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German Pages 262 [264] Year 1911
Dichtungen Von
Prinz Emil von Schoenaich-Carolath
Elfte und zwölfte Auflage
Leipzig G. I. Göschen'sche Verlagshandlung 1911
Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungs recht, von der Derlagshandlung vorbehalten
Gpamersche Buchdrucker« in Leipzka
Inhalt Seite Angelina................................................................................. 7 Die Sphinx......................................................................... 41 Fatthüme............................................................................. 79 Don Juans Tod..................................................................... 101 Judas in Gethsemane........................................................ 127 Requiem ...................................................................................... 138 Holunderblüten.............................................. 141 Genrebild...................................................................................... 143 Kreuzfahrt...................................................................................... 144 Merlin ................................................................................ . 145 Sommerfest .................................................................................. 147 Der schwarze Hanns..................................................................... 149 Mittagsgespenst............................................................................. 157 Erscheinung ..................................................................................159 Aus Junitagen............................................................................. 160 Die Einkehr..................................................................................161 Verblühter Frühling..................................................................... 162 Nach dem Gewitter..................................................................... 163 Scherben ....................................................................... 164 Dorüberreitend............................................................................. 167 Albumblatt.......................................................................................170 Nebeltag........................................................................................... 172 Der schmale Weg......................................................................... 173 Unvergeßliche Liebe..................................................................... 174 Lebensverneinung.................. . . 175 Aus alter Zeit.................................................. 176 Eterna doglia............................................................................. 179
Sette Die Unbekannte..................................................................... 181 Gruß an Deutschland.................................................................188 Ein Bild................................................................................ 191 Stella peregrina......................................................................... 197 Asterope..........................................................................................198 Firnenweg...................................................................................... 199 Beleuchtender Tag.....................................................................200 Der Feldweg................................................................................. 202 Abendlied......................................................................................203 Bergpsalm................................................................... 205 Oktobersonne................................................................................. 206 Letzter Sonnentag......................................................................... 207 Wanderfahrt............................................................................. 209 Der Taugenichts......................................................................... 211 Spielmannslied............................................................................. 213 Böse Heimkehr............................................................................. 214 Lied des Gefangenen................................................................ 215 Vom Scheiden............................................................................. 217 Carmen.......................................................................................... 219 Römische Freske ......................................................................... 221 Gretchen im Winde.....................................................................222 Spätherbst..................................................................................... 223 Desdemona ................................................................................. 225 Hochmittag......................................................................................226 Auch du! ..................................................................................... 228 An.................................................................................................... 229 Altes Bild...................................................................................... 230 Lied der GhawLze ..................................................................... 231 Im Sonnenschein......................................................................... 232 Meeresleuchten............................................................................. 233 Künstlerroman............................................................................. 234 Volkslied ......................................................................................235 Dank . .......................................................................................... 236 O Deutschland!.................................................. -........................ 237 Gewitternacht . . . ................................................................. 239
Sette Letzter Tanz........................................................................................240 Allerseelen............................................................................................ 241 Und wenn dereinst.......................................................................... 242 Wüstenweh............................................................................................ 244 Meerfahrt............................................................................................ 246 Bitte..................................................................................................... 247 Die verlassene Villa.......................................................................... 248 Hinüber.................................................................................................249 Am Südmeer ................................................................................... 250 Daheim................................................................................................. 251 Traum .................................................................................................252 Letztes Blühen................................................................................... 254 In der Fremde................................................................................... 256 Herbst am Jürichberg..................................................................... 257 Heimwärts............................................................................................ 259 Herbstreise............................................................................................ 260 Abschied................................................................................................. 262
Angelina
I. Die Sonne sinkt, eS stirbt im Tiberstrom
Ihr letztes Glühen. Auf das heil'ge Rom Lagert die Dämmrung sich mit dunklen Flügeln. Die Vögel schweigen, und ein Rauschen geht Durch die Zypressen, in den Gassen weht
Ein kühler Wind von den Sabinerhügeln.
Wo gehn wir hin? — Gleichviel, Ihr habt die Wahl, Nur möcht' die Norma ich ein zehntes Mal Nicht wieder hören, schaffet Rat, Signore! Ins Kaffeehaus? Und später auf den Ball Des Kunstvereins? Habt Dank, auf keinen Fall; Doch kommt, ein Freund von mir wohnt dicht am Tore. Er ist ein Künstler, der zu leben weiß. Und abendlich empfängt er einen Kreis Im Atelier bei seinen Idealen,
Der hoch des Frohsinns buntes Banner hält. Wohl wettet' ich, daß Euch dies Haus gefällt. Denn nicht allein spricht man daselbst vom Malen. Wir traten ein.
Mit Gruß bot unö die Hand
Der Herr des Hauses, dann von Wand zu Wand Durchmaß mein Blick den Raum, den kerzenhellen.
Hier Skizzen, Waffen, eine Staffelei Noch streng verhüllt, dann Stoffe mancherlei. Kostbar Gerät auf bunten Tigerfellen.
Und zwanglos um den breiten Tisch geschart Saß die Gesellschaft wohlgemuter Art, Und tauschte Scherz mit sprühnden Witzesflammen. Man sprach von Makarts Stil und Kolorit, Von Wagner, von dem Nibelungenlied, Von Schopenhauer und Voltaire zusammen.
Es gab ein Streiten, wahrgemeint und derb. Mit scharfen Waffen, ungestüm und herb. Ein frischer Geist war in dem jungen Volke; Burgunder trank man hier, dort Marsala, Der duftige Tabak von Denderah Zog durch den Raum gleich einer Schleierwolke.
Es naht ein Zeitpunkt, wo bei Hochgelag Des Herzens wahre Stimmung tritt zutag: Der Brite schwärmt von Jagd, von Turfeswirren, Und Frankreichs Sohn spricht unverblümt pikant Von Aventüren, die meist sehr galant —
Der Spanier träumt von Mandolinenschwirren. Zur Wehmut neigt dann meist des Deutschen Sinn. Schon sang der eine leise vor sich hin Das Sehnsuchtsritornell ma brunettina; Da sprach der Hausherr: Freunde, ihr vergeßt Der Fröhlichkeit! Zu krönen unser Fest Wird Blumen uns bescheren Angelina! —
Wenn eine Glut, die sich verlöschend quält. Man einem Strome Schirasöl vermählt, Loht neu sie auf zu stürmisch hellen Flammen.
So riß der Name, als ein Zauberwort, Das Tischgespräch in frischem Schwünge fort,
Der brausend ward, denn alles sprach zusammen. Umwölkte Züge schienen plötzlich jung, Ein Aug von Frohsinn, von Begeisterung Kam neubelebend über aller Mienen, Und Beifall hob sich, als sein volles Glas Der eine hob und kühn das rote Naß Hinuntergoß zum Wohl von Angelinen.
Der Hausherr stand behaglich am Kamin
Und lächelte. Doch ich trat zu ihm hin Und frug: Vergebt, wem ist der süße Name? Wohl einer Muse, die noch fremd mir war. Und welche schwärmerisch die Künstlerschar Verehrt als allgemeine Herzensdame? Und jener: Herr, seit kurzem offenbart. Von Schönheit strahlend, fremd von Tracht und Art, Ein Mädchen sich in Romas Volksgedränge; Recht wie ein Lichtstrahl, flüchtig, hier bald dort. Mit Blumen handelnd und mit klugem Wort Eilt sie dahin, daß sie die Herzen zwänge. Woher sie stammt — man weiß eö nicht. Sie kam
Gleich Sonnenschein zu guter Zeit, und nahm Die Herzen aller wie im Flug gefangen. Daher kein Wunder, daß so alt wie jung Sie offen ansieht mit Begeisterung Und heimlich auch mit brennendem Verlangen.
Doch das vergebens. Denn ob arm ob reich. Ob alt ob jung — ein jeder gilt ihr gleich. Und keiner darf sich je bevorzugt sagen. Nun denkt Euch selber, wie der Widerstand Die Leute reizt, wie oft die linke Hand Und auch die rechte man ihr angetragen!
DaS Köstlichste kam oft dabei zutag; Der spielte kühn va banque auf einen Schlag, Verlor, und wandte sich, stolz wie ein Posa. Der seufzte, schlug die Augen himmelwärts. Und schrieb Sonette ihr auf „Herz" und „Schmerz" — Sie aber dankte kurz in guter Prosa. Wer nicht geformt aus allzu grobem Holz, Versteht des Blickes kindlich reinen Stolz,
Der Lippen traurig-spöttisches Verschieben, Der Rede Art, die hübsch und freundlich klingt Und doch gar bald um jede Hoffnung bringt: Ich könnte nie, so wie ihr wolltet, lieben. „Die ihr mich seht, laßt alle Hoffnung sein", — So fiel aufseufzend hier ein zweiter ein, — DaS ist ihr Wahlspruch. Viele Anekdoten Beweisen es. Zum Beispiel hat ein Lord Erst kürzlich ihr mit manchem schönen Wort Für einen Kuß zwei Handvoll Gold geboten.
Sie nahm es an, dann keck und unverwandt Gab sie zum Kusse ihm — die kleine Hand, Ließ den Verblüfften, dessen Jechgenossen
Sich kirschrot lachten ob des kalten Schlags,
Und ging. Man fand die Münzen andern Tags In einer Kirche Opferstock geflossen. — Sie ist ein Rätsel! rief begeistrungsvoll Der eine. — Ach, ein süßer Klang aus Moll, Ein' Rose rot, ein Stern in lichten Schimmern... So schwärmt' ein andrer. Doch ein tiefer Baß Rief mit Entrüstung: Blondkopf, lasse das. Erspare uns dein lyrisch Sehnsuchtswimmern.
Ihr alle seid auf einer falschen Spur, Ein Diplomat könnt' Auskunft geben nur. Und glaubt es mir, die schöne Vielgenannte, Die wenig spricht und doch so vieles hört. Die euch so gründlich nasführt und betört. Ist auf der Botschaft eine gut Gekannte! — Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied, So rief ein dritter, dessen Laune schied, Gedanke würdig einer MidaSstirne! Der Lyriker, nachdem er vollgeschenkt
Sein leeres Glas, sprach: Torheit, was Ihr denkt. Es schaffe Gott Erleuchtung Eurem Hirne, Und knet' es besser um, als Ihr den Ton...
Bravo, erscholl es, bravo, Musensohn,. Daö Schwert heraus! Du willst befrein hienieden Prinzeß Dornröschen! — Dornenrose? Nein — Das Mädchen aus der Fremde soll sie sein. Und mit uns allen bleibe lang der Frieden!
14 Das täte not, rief laut ein andrer da. Das schöne Kind ist eine Helena, Die Zwietracht sät, o Helena, moderne! Glaubt mir, dies Auge, das so fromm ihr nennt. Birgt heimlich ein dämonisch Element — Ich kenn das Leuchten solcher dunklen Sterne.
Und ein Gedanke steigt mir heiß zu Haupt. Wir alle haben gern und oft geraubt Schuldlose Blumen, unentweihte Herzen; WaS wir getrieben, war meist glattes Spiel — Auf unsrem Wege liegen schon zu viel Zerrißne Schleier und begrabne Schmerzen. Gesteht, ihr Herrn: hieß es Vergeltung nicht. Käm' einst herab zu Strafe, zu Gericht Ein Weib, das irgendwo ihr Herz vergessen. Die blendend schön, der unsre Qualen Spaß, Und die uns mäße nach demselben Maß, Mit welchem wir einst frevelhaft gemessen? — Beim Himmel, deine mystische Idee, Rief schnell ein andrer, schafft mir Sorg und Weh,
Sie streift an meine! Gebt das Wort mir Armen, Und dünkt mein Lied bekannt euch in der Tat, So denkt daran, daß oft ein Plagiat Manch hochberühmtes, vielgepriesnes Carmen. —
Heraus damit! erklang's in muntrem Ton, Heraus mit deiner Improvisation, Tannhäuser spricht! So ging es bunt im Chore.
Und frei sich schwingend auf des Tisches Rand,
Blitzenden Aug's, den Becher in der Hand, Begann sein Lied der lockige Pittore: Als einst Tannhäuser, mein hoher Ahn, Zu beten kam und zu büßen.
Zog er den Weg nach Rom hinan Auf müden, blutenden Füßen. Er war am Appischen Wege schon. Da grüßte Roma bella. Doch er hielt Rast am Grabe von Cäcilia Metella.
ES schritt vorüber ein blasses Kind, Und brach sich Rosen vom Zaune, Es wehte im frischen Frühlingswind Ihr Haar, das dunkelbraune,
AuS weiter Ferne kam Glockenklang, Das Kornfeld durchlief ein Schimmer,
Und in der Luft eine Lerche sang — Tannhäuser rastete nimmer. Er dachte nicht mehr an Acht und Bann, Und nicht an den Dom Sankt Peter, ES wurde von neuem zum RitterSmann Der blasse bußfertige Beter.
O wollet vergeben, schöne Frau, Daß ich so tief Euch gegrüßet. Daß ich Euch noch tiefer ins Antlitz schau — Schon hat es mein Herz gebüßet.
Mir ist es, als säh' ich ein fremdes Licht In Euern Augen brennen,
DaS tragen irdische Frauen nicht — Doch glaub' ich, eS zu kennen. Es flammt ein weicher, rosiger Schein
Auf Euren tiefdunklen Haaren, Der kann nicht von dieser Erde sein..
Doch sah ich ihn schon vor Jahren.
ES liegt mir ein altes Lied im Ohr, Das klingt wie Jubel mit Tränen — Auch sah ich schon einmal Euch zuvor Lachen mit schimmernden Zähnen.
O sprecht — seid Ihr die Waldesfee Egeria Philomele, Oder seid Ihr das Fräulein, das Fräulein vom See Mit der verlornen Seele? Seid Ihr ein Engel, der leuchtend kam Ins schmerzende, lastende Leben,
Um einer Welt voll Weh und Gram Die Liebe zurückzugeben?
Es neigt sich lächelnd das schöne Kind Und spricht: Der romantische Flitter, Mit dem Ihr huldvoll mich umspinnt.
Geziemt mir gut, Herr Ritter.
Ich trage der Schönheit Kronengeflecht, Din Lilith, bin Melusina, Und nur ein entgötterteS Menschengeschlecht Nennt mich Angelina. Der Sänger schwieg, doch herzhaft schwang im Chor Sich Beifallswort und Gläserklang empor: Tannhäuser hoch! Mit siegesstolzer Miene Stieg er vom Tische, plötzlich blieb gebannt Sein Heller Blick, am Vorhang lächelnd stand, Im Arm den Korb voll Rosen, Angeline!
So sah ich sie. Die reizende Gestalt Schien, von des Vorhangs Faltenwurf umwallt. Ein lichtes Bild auf sammetfinstrem Grunde, Des wunderfeines, sinnendes Profil
Ein großer Künstler schuf in flücht'gem Stil Au gottbegnadeter, geweihter Stunde. Wie war sie schön! Ihr Haupt, halb abgewandt. Erschien mir fremd und dennoch wohlbekannt. Fast wie ein Klang aus lieber Kindersage.
Ihr Aug' war dunkel, dabei wunderbar Groß und betrübt, als ob es immerdar Nach etwas Süßem, ewig Fernem frage. Das braune Haar umschmiegte voll und weich Die schöne Stirn, und die war seltsam bleich,
Doch wenn die Lippen sich zum Lächeln gaben, Schoenaich-Carolath,Dichtungen
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Umflog das Köpfchen zarter Heil'genschein — Den konnte nur ein totes Mütterlein In Angst und Schmerz darum gebetet haben.
Ein Hauch — vorbei — das holde Bild zerrann. Die Gäste drängten stürmisch sich heran. Daß sie ihr Teil an bunten Gaben fänden. Die Angelina freundlich lächelnd bot. Glück bringt ja immer eine Rose rot. Die man empfängt aus schönen Frauenhänden. Ich aber blieb, weil ich ein Träumer bin. Am Fenster stehn. Da trat zu mir sie hin: Das Körbchen leer! So schnell — wer konnt' es wissen .. Wie schlimm, Signore! Plötzlich hell und klar Ihr Lachen scholl; aus ihrem dunklen Haar Gab sie mir hin das Sträußchen Frühnarzissen.
Dann aber führte seinen schönen Gast Zu Tisch der Hausherr, übereilig fast. Und bot ihr Früchte dar von unsrem Mahle, Datteln vom Nil und Trauben frisch vom Rhein. Sie nippte leicht auch am Falernerwein, Der glutrot perlte in kristallner Schale. Und munter scherzte man ohn' Unterlaß, Des Kindes Antlitz, sonst so marmorblaß, Durchzog ein warmer, rosig matter Schimmer; Und zu dem Hausherrn sagte sie leichthin: Ihr ahnt es nicht, wie sehr ich fröhlich bin. Es ist bei Euch so schön und traulich immer.
Doch eine Bitte, nochmals wag' ich sie: Singt mir, Signor, die deutsche Melod.e, So gerne hört' ich wieder sie und wieder. Ein Meister, sagt Ihr, der die Zeit durchragt, Hat einst in ihr sein Liebesleid geklagt — Sie sind so traurig, Eure deutschen Lieder! Doch jener trat zum Flügel, der lag breit Im Kerzenglanze, prunkend, klängbereit. Ein Mollakkord begann emporzuschwellen,
Ein großer Heimruf, Schuberts Lied am Meer. Und machtvoll zog das Meisterwerk einher Wie Schwanensang hoch über Nordseewellen.
Durchs Fenster brach, ein flutend Nebelbild, Fahlhelles Mondlicht, südwärts jagte wild Ein Dunstgewölk. Die murrenden Zypressen Durchstob der warme, regenfeuchte Wind; Ich aber sah auf jenes fremde Kind; Sie stand in tiefem, tiefem Selbstvergessen.
Das bleiche Köpfchen wie aus Leidenschaft Gemeißelt. Regungslos, statuenhaft Der schlanke Leib; von Tränen und von Flammen Der Blick durchschossen, wahrend unruhvoll
Ein de profundis reich an Schmerz und Groll Die Prachtakkorde schwül vorüberschwammen. Das Lied vergrollte. Angelina war Zuerst gefaßt, jetzt allzu ruhig gar; Das griff mich an. Weh, dem das Herz durchschlagen 9*
Der Sturm des Schönen bis zum tiefsten Kern! Es bleibt ihm selbst ein Sturm noch selten fern. Denn wer den Blitz liebt, muß den Schlag ertragen. Da stand sie auf, mit plötzlichem Entschluß: Felice notte — einen leichten Gruß —
Der Hausherr suchte freundlich sie zu halten; Ich blieb schon lang, fast über die Gebühr... Da gab Geleit er bis zur Gartentür, Schlug fest um sie des weichen Mantels Falten. Und die Gesellschaft blieb beisammen noch Bei schwerem Trünke. Mir erschien eö doch. Als ob der Frohsinn von dem Kreis gewichen. Als ob gelähmt sei der Gedankenflug, Als ob ein häßlicher, ein bittrer Zug In daS Gespräch sich plötzlich eingeschlichen.
Vom Flügel klangen, etwas überfroh. Die Walzerweisen aus Madame Angot, LecoqS geistreich-salopper Operette; Herbduftend fleckte reich vergoßner Wein DaS Tafeltuch; die Jecher stimmten ein Aum Schlußakkord der muntern Chansonette. So rann die Zeit.
Da plötzlich trat zu mir
Ein Maler hin, den am Guadalquivir Ich einst gekannt, und den bei Stiergefechten Ich in Madrid zuweilen wiedersah.
Und einmal auch im Dom zu Cordova; Heut schien er nüchtern, während jene zechten.
Don Gaston war von edler Art, er glich Dem Kämpfer Cid auf altem Kupferstich; Er galt als Held der tollsten Abenteuer. Mir war er Freund. Sein leichtgesenktes Haupt, Dom Lebenszugwind zeitig überstaubt.
Barg des Genies dreimal geheiligt Feuer. - Jetzt stand er vor mir, lässig abgewandt
Vom Schwarm der andern. Er erhob die Hand Und sagte leicht, hindeutend zur Terrasse: Die Schöne ging — gottlob, wir haben Ruh'. Dann gab er rasch mit scharfem Spott hinzu: Dir folgt, o Kind, der frommen Wünsche Masse. Mich aber treibt es, seh' ich dein Geschick Dich überschatten, einen düstern Blick, Einen entgötterten, dir nachzusenden. Du bist ja schön! Dein Herz ist stolzgeschwellt. Und du bist gut! Genug — es hat die Welt Dein Los besiegelt. Du wirst elend enden. O Schönheit, Schönheit, Danaergeschenk! Weh jedem, dem dein leuchtend Stirngehenk Als blitzend Stigma ward ums Haupt geschlagen! Weh ihm, dem Kind, das ausgesendet ward. Ein reiches Kleinod wunderseltner Art Durch einen Wald, einsam bei Nacht, zu tragen! Wohl zieht es aus, singend im Abendrot; Es kehrt nicht heim. Am Morgen liegt es tot.
Erwürgt, beraubt, im fröstelnden Gehege.
Auf blassem Mund sein letztes Seufzen starb: Ihr gabt ein Gut mir, das mich früh verdarb —
So muß ich enden nun seitab vom Wege! O Schönheit, Schönheit, goldnes Samenkorn Von Gott gestreut, daß über Sand und Dorn Die Saat des Guten segensvoll erstünde; Wie kommt's, daß Schmerz als dunklen Keim du hegst. Die Massen nur zu finstrer Garung regst,
Au Aufruhr, Leidenschaft, Begier und Sünde?
Und doch — was ist's, das uns so tief bewegt. Wenn Schönheit sacht die goldnen Schwingen regt. Lichtschüttend wandernd über Erdenfluren? Was soll der Schauer, waü das süße Weh, Des Herzenssturmeö jubelnd Kyrie,
DaS fort uns reißt, zu folgen deinen Spuren?
O Schönheit, Schönheit, letzter Widerschein, Abglanz des Edens! Ach, du bliebst allein
Der Erde treu! Du konntest von dem Weibe, Von Edens blauer Blume lassen nicht. Du folgtest ihr und wardst das Tempellicht, Das ew'ge Licht im staubentkeimten Leibe. Wir aber, der Verdammten blasse Schar,
Schlingen nach dir, sinnlos, unwandelbar.
Den Totentanz! In schattenhaftem Auge, Als deine Schatten, treiben wir die Bahn Im Fieberrausch, im ew'gen Sehnsuchtswahn, Hinstammelnd die uralte Liebesfuge.
Und nicht umsonst.
Du wirfst dich vom Altar
In unsre Arme, Kind mit blondem Haar, Schön wie einst Eva! Göttin halb, halb Dirne, Neigst du das Haupt, in Sehnsucht, glutbedeckt,
Wir aber mit den Lippen staubbefleckt Küssen die Gottheit fort dir von der Stirne.
Gaston brach ab. Ganz plötzlich zog sein Mund Sich leicht und herb: Seit einer halben Stund' Langweil' ich Euch. Nehmt einen Rat in Gnaden: Falls flücht'ger Reiz Euch wünschenswert erscheint. So trinkt Champagner, es ist wohlgemeint.
Nie reinen Rum — dies bringt den Nerven Schaden.
Ich konnt' ihn gut.
Das war sein alter Hohn,
Sein heller Blick, dabei der Stimme Ton So trostlos müd', so hoffnungslos gelassen...
Ich wandte mich und mochte reden nicht. Es schwieg auch er und starrte trüb ins Licht, Die Tramontana wehte durch die Gassen. Da plötzlich wies, aufhorchend, mit der Hand Er nach den Äschern. Stumm, vom Trunk gebannt. Umlehnten sie den Eichentisch halb wachend; Ein dichter Qualm, blaugelber Kerzenschein,
Ein herbes Duften von vergoßnem Wein — Und einer sprach im Schlaf ingrimmig lachend:
He, Angelina! Stör' ich deinen Schatz? Nur aufgetan! Ich weiß, er ist im Platz, Und ich hab's satt, zum Narren Euch zu taugen.
Fort mit dem Schuft — die Reihe ist nun mein. Ich werf' dir sonst die Fensterscheiben ein. Du Tugendspiegel mit den schwarzen Augen! — Er rief noch mehr. Gaston ward flüchtig blaß. Und sprach bei sich: in vino veritas. Au lange blieben wir, das ist die Strafe. Er raffte Hut und Mantel vom Kamin, Ein Schütteln traf ihn; leise vor sich hin Sprach er: Dies Volk, es sündigt selbst im Schlafe.
Dann lauter: Freund, Euch hat sich offenbart. Wie hoch, wie rein, wie ideal, wie zart Apollos Jünger heimlich von Gemüte. Und doch — der Bursche, überschwer bezecht
Und widerlich, behält am Ende recht — Der Wurm sitzt jetzt vielleicht schon in der Blüte. Ihr Schicksal ist es. Daß die Sichel mäht Dies holde Wesen früher oder spät, Im Lauf von Jahren, Wochen oder Tagen, Ist vorbestimmt. Wohl jetzt schon wär' es Zeit, Mit wenig Aufwand von Geschicklichkeit Und Spürersinn dem Preise nachzufragen.
Seht, werter Freund, mich nicht so strafend an —
Ihr glaubt mir nicht? Nun wohl, so käm' es an Auf den Beweis, und der wär' leicht zu führen. Zwar ist es Nacht, es regnet und eö weht.
Doch können wir, wohin die Schöne geht. Heut' abend noch mit Leichtigkeit erspüren.
Wie sehr sie eilt — wir kommen ihr zuvor. Denn unser harrend vor dem Villentor Steht eine kräftige Kirgisenstute, Die Preise mir ein gutes Teil gewann
Und Englands Traber schmählich niederrann; Sie ist von wildem, reinem Steppenblute, Und außerdem ein menschenfeindlich Tier. Fast hätte jüngst dies BoSheitselirier Mit Haut und Haar mein Knechtlein mir gefressen. Den kleinen Kerl, der kaum zwei Ellen mißt Und obendrein vom Hause Neger ist. Wie schwärzer ihn kein Jnderprinz besessen. —
So gingen wir. Ein russisches Gespann Hielt quer am Tor, das Pferd sah wild uns an. Reglosen Hauptes, mit geblähten Nüstern, Ein böser Satz dann — Gaston aber riß ES rasch herum, da warf's sich ins Gebiß, Zu traben durch die Gassen hin, die düstern. Das war kein Trab mehr! Gaston lachte hell, Als hinter uns gespenstisch, überschnell Die Gärten und die Villen rasch versanken. Hin stoben wir in einem wilden Flug, Die Schollen flogen um des Tieres Bug, Schaumstreifen scheckten seine feuchten Flanken.
Da plötzlich halt — ein Zügelruck, ein Pfiff — Hoch stieg daS Pferd, und funkensprühend griff
In- Pflaster es mit stahlbeschlagnen Hufen.
Sie ist's, rief Gaston, und die Zügel gab Er aus der Hand. Folgt mir, sie steigt herab.
So schnell sie kann, der Piazza Treppenstufen.
Die Nacht war still, die Gassen menschenleer. Vom Himmel hingen schwarz und regenschwer Die feuchten Wolken, manchmal scholl von Ferne Ein Wächterrufen. Um die Ecken zog Ein kalter Wind, dann flackerte und flog DaS Gaslicht in der ächzenden Laterne. Der Sturm lief weiter an den Häuserreihn, In die Kamine schnob er wild hinein, Riß am Gebälk in ungestümem Neide, Dann wieder warf er, recht wie toll und blind. Die dunklen Flügel um das flücht'ge Kind, Und wuchtete an ihrem seidnen Kleide.
So stand sie hilflos und auf gutes Glück Ankämpfend still, dann sah sie scheu zurück Und bog rasch ab in eine Seitenstraße, Doch mein Begleiter raunte mir inS Ohr Lautlos und hastig: Jetzt habt acht, Tenor, Es naht der Anfang schon von unsrem Spaße. Denn jene Gasse, die bedenklich hohl. Führt nach Trastevere. Bald sehn wir wohl
DeS Nachtmotives nächtiges Finale, Wenn anders nicht, wie manchmal es passiert. Wir totgcschlagen oder garrottiert, WaS eine Sitte, eine sehr banale.
Der heil'gen Stadt. Mir folgt auf Schritt und Tritt Mein bester Helfer stillverschwiegen mit. Denn wir sind Menschen von geringem Werte, Und uns begleitet, zu besonderm Schutz, Den Bösen doch ein Ärgernis und Trutz,
Kein guter Engel mit geschärftem Schwerte. So redend wog in kunsterprobter Hand Er einen Dolch. Den hielt er fest umspannt. Und prüfte hastig ihn bei einem leisen
Nefler, der blaß sich in der Klinge brach. War schärfer als der Spott, mit dem er sprach. Das stoßbereite, hohlgeschliffne Eisen? Wir gingen weiter, langsam, dicht entlang An dunklen Häusern. Drinnen tönte Sang Und lautes Fluchen. Manchmal wich der SchieberVon einer Tür, ein Weib trat breit ins Licht, So grell geschminkt das knochige Gesicht, Als nage heimlich ihr am Mark das Fieber.
Indessen wichen Lärm wie Lichterschein, Der Weg verlief an Häusern, ländlich klein, Im Dunkel hob sich ein Olivengarten Mit einem Hüttlein schlichter Art, von Rohr; Doch Angelina schlug ans Gartentor, Das tat sich auf — man schien auf sie zu warten-
Ein Weib erschien, so hastig sie'ö vermocht. In welker Hand ein mühsam qualmend Dochts Sie murmelte gesprächig viele Worte,
Verneigte sich und rief ins Haus hinein: Madonna kommt! Dann losch des Lämpchens Schein
Und Stille ward.
Es schloß sich fest die Pforte,
Und Gaston lachte. Seht mein Freund, hier haust Frau Marthe Schwerdtlein. Drinnen sitzt Herr Faust, Und Gretchen kam. Die schönste Mondscheinszene! Ja, Meister Goethe, großer Realist, Du weißt, was Wahrheit, weißt, was Leben ist. Du maltest gut! Ich aber. Freund, ich sehne
Mich heimwärts nun. Wenn immer ich entdeckt Im Schauspielhaus den Kern, den Nutzeffekt Etwelchen Lustspiels, gehe sonder Fragen Ich friedsam schlafen. Die Gewohnheit blieb. So hab' ich jetzt seit langem dies Prinzip Dem vollen Leben praktisch übertragen. Und dieses Leben bleibt ein Bacchanal, Ein Daseinskampf, der nüchtern und brutal;
Hinweg, mein Freund, wir dürfen nicht mehr bleiben. Er trat zum Hause, reglos stand er dort. Dann fiel sein Haupt schwer auf des Fensters Bort... Ich sprang hinzu und blickte durch die Scheiben. Auf kargem Lager, spärlich zugedeckt
Lag still ein Kind, die Wangen rotgefleckt Von Fieberglut; die Stirn, drin Schauer rasten. Hatte zur Stütze mühsam eS gelegt
Ins dürre Händchen. Bittend, unentwegt Hingen die großen Augen, die verglasten.
An Angelina. Sie doch stand im Schein Des armen Lämpchens. Weißbrot, Früchte, Wein Zog sie hervor, des Segens war kein Ende. Zum Korbgeflechte drängte sich heraus Ein frisch gepflückter Frühlingsblumenstrauß, Als bunte Krone liebevoller Spende. Das Kind lag lächelnd nun, als hielte Traum Es hold umfangen. An des Lagers Saum Ließ Angelina still sich niedergleiten.
Die Mutter schlief, erschöpft, von Tränen blind. Doch sie blieb wachend, und begann dem Kind Ein Lied zu summen aus vergangnen Zeiten. Das währte lang, dann trat ich still beiseit. Bis unsre Blicke, wie von Bann befreit. Noch einmal voll das holde Wesen trafen.
Sie saß am Bette, wiegte, sang und sann. Das Lämpchen flackerte, der Regen rann. Das kranke Kind war eingeschlafen. — Wir gingen. Plötzlich blieb Don Gaston stehn. Ich hatte niemals ihn wie jetzt gesehn, ES lag solch Weh auf seinen schönen Zügen,
Den früh verlebten, daß mich'S schier gegraust. Vor seine Augen schlug er wild die Faust Und ließ die müde schwer am Torgriff liegen. Er sprach: Mein Freund — Ihr seid noch gut und jung. Geht heim, und nehmt von hier Begeisterung FürS Leben mit. Mög' sie Euch reichen immer!
'Ich doch bin alt.
Ich schaue fremd hinein
In dieses Leben. Ach, sein Sonnenschein, 'Er wird dir, Angelina, lächeln nimmer. —
Ich wollte gern, daß dieses Lebens Wirr'n
Dir ferne wären, daß die Kinderstirn Der Tod dir küßte, still, mit dunklem Flügel, Ich wollte, daß du heimgingst wie ein Kind, . Das, müd' vom Spiel, einschläft im Frühlingswind, Vom Gras umflüstert, fern am Saum der Hügel; Daß du dahingingst, so du'S wüßtest kaum. Daß Engel dich einwiegten in den Traum, -Eh' Gram und Weh dein schönes Aug' getrübet. Daß du dich löstest aus dem Erdental Wie Glockenklang, eh' dieses Daseins Qual An dir die plumpe Henkersfaust geübet.
Du wirst eS nicht. Eh' Schollen dich und Staub Mitleidig decken, eh' ihr welkes Laub Auf dich hinabwirft eine Kirchhofslinde, Mußt leben du. Dein blumenhafter Leib Muß in die Gosse — dann, verblühtes Weib, Magst du verwehn, vergehn im Erdenwinde.
Auf deinen Scheitel wird den Judaskuß Das Laster pressen, straucheln wird dein Fuß In Schlamm und Asche. Du wirst früh verderben. Es gibt Olbäume noch und weiße Tauben,
Noch ruft der Menschheit flammender Trabant, Der heil'ge Geist — doch wir stehn leer gebrannt And hoffnungsarm — wir können nicht mehr „glauben"
Er schwieg, lächelte trüb und ging dahin.
Der Morgen graute überm Aventin, Versunken war die Nacht mit ihren Schatten.
Frisch ging der Wind, der junge Tag brach an,
Zur Arbeit trieb ein Pflüger sein Gespann, Weinberge dehnten sich und grüne Matten. —
Auf, starke Menschheit!
Reck dich auf vom Schlaf,
Laß ab vom Träumen! Was dein Herz auch traf An Gram und Weh, wirf's zu den Nachtgestalten! Den Pflug zur Hand — und zieh im Morgenlicht Mit festem Sinn die große Schrift der Pflicht,
Dann wird der Friede sein bei deinem Walten. Und sorgt nicht mehr! Der Himmel ist noch blau. Das Leben schön. Sein holder Preis, die Frau, Lächelt euch zu — noch treibt euch Dichtersage Begeisternd auf zu Taten groß und hehr. Noch brandet weit um eure Brust das Meer In heiligem, urew'gem Wellenschläge — Glaubt, liebt, seid glücklich!
Folgt dem großen Aug
Rastlosen Strebens. Euern Erdenflug Soll Gottes Hauch, soll Tatensturm nur treiben. Seid fest, seid wahr, seid frei und großgesinnt. Dann wird das Leben rauschen in den Wind,
Ihr selber aber werdet ewig bleiben. Und du, o Kind, die du durch Aweifels Nacht Den Morgen mir ins junge Herz gelacht. Nimm diesen Blick, der gläubig, dankbefeuchtet. Du warst die Taube mit dem Olblatt mein — Drum möge stets auf deinem Pfade sein
Die Sonne, die den guten Menschen leuchtet.
II. Der Abendschein lag auf der Stadt der Toten Und gen Neapel fuhren wir im Trabe, Die Sonne ging mit einem schieferroten Dunstigen Schein bei Ischia zu Grabe; Die Rosse trollten ihren Schaukelgang, Ein weltverdroßneS, müdes Hufgeschlenker, Indes der braune, schlanke Rosselenker Halblaut die Bella Sorrentina sang. Hier eine Torfahrt, palmenüberdacht, Und Fensterreihen fiebernd durch die Nacht, Halt, Vetturin, wir sind vor Villa d'Este — Windlichter schwelen farbig durch den Park; Willkommen, Freunde, zum Bacchantenfeste, Es rinnt der Wein, die Rosen duften stark. Hoch leb' die Lust! Zum Saal! Die Paare flogen Im Walzertakt. Marietta, Wein vom Rhein..,
Ein schmuckes Kind, und reizend angezogen. Der Atlas kracht bei ihres Busens Wogen, Die schwarzen Augen schaun verliebt darein. Trinkt aus, Signor, dem Rosenfest zu Ehren! Stürzt Euern Kelch, daß jeder böse Stern Versinken mög' im dunklen, letheschweren, Rubindurchsonnten Weine von Falern. Stoßt an mit Lust und lebensfrohem Triebe, Die Welt ist weit — begrabt das alte Weh: Auf eure böse deutsche Jugendliebe Schoenalch-Carolatli, Dichtungen.
Ein' Handvoll Rosen und ein Evoe. — Er lachte laut und goß den Wein hinunter.
Dann an den Zöpfen fing er eine Dirne Und tauchte im Gewühl der Tänzer unter Lachenden MundeS, mit erhobner Stirne, Bald kam er wieder: Freund, Euch zu belehren Vermag nur eins — ein Mittel nur, ich sag' es. Kommt mit—Euch frommt ein Mädchen andren Schlages. Die Angelina wird Euch rasch bekehren. Das ist ein Weib! Ein echtes Kind des Tiber, Blaß, wild und stolz, wenn unter Euren Küssen Sie Worte stammelt, wild als wie im Fieber, Und mit der Locken dunklen Finsternissen Die Stirn verhüllt und wütend Euch umkrallt. So küßt den Jäger wohl, der endlich Sieger, Der halberwürgte schmeid'ge Königstiger, Indes er röchelnd sich zu Tode lallt.
Es gilt ihr Wohl! Was fällt Euch jäh zu Scherben, Freund,. Euer Glas? Ihr schaut, daß Gott erbarm'. So seltsam drein, als schritten wir zum Sterben,
Und nicht in eines schönen Mädchens Arm. Was schautet Ihr? Griff Euch aus alten Tagen
Ein Schatten an? Freund, da hilft nur der Wein, Durch Rausch das schale Leben totzuschlagen. Von welkem Reiz zu frischer Lust zu jagen. Das ist das Heil, das ist der Weisen Stein. Die Welt ist Traum — dem rasch verstobnen Truge Sei Nichtbeachtung, übertäubung Lohn:
Die heiße Stirn bekränzt mit kühlem Mohn
Und mischt Euch Wein im dunklen Aschenkruge, Daß dieses Lebens Mühsal und Beschwerde Mit Mut verlacht, mit Mut vergessen werde. Es zog dahin der Jecher wüster Schwarm, Die Nacht erfüllend mit Bacchantenliedern. In ihrer Mitte ging ich selber, stumm. Mit kühlem Haupt und leerer Brust, die Blicke Forschend und still. Ein Auge, das im Leben Blendende Höhen, große Tiefen maß. Birgt stillen Blick, es richtet unverwandt
Sich nach des Glückes sinkenden Gestaden Voll tiefer Wehmut. Jahre kommen, gehn. Die Jugend schwindet. Über Bimini,
Dem blauen Land, geht rot die Sonne unter, Auf ewig unter. Auch das Auge wird Dann still auf ewig. Doch ihm blieb ein Strahl, Ein kalter Abglanz früh erstarrter Gluten, Der an Skalpelle mahnt. Und dieser Glanz Durchforscht der Dinge tiefgeheimsten Kern, Erkenntnis suchend, dieser Welt zum Heil. In Rosen bringt er und in tiefe Wunden, Er rastet nicht, bis selbstlos er getan Der Heilung Werk. So senkt der Arzt, der bleiche.
Tastend den Stahl, und setzt ihn an die Weiche, Die qualvoll kreißende, der Menschheit an.
Der Weg war endlos und die Nacht war leer. Hin an den Gossen taumelte die Rotte Schwankenden Fußes, hier ein freches Wort
In eine Haustür schleudernd, dort ein Lied Mißtönig singend, oder einen Witz
Heiser belachend. Allgemach verschwand Auch einer wohl, wegstolpernd, um die "Nacht Würdig zu enden in gemiednen Häusern. Der Regen rann, und eS begann der Wind Naßkalt zu wehen, hin und wieder flog Ein Flackerlicht aus löschenden Laternen, Wankte und starb, sein letzter Schein ertrank In schwarzen Pfützen. Auf die Dächer kam Ein schmaler Streif, der Dunst, der brütend lag. Begann zu brauen, über all dem Wust Von Schmutz und Nebel brach der Morgen an.
Der Ostermorgen. Wo die Straße jäh
Zum Meere wendet, taumelte die Schar Dicht vor ein Haus. He, munter, Angelina, Es kommt Besuch! Gelächter scholl und Schrei'n, Die Klingel gellte, schrillend riß der Strang, Und Stöße wuchteten schwer an der Pforte. Aum Teufel, drauf! Mit Krachen wich die Tür, Im leeren Raume stand ein Weib. Ihr Haar,
Das graugesträhnte, hing zerwirrt umö Haupt, An ihrem Leib, dem knochig-hagren, floß Ein Leintuch nieder. Sachte, schöne Herrn, Gemach, gemach — sie rief's mit einer Stimme, Die blechern klang — ihr sucht wohl Angelina?
Ja, die zog aus! Die wohnt da drüben, drüben, Ihr schönen Herren, hinter jener Tür,
Sie wird sich freuen! Wünsch' euch viel Vergnügen, Viel Unterhaltung ... Herren, schöne Herrn, Ach, schenkt mir was! Ich bin ein altes armeü VerlaßneS Weib. — Zwei Handvoll Münzen warf Ihr einer lachend an die magren Beine, Da hockte sie, unstet, mit Gier und Haß Die Münzen sammelnd, plötzlich fielen schlaff Die Arme nieder, und sie sah uns an Mit bösen Augen, daraus Elend, Hohn Und Abscheu sprühten. — Macht die Here zahm! Schrie brüllend einer. Laßt, sie hat das Fieber, Satan, ihr Oheim holt sie früh genug — Zur Angelina, fort! — Wünsch' viel Vergnügen, Herrn, schöne Herrn! Die Alte rief es laut Und schrecklich lachend, dann, am qualm'gen Docht Des Lämpchens stochernd, zählte sie daö Geld Mit finstrer Freude, einS-vier-fünf-sechs-sieben — Da fiel ihr Haupt schief auf die dürre Brust, Und sie begann zu lallen monoton
Ein Paternoster. Doch die Rotte stob Mit Lachen auf die morgentrübe Gasse Dem Endziel zu. Und plötzlich: Gottes Tod! Schrie einer auf, vorS Haupt die Hände schlagend. Die Vettel log — wir sind am Hospitale, Ich kenn' es gut! Zurück, es herrscht das Fieber BöS in der Stadt! Possen — nur auf die Tür, Du selbst hast Fieber. Mit den Schultern warf Er sich ans Tor, eö wich, und taumelnd rollte Er auf den Estrich. Weichlich-süßer Duft
Quoll schwül entgegen; eine Kirche war's. In die sie brachen, an dem Hochaltar Stand breit, von Dämmrung unbestimmt umflossen. Ein offner Sarg. Da griff Entsetzen an
Die blassen Archer, und verstoben war Der wüste Schwarm. Erbarmend sah herab Der Jungfrau Bild aus goldgeschmücktem Rahmen, Mit Augen, die gar seltsam tief und schön. Echt menschlich klagend. An die stille Brust Von Angelina schmiegte sich ein Strauß Tiefbunter Blumen, und ein Schimmer lag Auf dem geschloßnen blütenroten Munde, Als hab' der Tod mitleidig fortgeküßt Das letzte Zucken und das letzte Weh, Die letzten Schlacken. Doch das Antlitz war Entsetzlich fragend, so wie ein Gebet, Das glücklich anhub und geendet ward In einem Aufschrei, — ein Gedankenstrich, Ein Fragezeichen, angstvoll hingemalt Am Schluß eines gewaltigen Gedichts. Mich zwang es nieder, und die tote Stirn Mit ihrem Aug von ungelöster Frage Streifte mein Mund. Schlaf wohl in diesem Kusse, Verblühtes Kind. Es müssen Blumen sein. Im Scharlachschmuck der Schönheit aufzuflammen Am Straßenrande. Dir wird Gott verzeihn.
Uns andre doch, mög' er unS nicht verdammen.
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Ich hob das Haupt. Der Frühlingsmorgen brach Hell durch die Scheiben, rote Lichter wanden
Sich um die Säulen, hoch am Kirchendach Zwitscherten Schwalben. Eine Kinderschar In weißen Kleidern nahte, sie umbanden Mit Frühlingsblumen festlich den Altar. Die Glocken gingen. Mit gewalt'gen Klängen Brach aus der Orgel dunklen Tastengängen Daö Osterlied: Christus ist auferstanden.
Die Sphinx
In einer Stadt voll Glanz und Sonnenschein Steht ein Palast, des weiße Marmortreppe Das Meer umschmiegt, wie einen Frauenfuß Umschließt die wallende blauseidne Schleppe; Iwei Löwen recken steinern sich empor Und blicken schläfrig nach der Gatterlage
Und nach der Iackenkrone überm Tor. Blühende Gärten dehnen sich, die Schatten Der Blutorangen breiten sich vermessen Aufs bunte Gras, und alles überragt Das dunkle Grün der flüsternden Zypressen; Verschwiegen rieseln ihren feinen Staub Tritonen über Grottennacht und Becken, Daß Rauschen nur und Vögelstimmen wecken Ein Echo im tiefkühlen dunklen Laub; Dies Schloß, vom Glanz des Sommertags umbettet. Trägt stolzen Namen, und sein letzter Sproß Heißt Donna Santa.
Sie ist schön. Es weiß DeS Volkes Stimme, daß ein Stamm, der edel. Meist im Verblühen bringt sein bestes Reis.
Ihr Haupt war blond, um ihren Scheitel schmiegte Ein Goldstrahl sich, den ihr herabgesandt Als Sonnengruß aus fernem, beßrem Land Ein Liebesengel, der im Licht sich wiegte. Doch da — sie selbst. Sie lief im weißen Kleide,
Ein fröhlich Kind, sorglos durch Busch und Gras, Frei flog ihr Haar, und aus dem Antlitz blaß Blitzten so selig ihre Augen beide. Wo bist du, Guy? Versteckst du dich? O Schlimmer, Die Hüterin wähnt mich fein still im Zimmer, Und du läßt warten? Schlecht bekomm' dir das: Ich küß dich nie mehr. Warte! Nie mehr — nie mehr. Hallte das Echo über weiten Wiesen, Und tiefe Stille. Fernhin: nie mehr — nie mehr... Im Sonnenglanze starrten die Jytisen, Der Mittag schwieg; ihr heller Kinderblick Umflorte sich. Dann warf sie zum Genick Die blonde Lockenflut. Das Waldtal schlief. Aus weiter Ferne nur der Kuckuck rief Wohl hundertmal. Sprich, werd' ich leben lang? Kuckuck, Kuckuck! Sie raffte, plötzlich bang, Ihr Kleid zusammen, und im Sonnenscheine Flog sie dahin. Da löste sich ein Schatten Vom lichten Grün, und aus dem Myrtenhaine "Trat rasch ein Jüngling; seine Augen hatten Glückhellen Glanz. Guy, rief sie froh herüber. Was säumst du so? Ich fürchte mich, du lieber. Du böser Guy! Er breitete die Arme Rasch nach ihr aus, sie lachte froh und voll. An seine Brust, die heftig atmend schwoll. Barg sich ihr Haupt, das blonde, sonnenwarme. Hast du mich lieb? — Santina, wie mein Leben, Und viel mehr noch! Sie sah ihn schelmisch an: Jst's auch ganz sicher? Nun — so küß mich dann,
Wenn du es wagst! Er beugte tief erschrocken Sich zu ihr hin; doch sie, gleich einer Schlange, Entwand sich rasch, daß nur die blonden Locken Im Fluge streiften seine heiße Wange. Dann ward sie ernst: Wann droht uns Trennung? — Heute. — Was? Heute schon? Sie schwieg, ihr Auge ward Bon Tränen dunkel. Guy, wie bist du hart. Was tat ich dir? Ihn überkam ein Schauer: Du liebst mich, Santa — glaub, nie lachte blauer Der Himmel mir im Rausche goldner Tage, Doch trägt, indes ich Liebesworte sage. Mein Vaterland in Sack und Asche Trauer. Sähst du mich an, wenn ich's verraten hätte? Du tätest'S nicht — ich hab' es längst erkannt! DeS Menschen Herz ist eine Scherbenstätte, Dem Eigenglück mehr als sein Vaterland. Und, sollt' es sein, will deiner wert ich fallen — Doch du, mein Lieb, sei stark, sei stark und still. Es lebt ja Gott, der unser Bestes will. Hoch über uns und unsern Schmerzen allen. Sei stark, Santina! Halb mit Weinen kämpfend. Sah sie empor. Ach, Guy, ich hab' dich lieb. Hauchte sie träumend; dann auf einen Stein Sank leicht sie nieder, müde fiel ihr Haupt Auf seine Knie. Sommerfäden zogen Still durch das Blau, es kam ein schläfrig Wogen. Vom Meere her, gemischt mit Blütenduft. Wildschwäne segelten fern durch die Luft
Mit leise singendem, fremdhellem Tone; Da rief er aus: Sieh da, mein Wappen ist
Ein wilder Schwan mit einer Fürstenkrone — Grüßt mir mein Hochland! Und heißflimmernd lag Die Stille brütend über schwülem Grunde, Es schwieg der Wald, als fürchte sich die Runde, Dein Glück zu stören, heil'ge Jugendstunde, Die du des Lebens reinster Herzensschlag. Er strich das Haar ihr endlich wie im Traume Sanft aus der Stirn, sie schlug beglückt empor Die sehnsuchttiefen, blumenhaften Augen Und lächelte. Aus seinem Herzen rang Sich wild ein Wort: Wirst du mir treu sein? — Ewig, Sprach sie ganz ernst, und wunderseltsam klang
AuS ihrem Kindermunde dieses Ewig. Sie schwiegen wieder. Rötlich fiel ein Strahl
Der Spätnachmittagssonne durch die Hecken Auf ihre Stirnen. Er schien aufzuschrecken: Santina, bat er, sing zum letztenmal Mir noch ein Lied! Ich weiß eins, das du sagtest Vor langer Zeit — es spricht von Glück die Weise Und Wiedersehn — wie geht doch jenes Lied? Und sie, da rot die Abendsonne schied. Begann zu singen.... Fern im Dufte schwammen
Zarthelle Wolken; ihre Hände fanden Sich unbewußt und wie von selbst zusammen;
Der Abend sank, auf dämmerbraunen Landen Ausblutend lag ein schattenhaftes Rot. Noch einmal hielt der Tag, der glückdurchsonnte. Verzögernd Rast und strahlte letzten Frieden Auf jene Kinder, deren Glück hienieden Versank am dunklen Lebenshorizonte.
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Herbstnacht. Im Feindesland. Die Halfterketten Der Pferde klirren; neben seinem Tiere Schlaft der Dragoner. Von den Wachtpiketten Schallt Losungsruf. Es sitzen Offiziere Am Lagerfeuer, Kinder jeder Jone. Der lacht und prahlt, der schaut schon schläfrig drein, Rotwein verzapft ein lauernder Wallone; Da plötzlich richtet sich im Feuerschein Ein Reiter auf, und nestelt am Kollette Nach einem Briefe. Liebestand, ich wette, Herr Kamerad! Bei tausend Ungewittern! Ihr liebt es wohl, die Brust Euch einzugittern Mit Liebesbriefen? Glaubt mir: soll eö sein. Kehrt keine Kugel sich an Amulette Und bohrt ein Loch durch all die Faselein. Und jener: Geh, wie ständ' mir Aberglaube? Ich glaub' an nichts. Just ward mir überbracht. Daß eine noch, von der ich's kaum gedacht. Durch Trug gewann deS Ehstands Perlenhaube. DaS schönste Kind in meiner Vaterstadt Bricht jenem Treu', dem sie verlobt sich hat.
Und freit dafür, der Papst sieht's also gern,
Cesare Balbi, Oberkammerherrn, Der zwar bejahrt schon, doch an Gütern reich. Der Glanz bestach die schöne Maid sogleich; Das ist der Grund, wie man das Ding auch wende: Ein jedes Weib hat ihren Preis am Ende, Selbst Donna Santa; Lauf der Welt ist so — Und wie er'S sagte, bäumte sich vom Stroh Ein Schläfer auf: Das lügst du, Fähnrich, keuchte Er totenfahl — sag, daß du lügst, ich leuchte Dir sonst zur Hölle! Und die Klinge trieb Er wild hervor, daß einen Lichtstrahl schrieb Surrend das Eisen. Doch der andre sprang Hoch auf vom Feuer: Das wär' Teufelsdank, Herr Kamerad! Eh' wir die Klingen wetzen. Vergönnt's, den Brief vor Augen Euch zu setzen: Er sagt noch mehr, er kündet sonnenklar. Daß SantaS Hochzeit g'rade heute war. Es ist kein Irrtum — heute, g'rade heute Führt Cesar Balbi heim die süße Beute: Nehmt und lest selbst. — Beim Höllenelement, WaS greift Euch an? Welch Schauer überrennt Euch jäh den Leib? .. So fahlen Angesichts Sahn wir dich nie! Was fehlt dir? — Mir? O, nichts. Nichts, gar nichts mehr.. .glaubt, es war nur der Name, Der schlimm mich täuschte. Wirklich, jene Dame, Ich kenn' sie nicht. Hochzeit, sagt Ihr, war heut'? Da wär' ja Brautnacht... Brautnacht jetzt--------
Bringt Wein
Und Würfel her! Wir wollen lustig sein, Ihr Kriegsgenossen! Kommt, wir halten Feier Nach unsrer Art. Wir selber sind die Freier Im Eisenharnisch, und die Braut heißt Tod. —
Den Becher hob er, den ihm einer bot: Aufs Wohl der Brautnacht und aufs Wohl der Braut! Da plötzlich warf, als ob ihm jäh gegraut. Das volle Glas er in die Lagerflammen, Taumelte, reckte sich und sank zusammen An einem Pfosten. Pfui, der Wein war schal. Sprach stöhnend er, bis in die Lippen fahl; Verdorbner Wein, und wie der Wein die Braut — Da trink' der Teufel! Plötzlich wild und laut: Wo bleibt mein Fähnlein? Von der nassen Erde Aufreckten sich die Reiter und die Pferde In dunklem Knäul, die Rotten traten an. Hinaus ins Dunkel schnoben laut die Tiere... Wo steht der Feind? Dort seine Nachtquartiere. Da drüben? Auf — Beim Himmel, Guy, halt an: Wohin? Ins Brautbett! Singt mir Hochzeitslieder — Auf dieser Welt sehn wir uns nicht mehr wieder.
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Am Fuß des Stadtwalls, wo Geröll und Scherben, Abfall und Schutt von einem Nesselwald Umsponnen liegen, steht ein niedres Haus, Darin ein Greis, der in dem Mund des Volkes
Rabbi Zephanja heißt, der „große Arzt", Seit langem wohnt. In seiner Nachbarschaft Schoenaich-Carolath, Dichtungen.
Haust auch der Henker. Beide stieß die Stadt, Den weisen Mann und jenen, des Gemeinschaft Unehrlich macht, gleich scheu auS ihrem Bann. Nacht ist's, der Jude sitzt bei Lampenschein Im düstren Zimmer. Vor ihm liegt ein Buch, Das prüft er emsig; auf dem Kachelherd Verglimmt ein Häuflein aufgetürmter Kohlen, Daran ein Tiegel. Aus dem rußgen Bauch
DeS lang Durchglühten ballt sich Dampf, der weißlich Wie Sommernebel nach dem Schlote zieht. Ein feiner Schleier. Hüstelnd wendet sich Der Greis zum Feuer. Bäumst du tückisch noch. Empörter Geist, den ich durch Zwang gebunden. Dich züngelnd auf? Behagt dir'S nicht im Topfe, Drin ich dich fing? Nun wart, ich helf' zum Frieden Dir allsogleich; du sprengtest sonst die Wandung, Die dich umzwingt. Wohl wär' dein Trieb, dein wilder. Jählings gesättigt, doch dem Meister bliebe. Dem großen Meister, der so gern versucht. Ein Häuflein Scherben — und das wäre ihm. Dem großen Meister, wenig angenehm, Denn eitel sind fast immer große Meister. Er kicherte, dann goß er ins Gefäß Sacht einen Tropfen. Schlucke den — hab Ruh', Kühl fein dich ab. —Du schäumst, wallst auf? Genügt dir
Die Gabe nicht? Schwer sättliches Gebräu, Nimm diesen noch! Und wisse, meine Kunst Hast bald erschöpft du. Wohl, eö klärt dein Grund
Sich wolkig auf; der Kampf, der dich durchtobte. Wogt aus allmählich.
Siehe, dich bezwang
Ich nach der Regel; in dir trugst du Schaden, Nun wirst du heilsam. Auf, bequeme dich. Den welken Leib erstärkend mir zu baden. — Den Raum durchirren Stoffe, die sich wild. Begehrlich suchen. Blinder Einigung Gilt ihr Bestreben, stets doch hängen schwer
An ihnen Kräfte, die den freien Flug Au lähmen trachten. Dieser Erde saugt Ein Kitt sie an — denn Nichterfüllung nur. Des großen Wunsches Nichterreichen bildet Die Lebensmöglichkeil. Der Kitt ist Zwang, Ein Fesselring, der seine Wandung eisern Um alles preßt, was in gewalt'gem Fluge Jur Freiheit will. Weisheit heißt dieser Kitt
In Menschensprache. Wie der Meister ihn Benennen mag — ich weiß es nicht. Mir scheint Daü Gleichnis mit dem Tiegel doch bequem. Siegt jener Aug, der große unleugbare. So springt der Topf. Dir aber bliebe nichts. Du großer Meister — und so ganz geheuer Erscheint dir selber keineswegs dies Nichts. Er lachte heiser. Plötzlich zu dem Herd Lief scheltend er. Verdammter Kessel, siedest Du rastlos noch? Schläfert der Trunk Arznei, Den zweimal ich in deinen Schlund geschüttet. Dich noch nicht ein? Mir trotzt zum ersten Male 4*
Solch starkes Fieber! Beizt dich Höllenglut? Willst du den dritten meiner Tropfen schlucken.
Das letzte Mittel? Sei's denn — Weh, es hebt Ein Glutball zischend sich aus deiner Höhle, Die Wandung bebt... Du trägst es nicht.. halt an .. Weh mir! Vernichtung — da! Du liegst in Scherben! Ich bin betrogen! — Im Kamine fing Sich jäh ein Windstoß. Pfeifend angefaßt Sprühten die Kohlen, eine Flamme lief Schräg drüber hin, und höhnisch knisternd stoben Ium Schlot die Funken. An das Türgebälk Wuchteten Schläge. Meister! Aufgetan! — Wer ruft so spät? — Ein Wandrer, krank und müde. Verirrt im Schoß derNacht.—Was sucht Ihr? — Frieden. — Seid Ihr allein? — Ich bin's. Es wich der Riegel, Ein Mann trat ein. Sein schönes Antlitz war Frühzeitig alt, um seine hohe Stirne Fiel wirr das braune regenfeuchte Haar.
Er schwieg und harrte. Messerscharfen Blicks Maß ihn der Rabbi. Seid Ihr krank? — Ium Tod. — Dies Leiden beichtet. — Einen Sessel bot Er seinem Gaste, und der stützte düster Sich auf die Lehne. Meister, hub er an. Noch jung bin ich, und doch ein alter Mann, Noch gestern war ich frisch und lebensstark Und heut' schon nagen Würmer mir am Mark. Reich, vornehm, jung trat ich hinaus ins Leben,
Mit festem Sinn, mit Lust an ernstem Streben, Mein Herz war groß, war liebevoll und weich. An Träumen und an Idealen reich. Oft schwang sich's auf vor Sehnsucht und vor Wonne Bei ferner Glocken festlich frommem Klang, Und Tränen fand eö, wenn der Abendsonne Ihr zirpend Lied am Dach die Schwalbe sang. Es wollte nichts, als Gutes tun auf Erden, In fremdem Glücke selber glücklich werden. Es wollte glauben ohne Grübelein; Bewahren wollt' es seinen Schatz an Liebe Für jene Frau, die einst ins Weltgetriebe Gott senden sollte, alles ihm zu sein — Der erste Kuß, dem ich das Haupt gebogen. Hat mich nun frech belogen und betrogen; Im ersten Lenz, den meine Seele fand. Ward sie verdorrt, vernichtet, leergebrannt; ES hat die Frau, die meine Treu' besessen. Um Gold und Perlen ihres Schwurs vergessen. Ob sie auch war die holdeste von allen. Ob mir auch galt ihr erstes Liebeslallen, Obwohl die Glut, die lodernd uns umflammt. Ein Liebesfeuer echt und gottentstammt. Ich sah zu früh, daß Weib und Liebe narrten.. Nun sage mir: was sendet Gott ein Kind, Das durstig ist, in einen weiten Garten, Darin die Brunnen rings vergiftet sind?
In diesen Tiegel, sprach der Jude rauh.
Tat ich drei Tropfen. Dämpfen wollt' ich Den Kampf der Massen, die in ihn gebannt. Beim dritten sprang der Topf. — Mir gelten auch Drei Mittel für jedwede Menschenbrust, Die fiebernd wogt. Der Mittel erste sind Wollust und Macht. Der Menschheit insgemein Genügen sie. Nicht dir. Mein letztes doch. Mein bestes Mittel, man erträgt es schwer, Erkenntnis heißt es. Sieh, da liegt der Topf, Der Topf in Scherben.
Spät ist's, fremder Gast,
Zieh deines Weges.
Wär' ein mordend Schwert Nur deine Wahrheit! Füllte sie, als Strom Tilgender Glut, mit berstenden Gewalten Mir Haupt und Herz, die daseinsmüde Form Au Scherben schmetternd! Könnt' ich schlafen, ruhn Vom Fiebettraum des Lebens, könnt' ich sehn In Nacht begraben alles, was mein Herz Durchgrollt, durchschüttert! Deckte mich das Nichts,
Ein sichres Nichts, das kein Erwachen trübte Und keine Furcht vor neuem Morgenrot... Du siehst es wohl; ich fürchte nicht den Tod, Gib mir die Wahrheit! In des Juden Auge Stieg fahles Glühen. Wohl, mich reizt der Fall, Sprach er unhörbar. Selten bietet sich Dem Anatom ein Herz, das frei von Schuld Und weich wie dieses. Edel ist's zudem Und stolz im Kern. Laßt uns die Wirkung sehn.
Die drauf das beste, schärfste der Skalpelle, Die Wahrheit, übt. Einschneidend bringt sie Tod Oder Genesung; spannend ist daher Der Vorgang immer. — Dann, zum Gast gewandt: Ich will's versuchen. Siehe, was am Mark Zunächst dir nagt, ist Selbstverachtung. Feig Nennst du dich oft, obwohl des Wortes Klang Dir in die Schläfe treibt ein fliegend Rot. Laß ab und schweig! Das Weib, das dich verraten, DaS falsch wie Judas dich und sich verkauft. Du liebst sie dennoch. Ja, sprach eisig der. Ich liebe sie! Wohl, so laß ab vom Kampfe, Der aussichtslos. Nicht kämpft sein Lieben nieder Ein Menschenherz. Man ist nicht Herr im Haus. Und wie vermöchte wohl das Fünkchen Ehre, Das Körnchen Mut, die Dosis Mannesstolz
Den Krampf, die Liebeszuckung zu bezähmen. Der Menschheit Veitstanz? Gegen Tod und Liebe Gibt es kein Mittel. Nenn mir die Gewalt, Die mächt'ger als das Weib? Denk an Judith Und Delila, denk an HerodiaS Und Helena! Noch keiner hat erschlossen DeS Weibes Wesen; (Salomo erfand Es freilich bitter). Sieh, es ist die Frau Der Sauerteig im großen Brei der Schöpfung, Ein Reiz, ein allbelebend Element, DaS, gleich dem Feuer, segensvoll erwärmt
Oder vernichtet. Jenem ist die Frau Ein tödlich Gift, dem wieder Arzenei; Dem Weisen, welcher mäßig von ihr zehrt. Ein Arkanum; dem wilden Lebensgast,
Der hastvoll, fesselloS, in einem Zuge Den Becher leert... Sein Los — ich kenn's gemu; Zur Sache, Meister. Wisse, noch verspüre Ich wenig Beischmack werter Arzenei In deinem Wort. An einem Sterbebette
Stehst du als Arzt; gib deine Tropfen her. Die besten Tropfen: warum ist die Frau Urfalsch und treulos? Hüstelnd rieb der Jude Die dürren Hände: Wenn sein lechzend Roß Mit Wasser tränkt der kluge Beduine, Wirft ins Gefäß er eine Handvoll Sand, Das Naß zu trüben. Allzu tiefer Trunk Schadet dem Tiere. Sieh, dasselbe tat Der weise Schöpfer. In den klarsten Quell Der Lebenswüste tat er emsig Schlamm Mit vollen Händen; in den schönen Leib, Den süßen, sinnbetörenden des Weibes Goß er Gemeinheit.
Ja, der Schöpfer ist
Ein guter Hirte: allzu tiefer Trunk Schadet dem Tiere...
Brach fahles Leuchten.
Aus des Fremden Auge Wenn er Gluten gab.
Der weise Hirt, dem abgehetzten Tiere,
Die überheiß, so wird giervollen Auges Die Kreatur todspottend Schlamm und Trübung Todachtlos schlingen. Ist der Sündenpfuhl Dann leer zu Grunde, mag der Hirt erwägen. Ob klug eö war, daß Flammen er erschuf. Die nicht ertragbar. Eins weiß ich genau: Daß Qualen mir am Mark verzehrend nagen,
Daß nichts mir blieb als aller Bettlerplagen Verzehrendste: der Durst. Ob trüb ob lau,
Ob schal der Quell, ob immer jene Frau Verdorben bis zum Mark der Seele sei, Trinken will ich mit dem Empörungsschrei: Mich dürstet — dürstet! — Ein Gelächter gellte Laut durch den Raum, scharf wie der Sterbeton Gesprungnen Glases; aus dem Sessel schnellte Der Greis sich auf: Dich dürstet, Erdensohn? Wen dürstet nicht? Des Weltalls dunkler Aug
Ist das Verlechzen, und es lechzt, wer lebt. Das Leben ist ein großer Wanderflug Nach der Begierden endlicher Erfüllung, Und was die Welt erschüttert und durchbebt. Der Notschrei ist's nach tiefer Durstesstillung. Frag du das Meer, warum es schäumt und rollt In schwerbewegtem ew'gen Wogenschlage, Frag du den Sturm, um was er ringt und grollt Die Riesenhymne niegestillter Klage; Eö schwillt und ebbt der dunkle Ozean, Daß Höhn mit Tiefen bräutlich er vermähle;
Daß einer Welt vom Frühling er erzähle, Zieht singend hin der feuchte Märzorkan, Bis er ob rieselnden, erwachten Landen In schwülem Hauch befruchtend mag verbrandcn.
WaS ist es, das in mächtigem Bewegen DeS Erdballs Adern schwellend, voll durchkreist. Die Ackerkrume auseinanderreißt Und preis sie gibt dem kräft'gen FrühlingSregen? Was ist eS, das durchs frische Grün der Bäume Lind und herbduftend wie ein Schauer weht. Das durch der Menschheit tiefste Herzensträume Süßquälend, bang, als junge Liebe geht? — Die Liebe birgt ein brünstig Überhasten,
Halb Lebenssehnsucht und halb Todesdrang, Denn dieses Leben ist ein Übergang Voll Schmerz und Schatten; drin nicht gut zu rasten. Rastlose Neugeburt — das ist das Heil, Ist Trieb und Endziel aller Selbsterhaltung, Drum ist Natur im tiefsten Wesen geil, Drum ringt die Menschheit toll nach Neugestaltung. Daß im Genuß den ew'gen Durst sie stille.
Ist all ihr Sinnen, ist ihr einz'ger Wille, Und als ein liebes Schicksal wird sie'S sehn, Im Weiblichen verlodernd aufzugehn.
Dann freilich heißt es, mehr noch als dies Leben Dem großen Kreislauf still zurückzugeben. Denn, ist verhallt der letzte Wollustschrei, — Hier liegt die Falle — geht der Tod vorbei. Und zwar kein Tod, bedeutend eine Pause
Au kurzer Rast; nein, ein Gedankenstrich, Verlöschend, tilgend, daß zur Sühne dich Das große Nichts auf ewig überbrause. Denn wie den Leib, so hast in blinder Lust Die Seele du zernichtet unbewußt. Und bist beraubt de« Lohnes, welcher wird Den andern all, die nicht gleich dir geirrt. Dich freilich stört das wenig, toller Zecher, Du spürst zu spät den Erdgeschmack im Becher, Und wirst so lange fluchen dem Getränke, Bis Gastwirt Tod dich auSweist aus der Schenke. Dann, in die Grube rollst du abseits eben. Die Grabschrift heißt: „Zum Tod geliebt das Leben." Dir freilich schuf, o Frevler, kein Behagen Das große Wort vom Büßen und Entsagen, Die große Botschaft uralt-heil'gen Klanges, Die einst erwacht am JnduS und am Ganges, Die durch Jahrtausende ward hingestammelt, Daraus die Menschheit Linderung gesammelt. Die alle Seelen, deren Kern zerschlagen. Durch Nacht und Schmerz zum Frieden hat getragen. Und die dein Herz, durchfiebert und umnachtet,
(Obwohl man den Essäer einst geschlachtet,) Nie hat erfüllt mit wunderstarkem Schein: „Es soll dein Reich von dieser Welt nicht sein." — Ich seh' nun zwar, daß schlimm dein Auge blitzet. Daß dir der Trotz im tiefsten Herzen sitzet. Auch höhnst du wohl, daß ich, der ein Rabbiner, Dir christlich predige als Kapuziner,
Und bist bereits im Grunde so verstockt, Daß frommer Zuspruch dich nur mäßig lockt. Vernimm darum, was ich, der Weise, sage: Es ist das Weibliche die dunkle Frage, Die jedem, der hinaus ins Leben stürmt.
Als ernster Prüfstein sich entgegentürmt. Ob früh ob spät, für jeden wird am Ende Das Weibliche zur Lebenssonnenwende. Das ist die Sphinr mit schöngeschwungnem Bug, Schläfrig enttaucht dem gelben Sand von Theben, Auf deren Mund in einem dunklen Zug Der Tod sich paart mit wildem Drang zum Leben: Die roten Lippen, leicht von Hohn gebäumt. Neigt sie dir zu; sie beut zur Wahl indessen Aus weißer Hand dir einen dunklen Strauß, Den formen: Schmerz, Kampf, Arbeit und Vergessen.
O nimm ihn hin, und wisse, daß Zypressen Auf Erden so recht eigentlich zu Haus.
Streifst du den Mund, der dir entgegenträumt. In wildem Kusse — dann ist's mit dir aus. Auf ewig aus, ohn' Hoffnung, ohn' Erbarmen.. Was greift dich an?
Meister, dies Gold den Armen, Euch meinen Dank. Der Weisheit Tropfenfall, Den ihr gespendet, schuf dem Glutgefühle, Das in mir lodert, g'rade so viel Kühle, Wie Juniregen einem Lavaschwall. Mich quält die Sphinr. Ich sehe selbst im Traume Das weiche Haar die niedre Stirn umfächeln.
Auf ihrer Lippen feuchtem roten Saume Höhnt mich das starre nieentlarvte Lächeln. Ich trag's nicht mehr! Wohl ballt sich Glockenton Im Herzen mir, und dessen tiefsten Falten Entringen sich bang winkende Gestalten Aus alter Zeit, doch bald sind sie entflohn. Ich hab' geliebt: in meine reine Flamme Ein Gifthauch blies, Gott trieb ein bittres Spiel, Ich zögre nicht, daß ich mich nun verdamme: Ich will mich rächen, denn ich litt zuviel. Ein wilder Durst, verdrängend frommes Lieben, Ist unstillbar im Herzen mir geblieben. Nun will ich trinken, bis ich übersatt, Und will genießen, bis ich wollustmatt. Das Rätselbild mit rotem Mund sei mein. Und nichts soll mehr vor mir verborgen sein. Ich will eö sehn, das holde Bild von Sais, In meinem Arm, entblößt gleich einer Lais, An ihren heißen blütenweichen Brüsten Will atmen ich in rachevollen Lüsten, Den letzten Glanz vom Haupte ihr zu streifen.
Den Schöpfer im Geschöpf durch Staub zu schleifen. Mit kalten Augen tief ins Nichts zu sehn Und rachesatt zugrunde lachend gehn. —
Meister, lebt wohl... auf, morsche Kerkerpforte! Ein Wind stieß schwül, mit tauber Macht herein. Die Lampe flackerte, die letzten Worte
Des Fremden hallten nach am Wandgestein. Der Rabbi lachte und begann allein:
Wie nutzlos, Christus, blasser Liebeshärmer, Daß man ans Kreuz dich grausam einst gereckt. Denn jene Lehre, die du aufgedeckt. Wird, trotz deS Opfers, täglich wirkungsärmer, Gut für den Schwachkopf, dessen Hirn nur faßt Das plumpe Schreckbild ew'ger Höllenstrafe; Ach, ganz besonders zahm sind deine Schafe, Mein guter Hirt! Wie anders war der Gast, Der eben ging! Der zählt zu Streiterscharen, Die, sturmerfaßt, sich Satan zugesellt. Die einsam gingen, grollend, fern der Welt, Und doch die Größten aller Zeiten waren. In deinem Reiche haben nie gehaust Der Don Juan und nie der Doktor Faust, Roch alle, die, vom Schmerz zu wild geschlagen, DeS Aufruhrs Brand in deinen Stall getragen. Ja — wahrlich — alles, was dir vorgeschwebt. Hat sich auf Erden baldig überlebt, Notnagel dann bist du der Welt geblieben. Der zwischen zwei Entwickelungsgeschieben, Vielgötterei und Einheitsglauben, hängt; Die Menschheit, ungewiß und notgedrängt. Wird ratlos hin zu andern Lehrern fliehen. Den alten Erdball werden überziehen Noch grundverschiedne Glaubensprozessionen —
Der Schöpfer aber wird im Himmel thronen. Um auf den Kampfplatz still hinabzusehn. Wo mühevoll den Glaubensbrand, den schwachen, Rabbiner, Bonzen, Popen emsig fachen.
Ihr Werk der Ohnmacht keinem zu gestehn... Und wird dies Schauspiel mitleidsvoll belachen. — Doch einen Mißgriff, Gott, hast du getan. Du schufst das Weib als Prüfstein, den ins Leben Jedwedes Besseren du hast gegeben; Sie ist die Sphinr mit Marmorbrust, daran Der Menschheit Strom sich in zwei Rinnen teilet. Davon die eine spärlich zu dir eilet, Die andre doch dir schrecklich werden kann. Soweit der Sturm braust und die Sonne scheint. Gibt es kein Plätzchen auf der schönen Erde, Nicht eines nur, das frei gefunden werde Von Tränen, die um eine Frau geweint. Für so viel Schmerz, Entsagung, Kampf und Pein Schufst du die Sphinr, schufst du das Weib zu klein. Denn sie gewährt für der Begierden Sonne Zu kleines Glück, zu schwache Labungswonne. Vom Abglanz heißer Phantasie umkleidet. Ist unwert sie des Sturms von Groll und Schmerz,
Den oft ein großes, riesenstolzes Herz Voll Manneswert um eine Frau erleidet. Das starre Lächeln deiner Sphinr, darum
Die Herzen bluteten, die Dichter sangen Und Völker im Vernichtungskampfe rangen,
Im Grund, mein Schöpfer — ist es grausam dumm. Da liegt dein Fehler. Sorg, daß nicht auf Erden Zuviel Geschöpfe seiner innewerden.
Denn kann ein Schlag das Herz der Kreatur Im Kerne spalten, ist es dieser nur:
Bei klarem Sinn und lebensvollem Leibe Verraten werden vom geliebten Weibe. Denkst du des Tags, da, satt des Lilienstengels, Sätan aufschreiend von dir sich gewandt. Weil auf den Lippen jenes weißen Engels, Der Jugendliebe, Täuschung er erfand? Betrogen ward er, und das hat er, eben Weil er sehr stolz war, niemals dir vergeben: Seit jenem Tag schürt er den Weltenbrand. — Und schweigend folgt nun dem Empörungsgotte Der Gleichbetrognen unversöhnte Rotte Als schattenhafter, dunkler Heereszug. Wer je das Weib verkämpft, verschmerzt, verwunden.
Steht einsam da, nicht mehr an Gott gebunden. Denn von der Frau führt der Gedankenflug Empor zur Freiheit. Und zu dieser Schar, Sprach kalt der Jude, zählt der wilde Gast An Christi Krippe, der just bei mir war.
Der Schöpfer hat ihn unrecht angefaßt, Auch hat ihm nicht die Arzenei gepaßt. Mein letzter Tropfen. — Zu der Türe schlich Rabbi Iephanja, warf den schweren Riegel Wuchtig ins Schloß und sagte leis bei sich: Da geht er hin, der schöne neue Tiegel!
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Don Balbis grauer, massiger Palast Schläft aus vom Fest. Verstummt ist das Gewitter
Der Ballmusik, der Fackeln Schein verblaßt. Ins Schloß fiel dröhnend schwer das Pfortengitter. Die Gärten schauern, und sein blaues Licht Wirft irr der Mond in leere Säulenhallen; Der Südwind rast, und an den Scheiben bricht Er seine Schwingen, schwül, mit trübem Lallen Von Palmenhainen und vom gelben Nil. Auf Purpurpolstern lehnt im Erkerzimmer Lächelnd ein Weib. Ihr blendendes Profil Schwimmt zart im Spiegelglas, ein Perlenkranz, Rubindurchbrochen, blitzt in ihrem Haare.. Wie bin ich schön! O Fügung, wunderbare, Säh' er mich so ... Ein Schatten überflog Ihr ttüb die Stirn und flüchtig — doch sie bog Das Haupt zurück, und durch das Lichtgeflimmer Der Edelsteine brach ihr Auge blau. Sie lächelte. Die Toten kommen nimmer Und dann bin ich ja Cesar Balbis Frau Und bin so schön — und er ist tot, längst tot. Das Leben lacht — ein fliegend-heißes Rot Trat ihr ins Antlitz. Leise nahm die Spange Sie aus den Locken. Ach, ein Glück verhieß Nur erste Liebe; Jugendparadies, Wie bist du doch versunken schon so lange! Sie schwieg. Im Garten rauschten wild und bang Die Myrtenbäume, von dem Meere drang Ein Grollen her, es brach sich an den Zinnen Der Südwind sacht, mit kosender Gewalt. Ihr Auge dunkelte. Mein Herz wird alt; Schoenaich-Carolath, Dichtungen.
Sie sprach es leise — könnt' ich schlafen, sterben Mit jedem Traum, mit dir, o Guy! — Da sprang Weit auf die Tür: Du magst dies Glück erwerben! So klang es hohnvoll. Am Balköne stand Ein Mann im Mantel: Schläft Don Balbi, Santa, Schläft er gewiß? Sonst kann zum tiefsten Schlaf Mein Dolch ihm helfen — Wie sein Blick sie traf, Flog sie empor: Erbarmen! nur nicht morden! Nimm meinen Schmuck, nimm hin, nur laß mich leben.. Ihn aber überlief ein flüchtig Beben: Santa, gestehe — bist du feig geworden. Treulos, dann feig? Welch tiefer Fall! Er riß Mit raschem Griff die Sammetmaske nieder. Guy, schrie sie auf, erstehn die Toten wieder? Zurück .. ich war nicht treulos! überbracht Ward mir die Kunde, daß du früh, vor allen Den Tod gefunden in der ersten Schlacht. Gott sah die Tränen, die darob gefallen Auf meine Kissen in manch banger Nacht. Betört ward ich .. mit Netzwerk arger List Mein Sinn umsponnen .. arg bestürmt, in Schwächen Fiel dem ich zu, der nun mein Gatte ist... Das hilf du selbst mir bitter an ihm rächen. Hohnlachte Guy. Dein Auge blitzt und scheint Ja wunderhell! Zuviel hat's nicht geweint. Dies Taubenauge! Hat die Purpurkissen DeS Brautbetts kaum mit Tränentau betraust.
Denn Donna Santa hat sich, will man wissen. An einen Greis für Sündensold verkauft. Das Grafenkind mit der Madonnenstirne Für Gold verkauft! Verkauft! Nun, welsche Dirne, Wie teuer bist du? Sie blieb stumm, halboffen Die blassen Lippen. Unter ihren Brauen Standen die Augen gläsern, starr vor Grauen, Indessen sie, durchschaut, entlarvt, erkannt. Augrund gerichtet, lehnte an der Wand. Doch plötzlich reckte sie, ins Herz getroffen. Sich trotzig auf, und ihr zu Häupten schoß Das Grafenblut. Verkauft?! Nein, Spielgenoß, Spiel meiner Laune! Wähnst du, schwacher Tor, Daß mir dein Wort in flücht'ger Abendstunde Mehr galt, als eines Vogels Ruf im Rohr? Und wähnst du noch, daß mich ein Schwur gebunden. Den tändelnd ich am Spätnachmittag gab Und treulich nach Gebühr gehalten hab'. Bis daß die Sonne überm Park geschwunden? Dernimm's: in meiner Schönheit Dienergruppe Warst du mir nichts als eine Lieblingspuppe, Ein Bär aus Nordland, den ich zahm gemacht Und, als er tanzen konnte, ausgelacht — Aum Zeitvertreibe mochtest knapp du taugen, Aur Liebe — nie. Es ging die Kunst dir aus. Und nun: fort aus Don Cesar Balbis HauS Und Donna Santas Augen! Nein. —
Er sprach's Ernst und gelassen. Deinem Wort gebrach's An Wahrheit, Santa. Ob dein schöner Mund Sich trotzig zieht, ob du die schweren Locken Sieghaft zum Nacken wirfst — aus Herzensgrund Siehst du mich dennoch an, zum Tod erschrocken;
Dein stolzes Auge dunkelt, tränennah: Reckt doch dem Sturm die wilde Heiderose Den Dorn entgegen, herb, bis sein Gekose Sie mit sich reißt, eh' sie sich des versah: Du liebtest mich und liebst mich noch — sag ja — Ja, sprach sie tonlos, ja. — Seltsames Kind, Begann er sanft, so sag mir denn, welch Wind Gespielt mit deiner Seele Blütenzweigen, Daß sie so sehr, so früh entblättert sind? Ich hörte einst, daß Menschen dazu neigen. In einen Abgrund, der sie füllt mit Grauen, Tiefer und länger stets hineinzuschauen. Bis dunkle Nacht sie lockend zwingt hinab. In welchem Abgrund fandest du dein Grab? WaS schuf's, daß dich der letzte Halt verließ,
WaS war's, das dich mit jugendblonden Haaren In eines Greises welke Arme stieß? Sein Reichtum nur? Sein väterlich Gebaren, Sein PuffenwamS? Sein Bart? Sein goldnes Mieö? Sprich ohne Furcht — Sie starrte stumm ins Licht, Hilflosen Mundes, und: „Ich weiß eS nicht".
Sprach sie tiefschauernd. Auf ihr lag, großoffen. Bestürzt, sein Auge. Todesstille zog Schwer durch den Raum; vom Silberleuchter flog Ein trübes Knistern, und die Kerzen troffen. Da plötzlich tat er einen Finderschrei: Santa — ich glaube dir und sprech' dich frei! Du wußtest nicht, wie weh du mir getan. Der schwersten Fehle klagt' ich falsch dich an,
Nicht du warst schuldig, wie ich's einst geglaubt: Die Erde doch trägt solch Medusenhaupt, Daß alles, was ihr nahen muß, erstarrt: Wer bei dem Weibe Glück sucht, wird genarrt. Ich sprech' die Frau von jeder Fehle los. Weil Gott mit Stein ihr leuchtend Herz umschloß. Weil um das Licht, das in ihr loht, sein Neid Als Hülle schlug ein kaltes Marmorkleid, Damit die Menschheit vor der Tempelhalle Im Staub gebückt Entsagungsworte lalle —
Ich aber bin aus wildem Blut entstammt. Dies Ampellicht, das matt und rosig flammt In deines Leibes marmorweißem Bau, Ich will's besitzen, wunderschöne Frau, Küssend ersticken, jubelnd löschen aus Das rote Licht, entweihn das Gotteshaus, Auf die zerrißnen schweren Altardecken Zu langem Schlafe wunschlos dann mich recken
Und sterbend, als ein satter Rächer sagen: Im schönsten Weib, des Auge je geblaut.
Neidvoller Gott, hab' ich die Sphinr erschaut.
Und hab' dein Werk — dich selbst in ihr — zerschlagen. Auflachend löste er von Santas Hals Die Perlenbänder, daß sie matten Falls Iu Boden glitten.
Guy, was sinnst du? Sprich, Was flammt dein Blick? Was willst du? Ich will dich — Und blitzschnell, wild umfangend ihre Glieder,
Riß er sie an sich, lachend, schluchzend wieder, Zur Ruhe kämpfend, stark, voll wilder Regung, Des schönen Leibes schmeidige Bewegung. Ich liebe dich, sprach er verzückt, o lasse Mir all dein Sein, daß ich dich besser hasse! Laß Küsse, wie kein Weib sie je getrunken, Mich auf dich streun wie roter Brände Funken, In jedem will, erschöpfend, ich dir geben Ein volles Jahr aus meinem reichen Leben, Laß uns vergehn, zerfließen eins im andern. So wie zwei Wellen, die im Weltmeer wandern. Vom Südsturmhauch der Sehnsucht fortgetragen. Tobend, beseligt ineinanderschlagen. —
Dem Weib, das irr, berauscht von Liebesfülle Im Arm ihm hing, hat bebend er gerissen
Vom weißen Leib die starre Atlashülle Und es geschleudert in des Prunkbetts Kissen. Ein Laut, ein Klagwort, girrend, wundersacht..
In einer Flut fahlblonder Lockenhaare
Versanken sie; rings herrschte wunderbare JaSmindurchhauchte, purpurfinstre Nacht. — Warum sie nachgab, ohne Halt? Vielleicht
Weil jede Kraft dem Fallgesetze weicht. Weil ihr ein Blitzstrahl überflammt das Herz, Das Rüstzeug schmelzend und daS Panzererz, Die Fesseln sprengend. Eins sei uns genug:
Um große Flammen geht ein großer Iug Mitzuverlodern.
Es war Morgenzeit, Um ihren Mund, den schönen, vielgeküßten. Lag stumpfes Lächeln satter Seligkeit. Sein Haupt, drin der Begierde Sturm »erbraust. Sah trotzig-fahl; es ruhte seine Faust, Im Schlaf geballt, auf ihren heißen Brüsten. So läßt der Löwe wohl, den in Gedanken Der Schlaf befiel an einer Beutestelle, Schwergriffig liegen seine mächt'gen Pranken
Auf der erwürgten, röchelnden Gazelle. Und beide träumten. Sie von Sternen droben. Die gut und golden, daß ihr eigen sei Ein Leben nun, dem jedes Weh verstoben.
Doch seine Brust ging schwer, es brach ein Schrei Daraus hervor, der klang: Leb wohl — vorüber. Du Schloß mit dem steinernen Wappentor Und den dunklen Eiben darüber; Ihr wellenden Seen, windwogender Tann,
Lebt wohl, ihr Hochlandsheiden,
Es segnet im letzten Scheiden Euch ein verlorner Mann. Scheiden — kein Traum ... verstört empor er schrak, Mit offnen Augen. Hingegossen lag
An seinem müden, fieberheißen Leib Lächelnd das weiche, sein gewordene Weib. Da griff ihn tiefer Schauder, und er bog Ihr Haupt zum Lichte, während unstet flog Sein Funkelblick durch SantaS schöne Züge ... Dann sprach er rauh: Dein Zauber wich! Betrüge So bitter nicht! Schlag auf die schweren Lider, Sieh voll mich an, gib mir die Jugend wieder! Vor langer Zeit, es blühten die Syringen, Wir liebten uns — auf deine Lippen, leise. Kam eine süße, langvergeßne Weise... Erbarme-dich .. das Lied .. wie geht das Lied? Und sie, wie damals, als die Sonne schied. Begann zu singen-------Schweig, das klingt ja blechern Wie falsches Geld, sprach tonlos er. Bei Bechern Und Würfelspiel hört' ich derlei. Die Stunde, Das Lied, dich selbst — hast du zu gut vergessen. Schlaftrunken suchte sie mit rotem Munde Achtlos den seinen .. doch die Purpurdecken Warf breit er über sie; blaß zum Erschrecken Trat er ans Fenster. Hinter den Zypressen, Die dunkel brauten, murrte dumpf das Meer; Der Tag brach an, streifige Wolken hingen Blutrot im Osten über Tiefen leer
Und nebelbrauend. Meiner Seele Schwingen Lähmt Ekel, stöhnte Guy, es bricht mein Herz Vor schalem Abscheu: nun, da Stillung hätte Der wilde Wunsch, verlor ich meinen Schmerz, Das Diadem! Ich schritt auf hoher Spur Des Luzifer — doch was ich aufbeschworen An Racheschrei, an Groll der Kreatur, Im Liebesrausche gab ich's feig verloren... Zerplatzte Form — fort auf die Scherbenstätte! Er griff zum Dolch mit Inbrunst.
Plötzlich trafen Ihn fremde Laute. Don dem Purpurpfühl Hob Santa sich; ihr Haupt, nach Ost gewendet. Trug, vom Gewirr des GoldhaarS überblendet. Den Zug der Sphinr — das Lächeln fremd und kühl. Die sprach: Es soll dies Wunder um dich sein. Daß unbewußt sich meine Seele wendet Zu deiner, die den Erdenflug beendet In einer Nacht, darin kein Sternenschein. Ihr eignes Rätselwort — erriet's die Frau, So fiel in Trümmer unser Weltenbau, Denn bebend ließe ihre schwache Hand Die Ampel fallen, drin den großen Brand Der Liebe sie von hohem Warteturm Arglos ins Weltall hält, in Nacht und Sturm. Es streut die Frau der Liebe heißen Strahl Durchs dunkle Leben, reich — doch ohne Wahl, Sie geht und liebt, voll, harmlos — aber blind. Wie Sterbelieder spielend lallt ein Kind,
Mit blühndem Mund. Du hast in wildem Drange Das Glück am Busen einer Frau gesucht. Hast's nicht gefunden — und hast Gott verflucht.
WaS du gesucht so sehnsuchtsvoll, so bange. Dies tiefe Etwas ist ein Strahl von Licht, Den Gott ihr gab, daß man ihn heiß verlange Und doch auf Erden finde nicht. Wenn eine Frau die dunklen Augensterne
Scheu zu dir aufschlug, hast du nie mit Schmerzen Gefühlt ein Heimweh nach verlorner Ferne? .. In jeder Frau liegt der tiefsüße Zug, Der unbeschreibliche, ein ew'geS Sehnen In uns zu wecken, daß wir aufwärts dehnen Zu Gott empor des Lebens Probeflug. Doch wen erfaßt's, daß von der Welt er lasse? Es schreit nach Lust und Sinnenreiz die Masse, Die sucht und findet MltagSglück beim Weib, Denn an des Rätsels schönem Bollwerk: Leib Bleibt stocken sie, gesättigt, zu gesunden — Nur wenigen schlägt Liebe tiefe Wunden, Doch jede Wunde wird zum Ritterschlag. Heil dem, der Glück beim Weibe nie gefunden Und auS der Tiefe dafür segnen mag. Das ewig Weibliche ist Schmerz ohn' Ende:
Wer allsogroß, daß ohne Groll und Spott Er schweigend sich von Erdensonnen wende. Steht freilich einsam da — doch eins mit Gott. — Und große Schmerzen müssen heilig sein.
Unselig, wer das Saisbild von Stein Nach einer Seele ungestüm befrägt. Nach Lust schreit — und die schöne Form zerschlägt. Ihm wird aus Trümmern, aus verstreuten, grauen. Die leere Nacht lichtlos entgegenschauen. In jeder Frau schläft, glanzverhüllt, ein Grab, Es heißt das Nichts — und wer es je gemessen. Muß zu den Schatten, bleichen Haupts, hinab, Müd' vor der Zeit, ftüh welk und früh vergessen.
Die Form vergeht, doch ist kein Grab so klein. Aus seiner Tiefe zwingen sich Zypressen Mit dunklen Flügeln auf zum Sonnenschein. Das Leben ist ein starker Wanderflug, Zu Gott gerichtet, und auf allen Wegen Tragt uns des Schmerzes großer Atemzug Der Heimat zu, dem ew'gen Lenz entgegen. Vieltausend Jahre werden gehen, kommen. Wenn über alles, was aus Stein erbaut. Wenn ob der Sphinr, die stolz auf Theben schaut. Wenn über alle, die gedacht, gedichtet Und des Gedankens Säulen aufgerichtet.
Der Staub verschüttend seinen Flug genommen, — Der Streusand zu der großen Schrift der Zeit, Der trübende Bodensatz der Ewigkeit — Wird stets ob allen Leidenschaftsdämonen Das Weib am höchsten Opfersteine thronen. Allewig wird sie, aus des Daseins Wüste
Emporgereckt, hinbieten ihre Brüste,
Daß bittern Seim betört die Menschen saugen Im Glanz der hohnvoll-heil'gen Götteraugen, Daß sie, vom Born deö Weiblichen zu schöpfen. Das Hirn sich fiebern aus den müden Köpfen, Daß sie, dies Rätsel schaudernd zu erfassen. Von Wahrheit, Frieden, Gott und Leben lassen, Sie küssen, hassen, schlachten nach Gefallen, Anbeten, lästern, schluchzen, lachen, lallen. Das Herz von Stein zu rühren, zu erweichen, In jeden Abgrund, jede Tiefe reichen — Sie aber wird, hoch überm Erdenflug, Im warmen Staube sonnen ihren Bug, Mit finst'rer Stirn, daö Auge unerhellt. Die Löwentatze stemmend auf die Welt, Und stumm ihr Antlitz, das vernichtend schöne,
Gen Morgen wendend, bis Posaunentöne Die Gräber spalten, bis den Tod verschlang Ein Jubelruf, bis jede Hülle sprang,
Und über Fügung, Formen, Rätselfragen Der. Freiheit Flammen triumphierend schlagen —Dann wird die Sphinr, erlöst, gebenedeit. Gleich MemnonSsteinen, die tiefbebend klingen. Das Hohelied versöhnter Ewigkeit,
Ein großes Liebeshalleluja singen. Santa schwieg, lächelte.
Von ihrem Haupt
Wich jäh der Schimmer. Müde, sinnberaubt Sank sie zur Seite. Aus der Ampel stob
Schwelender Rauch,
Als Guy die Stirn erhob.
Fiel ins Gemach fahlgraues Morgendämmern, Zur Weide zog mit roten Wolkenlämmern
Der Sieger Tag; ein Stern schoß in die See — Mein Los, sprach Guy; wart, bis ich mit dir geh'. Zur Seite warf er Santas Haar, das blonde. Und führte tastend, ohne Laut noch Wort,
Den Dolch ins Herz; so senkt sich eine Sonde Langsam und still in einen leeren Ort.
Fatthüme
Die Wüste, die vom Samum heiß geküßte.
Die Wüste, die vom Morgen überglühte. Gebar einst dich in schmerzlichem Gelüste Als wunderseltne herbe Lieblingsblüte. Ich sah dich spielen, In Wind und Sand Den zierlich scheuen, Ich sah um dich die
Und Mit Und Mit
wildes Kind der Tropen, mit deinen Milchgeschwistern, klugen Antilopen, Brussaseide knistern.
sah die Sklaven knieend dich umfächeln
Pfauenwedeln, die von Salben troffen, sah dich träumen, übersatt von Lächeln, dunklen Augen, die gleich Pforten offen.
Da plötzlich sprangst du mit gesträubtem Munde
Und peitschtest wach dein Lenktier von Mahara Und sprengtest fort. Seit jener flücht'gen Stunde Hab' ich geliebt dich, Tochter der Sansara.
9 Schoenaich-Carolath, Dlchtunaen.
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II. Oft, wenn im Sande schliefen unsre Stuten, Wenn unser Feuer, das die Nacht erhellte. Verloschen war, glaubt' ich, daß im Gezelte Nur deine Glieder süß bewußtlos ruhten.
Daß deine Seele flog nach einem Sterne, Um Erdenweh und wilder Gräser Rauschen
Und Herzen, die dich lieben, zu belauschen. Wie mitleidsvoll, aus einer großen Ferne, Daß sie geschwommen durch die düsterblaue Unendlichkeit, sich eisig anzufeuchten. Um hier auf Erden unter deiner Braue Mir hoffnungslos und ewig ftemd zu leuchten.
Z
III.
Das Mondlicht flutet voll und bleich
Durch dunkle Wolkensäume; Es liegt im fernen Mondenreich
Ein See — der See der Träume.
Und alle Tränen, welche je Um Frauenliebe vergossen, Sind leuchtend und still in jenen See, Den See der Träume, geflossen.
IV. Wenn Toren sich mit deinem Tun befassen. Sollst du des Wegs gehn und sie schelten lassen. Sieh: es ist Nacht, die Geisterstunde schlug. Es schläft das Dorf, da naht ein Kaufherrnzug, Im Sande waten sacht die Dromedare. Da plötzlich wittern eine seltne Ware Die Hunde rings, und hämisch von den Schwellen: Auffahren sie mit Heulen, Schnappen, Bellen, Und eifern grimmig kläffend, bis sie schwach Und heiser sind, dem fremben Gute nach. Doch still im Sattel wiegen sich die Reiter,
Die Tiere schwanken hochbeladen weiter. Nicht Stock noch Steinwurf lohnt dem Geiferzahne. Hund bleibt stets Hund. Was tut es, daß er bellt. Wenn schweigend deines Lebens Karawane Nach Mekka zieht durch Staub und Lust der Welt?
$
V. Nun will ich dich tragen, mein Glück, mein Traum, Mein Lieb, hoch über das Weltenall, Wie einst der Adler die Nachtigall Barg unter weichem Schwingenflaum.
Ich will dich wiegen im Sonnenschein, In goldnem Frieden, weltentrückt. Und du sollst singen, tiefbeglückt. Dein Liebeslied für mich allein.
VI.
Der Herr der Gläubigen gab mir ein Band Nebst einem Stern von reich gezacktem Schliffe — Wo wär' ein Narr von Fez bis Damarkand, Der solche Huld, mir zugedacht, begriffe?
Dem Großherrn lastete sein Prachtgezelt Am Bosporus, dieweil Traumdeuter schoben Vor ihn den Spiegel unsrer Tropenwelt: Denn er sah dich, wie du von Licht umstoben An meiner Seite rittest stolz einher. Der Karawane schlanke Wünschelrute... Sein Stern, sein Band — sie flattern bunt und quer Am Schweife, Herrin, deiner Lieblingsstute.
VII. Ein Derwisch, den an Ghasalö Höhenrand
Verschmachtend ich und wegesmüde fand. Den ich zum Lager leitete und pflegte. Sprach, eh' den Kopf er auf die Polster legte: Kein Ding, o Freund, ist des Besitzens wert. Und frei nur ist, wer nichts ersehnt, entbehrt, Macht, Ehre, Ruhm, ja selbst der Frauenkuß Verbergen Täuschung, Trübsal, Überdruß;
Im Sand drückt flücht'ge Kreise dein Gezelt, Du selber bist ein Fremdling auf der Welt, Begier, Gedanken, Wunsch in Menschenköpfen Sind, wie des Reisigs Knattern unter Töpfen, Ein nichtig Prasseln; und dem Wölklein Rauch, Dem Funkenblitz gleicht unser Leben auch. Was unvergänglich, herrlich schien und teuer. Es wird zu nichts — doch selig, wenn zur Rast An deines Lebens kurzem Hirtenfeuer
Der Armut du das Heim bereitet hast. Dann wird dein Leben zwar wie Rauch vertreiben. Du selber doch wirst ewig sein und bleiben.
*
*
*
Ich glaube gern zu jenes Derwischs Ruhme, Daß nie sein Herz der Liebe Blütenlast, Daß niemals er gekannt hat dich, Fatthüme.
VIII. Das Feuer loht; die Karawane blieb Am Hügel lagern, fremden, sandverwehten. Groß deckt und still die Schläfer im Propheten Das Firmament, ein golddurchbrochnes Sieb.
Was ist es, das im Strahl der Sterne rinnt Iu Tiefen nieder, dunklen, unerlösten — Jst's stilles Mahnen, heiliges Vertrösten, Das niederwärts die goldnen Fäden spinnt? Sind's Blicke nur, die aus dem Freudensaal Fremd und erstaunt auf uns herniedertauen.
So fremd, wie dunkle Frauenaugen schauen Verständnislos auf eine Herzensqual? Was sind sie selbst, die über Bann und Fem' Der Todeöschatten ihre Flugbahn treiben?
Verkünden sie von Sein und ew'gem Bleiben UnS Sterblichen ein flammend Glückpoem? Wird einst enthüllt, daß alle Hoffnung Wahn, Daß Sterne, die gleich Liebesfackeln brannten,
Die wir mit Inbrunst gut und ewig nannten. Ein letzter Trug, den Götter uns getan?
Sie lügen nicht.
Doch Erdenglück zerfließt.
Und Liebe weicht aus Frauenaugensternen So qualvoll jäh, wie lautlos hinter Fernen Ein Meteor verleuchtend abwärts schießt.
IX. Ja, du bist schön! Dein Lächeln scheucht die Sorgen So sieghaft fort, alö unsre Heermacht fegt Speerwerfend Volk an einem Siegesmorgen.
Und du bist stolz! Der Scheich, der rings gebeut. Wirft sich vom Nacken seiner besten Stute Und kniet im Staub, wenn ihn dein Gruß erfreut. Und deinen Schmuck — den schleppt ein Lastkamel,
Zwölf Sklaven spähn den Willen dir vom Munde, Schön bist du, Herrin, stolz und ohne Fehl — Allein dein Herz
? ? ! Da gähnt die tiefe Wunde.
§
X. Am Höhenrand, der kreidig, sturmgeschlagen, Gebleicht vom Samum, ohne Pfad noch Schatten, Hielt unsre Schar, betäubt von wildem Jagen, Vor einer Löwin, die gefällt wir hatten. Die Löwin lag, gelähmt im wildgewagten
Vernichtungssprunge. Am fahlbraunen Buge Die dünnen Pfeile schiefgebogen hakten. Das Schaftgefieder zitternd noch vom Fluge.
Die Löwin hatte sterbend sich errissen Ein Purpurbett; sie lag auf ihren Treibern Und wälzte sich auf einem Sterbekissen Von atlasweichen, heißen Menschenleibern. Es deuchte mir, wie sie die Flanken streckte Und, durstgequält, mit fächelnd mattem Schlagen Des Löwenschweifes ihre Opfer leckte. Als ob sie zögernd stürbe, mit Behagen.
Ihr Tod Und Der
letzter Blick hat schillernd mich gemessen; lag nebst Wollust in dem Blick, dem einen. jenen Blick, ich hab' ihn nie vergessen:
toten Löwin Auge glich dem deinen.
XL Auf JnS Wo Die
einem Grat, der wolkenüberjagt Leere reckt sein Haupt, sein schieferblasses. Stürmen nur der Riese Atlas klagt Last der Welt und jene seines Hasses,
Da hab' erbaut ich einen Opferstein, Um aufzutrennen deine Brust, die weiße.
Daß ich den Ursprung aller Erdenpein, Des Weibes Wesen, an das Taglicht reiße.
Das Werk gelang.
Es barg der heil'ge Raum
Ein wenig Spreu, zwei Handvoll goldner Litzen, Ein buntes Traumbuch, einen Kleidersaum, Ein großes Knäuel abgewelkter Spitzen
Und einen Stein. Der trug in Lettern starr: Fatthüme birgt im Guten und im Bösen Ein Rätselwort.
Kein Weiser wird es lösen.
Doch darum leiden kann allein ein Narr.
Z
XII. Der Vor Der Und
Pascha, Herrin, dessen Dampffregatte Tunis liegt, bewimpelt und bewehrt. dich ersehn, der deine Huld begehrt goldnen Ringschmuck in den Ohren hatte,
Er gab — ich weiß es — jüngst dir als Geschenk Den ersten Ring mit Lächeln und verstohlen.
Daß du bei Nacht das zweite Ohrgehenk Von seinem Schiffe heimlich mögest holen...
Der Weg nach Tunis, Herrin, ist nun weit. Des Fremden Schiff mit Eisen dicht beschlagen. Du bangtest dich — und siehe, deine Zeit Ist ausgefüllt mit Schlafen, Plaudern, Jagen. Ich bringe nun, die Reise dir zu sparen. Den Kopf des Pascha. Fest irrt Ohre sitzt
Der zweite Ring. Schau, Herrin, wie er blitzt Aum Angedenken magst du ihn bewahren.
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XIII. Atlas, zum Himmel stürmender! Du hast Ein Glück gewollt, das allzu hoch bemessen.
Nun muß den starren Riesennacken pressen Zum Staube dir deö Erdballs Schmerzenslast. Ach, grolldurchschüttert rauscht dein tiefes Klagen Durch Welt und Zeit. Doch schwerer ist die Pein: Ein gottgeborner stolzer Mensch zu sein Und heißer Sünde Sklavenjoch zu tragen.
XIV. Du lagst gelangweilt in den Seidenkissen,
Ringschillernd, eine halb erstarrte Schlange;
Um dich zu wärmen, im Erlöserdrange, Hab' ich ans Herz dich mitleidsvoll gerissen.
Du sahst die Beute lange hohnvoll an Und wärmtest dich und hast hineingebissen — Ich war ein Tor, du hattest recht getan.
Ich hob die Faust, dich schmetternd zu verderben. Und senkte sie — du warst nicht wert, zu sterben.
XV. Wir sind am Ziele. Laßt die Sänfte nieder. Entsteige, Herrin, deinem Purpurbette, Es wartet dein und deiner schönen Glieder Kostbarer Last der Teppich von Damiette.
Leb wohl, mein Lieb. Du rissest meinen Glauben Gleich Unkraut auö; der Hoffnung breite Gassen Stehn öde da — doch keine Friedenstauben
Sind die Gedanken, die du mir gelassen. Siehst du die Stadt? Die schönste ist's. Im Bogen Reckt sich an Wasser, blauem, salzig klarem, Ihr Kuppelwirrsal, fahnenüberflogen. Und der Palast dort ist des Sultans Harem. Dort sollst du leben, hinter goldnen Stangen,
Schön — doch unschädlich. Mit verblümtem Spruche Wird dich der Großherr als Gemahl empfangen. Wird eure Kissen glätten ein Eunuche. Ich aber will an wandermüden Füßen Die Reue schleppen, will der Welt entfliehen
Und, deiner Liebe Gifthauch abzubüßen. Einsam, als Bettler, gen Balsora ziehen.
XVI.
Sang des Türmers. Ihr Schläfer! Wollt ihr meiden Schmerz und Spott, So bindet eure Stuten an. Erst dann
Befehlt fie Gott. Wer sich den Mund verbrüht hat, bläst zur Not
Auf kalte Milch. Schlaf birgt mehr Glück denn Wachen. Dein bester Freund heißt Tod. Vernehmt, ihr Gläubigen, was ich zur Stunde Verkünden soll vom Rand des Minaretes:
Nach Allahs unerforschlichem Befunde Ward gestern, um die Zeit des Nachtgebetes, Der Welt entrückt die Sultanin Fatthüme, Des Großherrn Stolz, des Harems Lieblingsblume. Wär' euch bekannt, was mir an Wissenssachen
Geoffenbart, enthüllt und angestammet, Ihr würdet weinen und gar wenig lachen; Mög' Allah segnen euch. So spricht Mohammed. — Ein müdes Schiff, das seine Segel dehnt. Ein Menschenherz, das sich nach Frieden sehnt. Ob sie das Jiel verfehlten oder fanden.
Im gleichen Hafen werden stets sie landen.
In jedem Herzen zittert ein Magnet, Der rastlos sich zur ew'gen Heimat dreht. Ein Weg, daran mit kurzer Pause
Der Schmerz als Meilenzeiger steht. Führt rasch nach Hause.
Gchoenaiich-Carolatft, Dichtungen.
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XVII. Aus eines Kerkers schwülen Finsternissen
Zur Freiheit, die kein Goldgeflecht ummauert. Hob sich dein Herz und hat den Strick durchrissen;
Der Vogler stumm am leeren Käfig trauert. Du riefst den Tod. So flieht vertraute Stätten Im Trotz ein Kind, gelockt von Abenteuern.
Ach, daß dich Engel sanft geleitet hätten Au ferner Heimat hellen Hirtenfeuern!
Wo weilst du jetzt? Von welchem Flammensterne Blickst erdenwärtü du, zwischen Traum und Wachen, Auf mich herab? In welcher Sonnenferne Wiegt sich dein goldnes, schwermutvolles Lachen?
Vorbei — dich bringt kein Erdenfrühling wieder, Doch folgen wird dir bis zur Strahlengrenze Der tiefe Nachhall meiner Liebeslieder, Sich zu vermählen deinem neuen Lenze. Uns trennt kein Tod.
Wenn im Posaunenstoße
Des Weltgerichts die Gräber sich bewegen.
Wird auch dein Auge, das verweinte, große, Neu auf mich schütten seinen Strahlenregen.
Dem Dichter ist ein leuchtend Los gefallen: Wer Großes schuf, reißt aus der Nacht der Zeiten Ein sterblich Weib, das er geliebt vor allen. Zum Sonnenstrom versöhnter Seligkeiten. So will auch ich in Liedern ew'ger Dauer, Du stolze Tochter der Abencerragen, Das Weh um dich, die Weltlast meiner Trauer, Als Büßer Atlas zu den Sternen tragen.
Z
XVIII. Zuweilen zeigt mir ein schwüler Traum Mit ihren Türmen und Toren Die Stadt der Kalifen am Wüstensaum, In Sand und Ferne verloren. Ich meine zu hören fremd und wirr Das Brausen der Basare, Der Kesselpauken dumpfes Geklirr, Das Röhren der Dromedare.
Aus gelbem Staube, windgerafft. Flattern die grünen Fahnen, Fernab, auf ewige Wanderschaft
Schleichen Karawanen — Auf Wanderschaft von trüber Art Zwang auch ich durchs Leben Ein büßend Herz, des Wahlspruch ward: Geben und Vergeben. Nun ragt das Schloß der Tempelherrn Aus regennassen Landen,
Mit dumpfem Donner schwer und fern Der Ostsee Wogen stranden. Und über Sturm und Möwenschrei Wandert die Karawane Meiner letzten Liebe vorbei. Meine Fata Morgane.
Don Juans Tod
Es ragt der Kaukasus, ein Scheidewall Von wilder Art, gebettet zwischen Meeren, Darein er schleudert seiner Ströme Fall. Die Lenden gürtet eine Wolkenwand Dem Unbesiegten, und zur blauen, leeren Unendlichkeit reckt er den starren Nacken, Mit seiner Stirne weißen Gletscherzacken Hinüberlachend in das Morgenland.
Als Gott die Menschen aus dem Eden stieß. Da fachten, heimatlos, sie Lagerfeuer, Die, kaum verglüht, ihr müder Fuß verließ.
Sie trieben hin unsteten Wanderflug Heimwehgefoltert, bis ein Lenz, ein neuer. Jubelnd hereinbrach. An dem Höhenzug, Draus Quellen stürzen, brausend, waldumgrünt.
Fanden die Müden, neu beglückt, entsühnt. Ein frisches Land, ein neues Paradies.
Und Friede ward. Jahrtausende vergingen. Des Christentumes großer Flügelschlag Stieß durch das Land.
Der Berge trotz'ge Zwingen Erklommen Burgen, breit und schiffbar lag Der wilde Kur. Dort, wo den Waldkoloß Umbrach die Art, ragt schimmernd jetzt das Schloß Der Grusenfürsten.
Schlank hebt sich der Bau Aus breiten Höfen; in den Gärten rauschen Der Bäume Kronen, überm Labyrinth Der Kuppeldächer fegt und flappt im Wind Das Grusenbanner, und wo Decken, blau. Purpurgestrählt sich vom Balköne bauschen. Schaut still ins Land der Grusenfürsten Kind. Diava träumt, doch ist nicht froh zu nennen Dies Angesicht; ihr dunkles Auge mahnt An Lampen, die durch Alabaster brennen. Wann, spricht sie, Schicksal, das ich lang geahnt. Erfüllst du dich? Wann wird von mir genommen Der Seele Bann? Gestalt fremddüstrer Art, Wann endlich wirst du, finstrer Buhle, kommen? Sie wendet sich, schreckt auf. Ium Saale zieht Der Patriarch, ein Greis. Die Kirchenfahnen Neigen sich tief, das Volk andächtig kniet. Gib einen König deinen Untertanen, Murrt dumpf die Menge. Doch die Fürstin schweigt Und weist zur Pforte. Ihren Armelsaum Berührt der Priester; ihres Kleides Schleppe Küßt scheu das Volk. Leer wird es; auf die Treppe Setzt sich ein Schmetterling im Sonnentraum.
Und draußen liegt die Ferne brütend heiß. Es klagen unablässig die Iikaden,
3m Süden ballt Gewölk sich hohl und weiß.
Was hält, mein Herz, dich ew'ger Gram beladen. Spricht trübt die Fürstin. Unter Purpurhüllen
Wogt zwischen Furcht und Ungeduld dein Schlag, Und deiner Schwermut tiefen Schoß vermag Kein Glanz, kein Erdenfrühling auszufüllen. In schwülem Traume banger Jugendnacht Geschah es mir, daß aufwärts, aus dem Leben Gelöst, ich schwebte. Tief, in letzter Pracht
Der Abendsonne grüßten Tal und Matten Purpurgesättigt aus dem Ozean. Auf Engelsflügeln fühlt' ich rauschend heben Mit weichem Fittichschlag mich himmelan. Mein Haupt umbrauste frischer Morgenwind, Da plötzlich drang ein Ruf aus Erdenschatten: Erbarm dich meiner, lichtumstobneS Kind. Ach, Gott und Engel haben mich verlassen. Bleischwer zieht niederwärts zum ew'gen Leid Mich daü Gericht! O laß dein weißes Kleid Am Saum die Hand des Fluchbeladnen fassen. Und rettend hilf auS Qual und ew'ger Pein Dem Reuigen zum Lebenssonnenschein. So hallt der Ruf, den ich entsetzt gehört. Und meine Hand erfaßt mit wildem Griffe
Ein bleicher Mann. So, da beim Sturm zum Schiffe Der Heiland trat, hielt Petrus sich, verstört. Grabtief sein Auge, drüber spannt die Braue Sich schwarz und schmal. Wie jenen ich erschaue. Flammt auf in mir als jähes Machtgebot:
Du rettest ihn aus Untergang und Tod. An deine Hand, in dein Gebet, dahin
An deine Brust — kein Himmel ohne ihn! Schon türmt sich auf, lichttriefend, riesengroß Das goldne Tor, doch eh' dies Ziel erreicht. Der Sünder, strauchelnd, in die Leere weicht. Und stürzend, klammernd, aus der Engel Armen Zieht er mich abwärts. Ein Posaunenstoß Zerreißt die Luft; Nacht deckt des Himmels Tor. Und Nacht umfängt mich, doch ein Engelchor Singt in der Höhe feierlich: Erbarmen. Seit jener Traum, prophetisch, mit Gewalt Und Schrecknis kam, das Herz mir zu belasten. Verfolgt mich des Verfemten Nachtgestalt. Ich fühle, daß sein Schatten um mich lebt. Oft, nebelhaft, an meiner Seite schwebt. Nur flüchtig bannen ihn Gebet und Fasten. Er kehrt zurück nach traurig langer Pause,
Bei Prunk und Fest, im lauten Volksgewühl Folgt er mir nach; im dunkeln Chorgestühl Der Kirche nickt er, geisterhaft und stumm. Streift mir das Haar mit seiner Spitzenkrause, Und blättert sacht das bunte Meßbuch um. Er nickt mir zu; wenn er ins Herz mir schaut Mit seinen Augen, seinen qualvoll tiefen. Ist mir, als ob viel tausend Stimmen riefen:
Er bleibt dein Herr, du bist ihm angetraut. Finstres Gebild, mit Ängsten, heißen, großen.
Enthüllt sich mir: du bist von Gott verstoßen. Du bist kein Lichtgeist, und vom Paradies
Treibst du stromabwärts ohne Kampf, noch Hoffen. Wohlan — dein Sturz hat meine Bahn getroffen. Ich will umfassen dich mit voller Kraft Gläubigen Herzens; deine Schuld bekennen Will ich dereinst und sie die meine nennen. Mein Heil für deines geb' ich voll in Haft. Ja, fesselt an die Höllenmacht des Bösen Gelübde dich, Trieb und Blutsbrüderschaft, Ich will dich retten, werde dich erlösen. — Wie heiß die Sonne sticht.
Der Südwind biegt
Das Gras der Steppe. Spätnachmittag liegt In weißer Glut auf Mauern und Arkaden. Brütende Stille; schläfrig müden Klanges Der Wache Schritt im Grund des Bogenganges, Fern auf den Wegen ballt sich Staub in Schwaden.
Und aus dem Staub — die Wachen stehn entsetzt — Ein Reiter auftaucht, jäh. Ium Sprunge jetzt Zwingt er sein Pferd. Im Flug ein Schatten spannt Sich durch die Luft, und landend mit den Hufen Pflügt schrill der Hengst das Pflaster vor den Stufen.
Die Wachen taumeln, blutend, überrannt. Ein Schritt, enteilend, Klirren, wildes Rufen, Aufschreiend aus der Fürstin Vorgemach Stieben die Frauen, und Diava, wach. In starrer Spannung vor dem Bild des Christes Steht aufgereckt.
Ihr Auge lacht und brennt.
Ein bleicher Mann den Vorhang keuchend trennt; Da bricht von ihren Lippen wild: Er ist es.
Sie stehn und blicken sich hochatmend an: Dein Name, Fremder — Ich bin Don Juan,
Don Juan de Marana. Spaniens Damen Bekreuzen sich in Andacht vor dem Namen, Und spräch' nur eine zu der andern leicht: Der Böse hol' ihn, eh' der Tag entweicht. So riefen alle: Segne Gott es, Amen.
Die Tür springt auf. Rasch, mit entschloßnem Schritt Und tiefem Gruß ins Königszimmer tritt, Das Schwert im Arm, der Kommandant der Garden. Die Fürstin winkt; er geht, gehorcht dem Zwang,
Doch vor der Tür, die Don Juan durchdrang. Kreuzt sein Befehl der Wachen Hellebarden, Noch hüllt DiayaS schwarzer Augenstrahl Den Fremden ein; Glut liegt auf ihren Mienen. Nun bist du, spricht sie, leiblich mir erschienen. Wer sandte dich? Kamst du nach eigner Wahl? Wie fandest du von Spaniens Glutgestade Des bunten Ostens weltentfernte Pfade?
Wenn von zerklafftem, ödem Hochgelände Der starke Wolf, den Beutedurst versucht.
Mählich hinabsteigt, daß er Stillung fände. Lugt er ins Land von einer Höhenflucht. ,
Und witternd prüft er, ob der Wind der Nächte Ersehnter Beute Vorgefühl ihm brächte. Mir trieb der Ost ums Haupt mit Adlerkraft Sein Schwingenpaar, da fühlt' ich, fern erblühe Mir eine große, neue Leidenschaft. Wem je der Schönheit süßer Sonnenstich Daö Haupt versengt, durch Nacht und Morgenfrühe Eilt er zum Ziel, ihn hemmt kein Länderstrich — So, schöne Beute, suchte, fand ich dich.
Sie zuckt empor, entsetzt, doch Überwindung Hilft ihr zum Wort. So trachtet deine Bahn Der meinen nach in sündiger Empfindung? Was kettet uns? Was hab' ich dir getan? Wer gab dir, rede, über mich Gewalt, In meiner Seele Obdach, Aufenthalt? Taucht niemals dir, wenn du des Rätsels sinnst,
Erkenntnis auf? Wer schürzte dies Gespinst, Wer schuf die tiefe, seelische Verbindung?
Was ist's, das uns geheimnisvoll verwebt?
Verkünde mir, ob aus der Kindheit lebt Dir ein Erinnern... Königin, vergebt. Sprach jener rauh; sollt' ich den Kopf verlieren, Iwei Dinge gibt's, die meiner Eigenart
Entgegenstehn als schroffer Widerpart: Hochzeitsgefasel und Philosophieren.
Wie dort er stand, den Bart keck zugespitzt. Das Auge hart, den Rotmund frech geschlitzt. Auf finstrer Stirn der schwersten Sünden Stempel, Brach ihr zu Schutt der keusche Herzenstempel Bräutlicher Hoffnung. Ihn, den schönen Wicht, Der vor ihr stand, beachtete sie nicht. Nur angstvoll sucht' ihr Auge seinem Denken Sich, seiner Seele, forschend einzusenken. So irrt des Steigers schwankend Grubenlicht Zum tauben Schacht, ob es im Schuttgewände Nicht eine lautre, reine Ader fünde. Vergebens, spricht sie; ausgestorben klafft
Und leer dein Herz. Ich möcht' dich von mir stoßen. Doch siegend ruft tiefinnre Glaubenskraft: Nicht irrt dein Herz, er zahlt doch zu den Großen! Welch Pulsschlag treibt dich und welch Lebensplan In deines Sommers reifen Mannestagen,
Nach welchem Eiland segelt sturmgetragen Dein klopfend Herz dahin im Lenzorkan? Ob du ein Held aus König Artus' Hain, Ob irrend du, landflüchtig seist wie Kain, Welch Los dich traf, welch Lebensziel du hast. Ich will eS wissen, rede, bleicher Gast.
Im Lebenslenz, in Lebensungewittern, Ob Sonnen stächen, ob mich Sturm umnachtet. Ist eines nur, danach mein Wesen trachtet Zn ew'gem Durst, in BangniS, Gier und Zittern. Ein Erdenziel erkenn' ich nur: das Weib —
Am Weibe nur ein Göttliches: den Leib. Dich, die der Rausch verlornen Paradieses Greifbar durchflammt, trotz Sündenfall und Fem', Die du im Staube sonnst dein Diadem,
Die rauhe Fülle deines Lockenvlieses; Dich Lebensmutter, nie gefüllter Born, Die sorglos du, in eines Baumes Schatten, Halb Tier, halb Göttin, schläfst im Hagedorn Mit frischen Lippen, roten, Nimmersatten, Dich hetzt mein Fuß, dir folg' ich brünstig nach, Uns wird die Welt ein weites Brautgemach. Ich zwing' das Weib mit ungefüger Kraft Zu jubelnder Alltagsleibeigenschaft; Und weh der Macht, die meinen Weg verstellt. Ich werd' zerschmettert, oder sie zerschellt. Wenn mir ein Weib das steinern Herz bezwänge. Ich zög' mir selbst der Totenglocke Stränge, Vom Sockel stieg für immer ich hinab Und schaufelte mit eigner Hand mein Grab. Daß dürstend ich des Weibes Dürsten stille. Bin ich gesandt, Mithelfer rauher Paarung, Ich bin die Kraft, ich bin der Lebenswille,
Dies sei dir Beichte, Herrin, Offenbarung. Die Fürstin schwieg. Gesenkt war, glutdurchflossen Ihr feines Köpfchen. In den Scheiben blaute Ein jäher Blitz, durchleuchtend das Gemach.
Ein Wetter kam auf fahlen Wolkenrossen Aus Süd geritten, doch Diava sprach
Mit weichem Blick und mitleidvollem Laute:
So hast du niemals betend und bewegt In Mutterhände deine Stirn gelegt? Und hast du nie — des Sonntags müßt' es sein — Zur Junizeit, wenn weit die Felder wogen. Bei Orgelklang im Sommersonnenschein Ein Weib auf ewig an dein Herz gezogen? Es hat der Mann, sein müdes Haupt zu betten. Zwei Orte nur, die ihn vor Stürmen retten. Dahin er still nach jedem Schiffbruch kehrt: Der Mutter Herz, die beten ihn gelehrt,
DaS Herz der Frau, die still im Jugendschimmcr Und Jugendliebe sein ward, sein für immer.
Die Liebe beut mit läuternder Gewalt Aus weißer Frauenhand den Kelch der Gnaden... Mich dürstet, Herrin, sprach der Fremdling kalt. Nie, beim Geschwirr verbuhlter Serenaden, Von Hütern und Duenas arg verflucht. Hab' Liebe je begehrt ich, noch gesucht. Mich zwingt der Durst, der ungestüme Treiber, Nicht ein Weib will ich, sondern alle Weiber, Nicht kann die Frau durch Gnadenwerk mich blenden. Nein, Lust allein und Durstesstillung spenden. Ich bin ein Gast im Lebensbacchanal, Mein Leitstern ist, danach den Weg ich lenke. Mein Weiser ist zur vollen Lebensschenke
Der ew'gen Schönheit flammendes Fanal. Ein neuer Blitz zündenden Scheins durchriß
Des Sommerabends frühe Finsternis, Und als verstorben seine fahle Helle, Da mischten dumpf sich in des Donners Krachen Stimmengewirr und schwerer Tritt der Wachen. Die Fürstin sah erbleichend nach der Schwelle: Werkzeug der Freude, Eintagsglücksgestalten Nennst Frauen du, nach deines Irrwahns Schlüssen; Daß Frauen Wunder, Rettungswunder walten. Du wirst es, fürcht' ich, früh erfahren müssen.
Die Tür klafft auf. Den dämmergrauen Saal Füllt Kerzenglanz und roter Fackelstrahl, Goldwerk und Stoffe, schwer durchwirkt, erblitzen. Mattleuchtend starren Hellebardenspitzen, Ein Greis tritt ein, der Oberste vom Rat, Archimandrit. Ein Purpurbaldachin Spannt schwankend sich, goldstarrend, über ihn, Die Kirchenfahnen flammen bunt vom Schaft. Komture schreiten, Priester im Ornat, Es scharen sich die Großen vom Palaste, Soldaten folgen, und zu Knäul gerafft Drängt nach das Volk. Aufrecht im Fackelglaste Mit finstrem Blick steht drohend der Prälat.
Ein Friedensbruch, ein schwerer, ward verübt. Tollwütend hat ein Frevler, blind vermessen Des Rittersinns nach Räuberart vergessen Und unsres Landes Ehrenschild getrübt. Das Brückentor, vergittert und umtürmt, Gcboenaich-Carolath, Dichtungen.
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Hat jählings er durch Überfall erstürmt, Jur Frauenburg, der Fürstin Aufenthalt, Brach, blutvergießend, Bahn er mit Gewalt. Ob Königssohn, ob Ritter oder Knecht, Ob er Vasall, ob lehenspflichtig sei. Wir walten seiner, uns verfallen, frei. Und sprechen ihm am Ort der Tat sein Recht.
Still wird eS rings, die Menge harrt in Schweigen. Der Inquisitor löst vom Pergament Ein Siegel, grüßt die Fürstin mit Verneigen, Und liest im Licht, das rötlich knisternd brennt: Wer, landfremd, Eintritt in die Burg erzwingt Und waffentragend in ihr Weichbild dringt. Sei listend es, sei's kraft des Überfalls, Er hat ohn' Gnade nach dem Recht der Väter Den Tod erwirkt, und wird gestraft am Hals. Wachen, herbei. Hand an den Hochverräter.
Haßvollen Blicks, die Lippen schlimm geklemmt Vernahm es jener; tückisch und verdrossen Hielt er die Hand ins Dolchgehenk gestemmt. Diava doch, die Königsstirn erhellt Von Glück und Hochsinn, eine Liebeswelt Im dunkeln Auge, hob die Stirn, entschlossen.
Vieledle Herrn, euch sag' ich Dank in Huld. Wohl ehrt eS euch, ohn' Ansehn Recht zu wahren.
Dem Ritter doch, und trüg er volle Schuld, Kann nicht Gesetz noch Blutbann widerfahren. Als Fremdling nicht, mir lang vertraut, bekannt Seit Jahresfrist, grüßt er des Berglands Söhne, Daß fein Erscheinen holde Wünsche kröne. Hat ihn die Ferne meinem Volk gesandt. Den Ritter, der an Spaniens Litorale Don Juan de Marana wird genannt. Erhebt mein Wort zum Fürsten und Gemahle.
Die stolze Mär, als sie dem Mund entflohn. Schlug in die Menge, die zum Thron gestaute. Die Großen stehen fassungslos, bestürmt. Allein, das Volk, im Vorsaal aufgetürmt. Ruft Beifall zu mit Hellem Jubellaute. Don Juan doch stürzt wehrend vor den Thron, Erhabner Faust, als gält' es ihm, zu rütteln An Eisengittern, während Schmerz und Hohn Keuchend die Brust, die wild erregte, schütteln. Diava, ruft er qualvoll, schmerzentbrannt, Du kennst mich nicht, du hast mich nie gekannt. In Blumen wohl, in Sternen magst du lesen. Allein dein Auge, fromm und wunderblau. Ergründet nicht Don Juans Ziel und Wesen. Armsel'ge Beute wär' ihm eine Frau, Ein Tropfen nur in wildem Becherschwunge, Ein Salz, ein Reiz, wie Schaumgold auf der Zunge, Im Wechsel nur der ew'ge Wunsch entbrennt. Wo Sinnenlust mir zulacht vom Geschöpfe,
Häuf' ich das heiße Lebenselement In Weiberherzen, Danaidentöpfe.
Der Wechsel ist Bedingung mir, Gebot, Ewig verjüngt in stets erneuten Wonnen, Wie sich in Flammen BasiliSke sonnen. Wär' Ehepflicht mir Selbstmord, Nichtsein, Tod. Ja Tod! Tod dir! DaS Wort, erfaßt, gerafft Vom Mund des Frevlers, ward auf jeder Lippe Aum Wutgeheul; so bricht mit Donnerkraft Die Staublawine von der Felsenklippe. Daß, wuchtend, er der Wachen Zaun durchzwänge. Vordrang der Haufe, bis ins Mark empört. Bleich wie der Tod starrt über das Gedränge Die Königsjungfrau. Plötzlich, wutverstört T t Don Juan in die todschwangre Masse So wilden Sprung, daß, weichend, eine Bucht, Raum vor ihm klaffte. Mordend auf der Flucht Strafst er den Arm, im Heben, Niederblitzen Des breiten Dolches der Befreiung Gasse Sich durch der Feinde Leiberwall zu schlitzen. * Umsonst. Wie den ergrimmten Leoparden Des Käfiggitters spitzes Stabwerk hemmt. Faßt hakend ihn, zum Doppelwall gestemmt. Ein Gattertor gefällter Hellebarden.
Ein kurzer Kampf, ein aussichtsloser, toller. Dann, waffenlos, die Fäuste strickverschnürt, Zerfetzt das Wams, zerklafft den Elenkoller, Wird Don Juan dem Throne zugeführt.
Iurückgetrieben drängt sich auS dem Saal Polternd das Volk, und vor dem Treppenhause Sich wälzend, schließt es Brücke wie Portal Gleich Meerflut ein mit hohlem Stimmgebrause.
Um Don Juan, der in der Krieger Haufen Schwer keuchend steht, das Auge blutdurchlaufen. Schließt sich ein Kreis. Der Inquisitor spricht: Wie dieser Stab jetzt über dir zerbricht. Verfällt dein Haupt dem schwarzgedeckten Blocke. Mit schwerem Schritt, breitspurig naht ein Mann Von Riesenwuchs, barfuß, in rotem Rocke. Nicht unS gehörst du, sondern jenem an. Und tiefe Stille.
Scharfen Tones knickt
Der weiße Stab. Diava doch, erbleichend Bis in die Lippen, zum Prälaten blickt Mit leisem Wink. Die Großen überflammt Düster ihr Auge. Jene geben, weichend. Dem Greise Raum zur Beichte hohem Amt. Ehrwürd'ger Vater! Dich, Archimandrit,
Flehn meine Lippen, meine grameSvollen,
Für ihn um Rettung, den sie töten wollen. Er, dem mich Bande, nieerklärte, paaren. Ist meines Lebens finstrer Satellit. Nun mög' vor Gott mein Wort dir offenbaren: So wahr der Seele letzten Flor ich lichte
Vor deinem Blick — wenn jenem, der da kam.
Der Gatte mir und Seelenbräutigam, Das Sünderglöcklein schrillt im Morgenwind, Ich folge barfuß ihm zum Hochgerichte,
Entehrt mit ihm in einem Grab zu ruhn... Doch jener sprach: Du würdest Sünde tun. Ein Wort, ein schweres, weiß ich nur — verzichte.
Jur Hölle kehrt, was aus der Hölle stammt. Sieh, jener Mann, der Mitleid dir entflammt. Der dir erschien als finstrer Traumergründer, Er ist's, der einst vom Baum des Lebens brach Die Fleischesfrucht, und den mit grimmem Bisse Der Sinnenlust rotschillernd Schlänglein stach. Nun schleppt er, wandernd, seiner Bisse Schmach Ansteckend fort, der Wollust ew'ger Sünder, Und wer ihn retten will, der sinkt ihm nach. Vergeblich ist dein unschuldvolles Flehn, Sein Maß ist voll — er muß zum Tode gehn. Das Wort verhallt. Und wie Diava neigt Ihr Haupt, aufschluchzend, zu der Stola Falten, Malt sacht das Kreuz er über ihr und schweigt. Doch sie spricht still: So laßt mich seiner walten
Bis Morgengrauen; löst ihm seine Ketten, Nicht seines Lebens nachtgeweihten Flug,
Doch seiner Seele Heil laßt mich erretten. Zum Saal sich wendend kündet der Prälat: Führt den Gefangnen, bis der Morgen naht. Zu stiller Einkehr in die Schloßkapelle.
Der Pforten wacht, doch schafft, nach Brauch und Fug, Ihm Brot und Wein als letztes Mahl zur Stelle.
Langsam und schweigend wallt der kleine Zug Durch Gitterpforten, welche dröhnend klingen Im Angelwerk. Qualmtrüber Fackelglanz Strahlt düsterrot auf Säulen von Byzanz, Dumpf klingt der Mönche psalmodierend Singen. Fürwahr, spricht Don Juan, mein Totenamt. Wie Spaniens Wein mir in die Nüstern flammt! Du Feuertropfen von Malagas Klippen Birgst nur Vergessen, bringst Gedankentausch. Der einzig wahre, beste Lebensrausch Blüht auf gesträubten roten Frauenlippen.
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An diesem Ort, wo jedes Wünschen schweigt, Spricht der Prälat, erwarten der Geschlechter Edelste Söhne Waffenweihe. Steigt Empor der Morgen, adelt Ritterschlag Den Neophyt zum Mann und Glaubensfechter. JnS Leben stürmen ihre Frohgestalten, Des Rechts, der Pflicht, des Rittersinns zu walten — Dir dämmert auf des Lebens letzter Tag. Was jenen, adelnd, lieh die goldnen Sporen, Hast du geschändet, ftevelnd, ehrverloren. Der Waisen Schutz, die Zucht, der Schwachen Rechte Zertrat dein Fuß. Du, der zu Spott gekehrt Gottes Gebot, mußt enden nun, entehrt. Und gehst den Weg der ungetreuen Knechte.
Prälat! die Zunge schone zum Gebet, Sprach Don Juan. Ein jedes Leben geht Beschlossen hin nach vorbedachtem Ziele. Das Holzschiff bringt in Sicherheit den Leib, Allein die Nägel aus dem Lebenskiele Reißt jeder Eisenfracht Magnetberg Weib. Doch hör mich weiter, Greis im Heil'genschein
(Daß Don Juan mit dir philosophiere. Muß er, fürwahr, schon nah dem Tode sein);
Mich, der ich heiß nach Lebensquellen giere. Dich, Patriarch, mich, Ausbund, Höllenbrand, Der du zur rechten, ich zur linken Hand, Uns trennt ein Stein, der auf der Menschheit Herzen Gebettet liegt als Anstoß ew'ger Schmerzen,
Er nennt sich Weib. Ich nah' ihr, lustbereit, Als Iuchtstier breiter Lebensfähigkeit, Des erdgeborne, stets erneute Kraft Das Fleisch der großen Lebensschlachtbank schafft; So soll dem Weib mich ew'ge Paarung einen. Ich will den Grund zu geilen Ernten schlämmen,
Du willst entsagen, willst beschneiden, dämmen. Dem Lebensbaum, des Adern saftend tropfen. Willst du das Reis der Weltentsagung pfropfen. Ich will bejahen, und du willst verneinen. So wirken wir, der Menschheit Antithesen, Zwei Kräfte, die zum Widerstreit erlesen. In derem Druck der Erdball seufzend grollt Und, fortbewegt, in ihrer Mitte rollt. So schaffen treu die beiden Arbeitsknechte
Und haben beide gleiche Lebensrechte. Du tötest mich, allein auch du wirst sterben. Fort, Patriarch! Den Kampf, mein Testament, Ausfechten werden unser beider Erben. Für dich, deS Spuren rühmlos, früh vergehn. Spricht streng der Priester, will ich beten gehn. Und dafür auch, daß deiner Erben Pfade Austilgen mög' des Schöpfers Rat und Gnade.
Wie sinnbetörend deine Lippe brennt, Süße Diava, sprach mit heißem Schimmern Der Tigeraugen Don Juan entzückt. Doch sie, zur Stirn die Hände wild gedrückt: Laß ab, erbarm dich! Hörst du nichts? Sie zimmern Bei Fackelschein im Burghof dein Schafott! Eh' dich der Tod von meiner Seite reißt. Enthülle mir, beim dreimal heil'gen Gott, Wes deine Herkunft und weö Art du seist. Don Juan stieß der Kirchenfenster Flügel Wildblickend auf. Die Nacht war schwarz und heiß. Ein Wetter stand am fernen Kamm der Hügel, Die Steppe lag blitzüberflackert, weiß. Die Bäume murrten bange, schwül durchhaucht. Am Himmel schimmerten verstörte Sterne.
Zuweilen hob sich Südwind in der Ferne Gleich einem Tier, das klagend, zornig faucht. Der Burghof flammte; rötlich angeglänzt
122 Hob sich Gebälk aus Fackeln pechbekränzt. Die Säge schrie, dumpf scholl der Bretter Dröhnen. Don Juan warf vom Fenster sich mit Stöhnen. Vernimm es denn, sprach Heisern Tones er. Es zeugte mich in Qualen Ahasver. Irrend ohn' Rast durch Länder, unbekannte. Sah er ein Weib. Sie schritt im Sommerwind Am Rain der Felder, stolz, ein Götterkind; Staub zog am Weg, Gewittersonne brannte. Ihr Blondkopf sich auf edlem Nacken hob Gebräunt und herrisch, ihren Mund, den roten, Ihr starkes Haar, geschürzt zu straffem Knoten, Des Spätnachmittags Flimmergold umstob. Dies fremde Weib, gleich einer Königin Lüftend den Staub mit leichten Goldsandalen, Trug göttlich Zeichen auf der Stirn, der schmalen, Venus war es, die holde Lesbierin. Von Christenzorn aus ihrem Reich vertrieben. War ihr kein Heim, kein Tempeldach geblieben. Nun schritt sie hin, verstoßen, sorgenschwer. In Götteraugen unerfüllte Träume, Im Haar den feinen frischen Ambrahauch Attischer Luft und weißer Meeresschäume. Öd' war der Weg, die Heide heiß und leer. Und plötzlich hob, am Weg, aus Schutt und Strauch, Sich Ahasver. Er sprach: ich möchte ruh'n. Mich einmal noch am Weibe gütlich tun.
Vom Fluch gehetzt in allen Erdenwinden Mag ich vielleicht am Herzen einer Frau
Erbarmen, Labung, kurze Ruhe finden. So zwang der Bettler ungefüg' und rauh Mit wilder Lust die marmorkühlen Glieder Des weißen schlanken Götterleibes nieder Am Straßenrain auf einem Nesselbette. Kein Auge sah den jah vollbrachten Raub, Von fern nur krochen, über Hügelländern, Gewitterwolken, schwere, violette. Mit dunstgeballten, gelbgezackten Rändern. Und als die Göttin aus Gestrüpp und Ranken Entsetzt sich hob, sah fernhin sie durch Staub Im Abendrot den Bettler weiter schwanken. Sie selbst, auf irrem Wanderzug, gebar. Als es die Zeit, ein starkes Zwillingspaar, Das ward von ihr, im Kampf mit Weh und Haffen, An eines Grabens braunem Rand verlassen.
Ein Wandersmann, des Saumtier Waren trug. In Linnen mild die früh Verwaisten schlug. Und nahm sie mit sich für ein Gottvergelt.
Bald zogen sie, zwei Herrscher, in die Welt. Das Priestertum der Lust, des Sangs, der Dirnen Schuf Don Juan, sein IwillingSbruder Faust Als Fürst weltferner Hochgedanken haust In deutschen Herzen, deutschen Dichterstirnen.
Dies, Königin, ist meine Lebenssage. Nun rinnt im trüben Stundenglas der Sand, Und ob mein Herz auch Mitleid nur erfand An deiner Brust, es bebt in stillem Schlage.
Der wilde Wunsch, der mir im Blut getobt Vor jedem Weib, das ich noch nicht besessen. Dein frommer Blick macht schmerzlos ihn vergessen ...
O, dafür sei, barmherz'ger Gott, gelobt! Diava sprach's, beseligt, glückdurchdrungen. Bald ist gesprengt die Fessel, abgerungen, Im Herzen ihm der letzte Schnee getaut.
Vernahmst du nichts, Diava, meine Braut? Und beide lauschten. Aus den Höfen scholl Ein schaurig Brausen. An den Pfortengittern Erdrückte sich das Volk, erregt, in Groll. Zertretne Feuer sprühten Funkenlohen, Getümmel, Fluchen wuchs zum Lärm, dem rohen. Der Pöbelmassen, welche Blut erwittern. Ich höre nichts, nur ferner Donner tönt. Und im Gebälk der schwarze Nachtwind stöhnt. Ach, sprach er schaudernd, wende dich nicht ab, Furcht lähmt mein Herz, mein leeres, gramdurchtosteS, Wie finster ist, wie schaurig tief das Grab. Wie reut die Lust, wie schrecklich trog die Welt, Wie gähnt die Nacht ohn' Hoffen, unerhellt. Wie stirbt's sich schwer, wie bin ich bar des Trostes. Die Totenuhr.. horch, wie sie pocht und tickt..
Sei Die Die Die
still — ein Wurm im Holzgetäfel pickt. Zeit läuft ab, der Tag durchs Fenster bricht.. Lampe schwelt, noch graut der Morgen nicht. Hähne krähn .. nun stehe Gott mir bei..
Das Käuzchen rief, noch tönt kein Hahnenschrei. Doch er, vom Kopf abschüttelnd kurze Ruhe,
Den Nacken steifend, rief verstört und fahl: Fahr denn zum Ende, Lebensbacchanal! Ein Faustschlag bricht des Chorwerks Eichentruhe, Und wühlend wirft die schweren Meßgewänder Er auf der Kirche bräunliches Gestühl. Aufleuchten Seide, golddurchwirkte Bänder.
Ha, stöhnt er dumpf, zur Brautnacht welches Pfühl! Ins Schloß daü Tor, kein Fremder soll uns stören. Der Südwind singt im Turm das Hochzeitsamt. Doch sie, bang forschend, zitternd, glutdurchflammt: Begehrst du mich, soll dir mein Leib gehören? Jetzt wäge wohl. Leib oder Seele. Sprich — Die Seele, rief er, denn ich liebe dich Und will dir folgen durch die Seligkeiten. An seine Brust zog der verlorne Sohn Diava sacht, dann hob er den geweihten Kelch ew'gen Lichtes schweigend vom Ikon. Die Flammen züngelten, die jäh befreiten; Am Seidenstoff die Lohe gierig fraß, Qualm stieg empor, den rote Zungen scheuchten. Lichtbrechend starrten Saphir, Chrysopras Lasurgetränkt in märchenhaftem Leuchten. Im Flammenreiche stand das Menschenpaar, Diava rief mit letztem Liebesworte: Und harrte deiner an der Himmelspforte
Um deiner Sünden der Dämonen Schar,
126 Und wenn dich tausend Mutterflüche bänden. Zurück scheucht' ich sie mit erhabnen Händen, ES wird erfüllt, was LebenStraum mir war. — Geborsten sank das Chorgestühl mit Knattern, Die Lohe hob sich aus den Fenstergattern, Auf wildem Roß der Sturm, ihr Buhle, kam. ES sank die Burg, durchs Land die Glocken klangen. Und als die Flammen Halleluja sangen. Ist mit dem finstern Seelenbräutigam, Erlöst, Diava himmelwärts gegangen. Wen Liebesmacht in feurigem Gefährt Auf Flammenspeichen rettet vom Gemeinen, Dem werden Sonnen der Vergebung scheinen Im Heimatland, des Frühling ewig währt.
Judas in Gethsemane
Durch jenen Garten, welcher vor den Toren Gethsemanes versteckt in Trümmern sinnt. Durch jenes letzte Lebenslabyrinth, Darin sich der gehetzte Fuß verloren. Wandelte Christus. Seine Seele rang Den Abschiedskampf. Am Kreuzesstamm verschlang Der Tod das Leben. Fern aus Atherblau
Sieht er im Geiste Zions Tempel ragen. Sich selbst als Knabe in dem heil'gen Bau Die Schristgelehrten, die bestürzten, fragen. Der Jüngling dann, im Elternhaus, dem schlichten. Lebt, treu im Kleinen, harten Werktagspflichten,
Die Ziegen grast er und bebaut das Land, Der Hobel knirscht in seiner Schwielenhand; Dann naht sein Reich. Auf braunem Höhenkamme Wacht er allein, und wie zu Gott er fleht. Senkt sich auf ihn des heil'gen Geistes Flamme.
Am Strome tauft Johannes der Prophet, Und als gerieselt durch des Heilands Locken Im Sonnenblitz des Jordans Wellenschaum,
Jauchzt auf das Volk, halb gläubig, halb erschrocken. Erlöst aufatmend wie aus Bann und Traum. Den Heiland deckt ein schlichtes Wanderzelt,
Umsonst beut der Versucher ihm die Welt, Arm und verfolgt verleugnet er sein Leben. Sckoenaich-Carolath, Dichtungen.
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Er heilt und predigt, Siegespalmen weben Sich ihm zu Häupten, seinen Fischerzug
Hält er an Galiläas Meergestaden, Und alle, die bedürftig, schmerzbeladen, Lassen von Welt, von Heimat, Haus und Pflug. Die Menschheit drängt, daß sie versöhnt sich dehne Au Gott empor, im Osterjubel liegt Die Welt, und an des Heilands Füße schmiegt Aufschluchzend sich Maria-Magdalene — Und nun der Tod!
So lag der Herr zerschlagen! Und wehumfangen; ihn, den Todesmatten, Griff tiefer Schauder vor des Grabes Schatten. Ach, mir ist bang. Darf, Vater, es geschehen. Laß diesen Kelch an mir vorübergehen — So rief der Menschenheiland mit Verzagen. Doch auf zu Trost half ihm der beste Stolz,
Abscheu vor Sünde. Heiß griff ihn das Fluten Göttlicher Lust, für andre zu verbluten. Aus Gräberstaub den Lebenskeim zu raffen. Der Todeswelt ein ew'geS Sein zu schaffen.
Und doch — der Tod, der Tod am Marterholz, Das bittre Sterben! Durch die Bäume drang Ein hohles Sausen, in den kahlen Aweigen Der Sturm sein großes de profundis sang. Das Erdenlied der Qual, der Abschiedsnöt, Und plötzlich, an des Hügels schroffsten Steigen Stand vor dem Herrn Judas Jschariot.
Judas begann: Dir, welchem die Gewalt, Dem Erde, Himmel, Ewigkeit ward eigen. Ich rufe dir für diese Welt ein Halt. Das war die Nacht, drin Abgrundgeister rangen. Die Schreckensnacht, aus deren Bacchanal Das Heil der Welt still über Tod und Qual
Als Stem, durch Tränen schimmernd, aufgegangen. Der Südsturm schmetternd in die Aste brach.
Schnaubend und schwül, gleich einem Riesenfächer Schwankte, gebeugt, der Olhain; Judas sprach: Du bist der Herr, ich aber bin der Rächer. — Geschöpf bin ich, und du — bist Gottes Sohn.
Von jener Iwölfschar, die den Siegeswagen Dir schleppen half, die den Prophetenthron Dir aufgebaut und in des Glückes Tagen
Verzückt dir folgte, kränzemüd', bestaubt. Hab' deiner Gottschaft ich zumeist geglaubt. Heut wardst nun du, der Herrscher aller Dinge, Von mir verkauft um dreißig Silberlinge. Das Leben, sprich, was ist's ein Todeskampf?
Warum der Erdball eine Scherbenstätte, Von Tränen triefend, starr von Blutesglätte, Brandig umschwelt von schwerem Opferdampf? Wozu der Menschheit, die nach Leben trachtet. Die Spanne Zeit, dem Lebensdrang ein Spott, Dies Dasein als ein ewiges Schafott, Darauf Möglich sie gewürgt, geschlachtet?
Sprich, was verbrach die Welt? Ein karges Grün Treibt sie zur Lenzzeit fröstelnd und mit Mühn, Wie Fieberaussatz, und die Trauerweide Beschattet trüb, Wahrzeichen dieser Welt,
Der Menschheit Straße, die kein Glück erhellt. Die Pendelwandrung von Begier zum Leide. Der Säugling, der ins Leben ward gesetzt AuS Nacht und Nichts, er klammert sich, entsetzt Vor seinem Schicksal, an die bleiche Mutter, Und Blut wie Tränen sind sein erstes Futter. Es schlägt um ihn als erstes Windeltuch Der Väter Schuld den angestammten Fluch, Und oft geschieht's, daß noch vor Nachtgebet Grinsend der Tod am Wiegenrande steht. Wer zählt die Blüten alle, kaum erschlossen. Die Lebenshoffnung, Liebesmacht erweckten Und morgens welk der Hoffnung Hügel deckten? Wer zählt die Tränen, welche heiß geflossen In langer Nacht, wer zählt die wilden Stunden Der Raserei, wenn in das finstre Grab Ein Weib, aufschluchzend. Glück und Hoffen gab? Wer zählt das Tröpfeln aus viel tausend Wunden? Das schwache Flämmchen, das sich Bahn gesucht.
Verglimmt, verschwelt, der Triebsand weht darüber. Im Morgendämmern zieht, ein Rauch, hinüber DeS Kindleins Seele, sacht, wie auf der Flucht. Weh aber dem, von dessen Wurzel glitt Ohnmächtig ab des Todes Sensenschnitt! Gleich einem Rohr, das mattgestoßen trauert.
Wenn es der Nachtwind wuchtend überrennt. Lebt hin der Mensch, von allem überschauert. Was Täuschung, Qual und Herzensangst sich nennt. Es toben sich an ihrem Opfer satt Begier und Sünde rastlos, ohn' Erbarmen Und zeitig brechen mit den Knochenarmen Ihm Zweifel grinsend jedes grüne Blatt. Ach, ob sie schier in Bitternis ertrank,
Ob jeder Wunsch, ob jedes Ziel vergebens. Die Menschheit lechzt nach Frieden, Opfern, Dank. Wer zögerte, Gewißheit ew'gen Lebens Blind einzukaufen, sei's durch ärgste Pein? Wer würde nicht sein Grauen niederzwingen Und still gefaßt, ergeben, muterprobt In einen Abgrund voller Messer springen. Daraus die Hölle selbst entgegentobt? Nur müßte kurz dies Schreckensopfer sein! Ach, eitler Wunsch. So wie versteckt vom Ast Ein Tiger hält die Herden unter Lauer, Bleibt über uns, sprungfertig, ohne Rast Die Todesfurcht verhängt auf Lebensdauer. Wir schleppen hin auf einem Berg von Scherben Ein sterbend Leben, ein lebend'geS Sterben, Wir spüren ihn, wir schmecken ihn, den Tod, In jedem Trünke, jedem Bissen Brot, In jeden Laut, in jedes Liebeslallen Läßt er sein Röcheln als Begleitung fallen.
So hetzen uns durch dieser Erde Gründe Die Herzensangst, der Jeugungötrieb, die Sünde.
Wollust, Brandstifterin! Weh ewiglich Dem Leibe, den dein Skorpionenstich Vergiftet hat mit Bissen, heimlich frühen. Kein Wasser kühlt des Blutes ärgste Pest, Und Teufel feiern, wenn die Adern glühen.
Der roten Sünde grimmstes Freudenfest. Weh ihm, dem Menschen, den versengt dein Fluch! Sein Leben bleibt ein flammend Nessustuch, Sein Fleisch ein Dorn, daö innerste Verderben Als ftessend Feuer schleichend zu vererben. Denn er, den Wollust früh ins Grab gebracht,
Geschlechter reißt er mit in Schuld und Nacht. Unstet und abgekehrt der Lüstling schwankt. Dem Raubtier gleich, das scheu, von Gier getrieben. Den Schleudern trotzend und den Knüttelhieben, Blut witternd nächtlich um die Hürden wankt. Geiz, Seelenmörder! Ehrbegier, Kumpan Der Lebensnächte, da wir schlaflos spannen Ein Purpurkleid dem eignen Größenwahn, Dem Manne Weh, dem ihr euch aufgedrängt! In eurer Mitte, taumelnd eingehängt Gleich einem Trunknen, schleift ihr ihn von dannen.
Ihr leitet ihn, daß ihm kein Sträuben nütze, Zur Selbstsucht hin, der trübsten Lebenspfütze, Dort schläft er dann so wohlig hingestreckt. Daß ihn kein Trieb, kein Anruf mehr erweckt. So wirkt der Fluch; gepaart mit Adams Stamme: Wer einmal trank der Sünde herben Seim, Läßt schwer vom Faß und kehrt gar selten heim —
Dem Trunk folgt Tod, Gericht und Tilgungsslamme. WaS ist's, daS uns mit Klammern, tausend zähen, Ergreift und hinzieht zur verbotnen Tat, Zu Sündenfällen, nie geahnten, jähen?
Was frommt, wenn uns Versuchung flüsternd naht, DaS Wachs im Ohr, der Vorsatz obzusiegen. Da wandelloS, dem Lauf des Schicksals nach. Vorausbeschlossen unser Unterliegen? WaS frommt die Reue, denn waS soll die Schmach?
Wie auf den Palmkern knirscht des Stößels Holz, Zermalmt die Sünde täglich unsern Stolz, Und täglich strecken nach der Taborhelle Die Hände wir, verlangend und entzückt. Da täglich doch die Last des Fleisches drückt Uns tiefer in deS Lebens trübe Welle. Es ist kein Glück, daS nicht verwelkt im Kern,
Kein Liebeötraum, der nicht gelogen hätte. Kein sichres Gut und keine Friedensstätte, Kein Erdentrost, kein guter Lebensstern. Baumeister Gott! So herrlich deine Welt, Ein Fehler ist'S, der ihren Bau entstellt: Den Treppengang, den Weg zu Licht und Heil, Für Menschenkraft schufst du, Gott, ihn zu steil. So schleppt die Welt, zur eignen Sündenlast, Ein Schicksal, das du mitverschuldet hast. Im Kern gespalten, lahmt der Gang der Erde, . Wohin das Auge flüchtet, klafft die Spur Don Willkür, Mord; eS ächzt die Kreatur — Ich aber will, daß ihr ein Rächer werde.
Nun du gesandt hast in der Menschheit Mitte, Wo nur der Tod verbürgt und sicher haust.
Den eignen Sohn, soll helfen meine Faust, Daß er den Riß mit seinem Blute kitte. Weil ich in ihm, in seines Mantels Falten Gott selbst zur Erde niederreißen kann. So will ich greifen ihn und klammernd halten, Daß Rache mir sein Martertod gewähre —
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Herbei, Soldaten! Knechte, faßt ihn an. Den Judenkönig greift, Legionäre!
So durch den Sturm, bekämpfend dessen Wucht, Lief der Verruchte mit erhabnen Händen, Nach Knechten schreiend, daß sie Jesum bänden. Schon sprühten Fackeln, durch den Olhain drangen
Bewaffnete, sie trugen Spieße, Stangen; Da wandte der Verräter sich zur Flucht.
Doch Jesus schwieg, von seinem Auge brach Ein Leidensblick, es folgten in die Ferne Dem irrenden, verlornen Kinde nach Des Heilands dunkle, stille Augensterne. Dereinst, wenn uns die letzte Stunde tagt. Wenn uferlos der große Abgrund offen. Darin versinkt jedwedes Erdenhoffen, Daraus errettend keine Insel ragt. Wenn Todesschauer foltern unsre Seelen,
Um unser Sterbebett die Kerzen schwelen.
137 Und ruft uns blutend das Gewissen zu: WaS Judas tat, daS hast getan auch du. Auch du hast oft, wenn nicht durch Wort und Taten, So in Gedanken deinen Herrn verraten —
Dann soll der Blick, der voller Mitleid galt Der Kreatur, die in der Nachtgestalt JschariotS empört zu Gott geschrieen Und all ihr Leiden, ihren Haß und Groll Durch eine Fluchtat, groß und schreckenövoll,
Dem Menschensohn ins Angesicht gespieen — Dann soll der Blick unS Sterbenden auf Erden Zum hellen Stab, zur Himmelsleiter werden, Und brausen soll durch unsre Sterbensnacht Wie Jubelruf der Botschaft Donnergrollen, Daß droben wir mit beßren Waffen sollen Noch einmal auSziehn zur Entscheidungsschlacht. Wohl ob durchmeßner, finstrer Lebensbahn Türmt Sünde sich, verklagend, himmelan Und will die Schatten bis ins Jenseits treiben, DeS Heilands Blick auf JudaS aber spricht:
Ob groß die Schuld, ob groß auch das Gericht, Die Liebe wird am allergrößten bleiben.
Requiem. Die Nacht ist weich. Es duften stark Im Glas die Rosen. Verschwelend knistern Die Kerzen. ES murrt der Wind im Park Gleich Orgelton aus tiefen Registern. Wir sitzen allein.
ES rinnt dahin Der Atem der Nacht. Wie Geistersprache Verklang das Vorspiel zu Lohengrin, Ein Heimruf, im schwülen Prunkgemache.
Tief aus dem Garten, in Zickzackflucht, Ein Falter naht, um von den Scheiben Zum Kerzenglanze, mit störrischer Wucht, Geblendet die zirkelnde Bahn zu treiben. Er hat den sengenden Tod erwählt. Sich sehnend, sein kurzes Sommerleben Lichttrunknen Herzens, wunschgequält.
Der Schönheit opfernd, hinzugeben.
Ihn treibt zu Flammen ein dunkler Zug, Und schweigend will er in Licht begraben Des Lebens fröstelnden Eintagsflug, Er will nicht Rettung noch Mitleid haben —
Du lächelst: Er war ein armer Narr; In Spott aufblitzen deine Jähne, Und dennoch wandert seltsam starr Dein Auge zu der toten Phaläne.
Fühlst du der Schönheit uralten Fluch, Vererbt aus verschollenen Sündentagen? Ward plötzlich das kühle Byssustuch Des Todesahnens um dich geschlagen?
Erwägt es heimlich vielleicht dein Sinn, Es werde mein Stolz in Trümmer brechen Und ich, zu Füßen dir stürzend hin. Aufschreiend von heißer Liebe sprechen?
Wohl möcht' ich deinen betörenden Leib Umschlingen, ein Spielball düstrer Gewalten,
Doch wenn ich erwachte, würd' ich ein Weib, Ein müdes, am leeren Herzen halten.
Wohl möcht' ich, verlachend dein Machtgebot, Mit Küssen bedecken dich, sinnverloren. Und schlüge tausendmal siegend der Tod Aus deiner Augen Sehnsuchtstoren. Doch über der Schönheit, die lodernd lebt In dir, gleich einem vernichtenden Sterne, Ein dunkler, verhallender Hornruf schwebt.
Er ruft an dir vorbei, zur Ferne.
Er ruft von Schönheit und Glück abfett,
Von kurzen, schmerzenden Erdenwegen Hinauf in die Hochluft der Ewigkeit, Dem brausenden, neuen Lenz entgegen. So breche auch ich mit fester Hand Den knirschenden Stab vom Eschenstamme, Und preise, daß ich den Heimweg fand Von dir, du süße, lachende Flamme. Ich gehe hinaus in die rauschende Nacht, Au scheiden, als Fremdling, unverstanden. Gleichviel, ob deine Lippen gelacht. Ob sie ein Wort des Mitleids fanden. Ich halte dem Glücke das Totenamt
Und trage die Weltlast meiner Schmerzen Aur Freiheit, die hinter Bergen flammt, Jur Heimatsonne der Dichterherzen.
Holunderblüten. Es ist ein Apriltag im Süden, Ein Tag, gar süß zu verträumen. Die Blüten, die weißen, müden, Gleiten still von den Bäumen.
Das will mich an Herzen gemahnen. Die in der Jugend Mitten Schieden von Erdenbahnen, Eh' sie geliebt und gelitten. Das mahnt mich an Freudenlesen, Als Jugend und Himmel einst offen. An Träume, die groß gewesen Und nun versunken ohn' Hoffen, An alles, was einst mit Schimmer Das Leben durchstrahlt und verhüllet. An alles, was leuchtend immer Und doch blieb unerfüllet. An erster Liebe Schauer, Die uns das Herz gewendet Zu Gott, und doch in Trauer So früh, so früh geendet —
Die Blüten, die uns lachten. Die uns der Frühling genommen. Eh' sie Erfüllung brachten, Sind nicht vergebens gekommen. Damit ein Sehnsuchtsschimmer Geheiligt unser Lieben, Und weil am Süßesten immer, Was unerreicht geblieben.
Hieß Gott vorbei sie schweben.
Die Scheidestunde verfrühend. Dereinst im bessern Leben
Sie uns zurückzugeben Rein, ewig blühend.
Genrebild. Herr Holger am Kamine sitzt. Sein Brackhund bei ihm wacht,
Nacht ist's, die Flamme knistert, blitzt Und der Klotz in der Lohe kracht. Herr Holger in Sinnen versunken ist. Er wirrt des Bartes Flaum. Es streckt die Bracke den Widerrist, Und beide sinken in Traum. Es denkt der Hund an einen Tag, Da die Heide hilfefern.
Da der Keiler über Herrn Holger lag Und er befreit den Herrn — Herr Holger doch martert seine Stirn In Sinnen schwer und stumm:
Wie er zu Willen einer Dirn Den Blutsfreund brächte um.
Kreuzfahrt. Noch glaub' ich im Traum zu fühlen Den Druck sanft und verzagt Des Händchens, des schmalen kühlen. Als sie mir Abschied gesagt;
Noch flattert beim Schimmer des Mondes Fern über finstrem Moor Gleißend ihr dunkelblondes Leuchtendes Haar empor. Noch oft beim Rauschen des Windes Klingt der Widerhall Fremd wie das Wort jenes Kindes, Süß und verträumt von Schall;
Noch ist es mir oft, als riefe Ihr Lachen silberklar Aus murrender Gärten Tiefe Herüber wunderbar... Ich schrecke empor; die Wüste Dehnt sich, verblaßt und leer. Hoch über die staubfahle Küste Donnert das Syrische Meer,
Ich reite hinaus in die Fremde, Und meine zuckende Hand Zieht überm Kettenhemde Fester das Büßergewand.
Merlin. Wir sitzen im keltischen Eichenhag Und schauen südwärts über die Wellen Dorthin, wo rastlos, Schlag auf Schlag, Die immerwandernden Wasser zerschellen.
Sie rauschten wie heute, da einst Merlin In verschollenen Frühlingstagen Aus dem Königsschlosse sein Lieb dahin
Ium Jaubereiland getragen. Er hatte von ihrem Munde kaum Den ersten Kuß genommen. Da kamen durch gälischen Meeresschaum
Wikingsschiffe geschwommen.
Sie segelten im Dreikant an. Ein schwarzes Riesengeschwader, Drauf starrte von Eisen Mann für Mann Und von Haß jedwede Ader.
Merlin entwich in die Wälder tief Und hat mit Jauberspruche Sein schauerndes Lieb, das im Arm ihm schlief.
Verwandelt in eine Buche. Doch als der Jauberspruch vertönt.
Nach Streitern rief der Skalde, Die brachen, in Fellen und stahlgekrönt. Mit Gleißen hervor aus dem Walde. Sch»en«ich-C«r»lath, Dichtungen.
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Und als die Schnitter ihr Werk getan
Im grünen Jnselreiche, Trieb vom Solent zum Ozean Die letzte Wikingöleiche. Merlin doch ging in den Aauberwald Von Kampf und Siegen zurücke. Daß er seiner Liebe Huldgestalt Wachküsse zu neuem Glücke. Doch mochte den Mund er fort und fort An den rauschenden Waldbaum pressen; Er hatte des Zaubers Erlösungswort
Im Schlachtgetümmel vergessen. — Merlin blieb ein glückloser Mann Bis an sein spätes Ende, Um seine Taten und Lieder spann Ranken die Legende.
Nun rauscht im Lenze der keltische Hag, Und die tausendjährigen Wellen lachen. Uns aber wird kein leuchtender Tag Verlorner Liebe vergessen machen. Es wird kein Kronenreif Erins,
Kein brausender Sieg im Leben Uns das versunkene Glück Merlins, Die Jugend, wiedergeben.
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Sommerfest. Ins helle Land das Bergschloß droht. Es rauschen von seinen Zinnen
Die Seidenfahnen leuchtend rot, Trompeten schmettern drinnen. Die schöne Braut am Söller steht: „Hilf, Mutter, spähn in die Runde" — .Mein Kind, der Staub in Schwaden geht, Im Dorfe bellen die Hunde.'
„Ach Mutter, ich sah den Tod als Gast! Er kam um Festesmitten, Vom roten, flatternden Fahnendamast Gelockt, herbeigeritten.
Die knöchernen Glieder erzumstarrt Und wölfisch witternd nach Beute" ... .Mein Kind, dich hat ein Traum genarrt. Genieße das lachende Heute.
Den Toten gönne das finstre Reich, Sie fordern Seelenmetten, Dich aber umschlingen voll und weich Des Lebens Rosenketten.'
148 „Siehst, Mutter, den Reiter du sprengen im Hag, Gefolgt von schnappenden Doggen?" ,Jch sehe nur flimmern den Nachmittag, Und im Windstoß wogen den Roggen.'
„Ach, Mutter, der grinsende Tod sprengt an Auf klappernden Rosseshufen" ... »Mein Kind, dich täuscht ein Brausen im Tann Und des Türmers Stundenrufen.' Es stürzen die Gäste den Goldpokal, Die Blicke lachen und flammen; Da flieht die schöne Braut zum Saal, Erbleicht und bricht zusammen.
Aufschreien Herren wie Gesind', Zum Tor die Gäste drängen.
Das Schloß wird leer; der Sommerwind Singt in den öden Gängen. ES ragt, von brütender Schreckenslast Erstarrt, das Schloß aus den Eiben; Die Fahnen senken sich halbmast,
Der Abend brennt in den Scheiben.
Der schwarze Hanns. Ein Försterhaus.
Herbstabend.
Um die Giebel
Stößt der Novemberwind. Im niedern Saal, Dem rauchgeschwärzten, saßen am Kamine
Mein Freund und ich. Das derbe Jägermahl War just beendet, durch das Zimmer zog Schon blauer Duft, und in den Gläsern blinkte DaS Kirschenwasser. Am Getäfel stand Der alte Förster, aus dem Maserkopfe Ingrimmig dampfend, dann und wann ein Wort Still vor sich brummend. Lächelnd schob mein Freund DaS Glas ihm hin: „Trink, Alter, laß die Grillen Für heute ruhn! Du hast kein Recht zu schmollen Nach solchem Jagdglück. G'rad' im letzten Triebe Den starken Wolf! Er blieb im Feuer, nicht? Ja, Blattschuß — Grabschuß. Kam er durchs Gehege Dir flüchtig an? Nun, Kunde gib uns endlich. Wie war's damit?"
„Womit? Ah — mit dem Wolf? — Ach, gnäd'ger Herr, den hat die Kugel leider Zu gut gefaßt, denn gerne hätt' das Vieh Ich erst gewürgt und ihm mit meinem Messer Rasch ein paar Löcher in den Balg gemacht — So war's zu spät. Der Teufelsbraten rollte Im Knall kopfüber, schnellte sich durchs Laub
Blutübergossen, sah mich nahen, heulte Zehn Worte noch und streckte sich und starb, Eh' ich herankam."
„Was? Ein Wolf... zehn Worte? Vernehm' ich recht? Plagt, Alter, dich das Fieber? Ein Wolf — zehn Worte!" — „Gnädiger Herr, verzeiht. Es ist die Wahrheit." — „Gut, so laß uns wissen: Was sprach der Wolf?"------Der Greis griff nach der Stirne Und schwieg und sann. Sein wetterbraun Gesicht Durchlief ein Schimmer. „Als einst jung ich war," Begann er leise, „stand im Waldrevier Noch eine Mühle. Wo der Glimmerbach Zum Teich sich breitet, war's. Jetzt wuchert Schilf Und Unkraut drüber. An der Mühle lag Ein Blumengärtchen, frisch von Wasserstaub Und Quellgeriesel. In dem Gärtchen blühte Manch Rosenstrauch, doch schöner blühte noch Des Müllers Gretchen... Ja, das war ein Kind, Fromm, brav und herzig! Zöpfe hatte sie Dick wie mein Arm, und was für Augen! Tief, Ganz voller Sonne. Und wie lachte sie So herzlich gern, wie klang ihr Lachen silbern Und glücklich-hell! Kurzum — sie war mir gut. Denn, gnäd'ger Herr, nicht immer war ich mürrisch
Und krumm wie jetzt! 's gab eine Zeit, da schauten Die Mädchen mich nicht eben ungern an; Ich aber lachte, denn im Herzen hielt Ich Müllers Gretchen.
Damals lag ein Krug Hart an der Straße, die den Wald durchschneidet. Ein Krug, wo Grenzer, Händler, fahrend Volk Oft Einkehr suchten. Ein verrufnes Weib Führte die Wirtschaft, in der Schenke half Ein Sohn ihr aus. Man nannte ihn im Lande Den .schwarzen Hanns'. Herr, einen schlimmren Wildrer Gab es noch nie. Schlau wie die Wildkatz, tückisch Wie hundert Marder, grausam, feig, ohn' Ehre Und ohn' Gewissen. In der grünen Saat Fing er das Rebhuhn samt der Brut, der jungen. Die noch nicht flügge. Auf die Wechsel warf Er Draht und Schlingen, daß sich elend würgte Iu Tod das Rehwild, sei es Bock, sei's Geiß; Das Muttertier, das hochbeschlagne, knallte Er ruhig nieder, beutegierig, einzig Auf Geld bedacht. Dabei unfaßbar, listig. Den Jägern Freund, die eignen Raubgenossen,
Wenn's immer ging, für guten Sold verratend. Den Burschen fing ich nun, als einen Bock Im Morgengraun er aus der Schlinge löste, Und lieferte, wie's meine Schuldigkeit,
Ihn ohne Mitleid auf das Landgericht. So weit war's gut, doch in den Städten sitzen
152 Am grünen Tische Herren, die das Recht AuS Büchern lesen; die den größten Schuft
Oft schuldlos sprechen, und den Armen, der Vor Hunger stiehlt, im Zuchthaus faulen lassen; Die so viel fragen, daß ein klares Ding Zuletzt zum Wirrsal wird voll Kniffen, Pfiffen; Die'S so weit bringen, daß zum 3E das U Und zum Maulesel eine MüllerSkuh — Die schickten richtig auch nach ein paar Wochen Den Hanns zurück. Seit jenem Tag begann Ein stummer Krieg. Da fand ich meine Hunde Im Stall vergiftet; da die Roggensaat Auf meinem Acker über Nacht zertreten! Da glimmte Jündschwamm im Gebälk am Haus; Da pfiff durchs Fenster einmal eine Kugel Mir hart vorbei, daß ich den warmen Hauch Zu spüren meinte. Und dann endlich kam, WaS ich geahnt — im eigenen Reviere Ein Hinterhalt. Die Hunde schnürten mich An Kiefernäste so, daß wie ein Kreuz Gestreckt ich schwebte. Tage gingen hin. Bi« man mich fand, doch lange Wochen schwanden. Eh' ich erwacht. Ein Glutball zuckte kreisend Mir im Gehirn, in den verrenkten Adern Kochte das Blut. Doch ich war jung und nervig. Kurz, ich genas. An einem Nachmittag, Es war schon Herbst, schlich mühsam ich am Stabe Hinab zur Mühle. Von den Bäumen fiel
Rotgelb das Laub.
Das Gärtchen, drin so oft
Ich glücklich war, sah mich verwildert an. Das Haus war still — kein Laut — die Räder standen Schlafend im Bach. Am Tore kauerte Der Müller selbst. Ein Lodenrock umfloß Die hagren Glieder. Stumpf sah er mich an. Ich aber lallte: »Gretchen — wo ist Gretchen — Da sprang er auf: »Verflucht! mein einzig Kind... Der schwarze HannS ... geh weiter. Fremder, weiter Und bet für sie... ‘ So, gnäd'ger Herr, so hat Sich Hanns gerächt. Wo einst die Mühle ragte. Liegt jetzt ein Teich. Verdorben und gestorben Ist, was ich liebte. Ich ward zeitig alt Und mürrisch drum. Griesgrämig und langweilig Ward ich dazu. Verzeiht mir, gnäd'ger Herr, Haltet's zu Gnaden." In dem Schlote fing Sich jäh ein Windstoß. „Alter, laß die Sorgen
Begraben sein. Nicht wußt' ich, daß dein Leben So trübe war. Doch komme weiter nun. Besinne dich — du wolltest von dem Wolf
UnS ja erzählen. Hier, trink noch einmal Und komm zur Sache." — „Herr, ich blieb dabei. Laßt mich nur reden. Seht, ich glaub' daran. Daß jeder Mensch gewisser Art von Tieren Genau entspricht. Es herrscht geheimes Band, Herrscht Blutverwandtschaft, die sich nie verleugnet.
So glaub' ich fest an Seelenwanderung Und an Vergeltung. Kühne Menschen waren Wohl Löwen einst. Feiglinge wurden Mäuse, Die sich verkriechen. Schlaue Winkelschreiber Werden zu Füchsen. Keiner macht mir weis, Daß unser Propst, der fett auf seiner Pfründe, Nicht einst ein Dachs war. Kommt der Beitel mir, Der Betteljude, furchtsam greinend an. So ruf' ich: ,Hase!' Hase — ja, fürwahr Ich wär' kein Jäger, kennt' ich nicht den Blick Auf Schrotschußweite, den gehetzten Blick Des Vagabunden! Keine Ruhe hat Der Heimatlose. Stündlich frischgehetzt Von groß und klein, verhöhnt, verjagt, verschrieen Ohn' Rast, ohn' Obdach, ist die beste Wehr, Sich still zu ducken. Doch umsonst — die Ohren, Die schlotternden, trübselig großen Ohren
Verraten ihn. Seht euch den Beitel an. Gnädiger Herr, und sagt..."
„Beim Himmel, Alter, Kommt nun zum Ziel! Vom Wolfe sprachen wir. Hört Ihr, vom Wolf! Was tat er, als die Kugel Das Fell ihm schlitzte? Fürder wollt vom Weg Nicht nutzlos schweifen." —
Das tat ich nimmer.
Ich angelangt.
„Gott behüte, Herr, Just bin bei dem Wolfe
Fürwahr, eö gibt kein Tier,
DaS feig, so elend feig trotz seiner Starke Ms solch ein Wolf. Tags schleicht er durch den Wald, Blinzelnd und scheu, kaum daß an eine Ratte Er frei sich wagt. Was tut das Teufelsvieh?
Eö spioniert! Wohin zur Rast sich setzte Ein müdes Reh, das merkt er sich — wo immer Ein wehrlos Wesen weilt, da kreist im Bogen Er rastlos hin. Und ist die Nacht gekommen. Wird er zum Mörder. Lautlos hingestreckt
Am nassen Boden, kriecht er, schweißbegossen Vor Angst und Gier, bis arglos er, im Bette, Sein Opfer findet. Und er tötet still. Der schmutz'ge Würger! Kommt es, daß der Schrei Der wunden Hinde jäh den Platzhirsch weckt. Den braven Wächter, klemmt er scheu die Rute Und läuft davon. Er mordet nur, was schüchtern Und wehrlos ist. Hat er sich mal verkitten In blinder Gier, und droht ihm die Gefahr, Wird seine Feigheit kläglich offenbar. So ging eS heut'; nach einer langen Hetze Saß unser Wolf gefangen wie im Netze, Ich sah ihn ratlos auf und nieder schleichen,
DaS Haar gesträubt auf seinen magren Weichen, Ich sah, wie er ins HeidegraS sich drückte Und wie verzweiflungsvoll er um sich blickte. Dicht hinter ihm mit Knütteln alle Treiber, Er wagte nicht, sich über ihre Leiber Den Weg zu bahnen, und nach meiner Buche Nahm er den Weg, als ob er Gnade suche;
Er sah mich an, so demutsvoll, so fragend. Mit trüben Augen, die ganz menschlich klagend. Und wedelnd wies er, wie ein Hund, die Junge — Ich aber schoß ihn mitten durch die Lunge, Und warf mich auf ihn mit gezücktem Messer,
Damit er rascher stürbe, nur nicht besser. Doch kam zu spät mein ungestillter Eifer, Kopfüber ging er, ganz voll Blut und Geifer, Und starb und sprach zehn Worte, zehn an Zahl:
,Zch bin der schwarze Hanns, der dir die Grete stahl.'"
R
Mittagsgespenst. Die graue Stadt im Norden An flimmernden Watten liegt. Darüber herb von den Fjorden Der salzige Seewind fliegt. Die Türme, die Schlote ragen. Es hütet der finstre Platz Aus meinen Jugendtagen Mir einen verborgnen Schatz. Oft taucht im Kranze der Myrte, O Liebste, dein Bild empor, Noch flingt mir das süß verwirrte Wort deiner Treue im Ohr,
Dann sannest du kalten Ermessens Und wähltest Ehren und Gold... Die Sturmflut des Selbstvergessens Ist über dich hingerollt.
Nun lebst du, beneidet, umworben. Dein Rotmund flüstert und lacht. Und doch bist du längst gestorben In schauriger Frühlingsnacht,
Du bist versunken, verloren, Und über den schimmernden Hort Wie zu Julin und Stavoren Wandern die Wellen fort.
Mich aber faßt jäh im bunten Leben ein fremder Klang, Der aus der Tiefe dort unten Lähmend ans Herz mir drang. Oft bleib' ich am heißen Strande Erblassend, ein Träumer, stehn. Denn tief im versunkenen Lande Hör' ich die Glocken gehn.
Und fern, ein Schemen verschwebend. Ragt glitzernd, von Wellen umwiegt. Die Stadt, wo lachend und lebend Mein Lieb begraben liegt.
Erscheinung. Zum Fenster drängen sich erschrocken Die dunklen Bäume bei Iwielichtschimmer; Die lote Braut schwebt still durchs Zimmer,
Im Sterbekleide, mit dunklen Locken. Im Glase duftet Kirchhofsflieder; Sie spricht: Ich habe nicht Ruh' im Grabe Und muß allnächtlich kehren wieder. Weil ich dich einst verraten habe.
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Aus Junitagen. Iwei Rosen leuchtend frische Trug sie im dunklen Haar, Ihr Blick, der träumerische. Voll Glanz und Jugend war. Das Korn durchlief ein Wogen, Am Himmel weiß und weit Die Federwolken zogen, ES war zur Junizeit.
Die Lande küßte leise Ein Glockenklang im Wind, Und mein zur Lebensreise Gab sich ein glückliches Kind,
Sie träumte von Glück und Frieden, Von Lenzen, die nicht vergehn — Und doch durft' ich hienieden Sie nur noch einmal sehn. Da schlang ein Kranz von Myrten Sich durch ihr dunkles Haar, Buntdüstre Schatten irrten Um Chorstuhl und Altar, Die Kerzen schwelten finster,
Der Tauwind sang am Dach, Als man für sie im Münster Das de profundis sprach.
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Die Einkehr. Kein Stern vor Heller Schenke, Kein Kranz von Birkenlaub Am blanken Schildgehenke; Nur Sonnenglut und Staub. Auch trägt nicht nach den Frohen Mein müdes Herz Begehr, Nur ihre Lust bedrohen Würd' meine Wiederkehr. Dort oben auf dem Bühle
Ein Kirchlein lacht ins Land, Mit dunklem Chorgestühle Und Bildwerk allerhand. Davor im Lindenschatten
Ein Gottesacker liegt. Um Kreuz und Gräberplatten Das dürre Feldgras fliegt. Und zwischen den Ruinen
Des Mittags Laut verstummt. Ein Heer von wilden Bienen Im Sonnenglanze summt. Es rauschen still die Linden Dem müden Lebensgast: Hoch über Staub und Winden Wirst früh du wiederfinden. Was du verloren hast.
$ Gchoenalch-Carolath, Dichtungen.
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Verblühter Frühling. Es ist ein trüber Junitag, Der Nebel rinnt durch feuchtes Grün, Der Pirol singt mit süßem Schlag Und taubeschwert die Rosen blühn. Tief in des Parkes Blätternacht Ein Rauschen schläft, ein trüber Schall, Als würd' ein Glück zu Grab gebracht Bei leisem Frühlingsregenfall. Noch träumt verschollen in der Luft Ein Lachen, das im Park verstob. Noch schwimmt im jungen Grün der Duft, Der einst ihr blondes Haar umwob.
Sie selbst, zog längst die Silberspur
Dorthin, wo keiner bangt noch irrt — Jetzt schläft der Park, ein Windstoß nur Die tropfenschweren Bäume wirrt. Und leise strebt in heil'ger Ruh
Vom Lenz, des Blütentraum zerbrach, Mein Herz der großen Heimat zu. Ewig geliebtes Lieb, dir nach.
Nach dem Gewitter. Nun zucken verlodernd, versunken Die Blitze vom Waldesrand, Es regnet, sattgetrunken Hat sich das brünstige Land.
Ein Eichbaum am Hügelkamme Verknistert im Wetterschein; Um Höhen buhlt die Flamme, DaS Tal nur birgt Gedeihn. Den goldnen Weizenschobern Schuf kein Gewitter Harm — Schon bricht in frohem Erobern
Vom Dorf ein Schnitterschwarm. Es muß, ein Brand im Regen, Auch der Poet verglühn. Der Dichtung Feuersegen Durchs dunkle Land zu sprühn.
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Scherben. Durch die Gassen, er eilt nicht sehr. Schiebt ein Trödler den Karren her; Viele Leute wandern vorbei, Fragen, was wohl zu haben sei.
Scherben — kauft Scherben! Und sie wenden sich murrend dann:
Dieser seltsame Handelsmann Wird kein Gut sich erwerben. Scherben verkaufen ist Brauch nicht noch Fug, Scherben hat jeder selbst genug. Rufen wir rasch die Polizei, Denn uns stört des Bettlers Schrei:
Scherben. Aus dem Dickicht vor dem Tor
Zieht der Bettler die Karre hervor. Spannt sich ein vor den Scherbenschund; Treulich folgt ihm nur sein Hund In des Hungers Verderben. Ach, ihr Reichen seid gut daran.
Kauft euch ein neues Porzellan; Doch des Ganzen ist keiner wert.
Der nicht schweigend die Scherben ehrt. Seht, euer Haus bis zum Turmesknauf Baut sich aus Scherben der Armut auf. Fremdes Bemühen und fremde Kraft
Haben euch alles herbeigeschafft; Was an Trümmern das Leben weist,
Habt ihr Reichen verschuldet zumeist. Glaubt mir, vergeßt nicht höhnisch und satt. Was euch die Armut erworben hat, Raubt dem Volke zu keiner Zeit Glauben an Gott und Gerechtigkeit. Nehmt ihr dem Volke dies Osterei, Hilft euch dereinst kein Eiapopei,
Und kein Glockenläuten versöhnt, Wenn die Carmagnole tönt. Eure bluttrunknen Erben.
Ihr doch, die arm und beladen seid. Wisset: Reichtum schafft Sünd' und Leid. Was auf prunkendem Sockel steht, Morgen leichtlich zum Kehricht geht. Ja, der Menschheit Entwicklungsgang Schiebt durch Schutt sich und Scherbenklang. Jenes ist stets das größte Gedicht, Draus der Schrei um Zerschlagnes bricht. Menschenglück ist zerbrechlich Ding, Aber du, dem's zu brechen ging. Willst als ein Held du sterben, Schlage dir selbst entzwei beizeit Alles, was unwert der Ewigkeit, Fürstengunst und Parteientum, Huld der Massen und lauten Ruhm.
Wenn du den Plunder hast eingesargt, Setze dich an den Lebensmarkt,
Und den Narren des Glücks zulieb Zeige, waS dir im Sacke blieb.
Schutt, der blitzend noch Leben lügt. Heilige Trümmer, die Gott nur fügt, Träume, begraben in tiefster Brust, Kämpfe, davon kein Freund gewußt. Brechende Hoffnung, einst stolz gehegt. Aussaat, der Ewigkeit gelegt, Qualen und Freuden, vergangen wie Rauch, Deine, Freund Leser, die meinen auch — Scherben.
Vorüberreitend. Dort, wo die Wiesen abwärts gehn Zur blauen Bergeskette, Mag tief im rauschenden Walde stehn Die kleine verlaßne Gloriette.
Es liegt das Schlößchen bis an den Hals Im Efeu verstrickt und verloren, Die steinernen Wappen von Mainz und Kurpfalz Bröckeln über den Toren. Es klettern über den Erker stumm
Wildwein und Feuerbohnen, Vom lecken Brunnen starren dumm Pausbäckige Tritonen. Einst in den Tannen sank der Wind, Es schwatzten süß die Staare, Im Sonnenscheine stand ein Kind Mit weichem, goldleuchtendem Haare. Es blühten würzig düsterbunt Die Nelken an den Wegen, Doch heißer schwoll der Liebsten Mund
Dem jungen Glück entgegen.
Des Hirsches Brunstruf schnob vorbei,
ES war zur Mittagsstunde, Von ferne nur scholl ein Häherschrei über dem schwülen Grunde, Zuweilen die brütende Flur entlang
Zog es wie Taubengirren, Zuweilen murrten die Bäume bang. Rauschend in TraumeSwirren.
Und um uns schloß im Dämmerschein Der Wald sein goldgrüneS Gitter; Da brach ein Windstoß jäh herein. Es kam ein Lenzgewitter... Ich habe verlassen mein Heiligtum, Um ttügendeS Glück zu jagen — O goldneS Vlies, o finstrer Ruhm,
Wie seid ihr schwer zu tragen! Mag lachen das Leben königlich Aus allen Türen und Toren, Ich trage Reue und Leid um dich. Die ich verkannt und verloren.
Nun decken die Wälder in Ewigkeit Ein Glück, daS ich verscherzte; O Jugend, wie bist du so weltenweit. Du Heilige, nie verschmerzte!
Bald küßt die schauernde Heimatflur Der Lenz, der lachende neue. Doch krächzend um meiner Schritte Spur Flattern die Raben der Reue.
Der Tag bricht an, ein Sturm aus West Wälzt sich über die Hügel, Mit Schüttern und Gleißen, in Stahl gepreßt, Traben Heeresflügel, Wir ziehn des Wegs zum letztenmal. Und auf dem Schild mit Beschwerde Trag' ich ein Kreuz von schwarzem Stahl Aur gelobten Erde.
Albumblatt. Wer nicht genährt der Dichtung heil'ge Flamme Vom eignen Mark; vom eignen Lebensstamme Die Sparren brechend, daß die Lohe wehe. Ist unwert, daß sein Dichterwerk bestehe. Denn Dichter, die Gott hergesandt als Große, Daß Helle Spur sie zögen durch die Nacht, Die haben stets, auf einem Scheiterstoße, Ihr eignes Herz als Opfer dargebracht. Es sühnt ihr Lied die Lebensschuld der Zeit, Ihr Opfer schafft versöhnte Seligkeit.
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Hab nicht zu lieb die knospende Rose: Es flöge gar bald Ohn' Heimat, ohn' Halt Ihr Duft dir vorüber ins Uferlose. Unsterblich ist Schmerz allein. Was nie du besessen. Ersehnt, nie vergessen, Wird deines Himmels Grundbau sein.
*
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Den Daseinsfrohen, den emsig Lebenden,
Am Alltagskleide rüstig Webenden Gehört die Welt mit goldnen Halmen.
Doch jene, die fröstelnd in Lebensmitten An Sehnsucht, an Schwermut, an Heimweh gelitten. Krönt erst der Tod mit Friedenspalmen. *
*
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Menschlein plagen sich viel Mit nichtigem Streben; Ruhm, Ehren, Fürstengunst Sind fliegender Dunst, Lichtlein, irrend vom Ziel. Ewig sind Glaube, Hoffnung, Vergeben, Arbeit und Wohltun. Der Rest vom Leben Ist Puppenspiel. * * * Ein tiefes Leuchten zuckt im Edelstein. So bricht aus Herzen, die von edlem Stamme, Rastlos der Liebe gottgeborne Flamme, Der finstern Welt ihr Strahlengut zu leihn.
Nebeltag. Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen, Es senkt der Herbst die graue Schlußgardine; Vom Garten, der einst Rosenpracht getragen. Dringt Grabesduft verblühter Balsamine. Ein letztes Ideal ward mir zerschlaegn, Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;
Indessen Schauer überm Parke jagen. Pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine. Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden Sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne
Noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel. Denn alle Wonnen, die begehret werden. Die Welt, der Ruhm, die Frauen und die Sterne, Sie wärmen nicht, und sind im Grunde dunkel.
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Der schmale Weg. Zwei Pfade sind es, die zur Wahl auf Erden. Der breite frommt den Lebensfrohen, Satten, Des andern Bahn umdüstern Höhenschatten; Ihn wandern jene, die das Sternenzelt Zum Obdach wollen, die an Feuerherden Als Flammenhüter lagern, fern der Welt.
Und wenn im Tal zu lähmend weilt die Nacht, So schleudern von des Felsens schroffster Gabel Ein brennend Scheit sie niederwärts mit Macht. Das stürzt ins Leere, funkensprühend zieht Es seiner Flugbahn blitzende Parabel; Dem Flammenscheit gleicht jedes große Lied. Die Wachefeuer, deren Flackerlichter Auf fernen Höhenzügen lodernd stehen
Rotflammend, ewig einsam, sind Ideen, Und ihres Brandes Hüter nennt man Dichter.
Unvergeßliche Liebe. Die abgebrochne Rose liegt Im Sand, und auf dem Kelch, dem roten. Ein Falter im Genuß sich wiegt. Nimmt Duft und Glanz von einer Toten.
Selbst toter Liebe wohnt die Macht Geheimnisvollen Glückes inne. Und keine späte Sommerpracht Entthront des Herzen erste Minne.
Lebensverneinung. In grünen Wassern schillert kühl der Schnee
Von Felsenwänden, die sich schroff erheben. Daran buntschaurig Martertafeln kleben. Als Schlußbild mancher Lebensodyssee.
Ein Nebeltag will auf den Wassern schweben Wie Trennungsleid, des Daseins Grundidee; Sieh, Frauen gibt es, die gleich jenem See
Entsagung hauchen allem warmen Leben.
Zu diesen zwingt ein angestammter Fluch Den Dichter hin, der, wie vom Tod getrieben Dort Glück gesucht, wo nur ein Abgrund war.
Schwermütig webt der Herbst ein Schleiertuch Um Martertäflein, und kein Dichterlieben, Kein Dichtergrab bleibt solchen TäfleinS bar.
Aus alter Zeit. MS Großmütterlein am Leben war Und Dänynerung kam geschritten, Begann der Enkel muntre Schar, Um Märchen sie zu bitten.
Es war so wohlig im Erkergemach, Die Alte sann und nickte. Der Wind fuhr klappernd übers Dach, Die Wanduhr leise tickte. Da stiegen aus dem Dunkel empor
Viel schaurige süße Sagen, Wir sahen Falada hangen am Tor Und hörten LindagullS Klagen,
Wir sahen in blauer, mondblitzender Nut Spielen die Wasserfeien, Wir sahen manchen Ritter gut Gen Drachengezücht turneien. Wir sahen die Zwerge schürfen Gold In gleißenden Gängen und Adern, Wir fochten um hoher Minne Sold Mit Riesen und Mohrengeschwadern.
Es war ein geliebtes Königskind, Ein blondes, mit blassen Wangen, Doch floß der Strom zu tief und geschwind. Konnt' keiner hingelangen...
Bald trug man Großmutter zur letzten Ruh', Das Elternhaus ward leerer. Und das goldne Märchenbuch klappte zu; Die Jugend ward ernster und schwerer. Bald nahte der Sorgen zwerghaft Pack Auf glatten, schlüpfenden Sohlen, Da ward mir früh der Märchensack Voll goldner Nüsse gestohlen;
Und Mit Sie Sie
ach, die glänzendsten Ritter zumeist. buntbefiedertem Helme, blieben selten Ritter vom Geist, waren verkappte Schelme.
Und Königin Berta spinnt nicht mehr Den Foden mit goldner Spule, Und hoher Liebe zu Preis und Ehr' Versinkt kein Becher auf Thule, Es wurden im klugen Alltagsschein Au Schatten der Sage Gestalten, In einem doch, lieb Großmütterlein, Hast unrecht du behalten. Schvenatch-Carolath, Dichtungen.
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Das Königskind, es blieb kein Traum, Es ward der Strom durchschwommen — Nun ist des Glückes Lindenbaum Au voller Blüte gekommen.
Gesegnet seist du, Liederpracht Du tiefe, du deutsche, du holde, Du Schatz, der unserm Volke lacht In unvergänglichem Golde,
Dich werden hüten und lassen nicht Die Herzen von deutschem Schlage, Auf daß ihr Leben bei ernster Pflicht Stets lachende Rosen trage. Daß unsern Enkeln als fester Hort Der Wunderglaube bliebe An jenes wahrste Märchenwort, Das Märchen treuer Liebe.
Eterna doglia. Die blasse Rose starb in deinen Händen, Mit schwarzen Augen sahst du tief ins Leere, Des Abendrotes schräge Flammenspeere Verglühten hinter dunklen Taruswänden.
Der Sommer wich, rot starrt die bittre Beere Vom Lebensbaum, und mit erloschnen Bränden Verfärbt sich über fröstelnden Geländen Der Tag in Flucht vor fernem Wolkenheere. Auch uns ergreift des Abschieds großer Zug, Denn keine Liebe sättigt bis zum Grunde Ein Herz, das Gott mit ew'ger Sehnsucht schlug. Dies Herz begräbt zu kalter Abendstunde
Jedweden Wunsch, den unerfüllt eS trug, Tief in des Himmels roter Sonnenwunde.
Die Unbekannte
Es war zu Rom. DeS Pincios Terrasse, Die lorbeerdunkle, strenge, marmorblasse. Durchzog im Korso buntgeschart die Menge, Und Wagenreihen teilten das Gedränge. Den Frühlingstag genoß das Volk zu Rom;
Durchs Stimmgewirre schlug vom Petersdom Und San Onofrio bald dumpf, bald Helle Das Abendläuten, und dazwischen klang Ein Walzertakt, den die Musikkapelle Mit Geigenstrichen melancholisch sang. Die Abendsonne ruhte rot und schräge Auf allen Wipfeln, und mir war, als läge Ein Abschiedsblick, den sonst ich nie gesehn, In ihrem schönen, frühen Niedergehn, Denn jener Tag, der hinter dunkeln Bäumen Zögernd versank, Glutwolken im Geleit, Der letzte war er meiner Wanderzeit, Die mir vergangen flüchtig bunt, wie Träumen. Drei Jahre lang war ich in Rom geblieben. Nun sangen deutlich mir die fernen Lieben Des alten Liedes altbekannte Weise, Wie'S Zeit nun sei, daß ich zur Heimat reise. Daß ich die tolle Wanderfahrt beende. Mein Augenmerk auf eine Jungfrau wende. Auf eine sittsam-ruhige Cousine,
183 Die still und häuslich sei gleich einer Biene, Und mir das Glück, das wahre Glück der Erde, Mit vollen Scheffeln treulich messen werde... Ich aber dachte: „Schönes Rom, ade. Nun geht's hinein in deutschen Winterschnee, Ich trank zu viel von dir, Fontana Trevi, DaS wird sich rächen, fürcht' ich, manu brevi. Ewige Stadt, nimm meinen letzten Gruß;
Du hast beschirmt mein Dichten und mein Streben, Und einen Schmerz nur hast du mir gegeben.
Der eine ist's, daß ich dich lassen muß. Hab Dank, hab Dank!" Und wie zum Korso jetzt. Zerstreut und traurig, einen Blick ich sandte. Starrte mein Blut, denn ich ersah, entsetzt. Mit süßem Grauen, eine Unbekannte. Ihr Wagen hielt, gehemmt auf staub'ger Spur, Durch Menschenwogen; reglos in den Kissen Lag sie, geschmiegt in schwarze Seide, nur Am Schultersaum schneeweiße Frühnarzissen. Sie lag wie sinnend, der Aprilwind trieb Ihr küssend aus der Stirn die krausen, weichen Tiefbraunen Locken ... ich doch schwieg und blieb Stehn wie gebannt und fühlte mich erbleichen. Sie sah mich an — und wie mich überflammet
Ihr dunkles Auge, sengend, streifend kaum. Da wußte ich: dies Auge voller Sammet Und Sonnenschein, ich sah es schon im Traum; Die schmale Hand, die dort mit müdem Regen
Den Fächer senkt, auch sie hat schon bei Nacht
Auf meiner Stirne weich und kühl gelegen. Und auch dies Lächeln hat mir schon gelacht! Ich sah's, als Kind vielleicht, in einer Quelle, Vielleicht als Jüngling, in der Sternenhelle Römischer Nächte, wenn ich hab' gedacht An gute Freunde, die Valet geschrieben. An blonde Liebchen, die nicht lieb geblieben. An Erdenfreuden, die verweht, verstoben. Und an das große Wiedersehn dort oben — Stets war das Lächeln innig, gut und herzlich. Wenn ich dem Leben Hohes abgestritten. Wenn ich gefehlt, gezweifelt und gelitten. Wie war es mild, vergebungsvoll und schmerzlich; O halte stets an meinem Herzen Rast, Du holde Fee, die du dies Lächeln hast, Du guter Engel, den mir Gott gegeben. Du Silberschnur, gewoben durch mein Leben, O bleib bei mir, du Himmelsabgesandte------------Ein Windstoß kam. In Wirbeln flog dahin
Der Staub am Weg... und wo die Sonne brannte Rot und verglühend überm Aventin, Verschwand auf ewig meine Unbekannte. Wohl folgte lang und irrend ihr mein Schritt In Sehnsucht nach — ich sah sie nicht mehr wieder. Der Traum war aus; in meinem Herzen glitt Lautlos und still ein dunkler Vorhang nieder.
Und als betrübt gen Deutschland ich gefahren. Fand ich die Heimat farblos wie vor Jahren, Es regnete just recht beharrlich-leise In altgewohnter, hergebrachter Weise, Es nickten steif die Pappeln, die bekannten.
Und steifer noch die Vettern und die Tanten; Sie wünschten sehr, daß endlich Platz ich nehme Und, seßhaft, mich zu Brot und Amt bequeme. Daß die Cousine dann ans Herz ich zöge, — Gesetzt, beiläufig, wenn sie mich noch möge — Ich solle hasten, daß mein Nest ich mache.
Ein Spatz zur Hand sei mehr als zehn am Dache, Dem deutschen Bürger sei die Fremde schädlich. Er bleib' im Land und nähr' sich still und redlich. — Ich zog die Flügel achselzuckend krumm Und wanderte ins Ministerium, Ich lernte sparen, ordnen, arrondieren. Auch inskribieren, kon- und rezipieren. Doch fegten mir die zugestutzten Schwingen Den Blütenstaub unmerklich von den Dingen. Trank Rheinwein ich, wie manchmal es geschah. Befiel mich Wehmut inter pocula, Mein Lebensfazit, oft ergab es Brüche Und salzdurchtränkt schien mir des Daseins Küche, Ich schritt allabendlich zum Goldnen Leuen,
An Politik und Whistspiel mich zu freuen. Und pries dabei mit hohem Selbstgefühle, Daß ich ein Werkrad in des Staates Mühle. Im Rate sprach ich und im Landtag mit
Und tappte vorwärts meinen Bürgerschritt, Das hohe Gut, danach sich still verzehrt Manch deutsches Herz, ward zeitig mir beschert: Aus heitrer Luft fiel mir aufs Haupt ein Orden,
Und deren Zahl ist größer stets geworden. Der Würden Strom, wohl floß er täglich reicher. Doch ach, mein Haar, auch täglich ward es bleicher. Als Trost dafür — ein schlechter freilich ist er — Ward eines Tages endlich ich Minister... Nun sitz' ich aft und einsam am Kamine, Es fehlt mir die beglückende Cousine; Die Scheite seh' ich in der Lohe schwitzen. Ich hör' sie krachen, seh' die Funken blitzen Und seh' den Rauch gar kraus geballt sich heben Zum Schornstein Tod, der, leitend aus dem Leben Die Handvoll Staub, die wir in Lieben, Hassen, In Wollen, Streben, Tun und Unterlassen, Auf dieser Welt mühselig aufgesäuselt. Ins Atherblau als Opferwölklein kräuselt... Ich denke gern, seh' ich den Dampf verschweben.
An alles, was ich liebgehabt im Leben — O meine süße, unbekannte Dame!
Welch Rätsel bärgest du? Wie ist dein Name? Wo magst du sein, wo magst du weilen, wandern?
Im Süden wohl... am Herzen eines andern — O bleib ihm treu! Doch Augen wie die deinen, Sie werden mir auf Erden nicht mehr scheinen.
Wohin fortab auch meine Pfade gehn. Dich werd' ich niemals, niemals wiedersehn.
So leb denn wohl — auch dich muß ich verschmerzen. Doch nur mit schwerem, bitter schwerem Herzen, Und hart bedrängt mach' ich die Not zur Tugend: Denn du, das weiß ich jetzt, warst — meine Jugend.
Gruß an Deutschland. ES liegt ein Märztag trüb und weich Auf mitteldeutschen Hügellanden, Jur Rüste geht des Winters Reich,
ES bricht das Eis, die Schollen stranden. Im Tropfenfall steht windgeneigt Der Wald, des Winterschlafs entraten. Und auf den nassen Ackern zeigt Sich zarter Schimmer junger Saaten.
Wildgänse ziehn mit schnellem Flug Und hellgestimmter Wanderweise,
Auch unser Herz erfaßt ein Jug, Daß es dem Lenz entgegenreise. Ein Wind aus Süden kommt mit Kraft Und löscht den Schnee von Furt und Brücke,
Er treibt auch uns zur Wanderschaft Nach unbekanntem, großem Glücke. Mein Deutschland, du bist stark und groß, Und doch ist eigen deinen Söhnen Ein weicher Kern, ein Sehnsuchtslos Nach allem Fernen, allem Schönen; In deutschen Liedern lockt und klingt. Es wohnt in deutschen HerzenSträumen Der Circe Lachen goldbeschwingt,
Des Griechenmeeres weiches Schäumen.
Im schwarzen Schachte gleißt das Erz, Der Hammer dröhnt, die Funken springen. Doch heimlich hört das deutsche Herz Im Hörselberg die Geigen klingen; Vom Aug der Esse scharf umbraust. Der Meister läßt kein Säumen merken. Doch immer lebt als Sohn des Faust Er über seinen Erdenwerken. O sei gesegnet, dunkler Ruf
Vom Nertushaine, der uns Zeiten Der Sehnsucht nach dem Schönen schuf. Nach langen Lenzen, gottgeweihten! Heil unserm Volke, das mit Wucht Die Scholle pflügt, der wir entstammen. Und dennoch Lebensgipfel sucht. Drauf ew'ge Wachefeuer flammen. O Deutschland, was dich herrlich macht. Sind deines Herzens starke Triebe Au Dichtung, Frauen, Liederpracht;
Dein bestes Teil ist deine Liebe. Und wie um trotz'ger Eichen Schaft Sich wilde Rosen blühend ranken. So schlingt um deutsche Reckenkraft
Die Schönheit ihre Lenzgedanken. Die deutsche Mannestreue hoch!
Wohl hat sie herrlich Gut erkoren. Doch höher steht ihr, heil'ger noch
Das Vaterland, dem sie geboren. Um unsre Münstertürme saust Der Freiheit Geist in heil'gem Grimme, Durch unsre Eichenwälder braust DeS Schlachtengottes Donnerstimme.
Solang' noch unsre Wange brennt Beim holden Gruße schöner Frauen, Solang' man Arbeit heilig nennt Und Treue gilt in deutschen Gauen, Solang' vom WaSgau bis zum Belt Wir treu zu Gott und Kaiser halten. So lang' wird keine Macht der Welt Der deutschen Marken Grundwerk spalten.
Des hohen Erbteils walte frei, Mein Volk, daß deinem Schwert, dem scharfen.
Geeint des Friedens Pflugschar sei. Und Liederfrühling deinen Harfen; Ein tiefes Lied, ein Heller Schlag Und ein Gebet voran den beiden — So darfst du, grüßend neuen Tag, Vom stürzenden Jahrhundert scheiden.
§
Ein Bild
In schwerem Rahmen, massig, goldgezackt. Ein Frauenkopf mit Augen, traumhaft starren.
Die tief im Herzen, das ihr Bann gepackt. Gleich Pfeilen, weichbefiederten, verharren. Der braunen Haarflut golddurchstrählte Wirrn Wie küssend ftutend um die schmale Stirn, Der feine Mund lichtrot, doch herb verschlossen,
Seltsam der Ausdruck. Sinnend, lichtdurchschossen. Fremd, vornehm, süß des Angesichts Oval, Darüber wie durch Sturmgewölk geflossen
Ein herbstlicher, gequälter Sonnenstrahl — Was ist's, daß sich um Erdenschönheit schmiegt
Ein tiefer Schatten, den kein Glanz besiegt? Was ist's, daß sie mit schwermutvoller Frage Geheim gepaart, daß in ihr mit Gewalt Als tiefverletzte goldne Saite hallt Ein Weh um Edens längstverblühte Tage? Was ist's, daß mitten aus der Schönheit Schoß Ein Menschenherz, das sich gesonnt in Pracht, Urplötzlich aufschreckt, einsam, heimatlos? Was ist's, daß Schönheit Herzen traurig macht? Jst'S, weil sie schnell und kaum gegrüßt verglommen
Gleich Alpenleuchten über Bergesferne? Ach, alle Schönheit trägt den Tod im Kerne Schoenaich-Earolath, Dlchlui>„cn.
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Und füllt kein Herz, das Leben sucht, vollkommen. Wohl darf der Menschheit wonnedurst'ger Mund Dies Erdenglück durch tausend Lieder tragen. Daß auS des Daseins tränensattem Grund Die Schönheit still den Scharlachkelch geschlagen. Daß über Wust, von Sodoms Schutt umstaubt. Dem Trümmerberg von Sünde, Schuld und Kummer Fremdartig, traumhaft im Vollendungsschlummer Die Schönheit hebt ihr goldgesäumtes Haupt — Doch höher zielt des Schöpfers Lebensplan. Nicht sänftiglich, nein, als ein Schwert, das schneidet. Beschreibt die Schönheit ihre Flammenbahn. Vieltausend sind es, die, zum Staub gewendet.
Klanglos den Lauf in Sättigung beendet; Wohl dem, der Schmerz im Schönheitskusse leidet. Dies ew'ge Weh, mit dem durchs Leben geht Einsam und unverstanden der Poet, Er führt zu Gott, und alle Schönheitstrauer, Die unser Haupt als Kranz der Schwermut trug. Sie tilgt dereinst im Auferstehungöflug Des Wiederfindens großer Freudenschauer; Was Schönheit hier von Schmerz und Abschied sprach. Das klingt — wie bald — gleich fernen goldnen Stimmen, Die rufend über breitem Strome schwimmen. In der Unendlichkeit als Liebe nach.
Ich aber will, bleibt auch im Erdenwind Nach Glück gestimmt die Harfe des Propheten,
Nicht leichten Sinns vor deine Schönheit treten.
Noch frohen Herzens, wie ein Sonntagskind. Du schüttest nicht mit heißem Augenstrahle Als höchstes Glück, das Sterblichen erlaubt. Den Rosenregen auf mein trunkneö Haupt, Du reichst mir still die dunkle Schierlingsschale; Und deine Augen wie verweinte Sterne Hinbrütend starren in verhüllte Ferne. Du ziehst vorüber, und im Flüsterton Spricht süß dein Mund von Lassen und Entsagen — O Lieb, ich will ja grollen nicht noch klagen. Es muß mit sanften dämmerweichen Schwingen Die Poesie den Leidenskelch umschlingen Versöhnungsvoll mit dunkelrotem Mohn.
Wo sah ich dich mit deinen düstren Brauen Verhängnisschwer ins Alltagsleben schauen? Am Griechenmeer, umkost von Wellenschaum, Auf Ithaka, an einem Mandelbaum? In einem Park, der weltfern, goldumgtttert. Wo Nelken flammen an verschlungnen Gängen, Wo sich durch schwarze Tarushecken drängen Marmorgestalten weißlich und verwittert, Wo über Treppen, die verrenkt, verwildert. Das Schloß sich hebt, gegiebelt, buntbeschildert? Sah ich dich dort auf hohem Postament Im Ahnensaal, durch dessen Fensterscheiben Septembersonnenstrahl verglühend brennt? Zogst leibhaft du durch Lärm und Alltagstreiben 13*
An mir vorbei die duftdurchwogte Spur? Sah ich dich winken lässig auf dem Balle Dem schwer besternten Oberhvfmarschalle? Sah ich dich einst — war es im Traume nur — Verschleiert durch die Gassen gehn im Regen, Und einem Bettler in die Zitterhand Mit leisem Worte rasch ein Goldstück legen? Gleichviel, gleichviel — mich hast du nie gekannt, Und sähst du mich, du würdest sonder Staunen
Betrachten mich mit Augen, dämmerbraunen. Und sonder Leid vergessen jenen Tag. Ich aber will, wie man bekränzen mag Ein Gottesbild zur Maienzeit mit Ranken, Umschlingen dich mit Liedern und Gedanken, Die welken nicht, den Blumen gleich, im Wind. Laß sie durch Schicksal, Trennung, Zeit und Räume Dich an mich ketten, wenn du weißt, daß Träume Der Dichter letztes, bestes Erbteil sind.
Stella peregrina. So wie man Sterne findet, deren Bahn Den Erdkreis streift auf Nimmerwiedersehen, Wohl deshalb nur, daß ihr Vorübergehen Uns habe Schmerz und Heimweh angetan.
Zog deiner Liebe tiefe Melodie An mir vorbei, zu Gott zurückzuschweben. Und in der ewigen Melancholie Meiner Gedanken ewig fortzuleben.
§
Asierope. Ein Frauenbild in fremder Galerie, Ein Bild so schön, daß sein Geheimnisschauer
DaS Herz getränkt mit Sehnsucht ew'ger Dauer, Sprach geisterhaft: Geh, doch vergiß mich nie. Mein Name? Nichts und alles. Frag nicht, neige Dich meiner Schwermut rätseltiefer Macht, Und war's ein Wunsch, den dir mein Blick entfacht. Für diese Welt gebiete, daß er schweige. Vergeblich ist es, daß du mich beweinst. Nenn mich: Im Strom ertrunken. Nenn mich: Einst. Nenn mich: Umsonst. Verloren. Unerreicht. Doch wenn du beten kannst, nenn mich: Dereinst. Vielleicht.
Firnenweg. Einsam durchs Leben geht In Sehnsuchtsschauer
Und sanfter Trauer Still der Poet, Suchend im Kuß der Frau Nicht Mltagssterne, Doch Traum und Tau
Verlorner Ferne. Gast, der beim Frohgelag Becherreste Darbringt dem großen Tag
Ewiger Feste; Hirsch, der am Waldteich trinkt Über den Fluten Das große Verbluten Der Sonne, die sinkt.
Verleuchtender Tag.
Im blühenden Gartenlande Liegt einsam, von Flieder umbuscht. Ein Brunnen mit leckem Rande, Um dessen Steingirlande Der Blätterschatten huscht.
In heiliger Jugendstunde, Als glühend und ohne Laut Die brütende Gartenrunde, Hab' dort mit bebendem Munde Ich meine Liebe vertraut. Und Stille. Im Glutgeflimmer Des Mittags erstarb mein Wort. Ich wandte mich ab für immer, Zu wandern durch Staub und Schimmer Weit über die Heide fort. Nun hab' ich den Schritt gewendet Zur Heimat, müde und alt. Und keine Sonne mehr blendet. Die Liebe hat nie geendet. Sie wurde nimmer kalt. Noch rieselt mit lecken Seiten, Geborsten, der Marmortrog, Darüber aus Parkesweiten In süßen verschollnen Zeiten Der Liebsten Lachen flog.
Und wieder, wo einst wir gesessen,
Umspinnt mich heißstrahlender Tag; O Jugendglück, nicht ermessen, O Liebste, niemals besessen. Kommt, daß ich danken mag.
Ich will nicht grollend vergeben. Doch segnen dich, tiefgerührt, Daß einst du mit Widerstreben Durch ein verworrenes Leben Den Pflug des Schmerzes geführt. Es hat sich dem Greise gelichtet Vergangnes, von Hüllen befreit; Was ihm versagt und vernichtet An Glück, war Aussaat, gerichtet Der rauschenden reifenden Zeit.
Wohl hab' ich verträumt in Gedanken, Vertrauert manch Lebensziel.. Vorüber — durch neue Ranken Treibt wechselnd, mit Zittern und Schwanken Die Sonne ihr ewiges Spiel. Und traumhaft plätschert der Bronnen — Das klingt wie süße Mär, Als ob das Leben verronnen Und ewiges Glück begonnen Im Himmel wär'.
Der Feldweg. Vom Ulmenwald, dem dunklen, schwermutvollen. Der Schierlingduft und ew'ge Kühlung haucht. Dehnt flammengelb, in Sommerluft getaucht, DaS Kornfeld sich, glutzitternd, weltverschollen. Am Wegrain dort — es war zum letztenmal —, Verlornes Lieb, schritt ich an deiner Seite, Viel Engel gaben freundlich uns Geleite, Sie blieben dir — mein Weg sank rasch zu Tal. Nun geh' ich einsam durch die Mittagsstunde Dein denkend hin, und mir am Wege blüht So reich der Mohn, als hab' mein Herz versprüht Achtlos das Blut aus tiefgeheimer Wunde. Ach, bringen wird kein künft'ger Sommertag
Zurück mir je, was folgend deinen Schritten Still mit dir selbst zur Dämmerung geglitten — Nachtwandelnd geh' ich durch den heißen Hag. Das Leben lacht, auf ftemden Feldern schimmert Halmschwer das Korn; Gott geb' ihm gut Gedeihn. Bald bringen sie den Erntesegen ein. Durch goldnen Staub schon fern die Sichel flimmert.
Ich aber will mit leergebliebner Hand Dich segnen. Glück, das einem andern reifte.
Und will die Stirn, die finstre, blitzgestreifte. Aufrichten still zum ew'gen Ernteland.
Abendlied. Der Sonne nach, die sinkend scheint,
Zieh' ich verlassen, unbeweint. Von meines Glückes Stätte; Was Gott mir lieh an Gut und Wert, Liegt leergebrannt, ach, daß geehrt Und treu gewahrt ich's hätte!
Ich wies vorbei Die heiligen Drei, Den Glauben, die Liebe, das Hoffen; Ich habe gestürzt den Goldpokal Der flammenden Lust — nun dehnt sich fahl Die Heide, braun und offen. Ich gehe fort Vom zerstörten Ort;
Am Wegrand in schwarzen Lachen Ertrinkt mißfarbiges Abendrot, Und blechern wimmert in Todesnot
Ein Glöcklein über den Brachen.
Das ist mein Herz, das, aus der Welt Sich lösend, bang um Hülfe gellt. So wie verirrt im Lande Ein Kind, verlassen, todgeweiht. Um Hülfe schwach und schaurig schreit Seitab am Hügelrande.
Ach, Herr, nimm hin mein Lebensgut, Zerbrich mir Ehre, Stolz und Mut,
Doch neig dich meinem Bangen, Vergönne, daß mein letzter Schrei Ein „Dennoch, Herr, dir glaub' ich" sei; Mehr will ich nicht erlangen.
Komm Hirt, allew'ger, führe du Dein Kind der großen Heimat zu,
Durch Kreuz und Sterbestunden; Halt über allen Sündern Wacht, Bis sie sich dir zurückgebracht Und selig heimgefunden.
Bergpsalm. Ein Schneeberg ragt ins heiße Land, Der seine Schroffen leuchtend zückt, Tief unten wogt im Sonnenbrand Die Fläche goldschwer, halmerdrückt. Dort hasten Menschen, ohne Ruhn,
Der Scholle nah, der Fron gewöhnt. Nach Gut und Geld in hartem Tun; Die Sichel klingt, die Kelter dröhnt. Doch mahnend rauscht vom Berg ein Duft, Der kühl das Haar des Schnitters wirrt, Und leise durch die Flimmerluft Ein Ahnen ew'ger Ernten irrt.
So sendet weltfern der Poet Ium Volke, das in heißem Streit Arm und gebückt am Pfluge geht. Die Botschaft großer Feierzeit.
Oktobersonne. Es rauscht der starke Herbst inS Land Mit strömendem Ungemach, Da wandern hoch über dem Waldesrand
Die Vögel der Sonne nach.
Auch unser Herz soll südwärts ziehn. Noch einmal in warmer Pracht Entgegen den jubelnden Melodien Des Glückes, das selig macht. Es träumt der sonnenschwere Park, Den früher Reif durchwob. Am WegeSrand blühn voll und stark Verbenen und Heliotrop,
Noch würzig aus dunkler Kelcheszier Der Nelke Duft entquillt. Und purpursaftend am heißen Spalier Die Nektarine schwillt. Dein blütenroter Mund schwillt auch Mit schwach gesträubtem Saum Entgegen dem letzten Sonnenhauch, Dem letzten Liebestraum.
Komm! Schützend umklettert die schimmernde Bank Das Rebengewirr von Terlan; Rings Schweigen, durchs scharlachne Weingerank Blinzelt ein steinerner Pan.
207 Letzter Sonnentag. Es segeln südwärts über den Wald
Die Störche der Sonne zu, Nun gehen auch wir, wie bald, wie bald. Mein Lieb, zur Ruh'. Wir wollen danken mit leisem Mund Für alle genoßne Pracht, Für alles) was uns im Herzensgrund Erschüttert und selig gemacht. Wir wollen, nun still der Tag verloht, Hinziehen durchs dämmernde Land, Wie Kinder im letzten Sonnenrot Heimwandern Hand in Hand. Wir dürfen grollen und klagen kaum, Daß kühl zum Herbste treibt
Das letzte Blatt vom Lebensbaum, Denn unsre Liebe bleibt. Nicht ist sie mit Jahren der Seligkeit Gleich Sonnen gewandert stromab — Nein, sprengen wird sie zur Frührotzeit Barmherzig das tiefste Grab,
Wird leuchten dem letzten Auferstehn Und tilgen den letzten Schrei —
Komm, Lieb, wir wollen beten gehn. Es rauscht der Herbst vorbei.
Dein müdes Haupt neig meinem zu, Im fröstelnden Sonnenschein An meiner Brust in tiefer Ruh'
Schlaf ein.
Z
Wanderfahrt
Echoenalch-Carolath, Dichtungen.
14
Der Taugenichts. Die Eltern trug man alle beide Vors Tor hinaus zur letzten Ruh', Den Basen schuf ich Herzeleids, Tat Gutes nicht, zerriß viel Schuh'.
Die Schläge wurden mir zu derbe. Der Rock zu eng, die Kost zu schmal, Die Mägdlein und der Wein zu herbe — Nur eine küßt ich manchesmal.
So tät die Wanderschaft mich locken; Das Herz war leicht, der Beutel leer. Sie läuteten darob mit Glocken — Ein Mägdlein, glaub' ich, weinte sehr.
Ich hab' mich lang umhergetrieben, In manchem Land, an manchem Ort,
Mit Güte oft, und meist mit Hieben, Half ich mir glücklich weiter fort. Und als mir's endlich wohlergangen Und meine Taschen leidlich schwer. Da faßte mich allgleich Verlangen Nach Heimatluft und Wiederkehr.
212 Schon tönt des Rosselenkers Blasen, Die Giebel nicken altersmatt, Und aus dem Pflaster grünt der Rasen, Sei mir gegrüßt, o Vaterstadt! Der Frühlingswind wirrt mir die Haare, Ich stehe stumm auf der Bastei, Durchs Abendrot, das stille, klare, Aiehn Schwalben mit süßmattem Schrei.
Es steht da drüben noch am Markte Das Haus, wo ich geborbn bin. Wo man zur Ruh' die Eltern sargte; Jetzt wohnt ein fremdes Volk darin. Dort auf der Stadtmark liegen Rinder Buntscheckig, trüg' im Abendschein, Dazwischen tummeln fremde Kinder Hell lachend sich in Spielerein. Es naht ein Paar und schreitet weiter, Ihr Händchen grüßt mich, goldberingt... Doch bin nicht ich der Mann, der heiter, Blondbärtig, kraftvoll sie umschlingt. Sie hängt am Arme eines andern. Sie plaudert und sieht glücklich aus — Ich glaub', ich werde weiter wandern. Weit in die weite Welt hinaus.
§
213
Spielmannslied. Drei Rosen gab sie mir,, drei Küsse — Sie sprach von Lieb' und ew'ger Treu, Es blühten Flieder und Narzisse, Die Grillen sangen fern im Heu.
Doch eh' die Rosen welk im Grase, Und eh' verrauscht die Junizeit, Da hatten Eltern und Frau Base Dem reichen Manne sie gefreit. Und tags darauf lag mir zu Füßen Die Heimatstadt im Abendstrahl, Die Rosen warf als letztes Grüßen Hinunter ich ins tiefe Tal,
Doch die drei Küsse gab ich weiter. Und ward ein Spielmann wohlbekannt, Der fiedeln geht, bald ernst, bald heiter. Von Tür zu Tür, von Land zu Land.
Böse Heimkehr. Ihr Gassen, ihr Giebel, du mürrisches Tor, Euch grüß' ich betrübt und gemach — Schon krächzen die Dohlen, schon liegt mir im Ohr Der Basen Weh und Ach. Ms froher Geselle zog ich hinaus. Hab' keck gelärmt und gelacht; Nun schleich' ich durchs Seitenpförtlein nach Haus,
Hab's nicht zum Meister gebracht. Ich habe nur eins gelernt und erkannt Nach manchem verträumten Jahr: Daß der Himmel dort unten im Süderland
Zu blau, zu lachend war,
Daß die Menschen zu froh und zu leicht von Sinn, Die Blumen zu reich an Duft — Nun pfeift mir gar frostig um das Kinn Die deutsche Negenluft. DaS Herz ist müde, die Wange braun. Zerrissen mein Wanderrock; Ruh aus am ersten besten Zaun, Du treuer Knotenstock.
Ich hab' gezählt mein fahrend Gut Und fand, daß nichts mir blieb. Als ein welker JaSminstrauß am alten Hut Und in Welschland ein falsches Lieb.
Lied des Gefangenen. Als mir die Base prophezeit, Groß' Ehr' würd' ich gewinnen.
Schuf ich den Eltern Herzeleid, Lief aus der Stadt zur Frührotzeit,
Ließ auch Feinslieb darinnen. Der Landsknecht rafft viel Geld und Gut, Jagt in den Tod sein Leben, Die Rabenfeder schwankt am Hut, Das rote Trumpfas deutet Blut,
Herzdame schlägt daneben. Und über einer Spanne Frist
Werd' ich gar hoch geehret... Ach, daß der Base Trug und List Mich armen Christ Das Fliegen hätt' gelehret. Ich flög' mit Kunst und Zauberei» Empor zur Morgenwende, Gen Straßburg durch Sturm und Wetterschein,
Ein flatternder Wicht; Feinslieb, laß ein — Jed Herzleid nährn' ein Ende. Da wach' ich auf — der Morgen loht. Die Glocken gellen und läuten. Die Stube starrt vor lauter Rot; Maria, Helferin der Not, Der Traum will Arges deuten.
Der Würfel fiel, der Krug zersprang, Und aus dem Wachtverließe Geht'S morgen früh den letzten Gang Bei Pfeifenklang Und Trommelschlag in die Spieße.
$
Vom Scheiden. Wenn dir ein Mägdlein recht gefällt Und sie nimmt einen andern. Dann heißt es, in die weite Welt Au wandern.
Da draußen viele Mädchen sind,
So viele blond und braune. Ms Rosen blühn im Maienwind Am Aaune.
Mit neuem Glück am neuen Ort Zufrieden sind die mehrsten. Oft treibt ein zweiter Nagel fort Den ersten.
Doch wenn die Kur dir schlecht gelingt,
So werde Kapuziner, Und wenn kein Ablaß Frieden bringt.
Trink Valtelliner.
Trink aus, und würfle bei Morgenrot Um Dirnen mit blankem Messer — Stäch' dich vorher ein Landsknecht tot, Wär's besser. Und tut er's nicht, so zeche fort. Doch wirf hinaus auf die Gasse
Die Menschen mit ihrem Krämerwort, Daß Liebe sich heilen lasse...
Wenn dir ein Mägdlein recht gefällt Und sie nimmt einen andern. Dann ist's am besten, aus der Welt
Au wandern.
Carmen,
i. Ganz blumenhaft, gewiegt vom Sonnenstrahls, Das feine Köpfchen träumerisch verdrossen. Von der Mantilla Faltenwurf umschlossen, Drin eine Nadel von Toledostahle.
Ihr Händchen flog, das ringgeschmückte, schmale, Im Fächerspiel, es scherzten die Genossen; Da plötzlich hielt, hintastend an den Gossen, Ein Greis ihr hin die leere Sammelschale. Kein einzig Wort, nur eine scharfe Volte, Ein Fächerschlag — und fort der Teller rollte, Die Mutter sprach: Erschrick nicht, Carmencita. Und dann zu uns: Ihr müßt sie recht verstehen. Sie ist so gut und kann nicht leiden sehen ..
Sie ist nervös, die arme Marquesita!..
II. Es drängt das Volk an der Barrera Reifen, Ein braver Stier ward heut' zum Kampf gesendet; Seht, wie er rast, von Staub und Wut geblendet. Röchelnd und wild, bedeckt mit Blut und Schleifen!
Das brechend Auge läßt im Kreise schweifen Ein Picador, vom Hörne umgewendet. Acht Pferde liegen aufgeschlitzt, verendet — Ein Toben ist's, ein Stampfen und ein Pfeifen. Das Händchen ballt, das blasse und nervöse. Die Marquesita — doch schon naht der Rächer, Mit Schwert und Capa tritt er aus dem Tore.
. Und toller, brausender wird das Getöse; Sie lacht vor Glück — Armbänder, Blumen, Fächer Wirft an den Kopf sie dem Toreadore.
Römische Freske. Amor, der lose, wählte sich zum Ziel Die blonde Römerin, dieweil sie Sieste Im Gartenhaus gehalten zu Präneste; Er ward ertappt und büßt nun für sein Spiel. Den Knaben hält die Zürnende bezwungen, Sie lähmt sein wild gesträubtes Schwingenpaar Und geißelt ihn am blum'gen Hausaltar Mit Lorbeerreisern, scharf wie Flammenzungcn. Zwei Mägdlein, schlank, in Goldsandalenzier, Am Vorhang spähn in scheu verhohlnem Flüstern; Die Große spöttisch, harten Auges, lüstern. Die Jüngste furchtsam, doch voll Schaubegier.
Verknisternd schwelt vom goldnen Räucherbecken Ein gluterfaßter, voller Rosenkranz; Weißflatternd wiegt sich über Lust und Schrecken Ein Taubenschwarm im heißen Sonnenglanz.
Gretchen im Winde. Ein Mädchen süß, ein Mädchen flink. Dabei den Namen Gretchen, Als Schmetterling, den keiner fing.
Fliegt sie durch Busch und Beetchen. Die Deilchenaugen minniglich Und hell wie Hochzeitskerzen,
Im Köpfchen einen Sonnenstich, Aprilwind tief im Herzen. Die Stimme silbern und gesund Wie eines GlöckleinS Klingeln, Ein Lächeln um den Kirschenmund Wie eines SchlängleinS Ringeln. In ihrem Garten vor dem Tor In Treuen rauscht die Linde, Auf allen Beeten blühn davor
Vergißmeinnicht im Winde, Doch wenn man ihr von Liebe spricht, Pflückt lachend unterdessen Vergißmeinnicht das Schelmgesicht; Mich hat sie längst vergessen.
Spätherbst. Es liegt verlassen am südlichen Meer Die Villa unter den Eiben, Die Gänge sind stumm, die Hallen leer. Der Regen schlagt an die Scheiben.
Du bist gegangen dahin, dahin.
Weil du dem Winter grolltest, Weil du nicht länger den Schmuck von Rubin Dem Hofhund zeigen wolltest;
Du bist wie die Schwalbe gezogen dahin Vom Dache rotgegiebelt, Wo sie doch oft mit frohem Sinn
Gezwitschert hat und geliebelt. Kämst du nun heim — wozu? warum? Die Rosen wären gestorben. Die Brunnen erfroren, leer und stumm. Die Hecken geschoren, verdorben. Ich habe verfolgt im nassen Kies Die Spuren, die schlanken, schmalen.
Die dein fliehend Füßchen stehen ließ. In Groll und bittern Qualen. Ich hör' deine knisternde Schleppe nicht mehr Die Stufen hinuntersurren. Ich höre nur noch das Tyrrhenische Meer Im Sturme grollen und murren.
Ich höre nur noch im Gartenhag
Sausen die nassen Zypressen, Und bete, daß Gott mir verhelfen mag.
Dich zu vergessen!
Desdemona. In Sommernächten löst sich aus dem Schatten Gesunkner, meerbespülter Prachtportale Ost eine Gondel treibend im Kanäle Mit Ruderschlägen, leisen, sterbensmatten.
Drin eine Frau, den Leib, den farbensatten. Zurückgelehnt, reglos im Mondenstrahle, Indes die Hand, die weiße, wunderschmale,
Im Wasser schleift, dem dunklen, spiegelglatten. Und plötzlich wirft sie, gleitend auf dem Meere, Zurück des Schleiers schwarzgezackte Spitzen Und blickt dich lieb mit toten Augen an. Dann schlägt das Kreuz, entsetzt, dein Gondoliere; Sie zieht, indes die Ruder bläulich blitzen. Vorüber auf der dunklen Wasserbahn.
u Schoenalch-Carolath, Dichtungen.
15
Hochmittag. Als ich die schöne Stadt verlassen. Stieß um die Dächer wild der Sturm, Der Regen rann in allen Gassen, Die Dohlen schrien um jeden Turm.
Zu zwei verhängten Fenstern drüben Warf ich empor, voll Groll und Leid, Stumm einen Blick noch, einen trüben — Dann ging ich fort für lange Zeit.
Nun kommt eö, daß ich wiederkehre. Ich schaue still ins Tal zurück; Was einst war Schmerz und bittre Lehre, Hat sich gewandt zu spätem Glück. Sie, die mir einst den Sturm auS Norden
Gesandt — daß Gott es ihr vergelt' —, Ist eine schöne Frau geworden.
Mit sich zufrieden und der Welt. Die Stadt mit ihren schlanken Türmen Liegt fern und still im Abendgold, Auch zog vorbei das letzte Stürmen, Das damals mir durchs Herz gegrollt;
Es gingen längst schon auf die Reise Die holden Jugendträumerei'n Wie Sommerfäden, müd' und leise, Am Heckenrand im Sonnenschein.
Und dennoch gab’ ich allen Segen Des spät gereiften Glücks dafür,
Könnt' harren ich bei Sturm und Regen Noch einmal vor der Liebsten Tür;
Könnt' einmal ich zusammenbrechen Au Füßen ihr, und inniglich Aus tiefstem Herzen gläubig sprechen: Mein süßes Lieb, ich liebe dich!
Auch du! Nun hast auch du gelassen Von Groll und edlem Streit, Du fandest goldne Gassen Der Weltzufriedenheit. —
Mich mahnt dein Herz, das helle. Nun frei von Kampf und Weh, An eine Riesenwelle, Die müde ward der See, Die sich im überborden Einst aus dem Meer gewiegt Und nun, zum Teich geworden. Tiefblau im Walde liegt.
Wohl deckt mit Blütenflocken Mittsommers sie das Rohr, Wohl tönt's wie ferne Glocken Aus ihrem Grund hervor;
Wohl nicken grüne Erlen Darüber, schlummerschwer — Doch hat sie keine Perlen Und keine Stürme mehr.
An... In dies Klavier griff eine kleine Hand, Ringblitzend, mit nervösem Fächerschlage, Und eine Saite hat sich leicht verspannt.
Sie tat es schüchtern, gleichsam ohne Klage, Doch wenn ein Meister in den Tasten jetzt Aufwühlend grollt, klingt scheu, wie eine Frage Die Saite durch, bangzitternd, feinverletzt. So geht's auch dir; in deines Herzens Grunde Lebt solch ein Riß. Es litt ihn, stillentsetzt. Und klingt nun falsch seit jener bösen Stunde. ES singt von Liebe noch und singt vom Mai, Doch stört das Tröpfeln aus geheimer Wunde...
Ein Schauer überjagt der Hörer Runde, Und jeder fühlt: hier ging der Tod vorbei.
$
Altes Bild. Der Markusdom, der bunte, klangumtönte. Hat seine Pforten gähnend aufgeschlagen. Am Hochaltar, wo Priester Kerzen tragen. Thront stolz der Doge, der vom Volk gekrönte. ES lehnt an ihm in mädchenhaftem Zagen Sein junges Weib, das holde, glückverschönte. Ein Page, der an Schleppendienst gewöhnte. Kniet stumm dabei in Pusfenwams und Kragen.
Der Weihrauch dampft, zu Ende geht die Messe, Es blickt verklärt die schöne Dogaresse... Doch sehen könnt ihr, wenn ihr näher tretet. Daß tief im Samt, dem dunkelvioletten. Des Pagen Hand und ihre sich verketten — Der alte Doge kniet im Stuhl und betet.
§
Lied der Ghawaze. Seidne Gewänder, Spangen von Gold — Kann es nicht ändern, Hab's so gewollt. Bunt sind die Kleider,
Falsch das Geschmeid', Falsch meine Liebe, Echt nur mein Leid.
Was ist mein Leben? Tolles Gewirr, Lachende Lüge, Schellengeklirr. Keiner hat lieb mich Auf dieser Welt, Tanzen und singen Muß ich für Geld. Einmal noch blicke Freundlich mich an — Weißt ja nicht morgen. Daß du's getan.
Bin eine Flamme,
Die, windgewiegt.
Lodert und leuchtet Und früh verfliegt.
Im Sonnenschein. Wir sitzen beisammen in seliger Lust
Auf griechischen Tempelquadern, ES leuchtet der Himmel, es schwillt unsre Brust, Die Jugend pocht in den Adern. Wir sind dem Glücke der Götter nah. Weichschäumend wirst sein Getriebe Das kosende Meer um Ithaka — O, daß es ewig so bliebe. Es schlummert dein goldumstobneS Haupt Im Schatten surrender Myrten, Du lächelst, in Fernen glutdurchstaubt Singen albanische Hirten; Buntscheckige Ziegen klettern schnell Durch bröckelndes Felsgeschiebe, Und drüber die Sonne so hell, so hell, O, daß es ewig so bliebe. Es wird nicht bleiben. Die Sonne will Uns küssen im Niederwandern; Eh' sie versunken, großäugig, still.
Liebst du längst einen andern.
Das Glück hat keinen Heimatsort, Das beste bei Frühling und Liebe Ist jenes törichte süße Wort:
O, daß es ewig so bliebe!
Meeresleuchten. Das Meer die grünen Wellen hob. Der Tag ging früh zur Neige, Der Wind in schwülen Stößen schnob Durchs sausende Myrtengezweige.
Heißdunstig flogen von Süden her Die Wolken, die jagenden, feuchten. Es pflügte der Sturm das donnernde Meer, Die Wellen begannen zu leuchten.
Da sank dein windumstobnes Haupt An meine Brust, bezwungen. Dein Herz, daö ich erstarrt geglaubt. Hat Auferstehung errungen.
Es kam in seinem tiefsten Grund Des Trotzes Kern zu brechen, Dein herber, rotgesäumter Mund Begann von Liebe zu sprechen. Dein Herz will wie die weite See Kühl und großatmend branden.
Einsam im Glücke, stolz im Weh, Unnahbar, unverstanden. Und nur bei Stürmen großer Art Wird jäh im Weltgetriebe DaS seltne Leuchten offenbart. Das Leuchten deiner Liebe.
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Künstlerroman. Als tot auf schlechtem Gasthofbette lag Sein junges Weib bei Unschlittkerzenflammen, Da schob Papier, verstreutes, er zusammen. Und schrieb darauf bis an den grauen Tag.
Es ward an Inhalt und an süßem Schalle Ein also großes, ewiges Gedicht, Daß die Genossen es verstanden nicht Und schweigend wichen, tiefergriffen alle. Er aber blieb allein mit einem Sarg,
Darin begrub er seine Jugendliebe, Und jenes Buch, das ew'gen Ruhm verbarg. Und das kein Denker leichthin nach ihm schriebe. Er schob es unters fahle Goldgelock
Als Ruhekissen für die schöne Tote Und riß sich aus den Hecken einen Stock
Und schritt hinaus ins Morgenlicht, das rote.
Volkslied. Es steht in Deutschland eine Lind' Aus einem Friedhof mitten, In diese alte Linde sind
Zwei Herzen eingeschnitten. Sie liebten sich, weiß stand der Klee, Ihr Glück war kaum zu fassen: Doch als die Schwalbe sang ade. Da mußten sie sich lassen.
Das eine lebt noch auf der Welt, Tut singen, lachen und wandern.
Und beten, daß es bald beigesellt Dem andern.
Dank. Ein Lied in alle Welt hinaus Hab' ich dereinst gesandt. Da kam zurück ein Veilchenstrauß
Als Gruß von fremder Hand; Ich hab' oft seines Gebers nicht
Lang grübelnd nachgedacht. Doch hat das Sträußchen frisch und schlicht Mir reiches Glück gebracht. Ich weiß ja nun, daß auferweckt Ein Echo mein Gesang, Daß ich ein Menschenherz entdeckt, Darin er widerklang.
Und ob ich auch von Jugend her Manch Gut und Glück versäumt:
Nun ist mein Dasein nicht mehr leer. Mein Leben nicht verträumt.
Und klingt mein letztes Lied einst aus Und bricht mein Wanderstab, So legt den welken Veilchenstrauß Am Herzen mir ins Grab.
-O Deutschland! Mondschein und Giebeldächer In einer deutschen Stadt — Ich weiß nicht, warum der Anblick
Mich stets ergriffen hat.
Dort drüben beim Lampenscheine Ein Jüngling starrt ins Licht, Und schwärmt und schluchzt und empfindet
Sein erstes, sein bestes Gedicht.
Dort sitzt eine junge Mutter, Die wiegt ihr Kind zur Ruh', Sie lächelt und sinnt und betet Und singt ein Lied dazu.
Es blickt auf die mondhellen Giebel Tiefsinnend ein Greis hinaus. Er hält in der Hand eine Bibel, Drin liegt ein welker Strauß. Die Bäume rauschen, es funkeln Die Sterne ab und zu; Dort unten liegen die dunklen Häuser in tiefer Ruh'.
Es plätschert in alter Weise Am Simonsplatze der Born, Bon weitem tutet leise Der Wächter in sein Horn ...
O Deutschland! mir tat's gefallen In manchem fremden Land, Dir aber hat Gott vor allen Das beste Teil erkannt.
Du lebst und schwärmst und dämmerst In tiefer Seelenruh', Wenn du dein Eisen hämmerst, Erklingt ein Lied dazu. O lasse dir niemals rauben Die alte Schwärmerei Für Frauen, Freiheit und Glauben — Bleib unentwegt dabei!
Daß du vom Born der Sage Mögst schöpfen Frömmigkeit Und Kraft zu wuchtigem Schlage Nun und in Ewigkeit!
Gewitternacht. Wir schritten zögernd durch den Park, Es mochte kein Blatt sich regen. Die Luft war schwer, es dufteten stark Die Blumen an den Wegen.
Der Teich schlug Wogen schwarz und lau, Im Schilfe riefen Unken, Irrlichter stoben schwefelblau Umher gleich wirren Funken. Sie hatte mit Beben meinen Arm Im Dunkeln angenommen. So gingen wir, an Worten arm.
Glückselig und beklommen.
Ihr Auge trübte sich, es hob Ihr Busen sich bang und traurig; Durchs Wipfelgewirr tief atmend stob Gewitterwind warm und schaurig. Es rieselten nieder schwer an Duft Akazienblütenflocken, Es wehte in Stößen die schwüle Luft Mir ins Gesicht ihre Locken.
Ein Wetterleuchten zog flammend herauf In jagendem Wolkengetriebe;
Es stieg auch uns im Herzen auf Das Lenzgewitter der Liebe.
%
Letzter Tanz. Es glüht im Fieber das graue Haus, Lichtstreifen fallen breit hinaus Auf sommertrübe Gassen; Es flammt der Saal von Kerzen ganz, Und wir beide tanzen den letzten Tanz, Eh' wir uns müssen lassen.
Ich bin gezogen von Meer zu Meer, Und als ich heimkam, die Taschen schwer. Warst du die Braut eines andern; Die Spatzen riefen's von jedem Dach, Die Basen zischten und sprachen's nach: Das kommt vom Wandern, vom Wandern. Wir tanzen, als habe der Tod dich gepackt. Es fegt deine Schleppe spitzengezackt In welken Orangenzweigen, Schon geht der -Seiger auf Mitternacht, Dein junger Gemahl, er sieht's und lacht — Es schluchzen so wild die Geigen..
Ich wollte, wir irrten im nordischen Land Von keinem geliebt, von keinem gekannt,
Im Schneesturm über die Heide, Und daß du ruhtest unbewußt In meinem Mantel, an meiner Brust, Und daß wir stürben beide.
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Allerseelen. ES brennen die Kerzen düster. Der Weihrauch duftet ringsum, Die Menge kniet mit Geflüster, Die Orgel wurde stumm. ES leidet wohl jeder Schmerzen Um ein geliebtes Blatt, Das Gott auS dem tiefsten Herzen Ihm einst gerissen hat.
Doch die verlorene Seele, Die betend ich gemeint. Nicht ist sie gestorben in Fehle, Betrauert und beweint. Nicht mag entsühnt sie liegen In einem engen Schrein — Noch läßt sie die Locken fliegen In des Lebens Sonnenschein,
Noch ließe sie leuchten finster Ihr Auge vor Hohn und Spott, Wenn sie es wüßt', daß im Münster Ihr Name genannt vor Gott,
Daß, während ein Fest am Herzen Und der Tanz im Sinn ihr lag. Für sie gebrannt die Kerzen Am Allerseelentag.
Eckern »Ich-Earolath, Dichtungen.
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Und wenn dereinst... Und wenn dereinst wir Engel sind, Die überwunden das Leben, O dürsten wir dann im Morgenwind Mit lächelnden Lippen schweben! O wären wir frei von Lieb' und Haß, Daß wir nichts bangten und sehnten. Daß wir, wie Schmetterlinge im Gras, Die weichen Flügel dehnten!
Wir werden es nicht. Die Liebespein, Die wir erfahren auf Erden, Sie reicht bis in den Himmel hinein. Wir dürfen nicht los sie werden. Und wären die Himmel noch so blau Und noch so sanft unsre Herzen — Was wir erlitten um eine Frau, Wir werden es nie verschmerzen.
Und zögen Lenze neu herauf Gleich Sonnen im Herzensgründe, ES hörte doch nimmer zu bluten auf
Der Erdenliebe Wunde.
Wir werden treiben durch Zeit und Raum,
Uns sonnen, uns wiegen und senken. Und ewig an den Fiebertraum Glückloser Liebe denken.
Wir werden ewig denken an sie Mit schwermutvollem Sinne, Und ewig singen die Melodie
Verlorner erster Minne.
Wüstenweh. Die Wüste lag im Abendrot, Gen Theben ritten wir im Trab, Da fiel mein Roß sich jäh zu Tod An eines Scheichs verwehtem Grab.
Gelehnt an den erstarrten Bug, Der hingebettet lag im Sand, Sah jagen ich im Schattenstug Ein Dunstgewölk durchs bleiche Land. Schon fiel der Sonne letzter Strahl
Schräg auf des Nils fahlgelbes Bett, Es dämmerte im Todestal, Die Nacht kam über Medinet;
Und als sie auf die Wüste sank. Die weit sich dehnte, heiß, verblaßt. Erwachte rings ein wirrer Klang, So stemd, daß Grauen mich erfaßt'.
Ein Stöhnen war's, ein Schrei von Schmerz Ohnmächtig, qualvoll, wilder Art, Als Halle nach ein Werk von Erz, Das bis zum Kern gespalten ward. Das ist der Wüste großes Weh: Wohl küßt der Lenz ihr Felsentor, Doch ruft sein jubelnd Kyrie
Aus ihrer Brust kein Grün hervor.
Allnächtlich blickt der Mond, verblaßt, Auf braune Hügel, sandverweht. Daran entlang mit scheuer Hast
Die Karawane lautlos geht. Allewig starrt im Sonnenschein Das Riesenbrandmal, staubbefleckt. Daraus hochrippiges Gebein Die weißen Knochenmassen streckt.
Und dennoch duldet tiefbewußt Die Scherbenstätte heiß und rot In Lebensdrang, in Opferlust — Das Weltall lebt — nur sie bleibt tot. Ich kenne gut der Wüste Qual, Sie hallt in jedem Herzen nach. Dem an des Lebens Marterpfahl Ein großes Leid den Glauben brach.
Wohl bäumt es sich vor Lebensdrang, Wohl stürmt und zittert es darin. Doch geht der Auferstehungsklang Der Liebe nicht darüber hin. Es leidet, doch es blüht nicht mehr Und selten findet es ein Lied^ Das, wie die Karawane, leer Und geisterhaft vorüberzieht.
§
Meerfahrt. Es pflügt mit triefendem Buge Das Schiff die Wasserbahn, Im Mastwerk singt seine Fuge
Zornmütig der Lenzorkan. Was kümmert uns Kampf und Toben? Lehn dich an meine Brust; Wir zwei auf Deck hier oben
Sind uns des Siegs bewußt. Was kümmern uns die Bilder
Des Todes und der See? Mein tolles Herz ist wilder Als jede Westerbö,
Und deines brandet weicher Und sanfter von Begehr,
Doch ist es perlenreicher Und tiefer als das Meer.
Bitte. Wenn einst das Kirchlein offen steht
Im Lindengrün, im Maienstrahl, Wenn über dich hinbrausend geht Sieghaft der Orgel Schlußchoral, Wenn dir vereint auf ewig ward'
Der Mann, des Liebe dich beglückt. Wenn alle dich, nach frommer Gesegnet und ans Herz gedrückt. Dann schreite still vom Gotteshams Ium Friedhof hin — weit ist es wicht — Und leg aufs Grab mir einen Strmuß
Vergißmeinnicht.
Die verlassene Villa. Nun ruht die Villa verlassen. Der Vollmond überfliegt Weißleuchtend die Marmorterrassen, Drauf einst dein Fuß sich gewiegt. Versilbert grüßen die Dächer, Doch spinnender Ranken Last Verdüstert die schwülen Gemächer, Die du bewohnet hast. Du hast sie verlassen vor Jahren, Doch blieb in ihnen zurück AuS deinen dunklen Haaren
Ein Duft von verlornem Glück. Da draußen blüht schwer der Flieder, Die Nachtigall schluchzend singt,
Doch wann kehrt ein Frühling wieder. Der dich zur Heimat bringt? Wohl will es mich heiß gemahnen
An kommender Lenze Zeit, Doch es rauschen bang die Platanen
Von versunkner Seligkeit,
Sie rauschen und überschatten Die schauernden Gärten rings; Aus dunklen Tarusrabatten Lacht ein steinerner Sphinr.
Hinüber. Ich möchte sterben, wenn den letzten Schnee Der Südwind löscht, wenn sanfte Nebel senken Sich auf das Tal, wenn über Berg und See Den Flug zur Heimat Kranichzüge lenken. Wenn sich gelöst des Winters starres Trauern, Im warmen Wind lautlos die Bäume schauern. Wenn ahnungsvoll durch alles, was da lebt.
Ein Hauch von Sehnsucht, junger Liebe schwebt.
Wenn letztes Eis in Menschenherzen taut. Wenn süß und tief der Orgel Klang vergrollte Und jenes Lieb, das mein nicht werden sollte. Zur Kirche schreitet, eines andern Braut — Dann laß, mein Gott, aus Staub und Erdenwinden Auch mich den Weg zur ew'gen Heimat finden. Laß dann auch mich, ein Blatt, gelöst vom Stamme, Entgegenziehn der großen Liebesflamme, Der unser Mund verlornes Gut befahl. Die alles Glück, das wir ersehnt, verloren, AnS Herz uns bettet, schuldlos, neu geboren;
So laß auch mich an weichen Lenzestagen Verlorner Liebe letzte, tiefe Qual An deine Brust, an dein Erbarmen tragen.
Am Südmeer. Denkst du des Tags, da wir am Südmeer standen? Wir sahen weit und uferlos es gähnen. Der trübe Tag mit fahlen Wolkenmähnen Versank bei Capri über dunklen Landen.
Dein schwarzes Haar flog wirr in feuchten Strähnen, Du lachtest hell zu Sturm und Wogenstranden,
Der Ozean, in schmetterndem Verbranden, Warf dir zu Füßen seine bittern Tränen.
Auf Wellen, die vergrollend südwärts wanken. Zieht heimatlos wie weiße Meeresschäume Ein jedes Glück, das hoch und herrlich war.
Und unsrer Seele letztes Gut — Gedanken, Wirft der Orkan, als Perlen und als Träume, Der Frau zu Füßen, die uns Schmerz gebar.
Daheim. Ein Weg durch Korn und roten Klee, Darüber der Lerche Singen, Das fülle Dorf, der Helle See, Süßes Wehen, frohes Klingen, Es wogt das Korn im Sonnenbrand, Darüber die Glocken schallen — Sei mir gegrüßt, mein deutsches Land, Du schönstes Land vor allen.
Traum. Es war vorbei. — Das letzte Jucken, der letzte Schrei Verhallt zu nichts. Verschmerzt und versunken das Leben, Es durfte schauernd entschweben Die Seele zum Quell des Lichts.
Erlöster Erdenpilger lange Züge Wallten zum Endziel; feiertäglich klang Und friedevoll ihr hoffnungsftohes Beten.
Sie Ein Mit Im
zogen hin, als ob sie aufwärts trüge großes Sehnen, Greise neben Bräuten stillen Stirnen. Die Gewänder wehten frischen Winde, von der Erde drang
ES wirr herauf wie fernes Glockenläuten. Auch dich sah ich zur ew'gen Heimat schweben,
Abseits der Menge, im weichbraunen Haar Den halbverblühten Totenkranz; dein Auge
Von Abschiedstränen noch verdunkelt war. Du sahst mich an und sprachest leis: Vergib,
Ich habe dich so endlos, endlos lieb. Vergiß, daß ich dir Schmerz einst schuf und Qual, Ich hab' geirrt in jenem Nebeltal, Nun ist's verkämpft.. Dein eigen ward ich doch...
Ein Windstoß braust. In meines Zimmers Raun, Dämmert der Morgen, kalt, entsetzlich fahl,.
Ich schrecke auf — und alles war ein Traium —
Ich lebe noch!
Letztes Blühen. Es kommt noch einmal mir zu Sinn
Der Liebe holdes Wunder; Wir gehen durch die Mondnacht hin. Die Nachtigall klagt im Holunder. Es bettet sich schwer und süß dein Haupt Auf meine Brust mit Beben, Mein Herz, daS längst ich tot geglaubt. Erwacht noch einmal zum Leben.
Es schauert und ringt im Mondenlicht, Weil mit gewaltigem Triebe Durch seine Tiefen kosend bricht Der Lenzsturm deiner Liebe. O gönne mir einen letzten Traum, Du Kind mit glühenden Wangen: Bleib treu mir, bis vom Holderbaum Die Blätter wirbelnd gegangen.
Ich möchte mildern den Abschiedsschmerz Durch etwas seltsam Neues, Ich möchte sterbend pressen ans Herz
Ein Frauenherz — ein treues. DeS Glückes Tage gehn im Flug, Bald ist es Sommermitte.. Es ist ja nur ein holder Betrug, Um den ich scheu dich bitte.
Denn fallen die Blätter müd' und lind Herbstduftend an den Wegen, Dann gehe auch ich, ein Blatt im Wind, Dem ewigen Lenz entgegen,
Dann gehe auch ich, um weit von hier, Wohl unter rauschenden Bäumen In aller Ewigkeit von dir Und deiner Liebe zu träumen.
In der Fremde.
Nun schmilzt am Weg der letzte Schnee, Das ist das Litorale — Tiefblau und blendend liegt die See Im heißen Sonnenstrahle. Von jeder Hecke, von jedem Jaun Verblühte Rosen fliegen. Lachende Mädchen, schlank und braun. Aus allen Fenstern liegen.
Wie Riesentrauben stehn in Pracht Orangen und Mandarinen, Aus allen Lauben flehn bet Nacht
Verliebte Kavatinen, Verschränkte Paare schlank und kühn Durch alle Vignen wandeln. Das Liebeswerben überblühn Frohlockend rote Mandeln, Und tief im heißen, glückseligen Land, Da rauschen im Winde die Pinien, Da ragen die Berge unbekannt In weichen sonnigen Linien, Und über der See tiefblau und weit Liegt der Himmel unermessen —
Doch über allem mein Herzeleid Um dich, die ich in Ewigkeit Nicht werd' vergessen!
Herbst am Zürichberg. Schon zittert welk das Ahornblatt Im müden Sonnenschein, Die Gassen der alten Limmatstadt
Duften von neuem Wein. An ftoher Villen Gartentor Bleib' ich erwartend stehn. Als müsse durch späten Rosenflor Noch einmal die Liebste gehn.
Es decken Nebel den Rebenhang Und über die Gärten weit Zieht Frauenlachen süß von Klang — O Jugend, du heilige Zeit!
Ich bin ein Wandrer mit grauem Haar, Der schweigend zu segnen kam
Die Sommerlust, die sein einst war,. Das Glück, das Abschied nahm. Der einmal noch segnet, still von Siinn, Dies Land, das ihm in Pracht Des Mannesherzens Hochgewinn, Die volle Lese gebracht. Nun trauert verödet und bleich die -Flur, Doch liegen die Stoppeln brach. Zieht jedes Lebens Pflügerspur Der ewigen Ernte nach. Gchnenaich-Earnlath, Dichtungen. 17
Bald göltet auch mir ein fremder Glanz Den letzten Nebeltag — Vorüber.. tief unten im Ulmenkranz
Rauscht jubelndes Festgelag. Im fröstelnden Garten, rotumlaubt.
Die Götterbilder stehn. Und letzte dunkle Rosen ums Haupt Schlingt ein trunkner Silen.
Heimwärts. Ein dürrer Eichbaum droht ins Land, Dort sitz' ich, mein Leid zu klagen; Die Ostsee schäumt, Staub deckt den Strand,
Die Blätter wirbeln, jagen. Die Freunde gut, die Liebchen blond, Daran mein Herz gehangen. Wo blieben sie? Am Horizont
Verweht, vorausgegangen.
Verfehlte Liebe, verlornes Glück — Nun auf durch Erdenschauer, Unsterblich Herz, zu Gott zurück, Ium Frühling ew'ger Dauer.
Herbstreise. So will ich denn noch einmal fahren Den Rhein hinab zur grauen Stadt; Die Heimat grüß' ich, wo vor Jahren Mein Herz geliebt, geblutet hat.
Rauch hüllt die Dächer, in den Scheiben Spätsommersonne sinkend loht. Mit süßem Laut die Schwalben treiben Den schrägen Flug durchs Abendrot.
Es steigt des Domes Schattenmasse Mit Blumenzier und Turmeöknauf Weltflüchtend aus dem Lärm der Gasse,
Verleuchtend flammt der Tag darauf. Bon Liebchens Haus im Abendschimmer Das rote Weinlaub fliegt und nickt. Allein der Sonne Glutgeflimmer In fremde Frauenaugen blickt.
Auch keine Freunde gilt's zu finden, Sie schlafen längst, wie's Gott gewollt.
Auf ihren Grabstein schütten Linden Der braunen Blätter Raschelgold.
Und fremde Kinder jubeln, lachen, Ein neues, wachsendes Geschlecht, Nicht hab' ich Träumer unter Wachen Und Lebensfrohen Heimatrecht.
Studenten zechen vor den Lauben In hellen Haufen, buntgereiht, Schon rötet früher Frost die Traube,, Bald naht die große Wanderzeit,
Gen Süden lenkt im Heimwehtriebee Ein Kranichheer den Fluch gemach; Auch du, mein Herz, ziehst deiner Lielbe Und deinem ew'gen Lenze nach.
Abschied. Nun ging der Sommer sacht zur Neige, Die Hügel starren reifbekränzt, AuS triefendem Edeltannengezweige Das weiße Schloß im Herbsttag glänzt.
Ich möchte noch einmal langsam gehen An deiner Seite, traumgewiegt. Wenn durch die dunklen Tarusalleen Das raschelnde rote Herbstlaub fliegt.
Noch einmal, wenn fern des Gärtners Harke Den nassen Kiesweg sacht entlaubt, Möcht' pressen ich tief im rauschenden Parke An meine Brust dein blondes Haupt.
Dann wie ein Sturm, der schwül geschlagen Durch Erdenschönheit und Rosenflor, Will ich den Kranz aus LenzeStagen In letzten Liedern heimwärts tragen Au Gott empor.
Bon
PrinzEmil vonSchoenaich-Larolath sind folgende Werke erschienen:
Dichtungen. 11. und 12. Auflage, brosch.M.3.—, geb.M.4.— Gedichte. 7.und 8.Auflage, brosch.M.3.—, gebundenM.4.— Geschichten aus Moll. 3.Aufl., brosch.M.3—,geb.M.4.— Tauwasser. 3. Auflage, broschiert M. 3.—, gebunden M.4.— Der Freiherr. Regulus. Der Heiland der Tiere. 3. Auflage, broschiert M. 3.—, gebunden M. 4.—
Lichtlein sind wir. Die Kiesgrube. Die Wildgänse. 3. Auflage, broschiert M. 1.80, gebunden M. 2.50
Bürgerlicher Tod.
Neue Ausgabe, gebunden M. 1.—
Gesammelte Werke 7 Bände.
Broschiert M. 10.—, gebunden M. 15.—
Inhalt: 1. Dichtungen I. 2. Dichtungen II. 3. Gedichte. 4. Tauwaffer. 5. Geschichten aus Moll. 6. Der Freiherr. Regulus. Der Heiland
der Tiere.
7. Bürgerlicher Tod. Lichtlein sind wir. Die Kiesgrube.
Die Wildganse.
Des Bettlers Weihnachtsgabe
Fern ragt ein Land ♦.. Eine Auswahl aus den Dichtungen des Prinzen Emil von Schoenaich-Carolath 2. Auflage (6.-8. Tausend). Steif broschiert M. 1.60, gebunden M. 2.—, Liebhaberausgabe auf echtem Büttenpapier und in Pracht
band gebunden M. 12.—
Verlag der G.J.Göschen'schen Verlagshandlung Leipzig