Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts: Band 1 [Reprint 2016 ed.] 9783111603957, 9783111228785


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German Pages 482 [508] Year 1964

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Table of contents :
INHALT
VERZEICHNIS DER FACSIMILIA. Quellennachweis
VORWORT
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
DIE FORMEN DER RELIGIÖSEN DICHTUNGEN DES 11. UND 12. JAHRHUNDERTS
DIE DARBIETUNG DER TEXTE MIT BESPRECHUNG DER EINZELNEN DICHTUNGEN
I DIE MERKDICHTUNGEN IN LANGZEILEN
II DIE DICHTUNGEN IN GLEICHZEILIGEN LANGZEILENSTROPHEN
III SEQUENZARTIGE DICHTUNGEN
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Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts: Band 1 [Reprint 2016 ed.]
 9783111603957, 9783111228785

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Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts

Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts Nach ihren Formen besprochen und herausgegeben von Friedrich Maurer

Band I

MAX NIEMEYER V E R L A G TÜBINGEN

1964

Mit 20 Abbildungen auf Tafeln

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1964 Satz und Druck: H. Laupp jr Tübingen Einband: Heinr. Koch Tübingen

Meiner

Frau

zum 6. XII.

1964

INHALT Verzeichnis der Facaimilia

IX

Vorwort

XI

Verzeichnis der Abkürzungen in den Apparaten

XV

D I E FORMEN DER RELIGIÖSEN DICHTUNGEN D E S 11. UND 12. J A H R H U N D E R T S

1-30

Der Umbruch in der Form des Erzählens nach 1150 (S. 3) Reimpaare im altdeutschen Vers? (S. 6) — Die binnengereimten Langzeilen als Ausgangspunkt der altdeutschen Formkunst (S. 7) - Langzeilen und Reimpaare - Zeilenstil und Hakenstil (S. 9) - Die Kennzeichnung der alten Langzeilenstrophen in den althochdeutschen Handschriften (S. 11) — Die altdeutschen Formen im abendländischen Zusammenhang: lateinische Parallelen (S. 15) - Unmittelbare Vorbilder und Zeitgenossen der althochdeutschen Langzeilen (S. 17) - Altfranzösische Parallelen (S. 20) - Laissenformen und Langzeilenstrophen (S. 22) - Hinweise der Überlieferung auf die Form der Dichtungendes 11. und 12. Jahrhunderts (S. 24) - Umfangreiche Dichtungen in Langzeilenstrophen: die Werke der Ava (S. 27) - Die Kaiserchronik (S. 30) - König Rother (S. 36) - Merkdichtungen in Langzeilen: Genesis und Exodus (S. 39) — Ergebnis: Die verschiedenen Typen der Langzeilendichtung (S. 47) - Die Art des Vortrags: Lieder und leichartige Dichtungen (S. 49) - Vortragsart der Dichtungen in ungleichzeiligen Strophen (S. 50) — Vortragsart der umfangreichen Dichtungen in ungleichzeiligen Strophen (S. 52) - Das Auftreten der neuen fortlaufenden Reimpaare. Gibt es Reimpaarstrophen? (S. 54) - Begründung in der Darbietung der Texte; Grundsätze der Edition (S. 56) D I E DARBIETUNG D E R T E X T E MIT BESPRECHUNG D E R E I N Z E L N E N DICHTUNGEN I. Die Merkdichtungen in Langzeilen

61-468 63-245

1. Meregarto

65

2. Die Idsteiner „Sprüche der Väter"

76

3. Die Mittelfränkische Reimbibel

95

4. Der Physiologus

169

VTII

INHALT

II. Die Lieder in gleichzeitigen Strophen

247-396

5. Memento Mori 6. Cantilena de Conversione Sti. Pauli 7. Ezzos Cantilena de Miraculis Christi 8. Die sogenannte „Summa Theologiae" 9. Das Lob Salomons 10. Paternoster 11. De Septem sigillis 12. Das Vorauer Marienlob 13. Das Melker Marienlied 14. Vom Himmelreich

249 261 269 304 317 327 345 352 357 365

I I I . Sequenzartig gebaute Lieder 15. Historia Judith 16. Das sogenannte Hamburger Jüngste Gericht 17. Von der babylonischen Gefangenschaft 18. Die Wahrheit 19. Arnsteiner Marienieich 20. Mariensequenz von Muri 21. Mariensequenz von St. Lambrecht

397-468

.

398 408 418 426 433 455 464

VERZEICHNIS DER FACSIMILIA nach Seite

Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.

1 2 3 4 5 6 7

Schluß von Otfrids Evangelienbuch - Cod. Fris. Cgm. 14, Bl. 125r . Ludwigslied vs. 32 ff. - Bibl. de Valenciennes, H s . 143, Bl. 142 v . . Petruslied - Olm. 6260 Fris., Bl. 158 v Christus u n d die Samariterin - Cod. vindob. 515, Bl. 5 r Anfang des Georgslieds - Cod. palat. lat. 52, Bl. 200v Psalm 138 vs. I f f . - Cod. vindob. 1609, Bl. 69r Anfang des Nibelungenliedes - Stiftsbibliothek S. Gallen, Nibelungenhs. B, Bl. 291 v 8 Aus der 32. Aventiure des Nibelungenliedes - Fürstl. Fürstenberg. Bibliothek Donaueschingen, Nibelungenhs. C, Bl. 76 v 9 Cod. palat. germ. 357 (Kl. Heidelberger Liederhs.), Bl. 2 4 v . . . . 10 Eulaliasequenz - Bibl. de Valenciennes, Hs. 143, Bl. 141 v . . . . 11 Friedberger Christ u n d Antichrist - Universitätsbibliothek Gießen, Hs. 660, Bl. 6 r I I a Friedberger Christ und Antichrist - Universitätsbibliothek Gießen, Hs. 660, Bl. 7 v 12 Memento mori - Straßburger Hs., Bl. 154v 13 Scoph von dem lône - Archives Départementales du H a u t - R h i n Kolmar, Série F , varia 108, Bl. 2 a 14 Cantilena de Conversione S. Pauli - Archives Départementales d u H a u t - R h i n Kolmar, Série F , varia 108, Bl. 2 c 15 Baumgartenberger Johannes Baptista — öffentliche Bibliothek Linz, Hs. 317, Bl. 119v 16 Melker Marienlied - Stiftsbibliothek Kloster Melk, Cod. J 1 (Hs. 383), Bl. l r 17 Vom Himelriche vs. 220ff. - Clm. 9513, Bl. 5 r 18 Arnsteiner Marienlied vs. 253ff. — Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Hs. C 8, Bl. 134v u n d 135r 19 Mariensequenz aus St. Lambrecht - Universitätsbibliothek Graz, Hs. 287, Bl. 8 v

8 8 8 8 16 16 16 16 16 16 24 24 24 24 32 32 362 362 434 434

Quellennachweis : A b b . 1-5, 10: M. Enneccerus, Die ältesten deutschen Sprachdenkmäler. Frankf u r t a . M. 1897. Abb. 6: Hs. der österreichischen Nationalbibliothek. Abb. 7 : Hs. der Stiftsbibliothek St. Gallen (Foto Grubenmann-Morscher). Abb. 8: J a h r b u c h der S t a d t Freiburg 1940. Abb. 9 : Hs. der Universitätsbibliothek Heidelberg (Reprod u k t i o n Omnitypie-Ges. Nachf., L. Zechnall, Stuttgart). A b b . 11 : Hs. der Universitätsbibliothek Gießen. Abb. 12 : K. A. Barack, Ezzos Gesang von den Wundern Christi und Memento mori, Straßburg 1879. Abb. 13, 14: H s . der Archives Départementales, Kolmar. Abb. 15: Hs. der öffentlichen Bibliothek Linz. Abb. 16: Hs. der Stiftsbibliothek Melk. Abb. 17: Hs. der Staatsbibliothek München. Abb. 18: Infrar o t a u f n a h m e der H s . der Staatsbibliothek Wiesbaden. Abb. 19: Hs. der Universitätsbibliothek Graz. W i r danken f ü r die freundlich erteilten Abdruckgenehmigungen.

VORWORT Die religiösen Dichtungen der frühen mittelhochdeutschen Zeit sind neuerdings wieder stärker von der Forschung beachtet worden1). Ihre große Bedeutung als eigenständige frühe Formkunst wie auch als wesentliche Station in dem großen geistesgeschichtlichen Vorgang der nationalen Aneignung des christlichen Gedankenguts wird heute gesehen; und ebenso ist diese Dichtung als wichtige Voraussetzung für das Verständnis und die historische Einordnung der großen Stauferdichtung erkannt. Aber die Konsequenzen dieser Erkenntnis sind nicht gezogen; dazu müßte zuerst ein seit langem geäußertes Desiderat erfüllt sein, nämlich die zuverlässige Arbeitsgrundlage in einer Gesamtedition dieser Dichtungen vorgelegt werden. Mit ihr soll hier ein Anfang gemacht werden. Der Beginn der Arbeiten für dieses Buch geht über dreißig Jahre zurück. Damals übernahm ich für das große Sammelwerk „Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen" die Reihe „Geistliche Dichtung", in der zwei Bände der „Cluniazensischen Dichtung" vorbehalten waren; ich begann auch damals mit der Vorbereitung dieser Bände. Der Krieg unterbrach die Arbeit; unter seinen Folgen ist das Sammelwerk selbst erlegen. Aber als 1945 und kurz danach die Zugänge zu den großen Bibliotheken sehr erschwert waren, kehrte ich zu den Texten des 11. und 12. Jahrhunderts und meinen Abschriften zurück. Neue Unterbrechungen folgten, bis die Beschäftigung zunächst mit den Langzeilenproblemen, später mit den strophischen Formen der Dichtung vor 1150 überhaupt mich erneut an die Geistlichendichtungen führten. Ich hatte die Überzeugung gewonnen, daß diese frühe mittelhochdeutsche Dichtung nicht anders als die ältesten dichterischen Schöpfungen in deutscher Sprache, Otfrids Liber Evangeliorum und die kleinen Lieder aus dem 9. und 10. Jahrhundert, in binnengereimten Langzeilen und in Strophen gestaltet und als ihre unmittelbaren Fortsetzer zu verstehen seien 2 ). So stellte sich die Aufgabe, diese meine Thesen von dem Verhältnis zwischen Langzeilenstrophen und fortlaufenden kurzen Reimpaaren an den Texten selbst zu erproben. Es ergab sich notwendig der Versuch, Dichtung für Dichtung in der von mir behaupteten Gestalt vollständig niederzuschreiben; dies aber zwang zu eindringender Beschäftigung mit der gesamten Überlieferung der Texte und führte schließlich zur Untersuchung der möglichen und denkbaren Formen dieser Geistlichendichtung, ihrer Wiedergabe und ihres sprachlichen und musikalischen Lebens. Daß ich *) Max Ittenbach, Deutsche Dichtungen der salischen Kaiserzeit. Würzburg 1937; Werner Schröder, Der Geist von Cluny und die Anfänge des frühmittelhochdeutschen Schrifttums. In: Beitr. 72 (1950) 321 ff.; Hugo Kuhn, Gestalten und Lebenskräfte der frühmittelhochdeutschen Dichtung. In: Dt.Vjschr. 27 (1953), 1-30; Heinz Rupp, Deutsche religiöse Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts. 1958 s ) vgl. „Pestschrift für Ernst Ochs", (1951), S. 31-52 und „der Deutschunterricht" 11 (1959) S. 5-24

XII

VORWORT

dabei bis in Einzelheiten der rhythmisch-metrischen, der Zeilen- und Strophengestalt und zur Untersuchung der Reimform gehen mußte, ist begreiflich. Gleichwohl legten Zahl und Umfang der Texte Beschränkungen auf. Es war nicht möglich, alle bis ins letzte zu untersuchen oder gar den Versuch zu machen, sie alle kritisch in ihrer ursprünglichen Form wieder herzustellen. Vielmehr beschränkt sich mein Vorhaben darauf, die überlieferten Stücke so treu wie möglich wiederzugeben; ihre sprachliche Gestalt in gewissem Umfang, besonders im Orthographischen, zu normalisieren; offenbare Fehler zu kennzeichnen und womöglich zu bessern; sie vor allem auf die Langzeilen- und Strophenform hin zu betrachten. Mein Ziel war also, die Dichtungen in einer ihre Überlieferung gewissenhaft wiedergebenden Gestalt vorzulegen, die weiterer Forschung dienen kann, sowohl der philologischen Bemühimg um die ursprüngliche vom Dichter gemeinte Form der einzelnen Stücke wie auch endlich der fundierten geistes- und formgeschichtlichen Betrachtung und Einordnung. Bei den meisten Stücken habe ich, parallel zu meinem Versuch der Herstellung ihrer ursprünglichen Form, den getreuen Abdruck der Handschriften gestellt; er soll zeigen und bequem nachprüfen lassen, daß meine Strophengliederung in der Form der Überlieferung (besonders ihrer Initialentechnik) seine Begründung findet. Im übrigen ist in den einleitenden Bemerkungen jeweils das Nötige dazu gesagt. Es ist einer der bedauerlichsten und folgenschwersten Mängel unserer Wissenschaft gewesen, daß seit den ersten Abdrucken von 1830. 1837. 1846. 1849 und 1864 durch Hoflmann, Massmann, Karajan und Diemer und seit den Arbeiten von W. Scherer und E. Steinmeyer sowie C. von Kraus keine umfassende philologische Bemühung um diese religiöse Dichtung erfolgt ist; daß zugängliche Editionen von so bedeutsamen Werken wie denen der Ava etwa oder der Reimbibel oder des Physiologus, aber auch vieler anderer und kleinerer Dichtungen seit langem fehlen. Die Folge war, daß man sich mit ihnen viel zu wenig beschäftigt h a t ; daß sie im akademischen Unterricht und besonders für Seminarübungen und Dissertationen nur eine beschränkte Rolle spielen konnten. Ich hoffe, daß im Zusammenhang mit dieser Ausgabe sich die Möglichkeit ergeben wird, einzelne Stücke in Studientexten vorzulegen. Das Ganze aber sollte und könnte die Erfüllung jenes Desiderats, die schon vielfach geforderte, zuletzt von E. v. Steinmeyer geplante Gesamtedition der religiösen Dichtung des 11. und 12. Jahrhunderts einleiten. Der zweite Band ist im Satz; er wird die Dichtungen in ungleichzeiligen Langzeilenstrophen enthalten. Ein dritter Band könnte eine Reihe weiterer strophischer Dichtungen bringen. Nicht in diesem Zusammenhang sollen die großen Bibeldichtungen erscheinen: die Wiener, Millstätter und Vorauer Genesis und Exodus, für die besondere Ausgaben vorbereit e t werden. Wäre mir von vornherein eine Arbeit dieses Umfangs im Blick gewesen, so hätte ich wohl nicht den Mut gehabt, sie zu unternehmen. Sie hätte auch unter den Pflichten und Belastungen anderer Art, besonders durch das Lehramt der letzten zehn Jahre, nie zu einem Ende geführt werden können, wenn ich nicht die großzügige Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft gehabt

VORWORT

XIII

hätte, für die ich auch hier meinen Dank sage; sie hat mir über vier Jahre hin ein Forschungsstipendium für eine wissenschaftliche Mitarbeiterin gewährt. Im Jahr 1958 hat Fräulein Dr. Schütz, von 1959 bis 1962 Fräulein Dr. Herta Zutt mit diesem Stipendium meine Arbeiten unterstützt. So war es möglich, sämtliche von mir hergestellten Texte noch einmal mit den Handschriften und früheren Ausgaben genau zu vergleichen; es war ferner möglich, daß die gesamte Sekundärliteratur durchgesehen und in die Apparate eingearbeitet werden konnte. Besonderen Dank schulde ich der ungewöhnlichen Sorgfalt und Umsicht von Fräulein Dr. Zutt; sie hat nach meiner Anleitung und nach meinen Grundsätzen die Apparate zusammengestellt und mir das Material für die endgültige Gestaltung bereitgestellt; sie hat ferner unermüdlich und gewissenhaft die Handschriften verglichen und die Texte überprüft. Zu danken habe ich auch meinen Assistenten Dr. Werner Besch und Dr. Robert Bergmann. Herr Besch hat die sprachlichen Ausgleichungen des Textes der Reimbibel und von Ezzos Cantilena nach meinen Richtlinien im einzelnen durchgeführt; Herr Bergmann hat bei der Herstellung buchstabengetreuer Abschriften, besonders der komplizierten aus der Millstätter Handschrift, geholfen. In dieser Hinsicht gebührt auch Frau Dr. Westerhausen und Frau Dorothea Bänsch mein Dank, die bei der Niederschrift der Texte hauptsächlich mitgewirkt haben. Fräulein Dr. Zutt und Frau Bänsch sowie Dr. V. Schupp haben auch bei den Korrekturen unermüdlich geholfen. Zu danken habe ich schließlich zahlreichen Bibliotheken. Es war mein Grundsatz, möglichst alle Handschriften selbst zu sehen und von allen Photokopien und Filme zu besitzen. Für die Vorauer Handschrift steht seit 1958 die schöne große Facsimile-Ausgabe des Chorherrenstifts Vorau zur Verfügung. Da sie jedermann bequem zugänglich ist, und sie jeder besitzen kann, habe ich davon abgesehen, die Vorauer Texte handschriftengetreu wiederzugeben 1 ). Leider fehlt uns noch die ebenso dringend erwünschte entsprechende Ausgabe der Millstätter Handschrift; durch die Güte des Kärntner Landesarchivs in Klagenfurt besitze ich aber eine vollständige Photokopie. Ihre Texte werden im folgenden in Paralleldruck zu meiner Ausgabe wiedergegeben. Ebenso verfahre ich bei allen anderen erreichbaren Handschriften. Für freundliche Hilfe und für die Erlaubnis zum Abdruck ihrer Handschriften habe ich den folgenden Bibliotheken zu danken: österreichische Nationalbibliothek Wien (Direktor D. Dr. F. Unterkircher); Kärntner Landesarchiv Klagenfurt (Hofrat Dr. G. Moro); Staatsbibliothek München (Oberbibliotheksrat Dr. Gichtel); Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek Donaueschingen (Frau Dr. Huber); Stiftsbibliothek Engelberg (Pater Dr. W.Hafner); Universitätsbibliothek Gießen; Universitätsbibliothek Graz (Frau Dr. Mairold); Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle; Universitätsbibliothek Innsbruck (Direktor Hofrat Dr. J.Hofinger); Stift S. Paul in Kärnten (Pater Wolfgang Schütz); Archives 1

) Es trifft sich glücklich, daß zudem in der nach Abschluß meiner Arbeit erschienenen Ausgabe der „Vorauer kleinen Denkmäler" von Henschel und Pretzel auch die handschriftliche Überlieferung wiedergegeben wird.

XIV

VORWOBT

Départementales Communales et Hospitalières Colmar (Archivdirektor Chr. Wilsdorf); Studienbibliothek Linz (Direktor Dr. K.Vancsa); Stiftsbibliothek Melk; Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Kollegium Samen (Pater Rupert Amschwand) ; Universitätsbibliothek Uppsala (Direktor G. Holmgren) ; Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (Dr. Demandt) ; Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel (Dr. Butzmann) ; Zentralbibliothek Zürich. Besonderen Dank schulde ich auch der Universitäts-Bibliothek in Freiburg für vielfache und über Jahre reichende Hilfe. Ferner habe ich zu danken : Herrn Professor Theodor Frings (Leipzig) und Herrn Dr. Rolf Burmeister (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg) für freundliche Hilfe bei der Suche nach der verschollenen Handschrift des „Hamburger Jüngsten Gerichts"; meinem verehrten Kollegen Herrn Prälaten Friedrich Stegmüller für kundige Beratung bei der Ordnung der Fragmente der „Reimbibel"; dem Vetus Latina Institut der Erzabtei Beuron, besonders Herrn Pater Bonifatius Fischer, für freundliche Bemühungen um InfrarotAufnahmen des Arnsteiner Marienieichs ; Herrn Pfarrer Dr. Anton Brunauer (Elbesthal), Herrn Dr. Bachmann (Landesarchiv Innsbruck) ; Mater M. Isabella Tutzer (Clarissenkloster Brixen) ; Pater Florentin Nothegger (Franziskanerkloster Hall/Tirol) und Herrn Dr. F. Bellmann (Halle) für freundliche Auskünfte bei den Nachforschungen nach den Handschriften der „Reimbibel". Schließlich gilt mein Dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die das Erscheinen des Werks durch einen namhaften Druckzuschuß ermöglicht hat, sowie dem Verlag Max Niemeyer und seinen Mitarbeitern, die auf alle Wünsche und Notwendigkeiten verständnisvoll eingingen, die sich aus den komplizierten Texten ergaben. Möge alle diese freundliche Hilfe und alle Bemühung zu einem Ergebnis geführt haben, das nicht nur den Philologen Möglichkeit und Anreiz zu weiterer Forschung gibt, sondern vielleicht auch den Theologen Quellen näher bringt, die bisher nicht leicht zugänglich waren ! Merzhausen bei Freiburg i. Br. den 15. September 1964

F. M.

VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN die in Band I und I I in den Apparaten gebraucht werden deB. Ba. Bar. Bay. Beh. Ben. Bieb. Boe. Br. Bu. Buch. Bul. Di. Do.

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de Boor Bartsch Borack Bayer Behaghel Benecke Biebricher Boesch Braune Busch Buchholz Bulst Diemer Docen

Eh. Ehtr. Ett.

=

Ehrismann Ehrentraut Ettmüller

Er.

=

Fritschi

Gi. Gr. Grbg. H. Ha. Han. He. Häv. Ho. = K.Hof. Hol. Holtz. Hue. Hzl. It. J. Jel. Jgh. Ka. Ke. Ket.

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Giske Graff Grienberger Haupt Habermann Hanisch Henschel Hävemeier HofEmann K. H o f m a n n Holmberg Holtzmann Huemer Heinzel

Ki. Kin. Kr. Kral. Krog. Ku. L. Lap. Lau. Lei. Ley. Lgth. Lie. Ma. Mar. M. B. Mei. Meis. MeU. Menh. Mi. Min. Mo. Moe. MSD

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Mü.

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Op. Oh.

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P. Pf. Pi. Pr.

Ittenbach Junius Jellinek Jellinghaus

B. Bo. Bos. Bu.

Karajan Kelle Kettner

Scham. Schd. Schdt.

=

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— = = =

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Kienast Kinzel Kraus Krallinger Krogmann Kuhn Lachmann Lappenberg Lauchert Leitzmann v. d. Leyen Langguth Lieberth Maßmann Martin Meyer — Benfey J.Meier Meisen Mellbourn Menhardt Mitter Minis Mone Moehl Müllenhoff-Scherer, Denkmftler Müllenhoff Opitz Ohly Paul Pfeiffer Piper Pretzel Roediger Roth Bosenhagen Rupp Schammberger Schade Schmidt

XVI Sehe. Schm. Sehn. Schö. Sehr. Schrb. Schütz. Schw. Schwei. Schz. See. Si. Sim. St. Tsch.

VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN* = = = =

Scherer Schmeller Schneider Schönbach Schröder Schröbler Schützeichel Schwickert Schweikle Schatz

Yb. Vg. Vu.

=

Seemüller Sievers Simrock Steinmeyer

Wack. Wal. Wee. Wei. Weid. Wes. Wg. Wi. Wilm. Wilh. Wu.

=

Tschirch

Z.

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Vomberg Vogt Vulcaniua

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--

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:

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Wackernagel Wallner Weede Weigand Weidling Wesle Waag Will Wilmanns Wilhelm Wunderlich Zarncke

D I E FORMEN DER RELIGIÖSEN DICHTUNGEN DES 11. UND 12. J A H R H U N D E R T S

1. Der U m b r u c h in der Form des E r z ä h l e n s n a c h 1150 „Von Vddeke der wise man der reiner rime aller erst began" Wenn man auch diese Verse Rudolfs von Ems gewiß richtiger versteht, indem man sie nicht auf den „Reim", sondern auf den Versbau im ganzen und besonders auf den rhythmischen Bau bezieht, so sind sie, scheint mir, doch auch damit noch nicht in ihrer vollen Bedeutung erfaßt. Das lehrt schon ein Blick auf Gottfrieds entsprechende Verse, denen offenbar auch in diesem Fall Rudolf seine Nachformung zur Seite stellt: „er inpfete daz erste ris in tintscher zungen davon sit este ersprungen..." Dieses „erste ris": das geht offenbar auf einen völligen Neueinsatz; einen NeuBeginn der Dichtung mit Veldeke, und zwar einen Neubeginn der deutschen Dichtung als Formkunst. Ich glaube, daß das in der Tat von Gottfried gemeint war und daß es auch in der Dichtungsentwicklung des Mittelalters seine Bestätigung findet. Einen Neu-Einsatz bedeutet bereits das Faktum des energischen Anschlusses, den damals die deutsche Formkunst an die moderne westliche vollzog, in den lyrischen wie in den erzählenden Formen. Gottfried denkt offenbar mehr an die erzählenden und darstellenden Formen, sein Lob Veldekes steht nicht bei seinem Preis der nahtegalen. Gleichwohl ist der Neubeginn in der lyrischen Formkunst seit Veldeke bisher deutlicher gesehen worden. Die neuen Strophenformen westlicher Art, die Kanzone etwa und andere, die jetzt an die Stelle der alten Langzeilenstrophen treten, sind uns stärker im Bewußtsein. In der Formkunst der erzählenden Dichtung ist es aber genauso. Die Form des Erzählens hatte sich auch im Westen in der letzten Generation gewandelt. Die neue Form des gepaarten Achtsilbers war entstanden 1 ), der sich grundsätzlich von den Laissenstrophen abhob, und zwar in einer Reihe von Punkten. Den „assortierenden Tiraden" der Laissen, „einreimigen Abschnitten von ungleicher Länge mit periodischem Absetzen und Wiederaufnehmen der Erzählung" in „monoton rezitativem Vortrag" tritt die neue Form mit ihren „laufenden" (ungegliederten) Reihen, „mit paarweiser Bindung der Reime" gegenüber. „Die Laissenpause fällt weg"; „eine freie Gliederung der Rede über das Versschema hinweg wird möglich". Es sind im Grund die genau gleichen charakteristischen Unterschiede, die wir für alte Langzeilenstrophen und moderne fortlaufende Reimpaare beobachten, und von denen noch des Näheren zu sprechen sein wird. Mindestens ebenso tief wie im Romanischen greift dieser Umbruch in der ') Vgl. Ph.A. Becker, Der gepaarte Achtsilber in der französ. Dichtg. ( = Abh. der sächs. Akad. d. Wissensch. Phil.-hist. Kl. 43) (1934); ich übernehme die Formulierungen Beckers.

4

EINFÜHRUNG

Formkunst der deutschsprachigen Dichtung. Ob er wirklich an den Namen Veldekes zu knüpfen ist und nur an ihn, bleibe zunächst offen. Daß aber nach der Mitte des 12. Jahrhunderts etwas ganz Neues in die deutsche Formkunst eintritt, ihr Gesicht und ihren Klang völlig verwandelt, steht außer Zweifel. Das ist uns bisher nur noch nicht in dem großen Ausmaß zum Bewußtsein gekommen, weil wir uns daran gewöhnt hatten, die Formen des hohen Mittelalters in unzulässiger Weise in die frühere Zeit zurückzuübertragen. So pflegen wir die religiösen Dichtungen des vorangehenden Jahrhunderts, zwischen 1050 und 1150 etwa, ebenso als Dichtungen in fortlaufenden Reimpaaren zu lesen, wie die Eneit Veldekes oder Hartmanns Romane. In Wirklichkeit stellen sie etwas völlig anderes, und zwar im Grundsatz ihrer Formen anderes, dar. Die geltende Meinung formuliert etwa S. Beyschlag knapp und präzise so: „Was an althochdeutscher endreimender Dichtung erhalten ist, bedient sich der Otfridstrophe, ohne wesentliche Weiterbildung zu zeigen. Die frühmittelhochdeutsche Buchdichtung dagegen setzt (zwischen 1060 und 1070) mit einem andersartigen und doch verwandten Metrum ein: mit viertaktigen Reimpaaren."2) Man kann nur fragen, womit denn diese Annahme eines Neueinsatzes um 1060 begründet wird; worin besteht die „Andersartigkeit" des neuen Metrums? Man höre Otfrids Strophen und solche etwa aus dem „Memento mori" nebeneinander: Otfridl, 4. lff. In ddgon eines kiiniges, ioh hdrto firddnes, uuas ein euuarto: zi güate si er gindnto! Zi Mun er mo quinun las, so thdr in lante situ uuas: uuanta uuarun thdnne thie biscofa ¿inkunne. 5 Uudrun siu bethiu gote flu drüdiu ioh iogiuuar sinaz gibot fullentaz, Vuizzod sinan io uuirkendan ioh reht minnonti ana meindati. „Memento mori": 1 Nu denchent, wib unde man, war ir sulint werdan. ir minnont tisa brodemi unde wänint iemer hie sin. si ne dunchet iu nie so minnesam, eina churza wila sund ir si hän: ir ne lebint nie so gerno manegiu zit, ir muozent verwandelon disen Hb. 2 Ta hina ist ein michel menegi; si wändan iemer hie sin, si minnoton tisa we.nch.eit, iz ist in hiuto vil leit. si ne dühta sie nie so minnesam, si habent si ie doh verläzen: ich ne weiz war sie sint gevarn, got muozze so alle bewarn! 2)

Die Metrik dermhd. Blütezeit in Grundzügen4(1961) 23.

D I E F O R M E N D E R R E L I G I Ö S E N D I C H T U N G E N D E S 11. U N D 12. J H S .

5

Abgesehen von der größeren Strenge in der Füllung der Senkungen bei Otfrid sind diese Strophen ganz gleicher Art. Beyschlag fügt denn auch neuerdings3) hinzu, es sei „kontrovers, ob und ab wann diese Reimpaare als selbständige Kurzzeilen" (Heusler) „oder noch als binnengereimte Langzeilen (...Maurer -) aufzufassen sind". Tatsächlich geht es aber gar nicht um die einzelne Zeile, sondern es geht um die gesamte Form des Sprechens und die dichterische Formung der Aussage. Wirklich ganz neu und ganz anders wird das eben zu Veldekes Zeit, man braucht nur neben den oben gegebenen Langzeilenstrophen Otfrids und des „Memento mori" einige der neuen fortlaufenden Reimpaare Veldekes oder Hartmanns von Aue zu hören: Eneit, 1-15 Ir hat wale vernomen dat, wie der koninc Menelaus besät Troie die rihe vele geweldelike, 5 do he si tefüren wolde dorch Parises sJculde, de he/m, sin wif hade genomen. niet enwolde er dannen komen, i danne er Troie geioan. 10 menich wif ende man beleif da jämerlike dot. da was vele mekel not, c[oe man die horch sach vollen, ondern luden allen, 15 der vele luttel doe genas. Armer Heinrich, 1-15: Ein ritter so geliret toas daz er an den buochen las swaz er dar an geschriben vant. der ivas Hartman genant, 5 dienstman was er ze Ouwe. der nam im mange schouwe an mislichen buochen: dar an begunde er suochen ob er iht des funde 10 da mite er swcere stunde *) Nach dem Erscheinen meines Aufsatzes „Langzeilenstrophen und fortlaufende Reimpaare, Der Deutschunterricht 11 (1959) 5ff.

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EINFÜHRUNG

möhte senfter machen, und von so gewanten sacken daz gotes iren töhte und da mite er sich möhte 15 gelieben den liuien. Hier ist die gesamte Rede anders gestaltet; eine neue Form ist gewonnen, der fortlaufende glatte Fluß der Darstellung ist an die Stelle der alten Strophenblöcke aus Langzeilen und Langzeilenpaaren getreten. 2. R e i m p a a r e im a l t d e u t s c h e n Vers? Die bisherige Forschung hat das Problem entweder nicht gesehen oder durch ihre schwankende und ungenaue Terminologie verunklärt. Andreas H e u s l e r h a t zwar noch ausdrücklich Kurzzeilen und Langzeilen als alte Elemente des deutschen Verses genannt (darüber unten Näheres!); aber er formuliert in seiner Darstellung des „altdeutschen Verses"4) widersprüchlich und scheidet keineswegs klare althochdeutsche Langzeilen von mittelhochdeutschen Reimpaaren. So spricht er von,, Otfrids Reimpaaren'' gleich zu Beginn auf S. 1 unten, dagegen bereits auf S. 3 von „den 7400 Langzeilen Otfrids". Auch bei dem „Muspilli" ist die Rede von „101 Langzeilen"; von „Reimversen"; von „An-" und „Abversen"; von „Halbzeilen" und schließlich von „Kurzversen". Ähnliche Inkonsequenz findet sich auch bei der Besprechung anderer althochdeutscher Verse. Bei den Segen wird z.B. beim Weingartener Reisesegen von „fünf ohrenfälligen glattfließenden Langzeilen" (S. 7) gesprochen, und ebenso wird den „Versgruppen aus Notkers Rhetorik" der „Langzeilen"-charakter zugebilligt; aber bei den ältesten Zaubersegen, bei denen doch auch die Langzeilen unbestreitbar sind, ist dann wieder von Kurzversen die Rede. Ebenso bleibt Helmut de B o o r bei der Vorstellung, daß die frühmittelhochdeutsche Dichtung in Reimpaaren gestaltet sei, ja er spricht sogar ausdrücklich bei seiner schönen Analyse der Langzeilenform des ,Himelriche' von der „ s o n s t a l l e i n ü b l i c h e n K u r z z e i l e der geistlichen Dichtung", und dies, obwohl de Boor selbst früher festgestellt hat, daß „die frühmittelhochdeutsche Dichtung... das Reimpaar gewissermaßen als, Langzeile' einheitlich empfunden" habe.5) Trotz dieser Erkenntnis bleibt de Boor bei dem Gegensatz Langzeile und Reimpaar, und es liegt in der gleichen Richtung, wenn andere von Reimpaarstrophen (in Beziehung zum „Memento mori" und Ezzo) und von paarweise gereimten Vierhebern und Verspaaren in Beziehung auf Otfrids Verse sprechen. Sogar Helmut T h o m a s , der dem altdeutschen Strophenbau besondere Forschungen 4

) Dt. Versgeschichte II, lff. *) „Das Reimpaar ist so wenig eine klangliche Yerkoppelung zweier gleichgültiger Reimzeilen, wie der Stabreimvers eine beliebige Verbindung zweier Kurzzeilen ist. Tiefer gehende, sprachliche und stilistische Fäden verbinden die beiden Zeilen, und der Beim ist letztlich nur das Siegel auf der Einheit. Freilich ist dies die ideale Forderung, von der abzuweichen im Reimpaar viel näher lag und bequemer war als im stabenden Langvers." (ZfdPh 51 (1926) 266 Anm. 25).

DIB FORMEN DER RELIGIÖSEN DICHTUNGEN DES

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gewidmet hat 6 ), spricht von Reimpaaren, wenn er die frühmittelhochdeutschen Strophen beschreibt, ja er tut das sogar schon beim Georgslied; dagegen bleibt er beim Ludwigslied und bei Otfrid, in gleicher Weise beschreibend, bei dem Terminus „Zwei- und Dreizeiler", d.h. also, daß er hier die Langzeile als Maß ansetzt. Man könnte sagen, daß hier von kurzzeitigen Reimpaaren und von Reimpaarstrophen gesprochen werde, ohne daß damit der Langzeilencharakter geleugnet werden solle, und man wird vielleicht sogar sagen, daß das im Grunde belanglos und ein Streit um Worte sei. Daß es sehr viel mehr ist und tief in die Sache hineinreicht, wird sich noch zeigen. Aber man sollte auch schon daran denken, wieviel Unheil unklare und falsche Terminologie angerichtet hat. Gerade der Philologe weiß oder sollte wissen, welche geistige Kraft das Wort hat und welche Folgen schiefe Benennungen in Denken und Vorstellen hervorrufen. Vorspiegelung falscher Zusammenhänge und Verschüttung der echten ist das wenigste. Wenn ich daher betone, daß die binnengereimte Langzeile etwas anderes ist als ein Reimpaar und die Addition von zwei kurzen Zeilen, so wird das in aller Konsequenz durch einen Blick deutlich auf die oben zitierten Reimpaare Veldekes. Sie sind die neue fortlaufende, ja forteilende Erzählart, ganz anders, als es die aus Langzeilen gebildeten Strophen bis dahin waren. Erinnert man hier gleich noch daran, daß jene alten strophischen Dichtungen gesungen oder mindestens gesangsartig vorgetragen waren, so deutet sich bereits an, daß hinter jenem Streit um Worte nicht mehr oder nicht weniger verborgen ist als eine völlige Veränderung der Vortragsart und der Kunstform überhaupt. Sie entspricht durchaus dem im Westen vollzogenen Übergang von der Laissenstrophe zum gepaarten Achtsilber, und man versteht, welch ein Umbruch seit Veldeke in der deutschen Erzählkunst sich vollzogen; was Gottfried zu jener seiner Äußerung bewogen hat. 3. Die b i n n e n g e r e i m t e n L a n g z e i l e n als A u s g a n g s p u n k t der a l t d e u t s c h e n F o r m k u n s t Der entscheidende Fehler der bisherigen Betrachtung besteht darin, daß man anachronistischerweise die hochmittelalterlichen fortlaufenden Reimpaare, die es überhaupt erst etwa seit Veldeke gibt, unbesehen in die frühere Zeit zurückübertragen hat. Genau das umgekehrte Verfahren aber ist richtig: es ist nach der organischen Fortentwicklung der älteren Formen, nämlich der Langzeilenstrophen, zu fragen. Es ist unzulässig und unhistorisch, der salischen und frühstaufischen Dichtung fortlaufende Reimpaare zu suggerieren, die man damals weder in Deutschland noch im Westen kannte. Richtig und wichtig aber ist es zu fragen, wie lange und in welcher Weise die alten Langzeilen und Langzeilenstrophen weitergelebt haben. Denn dies ist das entscheidende Faktum: als man beginnt, in deutscher Sprache zu dichten, geschieht es in Langzeilen und in •) Der altdeutsche Strophenbau und die unliturgische Sequenz. Festgruß für Hans P y r i t z zum 15. 9. 65. Euphorion, Sonderheft (1955) U f f .

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EINFÜHRUNG

Langzeilenstrophen. Sie stellen die älteste überlieferte Form dar. Zwar nennt wieder Andreas Heuslerdie Kurzzeile den,, ältesten Baustein'', wie er überhaupt dazu neigt, bei seinen Betrachtungen mehr von der Zeile (und ihren Teilen) als von der Strophe auszugehen. Die wirkliche Einheit aber, der tatsächliche Baustein der Dichtung ist nicht die Zeile, sondern die Strophe. Das zeigt Otfrids Gedicht in aller Klarheit. Das zeigen auch alle die frühen Lieder, die teils zwei binnengereimte Langzeilen ohne oder mit Refrain (so .Christus und die Samariterin' oder das ,Petruslied'), teils auch drei solcher Langzeilen (so gelegentlich das ,Ludwigslied') zur Strophe vereinigen. Der für uns erkennbare Ausgangspunkt der altdeutschen Formkunst ist Otfrids Evangelienbuch, sind die Lieder des 9. Jahrhunderts. Im Blick auf sie kann man nur feststellen, daß weder die handschriftliche Überlieferung noch die sprachlich-rhythmischen Gegebenheiten Heuslers ältesten Baustein, „den heimischen Viertakter", bestätigen. Heusler gibt dem Beim zu viel Gewicht, so daß er die binnengereimten und die endgereimten Langzeilen scharf trennt; nur diese letzteren seien „ e c h t e Langzeilen"; die anderen seien nur Langzeilen in Anführungsstrichen; in Wahrheit seien es „kurze Reimpaare". Die beiden Glieder dieser sogenannten Langzeilen, An- und Abvers, seien „weit weniger gesondert" als bei der stabenden Langzeile; ja „keinem einzigen althochdeutschen Kurzverse hörte man an, ob er an erster oder zweiter Stelle stehen soll" 7 ). Das geht auf die Tatsache, daß die meisten endgereimten Langzeilen (vom Typus des Nibelungenlieds etwa) in An- und Abvers rhythmisch verschieden gebaut sind. In der Tat haben die meisten Verse dieser endgereimten Art Anverse mit klingender, Abverse mit voller Kadenz; jedoch gilt das nicht für alle. Sieht man von Einzelabweichungen ab, so ist doch immerhin die Dietmarstrophe M.F. 33, 15ff. zu nennen, wo auch in .echten' Langzeilen, d.h. also in endgereimten, die An- und Abverse rhythmisch identisch sind : AM nu kumet uns di zit, der kleinen vogelline sanc. ez gruonet wol diu linde breit, zergangen ist der unnter lane. nu siht man bluomen wol getan, an der heide üebent sie ir schin. des wirt vil manic herze fro, des selben troestet sich daz min. Ahnliche, zu weiter entwickelten Strophenformen gefügte Zeilen mit identischen An- und Abversen finden sich in Dietmars Lied M.F. 32, 1 ff. oder beim Burggrafen von Regensburg (M. F. 16,1 f.) : Ich bin mit rehter staetelceit eim guoten riter undertän. wie sanfte ez minem herzen tuot swenn ich in umbevangen hdn! der sich mit mangen tilgenden guot gemachet al der werlde liep, der mac wol hohe tragen den muot. Aber wesentlicher ist anderes, und es ist erstaunlich, daß das gerade Andreas Heusler entgangen ist, dem wir doch die entscheidende Abwendung von dem papiernen, nur mit den Augen gelesenen Vers zum gehörten rhythmischen ' ) a.a.O. 38/39.

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Klanggebilde verdanken. An- und Abvers sehen in den binnengereimten Langzeilen zwar identisch aus ; aber man „h ör t " es gleichwohl den „ahd. Kurzversen" an, ob sie „an erster oder zweiter Stelle stehen", d.h. ob sie An- oder Ab verse der Langzeile sind. Man hört es ihnen an, weil sich Satz- und Gedankenführung in der Langzeile entwickeln ; weil daher in der Regel der Abvers als Nachsatz oder satzschließender Teil anders klingt als der Anvers, der den Gedanken, den Satz eröffnet. So etwa im Petruslied: Unsar trohtîn hât farsalt sancte Petre giwati, daz er mac ginerian zimo dingenten man. Der Aussagesinn wie vor allem die Satzmelodie weisen die „Kurzverse" als Anoder Abverse aus, da nur die Langzeile und das Langzeilenpaar die volle Kurve, die volle Aussage enthalten. Übrigens ist die gleiche Frage, wie ich nachträglich sehe, auch für die alten französischen Verse diskutiert worden, mit guten und, wie sich gleich nachher noch zeigen wird, ganz ähnlichen Gründen, wie sie für unsere Erörterung vorliegen. G. L o t e hat sehr eindrucksvoll gezeigt, daß An- und Abvers einer zaesurierten Zeile in ihrer Klanggestalt sehr verschieden sind 8 ) : „Ainsi la césure et la rime, celle-ci toujours un peu plus soignée que celle-là, mais toutes les deux parallèles, se distinguent pourtant l'une de l'autre. La première est un accent en haut, la seconde un accent en bas, dans le registre inférieur de la voix, avec, en outre, un accord de timbres qui la désigne à l'oreille et signe son privilège. L'une et l'autre dominent le vers et le soumettent à leur loi. Leur tyrannie est très dure, puisque le sens, s'il y a défaillance du poète, perd ses droits devant elles et qu'elles sont maîtresses absolues." 4. L a n g z e i l e n u n d R e i m p a a r e - Z e i l e n s t i l u n d H a k e n s t i l Wer die binnengereimten Langzeilen den fortlaufenden Reimpaaren gleichsetzt, der übersieht Wesentliches. E r beachtet nicht, daß die Art des Sprechens und des Denkens in Langzeilen ganz anders ist als die der späteren Reimpaare. Es ist sehr eindrucksvoll, in welchem Maß sich die Gedankenführung und der Satzbau in die Form der langen Zeilen und der Langzeilenstrophen einfügt. Die Langzeile oder auch das Langzeilenpaar stellt zugleich das syntaktische Gefüge dar. Der Gedanke, die Aussage, wölbt sich als Bogen über die Langzeile oder über zwei, selten über drei, Langzeilen hin. Aussage folgt auf Aussage in einfachster Form, und das Blockartige dieser Aussageweise, schon von der Langzeile her in der geschilderten Weise bestimmt, wird durch den immer wiederkehrenden Strophenschluß noch gesteigert. Vergleicht man die oben S. 4f. nebeneinander gestellten Stücke aus Otfrid und dem „Memento mori" auf der einen; aus Veldeke und Hartmann auf der anderen Seite, so wird jedem, der sie liest und spricht, deutlich, daß es sich um ganz verschiedene Aussageweisen handelt. Die Gedankenschlüsse, das Ende der •) Histoire du vers français. I (Paris 1949) 290.

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EINFÜHRUNG

Sätze oder der Satzglieder liegen bei Otfrid, im Ezzolied, in der Regel am Ende der binnengereimten Zeilen oder der Strophen. Bei den fortlaufenden Reimpaaren dagegen treten Reimpaarschluß und Satz- (Gedankenschluß auseinander. Wo der Reim endet, geht der Satz weiter; Gedankenschluß fällt in der Regel mitten in den Reim; der Reim wird zerteilt, „gebrochen", mit der klaren Wirkung, daß die Rede immer weiter forteilt, das eine Mal vom nicht abgeschlossenen Gedanken, das andere Mal vom offenen Reim gezogen, bis schließlich einmal Reim und Gedanke gemeinsam zum Ende und zur Ruhe kommen. Es läßt sich dieser Gegensatz von Aussagen in Langzeilen und Langzeilenstrophen und vom Sprechen in Reimpaaren vergleichen mit jenem Unterschied zwischen Zeilenstil und Hakenstil, wie wir ihn aus der alten stabenden Dichtung kennen: Wie der Zeilenstil den Satz, den Gedanken der Zeile einfügend, blockartig Zeile neben Zeile setzt, der Hakenstil aber ruhelos immer weiter eilt, gedankliche Pausen mitten in die stabenden Zeilen verlegend, bis schließlich Zeilen- und Gedankenschluß zusammenfallen und damit die Bewegung einhält. Es bedeutet jenen tiefen Einschnitt und eine weitreichende Neuerung, wenn man später in fortlaufenden Reimpaaren zu dichten beginnt. An die Stelle der Aussagen in Langzeilen und in Blöcken von Langzeilenstrophen, über die hin sich der Gedanke wölbt und mit denen er abschließt, tritt die neue Weise, in fortlaufenden, stets weiter eilenden Reimpaaren zu sprechen. Auch Heusler hat beobachtet, daß „die ,Langzeile'... meist auch durch den Satzbau [zusammengehalten wird], denn Otfrid schreibt mit wenig Ausnahmen strengen Zeilenstil, noch mehr die kleineren Denkmäler" (Versgeschichte II, 39). Es ist nicht recht verständlich, wie man trotz der Beobachtung dieses Sachverhalts die Langzeilen als das Sekundäre, als die „Verdoppelung des Kurzverses" auffassen kann. Heusler hat gleichfalls nicht übersehen können, daß die altdeutschen Handschriften „die Strophe aus zwei Reimpaaren" abgrenzen; ja er hat auch gesehen, daß die „stärkeren Sinneinschnitte" gewöhnlich, nicht immer, nach der geraden Langzeile (hier gebraucht Heusler selbst den Terminus, ohne Anführungszeichen), also am Strophenschluß liegen. Wenn man gelegentlich sogar ausdrücklich betont hat 8 ), daß die „Reimpaare" des Ezzolieds „nicht im Zusammenhang mit frühen oder späten Langzeilenstrophen stehen, sondern als Vorform der epischen Reimpaare zu lesen seien, die schon in den „Strophen" des Annolieds deutlich zur Kaiserchronik hinweisen"9), so ist gewiß nichts dagegen einzuwenden, daß man an dem strophischen Charakter des Annolieds festhält, wie sich gleich noch zeigen wird; wieviel mehr aber muß man das bei Ezzos Cantilena tun! Und warum und wie sollen die Langzeilenstrophen, die bis ins 11. Jahrhundert nachweisbar vorhanden sind, mit einem Mal zu, .Reimpaaren'' geworden sein ? Andere Interpreten haben immerhin die strophische Form festgehalten als „Reimpaarstrophen", so Max I t t e n b a c h ; ihm ging es um den Nachweis von Strophengruppen und ihrer Symmetrien. Er hat nicht die Geschichte der altdeutschen Strophik untersucht; und er hat offenbar auch nicht an Langzeilen gedacht. Ihm kam es darauf an, die „organisie») H. Kuhn, Dt. Vierteljahrsschrift 27 (1953) Anm. 15.

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renden Denkformen" (Sinnfügungen) zu erkennen. Er suchte die „Abschnitte" oder „Strophen" als „geistige Einheiten" zu erkennen; er suchte außerdem und vor allem nach den „Proportionen", nach der „Zusammenordnung zum Ganzen"10), und zwar nach z a h l e n m ä ß i g f a ß b a r e n Proportionen. Das Problematische dieser Fragestellung und ihrer Beantwortung durch Ittenbach brauche ich hier nicht zu erörtern.11) Daß seine Interpretationen bestimmter „Abschnitts"gliederungen, gewisse Versuche, die Sinneinheit dieser „Abschnitte" oder „Strophen" zu verstehen, vielfach auch für uns ergiebig sein kann, wird von jener Problematik nicht berührt. 0 . S c h a d e hat von der alten Form dieser Dichtungen (der Zeit vor Veldeke) einiges bereits vor über hundert Jahren geahnt, und zwar in doppelter Hinsicht. Er gehört zu den wenigen, die die religiösen Dichtungen des 11. Jahrhunderts gelegentlich in Langzeilen gedruckt haben 12 ); er hat dabei sogar ausdrücklich an O t f r i d erinnert, allerdings dann doch alles in der Schwebe gelassen und seine Form schließlich mit der „Raumersparnis" begründet. Ausdrücklicher hat er sodann auf die strophische Form einiger dieser Dichtungen abgehoben13); allerdings hat er auch diese Idee wieder entwertet, indem er absolut willkürlich gleichmäßige Strophen aus „sechs Zeilen" d.h. aus je drei „Reimpaaren" konstruierte, und zwar bemühte er sich, in dieser Weise außer einer CrescentiaDichtung14) („in sechszeiligen strofen") auch die „denkmäler der spielmannspoesie"16); den „ersten Teil des Annolieds"16); den Vorauer Ezzo 17 ); die ältere Judith 18 ); Teile der Kaiserchronik19) herzustellen. In diesem Zusammenhang ist von Langzeilen aber wieder keine Rede, es werden vielmehr „Reimpaarstrophen" gedruckt. Die Hauptschwäche ist die absolute Unbefangenheit, wie hier die „Strophen" gewaltsam hergestellt, wie einfach umgedichtet wird. So hat das Ganze dann auch keine Wirkung getan. 5. D i e K e n n z e i c h n u n g der a l t e n L a n g z e i l e n s t r o p h e n in den a l t h o c h d e u t s c h e n H a n d s c h r i f t e n Wir blicken noch einmal auf Anfang und Ende des Dichtens in Langzeilen. Daß am Anfang der endreimenden Dichtung in deutscher Sprache die Langzeilen stehen, wird niemand bezweifeln, der sich die Überlieferung genau betrachtet. Gehen wir noch einmal für alle frühen Stücke von der handschriftlichen Form aus! "') Siehe Dt. Dichtungen der sal. Kaiserzeit und verwandte Denkmäler (1937) 2f. ) Vgl. dazu Glogner, (über Ittenbach, Dt. Dichtungen der sal. Kaiserzeit), AfdA 57 (1938) 155 f. Vgl. auch, was bei der Besprechung des Baumgartenberger Johannes dazu von mir gesagt worden ist. 12 ) AM. Lesebuch (1862). 13 ) Geistliche Gedichte des XIV. und XV.Jhs. vom Niderrhein (1854). 14 ) Crescentia. Ein niderrh. Gedicht aus dem 12. Jh. (1853). 15 ) Bes. den Rother; Geistl. Ged. LXXVff. ") Crescentia 22 f. und Geistl. Ged. X L I X f f . 17 ) Ebd. XXIII-XLi. 18 ) Ebd. XL. ") Crescentia 25ff. und Geistl. Ged. LVIff. 11

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EINFÜHRUNG

Die Facsimilia der verschiedenen Handschriften von Otfrids Dichtung20), die ja z.T. aus des Dichters eigener Hand kommen, stimmen in der äußeren Gestaltung überein. Danach ist das Folgende, meine ich, deutlich. Die Form, in der sich Otfrid seine Zeilen und Strophen vorgestellt, sie gebaut hat, und in der sie auch seine Zeit und seine Leser und Abschreiber übernommen haben, ist die Strophe aus zwei Langzeilen. Alle Handschriften schreiben eindeutig Langzeilen und zwar deutlich abgesetzte Langzeilenstrophen. An den Beginn der ersten Langzeile wird regelmäßig die große Initiale gesetzt, die zweite Langzeile wird eingerückt. In den zahlreichen Blättern, die in Facsimilia zur Verfügung stehen, sind nur zwei Ausnahmen zu erkennen: die Pfälzer Handschrift verzichtet auf Blatt 146 r auf die so geschilderte Kennzeichnung der Strophen, die Initialen und das Einrücken fehlen. Die andere Ausnahme zeigt Blatt 15 v wieder der Pfälzer Handschrift. Hier hat der Schreiber die Strophe nicht in den klaren Langzeilen abgesetzt, sondern einmal von der Schreibweise Gebrauch gemacht, die uns bald immer wieder begegnen wird; er hat die Strophe als solche abgesetzt, aber in einem Stück geschrieben; in die zweite Zeile kam nur noch der Schluß von Zeile 2. Die gleiche Form begegnet uns z.B. beim Petruslied. Aber die Regel sind in allen Otfrid-Handschriften die abgesetzten Langzeilen. Noch hat man offenbar genug Pergament zur Verfügung, um es sich leisten zu können, die Dichtung ihrer Form gemäß niederzuschreiben. Es ist ferner längst und öfter darauf hingewiesen, daß Otfrid in seinen Vorreden den Schmuck der Telesticha und Akrosticha an den Anfang der ersten und ans Ende der zweiten Langzeile setzt und diese damit auch innerlich als strophische Einheit ausweist. Weiter aber spricht Otfrid selber bei der Beschreibung seines „Schema homoioteleuton" davon, daß verba in fine d. h. am Schluß der Langzeile aptarn ...et priori (d.h. der früheren Stelle, also der Zeilenmitte) decentem et consimilem sonoritatern quaerunt.21) Wenn Otfrid Reimpaare hätte beschreiben wollen, so wäre das sicher auf andere Weise erfolgt. Wie der Abschreiber der Freisinger Handschrift, Sigihart, (Abb. 1) die Form Otfrids aufgefaßt hat, zeigt außer seiner den anderen Handschriften entsprechenden Form auch das kurze Gebet, das er selber angefügt hat: es sind dieselben binnengereimten Langzeilen, dieselben Strophen. Wiesehr die zweizeilige Strophe als die Einheit empfunden ist, zeigt die Beischrift am linken Rand; vor Beginn der zweiten Strophe steht da Alf iter). Ja sogar die Unterschrift ist in der Form den Langzeilen nachgebildet: Uuaido episcopus istud evangelium fieri ius-si(t) Ego sigihardus indignus presbyter scripsi. Dabei bleibe unerörtert, ob er auch hier eine durch das Schema homoioteleuton gebundene Zeile beabsichtigt hat. 20) Vgl. Paul Piper, Otfrid und die übrigen Weissenburger Schreiber des 9.Jhs. Mit dreißig Facsimile-Tafeln in Lichtdruck und zwölf Facsimi 1 e-Autotypien (1899); die Tafeln X bis X X geben Blätter des Cod. Vindobonensis; X X I und X X I I Blätter des Cod. discissus; X X I I I bis X X X Blätter des Palatinus wieder. Facsimile des Frisingensis bei Magda Enneccerus, Die ältesten dt. Sprach-Denkmäler in Lichtdrucken (1897) Tafel 44. 21) Ad Liutbertum Zeile 76f., in Erdmanns großer Ausgabe (1882) 6.

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Sehr schön und sorgfältig ist die strophische Gestalt des Ludwigslieds (Abb. 2) in der Handschrift wiedergegeben.22) Es ist die gleiche Art, wie sie die OtfridHandschriften zeigen: Abgesetzte Langzeilen mit größerer Initiale am Beginn der ersten und mit eingerückter zweiter Zeile; in einer Reihe von Fällen sind je zwei Zeilen nach der ersten eingerückt, also dreizeilige Strophen markiert. Interessant ist der von I t t e n b a c h unternommene Versuch23, eine innere Gliederung des Ludwigslieds zu finden, auch für unsere Strophenbetrachtung. Das gilt in doppelter Hinsicht. Ittenbach bemüht sich einerseits um den Nachweis, daß die zwei- oder dreizeiligen Strophen, so wie sie die Handschrift in diesem Lied ja besonders schön und betont absetzt, „überall die thematischen und formalen Einheiten" bilden, und er führt das im Einzelnen aus; anderseits spricht Ittenbach von einer Gliederung in „Strophengruppen". Ich habe selbst einen Versuch dieser Art gemacht24, der sich an mehreren Stellen mit Ittenbach trifft (bei Str. 5. 20. 26. und vor der vorletzten lägen danach Einschnitte). Die zwei- oder dreizeiligen Strophen wären da bereits auf dem Weg zu größeren Einheiten: 5- bis 13zeilige Gruppen entstünden dann. Aber auch Ittenbach stellt fest, daß die über die dreizeilige Strophe hinausreichende Bindung im Ludwigslied „nirgends so stark (ist) wie die Bindung der Strophe in sich". Das P e t r u s l i e d (Abb. 3) ist auf den freigebliebenen Rest des letzten Blattes eines lateinischen Codex (Hrabans Kommentar zur Genesis) eingetragen; die Niederschrift wird ins 10.Jahrhundert gesetzt. 28 ) Jetzt sind die Zeilen nicht mehr abgesetzt, weder lange noch kurze, und auch Reimpunkte sind nicht regelmäßig geschrieben. Aber die Strophen beginnen jeweils eine neue Zeile mit einem großen Buchstaben, der ausdrücklich herausgerückt ist, so wie auch in späteren Handschriften lyrische Strophen geschrieben werden. Für die Auffassung als Langzeilen spricht die Tatsache, daß nur einmal der Reimpunkt am Ende der Langzeile fehlt (nach giwatt); und daß er nur einmal in der Mitte einer Langzeile steht (nach wortun). „ C h r i s t u s und die S a m a r i t e r i n " (Abb. 4) ist der Art seiner Erhaltung nach noch weniger sorgfältig geschrieben28); und doch gibt auch dieses Stück eindeutige Hinweise auf seinen strophischen Charakter. Der schmale Raum, der am Schluß der Lorscher Annalen für die Jahre 794-803 übrig war und von den Schreibern für die Aufzeichnung unseres Lieds genutzt wurde, zwang zu fortlaufender Niederschrift. Aber die Strophen sind doch in der Regel durch Großbuchstaben abgesetzt, und zwar sind es zwei- oder dreizeilige Strophen. Wenn ich mich Steinmeyers Gestaltung anschließe, die sehr treu bei der überlieferten Form bleibt, so folgen in dem erhaltenen Frägment auf vier zweizeilige Strophen vier dreizeilige; dann wieder zwei zweizeilige, eine dreizeilige und wieder zwei zweizeilige Strophen. Das Gespräch, das den größten Teil des Lieds füllt, ist ") Vgl. M. Enneccerus a.a.O. Tafeln 40-43. as ) Dichtungen der salischen Kaiserzeit (1937) 19-27. M ) Der Deutschunterricht 9 H. 2 (1967) l l f f . M ) E. Steinmeyer, Die kl. ahd. Sprachdenkmäler (1916) 103. 26 ) Vgl. das Facsimile: Enneccerus Tafel 38 und Salzers Lit. Gesch. von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart (1926) Bd. 1 Beilage 9.

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EINFÜHRUNG

durch diese strophische Form sehr schön in Rede und Gegenrede gegliedert. Ob man sich das Lied sequenzartig gebaut vorstellen darf, ( A A A A B B B B CC DD) ist natürlich kaum zu sagen. Ich hatte früher27) an eine Zusammenfassung mehrerer dieser kleinen Strophen zu je 5- und özeiligen Gebilden gedacht, die in diesem Umfang abwechseln und ähnlich wie das Georgs- und das Galluslied hätten gesungen werden können. Das G e o r g s l i e d (Abb. 5) ist auf den Blättern 200 a und b des Pfälzer OtfridKodex aufgeschrieben worden, ebenfalls nachträglich und in Raumnot. So sind die Zeilen nicht abgesetzt; aber die Strophen treten noch deutlich auch in der Schreibweise heraus.28) Die Art der Strophen ist viel diskutiert; eine Übersicht gibt S t e i n m e y e r , Kl. Sprachdenkmäler (1916) 99f.; meine eigene Auffassung habe ich früher niedergelegt.29) Danach ließe sich, folgte man der Gliederung, die die Refrainzeilen schaffen und die auch durch die Schreibart gestützt wird, ein Lied aus neun Strophen zu je 5 oder 6 Zeilen gewinnen; allerdings muß man an einigen Stellen eingreifen. Sicherheit ist nicht zu gewinnen; doch scheinen mir gerade die Einwände gegen die gliedernde Funktion der regelmäßig wiederkehrenden Zeilen (die schon Zarncke erkannt, Scherer und Steinmeyer aber verworfen hatten) nicht überzeugend. Die Möglichkeit, daß nahe Beziehung dieser Formzum G a l l u s l i e d besteht, habe ich damals schon hervorgehoben.30) Auch das sogen. „ R h e i n f r ä n k i s c h e ( A u g s b u r g e r ) G e b e t " ist von der gleichen Art. Das deutsche Stück, das das vorausgehende lateinische Prosagebet in vier binnengereimte Langzeilen umsetzt, ist in drei fortlaufenden Zeilen geschrieben.31) „ P s a l m 138" (Abb.6) steht auf den Blättern 69ab in der Handschrift 1609 der Wiener Hofbibliothek.32) Das Facsimile ergänzt die sorgfältige Beschreibung von Steinmeyer; seine Feststellungen, „der deutsche Psalm (sei) in abgesetzten Strophen, deren Anfangsbuchstaben (außer bei der ersten Strophe, die mit einer roten Initiale geschmückt werden sollte) jedesmal vorgerückt sind, aber nicht abgesetzten Versen" (geschrieben; und) „Die zweizeiligen Strophen nehmen immer je zwei Schreibzeilen ein; ... nur der Schluß der Strophen 25. 26 und 29.30 greift über auf eine dritte Zeile" - diese Feststellungen sind leicht zu korrigieren. Tatsächlich war die Absicht des Schreibers, zweizeilige Langzeilenstrophen zu schreiben genau wie in den Otfrid-Handschriften. Er hat nur bei den überlangen Zeilen zwischen den beiden Zeilen der Strophe ausgeglichen; aber Str. 1. 3. 5. und 8 bis 10 sind z.B. in je zwei klar abgesetzten Langzeilen 27 ) Siehe Fragen und Forschungen im Bereich und Umkreis der german. Philologie. Festgabe für Th. Frings (1956) 340. 28 ) Facsimile des Anfangs bei Enneccerus Tafel 37. " ) Festschrift für Th. Frings (1956) 338ff. 30 ) Zum Galluslied vgl. Meyer, Ges. Abh. Bd. 3 (1936) 58ff., bes. 65f.; dazu J a c o b Grimm (auf S. 58 unten u. S. 65 von Meyer zitiert 1) und bes. W. von Unwerth, Vers und Strophe von Ratperts Lobgesang auf den heiligen Gallus. Beitr. 42 (1917) 111 ff. 81 ) Facsimile bei Petzet und Glauning I Tafel X (1910). » 2 ) Facsimile bei Menhardt ZfdA. 77 (1940) 76ff.

D I E F O R M E N D E R R E L I G I Ö S E N D I C H T U N G E N D E S 11. U N D 12. J H S .

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geschriebene Strophen. Mehrfach erscheinen auch dreizeilige Strophen. Menhardt hat gezeigt, wie sehr das Lied in die Nähe des Freisinger Otfrid gehört. Was er über die äußere und innere Form sagt, ist noch zu prüfen. Die alten binnengereimten Langzeilen wählt N o t k e r , um Boethius zu übersetzen. 33 ) Auch Heusler erkennt an, daß „die Versgruppen aus Notkers Rhetorik" als Langzeilen zu verstehen sind. 6. D i e a l t d e u t s c h e n F o r m e n i m a b e n d l ä n d i s c h e n Z u s a m m e n h a n g : lateinische Parallelen. Diese kurze Musterung der ältesten deutschsprachigen Endreimdichtungen hatte nicht sosehr den Zweck, ihren Charakter als Dichtungen aus Langzeilenstrophen zu erweisen; er ist trotz Heuslers schwankender Terminologie nicht ernsthaft bestritten, vielmehr ohne Diskussion akzeptiert. Es ging vielmehr hier darum, die Hinweise der Überlieferung; die Art, in der sie als Langzeilenstrophen geschrieben und gekennzeichnet sind, noch einmal deutlich zu machen. Neben der besonders schönen und klaren Art der Otfrid-Handschriften und etwa der des Ludwigslieds stehen die durch den Zwang zum Raumsparen bedingten Schreibweisen, in denen Lieder wie „Christus und die Samariterin" oder das Georgslied auf uns gekommen sind. Durch Absetzung der Strophen oder wenigstens durch Markierung der Strophenanfänge mit Hilfe von Initialen ist der strophische Charakter; mehrfach auch der Charakter der Langzeilen gleichwohl deutlich. In der späteren Zeit, in der das Pergament kostbarer und die großzügige und prächtige Schreibweise der Otfrid-Handschriften aufgegeben wird, ist diese Art, die Strophen abzusetzen, aber die Zeilen unabgesetzt zu schreiben; auch die unabgesetzte Schreibweise, bei der nur die Strophenanfänge durch Initialen oder Großbuchstaben markiert werden, zum Usus geworden. Auch in den völlig außer jedem Zweifel strophischen Dichtungen der späteren Zeit, also etwa dem Nibelungenlied oder den Strophen des Minnesangs, sind diese Schreibweisen üblich. Man vergleiche die beigefügten Facsimilia der Nibelungen-Handschriften B und C (Abb. 7 und 8) oder der kleinen Heidelberger Liederhandschrift! (Abb. 9, nach S. 16) Auch das, was Otfrids Strophen vorausliegt, spricht für ihren LangzeilenCharakter; steht er doch, was die rhythmische Gestalt seiner Zeilen betrifft, ohne Zweifel a u c h in der Tradition der alten stabenden Langzeilen. Heusler betont selbst die doppelte Verbundenheit: mit der heimischen Tradition der Stabverse und mit der lateinischen Form, die Heusler allerdings eindeutig in der Hymnenstrophe sieht. Auch zu dieser Frage habe ich mich früher geäußert36) ; es ist nicht nötig, daß ich hier im einzelnen darauf zurückkomme. Wichtiger scheint es mir zu sehen und zu betonen, daß die Formen der ") Siehe Notker, Boethius III, 122 ( = Piper I, 223 = Sehrt-Starck Bd. 1, 2. 240/1); dazu vgl. Lachmann, Kleine Schriften I (1876) 364. M ) Dt. Versgeschichte II, 8. ") Siehe Pestschrift für E. Ochs (1051) 31ff. und Der Deutschunterricht 5 H. 2 (1953) 5-10 und 11 H. 2 (1959) 5-24.

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EINFÜHRUNG

ältesten deutschen Endreimdichtungen in einem großen abendländischen Zusammenhang stehen, daß ihre Zeilen- und Strophenformen mit lateinischen und romanischen Dichtungen ihrer Zeit viel Gemeinsames haben. Diesem Gemeinsamen muß noch näher nachgegangen werden. Es kann hier nur mit einigen Hinweisen und Andeutungen geschehen; bessere Kenner der Materie müßten die Fragen näher bearbeiten. Aber schon dem von der deutschen Form-Nachbarschaft her Kommenden fallen doch erstaunliche Parallelen auf. Es ist die geltende Lehrmeinung seit Heusler, daß Otfrids Strophe, aus „zwei Reimpaaren" bestehend, „die ambrosianische Strophe" ist, die als vierzeilige Hymnenstrophe aufgefaßt wird. Sieht man aber diese Hymnen-Strophe unbefangen an, so fällt auch ihr Langzeilencharakter alsbald auf. Schon längst hat man festgestellt: „nach der zweiten Zeile jeder Strophe ist meistens eine kleine Sinnespause, wie ja auch in den Handschriften die ambrosianischen Strophen oft als zwei Langzeilen geschrieben werden; so z.B. die des Aldhelm und des Otfrid. Vgl. z.B. Aeterne rerum Str. 3 und 4 . . . Ausnahmen wie Deus creator Str. 1 sind selten." W. Meyer, von dem diese Feststellung stammt 36 ), fügt hinzu: „Ebenso behandelt noch im 13.Jahrhundert der Mailänder Dichter Orrius Scacabarotius die ambrosianischen Strophen als zwei Langzeilen; das zeigen am einfachsten achtstrophische Hymnen, in welchen nach dem zweiten Achtsilber eine Sinnespause steht und nur der zweite Achtsilber mit dem vierten reimt (vgl. Dreves.AnalectahymnicaXIV, S. 163-180). "Was zunächst das letzte betrifft, so hat Meyer hier den andern Typus der endgereimten Langzeilen im Auge, und es ist auch das interessant, daß gerade er ebenfalls in deutscher Dichtung bis späthin eine Rolle hat (vgl. das „Himelriche"!). Daß aber die „vierzeilige" Hymnenstrophe auch aus zwei Langzeilen gebaut sein kann, legen sowohl die von Meyer zitierten Schreibweisen der Handschriften wie auch die Gedankenführung nahe. Bei den von I t t e n b a c h 3 7 ) herangezogenen lateinischen Dichtungen fällt das besonders auf; in den meisten der „72 vierzeiligen Strophen" von „Gallus et vulpes" liegen z.B. Sinneseinschnitte nach der zweiten Zeile, mindestens leichte, während die schweren am Ende der Strophe liegen. Jedenfalls aber sind Satz- oder Satzteilschlüsse nach der ersten und dritten „Zeile", d.h. nach den Halbzeilen, ganz selten (besonders, wenn man sich nicht an die durchaus anfechtbare Interpunktion der Herausgeber gebunden fühlt). „Gallus et vulpes" entpuppt sich so als eine Dichtung in zweizeiligen Langzeilenstrophen mit Schema homoioteleuton, das Mitte und Ende der Zeilen bindet, genau wie es Otfrid beschreibt. Ittenbach zeigt, wie diese Dichtung innerlich und äußerlich übereinstimmend symmetrisch gegliedert ist, bis zu Gruppen von drei Strophen. Auch dies steht in deutlicher Parallele zur Bauform deutscher Langzeilendichtungen seit dem 9. Jahrhundert. Wiederum entspricht das genau einer Beobachtung von Wilhelm Meyer, der das Folgende feststellt 38 ): „Es ist eine merkwürdige Erscheinung, wie die christliche Dichtung »«) Wilhelm Meyer, Ges. Abhandlungen zur mittellat. Rhythmik. Bd. 2 (1905) 119 A n m . 1. 37 as

) Salische Geistlichendichtung (1937) 60f. ) Ges. Abh. Bd. 3 (1937) 60ff.

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Abb. 5. Cod. palat. lat. 52, 200v, Anfang des Georglieds

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Abb. 6. Cod. vindob. 1609, 69r, Psalm 138, vs. Iff.

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«) a.a.O. 24ff. «) Ges. Abh. Bd. 3, 7. ") Gesch. der Lit. des Mittelalters Bd. 1 »(1889) 649.

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EINFÜHRUNG

Beda „die Verse der vierzeiligen jambischen Strophe nur als versiculi - bei ihm gleich Hemistichen - ansieht, von denen zwei erst einen versus bilden". Sie sind als Langzeilen gedacht („ebenso die der Angelsachsen und ihr Nachbild bei Otfrid"); sie sind „auch in den alten Handschriften als Langzeilen geschrieben", so schließt Meyer seine Betrachtung der Strophen des Auspicius ab. Er spricht in der gleichen Weise von Langzeilen, wenn er den „Merowinger Rhythmus" und die „älteste einheimische Zeile" erörtert.48) Besonders seine Analyse von Ratperts Galluslied46) zeigt, wie nahe deutsche und lateinische Langzeilen beisammen stehen. Ein Blick in die Sammlung der Cambridger Lieder rundet das Bild ab. Die Ausgabe von K. Strecker 4 7 ) hat den Vorzug, daß sie genaue Angaben macht über die Form, in der die Lieder in der Hs. aufgeschrieben sind; Langzeilen, Initialen, Strophenabsetzungen der Handschrift werden genau verzeichnet. Bei einfacher Durchsicht fallen schon eine Reihe von Liedern heraus, die aus Langzeilenstrophen gebaut sind; und zwar stehen wieder endgereimte mit dem tiradenartig durchgeführten gleichen Reim und binnengereimte Langzeilen nebeneinander. Nr. 10 „De Luscinia" bietet 16 dreizeilige Langzeilenstrophen mit Tiradenreim (10. Jahrhundert) - Nr. 19 „De Heinrico" ist ebenfalls in teils dreizeiligen, teils auch vierzeiligen Langzeilenstrophen gebaut, in denen bekanntlich auf einen lateinischen Anvers ein deutscher Abvers im Schema homoioteleuton gebunden ist. Die Strophen sind in der Handschrift abgesetzt, die Zeilen fortlaufend geschrieben.Es sind im Ganzen acht Strophen: die erste, die zweite und die sechste vierzeilig. - Nr. 25 „Ecclesiae Trevirensis nomine scripti ad Popponem archiepiscopum versus" aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts besteht aus elf in der Handschrift durch Initialen abgesetzten Strophen. „Die Strophe besteht aus vier rhythmischen steigenden Achtsilbern, je zwei durch einen einsilbigen oder zweisilbigen Reim zu Langzeilen verbunden" (Strecker). Nr. 35: „Sacerdos et lupus". „Form: 20 rhythmische ambrosianische Strophen" (Strecker, der sie als zweizeilige, binnengereimte Langzeilenstrophen abdruckt). Nr. 40: „Vernafeminae suspicia"; „Schema: 6rhythmische ambrosianische Strophen" (Strecker, der sie wieder als Langzeilenpaare druckt). Nr. 42: „De Johanne abbate"; (10. Jahrhundert) „Schema: 13 Strophen von je 4 rhythmischen Achtsilbern; diese sind meist je zwei und zwei durch... Reim verbunden, zuweilen aber reimen nur der zweite und vierte Versikel" (Strecker). Das bedeutet, daß hier die binnengereimten und die endgereimten Langzeilen im gleichen Lied miteinander wechseln; die Strophen 3, 4 und 5 sind endgereimte Langzeilenstrophen, die andern binnengereimte. B r i n k m a n n nennt in seiner Untersuchung über den „Reim im frühen Mittelalter"49) mehrfach „Langzeilen" und „Langzeilenpaare", wenn er von den irischen Dichtern des 6. bis 8. Jahrhunderts spricht; und zwar denkt er sowohl ") a.a. O. 42 ff. ") a.a.O. 68f. und. 65f.; vgl. oben 8. 14. 47) Berlin (1926) (= Monumenta Germ. Hist.). 18) Facsimile des Anfangs s. bei Strecker, a. a. O. ") Britannica. Festschr. für H. M. Elasdieck. (1960) 62ff.

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an endgereimte wie an binnengereimte. Von „23 Strophen zu je 6 Langzeilen" ist bei dem Hymnus „Altus prosator" des Columban die Rede; bei einem „Gebet an Christus" (Anal. hymn. 51 Nr. 218) heißt es: „Die Strophe baut sich aus zwei Langzeilenpaaren auf, die jeweils zwei Achtsilber durch den Reim verbinden" ; gleich gebaut ist die in den Analecta hymnica vorausgehende Nummer. Wie sehr auch die Form des „Altus prosator" auf Hrabans Nachbildung gewirkt hat, zeigen die Verse (Poetae II, 197 ff.) Str. 24. Utere eis sapiens, omnia quaevis commedens, fructus liqui pomiferi simulque salutiferi, pomurn ne ligno vetitum mandas tibi mortiferum. Mit Hraban sind wir bereits unmittelbar in der Nähe Otfrids angelangt. Wenn Brinkmann anderseits bei Aldhelm von „Vierzeilern" spricht und dabei die Verse aus dem Gedicht über die „Jungfräulichkeit" Christus passus patibula atque leti latibula virginem virgo virgini commendabat tutamini im Auge hat, so ist der Unterschied zu dem vorausgehenden „Langzeilenpaar" nicht zu erkennen. Dasselbe gilt für die „13 Achtsilbenpaare" des AldhelmSchülers Aethilwald.50) Von andern rhythmischen Gedichten Aethilwalds „desselben Stils" sagt Brinkmann selbst: „Die Form dokumentiert die Langzeile": AUhelmum nam altissimum

cano atque clarissimum51)

Von den briefschließenden Segenswünschen, die Brinkmann im gleichen Zusammenhang zitiert, gilt das Gleiche: Vale frater florentibus inventutis cum viribus, ut floreas cum, domino in sempiterno solio62); oder: Vale Christo virguncula,

Christi nempe tiruncula53)

Schließlich weist Brinkmann noch auf Gottschalks Gedichte hin; er wie die Iren konnten „in ihren lateinischen Gedichten" für Otfrid „maßgebend werden". Er hat bei all dem nur die Form des R e i m s im Auge; aber es scheint mir kein Zweifel, daß die Gestalt der Verse und die Otfridstrophe von den Langzeilenstrophen der angeführten Art ebenso Anregungen empfangen konnten. Meyer wirft auch die Frage auf 54 ):, ,Wie sollen nun diese Zeilen g e d r u c k t werden?" Und er antwortet: „Wer mehr auf den Sinn gibt, muß sie in Langzeilen drucken lassen; wer mehr auf praktische Zwecke gibt, in Kurzzeilen. Es ist die Frage, die fast alle Herausgeber mittelalterlicher lyrischer Gedichte peinigt... 50 ) «) «) ") ")

Auetores antiquissimi XV, 533, Nr. III. vs. 59/60 von Nr. IV, ebd. 534. Bonifaz an Nithard 710/7: M. G. Bpist. III, 249. Lullus an eine geistl. Schwester M. G. Epist. III, 425. Ges.Abh. Bd. 3, 10.

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EINFÜHRUNG

die Praktiker, wie Mone und Dreves, entschieden sich meistens für die Kurzzeilen, schon des leichteren Citierens halber."86) 8. Altfranzösische Parallelen Erstaunlich ist, von den deutschen Langzeilen her gesehen, die Gleichartigkeit der altfranzösischen ältesten geistlichen Dichtung. Sowohl die sogenannte E u l a l i a s e q u e n z wie die P a s s i o n Christi wie das Leodegarlied bestehen aus Zeilen, die der Otfridzeile sehr nahestehen. Man deutet und benennt die beiden letzten gewöhnlich „vierzeilige (bzw. „sechszeilige") Achtsilberstrophen" „mit paarweiser Assonanz". Anders sieht bereits die Form des altfranzösischen A l e x i u s l i e d s aus; es ist „in 125 fünfzeiligeneinreimigen Zehnsilberstrophen" gebaut (um 1050) ; „um dieWende des 12.Jhs. wurde das Gedicht einer Erneuerung unterzogen, bei der sich die strenge strophische Form infolge der vielen Einschaltungen in lose Tiraden auflöste".54) Es scheint, daß sich bei den einfachen religiösen Strophen bereits eine Art Vermischung mit der Laissenform ältester (heimisch - mündlich tradierter?) Art vollzogen hat. Auch die ungleichzeiligen deutschen Strophen könnten von daher Anregungen erhalten haben. Über die Laissenform wird noch zu sprechen sein. Jetzt geht es zunächst um die älteren Formen. Ihre Deutung ist unter den Romanisten allerdings sehr umstritten.57) Es ist nicht möglich, hier eine Klärung zu versuchen. Worauf es mir ankommt, ist nur das Faktum, daß auch die Formen der ältesten französichen religiösen Lieder als Langzeilenstrophen ernsthaft angesprochen werden können. Ich darf hinzufügen, daß mir von der Kenntnis der ältesten deutschen Formen her und aus meinen Auffassungen heraus diese Interpretation, die vor allem Suchier vertritt,sehr einleuchtet. Suchier wendet sich zunächst gegen die Gleichsetzung oder Herleitung der Form der „Passion" aus dem lateinischen achtsilbigen Hymnenvers und der vierzeiligen ambrosianischen Hymnenstrophe, was letztlich auf den klassisch-lateinischen jambischen Dimeter zurückführe. Seinen Bedenken68), die sich an solche von P. Verrier 69 ) anschließen, fügt er eine andere These hinzu. Er sieht in den Langversen von drei lateinischen Gedichten des 9. und 10. Jahrhunderts die nächsten Verwandten. Es handelt sich hier um „Sechzehnsilber, indem je zwei Kurzverse deutlich zu einer größeren syntaktischen Einheit zusammengefaßt sind und je zwei dieser Langverse eine Strophe bilden. Formale Unterschiede bestehen nur insofern als bei Text A lediglich die Ausgänge der Langverse gereimt sind, dagegen bei Text C und D Zäsur und Ende jedes einzelnen Verses (also aa bb) und bei B die Zäsuren und ") Der „Praktiker" Schade entschied sich für Langzeilen, weil er darm viel Baum sparte ! 66 ) Becker, Grundriß derafranz. Lit. (1907) 15. ") Vgl. Walther Suchier, Boman. Forsch. 65 (1953) 345ff. und die dort gegebene Literatur; ferner: Ph. A. Becker, Abh. der sächs. Akad., Phil.-hist. Kl. (vgl. Anm. 1). H. Lausberg, Herrigs Archiv 191 (1955) 183ff.; Suchier, Zs.f.fr.Spr.u.Lit. 66 (1956) 33 ff. ") Boman. Jb. 3 (1950) 556f. 69 ) Le vers français 2 (Paris 1932) 67/8.

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Enden je zweier Verse den gleichen Reim tragen {aa aa). Gleichwohl wird man diese Verse als Sechzehnsilber ansehen dürfen, so wie auch die Herausgeber der drei Texte ABC sie als Langverse drucken und, wie Wright ausdrücklich sagt, die Handschrift von C ihre betreffenden Stücke in Langversen geschrieben hat. Als Beispiel mag je ein Verspaar aus jedem der drei Gedichte dienen : Text A : Sed cum vere < invenerit, | quod debet rèprehendere, More fratèrno corrigat, \ ut me possit 1 defendere.

(vs. 7-8)

1

Text B : Iratus ille talìbus \ locum petit vélocius; Praedas iubet 1 militibus, | accendit ignem protinus 1

(vs. 55-56)

1

Text C : Christianns excogitat | quaiiter hunc decipiat; Aurum inclòdit concavo \ quod debebat 1 in baculo.

(vs. 27-28)."®°)

Ich verzichte darauf, die einzelnen Begründungen Suchiers zu wiederholen. Ich glaube, er sagt mit Recht: „So spricht mancherlei dafür, daß jener lat. Sechzehnsilber die Anregung zur Entstehung des afrz. Verses gegeben hat, während zugunsten des Hymnenverses sich, soweit ich sehe, kein metrisches Argument beibringen läßt." „Der lat. Sechzehnsilber selbst, der uns in den vier Texten A-D nur mit einer in bestimmter Weise modifizierten Sonderform entgegengetreten war, wird als eine Fortsetzung bzw. Erneuerung des antiken jambischen Oktonars anzusehen sein; auf diesen geht also auch der 8+8-Silber der Passion in letzter Linie zurück." 61) Besonders wesentlich scheint mir, daß nicht nur in der Vers-, sondern auch in der Strophenform die nahe Verwandtschaft besteht. Die „Eulalia-Sequenz" läßt Suchier außer Betracht. Gerade sie ist in der den Germanisten durch das Ludwigslied vertrauten Handschrift auf der gleichen Seite wie sein Anfang und in der gleichen Schreibform überliefert (vgl. das Facsimile!).62) In beiden Liedern sind Langzeilen geschrieben; nur hat das französische Lied keine zweizeiligen Strophen, sondern jede Langzeile steht für sich.*3) Jedesmal beginnt die Langzeile (im Ludwigslied immer die erste der Strophe) mit größerer Initiale; aber auch der Abvers (im Ludwigslied: der Abvers der ersten und die beiden Halbzeilen der späteren Strophenzeilen) beginnen mit Initialen, die im Ludwigslied meist, in der Eulaliasequenz gelegentlich kleiner sind als die Anfangsinitialen. Den Bau der Eulaliasequenz hat zuletzt H . L a u s b e r g i m Zusammenhang mit dem Eulalialied des Prudentius erörtert.64) Auch er geht von der Grundlage der Langzeilen aus, und er versucht, den sequenzartigen Aufbau des Ganzen deutlich zu machen, indem er die Bedeutung der Melodie stark in den Vordergrund rückt. Gennrich hat allerdings gemeint, daß wir eher mit rezitativem als sequenzartigem Vortrag zu rechnen hätten, so wie er später für die Laissen des chanson de geste anzusetzen ist. •*) 00

) Roman. Forsch. 65, 348/9. ) Siehe Abb. 10, vor S. 17. ) Romanica (1958) 277ff.

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") Ebd. 351 und 352. ) Vgl. daa Facsimile, Abb. 10, vor S. 17. 86 ) Afranz. Lieder I (1953).

6S

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EINFÜHRUNG

In der Passion erscheinen dann die zweizeiligen binnengereimten Langzeilenstrophen, wie -wir sie in den althochdeutschen Dichtungen kennen; im L e o d e g a r l i e d sind es dreizeilige, so wie sie gelegentlich im Ludwigslied, im Psalm 138, in „Christus und die Samariterin"; häufiger im Georgslied erscheinen. Nur hat die Strophe des Leodegarlieds regelmäßig drei Langzeilen. Die Handschriften setzen lediglich die Strophen, nicht die Zeilen ab; Reimpunkte sind (nicht überall) gesetzt. Beachtenswert scheint mir, daß in diesen beiden Liedern bereits eine große Zahl von Strophen aufeinander folgt, in der Passion 129, im Leodegarlied 40; daß also die Melodie sehr oft wiederholt worden sein muß. Zu beiden Liedern ist auch die Melodie in Andeutungen überliefert, zur Passion zur ersten Strophe, zum Leodegarlied zur ersten Zeile. Gennrich vermutet, daß dieses Lied wieder bereits mehr rezitativ, mit ständig wiederholter Zeilenmelodie vorgetragen sein könnte.

9. L a i s s e n f o r m e n und L a n g z e i l e n s t r o p h e n Bei aller Problematik, die die lebhafte Diskussion sichtbar macht, scheint mir für die Beurteilung der ältesten deutschen Versformen das eine wichtig und deutlich: auch die französische Überlieferung des 10.Jahrhunderts weist wie die deutsche seit dem 9. und wie die lateinische schon vorher und bis in die gleiche Zeit auf Lieder aus Langzeilen und Langzeilenstrophen, so daß sich die Deutungen im Zusammenhang der abendländischen Liedkunst stützen. Die romanische Laissenstrophe, die in französischer Dichtung als die Vorgängerin der fortlaufenden Reimpaare (Achtsilberpaare) erscheint, ist die zweite Form. Jene Langzeilenstrophen gehen voraus, mag auch schon laissenartiger Vortrag; mögen volkstümliche Vorformen der Laisse älter sein. Ihre älteste Bezeugung bringt erst das A l e x i u s l i e d , allerdings in einer besonderen Form. Mit ihm tritt die Laissenform l i t e r a r i s c h i m letzten Drittel des 11. Jahrhunderts in Frankreich auf. Es wird in der Romanistik ein „vorliterarisches" Dasein angenommen, sozusagen als nationaler Besitz (s. Ph. A. Becker, S. 4 unten); „eine originelle Schöpfung der französisch-provenzalischen Sprachgemeinschaft" nennt sie Becker, der die Laisse gleichwohl nicht ohne allen Zusammenhang mit den vorausgehenden „strophischen Formen in Anlehnung an den christlichen Hymnus" entstanden denkt: „woher hätte sie sonst ihre Versmaße und den Reim und selbst das Tonschema ihrer Weisen"? Es liegt außerhalb der Möglichkeit und auch der Notwendigkeit, diese Fragen im vorliegenden Zusammenhang zu diskutieren. Wichtig ist, daß wir uns die charakteristischen Züge der Laissenform deutlich machen. Es sind: Einreimigkeit; ungleiche Länge der „Abschnitte"; periodisches Absetzen und Wiederaufnehmen der Erzählung; monoton rezitativer Vortrag. Im Alexiuslied sind es Achtsilber, im Rolandslied Zehnsilber, die in „assonierenden Tiraden" gebunden sind. Eine unmittelbar entsprechende Form bezeugt die deutsche Dichtung des 11. Jahrhunderts nicht. (Ebensowenig früher, wenn die französischen „volkstümlichen Vorformen" älter sein sollten.) Wohl aber erscheinen in der Liedkunst

D I B F O R M E N D E R R E L I G I Ö S E N D I C H T U N G E N D E S 11. U N D 12. J H S .

23

des späten elften, vor allem aber im 12. Jahrhundert Gestaltungen jener alten Langzeilen, die die ungleiche Zeilenzahl ihrer Strophen oder „Abschnitte"; die Ausweitung der alten geregelten Zwei-, Drei-, Vier- oder Sechszeiügkeit zu ungleichzeiligen längeren oder auch kürzeren Abschnitten mit der Tiradenform gemeinsam haben; sie einer Anregung von der Laissenform her verdanken könnten. Erstmals im Annolied, dann häufiger im 12. Jahrhundert, erscheinen solche ungleichzeiligen Langzeilen-,.Abschnitte". Nicht übernommen wird die Zeilenform, auch nicht der durch die ganze Laissen-Strophe laufende Gleichreim. Es sind die alten binnengereimten Langzeilen, die wir aus der ältesten deutschen wie der ältesten französischen Dichtung und aus lateinischen Liedern nun kennen. Aber diese Langzeilen werden jetzt in der Art der Laissenstrophe zu ungleichzeiligen Strophen zusammengefügt. Es entsteht so die gleiche Möglichkeit, die Ph.A. Becker der Laisse zuspricht: eine „Ersatzlösung" für die „idealische stichische Erzählform". Diese Idealform sieht Becker in „den überschränkten, Vers an Vers fügenden Hexameterreihen der homerischen Dichtungen"; man könnte wohl auch die stabenden Verse des Beowulfs oder des Heliands hier anfügen. „Ersatz-Lösungen" sind im Französischen nach Becker zuerst die Laissenstrophen und später die fortlaufenden Paarreime. Im Deutschen wären es die ungleichzeiligen Langzeilenstrophen, später ebenfalls die fortlaufenden Reimpaare. Dabei muß man nicht sosehr an die kürzeren Lieder mit ungleichzeiligen als vielmehr an umfangreichere Dichtungen erzählenden Charakters denken, die diese neue Verwendung der binnengereimten Langzeilen übernehmen. Die Parallele mit der Entwicklung zwischen altdeutscher und altfranzösischer Formkunst geht so weit, daß hier wie dort eine Abfolge oder eher ein Nach- und teilweise ein Nebeneinander von drei Formen steht: zuerst die Lieder aus binnengereimten Langzeilen und Langzeilenstrophen; die zweite Form sind im Französischen die ungleichzeiligen Laissenstrophen, auch für lange erzählende Dichtungen verwandt, im Deutschen die binnengereimten Langzeilen zu Dichtungen aus ungleichmäßigen Langzeilenstrophen gestaltet; die dritte die fortlaufenden Paarreime, in Frankreich wie in Deutschland, von Becker als die andere, neue „Ersatzlösung für die idealische stichische Dichtform" bezeichnet. Ihr Charakteristikum sind, ,die laufenden (ungegliederten) Reihen mit paarweiser Bindung der Reime";... „die Laissenpause fällt weg" eine freie syntaktische Gliederung der Rede über das Versschema hinweg wird möglich". Diesen Formulierungen Beckers für die neue Form des französischen Erzählens stelle ich meine frühere Kennzeichnung der großen Wende dieser Erzählformen gegenüber.68) Etwa in der Mitte des 12. Jahrhunderts wird die neue Möglichkeit im Westen erreicht; Chrestien von Troyes ist ihr bedeutendster Vertreter. Mit Veldeke wird sie in Deutschland durchgesetzt. Wir haben von Langzeilen und von Strophen gesprochen. Mit dem Blick auf unsern Ausgangspunkt ist das zweite das Wichtigere. Könnte man vielleicht darüber streiten, wie wesentlich es ist, ob man die binnengereimte Langzeile ") Siehe S. 10.

24

EINFÜHRUNG

oder das „Reimpaar", die durch den Reim gebundenen Kurzzeilen zum Ausgang und Grundstein nimmt, so kann man keinesfalls aber die fortlaufenden Reimpaare der mittelhochdeutschen Zeit als Form der Dichtung des 9. bis 11. Jahrhunderts ansetzen. Denn der strophische Charakter; das blockhafte Sprechen in Strophen ist es, das dieser Dichtung die völlig andere Art gibt. Die eminente Bedeutung dieses Unterschieds zwischen der Dichtung vor und nach Veldeke ist nicht zu verkennen. Es muß noch einmal betont werden, daß das sowohl durch die Art der handschriftlichen Überlieferung; die Art, wie die Schreiber die Strophen (und z.T. die Zeilen) absetzen; wie die Dichter sie durch Akrosticha schmücken; wie vor allem auch durch die Gedankenführung und den inneren Aufbau die Sprachform der Dichtungen gesichert ist. Noch deutlicher wird das, wenn wir die Vortragsart und die Melodien beachten ; das wird in einem späteren Abschnitt geschehen.

10. Hinweise der Überlieferung auf die Form der Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts Mit dieser Erkenntnis kehren wir zu den frühmittelhochdeutschen Stücken zurück und untersuchen, wieweit mit den gleichen Methoden auch ihre Formen sichtbar gemacht werden können. Allzu naiv wäre es, wenn man sich an die Gestalt halten wollte, die die Herausgeber der Dichtungen gegeben haben; die verschiedenen Stücke, die ihrer Art und Überlieferung nach gleich sind, werden ganz verschieden behandelt. So wird z.B. das Annolied seit Opitz in Strophen abgedruckt, obwohl es sich hier um sehr ungleiche „Abschnitte" handelt; Ezzos Catilena dagegen wird etwa von Waag in fortlaufenden Reimpaaren gedruckt, wie er grundsätzlich alle diese Dichtungen in seiner Ausgabe nach Versen durchzählt, mag ihr strophischer Charakter noch so deutlich sein. Wir müssen noch einmal die Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts direkt befragen, ihre Überlieferung und ihre Form selbst. Wir werden gut tun, uns zuerst an die Dichtungen liedartigen Charakters zu halten, und wir fragen zunächst: gibt es auch in den Handschriften, die diese Lieder des 11. und 12. Jahrhunderts überliefern, Hinweise für ihre strophische Bauform? geben die Lieder selbst solche Hinweise ? Die prachtvolle und prunkvolle Schreibweise, wie sie in den großen Handschriften des Liber evangeliorum Otfrids oder in der Handschrift des Ludwigslieds geübt wird, ist im 11. Jahrhundert nicht mehr zu finden; das Pergament ist zu kostbar geworden, man spart mit dem Raum. Auch in den Handschriften, die wie einst die Otfrids oder des Ludwigslieds ausdrücklich um dieser Denkmäler willen selber geschaffen sind, werden jetzt Weisen der Aufzeichnung angewandt, die man früher bei den nachträglichen und den Gelegenheitsaufzeichnungen benutzte, wie etwa dem Georgslied oder dem Petruslied oder dem Gedicht von „Christus und der Samariterin", die auf frei gebliebene Stellen eingetragen worden sind. Man kann aus Raumnot die Zeilen nicht mehr absetzen, meist auch nicht mehr die Strophen. Aber man markiert den Beginn der neuen



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Abb. 11. U B Giessen, Hs. 660, 6r, Friedberger Christ und Antichrist

-K'jfOFi ig * nuiviuv "üia*"**' —— durcn ngan. iUr ovcb dt andere ane C\ndi> fpmcb der WAJLX goded TunvcbiCoan. do gru rder fittc uuigcruti* vu tu fitic \vndutt.Stne ofline ftMcn tbomabtr er gtuÖxn. mtr fmcu lungeren drut* do glov beccr cUcdicbö an in*da*cr>mfjim verwan deior. im hcrtt> vn ftn gor.tr -vvatrallar vm bedar grdan* dar mc ncchatten rvtvcldoi l Juc* mo:jenes fruo« ^fcnbando per indem rnerc vut% vtide andere di berrun. dt rntr tnu> wamn.Jr tncifltr ftg^fan. da ure mdemo ftaden gan. erfm ¿ ¿ U obe ft uver vtngtn» oder Avefft ftcb begingen, ft fpnuben r v -wäre« da r ft alle difc narb Avetxn« mtrarbetden daran.dar ft nc mcn mr gevan* er birft ccfirwenr K\lb ux>.dar ncrcc vcrfiuwdar tnet*. dar ftdv bar uHunden dar cvwctx Cimcrm» der vtCco gtflctns vtngtn ft do mtriic • Ai?nf rvc vti ccbctt rvc-dcS Rin - w t r v r Hunde uob.uu drtcro mera. di bcccid^

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Abb. I I a . U B Gießen, Hs. 660, 7v, Friedberger Christ und Antichrist

Abb. 12. Straßburger Hs., 154v, Memento mori

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erlichir ( : suozzir) ; 2 4 , 4 kamre > Icamere ( : obere) ; 25, 5 mendenti > mendende ( : ende) ; 3 5 , 1 tievil > iieveZ ( : chuone) ; 42, 2 nidine > nidene ( : vögele) ; 51,1 voyiZ > «ogrei ( : loben) ; 6 4 , 2 cAof > quit ( : ntM) ; 76, 2 heiligen > beilegen ( : megen) ; 83, 2 Zeitfen > feiten ( : gereite) ; 9 3 , 1 erdttet > eraldet ( : erblindet) ; 9 6 , 3 ligit > liget ( : tribet) ; 104, 1 bezeichent > bezeichint ( : sint) ; 1 0 4 , 4 cAirf > chot ( : got) ; 104, 5 nidir > m lichnam (: an) ; 116, 3 antreite > antreide ( : getraide) ; 118, 2 undir > ander ( : tumberi) ; 128, 4 scuttit > scuttet ( : walget) ; 129, 3 uniochir > wuocher ( : versuoche) ; 1 4 6 , 4 m'Ai > nieAi ( : lieht) ; 147, 3 wandil > wandel ( : erchande) ; 1 5 0 , 1 nihts > nihtes ( : fleisces) ; 164, 2 muotir > muodir ( : bruodir) ; 167,1 erent > erint ( : sint) ; 180, 1 bezeichent > bezeichint ( : sint).

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PHYSIOLOGUS

173

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174

PHY8IOLOGU8

84 v

Ir iult an diien itunden. von witei manne! munde, eine rede iuchen. an dilem buche, phiiiologul itt ez genennet, von der tiere nature ez unT zellet. Ilt ez nu iwer wille. So iwiget uil itille. 85 r Ditzze buch wil uni chunt tun. unde zellen groz zen wittüm. uon tieren unde uon uogelen. allerite uon dem Lewen. wie iin nature unde iin leben, an im iint gelegen. Do der gute Jacob, iine iune 5 geiegenot. unde iigewihte. uon der gotei bihte. do iprach er uil hewen weif de! Lewen. biitu Juda röche, nu wer lol erwechen. uon dinem geüsehte einen man! ane got! nieman. Von dem Lewen zel lent div buch rehte. wie er habe drier nature flahte. 10 Daz erit ilt io er indem gebJrge get. ode indem tie ffin walde itet. Io in die iaegere danne iagent. ob im zeder naien der itanch chumet. Io uertiliget er daz Ipor mit dem zagele. daz man in iht uahe an dem geiaide. Sam tet unür herre. chrilt der 15 heilige, der der Lewe geheizzen iit. uon dem chun ne dauidis. do er uon ünei uater erbarmede. her chom in erde, do bedahtte er gereite, der uinltern ipor mit liner gotheite. ich meine do er chom in den büiem der magede. do geheilt er mennilchlich

84v: 4 ez: daz? Pi(per). I (1) Dizze buochredenot unde zellet michilenwistuom von tieren unde von fogilen, aller erist von dem Lewen, wie siniu dinch gelegen sint. (2) Do der alte Jacob sinen sun gesegenote unde gewihte, do chod er: „weif des Lewen bistu Juda. wer scol irwechen von dineme geslahte einen man? wer ane got?" (3) Von dem Lewen zellent diu buoch, wie er habe driu geslahte. Daz erist ist, so er get in den gebirgen oder in deme walde, so in die jagere jagint, ob ime danne der stanch chumet ze dere nasun, so vertiliget er diu spor mit deme zagile, daz man in gevahen nemege. (4) Same tete unser trehtin, der heilige Christ, der der heizzet Lewe von dem Davidis chunne. do er von sines vater barme here chom, do bedahte er diu vil vernunstiklichen spor siner gotheite. ich meine, do er chom in dere magide puosim, do geheilt er mennisken chunne. (ö) So wart der

W.129v W. 130r (Wilhelm) [1,5

Den Großbuchstaben im Text entsprechen in der Hs. kleine Initialen; die Namen beginnen auch in der Ha. in der Regel mit Großbuchstäben.

I (1) Ditze W.

(2) scol (!) W.

irwekchen W.

wer scol ect. Übersetzungsfehler

Lau(cfter alle {: manne); 17, 4 vertwelit > vertweU (: werlt); 19, 3 bewarin > bewarn (: varn); schließlich die -en : -¿«-Bindungen 6, 1 u. 17, 4 ausgeglichen. Dagegen habe ich darauf verzichtet, grundsätzlich die volltonigen Endungen wiederherzustellen; weitergehende Eingriffe habe ich vielmehr vermieden, wenn dadurch nur der Reim technisch besser wurde; daher sind ebenare : here 13,3 und listen : unchusten 8, 2 stehengeblieben; es sind mögliche Bindungen. Die schlechte Bindung tac : war in 14, 4 habe ich gleichfalls stehengelassen, da die eindeutige Vorlage des Gedankens (Ps. 83, 11) den Besserungen widerspricht, die das Reimwort jär hereinzubringen suchen. Gleichwohl bleibt dieser „Reim" die schlechteste Bindimg des ganzen Lieds. Was die s p r a c h l i c h e F o r m betrifft, so habe ich wenig eingegriffen.

W e i t e r e W i e d e r g a b e n d e s T e x t e s : H. B i e b r i c h e r , Zur Metrik der Gedichte Memento mori, Ezzos Gesang u. Nabuchodonosor. Dies. phil. Frankfurt (1925) 4-10; B. B o e s c h , Aus frühmhd. Dichtung. „Memento mori". Bern (1948) ( = Altdt. Übungstexte Bd. 8) 18-21; H. B u t t k e , Studien über Armut und Reichtum in der mhd. Dichtung. Diss. Bonn (1938) 29; P. H a b e r m a n n , Die Metrik der kl. ahd. Reimgedichte (1909) 78—87; P. P i p e r , Lit. Gesch. und Grammatik des Ahd. und Alts&chs. 2. Teil (1880) 190-192; ders , Die Schriften Notkers und seiner Schule. l . B d . (1882) ( = Germ. Bücherschatz 8) 863-868; ders., Die geistl. Dichtung des Mittelalters. II (o.J.) ( = Dt. Nat. Lit. Bd. 3) 31-36; F. T s c h i r c h , Frühmittelalt. Deutsch (1955) 77-79; K. W o l f s k e h l und F . v . d . L e y e n , Älteste dt. Dichtungen. „Gedenket des Todes" »(1920) 98-109,219f. W e i t e r e L i t e r a t u r : J. B a e c h t o l d , Gesch. der dt. Literatur in der Schweiz. Frauenfeld (1892) 76-78, Anm. S. 23; K . B a r t s c h (über Barack, Ezzos Gesang von den Wundern Christi und Notkers Memento mori...) Litbl. 1 (1880) Sp. 13f.; A. B a y e r , Der Reim von Stammsilbe auf Bndsilbe im Frühmhd. Diss. phil. Tübingen 1934; O. B e h a g h e l , (über Braune, Ahd. Lesebuch. 2 1881) Litbl. 2 (1881) Sp. 235; H. B i e b r i c h e r , Zur Metrik der Gedichte Memento mori, Ezzos Gesang und Nabuchodonosor. Diss. phil. Frankfurt (1925); H. d e B o o r , Über Brechung im Frühmhd. Germanica, Festschr. f. E. Sievers (1925) 490; ders., Frühmhd. Sprach8

) Frühgesch. d. dt. Reims (1941) ( = Palaestra 220) 100 ff.

MEMENTO MORI

253

stil I I . ZfdPh. 52 (1927) 31-76; M. P . B u t t e i l , Religious Ideology a n d Christian Humanism in German Cluniac Verse. Diss. phil. Washington (1948) ( = The Catholic University of America Studies in German. Vol. X X I ) 75-77; M. D i t t r i c h , Der Dichter des„Memento m o r i " . ZfdA. 72 (1935) 57-80; A. G r ü n e w a l d , Die lat. Einschiebsel in den dt. Gedichten von der Mitte des 11. bis gegen Ende des 12. Jhs. Diss. phil. Göttingen (1908) 7; P . H a b e r m a n n , Die Metrik der kleineren ahd. Reimgedichte (1909) 78-96, 167-193; K . H e l m , Zur a h d . Grammatik. Beitr. 60 (1936) 428f.; H . H e r z o g , Z u m M e m e n t o m o r i . Germania30 (1885) 60-63; M. I t t e n b a c h , D t . Dichtungen der salischen Kaiserzeit und verwandte Denkmäler (1937) ( = Bonner Beitr. z. d t . Phil. H . 2) 10; C. K r a u s (über Steinmeyer, Denkmäler dt. Poesie u n d Prosa, 3 1892) ZföG. 45 (1894) 133f.; W . K r o g m a n n , „Memento mori". Verf. Lex. 5 (1955) Sp. 678-680; H . K u h n , Zwei mittelalt. Dichtungen vom Tod: „Memento m o r i " u n d „Der Ackermann von Böhmen". DU. 5, H . 6 (1953) 87-93; ders., Gestalten u n d Lebenskräfte der frühmhd. Dichtung. Dt. Vjschr. 27 (1953) 22-25; ders., Minne oder reht. Panzer-Festschr. (1950) 29ff. (beides jetzt in H . K., Dichtung u n d Welt im Mittelalter (1959) 113-120 bzw. 105-111); A. L e i t z m a n n , Zum altalemann. „Memento mori". Beitr. 16 (1892) 533-536; ders., Lexikalische Probleme der frühmhd. geistl. Dichtung. Abh. d. preuß. Akad. d. Wiss. Phil. hist. Kl. 18 (1941) 56-58; F. M a u r e r , Über Langzeilen u. Langzeilenstr. in der ältesten dt. Dichtung. Beitr. z. Sprachwiss. u. Volkskunde. Ochs-Pestschr. (1951) 39; ders., Salische Geistlichendichtung. DTJ.5, H . 2 (1953) 7f.; H . M e n h a r d t , Zur Überlieferung des „Memento mori". ZfdA. 80 (1944) 7 f . ; O. M e n d i u s , Gän u. stan im Memento mori. Beitr. 27 (1902) 205f.; H . M ö l l e r , Zum Memento mori. AfdA. 41 (1922) 111; F . R a n k e , „ I c h bin von Gott, ich will wieder zu G o t t " . Angebinde. J o h n Meier zum 85. Geburtstag (1949) 112; H . R o s e n f e l d , Die Entwicklung der Ständesatire im Mittelalter. ZfdPh. 71 (1951/52) 197; A. R o s s m a n n , W o r t u n d Begriff der Wahrheit in der f r ü h m h d . Lit. Diss. phil. Tübingen (1952) 105; R. R u d o l f , Ars moriendi, Von der K u n s t des heilsamen Lebens u n d Sterbens (1957) X V I I u n d 39 f.; H. R u p p , Memento mori. Beitr. 74 (1952) 321-354; ders., D t . religiöse Dichtungen des 11. und 12.Jhs. (1958) 1 - 2 5 ; E. S c h r ö d e r , „Anhang". ZfdA. 72 (1935) 80; ders., Bogenfüllsel. ZfdA. 72 (1935) 112; W . S c h r ö d e r , Der Geist von Cluny u n d die Anfänge des frühmhd. Schrifttums. Beitr. 70 (1950) 322f.; ders., Mönchische Reformbewegungen u n d frühmhd. Lit. Gesch. Wiss. Zs. der Martin-Luther-TJniv. HalleWittenberg 4, H . 2 (1954/55) 246-248; ders. (über R . Schützeichel, Das alemann. „Memento mori") ZfdA. 74 (1963) 73-76; R . S c h ü t z e i c h e l , Das alemannische „Memento m o r i " (1962); G. S c h w e i k l e , Ezzos Gesang und Memento mori. Diss. phil. Tübingen (1956); F. S e i l e r , Kl. Mitteilungen. 2. Zum Memento mori. ZfdA. 25 (1881) 188; A. S i m o n , Vom Geist u n d Stil der frühmhd. Dichtung. Diss. phil. Heidelberg (1933) 7-10; S. S i n g e r , Die mittelalt. Lit. der d t . Schweiz (1930) 16; E . S t e i n m e y e r (über Barack, Facsimile der Straßburger Hs.) AfdA. (1879) 431f.; W . W i l m a n n s , (über MSD a 1892) Göttingischer Gelehrter Anzeiger (1893) 535; H. W u n d e r l i c h (über MSD "1892) ZfdPh. 26 (1894) 113.

MEMENTO MORI 1 Nu denchent, wib unde man, war ir sulint werdan. ir minnont tisa brodemi unde wanint iemer hie sin. si nedunchet iu nie so minnesam, eina churza wila sund ir si han; ir nelebint nie so gerno manegiu zit, ir muozent verwandelon disen lip. 2 Ta hina ist ein michel menegi, sie wandan iemer hie sin; sie minnoton tisa wencheit, iz ist in hiuto vil leit. si neduhta sie nie so minnesam, si habent sie ie doh verlazan. ich neweiz, war sie sint gevarn, got muozze so alle bewarn.

(Braune)

3 Sie hugeton hie ze lebinne, sie gedahton hin ze varne ze der ewigin mendi, da sie iemer solton sin. wie luzel sie des gedahton, war sie ze jungest varn solton. nu habint siu iz bevunden: sie warin gerno erwunden. 1, 1 N v : Initiale eingeritzt, nicht ausgeführt Hs.

Schwei (hie); brödi Pi(per)

Pi.

2 brodemin ? Sche(rer), dagegen

3 iuh Sehe., MSD, Pi., Boe(scA)

sulent Sehe., sulnd

4 MSD und Boe. streichen gemo, dagegen 'Wunderlich) lib Hs.

zit: lip

Pr(etzel), dagegen Schwei. 2, 1 menegin ? Sehe., Pi., dagegen Schwei. wändön Sehe., MSD, Ha(ftermann), Boe. 2 wenecheit oder wenicheit Sehe. 3 si h. si ie doh (I) Hs. verlazan Sehe., MSD, Ha., Pr., Boe.: uerlazen Hs. 4 so alle (!) Hs.: se Sehe., MSD, Boe.: sie Pi. 3, 1 hvgehto Hs., verb. von Sehe, nach la Punkt de B(oor) leben(n)e : varen(n)e Sehe., Pr., dagegen Schwei, nach lb Komma de B. 2 mendin Sehe., Pi., Ha., Schwei., bedingt P r .

nach 2a Punkt de B.

söltin ? H a .

3 Pi. streicht ze iungest;

ze iunges Br(awne); MSD, Ha., Boe. streichen varn 4 siv iz (I) Hs. Hs., verb. von Sehe, bevundan : erwundan Sehe., Ha.

1

bewnden

Strassbnrger Handschrift 154v

v denchent wib unde man war ir iulint werdan ir minnont tiia brodemi. unde wanint iemer hie iin. ii nedunchet iv nie io minneiam. eina churza wila iundir Ii. han. ir nelebint nie so gerno manegivzit irmuozent ver wandelon diien lib. Ta hina iit ein michel menegi. £ie wandan iemer hie fin. iie minnoton tiia wencheit. 5 iz iit in hivto villeit. Ii ne duhta iie nie io minneiam. ü habent Ii ie doh uerlazenich ne weiz war üe iint gevarn. got müzze Io alle bewarn. Sie hvgehto hie zelebinne. iie gedahton hin zeuarne zeder ewigin mendi daüe iemer iolton iin. wie luzel iie dei gedahton war iie ze iungeit uarn iolton. nuhabint iiv iz bewnden. iie warin gerno erwnden. Paradyium daz iit verro hinnan tar chom vil ielten dehein man. io taz er herwiderwnde unde er uni taz mare brunge. alder iv daz geiageti welei libei iiv d ort lebetin. iulndir iemer da geneien ir muozint ivielbo die boten weien. Tiiiv werlt iit alio getan iwer zu ir beginnet van. ii machot iz imo alle wvnder 1 Initiale eingeritzt, nicht ausgeführt 2 iundir: r z. T. zerstört 5 zwischen Ii und ne Rasur von ie? uerlazenich: u durch kleines Loch z. T. zerstört 11 d o r t : nach d Rasur von unter- und überpunktiertem r

MEMENTO MORI

255

4 Paradysum daz ist verro hinnan, tar chom vil selten dehein man, taz er her wider wunde unde er uns taz mare brunge, ald er iu daz gesageti, weles libes siu dort lebetin. sulnd ir iemer da genesen, ir muozint iu selbo die boten wesen. 5 Tisiu werlt ist also getan, swer zuo ir beginnet van, si machot iz imo alse wunderliep, von ir chomen nemag er niet. so begriffet er ro gnuoge, er habeti ir gerno mere. taz tuot er unz an sin ende so nehabit er hie noh tenne. 6 Ir wanint iemer hie lebin, ir muozt is ze jungest reda ergebin. ir sulent all ersterben, ir nemugent is niewit über werden. ter man einer stuntwilo zergat, also skiero so diu brawa zesamine geslat. tes wil ih mih vermezzen, so wirt sin skiero vergezzen. 7 Got gescuof iuh alle, ir chomint von ein im manne. to gebot er iu ze demo lebinne mit minnon hie ze wesinne, taz ir warint als ein man, taz hant ir ubergangan. habetint ir anders niewit getan, ir muosint is iemer scaden han. 4, 1 P a r a d y s u m (!) Hs., P a r a d y s Sehe., M 8 D , Boe., Krog(monn) Sehe, streicht daz 2 Sehe, streicht uns 3 siv (!) Hs. 4 sulent Sehe, selbe M S D , Ha., Boe. Sehe. streicht die. 5, 1 z'iro Sehe. 2 wunderlip P r . : wunderlieb Hs., Schwei. chom Hs., verb. von Sehe.; chomn Pi., chom Ha. 3 errognöge Hs. mere M S D , Ha., Boe. : mera H s . , Schwei, sö gnuog er begrffet ir ero, / er habeti ir gerno mera Lei(femann) habet'ir oder vielleicht habeti iro g. m . Sehe. 4 ienoh B ( ö d i g e r ) , M S D , Boe., dagegen Wihn(onn8), Kr (aus), hienoh ? Pi. 6, 1 lebint H s . ; leben Sehe., lebin M S D ergeben Hs. möztis H s . : muozint Sehe.: muozent MSD, Boe. M S D , Boe. streichen is, dagegen Wilm., Wu., W. Schröder 2 niet H a . ; M S D Boe. streichen niewit ersterban : werdan Sehe. 3 Bar(acfe) erwägt Beimtrennung nach wilo, skiero, brawa, geslat; ähnlich Sehe., der dann den Seim, auf geslat vermißt; dagegen H a . , Lei., Schwei, m a n en einer Sehe. Pi. streicht also skiero M S D , Boe. streichen zesamine nach 3a Punkt, nach 3b Komma Wilm., dagegen H a . 4 T e s : mit Initiale H s . ; Schwei, läßt hier die neue Strophe anfangen mit der Hs. vermezzan : ergezzan Sehe. 7, 1 g o t : keine Initiale Hs. alle Sehe., M S D , Pi., Ha., Pr., B o e . ; dag. Schwei. : allo Hs. einimanne Hs., verb. von M S D 3 ubergangan Sehe., MSD, H a . (ubergangan), Pr., Boe. : ubergangen Hs. 4 niet Sehe., H a . es ? H a .

lieb uon ir chom ne mager niet. io begriffet errognöge er habeti ir gerno mera. taz tuot er unz an iin ende, ione habiter hie noh tenne. Ir wanint iemer hie i 5 lebiht. ir möztii ze iungeit reda ergeben, ir ivlent alleriterben. irnemugent ii niewit über werden, ter man einerituntwilo zergat alio ikiero. io div brawa zeiamine geflat. Tei wil ih mih uermezzen. io wirt Jin ikiero uergezzen. got ge icuof ivh allo. ir chomint uon einimanne. to gebot er iv zedemolebinne. mit minnon hie zeweünne. taz ir warint alieinman. taz hant ir über gangen, habetint 20 ir ander! niewitgetan. ir muolint ii iemer icaden han. Toh ir chomint alle 15 nach iungeit Rasur ?

18 gebot über to, er

19 ir erhöht zwischen ta3 warint

256

DICHTUNGEN I N GLEICHZEITIGEN STROPHEN

8 Toh ir chomint alle von einim man, ir bint iedoh geskeidan mit manicvalten listen, mit michelen unchusten. ter eino ist wise unde vruot 9

tes wirt er verdamnot. tes rehten bedarf ter armo man, tes mag er leidor niewit han, er nechouf iz also tiuro, tes varn se al ze hello.

10 Gedahtin siu denne, wie iz vert an dem ende! so vert er hina dur not, so ist er iemer furder tot. wanda er daz reht verchoufta, so vert er in die hella. da muoz e wie Rupp U89/92] 193—196e 205¡Ge 205/6e

+

+

221/2e 221/2e z.T. umgest. 227/8e 241-44e 241—44e 257/8e 255-62e

+ + + + + +

-

+ +

+ + -

-

-r

-

-

-

-

Anf. angezw.

-

-

-

-

+

+

+

+

+

+

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

+

-

+ +

+

+

+

-

-

+ +



+ '

-

-

-

+

_L

-

p

+

+

329-34e -

353-58e

+ +

-

-

+

411/2e

-

411/2e

-

+ + -

+ + + +

417/8e

+ = echt, - = unecht

Sieht man sich diese Tabelle an, so besteht ziemliche Übereinstimmung in der Tilgung der Strophen 15, 24, 28, 29. Auch in der Anzweifelung einzelner Zeilen in den Strophen 17,19,21 besteht Gemeinsames. Ich persönlich habe mich vor allem mit meiner Sonderstellung gegenüber den Strophen 13, 23 und 25 auseinanderzusetzen. Auch die Auffassung von Strophe 16 ist zu überprüfen. Zuerst zu den Strophen 23 und 25. Meine Gründe für die Beseitigung von 23 und Beibehaltung von 25 hängen zusammen. Ich war einerseits davon ausgegangen, daß der descensus ad inferos nicht fehlen könne; ich hatte anderseits festgestellt, daß die Strophen 23 und 25 so nicht hintereinander stehenbleiben können (nachdem 24, darüber besteht bisher allgemeine Übereinstimmung, ausgeschieden ist). Nachdem Rupp darauf aufmerksam gemacht hat, daß 23 auch die Höllenfahrt „implizite" mitmeint; ja auch Grablegung, Grabesruhe und Auferstehung schildert, damit den Bing schließt, während anderseits 25 jenes bei B beliebte „vil tiure" bringt (sie ist also nicht ganz „ohne B-Merkmale", wie de Boor meinte26), scheint es möglich, Schneiders Bedenken gegen *•) de Boors Argument, das er a.a.O. S. 229 aus dem Gebrauch von al zieht, ist bei näherem Zusehen nicht beweisend: die von B in alles geänderten al (4, 1; 6, 12) sind anderer Art als die in 25 vorkommenden, die nahe bei dem in 1, 3; 17, 3 und anderseits 22, 3 und 34, 1 stehen.

274

DICHTUNGEN IN GLEICHZEITIGEN

STROPHEN

25 nachzugeben und Strophe 23 beizubehalten. Anders steht es bei den Strophen 13 und 16. Hier scheinen mir die Argumente von Schneider und de Boor denen von Rupp (der übrigens ein Stück von 16 festhält) und Schützeichel mindestens die Waage zu halten. Daß in 16 jenes vil enge steht, bestätigt nur die Tatsache, daß diese Form in Strophen alter und neuer Entstehimg v o r k o m m t . Was die übrigen Strophen betrifft, so entsprach die Ruppsche Auffassung bereits weitgehend der meinen. Lediglich in Strophe 8 (V. 12) glaubt Rupp alle sechs Zeilen halten zu können (was mich nicht überzeugt, trotz Schützeichels Zustimmung!); Strophe 20 hält Rupp als eine Strophe fest, streicht aber zwei Zeilen; mir scheint da meine Zerlegung der achtzeiligen Strophe in zwei Vierzeiler berechtigter. Wie leicht konnte eine Initiale ausfallen! - und zur Streichung der überzähligen siebenten und achten Zeile bestehen keine wirklich durchschlagenden Gründe, während ein Achtzeiler ganz einmalig wäre. Was schließlich die Schlußstrophen betrifft, so bin ich da keineswegs so isoliert, wie es Schützeichel scheint. Rupp und ich sind einer Meinung, und auch Kuhn beseitigt nur eine Strophe mehr. Wenn Schützeichel also Einmütigkeit für die Ausscheidung von 27-30 feststellt, gilt das nur mit Einschränkung; besonders was 27 und 30 betrifft; wirkliche Argumente gegen diese Strophen hat Schneider nicht, ebensowenig für die Beseitigung der Strophen 31 und 33. Bei diesem Stand der Diskussion bin ich auf eine Erscheinung aufmerksam geworden, die bisher kaum beachtet worden ist.27) In einer Seminarübung, in der die Reimkunst Ezzos betrachtet wurde, machte ein Teilnehmer die Beobachtung, daß in den ersten Strophen des Lieds noch einige stabende Formeln auftreten, und er glaubte, daß sie gerade neben dürftigen Endreimen, also vielleicht zu ihrer Verstärkung, gesetzt seien. Wenn sich auch dieser letzte Teil der Beobachtung nicht bestätigte, so gab es doch Anlaß, die stabenden Formeln und den Gebrauch des Stabreims bei Ezzo genauer zu untersuchen. Eine erstaunlich reiche Zahl von Formeln und Bindungen ließen sich feststellen; und zwar sind es z. T. stabende Bindungen, die die beiden Hälften der Langzeilen im alten Sinn reimen lassen; z.T. sind es stabende Formeln oder stabende Bindungen innerhalb einer Zeilenhälfte. Wenn man nur diejenigen Fälle beachtet, in denen die Hauptsinnträger der Zeile die Stäbe tragen, so sind es die folgenden: I. In dem Teil, den S. und V. überliefern: 1. Die in S. und V. gemeinsamen Strophen a) stabende Formeln Str. 3, 2a taz anagenge bistu, trehiin ein (— V. 57) 4b ligentes unde lebentes ( = V. 62) 2t ) Die Vorliebe von. B für Steigerung der Epitheta mit vil ist bereits aufgefallen; ich verzeichne: vil guot (Str. 1 = B); vil tcare (Str. 2 = B ) ; vil waerltche (Str. 12 = B ) ; vil michel (Str. 24 = B); vil tiure (Str. 26); vil toriger (Str. 27 = B). Vü michel (Str. 20 und 30), die meiner Meinung nach echt sind, sind die Belege für A. 27) Schweikle hat in seiner Dissertation (Ezzos Gesang u. Memento mori. Tübingen 1954), wie ich nachträglich sehe, daraufhingewiesen (204f.).

EZZOS C A N T I L E N A D B M I R A C U L I 8

5a 6b 4, 6a 6b 5, 3b 6a 6,3a 4b 7, la

CHRISTI

275

daz geskuofe du attez eino (— V. 63) in vrorten unde in werchen ( = V.66) ze allen eron - ( = V. 77) du wissos wol sinen val ( = V. 78) über alle, sine &{terchunft ( = V. 102) ter hello wos ter ir gewin ( = V. 107) die vil 1ucel liehtes puren ( = V. 113) diu nebilvinster naht ( = V. 116) der sternen aller ielich ( = V. 121)

Es stehen also alle Formeln auch in V.; einige von den Bindungen können unabsichtlich entstanden sein, die meisten sicher nicht. b) durch Stäbe gebundene Langzeilen Str. 1,1 Nu -wil ich iu herron heina war reda vortuon ( = V. 13/4) 2 . 3 Inprincipioeratverbum daz ist waro gotes sun ( = V. 23/4) 2 . 4 von einimo worte er bechom dirre werlte al ze den gnadon ( = V. 25/6) 3 , 1 wäre got, ich lobin dich, din anegenge gihen ich ( = V. 55/6) 6 , 1 Do sih Adam do beviel, do was naht unde vinster ( = V. 109/10) Alle stehen, wenn auch z.T. stark verändert, auch in V. 2. Die nur in V. stehenden Strophen In der Einleitungsstrophe stehen die Formeln Wille vant die wise und do er die wise do geioan; beide können rein zufällige Bindungen sein. In dem langen Einschub, den V. nach Strophe 2 von S. gibt, erscheint keine stabende Bindung. Das Ergebnis für den in S. und V. überlieferten Teil: alle Strophen in S. haben stabende Bindungen; und zwar staben in den Strophen 1 und 2 durch Stäbe gebundene Langzeilen; in den Strophen 4 , 5 und 7 nur stabende Formeln; in den Strophen 3 und 6 beides. Sämtliche stabenden Bindungen sind in V. erhalten. Selbständige sichere Bindungen hat V. nicht hinzugefügt. II. Die Strophen des Teils, in dem S. fehlt Es handelt sich hier um die Strophen 12 bis 34 in V. Einige sind ganz ohne stabende Bindungen; andere kennen nur stabende Formeln; andere sind besonders reich an stabenden Langzeilen oder reich an Formeln. a) stabende Formeln innerhalb der Halbzeile: Str. 12,4a 5b 14, 2b 4a 4b 15, 3b 4a

(139) (142) (160) (163) (164) (172) (173)

der vröne vorbote in dise vrerltwuostunge elliu himelisciu here muoter unde maget daz wart uns sit von ir gesaget ein michel menige daz here himelisch

276

DICHTUNGEN IN GLEICHZEITIGEN

16, 7b 18, 2b 19, 3a 20, 3a 4b 5b 7b 8a 21, l a 5a 24, 4a 4b 5b 6a 27, 5b 6b 29, la 3b 4b 5b 6b 30, 4b 31, 5a 32, 3b 33, 6a 34, 2a

(192) (216) (223) (237) (240) (242) (246) (247) (249) (257) (293) (294) (296) (297) (332) (334) (347) (352) (354) (356) (358) (366) (379) (388) (405) (409)

STROPHEN

dur unsih wolt er armer sin von dem wazzer machot er den win mit fuozzen wuot er über fluot mit txiwen trageten mit Worten jouch mit werchen driu und diizzich iar durch unsich alle erstarb er sü er wart mit sinen -willen Duo hdbten sine hente von holze huob sih der tot vil michel was sin magenchraft vier alle himdisc herscraft michel unde manecvalt in bedhennent elliu chunne der slahente engel vuor da vure scade da inne nien gescach von dem töde starb der 16t in unser alt erbekmt dar hob wir geistlichen ganc der gotes jtrunno ist daz pluot der slahente engel vuor da vure den wec seul wir mit wige varen an dich floz das frone pluot der unsih zugest zuo ze dir himelriche ist unser heimuot unt loben es ouch den sinen sun

b) durch Stäbe verbundene Halbzeilen Str. 14, 6 15, 6 16, 6 17, 3 19, 3 21, 5 22, 1 2 3 6 26, 1 28, 5 6 30, 1 31, 1 3 32, 5

(165/6) (177/8) (189/90) (197/8) (223/4) (257/8) (263/4) (265/6) (267/8) (273/4) (311/2) (343/4) (345/6) (359/60) (371/2) (375/6) (391/2)

si was muoter ane marines rat, si bedachte wibes missetat daz was der ereste man der sih in Adames sunden nie bewai durh opphere loste in diu maget, des wirt von ir niht gedaget duo wuohs daz chint adele, der gotes atem was in imo mit fuozzen wuot er über fluot, zuo den winten chod er , ,ruod'' von holze huob sih der tot, von holze gevil er, gote lop Duo der unser ewart alsounsculdigerirslagenvxirt diu erda irvorht ir daz mein, der sunne an erde nine seein der umbehanc zesleiz sich ai, sinen herren chlagete der sai di sint unser urchunde des daz wir alle irstin ze iungest Dizze sageten uns e di &Uen prophete duo wuoste der unser (wig )ant des alten wuotriches lant den tievel unt allez sin here, den verswalh daz röte toufmere Spiritalis Israel, nu scowe wider dm erbe 0 cruz henedicta, aller holze bezziste lip (sint din este ) wante wir den Up imeriten an dir nu ziueh du, chunich himdisc, unser herce dar da du bist

EZZOS CANTILENA DB M3BACULI8 CHRISTI

33,1 33, 3 4 34,1

277

(395/6) Ocruxaalvatoris, du unser segelgerte bist (399/400) diu rehten werch unser segelseil, diu vihtent uns di vart heim (401/2) der segel ist der vräre glaube, der hilfet uns der wole zuo (406/7) Unser urlöse ist getan, des lebe wir got vater al

Das Ergebnis ist: nicht alle Strophen, die nach der Überlieferung in V. an das in S. überlieferte Stück anschließen, keimen stabende Bindungen. Weder stabende Formeln noch stabende Langzeilen finden sich in Strophe 13, 23 und 25; nur stabende Formeln stehen in 12, 18, 20, 24. Reich an stabenden Langzeilen sind die Strophen 22 und 33; reich an Formeln 20,24 und 29. Was läßt sich aus diesen Tatsachen für die Herstellung der alten Form des Ezzolieds gewinnen? Die umstrittenen Strophen 13 und 16 werden, so scheint es mir, durch das neue Argument zusätzlich im Sinn meiner Beurteilung charakterisiert : Strophe 13 als Zusatzstrophe von V.; Strophe 16 kann eher eine alte Strophe sein. Für die umstrittenen Strophen 23 und 25 ist die Entscheidung nicht ebenso klar: beide sind ohne jede Verwendung von Stäben. Sind also beide als Zusätze zu nehmen? Das wird der Zusammenhang des Ganzen nicht erlauben; der descensus kann nicht völlig fehlen. Aber es wird doch noch einmal eindrucksvoll deutlich, wie sehr die schon seit MSD ausgesprochenen Einwände gegen die Strophengruppe 23 bis 25 begründet ist. Ziehen wir nämlich die Strophe 24 noch herein, die bisher übereinstimmend ausgeschieden worden ist, so wiederholt sich der Einspruch des neuen Arguments: die ausgeschiedene Strophe 24 kennt entschieden häufig den Gebrauch der stabenden Bindung. Sieht man näher zu, so gilt das allerdings nur für die zweite Hälfte der Strophe. So bietet sich der Versuch an, den bereits de Boor erwogen hat. Er sah „in der zone der str. 23-25 ein ähnliches feld der Zerreißung und umlagerung alten Agutes durch B" (sc. wie in den Strophen 3 + 4).M) Ich möchte glauben, daß man tatsächlich auf diese Weise den Großteil der verdächtigen Strophen 23 und 25 ausscheiden und den stabenden Teil von 24 halten kann: daß zugleich die zwischen 22 und 26 unentbehrlichen Gedanken dadurch gewonnen werden. Die Strophe, die 22 und 26 verbinden muß, sähe dann vielleicht so aus: XVIII (23/24) Unt an dem dritten tage do irstuont er von dem grabe, hinnen vuor er untotlich, after tode gab er uns ten li/p; tesfleiscesurstende, himelriche iemer an ende, vil michd was sin magencraß über äße himdisc herscaft, s über die heile ist der sin gewedt michd unte manievait. in bechennent elliu chunne hie in erde joch in himele. Hier sind also einerseits diejenigen Teile von Strophe 24 enthalten, die jene Häufung der stabenden Bindungen bringen; es sind anderseits diejenigen Teile ") ZfdA. 68 (1931) 232.

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DICHTUNGEN IN GLEICHZEILIGEN

STROPHEN

von 23 und 24 nicht aufgenommen, die die von de Soor und anderen beobachteten Mängel zeigen. Vielleicht darf man einmal diesen Versuch (in bezug auf die Parallele in Strophe 3 /4) wagen; vielleicht auch noch ein zweites Mal, obwohl die Häufung dieses Verfahrens, wie es Schützeichel handhabt, allerdings in die höchste Gefahr subjektiver Entscheidungen gerät. Zu diesem zweiten Versuch bewegt mich die ganz ähnliche Situation im Bereich der Strophen 15 und 16, wie wir sie bei 23 bis 25 getroffen haben. Strophe 16 wird angezweifelt, bietet aber stabende Bindungen. Strophe 15 ist übereinstimmend ausgeschieden, aber die Verwendung der Stäbe spricht dagegen. Es kommt hinzu, daß Strophe 14 in V. nur fünf Langzeilen hat, Strophe 16 dagegen sieben. Wenn die Strophe 15 auszuscheiden wäre, wie es bisher allgemein angenommen ist, dann wäre diese Besonderheit durch Zuteilung der ersten Zeile von Strophe 16 zu 14 zu regeln, wie ich es bei meinem früheren Versuch vorgeschlagen habe. Nun sieht es aber anders aus. Man kann aus den Strophen 15 und 16 in ähnlicher Weise wie aus 23 und 24 eine Strophe gewinnen, die die stabenden Teile hält, die für das alte Lied auffallenden Stücke aber ausscheidet : X (15/16) Duo chomen von himde der engil ein michel menige. duo sanch daz here himelisch „gloria in excelsis". daz was der ereste man, der sih in Adames sunden nie bewai. duo wart er circumcisua, duo nanten si in Jesus. 5 mit opphere loste in diu maget, des newirt von ir nikt gedaget. zwo tuben brdhte si für in, dur unsih woli er armer sin. Für die Strophe 14 hat das die Konsequenz, daß nicht die erste Zeile der Strophe 16 als ihre letzte genommen werden kann. Das muß nun die erste von Strophe 15 sein, die durch Verschiebung der überlieferten Initiale um eine Zeile zu 14 gezogen werden kann; sie paßt gedanklich sehr gut dazu. Die Strophe I X (14) lautet dann so: Do wart geborn ein chint tes dliu disiu lant sint, temo dienot erde unde mere unde elliu himelisciu here. den sancta Maria gebar, des sol si iemer lop haben, wände si was muoter unde maget - taz wart uns sit von ir gesaget 5 si was muoter ane mannes rat, si bedachte wibes missetat. diu geburt was wunterlich, demo chinde ist nicht gelich. Mit der Betrachtung der Strophen 24 und 15 waren wir bereits zu der Gruppe derjenigen Strophen vorgedrungen, die bisher überwiegend als unecht angesehen wurden; deren Echtheit aber durch die Verwendung stabender Bindungen nahegelegt wird. Es sind die Strophen 15, 20, 24, 29, 33. Drei von ihnen, 20, 22 und 33, habe ich bereits für echt gehalten, und zwar 20 mit Schneider, Moehl,

EZZOS C A N T I L E N A D E M I R A C U L E 8 CHBISTI

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Kuhn, de Boor (ohne Zeile 245/6) und Rupp-Schützeichel (ohne die Zeilen 241/4); 22 mit Schneider, de Boor, Rupp, Schützeichel gegen Moehl-Kuhn; 33 mit de Boor und Rupp gegen Schneider, Moehl und Sch. Im Gebrauch stabender Bindungen stehen die Strophen bei dem alten Lied. Es bleibt die Strophe 29. Sie ragt geradezu hervor durch die Verwendung stabender Bindungen, und zwar in allen Zeilen außer der zweiten. Mir scheint, man darf diese Strophe nur dann ausscheiden, wenn man gewichtige Gründe für die spätere Zufügung beibringen kann. Weder Schneider noch de Boor noch Rupp ist das gelungen. Die von Rupp auch für diesen Fall vorgeschlagene Zerlegung von 29 (Zeile 1-3 alt; 4-6 Zusatz) und ihre Vereinigung mit dem Anfang von Strophe 27 überzeugt nicht, weil auf diese Weise sowohl in 27 wie in 29 stabende Bindungen ausgeschieden werden. Die größte Schwierigkeit macht die Strophe 28. In ihr stehen zwei durch Stäbe verbundene Langzeilen. Zugleich scheint die Zugehörigkeit dieser Strophe zum alten Ezzolied nicht denkbar. Wieder sind es aber nur die beiden letzten Zeilen, die die stabenden Bindungen tragen; sie stechen anderseits in der Sprachform ab von den ersten vier, die sowohl wegen der mehrfachen Wiederholungen und Überschneidungen mit den Strophen 27 und 29 wie auch wegen der breiten geistlichen Ausdeutung dem jüngeren Bestand des Liedes zuzugehören scheinen. In der Strophe 29 ist nur die zweite Zeile ohne Stäbe; sie ist zugleich diejenige, die noch einmal das schon in 27 Gesagte aufnimmt; ebenso ist die Schlußzeile von 29 eine Wiederholung aus Strophe 27. Soll man also die folgende Strophe herstellen: X X I (28/29) Duo wuoste der unser wigant des alten wuotriches lant. den tiefei unt allez sin here den verswalh daz rote toufmere. von dem tode starp der tot, diu helle wart berovbet. daz gab uns friliche wideroart in unser alt erbelant, 5 beidu wege unte lant, dar hab wir geistlichen ganc, daz tageliche himdprot: der gotes prunno ist daz pluot. Damit haben wir dreimal die Lösung versucht, die eine Gruppe von mehreren Strophen als Ausweitung einer alten zu verstehen sich bemüht, so wie im erhaltenen alten Text tatsächlich einmal die Strophen 3/4 von V. nahelegen. Man muß sich bewußt sein, daß keine Sicherheit besteht, auf diese Weise wirklich den alten Text zu gewinnen. An den drei Stellen, an denen ich es gewagt habe, wird, wie ich zu zeigen versucht habe, das Verfahren durch die in V. überlieferte Form nahegelegt, die in den gleichen Strophen Argumente für und solche gegen Zugehörigkeit zum alten Lied vereinigt. Noch unsicherer müssen aber diejenigen Ausscheidungen einzelner Zeilen oder die Vereinigung von Teilen verschiedener Strophen zu einer neuen sein, wo diese Hinweise fehlen. Schützeichels Kürzungen beseitigen die stabenden Bindungen in den Versen 163, 164, 172, 173,189/90, 192, 242, ferner alle in den Strophen 24, 27 bis 31 und 33. Dem ist doch gegenüberzustellen, daß alle Strophen in S.; ebenso die bisher überein-

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DICHTUNGEN IN GLEICHZEILIGEN STROPHEN

stimmend als alt angesehenen Strophen 12,14,17,18, 19,21, 26, 34 die stabenden Bindungen, z.T. mehrfach, verwenden; das gleiche gilt für die nicht nur von mir festgehaltenen Strophen 30-32. Mir scheint, daß man danach nur mit triftigen Gründen solche Zeilen oder Strophen verwerfen darf, die die in den sicheren S.-Partien beliebten stabenden Bindungen tragen. Die früher von mir erörterte Gesamtkomposition des alten Lieds29) erhält durch die neue Situation keine entscheidende Veränderung, vielleicht aber noch eine letzte Rundung. Ich hatte damals folgende Form des Lieds angesetzt: Str. Str. Str. Str. Str. Str. Str. Str.

1 (Vierzeiler) nennt das Gesamt-Thema 2 (Vierzeiler) nennt das Thema des ersten Teils 3-7 (5 Sechszeiler) l.Teil: „Schöpfung, Sündenfall, Macht des Teufels, 8 (Vierzeiler) nennt das Thema des zweiten Teils [Propheten" 9-13 (5 Sechszeiler) 2. Teil: „Geburt, Jugend Christi, Wunder" 14 (Vierzeiler) Abschluß von Teil 2 15 (Vierzeiler) nennt das Thema des dritten Teils 16-25 (2mal 5 Sechszeiler) 3. Teil: „Erlösung"

Nun tritt noch die Strophe 26 hinzu, als Abschlußstrophe des Ganzen gibt sie eine gewisse Abrundung. Sollte sie auch ursprünglich ein Vierzeiler gewesen sein, also auch Zeile 411/2, wie Rupp und Schützeichel vorschlagen, und Zeile 415/6 zu streichen sein? Was die sprachliche Form betrifft, so weicht die Vorauer Fassung in einigen Punkten deutlich von der Straßburger ab; da die Vorauer Fassung getreu abgedruckt wird, habe ich für die danebenstehende Rekonstruktion des älteren Gedichts auch in den besonders auffallenden Erscheinungen V. an S. angeglichen.30) Es handelt sich vor allem um die folgenden: 1. Den Notkerschen Kanon. Er ist in S. noch in vielen Fällen beachtet; in V. erscheinen noch einige Spuren.31) Am häufigsten erscheint t statt d. Nicht beachtet wird er meist in den Präfixen be- und ge-; oft fehlt die Fortis auch zu Beginn eines Satzes oder Satzteils, besonders dann, wenn das Glied vorher mit stimmhaftem Laut schließt. Demgemäß habe ich nur beim Dental in V. geändert. 2. Die Präteritalendung des schwachen Verbs heißt in S. noch -ta; alte volle Langvokale (-öst, -öwusw.) sindnoch erhalten; dagegen sind die Kürzen (außer -ta) in den Verbalendungen zu -e geschwächt; dementsprechend wird V. verändert. 3. Ahnlich steht es bei den vollen Endungen des Substantivs (eron usw.); es werden daher trivxm 20, 3 und wunton 26, 6 hergestellt. M)

Das alte Ezzolied. Dienendes Wort. Festgabe f. E. Bender (1969) 6f. ) Die genaue Untersuchung hat mir mein Assistent Dr. Werner Besch durchgeführt; auf seine Ergebnisse bezieht sich das Folgende.

") 7, 1.

EZZOS C A N T I L E N A D E M I R A C U L I S

CHRISTI

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4. imo und demo werden da hergestellt, wo V. ime und deme bietet; dagegen wird der Rhythmus von im und dem nicht verändert. 5. Wo V. das Adverb auf -e bietet, wird ebenfalls -o hergestellt; also schreibt S. regelmäßig aise. 6. Altes sk wird überall als sc, sk; hh (aus germ. k) und germ. h wird nach dem Schreibgebrauch von S. im Auslaut nach Vokal und Liquide als h geschrieben; inl. -nt- wird als -nd- geschrieben. Was die Verwertung der R e i m t e c h n i k betrifft, so fordert die Einzelherstellung der Reime grundsätzliche Einsicht. P r e t z e l hat sioh darum bemüht und Ezzo bei der „primitiven" Reimkunst eingereiht; d. h. er trennt ihn von den Endsilbenreimern Otfridscher Art und stellt ihn zu der Gruppe, die dazu tendiert, den Reim auf Kosten der Genauigkeit auf die Tonsilbe auszudehnen; also Assonanz unter Beteiligung der Hauptsilbe den Endsilbenbindungen vorzuziehen. Mir schiene die Bezeichnung „Assonierer" glücklicher als „primitive Reimer", da ja die neue Tendenz eher einen Fortschritt in Richtung auf die Bindung der Tonsilben darstellt und da anderseits noch „primitive Reime" ganz anderer Art ihre Rolle in beiden Gruppen spielen. So verzeichnet denn Pretzel für Ezzo neben 87 reinen Reimen auch 87 Assonanzen, aber nur 10 Endsilbenreime und 13 Bindungen von Haupt- zu Endsilbe, dazu 12 „primitive" Bindungen. Ich glaube, daß Pretzel mindestens für den Vorauer Ezzo im Gesamtbild recht hat, auch wenn man eine größere Zahl dieser Bindungen anders beurteilt. Das betrifft vor allem die Endsilbenreime. Ich würde sie nicht in dem Maß weginterpretieren, wie es Pretzel tut. So würde ich Bindungen wie 115/6 beschatewota : naht und 241/2 wantdota : jär als Reim von Endsilbe auf Haupttonsilbe auffassen; über die Herstellung des -ta s. oben! Die Bindung gesunterot : engilon 275/6 würde ich als „primitiven Reim" verzeichnen, also Anklang der Endsilben von geringen Ansprüchen; Pretzel setzt gesunterot : engilun als „Reim von Haupt- zu Nebensilbe" an. Ob 297/8 chiinne : himele wirklich als „metrisch verschiedene Assonanz mit vokalischer Unreinheit" (Pretzel) und nicht einfach als Endsilbenreim aufzufassen ist, scheint mir die Frage. Ebenso wäre 123/4 Abel : ersterben zu beurteilen. Daß die Ausdehnung der Bindung nach der Stammsilbe hin bei Ezzo bereits angestrebt wird, scheint mir wie Pretzel sicher; seine „Assonanzen metrisch ungleicher Wörter" reduzieren sich aber auf Fälle wie ädren : här 45/6; geviel: vinster 109/10; irvollet: wort 389/90; t6t: gelSrnt 417 /8 und vielleicht Israel: erbe 359/60. Die bechom (: gnädon) 25/6 und chom (: waron) 117/8 würde ich erhalten, wie sie S. überliefert und als Bindungen von Haupt- zu Nebensilbe auffassen; hin(e) : leint 205/6 und man : var(e)n 217/8 bezeichnet Pretzel selbst schon als „leichte Fälle"; man kann ihnen vluot : ruo(we)t 223/4 zugesellen. Bleibt noch gebar : haben (> hän?) 161/2undbenedicta : bezziste (-ta?) 371/2.

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DICHTUNGEN IN GLEICHZEITIGE N STROPHEN

Weitere A b d r u c k e : Hs. S.: P. Piper, Die Sprache und Lit. Deutschlands bis zum 12. Jh. (= Lesebuch des Ahd. und Alts&chs.) (1880) 195-198; Hs. V. J . Diemer, Beitr. zur ält. dt. Sprache und Lit. Sitzungsber. der phil.-hist. El. der kaiserl. Akad. der Wies. Wien "(1866) 193-202, Anm. S. 427-469; J. B. K r a l l i n g e r , Der Ezzoleich. Bayr. Schulprogramme (1895) (= Progr. d. Königl. Realgymn. München 1894/95) 16-30; K. Simrock, Altdt. Lesebuch zum Gebrauch bei Vorlesungen »(1859) 40-44; W. W a c k e r n a g e l , Altdt. Lesebuch. Basel '(1873) 325-330; Hss. S. + V.: H. B i e b r i c h e r , Zur Metrik der Gedichte Memento mori. Ezzos Gesang u. Nabuchodonosor. Diss. phil. Frankfurt (1925) 32-47; J . K e l l e , Die Quelle von Ezzos Gesang von den Wundem Christi. Sitz. Berichte der phil.-hist. Kl. der kaiserl. Akad. der Wiss. 129, Wien (1893) 1-42; W. Krogmann, Die Anfangsstrophen des Ezzoliedes. Neuphil. Mitteilungen XXVIII Nr. 1/2 (1927) 16-31; F. Maurer, Das alte Ezzolied. Dienendes Wort. Festgabe für E. Bender (1959) 6-10; H. R u p p , Dt. religiöse Dichtungen des 11. und 12.Jh.s (1958) 51-55; R. S c h ü t z e i c h e l , Ezzos Cantilena de miraculis Christi. Euph. 54 (1960) 128-130; F. Tschirch, Frühmittelalt. Deutsch (1955) 79-81. Weitere L i t e r a t u r : K. B a r t s c h (über MSD) Germania 9 (1864) 59f.; H. B i e b r i c h e r , Zur Metrik der Gedichte Memento mori, Ezzos Gesang und Nabuchodonosor. Diss. phil. Frankfurt (1925); H. de Boor, Über Brechung im Frühmhd. Germanica. Festschr. für E. Sievers (1925) 490-492; R. Buchholz, Zur Strophenfolge in Ezzos Gesang von den Wundern Christi. ZfdPh. 33 (1901) 141-142; S. M. P. B u t t eil, Religious Ideology and Christian Humanism in German Cluniac Verse (1948) (= The Catholic University of America Studies in German Vol. XXI) 40-47; J . Diemer, Beitr. zur älteren dt. Sprache und Lit. Sitz. Ber. der phil.-hist. Kl. der kaiserl. Akad. der Wiss. Wien (1867) 271-331; G. Ehrismann (über Wilmanns, Ezzos Gesang von den Wundern Christi) Litbl. X (1889) Sp. 5-7; C. Erdm a n n , Fabulae Curiales. Neues zum Spielmannsgesang und zum Ezzolied. ZfdA. 73 (1936) 87-98; M . F ö r s t e r , Adams Erschaffung und Namensgebung. Arch. für Religionswiss. 11 (1907) 491-492; H. Giske, Zur Textkritik des Ezzoleichs. Germania 28 (1883) 89-98; G. Glogner (über Ittenbach, Dt. Dichtungen der sal. Kaiserzeit und verwandte Denkmäler) AfdA. 57 (1938) 158; A. Grünewald, Die lat. Einschiebsel in den dt. Gedichten von der Mitte des 11. bis gegen Ende des 12.Jh.s Diss. phil. Göttingen (1908) 7; K. Hofmann, Über den Ezzoleich. Sitz. Bericht der k. b. Akad. der Wiss. zu München, phil.-hist. Kl. (1871) 293-318; A. H ü b ner, Zum Ezzoliede Str. 16. AfdA. 53 (1934) 236; M. I t t e n b a c h , Dt. Dichtungen der sal. Kaiserzeit und verwandte Denkmäler (1937) (= Bonner Beitr. zur Dt. Phil. H. 2) 8-10; J. Kelle, Die Quelle von Ezzos Gesang von den Wundern Christi. Sitz. Berichte der phil.-hist. Kl. der kaiserl. Akad. der Wiss. Wien 129. (1893); ders., Gesch. der dt. Lit. von der ältesten Zeit bis zum 13. Jh. Bd. 2 (1896) 7-21; 240-250; R. K i e n a s t , Zum Ezzoliede Str. 29. AfdA. 53 (1934) 235f.; J. B. K r a l l i n g e r ; Der Ezzoleich. Bayr. Schulprogramme (1895) (= Progr. d. königl. Realgymn. München 1894/95) 7-30; C. K r a u s (über MSD3) ZföG. 45 (1894) 134; ders., (über Waag, Kl. dt. Gedichte des 11. und 12.Jh.s) ZfdA. 17 (1891) 21f.; W. Krogm a n n , Die Anfangsstrophen des Ezzoliedes. Neuphil. Mitteilungen XXVIII Nr. 112 (1927) 16-31; F. v. d. L e y e n , Kl. Beitr. zur dt. Lit. Geschichte im 11. und 12. Jh. (1897) 9—40; L i t e r a r . C e n t r a l b l a t t f ü r Deutschland (über F. v. d. Leyen, Kl. Beitr. zur dt. Lit. Geschichte) (1897) Sp.1079; Luppe, Himmel und Hölle, das Schlußlied der vier fivangelia nach Ezzos Redaction. Jahresber. über die Realschule in Kiel (1877) 23-32; F . M a u r e r , Über Langzeilen und Langzeilenstrophen in der ältesten dt. Dichtung. Beitr. zur Sprachwiss. und Volkskunde. Ochs-Festschr. (1951); ders., Salische Geistlichendichtung. DU. 5 H. 2 (1953) 5-10; J . M e i e r , Studien zur Sprach- und Lit. Gesch. der Rheinlande. Beitr. 16 (1892) 67-74; H. Menh a r d t , Zur Herkunft der Vorauer Hs. Beitr. 78 (Tübingen 1956) 442-444; ders., Zur Überlieferung der Memento mori. ZfdA. 80 (1944) 7f.; B. Mergell, Ezzos Ge-

EZZOS CANTILENA DE MIRACULIS CHHISTI

283

sang. Beitr. 76 (Halle/S. 1955) 109-216; W . M e t t i n , DieComposition des Ezzoleichs. Diss. phil. Halle/S. (1892); ders., Die ältesten dt. Pilgerlieder. Philolog. Studien. Festgabe f ü r E. Sievers (1896) 278-280; K. M ü l l e n h o f f , Zu Ezzos Gesang. ZfdA. 19 (1876) 493f.; J . M ü l l e r - B l a t t a u , Zu F o r m u n d Überlieferung der ältesten dt. geistl. Lieder. ZfMW. 17 (1935) 145; H . N e u m a n n , Die Schiffsallegorie im Ezzoliede. Nachr. d e r A k a d . derWiss. in Göttingen. Phil.-hist. Kl. (1960) 1 - 1 8 ; P . P i p e r , Die geistl. Lit. des Mittelalters (o.J.) ( = Dt. N a t . Lit. B d . 3) 37-54; E. P ö s s l , Wörterbuch und Reimverzeichnis zu dem Ezzoliede. Diss. phil. Wien (1950); U. P r e t z e l , Frühgesch. des dt. Reims. Bd. 1 (1941); F . R a n k e , „Ich bin von Gott, ich will wieder zu G o t t " . Angebinde. J o h n Meier zum 85. Geburtstag (1949) 113; K . R e u s c h e l (über F . v. d. Leyen, Kl. Beitr. zur dt. Lit. Gesch. im 11. u. 12. Jh.) Litbl. 19 (1898) 178-180; A. R o s s m a n n , W o r t u n d Begriff der Wahrheit in der f r ü h m h d . Lit. Diss. phil. Tübingen (1952) 27-31; W . S c h e r e r (über J . Diemer, Ezzos Scholasticus in Bamberg Rede von dem rehten Anegenge) ZföG. 19. Wien (1868) 735-743; ders. (über Diemer, Ezzos Scholasticus usw.) Kl. Schriften zur altdt. Phil. (1893) 588-597; ders., Gesch. der dt. Dichtung i m 11. u n d 12. J h . (1875) ( = Q. F . 12) 28-30; H . S c h r o d , Die kl. Gedichte des 11. u n d 12.Jhs. Diss. phil. München (1952) 1 - 4 0 ; E . S c h r ö d e r , Kleinigkeiten zu Ezzo. ZfdA. 47 (1903) 72; ders., Ezzo Str. 29. ZfdA. 55 (1917) 40; ders., Reimstudien I I . Nachr. der Königl. Ges. der Wiss. zu Göttingen. Phil.-hist. Kl. (1918) 422; W . S c h r ö d e r , Mönch. Reformbewegungen u n d f r ü h d t . Lit. Gesch. Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universit ä t Halle-Wittenberg 4, H . 2 (1954/55) 242; E. S t e i n m e y e r (über Barack, Ezzos Gesang von den W u n d e r n Christi usw.) AfdA. 5 (1879) 431 f. ; R . S t r o p p e l , Liturgie und geistl. Dichtung zw. 1050 und 1300 (1927) ( = Dt. Forschungen H. 17) 56-63; W . U h l (über F . v. d. Leyen, Kl. Beitr. zur dt. Lit. Gesch. im 11. u n d 12. Jh.) ZfdPh. 32 (1900) 271f.; F . V o g t , Über Genesis u. Exodus. Beitr. 2 (1876) 261-262; A. W a a g , Die Zusammensetzung der Vorauer Hs., Beitr. 11,139ff.; F . W e i d l i n g , Zum Ezzoleich. Germania 37 (1892) 69-74; F . W. W e n t z l a f f - E g g e b e r t , Kreuzzugsdichtung des Mittelalters. Stud. zu ihrer gesch. u n d dicht. Wirklichkeit (1960) 36-38; W. W i l m a n n s , E z z o ' s Gesang von den W u n d e m Christi. Bonner Univ. Programm (1887); ders. (über MSD 3 ) Göttinger gelehrte Anz. 2 (1893) 535-537; K. W o l f s k e h l u n d F . v. d. L e y e n , Älteste dt. Dichtungen "(1920) 224f.; H . W u n d e r l i c h (über MSD 3 ) ZfdPh. 26 (1894) 112f.

EZZOS CANTILENA DE MIRACULIS CHRISTI (nach der Voraner Hs.) 1 Der guote biscoph Güntere vone Babenberch

der hiez machen ein vil guot [werch: Di(ewier) 319 V. 128rb

er hiez die sine phaphen ein guot liet machen, eines liedes si begunden, want si di buoch chunden. Ezzo begunde scriben Wille vant die wise. 5 duo er die wise duo gewan, duo ilten si sich alle munechen. von ewen zuo den ewen got gnade ir aller sele.

(Waag) 10

2 Ich wil iu eben allen eine vil wäre rede vor tuon von dem minem sinne von dem rehten anegenge von den genaden also manechvalt, di uns uz den buochen sint gezalt, uzzer genesi unt uz libro regum, der werlt al ze genaden.

20

3 Die rede di ich nu sol tuon, daz sint di vier ewangelia. in principio erat verbum, daz was der wäre gotes sun: von dem einem worte er bequam ze tröste aller dirre werlte. 4 0 lux in tenebris, du herre du der mit samet uns bist, du uns daz wäre lieht gibest, neheiner untriwe du nephligist. du gebe uns einen herren, den schölte wir vil wol eren. daz was der guote suntach, necheines werches er nephlach; s du spreche, übe wir : helfe K. Hof. eino : darzuo Schd., MSD, K. Hof., Wack., Pr. dar zü helfe neheine Di. Fußnote : h. dar zuo neheine Sim. 6 haben ze anegenge Schd., Di. WSB ; K. Hof. str. haben; vgl. Pretzel, Reimgesch. 128. 7, 1 niewiht ist Di. Fußnote, dagegen H ( a u p t ) , Sche(rer); niewiht MSD, K. Hof., Wack. 2 MSD 1+S str. aller scuofe Schd., MSD 1+2 , Di. WSB, dagegen Schr(öder) 3 nah (1) diner getan nah d.g. V., verb. von Di. getate : hates (!) Schd. 5 übe er Di. Fußnote d§n g. V. : din g. Di. 8 Sim. str. Z. 6—8. 2 vrönen K. Hof. 3 obscez V., verb. von Di. wären : phlägen Schd., MSD 4 si (!) gew. V.

ro

so

EZZOS CANTILENA DB MIRACULIS CHRISTI (STRA8SBURG)

287

I I I (6) , Vg. ; becham : waran Wack. ; chom : wäron MSD 8 , Di. WSB ; quam : wäron Krog. ; cham : wären Pr., Pössl 6 wärer MSD sun : himelen S.; sun : himelun Schd., MSD, Di. WSB, Vg., Sehn., Pr., Pössl ; sun : himelon Wack. ; son : himelon Krog. ; mit S. Schwei. VII (11) 1 er: davor Lücke für Initiale S. leth S. 2 lieth S. Kral. «ir. sin lieht Aböl Pr. sterben Kral. 3 lert unsih MSD, Krog. got (nickt mit V. guot) MSD', Pr., Pössl 4 üz der archa MSD 5 unsih MSD, Krog. 0 ubel MSD 8 Mit ubele bricht S. ab.

Strassburger Handschrift o iih adam dobeuil do wai naht unde uinlter. do ikinen her in weite, die Iternen beirzten. die uil lucel liehtei paren. io berhte lo lie waren, wanda lie belkatuota diunebiluiniter naht, tiv uon demo tieuele chom. indel gewalt wir waren, unz uni erikein der gotii so iun. wäre lunno uon den himelen. er iternen allerielich. ter teilet uni daz iin leth. iin lieth taz cab uni abel taz wir durh reht eriterben. do lerta uni enoch. daz unieriv werh iin al ingot. uzer der archo gab uni noe zehimile reht gedinge. do lert uni abraham. daz wir gote iin gehoriam. der uilguote dauid. daz wir wider ubele 17 uiniter: I auf Rasur von d wider steht wir

22 gedinge: g aus d korrigiert.

da3, wider; über

290

EZZOS C A N T I L E N A D E M I R A C U L I S C H R I S T I

(VORAU)

12 Duo irscein uns zaller jungest Bap-|ze V., verb. von Di. Fußnote 2 diemot V. darmite? Di. Anm. 3nothV. 5 drizzihe V., verb. von Di. 6nohtV. 7 siht V. 21, 1 sine: s aus st korr. V. 2 geheilig | got: zweites g rad. V. 3 pir wir=birun wir Di .Anm. 7ez(!)V.

E Z Z O U E D (REKONSTRUKTION D E R ÄLTEREN FORM)

5 [er ein warer gotes prunno, diu touben oren er intsloz, ten siechen hiez er uf stan,

295

dei heizzen vieber laset er do.] suht von imo floh, mit sinem bette danne gan.

XIV (20) Er was mennisc unt got. alse suoze ist sin gebot, er lert uns tiemuot unde site, triwe unde warheit tirmite, daz wir uns mit triwon trageten, unser not ime chlageten. daz lert uns ter gotes sun mit Worten jouh mit werehun. XV (20) Mit uns er wantelota driu unde drizzich jar durh unser not taz vierde halp: vil michel ist ter sin gewalt. tiu siniu wort waren uns ter lip, turh unsih alle erstarb er sit. er wart mit sinem willen an daz cruce irhangen. XVI (21) Do habten sine hende di veste nagelgebende, galle unt ezzih was sin tranch, so lost uns ter heilant. von siner siten floz taz pluot, tes pir wir alle geheiligot. inzwiscen zwen meintetun hiengen si den gotes sun. 5 [von holze huob sih ter tot, von holze geviel er, gote lop.] ter tievel ginita an daz fleisc, ter angel was tiu gotheit. nu ist ez wol irgangen, da an wart er gevangen.

X I I I (19) 5 prinne V. : prunno Di. Fußnote, Schd., M8D, Vg., Wilm., Pi., Sehn., Pr., Schwei.; pruime Ke., Kral., Wg., Br., Bieb., Ru. 6 diu miselauht vermutet Di. WSB unter Verweis auf Baumgartenberger Joh. Bapt. (Hoffmann, Fundgruben II, 139, 2), dem 9ich Bieb. anschließt; diu suht Schd. X I V (20) Verteilung auf zwei Strophen von mir; Ku. und Moe. halten die Str.; Ru. streicht Z. 1/2 und fügt Z. 3/4 an die nächste Str.; Sim. streicht Z. 2; Z. 4 „Zusatz" Wilm., Krog., dagegen Mettin; Schütz, bildet aus Z. 4 und Z. 3/4 der nächsten Str. und 2 1 , 1 - 3 eine neue Str.; Schd. bildet aus 2 0 , 1 - 3 ; 2 0 , 4 - 6 ; 20,7/8 und 21,1 jeweils eine Str. 2 riuwe statt triwe ? Wilm. triwen V. 4 des g. s. Wilm. wer | chen V. : werehun Schd., MSD, Di. WSB, Vg., Sehn., Pr., dagegen Schwei. X V (20) Z. 1/2 str. Di. WSB, K. Hof., Wilm., Eh., Ku.,Moe., Schütz.; Mettin str. Z. 1, Krog.Z. 2, Sim. Z. 4. 1 wantelote V. : wantelöta Schd., MSD, Sehn., denen ich mich mit Blick auf die Überlieferung von S. in vs. 117 und 126 anschließe ; Assonanz Pr. 2 unser lip K. Hof. Sim. str. daz v. h. bis gewalt 3 diu str. MSD al Ru., Schütz. 4 sinen V. : sinem ? MSD" Anm. X V I (21) Ku. und Moe. streichen die Str.; K. Hof., Wilm., Eh., Krog. str. Z. 4, dagegen Mettin-, Schütz, str. Z. 4 - 7 ; Di. WSB, de B., Ru. str. Z. 5, die Wilm. hält; K. Hof. str. Z. 6, Sim. Z. 7. 2 loste Schd., Wil. Medienverhärtung Pr. 3 geheiligot: für S. VoUform mit 6 Schwei. 4 meinte ten V.rmeintatun Schd., MSD, Vg.,Pr.; meintetun Di. WSB, Sehn.

296

EZZOS C A N T I L E N A D B MTRACUXI8 C H R I S T I (VORAU)

22 Duo der unser ewart also unsculdiger irslagen wart, diu erda irvorht ir daz mein, der sunne an erde niene seein; der umbehanc zesleiz sich al, sinen herren chlagete der sai; diu grebere taten sili uf, di toten stuonten dar uz 5 mit ir herren geböte, si irstuonten lebentich mit gote, di sint unser urchunde des, daz wir alle irsten zenjungest.

270

23 Er wart ein teil gesunterot ein lucei von den engelon, ze zeichene an dem samztage daz fleiao ruowote in demo grabe, unt an dem dritten tage duo irstuont er von dem grabe. hinnen vuor er untotlich, after tode gab er vins den lip, 5 des fleisches urstente, himelriche iemer an ente, nu richeset sin magenchraft über alle sine hantgescaft. 24 Daz was der herre der da chom tinetis vestibus von Bosra in pluotigem gewete, durch unsih leid er note, vil scone in siner stole durch sines vater ere. vil michel was sin magenchraft über alle himeliso herscaft. 5 über di helle ist der sin gewalt michel unte manicvalt. in bechennent elliu chunne hie in erde joch in himele.

280

290

V. 129va

25 Von der Juden slahte got mit magenchrefte Di. 327 300 diu hellesloz er al zebrach, duo nam er da, daz sin was. daz er mit sinem bluote vil tiure chouphet hiete. der fortis armatus der chlagete duo daz sin hus. 5 duo ime der sterchore chom, der zevuorte im sin geroube al. er nam imo duo elliu sinu vaz, der dir er ee so manegez hie in werlt besaz. 310 22, 2 iruorbt V., verb. von H. und MuUer bei Di. 3 zef- | leiz V., verb. von H. 4 di (I)t. Y. 6 ze ningest V., verb. von Di. 23, 1 Dr V. : Dr Di., Schd., MSD1, Ke. : Er MSD»+8, Wilm. : Der Buchholz gesunterot : engelen V. ; Reime zu gesunterot und engelen fehlen Di. Anm. ; gesunterôt : engilon Schd., MSDa+*, Müllenhaff, Schneider), Schwei.; gisunterôt : engilun Pr., dagegen Schwei. 2 fleiz V., verb. von Di. 6 riheheset V. übe V., verb. von Di. 24, 1 da : Bosra Schd., Di. WSB, bedingt Schwei. ; Reimpunkt nach herre, nicht nach chomV. Di. WSB stellt chom vor in {Z. 2) cham MSD, Pr., Pössl 2 gewâte Schd., MSD : gewente Wilm., Ke. dure (!) V. leider MSD' unter Verweis auf 9 , 1 K. Hof. tauscht 2b und 3b 3 stola : êraMSD, Vg., dagegen Di. WSB 4herscraft (!) V., das Di. WSB beibehält 6 manic ualt (!) V. 0 himele (!)V. 25, 1 Don V., verb. von Di. Fußnote : wan Di. Anm. Der lewe von Iuda slahte Wilm., dem MSD Anm., Buchholz zustimmen (vuor) got de B. unter Verweis auf MSD 8 Anm. magenchrefte: t aus e rad. V. magenchrafte MSD 1+a , dagegen Di. WSB, Pr. ; slehte : magenchrefte MSD*, Pr., Pössl, dagegen Schwei. 2 Schd. str. al 3 erchoufet oder rechoufet Sehr. hâte MSD 1+a , dagegen Ba. : habeta ? Schwei. 5 cham : al Schd., MSD, Di. WSB, Pr., Pössl 6 im duo Br. MSD, Di. WSB streichen duo der | dir er eê V. : der er êe Di., Schd., MSD, Wilm., Ke., Br. : der dir er îe Pi. : dir ê Kral., Wg. in werlt str. MSD.

EZZOLIED (REKONSTRUKTION DER Ä L T E R E N FORM)

297

XVII (22) Do der unser ewart alse unsculdiger irslagen wart, tiu erda irvorht ir daz mein, der sunne an erde niene seein. der umbehanc zesleiz sich al, sinen herren ohlageta der sal. diu grebere taten sih uf, ti toten stuonden dar uz 5 mit ir herren geböte, si irstuonden lebendich mit gote. di sint unser urchunde des, taz wir alle irsten ze jungest. XVIII (23/24) Unt an dem dritten tage do irstuont er von dem grabe, hinnen vuor er untotlih, after tode gab er uns ten lip, tes fleisces urstende, himelriche iemer an ende, vil michel was sin magencraft über alle himelisc herscaft. 5 über die helle ist ter sin gewalt michel unde manicvalt. in bechennent elliu chunne hie in erde joh in himele.

X V I I (22) K u . und Moe. streichen die Str. 6 uns urchunde MSD, Ru., Schütz. X V I I I (23/24) Wilm., Eh., K u . streichen Str. 23, dagegen Buchholz, Sehn., Moe.; MSD 1 tausehen Str. 24 und 26; Sehe., MSD»+», v. d. Ley. stellen Str. 25 vor Str. 23, dagegen Ke., Mettin, Buchholz; Str. 23 und 24 besser Unter Str. 26 F i . ; Str. 23 .verstört" de B . Sehn., de B., Ku., Moe., Ru., Schütz, streichen Str. 24. Ich bilde aus 23, 3-5 und 24, 4-6 eine neue Strophe. 3 MSD, DL WSB str. imer 5 M S D 1 « , Di. WSB str. der, dagegen Stemmeyer gwaltMSD' 6 chunne elliu ? Di. Fußnote, dagegen H. künne Pr., dagegen Schwei. Sehn., Ku., Moe., Hu., Schütz, streichen Str. 25; „ zerstört " de B .

298

EZZOS CANTILENA DB HIRACULIS CHRISTI

(VOBAU)

26 Dizze sageten uns e di alten prophete. duo Abel brahte daz sin lamp, duo hiet er dizzes gedanc, unt Abraham brahte daz sin chint, duo daht er her in disen sin, unt Moysea hiez den slangen in der wuostenunge hangen, 5 daz di da lachen namen, di der eiterbiszic weren. er gehiez uns nah den wunten an dem cruce warez lachenduom.

820

27 Duo got mit siner gewalt sluoch in egyptisce lant, mit zehen blagen er se sluoch, Moyses der vrone bote guot er hiez slahen ein lamb: vil tougen was der sin gedanc. mit des lambes pluote die ture er gesegenote. 5 er streich ez an daz uberture: der slahente engel vuor da vure. swa er daz pluot ane sah, scade da inne nien gescach. 28 az was allez geistlich, daz bezeichnot christinlichiu dinc. der scate was in den hanten, diu warheit uf gehalten. duo daz mere osterlamp chom in der Juden gewalt unt daz opher mere lag in crucis altare, 5 duo wuoste der unser wigant des alten wuotriches lant. den tievel unt allez sin here den verswalh daz rote toufinere.

330

Di. 328 340

29 Von dem tode starp der tot, diu helle wart beroubet, duo daz maere osterlamp für unsih gopheret wart; daz gab uns friliche widervart in unser alt erbelant, beidu wege unte lant, dar hab wir geistlichen ganc, 5 daz tageliche himelprot: der gotes prunno ist daz pluot. swa daz stuont an dem uberture, der slahente engel vuor da füre. 30 Spiritalis Jsrael, nu scowe wider din erbe. want du irloset bist de jugo Pharaonis. der unser alte viant, der wert uns daz selbe lant. er wil uns gerne getaren, den wec scul wir mit wige varen. 5 der unser herzöge ist so guot, ub uns negezwivelet daz muot, vil michel ist der sin gewalt, mit im besizze wir diu lant. 26, 4 si angen (I) V.

woste | tunge V., verb. von Di.

Di. Fußnote, lachendöm Pi.

27, 1 slohe V., verb. von Di.

2 seslohc V.

350

300 V. 129vb

6 lachendem Y., lachentuom ?

4 die (I) t. V.

28, 1 as (davor JJicke für Initiale) w. alles (!)V., verb. von Schd. von Di., der an Umstellung dinc ehr. denkt; dagegen H .

xpinlichin Y., verb.

2 schade MSD 1 , dagegen

Sehe. den«ir.MSD1+2,Di. WSB, dagegen Steinmeyer us V., verb. von Di. 3ware o. MSDi+*, dagegen Schwei, gualt V., verb. von Di. 4 märe : altare Schd., MSD, Di. WSB, Pr. \für S. märe./ür V. mere Schwei. 5 woste V. uiät V. : wigant H. wotriches V.

29, 1 Don V., verb. von Di. 4 l a n t : t aus c korr. V. stellen. 6 sw V., verb. von Di. s t u f n t V. 30, 1 din: n aus e korr. Y.

Ba. möchte Z. 4 hinter Z. 1

370

EZZOLIED (BEKONSTRUKTION D E R ÄLTEREN FORM)

299

XIX (26) Dizze sageten uns e di alten prophete. do Abel brahta daz sin lamp, do hiet er disses gedanc, unt Abraham brahta daz sin chint, to daht er her in disen sint, unt Moyses hiez ten slangen in der wuostenunge hangen, 5 daz ti da lachen namen, di der eiterbizzic waren, er gehiez uns nah ten wundon an dem cruce warez lachenduom. XX (27) Do got mit siner gewalt sluoch in egyptisce lant, mit zehen blagen er se sluoch, Moses ter vrone bote guot er hiez slahen ein lamp: vil tougen was ter sin gedanc. mit tes lambes pluote die ture er gesegenote. s er streih ez an daz uberture: der slahende engel vuor da vure. swa er daz pluot ane sah, scade da inne nien gescah. XXI (28/9) Do wuosta der unser wigant tes alten wuotriches lant. ten tiefei unt allez sin here den verswalh taz rote toufmere. von dem tode starp ter tot, tiu helle wart beroubot taz gab uns íriliche widervart in unser alt erbelant, 5 beidu wege unde lant, tar hab wir geistlichen ganc, taz tageliche himelprot: ter gotes prunno ist taz pluot. XXII (30) Spiritalis Israel, nu scowe wider din erbe, want tu irloset bist de jugo Pharaonis. ter unser alte viant, ter wert uns taz selbe lant. er wil uns gerno getaren, den wec sul wir mit wige varen. 5 der unser herzöge ist so guot, ub uns negezwivelot taz muot, vil michel ist ter sin gewalt, mit im besizze wir diu lant.

X I X (26) 2 disen ged. Di. Anm., Schd., disses MSD, Di. WSB., Wilm., Ke., Kral. 3 MSD, Di. WSB str. brahte sinV.: sint Sehr., Br.,Wg. (=Waag),Wesle, Bieb., Pr., dagegen Schwei. 5 weren V. : wären Schd., MSD, Pr., Pössl; nsemen : waeren Di. WSB, Schwei. 6 wnten V. : wuntun Schd., Sehn. ; wunton MSD, Vg., Di. WSB, Ke., Pr., Pössl, Schwei. X X (27) Ke., Kral., Sehn., de B., Ku., Moe., Schütz, streichen die Strophe; Ru. str. Z. 4-6 und fügt 29, 1-3 an Z. 1-3. 1 slohe V. : flöhe Di. Anm., flöhe Pi. in str. MSD1, dagegen Sehe. 2 zehenen Wilm. 4 segenöte MSD vielleicht pluota : gesegenöta Schwei. XXI (28/29) Sehn., Ku., Moe., Schütz, streichen Str. 28 und 29; Wilm., Eh., Mettin, v. d. Ley., Bänke streichen Str. 29, denen sich Krog. bedingt anschließt; Ru. streicht Str. 28, von Str. 29 möchte er Z. 1-3 halten und mit 27, 1-3 zu einer Str. vereinigen. Ich bilde aus 28, 5/6 und 29, 1 und 3-5 eine neue Strophe. 3 töt : berouböt Schd., MSD, Di. 1 wigant H. •: uiät V. 2 al MSD1, Di. WSB WSB, Pr., Pössl, Schwei. 4 wider str. MSD 5 beidü Ba. : du V. ; durch w. u. 1.? Di. Fußnote ; diew.u.l. MSD1 ; Daz gab unsw.u.l. Schd. Ba. möchte die Reime von 4 und 5 tauschen, dagegen Schwei. XXII (30) Sehn., deB., Ku., Moe., Schütz, streichen die Str. 1 Iaraele Schd.

300

EZZOS CANTILENA DE MJRACULI3 CHRISTI (VOBAU)

31 0 crux benedicta, aller holze besziste, an dir wart gevangen der gir Leviathan. lip sint din este, wante wir den lib imereten an dir. ja truogen din este di burde himelisee. 5 an dich floz daz frone pluot, din wuocher ist fiuozze unte guot. da der mite irloaet ist manchun allez daz der ist.

Di. 329 aso

32 Trehtin, du uns gehieze daz du war verliezze. du gewerdotest uns vore sagen: swen du, herre, wurdeat irhaben von der erde an daz cruoe, du unaioh zugest zuo ze dir. din martere ist irvollet, nu leste, herre, diñe wort. 5 nu ziucli du, chunich himelisc, unser herce dar da du bist, daz wir di dienestman von dir nesin gesoeiden. 33 O crux salvatoris, du unser segelgerte bist. disiu werlt elliu ist daz meri, min trehtin segel unte vere, diu rehten werch unser segelseil, di rihtent uns di vart heim. der segel de ist der ware geloube, der hüfet uns der wole zuo. 5 der heilige atem ist der wint, der vuoret unsih an den rehten sint. himelriche ist unser heimuot, da sculen wir lenten, gote lob.

31, 3 liep dieneste V. : lip sint dine este Di. Annt. nach wir V.

Reimpunkte nach dienoste, nicht

32, 1 df u. "V. d-fr w. V. uuerlizze Y., verb. von Di. 3 dü unsihic zugest | zugest V. 33, l d ü V . 6 heimöt V.

390

400

EZZOLIED (REKONSTRUKTION DER ÄLTEREN FORM)

301

X X I I I (31) 0 crux benedicta, aller holze bezzista, an dir wart gevangan der gir Leviathan. lip sint tin este, wände wir den lib irnereten a n dir. ja truogen din este di bürde himelisoe. 5 an dih floz taz frone pluot, t i n wuooher ist suozze u n d e guot. t a der mite irloset ist manchun allez taz ter ist. X X I V (32) Trehtin, du uns gehieze daz t u war verlieze. d u gewerdotost uns vore sagen: swen du, herre, wurdest irhaben von der erde an daz cruci, d u unsih zugest zuo ze dir. din martere ist irvollet, nu leste, herre, dine wort. 5 nu ziuh tu, chunich himelisc, unser herze dar da d u bist, taz wir di dienestman von dir nesin gesceidan. X X V (33) 0 crux salvatoris, t u unser segelgerte bist. tisiu werlt elliu ist taz mere, min t r e h t i n segel unte vere, diu rehten werh unser segelseil, diu rihtent uns ti v a r t heim, der segel ist t e r wäre geloubo, der hilfet uns ter wole zuo. 5 der heilige a t e m ist ter wint, ter vuoret unsih a n den rehten sint. himelriche ist unser heimuot, t a sulen wir lenden, gote lop.

XXIII (31) Sehn., de B., Schütz, streichen die Str., dagegen Ku. und Moe. 1 beszista Schd., MSD, Di. WSB; für S. Vollform, für V. abgeschwächter Vokal Schwei. 2 geuangen V. : gevangan Schd., MSD, Vg., Pr. girig Schd. 8 liep dieneste V. : lip sint dine este Di. Fußnote ; liep dien este Pi. 6 manchunne Di. Fußnote, Schd., MSD1: manchunn MSDl+». XXIV (32) de B. streicht die Str., dagegen Ku. und Moe. 1 war uuerlizze V. : war werden liezze H(aupt), Schd. ; war lieze Di. Anm., MSD1, dagegen Sehe. ; war verläzen = war läzen? MSD'+' Anm. 2 swenn dü wurdest, h. i. MSD, Di. WSB wurdes Kral. 3 du unsich zfze dir zugest ? Di. Fußnote crüci Schd., MSD, Di. WSB, Sehn., Pr. : cruce V. 4 irvollöt : wort Schd., MSD, Di. WSB, bedingt Schwei, diniu MSD, Di. WSB, Kral., Wg., Bieb., Schütz. 6di dinestman V. : erg. von MSD ; wir dine d. Schd. gesceidan Schd., MSD, Di. WSB, Vg., Sehn., Pr. : geseeiden V. X X V (33) Ke., Kral., Sehn., de B., Ranke, Moe., Schütz., bedingt Ku. streichen die Str. 2 diu w. Neumann meri V. : mere Schd., Di. WSB, Neumann; reiner Beim Pr. scef unte vere Di. WSB; ruoder unte vere Sehr., Kienast, Ru., dagegen Neumann, der schreibt: min trehtin selbe unser vere. 3 segel str. MSD, dagegen Neumann 4 segel de ist V.: Schd., MSD, Di. WSB str. de, MSD, Di. WSB auch ist de = der Wg. Anm. wäre str. Schd. geloube V. : geloubo Schd., MSD, Vg., Pössl der wole zü V. : z^ wole Di., Schd., Wihn., Ke., Kral., Wg., Ru., Neumann, dagegen Schwei.; „Mir scheint die Wortstellung der wole zuo bedenklich — mindestens müßte wole der zuo gedruckt werden." Sehr, nach Pr. 5 rehten streichen MSD, Di. WSB, Neumann.

302

EZZOS CANTILENA DB MJRACUUS CHRISTI (VOBAU)

34 Unser urlose ist getan, des lobe wir got vater al unt loben es ouch den sinen sun pro nobis crucifixum, der dir mennisce wolte sin; unser urteile diu ist sin. daz dritte ist der heilige atem, der scol ouch genaden. 5 -wir gelouben daz di namen dri ein wariu gotheit si. also unsich < . . . > der tot, so wirt uns gelonet. da wir den lip namen, dar widere scul wir. Amen.

34, 1 Anser V., verb, von Di. 2 nach lobenes ist i rad. V.

410 Di. 330 420

6 wir V., verb, von Di.

E Z Z O I J E D ( R E K O N S T R U K T I O N D E R Ä L T E R E N FORM)

303

XXVI (34) Unser urlose ist getan, des lobe wir got vater al unt loben es ouh ten sinen sun pro nobis crucifixum, [der dir mennisce wolte sin; unser urteile diu ist sin.] daz tritte ist ter heilige atem, der sol ouh genaden. 5 [wir gelouben daz ti namen dri ein wariu gotheit si.] [also unsih ter tot, so wirt uns gelonot.] ta wir den lip namen, dar widere sul wir. Amen.

XXVI{3i)AlsechtbeibehaltenvonKu.wndMoe.; Schd., Sim.,K.Hof.,bedingt Wilm., Eh., Mettin, Krog., Ku., Moe., Ru., Schütz, str. Z. 3. ( u n s ) erg. von Schd., MSD : keine Lücke V. 6 keine 4 MSD, Di. WSB str. ist Lücke, aber Zeilenwechael V. : Di. Fußnote erg. {windet) : (hie) vindet Di. WSB : ( n a h e t ) Leitzmann nach Wg. unter Verweis auf Adelbrecht, Joh. Bapt. 179 (Kram,

Dt. Ged. 1894, IV) 6b uns genesen ( ! ) AMEN. M.

220

280

240

11. De septem sigillis Von der S i e b e n z a h l Manches die „Siebenzahl" Betreffende ist schon bei der Besprechung des „Paternosters" gesagt. Das Stück steht in der gleichen Handschrift Nr. 652 der Universitätsbibliothek Innsbruck; es ist gleichfalls zuerst von Mone 1 ) abgedruckt, danach von M ü l l e n h o f f 2 ) , schließlich von Waag 3 ); alle Strophen gibt auch I t t e n b a c h bei seiner Interpretation wieder. 4 ) MSD und Ittenbach drucken immerhin Strophen, allerdings „Reimpaar"strophen; und doch ist der Langzeilencharakter, ist das Sprechen in Langzeilenbögen und Langzeilenpaaren noch sehr eindrucksvoll da; die Ansätze zu „Brechungssystemen" sind noch selten. Wieder sind es sechszeilige Langzeilenstrophen; wieder scheint eine der Strophen im Gegensatz zu den andern eine Sonderstellung zu haben: die sechste hat fast den doppelten Umfang. MSD haben nicht gezögert, diese überlange Strophe in zwei zu zerlegen; da dann in der einen zwei (Kurz)zeilen fehlen, setzen sie am Ende der sechsten Strophe eine Lücke an. Diesem Verfahren hat Ittenbach heftig widersprochen, nachdem E h r i s m a n n bereits auf inhaltliche und quellenmäßige Zusammengehörigkeit „jener 22 Zeilen" hingewiesen hatte. 8 ) Ittenbach hebt hervor, daß ein Gedicht „von der Siebenzahl" „wahrscheinlicher in sieben als in acht Abschnitte gegliedert war"! Beide argumentieren so, als ob der „sechste Abschnitt" mit 22 Zeilen ü b e r l i e f e r t sei. Tatsächlich aber haben MSD bereits ganz richtig darauf hingewiesen, daß es gar keinen solchen überlangen Abschnitt in der Handschrift gibt. Vielmehr ist vor dem Vers 71 (nach Mones und Waags Zählung) eindeutig die Initiale I anzusetzen : nicht emer, sondern Iemer ist gemeint. Und diese Initiale I ist hier, zu Beginn der Strophe 7, 8, genauso zu ergänzen wie die Initiale I zu Beginn der Strophe 3. An beiden Stellen ist keine Lücke i n der Zeile gelassen, vielmehr hätte das lange und schlanke I v o r der Zeile den Platz gehabt. Es steht außer jedem Zweifel, daß nach der Handschrift das Gedicht durch Initialen(lücken) in acht Strophen gegliedert ist. Das einzige Besondere bleibt, daß die sechste Strophe nur aus fünf Langzeilen besteht, also eine Langzeile weniger hat als alle andern Strophen; ganz ähnlich gibt es im „Paternoster" eine Strophe, die iim eine Langzeile länger ist als alle andern. Sowenig man deshalb Besonderes >) Lit. und Sprache I. Gedichte des 12. Jhs. Anz. für Kunde der dt. Vorzeit 8 (1839) Sp. 44—46. ») MSD »(1892) Nr. XLIV; 1(1864); »(1872). 3 ) Kl. dt. Gedichte des 11. und 12. Jhs. »(1916) 62-55. 4 ) Dt. Dichtungen der sal. Kaiserzeit (1937) ( = Bonner Beitr. zur dt. Phil. H. 2) 112-125. 4 ) Lit Gesch. II, 1 (1922) 70 Anm. 4.

346

DICHTUNGEN I N GLEICHZEITIGEN

STROPHEN

unternehmen müßte: es liegt sehr nahe, daß hier eine Langzeile verlorengegangen ist, was wirklich leicht bei der Abschrift geschehen konnte. Man kommt also ohne Konjektur eines Strophenbeginns aus; man muß nur die Lücke in Strophe 6 ansetzen. Ein Lied aus acht Strophen zu je sechs Langzeilen war wohl das ursprüngliche Stück; wie sehr wieder jede dieser Strophen ein geschlossenes und rundes Gebilde darstellt, dafür hat Ittenbach vieles im einzelnen beigebracht. Man beachte die nachdrücklichen Strophenschlüsse durch die letzten Halbzeilen der Strophen 1. 3. 4. 5. 6. 8. Die sehr negativen Urteile, die vonW. S cherer 6 ) bisH. de Boor7) über das Gedicht gefällt worden sind, werden schon von der Formkunst her anfechtbar. Vertieft man sich aber in die einzelnen Strophen; sieht man, mit welcher Feinheit der Dichter die komplizierten und so verschiedenartigen Themen zusammengeführt lind kunstvoll verknüpft hat, mit immer neuen, von Strophe zu Strophe wechselnden Variationen, so wird man gerade auch dieser Dichtung ihren Rang zuerkennen müssen. Neuerdings hat V. Schupp 8 ) eine eingehende Interpretation der gedanklichen Sauform gegeben. Er hat gezeigt, wie sich die Septenare je zweier benachbarter Strophen ihrerseits wieder zu Gruppen von je sieben Septenaren zusammenstellen; d.h. also, daß auch dieser Dichter sich vorher ein genaues Bauschema ausgedacht haben muß. Es sieht so aus: Str. 1 hat zwei Septenare, nämlich die sieben Siegel und die sieben Augen des Grotteslammes. Str. 2 hat fünf Septenare: Sünden, Gaben; Gegenzahl des Teufels; Skrutinien, Sakramente. Zusammen: 7 Septenare Str. 3 hat vier Septenare: Wochentage ¡Lebensalter; Söhnejobs; Jahre Jacobs. Str. 4 hat drei Septenare: Horner Jerichos; Umgänge Jerichos; Engel der Apokalypse. Zusammen: 7 Septenare Str. 5 hat sechs Septenare: Frauen, Kirchen, Augen, Leuchter, Sterne, Hörner des Lammes. Str. 6 hat nur ein Septenar: die sieben Tage des jüdischen Osterfestes. Zusammen: 7 Septenare Str. 7 hat drei Septenare: das Ruhejahr und das (7 x7) Wunnejahr Str. 8 hat vier Septenare: das Gebot des 7 X 70 Vergeben; der siebenfältige Geist; die sieben Teufel. Zusammen: 7 Septenare 9 ) «) Dt. Dichtung im 11. und 12. Jh. (1875) ( = Q. F. 12) 54. ') Lit. Gesch. I (1949) 168. 8) Septenar und Bauform. Diss. phil. Freiburg (1962). *) Schupp hat daraufhingewiesen, daß die Siebenerzahlen so gezählt werden müssen. Wenn er bei Strophe 3/4 zu neun Septenaren kommt, so hat er zwei nicht ausdrücklich genannte mitgezählt, was offenbar unnötig und nicht vom Dichter gemeint ist. Er hat auch auf die Bibelzitate hingewiesen, die sich hinter den Strophen 1. 4. und 7 befinden, und er hat wahrscheinlich gemacht, daß das Lied durch sie in der Handschrift i n l + 3 + 3 + 1 Strophen bewußt gegliedert worden ist; ohne daß sich daraus mehr für den Aufbau ergäbe.

SIEBENZAHL,

347

An einigen Stellen sind Bibelzitate zwischen die Strophen geschrieben: Nach Str. 1: Ecce vic leo d. Apoo. 5, 5. Nach Str. 4: AppBhendent VII m. v. I Jes. 4,1. Nach Str. 7: Pat 8 misericordiae. Ob dadurch auf eine Gliederung hingewiesen ist, ist mir nicht deutlich. Jedenfalls wird aus all dem die große Kunst deutlich, die auch hier am Werk war. Die R e i m t e c h n i k ist recht fortgeschritten. Es erscheinen zwar noch einige Assonanzen: einsilbige: 1, 2 craft: slaht; 5,1 chwit : tvip; 7,5 jär : hän und die ganz leichte 7,4 heim : nihein; zweisilbige: 2,4 habe : sage; 3,3 tage : grabe; und mit langem Stamm 4 , 1 chlungen : gewunnen; 5, 5 aternen : herren; 5, 6 lambes : Johannes; 7,1 järe : räwe; dreisilbige: 1, 4 insigilen : himele. Keine von ihnen bleibt unter der Anforderung der konsonantischen Nachbarschaft zurück. Endsilbenreime gibt es nicht mehr. Es fallt mir auf, daß mehrfach identische Reime erscheinen (9/10; 39/40; 83/4), wie überhaupt die gleichen Reimwörter in dem so kurzen Stück öfter wiederkehren: tage 3,1. 3; 6, 2; slaht 1, 2; 3,2; craft 1, 2 . 4 , 3 ; siben 2, 2. 4, 6; vnp 3, 4. 3, 6. 5 , 1 ; stunt 4, 2. 8, 2. Auch rührende Reime kommen öfter vor (1/2. 51/2. 65/6). Aus all dem spricht eine gewisse Ungewandtheit. Doch sind die Anforderungen auf Reinheit durchaus fortgeschritten: Von 47 Bindungen sind mindestens 36 im späteren Sinne „rein"; alle übrigen sind fortgeschrittene Assonanzen der oben aufgeführten Art.

W e i t e r e L i t e r a t u r : E . B a r t s c h , (über MSD 1 1864) Germania 9 (1864) 66; H. de B o o r , Über Brechung im Frühmhd. Germanica. Festschr. für E . Sievers (1925) 494; M. P. B u t t e i l , Religious Ideology and Christian Humanism in German Cluniac Verse. Diss. phil. Washington (1948) ( = The Catholic University of America Studies in German. Vol. X X I ) 163-165; C. K r a u s , (über Steinmeyer, Denkmäler dt. Poesie und Prosa) ZfÖG. 45 (1894) 142; E . F . Ohly, Der Prolog des St. Trudperter Hohenliedes. ZfdA. 84 (1952/53) 213; P . P i p e r , Die geistl. Dichtung des Mittelalters. II (o.J.) ( = Dt. Nat. Lit. Bd. 3) 92; H. S c h r o d , Die kleinen Gedichte des 11. und 12. Jhs. Diss. phil. München (1952) 41-61; P. Th. Aq. S c h w i c k e r t , Die Reimkunst des frühmhd. Gedichts ,Vom himmlischen Jerusalem' vergl. mit den übrigen Gedichten des österr. Sprachgebiets von ca. 1130-1160. Diss. phil. Köln (1926) 41-43.

348

DICHTUNGEN IN GLEICHZEITIGEN STROPHEN

74v

DE VII. Sigillil 0 iotis der böte wafverfant io verre indel merei iant düir offenete ime diu goteicraft. dei w n t e r alfo manichflat. er lach ein böch dageicriben. biügilit waiz mit iniigelen iiben. daz no niemen torite in 5 ügilen. inerde. noch in himele. e daz goteüamb irflagen wart, daz irituente ein leowe wart, daz bäte üben ögen daz er offente unt diie gotei tögen. Ecce uic leo d. (H>ie mit iigilin wir unier bruit. wider die üben achust

75r die gotei gaiit hat ver triben. mit sinen geben üben, diüu zal itt io here. Iwi® der tiufel. daz ver chere. der chvit daz der gelongen habe, der dir von üben ivwecht geiage. io uient iit er dirre zale üuer iaget in uzem gotei iale. vor 5 oitrin in üben icrutiniii. mitiam manigen iacramtis. N dirre üben gewage. iegenote d göt dem übenten tage inleihen habeter wre br h at. ün'u werch iomanichflat er ruowot indem lelbem tage, indemo flifer üt inme grabe, fehl alter went uni dirrelib. inme übenten raitet io man ioch wib. daz ünt übene iune iobei. zwir übene iär iacobel. in den er ver dienöte. zwai wib. daz bezachienet untern zwifcen üb. (D)o diu üben hörn chlungen. da mit wart iericho ge wnnen. ü gien drumbe üben Itunt do vil div möre iazeitunt. div burch wai du haidenicaft 15 dier uath de! heilen gaiftei craft. er blii ir zuo mit ünen geben, ü muoie wantelen zir leben, den 1 boten leir ü umbegien0. mit zaichene wntere üü fienc. daz ünt engele übene vonden apokalilüf hat ge fcriben. Apßhendent VII. M. v. f.

Die im folgenden Abdruck hochgestellten kleinen Buchstaben stehen in der Handschrift jeweils über dem vorausgehenden Zeichen. 74v: Von oben Z. 1 nach unten Z. 8 entlang der Mitte ein Fleck; die Buchstaben haben dadurch z. T. stark gelitten: 2 i a n t : a n t schwer leserlich. 3 manichflat: ichfla schwer

leserlich 4 iniigelen: iigelen wie nachgemalt no ist durchgestrichen 5 in himele:

in him schwer leserlich 6 ein leowe: ein leow wie nachgemalt 7 gotei: wie nachgemalt 1 ( D ) o : Baum für Initiale ausgespart 8 ( H ) i e : Baum für Initiale ausgespart. 75 r : Von oben Z. 14 nach unten Z.23 entlang der Mitte und in den oberen Ecken Flecken; die Buchstaben haben dadurch z. T. gelitten: 1 diiiu: fiu schwer leserlich 2 zal: al schwer leserlich chvit d a z : az schwer leserlich 6 ( I ) N : Initiale am Band vorgesehen 7 iomanichflat: 1 aus a korr. 12 ( D ) o : Baum für Initiale ausgespart 12/13 nach lib und ge Biß im Pergament, Schrift ausgespart 15 craft? nach mit Loch 17 vor Ii durchgestr. m i t zaichene

DE SEPTEM SIGILLIS Von der S i e b e n z a h l 1 r-Ji|"ifi)«r-tornir Ùb, . i.; «1.1, », 4,v.„,f,t, J , fi»r"i Uli,;«. ..«»..

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Abb. 16. Stiftsbibliothek Kloster Melk, Cod. I 1 (Hs. 383), Bl. 1 r, Melker Marienlied

S c a m j l i n r d i . t l n j w i x d i ) cotjrtiMrtir

• l ' l i l w W l'iBffTUW» J r t i p i i t t t f l A i i i t

rlirtr. . i t n p u n d o . i p p i u i v

fti.iuiin.il.t . p i r i i f l V i m i t 1'.! t.tnirt'

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.pii) ,|in.> c i ..'inumidii i i i H i f . » . i m ; :

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uhnniifmintim h m

ijii.upi.i i » t p w f r t r i t

.ture v w i f i h . i n t i r m l h i H i i f ì t t e . r u m

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f u . t i piir l r.mi'tii'..iii fola-.

Multar

nriVir-qm.» # n K " f j f t . l n a t i . t j ' p U n f f

ìti.I l i o m m i i j H i i l m t n m l i o m

m m i r jj . p u . i l i r p l n m i t t

riuiM'tjntmr 1

.yitu«w

i « n a b u n t iiiiiii(.i|iiiaiiittliii f b a n

mtr

e u p K d i f . t m i . j i i ) . idi» rii'ni.i p.lir.ir ilf trd»|ipiiilu i n o . ; i v i i ù i j n . i r plivli? ut itiitni i m i . i f v i i t r n .pn.i i l i o j ' i . i i ' . ' i u n t r i n i l i nrf.il' p i n a m l ' i . . ' i n i i d ' i i i

finjitv

Or iln t i ^ i i l i d ' i m i i i i m n lui

.ulti

t i f a l i p n ' r l ì iblmrtii/iirr.lnl

imjn.uyiLi f e l l i t i t r i i i f i t r t r t

mvipian

ifii.llmrmrnvj.ti.ijfiii'li'rr m l h i p u t v l l l i U v J ivi «eh 1 f \11 i p t i . i i p i i i i i i t i r . t i r

d i r . t m i . l finir . i . | ' l n i i d n . i ' > \ ) i i t m r

U pmrrrrt M i n i t i ii..iti r t . i n m i i ' iinnrriiiim chaemen; 5, 7 chom > cham; 4, 5 werint > wemt; 6,1 himele > himile; 8, 8 sol > sal; 2,10 gesagit > gesaget; 3, 7 varn > varen (ebenso 8,10); 4, 8 gevangin > -en; Auslautsverhärtung in 2, 6 wip; 2, 8 doln > dolen u. ebenso 7, 6 dolinne. Ferner ist in 2, 3 die Wortstellung verändert; der Reim wird durch diesen kleinen Eingriff erträglich: gevangin waren wird zu waren ') Zeile 5, 3 div bant hätte eine ähnliche Stellung wie 2, 3 div bant. Mitter, a.a.O. 269f.

10)

VON D E R BABYLONISCHEN

GEFANGENSCHAFT

421

gevangin (: truogin). In 5, 4 muß man die Bindung wohl sogar mit Mitter etwas verschlechtern, das habiten ist inhaltlich-grammatisch unmöglich; es entsteht die Bindung habin : sagit. Den Konjunktiv tüte 4, 7 (: lüte) habe ich hergestellt. Ich habe ferner Wesles Besserung der Bindung in Zeile 6,4 zu niet : gesciet übernommen. Daß der bairische Abschreiber diesen mir. Reim als unverständlich beseitigte, ist einleuchtend. Er würde sich zu den beiden andern nur mfr.-dialektisch reinen Reimen stellen: 4,10 tach : giscach und 7, 5 steit : warheit, wo ja ebenfalls das fremde steit vom Schreiber zu stet verbildet worden ist und rückgängig gemacht werden muß. Auch das sal ( -d. Schreibung von rouwen (st. rüwen) (: erfrouwen) 14, 2; liet (st. lieht) : niet 15,1; 26, 2 wunderes > wunderis (: is); 41,1 und 43, 3 muoder > muodir (: dir). In 36, 4 lese ich mit Meier, Schröder und Pretzel leit (st. not) : gereit.

Weitere Literatur: St. Beissel, Gesch. der Verehrung Marias in Dtl. während des Mittelalters (1909) 116, 213; A. G r ü n e w a l d , Die lat. Einschiebsel in den dt. Gedichten von der Mitte des 11. bis gegen Ende des 12. Jhs. Diss. phil. Göttingen (1908) 8; F. v. d. Leyen, Kl. Beitr. zur dt. Lit. Geschichte im 11. und 12.Jh. (1897) 62ff.;J. Meier, Studien zur Sprach- und Lit. Gesch. der Rheinlande. Beitr. 16 (1892) 99; P. Piper, Höfische Epik. 3. Teil (o.J.) ( = Dt. Nat. Lit. Bd. 4) 721; ders., Die geistl. Dichtung d. Mittelalters (o.J.) ( = Dt. Nat. Lit. Bd. 3) 82f.; U. Pretzel, Frühgesch. des dt. Reims (1941) ( = Palaestra 220) 107-111; K. Roth, Kl. Beitr. zur dt. Sprachforschung (1850) 36; F. Saran, Dt. Verslehre (1907) 287; W . Scherer, Gesch. der dt. Dichtung im 11. u. 12.Jh. (1875) ( = Q. F. 12) 37f.; ders., Kl. Schriften Bd. 1 (1893) ( = ZföG. 19, 1868, 736) 589; Th. Schneider, Zur Gesch. Nassauischer Hss. Nassauische Annalen 48 (1927) 170f.; E. Schröder, ZfdA. 47 (1904) 124; ders., Bogenfüllsel. ZfdA. 67 (1930) 96; R. Schützeichel, Zu einig. Schreibungen des Amsteiner Marienliedes. Nassauische Annalen 66 (1955) 270; R. Stroppel, Liturgie und geistl. Dichtung zw. 1050 und 1300 (1927)131-134; K. Wagner, Die Eilhartfrage. ZfdMua. (1921) 137.

438

SEQUENZARTIGE

DICHTUNGEN

130v

D alle duie 5 werlt van der lunnen iz geit ane ier und an arbeit, daz kint daz himel und erden iolde er frowen. daz ce itorene qua unien ruwen. an aller flahte ier iz uan dir qua. aliiz godes kinde alleine10 me gezam. Yan der lunnen geit daz dage liet. iine wirdet umbe daz du dunkelere niet. nog bewollen ward din megedlicher lif. allein gebere du daz kint heiligez wif. Sint du daz 15 kint gebere. bit alle du were. luter unde reine, uan manne! gemeine Iwenen io daz dunket unmügelich der merke daz glai daz dir ii gelig daz sunnen liet ichinet durg mittlen daz glai. iz 20 if alinc unde luter iint aliiz edel wai. durg daz alinge glai geit iz in daz hui. daz uineiterniile uer driuet iz daz uz. Du bii daz alinge glai da der

131 r

durg qua. daz liet daz uineiterniile der werlde benam. uandir ichein daz godei liet inaile die lant. do uan dir ge boren warth unte heilant. daz beluhte 5 dich und alle crütenheit. du inden ungelouuen uerre wai uerleit. iz uant dich, iz liz dich, bit alle luter alie du iunne deit daz glaie uiniter. Ivden die ug willen ce gode keren. merket io daz glai daz mag ug leren. Inder buche lele wir. daz yiaial uane dir. aliui hauet geiprochen. die wort die

130 vi Die ersten 4 Zeilen unleserlich 2 ...finPi(per) 41eDPi. ...chaenPi. der iunnen: ganz achwach: den I. Pi. Korr.

14 rechis am Rand Meines I

131 r: 4 heilant: Spuren von hei, lant ganz abgerieben daz(!) ganz abgerieben

5 van

23 daz: az aus

5 criftenheit: tfast

DER ARNSTEINER MARIENLEICH A. Preis des Marienwunders I. [Fascikd II. Das

1-13 sind

verloren.]

Marientmnder

1. Die Bilder 14 D ...alle duse werlt. 130v van der sunnen iz geit ane ser und an arbeit. daz feint daz himel und erden solde erfrowen, daz ze storene quam unsen rowen, an aller slahte ser iz van dir quam, als iz godes feinde alleineme gezam. 15 Van der sunnen geit daz dageliet, si newirdet umbe daz du dunkelere niet, noch bewollen ward din megedlicher lif, allein gebaere du daz kint, (Waag) io [heiligez wif. 16 Sint du daz kint gebaere, bit alle du waere luter unde reine van mannes gemeine. swenen so daz dunket unmugelich, der merke daz glas daz dir is gelich. daz sunnen liet scinet durch mittlen daz glas, iz is alinc unde luter sint als iz [e des was. 5 durch daz alinge glas geit iz in daz hus, daz vinesternisse verdrivetiz daruz. 20 17 Du bis daz alinge glas da der durch quam

daz liet daz vinesternisse der werlde [benam. 131 r van dir seein daz godes liet in alle die lant, do van dir geboren warth unse hei[lant. daz beluhte dich und alle cristenheit, du in den ungelouven verre was verleit. iz vant dich, iz liz dich bit alle luter, alse du sunne deit daz glasevinster. 5 Juden die uch willen ze gode keren, merket daz glas, daz mag uch leren. 30 2. Die Prophetien

18 In der buoche lese wir daz Ysaias vane dir alsus havet gesprochen (die wort die sint belochen):

Am Anfang sind dreizehn Strophen bis auf die Initialen ganz zerstört. 14, 1 Daz himeüsche oder dagellche liet over alle MSD* Anm. 2 iz (1) Hs. 3 MSD stellen daz kint vor 3b („Vielleicht ganz zu str." Fußnote) ce (1) Hs. ruwen Hs. 4 alleine MSD, dagegen Jgh. ( - - Jellinghaus). 15, 1 wirt MSD, dagegen Jgh. 2 nog Hs. (und so oft) daz kint str. MSD, dagegen Jgh. 16, 3 unmugelich Hs. gelig Hs. 4 durg Hs. (und so oft) des str. MSD, dagegen Jgh. 513 verdrivet MSD, dagegen Jgh. daz | uz (I) Hs., verb. von MSD. 17, 1 der str. MSD daz liet str. MSD d. 1. daz (daz) v. Schr(öder) unter Verweis auf 16, 5 3 d a z ( ! ) b . Hs. was verre MSD. 5 I v d e n ( ! ) H s . ug Hs. (zweimal)

440

SEQUENZARTIGE

DICHTUNGEN

131 r

fint belochen Vz uan ielfe ial wählen ein rWe. uffe der rüden ial wählen 15 ein blüme. ander blümen ial gerfn der heilige geilt, her Ial sie geiterken bit allen iinen crefden. uan ime ial iie du godei craft entfan. da mide ial iie den uiant erüan. meinet du rüde dig 20 heilig megedin. be dudet du blüme din drut kindelin. Oug läget Uni aliul. du büch du der heizet exo dui. daz moyiei ein heilig man. lag

131v

einen buich de der bran. den buich du flamme beuienc. ie doch her niet ne cegienc. her bran unde louvede. daz für ime nine icadede. Sehein uan 5 deme buiche daz für. daz meinede daz uane dir. got hie inerden. erberwet iolde werden, grünede daz löf indeme fure. blüde der din magedüm inder geburte. der buich behielt du iine ico10 necheit. so dede din heilig lif du iine reinicheit. Dinei magedümei blüme grünet ie nog. du heize! inde bii müder iedog I daz ii daz wunder daz niene geicag. daz nie ore negehorde 15 nog ouge ne geiag. Oug becechenede dich wilen de mandelen zuig. de uore gode blüde. daz wai ¿Äronet rüde, de iament bit den blumen. erou nede die mandelen. Du porce belloz 20 zen gode alleineme offene, du ezechi eli erichein. ii wai oug diner ceichen ein. Man liiet oug ander, uil manig wunder. damide din geburd wilen.

131 r: 15 ein (!) 22 exo: x z. T. abgerieben. 131v: 4 Schein (!) 16 wilen: il karr.'t zuig (!) porce.

18 blumen (!)

19 porte oder

ARNSTEINER

MARIENL05ICH

441

19 „Uz van Jesse sal wahsen ein ruode, uffe der ruoden sal wahsen ein bluome, an der bluomen sal geruon der heilige drehden, her sal sie gesterken bit allen [sinen crefden. van ime sal sie du godes craft entfan, da mide sal sie den viant erslan." meinet du ruode dich, heilig megedin, bedudet du bluome din drut kindelin. 20 Ouch saget uns alsus du buoch du der heizet Exodus daz Moyses, ein heilig man, sach einen busc de der bran. den busc du flamme bevienc, ie doch her niet nezegienc. her bran unde louvede, daz für ime nine scadede.

40

131v so

21 Seein van deme busce daz für, daz meinede daz vane dir got hie in erden erberwet solde werden. gruonede daz louf in deme fure, bluode der din mageduom in der geburde. der busc behielt du sine sconecheit, so dede din heilig lif du sine reinicheit. 22 Dines mageduomes bluome grünet ie noch, du heizes inde bis muoder ie doch. daz is daz wunder daz niene gescach, daz nie ore negehorde noch ouge negesach.

oo

23 Ouch bezechenede dich wilen de mandelen zwig, de vore gode bluode, daz was Arones ruode. de sament bit den blumen erounede die mandelen. 24 Du porze beslozzen, du Ezechieli erseein,

gode alleineme offen, si was ouch diner zeichen ein.

25 Man liset ouch ander vil manig wunder, da mide din geburd wilen vore gekündet ward.

19, 1 kein Absatz MSD, Wg. ( = Waag) 2 ruowen MSD, dagegen Jgh. drehten MSD, Wg., dagegen Th. Schneider : geist Hs. al MSD ht : fb Pr(etzel) 3 die craft godes MSD, dagegen Jgh.; „sehr bedenklich'1 Kraus, Dt. Oed. 73 mide (!) Hs. 4 dig Hs. (und so oft) meidin MSD, dagegen Jgh. 20, 1 Oug Hs. (und so oft) der str. MSD 2 sag Hs. 3 eegiene Hs. 4 louvede = loubete Jgh., MSD* i n t » . : lougede MSD l +' Anm., dagegen Jgh., St (einmeyer). 21, 1 viur: dir Pr. 3 bluode din MSD Assonanz (r : rd) Pr. geburte Hs. 4 so dede str. MSD. 22, 1 inde (1) Hs. : unde MSD, Wg. iedog (!) Hs. 2 gescag Hs. 2b ne str. MSD zweimal: enget., enges. ? MSD Anm. negesag Hs. 23, 1 becechene- | de (!) Hs. : beceichenede MSD dich : zwichPr. 2 ¿Arones Hs. 3 erougede ? Ben(ecfee) : erougnede Jgh. : erounede beibehalten MSD* Anm. 24, 1 porce (!) Hs. offene Hs., verb. von MSD 2 ceichen Hs. 25, 2 Reimirennung nach wilen, nicht nach geburd Hs. Reim wahrscheinlich verderbt Pr.

132r

442

SEQUENZARTIGE

DICHTUNGEN

132r

uore gekündet ward. Hed ich duient munde, geiagen ich niene künde, en uollen dei wunderei, daz uan dir ge icriuen ii. iz ne mögen alle zungen 5 geiagen. nog gefingen frowe diner eren. nog dinei louel enuollen. Der himeliicher hof. finget aller dinen lof. louet dig cherubin. eret dig iera phin. allez daz herie der heiliger en 10 gele, die in godef andouge ftent uon aneginne propheten und apoltolen. und alle godei heiligen, die frowent iig iemer din. kunenclichez mege din. Wale müzen fie dig eren. du 15 bii müder irei heren. de der himel und erden, uan erei hiez werden, de bit eineme worte geicüf du werlt alle dem alle dinc fint under dan. dem niet ne mag wider itan. dem 20 alle craft gewichet dem niet ne ge liehet, den der eret und uortet. alle duie werlt. Daz ii mir lanc cela gene. wie her du Iii ce himele. iz nil

132v

oug niemanne kunt. ane den ieligen die da fint. Dei einei bin ig uandir gewii. daz frowe iui geret bii. durg die dine groze gude. durg du dine 5 otmMe. durg du dine luvercheit durg du dine groze mildecheit.

132 r: 5 gelingenfrowe:fingen fro

abgerieben.

A B N S T E I N E B MARIENLKICH

III.

443

Marienpreis

26 Hed ich dusent munde, gesagen ich niene künde envollen des wunderis daz van dir gescriven is. iz nemogen alle zungen gesagen noch gesingen, frowe, diner eren noch dines loves envollen.

so

27 Der himeliscer hof singet aller dinen lof. lovet dich Cherubin, eret dich Seraphin, allez daz herie der heiliger engele. die in godes andouge stent von aneginne, 5 propheten und apostolen und alle godes heiligen die frowent sich iemer din, kunenclichez megedin.

so

28 Wale muozen sie dich eren: du bis muoder ires heren, de der himel unde erden van eres hiez werden. de bit eineme worde gescuof du werlt alle, dem alle dinc sint underdan, dem niet nemag widerstan; s dem alle craft gewichet, dem niet negelichet, den der eret und vortet alle duse werlet.

100

29 Daz is mir lanc ze sagene wie her du sis ze himele. iz nis ouch niemanne kunt ane den seligen die da sint.

no 132v

30 Des eines bin ich van dir gewis daz, frowe, sus geret bis durch die dine groze guode, durch du dine otmuode, durch du dine suvercheit, durch du dine groze mildecheit.

26, 27, 28, 29, 30,

2 wunderes Hs. 4 in fehlt Ben., MSD 1 + « : J . Grimm, Gesch. der dl. Spr. 134 3 rd: 11 Pr.; worte Hs. 6 werlt Hs., verb, von MSD. 1 cesa | gene (I) Hs. c e H s . (sooft) 2 nis (!) oug Hs. 1 ig Hs. (und so oft) daz fr. (du ) s. Ben. Fußnote: daz (du ) fr. Sehr.

2 du (!) Hs.

444

SBQUENZABTIGK DICHTUNGEN

132v

Van du ane rufen ig dich, frowe nu gehöre mig. aller heiligeite wif. uer Tiím mig fundigez wif. allez daz 10 min herze, daz fled dir bit flize. daz du mir willei genaden. ce dine me iune helfen, daz er durg iine gu de. miner miifedede uer gezze bit alle unde mir genaden wille. Lei15 der mine lidicheit du hat mig dik ke uer leit. daz ig uan minen ícul den. uer Worte iine hulde. frowe daz ii mir enegeitlich her umbe io uorten ig. daz er iine genaden uan so mir lule keren. Tan du flien ig cedir numuze daz itan ane dir. wie du mir maged milde, gehelfel iiner hulde. hiV mir warei ruwen.

133r

daz ich mine funden, muze gewei nen. bit inneclichen trenen. Hilf mir bit flize. daz ig du hellewize niemer nirelide. dad ig oug uer mis de. hinne uord alle dinc die wider godeí hulden lint. Ynde ruche mig geiterken. in allen guden werken, daz ig bege minen lif. alle die heilige wif. die uní aller dugende. gegeio uen hauent bilede. uníer müder Tara du otmüdige. anna du geduldi ga. heiter du milde, iudit du wizzige. undandere die frowen. die ingodei forhten. hie iig io bedrageden. daz

132v: 18 enegeitlich (!) 19 uan: von n ein Abstrich abgerieben. 133 r: 4 nach niemer ist 1 rad. dad: zweites d aus z korr. 6 fint: n fast ganz abgerieben 9/10 gege-| uen (1) 10/11 i a - | ra (!) 11/12 geduldi|ga (!)

ARNSTEINEB MARIENLEICH

445

B. Gebet am Sündenvergebung

I. Gebet an Maria 1. Anrufung und Bitte um Gnade

120

31 Van du ane ruofen ich dich, frowe, nu gehöre mich! aller heiligeste wif vernim mich sundigez wif! allez daz min herze daz fled dir bit flize, daz du mir willes genaden, ze dineme sune helfen, 5 daz er durch sine guode miner missedsede vergezze bit alle unde mir genaden wille!

130

32 Leider mine lidicheit du hat mich dikke verleit daz ich van minen sculden verworte sine hulde. frowe daz is mir engestlich, her umbe so vorten ich daz er sine genaden van mir sule keren. 33 Van du flien ich ze dir, nu muoze daz stan ane dir wie du mir, maged milde, gehelfes siner hulde. hilf mir wares ruwen daz ich mine sunden muoze geweinen bit inneclichen trenen.

140 133r

34 Hilf mir bit flize daz ich du hellewize niemer ni relide, dad ich ouch vermide hinne vord alle dinc die wider godes hulden sint.

150

2. Die Vorbilder; die Imitatio

35 Unde ruoche mich gesterken in allen guoden werken, daz ich bege minen lif alse die heilige wif, die uns aller dugende gegeven havent bilede: unser muoder Sara du otmuodige, Anna du geduldige, 5 Hester du milde, Judit du wizzige und andere die frowen die in godes forhten hie sich so bedrageden daz sie gode wole behageden.

31, 1 ane ruofe MSD 1+ *, dagegen St. unier Verweis auf 36, 3, 4, S und 40,8 2 wif : minen sundigen lif Pr. unter Verweis auf 35, 2 und 30, 2 ; heiligester lif : wif flenschel 32, 1 vielleicht liticheit = lfhtecheit Sehr. 3 uorten (!) Hs. 33, 1 cedir Hs. 3 Assonanz Pr. 34, 2 dad: zweites d aus z korr. Hs. : dad M S D : daz W g . : dad beibehalten Wagner 35, 1 kein Absatz MSD : Unde „störend" Sehr. 2 ig (I) Hs. 3 doppelter Endsübenreim Pr. 4 unser muoder str. MSD geduldi | ga (!) Hs., verb. von M S D ; ötmütige : geduldige Pr. 7 bedrageden (1) Hs. 28«

ieo

446

SEQUENZABTIGE

133r

15 Jie gode wole behageden. Oug nadi ner gúde. nadiner otmüde. muz ig geícheppen minen lif. def hilf mir heiligez wif! an dine hant ig begeuen. mig und allez daz min leuen! dir be 20 uelen ig alle mine not. daz du mir willeí iin gereit in íwelechen minen noden. ig dich iemer ane gerufen. Fro we diner hende be uolen ii min ende!

133v

5

io

15

20

134r

DICHTUNGEN

und ruche min gewiien. und micher loien uz uander grozer not iuanne io der leide dot! ane mir íal geicheiden. den lif uan der íelen. Inder grozer engeite cum du mir ce tröste! unde hilf daz min iele werde ce deile. den lie uen godei engelen. niet den leiden duuelen! daz iie mich dare brengen. da ig muze uinden. du eweliche frowede die da hauent ce himile! die fil lelige godei kint. die dar zu irwelet sint. Daz ig müze Icowen. den unten lieuen herren. den unien Icheppere. den Unsen heilere, der uní gefcW uan niwete. der uní oug gecoufte! bit íineí íüneí blú de. uan deme ewigeme dode. Yver íal mir deí gehelfen, wer íal mig so geluteren! daz ig deí wirdich múze íin. daz íaltu ihc herre min. gif mir herre dinen geiít. wantu íelbe wale weiít. alie mine crancheit. und alle min unwizigheit. daz ig muze icowen. bit den minen ougen! din unuerloíchen liet daz ne were du mir niet! daz ii der ewige lif. daz ii daz ig armez wif. bit diner helfen íuchen. daz la mig herre uinden.

133r: 15/16 nadi | ner (!) 133v: 12 Daz: Initiale am Rand 1 3 4 r : 2 i Í (!)

15blu|de(l)

23 nach liet ist deí durchgestrichen.

ARNSTEINER

MABIENLEICH

447

36 Ouch na diaer guode, na diner otmuode muz ich gesceppen minen lif, des hilf mir heiligez wif! an dine hant ich begeven mich und allez daz min leven, dir bevelen ich alle mine leit, daz du mir willes sin gereit, 5 in swelechen minen noden ich dich iemer ane geruofen.

170

3. Bitte um Hilfe im Tod

37 Frowe, diner hende bevolen si min ende, und ruoche min gewisen unde mich erlosen uz van der grozer not, swanne so der leide dot ane mir sal gesceiden den lif van der seien.

133v

38 In der grozer engeste cum du mir ze tröste, unde hilf daz min sele werde ze deile den lieven godes engelen, niet den leiden duvelen, daz sie mich dare brengen da ich muoze vinden 5 du eweliche frowede, die da havent ze himile die fil selige godes kint, die dar zuo irwelet sint. 39 Daz ich muoze scowen den unsen lieven herren, den unsen sceppsere, den unsen heilsere, der uns gescuof van noute, der t h i s ouch gecoufte bit sines sunes bluode van deme ewigeme dode.

iso

190

200

II. Gebet an Christus und um Fürbitte bei ihm 1. Anrufung Christi

40 Wer sal mir des gehelfen, wer sal mich so geluteren, daz ich des wirdich muoze sin? daz saltu, Jesus herre mini gif mir, herre, dinen geist, wantu selbe wale weist alle mine crancheit und alle min unwizigheit, 5 daz ich muoze scowen bit den minen ougen din unverloscen liet daz newere du mir niet. daz is der ewige lif, daz is daz ich armez wif bit diner helfen suochen, daz la mich, herre, vinden.

36,2 muz (t) Hs. 4 alle mlne leit Sehr.: al min leit J. Meier nach Wg., Pr. : alle mine not Hs. 5 nöden : geröfen Pr. 37, 2 r. mich gew. Sehr. 4 sal (I) Hs. gedeilen Henschel. 38, 1 ce Hs. (dreimal) sele : dele Pr. 4 bringen Pr. 39, 1 kein Absatz MSD. 3 niwete Hs. : noute Henschel : nihte Pr. 4 sünes Hs. blöde : döde Pr. 40,4 unwizigheit = unwizzecheit Jgh- 6 nach liet ist des durchgestrichen Hs. 7bis(!) Hs.

210 134 r 220

448

SEQUENZARTIGE

134r

134v

DICHTUNGEN

Des iie min bode cedir. dinel ieluei m W e r ! 5 owie selig bin ich dan. of sie mig willet fore itan. Maria godei druden. maria troit der armen! maria itella maril. züfluht del iunderis. porce dei himelei. burne dei paradiieil dan uni 10 d u genade üz gefloz d u unl eilenden entüoz. daz unie rehte uater lant! n u gif uns frowe dine h a n t . Wile unl üz gehelfen uan dere grozer dufenen. daz ii dei duvelef gewalt. d a r uni in 15 h a t geualt! eua unie m ü d e r nuflie wir alle zu dir. Wir weinen unde lüften, ce dinen lieuen u f z e n l la d u dich irbarmenl die n o t die wir armen! indirre dale helden manege wii uer 20 dulden. Stella maril bii t u genant, n a deme iterren der a n daz lant. daz m ü d e ichif geleidet dar iz ceraiten beidet! geleduni an ihm. dinen uil güden iun. d(er) ta(l u)n£ alle genade du(on. in i)me iole wir ger(ü)n. der unt erledigen, uan allen unien noden! (uz) allen d(iefen) i(un)den. daz iint de! 5 merei unden. (da wir) leider inne iin. (nu) hilf vni (me)gedin. Hilf dinen armen luden, die dig u a n al (len) landen widene ane r ü f e n t u n d e (dei an) dir g e i ü c h e n t . kere daz din 10 ouge. ce dienen diernen. f(rowe) ge(hi den) unde (mege)de(n.) u n d allen güden (widewen. die iich) ce dir ke(ren)t. die dinen erent. die dir bit uorh (ten dienent). die dig bit hercen min

134r: 4 Desiie (!) 7 maria (I) 12 dine: e fast ganz abgerieben 13 dere (I) : er ganz abgerieben 14 gewalt: e fast ganz abgerieben 17 ce (1) 21 letztes daz abgerieben 22 ceraTten: alt abgerieben. 134v: Die Seite ist stark abgerieben, die Schrift kaum leserlich. Unsichere Buchstaben, sind in ( ) gesetzt. 10 dienen (!)

ARNSTEINER MARIENLEICH

449

41 Des sie min bode zuo dir dines selves muodir, o wie selig bin ich dan of sie mich willet fore stan. 2. Bitte a n Maria als Mittlerin

42 Maria godes druden, Maria trost der armen, Maria Stella maris, zuoflnht des sundseris, porze des himeles, burne des paradises, dan 11ns du genade uz gefloz, du uns eilenden entsloz 5 daz unse rehte vaterlant, nu gif uns, frowe, dine hant. 43 Wise uns uz gehelfen van dere grozer dufenen, daz is des duveles gewalt dar uns in hat gevalt Eva unse muodir, nu flie wir alle zuo dir.

230

240

44 Wir weinen unde suften ze dinen lieven vuozen. la du dich irbarmen die not die wir armen in dirre dale helden manege wis verdulden. 45 Stella maris bistu genant na deme sterren der an daz lant daz muode seif geleidet, dar iz ze rasten beidet. geled uns an Jesum dinen vil guoden sun, der sal uns alle genade duon, in ime sole wir geruon. s der MSD : Maget aller Werlte Wunne Wal (Zner) 3 rehte Hs. gena- | den Hs. 4,1 MSD, Pi. str. Aarones gert^e Hs. 2 MSD, Pi. str. du 3 vate" Hs. die alten vater din betagen Wal. unter Verweis auf Mariengrüße 113ff., Erlösung 5735, Goldene Schm. 140 wunsten Hs., verb. von T)i(emer) und prophetae MSD,Pi., Jöres. 5, 1 (ein) st. MSD a : eineflammedes Di.: eine (ein)flammä/ d. 1. MSD1+*, Pi. : ohne Erg. It. „statt Eva... früher ...unser amme" MSD Anm.-, einest amme Wal. unter Verweis auf Amedei hom. 8 und Salzer,-dag. Jörss 2 inde Hs. dd MSD, Pi. 6, 1 Do (1 undeutlich) Hs. 2 mennesliche Hs., verb. von Di. bröde Hs. erchant (!) Hs., verb. von Di. 3 der e. Pi. Gabiel Hs., verb. von Di. (er) erg. von MSD, dag. Wal., ohne Erg. It. sant Hs., verb. von Di.

466

8EQUENZABTIGE D I C H T U N G E N

7 Er sprach: „Ave Marja, du bist genaden plena. mait du swanger wirst iz ist got selbe den du gebirst." 8 Be disem worte, himilisciu porte, enpfienge in dinem reinen libe daz du doch niht wurde ze wi. 7,1 MSD, Pi. str. er sprach sprac Hs. Ave: mit Initiale Hs. 2 Alait mit Großbuchstabe Hs. : Mait Di. : meifc MSD : alinc Wal. unter Verweis auf Arnsteiner ML. 19, 20, 22 8, 1 (du) be Wal. wote Hs., verb. von Di. himilissiv Hs., verb. von MSD 3 wibe Di. : mit v i bricht die Hs. ab.

Die Handschrift.

zv dir lant. eß iprac. Aue Maria, du biit

genaden plena. Alait du IwangeB wirft, iz iit got leibe den du gebirit. Bediiem 25 wote. himililfiv porte. en pfinge i dinem reine libe. daz du doch niht wurd® cebvi

24 Bediiem (1).