. BGB-Entwurf im Bundesrat

5. in Wertpapieren, die von der Regierung des Bundesstaates, welchem das Vormundschaftsgericht angehört, zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärt sind. Bei der Gesammtabstimmung wurde der Gesetz-Entwurf einstimmig angenommen55. Der Königlich bayerische Bevollmächtigte erklärte Namens seiner Regierung unter Bezugnahme auf den §. 6 der Protokolle von 1875 die Zustimmung zu dem Gesetz-Entwurfe mit dem ausdrücklichen Vorbehalte, daß die Bestimmungen in Nr. III §. l des Versailler Bündnißvertrages vom 23. November 187056 und in Nr. I des Schlußprotokolls von demselben Tage durch das Gesetz nicht berührt werden. Der Großherzoglich mecklenburgische Gesandte gab folgende Erklärung ab: „Die Großherzoglich mecklenburgischen Regierungen hegen gegen mehrfache Vorschriften des Entwurfs schwerwiegende Bedenken, insbesondere können sie in der Regelung des Hypothekenrechts und des Eherechts keine Verbesserung des bisherigen mecklenburgischen Rechtszustandes erblicken. Im Interesse der Förderung der nationalen Rechtseinheit glauben jedoch die Großherzoglich-mecklenburgischen Regierungen ihre Bedenken gegenüber dem Entwurf zurückdrängen und für denselben stimmen zu sollen." XII. Protokoll der Bundesratssitzung vom 23. 1. 1896 §.41. (S. 22 — 23): Der Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirkliche Geheime Rath Nieberding erläuterte mündlich den unter Nr. 10 der Drucksachen vorliegenden Antrag des VI. Ausschusses, betreffend den Entwurf eines Einführungsgesetzes zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, zweite Lesung — Nr. 128 der Drucksachen von 1895 —, und der Ministerialrath von Heller berichtete Namens desselben Ausschusses mündlich über eine auf den Gesetz-Entwurf bezügliche Eingabe des Ritterraths der Genossenschaft des rheinischen ritterbürtigen Adels vom 14. Dezember v.J. Es wurde im Verfolg des §. 705 der Protokolle von 189557 beschlossen, l. dem Gesetz-Entwurf in der Fassung des Ausschußantrags in erster und zweiter Lesung die Zustimmung zu ertheilen;

Allerdings war der Bevollmächtigte für Anhalt nicht instruiert; Reuß ä. L. und Braunschweig waren nicht vertreten (vgl. Berichte von v. Heller und v. Mittnacht). Ferner beschloß man, entsprechend einem Ausschußantrage, im Titel des Gesetzes die Worte „für das Deutsche Reich" wegzulassen (Antrag Nr. 60 der Drucksache Nr. 9; in der Ausschußsitzung vom 11. 1. 1896 angenommen auf Vorschlag von Nieberding: „Dieser Beisatz sei überflüssig, in den Reichsgesetzen auch sonst nicht gebräuchlich und auch bei den Prozeßgesetzen nicht gemacht worden. Diesem Vorschlag wurde von sämmtlichen Bevollmächtigten mit Ausnahme des Badischen beigestimmt und von Ministerialrath v. Heller noch darauf aufmerksam gemacht, daß in Art. l des Einf. Ges. der unnöthige Zusatz bereits weggelassen sei"; nach dem Bericht v. Schicker vom 11. 1. 1896; HStA Stuttgart E 130a/826). In dieser Sitzung (§ 705, S. 480) wurde der Entwurf des EG-BGB dem VI. Ausschuß überwiesen. Nach dem Bündnisvertrag mit Bayern bezog sich das Recht des Bundes nicht auf das Heimatsund Niederlassungsrecht (III § 1). Das Schlußprotokoll (I) stellte dies ebenfalls fest und erwähnte insbesondere das Verehelichungswesen, so daß das Bundesgesetz vom 4. 5. 1868 nicht auf Bayern ausgedehnt wurde (Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, 1964,5. 264ff.). 375

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2. die bezeichnete Eingabe durch die Beschlußfassung zu Ziffer l für erledigt zu erklären. Nachstehender Antrag Mecklenburg-Schwerins: Der Bundesrath wolle dem Antrag des Ausschusses für Justizwesen zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch — Nr. 10 der Drucksachen — mit der Ergänzung zustimmen, daß in den Gesetz-Entwurf einzuschalten ist: I. imArtikel44 58 : „l a) der Wildschaden nicht zu ersetzen ist, welcher an Forst-, Wiesen- oder Weidegrundstücken angerichtet wird; l b) der Wildschaden, welcher durch Rehwild angerichtet wird, nur zu ersetzen ist, wenn er nicht unerheblich ist." II. im Artikel 69 hinter59 „angehören": „oder welche das Dienstverhältniß gewisser landwirthschaftlicher Arbeiter den Vorschriften des Gesinderechts entsprechend regeln;" — ferner nachstehender Antrag Sachsen-Meiningens: hinter den Artikel 10460 folgenden Artikel 104a einzufügen: Artikel 104a: „Unberührt bleiben die landesrechtlichen Vorschriften über die Scheidung der Ehe durch den Landesherrn, sofern keiner der Ehegatten der katholischen Kirche angehört und der Ehemann in dem betreffenden Land die Staatsangehörigkeit und einen Wohnsitz hat;" — sowie nachstehender Antrag Württembergs: hinter den Artikel 11261 folgenden Artikel 112a einzufügen: Artikel 112 a: „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen bei dem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft, auch wenn der andere Ehegatte ein Verlangen nicht stellt, ein Verzeichniß des eingebrachten Gutes zu errichten, das Verzeichniß der zuständigen Behörde einzureichen und für den Fall, daß die Einreichung binnen bestimmter Frist nicht erfolgt, die Aufnahme des Verzeichnisses durch eine Behörde oder einen Notar anzuordnen ist;" — wurden mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Bei der Gesammtabstimmung wurde der Gesetz-Entwurf einstimmig angenommen. Auf Anregung des Herzoglich sachsen-koburg und -gothaischen Bevollmächtigten wurde das Einverständniß darüber festgestellt, daß, falls das in Aussicht genommene Reichsgesetz über die dingliche Sicherung der Inhaber von Pfandbriefen und ähnlichen Werthpapieren, die der Schuldner auf Grund erworbener Forderungen ausstellt, nicht gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft treten sollte, reichsgesetzlich für die Aufrechterhaltung der diesen Gegenstand regelnden Landesgesetze Fürsorge zu treffen sein wird.

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Vgl. Materialien zu Art. 77 EG-BGB. Vgl. Materialien zu Art. 95 EG-BGB. D. h. hinter den späteren Art. 133 EG-BGB. D. h. hinter den späteren Art. 140 EG-BGB.

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H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag; Verabschiedung durch den Bundesrat

H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag und seine endgültige Verabschiedung durch den Bundesrat I. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission 17.2.1896 1

am

Die XII. Kommission des Reichstags trat heute zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Die ursprüngliche Zusammensetzung der Kommission ist aus Nr. 3 f. der Drucksachen des Reichstags ersichdich, inzwischen ist schon mehrfacher Wechsel von Mitgliedern eingetreten. Von den Mitgliedern2 gehören an: drei der Fraktion der Deutsch-Konservativen3, zwei der Reichspartei4, eines der Deutsch-sozialen Reformpartei5, sechs dem Zentrum6, eines der Fraktion der Polen7, drei der Fraktion der Nationalliberalen8, eines der Freisinnigen Vereinigung9, zwei der Freisinnigen Volkspartei10, zwei der Sozialdemokratischen Fraktion11. Von den Bevollmächtigten zum Bundesrate nahmen außer mir an der Sitzung teil12: Soweit nichts anderes vermerkt, stammen die folgenden Berichte von Heller aus dem Bayr, HStA München, Abt. I, MJu. 16119. Sie tragen, soweit nichts anderes vermerkt, das Darum des Sitzungstages. 2 Wegen der Namen der Mitglieder vgl. oben S. 65. „Deutsch-Konservative Partei" ist seit 1876 die Bezeichnung der damals neukonstituierten streng konservativen Partei im Deutschen Reichstag (Agrarier-Partei). Hauptorgan: Neue Preuß. (Kreuz-)Zeitung. Im Programm wurde Wen gelegt auf „christliche Lebensanschauungen in Volk und Staat". Das BGB sollte von „deutschnationalem Rechtsbewußtsein getragen sein". Im Reichstag von 1893/97 durch 72 Abgeordnete vertreten. 4 Die Freikonservativen traten im Reichstag unter dem Namen „Reichspartei" auf. Die Partei bildete sich 1866, als sich Mitglieder der bisherigen Konservativen Partei im preuß. Abgeordnetenhaus, die die Politik Bismarcks billigten, von der streng konservativen Richtung trennten. Unter Bismarck bildeten sie die eigentliche Regierungspartei. Ein vollständiges Programm hat die Partei niemals veröffentlicht. Sie trat für einen Kompromiß zwischen den deutsch-konservativen und den nationalliberalen Positionen ein (Wahlaufruf 1893). Im Reichstag war sie mit 28 Abgeordneten vertreten. Die Deutsch-soziale Reformpartei war 1894 durch Verschmelzung der Deutschen Reformpartei und der Deutsch-sozialen Partei entstanden, sogn. Antisemitenpartei. Das Programm von 1895 stand auf „deutsch-nationalem, monarchischem und christlichem Boden" und wandte sich „besonders gegen den wachsenden Einfluß des Judentums auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet" (16 Reichstagsabgeordnete). Das Zentrum war mit 96 Abgeordneten im Reichstag 1893/97 vertreten (ohne Hospitanten). 7 Die sogn. Polen stellten 19 Abgeordnete. 8 Die Nationalliberale Partei hatte 53 Abgeordnete. Die Freisinnige Vereinigung ist 1893 durch Abspaltung von der Deutsch freisinnigen Partei entstanden, weil einige Abgeordnete dieser Partei die Regierung in der Militärfrage unterstützten (12 Reichstagsmitglieder). Die Freisinnige Volkspartei hieß vor der Spaltung im Jahre 1893 „Deutsche freisinnige Volkspartei"; diese war 1884 aus dem Zusammenschluß der Fortschrittspartei und der nationalliberalen Sezessionisten entstanden. Sie hatte 24 Abgeordnete im Reichstag 1893/97. Die Sozialdemokraten waren im Reichstag durch 56 Abgeordnete vertreten. 12 Wegen der folgenden Personen vgl. den biographischen Teil der Edition. 377

Materialien zur Entstehung des BGB für Preußen der Staatssekretär Nieberding und der Wirkliche Geheime Rat Oberjustizrat Küntzel, für Württemberg der Regierungsdirektor von Schicker, für Baden der Gesandte von Jagemann, für Hessen der Ministerialrat Dittmar, für Mecklenburg der Ministerialrath Dr. Langfeld13. Als Kommissarien des Bundesrats waren anwesend: der Geheime Oberregierungsrat Struckmann, der Geheime Justizrat Professor Dr. Planck, der Ministerialrat von Jacubezky, der Geheime Justizrat Börner, der Professor Dr. von Mandry, der Geheime Rat Professor Dr. Gebhard. Die Kommission beschäftigte sich zunächst mit den aus der Anlage ersichtlichen Vorschlägen des Vorsitzenden für die geschäftliche Behandlung. Über die Zahl der wöchentlich abzuhaltenden Sitzungen sowie über die Wahl der Sitzungstage wurde ein endgiltiger Beschluß noch nicht gefaßt. Der Abgeordnete Dr. von Cuny (Nat.-Lib.) wünschte, daß wöchentlich fünf Sitzungen abgehalten werden, der Abgeordnete Gröber (Zentrum) bezeichnete drei Sitzungen als genügend. Im übrigen wurden die Vorschläge ohne Widerspruch angenommen. Die Kommission war ferner darüber einig, daß alle Abänderungen, die die Kommission beschließen würde, nur unter dem Vorbehalte späterer Feststellung ihrer Fassung beschlossen sein sollten. Die Niedersetzung einer Redaktionskommission und die Beantwortung der Frage, in welcher Weise etwa den Kommissarien eine Mitwirkung bei

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Über Langfeld vgl. Teil G Fn. 17. Die Vorschläge lauten: Reichstag. XII. Kommission Den Herren Mitgliedern der XII. Kommission gestatte ich mir über die geschäftliche Behandlung der Drucksachen Nr. 87 und 87a Folgendes vorzuschlagen. 1. Wir halten wöchentlich vier Sitzungen ab, welche an Plenarsitzungstagen dreimal von 10 bis l Uhr Vormittags, einmal von 8 bis 10 Uhr Abends, an sitzungsfreien Tagen von 10 bis 4 Uhr dauern; die einzelnen Tage werden vorerst noch offen gelassen, später auf Dienstag bis Freitag festgelegt. 2. Die Durchberathung der Gesetzentwürfe erfolgt nach der Paragraphenfolge des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter Miterörterung der einschlagenden Artikel des Einführungsgesetzes, ausgenommen das Vereinsrecht und das Gesellschaftsrecht, welche zusammen und erst nach Erledigung des allgemeinen Theils und der allgemeinen Lehren der Schuldverhältnisse zur Erörterung gelangen. Die nicht erledigten Theile des Einführungsgesetzes werden nach der ersten Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berathen. 3. Es finden zwei Lesungen der beiden Gesetzentwürfe statt. Diejenigen Paragraphen und Artikel derselben, zu welchen weder Anträge noch Wortmeldungen vorliegen, gelten auch ohne ausdrückliche Feststellung als genehmigt. 4. Der Inhalt der Protokolle beschränkt sich auf die gestellten Anträge der gefaßten Beschlüsse; Erklärungen können als Anlagen zum Protokoll überreicht werden. 5. Die Berichterstattung erfolgt durch verschiedene Berichterstatter; die Berichte haben den Inhalt der Verhandlungen wiederzugeben. Als Berichterstatter schlage ich für den allgemeinen Theil, die allgemeinen Lehren der Schuldverhältnisse und die Gesellschaft den Herrn Abgeordneten Enneccerus, für das Sachenrecht den Herrn Abgeordneten Dr. von Buchka welche Herren auch über die betreffenden Artikel des Einführungsgesetzes zu berichten haben. Weitere Berichterstatter vorzuschlagen behalte ich mir vor. 6. Beschlüsse über die systematische Anordnung des Stoffes, dessen Vertheilung in die einzelnen Bücher, die Bezeichnung und Reihenfolge der Bücher werden bis zum Schlüsse der ersten Lesung der beiden Vorlagen ausgesetzt. Die Anträge bitte ich so zeitig zum Drucke zu geben, daß sie am Abend vor der betreffenden Sitzung den Mitgliedern der Kommission und den Kommissarien des Bundesraths zugehen können. Berlin, am 14. Februar 1896. Der Vorsitzender der XII. Kommission. Späh n.

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H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag; Verabschiedung durch den Bundesrat

der Beschlußfassung über Redaktionsfragen einzuräumen sei, blieb späterer Beschlußfassung vorbehalten. Der Staatssekretär Nieberding hatte in dieser Beziehung anheimgestellt, ebenso zu verfahren, wie der Bundesrat, der sich jeder redaktionellen Tätigkeit enthielt und diese vollständig den Kommissarien überließ. Die Kommission scheint jedoch nicht geneigt zu sein, diesem Beispiele zu folgen. . . . II. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 26.2.1896 . . . Zu den Bestimmungen des Entwurfs über die juristischen Personen waren neu eingegangen die in den anliegenden Drucksachen Nr. 18 bis 22 enthaltenen Abänderungsanträge15. Die Beratung des § 2l16 und der darauf bezüglichen Anträge nahm die ganze Dauer der sechsstündigen Sitzung in Anspruch. Sie gestaltete sich übrigens zu einer Generaldiskussion über das Vereinsrecht im ganzen und erstreckte sich demgemäß im allgemeinen auch auf diejenigen der von den Vertretern der verschiedenen Fraktionen eingebrachten Anträge, die den § 21 selbst nicht berühren. Der weitest gehende von den Anträgen ist der der sozialdemokratischen Abgeordneten Frohme und Stadthagen (Nr. 22 d. Ds.). Er entspricht, wie Stadthagen bei der Begründung mit besonderer Betonung hervorhob, vollständig dem Antrage, den in der 64. Sitzung der Kommission für die zweite Lesung der Professor Dr. Sohm eingebracht hatte (Prot. S. 960 bis 965)17 und beruht auf dem Systeme der freien Körperschaftsbildung. Stadthagen betonte besonders, daß der Entwurf von den Regierungen so gestaltet worden sei, um auf einem Umwege — durch Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts — das zu erreichen, was sie bei dem Versuche, das öffentliche Vereinsrecht reichsrechtlich zu regeln, vom Reichstage nie erlangen würden. Auch der Antrag des Zentrums (Nr. 18 der Ds.) sei in dieser Beziehung völlig ungenügend. Die im § 24 c dieses Antrages18 aufgestellten Kriterien, Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten

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Die Anträge werden, soweit dies für das Verständnis der hier wiedergegebenen Berichte notwendig erscheint, in Auszügen mitgeteilt. Vollständiger Abdruck im Quellenband zum Allgemeinen Teil. — Zur Beratung des Vereinsrechts in der XII. Kommission vgl. auch den Bericht des „Vorwärts" vom 27. 2. 1896 bei Vormbaum, Sozialdemokrade und Zivilrechtskodifikation, S. 144. § 21 Abs. l, 2 E III (vgl. § 21 BGB) lautet: „Vereine zu gemeinnützigen, wohlthätigen, geselligen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder anderen nicht auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Zwecken erlangen Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts oder durch staatliche Verleihung. — Andere Vereine erlangen Rechtsfähigkeit in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften nur durch staatliche Verleihung". Prot. II, Bd. l, S. 476ff. — § a Abs. l —2 des Antrags lautet: „Die Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Einschluß der vom Staat anerkannten kirchlichen Körperschaften und Anstalten sowie alle rechtmäßig bestehenden Vereine mit körperschaftlicher Verfassung sind als solche vermögensfähig. — Der Verein besitzt eine körperschaftliche Verfassung, wenn die Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten einem Vorstand mit satzungsmäßiger Vollmacht übertragen worden ist. Die Satzung (das Statut) muß schriftlich abgefaßt sein ..." § 24c des Zentrumsantrags lautet: „Die Anmeldung ist, wenn der Zweck der Körperschaft auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist oder gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, oder wenn den Erfordernissen der §§ 21 a, 22 a, 24 a, 24 b nicht genügt ist, von dem Amtsgericht unter Angabe der Gründe zurückzuweisen. — Gegen den zurückweisenden Beschluß findet innerhalb eines Monats nach der Zustellung die Klage bei dem Landgericht statt; die Klage ist gegen den Staatsanwalt zu richten." 379

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Sitten, seien äußerst dehnbare Begriffe, und die Gerichte würden sich bei ihrer Auslegung sicherlich sehr bald den Anschauungen der Regierung anbequemen. Im Verlaufe der Diskussion wurde Stadthagen darauf aufmerksam gemacht, daß auch sein Antrag im ersten Absätze des § a mit einem sehr vagen Begriffe „rechtmäßig" bestehende Vereine operiere. Diese Bemerkung, deren Berechtigung er vergeblich zu bestreiten sucht, veranlaßte ihn schließlich, die Worte „rechtmäßig bestehenden" zu streichen. Im allgemeinen wurde dem Antrag im Verlaufe der Beratung wenig Beachtung geschenkt. Unterstützt wurde er übrigens von dem antisemitischen Abgeordneten Vielhaben, der jedoch die eben bezeichneten, von den Antragstellern gestrichenen Worte wiederaufnahm. Von den Vertretern der Regierungen und den Kommissarien äußerte sich über den Antrag niemand. Auf anderem Boden, aber unter sich grundsätzlich übereinstimmend, stehen der Antrag der Vertreter der Freisinnigen Volkspartei (Nr. 7 der Drucks.)19 und der Antrag der Vertreter des Zentrums (Nr. 18 d. Ds.) . Den zuerst bezeichneten Antrag zog der Mitantragsteller Kauffmann im Laufe der Diskussion zu Gunsten des Antrags des Zentrums zurück. Dieser Antrag bildete den Hauptgegenstand der übrigens von allen Seiten mit Ruhe und vollster Sachlichkeit geführten Beratung. Er wurde von den Abgeordneten Gröber und Bachern begründet und gegen die Einwürfe und Ablehnungen verteidigt. Als den Grundgedanken des Antrags bezeichnete Gröber — ebenso wie vorher Kauffmann bei der Begründung seines Antrags — die völlige Verwerfung des Konzessionssystems, das der Entwurf teils (bezüglich gewisser Arten von Vereinen) ausdrücklich aufrechterhalte21, teils (in seinen Bestimmungen über den Einspruch gegen die Eintragung und über die Auflösung) auf einem Umwege praktisch zur Geltung kommen lasse22. Dieses System könne von den Behörden auch bei bestem Willen nicht gleichmäßig und gerecht gehandhabt werden und entspreche unserer Rechtsentwicklung nicht mehr. Auf die Bildung von Vereinen und auf die Errichtung von Stiftungen müßten die für Rechtsgeschäfte im allgemeinen geltenden Bestimmungen des Entwurfs (§§ 130, 134)23 angewendet werden. Das Verfahren müsse mit denselben Garantien umgeben sein wie in allen anderen Rechtssachen. Daher seien die Verwaltungsbehörden vollständig auszuschließen und für die Anfechtung sowohl im Falle der Ablehnung der Eintragung als im Falle der Auflösung das kontradiktorische Verfahren vor dem Landgerichte zu gewähren. Daß die öffentlichrechtliche Seite des Vereinsrechts durch die in den Entwurf aufzunehmenden Bestimmungen unberührt bleiben müsse, verstehe sich von selbst. Der (nationalliberale) Abgeordnete Enneccerus trat dem Antrage entgegen. Er bestritt, daß der Entwurf ein verschleiertes Konzessionssystem schaffe. Abgesehen

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§ 21 Abs. l, 2 des Antrags Nr. 7 lautet: „Vereine erlangen Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des Amtsgerichts. Ausgeschlossen sind: 1. Vereine, deren Zweck auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind, 2. Vereine, deren Zweck gegen ein Strafgesetz verstößt". — Damit sollte allen Vereinen die Rechtsfähigkeit durch Eintragung gewährt werden. Ferner war die Beseitigung des Einspruchsrechts der Verwaltungsbehörde beabsichtigt. Kernpunkt des Antrags Nr. 18 war der in Fn. 18 zitierte § 24 c. Durch eine vorgeschlagene Neufassung des § 21 sollte das Konzessionssystem völlig verworfen, das Einspruchsrecht der Verwaltungsbehörden beseitigt werden. Vgl. die sich aus dem § 21 E III (oben Fn. 16) ergebenden Einschränkungen. Vgl. § 58 E III: „Wird die Anmeldung zugelassen, so hat das Amtsgericht sie der zuständigen Verwaltungsbehörde mitzutheilen. — Die Verwaltungsbehörde kann gegen die Eintragung Einspruch erheben, wenn der Verein nach dem öffentlichen Vereinsrecht unerlaubt ist oder verboten werden kann oder wenn er einen dem Gebiete der Politik oder der Sozialpolitik, der Religion, der Erziehung oder des Unterrichts angehörenden Zweck verfolgt." Vgl. SS 134,138 BGB.

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H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag; Verabschiedung durch den Bundesrat von den politischen pp. Vereinen stehe der Entwurf vollständig auf dem Boden des Systems der Normativbestimmungen. Aber auch für die politischen Vereine führe er etwas ein, was dem Konzessionssysteme weit vorzuziehen sei, auch in Ansehung dieser Vereine enthalte der Entwurf also einen großen Fortschritt. Man müsse sich in dieser Beziehung für den Entwurf entscheiden; in Beziehung auf die politischen Vereine dürfe man der Regierungsgewalt nicht jede Möglichkeit der Einflußnahme entziehen. Alle Parteien seien darüber einig, daß das Bürgerliche Gesetzbuch zustande kommen müsse. Man müsse deshalb nach einem Wege suchen, der alle die verschiedenen Ansichten einigt, der insbesondere auch bei den politischen pp. Vereinen eine möglichste Befreiung von staatlichem Einflüsse gewähn. Von diesem Gesichtspunkte aus sei sein und seiner politischen Freunde Antrag (Nr. 19 d. Ds.) gestellt24. Er bezwecke die Schaffung besserer Rechtsgarantien des Verfahrens bei Anfechtung des Einspruchs gegen die Eintragung und bei der Auflösung durch Wiederherstellung der Bestimmung des Entwurfs zweiter Lesung und wolle den Beschränkungen des Entwurfs nur die politischen und die religiösen Vereine unterwerfen. Den Gedanken, daß man sich dem Entwurfe nicht grundsätzlich entgegenstellen, sondern bestrebt sein solle, einen Boden zu gewinnen, auf dem eine Verständigung möglich ist, führte später in eindringlicher Weise auch der Abgeordnete von Bennigsen aus. Er deutete hierbei an, daß man auch in der Ehescheidungsfrage auf scharfe Gegensätze stoßen, daß es hier aber vielleicht gleichwohl gelingen werde, dem Zentrum in dem, was es von seinem religiösen Standpunkte aus für unerläßlich halten zu müssen glaubt, entgegen zu kommen. Daß die Regierungen in der Vereinsfrage nicht auf alles verzichten wollen, sei nach den gehörten Erklärungen (auf die ich weiter unten zurückkommen werde) eine Tatsache, mit der man rechnen müsse. Man solle sich über das Erreichbare verständigen, auch dieses bedeute schon einen außerordentlichen Fortschritt. Der Vertreter der Konservativen, Dr. von Buchka, verhielt sich gleichfalls schlechthin ablehnend gegen den Antrag des Zentrums. Er trat für die Annahme des Entwurfs ein und befürwortete nur die Ausfüllung der Lücke des Entwurfs, die darin liege, daß er im § 59 Abs. 2 auf das Landrecht verweist, nach Maßgabe des Antrags der Konservativen (Nr. 14 der Ds.) und der Nr. 2 des Antrags der Nationalliberalen25. Dieser Stellungnahme schloß sich der der Reichspartei angehörende Abgeordnete Graf von Bernstorff26 an. Dagegen erklärte der der Freisinnigen Vereinigung angehörende Abgeordnete Schröder, daß er bei der ersten Lesung für den Antrag des Zentrums stimmen werde. Der vom Staatssekretär Nieberding ausgesprochene Gedanke, das Vereinsrecht aus dem Entwurf auszuscheiden, sei ganz unmöglich. Der Staatssekretär Nieberding ergriff im Laufe der Beratung wiederholt das Wort. Er betonte, daß man ein Reichs-Vereinspolizeigesetz noch nicht habe und daß das

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Der Antrag von Enneccerus ging dahin, von dem in § 58 Abs. 2 E III (Fn. 22) vorgesehenen Einspruchsrecht die Vereine auszunehmen, die einen Zweck auf dem Gebiete der Sozialpolitik, der Erziehung oder des Unterrichts verfolgen. Ferner sollte das in § 40 E III vorgesehene Aufhebungsrecht für diese Vereine nicht gelten, wenn sie entgegen der Satzung einen solchen Zweck verfolgen. Für Streitigkeiten über die Auflösung von Vereinen sollten die Verwaltungsgerichte zuständig sein. Nach § 59 E III bestimmte sich die Zuständigkeit und das Verfahren wegen eines Einspruchs (vgl. § 58 Abs. 2; oben Fn. 22) nach den Landesgesetzen. Nach den Anträgen der Nationalliberalen und der Konservativen sollten die Verwaltungsgerichte zuständig sein. Andreas Graf v. Bernstorff (geb. 1844 in Stettin); nach dem Studium der Rechtswissenschaft trat er in den diplomatischen Dienst (1870) ein; von 1874 bis 1880 Landrat (Lauenburg); ab 1880 im preuß. Kultusministerium beschäftigt; von 1893 bis 1903 Mitglied des Reichstags für die Reichspartei. 381

Materialien zur Entstehung des BGB

Zustandekommen eines solchen nach der Meinung der verbündeten Regierungen vorläufig unmöglich sei. Die privatrechtliche Regelung des Vereinswesens könne nicht ohne Einfluß bleiben auf die Stellung der Vereine im öffentlichen Leben. Der Staat könne unmöglich auf die Mittel verzichten, durch die er es zu verhindern vermöge, daß die Rechtsfähigkeit nicht unter Umständen verliehen wird, die zu einem Mißbrauche der Rechtsfähigkeit führen können. Der Standpunkt des Antrags Bachern und Genossen müsse daher aufgegeben werden, sonst sei eine Verständigung kaum möglich. Die Regierungen hätten sich lange geweigert, die Materie in den Entwurf aufzunehmen. Die Kommission habe bei der Ausarbeitung ihrer Vorschläge den Zusammenhang beider Seiten des Vereinsrechts umsichtig gewürdigt. Wenn ihr Standpunkt nicht annehmbar ist, so tue man besser, die Materie wieder auszuscheiden. Der Staatssekretär legte eingehend dar, wie es unmöglich sei, die politischen pp. Vereine unter das allgemeine Recht zu stellen, welch großen Fortschritt aber auch hinsichtlich ihrer und namentlich hinsichtlich aller übrigen Vereine der Entwurf bilde. Die Regierungen seien bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen. Nicht leichten Herzens würden sie sich zur Ausscheidung der Materie aus dem Entwurfe entschließen. Aber es stünden für sie Opfer in Frage, die sie allerdings dazu nötigen können, sich die Frage der Ausscheidung vorzulegen. Auch der Württembergische Bevollmächtigte, Regierungsdirektor von Schicker, und der Badische Gesandte von Jagemann ergriffen im Laufe der Beratung das Wort. Zwei Kommissarien des Preußischen Ministeriums des Innern legten den Standpunkt dieses Ressorts dar. Auch ich unterließ nicht, die Kommission jeden Zweifel darüber zu benehmen, daß die Bayerische Regierung am Entwurfe festhält, daß sie sich in der Stellungnahme zu dem Antrage Bachern und Genossen von den übrigen Regierungen nicht trennen und daß sie sich unter Umständen entschließen wird, auf den Standpunkt zurückzukehren, den sie in einem früheren Stadium eingenommen hat27. Über den Antrag der Konservativen und über den Antrag der Nationalliberalen, soweit dieser die Zulassung des Verwaltungsstreitverfahrens betrifft, sprach sich der Staatssekretär nicht aus. Die Unterscheidung zwischen den sozialpolitischen, den den Zweck der Erziehung oder des Unterrichts verfolgenden Vereinen einerseits und den politischen und religiösen andererseits aber bekämpft er gleichfalls, wenn auch nicht mit der Entschiedenheit wie die Gleichstellung der politischen und religiösen mit den Vereinen überhaupt. — Der Vertreter der polnischen Fraktion erklärte sich in jeder Beziehung für den Antrag des Zentrums. Von den zahlreichen Erklärungen, die von Vertretern fast aller Fraktionen nach den Reden des Staatssekretärs noch abgegeben wurden, habe ich die der Abgeordneten Bennigsen und Schröder schon berührt. Von den übrigen war nur von besonderem Interesse die des Abgeordneten Dr. Bachern. Er erkannte an, daß auch schon der Entwurf für große Teile des Reichs erhebliche Vorteile bietet. Allein die politische und juristische Konsequenz nötige dazu, den vom Entwurfe betretenen Weg auch weiter zu verfolgen. Er nehme an, daß die verbündeten Regierungen ihr letztes Wort noch nicht gesprochen haben, auch die Kommission spreche heute noch nicht ihr letztes Wort. Er hoffe, daß es dem Bundesrat nicht allzuschwer werden wird, auf die beantragte Gestaltung einzugehen. Entscheidend sei der § 24c ihres Antrags28, der sowohl juristisch als politisch einen festen Boden schaffe. Die Repression gegen politische Vereine könne nicht auf privatrechtlichem Boden gesucht werden. Das Ausscheiden der Materie aus dem Entwurfe sei nicht möglich. Die Regelung des Vereinsrechts durch das Bürgerliche

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Einzelheiten hierüber im Quellenband zum Allgemeinen Teil. Vgl.obenFn. 17.

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H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag; Verabschiedung durch den Bundesrat

Gesetzbuch liege in dem entschiedensten nationalen und politischen Interesse. Der Antrag Enneccerus und Genossen sei der Versuch einer Vermittelung. Man müsse jedoch ganze Arbeit machen, wenn man überhaupt daran gehen will, den Bundesrat davon zu überzeugen, daß sein Standpunkt unannehmbar ist. Es kam hierauf zur Abstimmung. Der sozialdemokratische Antrag wurde, nachdem mit Mehrheit beschlossen war, die Worte, „rechtmäßig bestehenden" aufrechtzuerhalten, gegen drei Stimmen (zwei Sozialdemokraten, ein Antisemit) abgelehnt. Im übrigen wurde nur über den Abs. l des Entwurfs und des § 21 des Zentrumsantrags abgestimmt29. Die große Mehrheit entschied sich für den § 21 Abs. l dieses Antrags, dagegen stimmten die Nationalliberalen, die Konservativen und die Angehörigen der Reichspartei. . . . III. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 27. 2.1896 . . . Vor dem Eintritte in die weitere Beratung erklärten die Wortführer der Nationalliberalen und der Konservativen, sie würden den in der gestrigen Sitzung zum § 21 Abs. l gefaßten prinzipiellen Beschluß für die erste Lesung als auch für sie bindend betrachten, ihre Abstimmungen über die nun zur Beratung kommenden weiteren Bestimmungen über die Vereine seien daher nur als Konsequenzen jenes Beschlusses für die erste Lesung anzusehen. Frohme und Stadthagen zogen ihren Antrag (Nr. 22 d. Ds.), soweit er etwa als durch die gestrige Abstimmung noch nicht erledigt betrachtet werden könnte, zurück . . .30. Die von der Kommission bis jetzt gefaßten Beschlüsse sollen nunmehr redigiert und gedruckt werden. In die Redaktionskommission wurden gewählt Spahn, Enneccerus und Kauffmann. Die Kommission wurde ersucht, Redaktionsvorschläge auszuarbeiten und der Redaktionskommission mitzuteilen31. Drei der Kommissare werden sich an den Beratungen der Redaktionskommission beteiligen. . . . IV. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 6. 3. 1896 Vor dem Schlüsse der Sitzung warf der Abgeordnete von Bennigsen die Frage auf, ob es sich nicht empfehle, nach der Erledigung des zweiten Buchs sofort die zweite Lesung des ersten und des zweiten Buchs vorzunehmen und diese Teile des Entwurfs sodann in das Plenum zu bringen. Eine förmliche Besprechung der Frage fand nicht statt. Eine Bemerkung des Vorsitzenden Spahn ließ entnehmen, daß er nicht abgeneigt wäre, nach der Erledigung des dritten Buchs in jener Weise zu verfahren. Der Abgeordnete Gröber dagegen gab durch einen Zwischenruf zu erkennen, daß er zu dieser Frage erst nach reiflicher Erwägung Stellung nehmen werde . . .

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§ 21 Abs. l des Zentrumsantrags lautet: „Körperschaften, deren Zweck nicht auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangen Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Körperschafts register des zuständigen Amtsgerichts". Weitere wichtige Beschlüsse der Kommission betrafen den § 40 E III (oben Fn. 24), dessen Abs. 2 lauten sollte: „Einem Vereine, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt" und die §§ 57—60 E III, die durch folgende Bestimmung ersetzt werden sollte: „Die Eintragung ist von dem Amtsgericht abzulehnen, wenn . . . Gegen den ablehnenden Beschluß steht dem Verein innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses die Klage bei dem Landgerichte zu. Die Klage ist gegen den Staatsanwalt zu richten. Das Landgericht ist ausschließlich zuständig." Unterlagen der Redaktionskommission sind bis jetzt noch nicht aufgefunden worden. 383

Materialien zur Entstehung des BGB

V. Bericht des Gesandten von Lerchenfeld vom 8. 3.1896 aus Berlin nach München (Staatsministerium des KgL Hauses und des Äußern)32 Bisher hat die Berathung des Entwurfs zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der XII. Reichstags-Kommission leidliche Fortschritte gemacht. Der Abgeordnete Groeber stellte zwar eine Reihe zeitraubender Anträge, fiel aber mit den meisten derselben ab, und so konnte die Kommission immerhin ein ziemliches Pensum leisten. Von den gefaßten Beschlüssen waren allerdings jene bezüglich des Vereinsrechtes33 geeignet, das Schicksal des Entwurfes in Frage zu stellen. Da aber das Centrum in dieser Frage nur mit der Linken gestimmt hat, um sich ein Compensationsobjekt für die Berathung des Eherechts zu sichern, so ist darauf zu rechnen, daß die über das Vereinsrecht gefaßten Beschlüsse wieder beseitigt werden. Bedenklicher scheint dagegen der Antrag der Konservativen zur Eheschließung34, den ich Euer Excellenz anliegend unterbreite. Dessen Annahme hängt noch von der Stellung der Freikonservativen ab, welche ihn heute in der Fraktion besprechen. Bisher sind ihm 6 Stimmen des Centrums, 3 der Konservativen und eine antisemitische Stimme, also 10 Stimmen gesichert. Erhält er die Majorität in der Kommission, so wird es dem Centrum schwer gemacht, sich mit den Mandry'sehen Anträgen35 zu begnügen; denn wenn auch der katholischen Kirche an der nur fakultativ zugelassenen kirchlichen Eheschließung nicht viel liegt, so wird doch mit dem Antrag breche in das Princip der Civilehe gelegt, ein Vorgehen, was das Centrum billigen muß. Jedenfalls ist der Antrag sehr unbequem und geeignet, Verwirrung herbeizuführen. Staatssekretär Nieberding hat ihn in Gesprächen mit einzelnen Abgeordneten scharf bekämpft unter anderem mit der Begründung, daß die standesamtlichen Funktionen herabgedrückt würden, wenn den Trägern dieses Amtes nur der Rest der Trauungen zu schließen bliebe, welche nicht kirchlich geschlossen werden. VI. Bericht von Heller vom 8. 3.1896 an das bayr. Staatsministerium der Justiz36 Bei dem im Allgemeinen ziemlich langsamen Verlaufe, den die Beratungen der XII. Kommission des Reichstags über den Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs bisher nahmen, werden noch mehrere Wochen vergehen, bis die Kommission zur Berathung des Familienrechts und insbesondere der Bestimmungen über die Ehe kommen wird. Gleichwohl möchte ich nicht unterlassen, schon jetzt darauf gehorsamst aufmerksam zu machen, daß es der preußischen Regierung wahrscheinlich erwünscht sein würde, wenn auch die übrigen verbündeten Regierungen zu dem die Einführung der fakultativen Civilehe betreffenden Antrage konservativer Kommissionsmitglieder37 . . . schon bei der Berathung in der Kommission bestimmte Stellung nähmen. Der Staatssekretär Nieberding machte nach der gestrigen Sitzung mir gegenüber eine Bemerkung, aus der ich dies schließen zu müssen glaube. Selbstverständlich habe ich alles Weitere höchstem Ermessen anheimzustellen.

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Geh. Staatsarchiv München, MA 76 730. Vgl.obenFn.30. Vgl. unten Fn. 44. Was diese Anträge beinhalten, läßt sich nicht feststellen. Evtl. sind auch die Anträge von Spahn in der 2. Kommission gemeint (Prot. II, Bd. 4, S. 38; Anträge zum FamR Nr. 5, Ziff. 10); der Antrag von Mandry zu § 1245 E I betrifft eine andere Frage (vgl. Prot. II, Bd. 4, S. 38 unter 2.). Dieser Bericht gehört nicht zu den Berichten über die Sitzungen der XII. Kommission. Vgl. Fn. 44.

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H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag; Verabschiedung durch den Bundesrat

Der der Kommission angehörende konservative Abgeordnete Dr. von Buchka38 hat sich an der Einbringung des Antrages nicht betheiligt. Nach der Erklärung, die er in der Sitzung des Reichstages vom 3. Februar ds. Js. (Stenogr. Berichte S. 721, 722) über seine Stellung zur Civilehe abgab39, muß angenommen werden, daß er nicht für den Antrag stimmen wird. Andererseits ist nach der Haltung, die die der Kommission angehörenden zwei Mitglieder der Reichspartei, Graf von Bernstorff und Freiherr von Gültlingen40, in kirchlichen und religiösen Fragen einzunehmen pflegen, kaum daran zu zweifeln, daß sie für den Antrag stimmen werden, wenn auch nach der von dem Abgeordneten Freih. von Stumm am 3. Februar abgegebenen Erklärung (a. a. O. S. 761, 762) angenommen werden darf41, daß die Fraktion als solche wohl nicht für ihn eintreten wird. Freih. von Stumm soll sich auch inzwischen schon gegen den Antrag ausgesprochen haben. Sind also zu der Zeit, in der der Antrag zur Berathung kommen wird, die Fraktionen der Konservativen und der Reichspartei in der Kommission noch durch die nemlichen oder durch gleichgesinnte Mitglieder vertreten wie jetzt42, so ist dem Antrage die Mehrheit (6 Mitglieder des Centrums, l Pole, 2 Konservative und 2 Mitglieder der Reichspartei) selbst dann gesichert, wenn der Antisemit gegen den Antrag stimmen sollte. Daß der Antrag auch im Plenum des Reichstages die Mehrheit für sich haben würde, ist nach dem Stärkeverhältniß der Fraktionen und mit Rücksicht darauf, daß voraussichtlich auch von den keiner Fraktion angehörenden Abgeordneten nicht ganz wenige, insbesondere die Elsaß-Lothringer und die Weifen, für ihn stimmen werden, kaum zweifelhaft. Die Frage der Ausscheidung des persönlichen Eherechtes aus dem Entwurfe wird dadurch unter Umständen neuerdings in den Vordergrund gerückt werden. VII. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission 25. 4. 1896

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. . . Der Antrag des Zentrums auf Einführung der Notzivilehe (Nr. 82 der Drucksachen)43 wurde mit vierzehn gegen sieben (Stimmen) abgelehnt; für ihn stimmten die sechs Mitglieder des Zentrums und der Pole. Der konservative Antrag auf Einführung der fakultativen Zivilehe (Nr. 41 der Drucksachen)44 wurde mit zwölf gegen neun 38

Über v. Buchka vgl. oben S. 117. In der Sitzung des Reichstags vom 3. 2. 1896 hatte v. Buchka u. a. ausgeführt: daß er es „nicht für wohlgethan halte, an der Zivilehe, welche der Entwurf aus dem Personenstandsgesetz von 1875 übernommen hat, zu rütteln", ferner . . . „wir werden jedem Versuch, an der Zivilehe im bürgerlichen Gesetzbuch zu rütteln, uns entschieden widersetzen." 40 Wilhelm Frh. von Gültlingen (geb. 1834 in Wildbad, gest. 1898 in Stuttgart), Landgerichtsdirektor, seit 1889 Mitglied des Reichstags für die Reichspartei. 41 In der Sitzung des Reichstags vom 5. 2. 1896 hatte v. Stumm-Halberg über diesen (oben S. 124) ausgeführt, daß von einem Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuchs keine Rede sein könne, wenn das Zentrum an der Abschaffung der Zivilehe festhalte. Bernstorff und v. Gültlingen (Reichspartei) sind aus der Kommission im Mai ausgeschieden (vgl. Bericht von Heller vom 13. 5. 1896). 43 Der Antrag Nr. 82 lautet: § 1300 „Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die Verlobten unter Beobachtung der Form, die den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften entspricht, welchen sie angehören, erklären, die Ehe mit einander eingehen zu wollen. — Von Verlobten, welche die Ehe nicht in den Formen der Religionsgesellschaft, welcher sie angehören, eingehen können, wird die Ehe dadurch geschlossen, daß sie vor einem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe mit einander eingehen zu wollen. . . ." 44 Der Antrag Nr. 41 der Konservativen (Himburg, v. Maltzan) lautet: § 1299a. „Die Ehe wird vor Fortsetzung der Fußnote auf Seite 386

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Materialien zur Entstehung des BGB

Stimmen abgelehnt; für ihn stimmten jene sieben Kommissionsmitglieder und zwei von den Konservativen. Der Antrag des Zentrums endlich auf Einführung der fakultativen Zivilehe nach dem englischen System (Nr. 81 der Drucksachen)45 wurde gegen die nemlichen sieben Stimmen wie der zuerst genannte Antrag gleichfalls abgelehnt. . . .46

VIII. Bericht von Heller vom 10. 5. 1896 an das bayr. Staatsministerium der Justiz . . . Ungewiß ist noch immer, ob die Entwürfe auch vom Plenum des Reichstages werden erledigt werden, ohne daß zu diesem Zwecke die Vertagung des Reichstags bis zum Herbste einzutreten braucht. Der Wunsch, das Gesetzgebungswerk „in einem Zuge" zum Abschlüsse zu bringen, besteht namentlich bei der Nationalliberalen, bei dem Zentrum und wohl auch bei der Freisinnigen Fraktion, und die Möglichkeit, daß es geschieht, gilt noch keineswegs als ausgeschlossen. Die durch die Zeitungen verbreiteten gegenteiligen Nachrichten sind unrichtig, mindestens ungenau. Besorgnis erregt indes der Umstand, daß es kaum möglich sein wird, die Mitglieder des Reichstags nach Pfingsten noch für längere Zeit in der zur Beschlußfähigkeit des Reichstags erforderlichen Zahl hier zusammenzuhalten. Im Zusammenhang hiemit gewinnt, so sonderbar es erscheinen mag, der Umstand Bedeutung, daß der Abgeordnete Stadthagen rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt ist. Seine Fraktionsgenossen werden sicherlich alles aufbieten, um die Vollstreckung der Strafe bis auf weiteres zu hindern. Sie haben daher das größte Interesse daran, daß der Reichstag nicht geschlossen, sondern bis zum Spätherbst vertagt wird. Das nächstliegende Mittel hiezu wäre, die Beratung des BGB zu hintertreiben. Ist der Reichstag nicht beschlußfähig, so kann ihnen dies mit leichter Mühe gelingen; sie brauchen nur, so oft es ihnen zweckmäßig zu sein scheint, die Auszählung des Hauses herbeizuführen. Mit Rücksicht auf diese Sachlage wird, wie der Staatssekretär Nieberding mir gestern vertraulich mitteilte, im preußischen Staatsratministerium zur Zeit erwogen47, ob es nicht angehe, die Session des Preußischen Landtages noch einige Zeit über Pfingsten hinaus fortdauern zu lassen. Es würde in diesem Falle mit einiger Sicherheit darauf gerechnet werden können, daß jedenfalls diejenigen — etwa neunzig — Mitglieder des Reichstags, die zugleich Mitglieder des Preußischen Abgeordnetenhauses sind, sich an den Beratungen des Reichstags beteiligen; bei einer verhältnismäßig nicht großen Zahl weiterer Beteiligungen könnte dann das Haus beschlußfähig sein. Für den Fall jedoch, daß es nicht umgangen werden kann, die Session des Preußischen Landtags vor Pfingsten zu schließen, oder daß die Hoffnung, mit Hilfe jener anderen Maßregel die Beschlußfähigkeit des Reichstags herbeizuführen, nicht in Erfüllung geht, wird weiter erwogen, ob nicht auch ungeachtet des Umstands, daß das BGB im Plenum des Reichstags erledigt wird, dessen Vertagung in Aussicht zu nehmen sei. Man nimmt an, einem Geistlichen in Form der kirchlichen Trauung oder vor einem Standesbeamten geschlossen, im letzteren Falle nach den in den §§ 1300 bis 1305 gegebenen Bestimmungen." — Die SS 1299 a— c werden im Quellenband zum Familienrecht mitgeteilt. 45 Der Antrag Nr. 81 lautet: § 1300. „Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die Verlobten vor einem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe mit einander eingehen zu wollen. — Auf Antrag der Verlobten hat der Standesbeamte diese Erklärung dadurch entgegen zu nehmen, daß er anwesend ist, wenn die Verlobten bei der kirchlichen Trauung vor dem Geistlichen erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen." 46 Wegen der Einzelheiten der Diskussion verweise ich auf den Quellenband zum Familienrecht. 47 Vgl. unten S. 403 ff. 386

H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag; Verabschiedung durch den Bundesrat

daß die Sozialdemokraten, wenn sie dessen sicher sind, daß trotz der Erledigung des BGB der Reichstag nicht geschlossen wird, davon abstehen werden, der Beratung des Gesetzbuchs Schwierigkeiten zu bereiten. Ein Grund zur Vertagung könnte in diesem Falle dadurch geschaffen werden, daß die Beratung der Strafprozeßvorlage48 in den Spätherbst verlegt wird. IX. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 20. 5.1896 . . . Hiermit war die erste Lesung der beiden Gesetzentwürfe beendigt. Der Vorsitzende schlug vor, die zweite Lesung am 2. Juni zu beginnen. Diesem Vorschlag widersprach nur der Abgeordnete Vielhaben49. Er beantragte, die zweite Lesung auf den Herbst zu verschieben, weil es in hohem Grade zu wünschen sei, daß die öffentliche Kritik noch weiter ausgiebige Zeit habe, sich mit den Entwürfen und mit den bisherigen Beschlüssen der Kommission zu beschäftigen. Diesem Antrage trat mit größter Entschiedenheit der Abgeordnete Lieber entgegen. Eine Vertagung bis zum Herbste würde nur so verstanden werden können, als wolle sich die Kommission ihrer Aufgabe entziehen. Zugleich würde dadurch eine Prämie darauf gesetzt werden, daß nun die ganze rückständige Kritik auf die Beine kommen und einen Keil in die Arbeit treiben würde. Er sei im Gegenteil ganz entschieden der Meinung, daß „gar nicht rasch genug das Werk zum Abschlüsse gebracht werden kann". Die Kritik, die jetzt noch käme, könnte nur die sein, die dem Zustandekommen des Gesetzbuchs Schwierigkeiten bereiten will. Die Abgeordneten von Buchka und v. Bennigsen beschränkten sich auf die Erklärung, daß sie nach dieser Kundgebung auf das Wort verzichten können. Auch der Abgeordnete Stadthagen trat mit Wärme dafür ein, daß die Kommissionsarbeiten ohne Unterbrechung zu Ende geführt werden, und sprach die Hoffnung aus, daß die Sonne des Sommers der Beschlußfähigkeit des Reichstags nicht zu bald ein Ende machen möge. Nicht minder entschieden erklärte sich auch der Abgeordnete Gröber gegen jede Verschiebung. Diese würde nur zu einer Verschlechterung des Ergebnisses führen. Über die noch strittigen Fragen müsse man sich einmal entscheiden, und das einzig richtige sei, dies möglichst bald zu tun. Er stimme daher „aus voller Überzeugung" dafür, „rasch die endgiltige Entscheidung herbeizuführen". Der Abgeordnete Lerno schloß sich dieser Erklärung an. Noch vor wenigen Tagen hatte er sich nicht geneigt gezeigt, für die ununterbrochene Beendigung der Beratung in der Kommission und im Plenum des Reichstags einzutreten. Er war wie andere Mitglieder des Zentrums dadurch unangenehm berührt, daß die Erledigung der Strafprozeßvorlage, an deren Annahme in einer auch den Regierungen annehmbaren Gestalt ihm alles liegt, so erheblich in den Hintergrund gedrängt worden ist. Seine Umstimmung ist, wie ich von dem Abgeordneten Lieber erfuhr, wesentlich der persönlichen Einwirkung des Staatssekretärs Nieberding zuzuschreiben. Endlich erklärte der Abgeordnete v. Dziembowski, daß auch seine Fraktion50 bereit sei, zu der raschen Erledigung des ganzen Werkes mitzuwirken. Mit allen Stimmen gegen die Summe des Abgeordneten Vielhaben beschloß die Kommission, am 2. Juni die zweite Lesung der Entwürfe zu beginnen, (gez.) Heller.

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Der Gesetzentwurf betr. Änderung und Ergänzung des GVG und der StPO war dem Reichstag am 13. 12. 1895 vorgelegt worden (Drucksache Nr. 73). 49 Über diesen vgl. oben S. 124. 50 Fraktion der Polen.

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X. Bericht von Klügmann (Lübeck) vom 4. 6. 1896 über vertrauliche Mitteilungen von Nieberding an Mitglieder des Justizausschusses des Bundesrates51 Der Staatssekretär Nieberding theilte heute einigen Mitgliedern des Justizausschusses vertraulich das Ergebniß der Verhandlungen mit, welche seit einigen Tagen von ihm mit den Führern der Parteien im Reichstag über die Modalitäten einer Verständigung über das Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuchs geführt worden sind. Zugezogen sind zu diesen Verhandlungen vom Centrum: Lieber, Spahn, Gröber und Bachern, die ihrerseits glauben, den linken Flügel ihrer Partei52 im Zaum halten zu können; von den Nationalliberalen: von Bennigsen; von der Reichspartei: von Stumm. Die Konservativen sind zu den Vergleichsverhandlungen bezeichnender Weise nicht herangezogen, weil man ihnen ein Interesse an der Vereinbarung über das Gesetz nicht zutraut. Die Verhandlungen sind gestern Abend abgeschlossen, das preußische Staatsministerium ist auf das Ergebniß eingegangen53. Das Kompromiß erstreckt auf die Fragen des Vereinsrechtes, der (Zivilehe und der Scheidung, sowie der Zuwendungen an die todte Hand. I. Bezüglich des Vereinsrechtes werden die Nationalliberalen einen Antrag einbringen, wonach gegenüber dem Kommissionsbeschluß l. der Einspruch der Verwaltungsbehörde bei politischen, sozialpolitischen und religiösen Vereinen wiederhergestellt wird; 2. über die Beschwerde zwar nicht durch die Verwaltungsbehörde, aber auch nicht durch den Amtsrichter, sondern durch das Verwaltungsstreitverfahren bezw. deren Korrelate entschieden werden soll. II. Im Eherecht sollen die Regierungen54 1. die Trennung von Tisch und Bett, sowie 2. die Straflösigkeit kirchlicher Trauungen vor dem Civilstandsakt bei Todesgefahr zulassen; 3. soll die Überschrift des Abschnitts über das Eherecht lauten: Bürgerliche Ehe; 4. zu § 1301 soll die Eheverbindung durch den Standesbeamten nicht kraft des Gesetzes, sondern kraft dieses Gesetzes erklärt werden, 5. der § 1305 a der Kommissionsbeschlüsse (sogenannte Kaiserparagraph) wird an den Schluß des Abschnitts über die Ehe gesetzt mit der besonderen Überschrift: Kirchliche Verpflichtungen, und dem Wortlaut: Die kirchlichen Verpflichtungen hinsichtlich der Ehe werden durch die Vorschriften dieses Abschnittes nicht berührt. Ferner soll Art. 86 des Einführungsgesetzes55 mit der Beschränkung aufrecht erhalten bleiben, daß nur Summen über 3000 M. der Genehmigung unterliegen. Im Art. 8756 soll die in einzelnen Staaten bestehende Ungültigkeit von Geschenken oder Zuwendungen an Mitglieder von Orden oder Kongregationen aufgehoben werden bezüglich solcher Orden und Kongregationen, deren Mitglieder nicht Gelübde auf Lebenszeit ablegen. Diese Anträge wird das Centrum als Abänderungsanträge zu dem Antrag von Buchka einbringen. Dagegen wird das Centrum die Annahme des Antrages Graf Roon auf Beseitigung der Civilehe verhindern57.

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Zitiert nach dem Exemplar im StA Bremen 2. — M.6.b.4.g.2.i. Nr. 1. Hauptrepräsentant war Rintelen. Vgl. im einzelnen unten. Einzelheiten im Quellenband zum Familienrecht. Der unter Ziff. 4 genannte § 1301 E III entspricht § 1318 BGB. Art. 86 E III-EG (Art. 86 EG-BGB) sah für die Landesgesetze keine Beschränkung hinhinsichtlich der Höhe vor. — Im Reichstag wurde der Betrag auf 5000 M erhöht. Vgl. Art. 86 Abs. 3 EG-BGB. Vgl. unten S. 389 ff.

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H. Der 3. BGB-Entwurf im Reichstag; Verabschiedung durch den Bundesrat

Wenn auf solche Weise die hauptsächlichen Differenzpunkte beseitigt werden, steht die Beendigung der zweiten Lesung in der Kommission mit Einschluß der Beschlußfassung über den Kommissionsbericht bis zum Ende der nächsten Woche in Aussicht. Dann wird eine Pause von einer Woche für die Verhandlungen in den Fraktionen stattfinden, so daß am 21. oder 22. ds. Mts. die Plenarberathungen in II. Lesung beginnen, wofür von den Führern der Sozialdemokraten eine Eindämmung des Redeflusses zugesichert ist. Für die III. Lesung im Plenum werden nur zwei Tage zwischen dem 1. und 10. Juli für erforderlich gehalten. XL Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 8. 6. 1896 . . . Die Kommission ging hierauf über zur zweiten Lesung der Bestimmungen über die Vereine (§§ 21 bis 76). Hiezu lagen vor die Anträge Frohme, Stadthagen (Nr. 124 der Ds. Ziff. 2)58, die Anträge v. Buchka (Nr. 118 der Ds. Ziff. I l bis 5)59, die der Abgeordnete Himburg sich aneignete, und die (auf dem Kompromiß beruhenden) Anträge v. Bennigsen und Genossen (Nr. 148 der Ds.)60. Die Diskussion wurde eingeleitet durch folgende Erklärung des Abgeordneten v. Bennigsen: Die von seinen politischen Freunden und ihm eingebrachten Anträge, von denen er hoffe, daß sie die Mehrheit finden und auch von den Regierungen werden angenommen werden, schlössen sich im allgemeinen dem Entwurf an. Ein Unterschied von diesem läge nur darin, daß nach den Anträgen die im Entwurfe vorgeschlagene Gleichstellung der Vereine, welche einen dem Gebiete der Erziehung oder des Unterrichts angehörenden Zweck verfolgen, mit den politischen, sozialpolitischen und religiösen Vereinen beseitigt werde und daß sowohl im Falle des § 40 als im Falle des § 5961 an die Stelle des durch die Landesgesetzgebung zu bestimmenden Verfahrens das Verwaltungsstreitverfahren, eventuell das Verfahren nach §§ 20, 21 der Gewerbeordnung62 treten soll. Sollte eine Verständigung auf dieser Grundlage nicht erzielt werden, so bliebe nichts anderes übrig, als das Vereinsrecht aus dem Entwurfe auszuscheiden. Dies wäre außerordentlich zu bedauern, denn das Vereinsrecht des Entwurfs enthalte einen großen Fortschritt gegenüber dem geltenden Rechte. Er hoffe ferner, daß auf der Grundlage der in der Drucksache Nr. 15l63 enthaltenen Anträge auch über das Eherecht eine Verständigung werde erzielt werden, und erklärte formell, daß seine politischen Freunde und er zwar nicht unerhebliche Bedenken gegen diese Anträge trügen, aber bei dem großen Werte, den das Zentrum auf sie lege, und um diesem ihr Entgegenkommen zu zeigen, ihnen nicht entgegen-

Nach dem Antrag Nr. 124, 2 sollte § 21 Abs. l lauten: „Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie alle Vereine mit körperschaftlicher Verfassung sind als solche vermögensfähig." (Abs. 2, 3 wie Fn. 17). — Zu den Beratungen der XII. Kommission über den Kompromiß am 8. und 9. 6. 1896 vgl. auch den „Vorwärts" vom 9. und 10. 6. 1896 bei Vormbaum, a. a. O., S. 304ff., 309ff. 59 Der Antrag von Buchka bezweckte die Wiederherstellung der §§ 40 II, 57-60 E III. Lediglich im § 59 E III sollte vorgesehen werden, daß der Einspruch im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens geltend gemacht werden konnte. Der Antrag der Nationalliberalen entspricht der Gesetz gewordenen Fassung der §§ 43, 44, 60, 61,62,63,71BGB. 61 Vgl. die späteren §§ 43, 62 BGB (vgl. auch Fn. 22, 24). 62 Einzelheiten über das Verfahren nach der Gewerbeordnung bei Planck, BGB, 3. Aufl., Bd. l, Anm. 2 zu § 44 BGB. Der Antrag enthält die im Kompromiß vereinbarten Änderungen eherechdicher Bestimmungen (vgl. unten S. 412 f. unter III Ziff. 3 - 5). 389

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zutreten entschlossen seien. Der Abgeordnete Himburg erörterte hierauf kurz die zwischen dem Antrage v. Buchka und dem Antrage der Nationalliberalen bestehenden Unterschiede, sprach sein Bedauern darüber aus, daß die in diesem vorgeschlagene Fassung des § 40 den im Kommissionsbeschlusse erster Lesung vorgesehenen „Verstoß gegen die guten Sitten" nicht berücksichtigt und beantragte, im Absatz l des von v. Bennigsen und Genossen vorgeschlagenen § 4064 vor „durch einen gesetzwidrigen Beschluß" einzuschalten, „durch Verstoß gegen die guten Sitten", erklärte übrigens, daß er im Falle der Ablehnung der Anträge von Buchka mit seinen politischen Freunden für die Anträge der Nationalliberalen stimmen werde. Der Abgeordnete Lieber erklärte folgendes: Der von den Nationalliberalen schon bei der ersten Lesung in Bezug auf die Trennung von Tisch und Bett65 und auch heute wieder durch die Erklärung ihres Wortführers bezeigte Entgegenkommen habe seine politischen Freunde und ihn geneigt gemacht, ungeachtet der Ergebnisse der Abstimmung über die vereinsrechtlichen Bestimmungen in erster Lesung ihre ernstlichen Bedenken gegen die Anträge der Nationalliberalen zurückzudrängen und diesen Anträgen beizutreten. Sie täten das in der Erwartung, daß es gelingen werde, eine Verständigung über das Bürgerliche Gesetzbuch in maßgebenden Einzelheiten seines Inhalts herbeizuführen und nicht blos das Zustandekommen des Gesetzbuchs im Reichstage mit einer ansehnlichen Mehrheit zu ermöglichen, sondern dies auch für den größten Teil des Deutschen Volks zu einem Ereignisse zu machen, dessen Eintritte es mit Befriedigung entgegensieht. Der Abgeordnete v. Stumm bemerkte, die Anträge v. Bennigsen gefielen ihm materiell so wenig wie der Entwurf. Er würde vorgezogen haben, diesen Gegenstand auszuscheiden. Große Bedenken habe er insbesondere gegen die Zulassung des Verwaltungsstreitverfahrens. Mit den Beschlüssen der ersten Lesung wäre ihm die Annahme des Bürgerlichen Gesetzbuchs unmöglich. Für den Antrag von v. Bennigsen zu stimmen, sei er indes trotz seiner Bedenken bereit, weil diese immerhin nicht so groß seien, daß er um ihretwillen das Zustandekommen des Gesetzbuchs gefährden möchte. Hierauf gab der Staatssekretär Nieberding folgende Erklärung ab: daß den verbündeten Regierungen die Annahme der Beschlüsse erster Lesung unmöglich sei, habe er bei der ersten Lesung dargelegt. Die Regierungen stünden auch jetzt noch auf diesem Standpunkte und würden auf ihm stehen bleiben trotz aller Eventualitäten. Eine abschließende Erklärung zu den Anträgen v. Bennigsen namens der verbündeten Regierungen abzugeben, sei ihm jetzt noch nicht möglich. Unter diesem Vorbehalte erklärte er folgendes: Die Anträge v. Buchka kehrten zur Vorlage zurück; er brauche daher nicht näher auszuführen, daß es am erwünschsten wäre, wenn diese Anträge die Mehrheit fänden. Er habe indes keine Hoffnung, daß dies geschehen wird, und habe deshalb sein Interesse zu konzentrieren auf die Anträge v. Bennigsen. Es werde den Regierungen nicht leicht werden, die Konzessionen zu machen, die diese Anträge gegenüber dem Entwurfe verlangen. Er wolle aber auf die Bedenken im einzelnen nicht mehr näher eingehen; sie bezögen sich auf die Ausscheidung der Unterrichts- und Erziehungszwecke verfolgenden Vereine und auf die Einführung des Verwaltungsstreitverfahrens für die Entscheidung über den Einspruch gegen die Eintragung. Was die Aussichten der Anträge auf Annahme durch die verbündeten Regierungen betrifft, so begrüße er persönlich das darin liegende Entge-

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Vgl. § 43 BGB. Die Aufnahme der Bestimmungen über die dauernde Trennung von Tisch und Bett (§§ 1575 ff. BGB) ist auf Antrag von Zentrums abgeordneten (Nr. 92) am 6. 5. 1896 von der XII. Kommission beschlossen worden (mit 16 Stimmen gegen zwei Stimmen der Freisinnigen Volkspartei, zwei Stimmen der Sozialdemokraten und einer Stimme der Antisemiten).

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genkommen. Wenn das Bürgerliche Gesetzbuch im übrigen eine Gestalt erhält, mit der die Regierungen einverstanden sein können, dann werde in der Annahme der Anträge kaum ein entscheidender Grund dafür gefunden werden können, das Gesetzbuch abzulehnen. Dafür stehe das Gesetzbuch den Regierungen zu hoch, und sie würden fürchten müssen, daß ihre Auffassung bei dem Volke kein volles Verständnis fände. Sie würden daher wohl ihre Bedenken kompensieren mit den großen Vorteilen, die das Gesetzbuch im übrigen bringt. Die Preußische Regierung sei bereit, ihre Bedenken gegen die Anträge zurücktreten zu lassen66. Er nehme an, daß für die übrigen Regierungen die gleichen Gesichtspunkte maßgebend sein werden, könne aber namens ihrer eine Erklärung noch nicht abgeben. Der Abgeordnete Kauffmann trat für den Beschluß erster Lesung ein und rekapitulierte die Gründe, die zu diesem geführt haben. Er polemisierte heftig gegen die Anträge v. Bennigsen und die Haltung der Nationalliberalen; den Anträgen könne er seine Zustimmung unmöglich geben. Was das Kompromiß, dessen Vorliegen nun klar sei, im allgemeinen betrifft, so müsse er seinen politischen Freunden und sich alle Konsequenzen vorbehalten, die zu ziehen die Situation Anlaß geben kann. Ihm entgegnete Enneccerus mit der Bemerkung, die von ihnen gestellten Anträge entsprächen keineswegs allen ihren eigenen Wünschen; aber um des großen Zweckes willen hätten sie sich Beschränkung auferlegt. In entschiedenster Weise sprach sich endlich Stadthagen gegen die Anträge aus, er empfahl dagegen die Annahme der sozialdemokratischen, sich wie bei der ersten Lesung auf die Autorität des Professors Sohm berufend. Hiemit war die Diskussion in der Hauptsache erschöpft, doch knüpften sich daran noch kurze Erörterungen über zwei Einzelfragen. — Der Abgeordnete Kauffmann verwies auf „die noch immer ungelöste Frage der Berufsvereine " und die mehrerenteils schon vom Plenum des Reichstags teils nur von Kommissionen beschlossenen Gesetzentwürfe67. Um den besonderen Bedürfnissen dieser Vereine gerecht zu werden, beantragte er, dem 40 die Bestimmung hinzuzufügen, daß Vereine, welche die Förderung der Berufsinteressen und die Unterstützung ihrer Mitglieder bezwecken, nicht als politische oder sozialpolitische Vereine im Sinne der Bestimmung gelten, v. Bennigsen und Bachern traten dem Antrage entgegen; die Regelung der besonderen Verhältnisse dieser Vereine sei Aufgabe der Spezialgesetzgebung, die ja durch das Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht ausgeschlossen werde. Lieber beantragte, in einer Resolution das Ersuchen an die verbündeten Regierungen auszusprechen, daß dem Reichstage in tunlichster Bälde ein Gesetzentwurf über die Rechtsverhältnisse der Berufsvereine vorgelegt werde. Zu einer weiteren Erörterung gab die von dem Vorsitzenden gestellte Frage Anlaß, wie sich die beantragte Bestimmung über das Platzgreifen des Verwaltungsstreitverfahrens in den Fällen des § 40 zu den Bestimmungen der Landesgesetze verhalte, nach denen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde sowohl im Verwaltungsverfahren mit der Beschwerde an die vorgesetzte Verwaltungsstelle als mit der Klage im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden kann. Nach kurzer Erörterung ergab sich Einmütigkeit der Meinungen darüber, daß unter allen Umständen das Verwaltungsstreitverfahren platzgreife, daß es Sache der Landesgesetzgebung sei, ob sie auch die Beschwerde an die vorgesetzte Verwaltungsbehörde einräumen wolle, daß aber auf keinen Fall landesgesetzlich bestimmt werden darf, durch die Betretung des Beschwerdewegs werde die Verfolgung des Verwaltungsstreitverfahrens ausgeschlossen. 66 67

Vgl. unten S. 41 Off. Vgl. hierzu Vormbaum, Die Rechtsfähigkeit der Vereine im 19. Jh., 1976, S. 109ff., 116ff., 199 ff. — Für Berufsvereine hatten freisinnige Abgeordnete 1892 einen Antrag im Reichstag eingebracht. 391

Materialien zur Entstehung des BGB Bei der nun folgenden Abstimmung wurden zunächst die oben erwähnten Unteranträge Himburg und Kauffmann — dieser gegen vier, jener gegen fünf Stimmen — abgelehnt, sodann die Anträge Frohme, Stadthagen im ganzen gegen zwei und die Anträge von Buchka im ganzen gegen drei Stimmen gleichfalls abgelehnt, die Anträge v. Bennigsen und Genossen im ganzen dagegen,. .. mit sechszehn gegen fünf Stimmen angenommen. Gegen diese Anträge stimmten die zwei Mitglieder der Freisinnigen Volkspartei, der Antisemit und die zwei Sozialdemokraten. . . . Die Kommission ging sodann zur zweiten Lesung der Bestimmungen über das persönliche Eherecht über. — Der Abgeordnete Graf v. Roon erklärte, daß nach dem heute zu Tag getretenen Kompromisse die von ihm und seinen politischen Freunden gestellten Anträge auf Einführung der fakultativen Zivilehe (Nr. 122 der Ds.) aussichtlos seien68. Gleichwohl zögen sie diese Anträge nicht zurück, weil sie für ihre Fraktion von der allergrößten grundsätzlichen Bedeutung seien und weil die Fraktion darüber noch nicht schlüssig sei, ob die Anträge nicht auch im Plenum wieder einzubringen seien69. Daß dies nicht geschieht, könne er zur Zeit nicht in Aussicht stellen. Er legt sodann in kurzer Zusammenfassung nochmals die Gründe dar, aus denen nach der festbegründeten Überzeugung der Fraktion die obligatorische Zivilehe durch die fakultative ersetzt werden müsse. Der Abgeordnete Lieber verlas hierauf eine formulierte Erklärung der dem Zentrum angehörenden Kommissionsmitglieder, die wörtlich in den Bericht aufzunehmen sei70. Die Erklärung legt in ihrem ersten Teile die Gründe dar, aus denen das Zentrum nicht für den Antrag der Konservativen stimmen könne. Als der entscheidende Grund ist bezeichnet, daß der Antrag in derselben Form wieder eingebracht ist, in der er bei der ersten Lesung eingebracht war, obwohl das Zentrum damals, als es in der ersten Lesung für ihn stimmte, keinen Zweifel darüber gelassen habe, daß diese Gestaltung der fakultativen Zivilehe endgültig von ihm nicht angenommen werden könne. Im zweiten Teil der Erklärung werden die in der Ds. Nr. 151 enthaltenen Anträge kurz begründet, im wesentlichen in gleicher Weise wie in der gedruckten Begründung. Der verlesenen Erklärung fügte Lieber bei, auch bei diesem Gegenstande habe es sich um die Abwägung der Umstände gehandelt, unter denen das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs möglich sei. In Übereinstimmung mit seinen Freunden sprach er die Überzeugung aus, daß die Regierungen einer Abänderung des Entwurfs sei es nach dem Grundsatz der Notzivilehe, sei es nach dem der fakultativen Civilehe einen unüberwindlichen Widerstand entgegengesetzt haben würden. Dies habe das Zentrum zu dem in der Erklärung präzisierten Standpunkte gebracht. Mit Rücksicht auf gewisse Äußerungen des Grafen v. Roon bestritt der Abgeordnete Schröder mit aller Entschiedenheit, daß in allen Kreisen der protestantischen Kirche eine Änderung der Gesetzgebung über die Zivilehe gefordert werde. Ein Erfolg des konservativen Antrags würde nicht den Frieden zwischen Staat und Kirche herstellen, sondern einen neuen Kampf entfesseln. In langer Rede trat der Abgeordnete Iskraut71 (Antisemit, evangelischer Pfarrer) für die fakultative Civilehe ein. Er wendete sich dabei mit großer Schärfe insbesondere gegen das Zentrum, das durch sein Eingehen auf das Kompromiß mit den Nationallibe68

Der Antrag Nr. 122 entspricht dem Antrag Nr. 41 (obenFn. 44). Der Antrag ist von v. Roon und von Schall als Drucksache Nr. 473 in der 2. Lesung eingebracht und wiederum abgelehnt worden. 70 Enthalten in der Drucksache des Reichstags Nr. 440b (Anlagen-Band 3, S. 2020—2026). 71 Karl Frd. Wilhelm Iskraut, (geb. 1854 in Steinhöfel; gest. 1945 in Berlin, evang.) Pastor in Berlin; Mitglied der Dt. Reichspartei; Mitglied des Reichstags von 1895 bis 1898. 6

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ralen seine Prinzipien preisgegeben habe, während es ihm leicht gewesen wäre, durch sein Eintreten für die fakultative Zivilehe eine Mehrheit für diese zu bilden. Der Abgeordnete v. Bennigsen bemerkte, seinen Freunden und ihm sei es nicht leicht geworden, für die Trennung von Tisch und Bett zu stimmen und die Anträge in Nr. 151 der Drucksachen zu unterstützen. Aber bei großen Dingen müsse man Patriotismus genug haben, um auch mit anderen Überzeugungen sich zu verständigen. Das sei von ihnen geschehen, weil sie der Meinung seien, daß das Zentrum mit Recht sehr großen Wert auf diese Fragen lege, und weil sie Schonung für religiöse Empfindungen und religiöse Gesinnung beweisen wollten. Nach kurzen Erwiderungen der Abgeordneten v. Salisch72 und Graf von Roon ohne wesentlich sachliche Bedeutung wurde die Fortsetzung der Diskussion auf morgen vertagt.

XII. Bericht von Heller über die Sitzung der XII. Reichstagskommission am 9. 6.1896 . . . Der Abgeordnete Bachern wendete sich namentlich gegen den von dem Abgeordneten Iskraut gestern erhobenen Vorwurf, das Zentrum habe durch die Abschließung des Kompromisses mit den Nationalliberalen seine Prinzipien verleugnet. Nicht um eines Haares Breite sei das Zentrum von seinem prinzipiellen Standpunkte abgewichen, sondern es habe sich lediglich um die Frage gehandelt, ob das Prinzip praktisch durchgesetzt werden könne. Den Vorwurf, eine Schwenkung gemacht zu haben, gab er der antisemitischen Fraktion zurück unter Hinweis darauf, in welch schroffem Gegensatz das Verhalten Iskrauts stehe zu der von seinem Fraktionsgenossen Förster bei der ersten Lesung im Plenum abgegebenen Erklärung73 und zu der Haltung Vielhabens bei der ersten Lesung74. Mit den Konservativen stehe das Zentrum hinsichtlich der Verwerfung der obligatorischen Zivilehe durchaus auf demselben Standpunkte, er wäre bereit gewesen, mit ihnen in dieser Frage durch dick und dünn zu gehen, wenn nicht die Hoffnung ausgeschlossen gewesen wäre, auf diesem Wege zu einem politischen Ergebnisse zu gelangen. Im übrigen polemisierte er in einer längeren Ausführung gegen den historischen Inhalt der Rede des Staatssekretärs Nieberding vom 25. April75. Der Staatssekretär erwiderte ihm auf Einzelheiten und verwahrte sich gegen die Annahme, seine Darstellung sei einseitig und absichtlich unvollständig gewesen. Ihm entgegnete kurz nochmals Bachern, besonders betonend, daß es ihm nur darauf angekommen sei, den Schein abzuwehren, als habe die katholische Kirche auch nur einen Moment lang nicht an der kirchlichen Eheschließung festgehalten. Im weiteren Verlaufe ergänzte noch Gröber die gegen die Rede des Staatssekretärs gerichteten historischen Ausführungen Bachems. Wiederholt ergriff das Wort der Abgeordnete Iskraut, insbesondere um den von ihm gegen das Zentrum erhobenen Vorwurf des Frontwechsels zu rechtfertigen und den gleichen Vorwurf von seiner Fraktion abzuwehren. Zu diesem Zwecke versuchte er die oben erwähnte Erklärung seines Fraktionsgenossen Förster in einer Weise zu deuten, 72 73

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Über v. Salisch vgl. oben S. 122 f. Am 5. 2. 1896 gab Förster für seine Partei folgende Erklärung ab: „In Bezug auf das Eherecht stehen wir auf dem Standpunkt des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuchs" (St. Berichte des R.T., Session 1895/97, Bd. l, S. 768). Vielhaben hatte sich in der Kommissionssitzung vom 25. 4. 1896 (vgl. Fn. 43ff.) gegen alle Anträge ausgesprochen, und zwar ohne Rücksicht auf die Meinung seiner politischen Freunde. Zum Inhalt dieser Rede vgl. Drucksachen des Reichstags Nr. 440 b, Anlagenband, S. 2016 ff. 393

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die nach dem Wortlaut als nicht recht möglich angesehen werden kann und deshalb ziemlich allgemein Verwunderung erregte. Schließlich erklärte er, nach der Abstimmung über die Anträge sich an den weiteren Arbeiten der Kommission nicht mehr zu beteiligen. Seine Fraktion werde bei der nunmehrigen Sachlage gegen das Bürgerliche Gesetzbuch stimmen, „wenn es überhaupt soweit kommt und das Haus nicht schon vorher durch unsere Auszählungsanträge erschöpft ist". Gegen das hiemit angedrohte Verfahren protestierte lebhaft unter fast allgemeiner Zustimmung — nur die Konservativen nahmen es durch den Mund des Abgeordneten Himburg einigermaßen in Schutz — der Abgeordnete Enneccerus; es sei illoyal und pflichtwidrig. Im übrigen erklärte er sich gegen den Gedanken der fakultativen Zivilehe vom evangelischen Standpunkte aus. Zu den Anträgen Nr. 151 des Zentrums erklärte er seine Zustimmung mit dem Bemerken, daß es ihm nicht leicht geworden sei, der Überschrift: „Bürgerliche Ehe" zuzustimmen. Er beruhige sich indessen, weil er sicher sei, daß damit nicht gesagt sein wolle, es gäbe zweierlei Ehen, eine bürgerliche und eine kirchliche. Der Abgeordnete Lieber verwahrte in nachdrucksvollem Tone seine politischen Freunde gegen die „gehäuften Vorwürfe" Iskrauts, ihre Prinzipien verletzt, eine Frontschwenkung vorgenommen zu haben. Bei der ersten Lesung sei nur über das Prinzip der fakultativen Zivilehe abgestimmt worden, nicht über die Formulierung. Die Formulierung des konservativen Antrags sei für das Zentrum unannehmbar, weil er eine Vorschrift darüber enthält, in welcher Form die kirchliche Eheschließung vor sich zu gehen habe. Eine staatliche Vorschrift hierüber könne sich keine Religionsgesellschaft gefallen lassen. In Beziehung auf den Unterantrag Graf v. Roon, v. Salisch (Nr. 157 d. Ds.)76 erklärte er, das Zentrum habe allerdings in dem Anfangsstadium der Kompromißverhandlung diese Fassung des Kaiserparagraphen vorzuschlagen beabsichtigt. Nachdem es aber gelang, die Überschrift „Bürgerliche Ehe" zu vereinbaren, habe jene von den Konservativen nun wieder angebotene Fassung keinen Wert mehr. Die Haltung v. Buchkas und Vielhabens bei der ersten Lesung habe das Zentrum genötigt, anderswo Anschluß zu suchen: „Der Anschluß ist gefunden, das Wort ist gegeben, es wird gehalten werden". Zu weiteren Erörterungen zwischen den Konservativen und den Mitgliedern des Zentrums gab eine Erklärung des Abgeordneten Himburg Anlaß, in der er der höchsten Überraschung der Konservativen über die Änderung der Haltung des Zentrums zur fakultativen Zivilehe Ausdruck gab und bemerkte, noch jetzt sei es Zeit, sich über diese Frage zu verständigen; die Konservativen seien zu jeder Änderung ihres Antrags bereit, die das Zentrum wünsche. In den sich hieran anknüpfenden Erwiderungen und Gegenerklärungen — zum Teil persönlicher Natur — schoben beide Fraktionen sich gegenseitig die Schuld daran und die Verantwortung dafür zu, daß es nicht zu rechtzeitigen ernstlichen Verhandlungen zwischen ihnen und zu einer Verständigung kam. Von den Vertretern der bisher noch nicht zum Worte gekommenen Fraktionen erklärte v. Dziembowski, seine Fraktion habe beschlossen, sich vollständig der vom Zentrum abgegebenen Erklärung anzuschließen; v. Stumm, daß er für die Aufrechterhaltung der obligatorischen Zivilehe und für die Kompromißanträge des Zentrums stimme; Frohme, daß seine Partei selbstverständlich für die Aufrechterhaltung der obligatorischen Zivilehe sei. Da die Anträge des Zentrums diese Einrichtung vollständig

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Nach diesem Antrag sollte als § 1279a eingestellt werden: „Die Bestimmungen des nachstehenden Abschnitts regeln nur die Erfordernisse und Wirkungen der bürgerlichen Gültigkeit der Ehe; die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe werden durch dieselben nicht berührt."

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unberührt ließen und sich mit dem sozialdemokratischen Grundsatz „Religion ist Privatsache" deckten, würden Stadthagen und er für diese Anträge stimmen in der Überzeugung, daß auch ihre Fraktion dafür stimmen werde. Kauffmann endlich erklärte, er habe gar keinen Grund, diesen Anträgen nicht zuzustimmen; er lege ihnen eine sachliche Bedeutung nicht bei, sondern halte sie nur für redaktionell. Schließlich machte der Abgeordnete Iskraut unter fast allseitigem Proteste den Versuch, seiner oben erwähnten Äußerung den Sinn unterzuschieben, als habe er nicht von Auszählungsanträgen seiner Fraktion, sondern nur von solchen Anträgen im allgemeinen gesprochen. Über das Ergebnis der Abstimmung habe ich schon telegraphisch zu berichten mir erlaubt. Die Anträge Graf v. Roon (Nr. 122 d. Ds.)77 wurden gegen vier Stimmen (drei Konservative, ein Antisemit) abgelehnt, der Unterantrag Graf v. Roon, v. Salisch (Nr. 157 der Ds.)78 gegen drei Stimmen (Konservative) gleichfalls abgelehnt. Die Anträge Bachern und Genossen (Nr. 151 d. Ds.)79 dagegen wurden einstimmig angenommen. Graf v. Roon erklärte nach dieser Abstimmung, für die Abstimmung über diese Anträge im Plenum behalte sich seine Fraktion freie Hand. Der Abgeordnete Iskraut verließ nach der Abstimmung die Sitzung. . . .80. XIII. Protokoll der Bundesratssitzung vom 14. 7.1896 §. 478 (S. 309): Im Verfolg des §. 451 der Protokolle wurde beschlossen, 1. dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs und dem Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche die Zustimmung zu ertheilen; 2. die dazu vom Reichstag gefaßten Resolutionen dem Reichskanzler zu überweisen. Der Beschluß zu l wurde gegen die Stimme von Reuß älterer Linie gefaßt. Der Königlich bayerische Bevollmächtigte stimmte den Gesetzen zu unter dem im Protokoll vom 16. Januar d. J. am Schluß des §. 26 erklärten Vorbehalte. Der Fürstlich reußische Bevollmächtigte, Ober-Regierungsrath von Meding, gab folgende Erklärung ab: Die Fürstliche Regierung ist bei der früheren Beschlußfassung des Bundesraths über das Bürgerliche Gesetzbuch nicht vertreten gewesen und hat ihre Stellung zu demselben, insbesondere zur Aufnahme der obligatorischen Civilehe in das Bürgerliche Gesetzbuch noch nicht erklärt. Die Fürstliche Regierung ist nicht in der Lage, dem Gesetzbuch zuzustimmen, weil — von Bedenken gegen andere Bestimmungen wie diejenigen über Wildschadenersatzpflicht, deren Regelung der Landesgesetzgebung nicht hätte entzogen werden sollen, abgesehen — , die obligatorische Civilehe in das Gesetzbuch aufgenommen ist und dadurch zu einer dauernden Einrichtung gemacht wird.

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Vgl. Fn. 68. Vgl. Fn. 76. Vgl. Fn. 63. Entwicklung vgl. oben S. 67f. 395

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I. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums über die Beratungen des BGB im Reichstag I. Protokoll der Sitzung vom 9. 3.1896 (Maßnahmen gegen die Abschaffung der obligatorischen Zivilehe)1 l.Vor Eintritt in die Tagesordnung ertheilte der Herr Minister-Präsident dem Herrn Staatssekretär Nieberding das Wort. — Derselbe theilte mit, gegen die Bestimmungen des BGB über die Eheschließung habe sich von konservativer Seite2 im Reichstag und im Lande eine nicht unbedenkliche Opposition erhoben. Man habe unter Führung des „Reichsboten" und vorsichtiger Unterstützung der „Kreuzzeitung" die Bestimmungen über die obligatorische Civilehe angefochten und sei für die fakultative Civilehe eingetreten. Der „Reichsbote" habe in seiner Polemik zurückgegriffen auf die Bestimmungen des ersten Entwurfs, welcher mehr zu Angriffen Anlaß gebe. Die Fassung desselben: „die Ehe wird vor dem Standesbeamten geschlossen"3, sei unter der entstellten Fassung „von" statt „vor" so bekämpft worden, als wenn der jetzige Entwurf dieselbe Fassung enthalte. Man lasse ferner durchblicken, als ob der Herr Kultusminister mit dem Evangelischen Ober-Kirchenrath Verhandlungen führe, die dahin gingen, noch jetzt eine Entschließung wegen Ersetzung der obligatorischen durch die fakultative Civilehe herbeizuführen. Diese Andeutungen seien geeignet, eine unsichere Haltung selbst bei den dem Entwurf freundlichen Parteien zu erzeugen. In ländlichen Kreisen kolportire man Petitionen gegen die Civilehe, veranstalte Versammlungen unter Leitung von Pastoren, Synodalmitgliedern pp. Wenn diese Bewegung weiter um sich greife, könne sie auf die Haltung der konservativen Parteien nachtheilig wirken. Es sei in letzter Zeit ein Antrag für die fakultative Civilehe in der Kommission für die Berathung des BGB eingebracht von den Herren Himburg und Freiherrn von Maltzahn4, hinter denen Freiherr von Manteuffel5 stehe, unterstützt von dem Gros der konserativen Partei. Gegner des Antrags sei in der Kommission auf konservativer Seite nur Herr von Buchka6, der in der Partei ganz isolirt sei. Auch habe der Antrag in der freikonservativen Partei7 Anhänger gefunden. Derselbe gehe dahin, daß die Eheschließung

Dieses Protokoll und die folgenden Protokolle nach einer Metallographie im Geh.StA BerlinDahlem. Der Abdruck folgt dem Original, lediglich „Bürgerliches Gesetzbuch" ist aus Platzgründen abgekürzt mit „BGB" wiedergegeben worden. — An der Sitzung vom 9. 3. 1896 nahmen teil: v. Hohenlohe (Reichskanzler), Boetticher, Frh. von Berlepsch, Miquel, Thielen, Bosse, Bronsart von Schellendorf, Frh. von Marschall, Frh. von Hammerstein, Schönstedt, Frh. von der Recke, Nieberding, Humbert (Unterstaatssekretär; zugleich Protokollführer). 2 Im Reichstag gab es zwei konservative Parteien: die Deutsch-Konservative und die Reichspartei, vgl. Teil H, Fn. 3, 4. 3 § 1254 Abs. l E I lautet: „Die Ehe kann nur vor einem Standesbeamten geschlossen werden." 4 Vgl. oben Teil H, Fn. 44. Manteuffel-Crossen war Mitglied der 2. Kommission (vgl. oben S. 124.). 6 Vgl. oben S. 117. 7 Die gemäßigte, sogn. Frei-konservative Partei entsprach der Deutschen Reichspartei im Reichstag. 396

I. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums

nach Wahl der Partei der Parteien vor dem Standesbeamten oder Geistlichen erfolge, letzterer aber die Ehe nur schließen dürfe, wenn ein Attest des Standesbeamten beigebracht werde, daß keine Ehehindernisse bestehen; nach erfolgter Eheschließung solle dann eine Mittheilung von dem Geistlichen an den Standesbeamten erfolgen, der nach Maßgabe dieser Mittheilung die Eintragung in die Register zu machen habe. In dieser Form scheine der Antrag allerdings nicht aussichtsvoll. Das Centrum werde ihn kaum annehmen, da er Eingriffe in das katholische Kirchenrecht enthalte. Aber es sei möglich, daß das Centrum doch in erster Lesung dafür stimme, lediglich um die Regierungsvorlage zu Fall zu bringen. Diese Gefahr sei besonders groß vermöge der Zusammensetzung der Kommission, in der die beiden freikonservativen Stimmen die Entscheidung gäben. Während die Nationalliberalen, die Linke und die Sozialdemokraten sowie Herr von Buchka für die Vorlage seien, würden mit den Konservativen unter Umständen die Polen, die Antisemiten und das Centrum dagegen stimmen. Für die Majorität zu Gunsten der Vorlage sei nöthig, daß die beiden freikonservativen Mitglieder, Freiherr von Gültlingen und Graf Bernstorff dafür stimmten8. Ersterer werde voraussichtlich dazu bereit sein, wenn die Majorität seiner Partei dafür sei. Aber jene eine Stimme genüge nicht, da bei einem Stimmverhältniß von zehn gegen zehn zwar der Antrag, aber auch die Regierungsvorlage falle. Graf Bernstorff, der hiernach die Entscheidung in der Hand habe, werde kaum geneigt sein, für die obligatorische Civilehe zu stimmen. Es sei deshalb innerhalb der freikonservativen Partei in Erwägung gekommen, ob man nicht den Grafen Bernstorff bestimmen solle, für diesen Theil der Vorlage aus der Kommission auszuscheiden, damit ein anderer Freikonservativer an seine Stelle treten könne. Die Staatsregierung müsse jedenfalls eine feste Stellung einnehmen; es müsse klar ausgesprochen werden, daß die Staatsregierung sich auf die fakultative Civilehe nicht einlasse, der konservative Antrag mithin unannehmbar sei. Auch in der Presse müsse man bestimmte Stellung gegen den Antrag nehmen. Gegenüber der Beunruhigung im Lande frage es sich, ob nicht seitens des Herrn Ministers des Innern oder des Herrn Kultusministers etwas geschehen könne, um die Agitation einzudämmen; auch komme in Erwägung, ob nicht auf den Grafen Bernstorff dahin eingewirkt werden könne, daß er sich nicht gegen die obligatorische Civilehe erkläre, da in Folge der bei ihm ruhenden Entscheidung das Scheitern des BGB in Frage kommen würde. Der Herr Vice-Präsident9 theilte mit, nach Aeußerung Stumm's habe die Reichspartei erst in kleinem Kreise berathen. Die beiden Mitglieder in der Kommission seien so gut wie engagirt für die fakultative Civilehe. Gegenüber einer Erklärung, daß die preußische Regierung sich keinesfalls auf den Antrag einlasse, werde die Reichspartei sich nach Ansicht Stumm's10 aber schlüssig machen, daß nicht dafür gestimmt werde. Er selbst, der Vice-Präsident, halte die fakultative Civilehe für ausgeschlossen. Es sei unmöglich, jetzt Zustände, zu deren Beseitigung gerade das Gesetz über die Civilehe ergangen sei, wieder hervorzurufen. Das Verhalten der Konservativen erscheine wenig überlegt, da ihr Vorschlag bei Mischehen von bedenklicher Wirkung sein könne. Er befürworte, daß das Staatsministerium sich gegen den Antrag schlüssig mache und 8 9

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Vgl. Teil H, Fn. 39. Karl Hr. von Boetticher (geb. 1833 in Stettin, gest. 1907) war seit 1865 im preuß. Ministerialdienst tätig (zwischenzeitlich Regierungspräsident in Schleswig); ab Sept. 1880 preuß. Staatsminister und Staatssekretär des Reichsamts des Innern; 1881 —1897, Stellvertreter des Reichskanzlers von 1888—1897, auch Vicepräsident des preuß. Staatsministeriums, zuletzt von 1897—1906 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Über Stumm-Halberg (Deutsche Reichspartei) vgl. oben S. 124. 397

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gleichzeitig die Ermächtigung zu einer vertraulichen Mittheilung in diesem Sinne ertheile. Auch der Herr Kultusminister11 erachtete es persönlich mit dem Herrn Vice-Präsidenten nicht für gerathen, die fakultative Civilehe wieder einzuführen. Aber die Konservativen würden nicht nachlassen. Graf Bernstorff habe sich engagirt, er stehe unter dem Einflüsse des Grafen Roon12, von dem der Antrag ausgehe. Für Graf Roon sei der Umstand bestimmend, daß sein Vater sich für die fakultative Civilehe ausgesprochen hatte. Derselbe habe auch versucht, ihn — den Minister — zu engagiren. Er habe ihm erwidert, daß er sehr erhebliche Bedenken gerade aus kirchlichen Gründen habe. Einen Versuch, den Grafen Bernstorff abzubringen, halte er für bedenklich, da wir solches bisher in ähnlichen Fällen vermieden hätten. Kropatschek13 habe ihm gesagt, er glaube, der Antrag werde angenommen, nicht blos in der Kommission, sondern auch im Plenum. Dem entspreche auch die Haltung der Kreuzzeitung. Die konservative Partei sehe darin ein Mittel, sich der Pastoren zu versichern. Diesen aber fehle der Einblick in die Nachtheile der fakultativen Civilehe, sie hätten nur das Gefühl, daß ihre Macht damit gestärkt werde. Die Verhandlungen mit dem Evangelischen Ober-Kirchenrat lägen lV 2 Jahre zurück und seien ihm nicht mehr im Gedächtniß. Aus den Akten des Staatsministeriums ersehe er, daß im Jahre 1883 die Angelegenheit seitens der pommerschen Provinzialsynode bei dem Ober-Kirchenrath und von diesem bei dem Kultusminister angeregt sei; das Staatsministerium habe damals auf den Vorschlag des Kultusministers eine rückläufige Bewegung als unmöglich anerkannt, und es sei dem Evangelischen Ober-Kirchenrath in diesem Sinne geantwortet. Er habe kein Bedenken, daß das Staatsministerium sich auch jetzt gegen die fakultative Civilehe erkläre und bedauere, daß dieser Punkt dahin führen könne, das Zutandekommen des ganzen BGB in Frage zu stellen. Sprächen wir uns für den Antrag aus, so ruinirten wir eine feste Position, welche die Staatsregierung unter allmälig erlangter Zustimmung des hochseligen Kaisers Wilhelm eingenommen habe. Der Herr Staatsminister Frhr. von MarschalP4 bezeichnete die ganze Agitation als ihm unverständlich. In erster Lesung sei die Frage der fakultativen Civilehe von keiner Seite angeregt worden. Im Centrum habe man sich bisher damit begnügt, statt der Ehescheidung Trennung von Tisch und Bett zu fordern, aber nicht Beseitigung der obligatorischen Civilehe verlangt. Er sehe eine ernste Gefahr für das Zustandekommen des BGB, wenn nicht die Regierung feste Stellung nehme. Auch vom religiösen Standpunkte sei der Antrag bedauerlich. Die obligatorische Civilehe sei konsequent; — um bürgerlich zu Stande zu kommen, werde die Ehe bürgerlich geschlossen; davon bleibe die religiöse Seite getrennt. Bei der fakultativen Civilehe werde beides vermischt, beides sei dann gleichwerthig, da Jeder zwischen kirchlicher oder bürgerlicher Form wählen könne. Er befürworte daher, festzuhalten an der obligatorischen Civilehe; taktisch 11 12 13

Robert Bosse, 1891/92 Vorsitzender der 2. Kommission; vgl. oben S. 93 f. Über v. Roon vgl. oben S. 122. Hermann Wilhelm Kropatscheck (geb. 1847 bei Königsberg in der Neumark) war zunächst Gymnasiallehrer; seit 1879 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses für die Konservative Partei; seit 1896 Chefredakteur der Kreuzzeitung, Mitglied des Siebener-Ausschusses für die Schulreform. Adolf Frh. von Marschall v. Bieberstein (geb. 1842 auf Gut Neuershausen bei Freiburg i. B.), zunächst im badischen Justizdienst tätig, kam er 1878 in den Reichstag (Deutsch-Konservative Partei), von 1883 bis 1890 badischer Gesandter in Berlin, Mitglied des Bundesrates, 1890 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, 1894 preuß. Staatsminister, seit 1897 Botschafter in Konstantinopel.

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empfehle es sich aber, mehr gegen den Antrag der Konservativen Stellung zu nehmen, als im Allgemeinen für die obligatorische Civilehe zu plädiren. Der Herr Justizminister15 äußerte, Graf Bernstorff habe ihm von einer Berathung der Reichspartei erzählt, in der man noch zu keinem Entschluß gekommen sei. Er habe den Eindruck, daß Graf Bernstorff selbst noch keine feste Stellung genommen habe. Er, der Minister, sei entschieden gegen die fakultative Civilehe und erachte eine feste Stellungnahme gegenüber der von hier aus geleiteten Agitation für geboten. Der Herr Minister des Innern16 erklärte zwar kein Freund der Civilehe zu sein, erachtete aber einen Rückschritt jetzt für unmöglich. Er sei der Ansicht, daß man der gegenwärtigen Strömung entgegentreten müsse, und sei bereit, entsprechende Artikel in die Presse zu bringen. Der Herr Minister für Landwirthschaft17 schloß sich dem Freiherrn von Marschall an. Konservative Abgeordnete hätten ihm gestern gesagt, bei den nächsten Wahlen würden sie gemeinsam mit dem Bunde der Landwirthe vorgehen, hätten aber von dem Bunde verlangt, daß er die Attacken gegen einzelne Minister aufgebe. Für die Wahlen suchten sie jetzt Einfluß auf die Geistlichkeit zu gewinnen. Fraktionsinteresse und Wahlpolitik allein hätten die Partei veranlaßt, diesen Antrag einzubringen, welcher vom Standpunkte der kirchlichen Interessen ganz unverständlich sei. Er billige daher die vorgeschlagene Stellungnahme, sei aber auch gegen eine direkte Einwirkung auf den Grafen Bernstorff. Der Herr Finanzminister19 erachtete den Antrag ebenfalls als unannehmbar für die verbündeten Regierungen, meinte aber, daß es sich empfehle, die Frage, ob fakultative oder obligatorische Civilehe, mehr im Wege der Diskussion zu behandeln. Man könne hinweisen auf die eingehenden Debatten, die seiner Zeit bei Einführung der Civilehe in Preußen stattgefunden hätten19, und dabei hervorheben, daß, wenn man einmal Civilehe habe, es im höchsten Grade gefährlich sei, die fakultative Civilehe einzuführen, da diese geradezu eine Konkurrenz zwischen bürgerlicher und kirchlicher Form erzeuge und die Massen direkt provozire, auf die kirchliche Trauung zu verzichten. Ferner könne man anführen, daß die Beseitigung eines bestehenden Zustandes viel gefährlicher sei, als die Anfrechterhaltung eines solchen, zumal, da es sich um einen Zustand handele, der in vielen Theilen Deutschlands seit der Franzosenzeit bestehe. In den Vordergrund müsse man stellen, daß man so nicht kolossale Fragen, von denen das BGB abhänge, lediglich vom Parteistandpunkte abhängig machen dürfe. Der Herr Ministerpräsident10 konstatirte das allseitige Einverständniß des Staatsministeriums dahin, daß die preußische Regierung sich entschieden gegen die fakultative Civilehe ausspreche und in diesem Sinne — auch in der Presse — Stellung nehme. Karl Heinrich Schönstedt (geb. 1833 bei Mühlheim a. d. Ruhr), nach dem Studium der Rechte im preußischen Justizdienst tätig: 1880 LG-Direktor in Frankfurt a. Main, dann Landgerichtspräsident in Kassel, anschließend OLG-Präsident in Gelle; von 1894—1905 preußischer Justizminister. 6 Eberhard Frh. von der Recke von der Horst (geb. 1847 aus westf. Adelsgeschlecht), seit 1882 im preuß. Innenministerium tätig, später Regierungspräsident in Königsberg, dann in Düsseldorf. Von 1895 bis 1899 leitete er das preuß. Ministerium des Innern, anschließend verwaltete er das Oberpräsidium der Provinz Westfalen. Frh. von Hammerstein-Loxten (geb. 1843 im Reg. Bezirk Osnabrück) war zuerst im hannoverschen Staatsdienst tätig, anschließend in der Verwaltung von Elsaß-Lothringen, 1894—1901 Landwirtschaftsminister. Miquel war preußischer Finanzminister von 1890 bis 1901. 19 Vgl. hierzu Conrad, Festschrift für H. Lehmann, Bd. l, 1956, S. 113 ff. 20 Karl Viktor Chlodwig Fürst zu Hohenlohe Schillingsfürst, Reichskanzler von 1894-1900.

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II. Protokoll der Sitzung vom 25. 3.1896 (Maßnahmen gegen die Abschaffung der obligatorischen Zivilehe)21 In der heutigen Sitzung des Staatsministeriums wurde Folgendes berathen und beschlossen:. . . 3. Der Herr Staatssekretär des Reichsjustizamts brachte ferner zur Sprache, daß in der Frage der Civilehe die Agitation noch immer zunehme. In den letzten Tagen habe Pastor Schall einen Vortrag gehalten, worin er sich rühme, daß die Agitation gewaltig wachse, und daß aus Frankfurt a. O. eine Petition mit 48 Bogen Unterschriften für die fakultative Civilehe eingegangen sei, an der Spitze unterzeichnet von dem Generallieutenant von Hertzberg und dem Regierungs-Präsidenten von Puttkammer22. Wie er ermittelt, sei eine solche Petition in der That mit etwa 800 Unterschriften bei Reichstage eingegangen23. Es ständen außer den beiden Genannten noch zahlreiche Pfarrer und Beamte darunter, so der Superintendent Röhricht, der Oberregierungsrath Freiherr v. Senden-Libran, der Geheime Regierungsrath Baudouin. Es sei dies ein sehr unerwünschtes Ereigniß. Er habe in diesen Tagen mit Pastor Schall und Graf Roon gesprochen und sie zu bestimmen gesucht, in ihrem Eifer nachzulassen und nicht eine so erbitterte Opposition zu machen. Beide Herren hätten aber lachend gemeint, daß die Regierung doch nachgeben werde. Wenn hohe Beamte in einer solchen politischen Lage gegen die Regierung vorgingen, dann könnten auch noch viele andere Beamten sich betheiligen, mit jeder weiteren Unterschrift dieser An werde die Aufgabe der Regierung immer schwieriger. Wenn die Antisemiten nicht auf Seiten der Konservativen und Klerikalen träten, hätten wir zwar jetzt die Majorität, aber man müsse darauf achten, daß keine Aenderung zu unseren Ungunsten eintrete. Der Herr Vice-Präsident bestätigte, daß die Herren Alles in Bewegung setzten; es werde sogar kolportirt, daß der Herr Minister-Präsident Anhänger der fakultativen Civilehe sei; er habe das dessavouirt; ebenso auch Prinz Alexander von Hohenlohe24, wie Seine Durchlaucht bestätigte. Daß die Gegner nicht mit lauteren Mitteln Propaganda machten, sei bekannt; es sei dies ein beliebtes Manöver zu sagen: Der Reichskanzler will gar nicht. Ein Regierungs-Präsident müsse sich hüten, Petitionen an politische Körperschaften zu richten, zumal da ihm der Weg des Berichts an die vorgesetzte Behörde offen stehe. Mißlich sei allerdings, daß man sagen könne, es handele sich um keine rein politische Frage, auch daß verfassungsmäßig alle Preußen das Petitionsrecht hätten. Er würde empfehlen, den Herren in vertraulicher Weise die Meinung ihrer vorgesetzten Minister und des Staatsministeriums dahin bekannt zu geben, daß wir es der Stellung eines Verwaltungsbeamten nicht entsprechend erachteten, in einer solchen Frage, die der Berathung der gesetzgebenden Körperschaften unterliege, sich an den Reichstag zu wenden. Der Herr Staatsminister Freiherr von Marschall wies darauf hin, daß die Herren die Intentionen der Regierung gekannt hätten. Ihre Petition richte sich nicht gegen das 2

' An dieser Sitzung nahmen dieselben Personen teil wie an der Sitzung vom 25. 3. 1896 (vgl. Fn. 1) — Wegen der Minister vgl. die vorhergehenden Fn, 22 Robert Viktor von Puttkammer (1828 geb. in Frankfurt an der Oder, gest. 1900) war seit 1854 im preuß. Staatsdienst tätig, 1871 Regierungspräsident in G um binnen, später in Metz, von 1873 — 91 wiederholt Mitglied des ^Reichstags für die Deutsch-Konservative Partei, 1877 Oberpräsident von Schlesien, 1880— 1888 preuß. Minister (Kultusminister, später Innenminister und Vicepräsident des Staatsministeriums), von 1891 —1899 Oberpräsident von Pommern. 23 Vgl. hierzu die Akten des Reichsjustizamtes, Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Nr. 3867, 3867-1. 24 Prinz Alexander (geb. 1862) war der Sohn des Reichskanzlers und zu dieser Zeit Bezirkspräsident des Oberelsaß.

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Gesetz von 187525, sondern gegen das eben vorgelegte BGB. Es sei unerhört, wenn hohe Verwaltungsbeamte beantragten, es möge eine Vorlage der verbündeten Regierungen vorn Reichstage verworfen werden. Eine vertrauliche Belehrung genüge ihm nicht; die Herren müßten veranlaßt werden, ihre Unterschrift zurückzuziehen. Der Herr Finanzminister schloß sich dieser Auffassung im Wesentlichen an; er habe auch gehört, daß eine gewaltige Agitation stattfinde; tausende von Petitionen würden seitens der Geistlichen unter die Bevölkerung gebracht. Wenn die Staatsregierung die Regierungs-Präsidenten nicht mehr in der Hand habe, so sei eine einheitliche Aktion ausgeschlossen. Er habe Nichts dagegen, daß ein Regierungs-Präsident gegen die obligatorische Civilehe auftrete, dann aber müsse derselbe abgehen. Es sei dies ein unzulässiges Verhalten gegenüber einer Aktion der verbündeten Regierungen und gegen das Zustandekommen des BGB. Es handele sich hier um eine Disciplinarfrage ersten Ranges, die uns selbst das Recht zur Dispositionsstellung gewähre. Die Zurückziehung der Unterschriften wolle er nicht verlangen, aber er rathe, sämmtlichen Regierungs-Präsidenten Abschrift der Verfügung an die Frankfurter Herren zur Kenntnißnahme mitzutheilen; das sei nöthig, wenn man wolle, daß die Verwaltungsbeamten sich nicht betheiligten. Auch der Herr Minister des Inneren hielt ein Einschreiten gegen dieses sehr unerwünschte Vorgehen für geboten; das Verlangen der Zurückziehung der Unterschriften erachte auch er für bedenklich. Er schlage vor, Herrn von Puttkammer und die außerdem noch betheiligten Frankfurter Beamten über das Ungehörige ihres Vorgehens zu verständigen, strengere Maßnahmen aber erst im Wiederholungsfalle in Aussicht zu nehmen. Mit einer abschriftlichen Mittheilung an sämmtliche übrigen Regierungs-Präsidenten würde man diesen Herren zu nahe treten, denen man im Allgemeinen doch die Einsicht zutrauen müsse, die Sache sich selbst zu überlegen. Er habe aus den bisherigen Vorkommnissen noch keinen genügenden Anhalt für die Annahme einer allgemeinen Agitation unter den Beamten gewinnen können. Sollte die Majorität des Staatsministeriums aber der Ansicht sein, daß schon jetzt allgemein vorzugehen sei, so würde er rathen, in ähnlicher Weise wie z. Z. beim Antrag Kanitz26 zu erklären: „Nachdem die Staatsregierung öffentlich Stellung gegen die fakultative Civilehe genommen, sei es mit der Stellung der Staatsbeamten unvereinbar, ferner für die Einführung derselben zu agitiren". Eine bezügliche Notiz könne dann in die Berliner Korrespondenz gebracht werden. Der Herr Justizminister war gleichfalls der Ansicht, die Staatsregierung dürfe sich nicht gefallen lassen, daß die höchsten Verwaltungsbeamten sich an der Agitation betheiligten; dieselbe finde ganz nach dem Muster des Bundes der Landwirthe statt. Wir müßten den Herren deutlich unsere Meinung aussprechen. Eine Zurückziehung der Unterschrift sei ihnen schwer zuzumuthen, aber wir müßten der Oeffentlichkeit gegenüber, etwa durch eine Notiz in der Berliner Korrespondenz, zu erkennen geben, daß einem derartigen Vorgehen Seitens der Staatsregierung entgegengetreten sei. Auch der Herr Minister für HandeP7 bezeichnete ein solches Vorgehen als ganz 25 26

Gemeint ist das Reichspersonenstandsgesetz von 1875 (RGBl. 1875, S. 23). Hans Wilhelm Alexander Graf von Kanitz (geb. 1841 in Ostpreußen), Mitglied des Reichstags für die Deutsch-Konservative Partei, stellte 1894/5 den Antrag, daß die Regierung, um den Getreidepreis in der Hand zu haben, alles vom Ausland zu beziehende Getreide aufkaufen und zu einem bestimmten Preis wiederverkaufen solle. Der Antrag wurde vom Reichstag und der preuß. Regierung abgelehnt. Hans Hermann Frh. von Berlepsch (geb. 1843 in Dresden) trat nach dem Studium der RechtsFortsetzung der Fußnote auf Seite 402

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unstatthaft. Die Regierungs-Präsidenten müßten wissen, welche Stellung die Regierung einnehme. Die Veröffentlichung über die Stellung der Regierung sei wahrscheinlich der Petition vorauf gegangen; aber selbst wenn dies nicht der Fall, sei das Vorgehen sehr bedenklich. In einer Petition, welche sich gegen eine Vorlage der verbündeten Regierungen richte, liege eine Aktion gegen die Staatsregierung. Daß es sich hier um kein politisches Gesetz handele, könne er nicht anerkennen. Von einem Verlangen der Zurückziehung der Unterschrift und einer abschriftlichen Mittheilung der tadelnden Verfügung würde er zwar absehen, aber er würde an die Ober-Präsidenten eine Verfügung erlassen, etwa des Inhalts, „daß höhere Staatsbeamte an Petitionen gegen Vorlagen der verbündeten Regierungen sich betheiligt hätten, die Ober-Präsidenten würden aufgefordert, bei ihren Untergebenen Einfluß zu üben, daß sie sich davon fernhielten. Der Herr Staatsminister Freiherr von Marschall wies darauf hin, daß die Petitionen gedruckte Formulare seien, also eine systematische Agitation gegen Vorlagen der verbündeten Regierungen. Auf das Verlangen einer Zurückziehung der Unterschriften wolle er verzichten, aber in die Oeffentlichkeit müsse es kommen, daß wir ein solches Vorgehen nicht duldeten. Wohin wäre man während des Kulturkampfes gekommen, wenn man das zugelassen hätte? Er sei der Ansicht, daß die Sache beim Antrag Kanitz viel milder lag, da es ein Antrag aus dem Hause war; hier aber handele es sich um eine Agitation von Staatsbeamten gegen eine Vorlage der verbündeten Regierungen. Gegen diese könne man selbst mit Dispositionsstellung vorgehen. Beamten, die Abgeordnete seien, müsse man allerdings Freiheit lassen. Der Herr Minister für Landwirthschaft schloß sich dem Herrn Justizminister und dem Herrn Staatsminister von Marschall an. Er halte es mit der Stellung der höheren Verwaltungsbeamten für unvereinbar, daß sie sich an Petitionen gegen Vorlagen der verbündeten Regierungen beteiligten . .. Auch der Herr Kultusminister war einverstanden mit einem Vorgehen der Regierung in der Oeffentlichkeit. Wenn es sich um religiöse Gesichtspunkte handelte, könnte man vielleicht zweifelhaft sein, so aber liege die Sache nicht, die religiöse Seite sei nur Vorwand. Blätter der strengsten Richtung, wie die „Evangelische Allgemeine Kirchen-Zeitung in Leipzig", hätten sich zur fakultativen Civilehe nur sehr lau gestellt. Auch in dem hiesigen „Evangelischen kirchlichen Anzeiger" würden Artikel gegen die Einführung der fakultativen Civilehe erscheinen. . . . Man müsse daher mit allen Mitteln entgegentreten. Der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten26 hielt gleichfalls die Betheiligung der Beamten an der Agitation für unzulässig; aber es scheine ihm nicht zweckmäßig, den vorgekommenen Spezialfall in Frankfurt a. O. zur Veranlassung eines Einschreitens zu nehmen. Er würde daher rathen, nicht nach Vorbild des Antrags Kanitz, sondern ganz allgemein zu sagen, daß es mit der Stellung der Staatsbeamten unvereinbar sei, in eine derartige Agitation gegen die Staatsregierung einzutreten. Der Herr Finanzminister regte die Frage an, ob nicht das Staatsministerium selbst ein Rundschreiben etwa dahin erlassen könne: „Es sei in letzter Zeit mehrfach vorgekommen, daß höhere Staatsbeamte sich an Versammlungen und Petitionen betheiligten, welche Ablehnung der von den verbündeten Regierungen eingebrachten Vorlawissenschaft in den preuß. Staatsverwaltungsdienst (1873 Landrat von Kattowitz); 1877—80 Staatsminister in Schwarzburg-Sondershausen; 1881 Vicepräsident in Koblenz; 1884 Regierungspräsident in Düsseldorf; 1889 Oberpräsident der Rheinprovinz; 1890 bis 1896 Handelsminister. 28 Karl von Thielen (geb. 1832 in Wesel, gest. 1906) war zunächst in der Eisenbahnverwaltung tätig, 1891 —1902 Minister für öffentliche Arbeiten, v. TTiielen hat die wichtigsten der noch übrigen Bahnen verstaatlicht. 402

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gen bezweckten, ein solches Vorgehen sei nicht zu dulden; das Staatsministerium würde entschieden dagegen einschreiten". Ein Bedenken habe er nur bezüglich der Ausdehnung auf die Fachbeamten in den einzelnen Ministerien, während die politischen Beamten nur von dem Ministerium des Innern ressortirten. Aber es sei für das Staatsministerium Anlaß, fest und einheitlich nach Außen aufzutreten. . . ,29. Auf den Vorschlag des Herrn Vice-Präsidenten erklärte sich das Staatsministerium damit einverstanden, daß 1. durch einen vom Staatsministerium zu erlassenden Beschluß die Herren RessortChefs ersucht würden, ihren Beamten keinen Zweifel zu lassen, daß ein agitatorisches Vorgehen in Versammlungen und Petitionen gegen Maßnahmen und Vorlagen der Staatsregierung bezw. der verbündeten Regierungen ihrer Stellung nicht entspreche; 2. eine Abschrift dieses Beschlusses den Herren Ressortministern mitgetheilt werde, um danach das Erforderliche in ihren Ressorts zu veranlassen; 3. der Regierungs-Präsident und die betheiligten Beamten in Frankfurt a. O. wegen ihres Verhaltens rektificirt würden; 4. eine Notiz über den Beschluß ad l in die Berliner Korrespondenz gebracht werde. III. Protokoll der Sitzung vom 8. 5. 1896 (Beschlußfähigkeit des Reichstags)30 In der heutigen Sitzung des Staatsministeriums wurde Folgendes berathen und beschlossen: . . . 3. Der Herr Vice-Präsident erinnerte daran, daß das Staatsministerium sich in der letzten Sitzung dahin verständigt habe, den Schluß des Landtages vor Pfingsten eintreten zu lassen; den des Reichstages aber hinauszuschieben, bis das BGB und die übrigen Vorlagen zur Verabschiedung gelangt seien. Er habe dem Präsidenten des Reichstages hiervon Mittheilung gemacht; derselbe habe sich entgegenkommend geäußert; im letzten Seniorenkonvent sei man damit einverstanden gewesen, daß der Reichstag noch nach Pfingsten sitze. Heute erfahre er nun zu seiner Ueberraschung durch den Staatssekretär Nieberding, daß Herr von Buol31 ihm mitgetheilt habe, die Herren wollten zwar noch nach Pfingsten sitzen, die Berathung des BGB aber bis zum Herbst vertagen32. Im Centrum seien die Ansichten getheilt, Gröber33 sei für die Berathung, falls der Landtag zusammen bliebe, ebenso Spahn und Lieber, falls der Landtag wenigstens so lange tage, bis der Reichstag in die Berathung des Gesetzbuchs eintrete. Es handle sich hierbei um die Diäten für diejenigen Herren, die auch dem preußischen Landtage angehörten. Persönlich sei er der Auffassung, daß gegenüber dem Gewichte, mit dem das BGB dem Reichstag vorgelegt sei, und gegenüber der begeisterten Aufnahme, die es gefunden, man wohl thue, darauf hinzuwirken, daß es in continent! verabschiedet werde. Aeußere

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Die folgende Diskussion ging um die Frage, ob man zwischen Fach- und politischen Beamten unterscheiden solle. An dieser Sitzung nahmen die in Fn. l genannten Herren teil bis auf v. Thielen und Schönstedt. — Am 7. 5. 1896 hatte eine Sitzung des Seniorenkonvents des Reichstags stattgefunden. Hier war allseitig der Wunsch ausgesprochen worden, den Reichstag bis zum Herbst zu vertagen, da die Verabschiedung des BGB-Entwurfs noch im Sommer unmöglich sei (Bericht des „Vorwärts" vom 8. 5. 1896 bei Vormbaum, Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, 1977, S. 255 f.). Rudolf Frh. von Buol-Berenburg (geb. 1842 in Zizenshaus/Baden, gest. 1902) Richter im badischen Justizdienst; seit 1884 im Reichstag (für das Zentrum); 1895-1898 Präsident des Reichstags. Vgl. den Bericht von v. Heller vom 20. 5. 1896 (oben S. 387). Wegen Gröber, Spahn, Lieber vgl. den biographischen Teil in diesem Band. 403

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Gründe stünden nicht entgegen, den Reichstag noch zusammenzuhalten, wo es sich um eine so große patriotische Aufgabe handele. Auch in früheren Jahren habe der Reichstag mitunter bis Mitte Juli getagt. Die Beschlußfähigkeit sei schon seit geraumer Zeit mangelhaft und könne kaum mangelhafter werden. Wenn wir auf die Vertagung eingingen, würde das als Schwäche angesehen werden. Auch könnten in solchem Falle inzwischen noch allerlei Anträge gebraut werden, welche die Diskussion wesentlich aufhielten. Man müsse deshalb alles thun, um den Reichstag zu bewegen, daß er nach Pfingsten noch sitze. Vierzehn Tage erfordere die zweite Lesung des BGB in der Kommission, acht Tage die Plenarberathung, das seien im Ganzen drei bis höchstens vier Wochen. Dann könnten die Herren noch vor dem 1. Juli nach Hause. . . . Der Herr Staatssekretär Nieberding meinte, bisher sei die Stimmung für die Erledigung des BGB in diesem Sommer sehr günstig gewesen, im gestrigen Seniorenkonvent aber umgeschlagen. Die Konservativen und Bennigsen, der erst dafür war, hätten sich dagegen geäußert, sie könnten das Haus nicht beschlußfähig zusammenhalten. Die Sozialdemokraten würden dann das große Wort führen. Der Herr Reichskanzler habe bereits mit einigen Herren gesprochen und ihn ermächtigt, mit den Führern des Centrums Rücksprache zu nehmen. Gröber habe sich Seiner Durchlaucht gegenüber günstig geäußert; er selbst habe heute mit Spahn und Lieber gesprochen. Die Herren meinten, es sei richtig, die Sache jetzt durchzubringen; sie wollten die Stellung der Regierung stützen. Auch ihre eigene Stellung würde gewinnen, wenn das Werk unter Leitung des Centrums zu Stande komme. Ihre Unterstützung knüpften sie aber an zwei Bedingungen: 1. daß der Landtag noch nach Pfingsten zusammengehalten werde und zwar bis dahin, wo die Sitzungen des Reichstages für die Plenarberathung des BGB begännen. Es handele sich dabei um die Fortzahlung der Diäten für diejenigen Herren, die auch Mitglieder des Landtages seien. . . ,34. 2. verlangten sie, daß nach Erledigung des BGB der Reichstag nicht geschlossen35, sondern mit Rücksicht auf die Justiznovelle36 vertagt werde. Das Centrum sei der Ansicht, daß, wenn das BGB nach Pfingsten berathen werde, eine Berathung der Justiznovelle nicht möglich sei. Ein Theil der Herren sei sehr betheiligt bei der Justiznovelle, und diese würde man vor den Kopf stoßen, wenn man das Ergebniß ihrer Arbeit nicht durch die Vertagung konservire. Berathe man die Justiznovelle nach Pfingsten, so würden die Sozialdemokraten die Sache todtreden. Dieselben hätten kein großes Interesse an der Novelle, wohl aber ein Interesse, die Frage der Entschädigung unschuldig Verurtheilter noch offen zu halten, da ihnen sonst ein Agitationsmittel entzogen würde. Sie wollten die Berufung, aber nicht eine Strafkammer mit drei statt fünf Richtern. Auch in anderen Punkten sei ihnen die Novelle unwillkommen. Es sei daher richtiger, die Justiznovelle erst im Herbste zu debattiren, dann würden die Sozialdemokraten jetzt eine günstigere Stellung einnehmen und das BGB nicht zu Fall bringen. Auch die Freisinnigen seien für diese Behandlung des BGB und der Justiznovelle; Bennigsen habe nur den Konservativen nachgegeben. Wenn nun das ganze Haus vom Centrum bis zu den Sozialdemokraten dafür sei, lägen Schwierigkeiten nur noch

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Das Zentrum war im Abgeordnetenhaus durch 95 Abgeordnete vertreten. Nach der Verf. An. 12 stand die Berufung, Eröffnung, Vertagung und Schließung des Reichstags ausschließlich dem Kaiser zu. Eine Legislaturperiode war in Sessionen eingeteilt, die mit der Schließung des Reichstags endete. Nach § 70 GeschO des Reichstags waren Vorlagen, die mit dem Ende einer Sitzungsperiode nicht verabschiedet waren, als erledigt zu betrachten. Vgl.TeüH,Fn.36.

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bei den Konservativen und Freikonservativen, indessen Levetzow und Stumm würden zu gewinnen sein. Wenn die Dinge sich so gestalteten, würde der Abschluß der ersten Lesung in der Kommission vor Pfingsten erfolgen, die zweite Lesung würde nach Pfingsten stattfinden. Der Bericht würde so vorbereitet, daß er gleich nach Schluß der Kommissionsberathungen festgestellt werden könne. Das Centrum sei geneigt, das Gesetzbuch, namentlich das Vereins- und das Eherecht in einer Form zu votiren, welche die Regierung acceptiren könne. Die zweite Lesung werde voraussichtlich etwa zehn Tage, die dritte Lesung etwa drei Tage erfordern. Anfangs Juli könne somit das BGB angenommen sein. Wenn die Regierung auf die Vorschläge nicht eingehe und eine Vertagung der Berathung über das BGB bis zum Herbste vorziehe, dann würde zunächst kein Kompromiß über das Vereinsrecht zu Stande kommen; denn das Centrum besorge, daß in einem solchen Falle Freisinnige und Sozialdemokraten den ganzen Sommer über das Centrum deshalb angreifen und demselben unangenehme Auseinandersetzungen bereiten würden. Würde man sich aber dahin schlüssig machen, den Reichstag nach Berathung des BGB zu schließen, nicht zu vertagen, dann würden diejenigen Elemente, die für die Justiznovelle sind, sich verstimmt zurückziehen und ihre Mitwirkung bei dem BGB versagen. So würde, wenn im Sommer geschlossen werde, all die Arbeit umsonst sein, es müsse dann in der neuen Session eine neue Vorlage gegenüber einem weniger günstig gestimmten Hause eingebracht werden. Bei Erwägung aller dieser Umstände befürworte er die Annahme des Kompromisses. Der Minister für Handel glaubte auch, daß die Regierung sich bestreben müsse, den Reichstag zusammenzuhalten. Bezüglich der beiden Bedingungen des Reichstages frage es sich, ob man sie erfüllen könne. Er sei der Ansicht, daß es wohl möglich sei, die Vertagung zu gewähren, da es sich hier praktisch nur um die Fortdauer der Fahrkosten handele. Dagegen könne man dem Wunsch nicht entsprechen, den Landtag so lange zusammenzuhalten, bis der Reichstag zur Berathung des BGB gelange. Es müßten dann dem Landtage neue Aufgaben gestellt werden, das könnten wir aber nicht. Der Herr Staatsminister Freiherr von Marschall schloß sich dieser Auffassung an. Ungewöhnlich seien solche Verhandlungen mit den Parteiführern über die Behandlung der Geschäfte nicht. Die Herren stellten Bedingungen, weil sie die Verantwortlichkeit hätten, daß sie ihre Zusicherungen auch erfüllten. Er sei auch der Ansicht, daß die Bedingung wegen des preußischen Landtags unerfüllbar sei. Man könne denselben nicht ohne Berathungsstoff tagen lassen, bloß um Diäten fortzubezahlen. Anders liege die Sache bezüglich der Vertagung, welche ein großer Theil der Abgeordneten wünsche. Die Verlängerung der freien Fahrt könne man ihnen zugestehen. Die Berathung beider Gegenstände, des BGB und der Justiznovelle, sei ausgeschlossen. Wenn das BGB jetzt nicht zu Stande komme, werde es gefährdet. Der Herr Finanzminister war der Ansicht, daß, wenn wir nicht hätten verlauten lassen, daß der Landtag über Pfingsten nicht tagen solle, es noch ginge, ihn durch Vorlegung des Schuldentilgungsgesetzes und des Gesetzes über die Hessische Ludwigsbahn zusammenzuhalten, aber jetzt zu changiren, sei unthunlich. Man müsse dem Centrum andeuten, auf die Vertagung gingen wir im Hinblick auf die Justiznovelle ein; die Fortdauer der Fahrkosten sei Nebensache; wir könnten aber nicht den Landtag ohne Berathungsstoff zusammenhalten. Das wäre eine indirekte Zahlung von Diäten an Reichstagsmitglieder. Da das Centrum großes Gewicht auf das BGB lege, werde dasselbe auf den Vorschlag eingehen. Das Staatsministenum ermächtigte den Herrn Staatssekretär des Reichsjustizamts, in diesem Sinne mit den Parteiführern Rücksprache zu nehmen.

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Materialien zur Entstehung des BGB IV. Protokoll der Sitzung vom 18. 5. 1896 (Beschlußfähigkeit des Reichstags)37 l.Das Staatsministerium trat heute Vormittag um 10 Uhr zu einer vertraulichen Besprechung über den Schluß des Landtages zusammen. Der Herr Vice-Präsident theilte mit, daß die Konservativen nach einer Aeußerung, welche Graf Limburg-Stirum38 dem Herrn Finanzminister gegenüber gethan, vor Pfingsten nach Hause zu gehen wünschten und am Zusammenbleiben des Landtags nach Pfingsten, wie dies das Centrum mit Rücksicht auf das Zustandekommen des BGB fordere, nicht für fair erachteten und Anstand nähmen, an einem geschäftslosen Landtage Theil zu nehmen. Der Herr Finanzminister bestätigte dies. Graf Limburg-Stirum habe im Namen seiner Fraktion gesprochen, die Landwirthe im Abgeordnetenhause wollten nach Hause; wenn der Reichstag das BGB noch zu Stande bringen solle, würden die Herren doch kommen; er bitte dringend, auf das Verlangen des Centrums nicht einzugehen. Auf seine Erwiderung, wir könnten den Landtag noch beschäftigen, beispielsweise mit dem Gesetz über die Schuldentilgung, habe Graf Stirum ihn gewarnt, das Gesetz vorzulegen, da dasselbe fallen werde. Auch Spahn halte anscheinend das Zusammenbleiben des Landtags nicht für absolut nothwendig. Die Nationalliberalen, wie Hammacher, Friedberg und Andere, würden wiederkommen, Kardorff auch, ebenfalls viele Klerikale. Halte man den Landtag im Interesse der Beschlußfähigkeit des Reichstags zusammen, so wäre das ein Argument für das Verlangen der Freisinnigen, dem Reichstage Diäten zu gewähren. Gestehe man die Vertagung des Reichstages nach Annahme des BGB zu, so konservire man damit die Kommissionsbeschlüsse über die Justiznovelle; das sei eine genügende Konzession. Der Herr Staatssekretär des Reichsjustizamts machte darauf aufmerksam, daß das Staatsministerium bereits in der letzten Sitzung die Vertagung des Reichstags nach Erledigung des BGB acceptirt und er sich in diesem Sinne Vertretern verschiedener Fraktionen gegenüber geäußert habe. Die Zusammenhaltung des Landtags wünsche das Centrum nur bis zum Beginn der zweiten Lesung des BGB im Plenum. Wir müßten alle Garantien gewähren, die für nöthig erachtet würden, um das BGB zustande zu bringen. Dazu gehöre nach Ansicht von Lieber und Spahn die Fortzahlung von Diäten an die dem Reichstage angehörigen Landtagsmitglieder. Die Nationalliberalen, Freisinnigen und Freikonservativen legten darauf zwar kein Gewicht, sähen aber darin auch nichts Odiöses. Auf der Rechten sei ein Widerspruch nur bei denjenigen Elementen, denen das ganze BGB gleichgültig sei. Führer dieser Gruppe sei Graf Stirum. Es frage sich, ob man mehr Gewicht auf das Centrum legen solle, welches das BGB rasch durchbringen wolle, oder auf den Theil der Konservativen, der dem Gesetzbuch antipathisch oder doch apathisch gegenüber stehe. Nachdem die Herren Staatsminister von Boetticher und von Marschall in der vorletzten Woche mit Lieber gesprochen, stehe das Centrum unter dem Eindruck, daß Liebers Ausführungen nicht ohne Wirkung geblieben seien. Eine entgegengesetzte Entscheidung würde das Centrum überraschen und verletzen. Der Herr Staatsminister Frhr. von Marschall bezeichnete es an sich als unerwünscht, den Landtag blos wegen der Diäten forttagen zu lassen. Aber es stehe eine große Sache auf dem Spiele, das BGB. Die Herren vom Centrum wollten es jetzt bewilligen, im

An dieser Sitzung nahmen alle in der Fn. l genannten Herren teil. Graf zu Limburg-Stirum (geb. 1835) war zunächst im preuß. dipl. Dienst taug, 1892 entlassen wegen seiner Agitation gegen die Handelspolitik des Reichs, seit 1871 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses (Fraktionsvorsitzender der Konservativen Partei), im Reichstag seit 1893; war einer der Führer der Agrarierpartei. 406

I. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums

Herbste läge die Sache weit ungünstiger wegen der im Sommer zu erwartenden Agitation in der Vereins- und Ehegesetzgebung. Der Landtag könne sich nicht beschwert fühlen, da er oft bis Juli getagt hätte und mit dem Richtergesetz, dem Anerbengesetz und dem Schuldentilgungsgesetz noch Berathungsstoff habe. Das BGB sei gesichert, wenn der Landtag forttage, höchst gefährdet, wenn die Sache bis zum Herbst verschoben werde. Graf Stimm vertrete im Reichstage nur einen kleinen Theil der Konservativen. Der Herr Kultusminister erachtete es gegenüber der Haltung der Konservativen, welche die Sache als nicht fair bezeichneten, für sehr bedenklich, der Pression des Zentrums nachzugeben. Aber wenn das BGB gefährdet wäre, sei er bereit, Opfer zu bringen. Der Herr Minister für Handel wies darauf hin, daß bereits ein Beschluß des Staatsministeriums vorliege, auf die Forderung des Centrums nicht einzugehen. Seitdem sei ein Novum nicht eingetreten. Der Landtag habe kein Berathungsmaterial. Auch frage es sich, ob das Mittel halten und der Reichstag beschlußfähig sein würde, wenn man die Diäten im Landtage fortzahlte. Es sei mit der Stimmung der konservativen Partei im Abgeordnetenhause zu rechnen, dort aber gebe Graf Stimm den Ausschlag. Das Niveau des Reichstages werde durch eine solche Maßregel herabgedrückt, und dabei fehle ihr die Sicherheit des Erfolges. Der Herr Minister des Innern bestätigte, daß Herr von Koller39 sich zu ihm im gleichen Sinne, wie Graf Stirum zum Herrn Finanzminister, geäußert habe. Derselbe erwarte noch heute definitive Mittheilung. Eine Sicherheit, daß die Diätenfortzahlung an den Landtag den Reichstag beschlußfähig erhalte, hätten wir nicht. Die Presse beurtheile die Sache sehr ungünstig und es lasse sich nicht verkennen, daß man durch eine derartige Maßregel die auf Zahlung von Diäten an die Reichstagsmitglieder abzielende Strömung begünstige. Die freisinnige Presse erhebe bereits das Verlangen von Diäten. Man möge lieber dem Reichstage in das Gewissen reden, von einer längeren Tagung des Landtags aber absehen. Der Herr Minister-Präsident bemerkte, daß die Herren von Manteuffel und von Kardorff40 sich ihm gegenüber günstiger geäußert hätten. Es wäre daher jedenfalls erwünscht, mit diesen nochmals Rücksprache zu nehmen. Eine Pression des Centrums liege nicht vor. Es handele sich lediglich um eine Maßregel der Zweckmäßigkeit. Durch den Schluß des Landtages erzeugten wir Mißstimmung unter den Parteien, die für das Zustandekommen des Gesetzbuches seien. Se. Majestät hegten den Wunsch, mit dem BGB zu Ende zu kommen. Wenn der Landtag darum etwas länger zusammenbliebe, erachteten Se. Majestät das für ganz zweckmäßig. Der Herr Vice-Präsident hatte nichts gegen eine nochmalige Rücksprache Sr. Durchlaucht mit den Herren von Kardorff und von Manteuffel. Im Uebrigen aber sei er recht bedenklich. Eine Bürgschaft für das Zustandekommen des Gesetzbuches liege nicht in dem Mittel. Die süddeutschen Mitglieder des Reichstages hätten kein Interesse an der Fortzahlung der Diäten für den preußischen Landtag. Sie würden sich deshalb nicht zahlreicher einfinden. Auch sei es sehr bedenklich, die Herren disparitätisch zu

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Georg von Koller (geb. 1823 bei Stettin). Nach dem Studium der Rechte wurde er bald Landrat im Kreis Kammin (1850 — 68); 1866 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses (strenge Richtung der Konserv. Partei); von 1879 bis 1898 erster Präsident dieses Hauses. Wegen Manteuffel vgl. oben S. 104; Wilhelm von Kardorff (geb. 1828 in Neustrelitz) war Rittergutsbesitzer und Landrat in Oberschlesien; Freikonservatives Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses, wo er für die Selbstverwaltung eintrat; seit 1867 Mitglied des Reichstags, Anhänger Bismarcks. 407

Materialien zur Entstehung des BGB

behandeln. Man könne eventl. den Reichstag durch eine Allerhöchste Botschaft an seine Pflicht erinnern, zumal da das Opfer ein geringes sei. Die Herren wollten selbst die zweite Lesung in der Kommission noch erledigen; der Bericht werde schon jetzt vorbereitet; dann blieben für das Plenum noch acht Tage und für die dritte Lesung noch drei Tage. Die Verantwortlichkeit habe nicht die Regierung, sondern der Reichstag, wenn an der Diätenfrage das Gesetzbuch scheitere. Anders läge die Sache noch, wenn die Herren von Manteuffel und von Kardorff, wie Lieber, Sr. Durchlaucht gegenüber sich bereit erklärten, die Garantie zu übernehmen, daß bei Fortzahlung der Diäten ein beschlußfähiges Haus zusammenbliebe. Auch könne der Herr Finanzminister nochmals mit Koller sprechen. Blieben die Herren bedenklich, dann sei die Maßregel fruchtlos; er fürchte, die Herren würden keine Garantie übernehmen. Mit Stumm würde er nicht sprechen, da dieser der Ansicht sei, daß man am Rhein mit dem Code Napoleon ganz gut auch weiter auskomme, auch die Aussicht auf Erfüllung seiner Wünsche für die Gestaltung des Familienrechts sich bis zum Herbste bessern könnte. Der Herr Justizminister hielt die Frage der Verantwortlichkeit insofern für unwesentlich, als, wenn das BGB scheitere, diese Thatsache nicht aus der Welt zu schaffen sei ohne Unterschied, wer das Scheitern veranlaßt habe. Im Herbste würden neue Schwierigkeiten entstehen. Daß die Herren das Forttagen des Landtages zur Bedingung machten, sei nicht schön. Sei aber die Stimmung im Centrum eine solche, dann müßten wir uns fügen. Das Richtergesetz würde nach Mittheilung Kollers, wenn es vor Pfingsten in das Abgeordnetenhaus zurückgelange, abgelehnt werden; nach Pfingsten seien die Chancen günstiger. Auch habe er noch einige kleinere Gesetze für den Landtag in Vorbereitung. Der Herr Finanzminister glaubte nicht, daß das Gesetz scheitern würde, namentlich wenn man eine Kaiserliche Botschaft an den Reichstag erwirke. Die Fortzahlung der Diäten an die preußischen Landtagsmitglieder würde zahlreiche süddeutsche Abgeordnete verbittern. Die bayerischen Abgeordneten seien nach Aeußerung des Grafen Lerchenfeld41 darüber sehr verstimmt. In der Presse werde man sagen, „die Reichstagsmitglieder sind mit Diäten gekauft, um beschlußfähig zu bleiben". Dabei sei der Erfolg zweifelhaft. Der Herr Minister für Landwirthschaft hielt den Standpunkt des Herrn Vice-Präsidenten und des Herrn Finanzministers für den korrekten, für praktisch denjenigen des Herrn von Marschall, sofern der Erfolg gesichert werde. Da dies aber zweifelhaft sei, sei er für den korrekten Standpunkt. Der Herr Staatssekretär des Reichsjustizamts bemerkte, daß Herr von Stumm in neuerer Zeit sich lebhaft an den Berathungen betheilige und das Gesetz zu Stande bringen wolle. Die bayerischen Abgeordneten seien zum Theil auch Mitglieder des bayerischen Landtages und bezögen hier die Diäten, die sie beziehen würden, wenn sie in München wären. Der bayerische Landtag bliebe noch lange zusammen. Die bayerischen Herren könnten daher gegen die Zusammenhaltung des preußischen Landtages nichts einwenden, höchstens, wie der Herr Ministerpräsident hinzufügte, diejenigen, welche nicht Mitglieder des bayerischen Landtages seien. Das Staatsministerium beschloß, behufs der in Aussicht genommenen Rücksprache mit den Herren von Manteuffel und von Kardorff, bezw. von Koller die Sitzung abzubrechen und um 3 Uhr im Reichstage wieder zusammenzutreten.

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Graf Lerchenfeld war bayr. Gesandter in Berlin und BundesratsbevollmächtiRter (vgl. oben S. 342).

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I. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums

Nach Wiedereröffnung der Sitzung42 . . . bemerkte zunächst der Herrr Minister der öffentlichen Arbeiten Folgendes: Der Herr Finanzminister und er hätten mit Herrn von Koller gesprochen wegen Verlängerung der Sitzungen über Pfingsten. Herr von Koller habe dies als unerwünscht bezeichnet, sofern kein Verhandlungsstoff vorliege; machten dringende Gründe es aber wünschenswerth, so könne das Richtergesetz die Handhabe bieten, da dasselbe vor Pfingsten im Landtage nicht durchzubringen sei. Er würde dann heute oder morgen schließen und sich vorbehalten, den nächsten Sitzungstag nach Lage der Geschäfte und Eingang des Materials den Abgeordneten etwa 3 Tage vorher bekannt zu geben; bis zum 15. Juni könnten das Richter-Gesetz43, sowie einige Initiativ-Anträge und kleinere Gesetze erledigt werden; länger könne der Landtag nicht zusammengehalten werden. Herr von Koller erbitte noch heute Benachrichtigung und werde die nächste Sitzung eventl. erst in der ersten Juniwoche anberaumen. Der Herr Finanzminister habe zwar noch Bedenken, wolle sich indessen auf diesen Ausweg einlassen. Der Herr Justizminister bestätigte, daß der Herr Finanzminister ihn ermächtigt habe, in seinem Namen zu erklären, daß er es jetzt für zulässig erachte, wenn mit Rücksicht auf das Richtergesetz der Landtag noch nicht geschlossen würde. Man müsse aber dies allein als Grund anführen und nicht die Wünsche des Centrums wegen des BGB. Es sei allerdings möglich, das Richtergesetz noch vor Pfingsten an das Abgeordnetenhaus zu bringen; aber nach den Erklärungen der Herren würde die Sache dann fallen, da es nicht möglich sei, die Konservativen noch so lange hier zu halten. Nach Pfingsten sei mehr Aussicht für Annahme des Gesetzes vorhanden. . . . Der Herr Minister der geistlichen Angelegenheiten hielt die Zusammenhaltung des Landtages nur dann für vertretbar, wenn wirklich ein materielles Interesse Preußens dieselbe rechtfertige. Der Herr Staatsminister Freiherr von Marschall meinte, daß, wenn jetzt das BGB nicht zu Stande komme, es dann überhaupt scheitere. Im Herbst habe man die Justiznovelle, die Militärstrafgerichtsordnung, die Fragen des Vereins- und Eherechts. In der übernächsten Session werde das BGB noch weniger durchzubringen sein, da man dann unmittelbar vor den Wahlen von 1898 stehe. Die öffentliche Meinung würde in dem Nichtzustandekommen des BGB eine schwere Niederlage der Regierung erblicken. Wenn sich ein Preußisches Interesse konstruiren lasse, den Landtag nach Pfingsten wieder zu versammeln, dann werde es auch möglich sein, ihn bis zum 25. Juni zu halten. In dem Richtergesetz habe man ein solches Interesse. Am 15. Juni müsse die 2. Lesung im Plenum beginnen, sonst sei die Maßregel ohne Nutzen. Der Herr Handelsminister war der Ansicht, daß von einer Verantwortlichkeit der Regierung keine Rede sein könne; die Regierung übernehme eine Verantwortlichkeit, wenn sie ein solches Mittel anwende; keine Verantwortlichkeit, wenn sie es ablehne. Sei es ein Preußisches Interesse, den Landtag für das Richtergesetz nochmals zu berufen, so sei diese Berathung mit ein bis zwei Tagen erledigt, länger aber dürfe man den Landtag nicht zusammenhalten. Eine Sicherheit habe man auch nicht, daß das BGB auf diesem Wege zu Stande komme. Der Herr Minister des Innern schloß sich dieser Auffassung an. Das BGB werde, wenn überhaupt, auch ohne Vertagung durchkommen; die Vertagung sei nur aus einem

2

An dieser Sitzung nahmen die in der Fn. l genannten Herren teil mit Ausnahme von Miquel und Bronsart von Schellendorf. Es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Richtergehälter und die Ernennung der Assessoren (Drucks. Nr. 78 des Abgeordnetenhauses v. 9. 3. 1896). 409

Materialien zur Entstehung des BGB

Preußischen Interesse zu rechtfertigen. Jedenfalls sei der Landtag nicht länger zusammenzuhalten, als zur Berathung des Richtergesetzes erforderlich sei. Der Herr Staatssekretär des Reichsjustizamtes entgegnete, daß wenn die Herren Vorredner der Ueberzeugung seien, das BGB werde auch ohne Vertagung des Landtags zu Stande kommen, doch die maßgebende Partei — das Centrum — auf dem Standpunkt stehe, daß es ohne Hülfe des Landtages nicht gehe. Es sei daher gewagt, das Gegentheil zu behaupten. Eine Vertagung der Sache bis zum Herbst bringe das Centrum in große Schwierigkeiten. Im Sommer finde der große Katholikentag statt; dort würden die Führer der Partei festgenagelt werden. Die Freisinnigen und Sozialdemokraten, welche wüßten, daß Kompromißverhandlungen im Gange seien, würden dann dem Centrum Verlegenheiten bereiten und dasselbe einem Druck aussetzen, dem es sich schwer entziehen könne. Der Herr Vice-Präsident hielt den Vorschlag Koller's für nicht unbedenklich. In der Presse werde man die Regierung wegen dieses Auswegs angreifen. Er sei der Ueberzeugung, daß auch ohne eine solche Maßregel das BGB zu Stande komme. Knüpfe das Centrum das Zustandekommen an die Voraussetzung, daß ein Theil der Abgeordneten Diäten bekommt, so wäre das eine schwache Sache. Bis jetzt sei im Reichstage noch nicht gestriket; eventl. könne man durch eine Allerhöchste Botschaft die Beschlußfähigkeit erzielen; statt dessen wolle man auf Anregung einzelner Abgeordneten dies Auskunftsmittel wählen, ohne Sicherheit, daß etwas zu Stande kommt! Er wolle aber der Sache nicht entgegen sein. Der Herr Minister-Präsident wies noch darauf hin, daß das BGB auch ein Preußisches Interesse sei, und daß man die Herren mit dem Ehrgefühl weniger packen könne als mit dem pekuniären Vortheil. Das Staatsministerium beschloß, im Hinblick auf das vorhandene Preußische Interesse den Landtag vor Pfingsten nicht zu schließen.

V. Protokoll der Sitzung vom 4. 6. 1896 (Kompromiß mit den Parteien des Reichstags)44 Zu der heutigen Sitzung des Staatsministeriums wurde Folgendes berathen und beschlossen: l. Der Herr Staatssekretär des Reichsjustizamts hielt Vortrag über die Beschlüsse der Reichstagskommission für das Bürgerliche Gesetzbuch. Der Zweck seines heutigen Vertrags sei, vom Staatsministerium Vollmacht zu erbitten für die Weiterführung der vertraulichen Verhandlungen zwischen ihm und den Parteien über einige Punkte, welche entscheidend seien für das Zustandekommen des Werkes. Die Verhandlungen hätten bisher einen ganz befriedigenden Verlauf gehabt. Die Absicht des Centrums, mit welchem Nationalliberale und Freikonservative in dieser Hinsicht sympathisirten, sei es, wenn die Verständigung über die fraglichen Punkte erreicht werde, die zweite Lesung in der Kommission bis Donnerstag fertig zu stellen. Der Bericht würde dann in den letzten Tagen der Woche abgeschlossen werden. Die darauf folgende Woche sei der Berathung in den Partheien vorbehalten, und könne vom 22. bezw. 23. ab die Berathung im Plenum beginnen. Sei eine Verständigung bei der zweiten Lesung in der Kommission erreicht, so werde die Berathung im Plenum etwa acht Tage erfordern, und es könne dann mit einem Zwischenraum von drei Tagen die dritte Lesung am 2. bezw. 3. Juli

An der Sitzung nahmen alle die in Fn. l genannten Herren teil mit Ausnahme von v. Thielen. 410

I. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums

beginnen. Die Dinge würden sich dann so günstig gestalten, wie sie bei Berathung der Frage über die Vertagung des Abgeordnetenhauses bis nach Pfingsten angenommen wurden. Von Wichtigkeit seien außer denjenigen Punkten, die eine politische Tragweite hätten, nur wenige andere: A. Im ersten Buche seien von entscheidender Bedeutung die später zu erörternden Bestimmungen über das Vereinsrecht; außerdem nichts, was für das Staatsministerium von Wichtigkeit sei. B. Im zweiten Buche seien von Wichtigkeit: a) die Bestimmungen über die Höhe des Zinssatzes bei gesetzlichen und Verzugszinsen. Der Entwurf habe fünf Prozent vorgeschlagen, die Kommission dies in erster Lesung mit überwiegender Majorität auf vier Prozent ermäßigt45. Der Beschluß habe in der Presse Zustimmung gefunden, und sei die Sache in zweiter Lesung nicht wieder aufgenommen. Eine Aenderung erscheine aussichtslos. — Das Staatsministerium erklärte sich einverstanden. b) Ein zweiter Punkt sei die Frage, in welchem Umfange Schadensersatz für Jagdschäden zu leisten sei. Der Entwurf habe die Grundsätze über den Ersatz aufgestellt, dabei aber gewisse Vorbehalte für die Landesgesetzgebung gemacht. Die Kommission habe drei Punkte geändert: 1. den Ersatz des Schadens durch Fasanen eingefügt, wie derselbe bereits in dem preußischen Gesetze vom 11. Juli 189l46 enthalten sei; 2. den Ersatz von Hasenschaden in Anschluß an ähnliche Bestimmungen, wie sie in Bayern sowie in der Gesetzgebung für Hannover und Kurhessen enthalten seien; 3. einen Regreßanspruch eingeführt bei Schäden durch Wechselwild derart, daß der Jagdberechtigte, in dessen Jagdbezirk Wechselwild einen von ihm zu vertretenden Schaden verursacht hat, berechtigt sei, Regreß zu nehmen an den Besitzer, in dessen Bezirk das Wild seinen Standort hat. Die ähnlichen Vorschriften der hannoverschen Gesetzgebung hätten zu Beanstandungen keinen Anlaß gegeben. . . .4? . . . Das Staatsministerium beschloß, den Zusatz bezüglich des Fasanenschadens zu acceptiren, die beiden anderen Punkte zu bekämpfen. c) Der Herr Staatssekretär Nieherding trug ferner vor, § 823 bestimme, daß, wenn ein Beamter aus dolus oder Fahrlässigkeit seine Amtspflicht verletze, er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen habe. Die Kommission habe nun einen Zusatz beschlossen, wonach in den Fällen, wo der Ersatz von dem Beamten wegen Vermögenslosigkeit und dergl. nicht zu erreichen sei, der Staat eintreten müsse. . . . 8. Das Staatsministerium . .. beschloß, den Zusatz der Kommission zu § 823 zu bekämpfen. C. Der Herr Staatssekretär Nieberding trug ferner vor, . . . in der Kommission hätten Konservative und Klerikale die Streichung (des § 1552) durchgesetzt49; . . . Das Staatsministerium beschloß, die Streichung schon in der Kommission zu bekämpfen. 45 46 47 48

Vgl. die Materialien zu § 246 BGB. D. h. das Wildschadengesetz (GS 1891, S. 307ff.). Der weitere Teil des Protokolls wird im Band Schuldrecht III mitgeteilt. Das vollständige Protokoll wird insoweit bei den Materialien zu § 839 BGB mitgeteilt. § 1552 E III entspricht dem § 1569 BGB und ist in der 3. Lesung vom Plenum wieder in den Entwurf aufgenommen worden. 411

Materialien zur Entstehung des BGB

D.a)... s o b) Das Staatsministerium beschloß, gegen das holographische Testament nur mäßigen Widerstand zu leisten51. E.... F. Der Herr Staatssekretär Nieheraing gelangte nunmehr zur Erörterung derjenigen Fragen, welche einen Gegenstand des Kompromisses mit dem Centrum und den Nationalliberalen bildeten. Es komme darauf an, daß die großen maßgebenden Parteien mit den verbündeten Regierungen in den Hauptfragen einig seien; dann könne das Gesetzbuch in beiden Lesungen bald erledigt werden. Es handle sich um drei Punkte: 1. um die eherechtlichen Bestimmungen, in denen die Regierungen Konzessionen machen soll; 2. um das Vereinsrecht, wo im Austausch gegen 1. das Centrum Konzessionen machen soll; 3. um die Zuwendungen an die todte Hand, wo eine Mittellinie zwischen dem Standpunkt des Entwurfs und den Ansprüchen des Centrums zu suchen sei. F. 1. ad 1. habe das Zentrum a) die Aufnahme von Bestimmungen über die Trennung von Tisch und Bett52 durchgesetzt. Er habe auf das Bedenkliche dieser Bestimmungen aufmerksam gemacht, habe jedoch erkennen lassen, daß ihre Ablehnung keine condicio sine qua non sei. Die Konservativen und Nationalliberalen hätten in die Trennung von Tisch und Bett eingewilligt, wenn das Centrum andere Konzessionen mache. Die Linke habe ohne Bedingungen dafür gestimmt. b) Ferner habe das Centrum in das Einführungsgesetz als Abs. 2 des § 6753 noch eine Bestimmung hineingebracht, welche dahin gehe, daß eine strafbare Handlung nicht vorhanden sei, wenn ein Geistlicher im Falle einer lebensgefährlichen, einen Aufschub nicht gestattenden Erkrankung eines der Verlobten zu den religiösen Feierlichkeiten der Eheschließung schreitet. Die Bestimmung gelte für den Fall, wenn der Geistliche articulo mortis gerufen werde. Der Geistliche sei namentlich auf dem Lande oft leichter zu erreichen als der Standesbeamte. In einem solchen Falle solle der Geistliche aber nur straffrei bleiben; um die Ehe rechtsgültig zu machen, müsse der Standesakt noch hinzukommen. Er glaube, daß man diese Ausnahme zulassen könne, da der Richter entscheide, ob der Geistliche dolose gehandelt; derselbe sei nur straflos, wenn eine lebensgefährliche Erkrankung, die keinen Aufschub gestatte, vorliege. Auch die Nationalliberalen und die Reichspartei hätten keine Bedenken. Das Staatsministerium erklärte sich in beiden Punkten einverstanden. Außerdem hätten die Klerikalen noch drei Forderungen gestellt; sie erkannten zunächst an, daß der Vorschlag der Konservativen, die fakultative Civilehe in das Gesetzbuch hineinzubringen, im Plenum aussichtslos sei. Es sei aber die Gefahr vorhanden, daß Graf Roon54 mit seinem bezüglichen Antrage in der Kommission durchkomme, nachdem die Antisemiten geschwenkt hätten, und es in der Absicht liege, Herrn von Buchka durch einen Anhänger der fakultativen Civilehe zu ersetzen. Diese 50

Nach § 1905 E II sollte das Erbrecht in der fünften Ordnung den „entfernteren Voreltern" des Erblassers zustehen. Die XII. Kommission hat in der fünften Ordnung auch die Abkömmlinge dieser Voreltern zur Erbfolge zugelassen (vgl. die Materialien zu § 1929 BGB). 51 Vollständiger Text der Protokolle bei den §§ 2247,2248 BGB. " VgL SS 1575 f. BGB. 53 Vgl. Art. 46 Nr. Ill EG-BGB. 54 Vgl. oben Teil H, Fn. 68. 412

I. Protokolle von Sitzungen des preußischen Staatsministeriums

Gefahr würde beseitigt, wenn man dem Centrum folgende Konzession mache: Sie verlangten, a) daß im Familienrecht die Ueberschrift des Abschnitts über die Ehe nicht laute „Ehe", sondern „bürgerliche Ehe", um dadurch noch mehr zu betonen, daß hier von der Civilehe, nicht von der kirchlichen Ehe gesprochen werde. b) Während nach der Vorlage der Standesbeamte aussprechen solle, daß kraft Gesetzes sie (sie Verlobten) nunmehr rechtmäßig verbundene Eheleute seien55, solle es heißen, „kraft dieses Gesetzes", da unter „kraft Gesetzes" man sonst auch „kraft kirchlichen Gesetzes" verstehen könnte. Der Herr Vice-Präsident meinte, das Centrum wolle damit das Kanonische Gesetz ausschließen. Die Formel selbst werde erst auf instruktionellem Wege festzustellen sein. Man könne darin sagen „kraft des Bürgerlichen Gesetzbuchs". Das Staatsministerium erklärte sich mit beiden Vorschlägen einverstanden. c) Als dritten Punkt bezeichnete der Herr Staatssekretär Nieberding den sogenannten Kaiserparagraphen56. Dieser Paragraph sei auf Antrag der Konservativen aus dem Einführungsgesetze in das Gesetzbuch hineingebracht57, aber an eine Stelle, wo er in seiner Bedeutung verschwinde. Das Centrum wolle diesen Paragraphen nicht allein bei der Eheschließung stehen haben, sondern an einer Stelle, welche sich auf die Ehe im Ganzen beziehe. Der Paragraph solle an den Schluß des ersten Abschnitts (Ehe) als ein besonderer Titel gesetzt werden, der nur einen Paragraphen enthalten und lauten solle: „Die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe werden durch die Vorschriften dieses Abschnittes nicht berührt." Derselbe solle sich mithin nicht blos auf die Eheschließung, sondern auch auf die Ehescheidung, Nichtigkeit pp. erstrecken. Die Nationalliberalen würden mit dem Centrum voraussichtlich einverstanden sein, ebenso eventualiter die Konservativen. Er halte die Bestimmung rechtlich für selbstverständlich, sachlich für unbedenklich, politisch für erwünscht. Den Wunsch des Centrums, den Paragraphen an die Spitze des ganzen Abschnitts zu stellen, habe er abgelehnt, wenngleich der Justizminister auch dies für unbedenklich erachtete. Der Herr Vice-Präsident war in Uebereinstimmung mit dem Herren Staatsminister Frhr. von Marschall gleichfalls der Ansicht, daß das BGB niemals den Anspruch erheben wolle, Vorschriften für kirchliche Verfügungen zu geben, bezw. in dieselben einzugreifen. Das Staatsministerium erklärte sich mit Ausnahme des Herrn Kultusministers, der den Paragraphen für nicht ganz unbedenklich hielt, einverstanden. ad F. 2. Der Herr Staatssekretär Nieberding gelangte nunmehr zur Erörterung der Bestimmungen über das Vereinsrecht . . .SB. Das Centrum habe . . . sich zu wesentlichen Konzessionen bereit erklärt: Der Einspruch gegen die Erlangung der Rechtsfähigkeit durch Eintragung werde zugestanden für politische, socialpolitische oder religiöse Vereine, aber nicht für Vereine zu Zwecken der Erziehung und des Unterrichts. Auch wolle das Centrum die Entscheidung über die gegen den Einspruch zulässige

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Vgl. § 1301 E III (§ 1227 E II). Vgl. den späteren § 1588 BGB: „Die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe werden durch die Vorschriften dieses Abschnitts nicht berührt." Vgl. Art. 46 Abs. 5 EG-E III i. V. m. § 82 PStG. Der Antrag, diese Bestimmung in das BGB einzufügen, ging auch vom Zentrum aus (vgl. Antrag Nr. 151 in der XII. Kommission). Die vollständigen Materialien zum Vereinsrecht werden im Quellenband zum Allgemeinen Teil mitgeteilt (vgl. zunächst oben S. 66 K.; Kögler, a. a. O., S. llOff., Vormbaum.i. a. O.,S. 186 ff). 413

Materialien zur Entstehung des BGB

Beschwerde zwar nicht dem gewöhnlichen Verwaltungsverfahren, wohl aber dem Verwaltungsstreitverfahren zuweisen. Herr von Bennigsen sei dafür, diese Konzessionen anzunehmen. Mehr als das Einspruchsrecht für politische, socialpolitische und religiöse Vereine und als die Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren sei nicht zu erreichen. . . . Würde die Regierung auf dieses Kompromiß nicht eingehen, so bliebe nur übrig, die ganzen Bestimmungen aus dem Gesetz zu beseitigen. . . . Das Staatsministerium beschloß, das Kompromiß zu bezüglich des Vereinsrechts zu acceptiren. ad. F. 3. Der Herr Staatssekretär Nieberding ging darauf zur Erörterung der Zuwendungen an die todte Hand und an Ordensgeistliche über. Art. 86 des EG59 bestimme, daß die landesgesetzlichen Vorschriften, welche derartige Zuwendungen beschränkten oder von staatlicher Genehmigung abhängig machten, unberührt blieben. Art. 8760 bestimmte das Gleiche bezüglich der landesgesetzlichen Vorschriften, welche Schenkungen und Zuwendungen von Todeswegen an Mitglieder religiöser Orden oder ordensähnlicher Kongregationen an die staatliche Genehmigung knüpften. Das Centrum und die Linke hätten beide Bestimmungen in erster Lesung gestrichen. Jetzt aber sehe das Centrum ein, daß die Linke abspringe, wenn das Centrum sie im Vereinsrecht im Stich lasse. Daher seien die Klerikalen zum Kompromiß geneigt. Sie wollten die Bestimmungen über die Zuwendungen an die todte Hand aufrecht erhalten, aber mit dem Modus, daß Zuwendungen unter 12000 M. nicht der Beschränkung unterliegen sollten. . . .61. Auch der Herr Staatssekretär Nieberding war der Ansicht, daß man unter diesen Umständen nur eine Verständigung bezüglich der Zuwendungen an Mitglieder von Kongregationen treffen könne, bezüglich der Zuwendungen an die todte Hand aber sich zunächst ablehnend verhalten müsse. Das Staatsministerium war hiermit einverstanden. . . ,62.

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Vgl. den späteren Art. 86 EG-BGB. Vgl. den späteren Art. 87 EG-BGB. 61 Vollständig abgedruckt bei den Materialien zu Art. 87 EG-BGB. 62 Des weiteren befaßte sich das Staatsministerium noch mit zwei Eingaben des Grafen Pückler (im Namen der Landschaften) zum $ 1783 Ziff. 5 (§ 1807 BGB) und zum Problem der Ingrossate, deren Eigentümer unbekannt ist (vgl. § 1153 E III, § 1170 BGB). Endlich brachte der Finanzminister Miquel noch das Problem zur Sprache, ob auch nach dem Inkrafttreten des BGB im Falle der Konvertierung (Kündigung) von Staatsanleihen, wie bisher, eine Konvertierung eintrete, falls der Inhaber des Papiers sich nicht binnen bestimmter Fristen erkläre. Die Frage wurde nicht abschließend entschieden, doch war man der Meinung, daß die bisherige Regelung bestehen bleiben sollte. 60

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Länder-, Personen- und Sachregister Abeken 33, 140ff., 156, 157,162 siehe auch unter Sachsen Achilles 8f., 23, 49, 51, 58, 91 f., 276f., 278,310,336 Agricola 200ff. Aktienrecht 187,196f., 199 Allg. Deutsches Handelsgesetzbuch siehe Handelsgesetzbuch Allg. Teil 43, 49, 62, 65, 125, 131, 145, 149, 168, 179, 192f., 210, 214ff., 218ff., 225, 227f., 230f., 248, 269, 274ff., 293, 363 f. v.Amsberg 38,200ff., 353 Anerbenrecht 315 f.,325 Antisemitenpartei 377 ff. Auer 115f. Bachern 116,380ff., 388, 391, 393 Baden 3,28f., 32,55, 62,129f., 138,155, 158, 275, 327, 352, 364, 371 Badisches Recht 30 Bahr 95,337 Baumeister 38,200ff., 205 Bayern 16, 28ff., 32ff., 48f., 51 f., 55f., 58f., 61, 64, 129ff., 137ff., 142, 148ff., 155f., 159, 202, 205, 319f., 334, 337, 342 f., 349 ff., 352, 364 f., 370f., 374 f. Bayerisches Recht 41,171 f., 274ff. v. Bennigsen 53, 106, 116, 381, 383, 387ff., 393, 404 Berichte von v. Bülow 157 (Fn.) - von v. Heller 322 ff., 326 ff., 344 ff., 347ff., 352f., 362ff., 366ff., 371 f., 377-387,389-395 -von Hess 160 - von Krüger 125ff., 127ff., 130ff., 155f., 161 (Fn.), 199ff., 204 (Fn.) - von v. Lerchenfeld 342 f. (Fn.), 384 -von v. Liebe sen. 157f., 161 f. - von v. Mittnacht 373 (Fn.) - von v. Perglas 201 ff., 204 ff. - von v. Schicker 265, 369 (Fn.), 369f. -von Schröder 138f. - von Sieveking 369

- von v. Stengel 341 f. - von v. Stieglitz 324 f. (Fn.), 340, 347, 353 f. Berlepsch 401 f., 405, 407, 409 v.Bernstorff 381,385,397ff. Besitzrecht 255 f.,265 f. BGB-Kommission, Erste u. a. 4 ff., 8, 12f., 33ff., 40ff., 72ff., 167, 177ff., 199ff., 206ff., 266ff., 273ff., 318ff. BGB-Kommission, Zweite u. a. 4 f., 8, 12, 50ff., 55ff., 57ff., 91 ff., 333ff., 338ff.,340ff., 343ff.,357ff. Binding 239 Bismarck 16, 27, 48, 51, 68, 131, 139, 320 ff. Boetticher 397f., 400, 403 f., 406ff., 410, 413 Böhme 116 f. Börner 45, 49, 54, 58, 60, 62, 65, 92f., 280,310,336,356,361,367 Bosse 57, 93 f., 355, 398, 407, 409 Braun 87f.,226,276f., 280 Braunschweig 28, 32,129,155 Bremen 29 siehe auch unter Hansestädte v. Buchka 65, 117, 381, 385, 387ff., 394, 396 f., 412 Bundesoberhandelsgericht 126f., 134 Bundesrat 3, 5ff., lOff., 14ff., 27ff., 49f., 51, 54ff., 60ff., 63ff., 68, 125ff., 136ff., 155 ff., 158ff., 160ff., 199ff., 318f., 322ff., 326ff., 334ff., 340ff., 344ff., 350ff., 354ff., 360ff., 365ff., 372ff.,377f.,395 Bumiller 117 v. Caprivi 338 Code civil siehe unter Französiches Recht Conrad 56, 57, 94f., 347, 348ff. CPO-Revision 4 ff., 308, 315, 325 f., 368 v.Cuny 56f.,59,68,95f.,348,351 Danckelmann 56,96,341, 346,347, 350 Delbrück 15, 32, 127, 128, 131, 156, 157ff.,202 415

Länder-, Personen- und Sachregister Denkschrift (l 896) 62, 363, 371 ff. Dernburg 305 Derscheid 37f., 41, 48, 72 f., 200ff.

Dieden 117 Dittmar 55,58,62,65,97,346, 350, 367, 378 Dresdener Entwurf 41, 45, 128f., 134, 172, 236 f., 269, 271, 276, 300, 302, 304 Dziembowski-Pomian 117f., 382, 387, 394 Eck 305 Ege 49,88f.,297,310 Eheliches Güterrecht 166, 175, 238ff., 280,283,296 Eherecht 4, 64, 66ff., 128, 131, 374ff., 384, 385 f., 388 f., 392 ff., 396ff., 411 ff. Eichholz 55,98,347,350 Einführungsgesetz zum B GB 191 f., 216, 310ff., 325ff., 363f., 370f., 372, 375f. Enneccerus 65 f., 118, 380, 383, 391, 394 Entwurf, Erster u. a. l ff., 49 ff., 309ff., 322 ff. Entwurf, Zweiter u. a. 59ff., 360ff. Erbrecht 41, 43, 49, 61 f., 64, 65, 128, 168, 179, 213ff, 218, 226ff., 232f., 274 ff.,363 f. exceptio plurium 64 Falk 128 Familienrecht 41, 43, 49, 62, 65, 88, 168, 179, 214ff., 218, 226, 229, 232, 248, 274ff., 280f., 295f., 363 f. Fäustle 28, 30, 31 f., 33, 138, 150f., 152 ff., 156, 157f., 162 siehe auch unter Bayern FGG 4f., 9f., 50, 52, 226f., 238, 241, 297, 308, 314f, 325 ff.,368 Finger 62, HOf.,367 Flesch 56,341,346 Förster (RT-Abgeordneter) 393 Förster, Franz 28, 34,162 Französisches Recht 27f., 30, 37f., 41, 56, 95ff., 171, 176, 201, 203, 204f., 274ff.,339, 348, 399 Freisinn 377ff., 396ff. Friedberg 33, 37f., 51 f., 156, 157, 160, 202 Frohme 119 siehe auch unter Stadthagen v. Gagern 17,98,343,346,347,351 Gebhard 17, 23, 37, 40, 41 ff., 48, 55, 59, 62, 65, 73 f., 200ff., 222, 225, 227f., 416

230f., 235, 248, 274ff., 293, 301, 340, 346,350,361,367,378 Gemeines römisches Recht u. a. 27f., 140,190f.,274ff. Generalreferent der 2. Kommission 341, 344, 346, 351, 354, 356, 357ff. Gerichtsverfassungsrecht 4, 7, 28, 31, 128, 133,136,137f. Geschäftsordnung (1. Kommission) 14, 46,207ff.,266ff. - (2. Kommission) 14, 357ff. Gierke 39,50, 56, 337, 347f., 349f. Goldschmidt, Fr. 98f., 340, 346,351 Goldschmidt, L. 13, 34ff., 37, 69ff., 162, 163 f., 165 ff., 170ff., 305 v. Goßler 348 Gröber 118,380,383 f., 387ff., 403 f. Grundbuchordnung 4f., 8 f., 50ff., 228, 294, 297, 308, 312 f., 325 ff., 345, 367, 373 v. Gültlingen 385, 397 Hagens 53, 323,328, 334ff. Hallwachs 62,97,111,340,346,367 Hamburg 29 siehe auch unter Hansestädte Hammerstein-Laxten 399, 402, 408 Hanauer 57ff, 99f., 353ff., 356 Handelsrecht siehe unter Handelsgesetzbuch Hansestädte 64, 126f., 129ff., 138, 158, 201,205,352,370 Haußmann 119 Held 30,327f. v. Helldorff-Breda 100, 346, 350 v. Heller 7, 12, 61 f., 65, 112, 367, 382 siehe auch unter Berichte Hessen-Darmstadt 3, 56, 62, 155, 352, 364, 370f.,374 Hessischer Entwurf 171 Handelsgesetzbuch 3 ff., 6ff., 37, 79, 165f., 169, 172ff., 179ff., 184f., 188, 195f., 198f., 212, 311f., 319, 336, 367 Himburg 119,389 ff.,394,396 Hohenlohe-Schillingsfürst 399 f., 402, 407,410 Hofmann (hess. Minister) 156 Hoffmann (Mitglied der 2. Köm.) 57, 100f., 348, 350 Holzschuher 143 ff. Ihering 53,193

Länder-, Personen- und Sachregister Immobiliarsachenrecht 41, 128, 245ff., 276,281 Internationales Privatrecht 4, 12, 62, 216, 298, 306, 316f., 323ff., 363ff., 369f. Iskraut 392 ff., 395 Jacubezky 3, 49, 54f., 57ff., 62, 65, 66, 101 f., 340, 346, 349, 350, 361, 367, 378 Jagdschäden 411 Jagemann 62, 65, 112f., 364, 367, 378, 382 Johow 8f.,37, 41 f., 43, 48ff., 74, 200ff., 222, 225f., 228, 231, 242ff., 245ff., 248f., 274ff., 293f., 312ff. Justizausschuß des Bundesrates siehe unter Bundesrat Kardorff 406ff. Kauffmann 66,120, 380, 383,391 f., 395 Koch, R. 57 Kohlhass 127f., 143 ff. Kommissionsentwurf (l884ff.) 305 f. Konkursordnung 4ff., 308, 315, 325f., 368 Konservative Parteien 368, 377-395, 396-410,412 Koller 407f., 409f. Kropatschek 398 Krüger 52,62,113,125f., 129f., 160, 200f., 202ff, 328, 367 siehe auch Berichte v.Kübel 11, 34ff., 37, 38f., 40ff., 43ff., 48, 75ff., 143ff., 162, 170ff., 200ff., 206ff., 209ff., 220ff., 226, 228, 231, 235,247f.,274ff.,294f.,297f.,301ff. Küntzel 53, 55, 57ff., 62, 65, 102f., 350, 354,361, 367, 378 Kurlbaum 37,46, 48 f., 77f., 200ff., 310 Langfeld 62,367,371,378 Lasker 30f. siehe auch unter Lex Lasker Leonhardt 28, 33f., 38, 162f., 204f. siehe auch unter Preußen Lerchenfeld 342,408 Lerno 120,387 Lex Lasker 13, 27ff., 125ff., 132ff., 141 ff., 155ff., 158ff. v. Liebe jun. 42 f., 45, 49, 89, 259, 301, 310 v. Liebe sen. 28, 31, 33, 37, 89, 129, 157, 160ff., 186ff. Letocha 120

Leuschner 103,348,351 Lieber 120f., 387, 390f., 394, 403, 406, 408 Limburg-Stirum 406f. Lübeck 28f.,56,62,130f„ 155 siehe auch unter Hansestädte v. Lutz 130 v. Maltzan 121,396 v. Mandry 48, 55, 58, 59, 65, 78f., 305, 340, 346f., 350, 361, 367, 384 v.Manteuffel 104,346, 350, 396, 407f. Marbe 121 v. Marschall 327, 398f., 400ff., 405, 406f., 409, 413 Martini 89f. Menger 50 Miquel 30, 53, 56f., 338, 339, 341, 399, 401 ff., 405, 406, 408 f., 414 v. Mittnacht 29f., 32, 48, 130, 137f., 146ff., 156, 160, 162 siehe auch unter Württemberg Motive (1888) u.a. 3, 49f., 300, 307, 310 Mecklenburg-Schwerin 3, 18, 33, 61 f., 64,159, 374 ff. Mecklenburg-Strelitz siehe unter Mecklenburg-Schwerin Mugdan 23 f. Müller 121 Munckel 121 Nationalliberale Partei 27f., 66f., 368, 377-396,410ff. Nieberding 12, 57, 59, 60ff., 65f., 68, 113f., 355f., 362ff., 367ff., 372ff., 378f., 381 f., 384, 386f., 388f., 390f., 393, 396ff., 400, 404f., 406, 408, 410ff. Neubauer 11, 49, 90f.,276f., 280, 310 Neumayr 34f., 71,148f., 162f., 170ff. Nürnberger Konferenz (1872) 31,142 v. Oehlschläger 53ff., 104f., 338,340ff., 344ff., 347ff., 350, 352, 354 Oldenburg 29,32,156,159 Pape 14, 36f., 40f., 42, 46ff., 49ff., 53, 79f., 200ff., 226f., 261 f., 273ff. (bes. 301), 309ff., 326 Pauli 122 Planck 9f., 17, 37, 41 ff., 46f., 50, 54ff., 58f., 65f., 80«., 87, 200ff., 207, 211 ff., 215ff., 222, 229, 232, 238f., 248, 270,

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Länder-, Personen- und Sachregister 274ff., 295f., 314, 336, 340ff., 346, 350f., 361,378 v. Pfretschner 129 Polenfraktion 377ff. Preußen 3ff., 8ff., 13ff., 27ff., 32ff., 41, 49, 51 ff., 56f., 61,63f., 66, 127ff., 131, 155, 157, 171, 200ff., 204f., 274ff., 318ff., 334, 335ff., 338ff, 352f., 382, 390f., 396-414 Preußisches Recht 27f., 41, 49, 171, 274 ff.,339 Protokolle (1. Köm.) 46, 267ff., 270, 310,322f. Protokolle (2. Kommission) 3, 23f., 358 v. Puttkammer 400f. v. d. Recke v. der Horst 399, 401, 407, 409 f. Redaktionsausschuß (1. Kommission) 273,307 Redaktionskommission (2. Kommission) 57,59f.,346,354 Redaktionsvorlagen (von Pape) 46,309 Redaktoren der 1. Korn. 40ff., 167f., 176ff., 183, 197, 207ff., 210, 215ff., 220ff., 225f., 227ff., 237ff., 262, 271, 274ff., 277ff., 285ff., 288ff., 296ff., 300,310 Redaktorenkonferenzen l, 14, 42, 168, 221 ff., 263ff. Reichsjustizamt 3ff., 8ff., llff., 15ff., 50ff., 54ff., 72, 94, 99, 104, 114, 318ff., 325ff., 329ff., 334ff., 345f., 353ff., 360ff. Reichspartei 66f., 377-395, 396ff. Reichstag 7,12 f., 15, 30, 32 f., 53, 55, 60, 64ff., 125, 127, 131, 132, 155ff., 319, 334ff., 340ff., 346, 368f., 396ff., 403ff., 410ff. Reichstagskommission (XII.) 64ff., 106, 115ff.,377-395 Remhold 122 Reuß 33,159,395 Rintelen 122 v. Roon 122, 388, 392 ff., 395, 398, 400, 412 v. Roth 36f, 40, 48, 62, 83 f., 200ff., 239f., 241 Rüger 55, 58 f., 62, 65, 84f., 340, 347, 350,367 Rüssel 56,105 f., 346, 350

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Sachenrecht 41, 43, 49, 62, 64, 65, 168, 178f., 213ff., 217, 225f., 228, 231f., 242ff., 248f., 274ff., 293f., 363f. Sachsen 3, 28ff., 32 ff., 36ff., 56, 62, 125, 129ff., 139ff., 155, 157f., 159, 160f., 337, 352, 364, 370f. Sachsen-Weimar 125 Sächsisches Recht 41, 172, 176, 236f., 271, 274ff.,300 v. Salisch 122f.,393 Savigny 193 Schall 400 v. Schelling 34, 48, 51 ff., 56, 71f., 163, 170ff., 318ff., 324f., 326ff., 333ff., 338f., 353 Schicker 62, 64ff., 114f., 367, 378, 382 siehe auch unter Berichte Schönstedt 399,401 f., 409 Schmalz 129 v. Schmitt 17, 37, 40ff., 43, 46f., 48f., 50, 84f., 200ff., 206ff., 222, 229f., 232 f., 247, 266ff., 269f., 274ff. Schmoller 56, 341, 346ff., 352 Schröder, H. (RT-Abgeordneter) 65, 123,381,392 Schröder, R. 55f., 223, 239, 241, 248, 253, 281, 340, 347f., 351 Schuldrecht 41, 43ff., 49, 62, 65, 131, 134, 168, 178, 214ff., 217f., 226f., 232, 247f., 269, 274ff., 294f., 297f., 363f. Schweizer Obligationenrecht 258, 260, 261 Siebenhaar 200f. Sieveking 56,62,115,340, 367 Sohm 55, 59, 62, 106, 351 ff., 361, 379, 391 Sozialdemokraten 65 ff.,368 f.,377-395, 396ff. Spahn 23, 56, 59, 65f., 68, 106f., 347, 348, 351,377ff.,383, 388f., 403f., 406 Stadthagen 123, 379ff., 383, 386f., 389ff., 394ff. Stieglitz 328 siehe auch unter Berichte Struckmann 49f., 54, 58, 62, 107f., 269, 302f., 310, 336, 345, 355, 361, 367, 378 v. Stumm-Halberg 124, 385, 388, 390, 394,397,405,408 Teilentwürfe (1879ff.) siehe unter Allgemeiner Teil, Schuldrecht usw.

Länder-, Personen- und Sachregister

v. Thielen 402, 409 Trieps 186 v. Türckheim 129 Übereignung von Grundstücken 64 Unger 53 Veräußerung 256,266 Vereinsrecht 12, 63, 66f., 379ff., 387ff., 412 ff. Verfassungsänderung siehe unter Lex Lasker Viehmängelrecht 382 f. Vielhaben 124,380, 387, 393 f. Vogel 91,280 Vorkommission (1874) 4, 7, 13, 33, 51, 69ff., 160ff., 163ff., 170ff., 206ff., 209ff., 242 f., 318, 320f. Vorkommission des Reichs Justizarn tes ll,54,58,337f. Vormundschaftsrecht 4 Wächter 161 v. Watzdorf 125 Weber, August 200 ff.

v. Weber, Anton 34, 37, 40, 48, 86, 200ff., 207, 211 ff., 213 ff., 216f. Wilke 57,108f.,354f. Windscheid 36f., 46, 47f., 53, 60, 82, 86f., 161 f., 200ff., 215, 219f., 303, 305, 318 Windthorst 348 Wolffson 56,58,109 f.,350 Württemberg 3, 28ff., 32ff., 36ff., 45, 48f., 55f., 62, 127ff., 130ff., 137f., 142f., 155f., 158, 160, 274, 352, 364, 371,376 Zentrum 66ff., 368f., 377-395, 396ff., 403 ff. Zession dinglicher Ansprüche 257f. Zurückbehaltungsrecht 257 Zusammenstellung der Beschlüsse (1. Korn.) 273, 305, 306, 308f. Zwangsversteigerungsgesetz 4f., 8 f., 50f., 293, 297, 308f., 313f., 325ff., 345, 367

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