Dichtungen [5. Aufl. Reprint 2020]
 9783112334348, 9783112334331

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Dichtungen Don

Prinz Emil von Schönaich - Carolarh

fünfte Auflage

Leipzig G. I. Göschen'sche Berlagshandlung 1901

Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungsrecht, von der Verlagshandlung Vorbehalten.

Herross & Ztemsen, Wittenberg.

Inhalt. Seite

Angelina........................................................................... 1 Die Sphinx...........................................................................39 Fatthüme............................................................................... 77 Don Juans Tod............................................................ 105 Judas in Gethsemane.................................................... 133 Requiem................................................................................. 145 Hollunderblüten.....................................................................149 Genrebild................................................................................. 151 Kreuzfahrt............................................................................. 152 Merlin..................................................................................... 154 Sommerfest.............................................................................157 Der schwarze Hanns.............................................................160 Mittagsgespenst.....................................................................168 Erscheinung .'.........................................................................170 Aus Junitagen.....................................................................171 Die Einkehr.........................................................................173 Verblühter Frühling............................................................ 175 Rach dem Gewitter................................................................. 177 Scherben................................................................................. 178 Vorüberreitend ..................................................................... 181 Albumblatt............................................................................. 184 Nebeltag................................................................................. 185 Der schmale Weg................................................................ 186

IV Seite

Unvergeßliche Liebe..................................................................187 Lebensverneinung.................................................................. 188 Aus alter Zeit.......................................................................... 189 Eterna doglia.......................................................................... 192 Die Unbekannte.................................................................. 193 Gruß an Deutschland............................................................. 201 Ein Bild...............................................................................205 Stella peregrina...................................................................... 211 Asterope...................................................................................212 Firnenweg.............................................................................. 21'3 Beleuchtender Tag..................................................................214 Der Feldweg.......................................................................... 217 Abendlied................................................................................... 219 Bergpsalm.............................................................................. 221 Oktobersonne.......................................................................... 223 Letzter Sonnentag..................................................................225 Wand erfahrt...................................................................... 227 Der Taugenichts...................................................................... 229 Spielmannslied...................................................................... 232 Böse Heimkehr.......................................................................... 233 Lied des Gefangenen............................................................. 235 Vom Scheiden.......................................................................... 237 Carmen................................................................................... 239 Römische Freske...................................................................... 241 Gretchen im Winde ............................................................. 242 Spätherbst.............................................................................. 244 Desdemona.............................................................................. 246 Hochmittag .......................................................................... 247 Auch Du!................................................................................... 249 An..............................................................................................251 Altes Bild.............................................................................. 252 Lied der Ghawaze..................................................................253 Im Sonnenschein.................................................................. 255

V Seite

Meeresleuchten .................................................................... 257 Künstlerroman........................................................................ 259 Volkslied.................................................................................260 Dank.....................................................................................261 O Deutschland!.................................................................... 263 Gewitternacht........................................................................ 266 Letzter Tanz.............................................................................268 Allerseelen............................................................................ 270 Und wenn dereinst.................................................................272 Wüstenweh.............................................................................274 Meerfahrt ............................................................................ 277 Bitte.........................................................................................278 Die verlassene Villa............................................................ 279 Hinüber.................................................................................281 Am Südmeer........................................................................ 283 Daheim.................................................................................284 Traum.....................................................................................285 Letztes Blühen........................................................................ 287 In der Fremde.................................................................... 289 Herbst am Zürichberg............................................................ 291 Heimwärts.............................................................................293 Herbstreise.............................................................................294 Abschied.................................................................................296

Angelina.

Schönaich-Tarolath, Dichtungen.

1

I.

Die Sonne sinkt, es stirbt im Tiberstrom Ihr letztes Glühen.

Auf das heil'ge Rom

Lagert die Dämmrung sich mit dunklen Flügeln.

Die Vögel schweigen, und ein Rauschen geht Durch die Cypressen, in den Gassen weht Ein kühler Wind von den Sabinerhügeln.

Wo gehn wir hin? — Gleichviel, Ihr habt die Wahl,

Nur möcht' die Norma ich ein zehntes Mal Nicht wieder hören, schaffet Rat, Signore!

Ins Kaffeehaus? Und später auf den Ball Des Kunstvereins? Habt Dank, auf keinen Fall —

Doch kommt, ein Freund von mir wohnt dicht am Thore. Er ist ein Künstler, der zu leben weiß,

Und abendlich empfängt er einen Kreis Im Atelier bei seinen Idealen, Der hoch des Frohsinns buntes Banner hält.

Wohl wettet' ich, daß Euch dies Haus gefällt, Denn nicht allein spricht man daselbst vom Malen.

r

4 Wir traten ein.

Mit Gruß bot uns die Hand

Der Herr des Hauses, dann von Wand zu Wand

Durchmaß mein Blick den Raum, den kerzenhellen. Hier Skizzen, Waffen, eine Staffelei

Noch streng verhüllt, dann Stoffe mancherlei, Kostbar Gerät auf bunten Tigerfellen.

Und zwanglos um den breiten Tisch geschart Saß die Gesellschaft wohlgemuter Art,

Und tauschte Scherz mit sprühnden Witzesflammen. Man sprach von Makarts Stil und Kolorit, Von Wagner, von dem Nibelungenlied,

Von Schopenhauer und Voltaire zusammen.

Es gab ein Streiten, wahrgemeint und derb,

Mit scharfen Waffen, ungestüm und herb, Ein frischer Geist war in dem jungen Volke;

Burgunder trank man hier, dort Marsala,

Der duftige Tabak von Denderah Zog durch den Raum gleich einer Schleierwolke.

Es naht ein Zeitpunkt, wo bei Hochgelag

Des Herzens wahre Stimmung tritt zu Tag: Der Britte schwärmt von Jagd, von Turfeswirren, Und Frankreichs Sohn spricht unverblümt pikant

Von Aventüren, die meist sehr galant —

Der Spanier träumt von Mandolinenschwirren.'

5 Zur Wehmut neigt dann meist des Deutschen Sinn. Schon sang der Eine leise vor sich hin Das traurig-reizende ma brunettina ....

Da sprach der Hausherr: Freunde, Ihr vergeßt

Der Fröhlichkeit! Zu krönen unser Fest Wird Blumen uns bescheren Angelina! —

Wenn eine Glut, die sich verlöschend quält,

Man einem Strome Schirasöl vermählt,

Loht neu sie auf zu stürmisch hellen Flammen. So riß der Name, als ein Zauberwort,

Das Tischgespräch in frischem Schwünge fort, Der brausend ward, denn Alles sprach zusammen.

Umwölkte Züge schienen plötzlich jung,

Ein Zug von Frohsinn, von Begeisterung Kam neubelebend über Aller Mienen,

Und Beifall hob sich, als sein volles Glas Der Eine hob, und kühn das rote Naß

Hinuntergoß zum Wohl von Angelinen.

Der Hausherr stand behaglich am Kamin Und lächelte.

Doch ich trat zu ihm hin

Und frug: vergebt, wem ist der süße Name?

Wohl einer Muse, die noch fremd mir war, Und welche schwärmerisch die Künstlerschar Verehrt als allgemeine Herzensdame?

6 Und jener: Herr, seit Kurzem offenbart Von Schönheit strahlend, fremd von Tracht und Art, Ein Mädchen sich in Romas Volksgedränge;

Recht wie ein Lichtstrahl, flüchtig, hier bald dort,

Mit Blumen handelnd und mit klugem Wort Eilt sie dahin, daß sie die Herzen zwänge.

Woher sie stammt — man weiß es nicht.

Sie kam

Gleich Sonnenschein zu guter Zeit, und nahm Die Herzen Aller wie im Flug gefangen. Daher kein Wunder, daß so alt wie jung Sie offen ansieht mit Begeisterung

Und heimlich cnzch mit brennendem Verlangen.

Doch das vergebens.

Denn ob arm ob reich,

Ob alt ob jung — ein Jeder gilt ihr gleich,

Und Keiner darf sich je bevorzugt sagen. 9hm denkt Euch selber, wie der Widerstand

Die Leute reizt, wie oft die linke Hand Und auch die rechte man ihr angetragen!

Das Köstlichste kam oft dabei zu Tag; Der spielte kühn va banque auf einen Schlag,

Verlor, und wandte sich, stolz wie ein Posa.

Der seufzte, schlug die Augen himmelwärts, Und schrieb Sonette ihr auf „Herz" und „Schmerz" —

Sie aber dankte kurz in guter Prosa.

7 Wer nicht geformt aus allzu grobem Holz,

Versteht des Blickes kindlich reinen Stolz,

Der Lippen traurig-spöttisches Verschieben, Der Rede Art, die hübsch und freundlich klingt

Und doch gar bald um jede Hoffnung bringt:

Ich könnte nie, so wie Ihr wolltet, lieben.

„Die Ihr mich seht, laßt alle Hoffnung sein," — So fiel aufseufzend hier ein Zweiter ein, —

Das ist ihr Wahlspruch.

Beweisen es.

Viele Anekdoten

Zum Beispiel hat ein Lord

Erst kürzlich ihr mit manchem schönen Wort

Für einen Kuß zwei Handvoll Gold geboten.

Sie nahm es an, dann keck und unverwandt Gab sie zum Kusse ihm — die kleine Hand,

Ließ den Verblüfften, dessen Zechgenossen

Sich kirschrot lachten ob des kalten Schlags, Und ging.

Mau fand die Münzen andern Tags

In einer Kirche Opferstock geflossen. —

Sie ist ein Rätsel! rief begeistrungsvoll Der Eine. — Ach, ein süßer Klang aus Moll,

Güt7 Rose rot, ein Stern in lichten Schimmern . . . So schwärmt7 ein Andrer.

Doch ein tiefer Baß

Rief mit Entrüstung: Blondkopf, lasse das,

Erspare uns Dein lyrisch Sehnsuchtswimmern.

8 Ihr Alle seid auf einer falschen Spur, Ein Diplomat sönnt’ Auskunft geben nur, Und glaubt es mir, die schone Vielgenannte,

Die wenig spricht und doch so vieles hört, Die Euch so gründlich nasführt und bethört, Ist auf der Botschaft eine gut Gekannte! —

Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied,,

So rief ein Dritter, dessen Laune schied, Gedanke würdig einer Midasstirne! Der Lyriker, nachdem er vollgeschenkt

Sein leeres Glas, sprach: Thorheit, was Ihr denkt. Es schaffe Gott Erleuchtung Euerem Hirne,

Und knet’ es besser um als Ihr den Thon . . .

Bravo, erscholl es, bravo, Musensohn, Das Schwert heraus! Du wirst befrein hienieden Prinzeß Dornröschen! — Dornenrose? Nein —

Das Mädchen aus der Fremde soll sie sein, Und mit uns Allen bleibe lang der Frieden!

Das thäte Not, rief laut ein Andrer da, Das schöne Kind ist eine Helena, Die Zwietracht sät, o Helena, moderne!

Glaubt mir, dies Auge, das so fromm Ihr nennt, Birgt heimlich ein dämonisch Element —

Ich kenn das Leuchten solcher dunklen Sterne.

9 Und ein Gedanke steigt mir heiß zu Haupte Wir Alle haben gern und oft geraubt Schuldlose Blumen, unentweihte Herzen; Was wir getrieben, war meist glattes Spiel —

Auf unsrem Wege liegen schon zu viel

Zerrissne Schleier und begrabne Schmerzen.

Gesteht, Ihr Herrn: hieß es Vergeltung nicht Käm einst herab zu Strafe, zu Gericht

Ein Weib, das irgendwo ihr Herz vergessen,

Die blendend schön, der unsre Qualen Spaß, Und die uns mäße nach demselben Maß,

Mit welchem wir einst frevelhaft gemessen? —

Beim Himmel, Deine mystische Idee, Rief schnell ein Andrer, schafft mir Sorg und Weh^

Sie streift an meine!

Gebt das Wort mir Armen,

Und dünkt mein Lied bekannt Euch in der That, So denkt daran, daß oft ein Plagiat

Manch hochberühmtes, vielgepriesnes Carmen. —

Heraus damit! erklang's in muntrem Ton, Heraus mit Deiner Improvisation, Tannhäuser spricht!

So ging es bunt im Chore

Und frei sich schwingend auf des Tisches Rand,

Blitzenden Aug's, den Becher in der Hand, Begann sein Lied der lockige Pittore:

10 Als einst Tannhäuser, mein hoher Ahn, Zu beten kam und zu büßen,

Zog er den Weg nach Rom hinan

Äuf müden, blutenden Füßen.

Er war'am apvischen Wege schon,

Da grüßte Roma bella,

Doch er hielt Rast am Grabe von

Caeeilia Metella.

Es schritt vorüber ein blasses Kind,

Und brach sich Rosen vom Zaune, -Es wehte im frischen Frühlingswind

Ihr Haar, das dunkelbraune,

Aus weiter Ferne kam Glockenklang, Das Kornfeld durchlief ein Schimmer, Und in der Luft eine Lerche sang —

Tannhäuser rastete nimmer.

Er dachte nicht mehr an Acht und Bann, Und nicht an den Dom Sankt Peter, -Es wurde von Neuem zum Rittersmann

'Der blasse bußfertige Beter.

11 O wollet vergeben, schöne Frau, Daß ich so tief Euch gegrüßet, Daß ich Euch noch tiefer ins Antlitz schau —

Schon hat es mein Herz gebüßet.

Mir ist es, als säh' ich ein fremdes Licht In Euern Augen brennen,

Das tragen irdische Frauen nicht —

Doch glaub ich, es zu kennen.

Es flammt ein weicher, rosiger Schein Auf Euren tiefdunklen Haaren, Der kann nicht von dieser Erde sein . . Doch sah ich ihn schon vor Jahren.

Es liegt mir ein altes Lied im Ohr, Das klingt wie Jubel mit Thränen —

Auch sah ich schon einmal Euch zuvor Lachen mit schimmernden Zähnen.

O sprecht — seid Ihr die Waldesfee Egeria Philomele,

Oder seid Ihr das Fräulein, das Fräulein vom See

Mit der verlornen Seele?

12 Seid Ihr ein Engel, der leuchtend kam

Ins schmerzende, lastende Leben, Um einer Welt voll Weh und Gram

Die Liebe zurück zu geben? Es neigt sich lächelnd das schöne Kind Und spricht: Der romantische Flitter, Mit dem Ihr huldvoll mich umspinnt,

Geziemt mir gut, Herr Ritter.

Ich trage der Schönheit Kronengeflecht, Bin Lilith, bin Melusina,

Und nur ein entgöttertes Menschengeschlecht Nennt mich Angelina.

Der Sänger schwieg, doch herzhaft schwang im Chor Sich Beifallswort und Gläserklang empor: Tannhäuser hoch!

Mit siegesstolzer Miene

Stieg er vom Tische, plötzlich blieb gebannt Sein heller Blick, am Vorhang lächelnd stand

Im Arm den Korb voll Rosen Angeline!

So sah ich sie.

Die reizende Gestalt

Schien, von des Vorhangs Faltenwurf umwallt,

Ein lichtes Bild auf sammetfinstrem Grunde,

Deß wunderfeines, sinnendes Profil Ein großer Künstler schuf in flüchtigem Stil Zu gottbegnadeter, geweihter Stunde.

13 Wie war sie schön!

Ihr Haupt, halb abgewandb

Erschien mir fremd und dennoch wohlbekannt, Fast wie ein Klang aus lieber Kindersage.Ihr Aug> war dunkel, dabei wunderbar

Groß und betrübt, als ob es immerdar

Nach etwas Süßem, ewig Fernem frage.

Das braune Haar umschmiegte voll und weich Die schöne Stirn, und die war seltsam bleich,

Doch wenn die Lippen sich zum Lächeln gaben Umflog das Köpfchen zarter Heiligenschein — Den konnte nur ein totes Mütterlein In Angst und Schmerz darum gebetet haben.

Ein Hauch — vorbei — das holde Bild zerrann,

Die Gäste drängten stürmisch sich heran, Daß sie ihr Teil an bunten Gaben fänden,

Die Angelina freundlich lächelnd bot. Glück bringt ja immer eine Rose rot,

Die man empfängt aus schönen Frauenhänden.

Ich aber blieb, weil ich ein Träumer bin, Am Fenster stehn.

Da trat zu mir sie hin:

Das Körbchen leer! So schnell — wer konnt es wissen .. Wie schlimm, Signore!

Plötzlich hell und klar

Ihr Lachen scholl; aus ihrem dunklen Haar

Gab sie mir hin das Sträußchen Frühnarcissen.

14 Dann aber führte seinen schönen Gast Zu Tisch der Hausherr, übereilig fast,

Und bot ihr Früchte dar von unsrem Mahle;

Datteln vom Nil und Trauben frisch vom Rhein. Sie nippte leicht auch am Falernerwein, Der glutrot perlte in krystallner Schale.

Und munter scherzte man ohn Unterlaß,

Des Kindes Antlitz, sonst so marmorblaß, Durchzog ein warmer, rosig matter Schimmer;

Und zu dem Hausherrn sagte sie leichthin:

Ihr ahnt es nicht, wie sehr ich fröhlich bin,

Es ist bei Euch so schön und traulich immer.

Doch eine Bitte nochmals wag ich sie: Singt mir, Signor, die deutsche Melodie, So gerne hört ich wieder sie und wieder.

Ein Meister, sagt Ihr, der die Zeit durchragt,

Hat einst in ihr sein Liebesleid geklagt — Sie sind so traurig, Eure deutschen Lieder!

Doch jener trat zum Flügel, der lag breit Im Kerzenglanze, prunkend, klangbereit. Ein Mollakkord begann empor zu schwellen,

Ein großer Heimruf, Schuberts Lied am Meer. Und machtvoll zog das Meisterwerk einher

Wie Schwanensang hoch über Nordseewellen.

15 Durchs Fenster brach, ein flutend Nebelbild^

Fahlhelles Mondlicht, südwärts jagte wild Ein Dunstgewölk.

Die murrenden Cypressen

Durchstob der warme, regenfeuchte Wind;

Ich aber sah auf jenes fremde Kind; Sie stand in tiefem, tiefem Selbstvergessen.

Das bleiche Köpfchen wie aus Leidenschaft

Gemeißelt.

Regungslos, statuenhaft

Der schlanke Leib; von Thränen und von Flammen' Der Blick durchschossen, während unruhvoll Ein de profundis reich an Schmerz und Groll

Die Prachtakkorde schwül vorüberschwammen.

Das Lied vergrollte.

Angelina war

Zuerst gefaßt, jetzt allzu ruhig gar;

Das griff mich an.

Weh, dem das Herz durchschlagen

Der Sturm des Schönen bis zum tiefsten Kern!

Es bleibt ihm selbst ein Sturm nur selten fern, Denn wer den Blitz liebt, muß den Schlag ertragen.

Da stand sie auf, mit plötzlichem Entschrup: Feliee. notte — einen leichten Gruß —

Der Hausherr suchte freundlich sie zu halten;

Ich blieb schon lang, fast über die Gebühr . . .

Da gab Geleit er bis zur Gartenthür, Schlug fest um sie des weichen Mantels Falten.

16 Und die Gesellschaft blieb beisammen noch Bei schwerem Trünke.

Mir erschien es doch

Als ob der Frohsinn von dem Kreis gewichen, Als ob gelähmt sei der Gedankenflug, Als ob ein häßlicher, ein bittrer Zug In das Gespräch sich plötzlich eingeschlichen.

Vom Flügel klangen, etwas überfroh, Die Walzerweisen aus Madame Angot, Lecoqs geistreich-salopper Operette; Herbduftend fleckte reich vergossener Wein Das Tafeltuch; die Zecher stimmten ein

Zum Schlußakkord der muntern Chansonette.

So rann die Zeit.

Da plötzlich trat zu mir

Ein Maler hin, den am Guadalquivir

Ich einst gekannt, und den bei Stiergefechten Ich in Madrid zuweilen wiedersah, Und einmal auch im Dom zu Cordova,

Heut schien er nüchtern, während Jene zechten.

Don Gaston war von edler Art, er glich Dem Kämpfer Cid auf altem Kupferstich;

Er galt als Held der tollsten Abenteuer. Mir war er Freund.

Sein leichtgesenktes Haupt,

Vom Lebenszugwind zeitig überstaubt,

Barg des Genies dreimal geheiligt Feuer.

17 Jetzt stand er vor mir, lässig abgewandt Vom Schwarm der Andern.

Er erhob die Hand

Und sagte leicht, hindeutend zur Terrasse: Die Schöne ging — gottlob, wir haben Nuh. Dann gab er rasch mit scharfem Spott hinzu:

Dir folgt, o Kind, der frommen Wünsche Masse.

Mich aber treibt es, seh ich Dein Geschick Dich überschatten, einen düstern Blick,

Einen entgötterten, Dir nachzusenden. Du bist ja schön! Dein Herz ist stolzgeschwellt,

Und Du bist gut! Genug — es hat die Welt Dein Los besiegelt.

Du wirst elend enden.

O Schönheit, Schönheit, Danaergeschenk!

Weh Jedem, dem Dein leuchtend Stirngehenk Als blitzend Stigma ward ums Haupt geschlagen!

Weh ihm, dem Kind, das ausgesendet ward,

Ein reiches Kleinod wunderseltner Art Durch einen Wald, einsam bei Nacht, zu tragen!

Wohl zieht es aus, singend im Abendrot;

Es kehrt nicht heim.

Am Morgen liegt es tot,

Erwürgt, beraubt, im fröstelnden Gehege.

Auf blassem Mund sein letztes Seufzen starb:

Ihr gabt ein Gut mir, das mich früh verdarb — So muß ich enden nun seitab vom Wege! Schönaich-Carolath, Dichtungen.

2

18 O Schönheit, Schönheit, goldnes Samenkorn Von Gott gestreut, daß über Sand und Dorn

Die Saat des Guten segensvoll erstünde; Wie kommt's, daß Schmerz als dunklen Keim Du hegst,

Die Massen nur zu finstrer Gärung regst, Zu Aufruhr, Leidenschaft, Begier und Sünde?

Und doch — was ist's, das uns so tief bewegt,

Wenn Schönheit sacht die goldnen Schwingen regt, Lichtschüttend wandernd über Erdenfluren?

Was soll der Schauer, was das süße Weh, Des Herzenssturmes jubelnd Kyrie,

Das fort uns reißt, zu folgen Deinen Spuren?

O Schönheit, Schönheit, letzter Wiederschein,

Abglanz des Edens! Ach, Du bliebst allein Der Erde treu! Du konntest von dem Weibe,

Von Edens blauer Blume lassen nicht,

Du folgtest ihr und wardst das Tempellicht,

Das ew'ge Licht im staubentkeimten Leibe.

Wir aber, der Verdammten blasse Schar, Schlingen nach Dir, sinnlos, unwandelbar, Den Totentanz! In schattenhaftem Zuge,

Als Deine Schatten, treiben wir die Bahn Im Fieberrausch, im ew'gen Sehnsuchtswahn,

Hinstammelnd die uralte Liebesfuge.

19 Und nicht umsonst.

Du wirfst Dich vom Altar

In unsre Arme, Kind mit blondem Haar,

Schön wie einst Eva! Göttin halb, halb Dirne Neigst Du das Haupt, in Sehnsucht, glutbedeckt,

Wir aber mit den Lippen staubbefleckt

Küssen die Gottheit fort Dir von der Stirne.

Ganz plötzlich zog sein Mund

Gaston brach ab.

Sich leicht und herb: Seit einer halben Stund'

Langweil' ich Euch.

Nehmt einen Rat in Gnaden:

Falls flüchtiger Reiz Euch wünschenswert erscheint, So trinkt Champagner, es ist wohlgemeint,

Nie reinen Rum — dies bringt den Nerven Schaden! Ich kannt' ihn gut.

Das war sein alter Hohn,

Sein heller Blick, dabei der Stimme Ton So trostlos müd', so hoffnungslos gelassen . . .

Ich wandte mich und mochte reden nicht, Es schwieg auch er und starrte trüb ins Licht,

Die Tramontana wehte durch die Gassen.

Da plötzlich wies, aufhorchend, mit der Hand

Er nach den Zechern.

Stumm, vom Trunk gebannt,

Umlehnten sie den Eichentisch halb wachend;

Ein dichter Qualm, blaugelber Kerzenschein, Ein herbes Duften von vergossnem Wein — Und einer sprach im Schlaf ingrimmig lachend: 2*

20 He, Angelina! Stör' ich Deinen Schatz? Nur aufgethan! Ich weiß, er ist im Platz, Und ich hab's satt, zum Narren Euch zu taugen.

Fort mit dem Schuft — Die Reihe ist nun mein, Ich werf Dir sonst die Fensterscheiben ein,

Du Tugendspiegel mit den schwarzen Augen! —

Er rief noch mehr.

Gaston ward flüchtig blaß,

Und sprach bei sich: in vino veritas, Zu lange blieben wir, das ist die Strafe,

Er raffte Hut und Mantel vom Kamin, Ein Schütteln traf ihn; leise vor sich hin

Sprach er: dies Volk, es sündigt selbst im Schlafe.

Dann lauter: Freund, Euch hat sich offenbart

Wie hoch, wie rein, wie ideal, wie zart Appollos Jünger heimlich von Gemüte.

Und doch — der Bursche, überschwer bezecht Und widerlich, behält am Ende recht —

Der Wurm sitzt jetzt vielleicht schon in der Blüte.

Ihr Schicksal ist es.

Daß die Sichel mäht

Dies holde Wesen früher oder spät,

Im Lauf von Jahren, Wochen oder Tagen Ist vorbestimmt.

Wohl jetzt schon wär' es Zeit,

Mit wenig Aufwand von Geschicklichkeit

Und Spürersinn, dem Preise nachzufragen.

21 Seht, werter Freund, mich nicht so strafend an -

Ihr glaubt mir nicht? Nun wohl, so käm' es an Auf den Beweis, und der wär' leicht zu führen.

Zwar ist es Nacht, es regnet und es weht, Doch können wir, wohin die Schöne geht,

Heut Abend noch mit Leichtigkeit erspüren.

Wie sehr sie eilt — wir kommen ihr zuvor, Denn Unser harrend vor dem Villenthor Steht eine kräftige Kirgisenstute,

Die Preise mir ein gutes Teil gewann Und Englands Traber schmählich niederrann; Sie ist von wildem, reinem Steppenblute,

Und außerdem ein menschenfeindlich Thier.

Fast hätte jüngst dies Bosheitselixir Mit Haut und Haar mein Knechtlein mir gefressen,

Den kleinen Kerl, der kaum zwei Ellen mißt

Und obendrein vom Hause Neger ist,

Wie schwärzer ihn kein Jnderprinz besessen. —

So gingen wir.

Ein russisches Gespann

Hielt quer am Thor, das Pferd sah wild uns an Reglosen Hauptes, mit geblähten Nüstern,

Ein böser Satz dann — Gaston aber riß Es rasch herum, da warf's sich ins Gebiß

Zu traben durch die Gassen hin, die düstern.

'

22 Das war kein Trab mehr! Gaston lachte hell, Als hinter uns gespenstisch, überschnell Die Gärten und die Villen rasch versanken.

Hin stoben wir in einem wilden Flug, Die Schollen flogen um des Thieres Bug,

Schaumstreifen scheckten seine feuchten Flanken.

Da plötzlich halt — ein Zügelruck, ein Pfiff — Hoch stieg das Pferd, und funkensprühend griff

Ins Pflaster es mit stahlbeschlagnen Hufen. Sie ist's, rief Gaston, und die Zügel gab

Er aus der Hand.

Folgt mir, sie steigt herab

So schnell sie kann der Piazza Treppenstufen.

Die Nacht war still, die Gassen menschenleer, Vom Himmel hingen schwarz und regenschwer

Die feuchten Wolken, manchmal scholl von Ferne

Ein Wächterrufen.

Um die Ecken zog

Ein kalter Wind, dann flackerte und flog

Das Gaslicht in der ächzenden Laterne.

Der Sturm lief weiter an den Häuserreihn,

In die Kamine schnob er wild hinein, Riß am Gebälk in ungestümem Neide, Dann wieder warf er, recht wie toll und blind

Die dunklen Flügel um das flüchtige Kind,

Und wuchtete an ihrem seidnen Kleide.

23 So stand sie hilflos und auf gutes Glück

Ankämpfend still, dann sah sie scheu zurück Und bog rasch ab in eine Seitenstraße,

Doch mein Begleiter raunte mir ins Ohr Lautlos und hastig: jetzt habt Acht, Tenor,

Es naht der Anfang schon von unsrem Spaße.

Denn jene Gasse, die bedenklich hohl,

Führt nach Traftevere.

Bald sehn wir wohl

Des Nachtmotives nächtiges Finale,

Wenn anders nicht, wie manchmal es passiert, Wir totgeschlagen oder garottiert,

Was eine Sitte, eine sehr banale

Der heil'gen Stadt.

Mir folgt auf Schritt und Tritt

Mein bester Helfer stillverschwiegen mit, Denn wir sind Menschen von geringem Werte, Und uns begleitet, zu besonderm Schutz, Den Bösen doch ein Ärgernis und Trutz,

Kein guter Engel mit geschärftem Schwerte.

So redend wog in kunsterprobter Hand Er einen Dolch.

Den hielt er fest umspannt,

Und prüfte hastig ihn bei einem leisen Reflex, der blaß sich in der Klinge brach.

War schärfer als der Spott, mit dem er sprach,

Das stoßbereite, hohlgeschliffne Eisen?

24 Wir gingen weiter, langsam, dicht entlang An dunklen Häusern.

Drinnen tönte Sang

Manchmal wich der Schieber

Und lautes Fluchen.

Von einer Thür, ein Weib trat breit ins Licht, So grell geschminkt das knochige Gesicht,

Als nage heimlich ihr am Mark das Fieber.

Indessen wichen Lärm wie Lichterschein,

Der Weg verlief an Häusern, ländlich klein, Im Dunkel hob sich ein Olivengarten

Mit einem Hüttlein schlichter Art, von Rohr; Doch Angelina schlug ans Gartenthor,

Das that sich auf — man schien auf sie zu warten.

Ein Weib erschien, so hastig sie's vermocht,

In welker Hand ein mühsam qualmend Docht, Sie murmelte gesprächig viele Worte,

Verneigte sich und rief ins Haus hinein: Madonna kommt! .Dann losch des Lämpchens Schein Und Stille ward.

Es schloß sich fest die Pforte,

Und Gaston lachte.

Seht mein Freund, hier haust

Frau Marthe Schwerdtlein. Und Gretchen kam.

Drinnen sitzt Herr Faust,

Die schönste Mondscheinscene!

Ja, Meister Goethe, großer Realist,

Du weißt, was Wahrheit, weißt, was Leben ist, Du maltest gut! Ich aber, Freund, ich sehne

25 Mich heimwärts nun.

Wenn immer ich entdeckt

Im Schauspielhaus den Kern, den Nutzeffekt, Etwelchen Lustspiels, gehe sonder Fragen

Ich friedsam schlafen.

Die Gewohnheit blieb,

So hab' ich jetzt seit langem dies Prinzip

Dem vollen Leben praktisch übertragen.

Und dieses Leben bleibt ein Bacchanal,

Ein Daseinskampf, der nüchtern und brutal; Hinweg, mein Freund, wir dürfen nicht mehr bleiben.

Er trat zum Hause, reglos stand er dort,

Dann fiel sein Haupt schwer auf des Fensters Bort ...

Ich sprang hinzu und blickte durch die Scheiben.

Auf kargem Lager, spärlich zugedeckt

Lag still ein Kind, die Wangen rotgefleckt Bon Fieberglut; die Stirn, drin Schauer rasten,.

Hatte zur Stütze mühsam es gelegt Ins dürre Händchen.

Bittend, unentwegt

Hingen die großen Augen, die verglasten

An Angelina.

Sie doch stand im Schein

Des armen Lämpchens.

Weißbrot, Früchte, Weirr

Zog sie hervor, des Segens war kein Ende. Zum Korbgeflechte drängte sich heraus Ein frisch gepflückter Frühlingsblumenstrauß,

Als bunte Krone liebevoller Spende.

26 Das Kind lag lächelnd nun, als hielte Traum Es hold umfangen.

An des Lagers Saum

Ließ Angelina still sich niedergleiten.

Die Mutter schlief, erschöpft, von Thränen blind, Doch sie blieb wachend, und begann dem Kind

Ein Lied zu summen aus vergangnen Zeiten.

Das währte lang, dann trat ich still beiseit, Bis unsre Blicke, wie von Bann befreit

Noch einmal voll das holde Wesen trafen. Sie saß am Bette, wiegte, sang und sann,

Das Lämpchen flackerte, der Regen rann, Das kranke Kind war eingeschlafen. —

Wir gingen.

Plötzlich blieb Don Gaston stehn.

Ich hatte niemals ihn wie jetzt gesehn,

Es lag solch Weh auf seinen schönen Zügen, Den früh verlebten, daß mich's schier gegraust.

Vor seine Augen schlug er wild die Faust

Und ließ die müde schwer am Thorgriff liegen.

Er sprach: Mein Freund—Ihr seid noch gut und.. jung,

Geht heim, und nehmt von hier Begeisterung Fürs Leben mit.

Mög' sie Euch reichen immer!

Ich doch bin alt.

Ich schaue fremd hinein

In dieses Leben.

Ach, sein Sonnenschein

Er wird Dir, Angelina, lächeln nimmer. —

27 Ich wollte gern, daß dieses Lebens Wirrn

Dir ferne wären, daß die Kinderstirn Der Tod Dir küßte, still, mit dunklem Flügel,

Ich wollte, daß Du heimgingst wie ein Kind,

Das, müd' vom Spiel, einschläft im Frühlingswind,

Vom Gras umflüstert, fern am Saum der Hügel;

Daß Du dahingingst so Du's wüßtest kaum, Daß Engel Dich einwiegten in den Traum Eh' Gram und Weh Dein schönes Aug' getrübet, Daß Du Dich löstest aus dem Erdenthal

Wie Glockenklang, eh' dieses Dasein Qual An Dir die plumpe Henkersfaust geübet.

Du wirst es nicht.

Eh' Schollen Dich und Staub

Mitleidig decken, eh' ihr welkes Laub Auf Dich hinabwirft eine Kirchhofslinde

Mußt leben Du.

Dein blumenhafter Leib

Muß in die Gosse — dann, verblühtes Weib, Magst Du verwehn, vergehn im Erdenwinde.

Auf Deinen Scheitel wird den Judaskuß Das Laster pressen, straucheln wird Dein Fuß In Schlamm und' Asche.

Du wirst früh verderben.

Es muß der Schönheit buntes Nessustuch Durch Götterneid verkehren sich zum Fluch — Dies Los erfülle, Kind, dann magst Du sterben.

28 Wie gerne möcht' ich, müh' zwar und verstimmt

Im Herzensgründe — wie man Kindern nimmt

Rasch aus der Hand ein scharfgeschliffnes Messer,

Dein All' Dir nehmen, Dich nach stillem Rat Ans Herz zu ziehn in rettungsvoller That —

Doch ich bin alt; Du stürbest einsam besser.

So leb' denn wohl.

Nur lasse dann und wann

Dein Kinderauge, das noch lächeln kann, Ins Herz mir gießen einen Traum von Frieden. Tief in dies Herz, des Pfade, armes Kind,

Für Dich auf Erden viel zu dunkel sind,

Das nicht mehr beten kann für Dich hienieden.

Und doch — ich will's. — Am Weg, an einem Stein, Hing des Erlösers mageres Gebein,

Verrenkt und blutig.

Gaston kniete nieder,

Zum Haupt des Mannes mit der Dornenkron' Sah er empor . . . still wandt' er sich davon

Und sprach: vergebens — niemals wag ich's wieder.

Seht, Freund, wir sind die Kinder einer Zeit,

Die welk im Kern. Da gähnt das tiefe Leid. Es giebt Ölbäume noch und weiße Tauben, Noch ruft der Menschheit flammender Trabant,

Der heil'ge Geist — doch wir stehn leergebrannt

Und hoffnungsarm — wir können nicht mehr „glauben"!

29 Er schwieg, lächelte trüb und ging dahin. $)er Morgen graute überm Aventin,

Versunken war die Nacht mit ihren Schatten.

Frisch ging der Wind, der junge Tag brach an, Zur Arbeit trieb ein Pflüger sein Gespann,

Weinberge dehnten sich und grüne Matten, —

Auf, starke Menschheit! Laß ab vom Träumen!

Reck' Dich auf vom Schlaf,

Was Dein Herz auch traf

An Gram und Weh, wirf's zu den Nachtgestalten! Den Pflug zur Hand — und zieh' im Morgenlicht

Mit festem Sinn die große Schrift der Pflicht, Dann wird der Friede sein bei Deinem Walten.

Und sorgt nicht mehr!

Das Leben schön.

Der Himmel ist noch blau,

Sein holder Preis, die Frau,

Lächelt Euch zu — noch treibt Euch Dichtersage

Begeisternd auf zu Thaten groß und hehr,

Noch brandet weit um Eure Brust das Meer In heiligem, urew'gem Wellenschläge —

Glaubt, liebt, seid glücklich! Rastlosen Strebens.

Folgt dem großen Zug

Euern Erdenflug

Soll Gottes Hauch, soll Thatensturm nur treiben.

Seid fest, seid wahr, seid frei und großgesinnt,

Dann wird das Leben rauschen in den Wind,

Ihr selber aber werdet ewig bleiben.

30 Und Du, o Kind, die Du durch Zweifels Nacht

Den Morgen mir ins junge Herz gelacht, Nimm diesen Blick, den letzten, dankbefeuchtet. Du warst die Taube mit dem Ölblatt mein —

Drum möge stets auf Deinem Pfade sein Die Sonne, die den guten Menschen leuchtet.

II. Der Abendschein lag auf der Stadt der Toten, Und gen Neapel fuhren wir im Trabe, Die Sonne ging mit einem schieserroten

Dunstigen Schein bei Ischia zu Grabe;

Die Rosse trollten ihren Schaukelgang, .Ein weltverdrossnes, müdes Hufgeschlenker,

Indes der braune, schlanke Rosselenker

Halblaut die Bella Sorrentina sang. Hier eine Thorfahrt, palmenüberdacht, Und Fensterreihen fiebernd durch die Nacht, Halt, Vetturin, wir sind vor Villa d'Este —

Windlichter schwelen farbig durch den Park;

Willkommen, Freunde, zum Bacchantenfeste, Es rinnt der Wein, die Rosen duften stark. Hoch kV die Lust!

Im Walzertakt.

Zum Saal!

Die Paare flogen

Marietta, Wein vom Rhein . . .

Ein schmuckes Kind, und reizend angezogen,

Der Atlas kracht bei ihres Busens Wogen, Die schwarzen Augen schaun verliebt darein.

Trinkt aus, Signor, dem Rosenfest zu Ehren!

32 Stürzt Euern Kelch, daß jeder böse Stern Versinken mög' im dunklen, letheschweren

Rubindurchsonnten Weine von Falern.

Stoßt an mit Lust und lebensfrohem Triebe,

Die Welt ist weit — begrabt das alte Weh: Auf Eure böse deutsche Jugendliebe

Ein' Handvoll Rosen und ein Evoö. —

Er lachte laut und goß den Wein hinunter, Dann an den Zöpfen fing er eine Dirne

Und tauchte im Gewühl der Tänzer unter Lachenden Mundes, mit erhobner Stirne, Bald kam er wieder: Freund, Euch zu belehren

Vermag nur Eins — ein Mittel nur, ich sag' es,

Kommt mit — Euch frommt ein Mädchen andren Schlages

Die Angelina wird Euch rasch bekehren. Das ist ein Weibl

Ein echtes Kind des Tiber,

Blaß, wild und stolz, wenn unter Euren Küssen

Sie Worte stammelt, wild als wie im Fieber,

Und mit der Locken dunklen Finsternissen

Die Stirn verhüllt und wütend Euch umkrallt. So küßt den Jäger wohl, der endlich Sieger, Der halberwürgte schmeid'ge Königstiger,

Indes er röchelnd sich zu Tode lallt. Es gilt ihr Wohl!

Freund, Euer Glas?

Was fällt Euch jäh zu Scherben, Ihr schaut, daß Gott erbarm',

So seltsam drein, als schritten wir zum Sterben,

Und nicht in eines schönen Mädchens Arm. Was schauert Ihr?

Griff Euch aus alten Tagen

33 Ein Schatten an? Freund, da hilft nur der Wein, Durch Rausch das schale Leben totzuschlagen,

Von welkem Reiz zu frischer Lust zu jagen, Das ist das Heil, das ist der Weisen Stein.

Die Welt ist Traum — dem rasch verstobnen Truge Sei Nichtbeachtung, Übertäubung Lohn: Die heiße'Stirn bekränzt mit kühlem Mohn Und mischt Euch Wein im dunklen Aschenkruge, Daß dieses Lebens Mühsal und Beschwerde

Mit Mut verlacht, mit Mut vergessen werde.

Es zog dahin der Zecher wüster Schwarm,

Die Nacht erfüllend mit Baechantenliedern. In ihrer Mitte ging ich selber, stumm,

Mit kühlem Haupt und leerer Brust, die Blicke

Forschend und still.

Ein Auge, das im Leben

Blendende Höhen, große Tiefen maß

Birgt stillen Blick, es richtet unverwandt

Sich nach des Glückes sinkenden Gestaden Boll tiefer Wehmut. Jahre kommen, gehn, Die Jugend schwindet. Über Bimini, Dem blauen Land, geht rot die Sonne unter,

Auf ewig unter.

Auch das Auge wird

Dann still auf ewig.

Doch ihm blieb ein Strahl,

Ein kalter Abglanz früh erstarrter Gluten,

Der an Skalpelle mahnt.

Und dieser Glanz

Durchforscht der Dinge tiefgeheimsten Kern, Schönaich-Carolath, Dichtungen.

3

34 Erkenntnis suchend, dieser Welt zum Heil.

In Rosen dringt er und in tiefe Wunden, Er rastet nicht, bis selbstlos er gethan So senkt der Arzt, der bleiche.

Der Heilung Werk.

Tastend den Stahl, und setzt ihn an die Weiche,

Die qualvoll kreißende, der Menschheit an. Der Weg war endlos und die Nacht war leer, Hin an den Gossen taumelte die Rotte

Schwankenden Fußes, hier ein freches Wort

In eine Hausthür schleudernd, dort ein Lied Mißtönig singend, oder einen Witz Heiser belachend.

Allgemach verschwand

Auch Einer wohl, wegstolpernd, um die Nacht Würdig zu enden in gemiednen Häusern.

Der Regen rann, und es begann der Wind Naßkalt zu wehen, hin und wieder flog

Ein Flackerlicht aus löschenden Laternen,

Wankte und starb, sein letzter Schein ertrank

In schwarzen Pfützen.

Auf die Dächer kam

Ein schmaler Streif, der Dunst, der brütend lag.

Begann zu brauen, über all dem Wust

Von Schmutz und Nebel brach der Morgen an, Der Ostermorgen.

Wo die Straße jäh Zum Meere wendet, taumelte die Schar Dicht vor ein Haus.

He, munter, Angelina,

Es kommt Besuch! Gelächter scholl und Schreib,

35 Die Klingel gellte, schrillend riß der Strang, Und Stöße wuchteten schwer an der Pforte. Zum Teufel, drauf! Mit Krachen wich die Thür,

Im leeren Raume stand ein Weib.

Ihr Haar,

Das graugesträhnte, hing zerwirrt ums Haupt,

An ihrem Leib, dem knochig-hagren, floß

Ein Leintuch nieder.

Sachte, schöne Herrn,

Gemach, gemach — sie riefs mit einer Stimme Die blechern klang — Ihr sucht wohl Angelina?

Ja, die zog aus! Sie wohnt da drüben, drüben, Ihr schönen Herren, hinter jener Thür,

Sie wird sich freuen! Wünsch Euch viel Vergnügen,

Viel Unterhaltung . . . Herren, schöne Herrn,

Ach, schenkt mir was! Ich bin ein altes armes Verlassnes Weib. — Zwei Handvoll Münzen warf

Ihr Einer lachend an die magren Beine, 'Da hockte sie, unstet, mit Gier und Hast Die Münzen sammelnd, plötzlich fielen schlaff

Die Arme nieder, und sie sah uns an Mit bösen Augen, daraus Elend, Hohn Und Abscheu sprühten. — Macht die Hexe zahm! Schrie brüllend Einer.

Laßt, sie hat das Fieber,

Satan, ihr Oheim, holt sie früh genug —

Zur Angelina, fort! — Wünsch viel Vergnügen, Herrn, schöne Herrn! Die Alte rief es laut

Und schrecklich lachend, dann, am qualm'gen Docht Des Lämpchens stochernd, zählte sie das Geld Mit finstrer Freude, eins-vier-fünf-sechs-sieben — 3*

36 Da fiel ihr Haupt schief auf die dürre Brust, Und sie begann zu lallen monoton Ein Paternoster.

Doch die Rotte stob

Mit Lachen auf die morgentrübe Gasse Dem Endziel zu.

Und plötzlich': Gottes Tod!

Schrie Einer auf, vors Haupt die Hände schlagend,

Die Vettel log — wir sind am Hospitale, Ich kenn es gut! Zurück, es herrscht das Fieber

Bös in der Stadt! Possen — nur auf die Thür,

Mit den Schultern warf

Du selbst hast Fieber.

Er sich ans Thor, es wich, und taumelnd rollte

Er auf den Estrich.

Weichlich-süßer Duft

Quoll schwül entgegen; eine Kirche war's

In die sie brachen, an dem Hochaltar Stand breit, von Dämmrung unbestimmt umflossen Ein offner Sarg.

Da griff Entsetzen an

Die blassen Zecher, und verstoben war Der wüste Schwarm.

Erbarmend sah herab

Der Jungfrau Bild aus goldgeschmückten Rahmen, Mit Augen, die gar seltsam tief und schön,

Echt menschlich klagend.

An die stille Brust

Von Angelina schmiegte sich ein Strauß Tiefbunter Blumen, und ein Schimmer lag Auf dem geschlossnen blütenroten Munde, Als hab' der Tod mitleidig fortgeküßt

Das letzte Zucken und das letzte Weh, Die letzten Schlacken.

Doch das Antlitz war

Entsetzlich fragend, so wie ein Gebet,

37 Das glücklich anhub, und geendet ward In einem Aufschrei, — ein Gedankenstrich,

Ein Fragezeichen, angstvoll hingemalt

Am Schluß eines gewaltigen Gedichts. Mich zwang es nieder, und die tote Stirn Mit ihrem Zug von ungelöster Frage

Schlaf wohl in tiefem Kusse,

Streifte mein Mund. Verblühtes Kind.

Es müssen Blumen sein,

Im Scharlachschmuck der Schönheit aufzuflammen

Am Straßenrande.

Dir wird Gott verzechn.

Uns Andre doch, mög' er uns nicht verdammen.

* Ich hob das Haupt.

*

*

Der Frühlingsmorgen brach

Hell durch die Scheiben, rote Lichter wanden Sich um die Säulen, hoch am Kirchendach

Zwitscherten Schwalben.

Eine Kinderschar

In weißen Kleidern nahte, sie umbanden Mit Frühlingsblumen festlich den Altar.

Die Glocken gingen.

Mit gewaltigen Klängen

Brach aus der Orgel dunklen Tastengängen

Das Osterlied: Christus ist auferstanden.

Die Sphinx.

In einer Stadt voll Glanz und Sonnenschein-

Steht ein Palast, des weiße Marmortreppe

Das Meer umschmiegt, wie einen Frauenfuß Umschließt die wallende blauseidne Schleppe;

Zwei Löwen recken steinern sich empor Und blicken schläfrig nach der Gatterlage Und nach der Zackenkrone überm Thor.

Blühende Gärten dehnen sich, die Schatten

Der Blutorangen breiten sich vermessen

Aufs bunte Gras, und alles überragt Das dunkle Grün der flüsternden Cypressen; Verschwiegen rieseln ihren feinen Staub

Tritonen über Grottennacht und Becken, Daß Rauschen nur und Vögelstimmen wecken

Ein Echo im tiefkühlen dunklen Laub.

Dies Schloß, das so ein Sommertag umbettet. Trägt stolzen Namen, und sein letzter Sproß

Heißt Donna Santa. Sie ist schön.

Es weiß

Des Volkes Stimme, daß ein Stamm, der ebel, Meist im Verblühen bringt sein bestes Reis.

42 Ihr Haupt war blond, um ihren Scheitel schmiegte

Ein Goldstrahl sich, den ihr herabgesandt

Als Sonnengruß aus fernem bessrem Land Ein Liebesengel, der im Licht sich wiegte. Doch da — sie selbst.

Sie lief im weißen Kleide,

Ein fröhlich Kind, sorglos durch Busch und Gras,

Frei flog ihr Haar, und aus dem Antlitz blaß Blitzten so selig ihre Augen beide, Wo bist Du, Guy? Versteckst Du Dich? O Schlimmer,

Die Hüterin wähnt mich fein still im Zimmer, Und Du läßt warten? Schlecht bekomm' Dir das: Ich küss' Dich niemehr.

Warte! Niemehr — niemehr

Hallte das Echo über weiten Wiesen, Und tiefe Stille.

Fernhin: niemehr — niemehr . . .

Im Sonnenglanze starrten die Cytisen, Der Mittag schwieg; ihr Heller Kinderblick Umflorte sich . . Dann warf sie zum Genick

Die blonden Locken . . und das Waldthal schlief,

Aus weiter Ferne nur der Kuckuck rief Wohl hundertmal.

Sprich, werd' ich leben lang?

Kuckuck, Kuckuck! Sie raffte, plötzlich bang, Ihr Kleid zusammen, und im Sonnenscheine

Flog sie dahin.

Da löste sich ein Schatten

Vom lichten Grün, und aus dem Myrtenhaine

Trat rasch ein Jüngling; seine Augen hatten

Glückhellen Glanz.

Guy, rief sie froh herüber,

Was säumst Du so? Ich fürchte mich, Du lieber,

Du böser Guy! Er breitete die Arme

— 43___

Rasch nach ihr aus, sie lachte froh und voll, An seine Brust, die heftig atmend schwoll,

Barg sich ihr Haupt, das blonde, sonnenwarme . .

Hast Du mich lieb? — Santina, wie mein Leben, Und viel mehr noch!

Sie sah ihn schelmisch an:

Jst's auch ganz sicher?

Wenn Du es wagst!

Nun — so küss' mich dann,

Er beugte tief erschrocken

Sich zu ihr hin; doch sie, gleich einer Schlange Entwand sich rasch, daß nur die blonden Locken

Im Fluge streiften seine heiße Wange. Dann ward sie ernst: wann droht uns Trennung? — Heute. —

Was?

Heute schon?

Von Thränen dunkel. Was that ich Dir?

Sie schwieg, ihr Auge ward

Guy, wie bist Du hart,

Ihn überkam ein Schauer:

Du liebst mich, Santa — glaub', nie lachte blauer

Der Himmel mir im Rausche goldner Tage, Doch trägt, indes ich Liebesworte sage,

Mein Vaterland in Sack und Asche Trauer.

Sähst Du mich an, wenn ich's verraten hätte? Du thätest's nicht — ich hab' es längst erkannt!

Deß Menschen Herz ist eine Scherbenstätte, Dem Eigenglück mehr als sein Vaterland.

Und, sollt es sein, will Deiner wert ich fallen — Doch Du, mein Lieb, sei stark, sei stark und still,

Es lebt ja Gott, der unser Bestes will,

Hoch über uns und unsern Schmerzen allen. Sei stark, Santina!

Halb mit Weinen kämpfend

44 Sah sie empor.

Ach, Guy, ich hab' Dich lieb,

Hauchte sie träumend; dann auf einen Stein Sank leicht sie nieder, müde fiel ihr Haupt

Auf seine Kniee.

Sommerfäden zogen

Still durch das Blau, es kam ein schläfrig Wogen

Vom Meere her, gemischt mit Blütenduft. Wildschwäne segelten fern durch die Luft

Mit leise singendem, fremdhellem Tone; Da rief er aus: Sieh da, mein Wappen ist

Ein wilder Schwan mit einer Fürstenkrone — Grüßt mir mein Hochland!

Und heißflimmernd lag

Die Stille brütend über schwülem Grunde, Es schwieg der Wald, als fürchte sich die Runde

Dein Glück zu stören, heil'ge Jugendstunde,

Die du des Lebens reinster Herzensschlag. Er strich das Haar ihr endlich wie im Traume Sanft aus der Stirn, sie schlug beglückt empor

Die sehnsuchttiefen, blumenhaften Augen Und lächelte.

Aus seinem Herzen rang

Sich wild ein Wort: Wirst Du mir treu sein? — Ewig,

Sprach sie ganz ernst, und wunderseltsam klang

Aus ihrem Kindermunde, dieses — ewig. Sie schwiegen wieder.

Rötlich fiel ein Strahl

Der Spätnachmittagssonne durch die Hecken

Auf ihre Stirnen.

Er schien aufzuschrecken:

Santina, bat er, sing zum letztenmal Mir noch ein Lied!

Ich weiß eins, das Du sagtest

45 Vor langer Zeit — es spricht von Glück die Weise

Und Wiedersehn — wie geht doch jenes Lied? Und sie, da rot die Abendsonne schied, Begann zu singen .... Fern im Dufte schwammen

Zarthelle Wolken; ihre Hände fanden

Sich unbewußt und wie von selbst zusammen; Der Abend sank, auf dämmerbraunen Landen Ausblutend lag ein schattenhaftes Rot. Noch einmal hielt der Tag, der glückdurchsonnte

Verzögernd Rast und strahlte letzten Frieden Auf jene Kinder, deren Glück hienieden

Versank am dunklen Lebenshorizonte.

* Herbstnacht.

*

Im Feindesland.

* Die Halfterketten

Der Pferde klirren; nebem seinem Tiere Schläft der Dragoner. Schallt Losungsruf.

Von den Wachtpiketten

Es sitzen Offiziere

Am Lagerfeuer, Kinder jeder Zone. Der lacht und prahlt, der schaut schon schläfrig drein, Rotwein verzapft ein lauernder Wallone;

Da plötzlich richtet sich im Feuerschein

Ein Reiter auf, und nestelt am Kollette Nach einem Briefe.

Herr Kamerad!

Liebestand, ich wette,

Bei tausend Ungewittern!

Ihr liebt es wohl, die Brust Euch einzugittern

Mit Liebesbriefen?

Glaubt mir: soll es sein,

46 Kehrt keine Kugel sich an Amulette, Und bohrt ein Loch durch all die Faselein.

Und jener: Geh', wie ständ' mir Aberglaube? Ich glaub' an nichts.

Just ward mir überbracht,

Daß Eine noch, von der ich's kaum gedacht,

Durch Trug gewann des Ehstands Perlenhaube.

Das schönste Kind in meiner Vaterstadt

Bricht jenem Treu, dem sie verlobt sich hat, Und freit dafür, der Papst sieht's also gern, Cesare Balbi, Oberkammerherrn,

Der zwar bejahrt schon, doch an Gütern reich. Der Glanz bestach die schöne Maid sogleich;

Das ist der Grund, wie man das Ding auch wende: Ein jedes Weib hat ihren Preis am Ende, Selbst Donna Santa; Lauf der Welt ist so —

Und wie er's sagte, bäumte sich vom Stroh Ein Schläfer auf: Das lügst Du, Fähnrich, keuchte

Er totenfahl — sag', daß Du lügst, ich leuchte

Dir sonst zur Hölle!

Und die Klinge trieb

Er wild hervor, daß einen Lichtstrahl schrieb

Surrend das Eisen.

Doch der Andre sprang

Hoch auf vom Feuer: Das wär' Teufelsdank, Herr Kamerad!

Eh' daß wir uns zerfetzen

Vergönnt's, den Brief vor Augen Euch zu setzen: Er sagt noch mehr, er kündet sonnenklar, Daß Santas Hochzeit grade heute war.

Es ist kein Irrtum — heute, grade heute Führt Cesar 'Balbi heim die süße Beute:

47 Nehmt und lest selbst. — Beim Höllenelement,

Was greift Euch an?

Welche Schauer überrennt

Euch jäh den Leib? . . So fahlen Angesichts Sahn wir Dich nie! Was fehlt Dir? — Mir? O — nichts,

Nichts, gar nichts mehr ... glaubt, es war nur der Name,

Der schlimm mich täuschte.

Wirklich, jene Dame

Ich kenn ... sie nicht . . . Hochzeit, sagt Ihr, war heut? Da wär' ja Brautnacht . . . Brautnacht jetzt---------

Bringt Wein, Und Würfel her!

Wir wollen lustig sein,

Kommt, wir halten Feier

Ihr Kriegsgenossen!

Nach unsrer Art.

Wir selber sind die Freier

Im Eisenharnisch, und die Braut heißt Tod. —

Den Becher hob er, den ihm einer bot: Aufs Wohl der Brautnacht und aufs Wohl der Braut!

Da plötzlich warf, als ob ihm jäh gegraut, Das volle Glas er in die Lagerflammen, Taumelte, reckte sich und sank zusammen

An einem Pfosten.

Pfui, der Wein war schal,

Sprach stöhnend er, bis in die Lippen fahl;

Verdorbner Wein, und wie der Wein die Braut —

Da trink' der Teufel!

Plötzlich wild und laut:

Wo bleibt mein Fähnlein?

Von der nassen Erde

Aufreckten sich die Reiter nnd die Pferde

In dunklem Knäul, die Rotten traten an, Hinaus ins Dunkel schnoben laut die Tiere . . .

Wo steht der Feind? Da drüben?

Dort seine Nachtquartiere.

Auf! — Beim Himmel, Guy, halt' an:

48 Wohin? — Ins Brautbett! Singt mir Hochzeitslieder —

Auf dieser Welt sehn wir uns nicht mehr wieder. *

*

*

Am Fuß des Stadtwalls, wo Geröll und Scherben, Abfall und Schutt von einem Nesselwald

Umsponnen liegen, steht ein niedres Haus,

Darin ein Greis, der in dem Mund des Volkes Rabbi Zephanja heißt, der „große Arzt", Seit langem wohnt.

In seiner Nachbarschaft

Haust auch der Henker.

Beide stieß die Stadt,

Den weisen Mann, und jenen, deß Gemeinschaft

Unehrlich macht, gleich scheu aus ihrem Bann. Nacht ist's, der Jude sitzt bei Lampenschein

Im düstren Zimmer.

Vor ihm liegt em Buch,

Das prüft er emsig; auf dem Kachelherd

Verglimmt ein Häuflein aufgetürmter Kohlen, Daran ein Tiegel.

Aus dem ruß'gen Bauch

Des lang Durchglühten ballt sich Dampf, der weißlich

Wie Sommernebel nach dem Schlote zieht, Ein feiner Schleier.

Hüstelnd wendet sich

Der Greis zum Feuer.

Bäumst Du tückisch noch,

Empörter Geist, den ich durch Zwang gebunden,

Dich züngelnd auf?

Behagt Dir's nicht im Topfe,

Drin ich Dich fing?

Nun wart', ich helf zum Frieden

Dir allsogleich; Du sprengtest sonst die Wandung, Die Dich umzwingt. Wohl wär' Dein Trieb, Dein wilder

49 Jählings gesättigt, doch dem Meister bliebe, Dem großen Meister, der so gern versucht,

Ein Häuflein Scherben — und das wäre ihm, Dem großen Meister, wenig angenehm, Denn eitel sind fast immer große Meister . . .

Er kicherte, dann goß er ins Gefäß

Schlucke den — hab' Ruh,

Sacht einen Tropfen.

Kühl' fein Dich ab.—Du schäumst, wallst auf? Genügt Dir

Die Gabe nicht?

Schwer sättliches Gebräu, Und wisse, meine Kunst

Nimm diesen noch!

Hast bald erschöpft Du.

Wohl, es klärt Dein Grund

Sich wolkig auf; der Kampf, der Dich durchtobte, Siehe, Aich bezwang

Wogt aus allmählich.

Ich nach der Regel; in Dir trugst Du Schaden, Nun wirst Du heilsam.

Auf, bequeme Dich,

Den welken Leib erstärkend mir zu baden. — Den Raum durchirren Stoffe, die sich wild, Begehrlich suchen.

Blinder Einigung

Gilt ihr Bestreben, stets doch hängen schwer An ihnen Kräfte, die den freien Flug

Dieser Erde saugt

Zu lähmen trachten.

Ein Kitt sie an — denn Nichterfüllung nur,

Des großen Wunsches Nichterreichen bildet

Die Lebensmöglichkeit.

Der Kitt ist Zwang,

Ein Fesselring, der seine Wandung eisern

Um alles Preßt, was in gewalt'gem Fluge Zur Freiheit will.

Weisheit heißt dieser Kitt

Schönatch-Carolath, Dichtungen.

4

50 In Menschensprache.

Wie der Meister ihn

Benennen mag — ich weiß es nicht.

Mir scheint

Das Gleichnis mit dem Tiegel doch bequem.

Siegt jener Zug, der große unleugbare,

So springt der Topf.

Dir aber bliebe nichts,

Du großer Meister — und so ganz geheuer

Erscheint Dir selber keineswegs dies: Nichts. —

Er lachte heiser.

Plötzlich zu dem Herd

Lief scheltend er.

Verdammter Kessel, siedest

Du rastlos noch?

Schläfert der Trunk Arznei,

Den zweimal ich in Deinen Schlund geschüttet,

Dich noch nicht ein?

Mir trotzt zum ersten Male

Solch starkes Fieber!

Beizt Dich Höllenglut?

Willst Du den dritten meiner Tropfen schlucken,

Das letzte Mittel?

Sei's denn — Weh', es hebt

Ein Glutball zischend sich aus Deiner Höhle,

Die Wandung bebt ... Du trägst es nicht . . halt' an . .. Weh' mir! Vernichtung — da! Du liegst in Scherben!

Ich bin betrogen! — Im Kamine fing

Pfeifend angefaßt

Sich jäh ein Windstoß.

Sprühten die Kohlen, eine Flamme lief Schräg drüber hin, und höhnisch knisternd stoben

Zum Schlot die Funken.

An das Thürgebälk

Wuchteten Schläge. Meister!

Aufgethan!

— Wer ruft so spät? — Ein Wandrer, krank und müde.

Verirrt im Schoß der Nacht.—Was sucht Ihr ? Frieden. —

51 SeiL Ihr allein? — Ich bin's. Ein Mann trat ein.

Es wich der Riegel,

Sein schönes Antlitz war

Frühzeitig alt, um seine hohe Stirne

Fiel wirr das braune regenfeuchte Haar.

Er schwieg und harrte.

Messerscharfen Blicks

Maß ihn der Rabbi. Seid Ihr krank? — Zum Tod. —

Dies Leiden beichtet. — Einen Sessel bot Er seinem Gaste, und der stützte düster

Sich auf die Lehne.

Meister, hub er an,

Noch jung bin ich, und doch ein alter Mann, Noch gestern war ich frisch und lebensstark

Und heut schon nagen Würmer mir am Mark.

Reich, vornehm, jung trat ich hinaus ins Leben, Mit festem Sinn, mit Lust an ernstem Streben, Mein Herz war groß, war liebevoll und weich, An Träumen und an Idealen reich.

Oft schwang sich's auf vor Sehnsucht und vor Wonne Bei ferner Glocken festlich frommen Klang,

Und Thränen fand es, wenn der Abendsonne

Ihr' zirpend Lied am Dach die Schwalbe sang. Es wollte nichts, als Gutes thun auf Erden,

In fremdem Glücke selber glücklich werden, Es wollte glauben ohne Grübelein;

Bewahren wollt' es seinen Schatz an Liebe

Für jene Frau, die einst ins Weltgetriebe Gott senden sollte, Alles ihm zu sein —

Der erste Kuß, dem ich das Haupt gebogen, Hat mich nun frech belogen und betrogen;

52 Im ersten Lenz, den meine Seele fand, Ward sie verdorrt, vernichtet, leergebrannt;

Es hat die Frau, die meine Treu besessen Um Gold und Perlen ihres Schwurs vergessen, Ob sie auch war die Holdeste von allen, Ob mir auch galt ihr erstes Liebeslallen,

Obwohl die Glut, die lodernd uns umflammt, Ein Liebesfeuer echt und gottentstammt.

Ich sah zu früh, daß Weib und Liebe narrten . .

9hm sage mir: was sendet Gott ein Kind,

Das durstig ist, in einen weiten Garten, Darin die Brunnen rings vergiftet sind?

In diesen Tiegel, sprach der Jude rauh, That ich drei Tropfen.

Dämpfen wollte ich

Den Kampf der Massen, die in ihn gebannt.

Beim dritten sprang der Topf. — Mir gelten auch

Drei Mittel für jedwede Menschenbrust, Die fiebernd wogt.

Der Mittel erste sind

Wollust und Macht. Genügen sie.

Der Menschheit insgemein

9hcht Dir.

Mein letztes doch,

Mein bestes Mittel — man erträgt es schwer, Erkenntnis heißt es.

Sieh, da liegt der Topf,

Der Topf in Scherben.

Spät ist's, fremder Gast,

Zieh' Deines Weges. Wär ein mordend Schwert Nur Deine Wahrheit!

Füllte sie, als Strom

Tilgender Glut, mit berstenden Gewalten

53 Mir Haupt und Herz, die daseinsmüde Form Könnt' ich schlafen, ruhn

Zu Scherben schmetternd!

Vom Fiebertraum des Lebens, könnt' ich sehn

In Nacht begraben Alles, was mein Herz Durchgrollt, durchschüttert!

Deckte mich das Nichts,

Ein sich'res Nichts, das kein Erwachen trübte

Und keine Furcht vor neuem Morgenrot . . . Du siehst es wohl: ich fürchte nicht den Tod, Gieb mir die Wahrheit! Stieg fahles Glühen.

In des Juden Auge Wohl, mich reizt der Fall,

Sprach er unhörbar.

Selten bietet sich

Dem Anatom ein Herz, das frei von Schuld Und weich wie dieses.

Edel ist's zudem

Laßt uns die Wirkung sehn

Und stolz im Kern.

Die drauf das beste, schärfste der Skalpelle, Die Wahrheit, übt.

Einschneidend bringt sie Tod

Oder Genesung; spannend ist daher

Der Vorgang immer. — Dann, zum Gast gewandt: Ich will's versuchen.

Siehe, was am Mark

Zunächst Dir nagt, ist Selbstverachtung.

Feig

Nennst Du Dich oft, obwohl des Wortes Klang Dir in die Schläfe treibt ein fliegend Rot.

Laß ab und schweig!

Das Weib, das Dich verraten,

Das falsch wie Judas Dich und sich verkauft, Du liebst sie dennoch. Ja, sprach eisig der, Ich liebe sie!

54 Wohl, so laß ab vom Kampfe, Nicht sümpft sein Lieben nieder

Der aussichtslos.

Man ist nicht Herr im Haus.

Ein Menschenherz.

Und wie vermöchte wohl das Fünkchen Ehre,

Das Körnchen Mut, die Dosis Mannesstolz Den Krampf, die Liebeszuckung zu bezähmen,

Der Menschheit Veitstanz?

Gegen Tod und Liebe

Nenn mir die Gewalt,

Giebt es kein Mittel.

Die mächtiger als das Weib?

Denk' an Judith

Und Delila, denk' an Herodias Und Helena!

Noch keiner hat erschlossen

Des Weibes Wesen; (Salomo erfand Sieh, es ist die Frau

Es freilich bitter).

Der Sauerteig im großen Brei der Schöpfung, Ein Reiz, ein allbelebend Element,

Das, gleich dem Feuer, segensvoll erwärmt

Oder vernichtet.

Jenem ist die Frau

Ein tödlich Gift, Dem wieder Arzenei;

Dem Weisen, welcher mäßig von ihr zehrt, Ein Arcanum; dem wilden Lebensgast,

Der hastvoll, fessellos, in einem Zuge Den Becher leert . . . Sein Los — ich kenn's genau;

Zur Sache, Meister.

Wisse, noch verspüre

Ich wenig Beischmack werter Arzenei In Deinem Wort.

An einem Sterbebette

Stehst Du als Arzt; gieb Deine Tropfen her, Die besten Tropfen: warum ist die Frau

55 Nrsalsch und trerllos?

Hüstelnd rieb der Jude Die dürren Hände: Wenn sein lechzend Roß

Mii Wasser tränkt der kluge Beduine

Wirft ins Gefäß er eine Handvoll Sand, Allzu tiefer Trunk

Das Naß zu trüben.

Schadet dem Thiere.

Sieh, dasselbe that

Der weise Schöpfer.

In den klarsten Quell

Der Lebenswüste that er emsig Schlamm

Mii vollen Händen; in den schönen Leib, Der süßen, sinnbethörenden des Weibes

Ja, der Schöpfer ist

Gos er Gemeinheit.

Ein guter Hirte: allzu tiefer Trunk

Schrdet dem Thiere . . . Aus des Fremden Auge

Wenn er Gluten gab,

Brcch fahles Leuchten.

Der weise Hirt, dem abgehetzten Thiere,

Die überheiß, so wird giervollen Zuges Die Kreatur todspottend Schlamm und Trübung Todrchtlos schlingen.

Ist der Sündenpfuhl

Darn leer zu Grunde, mag der Hirt erwägen,

Ob klug es war, daß Flammen er erschuf, Die nicht ertragbar.

Eins weiß ich genau:

Das Qualen mir am Mark verzehrend nagen,

Das nichts mir blieb als aller Bettlerplagen Verzehrendste: der Durst.

Ob trüb ob lau,

Ob schal der Quell, ob immer jene Frau Vworben bis zum Mark der Seele sei;

56 Trinken will ich mit dem Empörungsschrei 7

Mich dürstet — dürstet! — Ein Gelächter gellte

Laut durch den Raum, scharf wie der Sterbeton Gesprungnen Glases; aus dem Sessel schnellte Der Greis sich auf: Dich dürstet, Erdensohn? Wen dürstet nicht?

Des Weltalls dunkler Zug

Ist das Verlechzen, und es lechzt wer lebt.

Das Leben ist ein großer Wanderflug Rach der Begierden endlicher Erfüllung, Und was die Welt erschüttert und durchbebt

Der Notschrei ist's nach tiefer Durstesstillung'. Frag' Du das Meer, warum es schäumt und rollt

In schwerbewegtem ew'gem Wogenschlage, Frag' Du den Sturm, um was er ringt und grollt

Die Riesenhymne niegestillter Klage; Es schwillt und ebbt der dunkle Ocean, Daß Höhn mit Tiefen bräutlich er vermähle,

Daß einer Welt vom Frühling er erzähle

Zieht singend hin der feuchte Märzorkan, Bis er ob rieselnden, erwachten Landen

In schwülem Hauch befruchtend mag verbranden. Was ist es, das in mächtigem Bewegen

Des Erdballs Adern schwellend-voll durchkreist, Die Ackerkrume auseinanderreißt

Und preis sie giebt dem kräft'gen Frühlingsregen? Was ist es, das durchs frische Grün der Bäum?.

Lind und herbduftend wie ein Schauer weht,

57 Das durch der Menschheit tiefste Herzensträume Süßquälend, bang, als junge Liebe geht? — Die Liebe birgt ein brünstig Überhasten,

Halb Lebenssehnsucht und halb Todesdrang, Denn dieses Leben ist ein Übergang Voll Schmerz und Schatten; drin nicht gut zu nisten. Rastlose Neugeburt — das ist das Heil, Ist Trieb und Endziel aller Selbsterhaltung,

Drrm ist Natur im tiefsten Wesen geil, Drrm ringt die Menschheit toll nach Neugestaltung. Daß im Genuß den ew'gen Durst sie stille

Ist all ihr Sinnen, ist ihr einziger Wille,

Und als ein liebes Schicksal wird sie's sehn

Im Weiblichen verlodernd aufzugehn.

Darn freilich heißt es mehr noch, als dies Lebei. Den großen Kreislauf still zurückzugeben,

Denn, ist verhallt der letzte Wollustschrei, — Hier liegt die Falle — geht der Tod vorbei.

Und zwar kein Tod, bedeutend eine Pause Zu kurzer Rast; nein, ein Gedankenstrich, Verlöschend, tilgend, daß zur Sühne Dich

Das große Nichts auf ewig überbrause,

Dem wie den Leib, so hast in blinder Lust

Die Seele Du zernichtet unbewußt, Und bist beraubt des Lohnes, welcher wird Den Andern all, die nicht gleich Dir geirrt. Dich freilich stört das wenig, toller Zecher,

Du spürst zu spät den Erdgeschmack im Becher,

58 Und wirst so lange fluchen dem Getränke

Bis Gastwirt Tod Dich ausweist aus der Schänke. Dann in die Grube rollst Du abseits eben,

Die Grabschrift heißt: „Zum Tod geliebt das Leben." Dir freilich schuf, o Frevler, kein Behagen Das große Wort vom Büßen und Entsagen,

Die große Botschaft uralt-heil'gen Klanges, Die einst erwacht am Indus und am Ganges,

Die durch Jahrtausende ward hingestammelt, Daraus die Menschheit Linderung gesammelt,

Die alle Seelen, deren Kern zerschlagen, Durch Nacht und Schmerz zum Frieden hat getragen, Und die Dein Herz, durchfiebert und umnachtet (Obwohl man den Essäer einst geschlachtet),

Nie hat erfüllt mit wunderstarkem Schein: „Es soll Dein Reich von dieser Welt nicht sein." —

Ich seh' nun zwar, daß schlimm Dein Auge blitzet,

Daß Dir der Trotz im tiefsten Herzen sitzet, Auch höhnst Du wohl, daß ich, der ein Rabbiner,

Dir christlich predige als Kapuziner,

Und bist bereits im Grunde so verstockt,

Daß frommer Zuspruch Dich nur mäßig lockt. Vernimm darum, was ich, der Weise, sage:

Es ist das Weibliche die dunkle Frage, Die Jedem, der hinaus ins Leben stürmt,

Als ernster Prüfstein sich entgegentürmt. Ob früh ob spät, für Jeden wird am Ende

Das Weibliche zur Lebenssonnenwende.

59_

Das ist die Sphinx mit schöngeschwungnem Bug, Schläfrig enttaucht dem gelben Sand von Theben, Auf deren Mund in einem dunklen Zug

Der Tod sich paart mit wildem Drang zum Leben:

Die roten Lippen, leicht von Hohn gebäumt, Neigt sie Dir 511; sie beut zur Wahl indessen

Aus weißer Hand Dir einen dunklen Strauß.

Den formen: Schmerz, Kampf, Arbeit und Vergessen. O nimm ihn hin, und wisse, daß Cypressen

Auf Erden so recht eigentlich zu Haus. Streisit Du den Mund, der Dir entgegenträumt, In wildem Kusse — dann ist's mit Dir aus,

Auf ewig aus, ohn' Hoffnung, ohn' Erbarmen . . Was greift Dich an? —

Meister, dies Gold den Armen, Euch weinen Dank.

Der Weisheit Tropfensall,

Den Ihr gespendet, schuf dem Glutgefühle, Das n mir lodert, grade soviel Kühle

Wie Iuniregen einem Lavaschwall. Mich quält die Sphinx.

Ich sehe selbst im Traume

Das weiche Haar die niedre Stirn umfächeln, Auf iker Lippen feuchtem rotem Saume Höhnt mich das starre nieentlarvte Lächeln.

Ich trig's nicht mehr! Wohl ballt sich Glockenton

Im Herzen mir, und dessen tiefsten Falten Entringen sich bang winkende Gestalten

Aus a.ter Zeit — doch bald sind sie entflohn. Ich hab' geliebt: in meine reine Flamme

60 Ein Gifthauch blies, Gott trieb ein bittres (Spiel,

Ich zögre nicht, daß ich mich nun verdamme: Ich will mich rächen, denn ich litt zuviel. Ein wilder Durst, verdrängend frommes Lieben

Ist unstillbar im Herzen mir geblieben, Nun will ich trinken bis ich übersatt,

Und will genießen, bis ich wollustmatt.

Das Rätselbild mit rotem Mund sei mein, Und nichts soll mehr vor mir verborgen sein.

Ich will es sehn das hohe Bild von Sa'i's

In meinem Arm, entblößt gleich einer Lais, An ihren heißen blütenweichen Brüsten

Will atmen ich in rachevollen Lüsten,

Den letzten Glanz vom Haupte ihr zu streifen, Den Schöpfer im Geschöpf durch Staub zu schleifen.

Mit kalten Augen tief ins Nichts zu sehn Und rachesatt zu Grunde lachend gehn. — Meister, lebt wohl . . . auf, morsche Kerkerpforte!

Ein Wind stieß schwül, mit tauber Macht herein,

Die Lampe flackerte, die letzten Worte Des Fremden hallten nach am Wandgestein.

Der Rabbi lachte und begann allein: Wie nutzlos, Christus, blasser Liebeshärmer, Daß man ans Kreuz Dich grausam einst gereckt,

Denn jene Lehre, die Du aufgedeckt, Wird, trotz des Opfers, täglich wirkungsärmer.

61 Gut für den Schwachkopf, dessen Hirn nur faßt Da:s plumpe Schreckbild ew'ger Höllenstrafe —

Ach;, ganz besonders zahm sind Deine Schafe, Mein guter Hirt! Wie anders war der Gast, Der eben ging! Der zählt zu Streiterscharen,

Die, sturmerfaßt, sich Satan zugesellt, Die einsam-gingen, grollend, fern der Welt,

Uni) doch die Größten aller Zeiten waren.

In Deinem Reiche haben nie gehaust Der Don Juan und nie der Doktor Faust,

Noch alle, die, vom Schmerz zu wild geschlagen, Des Aufruhrs Brand in Deinen Stall getragen.

Ja — wahrlich — Alles, was Dir vorgeschwebt Hat sich auf Erden baldig überlebt, Notnagel dann bist Du der Welt geblieben,

Der zwischen zwei Entwickelungsgeschieben, Vielgötterei und Einheitsglauben, hängt;

Die Menschheit, ungewiß und notgedrängt Wird ratlos hin zu andern Lehrern fliehen, Den alten Erdball werden überziehen

Noch grundverschiedne Glaubensprozessionen — Der Schöpfer aber wird im Himmel thronen

Um auf den Kampfplatz still hinabzusehn^

Wo mühevoll den Glaubensbrand, den schwachen, Rabbiner, Bonzen, Popen emsig fachen Ihr Werk der Ohnmacht keinem zu gestehn . . .

Und wird dies Schauspiel mitleidsvoll belachen. —

62 Doch einen Mißgriff, Gott, hast Du gethan.

Du schufst das Weib als Prüfstein, den ins Seien Jedwedes Besseren Du hast gegeben;

Sie ist die Sphinx mit Marmorbrust, daran Der Menschheit Strom sich in zwei Rinnen teil't. Davon die eine spärlich zu Dir eilet,

Die andre doch Dir schrecklich werden kann. Soweit der Sturm braust und die Sonne scheirt

Giebt es kein Plätzchen auf der schönen Erde,

Nicht eines nur, das frei gefunden werde, Von Thränen, die um eine Frau geweint.

Für soviel Schmerz, Entsagung, Kampf und Pen

Schufst Du die Sphinx, schufst Du das Weib zu klein. Denn sie gewährt für der Begierden Sonne, Zü kleines Glück, zu schwache Labungswonne.

Vom Abglanz heißer Phantasie umkleidet

Ist unwert sie des Sturms von Groll und Sgmerz^

Den oft ein großes, riesenstolzes Herz Voll Manneswert, um eine Frau erleidet.

Das starre Lächeln Deiner Sphinx, darum Die Herzen bluteten, die Dichter sangen, Und Völker im Vernichtungskampfe rangen,

Im Grund, mein Schöpfer — ist es grausam >umm-

Da liegt Dein Fehler.

Sorg', daß nicht auf Erden

Zuviel Geschöpfe seiner inne werden,

Denn kann ein Schlag das Herz der Kreatur Im Kerne spalten, ist es dieser nur: Bei klarem Sinn und lebensvollem Leibe

63 Senaten werden vom geliebten Weibe.

Denkst Du des Tags, da, satt des Lilienstengels, Saltan aufschreiend von Dir sich gewandt, Weil auf den Lippen jenes weißen Engels,

Der Jugendliebe, Täuschung er erfand? Betrogen ward er, und das hat er, eben Weil er sehr stolz war, niemals Dir vergeben:

Seit jenem Tag schürt er den Weltenbrand. — Uitb schweigend folgt nun dem Empörungsgotte

Der Gleichbetrognen unversöhnte Rotte Als schattenhafter, dunkler Heereszug. Wer je das Weib verkämpft, verschmerzt, verwunden

Steht einsam da, nicht mehr an Gott gebunden, Denn von der Frau führt der Gedankenflug Empor zur Freiheit. Und zu dieser Schar

Sprach kalt der Jude, zählt der wilde Gast An Christi Krippe, der just bei mir war. Der Schöpfer hat ihn unrecht angefaßt, Auch hat ihm nicht die Arzenei gepaßt,

Mein letzter Tropfen. — Zu der Thüre schlich Rabbi Zephanja, warf den schweren Riegel

Wuchtig ins Schloß und sagte leis bei sich: Da geht er hin, der schöne neue Tiegel! *

*

*

Don Balbis grauer, massiger Palast Schläft aus vom Fest.

Verstummt ist das Gewitter

64 Der Ballmusik, der Fackeln Schein verblaßt,

Ins Schloß fiel dröhnend schwer das Pfortengitter. Die Gärten schauern, und sein blaues Licht Wirft irr der Mond in leere Säulenhallen;

Der Südwind rast, und an den Scheiben bricht

Er seine Schwingen, schwül, mit trübem Lallen Von Palmenhainen und vom gelben Nil.

Auf Purpurpolstern lehnt im Erkerzimmer

Lächelnd ein Weib.

Ihr blendendes Profil

Schwimmt zart im Spiegelglas, ein Perlenkranz,

Rubindurchbrochen, blitzt in ihrem Haare . . Wie bin ich schön! O Fügung, wunderbare,

Säh' er mich so . . . Ein Schatten überflog ' Ihr trüb die Stirn und flüchtig — doch sie bog

Das Haupt zurück, und durch das Lichtgeflimmer

Der Edelsteine brach ihr Auge blau. Sie lächelte.

Die Toten kommen nimmer

Und dann bin ich ja Cesar Balbis Frau

Und bin so schön — und er ist tot, längst tot, Das Leben lacht — ein fliegend-heißes Rot

Trat ihr ins Antlitz. Sie aus den Locken.

Leise nahm die Spange

Ach, ein Glück -verhieß

Nur erste Liebe; Jugendparadies,

Wie bist Du doch versunken schon so lange! Sie schwieg.

Im Garten rauschten wild und bang

Die Myrtenbäume, von dem Meere drang

Ein Grollen her, es brach sich an den Zinnen

Der Südwind sacht, mit kosender Gewalt.

65 Ihr Auge dunkelte.

Mein Herz wird alt;

Sie sprach es leise — könnt' ich schlafen, sterben

Mit jedem Traum, mit Dir, o Guy! — Da sprang Weit auf die Thür: Du magst dies Glück erwerben!

So klang es hohnvoll.

Am Balköne stand

Ein Mann im Mantel: Schläft Don Balbi, Santa,

Schläft er gewiß"? Sonst kann zum tiefsten Schlaf Mein Dolch ihm helfen — Wie sein Blick sie traf Flog sie empor: Erbarmen! nur nicht morden!

Nimm meinen Schmuck, nimm hin, nur laß mich leben ..

Ihn aber überlief ein flüchtig Beben:

Santa, gestehe — bist Du feig geworden,

Treulos, dann feig? Welch tiefer Fall! Er riß Mit raschem Griff die Sammetmaske nieder. Guy, schrie sie auf, erstehn die Toten wieder? Zurück . . ich war nicht treulos! Überbracht Ward mir die Kunde, daß Du früh, vor Allen Den Tod gesunden in der ersten Schlacht.

Gott sah die Thränen, die darob gefallen Auf meine Kissen in manch banger Nacht. Bethört ward ich . . mit Netzwerk arger List

Mein Sinn umsponnen . . arg bestürmt, in Schwächen

Fiel dem ich zu, der nun mein Gatte ist . . . Das hilf Du selbst mir bitter an ihm rächen,

Hohnlachte Guy.

Dein Auge blitzt und scheint

Ja wunderhell! Zuviel hat's nicht geweint, Schönaich-Carolath, Dichtungen.

5

66 Dies Taubenauge! Hat die Purpurkissen Des Brautbetts kaum mit Thränenthau betraust,

Denn Donna Santa hat sich, will man wissen, An einen Greis sür Sündensold verkauft. Das Grafenkind mit der Madonnenstirne

Für Gold verkauft! Verkauft! Nun, welsche Dirne, Wie teuer bist Du? Sie blieb stumm, halboffen

Die blassen Lippen.

Unter ihren Brauen

Standen die Augen gläsern, starr vor Grauen

Indessen sie, durchschaut, entlarvt, erkannt, Zu Grund gerichtet, lehnte an der Wand.

Doch plötzlich reckte sie, ins Herz getroffen, Sich trotzig auf, und ihr zu Häupten schoß

Das Grafenblut.

Verkauft?! Nein, Spielgenoß,

Spiel meiner Laune! Wähnst Du, schwacher Thor, Daß mir Dein Wort in flüchtiger Abendstunde

Mehr galt, als eines Vogels Ruf im Rohr?

Und wähnst Du noch, daß mich ein Schwur gebunden, Den tändelnd ich am Spätnachmittag gab Und treulich nach Gebühr gehalten hab'

Bis daß die Sonne überm Park geschwunden? Vernimm's: in meiner Schönheit Dienergruppe Warst Du mir nichts als eine Lieblingspuppe,

Ein Bär aus Nordland, den ich zahm gemacht, Und, als er tanzen konnte, ausgelacht —

Zum Zeitvertreibe mochtest knapp Du taugen, Zur Liebe — nie.

Es ging die Kunst Dir aus.

67 Und nun: fort aus Don Cesar Balbis Hans Und Donna Santas Augen!

Nein. — Er sprach's, Ernst und gelassen.

An Wahrheit, Santa.

Deinem Wort gebrach's Ob Dein schöner Mund

Sich trotzig zieht, ob Du die schweren Locken

Sieghaft zum Nacken wirfst — aus Herzensgrund Siehst Du mich dennoch an, zum Tod erschrocken;

Dein stolzes Auge dunkelt, thränennah: Reckt doch dem Sturm die wilde Heiderose Den Dorn entgegen, herb, bis sein Getose Sie mit sich reißt, eh sie sich des versah:

Du liebtest mich und liebst mich noch — sag' ja — Ja, sprach sie tonlos, ja. — Seltsames Kind,

Begann er sanft, so sag' mir denn, welch Wind

Gespielt mit Deiner Seele Blütenzweigen,

Daß sie so sehr, so früh entblättert sind? Ich hörte einst, daß Menschen dazu neigen

In einen Abgrund, der sie füllt mit Grauen, Tiefer und länger stets hineinzuschauen Bis dunkle Macht sie lockend zwingt hinab.

In welchem Abgrund fandest Du Dein Grab? Was schuf's, daß Dich der letzte Halt verließ, 'Was war's, das Dich mit jugendblonden Haaren

.In eines Greises welke Arme stieß? Sein Reichtum nur? Sein väterlich Gebühren,

68 Sein Puffenwams? Sein Bart? Sein goldnes Vließ?

Sprich ohne Furcht — Sie starrte stumm ins Licht, Hilflosen Mundes, und: „ich weiß es nicht". Sprach sie tiefschauernd.

Auf ihr lag, großoffen,

Bestürzt, sein Auge.

Todesstille zog

Schwer durch den Raum; vom Silberleuchter flog

Ein trübes Knistern und die Kerzen troffen.

Da plötzlich that er einen Finderschrei:

Santa — ich glaube Dir und sprech Dich frei! Du wußtest nicht, wie weh Du mir gethan,

Der schwersten Fehle klagt' ich falsch Dich an,

Nicht Du warst schuldig, wie ich's einst geglaubt: Die Erde doch trägt solch Medusenhaupt,

Daß Alles, was ihr nahen' muß, erstarrt:

Wer bei dem Weibe Glück sucht, wird genarrt. Ich sprech die Frau von jeder Fehle los, Weil Gott mit Stein ihr leuchtend Herz umschloß, Weil um das Licht, das in ihr loht, sein Neid

Als Hülle schlug ein kaltes Marmorkleid, Damit die Menschheit vor der Tempelhalle Im Staub gebückt Entsagungsworte lalle — Ich aber bin aus wildem Blut entstammt,

Dies Ampellicht, das matt und rosig flammt

In Deines Leibes marmorweißem Bau Ich will's besitzen, wunderschöne Frau,

Küssend ersticken, jubelnd löschen aus

69 Das rote Licht, entweihn das Gotteshaus,

Auf die zerrissnen schweren Altardecken Zu langem Schlafe wunschlos dann mich recken

Und sterbend, als ein satter Rächer sagen:

Im schönsten Weib, des Auge je geblaut, Neidvoller Gott, hab' ich die Sphinx erschaut, Und hab' Dein Werk — Dich selbst in ihr — zerschlagen.

Auflachend löste er von Santas Hals

Die Perlenbänder, daß sie matten Falls Zu Boden glitten.

Guy, was sinnst Du, Sprich . . Was flammt Dein Blick? Was willst Du . . . Ich will Dich —

Und blitzschnell, wild umfangend ihre Glieder Riß er sie an sich, lachend, schluchzend wieder,

Zur Ruhe kämpfend, stark, voll wilder Regung Des schönen Leibes schmeidige Bewegung. Ich liebe Dich, sprach er verzückt, o lasse

Mir all Dein Sein, daß ich Dich besser hasse! Laß Küsse, wie kein Weib sie je getrunken,

Mich auf Dich streun wie roter Brände Funken, In jedem will, erschöpfend, ich Dir geben

Ein volles Jahr aus meinem reichen Leben, Laß uns vergehn, zerfließen eins im andern,

So wie zwei Wellen, die im Weltmeer wandern

Vom Südsturmhauch der Sehnsucht fortgetragen Tobend, beseligt, ineinanderschlagen---------------Dem Weib, das irr, berauscht von Liebessülle

70 Im Arm ihm hing, hat bebend er gerissen Vom weißen Leib die starre Atlashülle

Und es geschleudert in des Prunkbetts Kissen. Ein Laut ... ein Klagwort, girrend, wundersacht . . In einer Flut fahlblonder Lockenhaare

Versanken sie — rings herrschte wunderbare Jasmindurchhauchte, purpurfinstre Nacht----------

Warum sie nachgab, ohne Halt? Vielleicht Weil jede Kraft dem Fallgesetze weicht, Weil ihr ein Blitzstrahl überflammt das Herz, Das Rüstzeug schmelzend und das Panzererz,

Die Fesseln sprengend.

Eins sei uns genug:

Um große Flammen geht ein großer Zug Mitzuverlodern. — Es war Mörgenzeit,

Um ihren Mund, den schönen, vielgeküßten Lag stumpfes Lächeln satter Seligkeit.

Sein Haupt, drin der Begierde Sturm verbraust Sah trotzig-fahl; es ruhte seine Faust,

Im Schlaf geballt, auf ihren heißen Brüsten. So läßt der.Löwe wohl, den in Gedanken

Der Schlaf befiel an einer Beutestelle, Schwergriffig liegen seine mächtigen Pranken

Auf der erwürgten, röchelnden Gazelle.

Und. beide träumten.

Sie von Sternen droben,

Die gut und golden, daß ihr eigen sei

Ein Leben nun, dem jedes Weh verstoben.

71 Doch seine Brust ging schwer, es brach ein Schrei

Daraus hervor, der klang: lebwohl — vorüber

Du Schloß mit dem steinernen Wappenthor

Und den dunklen Eiben darüber; Ihr wellenden Seen, windwogender Tann, Lebt wohl, ihr Hochlandshaiden,

Es segnet im letzten Scheiden Euch ein verlorner Mann —

Scheiden — kein Traum . . . verstört empor er schrak, Mit offnen Augen.

Hingegossen lag

An seinem müden, fieberheißen Leib

Lächelnd das weiche, seingewordene Weib.

Da griff ihn tiefer Schauder, und er bog

Ihr Haupt zum Lichte, während unstet flog Sein Funkelblick durch Santas schöne Züge . . .

Dann sprach er rauh: Dein Zauber wich! Betrüge

So bitter nicht! Schlag auf die schweren Lider, Sieh voll mich an, gieb mir die Jugend wieder!

Vor langer Zeit, es blühten die Syringen, Wir liebten uns — auf Deine Lippen, leise, Kam eine süße, langvergesstne Weise . . .

Erbarme Dich . . das Lied . . wie geht das Lied? Und sie, wie damals, als die Sonne schied,

Begann zu singen---------

Schweig — das klingt ja blechern

Wie falsches Geld — sprach, tonlos er.

Und Würfelspiel hört' ich derlei.

Bei Bechern

Die Stunde,

Das Lied, Dich selbst — hast Du zu gut vergessen.

72 Schlaftrunken suchte sie mit rotem Munde

Achtlos den seinen . . doch die Purpurdecken Warf breit er über sie; blaß zum Erschrecken

Trat er ans Fenster.

Hinter den Cypressen,

Die dunkel brauten, murrte dumpf das Meer; Der Tag brach an, streifige Wolken hingen

Blutrot im Osten über Tiefen leer Und nebelbrauend.

Meiner Seele Schwingen

Lähmt Ekel, stöhnte Guy, es bricht mein Herz Vor schalem Abscheu.- nun, da Stillung hätte Der wilde Wunsch, verlor ich meinen Schmerz,

Das Diadem! Ich schritt auf hoher Spur Des Lucifer — doch was ich aufbeschworen

An Racheschrei, an Groll der Kreatur Im Liebesrausche gab ich's feig verloren . . .

Zerplatzte Form — fort auf die Scherbenstätte!

Er griff zum Dolch mit Inbrunst. Plötzlich trafen

Ihn fremde Laute.

Von dem Purpurpfühl

Hob Santa sich; ihr Haupt, nach Ost gewendet Trug, vom Gewirr des Goldhaars überblendet,

Den Zug der Sphinx — das Lächeln fremd und kühl. Die sprach: es soll dies Wunder um Dich sein,

Daß unbewußt sich meine Seele wendet

Zu Deiner, die den Erdenflug beendet In einer Nacht, darin kein Sternenschein.

Ihr eignes Rätselwort — erriet's die Frau,

So fiel in Trümmer unser Weltenbau,

73 Denn bebend ließe ihre schwache Hand Die Ampel fallen, drin den großen Brand Der Liebe sie von hohem Warteturm Arglos ins Weltall hält, in Nacht und Sturm.

Es streut die Frau der Liebe heißen Strahl

Durchs dunkle Leben, reich — doch ohne Wahl,

Sie gelt und liebt, voll, harmlos — aber blind,

Wie Sierbelieder spielend lallt ein Kind

Mit Mh'ndem Mund . . Du hast in wildem Drange

Das Glück am Busen einer Frau gesucht, Hast's aicht gefunden — und hast Gott verflucht.

Was Tu gesucht so sehnsuchtsvoll, so bange, Dies tüfe Etwas ist ein Strahl von Licht, Den Gott ihr gab, daß man ihn heiß verlange Und drch auf Erden finde nicht.

Wenn nne Frau die dunklen Augensterne Scheu zu Dir aufschlug, hast Du nie mit Schmerzen Gefühlt ein Heimweh nach verlorner Ferne? . . In jeder Frau liegt der tiefsüße Zug,

Der urbeschreibliche, ein ew'ges Sehnen In um zu wecken, daß wir aufwärts dehnen

Zu Gllt empor des Lebens Probeflug. Doch wen erfaßt's, daß von der Welt er lasse?

Es schreit nach Lust und Sinnenreiz die Masse,

Die suht und findet Alltagsglück beim Weib, Denn m des Rätsels schönem Bollwerk: Leib Bleibt stocken sie, gesättigt zu gesunden —

74 Nur Wenigen schlägt Liebe tiefe Wunden, Doch jede Wunde wird zum Ritterschlag.

Heil dem, der Glück beim Weibe nie gefunden Und aus der Tiefe dafür segnen mag.

Das ewig Weibliche ist Schmerz ohn' Ende:

Wer allsogroß, daß ohne Groll und Spott Er schweigend sich von Erdensonnen wende,

Steht freilich einsam da — doch eins mit Gott. —

Und große Schmerzen müssen heilig sein. Unselig, wer das Sa'isbild von Stein

Nach einer Seele ungestüm befragt, Nach Lust schreit — und die schöne Form zerschlägt. Ihm wird aus Trümmern, aus verstreuten,

grauen,

Die leere Nacht lichtlos entgegenschauen.

In jeder Frau schläft, glanzverhüllt, ein Grab, Es heißt das Nichts — und wer es je gemessen, Muß zu den Schatten, bleichen Haupts, hinab.

Müd' vor der Zeit, früh welk und früh vergessen. Die Form vergeht, doch ist kein Grab so klein, Aus seiner Tiefe zwingen sich Cypressen

Mit dunklen Flügeln auf zum Sonnenschein.

Das Leben ist ein starker Wanderflug, Zu Gott gerichtet, und auf allen Wegen

Trägt uns des Schmerzes großer Atemzug Der Heimat zu, dem ew'gen Lenz entgegen.

Vieltausend Jahre werden gehen, kommen. Wenn über Alles, was aus Stein erbaut,

75 Wenn ob der Sphinx, die stolz auf Theben schaut, Wenn über Alle, die gedacht, gedichtet Und des Gedankens Säulen aufgerichtet Der Staub verschüttend seinen Flug genommen,

— Der Streusand zu der großen Schrift der Zeit, Der trübe Bodensatz der Ewigkeit — Wird stets ob allen Leidenschaftsdämonen

'

Das Weib am höchsten Opfersteine thronen.

Allewig wird sie, aus des Daseins Wüste Emporgereckt, hinbieten ihre Brüste,

Daß bütern Seim bethört die Menschen saugen

Im Glanz der hohnvoll-heil'gen Götteraugen, Daß sie, vom Born des Weiblichen zn schöpfen, Das Hirn sich fiebern aus den müden Köpfen, Daß sic, dies Rätsel schaudernd zu erfassen

Bon Wahrheit, Frieden, Gott und Leben lassen, Sich küssen, hassen, schlachten nach Gefallen,

Anbeter, lästern, schluchzen, lachen, lallen,

Das Hcrz von Stein zu rühren, zu erweichen,

In jedm Abgrund, jede Tiefe reichen — Sie abw wird, hoch überm Erdenflug

Im wacmen Staube sonnen ihren Bug, Mit firft'rer Stirn, das Auge unerhellt,

Die Löventatze stemmend auf die Welt, Und stimm ihr Antlitz, das vernichtend schöne

Gen Morgen wendend, bis Posaunentöne Die Griber spalten, bis den Tod verschlang Ein Jibelruf, bis jede Hülle sprang,

76 Und über Fügung, Formen, Rätselfragen

Der Freiheit Flammen triumphierend schlagen Dann wird die Sphinx, erlöst, gebenedeit, Gleich Memnonssteinen, die tiefbebend klingen,

Das Hohelied versöhnter Ewigkeit, Ein großes Liebeshalleluja singen.

Santa schwieg, lächelte. Wich jäh der Schimmer.

Von ihrem Haupt

Müde, sinnberaubt

Sank sie zur Seite.

Aus der Ampel stob

Schwelender Rauch.

Als Guy die Stirn erhob

Fiel ins Gemach fahlgraues Morgendämmern, Zur Weide zog mit roten Wolkenlämmern Der Sieger Tag; ein Stern schoß in die See —

Mein Loos, sprach Guy; wart' bis ich mit dir geh.

Zur Seite warf er Santas Haar, das blonde, Und führte tastend, ohne Laut noch Wort, Den Dolch ins Herz; so senkt sich eine Sonde

Langsam und still in einen leeren Ort.

Satthüme.

Die Wüste, die vom Samum heiß geküßte, Die Wüste, die vom Morgen überglühte, Gebar einst Dich in schmerzlichem Gelüste

Als wunderseltne herbe Lieblingsblüte. Ich sah Dich spielen, wildes Kind der Tropen, In Wind und Sand mit Deinen Milchgeschwistern,

Den zierlich scheuen, klugen Antilopen, Und sah um Dich die Brussaseide knistern,

Und sah die Sklaven knieend Dich umfächeln Mit Pfauenwedeln, die von Salben troffen, Und sah Dich träumen, übersatt von Lächeln,

Mit dunklen Augen, die gleich Pforten offen,

Da plötzlich sprangst Du mit gesträubtem Munde Und peitschtest wach Dein Lenktier von Mahara

Und sprengtest fort.

Seit jener flüchtigen Stunde

Hatzi ich geliebt Dich, Tochter der Sansara.

80

II.

Oft, wenn im Sande schliefen unsre Stuten, Wenn unser Feuer, das die Nacht erhellte,

Verloschen war, glaubt' ich, daß im Gezelte Nur Deine Glieder süß bewußtlos ruhten,

Daß Deine Seele flog nach einem Sterne,

Um Erdenweh und wilder Gräser Rauschen Und Herzen, die Dich lieben, zu belauschen, Wie mitleidsvoll, aus einer großen Ferne, Daß sie geschwommen durch die düsterblaue

Unendlichkeit, sich eisig anzufeuchten, Um hier auf Erden unter Deiner Braue

Mir hoffnungslos und ewig fremd zu leuchten.

81

in. Das Mondlicht flutet voll und bleich Durch dunkle Wolkensäume;

Es liegt im fernen Mondenreich

Ein See — der See der Träume.

Und alle Thränen, welche je Um Frauenliebe vergossen,

Sind leuchtend und still in jenen See, Den See der Träume geflossen.

Schönaich-Carolath, Dichtungen.

82

IV.

Wenn Thoren sich mit Deinem Thun befassen, Sollst Du des Wegs gehn und sie schelten lassen.

Sieh: es ist Nacht, die Geisterstunde schlug, Es schläft das Dorf, da naht ein Kaufherrnzug,

Im Sande waten sacht die Dromedare. Da plötzlich wittern eine seltne Ware

Die Hunde rings, und hämisch von den Schwellen Auffahren sie mit Heulen, Schnappen, Bellen, Und eifern grimmig, kläffend bis sie schwach

Und heiser sind, dem fremden Gute nach.

Doch still im Sattel wiegen sich die Reiter,

Die Tiere schwanken hochbeladen weiter, Nicht Stock noch Steinwurf lohnt dem Geiferzahne. Hund bleibt stets Hund.

Was thut es, daß er fcefft,

Wenn schweigend Deines Lebens Karawane Nach Mekka zieht durch Staub und Lust der Welt?

83

V.

Nun will ich Dich tragen, mein Glück,

mein Traum, Mein Lieb, hoch über das Weltenall,

Wie einst der Adler die Nachtigall Barg unter weichem Schwingenflaum.

Ich will Dich wiegen im Sonnenschein,

In goldnem Frieden, weltentrückt, Und Du sollst singen, tiefbeglückt, Dein Liebeslied für mich allein.

84

VI.

Der Herr der Gläubigen gab mir ein Band Nebst einem Stern von reich gezacktem Schliffe Wo todt' ein Narr von Fez bis Damarkand,

Der solche Huld., mir zugedacht, begriffe?

Dem Großherrn lastete sein Prachtgezelt Am Bosporus, dieweil Traumdeuter schoben

Bor ihn den Spiegel unsrer Tropenwelt: Denn er sah Dich, wie Du von Licht umstoben

An meiner Seite rittest stolz einher,

Der Karawane schlanke Wünschelrute . . . Sein Stern, sein Band — sie flattern bunt und quer

Am Schweife, Herrin, Deiner Lieblingsstute.

85

VII. Ein Derwisch, den an Ghasals Höhenrand

Verschmachtend ich und wegesmüde fand,

Den ich zum Lager leitete und pflegte, Sprach, eh den Kopf er auf die Polster legte: Kein Ding, o Freund, ist des Besitzens wert,

Und frei nur ist, wer nichts ersehnt, entbehrt,

Macht, Ehre, Ruhm, ja selbst der Frauenkuß Verbergen Täuschung, Trübsal, Überdruß; Im Sand drückt flüchtige Kreise Dein Gezelt, Du selber bist ein Fremdling auf der Welt,

Begier, Gedanken, Wunsch in Menschenköpfen

Sind, wie des Reisigs Knattern unter Töpfen, Ein nichtig Prasseln; und dem Wölklein Rauch, Dem Funkenblitz, gleicht unser Leben auch.

Was unvergänglich, herrlich schien und teuer, Es wird zu nichts — doch selig wenn zur Rast.

An Deines Lebens kurzem Hirtenfeuer Der Armut Du das Heim bereitet hast.

86 Dann wird Dein Leben zwar wie Rauch vertreiben,

Du selber doch wirst ewig sein und bleiben.

*

*

*

Ich glaube gern zu jenes Derwischs Ruhme,

Daß nie sein Herz der Liebe Blütenlast, Daß niemals er gekannt hat Dich, Fatthüme.

87

VIII. Das Feuer loht; die Karawane blieb

Am Hügel lagern, fremden, sandverwehten.

Groß deckt und still die Schläfer im Propheten

Das Firmament, ein golddurchbrochnes Sieb.

Was ist es, das im Strahl der Sterne rinnt

Zu Tiefen nieder, dunklen, unerlösten —

Jst's stilles Mahnen, heiliges Vertrösten, Das niederwärts die goldnen Fäden spinnt?

Sind's Blicke nur, die aus dem Freudensaal Fremd und erstaunt auf uns herniederthauen,

So fremd, wie dunkle Frauenaugen schauen Verständnislos auf eine Herzensqual?

Was sind sie selbst, die über Bann und Behm

Der Todesschatten ihre Flugbahn treiben? Verkünden sie von Sein und ew'gem Bleiben

Uns Sterblichen ein flammend Glückpoem?

88 Wird einst enthüllt, daß alle Hoffnung Wahn, Daß Sterne, die gleich Liebesfackeln brannten,

Die wir mit Inbrunst gut und ewig nannten, Ein letzter Trug, den Götter uns gethan?

Sie lügen nicht.

Doch Erdenglück zerfließt,

Und Liebe weicht aus Frauenaugensternen

So qualvoll jäh, wie lautlos hinter Fernen Ein Meteor verleuchtend abwärts schießt.

89

IX. Ja, Du bist schön!

Dein Lächeln scheucht die Sorgen

So sieghaft fort, als unsre Heermacht fegt

Speerwerfend Volk an einem Siegesmorgen.

Und Du bist stolz! Der Scheich, der rings gebeut,

Wirft sich vom Nacken seiner besten Stute

Und kniet im Staub, wenn ihn Dein Gruß erfreut.

Und Deinen Schmuck — den schleppt ein Lastkamel,

Zwölf Sklaven spähn den Willen Dir vom Munde,

Schön bist Du, Herrin, stolz und ohne Fehl — Allein Dein Herz

? ? ! Da gähnt die tiefe Wunde.

90

X.

Am Höhenrand, der kreidig, sturmgeschlagen, Gebleicht vom Samum, ohne Pfad noch Schatten,

Hielt unsre Schar, betäubt von wildem Jagen, Vor einer Löwin, die gefällt wir hatten.

Die Löwin lag, gelähmt im wildgewagten

Vernichtungssprunge.

Am fahlbraunen Buge

Die dünnen Pfeile schiefgebogen hakten, Das Schaftgefieder zitternd noch vom Fluge.

Die Löwin hatte sterbend sich errissen Ein Purpurbett; sie lag auf ihren Treibern

Und wälzte sich auf einem Sterbekissen Von atlasweichen, heißen Menschenleibern.

91 Es deuchte mir, wie sie die Flanken streckte

Und, durstgequält, mit fächelnd mattem Schlagen

Des Löwenschweifes ihre Opfer leckte, Als ob sie zögernd stürbe, mit Behagen.

Ihr letzter Blick hat schillernd mich gemessen;

Tod lag nebst Wollust in dem Blick, dem einen. Und jenen Blick, ich hab' ihn nie vergessen: Der toten Löwin Auge glich dem Deinen.

92

XL Auf einem Grat, das wolkenüberjagt

Ins Leere reckt sein Haupt, sein schieferblasses, Wo Stürmen nur der Riese Atlas klagt

Die Last der Welt und jene seines Hasses,

Da hab' erbaut ich einen Opferstein,

Um aufzutrennen Deine Brust, die weiße,

Daß ich den Ursprung aller Erdenpein, Des Weibes Wesen an das Taglicht reiße.

Das Werk gelang.

Es barg der heilige Raum

Ein wenig Spreu, zwei Handvoll goldner Litzen, Ein buntes Traumbuch, einen Kleidersaum, Ein großes Knäuel abgewelkter Spitzen

Und einen Stein.

Der trug in Lettern starr:

Fatthüme birgt im Guten und im Bösen Ein Rätselwort.

Kein Weiser wird es lösen,

Doch darum leiden kann allein ein Narr.

93

XII. Der Pascha, Herrin, dessen Dampffregatte

Vor Tunis liegt, bewimpelt und bewehrt, Der Dich ersehn, der Deine Huld begehrt

Nnd goldnen Ringschmuck in den Ohren hatte,

Er gab — ich weiß es — jüngst Dir als Geschenk

Den ersten Ring mit Lächeln und verstohlen,

Daß Du bei Nacht das zweite Ohrgehenk Von seinem Schiffe heimlich mögest holen . . .

Der Weg nach Tunis, Herrin, ist nun weit,

Des Fremden Schiff mit Eisen dicht beschlagen, Du bangtest Dich — und siehe, Deine Zeit

Ist ausgefüllt mit Schlafen, Plaudern, Jagen.

Ich bringe nun, die Reise Dir zu sparen,

Den Kopf des Pascha. Der zweite Ring.

Fest im Ohre sitzt

Schau, Herrin, wie er blitzt!

Zum Angedenken magst Du ihn bewahren.

94

XIII.

Atlas, zum Himmel stürmender!

Du hast

Ein Glück gewollt, das allzu hoch bemessen, Nun muß den starren Riesennacken pressen Zum Staube Dir des Erdballs Schmerzenslast. Ach, grolldurchschüttert rauscht Dein tiefes Klagen

Durch Welt und Zeit.

Doch schwerer ist die Pein:

Ein gottgebor'ner stolzer Mensch zu sein Und heißer Sünde Sklavenjoch zu tragen.

95

XIV.

Du lagst gelangweilt in den Seidenkissen,

Ringschillernd, eine halb erstarrte Schlange; Ilm Dich zu wärmen, im Erlöserdrange,

Hab' ich ans Herz Dich mitleidsvoll gerissen.

Du sahst die Beute lange hohnvoll an Und wärmtest Dich und hast hineingebissen — Ich war ein Thor, Du hattest recht gethan.

Ich hob die Faust, Dich schmetternd zu verderben, Und senkte sie — Du warst nicht wert, zu sterben.

96

XV.

Wir sind am Ziele.

Laßt die Sänfte nieder.

Entsteige, Herrin, Deinem Purpurbette,

Es wartet Dein und Deiner schönen Glieder

Kostbarer Last der Teppich von Damiette.

Leb wohl, mein Lieb.

Du rissest meinen Glauben

Gleich Unkraut aus; der Hoffnung breite Gassen

Stehn öde da — doch keine Friedenstauben Sind die Gedanken, die Du mir gelassen.

Siehst Du die Stadt? Die schönste ist's.

Im Bogen

Reckt sich an Wasser, blauem, salzig klarem, Ihr Kuppelwirrsal, fahnenüberflogen,

Und der Palast dort ist des Sultans Harem.

97 Dort sollst Du leben, hinter goldnen Stangen,

Schön — doch unschädlich.

Mit verblümtem Spruche

Wird Dich der Großherr als Gemahl empfangen Und Eure Kissen glätten ein Eunuche.

Ich aber will an wandermüden Füßen Die Reue schleppen, will der Welt entfliehen

llnt), Deiner Liebe Gifthauch abzubüßen, Einsam, als Bettler, gen Balsora ziehen.

Schönaich-Carolath, Dichtungen.

7

98

XVI.

Sang des Türmers. Ihr Schläfer! Wollt Ihr meiden Schmerz und Spott, So bindet Eure Stuten an. Erst dann

Befehlt sie Gott.

Wer sich den Mund verbrüht hat, bläst zur Not Auf kalte Milch.

Schlaf birgt mehr Glück denn Machen

Dein bester Freund heißt Tod.

Vernehmt, Ihr Gläubigen, was ich zur Stunde Verkünden soll vom Rand des Minaretes:

Nach Allahs unerforschlichem Befunde

Ward gestern, um die Zeit des Nachtgebetes, Der Welt entrückt die Sultanin Fatthüme,

Des Großherrn Stolz, des Harems Lieblingsblume.

Wär' Euch bekannt, was mir an Wissenssachen Geoffenbart, enthüllt und angestammet,

99 Ihr würdet weinen und gar wenig lachen;

Mög Allah segnen Euch.

So spricht Mohammed.

Ein müdes Schiff, das seine Segel dehnt,

Ein Menschenherz, das sich nach Frieden sehnt, Ob sie das Ziel verfehlten oder fanden,

Im gleichen Hafen werden stets sie landen. In jedem Herzen zittert ein Magnet,

Der rastlos sich zur ew'gen Heimat dreht.

Ein Weg, daran mit kurzer Pause

Der Schmerz als Meilenzeiger steht, Führt rasch nach Hause.

100

XVII. Aus eines Kerkers schwülen Finsternissen Zur Freiheit, die kein Goldgeflecht ummauert,

Hob sich Dein Herz und hat den Strick durchrissen; Der Vogler stumm am leeren Käfig trauert.

Du riefst den Tod.

So flieht vertraute Stätten

Im Trotz ein Kind, gelockt von Abenteuern.

Ach, daß Dich Engel sanft geleitet hätten Zu ferner Heimat hellen Hirtenfeuern!

Wo weilst Du jetzt? Von welchem Flammensterne Blickst erdenwärts Du zwischen Traum und Wachen Auf mich herab? In welcher Sonnenferne

Wiegt sich Dein goldnes schwermutvolles Lachen?

Vorbei — Dich bringt kein Erdenfrühling wieder,

Doch folgen wird Dir bis zur Strahlengrenze Der tiefe Nachhall meiner Liebeslieder,

Sich zu vermählen Deinem neuen Lenze.

101 Uns trennt kein Tod. Wenn im Posaunenstoße Des Weltgerichts die Gräber sich bewegen, Wird einst Dein Auge, das verweinte, große, Neu auf mich schütten seinen Strahlenregen. Dem Dichter ist ein leuchtend Los gefallen: Wer Großes schuf, reißt aus der Nacht der Zeiten Ein sterblich Weib, das er geliebt vor Allen, Zum Sonnenstrom versöhnter Seligkeiten.

So will auch ich in Liedern ewiger Dauer, Du stolze Tochter der Abeneerragen, Das Weh um Dich, die Weltlast meiner Trauer, Als Büßer Atlas zu den Sternen tragen.

102

XVIII. Zuweilen zeigt mir ein schwüler Traum

Mit ihren Türmen und Thoren

Die Stadt der Chalifen am Wüstensaum,

In Sand und Ferne verloren.

Ich meine zu hören fremd und wirr Das Brausen der Bazare, Der Kesselpauken dumpfes Geklirr,

Das Röhren der Dromedare.

Aus gelbem Staube, windgerafft, Flattern die grünen Fahnen,

Fernab, auf ewige Wanderschaft

Schleichen Karawanen — •

Auf Wanderschaft von trüber Art

Zwang auch ich durchs Leben Ein büßend Herz, deß Wahlspruch ward: Geben und Vergeben.

103 Nun ragt das Schloß der Tempelherrn

Aus regennassen Landen, Mit dumpfem Donner schwer und fern Der Ostsee Wogen stranden,

Und über Sturm und Mövenschrei Wandert die Karawane Meiner letzten Liebe vorbei,

Meine Fata Morgane.

Don Juans Tod.

Es ragt der Kaukasus, ein Scheidewall

Von wilder Art, gebettet zwischen Meeren, Darein er schleudert seiner Ströme Fall. Die Lenden gürtet eine Wolkenwand Dem Unbesiegten, und zur blauen, leeren

Unendlichkeit reckt er den starren Nacken, Mit seiner Stirne weißen Gletscherzacken

Hinüberlachend in das Morgenland.

Als Gott die Menschen aus dem Eden stieß

Da fachten, heimatlos, sie Lagerfeuer, Die, kaum verglüht, ihr müder Fuß verließ.

Sie trieben hin unstäten Wanderflug

Heimwehgefoltert, bis ein Lenz, ein neuer,

Jubelnd hereinbrach.

An dem Höhenzug,

Draus Quellen stürzen, brausend, waldumgrünt, Fanden die Müden, neu beglückt, entsühnt, Ein frisches Land, ein neues Paradies.

Und Friede ward.

Jahrtausende vergingen,

Des Christentumes großer Flügelschlag

Süeß durch das Land.

Der Berge trotzige Zwingen

108 Erklommen Burgen, breit und schiffbar lag Der wilde Kur.

Dort, wo den Waldkoloß

Umbrach die Axt, ragt schimmernd jetzt das Schloß Der Grusenfürsten.

Schlank hebt sich der Bau

Aus breiten Höfen; in den Gärten rauschen Der Bäume Kronen, iiberm Labyrinth Der Kuppeldächer fegt und flappt im Wind

Das Grusenb'anner, und wo Decken, blau, Purpurgestrählt sich vom Balköne bauschen,

Schaut still ins Land der Grusenfürsten Kind.

Diava träumt, doch ist nicht froh 511 nennen

Dies Angesicht; ihr dunkles Auge mahnt

An Lampen, die durch Alabaster brennen. Wann, spricht sie, Schicksal, das ich lang geahnt, Erfüllst Du Dich? Der Seele Bann?

Wann wird von mir genommen

Gestalt fremddüstrer Art,

Wann endlich wirst Du, finstrer Buhle, kommen?

Sie wendet sich, schreckt auf. Der Patriarch, ein Greis.

Zum Saale zieht

Die Kirchevsahnen

Neigen sich tief, das Volk andächtig kniet. Gieb einen König deinen Unterthanen

Murrt dumpf die Menge. Doch die Fürstin schweigt Und weist zur Pforte. Ihren Ärmelsaum

109 Berührt der Priester; ihres Kleides Schleppe Küßt scheu das Volk.

Leer wird es; auf die Treppe

Setzt sich ein Schmetterling im Sonnentraum.

Und draußen liegt die Ferne brütend heiß,

Es klagen unablässig die Cikaden, Im Süden ballt Gewölk sich hohl und weiß.

Was hält, mein Herz, Dich ew'ger Gram beladen,

Spricht trüb die Fürstin.

Unter Purpurhüllen

Wogt zwischen Furcht und Ungeduld Dein Schlag, Und Deiner Schwermut tiefen Schoß vermag

Kein Glanz, kein Erdenfrühling auszufüllen.

In schwülem Traume banger Jugendnacht

Geschah es mir, daß aufwärts, aus dem Leben Gelöst, ich schwebte.. Tief, in letzter Pracht Der Abendsonne grüßten Thal und Matten Purpurgesättigt aus dem Ocean.

Auf Engelsflügeln.fühlt ich rauschend heben

Mit weichem Fittichschlag mich himmelan. Mein Haupt umbrauste frischer Morgenwind, Da plötzlich drang ein Ruf aus Erdenschatten:

Erbarm Dich- meiner, lichtumstobnes Kind. Ach, Gott und Engel haben mich verlassen,

Bleischwer zieht niederwärts zum ew'gen Leid Mich das Gericht!

O laß Dein weißes Kleid

Am Saum die Hand des Fluchbeladnen fassen,

110 Und rettend hilf aus Qual und ew'ger Pein Dem Reuigen zum Lebenssonnenschein.

So hallt der Ruf, den ich entsetzt gehört, Und meine Hand ersaßt mit wildem Griffe

Ein bleicher Mann.

So, da beim Sturm zum Schiffe

Der Heiland trat, hielt Petrus sich, verstört.

Grabtief sein Auge, drüber spannt die Braue Sich schwarz und schmal.

Wie Jenen ich erschaue

Flammt auf in mir als jähes Machtgebot:

Du rettest ihn aus Untergang und Tod. An Deine Hand, in Dein Gebet, dahin An Deine Brust — fein Himmel ohne ihn!

Schon türmt sich auf, lichttriefend, riesengroß Das goldne Thor, doch eh' dies Ziel erreicht,

Der Sünder, strauchelnd, in die Leere weicht, Und stürzend, klammernd, aus der Engel Armen Zieht er mich abwärts.

Ein Posaunenstoß

Zerreißt die Luft; Nacht deckt des Himmels Thor,

Und Nacht umfängt mich, doch ein Engelchor

Singt in der Höhe feierlich: Erbarmen.

Seit jener Traum, prophetisch, mit Gewalt Und Schrecknis kam, das Herz mir zu belasten,

Verfolgt mich des Vervehmten Nachtgestalt. Ich fühle, daß sein Schatten um mich lebt, Ost, nebelhaft, an meiner Seite schwebt, Nur flüchtig bannen ihn Gebet und Fasten.

Er kehrt zurück nach traurig langer Pause,

111 Bei Prunk und Fest, im lauten Volksgewühl

Folgt er mir nach; im dunkeln Chorgestühl Der Kirche nickt er, geisterhaft und stumm,

Streift mir das Haar mit seiner Spitzenkrause, Und blättert sacht das bunte Meßbuch um.

Er nickt mir zu; wenn er ins Herz mir schaut

Mit seinen Augen, seinen qualvoll tiefen, Ist mir, als ob viel tausend Stimmen riefen:

Er bleibt Dein Herr, Du bist ihm an getraut. Finstres Gebild, mit Ängsten, heißen, großen,

Enthüllt sich mir: Du bist von Gott verstoßen, Du bist kein Lichtgeist, und vom Paradies

Treibst Du stromabwärts ohne Kampf, noch Hoffen.

Wohlan — Dein Sturz hat meine Bahn getroffen, Ich will umfassen Dich mit voller Kraft

Gläubigen Herzens; Deine Schuld bekennen

Will ich dereinst und sie die meine nennen, Mein Heil für Deines geb' ich voll in Haft. Ja, fesselt an die Höllenmacht des Bösen '

Gelübde Dich, Trieb und Blutsbrüderschaft, Ich will Dich retten, werde Dich erlösen.

Wie heiß die Sonne sticht. Das Gras der Steppe.

Der Sudwind biegt

Spätnachmittag liegt

In weißer Glut auf Mauern und Arkaden.

Brmende Stille; schläfrig müden Klanges

Der Wache Schritt im Grund des Bogenganges, Ferri auf den Wegen ballt sich Staub in Schwaden.

112 Und aus dem Staub — die Wachen stehn entsetzt — Ein Reiter auftaucht, jäh.

Zum Sprunge jetzt

Im Flug ein Schatten spannt

Zwingt er sein Pferd.

Sich durch die Luft, und landend mit den Hufen Pflügt schrill der Hengst das Pflaster vor den Stufen. Die Wachen taumeln, blutend, überrannt.

Ein Schritt, enteilend, Klirren, wildes Rufen,

Aufschreiend aus der Fürstin Vorgemach Stieben die Frauen, und Diava, wach In starrer Spannung vor dem Bild des Christes

Steht aufgereckt.

Ihr Auge lacht und brennt,

Ein bleicher Mann den Vorhang keuchend trennt;

Da bricht von ihren Lippen wild: Er ist es.

Sie' stehn und blicken sich hochatmend an:

Dein Name, Fremder — Ich bin Don Juan,

Don Juan de Marana.

Spaniens Damen

Bekreuzen sich in Andacht vor dem Namen, Und sprach nur eine zu der andern leicht: Der Böse holl ihn, eh' der Tag entweicht,

So riesen Alle: Segne Gott es, Amen.

Die Thür springt auf.

Rasch, mit entschloss'nem Schritt

Und tiefem Gruß ins Königszimmer tritt,

Das Schwert im Arm, der Kommandant der Garden. Die Fürstin winkt; er geht, gehorcht dem Zwang,

113 Doch vor der Thür, die Don Juan durchdrang,

Kreuzt fein Befehl der Wachen Hellebarden.

Noch hüllt Tiavas schwarzer Augenstrahl

Den Fremden ein, Glut liegt auf ihren Mienen. 9^un bist Tu, spricht sie, leiblich mir erschienen,

Wer sandte Dich? Kamst Du nach eigner Wahl?

Wie stindest Du von Spaniens Glutgestade Des bunten Ostens weltentfernte Pfade?

Wenn von zertlasftenl, ödem Hochgelände

Der starte Wolf, den Beutedurst versucht, Mählig hinabsteigt, daß er Stillung fände, Lugt er ins Land von einer Höhenflucht.

Uni) witternd prüft er, ob der Wind der Nächte Ersehnter Beute Borgefühl ihm brächte.

Mir trieb der Ost ums Haupt mit Adlerkraft Sein Schwingenpaar, da fühlt' ich, fern erblühe

Mir eine große, neue Leidenschaft. Wem je der Schönheit süßer Sonnenstich Das Haupt versengt, durch Nacht und Morgenfrühe

Eilt er zum Ziel, ihn hemmt kein Länderstrich —

So, schöne Beute, suchte, fand ich Dich.

Sie zuckt empor, entsetzt, doch Überwindung Hilft ihr zum Wort.

So trachtet Deine Bahn

Der meinen nach in sündiger Empfindung? Schönaich-Ca^olath, Dichtungen.

8

114

Was kettet uns? Was fjab7 ich Dir gethan? Wer gab Dir, rede, über mich Gewalt, In meiner Seele Obdach, Aufenthalt? Taucht niemals Dir, wenn Du des Rätsels sinnst, Erkenntnis auf? Wer schürzte dies Gespinst, Wer schuf die tiefe, seelische Verbindung? Was ist's, das uns geheimnisvoll verwebt? Verkünde mir, ob aus der Kindheit Lebt Dir ein Erinnern . . . Königin, vergebt, Sprach jener rauh; sollt' ich den Kopf verlieren Zwei Dinge giebt v, die meiner Eigenart Entgegenstehn als schroffer Widerpart: Hochzeitsgefasel und Philosophieren.

Wie dort er stand, den Bart keck zugespitzt, Das Auge hart, der Rotmund frech geschlitzt, Auf finstrer Stirn der schwersten Sünden Stempel, Brach ihr zu Schutt der keusche Herzenstempel Bräutlicher Hoffnung. Ihn, den schönen Wicht, Der vor ihr stand, beachtete sie nicht, Nur angstvoll sucht' ihr Auge seinem Denken Sich, seiner Seele, forschend einzusenken. So irrt des Steigers schwankend Grubenlicht Zum tauben Schacht, ob es im Schuttgewände Nicht eine lautre, reine Ader fände. Vergebens, spricht sie; ausgestorben klafft

115 Und leer Dein Herz.

Ich möcht' Dich von mir stoßen,

Doch siegend ruft tiefinnre Glaubenskraft: Nicht irrt Dein Herz, er zählt doch zu den Großen! Welch Pulsschlag treibt Dich und welch Lebensplan In Deines Sommers reifen Mannestagen,

Nach welchem Eiland segelt, sturmgetragen

Dein klopfend Herz dahin im Lenzorkan? Ob Du ein Held aus König Artus Hain,

Ob irrend Du, landflüchtig seist wie Kain,

Welch Los Dich traf, welch Lebensziel Du hast, Ich will es wissen, rede, bleicher Gast.

Im Lebenslenz, in Lebensungewittern, Ob Sonnen stächen, ob mich Sturm umnachtet,

Ist eines nur, danach mein Wesen trachtet

In ew'gem Durst, in Bangnis, Gier und Zittern. Ein Erdenziel erkenn' ich nur: das Weib —

Am Weibe nur ein Göttliches: den Leib. Dich, die der Rausch verlornen Paradieses

Greifbar durchflammt, trotz Sündenfall und Vehm, Die Du im Staube sonnst Dein Diadem,

Die rauhe Fülle Deines Lockenvlieses;

Dich Lebensmutter, nie gefüllter Born, Die sorglos Du, in eines Baumes Schatten, Halb Tier, halb Göttin, schläfst im Hagedorn Mit frischen Lippen, roten, Nimmersatten, Dich hetzt mein Fuß, Dir folg' ich brünstig nach, 8*

116

Uns wird die Welt ein weites Brautgemach. Ich zwing' das Weib mit ungefüger Kraft Zu jubelnder Alltagsleibeigenschaft; Und Weh der Macht, die meinen Weg verstellt, Ich werd' zerschmettert, oder sie zerschellt. Wenn mir ein Weib das steinern Herz bezwänge, Ich zog' mir selbst der Totenglocke Stränge, Vom Sockel stieg für immer ich hinab Und schaufelte mit eigner Hand mein Grab. Daß dürstend ich des Weibes Dürsten stille Bin ich gesandt, Mithelfer rauher Paarung, Ich bin die Kraft, ich bin der Lebenswille, Dies sei Dir Beichte, Herrin, Offenbarung.

Die Fürstin schwieg. Gesenkt war, glutdurchflossen Ihr feines Köpfchen. In den Scheiben blaute Ein jäher Blitz, durchleuchtend das Gemach. Ein Wetter tam auf fahlen Wolkenrossen Aus Süd geritten, doch Diava sprach Mit weichem Blick und mitleidvollem Laute: So hast Du niemals betend iinb bewegt In Mutterhände Deine Stirn gelegt? Und hast Du nie — Des Sonntags müßt es seir — Zur Junizeit, wenn weit die Felder wogen, Bei Orgelklang im Sommersonnenschein Ein Weib anf ewig an Dein Herz gezogen? Es hat der Mann, sein müdes Haupt zu betten,

117 ' Zwei Orte nur, die ihn vor Stürmen retten, Dahin er still nach jedem Schiffbruch kehrt:

Mr Mutter Herz, die beten ihn gelehrt, Das Herz der Frau, die still im Jugendschimmer

Und Jugendliebe sein ward, sein für immer. Me Liebe beut mit läuternder Gewalt

Aas weißer Frauenhand den Kelch der Gnaden . . .

Mich dürstet, Herrin, sprach der Fremdling kalt,

beim Geschwirr verbuhlter Serenaden,

93)ii Hütern und Duenas arg verflucht,

Hib' Liebe je begehrt ich, noch gesucht. Nach zwingt der Durst, der ungestüme Treiber,

Mht ein Weib will ich, sondern alle Weiber, Nicht kann die Frau durch Gnadenwerk mich blenden, Nun, Lust allein und Durstesstillung spenden.

Jh bin ein Gast im Lebensbachanal,

Nein Leitstern ist, danach den Weg ich lenke, Nein Weiser ist zur vollen Lebensschenke Mr ew'gen Schönheit flammendes Fanal.

Ein neuer Blitz zündenden Scheins durchriß Des Sommerabends frühe Finsternis,

Und als verstoben seine fahle Helle

Da mischten dumpf sich in des Donners Krachen

Simmengewirr und schwerer Tritt der Wachen. De Fürstin sah erbleichend nach der Schwelle:

118 Werkzeug der Freude, Eintagsglückgestalten Nennst Frauen Du, nach Deines Irrwahns Schlüssen;

Daß Frauen Wunder, Rettungswunder walten, Du wirst es, fürcht ich, srüh erfahren müssen.

Die Thür klafft auf.

Den dämmergrauen Saal

Füllt Kerzenglanz und roter Fackelstrahl, Goldwerk und Stoffe, schwer durchwirkt, erblitzen.

Mattleuchtend starren Hellebardenspitzen, Ein Greis tritt ein, der Oberste vom Rat, Archimandrit.

Ein Purpurbaldachin

Spannt schwankend sich, goldstarrend, über ihn,

Die Kirchenfahnen flammen bunt vom Schaft. Komture schreiten, Priester im Ornat,

Es schaaren sich die Großen vom Palaste, Soldaten folgen, und zu Knaul gerafft

Drängt nach das Volk.

Aufrecht im Fackelglaste

Mit finstrem Blick steht drohend der Prälat.

Ein Friedensbruch, ein schwerer, ward verübt. Tollwütend hat ein Frevler, blind vermessen

Des Rittersinns nach Räuberart vergessen Und unsres Landes Ehrenschild getrübt.

Das Brückenthor, vergittert und umtürmt, Hat jählings er durch Überfall erstürmt, Zur Frauenburg, der Fürstin Aufenthalt,

Brach, blutvergießend, Bahn er mit Gewalt

119 Ob Königssohn, ob Ritter oder Knecht,

Ob er Vasall, ob lehenspflichtig sei,

Wir walten seiner, uns verfallen, frei, Und sprechen ihm am Ort der That sein Recht.

Still wird es rings, die Menge harrt in Schweigen.

Der Inquisitor löst vom Pergament Ein Siegel, grüßt die Fürstin mit Verneigen,

Und liest im Licht, das rötlich knisternd brennt:

Wer, landfremd, Eintritt in die Burg erzwingt Und waffentragend in ihr Weichbild dringt, Sei listend es, sei's Kraft des Überfalls,

Er hat ohn' Gnade, nach dem Recht der VäterDen Tod erwirkt, und wird gestraft am Hals. Wachen, herbei.

Hand an den Hochverräter.

Haßvollen Blicks, die Lippen schlimm geklemmt

Vernahm es jener; tückisch und verdrossen

Hielt er die Hand ins Dolchgehenk gestemmt.

Diava doch, die Königsstirn erhellt Von Glück und Hochsinn, eine Liebeswelt Im dunklen Auge, hob die Stirn, entschlossen.

Vieledle Herrn, Euch sag' ich Dank in Huld.

Wohl ehrt es Euch, ohn' Ansehn Recht zu wahren,

120 Dem Ritter doch, und trüg er volle Schuld,

Kaun nicht Gesetz noch Blutbann widerfahren. Als Fremdling nicht, mir lang vertraut, bekannt

Seit Jahresfrist, grüßt er des Berglands Söhne,

Daß sein Erscheinen holde Wünsche kröne

Hat ihn die Ferne meinem Volk gesandt. Den Ritter, der an Spaniens Littorale Don Juan de Marana wird genannt,

Erhebt mein Wort zum Fürsten und Gemahle.

Die stolze Mär, als sie dem Mund entflohn,

Schlug in die Menge, die zum Thron gestaute.

Die Großen stehen fassungslos, bestürmt, Allein, das Volk, im Vorsaal aufgetürmt,

Ruft Beifall zu mit Hellem Jubellaute. Don Juan doch stürzt wehrend vor den Thron, Erhobner Faust, als galt es ihm, zu rütteln

An Eisengittern, während Schmerz und Hohn Keuchend die Brust, die wild erregte, schütteln.

Diava, ruft er qualvoll, schmerzentbrannt, Du kennst mich nicht, Du hast mich nie gekannt.

In Blumen wohl, in Sternen magst Du lesen, Allein Dein Auge, fromm und wunderblau, Ergründet nicht Don Juans Ziel und Wesen.

Armselige Bente wär' ihm eine Frau, Ein Tropfen nur in wildem Becherschwunge, Ein Salz, ein Reiz, wie Schaumgold auf der Zunge,

121

Im Wechsel nur der enVge Wunsch entbrennt. Wo Sinnenlust mir zulacht Dom Geschöpfe, Häuf' ich das heiße Lebenselement In Weiberherzen, Danaidentöpfe. Der Wechsel ist Bedingung mir, Gebot, Ewig verjüngt in stets erneuten Wonnen, Wie sich in Flammen Basiliske sonnen Wär' Ehepflicht mir Selbstmord, Nichtsein, Tod.

Ja Tod! Tod Dir! Das Wort, erfaßt, gerafft Bom Mund des Frevlers, ward auf jeder Lippe Zum Wutgeheul; so bricht mit Donnerlraft Die Staublawine von der Felsenklippe. Daß, wuchtend, er der Wachen Zaun durchzwänge, Bordrang der Haufe, bis ins Mark empört. Bleich wie der Tod starrt über das Gedränge Die Königsjungfrau. Plötzlich, wutverstört Thut Don Juan in die todschwangre Masse So wilden Sprung, daß, weichend, eine Bucht, Raum vor ihm klaffte. Mordend auf der Flucht Strafft er den Arm; im Heben, Niederblitzen Des breiten Dolches der Befreiung Gasse Sich durch der Feinde Leiberwall zu schlitzen. Umsonst. Wie den ergrimmten Leoparden Des Käfiggitters spitzes Stabwerk hemmt, Faßt hakend ihn, zum Doppelwall gestemmt, Ein Gatterthor gefällter Hellebarden.

122 Ein kurzer Kampf, ein aussichtsloser, toller, Dann, waffenlos, die Fäuste strickverschnürt,

Zerfetzt das Wams, zerklafst der Elenloller,

Wird Don Juan dem Throne zugeführt. Zurückgetrieben drängt sich aus dem Saal

Polternd das Volk, und vor dem Treppenhause Sich wälzend, schließt es Brücke wie Portal Gleich Meerflut ein mit hohlem Stimmgebrause.

Um Don Juan, der in der Krieger Haufen Schwer keuchend steht, das Auge blutdurchlaufen, Schließt sich ein Kreis.

Der Inquisitor spricht.

Wie dieser Stab jetzt über Dir zerbricht,

Verfällt Dein Haupt dem schwarzgedeckten Blocke. Mit schwerem Schritt, breitspurig naht ein Manni

Von Riesenwuchs, barfuß, in rotem Rocke.

Richt uns gehörst Du, sondern jenem an.

Und tiefe Stille. Der weiße Stab.

Scharfen Tones knickt

Diava doch, erbleichend

Bis in die Lippen, zum Prälaten blickt

Mit leisem Wink.

Die Großen überflammt

Düster ihr Auge.

Jene geben, weichend,

Dem Greise Raum zur Beichte hohem Amt.

Ehrwürdiger Vater!

Dich, Archimandrit,

Flehn meine Lippen, meine gramesvollen,

123 Für ihn um Rettung, den sie töten wollen. Er, dem mich Bande, nieerklärte, paaren, Ist meines Lebens finstrer Satellit. Nun mög' vor Gott mein Wort Dir offenbaren:

So wahr der Seele letzten Flor ich lichte

Vor Deinem Blick — wenn jenem, der da feint, Der Gatte mir und Seelenbräutigam, Das Sünderglöcklein schrillt im Morgenwind,

Ich folge barfuß ihm zum Hochgerichte, Entehrt mit ihm in einem Grab zu ruhn. . .

Doch jener sprach: Du würdest Sünde thun. Ein Wort, ein schweres weiß ich nur — verzichte.

Zur Hölle kehrt, was aus der Hölle stammt. Sieh, jener Mann, der Mitleid Dir entflammt,

Der Dir erschien als finstrer Traumergründer, Er ist's, der einst vom Baum des Lebens brach

Die Fleischesfrucht, und den mit grimmem Bisse Der Sinnenlust, rotschillernd Schlänglein stach. Nun schleppt er, wandernd, seiner Bisse Schmach

Ansteckend fort, der Wollust ew'ger Sünder, Und wer ihn retten will, der sinkt ihm nach. Vergeblich ist Dein unschuldvolles Flehn,

Sein Maß ist voll — er muß zum Tode gehn.

Das Wort verhallt.

Und wie Diava neigt

Ihr Haupt, aufschluchzend, zu der Stola Falten,

124

Malt sacht das Kreuz er über ihr und schweigt. Doch sie spricht still: So laßt mich seiner walten Bis Morgengrauen; löst ihm seine Ketten. Nicht seines Lebens nachtgeweihten Flug, Doch seiner Seele Heil laßt mich erretten.

Zum Saal sich wendend kündet der Prälat: Führt den Gefangnen, bis der Morgen naht Zu stiller Einkehr in die Schloßkapelle. Ter Pforten wacht, doch schafft, nach Brauch und Fug, Ihm Brot und Wein als letztes Mahl zur Stelle. Langsam und schweigend wallt der kleine Zug Durch Gitterpforten, welche dröhnend Hingen Im Angelwerk. Qualmtrüber Fackelglanz Strahlt düsterrot auf Säulen von Byzanz, Dumpf klingt der Mönche psalmodierend Singen. Fürwahr, spricht Don Juan, mein Totenamt. Wie Spaniens Wein mir in die Nüstern flammtl Du Feuertropfen von Malagas Klippen Birgst nur Vergessen, bringst Gedankentausch. Ter einzig wahre, beste Lebensrausch Blüht auf gesträubten roten Frauenlippen. An diesem Ort, wo jedes Wünschen schweigt, Spricht der Prälat, erwarten der Geschlechter Edelste Söhne Waffenweihe. Steigt

125

Empor der Morgen, adelt Ritterschlag Den Neophyt zum Mann und Glaubenssechter. Ins Leben stürmen ihre Frohgestalten, Des Rechts, der Pflicht, des Rittersinns zu walten — Dir dämmert auf des Lebens letzter Tag. Was jenen, adelnd, lieh die goldnen Sporen, Hast Du geschändet, frevelnd, ehrverloren. Der Waisen Schutz, die Zucht, der Schwachen Rechte Zertrat Dein Fus;. Du, der zu Spott gelehrt Gottes Gebot, mußt enden nun, entehrt, Und gehst den Weg der ungetreuen Knechte.

Prälat! die Zunge schone zum Gebet, Sprach Don Juan. Ein jedes Leben geht Beschlossen hin nach vorbedachtem Ziele. Das Holzschiff bringt in Sicherheit den Leib, 'Allein die Nägel aus dem Lebenskiele Reißt jeder Eisensracht Magnetberg Weib. Doch hör mich weiter, Greis int Heiligenschein; «(Daß Don Juan mit Dir philosophiere 'Muß er, sürwahr, schon nah' dem Tode sein) Much, der ich heiß nach Lebensguellen giere, Dich, Patriarch, mich, Ausbund, Höltenbrand, Der Du zur Rechten, ich zur Huten Hand, Uns trennt ein Stein, der uns der Menschheit Herzen 'Gebettet liegt als Anstoß ew'ger Schmerzen, Er nennt sich Weib. Ich nah' ihr, lustbereit,

126 Als Zuchtstier breiter Lebensfähigkeit, Deß erdgeborne, stets erneute Kraft

Das Fleisch der großen Lebensschlachtbank schafft; So soll dem Weib mich ew'ge Paarung einen.

Ich will den Grund zu geilen Ernten schlämmen, Du willst entsagen, willst beschneiden, dämmen,

Dem Lebensbaum, deß Adern saftend tropfen, Willst Du das Reis der Weltentsngung pfropfen,

Ich will bejahen, und Du willst verneinen.

So wirken wir, der Menschheit Antithesen, Zwei Kräfte, die zum Widerstreit erlesen, In derem Druck der Erdball seufzend grollt

Und, fortbewegt, in ihrer Mitte rollt.

So schaffen treu die beiden Arbeitsknechte Und haben beide gleiche Lebensrechte. Du tötest mich, allein auch Du wirst sterben.

Fort, Patriarch!

Den Kampf, mein Testament,

Ausfechten werden unsrer Beiden Erben.

Für Dich, des Spuren rühmlos, früh vergehn, Spricht streng der Priester, will ich beten gehn,

Und dafür auch, daß Deiner Erben Pfade

Austilgen mög' des Schöpfers Rat und Gnade.

Wie sinnbethörend Deine Lippe brennt,

Süße Diava, sprach mit heißem Schimmern Der Tigeraugen Don Juan entzückt.

127 Doch sie, zur Stirn die Hände wild gedrückt: Laß ab, erbarm Dich! Hörst Du nichts? Sie zimmern Bei Fackelschein im Burghof Dein Schafott! Et)' Dich der Tod von meiner Seite reißt Enthülle mir, beim dreimal heil'gen Gott, Weß Deine Herkunft, nnb weß Art Du seist.

Don Juan stieß der Kirchenfenster Flügel Wildblickend auf. Die Nacht war schwarz und heiß, Ein Wetter stand am fernen Kamm der Hügel, Die Steppe lag blitzüberflackert, weiß. Die Bäume murrten bange, schwül durchhaucht, Am Himmel schimmerten verstörte Sterne. Zuweilen hob sich Südwind in der Ferne Gleich einem Tier, das klagend, zornig pfaucht. Der Burghof flammte; rötlich angeglänzt Hob sich Gebälk aus Fackeln, pechbekränzt, Die Säge schrie, dumpf scholl der Bretter Dröhnen. Ton Juan warf vom Fenster sich mit Stöhnen. Vernimm es denn, sprach Heisern Tones er, Es zeugte mich in Qualen Ahasver. Irrend ohn' Rast durch Länder, unbekannte, Sah er ein Weib. Sie schritt im Sommerwind Am Rain der Felder, stolz, ein Götterkind; Staub zog am Weg, Gewittersonne brannte. Ihr Köpfchen sich auf edlem Nacken hob Gebräunt und herrisch, ihren Mund, den roten,

128 Ihr starkes Haar, geschürzt zu straffem Knoten, Des Spätnachmittags Flimmergold umstob.

Dies fremde Weib, gleich einer Königin Lüftend den Staub mit leichten Goldsandalen,

Trug göttlich Zeichen auf der Stirn, der schmalen Venus war es, die holde Lesbierin. Von Christenzorn aus ihrem Reich vertrieben,

War ihr kein Heim, kein Tempeldach geblieben.

9cim schritt sie hin, verstoßen, sorgenschwer,

In Götteraugen unerfüllte Träume, Im Haar den feinen frischen Ambrahauch Attischer Luft und weißer Meeresschäume.

£b war der Weg, die Haide heiß und leer.

Und plötzlich hob, am Weg, aus Schutt und Strauch,

Sich Ahasver.

Er sprach: ich mochte ruh'n,

Mich einmal noch am Weibe gütlich thun, Vom Fluch gehetzt in allen Erdenwinden

Mag ich vielleicht am Herzen einer Frau

Erbarmen, Labung, kurze Ruhe finden.

So zwang der Bettler, ltngefüg und rauh Mit wilder Lust die marmorkühlen Glieder Des weißen schlanken Götterleibes nieder

Am Straßenrain auf einem Nesselbette.

Kein Auge sah den jäh vollbrachten Raub, Von fern nur krochen, über Hügelländern, Gewitterwolken, schwere, violette, Mit dunstgeballten, gelbgezackten Rändern.

Und als die Göttin aus Gestrüpp und Ranken

129 Entsetzt sich hob, sah fernhin sie durch Staub

Im Abendrot den Bettler weiter schwanken. Sie selbst, auf irrem Wanderzug, gebar,

Als es die Zeit, ein starkes Zwillingspaar, Das ward von ihr, im Kampf mit Weh und Hassen,

An eines Grabens braunem Naud verlassen.

Ein Wandersmann, deß Saumtier Waren trug,

In Linnen mild die früh Verwaisten schlug, Und nahm sie mit sich für ein Gottvergelt.

Bald zogen sie, zwei Herrscher, in die Welt. Das Priestertum der Lust, des Sangs, der Dirnen Schuf Don Juan, sein Zwillingsbruder Faust

Als Fürst weltferner Hochgedanken haust In deutschen Herzen, deutschen Dichterstirnen.

Dies, Königin, ist meine Lebenssage. Nun rinnt im trüben Stundenglas der'Sand,

Und ob mein Herz auch Mitleid nur erfand

An Deiner Brust, es bebt in stillem Schlage. Der wilde Wunsch, der mir im Blut getobt Vor jedem Weib, das ich noch nicht besessen, Dein frommer Blick macht schmerzlos ihn vergessen ...

O, dafür sei, barmherziger Gott, gelobt!

Diava sprach's, beseligt, glückdurchdrungen. Bald ist gesprengt die Fessel, abgerungen, Im Herzen ihm der letzte Schnee getaut. Schön aich-Carolath, Dichtungen.

v

130 Vernahmst Du nichts, Diava, meine Braut? Und beide lauschten.

Ein schaurig Brausen.

Aus den Höfen scholl An den Pfortengittern

Erdrückte sich das Volk, erregt, in Groll. Zertretne Feiler sprühten Funkenlohen,

Getümmel, Fluchen umchs zum Lärm, dem rohen,

Der Pöbelmassen, welche Blut erwittern. Ich höre nichts, nur ferner Donner tönt,

Und im Gebälk der schwarze Nachtwind stöhnt. Ach, sprach er schaudernd, wende Dich nicht ab, Furcht lähmt mein Herz, mein leeres, gramdurchtostes, Wie finster ist, wie schaurig tief das Grab.

Wie reut die Lust, wie schrecklich trog die Welt, Wie gähnt die Nacht ohn' Hoffen, unerhellt, Wie stirbt sich's schwer, wie bin ich bar des Trostes.

Die Totenuhr . . horch, wie sie pocht und tickt . . Sei still — ein Wurm im Holzgetäfel pickt.

Die Zeit läuft ab, der Tag durchs Fenster bricht . . Die Lampe schwelt, noch graut der Morgen nicht.

Die Hähne krähn . . nun stehe Gott mir bei . . Das Käuzchen rief, noch tönt kein Hahnenschrei.

Doch er, vom Kopf abschüttelnd kurze Ruhe, Den Nacken steifend, rief verstört und fahl:

Fahr denn zum Ende, Lebensbachanal! Ein Faustschlag bricht des Chorwerks Eichentruhe,

Und wühlend wirft die schweren Meßgewänder Er auf der Kirche bräunliches Gestühl.

Aufleuchten Seide, golddurchwirkte Bänder,

131 Ha, stöhnt er dumpf, zur Brautnacht welches Pfühl!

Ins Schloß das Thor, fein Fremder soll uns stören, Der Südwind singt im Turm das Hochzeitsamt.

Doch sie, bang forschend, zitternd, glutdurchflammt: Begchrst Du mich, soll Dir mein Leib gehören? Jetzt wäge wohl.

Leib oder Seele.

Sprich —

Die Seele, rief er, denn ich liebe Dich Und will Dir folgen durch die Seligkeiten.

Ar seine Brust zog der verlorne Sohn Diaw sacht, dann hob er den geweihten Kelch ew'gen Lichtes schweigend vom Ikon.

Die Flammen züngelten, die jäh befreiten; Am Seidenstoff die Lohe gierig fraß, Quam stieg empor, den rote Zungen scheuchten.

Lichbrechend starrten Sapphir, Chrysopras

Lazrrgetränkt in märchenhaftem Leuchten.

Im Zlammenreiche stand das Menschenpaar,

Diaw rief mit letztem Liebesworte: Und harrte Deiner an der Himmelspforte

Um Deiner Sünden der Dämonen Schar, Und wenn Dich tausend Mutterflüche bänden,

Zurük scheucht' ich sie mit erhobnen Händen,

Es vird erfüllt was Lebenstraum mir war. —

Gebasten sank das Chorgestühl mit Knattern, Die Zohe hob sich aus den Fenstergattern,

Auf vildem Roß der Sturm, ihr Buhle, kam. 9*

132

Es sank die Burg, durchs Land die Glocken klangen,

Und als die Flammen Halleluja sangen, Ist mit dem finstern Seelenbräutigam,

Erlöst, Diava himmelwärts gegangen.

Wen Liebesmacht in feurigem Gefährt Auf Flammenspeichen rettet vom Gemeinen, Dem werden Sonnen der Vergebung scheinen

Im Heimatland, deß Frühling ewig währt.

Judas in Gethsemane.

Durch jenen Garten, welcher vor den Thoren Gethsemanes versteckt in Trümmern sinnt,

Durch jenes letzte Lebenslabyrinth Darin sich der gehetzte Fuß verloren,

Wandelte Christus.

Seine Seele rang

Den Abschiedskampf. Der Tod das Leben.

Am Kreuzesstamm verschlang Fern aus Ätherblau

Sieht er im Geiste Zions Tempel ragen,

Sich selbst als Knabe in dem heil'gen Bau Die Schriftgelehrten, die bestürzten, fragen.

Der Jüngling dann, im Elternhaus, dem schlichten, Lebt, treu im Kleinen, harten Werktagspflichten, Die Ziegen grast er und bebaut das Land, Der Hobel knirscht in seiner Schwielenhand;

Dann naht sein Reich.

Auf braunem Höhenkamme

Wacht er allein, und wie zu Gott er fleht,

Senkt sich auf ihn des heil'gen Geistes Flamme. Am Strome tauft Johannes der Prophet, Und als gerieselt durch des Heilands Locken

Im Sonnenblitz des Jordans Wellenschaum,

Jauchzt auf das Volk, halb gläubig, halb erschrocken, Erlöst aufatmend wie aus Bann und Traum.

Den Heiland deckt ein schlichtes Wanderzelt,

136 Umsonst beut der Versucher ihm die Welt, Arm und verfolgt verleugnet er sein Leben. Er heilt und Predigt, Siegespalmen weben

Sich ihm zu Häupten, seinen Fischerzug

Hält er an Galiläas Meergestaden, Und alle, die bedürftig, schmerzbeladen, Lassen von Welt, von Heimat, Haus und Pflug.

Die Menschheit drängt, daß sie versöhnt sich dehne Zu Gott empor, im Osterjubel liegt

Die Welt, und an des Heilands Füße schmiegt

Aufschluchzend sich Maria-Magdalena — Und nun der Tod!

So lag der Herr zerschlagen

Und wehumfangen; ihn, den Todesmatten,

Griff tiefer Schauder vor des Grabes Schatten. Ach, mir ist bang.

Darf, Vater, es geschehen,

Laß diesen Kelch an mir vorübergehen — So rief der Menschenheiland mit Verzagen. Doch auf zu Trost half ihm der beste Stolz,

Abscheu vor Sünde.

Heiß griff ihn das Fluten

Göttlicher Lust, für andre zu verbluten,

Aus Gräberstaub den Lebenskeim zu raffen, Der Todeswelt ein ew'ges Sein zu schaffen,

Und doch — der Tod, der Tod am Marterholz,

Das bittre Sterben!

Durch die Bäume drang

Ein hohles Sausen, in den kahlen Zweigen

Der Sturm sein großes de profundis sang,

137 Das Erdenlied der Qual, der Abschiedsnot, Und plötzlich, an des Hügels schroffsten Steigen Stand vor dem Herrn Judas Jschariot.

Judas begann: Dir, welchem die Gewalt, Dem Erde, Himmel, Ewigkeit ward eigen,

Ich rufe Dir für diese Welt ein Halt.

Das war die Nacht, drin Abgrundgeister rangen, Die Schreckensnacht, aus deren Bacchanal

Das Heil der Welt still über Tod und Qual

Als Stern, durch Thränen schimmernd, aufgegangen. Der Südsturm schmetternd in die Äste brach, Schnaubend und schwül, gleich einem Riesenfächer Schwankte, gebeugt, der Ölhain; Judas sprach:

Du bist der Herr, ich aber bin der Rächer. —

Geschöpf bin ich, und Du — bist Gottes Sohn. Von jener Zwölfschar, die den Siegeswagen Dir schleppen half, die den Prophetenthron Dir aufgebaut, und in des Glückes Tagen.

Verzückt Dir folgte, kränzemüd, bestaubt,

Hab' Deiner Gottschast ich zumeist geglaubt.

Heut wardst nun Du, der Herrscher aller Dinge, Von mir verkauft um dreißig Silberlinge.

Das Leben, sprich, was ist's ein Todeskampf? Warum der Erdball eine Scherbenstätte,

138 Von Thränen triefend, starr von Blutesglätte, Brandig umschwelt von schwerem Opferdampf?

Wozu der Menschheit, die nach Leben trachtet, Die Spanne Zeit, dem Lebensdrang ein Spott,

Dies Dasein als ein ewiges Schafott,

Darauf alltäglich sie gewürgt, geschlachtet? Sprich, was verbrach die Welt? Ein karges Grün

Treibt sie zur Lenzzeit fröstelnd und mit Mühn,

Wie Fieberaussatz, und die Trauerweide

Beschattet trüb, Wahrzeichen dieser Welt, Der Menschheit Straße, die kein Glück erhellt,

Die Pendelwandrung von Begier zum Leide. Der Säugling, der ins Leben ward gesetzt

Aus Nacht und Nichts, er klammert sich, entsetzt Vor seinem Schicksal, an die bleiche Mutter, Und Blut wie Thränen sind sein erstes Futter.

Es schlägt um ihn, als erstes Windeltuch

Der Väter Schuld den angestammten Fluch,

Und oft geschieht's, daß noch vor Nachtgebet

.

Grinsend der Tod am Wiegenrande steht.

Wer zählt die Blüten alle, kaum erschlossen^

Die Lebenshoffnung, Liebesmacht erweckten Und morgens welk der Hoffnung Hügel deckten?

Wer zählt die Thränen, welche heiß geflossen In langer Nacht, wer zählt die wilden Stunden

Der Raserei, wenn in das finstre Grab Ein Weib, aufschluchzend, Glück und Hoffen gab?

Wer zählt das Tröpfeln aus viel tausend Wunden?

139 . Das schwache Mmmchen, das sich Bahn gesucht,

Verglimmt, verschwelt, der Triebsand weht darüber, Im Morgendämmern zieht, ein Rauch, hinüber

Des Kindleins Seele, sacht, wie auf der Flucht. Weh aber dem, von dessen Wurzel glitt

Ohnmächtig ab des Todes Sensenschnitt!

Gleich einem Rohr, das mattgestoßen trauert, Wenn es der Nachtwind Nnlchtend überrennt,

Lebt hin der Mensch, von allem überschauert, Was Täuschung, Qual und Herzensangst sich nennt. Es toben sich an ihrem Opfer satt Begier und Sünde rastlos, ohn' Erbarmen

Und zeitig brechen mit den Knochenarmen Ihm Zweifel grinsend jedes grüne Blatt.

Ach, ob sie schier in Bitternis ertrank,

Ob jeder Wunsch, ob jedes Ziel vergebens, Die Menschheit lechzt nach Frieden, Opfern, Dank.

Wer zögerte, Gewißheit ew'gen Lebens

Blind einzukaufen, sei's durch ärgste Pein? Wer würde nicht sein Grauen niederzwingen

Und still gefaßt, ergeben, muterprobt

In einen Abgrund voller Messer springen, Daraus die Hölle selbst entgegen tobt?

Nur müßte kurz dies Schreckensopfer sein! Ach, eitler Wunsch.

So wie versteckt vom Ast

Ein Tiger hält die Herden unter Lauer,

Bleibt über uns, sprungsertig, ohne Rast

Die Todesfurcht verhängt auf Lebensdauer.

140 Wir schleppen hin auf einem Berg von Scherben Ein sterbend Leben, ein lebendiges Sterben,

Wir spüren ihn, wir schmecken ihn, den Tod,

In jedem Trünke, jedem Bissen Brot, In jeden Laut, in jedes Liebeslallen

Läßt er sein Röcheln als Begleitung fallen, So Hetzen uns durch dieser Erde Gründe

Die Herzensangst, der Zeugungstrieb, die Sünde.

Wollust, Brandstifterin! Weh ewiglich Dem Leibe, den Dein Skorpionenstich Vergiftet hat mit Bissen, heimlich frühen.

Kein Wasser kühlt des Blutes ärgste Pest, Und Teufel feiern, wenn die Adern glühen,

Der roten Sünde grimmstes Freudenfest. Weh ihm, dem Menschen, den versengt Dein Fluch!

Sein Leben bleibt ein flammend Nessustuch, Sein Fleisch ein Dorn, das innerste Verderben Als fressend Feuer schleichend zu vererben,

Denn er, den Wollust früh ins Grab gebracht,

Geschlechter reißt er mit in Schuld und Nacht.

Unstät und abgekehrt der Lüstling schwankt, Dem Raubtier gleich, das scheu, von Gier getrieben, Den Schleudern trotzend und den Knittel hieben,,

Blut witternd nächtlich um die Hürden wankt. Geiz, Seelenmörder! Ehrbegier, Kumpan

Der Lebensnächte, da wir schlaflos spannen

141 Ein Purpurkleid dem eignen Größenwahn,

Dem Manne Weh, dem Ihr Euch aufgedrängt!

In Eurer Mitte, taumelnd eingehängt Gleich einem Trunknen, schleift Ihr ihn von dannen. Ihr leitet ihn, daß ihm kein Sträuben nütze,

Zur Selbstsucht hin, der trübsten Lebenspfütze,

Dort schläft er dann so wohlig hingestreckt, Daß ihn kein Trieb, kein Anruf mehr erweckt.

So wirkt der Fluch; gepaart mit Adams Stamme: Wer einmal trank der Sünde herben Seim Läßt schwer vom Faß, und kehrt gar selten heim —

Dem Trunk folgt Tod, Gericht und Tilgungsftamme. Was ist's, das uns mit Klammern, tausend zähen, Ergreift und hinzieht zur verbotnen That, Zu Sündenfällen, nie geahnten, jähen? Wes frommt, wenn nn§ Versuchung flüsternd naht,

Das Wachs im Ohr, der Vorsatz obzusiegen,

Da wandellos, dem Lauf des Schicksals nach Vorausbeschlossen unser Unterliegen?

Wcs frommt die Reue, denn was soll die Schmach?

We auf den Palmkern knirscht des Stößels Holz,

Zermalmt die Sünde täglich unsern Stolz,

Uri) täglich strecken nach der Taborhelle

Dü Hände wir, verlangend und entzückt, Dc täglich doch die Last des Fleisches drückt Urs tiefer in des Lebens trübe Welle.

Es ist kein Glück, das nicht verwelkt im Kern, Ken Liebestraum, dee nicht' gelogen hätte,

142 Kem sichres Gut und keine Friedensstätte,

Kein Erdentrost, kein guter Lebensstern. Baumeister Gott! So herrlich Deine Welt,

Ein Fehler ist's, der ihren Bau entstellt:

Den Treppengang, den Weg zu Licht und Heil,

Für Menschenkraft schufst Du, Gott, ihn zu steil. So schleppt die Welt, zur eignen Sündenlast,

Ein Schicksal, das Du mitverschuldet hast.

Im Kern gespalten, lahmt der Gang der Erde, Wohin das Auge flüchtet, klafft die Spur Von Willkür, Mord; es ächzt die Kreatur — Ich aber will, daß ihr ein Rächer werbe.

Nun Du gesandt hast in der Menschheit Mitte, Wo nur der Tod verbürgt und sicher haust,

Den eignen Sohn, soll helfen meine Faust, Daß er den Riß mit seinem Blute kitte.

Weil ich in ihm, in seines Mantels Falten

Gott selbst zur Erde niederreißen kann,

So will ich greifen ihn und klammernd halten, Daß Rache mir sein Martertod gewähre —

Herbei, Soldaten!

Knechte, faßt ihn an,

Den Judenkönig greift, Legionäre!

So durch den Sturm, bekämpfend dessen Wucht, Lief der Verruchte mit erhobnen Händen,

143 Nach Knechten schreiend, daß sie Jesum bänden. Schon sprühten Fackeln, durch den Llhain drangen

Bewaffnete, sie trugen Spieße, Stangen;

Da wandte der Verräter sich zur Flucht. Doch Jesus schwieg, vor seinem Auge brach

Ein Leidensblick, es folgten in die Ferne Dem irrenden, verlornen Kinde nach

Des Heilands dunkle, stille Augensterne.

Wenn einst — wie bald — die letzte Stunde tagt,

Wenn einst auch uns der große Abgrund offen, Darin versinkt jedwedes Erdenhosfen, Daraus errettend keine Insel ragt, Wenn Todesschauer foltern unsre Seelen,

Um unser Sterbebett die Kerzen schwelen, Und ruft uns blutend das Gewissen zu: Was Judas that, das hast gethan auch du,

Auch du hast oft, wenn nicht durch Wort und Thaten,

So in Gedanken doch den Herrn verraten — Dann soll der Blick, der voller Mitleid galt Der Kreatur, die in der Nachtgestalt

Jschariots empört zu Gott geschrieen, Und all ihr Leiden, ihren Haß und Groll,

Durch eine Fluchthat, groß und schreckensvoll,

Dem Menschensohn ins Angesicht gespieen —

Dann soll der Blick uns Sterbenden auf Erden

Zum Hellen Stab, zur Himmelsleiter werden,

144 Und brausen soll durch unsre Sterbensnacht

Wie Jubelruf der Botschaft Donnergrollen,

Daß droben wir mit bessren Waffen sollen Noch einmal ausziehn zur Entscheidungsschlacht. Wohl, ob durchmessner, finstrer Lebensbahn Türmt Sünde sich, verklagend, himmelan Und will die Schatten bis ins Jenseits treiben,

Des Heilands Blick auf Judas aber spricht: Ob groß die Schuld, ob groß auch das Gericht

Die Liebe wird am allergrößten bleiben.

145

Requiem. Die Nacht ist weich. Glas die Rosen.

Die Kerzen.

Es duften stark Verschwelend knistern

Es murrt der Wind im Park

Gleich Orgelton aus tiefen Registern.

Wir sitzen allein.

Es rinnt dahin

Der Atem der Nacht.

Wie Geistersprache

Verklang das Vorspiel zu Lohengrin, Ein Heimruf, im schwülen Prunkgemache.

Tief aus dem Garten, in Zickzackftucht, Ein Falter naht, um von den Scheiben

Zum Kerzenglanze, mit störrischer Wucht,

Geblendet die zirkelnde Bahn zu treiben. Schönaich-Carolatb, Dichtungen.

10

146 Er hat den sengenden Tod erwählt,

Sich sehnend, sein kurzes Sommerleben

Lichttrunknep Herzens, wunschgequält, Der Schönheit opfernd, hinzugeben.

Ihn treibt zu Flammen ein dunkler Zug,

Und schweigend will er in Licht begraben Des Lebens fröstelnden Eintagsflug, Er will nicht Rettung noch Mitleid haben —

Du lächelst: Er war ein armer Narr,

In Spott aufblitzen Deine Zähne, Und dennoch wandert seltsam starr

Dein Auge zu der toten Phalaene.

Fühlst Du der Schönheit uralten Fluch, Vererbt aus verschollenen Sündentagen? Hat plötzlich das kühle Byssustuch

Ein Todesahnen um Dich geschlagen?

Erwägt es heimlich vielleicht Dein Sinn,

Es werde mein Stolz in Trümmer brechen Und ich, zu Füßen Dir stürzend hin, Aufschreiend von heißer Liebe sprechen?

147 Wohl möcht' ich Deinen bethörenden Leib

Umschlingen, ein Spielball düstrer Gewalten, Doch wenn ich erwachte, würd' ich ein Weib,

Ein müdes, am leeren Herzen halten.

Wohl möcht' ich, verlachend Dein Machtgebot, Mit Küssen bedecken Dich, sinnverloren,

Und schlüge tausendmal siegend der Tod

Aus Deiner Augen Sehnsuchtsthoren.

Doch über der Schönheit, die lodernd lebt

In Dir, gleich einem vernichtenden Sterne, Ein dunkler, verhallender Hornruf schwebt,

Er ruft an Dir vorbei, zur Ferne.

Er ruft von Schönheit und Glück abseit,

Von kurzen, schmerzenden Erdenwegen

Hinauf in die Hochluft der Ewigkeit, Dem brausenden, neuen Lenz entgegen.

So breche auch ich mit fester Hand Den knirschenden Stab vom Eschenstamme,

Und preise, daß ich den Heimweg sand Bon Dir, Du süße, lachende Flamme.

io*

148 Ich gehe hinaus in die rauschende Nacht, Zu scheiden, als Fremdling, unverstanden,

Gleichviel, ob Deine Lippen gelacht,

Ob sie ein Wort des Mitleids fanden.

Ich halte dem Glücke das Totenamt Und trage die Weltlast meiner Schmerzen

Zur Freiheit, die hinter Bergen flammt, Zur Heimatssonne der Dichrerherzen.

149

Lollunderblüten. Es ist ein Apriltag im Süden,

Ein Tag, gar süß zu verträumen, Die Blüten, die weißen, müden,

Gleiten still von den Bäumen.

Das will mich an Herzen gemahnen,

Die in der Jugend Mitten Schieden von Erdenbahnen,

Eh' sie geliebt und gelitten.

Das mahnt mich an Freudenlesen, Als Jugend und Himmel einst offen,

An Träume, die groß gewesen

Und nun versunken ohn' Hoffen,

An alles, was einst mit Schimmer Das Leben durchstrahlt und verhüllet» An alles, was leuchtend immer

Und doch blieb unerfüllet,

150 An erster Liebe Schauer,

Die uns das Herz gewendet

Zu Gott, und doch in Trauer So früh, so früh geendet —

Die Blüten, die uns lachten, Die -uns der Frühling genommen

Eh' sie Erfüllung brachten,

Sind nicht vergebens gekommen.

Damit ein Sehnsuchtsschimmer

Geheiligt unser Lieben, Und weil am Süßesten immer,

Was unerreicht geblieben,

Hieß Gott vorbei sie schweben,

Die Scheidestunde verfrühend,

Um einst im bessern Leben Sie uns zurückzugeben

Rein, ewig blühend.

151

Genrebild. Herr Holger am Kamine sitzt,

Sein Brackhund bei ihm wacht,

Nacht ist's, die Flamme knistert, blitzt Und der Klotz in der Lohe kracht. Herr Holger in Sinnen versunken ist, Er wirrt des Bartes Flaum.

Es streckt die Bracke den Widerrist,

Und beide sinken in Traum. Es denkt der Hund an einen Tag,

Da die Haide hülfefern, Da der Keiler über Herrn Holger lag Und er befreit den Herrn — Herr Holger doch martert seine Stirn In Sinnen schwer und stumm:

Wie er zu Willen einer Dirn Den Blutsfreund brächte um.

152

Kreuzfahrt. Noch glaub' ich im Traum zu fühlen Den Druck sanft und verzagt, Des Händchens, des schmalen kühlen,

Als sie mir Abschied gesagt;

Noch flattert beim Schimmer des Mondes Fern über finstrem Moor

Gleißend ihr dunkelblondes Leuchtendes Haar empor.

Noch oft beim Rauschen des Windes Klingt der Wiederhall

Fremd wie das Wort jenes Kindes, Süß und verträumt von Schall;

153 Noch ist es mir oft als riefe

Ihr Lachen silberklar Aus murrender Gärten Tiefe Herüber wunderbar . . .

Ich schrecke empor; die Wüste

Dehnt sich, verblaßt und leer, Hoch über die staubfahle Küste

Donnert das syrische Meer,

Ich reite hinaus in die Fremde, Und meine zuckende Hand

Zieht überm Kettenhemde

Fester das Büßergewand.

154

Merlin. Wir sitzen im keltischen Eichen Hag Und schauen südwärts über die Wellen Dorthin, wo rastlos, Schlag auf Schlag, Die immerwandernden Wasser zerschellen.

Sie rauschten wie heute, da einst Merlin

In verschollenen Frühlingstagen, Aus dem Königsschlosse sein Lieb dahin Zum Zaubereiland getragen.

Er hatte von ihrem Munde kaum Den ersten Kuß genommen,

Da kamen durch gälischen Meeresschaum

Wikingsschiffe geschwommen.

Sie segelten im Dreikant an,

Ein schwarzes Riesengeschwader, Drauf starrte von Eisen Mann für Mann

Und von Haß jedwede Ader.

155 Merlin entwich in die Wälder tief

Und hat mit Zauberspruche Sein schauerndes Lieb, das im Arm ihm schlief,

Verwandelt in eine Buche.

Doch als der Zauberspruch vertont, Nach Streitern rief der Skalde,

Die brachen, in Fellen und stahlgekrönt, Mit Gleißen hervor aus dem Walde.

Und als die Schnitter ihr Werk gethan Im grünen Jnselreiche,

Trieb vom Solent zum Ocean Die letzte Wikingsleiche.

Merlin doch ging in den Zauberwald

Bon Kampf und Siegen zurücke, Daß er seiner Liebe Huldgestalt

Wachküsse zu neuem Glücke.

Doch mochte den Mund er fort und fort

An den rauschenden Waldbaum pressen;

Er hatte des Zaubers Erlösungswort

Im Schlachtgetümmel vergessen. —

156 Merlin blieb ein glückloser Mann Bis an sein spätes Ende,

Um seine Thaten und Lieder spann Ranken die Legende.

Nun rauscht im Lenze der keltische Hag, Und die tausendjährigen Wellen lachen,

Uns aber wird kein leuchtender Tag Verlorner Liebe vergessen machen,

Es wird kein Kronenreif Erins Noch der brausende Sieg im Leben Uns das versunkne Glück Merlins,

Die Jugend, wiedergeben.

157

Sommerfest. Ins Helle Land das Bergschloß droht,

Es rauschen von seinen Zinnen

Die Seidenfahnen leuchtend rot, Trompeten schmettern drinnen.

Die schöne Braut am Söller steht:

„Hilf, Mutter, spähn in die Runde" — Mein Kind, der Staub in Schwaden geht,

Im Dorfe bellen die Hunde/

„Ach, Mutter, ich sah den Tod als Gast! Er kam um Festesmitten,

Vom roten, flatternden Fahnendamast

Gelockt, herbeigeritten.

158 Die knöchernen Glieder erzumstarrt

Und wölfisch witternd nach Beute" . . .

Mein Kind, Dich hat ein Traum genarrt, Genieße das lachende Heute.

Den Toten gönne das finstre Reich, Sie fordern Seelenmetten,

Dich aber umschlingen voll und weich Des Lebens Rosenketten/

„Siehst, Mutter, den Reiter Du sprengen im yacg, Gefolgt von schnappenden Doggen?"

,Jch sehe nur flimmern den Nachmittag Und im Windstoß wogen den Roggen/

„Ach, Mutter, der grinsende Tod sprengt an Auf klappernden Rpsseshufen" . . . Mein Kind, Dich täuscht ein Brausen im Tanm Und des Türmers Stundenrufen/

Es stürzen die Gäste den Goldpokal, Die Blicke lachen und flammen; Da flieht die schöne Braut zum Saal,

Erbleicht und bricht zusammen.

159 Aufschreien Herren wie Gesind', Zum Thor die Gäste drängen,

Das Schloß wird leer; der Sommerwind-

Singt in den öden Gängen.

Es ragt, von brütender Schreckenslast Erstarrt, das Schloß aus den Eiben; Die Fahnen senken sich halbmast, Der Abend brennt in den Scheiben. ,

160

Der schwarze Danns. Ein Försterhaus.

Herbstabend.

Stößt der Novemberwind.

Um die Giebel

Im niedern Saal,

Dem rauchgeschwärzten, saßen am Kamine

Mein Freund und ich.

Das derbe Jägermahl

War just beendet, durch das Zimmer zog

Schon blauer Duft, und in den Gläsern blinkte Das Kirschenwasser.

Am Getäfel stand

Der alte Förster, aus dem Maserkopfe

Ingrimmig dampfend, dann nnd wann ein Wort

Still vor sich brummend.

Lächelnd schob mein Freund

Das Glas ihm hin: „Trink, Alter, laß die Grillen Für heute ruhn!

Du hast kein Recht zu schmollen

Nach solchem Jagdglück.

Den starken Wolf!

Grad' im letzten Triebe

Er blieb im Feuer, nicht?

Ja, Blattschuß — Grabschuß.

Dir flüchtig an?

Kam er durchs Gehege

Nun, Kunde gieb uns endlich,

Wie war's damit?"

„Womit? Ah — mit dem Wolf? — Ach, gnäd'ger Herr, den har die Kugel leider Zu gut gefaßt, denn gerne hätt' das Vieh

161 Ich erst gewürgt und ihm mit meinem Messer

Rach ein paar Löcher in den Balg gemacht —

So war's zu spät.

Der Teufelsbraten rollte

Im Knall kopfüber, schnellte sich durchs Laub Blrtübergossen, sah mich nahen, heulte Zeln Worte noch, und streckte sich und starb,

Eh ich herankam."

„Was? Ein Wolf . . . zehn Worte?

Vernehm ich recht?

Plagt, Alter, Dich das Fieber?

Ein Wolf — zehn Worte!" — „Gnädiger Herr, verzeiht,

Es ist die Wahrheit." — „Gut, so laß uns wissen: WaZ sprach der Wolf?"---------

Der Greis griff nach der Stirne

Uni schwieg und sann.

Sein wetterbraun Gesicht

Dwchlief ein Schimmer.

„Als einst jung ich war,"

Becann er leise, „stand im Waldrevier Roh eine Mühle. Wo der Glimmerbach Zun Teich sich breitet, war's. Jetzt wuchert Schilf Uni Unkraut drüber.

An der Mühle lag

Ein Blumengärtchen, frisch von Wasserstaub

Uni Quellgeriesel.

In dem Gärtchen blühte

Mmch Rosenstrauch, doch schöner blühte noch

Der Müllers Gretchen. . . Ja, das war ein Kind, Fronm, brav und herzig!

Zöpfe hatte sie

Schönaich-Carolath, Dichtungen.

11

162 Dick wie ein Arm, und was für Augen'.

Tief,

Und wie lachte sie

Ganz voller Sonne.

So herzlich gern, wie klang ihr Lachen silbern

Und glücklich-hell!

Kurzum — sie war mir gut,

Denn, gnädiger Herr, nicht immer war ich mürrisch

's gab eine Zeit, da schauten

Und krumm wie jetzt!

Die Mädchen mich nicht eben ungern an; Ich aber lachte, denn im Herzen hielt

Ich Müllers Gretchen. Damals lag ein Krug

Hart an der Straße, die den Wald durchschneidet, Ein Krug, wo Grenzer, Händler, fahrend Volk

Ein verrufnes Weib

Oft Einkehr suchten.

Führte die Wirtschaft, in der Schenke half

Ein Sohn ihr aus.

Man nannte ihn im Lande

Den schwarzen Hanns*. Herr, einen schlimmren Wildrer Gab es noch nie.

Schlau wie die Wildkatz, tückisch

Wie hundert Marder, grausam, feig, ohn' Ehre Und ohn' Gewissen.

In der grünen Saat

Fing er das Rebhuhn samt der Brut, der jungen,

Die noch nicht flügge.

Auf die Wechsel warf

Er Draht und Schlingen, daß sich elend würgte

Zu Tod das Rehwild, sei es Bock, sei's Geiß;

Das Muttertier, das hochbeschlagne, knallte Er ruhig nieder, beutegierig, einzig

Auf Geld bedacht.

Dabei unfaßbar, listig,

Den Jägern Freund, die eignen Raubgenossen,

163 Wenn's immer ging, für guten Sold verratend. — Den Burschen fing ich nun, als einen Bock

Im Morgengraun er aus der Schlinge löste,

Und lieferte, wie's meine Schuldigkeit, Ihn ohne Mitleid auf das Landgericht. So weit war's gut, doch in den Städten sitzen

Am grünen Tische Herren, die das Recht Aus Büchern lesen; die den größten Schuft

Oft schuldlos sprechen, und den Armen, der Vor Hunger stiehlt, im Zuchthaus faulen lassen;

Die so viel fragen, daß ein klares Ding Zuletzt zum Wirrsal wird vor Kniffen, Pfiffen;

Die's so weit bringen, daß zum X das U

Und zum Maulesel eine Müllerskuh —

Die schickten richtig auch nach ein paar Wochen Den Hanns zurück. Ein stummer Krieg.

Seit jenem Tag begann Da fand ich meine Hunde

Im Stall vergiftet; da die Roggensaat

Auf meinem Acker über Nacht zertreten!

Da glimmte Zündschwamm im Gebälk am Haus; Da pfiff durchs Fenster einmal eine Kugel

Mir hart vorbei, daß ich den warmen Hauch Zu spüren meinte.

Und dann endlich kam,

Was ich geahnt — im eigenen Reviere

Ein Hinterhalt.

Die Hunde schnürten mich

An Kiefernäste, so, daß wie ein Kreuz Gestreckt ich schwebte.

Tage gingen so,

Bis man mich fand, doch lange Wochen schwanden, li*

164 Eh ich erwacht.

Ein Glutball zuckte kreisend

Mir im Gehirn, in den verrenkten Adern Doch ich war jung und nervig,

Kochte das Blut.

An einem Nachmittag,

Kurz, ich genas.

Es war schon Herbst, schlich mühsam ich am Stabe Hinab zur Mühle.

Von den Bäumen fiel

Rotgelb das Laub.

Das Gärtchen, drin so oft

Ich glücklich war, sah mich verwildert an, Das Haus war still — kein Laut — die Räder standen Schlafend im Bach.

Der Müller selbst.

Die hagren Glieder.

Am Thore kauerte Ein Lodenrock umfloß

Stumpf sah er mich an,

Ich aber lallte: ,Gretchen — wo ist Gretchen . . Da sprang er auf: ,Verflucht! mein einzig Kind. . . Der schwarze Hanns... geh weiter, Fremder, weiter

Und bet für sie'. . / So, gnädiger Herr, so hat Sich Hanns gerächt.

Liegt jetzt ein Teich.

Ist, was ich liebte.

Und mürrisch drum. Ward ich dazu.

Wo einst die Mühle ragte, Verdorben und gestorben

Ich — ward zeitig alt Griesgrämig und langweilig

Verzeiht mir, gnädiger Herr,

Haltet's zu Gnaden?' In dem Schlote fing

Sich jäh ein Windstoß. Begraben sein.

„Alter, laß die Sorgen

Nicht wußt' ich, daß Dein Leben

165 Doch komme weiter nun,

So trübe war.

Besinne Dich — Du wolltest von dem Wolf

Hier, trink noch einmal

Uns ja erzählen.

Und komm zur Sache." -

Laßt mich nur reden.

„Herr, ich blieb dabei,

Seht, ich glaub' daran,

Daß jeder Mensch gewisser Art von Tieren Es herrscht geheimes Band,

Genau entspricht.

Herrscht Blutverwandtschaft, die sich nie verleugnet. So glaub' ich fest an Seelenwanderung

Und an Vergeltung.

Kühne Menschen waren

Wohl Löwen einst.

Feiglinge wurden Mäuse,

Die sich verkriechen.

Schlaue Winkelschreiber

Werden zu Füchsen.

Keiner macht mir weiß,

Daß unser Propst, der fett auf seiner Pfründe,

Nicht einst ein Dachs war.

Kommt der Beitel mir,

Der Betteljude, furchtsam greinend an,

So ruf' ich: ,Hase'/ Hase — ja, fürwahr Ich wär' kein Jäger, kennt' ich nicht den Blick Auf Schrotschußweite, den gehetzten Blick

Des Vagabunden!

Der Heimatlose.

Keine Ruhe hat

Stündlich frischgehetzt

Von groß und klein, verhöhnt, verjagt, verschrieen

Ohn' Rast, ohn' Obdach, ist die beste Wehr, Sich still zu ducken.

Doch umsonst — die Ohren,

Die schlotternden, trübselig großen Ohren, Verraten ihn.

Seht Euch den Beitel an,

Gnädiger Herr, und sagt ..."

166 „Beim Himmel, Alter,

Kommt nun zum Ziel!

Vom Wolfe sprachen wir,

Hört Ihr, vom Wolf!

Was that er, als die Kugel

Das Fell ihm schlitzte?

Fürder wollt vom Weg

Nicht nutzlos schweifen." „Gott behüte, Herr,

Das that ich nimmer.

Just bin bei dem Wolfe

Fürwahr, es giebt kein Tier,

Ich angelangt.

Das feig, so elend feig trotz seiner Stärke,

Als solch ein Wolf.

Tags schleicht er durch den Wald,

Blinzelnd und scheu, kaum, daß an eine Ratte

Er frei sich wagt.

Es spioniert!

Was thut das Teufelsvieh?

Wohin zur Rast sich setzte

Ein müdes Reh, das merkt er sich — wo immer

Ein wehrlos Wesen weilt, da kreist im Bogen

Er rastlos hin.

Und ist die Nacht gekommen,

Wird er zum Mörder.

Lautlos hingestreckt

Am nassen Boden, kriecht er, schweißbegossen Vor Angst und Gier, bis arglos er, im Bette, Sein Opfer findet.

Und er tötet still,

Der schmutzige Würger!

Kommt es, daß der Schrei

Der wunden Hinde jäh den Platzhirsch weckt, Den braven Wächter — klemmt er scheu die Rute

Und läuft davon. Und wehrlos ist.

Er mordet nur, was schüchtern

Hat er sich mal verritten

In blinder Gier, und droht ihm die Gefahr, Wird seine Feigheit kläglich offenbar.

167 So ging es heut' — nach einer langen Hetze Saß unser Wolf, gefangen wie im Netze, Ich sah ihn ratlos auf und nieder schleichen,

Das Haar gesträubt auf seinen magren Weichen,

Ich sah, wie er ins Heidegras sich drückte

Und wie verzweiflungsvoll er um sich blickte, Dicht hinter ihm mit Knütteln alle Treiber,

Er wagte nicht, sich über ihre Leiber

Den Weg zu bahnen, und nach meiner Buche Nahm er den Weg, als ob er Gnade suche; Er sah mich an, so demutsvoll, so fragend,

Mit trüben Augen, die ganz menschlich klagend,

Und wedelnd wies er, wie ein Hund die Zunge — Ich aber schoß ihn mitten durch die Lunge,

Und warf mich auf ihn mit gezücktem Messer, Damit er rascher stürbe, nur nicht besser.

Doch kam zu spät mein ungestillter Eifer, Kopfüber ging er, ganz voll Blut und Geifer,

Und starb, und sprach zehn Worte, zehn an Zahl:

,Jch bin der schwarze Hanns, der Dir die Grete stahl/"

168

Mittagsgespenst. Die graue Stadt im Norden

An flimmernden Watten liegt, Darüber herb von den Fjorden

Der salzige Seewind fliegt.

Die Türme, die Schlote ragen, Es hütet der finstre Platz

Aus meinen Jugendtagen

Mir einen verborgnen Schatz.

Oft taucht im Kranze der Myrte

O Liebste, Dein Bild empor, Noch klingt mir das süß verwirrte Wort Deiner Treue im Ohr,

Dann sannest Du, kalten Ermessens Und wähltest Ehren und Gold . . .

Die Sturmflut des Selbstvergessens

Ist über Dich hingerollt.

169 Nun lebst Du, beneidet, umworben, Dein Rotmund flüstert und lacht,

Und doch bist Du längst gestorben In schauriger Frühlingsnacht,

Du bist versunken, verloren, Und über den schimmernden Hort

Wie zu Julin und Stavoren Wandern die Wellen fort.

Mich aber faßt jäh im bunten

Leben ein fremder Klang,

Der aus der Tiefe dort unten Lähmend ans Herz mir drang.

Oft bleib' ich am heißen Strande Erblassend, ein Träumer, stehn,

Denn tief im versunkenen Lande Hör' ich die Glocken gehn,

Und fern, ein Schemen verschwebend,

Ragt glitzernd, von Wellen umwiegt, Die Stadt, wo lachend und lebend

Mein Lieb begraben liegt.

170

Erscheinung. Zum Fenster drängen sich erschrocken Die dunklen Bäume bei Zwielichtschimmer —

Die tote Braut schwebt still durchs Zimmer Im Sterbekleide, mit dunklen Locken. Im Glase duftet Kirchhofsflieder;

Sie spricht: ich habe nicht Ruh' im Grabe

Und muß allnächtlich kehren wieder Weil ich Dich einst verraten habe.

171

Aus Junitagen. Zwei Rosen leuchtend frische Trug sie im dunklen Haar, Ihr Blick, der träumerische,

Voll Glanz und Jugend war.

Das Korn durchlief ein Wogen,

Am Himmel weiß und weit Die Federwolken zogen, Es war zur Junizeit.

Die Lande küßte leise Ein Glockenklang im Wind,

Und mein zur Lebensreise Gab sich ein glückliches Kind,

172 Sie träumte von Glück und Frieden, Von Lenzen, die nicht vergehn —

Und doch durft' ich hinieden

Sie nur noch einmal sehn.

Da schlang ein Kranz von Myrten Sich durch ihr dunkles Haar,

Buntdüstre Schatten irrten Um Chorstuhl und Altar,

Die Kerzen schwelten finster, Der Tauwind sang am Dach,

Als man für sie im Münster^ Das de profundis sprach.

173

Die Linkehr. Kein Stern vor Heller Schenke, Kein Kranz von Birkenlaub Am blanken Schildgehenke; Nur Sonnenglut und Staub.

Auch trägt nicht nach den Frohen Mein müdes Herz Begehr, Nur ihre Lust bedrohen

Würd' meine Wiederkehr.

Dort oben auf dem Bühle Ein Kirchlein lacht ins Land,

Mit dunklem Chorgestühle

Und Bildwerk allerhand.

174 Davor im Lindenschatten Ein Gottesacker liegt,

Um Kreuz und Gräberplatten

Das dürre Feldgras fliegt.

Und zwischen den Ruinen Des Mittags Laut verstummt,

Ein Heer von wilden Bienen

Im Sonnenglanze summt,

Es rauschen still die Linden Dem müden Lebensgast:

Hoch über Staub und Winden

Wirst einst Du wiederfinden, Was Du verloren hast.

175

verblühter Frühling. Es ist ein trüber Junitag, Der Nebel rinnt durch feuchtes Grün, Der Pirol singt mit süßem Schlag

Und taubeschwert die Rosen blühn.

Tief in des Parkes Blätternacht

Ein Rauschen schläft, ein trüber Schall,

Als würd' ein Glück zu Grab gebracht Bei leisem Frühlingsregenfall.

Noch träumt verschollen in der Luft Ein Lachen, das im Park verstob, Noch schwimmt im jungen Grün der Duft,

Der einst ihr blondes Haar umwob.

176 Sie selbst zog längst die Silberspur Dorthin wo Keiner bangt noch irrt —

Jetzt schläft der Park, ein Windstoß nur

Die tropfenschweren Bäume wirrt.

Und leise strebt in heiliger Ruh Vom Lenz, deß Blütentraum zerbrach,

Mein Herz der großen Heimat zu,

Ewig geliebtes Lieb, Dir nach.

177

Nach dem Gewitter. Nun zucken verlodernd, versunken,

Die Blitze vom Waldesrand, Es regnet, sattgetrunken

Hat sich -das brünstige Land. Ein Eichbaum am Hügelkamme

Verknistert im Wetterschein;

Um Höhen buhlt die Flamme, Das Thal nur birgt Gedeihn.

Den goldnen Weizenschobern

Schuf kein Gewitter Harm — Schon bricht in frohem Erobern

Vom Dorf ein Schnitterschwarm. Es muß, ein Brand im Regen,

Auch der Poet verglühn, Der Dichtung Feuersegen Durchs dunkle Land zu sprühn.

Zchönaich-Tarolath, Dichtungen.

12

178

Scherben. Durch die Gassen, er eilt nicht sehr,

Schiebt ein Trödler den Karren her; Viele Leute wandern vorbei,

Fragen, was wohl zu haben sei?

Scherben — kaust Scherben! Und sie wenden sich murrend.dann: Dieser seltsame Handelsmann

Wird kein Gut sich erwerben. Scherben verkausen ist Brauch nicht noch Fug,

Scherben hat jeder selbst genug. Rufen wir rasch die Polizei,

Denn uns stört des Bettlers Schrei: Scherben.

Aus dem Dickicht vor dem Thor Zieht der Bettler die Karre hervor, Spannt sich ein vor den Scherbenschund;

Treulich folgt ihm nur sein Hund In des Hungers Verderben.

Ach, ihr Reichen seid gut daran

179 Kaust Euch ein neues Porzellan, Doch des Ganzen ist keiner wert, Der nicht schweigend die Scherben ehrt. Seht, Euer Haus bis zum Turmesknauf, Baut sich aus Scherben der Armut auf. Fremdes Bemühen und fremde Kraft Haben Euch alles herbeigeschafft, Was an Trümmern das Leben weist Habt Ihr Reichen verschuldet zumeist. Glaubt mir — vergeßt nicht höhnisch und satt Was Euch die Armut geerntet hat, Raubt dem Volke zu keiner Zeit Glauben an Gott und Gerechtigkeit. Nehmt Ihr dem Volke dies Osterei, Hilft Euch dereinst kein Eiapopei, Und kein Glockenläuten versöhnt Einst, wenn die Carmagnole tönt, Eure bluttrunknen Erben. Ihr doch, die arm und beladen seid, Wisset: Reichtum schafft Sünd' und Leid. Was auf prunkendem Sockel steht Morgen leichtlich zum Kehricht geht, Ja, der Menschheit Entwicklungsgang Schiebt durch Schutt sich und Scherbenklang. Jenes ist stets das größte Gedicht, Draus der Schrei um Zerschlagnes bricht. Menschenglück ist zerbrechlich Ding, Aber Du, dem's zu brechen ging,

180 Willst als ein Held Du sterben, Schlage Dir selbst entzwei beizeit

Alles, was unwert der Ewigkeit,

Fürstengunst und Parteientum, Huld der Massen und lauten Ruhm —

Wenn Du den Plunder hast eingesargt

Setze Dich an den Lebensmarkt, Und den Narren des Glücks zulieb Zeige, was Dir im Sacke blieb. Schutt, der blitzend noch Leben lügt,

Heilige Trümmer, die Gott nur fügt, Träume, begraben in tiefster Brust, Kämpfe, davon kein Freund gewußt,

Brechende Hoffnung, einst stolz gehegt,

Aussaat, der Ewigkeit gelegt, Qualen und Freuden, vergangen wie Rauch Deine, Freund Leser, und meine auch —

Scherben.

181

vorüberreitend. Dort wo die Wiesen abwärts gehn Zur blauen Bergeskette

Mag tief im rauschenden Walde stehn Die kleine verlassne Gloriette.

Es liegt das Schlößchen bis an den Hals

Im Epheu verstrickt und verloren,

Die steinernen Wappen von Mainz und Kurpfalz Bröckeln über den Thoren. Es klettern über den Erker stumm

Wildwein und Feuerbohnen, Vom lecken Brunnen starren dumm Pausbäckige Tritonen. Einst in den Tannen sang der Wind,

Es schwatzten süß die Stare, Im Sonnenscheine stand ein Kind

Mit weichem, goldleuchtendem Haare.

182 Es blühten würzig düsterbunt

Die Nelken an den Wegen, Doch heißer schwoll der Liebsten Mund Dem jungen Glück entgegen.

Des Hirsches Brunftruf schnob vorbei, Es war zur Mittagsstunde,

Von Ferne nur scholl ein Häherschrei Über dem schwülen Grunde,

Zuweilen die brütende Flur entlang

Zog es wie Taubengirren, Zuweilen murrten die Bäume bang Rauschend in Traumeswirren.

Und um uns schloß im Dämmerschein

Der Wald sein goldgrünes Gitter; Da brach ein Windstoß jäh herein,

Es kam ein Lenzgewitter . . .

Ich habe verlassen mein Heiligtum

Um trügendes Glück zu jagen — O goldnes Vließ, o finstrer Ruhm,

Wie seid ihr schwer zu tragen!

183 Mag lachen das Leben königlich

Aus allen Thüren und Thoren,

Ich trage Reue und Leid um Dich, Die ich verkannt und verloren.

Nun decken die Wälder in Ewigkeit Ein Glück, das ich verscherzte; O Jugend, wie bist Du so weltenweit

Du heilige, nie verschmerzte!

Bald küßt die schauernde Heimatflur Der Lenz, der lachende neue,

Doch krächzend um meiner Schritte Spur Flattern die Raben der Reue. Der Tag bricht an, ein Sturm aus West

Wälzt sich über die Hügel,

Mit Schüttern und Gleißen, in Stahl gepreßt,

Traben Heeresflügel,

Wir ziehen des Wegs zum letztenmal, Und auf dem Schild mit Beschwerde Trag' ich ein Kreuz von schwarzem Stahl

Zur gelobten Erde.

184

Albumblatt. Hab nicht zu lieb die knospende Rose: Es flöge gar bald Ohn' Heimat, ohn' Halt

Ihr Duft Dir vorüber ins Uferlose.

Unsterblich ist Schmerz allein. Was nie Du besessen,

Ersehnt, nie vergessen, Wird Deines Himmels Grundbau sein.

*

*

*

Den Daseinsfrohen, den emsig Lebenden

Am Alltagskleide rüstig Webenden

Gehört die Welt mit goldnen Halmen.

Doch Jene, die fröstelnd in Lebensmitten An Sehnsucht, an Schwermut, an Heimweh gelitten

Krönt erst der Tod mit Friedenspalmen.

185

llebeltag. Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen, Es senkt der Herbst die graue Schlußgardine: Vom Garten, der einst Rosenpracht getragen.

Dringt Grabesduft verblühter Balsamine. Ein letztes Ideal ward mir zerschlagen, Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;

Indessen Schauer überm Parke jagen,

Pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine.

Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden

Sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne

Noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel. Denn alle Wonnen, die begehret werden,

Die Welt, der Ruhm, die Frauen und die Sterne,

Sie wärmen nicht, und sind im Grunde dunkel.

186

Der schmale weg. Zwei Pfade sind es, die zur Wahl auf Erden.

Der breite frommt den Lebensfrohen, Satten,

Des andern Bahn urndüstern Höhenschatten; Ihn wandern Jene, die das Sternenzelt Zum Obdach wollen, die an Feuerherden

Als Flammenhüter lagern, fern der Welt.

Und wenn im Thal zu lähmend weilt die Nacht, So schleudern von des Felsens schroffster Gabel Ein brennend Scheit sie niederwärts mit Macht.

Das stürzt ins Leere, funkensprühend zieht

Es seiner Flugbahn blitzende Parabel;

Dem Flammenscheit gleicht jedes große Lied. Die Wachefeuer, deren Flackerlichter Auf fernen Höhenzügen lodernd stehen Rotflammend, ewig einsam, sind Ideen

Und ihres Brandes Hüter nennt man Dichter.

187

Unvergeßliche Liebe. Die abgebrochne Rose liegt Im Sand, und auf dem Kelch, dem roten, Ein Falter in Genuß sich wiegt,

Nimmt Duft und Glanz von einer Toten. Selbst toter Liebe wohnt die Macht

Geheimnisvollen Glückes inne, Und keiner jungen Liebe Pracht Entthront des Herzen erste Minne.

188

Lebensverneinung. In grünen Wassern schillert kühl der Schnee Von Felsenwänden, die sich schroff erheben,

Daran buntschaurig Martertafeln kleben, Als Schlußbild mancher Lebensodyssee.

Ein Nebeltag will auf den Wassern schweben

Wie Trennungsleid, des Daseins Grundidee; Sieh, Frauen giebt es, die gleich jenem See

Entsagung hauchen allem warmen Leben.

Zu diesen zwingt ein angestammter Fluch

Den Dichter hin, der, wie vom Tod getrieben

Ein Glück dort sucht, wo nur ein Abgrund war.

Schwermütig webt der Herbst ein Schleiertuch Um Martertäflein, und kein Dichterlieben, Kein Dichtergrab bleibt solchen Täfleins bar.

189

Aus alter Zeit. Ms Großmütterlein am Leben war Und Dämmerung kam geschritten,

Begann der Enkel muntre Schar Um Märchen sie zu bitten.

Es war so wohlig im Erkergemach, Die Alte sann und nickte, Der Wind fuhr klappernd übers Dach,

Die Wanduhr leise tickte.

Da stiegen aus dem Dunkel empor

Viel schaurige süße Sagen,

Wir sahen Falada hangen am Thor Und hörten Lindagulls Klagen,

Wir sahen in blauer, mondblitzender Flut Spielen die Wasserfeien,

Wir sahen manchen Ritter gut

Gen Drachengezücht turneien,

190 Wir sahen die Zwerge schürfen Gold In gleißenden Gängen und Adern,

Wir fochten um hoher Minne Sold Mit Riesen und Mohrengeschwadern.

Es war ein geliebtes Königskind, Ein blondes, mit blassen Wangen, Doch floß der Strom zu tief und geschwind,

Konnt' Keiner hingelangen. . .

Bald trug man'Großmutter zur letzten Ruh',

Das Elternhaus ward leerer, Und das goldne Märchenbuch klappte zu;

Die Jugend ward ernster und schwerer. Bald nahte der Sorgen zwerghaft Pack

Auf glatten, schlüpfenden Sohlen, Da ward mir früh der Märchensack Voll goldner Nüsse gestohlen;

Und ach, die glänzendsten Ritter zumeist Mit buntbefiedertem Helme Sie blieben selten Ritter vom Geist,

Sie waren verkappte Schelme.

Und Königin Bertha spinnt nicht mehr

Den Faden mit goldner Spule, Und hoher Liebe zu Preis und Ehr' Versinkt kein Becher auf Thule,

191 Es wurden im klugen Alltagsschein Zu Schatten der Sage Gestalten, In Einem doch, lieb Großmütterlein,

Hast Unrecht Du behalten.

Das Königskind es blieb kein Traum, Es ward der Strom durchschwommen — Nun ist des Glückes Lindenbaum 3n voller Blüte gekommen.

Gesegnet seist Du, Liederpracht Du tiefe, Du deutsche, Du holde,

Du Schatz, der unserm Volke lacht

In unvergänglichem Golde, Dich werden hüten und lassen nicht

Die Herzen von deutschem Schlage, Auf daß ihr Leben bei ernster Pflicht

Stets lachende Rosen trage, Daß unsern Enkeln als fester Hort

Der Wunderglaube bliebe

An jenes wahrste Märchenwort,

Das Märchen treuer Liebe.

192

Eterna doglia. Die blasse Rose starb in Deinen Händen, Mit schwarzen Augen sahst Du tief ins Leere, Des Abendrotes schräge Flammenspeere

Verglühten hinter dunklen Taxuswänden.

Der Sommer wich, rot starrt die bittre Beere

Vom Lebensbaum, und mit erloschnen Bränden

Verfärbt sich über fröstelnden Geländen Der Tag in Flucht vor fernem Wolkenheere.

Auch uns ergreift des Abschieds großer Zug,

Denn keine Liebe sättigt bis zum Grunde

Ein Herz, das Gott mit ew'ger Sehnsucht schlug.

Dies Herz begräbt zu kalter Abendstunde

Jedweden Wunsch, den unerfüllt es trug, Tief in des Himmels roter Sonnenwunde.

Die Unbekannte.

'Schönaich-Carolath, Dichtungen.

13

Es war zu Rom.

Des Pincios Terrasse,

Die lorbeerdunkle, strenge, marmorblasse,

Durchzog im Korso buntgeschart die Menge, Und Wagenreihen teilten das Gedränge.

Den Frühlingstag genoß das Volk zu Rom; Durchs Stimmgewirre schlug vom Petersdom

Und San Onofrio, bald dumpf, bald Helle Das Abendläuten, und dazwischen klang Ein Walzertakt, den die Musikkapelle

Mit Geigenstrichen melancholisch sang. Die Abendsonne ruhte rot und schräge

Auf allen Wipfeln, und mir war, als läge Ein Abschiedsblick, den sonst ich nie gesehn,

In ihrem schönen, frühen Niedergehn, Denn jener Tag, der hinter dunkeln Bäumen, Zögernd versank, Glutwolken im Geleit,

Der letzte war es meiner Wanderzeit,

Die. mir vergangen flüchtig bunt, wie Träumen.

Drei Jahre lang war ich in Rom geblieben, Nun sangen deutlich mir die fernen Lieben

Des alten Liedes altbekannte Weise,

Wie's Zeit nun sei, daß ich zur Heimat reise, 13*

196 Daß ich die tolle Wanderfahrt beende,

Mein Augenmerk auf eine Jungfrau wende, Auf eine sittsam-ruhige Cousine, Die still und häuslich sei gleich einer Biene,

Und mir das Glück, das wahre Glück der Erde, Mit vollen Scheffeln treulich messen werde . . .

Ich aber dachte: „Schönes Rom, ade, Nun geht's hinein in deutschen Winterschnee,

Ich trank zu viel von der Fontana Trevi, Das wird sich rächen, fürcht' ich, manu brevi. Ewige Stadt, nimm meinen letzten Gruß:

Du hast beschirmt mein Dichten und mein Streben,

Und einen Schmerz nur hast Du mir gegeben, Der eine ist's, daß ich Dich lassen muß. Hab Dank, hab Dank!" Und wie zum Korso jetzt

Zerstreut und traurig einen Blick ich sandte, Starrte mein Blut, denn ich ersah, entsetzt,

Mit süßem Grauen eine Unbekannte. Ihr Wagen hielt, gehemmt aus staub'ger Spur Durch Menschenwogen; reglos in den Kissen

Lag sie, geschmiegt in schwarze Seide, nur

Am Schultersaum schneeweiße Frühnarzissen. Sie lag wie sinnend, der Aprilwind trieb Ihr küssend aus der Stirn die krausen, weichen Tiefbraunen Locken ... ich doch schwieg und blieb

Steh'n wie gebannt und fühlte mich erbleichen.

197 Sie sah mich an — und wie mich überflammet

Ihr dunkles Auge, sengend, streifend kaum, Da wußte ich: dies Auge voller Sammet

Und Sonnenschein, ich sah es schon im Traum,

Die schmale Hand, die dort mit müdem Regen Den Fächer senkt, auch sie hat schon bei Nacht

Auf meiner Stirne weich und kühl gelegen, Und auch dies Lächeln hat mir schon gelacht!

Ich sah's, als Kind vielleicht, in einer Quelle, Vielleicht als Jüngling, in der Sternenhelle

Römischer Nächte, wenn ich hab' gedacht An gute Freunde, die Valet geschrieben,

An blonde Liebchen, die nicht lieb geblieben, An Erdenfreuden, die verweht, verstoben,

Und an das große Wiedersehn dort oben — Stets war das Lächeln innig, gut und herzlich,

Wenn ich dem Leben Hohes abgestritten,

Wenn ich gefehlt, gezweifelt und gelitten,

Wie war es mild, vergebungsvoll und schmerzlich;

O halte stets an meinem Herzen Rast, Du holde Fee, die Du dies Lächeln hast,

Du guter Engel, den mir Gott gegeben, Du Silberschnur, gewoben durch mein Leben,

O bleib bei mir, Du Himmelsabgesandte--------------

Ein Windstoß kam.

In Wirbeln flog dahin

Der Staub am Weg ... und wo die Sonne brannte

Rot und verglühend überm Aventin Verschwand auf ewig meine Unbekannte.

198 Wohl folgte lang und irrend ihr mein Schritt

In Sehnsucht nach — ich sah sie nicht mehr wieder,

Der^Traum war aus; in meinem Herzen glitt Lautlos und still ein dunkler Vorhang nieder.

*

Und als betrübt gen Deutschland ich gefahren, Fand^ich die Heimat farblos wie vor Jahren,

Es regnete just recht beharrlich-leise In altgewohnter, hergebrachter Weise,

Es nickten steif die Pappeln, die bekannten/

Und steifer noch die Vettern und die Tanten; Sie wünschten sehr: „Daß endlich Platz ich nehme Und, seßhaft, mich zu Brot und Amt bequeme,

Daß die Cousine dann ans Herz ich zöge,

— Gesetzt, beiläufig, wenn sie mich noch möge — Ich solle hasten, daß mein Nest ich mache,

Ein Spatz zur Hand sei mehr als zehn am Dache,

Dem deutschen Bürger sei die Fremde schädlich, Er bleib" im Land und nähr" sich still und redlich." Ich zog die Flügel achselzuckend krumm

Und wanderte ins Ministerium, Ich lernte sparen, ordnen, arrondieren,

Auch inskribieren, kon- und recipieren,

Doch fegten mir die zugestutzten Schwingen Den Blütenstaub unmerklich von den Dingen.

Trank Rheinwein ich, wie manchmal es geschah,

Befiel mich Wehmut inter pokula,

199 Mein Lebensfacit, oft ergab es Brüche

Und salzdurchtränkt schien mir des Daseins Küche,

Ich schritt allabendlich zum goldnen Leuen, An Politik und Whistspiel mich zu freuen, Und pries dabei mit hohem Selbstgefühle,

Daß ich ein Werkrad in des Staates Mühle. Im Rate sprach ich und im Landtag mit

Und tappte vorwärts meinen Bürgerschritt,

Das hohe Gut, danach sich still verzehrt

Manch deutsches Herz, ward zeitig mir beschert:

Aus heitrer Lust fiel mir aufs Haupt ein Orden, Und deren Zahl ist größer stets geworden. Der Würden Strom wohl floß er täglich reicher,

Doch ach, mein Haar, auch täglich ward es bleicher,

Als Trost dafür — ein schlechter freilich ist er — Ward eines Tages endlich ich Minister . . .

Nun sitz' ich alt und einsam am Kamine,

Es fehlt mir die beglückende Cousine; Die Scheite seh' ich in der Lohe schwitzen, Ich hör' sie krachen, seh' die Funken blitzen Und seh' den Rauch gar kraus geballt sich heben

Zum Schornstein Tod, der, leitend aus dem Leben Die Handvoll Staub, die wir in Lieb' und Hassen,

In Wollen, Streben, Thun und Unterlassen, Auf dieser Welt mühselig aufgesäuselt,

Ins Nichts hinein mild und ironisch kräuselt. . .

200 Ich denke gern, feff ich den Dampf verschweben An Alles, was ich lieb gehabt im Leben —

O meine süße, unbekannte Dame! Welch Rätsel bärgest Du?

Wie ist Dein Name?

Wo magst Du sein, wo magst Du weilen, wandern?

Im Süden wohl ... am Herzen eines Andern — 'O bleib ihm treu! Doch Augen wie die Deinen,

Sie werden mir auf Erden nicht mehr scheinen,

Wohin fortab auch meine Pfade gehn, Dich werd' ich niemals, niemals Wiedersehn,

So leb denn wohl — auch Dich muß ich verschmerzen, Doch nur mit schwerem, bitter schwerem Herzen, Und hart bedrängt mach' ich die Not zur Tugend:

Denn Du, das weiß ich jetzt, warst — meine Jugend.

201

Gruß cm Deutschland. Es Liegt ein Märztag trüb und weich Auf mitteldeutschen Hügellanden,

Zur Rüste geht des Winters Reich, Es bricht das Eis, die Schollen stranden, Im Tropfenfall steht windgeneigt

Der Wald, des Winterschlafs entraten, Und auf den nassen Äckern zeigt

Sich zarter Schimmer junger Saaten.

Wildgänse ziehn mit schnellem Flug Und hellgestimmter Wanderweise,

Auch unser Herz erfaßt ein Zug, Daß es dem Lenz entgegenreise.

Ein Wind aus Süden kommt mit Kraft

Und löscht den Schnee von Furt und Brücke,

Er treibt auch uns zur Wanderschaft Nach unbekanntem großem Glücke.

202 Mein Deutschland, Du bist stark und groß, Und doch ist eigen Deinen Söhnen

Ein weicher Kern, ein Sehnsuchtsloos Nach allem Fernen, allem Schönen;

In deutschen Liedern lockt und klingt, Es wohnt in deutschen Herzensträumen

Der Circe Lachen goldbeschwingt, Des Griechenmeeres weiches Schäumen.

Im schwarzen Schachte gleißt das Erz,

Der Hammer dröhnt, die Funken springen, Doch heimlich hört das deutsche Herz Im Hörselberg die Geigen klingen: Vom Zug der Esse scharf umbraust,

Der Meister läßt kein Säumen merken, Doch immer lebt als Sohn des Faust Er über seinen Erdenwerken.

O sei gesegnet, dunkler Ruf Vom Nertushaine, der uns Zeiten

Der Sehnsucht nach dem Schönen schuf,

Nach langen Lenzen, gottgeweihten! Heil unserm Volke, das mit Wucht Die Scholle pflügt, der wir entstammen,

Und dennoch Lebensgipfel sucht,

Drauf ew'ge Wachefeuer flammen.

203 O Deutschland, was Dich herrlich macht Sind Deines Herzens starke Triebe Zu Dichtung, Frauen, Liederpracht;

Dein bestes Teil ist Deine Liebe. Und wie um trotziger Eichen Schaft Sich wilde Rosen blühend ranken,

So schlingt um deutsche Neckenkrast Die Schönheit ihre Lenzgedanken.

Die deutsche Mannestreue hoch! Wohl hat sie herrlich Gut erkoren,

Doch höher steht ihr, heiliger noch,

Das Vaterland, dem sie geboren. Um unsre Münstertürme saust

Der Freiheit Geist in heiligem Grimme, Durch unsre Eichenwälder braust

Des Schlachtengottes Donnerstimme.

So lang noch unsre Wange brennt

Beim holden Gruße schöner Frauen,

So lang man Arbeit heilig nennt, Und Treue gilt in deutschen Gauen, So lang vom Wasgau bis zum Belt

Wir treu zu Gott und Kaiser halten,

So lang wird keine Macht der Welt Der deutschen Marken Grundwerk spalten.

204 Des hohen Erbteils walte frei, Mein Volk, daß Deinem Schwert, dem scharfen,

Geeint des Friedens Pflugschar sei, Und Liederfrühling Deinen Harfen; Ein tiefes Lied, ein heller Schlag

Und ein Gebet voran den beiden —

So darfst Du, grüßend neuen Tag, Vom stürzenden Jahrhundert scheiden.

(Ein Bild.

In schwerem Rahmen, massig, goldgezackt, Ein Frauenkopf mit Augen, traumhaft starren, Die tief im Herzen, das ihr Bann gepackt,

Gleich Pfeilen, weichbefiederten, verharren. Der braunen Haarflut golddurchstrählte Wirr'n

Wie küssend flutend um die schmale Stirn, Der feine Mund lichtrot, doch herb verschlossen,

Seltsam der Ausdruck.

Sinnend, lichtdurchschossen,

Fremd, vornehm, süß des Angesichts Oval, Darüber wie durch Sturmgewölk geflossen Ein herbstlicher, gequälter Sonnenstrahl —

Was ist's, daß sich um Erdenschönheit schmiegt

Ein tiefer Schatten, den kein Glanz besiegt? Was ist's, daß sie mit schwermutvoller Frage

Geheim gepaart, daß in ihr mit Gewalt

Als tiefverletzte goldne Saite hallt

Ein Weh um Edens längstverblühte Tage? Was ist's, daß mitten aus der Schönheit Schoß Ein Menschenherz, das sich gesonnt in Pracht, Ui plötzlich aufschreckt, einsam, heimatlos?

208 Was ist's, daß Schönheit Herzen traurig macht?

Jst's, weil sie schnell und kaum gegrüßt verglommen

Gleich Alpenleuchten über Bergesferne? Ach, alle Schönheit trägt den Tod im Kerne

Und füllt kein Herz, das Leben sucht, vollkommen. Wohl darf der Menschheit wonnedurst'ger Mund Dies Erdenglück durch tausend Lieder tragen,

Daß aus des Daseins thränensattem Grund Die Schönheit still den Scharlachkelch geschlagen,

Daß über Wust, von Sodoms Schutt umstaubt,

Dem Trümmerberg von Sünde, Schuld imb Kummer Fremdartig, traumhaft im Vollendungsschlummer

Die Schönheit hebt ihr goldgesäumtes Haupt —

Doch höher zielt des Schöpfers Lebensplan. Nicht sänftiglich, nein, als ein Schwert, das schneidet,

Beschreibt die Schönheit ihre Flammenbahn. Vieltausend sind es, die, zum Staub gewendet,

Klanglos den Lauf in Sättigung beendet, Wohl dem, der Schmerz im Schönheitskusse leidet.

Dies ew'ge Weh, mit dem durchs Leben geht

Einsam und unverstanden der Poet, Er führt zu Gott, und alle Schönheitstrauer,

Die unser Haupt als Kranz der Schwermut trug, Wird tilgen einst im Auferstehungsflug

Des Wiederfindens großer Freudenschauer,

Was Schönheit hier von Schmerz und Abschied sprach,

209 Das klingt — wie bald — gleich fernen goldnen Stimmen,

Die rufend über breitem Strome schwimmen, In der Unendlichkeit als Liebe nach.

Ich aber will, bleibt auch im Erdenwind

Nach Glück gestimmt die Harfe des Propheten, Nicht leichten Sinns vor Deine Schönheit treten,

Noch frohen Herzens wie ein Sonntagskind. Du schüttest nicht mit heißem Augenstrahle

Als höchstes Glück, das Sterblichen erlaubt,

Den Rosenregen auf mein trunknes Haupt, Du reichst mir still die dunkle Schierlingsschale;

Und Deine Augen wie verweinte Sterne Hinbrütend starren in verhüllte Ferne. Du ziehst vorüber, und im Flüsterton

Spricht süß Dein Mund von Lassen und Entsagen — O Lieb, ich will ja grollen nicht noch klagen,

Es muß mit sansten dämmerweichen Schwingen

Die Poesie den Leidenskelch umschlingen

Versöhnungsvoll mit dunkelrotem Mohn.

Wo sah ich Dich mit Deinen düstren Brauen

Verhängnisschwer ins Alltagsleben schauen?

Am Griechenmeer, umkost von Wellenschaum, Auf Ithaka, an einem Mandelbaum? In einem Park, der weltfern, goldumgittert,

Wo Nelken flammen an verschlungnen Gängen, Schönaich-Carolath, Dichtungen.

14

210 Wo sich durch schwarze Taxushecken drängen

Marmorgestalten weißlich und verwittert, Wo über Treppen, die verrankt, verwildert, Das Schloß sich hebt, gegiebelt, buntbeschildert?

Sah ich Dich dort auf hohem Postament Im Ahnensaal, durch dessen Fensterscheiben Septembersonnenstrahl verglühend brennt?

Zogst leibhaft Du durch Lärm und Alltagstreiben

An mir vorbei die duftdurchwogte Spur? Sah ich Dich winken, lässig auf dem Balle

Dem schwer besternten Oberhofmarschalle? Sah ich Dich einst — war es im Traume nur — Verschleiert durch die Gassen gehn im Regen, Und einem Bettler in die Zitterhand

Mit leisem Worte rasch ein Goldstück legen? Gleichviel, gleichviel — mich hast Du nie gekannt, Und sähst Du mich, Du würdest sonder Staunen

Betrachten mich mit Augen, dämmerbraunen,

Und sonder Leid vergessen jenen Tag. Ich aber will, wie man bekränzen mag

Ein Gottesbild zur Maienzeit mit Ranken,

Umschlingen Dich mit Liedern und Gedanken, Die welken nicht, den Blumen gleich, im Wind. Laß sie durch Schicksal, Trennung, Zeit und Räume

Dich an mich ketten, denn Du weißt, daß Träume Der Dichter letztes, bestes Erbteil' sind.

211

Stella peregrina. So wie man Sterne findet, deren Bahn Den Erdkreis streift auf Nimmerwiedersehen, Wohl deshalb nur, daß ihr Vorübergehen

Uns habe Schmerz und Heimweh angethan.

Zog Deiner Liebe tiefe Melodie An mir vorbei, zu Gott zurückzuschweben

Und in der ewigen Melancholie Meiner Gedanken ewig fortzuleben.

212

Asterope. Ein Frauenbild in fremder Galerie, Ein Bild so schön, daß sein Geheimnisschauer

Das Herz getränkt mit Sehnsucht ew'ger Dauer,

Sprach geisterhaft: geh, doch vergiß mich nie. Mein Name?

Nichts und Alles.

Frag nicht, neige

Dich meiner Schwermut rätseltiefer Macht, Und war's ein Wunsch, den Dir mein Blick entfacht,

Für diese Welt gebiete, daß er schweige. Vergeblich ist es, daß Du mich beweinst.

Nenn mich: Im Strom ertrunken. Nenn mich: Umsonst.

Verloren.

Nenn mich: Einst. Unerreicht;

Doch, wenn Du beten kannst, nenn mich: Dereinst. Vielleicht.

213

Sirnenrveg. Einsam durchs Leben geht

In Sehnsuchtsschauer Und sanfter Trauer

Still der Poet

Suchend im Kuß der Frau

Nicht Alltagssterne, Doch Traum und Tau Verlorner Ferne.

Gast, der beim Frohgelag Becherreste

Darbringt dem großem Tag Ewiger Feste,

Hirsch, der am Waldteich trinkt Über den Fluten

Das große Verbluten Der Sonne, die sinkt.

214

verleuchtender Tag. Im blühendem Gartenlande Liegt einsam, von Flieder umbuscht,

Ein Brunnen mit leckem Rande,

Um dessem Steinguirlande

Der Blätterschatten huscht.

In heiliger Jugendstunde, Als glühend und ohne Laut

Die brütende Gartenrunde, Hab' dort mit bebendem Munde Ich meine Liebe vertraut.

Und Stille.

Im Glutgeflimmer

Des Mittags erstarb mein Wort. Ich wandte mich ab für immer, Zu wandern durch Staub unb Schimmer

Weit über die Heide fort.

215 Nun hab' ich den Schritt gewendet Zur Heimat, müde und alt, Und keine Sonne mehr blendet.

Die Liebe hat nie geendet, Sie wurde nimmer kalt.

Noch rieselt mit lecken Seiten,

Geborsten, der Marmortrog,

Darüber aus Parkesweiten

In süßen verschollnen Zeiten Der Liebsten Lachen flog.

Und wieder, wo einst wir gesessen Umspinnt mich heißstrahlender Tag; O Jugendglück, nicht ermessen, O Liebste, niemals besessen,

Kommt, daß ich danken mag.

Ich will nicht grollend vergeben,

Doch segnen Dich, tiefgerührt, Daß einst Du mit Widerstreben

Durch ein verworrenes Leben Den Pflug des Schmerzes geführt.

Es hat sich dem Greise gelichtet

Vergangnes, von Hüllen befreit,

216 Was ihm versagt und vernichtet An Glück, war Aussaat, gerichtet

Der rauschenden reifenden Zeit.

Wohl hab' ich verträumt in Gedanken

Vertrauert manch Lebensziel. .

Vorüber — durch neue Ranken Treibt wechselnd, mit Zittern und Schwanken, Die Sonne ihr ewiges Spiel.

Und traumhaft plätschert der Bronnen —

Das klingt wie süße Mär,

Als ob das Leben verronnen Und ewiges Glück begonnen Im Himmel wär'.

217

Der Feldweg. Vom Ulmenwald, dem dunklen schwermutvollen^ Der Schierlingdust und enfge Kühlung haucht, Dehnt flammengelb, in Sommerluft getaucht,

Das Kornfeld sich, glutzitternd, weltverschollen.

Am Wegrain dort — es war zum letztenmal — Verlornes Lieb, schritt ich an Deiner Seite,

Viel Engel gaben freundlich uns Geleite Sie blieben Dir — mein Weg sank rasch zu Thal„ Nun geh' ich einsam durch die Mittagsstunde

Dein denkend hin, und mir am Wege blüht So reich der Mohn, als hab' mein Herz versprühe Achtlos das Blut aus tiefgeheimer Wunde.

Ach, bringen wird kein künft'ger Sommertag

Zurück mir je, was folgend Deinen Schritten Still mit Dir selbst zur Dämmerung geglitten — Nachtwandelnd geh' ich durch den heißen Hag.

218 Das Leben lacht, auf fremden Feldern schimmert

Halmschwer das Korn; Gott geb' ihm gut Gedeihn.

Bald bringen sie den Erntesegen ein, Durch goldnen Staub schon fern die Sichel flimmert.

Ich aber will mit leergebliebner Hand Dich segnen, Glück, das einem Andern reifte

Und will die Stirn, die finstre, blitzgestreifte,

Ausrichten still zum ew'gen Ernteland.

219

Abendlied. Der Sonne nach, die sinkend scheint, Zieh ich verlassen, unbeweint, Von meiner Glückes Stätte;

Was Gott mir lieh an Gut und Wert

Liegt leergebrannt, ach, das; geehrt, Und treu gewahrt ich's hätte!

Ich wies vorbei Die heiligen Drei,

Den Glauben, die Liebe, das Hoffen; Ich habe gestürzt den Goldpokal

Ter flammenden Lust — nun dehnt sich fahl

Die Heide, braun und offen.

Ich gehe fort Vom zerstörten Ort;

Am Wegrand in schwarzen Lachen Ertrinkt mißfarbiges Abendrot,

Und blechern wimmert in Todesnot

Ein Glöcklein über den Brachen.

220 Das ist mein Herz, das aus der Welk

Sich lösend, bang um Hülfe gellt,

So wie verirrt im Lande Ein Kind, verlassen, todgeweiht Um Hülfe schwach und schaurig schreit

Seitab am Hügelrande.

Ach, Herr, nimm hin mein Lebensgut, Zerbrich mir Ehre, Stolz und Mut

Doch neig Dich meinem Bangen, Vergönne, daß mein letzter Schrei

Ein dennoch, Herr, Dir glaub' ich, sei;

Mehr will ich nicht erlangen. Komm Hirt, allew'ger, führe Du Dein Kind der großen Heimat zu, Durch Kreuz und Sterbestunden;

Halt über allen Sündern Wacht

Bis sie sich Dir zurückgebracht Und selig heimgefunden.

221

Lergpsalm. Ein Schneeberg ragt ins heiße Land,

Der seine Schroffen leuchtend zückt,

Tief unten wogt im Sonnenbrand

Die Fläche goldschwer, halmerdrückt.

Dort hasten Menschen, ohne Ruhn, Der Scholle nah, der Frohn gewöhnt,

Rach Gut und Geld in hartem Thun; Die Sichel klingt, die Kelter dröhnt.

Doch mahnend rauscht vom Berg ein Duft,

Der kühl das Haar des Schnitters wirrt,

Und leise durch die Flimmerluft Ein Ahnen ew'ger Ernten irrt.

222 So sendet weltfern der Poet

Zum Volke, das in heißem Streit Arm und gebückt am Pfluge geht.

Die Botschaft großer Feierzeit.

223

Gktobersonne. Es rauscht der starke Herbst ins Land Mit strömendem Ungemach,

Da wandern hoch über dem Waldesrand'

Die Vögel der Sonne nach. Auch unser Herz soll südwärts ziehen

Noch einmal in warmer Pracht

Entgegen den jubelnden Melodien

Des Glückes, das selig macht. Es träumt der sonnenschwere Park, Den früher Reif durchwob,

Am Wegesrand blühn voll und stark Verbenen und Heliotrop,

Noch würzig aus dunkler Kelcheszier

Der Nelke Duft entquillt,

Und purpursaftend am heißen Spalier

Die Nektarine schwillt.

224 Dein blütenroter Mund schwillt auch

Mit schwach gesträubtem Saum

Entgegen dem letzten Sonnenhauch, Dem letzten Liebestraum.

Komm! Schützend umklettert die schimmernde Bank Das Rebengewirr von Terlan; Rings Schweigen, durchs scharlachne Weingerank Blinzelt ein steinerner Pan.

225

Letzter Sonnentag. Es segeln südwärts über den Wald

Die Störche der Sonne zu, Nun gehen auch wir, wie bald, wie bald, Mein Lieb, zur Ruh.

Wir wollen danken mit leisem Mund Für alle genossne Pracht, Für alles, was uns im Herzensgrund

Erschüttert und selig gemacht. Wir wollen, nun still der Tag verloht, Hinziehen durchs dämmernde Land

Wie Kinder im letzten Sonnenrot

Heimwandern Hand in Hand. Wir dürfen grollen und klagen kaum,

Daß kühl zum Herbste treibt

Das letzte Blatt vom Lebensbaum, Denn unsre Liebe bleibt. Schönaich-Carolath, Dichtungen.

15

226 Nicht ist sie mit Jahren der Seligkeit

Gleich Sonnen gewandert stromab — Nein, sprengen wird sie zur Frührotzeit Barmherzig das tiefste Grab,

Und leuchten dem letzten Auferstel/n

Und tilgen den letzten Schrei — Komm Lieb, wir wollen beten get/n, Es rauscht der Herbst vorbei.

Dein müdes Haupt neig meinem zu,

Im fröstelnden Sonnenschein An meiner Brust in tiefer Ruh

Schlaf ein.

Wanderfahrt.

229

Der Taugenichts. Die Eltern trug man alle beide Bors Thor hinaus zur letzten Ruh, Den Basen schuf ich Herzeleide, That Gutes nicht, zerriß viel Schuh.

Die Schläge wurden mir zu derbe, Der Rock zu eng, die Kost zu schmal, Die Mägdlein und der Wein zu herbe Nur Eine küßt ich manchesmal.

So thät die Wanderschaft mich locken: Das Herz war leicht, der Beutel leer,

Sie läuteten darob mit Glocken — Nur Eine, glaub' ich, weinte sehr.

230 Ich hab' mich lang umhergetrieben,

In manchem Land, an manchem Ort, Mit Güte oft, und meist mit Hieben

Hals ich mir glücklich weiter fort.

Und als mir's endlich wohlergangen Und meine Taschen leidlich schwer, Da faßte mich allgleich Verlangen Nach Heimatluft und Wiederkehr.

Schon lenkt der Kutscher ein mit Blasen,

Die Giebel nicken altersmatt, Und aus dem Pflaster grünt der Rasen — Sei mir gegrüßt, o Vaterstadt!

Der Frühlingswind wirrt mir die Haare, Ich stehe stumm auf der Bastei,

Durchs Abendrot, das stille, klare, Ziehn Schwalben mit süßmattem Schrei.

Es steht da drüben noch am Markte Das Haus, wo ich geboren bin, Wo man zur Ruh die Eltern sargte;

Jetzt wohnt ein fremdes Volk darin.

231 Dort auf der Stadtmark liegen Rinder

Buntscheckig, trag im Abendschein, Dazwischen tummeln fremde Kinder

Hell lachend sich in Spielerein.

Es naht ein Paar und schreitet weiter,

Ihr Händchen grüßt mich, goldberingt. . . Doch bin nicht ich der Mann, der heiter,

Blondbärtig, kraftvoll sie umschlingt

Sie hängt am Arme eines Andern,

Und plaudert, und sieht glücklich aus — Ich glaub', ich werde weiter wandern,

Weit in die weite Welt hinaus.

232

Ipielrnannslied. Drei Rosen gab sie mir, drei Küsse — Sie sprach von Lieb' und ew'ger Treu,

Es blühten Flieder und Narcisse,

Die Grillen sangen fern im Heu.

Und eh' die Rosen welk im Grase, Und eh' verrauscht die Junizeit, Da hatten Eltern und Fraubase Dem reichen Manne sie gefreit.

Und Tags darauf lag mir zu Füßen

Die Heimatstadt im Abendstrahl, Die Rosen warf als letztes Grüßen. Hinunter ich ins tiefe Thal,

Doch die drei Küsse gab ich weiter,

Und ward ein Spielmann wohlbekannt, Der fideln geht, bald ernst, bald heiter, Von Thür zu Thür, von Land zu Land.

233

Löse Deimle-r. Ihr Gassen, ihr Giebel, du mürrisches Thor,

Euch grüß' ich betrübt und gemach —

Schon krächzen die Dohlen, schon liegt mir im Ohr, Der Basen Weh und Ach.

Als froher Geselle zog ich hinaus, Hab' keck gelärmt und gelacht;

Nun schleich' ich durchs Seitenpförtlein nach Haus, Hab's nicht zum Meister gebracht.

Ich habe nur Eins gelernt und erkannt

Nach manchem verträumten Jahr:

Daß der Himmel dort unten im Süderland Zu blau, zu lachend war,

234 Daß die Menschen zu froh und zu leicht Don Sinn,

Die Blumen zu reich an Duft — Nun pfeift mir gar frostig um das Kinn Die deutsche Negenluft.

Das Herz ist müde, die Wange braun,

Zerrissen mein Wanderrock;

Ruh aus am ersten besten Zaun Du treuer Knotenstock.

Ich hab' gezählt mein fahrend Gut Und fand, daß nichts mir blieb, Als ein welker Jasminstrauß am alten Hut, Und in Welschland ein falsches Lieb.

Lied des Gefangenen. Ms mir die Base prophezeit Groß' Ehr würd' ich gewinnen, Schuf' ich den Eltern Herzeleid,

Lief aus der Stadt zur Frührotzeit, Ließ auch Feinslieb darinnen.

Ter Lanzknecht rafft viel Geld und Gut, Jagt in den Tod sein Leben,

Die Rabenfeder schwankt am Hut, Das rote Trumpfaß deutet Blut, Herzdame schlägt daneben.

Und über einer Spanne Frist Werd' ich gar hoch geehret . . .

Ach, daß der Base Trug und List

Mich armen Christ Das Fliegen hätt' gelehret.

236 Ich flog' mit Sinnst und Zaubereien Empor zur Morgenwende,

Gen Straßburg durch Sturm und Wetterschein, Ein flatternder Wicht; Feinslieb, laß ein —

Jed Herzleid nahm' ein Ende.

Da wach' ich auf — der Morgen loht,

Die Glocken gellen und läuten, Die Stube starrt vor lauter Rot; Maria, Helferin der ^ot,

Der Traum will Arges deuten.

Ter Würfel fiel, der Krug zersprang, Und aus dem Wachtverließe Geht's morgen früh den letzten Gang Bei Pfeisenklang

Und Trommelschlag in die Spieße.

237

vom Scheiden. Wenn Dir ein Mägdlein recht gefällt

Und sie nimmt einen Andern, Dann heißt es in die weite Welt Zu wandern.

Da draußen viele Mädchen sind,

So viele blond und braune,

Als Rosen blüh'n im Maienwind Am Zaune.

Mit neuem Glück am neuen Ort

Zufrieden sind die Mehrsten,

Oft treibt ein zweiter Nagel fort Den ersten.

Doch wenn die Kur Dir schlecht gelingt,

So werde Kapuziner,

Und wenn kein Ablaß Frieden bringt,

Trink Valtelliner.

238 Trink aus, und würfle bei Margenrot Um Dirnen mit blankem Messer — Stach' Dich vorher ein Landsknecht tot, Wär's besser.

Und thut er's nicht, so zeche fort, Doch wirf hinaus auf die Gasse Die Menschen mit ihrem Krämerwort, Das; Liebe sich heilen lasse . . .

Wenn Dir ein Mägdlein recht gefällt Und sie nimmt einen Andern, Dann ist's am besten, aus der Welt Zu wandern.

239

Lärmen. I. Ganz blumcnhaft, gewiegt tioirt Sonnenstrahle,

Das feine Köpfchen träumerisch verdrossen, Von der Mantilla Faltenwurf umschlossen,

Drin eine Nadel von Toledostahle.

Ihr Händchen flog, das ringgeschmückte, schmale, Im Fächerspiel, es scherzten die Genossen; Da plötzlich hielt, hintastend an den Gossen, Ein Greis ihr hin die leere Sammelschale.

Kein einzig Wort, nur eine scharfe Volte,

Ein Fächerschlag — und fort der Teller rollte.

Die. Mutter sprach: erschrick nicht, Carmencita. Und dann zu uns: Ihr müßt sie recht verstehen, Sie ist so gut, und kann nicht leiden sehen . . Sie ist nervös, die arme Marquesita! . .

240

II. Es drängt das Volk an der Barera Reifen,

Ein braver Stier ward heut zum Kampf gesendet; Seht, wie er rast, von Staub und Wut geblendet,

Röchelnd und wild, bedeckt mit Blut und Schleifen!

Das brechend Auge läßt im Kreise schweifen

Ein Pieador, vom Hörne umgewendet,

Acht Pferde liegen aufgeschlitzt, verendet — Ein Toben ist's, ein Stampfen und ein Pfeifen.

Das Händchen ballt, das blasse und nervöse,

Die Marquesita — doch schon naht der Rächer, Mit Schwert und Capa tritt er aus dem Thore.

Und toller, brausender wird das Getöse;

Sie lacht vor Glück — Armbänder, Blumen, Fächer Wirft an den Kopf sie dem Torreadore.

241

Römische Freske. Amor, der lose, wählte sich zum Ziel

Die blonde Römerin, dieweil sie Sieste Im Gartenhaus gehalten zu Präneste; Er ward ertappt und büßt nun für sein Spiel.

Den Knaben hält die Zürnende bezwungen, Sie lähmt sein wild gesträubtes Schwingenpaar

Und geißelt ihn am blumigen Hausaltar Mit Lorbeerreisern, scharf wie Flammenzungen. Zwei Mägdlein, schlank, in Goldsandalenzier,

Am Vorhang spähn in scheu verhohlnem Flüstern; Die Große spöttisch, harten Auges, lüstern, Die Jüngste furchtsam, doch voll Schaubegier.

Verknisternd schwelt vom goldnen Räucherbecken Ein gluterfaßter, voller Rosenkranz;

Weißflatternd wiegt sich über Lust und Schrecken Ein Taubenschwarm im heißen Sonnenglanz.

Schonaich-Carolath, Dichtungen.

16

242

Gretchen im Winde. Ein Mädchen süß, ein Mädchen flink,

Dabei den Namen Gretchen, Als Schmetterling, den keiner fing,

Fliegt sie durch Busch und Beetchen.

Die Veilchenaugen minniglich Und hell wie Hochzeitskerzen,

Im Köpfchen einen Sonnenstich, Aprilwind tief im Herzen.

Die Stimme silbern und gesund Wie eines Glöctleins Klingeln,

Ein Lächeln um den Kirschenmund

Wie eines Schlängleins Ringeln.

243 In ihrem Garten vor dem Thor

In Treuen rauscht die Linde, Auf allen Beeten blühen davor Vergißmeinnicht im Winde,

Doch wenn man ihr von Liebe spricht

Pflückt lachend unterdessen Vergißmeinnicht das Schelmgesicht;

Mich hat sie längst vergessen . .

244

Spätherbst. Es liegt verlassen am südlichen Meer Die Villa unter den Eiben,

Die Gänge sind stumm, die Hallen leer. Der Regen schlägt an die Scheiben.

Du bist gegangen dahin, dahin, Weil Du dem Winter grolltest, Weil Du nicht länger den Schmuck von Rubin Dem Hofhund zeigen wolltest;

Du bist wie die Schwalbe gezogen dahin Vom Dache rotgegiebelt,

Wo sie doch oft mit frohem Sinn

Gezwitschert hat und geliebelt.

245 Kämst Du nun heim — wozu? warum? Die Rosen wären gestorben,

Die Brunnen erfroren, leer und stumm, Die Hecken geschoren, verdorben.

Ich habe verfolgt im nassen Kies

Die Spuren, die schlanken, schmalen,

Die Dein fliehend Füßchen stehen ließ, In Groll und bittern Qualen.

Ich hör' Deine knisternde Schleppe nicht mehr

Die Stufen hinuntersurren, Ich höre nur noch das tyrrhenische Meer

Im Sturme grollen und murren,

Ich höre nur noch im Gartenhag Sausen die nassen Cypressen,

Und bete, daß Gott mir verhelfen mag, Dich zu vergessen!

246

Desdemona. In Sommernächten löst sich aus dem Schatten

Gesunkner, meerbespülter Prachtportale Oft eine Gondel treibend im Kanäle

Mit Ruderschlägen, leisen, sterbensmatten.

Drin eine Frau, den Leib, den farbensatten,

Zurückgelehnt, reglos im Mondenstrahle,

Indes die Hand, die weiße, wunderschmale, Im Wasser schleift, dem dunklen, spiegelglatten.

Und plötzlich wirft sie, gleitend auf dem Meere,

Zurück des Schleiers schwarzgezackte Spitzen Und blickt Dich lieb. mit toten Augen an.

Dann schlägt das Kreuz, entsetzt, Dein Gondoliere —

Sie zieht, indes die Ruder bläulich blitzen

Vorüber auf der dunklen Wasserbahn.

247

Lochmittag.

Als ich die schöne Stadt verlassen Stieß um die Dächer wild der Sturm, Der Regen rann in allen Gassen,

Die Dohlen schrien um jeden Turm.

Zu zwei verhängten Fenstern drüben

Warf ich empor, voll Groll und Leid, Stumm einen Blick noch, einen trüben — Dann ging ich fort für lange Zeit.

Nun kommt es, daß ich wiederkehre, Ich schaue still ins Thal zurück;

Was einst war Schmerz und bittre Lehre

Hat sich gewandt zu spätem Glück.

248 Sie, die mir einst den Sturm aus Norden Gesandt — daß Gott es ihr vergelt —

Ist eine schöne Frau geworden,

Mit sich zufrieden und der Welt,

Die Stadt mit ihren schlanken Türmen Liegt fern und still im Abendgold, Auch zog vorbei das letzte Stürmen,

Das damals mir durchs Herz gegrollt;

Es gingen längst schon auf die Reise Die holden Jugendträumerei'n Wie Sommerfäden, müd' und leise,

Am Heckenrand, im Sonnenschein.

Und dennoch gäb' ich allen Segen Des spät gereiften Glücks dafür, Könnt' harren ich bei Sturm und Regen

Noch einmal vor der Liebsten Thür; Könnt' einmal ich zusammenbrechen Zu Füßen ihr, und inniglich

Aus tiefstem Herzen gläubig sprechen: Mein süßes Lieb, ich liebe Dich!

249

Auch Du! Nun hast auch Du gelassen Von Groll und edlem Streit, Du fandest goldne Gassen

Der Weltzufriedenheit. —

Mich mahnt Dein Herz, das helle, Nun frei von Kampf und Weh, An eine Riesenwelle,

Die müde ward der See,

Die sich im Überborden Einst aus dem Meer gewiegt,

Und nun, zum Teich geworden, Tiefblau im Walde liegt.

250 Wohl deckt mit Blütenflocken

Mittsommers sie das Rohr, Wohl tönt's wie ferne Glocken, Aus ihrem Grund hervor;

Wohl nicken grüne Erlen Darüber, schlummerschwer — Doch hat sie leine Perlen Und leine Stürme mehr.

An . . .

In dies Klavier griff eine kleine Hand, Ringblitzend, mit nervösem Fächer schlage, Und eine Saite hat sich leicht verspannt. Sie that es schüchtern, gleichsam ohne Klage, Doch wenn ein Meister in den Tasten jetzt Aufwühlend grollt, klingt scheu, wie eine Frage

Die Saite durch, bangzitternd, feinverletzt. So geht's auch Dir; in Deines Herzens Grunde Lebt solch ein Riß. Es litt ihn, stillentsetzt, Und klingt iiuit falsch seit jener bösen Stunde. Es singt von Liebe noch und singt vom Mai, Doch stört das Tröpfeln aus geheimer Wunde . . . Ein Schauer überjagt der Hörer Runde, Und jeder fühlt: hier ging der Tod vorbei.

252

Altes Bild. Ter Markusdom, der bunte, klangumtönte, Hat seine Pforten gähnend aufgeschlagen,

Am Hochaltar, wo Priester Kerzen tragen, Thront stolz der Doge, der vom Volk gekrönte.

Es lehnt an ihm in mädchenhaftem Zagen

Sein junges Weib, das holde, glückverschönte, Ein Page, der an Schleppendienst gewöhnte, Kniet stumm dabei in Pusfenwams und Kragen.

Der Weihrauch dampft, zu Ende geht die Messe,

Es blickt verklärt die schöne Dogaresse . .

Doch sehen könnt Ihr, wenn Ihr näher tretet,

Daß tief im.Sammt, dem dunkelvioletten,

Des Pagen Hand und ihre sich verketten — Der alte Doge kniet im Stuhl und betet.

253

Lied der Gharvaze. Seidne Gewänder,

Spangen von Gold — Kann es nicht ändern,

Hab's so gewollt.

Bunt sind die Kleider, Falsch das Geschmeid, Falsch meine Liebe,

Echt nur mein Leid.

Was ist mein Leben? Tolles Gewirr, Lachende Lüge,

Schellengeklirr.

254 Keiner ^at lieb mich Auf dieser Welt, Tanzen und singen

Muß ich für Geld.

Einmal noch blicke Freundlich mich an — Weißt ja nicht morgen,

Daß Du's gethan.

Bin eine Flamme,

Die, windgewiegt,

Lodert und leuchtet Und früh verfliegt.

255

3m Sonnenschein. Wir sitzen beisammen in seliger Lust Auf griechischen Tempelquadern, Es leuchtet der Himmel, es schwillt unsre Brust, Die Jugend pocht in den Adern.

Wir sind dem Glücke der Götter nah, Weichschäumend wirst sein Getriebe

Das kosende Meer um Ithaka — O, daß es ewig so bliebe.

Es schlummert Dein goldumstobnes Haupt Im Schatten surrender Myrten, Du lächelst, in Fernen glutdurchstaubt

Singen albanische Hirten;

Buntscheckige Ziegen klettern schnell, Durch bröckelndes Felsgeschiebe,

Und drüber die Sonne so hell, so hell, O, daß es einig so bliebe.

256 Es wird nicht bleiben.

Die Sonne will

Uns küssen im Niederwandern; Eh' sie versunken, großäugig, still,

Liebst Du längst einen Andern. Das Glück hat keinen Heimatsort, Und das beste bei Frühling und Liebe Ist jenes thörichte süße Wort:

O, daß es ewig so bliebe!

257

Meeresleuchten. Das Meer die grünen Wellen hob, Der Tag ging früh zur Neige, Der Wind in schwülen Stößen schnob Durchs sausende Myrtengezweige.

Heißdunstig flogen von Süden her Die'Wolken, die jagenden, feuchten, Es Pflügte der Sturm das donnernde Meer, Die Wellen begannen zu leuchten.

Da sank Dein windumstobnes Haupt An meine Brust, bezwungen, Dein Herz, das ich erstarrt geglaubt, Hat Auferstehung errungen, Schönaich-Carolath, Dichtungen.

17

258 Es kam in seinem tiefsten Grund Des Trotzes Kern zu brechen,

Dein herber, rotgesäumter Mund Begann von Liebe zu sprechen.

Dein Herz will wie die weite See Kühl und großatmend branden,

Einsam im Glücke, stolz im Weh, Unnahbar, unverstanden,

Und nur bei Stürmen großer Art

Wird jäh im Weltgetriebe

Das seltne Leuchten offenbart, Das Leuchten Deiner Liebe.

259

Riinstlerroman. Als tot auf schlechtem Gasthofbette lag

Sein junges Weib bei Unschlittkerzenflammen, Da schob Papier, verstreutes, er zusammen,

Und schrieb darauf bis an den grauen Tag. Es ward an Inhalt und an süßem Schalle

Ein also großes, ewiges Gedicht, Daß die Genossen es verstanden nicht, Und schweigend wichen, tiefergriffen alle.

Er aber blieb allein mit einem Sarg Darin begrub er seine Jugendliebe —

Und jenes Buch, das ew'gen Ruhm verbarg,

Und das kein Denker leichthin nach ihm schriebe, Er schob es unters fahle Goldgelock

Als Ruhekissen für die schöne Tote, Und riß sich aus den Hecken einen Stock

Und schritt hinaus ins Morgenlicht, das rote.

260

Volkslied. Es steht in Deutschland eine Lind' Auf einen Friedhof mitten, In diese alte Linde sind

Zwei Herzen eingeschnitten.

Sie liebten sich, weiß stand der Klee, Ihr Glück war kaum zu fassen;

Doch als die Schwalbe sang ade, Da mußten sie sich lassen.

Das eine lebt noch auf der Welt,

Thut singen, lachen und wandern, Und beten, daß es bald beigesellt

Dem andern.

261

Dank. Ein Lied in alle Welt hinaus

Hab' ich dereinst gesandt,

Da kam zurück ein Veilchenstrauß Als Gruß van fremder Hand;

Ich hab' ob seines Gebers nicht

Lang grübelnd nachgedacht,

Doch hat das Sträußchen frisch und schlicht

Mir reiches Glück gebracht.

Ich weiß ja nun, daß auferweckt Ein Echo mein Gesang,

Daß ich ein Menschenherz entdeckt, Darin er Wiederklang,

262 Und ob ich auch von Jugend her

Manch Gut und Glück versäumt: Nun ist mein Dasein nicht mehr leer,

Mein Leben nicht verträumt.

Und klingt mein letztes Lied einst aus

Und bricht mein Wanderstab, So legt den welken Veilchenstrauß

Am Herzen mir ins Grab.

263

G Deutschland! Mondschein und Giebeldächer

In einer deutschen Stadt — Ich weiß nicht, warum der Anblick

Mich stets ergriffen hat.

Dort drüben bei Lampenscheine Ein Jüngling starrt ins Licht,

Und schwärmt und schluchzt und empfindet Sein erstes und bestes Gedicht.

Dort sitzt eine junge Mutter, Die wiegt ihr Kind zur Ruh,

Sie lächelt und sinnt und betet, Und singt ein Lied dazu.

264 Es blickt auf die mondhellen Giebel

Tiefsinnend ein Greis hinaus, Er hält in der Hand eine Bibel, Drin liegt ein welker Strauß.

Die Bäume rauschen, es funkeln Die Sterne ab und zu;

Dort unten liegen die dunkeln

Häuser in tiefer Ruh.

Es plätschert in alter Weise

Am Simonsplatze der Born,

Von weitem tutet leise Der Wächter in sein Horn . . .

O Deutschland! mir that's gefallen

In manchem fremden Land — Dir aber hat Gott vor allen

Das beste Teil erkannt.

Du lebst und schwärmst und dämmerst In tiefer Seelenruh,

Wenn Du Dein Eisen hämmerst, Erklingt ein Lied dazu.

265

O lasse Dir niemals rauben

Die alte Schwärmerei Für Frauen, Freiheit und Glauben — Bleib unentwegt dabei!

Daß Du vom Born der Sage

Mögst schöpfen Frömmigkeit

Und Kraft zu wuchtigem Schlage Nun und in Ewigkeit.

266

Gewitternacht. Wir schritten zögernd durch den Park,

Es mochte kein Blatt sich regen,

Die Luft war schwer, es dufteten stark

Die Blumen an den Wegen.

Der Teich schlug Wogen schwarz und lau, Im Schilfe riefen Unken,

Irrlichter stoben schwefelblau

Umher gleich wirren Funken.

Sie hatte mit Beben meinen Arm Im Dunkeln angenommen, So gingen wir, an Worten arm,

Glückselig und beklommen.

267 Ihr Auge trübte sich, es hob

Ihr Busen sich bang und traurig; durchs Wipfelgewirr tief atmend stob Gewitterwind warm und schaurig.

Es rieselten nieder schwer an Duft Akazienblütenftocken,

Es wehte in Stößen die schwüle Luft, Mir ins Gesicht ihre Locken.

Em Wetterleuchten zog flammend herauf Im jagenden Wolkengetriebe;

Es stieg auch uns im Herzen auf

Das Lenzgewitter der Liebe.

268

Letzter Tanz. Es glüht im Fieber das graue Haus, Lichtstreifen fallen breit hinaus Auf sommertrübe Gassen;

Es flammt der Saal von Kerzen ganz, Und wir beide tanzen den letzten Tanz Eh' wir uns müssen lassen.

Ich bin gezogen von Meer zu Meer, Und als ich heimlam, die Taschen schwer,

Warst Du die Braut eines Andern;

Die Spatzen riefen's von jedem Dach, Die Basen zischten und sprachen's nach: Das kommt vom Wandern, vom Wandern.

269

Wir tanzen als habe der Tod Dich gepackt, Es fegt Deine Schleppe spitzengezackt In welken Orangenzweigen,

Schon geht der Zeiger auf Mitternacht, Dein junger Gemahl er sieht's und lacht —

Es schluchzen so wild die Geigen . .

Ich wollte, wir irrten im nordischen Land, Von keinem geliebt, von keinem gekannt,

Im Schneesturm über die Heide, Und daß Du ruhtest unbewußt

In meinem Mantel, an meiner Brust, Und daß wir stürben beide.

270

Allerseelen. Es brennen die Kerzen düster,

Der Weihrauch duftet ringsum, Die Menge kniet mit Geflüster,

Die Orgel wurde stumm.

Es leidet wohl jeder Schmerzen

Um ein geliebtes Blatt, Das Gott aus dem tiefsten Herzen

Ihm einst gerissen hat,

Doch die verlorene Seele,

Die betend ich gemeint, Nicht ist sie gestorben in Fehle

Betrauert und beweint,

271 Nicht mag entsühnt sie liegen In einem engen Schrein —

Noch läßt sie die Locken fliegen

In des Lebens Sonnenschein,

Noch ließe sie leuchten finster

Ihr Auge vor Hohn und Spott, Wenn sie es müßt', daß im Münster

Ihr Name genannt vor Gott,

Daß, während ein Kleid am Herzen

Und ein Ball im Sinn ihr lag,

Für sie gebrannt die Kerzen Am Allerseelentag.

272

Und wenn dereinst . . .

Und wenn dereinst wir Engel sind,

Die überwunden das Leben, O dürften wir dann im Morgenwind Mit lächelnden Lippen schweben!

O wären wir frei von Lieb' und Haß, Daß wir nichts bangten und sehnten,

Daß wir, wie Schmetterlinge im Gras,

Die weichen Flügel dehnten!

Wir werden es nicht.

Die Liebespein,

Die wir erfahren auf Erden, Sie reicht bis in den Himmel hinein,

Wir dürfen nicht los sie werden.

273 Und wären die Himmel noch so blau

Und noch so sanft unsre Herzen — Was wir erlitten um eine Frau,

Wir werden es nie verschmerzen.

Und zögen Lenze neu heraus Gleich Sonnen im Herzensgründe,

Es hörte doch nimmer zu bluten auf

Der Erdenliebe Wunde.

Wir werden treiben durch Zeit und Raum, Uns sonnen, uns wiegen und feilten,

Und ewig an den Fiebertraum

Glückloser Liebe denken,

Wir werden ewig denken an sie

Mit schwermutvollem Sinne, Und ewig singen die Melodie

Verlorner erster Minne.

Schönaich-Carolath, Dichtungen.

13

274

Wliftenweh. Die Wiiste lag im Abendrot, Gen Theben ritten wir im Trab, Da fiel mein Roß sich jäh zu Tod An eines Scheichs verwehten: Grab.

Gelehnt an den erstarrten Bug, Der hingebettet lag im Sand, Sah jagen ich im Schattenflug Ein Dunstgewölk durchs bleiche Land.

Schon fiel der Sonne letzter Strahl Schräg auf des Nils fahlgelbes Bett, Es dämmerte im Todesthal, Die Nacht kam über Medinet;

275 Und als sie auf die Wüste sank,

Die weit sich dehnte, heiß, verblaßt, Erwachte rings ein wirrer Klang, So fremd, daß Grauen mich erfaßt.

Ein Stöhnen war's, ein Schrei von Schmerz Ohnmächtig, qualvoll, wilder Art,

Als Halle nach ein Werk von Erz, Das Lis zum Kern gespalten ward.

Das ist der Wüste großes Weh: Wohl küßt der Lenz ihr Felsenthor,

Doch ruft sein jubelnd Kyrie

Aus ihrer Brust kein Grün hervor.

Allnächtlich blickt der Mond, verblaßt, Auf braune Hügel, sandverweht, Daran entlang, mit scheuer Hast

Die Karawane lautlos geht.

Allewig starrt im Sonnenschein Das Riesenbrandmal, staubbefleckt,

Daraus hochrippiges Gebein

Die weißen Knochenmassen streckt.

276 Und dennoch duldet tiefbewußt Die Scherbenstätte heiß und rot In Lebensdrang, in Opferlust —

Das Weltall lebt — nur sie bleibt tot.

Ich kenne gut der Wüste Qual,

Sie hallt in jedem Herzen nach, Dem an des Lebens Marterpfahl Ein großes Leid den Glauben brach.

Wohl bäumt es sich vor Lebensdrang, Wohl stürmt und zittert es darin,

Doch geht der Auferstehungsklang Der Liebe nicht darüber.hin.

Es leidet, doch es blüht nicht mehr Und selten findet es ein Lied,

Das — wie die Karawane — leer Und geisterhaft vorüberzieht.

277

Meerfahrt. Es pflügt mit triefendem Buge Das Schiff die Wasserbahn

Im Mastwerk singt seine Fuge

Zornmüthig der Lenzorkan.

Was kümmert uns Kampf und Toben? Lehn Dich an meine Brust;

Wir zwei auf Deck hier oben Sind uns des Siegs bewußt.

Was kümmern uns die Bilder

Des Todes und der See?

Mein tolles Herz ist wilder

Als jede Westerbö,

Und Deines brandet weicher

Und sanfter von Begehr,

Doch ist es perlenreicher

Und tiefer als das Meer.

278

Litte. Wenn einst das Kirchlein offen steht

Im Lindengrün im Maienstrahl, Wenn über Dich hinbrausend geht

Sieghaft der Orgel Schlußchoral,

Wenn Dir vereint auf ewig ward Der Mann, deß Liebe Dich beglückt,

Wenn alle Dich, nach frommer Art, Gesegnet und ans Herz gedrückt,

Dann schreite still vom Gotteshaus

Zum Friedhof hin — weit ist es nicht — Und leg aufs Grab mir einen Strauß Vergißmeinnicht.

279

Die verlassene Villa. Nun ruht die Villa verlassen, Der Vollmond überfliegt Weißleuchtend die Marmorterrassen,

Drauf einst Dein Fuß sich gewiegt.

Versilbert grüßen die Dächer, Doch spinnender Ranken Last

Verdüstert die schwülen Gemächer, Die Du bewohnet hast.

Du hast sie verlassen vor Jahren, Doch blieb in ihnen zurück

Aus Deinen dunklen Haaren Ein Duft von verlornem Glück.

280—

Da draußen blüht schwer der Flieder,

Die Nachtigall schluchzend singt, Doch wann kehrt ein Frühling wieder,

Der Dich zur Heimat bringt?

Wohl will es mich heiß gemahnen

An kommender Lenze Zeit,

Doch es rauschen bang die Platanen Von versunkner Seligkeit,

Sie rauschen und überschatten

Die schauernden Gärten rings;

Aus dunklen Taxusrabatten Lacht ein steinerner Sphinx.

281

Hinüber.

Ich möchte sterben, wenn den letzten Schnee

Der Südwind löscht, wenn sanfte Nebel senken Sich auf das Thal, wenn über Berg und See

Den Flug zur Heimat Kranichzüge lenken,

Wenn sich gelöst des Winters starres Trauern, Im warmen Wind laublos die Bäume schauern, Wenn ahnungsvoll durch alles was da lebt

Ein Hauch von Sehnsucht, junger Liebe schwebt, Wenn letztes Eis in Menschenherzen thaut, Wenn süß und tief der Orgel Klang vergrollte

Und jenes Lieb, das mein nicht werden sollte, Zur Kirche schreitet, eines Andern Braut — Dann laß, mein Gott, aus Staub und Erdenwinden Auch mich den Weg zur ewigen Heimat finden,

Laß dann auch mich, ein Blatt, gelöst vom Stamme, Entgegenziehn der großen Liebesflamme,

282 Der unser Mund verlornes Gut befahl, Die alles Glück, das wir ersehnt, verloren, Ans Herz uns bettet, schuldlos, neu geboren;

So laß auch mich an weichen Lenzestagen Verlorner Liebe letzte, tiefe Qual

An Deine Brust, an Dein Erbarmen tragen.

283

Am Südmeer. Denkst Du des Tags, da wir am Südmeer standen?

Wir sahen weit und uferlos es gähnen,

Der trübe Tag mit fahlen Wolkenmähnen

Versank bei Capri über dunklen Landen.

Dein schwarzes Haar flog wirr in feuchten Strähnen,

Du lachtest hell zu Sturm und Wogenstranden,

Der Ocean, in schmetterndem Verbranden,

Warf Dir zu Füßen seine bittren Thränen.

Auf Wellen, die vergrollend südwärts wanken,

Zieht heimatlos wie weiße Meeresschäume Ein jedes Glück, das hoch und herrlich war.

Und unsrer Seele letztes Gut — Gedanken

Wirst der Orkan als Perlen und als Träume Der Frau zu Füßen, die uns Schmerz gebar.

284

Daheim. Ein Weg durch Korn und roten Klee,

Darüber der Lerche Singen,

Das stille Dorf, der Helle See, Süßes Wehen, frohes Klingen,

Es wogt das Korn im Sonnenbrand

Darüber die Glocken schallen —

Sei mir gegrüßt, mein deutsches Land, Du schönstes Land vor allen.

285

Traum. Es war vorbei. —

Das letzte Zucken, der letzte Schrei Verhallt zu nichts,

Verschmerzt und versunken das Leben,

Es durfte schauernd entschweben

Die Seele zum Quell des Lichts.

Erlöster Erdenpilger lange Züge

Wallten zum Endziel; feiertäglich klang Und friedevoll ihr hoffnungsfrohes Beten.

Sie zogen hin, als ob sie aufwärts trüge Ein großes Sehnen, Greise neben Bräuten

Mit stillen Stirnen.

Die Gelvänder wehten

Im frischen Winde, von der Erde drang

Es wirr herauf wie fernes Glockenläuten.

286 Auch Dich sah ich zur ew'gen Hermat schweben, Abseits der Menge, im weichbraunen Haar

Den halbverblühten Totentranz; Dein Auge Von Abschiedsthränen noch verdunkelt war.

Du sahst mich an und sprachest leis: vergieb, Ich habe Dich so endlos endlos lieb, Vergiß, daß ich Dir Schmerz einst schuf und Qual,

Ich hab' geirrt in jenem Nebelthal,

Nun ist's verkümpft . . Dein eigen ward ich doch . . .

Ein Windstoß braust.

In meines Zimmers Raum

Dämmert der Morgen, kalt, entsetzlich saht,

Ich schrecke auf — und alles war ein Traum — Ich lebe noch.'---------

Letztes Blühen.

Es kommt noch einmal mir zu Sinn Der Liebe holdes Wunder; Wir gehen durch die Mondnacht hin,

Die Nachtigall klagt im Hollunder.

Es bettet sich schwer und süß Dein Haupt Aus meine Brust mit Beben,

Mein Herz, das längst ich tot geglaubt, Erwacht noch einmal zum Leben.

Es schauert und ringt im Mondenlicht, Weil mit gewaltigem Triebe

Durch seine Tiefen kosend bricht Der Lenzsturnr Deiner Liebe.

O gönne mir einen letzten Trarrm, Du Kind mit glühenden Wangen: Bleib treu mir, bis vom Holderbaum

Die Blätter wirbelnd gegangen,

288 Ich möchte mildern den Abschiedsschmerz Durch etwas seltsam Neues,

Ich möchte sterbend pressen ans Herz

Ein Frauenherz — ein treues.

Des Glückes Tage geh'n im Flug, Bald ist es Sommermitte . .

Es ist ja nur ein holder Betrug

Um den ich scheu Dich bitte. Denn falten die Blätter müd und lind Herbduftend an den Wegen,

Dann gehe auch ich, ein Blatt im Wind, Dem ewigen Lenz entgegen,

Dann gehe auch ich, um weit von hier, Wohl unter rauschenden Bäumen

In aller Ewigkeit von Dir

Und Deiner Liebe zu träumen.

289

Jn der Fremde. Nun schmilzt am Weg der letzte Schnee, Das ist das Littorale — Tiefblau und blendend liegt die See

Im heißen Sonnenstrahle.

Von jeder Hecke, von jedem Zaun

Verblühte Rosen fliegen, Lachende Mädchen, schlank und braun

Aus allen Fenstern liegen,

Wie Riesentrauben stehn in Pracht Orangen und Mandarinen, Aus allen Lauben flehn bei Nacht

Verliebte Kavatinen, Schönaich-Carolath, Dichtungen.

19

290 Verschränkte Paare schlank und kühn

Durch alle Vignen wandeln, Das Liebeswerben überblüh'n Frohlockend rote Mandeln.

Und über dem heißen, glückseligen Land Da rauschen im Winde die Pinien, Da ragen die Berge unbekannt

In weichen sonnigen Linien, Und über der See tiefblau und weit Liegt der Himmel unermessen — Doch über allem mein Herzeleid

Um Dich, die ich in Ewigkeit

Nicht werd' vergessen!

291

Derbst am Iilrichberg. Schon zittert welk das Ahornblatt

Im müden Sonnenschein,

Die Gassen der alten Limmatstadt Duften von neuem Wein.

An froher Villen Gartenthor

Bleib' ich erwartend stehn,

Als müsse durch späten Rosenflor

Noch einmal die Liebste gehn.

Es decken Nebel den Rebenhang Und über die Gärten weit

Zieht Frauenlachen süß von Klang —

O Jugend, du heilige Zeit!

Ich bin ein Wandrer mit grauem Haar, Der schweigend zu segnen kam

Die Sommerlust, die sein einst war, Das Glück, das Abschied nahm,

292 Der einmal noch segnet, still von Sinn,

Dies Land, das ihm in Pracht

Des Mannesherzens Hochgewinn, Die volle Lese gebracht.

Nun trauert verödet und bleich die Flur, Doch liegen die Stoppeln brach,

Zieht jedes Lebens Pflügerspur

Der ewigen Ernte nach.

Bald goldet auch mir ein fremder Glanz Den letzten Nebeltag —

Vorüber . . tief unten im Ulmenlranz Rauscht jubelndes Festgelag.

Im fröstelnden Garten, rotumlaubt,

Die Götterbilder stehn, Und letzte dunkle Rosen ums Haupt Schlingt ein trunkner Silen.

293

heimwärts. Ein dürrer Eichbaum droht ins Land,

Dort sitz' ich, mein Leid zu klagen;

Die Ostsee schäumt, Staub deckt den Strand, Die Blätter wirbeln, jagen. Die Freunde gut, die Liebchen blond, Daran mein Herz gehangen,

Wo blieben sie?

Am Horizont

Verweht, vorausgegangen. Verfehlte Liebe, verlornes Glück —

Nun auf durch Erdenschauer, Unsterblich Herz, zu Gott zurück,

Zum Frühling ew'ger Dauer.

294

Lerbstreise. So will ich denn noch einmal fahren Den Rhein hinab zur grauen Stadt;

Die Heimat grüß' ich, wo vor Jahren

Mein Herz geliebt, geblutet hat.

Rauch hüllt die Dächer, in den Scheiben Spätsommersonne sinkend loht,

Mit süßem Laut die Schwalben treiben Den schrägen Flug durchs Abendrot.

Es steigt des Domes Schattenmasse

Mit Blumenzier und Turmesknauf Weltflüchtend aus dem Lärm der Gasse,

Verleuchtend flammt der Tag darauf.

Von Liebchens Haus im Abendschimmer Das rote Weinlaub fliegt und nickt, Allein der Sonne Glutgeflimmer

In fremde Frauenaugen blickt.

295 Auch keine Freunde gilt's zu finden,

Sie schlafen längst wie's Gott gewollt,

Auf- ihren Grabstein schütten Linden Der braunen Blätter Raschelgold.

Und fremde Kinder jubeln, lachen, Ein neues, wachsendes Geschlecht,

Nicht hab' ich Träumer unter Wachen

Und Lebensfrohen Heimatrecht.

Studenten zechen vor den Lauben

In hellen Haufen, buntgereiht, Schon rötet früher Frost die Trauben, Bald naht die große Wanderzeit,

Gen Süden lenkt im Heimwehtriebe Ein Kranichheer den Flug gemach;

Auch du, mein Herz, ziehst deiner Liebe Und deinem ew'gen Lenze nach.

296

Abschied. Nun ging der Sommer sacht zur Neige,

Die Hügel starren reisbelränzt, Aus triefendem Edeltannengezweige Das weiße Schloß im Herbsttag glänzt. Ich möchte noch einmal langsam gehen

An Deiner Seite, traumgewiegt, Wenn durch die dunklen Taxusalleen

Das raschelnde rote Herbstlaub stiegt,

Noch einmal, wenn fern des Gärtners Harke Den nassen Kiesweg sacht entlaubt,

Möcht' pressen ich tief im rauschenden Parke

An meine Brust Dein blondes Haupt. Dann wie ein Sturm, der schwül geschlagen

Durch Erdenschönheit und Rosenflor, Will ich den Kranz aus Lenzestagen

In letzten Liedern heimwärts tragen Zu Gott empor.

In unserem Verlage erschienen ferner:

Geschichten aue Moll 2. Auflage. Preis: Mk. 3.—, gebd. Mk. 4.—.

Jede dieser Erzählungen ist wie ein Stück versteinter Herzensgeschichte. Das giebt ihnen gerade ihren hohen künstlerischen Wert, denn von ihnen kann man sagen, was einmal Uhland von Dante gesungen hat, es ist eine Poesie, die der Blitz in den Felsen geschlagen hat.

THauwasser 2. Auflage. Preis: Mk. 3.—, gebd. Mk. 4.-. Diese Novelle ist ein Meisterstück voll innerer Poesie, seltsam ergreifend, fremdartig im Gepräge, das Ganze wie ein Lied mit Hellem Glück und zeitigem, allzuzeitigem Frühling, mit einem jähen Übergang nach Moll und dem Dahinbrausen rächender, vernichtender Thauwasser.

6.3. Sörcven'rcfte Uerlagshandlung in Delpzlg.

VÄMlMMimitz-CllrMH Der Lreißerr. — Kezukus.

Der Heikand der Ediere. Drei (Novekken. Preis: Mk. 3.— gebd. Mk. 4.—. Es sind drei Kunstwerke ersten Ranges, die hier in einem schmucken Bändchen vereinigt erscheinen. Bescheiden nennt sie der Verfasser Novellen; aber man könnte von

ihnen vielmehr,

wollte man anders das Gesamturtell

vorwegnehmen, mit ähnlichem Bilde wie Jean Paul von

Schopenhauers Arbeiten behaupten: diese Novellen gleichen Nordlandsseen, in die der Sonne Strahlen nur flüchtig

hineinglitzern, während die ewigen Sterne die Wasser bis zum Grunde durchleuchten.

6.3. «örcften'rcfte Uerlagsbandlung in Leipzig.