198 10 25MB
German Pages 418 [420] Year 2017
Beiträge zur Dialogforschung
Band 4
Herausgegeben von Franz Hundsnurscher und Edda Weigand
Dialoganalyse IV Referate der 4. Arbeitstagung Basel 1992 Dialogue Analysis IV Proceedings of the 4th Conference Basel 1992 Herausgegeben von Heinrich Löffler unter Mitarbeit von Christoph Grolimund und Mathilde Gyger
Teil 1
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1993
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Dialoganalyse : Referate der ... Arbeitstagung = Dialogue analysis. - Tübingen : Niemeyer. NE: PT 4. Basel 1992. Teil 1 . - 1 9 9 3 (Beiträge zur Dialogforschung ; Bd. 4) NE: GT ISBN 3-484-75004-9
ISSN 0940-5992
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Buchbinder: Industriebuchbinderei Hugo Nädele, Nehren
Inhaltsverzeichnis / Table of Contents
Vorwort / Preface
xiii
Plenarvortrag / Plenary Session Harald Weydt Was ist ein gutes Gespräch?
3
Sektion / Section I Allgemeine und strukturelle Aspekte - Theorie und Methodologie General and Structural Aspects - Theory and Methodology Thomas Bearth Die heuristische Bedeutung des dialoglinguistischen Ansatzes in der Grammatik am Beispiel der Typologie und Verwendung der Antwortpartikeln
23
Alessandro Capone „Obviously" and the modal myth
33
Svëtla Önejrkovä The stony face of a sphinx and an invitation
41
Adriana Gor äse u Dialogo non-standard
47
Valeria Gufu Romalo Compréhensibilité et „accord sémantique" dans le dialogue
53
Franz Hundsnurscher Dialoggrammatische Analyse der deutschen Nebensätze
61
Andreas H. Jucker The structure and coherence of discourse
71
Margareta Manu-Magda Le „dialogue" en dialogue
79
Matthias Marschall Routinen beim Textverstehen: Eine Voruntersuchung zu Strategien des Leseverstehens
89
Johan Mönnink Der Satz im Sprechen und Verstehen
95
vi
Olga Müllerovd Dialog unter dem Gesichtspunkt der Anzahl seiner Teilnehmer
103
Kurt Opitz Haben Monolog und Dialog eine gemeinsame Grenze?
109
Annely Rothkegel Interactional strategies of text planning
117
Tatiana Slama-Cazacu Contextual-dynamic methodology for the study of the structure of dialogue
125
Edda Weigand Mündlich und schriftlich - ein Verwirrspiel
137
Erika Werlen Reflektierende Diskussion als Erhebungsverfahren
151
Sektion / Section II Fallstudien und Musterbeschreibungen Case Studies and Dialogic Patterns Fallstudien / Case Studies Kirsten Adamzik Dialogische Elemente in Reiseführern
169
Susanne Beckmann & Peter-Paul König Sprichwörter und ihre Verwendung im Dialog: Über den Zusammenhang zwischen Bewertung und Funktion
177
Anne Betten Die literaturorientierte Dialogsprache der zwanziger Jahre: Beobachtungen an Interviews mit ehemals deutschen Juden in Israel
187
Jaap Bos & Robert Maier An analysis of the Grünbaum Debate
199
Thomas Gloning Sprachreflexive Textstellen als Quelle für die Geschichte von Kommunikationsformen
207
Mathilde Gyger Dialoge im Bilderbuch
219
vii
Andreas Lötscher Zur Dialogizität von Witzen
227
Heinz-Helmut Lüger Höflichkeit und Lehrbuchdialog
233
Eckard Rolf Monologische und dialogische Aspekte von Messe und Gottesdienst
241
Wilfried Schütte Mehrsprachig-interaktive Textarbeit und Argumentationsmuster in einer EG-Institution
249
Magdalena Vulpe Sur le dialogue reproduit dans la narration orale
265
Guido Wolf Sprechen und Zuhören im Unternehmen: Gesprächstyp „Audit"
273
Musterbeschreibungen / Dialogic Pattems Carla Bazzanella Dialogic repetition
285
Laurenfia Dascälu-Jinga Prosodic means of dialogue strategies
295
Sabine Frilling „Du hast mich unterbrochen!": Zur sprechakttheoretischen Beschreibung unkooperativen Gesprächsverhaltens
301
Andreea Ghita Pragmatic aspects of the ironic dialogue
307
Ichiro Marui Besonderheiten der Gesprächsorganisation im Japanischen: Partnerbezugssignale kontrastiv betrachtet
315
Teun De Rycker „Stop me if anybody has said this before": The sequential implicativeness of imperatives functioning as pragmatic formatives
323
viii Matthias Schmelz Auffordern als Phänomen dialogischer Interaktion
339
Klaus P. Schneider Diminutives as (im)politeness markers
345
Margrit Schreier & Ursula Christmann Ein pragmalinguistisches Modell zur Beschreibung und Analyse argumentativer Unintegrität
351
Johannes Schwitalla Namenverwendung und Gesprächskonstitution
359
Sorin Stati „Authors" and „Speaker" of the utterance
367
Bärbel Techtmeier Typen akzeptanzstützender Handlungen im Gespräch
375
Elena Tognini Bonelli ,.From a reliable source": Uses and functions of the adjective „real"
385
Henning Westheide Strukturierungsfunktion als Bedeutungsaspekt lexikalischer Einheiten
393
Verzeichnis der Referenten und Referentinnen / List of Authors
401
Inhaltsverzeichnis zu Teil II / Table of Contents Part II Sektion / Section III Dialog in der Literatur Dialogue in Literature Paolo Baiesi Vita Sancti Benedicti Angela Biancofiore Dialogue et communication esthétique Piero Cazzola Pour une analyse des dialogues dans les fables russes d'Ivan Krylov Lino Falzon Santucci Multiple interaction in Macbeth ni, iv, 121 and V, i, 19-69 Jana Hoffinannovâ Zwischen Dialog und Monolog: Zu den Weisen der Dialogisierung monologischer Äusserungen im literarischen Text Johan Jacobs Methods of interrogation as strategies of narration in the South African Prison Memoir Luzian Okon Remarques sur le dialogue philosophique de Diderot: Conflit(s) et stratégie(s) Angelika Theile-Becker Literatur als Kommunikation und offenes System: Möglicher Beitrag der BousonoTheorie zur Diskursanalyse, anhand von Beispielen Sektion / Section IV Medien und Computer Mass-media and Computing Hans-Jürgen Bucher Geladene Fragen: Zur Dialogdynamik in politischen Fernsehinterviews Harald Burger Dialogisches in Radio- und Fernsehwerbung.
X
Marlene Faber „Mit dem Anzug hab ich nicht gerechnet": Bemerkungen zur medienspezifischen Verschiebung von Alltagsmustern in der Talkshow „Heut' abend"
117
Wilhelm Franke Mediendialoge: Überlegungen zu einer problematischen Kategorie
125
Ursula Frei-Borer Zu den Regeln des Gelingens von Femsehgesprächen
133
Ulla Günther Bedeutungskonstitution im Gespräch: Phone-In-Sendungen mit tabuisierten Themen
141
Dieter W. Haiwachs Persuasiver Sprechstil in der Politik
151
Ernest IV. B. Hess-Lüttich Schau-Gespräche, Freitagnacht: Dialogsorten öffentlicher Kommunikation und das Exempel einer Talkshow
161
Mary Howard Computing interrogatives
177
Carlo Prevignano On reconstructions of dialogues as interplanning cases
183
Ulrich Püschel „Volk und Journalisten diskutieren gemeinsam in der Presse": Zur Entfaltung des Dialogischen in der Zeitung des Vormärz (1842)
189
Michael Sprenger The influence of human dialogs on expert system construction
197
Sektion / Section V Soziale und psychologische Aspekte - Sprachstörungen Social and Psychological Aspects - Speech Disorders Laurie Anderson Deictic projection and perspective-setting in therapeutic discourse
207
Christian Hudelot Quand l'adulte aide l'enfant à parler: Quelques aspects de l'étayage langagier
215
xi
Heike Hiilzer-Vogt Wenn die Fetzen fliegen: Einige Überlegungen zu Streitaspekten in Gesprächen
223
Robert Maier Dialogue and power
233
Therese Mühlemann Verstehensprozesse in Beratungs- und Nichtberatungssituationen
241
Michael Schecker Zwischen Sprecherrekonstruktion und Hörerantizipation: Gestörtes Gesprächsverhalten bei Schizophrenie
247
Jürgen Tesak Dialogstruktur und grammatische Störungen: Neurolinguistische Evidenz zur Modellierung eines Sprachproduktionsmodells
265
Tatyana N. Ushakova Psychological analysis of dialogue: A three component theory
273
Franc Wagner, Matthias Huerkamp, Heike Jockisch & C. F. Graumann Sprachliche Diskriminierung
281
Dorothea Weniger Kommunizieren ohne Inhaltswörter: Ersatzleistungen bei Wortfindungsstörungen
289
Helmut Wiegers Psychoanalytische Deutung und rekonstruierende Paraphrase
301
Verzeichnis der Referenten und Referentinnen / List of Authors
309
VORWORT
Unter dem Titel „Dialoganalyse IV" sind hier in den Bänden 4 und 5 der „Beiträge zur Dialogforschung" die Referate der „4. Arbeitstagung Dialoganalyse" zusammengestellt, welche nach den vorausgegangenen Tagungen in Münster 1986, Bochum 1988 und Bologna 1990 vom 19. bis 21. März 1992 an der Universität Basel stattgefunden hat. Es war die zweite Tagung unter dem Patronat der im Jahre 1990 in Bologna gegründeten International Association for Dialogue Analysis (I. A.D. A.). Ausgerichtet wurde sie am Deutschen Seminar (Engelhof) der Universität vom Schreibenden und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Von den insgesamt 90 Vorträgen, die auf der Tagung gehalten wurden, können hier 77 oder 85% zum Druck gebracht werden. Einige Beiträge, und dazu gehören leider auch zwei der drei Plenarvorträge, konnten aus druckrechtlichen Gründen nicht in die Publikation aufgenommen werden. Bei der Herausgabe wurde darauf geachtet, daß der Charakter der „Akten" möglichst erhalten blieb. So ist in den beiden Bänden nur enthalten, was tatsächlich auch auf der Tagung vorgetragen wurde. Die unterschiedliche Länge der Beiträge ist zu einem Teil dadurch begründet, daß neben den Plenarvorträgen zu Beginn einer jeden Session in den einzelnen Sektionen Leitreferate oder key-notes angesetzt waren, deren Dauer im Unterschied zu den 20-minütigen Sektionsreferaten 30 Minuten betrug. Dieser Unterschied spiegelt sich zu einem gewissen Grade in der Länge der Druckfassungen. Die Beiträge sind in der von den Autoren gelieferten Form und in der Sprache belassen, in der sie gehalten wurden. Kongreßsprachen waren Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Um den Charakter der Akten oder Proceedings zu wahren, wurde auch die Sektionseinteilung in ihrer Reihenfolge und mit den ursprünglichen Bezeichnungen beibehalten. Lediglich in der übergroßen Sektion II,.Fallstudien und Musterbeschreibungen" wurde der besseren Übersichtlichkeit wegen eine Unterteilung in „Fallstudien" und „Musterbeschreibungen" vorgenommen. Dabei war nicht immer exakt zu entscheiden, welcher Aspekt jeweils im Vordergrund stand. Trotz der vermeintlichen Einschränkung und Fokussierung, die der Tagungsreihe mit dem Titel „Dialoganalyse" vorgegeben ist, zeigte auch die vierte Tagung, ähnlich wie die vorhergegangenen, die gesamte Vielfalt der Zugänge und Verfahrensweisen von der Kommunikationstheorie, Konversationsanalyse, Dialogforschung, Dialoggrammatik mit Schwerpunkten in der Theorie und der Methodologie bis hin zur Anwendung in der Praxis als exemplarische Musteroder empirische Fallbeschreibungen aus allen Lebensbereichen zwischen Alltags-Gesprächen, Mediengesprächen, Therapiegesprächen, im Rahmen einer ungesteuerten Natürlichkeit ebenso wie in der Fiktionalität der Literatur, der Vermitteltheit oder Inszeniertheit durch die Medien
xiv oder in der Praxis der Therapie. Interessant zu beobachten war auch, wie sich das dialoganalytische Interesse zunehmend den Rändern der Disziplin und allen möglichen Nachbargebieten zuwendet. So können die beiden Bände den Anspruch erheben, eine Momentaufnahme mit durchaus repräsentativem Charakter zu sein. Und was die Besonderheit der ganzen Reihe, insbesondere auch dieser Tagung ausmacht: sie darf als repräsentativ auch in Bezug auf die Internationalität bezeichnet werden. Aus elf Ländern Europas und aus Übersee stammen die Autorinnen und Autoren. Hervorzuheben ist, daß hier auch zum ersten Mal seit der politischen „Wende" die osteuropäische Forschung mit einem bislang ungewohnt hohen Anteil vertreten ist. Aus verständlichen Gründen nicht mit dabei sein konnten Vertreter der amerikanischen Dialog- und Konversationsforschung. Die Organisation der Tagung und damit auch die Herausgabe der Akten war möglich dank großzügiger Hilfe des Schweizerischen Nationalfonds, diese insbesondere für die Unterstützung der osteuropäischen Teilnehmer, der Schweizerischen Akademie für Geisteswissenschaften, der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft in Basel und des Schweizerischen Bankvereins Basel. Die Tagung selbst fand auch die Unterstützung des Rektors der Universität, Prof. Karl Pestalozzi, und der Regierung des Kantons Basel-Stadt, vertreten durch Regierungsrat Prof. Hans Rudolf Striebel. All diesen sei hier nochmals gedankt. Ein ganz besonderer Dank des Herausgebers geht an Mathilde Gyger und Christoph Grolimund, die nicht nur bei der Vorbereitung und Durchführung der Tagung, sondern auch bei der Vorbereitung der Publikation sowohl redaktionell wie typographisch einen maßgeblichen Anteil leisteten. In allen Phasen der Vorbereitung und Abwicklung, der Redaktion, Reinschrift und Korrektur war Suzanne de Roche eine unersetzliche Hilfe. Dankbar konnte das Team auch auf den erfahrenen Rat der beiden Reihenherausgeber Edda Weigand und Franz Hundsnurscher und des Präsidenten der Gesellschaft für Dialogforschung, Sorin Stati, zählen. Nicht zuletzt geht der Dank an den Verleger, Herrn Harsch-Niemeyer, und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für deren Fürsorge beim Fortgang der Reihe. Heinrich Löffler
PREFACE
The present two volumes 4 and 5 of the series „Beiträge zur Dialogforschung" comprise the papers given at the 4th Conference on Dialogue Analysis, which was held at the German Seminar (Engelhof) of the University of Basel, Switzerland, from March 19 to 21,1992. It was the second conference patronized by the International Association for Dialogue Analysis, founded in Bologna in 1990. Prior to Basel there were conferences at Münster (1986), Bochum (1988), and Bologna (1990). The Basel conference was organized by the author of this preface and his staff. 77 or 85% of the altogether 90 papers given at the conference could go into print. Some contributors had to forgo publication for copy-right reasons, among others - regrettably enough - two of three plenary speakers. The present volumes are intended to reflect the conference by way of proceedings. They only contain what was actually presented. If the papers differ in length, this is mostly due to the fact that some of them figured as key-notes and were allowed thirty instead of the twenty minutes allotted to regular section papers. For the conference's proceedings speakers were asked to submit their papers in camera-ready form and in one of the four official languages, in German, English, French or Italian. It seemed appropriate to maintain the conference's thematic and sectional order and to publish the papers accordingly. As section II would have been too long, it had to be divided up into two parts: „Case-Studies" and „Dialogic Patterns". Assigning each paper to its appropriate section turned out a difficult task, as it involved discriminating between a paper's primary and secondary features. In spite of a somewhat limiting or focussing effect that the heading „dialogue analysis" is likely to have, the proceedings of the fourth conference testify to a wide range of approaches and methods: theory of communication, conversational analysis, emphasis on theoretical and methodological aspects of dialogue grammar, as well as application in exemplary analyses of dialogic patterns and empirical case-studies in all areas of life, such as everyday conversation, mass-media and therapeutic dialogues, within the framework of uncontrolled natural settings just as well as in fiction and drama. Dialogue research strikes the observer by its fascinating efforts to widen its own academic horizon, to steadily expand or transgress its own borders and to bridge the gap between neighbouring disciplines. The present two volumes may claim representativeness in more than one respect: in the sense of a true and adequate reflection of the momentary state of the discipline, and also with reference to the scope of international participation, which may rightfully be termed a characteristic of this conference. There are contributions from eleven different European countries and from overseas. For the first time since the historical „Wende" Eastern European research is duly represented, whereas American conversational analysis is not - for understandable practical reasons.
xvi It was the generous support by the Swiss National Fund - granted especially to participants from Eastern European countries -, the Swiss Liberal Arts Academy, the Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, Basel, and the Swiss Bank Corporation that made the conference and the publication of the proceedings possible after all. Moreover, the conference itself received support from the Rector of the university, Professor Karl Pestalozzi, and from the cantonal government of Basel-Stadt, represented by Regierungsrat Professor Hans Rudolf Striebel. It is to all these that I wish to express my gratitude. I wish particularly to thank Mathilde Gyger and Christoph Grolimund for their substantial contribution not only to the organisation of the conference but also to editorial and typographical preparations of its proceedings. At all stages, whether preparatory or final, in editorial work, writing out fair copies and proof-reading, Suzanne de Roche gave an indispensable hand. Gratefully, the conference-team would benefit from the experience and the advice of the series' editors, Edda Weigand and Franz Hundsnurscher, and of the President of the International Association for Dialogue Analysis, Sorin Stati. Last but not least I wish to thank our publisher, Herrn Harsch-Niemeyer, and his staff for their concern regarding the continuation of the series „Beiträge zur Dialogforschung". Heinrich Löffler
Plenarvortrag Plenary Session
Harald Weydt WAS IST EIN GUTES GESPRÄCH? 1
1.
Wissenschaftstheoretische Probleme
1.1
Welche Frage stellt die Dialoganalyse?
1.2
Zwei Probleme
1.2.1 Das methodische Problem 1.2.2 Das historische Problem 1.3
Das Verhältnis von kognitiver und sozialer Ebene
2.
Gute Gespräche
2.1
Universelle oder spezifische Gesprächsstrukturen?
2.2
Befragung
2.3
Ergebnisse
2.3.1 Was ist angenehm? 2.3.2 Bedeutsamkeit 2.3.3 Synthese 2.3.4 Bewußtmachen 2.3.5 Kognitive und personale Ebene 2.3.6 Aufrichtigkeit 2.3.7 Soziale Bedingungen 2.3.8 Äußere Bedingungen 3.
Schlußwort
Anmerkungen Literatur
1. Wissenschaftstheoretische Probleme Es ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich, auf einem Kongress über Dialoganalyse die Frage „Was ist ein gutes Gespräch?" anzukündigen. Ich würde abstreiten, daß es auf einem Musikwissenschaftler-Kongress jemand wagen würde zu fragen: „Was ist gute Musik?" Mir ist nicht bekannt, daß auf einem literaturwissenschaftlichen Kongress jemals ein Plenarvortrag „Was ist ein gutes Drama?" oder „Was ist ein gutes Gedicht?" oder „Was ist ein guter Roman?" oder „Was ist gute Literatur?" gehalten wurde.
4 1.1 Welche Frage stellt die Dialoganalyse? Beunruhigender noch ist die Frage, ob sich Dialoganalyse2 überhaupt Fragen dieses Typs stellen soll, denn vieles spricht dafür, daß solche Fragen in der Wissenschaft vom Dialog gar nicht vorgesehen sind. Es ist epistemologisch durchaus nicht gesichert, welche Art von Fragestellung die Gesprächsanalyse eigentlich beantworten will. Ich möchte mit dem englischen Philosophen Collingwood (1970) jedes wissenschaftliches Werk, aber auch jede Richtung der Wissenschaft, als eine Antwort verstehen: Der Wissenschaftler, der Forschungen rezipiert, hat nicht eine passive, sondern eine durchaus aktive Aufgabe; er muß feststellen, auf welche Frage das betreffende Werk (in unserem Falle: diese Wissenschaft) eine Antwort geben will. - Welche Art von Frage stellt also die Wissenschaft vom Dialog? Die Dialoganalyse ist zwar zugegebenermaßen eine Wissenschaft, die besonders stark über ihr eigenes Vorgehen reflektiert. Gerade was die ethnomethodologischen Grundlagen der Konversationsanalyse betrifft, haben wir eine sehr stark reflexive, d.h. über sich selbst „zurückgeneigte", Betrachtungsweise zu konstatieren, aber dennoch ergibt sich für mich keine Klarheit über die Art ihrer Fragestellung. Die wichtigste Unterscheidung innerhalb der Wissenschaften - sie wurde besonders in der zweiten Hälfte des neunzehnten und in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts diskutiert - ist die zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Die Naturwissenschaften sind auf verallgemeinerbare, allgemeine Ergebnisse aus. Es mag sein, daß ein Physiker einen Gegenstand in großer Höhe losläßt, um zu messen, wann er den Erdboden erreicht, aber er befaßt sich eben nicht mit der Wissenschaft von diesem Stein, den er losläßt, sondern mit einer viel allgemeineren Wissenschaft. Er möchte nämlich Schwerkraftgesetze feststellen. Es mag sein, daß in einen Labor bestimmte Ratten oder möglicherweise nur eine einzige Ratte, die sogar einen Eigennamen hat, untersucht werden, und doch ist Gegenstand dieser Wissenschaft nicht diese eine Ratte mit dem Namen Elise, sondern der Gegenstand ist viel allgemeiner, nämlich die Wirkung von bestimmten Stoffen auf bestimmte Organismen. Und wahrscheinlich wird man sogar noch weitere Übertragungen vornehmen und z.B. die Wirkung von bestimmten chemischen Substanzen auf den Menschen als letztes Erkenntnisziel ins Auge fassen. Die Geisteswissenschaften haben dagegen historische Gegenstände. Man kann z.B. ein wissenschaftliches Buch über einem einzigen Roman, sagen wir Goethes Wilhelm Meister, schreiben. Der Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung ist wirklich der Wilhelm Meister; man versucht nicht, von ihm aus etwa Allsätze über die Romane insgesamt abzuleiten. Im Gegenteil: Jeder neue Gegenstand verlangt seine eigene Untersuchung. Stellen wir uns nun die gleiche Frage im Bezug auf die Konversationsanalyse. Was ist der Gegenstand der Konversationsanalyse? Hier gerät man auf unsicheren Boden. Nähme man an, daß die Konversationsanalyse den Typus von Fragen stellt, der die Naturwissenschaften charakterisiert, dann hieße das, daß sie auf verallgemeinerbare Ergebnisse aus wäre. Ziel des Forschers wäre es dann, allgemeine Regeln zu finden, am besten Allsätze (die durch ein Gegenbeispiel entkräftet
5 werden können, wie es die Poppersche Wissenschaftstheorie vorsieht), und sie müßten dem deduktiv-nomologischen Schema entsprechen. Ist das wirklich der Fall? Zugegebenermaßen gibt es allgemeine Fragestellungen innerhalb der Konservationsanalyse, zum Beispiel wenn es um die Charakteristika bestimmter Gesprächstypen geht: Strukturen des therapeutischen Dialogs, das Verhalten von Angeklagten vor Gericht, Verkaufsgespräche, Gesprächsstile, Unterrichtsgespräche, Prüfungsgespräche, Radiointerviews, Talkshows. Dennoch: Auch diese Gesprächstypen sind historische Gegenstände, und man muß sich fragen, welchen Status die dort gefundenen Regeln, wenn es denn welche sind, haben. Allsätze, die durch ein Gegenbeispiel widerlegt sind, sind sie sicher nicht. Sucht man überhaupt nach konstitutiven (nicht wegdenkbaren) Elementen bestimmter Gesprächstypen? Sind die gemachten Aussagen als Hypothesen gedacht, die solange gelten, bis sie widerlegt sind oder geben sie allgemeine Wahrscheinlichkeiten an? Viel wichtiger: In der Mehrzahl der konversationsanalytischen Untersuchungen wird gar nicht der Versuch zu allgemeinen Aussagen gemacht. Wie anders wäre denn sonst die Forderung nach immer neuem authentischen Material zu rechtfertigen? L e g e n denn nicht die Konversationsanalytiker gerade Wert auf die spezifischen Besonderheiten eines jeden Gespräches, d.h. des einzelnen Gegenstandes? Sprechen sie nicht davon, daß sich das Gespräch in unverwechselbarer Weise im aktuellen Vollzug und erst durch die Interaktion der Sprecher konstituiert und so zu einem jeweils besonderen wird? Sind Gespräche so etwas wie wiederholbare Experimente? Haben sie den Status von immer aufs neue fallengelassenen Gegenständen, an denen man Hypothesen über die Fallgesetze zu falsifizieren versucht? Sind sie Hypothesen, die in einem trial-and-error-Vcisuch
immer weiter verfeinert werden? Nein! Es wird gerade Wert darauf ge-
legt, daß jedes Gespräch seine Spezifik und seine eigene Entwicklung hat, sich im Laufe seines Vollzugs konstituiert und damit notwendigerweise den anderen Gesprächen unähnlich wird. Prüfen wir die die Gegenposition. Ist die Konversationsanalyse also eine Wissenschaft, die einen bestimmten historischen Gegenstand hat, wie etwa die Literaturwissenschaft, in der eine wissenschaftliche Untersuchung einem historischen Gegenstand, z.B. dem Wilhelm Meister, gewidmet ist?3 Auch diese Gegenposition vermag nicht zu überzeugen. Denn wie wäre es dann zu verantworten, daß sich hochbezahlte Wissenschaftler mit einem Alltagsgespräch beschäftigen, wie es millionen- und abermillionenfach an allen Teilen der Erde täglich zustande kommt, das nur durch einen riesigen Zufall aufgezeichnet wurde? Welches wäre das Interesse an diesem spezifischen Gegenstand, das es uns erlauben würde, der Gesellschaft gegenüber zu verantworten, daß wir uns damit intensiv beschäftigen? Nein, auch das kann die Antwort nicht sein: Der Gegenstand selbst hat hier, anders als Goethes Wilhelm Meister oder ein Gedicht von Verlaine oder Benn, keinen in ihm selbst liegenden Erkenntniswert. Ein spezifisches, vergängliches Alltagsgespräch zum letzten Eikenntnisgegenstand der Konversationsanalyse zu erheben wäre noch lächerlicher, als die Wissenschaft von einer bestimmten Ratte Elise zu machen.
6 1.2 Zwei P r o b l e m e In meinen Untersuchungen zum guten Gespräch bin ich auch empirisch vorgegangen. Ich habe Gespräche analysiert, die Informanten als gut bezeichnet hatten. Bei diesem Vorgehen sind zwei Probleme zu beachten (im folgenden das „methodische" (1.2.1) das „historische" (1.2.2)), und ein Ziel ist im Auge zu behalten: Es soll überprüft werden, wieweit das „Image" (face) bei guten Gesprächen eine Rolle spielt (1.3). 1.2.1 Das methodische Problem Das Verfahren, von guten Gesprächen auszugehen und darauf Thesen aufzubauen, darf nicht als Versuch mißverstanden werden, induktiv an die Merkmale eines gutes Gespräches heranzukommen. Es bestünde darin, viele gute Gespräche zu nehmen und sich zu fragen, was das Gemeinsame an ihnen ist. Auf diesem Weg zu einem Begriff eines guten Gespräches zu gelangen, ist aber ein völlig aussichtloses Unterfangen und so sinnlos, wie wenn man induktiv zum Wesen des Schönen vordringen wollte. Man nehme eine Beethoven-Sinfonie, ein schönes Gemälde und ein Fotomodell. Es gibt nichts, das man als diesen drei Objekten gemeinsam herausarbeiten könnte, das sich dann notwendigerweise auch in einem vierten und fünften schönen Gegenstand wiederfinden ließe, und das dann das konstitutive Element des Schönen wäre. Wir müssen vielmehr wissen, was schön ist, um schöne Gegenstände zu erkennen. Wir können natürlich unter den vielen Gegenständen nur deshalb die schönen herausfinden, weil wir über ein solches eidetisches Unterscheidungsvermögen bereits verfügen. Erst dann können wir uns überhaupt mit ihnen beschäftigen. So ist es auch mit den guten Gesprächen: Wir müssen wissen, was gute Gespräche sind; dann erst können wir über sie arbeiten. Das Verfahren, Informanten zu befragen, baut gerade auf deren eidetischem Bewußtsein auf. „Gute Gespräche" sind Gespräche, die bei den Gesprächspartnern einen guten Eindruck hinterlassen und von ihnen als befriedigend und bereichernd empfunden werden. 1.2.2 Das historische Problem Ein zweiter Einwand könnte lauten: Das, worüber Sie sprechen, das gute Gespräch gibt es gar nicht. Ein Blick auf die Geschichte der Beschäftigung mit dem Gespräch zeigt uns, daß die Menschen, und die Gebildetesten unter ihnen, zu verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Gesprächsideale hatten. 4 Dies trifft schon auf die historische Tradition unseres abendländischen Kulturkreises zu; die gesamte Wirklichkeit ist wesentlich komplexer. Verläßt man unsere europazentrierte Sichtweise, dann wird man feststellen können, daß in anderen Kulturen andere Gesprächsregeln herrschen, und daß es grundsätzlich kulturspezifische Bewertungen von Gesprächsverhaltensweisen und Gesprächen gibt. Trotzdem sind das alles natürlich nur winzige Ausschnitte, denn wir können annehmen, daß in den untergegangenen Kulturen, von denen wir nichts wissen, andere Gesprächskulturen geherrscht haben; und wir sind nicht in der Lage, irgendwelche
7 Aussagen über Gespräche und Gesprächsbewertungen zu machen, die in den Kulturen herrschen werden, die heute noch gar nicht existieren und nach uns kommen. In der Tat kann man so etwas wie eine Geschichte des Gesprächs schreiben. Es wird im Laufe dieser Abhandlung noch zu fragen sein, wie sich die unendliche Vielfalt der Gesprächskulturen mit zeitlosen Reflexionen über das gute Gespräch vereinbaren läßt. Letzlich werde ich die Meinung vertreten, daß es sich beim guten Gespräch um einen in Zeit und Raum einheitlichen Gegenstand handelt. Die Diskussion über das gute Gespräch ist also nicht der über die Tragödie analog, die tatsächlich, da sich der Begriff 'Tragödie' gewandelt hat, ein sich wandelndes Objekt besitzt, über das man keine einheitlichen Aussagen machen kann. 1.3 Das Verhältnis von kognitiver und personaler Ebene Bei der „semantischen" Analyse von Gesprächen geht es nicht um die primären Bedeutungen, die sich aus der wörtlichen Bedeutung von Äußerungen ergeben, sondern um die ,.Bedeutung der Bedeutung", um das, was mit dem wörtlich Gesagten gemeint ist, also um die Handlungsfunktionen der Äußerungen. Diese (nicht wörtlichen) Bedeutungen bilden den zentralen Gegenstand der Pragmatik. Innerhalb der pragmatischen ,.Bedeutung" lassen sich zwei Ebenen unterscheiden: nennen wir sie die „kognitive" und die „personale". Im kognitiven Bereich geht es um das Was der Kommunikation. Es geht vor allem darum zu erkennen, welche Handlungen (z.B. Drohung, Warnung, Gruß) mit der entsprechenden Äußerung vollzogen werden, und wie diese aus den wörtlichen Bedeutungen der gemachten Äußerungen zu erschließen sind. Das ist die klassische pragmatische Fragestellung, die im Mittelpunkt der Sprechakttheorie stand und steht. Auch die Kooperationstheorie von Grice will erklären, wie das, was gemeint (meant) ist, mittels einer Implikatur aus dem, was gesagt (said) ist, erschlossen werden kann, und stellt in dieser Hinsicht genau die gleiche Frage. So ist die Maxime „Sei wahrhaftig!" nicht etwa als ein ethischer Appell mißzuverstehen, sondern sie formuliert lediglich eine Verständnisgrundlage: Wenn jemand nicht einmal den Anspruch erhebt, daß das, was er sagt, mit der Wirklichkeit übereinstimmt, ist Kommunikation nicht möglich. Auch bedeutet „Kooperation" überhaupt nicht, wie es manchmal mißverstanden wird, daß zwischen den Gesprächspartnern Harmonie herrscht. Im Gegenteil: Gerade um sich zu beschimpfen, muß man im Grice'schen Sinn kooperieren. Um z.B. zu verstehen, daß die Frage: „Haben Sie überhaupt den Führerschein?" eine Beleidigung sein soll, muß der Hörer eine Implikatur vollziehen, und der Sprechende hat seine Rede so zu konzipieren, daß er, die Kooperation des Hörenden vorausgesetzt, damit rechnen kann, daß das Gemeinte erschlossen wird.5 Die personale Ebene dagegen ist erst allmählich und wesentlich später ins Blickfeld der Linguisten gekommen. Hier geht es um das Wie des Gesagten, um die interpersonalen Beziehungen, die zwischen den Gesprächspartnern aufgebaut und gepflegt werden. Das theoretische Rüstzeug zur Analyse dieser Beziehungen stammt vorwiegend aus der face-Theorie von Goffman. Es wurde in der epochemachenden und die ganze Höflichkeitslinguistik beeinflussenden Untersuchung von Brown
8 und Levinson (1978) am überzeugendsten dargestellt Auf dieser theoretischen Grundlage mit face als zentralem Erklärungsschema (besonders der FTA-Konzeption6 von Brown und Levinson) bauen zahlreiche weitere Untersuchungen auf.7 Allgemein wird ein deutlicher Antagonismus zwischen beiden Ebenen postuliert: Je mehr die kognitiven Regeln beachtet werden, desto weniger die personalen, und umgekehrt. Zwischen der kognitiven und der personalen Ebene findet also sozusagen ein Nullsummenspiel statt. Es ist ein S e i vorliegender Untersuchung festzustellen, ob in den guten Gesprächen die gegenseitige Gesichtswahrung tatsächlich eine so beherrschende Rolle spielt, wie es die Höflichkeitsforschung, deren einziges Erklärungsprinzip das face ist, erwarten läßt (siehe unter 2.3.5). 2. Gute Gespräche Da, wie ich dargelegt habe, das eidetische Bewußtsein der Sprecher darüber, ob ein Gespräch gut ist, unabdingbare Voraussetzung eines sinnvollen Sprechens über gute Gespräche ist, habe ich in meine Überlegungen über gute Gespräche und ihre Struktur neben der Auseinandersetzung mit der Forschung und der Introspektion auch Intuitionen der Sprechenden aufgenommen. In den Fragen an die Informanten und bei der Auswertung wollte ich im empirischen Teil auf folgende Punkte achten: a)
auf das Verhältnis zwischen kognitiver und personaler Anstrengung in einem guten Gespräch (Wie wird auf beides geachtet? - Welche Rolle spielen die FTAs dabei? - Wie ist das Verhältnis von Kognition und Beziehung?) und
b)
auf den interkulturellen Aspekt
Weiterhin wollte ich c)
insbesondere auch etwas über die Bedingungen für gute Gespräche erfahren,
d)
wollte auf die Verteilung der Sprecheranteile,
e)
auf die Personalkonstellationen und
f)
auf die Ähnlichkeit der Gesprächstypen achten, die als gut bezeichnet werden.
g)
Letztlich kam es mir darauf an, meine Informanten zu befragen, warum sie gerade ein bestimmtes Gespräch als besonders gut empfanden.
2.1 Universelle oder spezifische Gesprächsstrukturen? Wie stark wirken sich kulturelle Unterschiede aus? Eine nach Sprachgemeinschaften differenzierte, eine historische und eine universalgeschichtliche8 Betrachtungsweise bieten sich an, wenn man nicht universelle (bzw. übereinzelsprachliche) Strukturen annehmen will. a)
Nach Sprachgemeinschaften differenziert: Jeder, der Erfahrungen in fremden Ländern und Kulturen gemacht hat, weiß, daß Gesprächsstrukturen außerordentlich unterschiedlich sein können. Die interkulturelle Forschung hat diese Unterschiede gerade in den letzten Jahren überdeutlich thematisiert.
9 b)
Historisch: Auch in historischer Hinsicht kann man die Erwartung hegen, daß sehr unterschiedliche Ideale in Gesprächen gesehen wurden.
c)
Universalgeschichtlich: Claudia Schmölders entfaltet in ihrem Buch Die Kunst des Gesprächs eine kurze Geschichte der Gesprächsideale von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, folgt also einer universalgeschichtlichen Fragestellung.9 Gerade in unserem Kontext sei darauf hingewiesen, daß auch diese Universalgeschichte abendländisch-europäisch orientiert ist. Die Verschiedenartigkeit der Gesprächskonzeptionen wird schon an den Untertiteln der Artikel, die Epochen charakterisieren, deutlich: „das freundliche Gespräch", „die Angst vor dem Nächsten", „die ästhetische Selbstbeherrschung", ,4er unterdrückte Ausdruck", „der Zwang zur Zwanglosigkeit", „die lustlose Geselligkeit", „der bürgerliche Individualismus", „die bürgerliche Naivität", „die bürgerliche Anonymität", „die unfreundliche Konversation", „die instrumentalisierte Harmonie", „die unterentwickelte Liberalität". Schmölders rekonstruiert aus den Bildern, die die Autoren entwerfen, die entsprechenden zeitgebundenen Konversationsideale und -konzeptionen.
Man kann sich also auf eine große Vielfalt von dem, was unter „gutes Gespräch" verstanden wird, gefaßt machen. Andererseits gibt es auch Gründe anzunehmen, daß das, was unter „gutes Gespräch" spontan verstanden wird, durch Länder und Zeiten hindurch konstant und eben menschlich ist. In der Verschiedenheit finden sich doch überraschende Ähnlichkeiten. Wir selber haben in anderem Zusammenhang in Berlin ein Experiment in 33 Sprachen durchgeführt, 10 nämlich auf afar, amharisch, arabisch (verschied. Dialekte), dänisch, dari, englisch, finnisch, französisch, deutsch, griechisch, gujarati, hindi, indonesisch, japanisch, jawajanisch, khana, koreanisch, kurdisch, nepali, norwegisch, paschtu, persisch, polnisch, portugiesisch, pular, russisch, schwedisch, serbokroatisch, singalesisch, spanisch, srilankisch, tigrinja und türkisch und dabei ganz überraschende Ähnlichkeiten feststellen können. In allen Sprachen folgen die Gespräche dem Schema: Gruß, Anrede, Entschuldigung und dann einer strukturellen analogen „Minimierungsstrategie". Beispiele: auf dt.: „Guten Tag, Frau Meier, entschuldigen Sie bitte vielmals, aber ich wollte nur (ein)mal fragen, ob Sie mir nicht vielleicht ein bißchen Salz leihen könnten"; auf engl.: „I just wanted to ask you whether you could perhaps lend me a little bit of salt"; auf frz.: „Je voudrais tout simplement vous demander, si vous ne pouviez pas me preter un peu de sei". 2.2 Befragung Es wurden mehrere Personen befragt. Die Interviews mit Ihnen wurden aufgezeichnet. Ihnen wurde als Aufgabe gestellt, sich ein Gespräch, das sie als besonders gut in Erinnerung hatten (ein reales Gespräch, das sie wirklich geführt hatten) genau vorzustellen und davon zu berichten. Wenn
10 die Informanten zurückfragten, was für eine Art von Gespräch denn gemeint sei, wurde darüber die Auskunft verweigert; sie wurden nur gebeten, ein Gespräch, das sie im nachhinein als besonders gut, geglückt empfunden hatten, das ihnen viel gegeben hatte, darzustellen. An die Schilderung schloß sich jeweils eine längere Unterhaltung über dieses Gespräch an, bei dem Bedingungen und Einzelheiten der Gesprächsführung erörtert wurden. Der Befrager hielt sich mit seinen Fragen weitgehend zurück und ließ den Informanten sprechen. Es liegen uns zwölf Gespräche vor. Aus mnemotechnischen Gründen werden sie mit je einem einprägsamen Kompositum bezeichnet: 1. Komplex-Gespräch. (Das Gespräch sei kurz geschildert; bei anderen muß aus Raummangel darauf verzichtet werden.) Teilnehmerinnen: zwei sich sehr nahestehende neunzehnjährige junge Frauen. B kommt dazu, wie A vor dem Spiegel steht, mit ihrem Äußeren nicht zufrieden ist und Komplexe hat. Es entwickelt sich ein sehr lockeres Gespräch, das für beide befreienden Charakter hat, bei dem sie viel lachen. Sie sprechen über Äußeres, über Männer und vieles andere. 2. Gewalt-Gespräch, 3. Planungs-Gespräch, 4. Entfremdungs-Gespräch, 5. WG-Gespräch, 6. Familien-Gespräch, 7. Rollen-Gespräch, 8. KlebeGespräche, 9. Bilanz-Gespräch, 10. Drogen-Gespräch, 11. Bus-Gespräch, 12. Rollen-Gespräch. 2.3 Ergebnisse Die Informanten gaben sehr bereitwillig und mit großem eigenen Interesse Auskunft. Sie waren sich sicher, daß die von ihnen ausgewählten Gespräche gute Gespräche waren und auch von ihren Partnern als solche empfunden worden waren. Es handelte sich stets um die Erörterung eines wichtigen persönlichen Problems, das die Beziehung zu anderen betraf. Die geschilderten Gespräche ähneln sich im Typ sehr stark. Es ist zum Beispiel nicht der Fall, daß einmal lustige Tafelgespräche mit Sekt, ein anderes Mal das Erzählen schmutziger Witze und ein drittes Mal ein Reisebericht erwähnt wurden. Im Gegenteil: Es handelte sich um intensive Erarbeitungen wichtiger Themen, an denen stets beide aktiv beteiligt waren und die ihren angenehmen Charakter aus der Kooperation bezogen. 2.3.1 Was ist angenehm? Der angenehme Charakter beruht auf Prozessen, die sich mit dem einzigen herkömmlichen Erklärungsmuster der Konversationsanalyse, dem face-work und dem FTA, nicht erfassen lassen. FTAs spielen in diesen Gesprächen keine Rolle. Das ist ein ganz bemerkenswertes Ergebnis. Auch positives und negatives face werden nicht besonders in diesen Unterhaltungen gepflegt. Zwar werden in allen diesen Gesprächen Akte vollzogen werden, die unter anderen Bedingungen als gesichtsbedrohend interpretiert werden müßten; doch ist diese Bedrohung hier aufgehoben. ja und der andere fands halt immer nur lustig. Ich weiß nich. Also insofern,... Vielleicht wärs in ner anderen Situation schon Sachen dabei gewesen, die irgendwie jemand übel
11 nehmen würde, aber irgendwie in der Situation wars halt eben nur so, daß wir uns beide kaputtgelacht haben darüber (Komplexgespräch 79). Der Eindruck des Angenehmen, Beglückenden, entsteht vielmehr auf eine völlig andere Weise, und zwar auf eine Weise, die nicht nur in diesen guten Gesprächen gilt, sondern in allen Gesprächen, und die bisher - wenn überhaupt - noch nicht ausdrücklich genug thematisiert worden ist. Als angenehm wird weniger empfunden, daß ein Lob ausgesprochen wird (positives face) oder daß vermieden wird, das Territorium des anderen zu verletzen (negatives face), sondern vielmehr etwas ganz anderes: daß sich der Partner im Gespräch von seinem Gesprächspartner genau erfaßt fühlt und daß er von ihm genau in seiner Individualität thematisiert wird. Das braucht durchaus nicht in lobender Form zu geschehen; Menschen aller Kulturkreise empfinden es als angenehm, wenn sie wahrnehmen, daß man sie in ihrer Spezifizität erfaßt und anspricht. Wir haben deshalb nicht umsonst in den Realisierungen der Salzszene in allen unseren Sprachen Anreden. Wenn man das Phänomen vom Gesichtspunkt der Informationsübertragung her zu erklären versucht, muß man scheitern. Nach dem Schema der Quantitätenmaxime ist es verlorene Zeit, der Frau Meyer zu sagen, daß sie eine Frau ist, denn das weiß sie besser als der Sprechende, oder daß sie Frau Meyer heißt, denn das weiß sie auch besser. Sinn macht die Anrede erst, wenn sie als Signal gedeutet wird, daß der Sprechende sein Gegenüber spezifisch in den Blick genommen hat. Ein Beispiel mag das Prinzip verdeutlichen. Ich beziehe mich auf ein Experiment, das mit 82 Informanten durchgeführt wurde. 11 Die Sprecher wurden mit zwei Dialogen konfrontiert. Dialog A besteht aus einem Gespräch zwischen zwei Bekannten, die sich auf einem Bahnhof treffen. Dieser Dialog enthält relativ viele Abtönungspartikeln. Der Dialog B ist in allen Teilen mit Dialog B identisch, mit dem Unterschied, daß aus ihm alle Abtönungspartikeln (Abtönungspartikeln sind nie obligatorisch) entfernt wurden. Die Aufgabe der Informanten bestand nun darin, beiden Dialogen Merkmale aus einer vorgegebenen Merkmalsskala zuzuordnen. Wenn ein Merkmal überhaupt nicht zutraf, sollte die entsprechende Null angekreuzt werden, wenn das Merkmal extrem zutraf, dann eine 6. Die Durchschnittswerte sehen folgendermaßen aus:
natürlich abweisend warm hölzern flüssig echt kontaktschwach freundlich
Dialog A (mit Partikeln) 5,7 1,7 4,4 1,4 6,0 5,7 2,4 5,7
Dialog B (ohne Partikeln) 2,8 3,3 2,7 5,0 2,7 2,7 4,0 3,7
Die Versuchsanlage enthält zwei Komponenten: eine, die die Authentizität der Texte betrifft (Merkmale natürlich, echt, flüssig), und eine, die die sozialen Beziehungen betrifft (Merkmale abweisend, warm, hölzern, kontaktschwach, freundlich). Der Dialog mit Abtönungspartikeln wird als
12 wesentlich authentischer und sozialer empfunden. Warum wirkt ein Dialog mit Abtönungspartikeln wesentlich freundlicher (Durchschnittswert in der Beurteilung 5,7) als einer ohne Partikeln (Durchschnittswert in der Beurteilung 3,7)? Bemerkenswert daran ist die Übersummativität (die Gesamtwirkung ist keine Summe von Einzelbedeutungen) der Partikel Wirkung: Keine der zahlreichen Partikeln des A-Textes enthält ja in sich das Element „freundlich". Die Partikeln sind Träger ganz spezifischer Informationen. So z.B. - 'ich sage das, und damit sage ich etwas, was du schon weißt' (ja) - 'ich frage hier etwas und zwar etwas, das auf dem, was du gerade gesagt hast, aufbaut' (denn) - 'ich frage dich hier etwas und zwar etwas, was ich schon längere Zeit unterschwellig wissen wollte und nach dem ich jetzt explizit frage' (eigentlich) - 'ich sage etwas, und du solltest eigentlich zustimmen' (doch). 12 Dadurch, daß die Partikeln in dieser Weise dem anderen immer zeigen, wie er eingeordnet wird, daß seine spezifische Hörerperspektive auf den Gesprächsinhalt mitbedacht wird, dadurch, und daß ihm gezeigt wird, daß beim Verfassen des Redebeitrages die Position des anderen zum Sprecher selbst und zum gemeinsamen univers du discours immer schon in ihrer Spezifizität erfaßt wird, kommt ein angenehmer Gesamteindruck zustande. Dieses Beispiel ist natürlich einzelsprachspezifisch, d.h. deutsch-spezifisch, bzw. spezifisch für Partikelsprachen. Die Frage der kontrastiven Linguistik, der kontrastiven Pragmatik und auch der Übersetzungswissenschaft, wenn sie vom Deutschen ausgehen, ist nun, wie in anderen Sprachen ein solcher angenehmer Eindruck zustande kommt. 13 Es sei nur angedeutet, daß im Französischen viel mehr auf der Ebene der Anrede gearbeitet wird, und daß im Spanischem das deiktische System, das den Unterschied macht zwischen der Bezeichnung von Dingen, die bei mir (esto), die bei dir (eso), oder bei einem Dritten sind (aquello) dazu benutzt werden kann, diese spezifische Einbettung des anderen in die Redesituation vorzunehmen. 2.3.2 Bedeutsamkeit In allen diesen Gesprächen wird ein wichtiges Thema entfaltet. Auf Befragen betonten auch die Informanten diese Bedeutsamkeit: es war irgendwie ne Sache, über die mußte ich mit jemand sprechen, und er mußte auch mit jemand sprechen (WG-Gespräch 447); einfach weil es nicht so ein Krampfgespräch war, sondern weil beide ehm locker geredet haben und auch nicht nur so gefragt haben, um irgendetwas zu fragen, sondern weil es uns wirklich interessiert hatte (Familiengespräch 238).
13 2.3.3 Synthese Das klassische Schema, das ein Gespräch in einen Sprecher und in einen Hörer zerlegt, wobei der Sprechende dem Hörer etwas mitzuteilen hat, versagt hier oder trifft jedenfalls nicht den Charakter dieses Gesprächs. „Die zunächst liegende, aber beschränkteste Ansicht der Sprache ist die, sie als blosses Verständigungsmittel zu betrachten." (Humboldt 1827/1985, 121) Ein Gespräch ist eben nicht eine Abfolge von Monologstückchen. Offensichtlich wurde es von allen Beteiligten als angenehm empfunden, daß in dem Gespräch gemeinsam etwas Neues geschaffen wurde. Und beide waren daran beteiligt. Im guten Dialog schaffen beide zusammen eine Lösung, zu der sie einzeln nicht fähig gewesen wären. Durch die Synthese im Miteinander-Sprechen entsteht etwas Neues, sei es die Feststellung intersubjektiv vermittelbarer oder gar gültiger Erfahrungen usw., seien es die Herstellung einer Meinung, im Grenzfall gar einer ausgezeichneten Meinung, etwa als „opinion publique", sei es die Erfahrung der Subjektivität als objektivierbare Identität, etwa im physiotherapeutischen Gespräch, sei es die Ekstase der Vereinigung zweier Identitäten auf Zeit des Gesprächs. (Schlieben-Lange 1983,144) So entsteht eine Gemeinsamkeit zwischen beiden, sie handeln praktisch wie eine neue, überpersonale Einheit. Aber das Gute halt daran war, daß daß, wir uns also, auch der [X] und ich uns am Anfang total gestritten haben und total gegensätzliche Meinungen hatten und daß es halt so ne ja, irgendwie so ne Annäherung, also daß wir im Endeffekt dann halt total also ähnlich gedacht haben (Gewaltgespräch 111). Das ist zentral: Zunächst unvereinbare Meinungen werden differenziert, nicht aufgegeben, aber so bearbeitet, daß sie nicht mehr im Widerspruch zueinander stehen, und eine neue Sicht der Dinge ist so differenziert, daß sie beide zuläßt. Das Gespräch, die gemeinsame Arbeit, stiftet eine neue Identität, eine Identität, die nach dem Gespräch nicht sofort verfällt, sondern in gewisser Weise fortdauert und Spuren hinterläßt. Für beide Partner ergibt sich ein neuer Wissensbesitz, der ihnen vorher nicht zugänglich war. Insofern wirkt der Dialog synthetisch, er erlaubt dem Einzelnen, seine Grenzen zu überschreiten und entreißt ihn, wie Schlieben-Lange sagt, wenn auch nur „auf Zeit des Gesprächs" (s.o.), der Selbstbeschränkung. Hier gilt der Humboldt-Satz: Erst durch die, vermittelst der Sprache bewirkte Verbindung eines Anderen mit dem Ich entstehen nun alle, den ganzen Menschen anregenden tieferen und edleren Gefühle, welche in Freundschaft, Liebe und jeder geistigen Gemeinschaft die Verbindung zwischen Zweien zu der höchsten und innigsten machen. (Humboldt 1827/1987, 125) Die Gedanken, zu denen beide Sprecher gemeinsam kommen, müssen sein. Bei unseren Informanten zeigte sich die gemeinsame Beteiligung in einer recht ausgeglichenen Verteilung der Sprecheranteile und einer gemeinsamen Gesprächsleitung. In der folgenden Sequenz wurde nach den Sprecheranteilen in der ersten, zweiten und dritten Stunde eines dreistündigen Gesprächs gefragt.
14 die erste Stunde hat er vielleicht ehm n bißchen mehr als ne halbe Stunde also vielleicht ne Dreiviertelstunde davon geredet ich nur ne Viertelstunde. [...] danach in den zweiten, also in der zweiten Stunde und in der dritten Stunde haben wir auch über andere Sachen geredet, und da hatte ich auch viel erzählt Es war dann ziemlich ausgeglichen denn (Familiengespräch 71). 2.3.4 Bewußtmachen Es geht darum, daß Gedanken, die bis dahin vorbewußt waren, über die Bewußtseinsschwelle gehoben werden und dadurch zu eigener Objektivität gelangen. [Auf die Frage, warum das Gespräch gut war:] Na, mir is es zuerst mal; ich war mir nicht so darüber im Klaren, ich hab das immer gedacht, so halb, vielleicht aus dem Gefühl heraus, aber da ich mich nicht damit auseinander gesetzt hab', da is mir das erst richtig klar geworden. (WG-Gespräch 447) Es handelt sich darum, klar-konfuse Gedanken (Leibniz 1684/1960) in klar-distinkte zu überführen. [Auf die Frage, ob sie das Problem während des Gesprächs selbst entdeckt haben:] Non, euh, non, non, non c'était bien clair dès le commencement (Klebegespräch 118). Die erarbeiteten Gedanken sind also den beiden Partnern weder ganz neu noch ganz bekannt. Es handelt sich nicht um eine Mitteilung von etwas völlig Erkanntem an den anderen, sondern um einen gemeinsamen Erkenntnisprozeß. c'était clair chacune de notre côté mais on n'en avait pas encore parlé. Et je crois qu'on on avait besoin d'en parler et euh de le dire clairement, pas seulement de le sentir, chacune de notre côté (Klebegespräch 118). 2.3.5 Kognitive und personale Ebene Der Antagonismus zwischen Inhalts- und Beziehungsebene scheint im guten Gespräch aufgehoben. Schon das Faktum, daß man gemeinsam mit dem anderen dieses wichtige Gespräch führt, zeigt, daß man ihn respektiert, und macht es geradezu überflüssig, auf Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Hier ist der seltene Ort, wo aus dem gemeinsamen Ringen um Wahrheit heraus auch die eigenen Schwächen und die des anderen thematisiert werden können und müssen. Es kann viel Mut nötig sein, um ein solches Gespräch zu führen und sich offenzulegen (und auch den anderen an offenen Stellen zu berühren). Deshalb finden einige weibliche Interviewte es einfacher, gute Gespräche mit Frauen zu führen Also wenn man ich jetzt mit nem Jungen spreche, dann dann ist es ja manchmal so, daß man sich von ner sehr guten Seite zeigen will, und so, wenn man redet und so, und wenn man es mit ner Freundin macht, dann is es eben nicht so (Familiengespräch 271).
15 Eben weil man ungeschützt redet, können gute Gespräche in Ausnahmefällen mit ganz Fremden stattfinden, die sich nur flüchtig treffen und bald wieder verlassen. Das ist im Bus-Gespräch der Fall. Meist dagegen kann eine Gemeinschaft mit einem anderen nur eingegangen werden, wenn man ihn gut kennt. Hier läßt sich vielleicht der Begriff Malinowskis der phatic communion neu interpretieren. Wenn kein Neues im Gespräch entsteht, dann ist das Gespräch nicht gut. Wenn man von vornherein weiß, daß kein gemeinsamer neuer Inhalt zu erwarten ist, dann lohnt das Gespräch der Mühe nicht. Wann ich glaub ein gutes Gespräch überhaupt nicht geht, des is ehm, wenn eigentlich beide von vornherein ziemlich genau wissen was der andere zu einer Sache ... davon denkt (Planungsgespräch 287). Bei einer Freundin, die is eigentlich ne ziemlich gute Freundin von mir aber da isses total nervig, über Beziehungen mit der zu reden, weil ich weiß, die hat ne absolut andere Meinung als ich hab und das haben wir in Gesprächen halt rausgekricht, und ich mein, ich azetier, ich akzeptier ihre Meinung und sie akzeptiert meine Meinung, aber also es bringt halt hm, ja hm... gerade wenn ein Problem anliegt oder so, irgendwie nicht weiter (Planungsgespräch 297). 2.3.6 Aufrichtigkeit Ein Gespräch kann durchaus lustig und amüsant sein, aber der Gegenstand muß ernsthaft behandelt werden. Die Gesprächspartner müssen sich gegenseitig und ihren Aussagen trauen: [Auf die Frage, warum es ein gutes Gespräch war:] ah, bon déjà, elle [la conversation] a permis de mettre les choses au clair. Elle a eu beaucoup de sincérité. On a parlé avec une franchise parfaite. Moi, je sais que ça m'est jamais arrivé de parler aussi franchement avec une amie et de, bon, de de de sujet qui vous concernait directement, donc: une parfaite franchise (Klebegespräch 182). [Auf die Frage , wann ein Gespräch gut ist:] aber z.B. auf dieser [X]-fahrt hatte ich ein Gespräch mit nem Jungen, der war ganz anderer Meinung, und es hat auch echt Spaß gemacht, weil der war einfach überzeugt von seiner Meinung, und ich überzeugt von meiner Meinung (Familiengespräch 315). 2.3.7 Soziale Bedingungen Mehrere Informanten äußerten, daß nur relativ wenige Personen am Gespräch teilnehmen sollten, zwei, höchstens drei:
16 Je pense que le bon nombre pour une conversation véritablement franche c'est soit deux, soit trois, mais pas plus. Enfin, personellement j e n'ai de l'expérience ah, d'une conversation aussi bonne avec plus de trois personnes (Bilanzgespräch 35). Es können zwar mehr zugegen sein, aber es darf nur wenige Hauptredner geben. Das hängt wohl damit zusammen, daß der Gesprächspartner genau wahrgenommen werden soll und daß man sich auf ihn einstellen muß; bei mehreren ist das schwierig, und es kommt zu einer eher diffusen Wahrnehmung. Zudem kann bei mehreren Teilnehmern die Gefahr der Parteienbildung auftreten, und es kann dazu kommen, daß sich zwei gegen einen Dritten zusammentun. Eine weitere Bedingung besteht sicher darin, daß die Partner nicht sozial übersättigt sein dürfen. Gute Gespräche sind Glücksfälle, und man kann sie nicht jeden Tag führen. Vielleicht sollte man hier noch einmal das Gleichnis von den Menschen als Stachelschweinen bemühen: In der Sicht dieses Gleichnises sind Stachelschweine soziale Wesen; sie rücken zusammen, weil sie die Nähe des anderen brauchen; dann stechen sie sich, und rücken wieder auseinander, bis sie unglücklich sind und wieder zusammenrücken. Gute Gespräche finden wohl besonders dann statt, wenn die Menschen die Einsamkeit spüren. Zwei unserer Gespräche fanden unter dem Eindruck eines unmittelbar bevorstehenden Abschieds statt: eines zwischen zwei Freundinnen, die in einer fremden Stadt mit gepackten Koffern nachts auf die Abfahrt zm Flugplatz warteten und und wußten, daß ein gemeinsames Erlebnis zu Ende ging und sie sich lange nicht wiedersehen würden; bei einem zweiten, das während einer flüchtigen Bekanntschaft geführt wurde, stand von vornherein fest, daß es kein weiteres Treffen geben würde. Der Druck, die letzte Chance zur Aussprache wahrnehmen zu müssen, kann zur ihrem Gelingen beitragen. Gute wissenschaftliche Gespräche haben eigene Gesetze. Kurt Opitz hat in seinem Prager Vortrag darauf hingewiesen, daß zwar allgemein in unserer Epoche die Bedingungen für Gespräche gut seien, daß aber viele strukturelle Maßnahmen ertragreiche Gespräche nicht begünstigen: Dans la littérature scientifique, la vaste majorité des articles et des monographies se présente sous forme de rapport sur des expérimentations et leurs résultats. Les conférences, colloques, entretiens, symposia ne sont que des suites de monologues destinés à défendre une position prise, plutôt qu'en passer à son intégration dans l'ensemble des phénomènes. (Opitz im Druck) Zwei Faktoren, die in der Wissenschaft gute Gespräche behindern, sind der Konkurrenzkampf und der Kampf um das geistige Eigentum. Ergebnisse von intensiven gemeinsamen Gesprächen haben zwei Urheber und gehören beiden, ein Faktum, das, wenn diese Gedanken weiterentwickelt und verwertet werden, Eigentumsprobleme aufwirft. Das kann zur Folge haben, daß jeder sich scheut, anregende Gedanken in die Diskussion einzubringen; so unterbleiben sie, für beide, und bleiben ungedacht.
17
2.3.8 Äußere Bedingungen Nach Ansicht der Informanten eignet sich der Abend oder die Nacht besser ftir ein gutes Gespräch als die frühen Tageszeiten. Erst gegen Ende meiner Interviews kam ich darauf, die Lichtverhältnisse zu erfragen. Es scheint so, als ob eine grelle Beleuchtung, wie sie bei Tage in der Sonne herrscht, dem Zustandekommen guter Gespräche eher abträglich ist. 14 Gespräche scheinen besser zu funktionieren, wenn sie in einem kleinen abgeschlossenen Raum stattfinden, als in einem großen offenen. Offensichtlich ist hier ein Gefühl des abgeteilten kleinen Raumes wichtig. Es sollte eher warm als kalt sein, und eine Informantin sprach bei der Aufzählung der Bedingungen davon, daß es lockere und bequeme Kleider sind, die man dazu tragen müsse. 3. Schlußwort Die bisher beschriebenen Merkmale sind sicher nur als (keineswegs hinreichende) Bedingungen aufzufassen, die aber nicht garantieren, daß das dann geführte Gespräch gut wird. Zum Schluß gilt es noch, eine Antonomie zwischen den beiden folgenden Positionen aufzulösen. a)
Wir haben einerseits eine in verschiedenen Sprachgemeinschaften sehr analoge Auffassung davon, was ein gutes Gespräch ist, wie ich sie bei meinen Interviews mit deutschen, französischen und serbischen Informanten festgestellt habe.
b)
Andererseits läßt sich nicht leugnen, daß die Auffassungen über Funktionen und ideale Eigenschaften von Gesprächen offenbar sehr verschieden und kulturell bedingt sind. Zeugnis legt davon etwa das ganze Buch von Schmölders ab, in dem Unterschiedliches über Gespräche gesagt wird, und das ergeben auch Stichproben über national spezifische Aussagen von Franzosen und Deutschen, wie sie Brigitte Schlieben-Lange erhoben hat.15 Jeder, der in einer fremden Sprachgemeinschaft wirklich lebt, macht unvermeidlich die Erfahrung, daß Gespräche dort nach anderen Regeln ablaufen.
Vielleicht läßt sich der Widerspruch folgendermaßen auflösen. Unterschiedlich sind offensichtlich Aussagen über Gespräche auf der Metaebene. Es ist also durchaus möglich, daß das, was jemand über gute Gespräche sagt, viel stärker von seinen Wertvorstellungen geprägt ist (diese sind kulturell und historisch vermittelt und in sich hochinteressant) als die Praxis des eigenen Sprechens. So werden, je nach geistesgeschichtlichem Hintergrund, bestimmte positive Seiten thematisiert, die zu anderen Zeiten weniger hervorgehoben werden. Dagegen scheint die Frage, wie ich sie gestellt habe: „Stelle Dir ein besonders gutes Gespräch vor, das wirklich stattgefunden hat!" die Informanten dazu zu bewegen, sich einen Prototyp eines guten Gesprächs vorzustellen. Ich nehme an, daß Angehörige uns fremder Kulturen und auch die bei Schmölders aufgeführten Autoren, von Cicero bis Schleiermacher und von Plato bis Kierkegaard, keine Einwände gegen die Gespräche meiner Informanten hätten, und daß sie nicht bezwei-
18 fein würden, daß es gute Gespräche waren. Ersteres bleibt nachzuprüfen, über letzteres kann man gute Gespräche führen.
Anmerkungen 1) Für viele gute Gespräche über diesen Gegenstand danke ich Brigitte Schlieben-Lange; oft ist die Urheberschaft der im folgenden geäußerten Gedanken nicht mehr deuüich einer Person zuzuschreiben. 2) Ich fasse jetzt den Begriff „Dialoganalyse" als Überbegriff für Wissenschaften, die sich mit Dialogen beschäftigen. Darunterfallen verschiedene Richtungen wie z.B. Konversationsanalyse und Gesprächsanalyse. 3) Genauso ist übrigens in dieser Hinsicht auch die Geschichtswissenschaft strukturiert: Es geht nicht um allgemeine Gesetze, sondern es geht darum, einen wie auch immer gearteten historischen Vorgang nachzuvollziehen und zu verstehen. 4) Siehe hierzu Schmölders (Hg.) (1979). 5) Ich habe einmal in einem Artikel über die „Kooperation der Feinde" das Nibelungenlied konversationsanalytisch interpretiert und mich dabei bemüht nachzuweisen, daß die schlimmsten Feinde, Hagen und Kriemhild, in außerordentlich subtiler Weise zusammenarbeiten, um den Krieg endgültig zu entfachen, was durch ihren gegenseitigen Haß überhaupt nicht behindert wird. Siehe Weydt (1980). 6) FTA hier und im folgenden für face-threatening act. 7) So z.B. Leech in den entsprechenden Kapiteln seines Principles of Pragmatics (1983) und Kerbrat-Orecchioni (1987). Leech (1983: 82) spricht in Kapitel 4.1 „The coopérative principle and the politeness principle" von „the 'trade-off relation between the two principles". Das zeigt sich daran, daß bisweilen die Kooperationsmaxime „Sei wahrhaftig" zugunsten der personalen Höflichkeitsregeln außer Kraft gesetzt werden muß. Es handelt sich hier um die sogenannten white lies (Notlügen) des Typs „Wie schmeckt Ihnen mein Nachtisch? - Danke, sehr gut." Der Antagonismus zwischen Wahrhaftigkeit und Höflichkeit ist auch im Titel eines wie immer schwungvoll geschriebenen Buches von Harald Weinrich (1986) Lügt man im Deutschen, wenn man höflich ist? enthalten. 8) Vgl. Schlieben-Lange (1983), 142. 9) Der Begriff „Universalgeschichte" wird in dem Sinn verwandt, wie er seit den aufklärerischen Schriften etwa Voltaires (Essay d'une histoire mondiale générale) üblich ist. 10) Siehe Weydt (1984). 11) Siehe hierzu Kapitel 0 in Weydt/Harden/Hentschel/Rösler (1983). 12) Siehe zu diesen Bedeutungen Weydt (1969) und Weydt/Hentschel (1983). 13) Siehe hierzu Weydt (1989). 14) Hierzu gibt es eine Ausnahme: ein Informant gab als Situation seines Gespräches einen offenen Garten im Sommer um die Mittagszeit an. Sonst wurde mir gesagt, daß schwaches oder Dämmerlicht am besten sei. 15) Mündliche Mitteilung an mich.
Literatur Brown, P. und S. Levinson (1978), „Universals in Language Usage: Politeness Phenomena". In: Goody, E.N. (Hg.), Questions and Politeness. Strategies in Social Interaction. Cambridge: 56-289. Collingwood, R.G. (1949), The Idea of History. Oxford. Collingwood, R.G. (1970), An Autobiography. London
19 Goffman, E. (1967), Interaction Rituals: Essays on Face to Face Behavior. Garden City, New York. Grice, H.P. (1975), „Logic and Conversation". In: Cole, P. und J.L. Morgan (Hgg.), Syntax and Semantics 3: Speech Acts. New York: 41 -58. Humboldt, W. von (1827/1985), „Ueber den Dualis". In: ders., Über die Sprache. Ausgewählte Schriften. Hg. von J. Trabant. München: 104-128. Hundsnurscher, F. (1980), „Konversationsanalyse versus Dialoggrammatik". In: Rupp, H. und H.-G. Roloff (Hgg.), Akten des VI Internationalen Germanisten-Kongresses Basel 1980. Bern: 89-95. Kerbat-Orecchioni, C. (1987),"La description des échangés en analyse conventionnelle: L'exemple du compliment". DRLAV No.36-37: 1-53 Leech, G.N. (1983), Principles of Pragmatics. London & New York. Leibniz, G.W. (1684/1960), „Meditationes de Cognitione, Veritate et Ideis". In: ders., Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. Hg. von C.J. Gerhard. Hildesheim: 422-426. Levinson, S.C. (1983), Pragmatics. Cambridge. Malinowski, B. (1923), „The Problem of Meaning in Primitive Languages. A Study of the Influence of Language upon Thought and of the Science of Symbolism". In: Ogden, C.K. und I.A. Richards, The Meaning of Meaning. London: 296-336. Opitz, K. (im Druck), „Le dialogue comme méthode de synthèse". In: Akten des Jahrestreffens der Société Internationale de Linguistique Fonctionnelle, Prag 1991. Popper, K. (1973), Die Logik der Forschung. 5. Aufl. Tübingen. Paul, H. (1975), Prinzipien der Sprachgeschichte. 9. Aufl. Tübingen. Schlieben-Lange, B. (1983), „Vom Glück der Konversation". LiLi 50: 141-156. Schlieben-Lange, B. (1991), „Der Dialog, die Höflichkeit und das Objekt der Forschung". Unveröff. Ms. Schlieben-Lange, B. (1991), „Efficacité vs convivencia". Unveröff. Ms. Schlieben-Lange, B. (1991), „Der Stil und der Dialog". Unveröff. Ms. Schmölders, C. (Hg.) (1979), Die Kunst des Gesprächs. München. Weinrich, H. (1986), Lügt man im Deutschen, wenn man höflich ist? Mannheim. Weydt, H. (1969), Abtönungspartikel. Bad Homburg. - (1980), „Streitsuchen im Nibelungenlied. Die Kooperation der Feinde". In: Hess-Lüttich, E.W.B. (Hg.), Literatur und Konversation. Wiesbaden: 95-114. - (1984), „Techniques of Request: In Quest of Its Universality". In: Makkai, A. und V. Becker Makkai (Hgg.) The Tenth LACUS Forum 1983. Columbia: 333-341. - (1989), „Was soll der Übersetzer mit deutschen Partikeln machen? 'Nachts schlafen die Ratten doch als Beispiel". In: Katny, A. (Hg.), Studien zur kontrastiven Linguistik und literarischen Übersetzung. Frankfurt a.M.: 235-252. - mit T. Harden, E. Hentschel und D. Rosier (1983), Kleine deutsche Partikellehre. Ein Lehrund Übungsbuch für Deutsch als Fremdsprache. Mit einer Übungskassette. Stuttgart. - mit E. Hentschel (1983), „Kleines Abtönungswörterbuch". In: Weydt, H. (Hg.), Partikeln und Interaktion. Tübingen: 3-24. - mit E. Hentschel (1983), „Der pragmatische Mechanismus: denn und eigentlich". In: Weydt, H. (Hg.), Partikeln und Interaktion. Tübingen: 263-273.
Sektion / Section I Allgemeine und strukturelle Aspekte Theorie und Methodologie General and Structural Aspects Theory and Methodology
Thomas Bearth DIE HEURISTISCHE BEDEUTUNG DES DIALOGLINGUISTISCHEN ANSATZES IN DER GRAMMATIK AM BEISPIEL DER TYPOLOGIE UND VERWENDUNG DER ANTWORTPARTIKELN
1.
Die Antwortpartikeln als grammatisch-dialogales Paradigma Ansätze zu einer universellen AP-Typologie im Rahmen eines dyadischen
2.
Erklärungsmodells 3.
Verwendung und Interpretation der AP
4.
Nein und Doch im triadischen Erklärungsmodell
4.1
Die Interpretation von Doch
4.2
Doch-Effekte als grammatische Kategorie
5.
Ein afrikanisches Doc/i-Paradigma
6.
AP-Paradigmen, Dialoglinguistik und grammatische Beschreibung
Anmerkungen Literatur
1. Die Antwortpartikeln als grammatisch-dialogales Paradigma Über die Antwortpartikeln (AP, im Deutschen Ja, Nein, Doch) und ihre Verwendung geben meist nicht Grammatiken, sondern allenfalls Wörterbücher Auskunft. Der Grund dafür dürfte die Beschränkung der traditionellen Grammatik auf erstinstanzliche Äußerungen sein - ein meist unreflektiertes Apriori, durch das die AP, aber auch zahlreiche andere an reaktive Äußerungen gebundene Phänomene von vornherein aus dem Blickfeld der Grammatiker ausgeblendet werden. Dies wäre schon Anlaß genug, sich über das Verhältnis von Dialoglinguistik und Grammatik, um das es im weitesten Sinn in den nachfolgenden Ausführungen geht, Gedanken zu machen. Was die Grammatizität der AP angeht, mögen zwei Hinweise genügen: 1) Die AP bilden ein Paradigma, das hinsichtlich der Zahl der Termini - sie variiert nach Pope (1973) von zwei bis vier - als auch des Verwendungstyps einzelsprachlich unterschiedlich konstituiert ist. 2) Alle bekannten AP-Systeme zeichnen sich dadurch aus, daß sie die Modalitäten der im Rahmen der Satzgrammatik unumstrittenen grammatischen Kategorie der Polarität auf die Reaktionsäußerung abbilden. M.a.W., alle Sprachen, in denen AP als selbständige (d.h. satzwertige)
24 Reaktionsäußerungen vorkommen, kennen als Kernbestand ein AP-Paar, das in normaler, intonatorisch unmarkierter Verwendung jeweils mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt (Fig. 1): (i) Der Wahrheitswert eines erstinstanzlich positiv ausgedrückten Sachverhaltes p wird durch die Kern-AP - im Deutschen Ja und Nein - zweitinstanzlich als wahr (w) bzw. als falsch (f) bestimmt (la). (ii) Die Kern-AP realisieren einen illokutiven Akt der Zustimmung (Z) bzw. der Zurückweisung (R) in Bezug auf eine unmittelbar vorangehende Fremdäußerung. (iii) Die Kern-AP dienen im Rahmen übergeordneter Dialogziele zur Feststellung eines Konsenses bzw. eines Dissenses. Aus der Sprecherabhängigkeit der Wahrheitswerte in der Dia-Logik folgt die für den Dialog konstitutive Möglichkeit des Dissenses. Die spezifische Leistung der AP aus dialoglinguistischer Sicht besteht darin, daß sie Wahrheitswerte zum Gegenstand dialogischen Handelns machen. Wahrheitswerte existieren aber nicht an und für sich, sondern nur in der Rückbindung an spezifische, den Dialogteilnehmern bekannte Propositionen, die, einem universalen Gesetz der Grammatik folgend, entweder als wahr oder falsch kodiert sind. Die anaphorische Rückbindung der AP erklärt, warum manche Grammatiker diese als Prosätze kategorisieren. 2. Ansätze zu einer universellen AP-Typologie im Rahmen eines dyadischen Erklärungsmodells Die typologische Divergenz der AP-Systeme wird erst in der Verwendung der AP als Reaktion auf negativ ausgedrückte Sachverhalte der Voräußerung greifbar. Aus Gründen der Anschaulichkeit ist es sinnvoll, bei der von Pohl (1972, 66ff.) vorgeschlagenen doppelten
Klassifikation
anzusetzen. Pohl unterscheidet einerseits nach der Anzahl der Termini und andererseits nach deren Verwendung im negativen Kontext bei den binären Paradigmen den englisch-italienischen und den afrikanisch-japanischen,
bei den temären Paradigmen den
französisch-nordisch-deut-
schen und den amharischen Typ. Reduziert man die doppelte Klassifikation Pohls auf das vorrangig interessierende funktionale Kriterium, ergibt sich die der Typologie Popes (1973, 482) zugrundeliegende Zweiteilung in „positive-negative answering systems" (z.B. Englisch oder Deutsch) und „agreement-disagreement answering systems" (z.B. Japanisch und afrikanische Sprachen, einschließlich Amharisch). Setzen wir anstelle der deutschen Partikeln Ja und Nein die Symbole a und ß als Konstanten für die möglichen Antworten auf eine positive Voräußerung (Fig. 1,1a) ein. Dann ergibt sich nach negativer Voräußerung - bei wahrheitswertsensitiver
Verwendung der AP das englisch-italienische
System (lb): ß
(die Entsprechung zum deutschen Nein) bestätigt die Negierung des Sachverhalts, a 1 (die Entsprechung zum deutschen Ja) behauptet im Gegensatz zur Voräußerung dessen Geltung;
25 - bei am Illokutionstyp
orientierter Verwendung der AP das afrikanisch-japanische
System
(lc): a (die Entsprechung zum deutschen Ja) drückt Zustimmung zur negativen Voräußerung aus, ß (die Entsprechung zum deutschen Nein) deren Zurückweisung. 2 (Fig. 1) INITIALÄUSSERUNG
REAKTIONSÄUSSERUNG
A behauptet/fragt
B antwortet
Wahrheitswert
Illokutionstyp
Dist [POSITIVER AUSDRUCK] -X ist daJIst X da?"
(1a)
"p/p?"
~'Ja~
w(ahr)
Z (Zustimmung)
.'Nein"
f(alsch)
R (Zurückweisung)
"a"
w
Z
•fr
f
R
w
—>
R
•fr
f
-->
Z
"a"
1
, whereby the occurrence of some implies that the more informative item all does not obtain. The scale, however, could be of a different type: it could be a scale between forms, whereby the shortest expression is the unmarked one and the longest expression is the marked one. Since the use of the terms „marked" and „unmarked" could be rather confusing in this context, I will try to elaborate on them. As is well-known to linguists, the notion of „markedness" was introduced into phonology in order to account for oppositions between phonemes that are neutralized in particular contexts. The unmarked member of an opposition is the term which lacks a certain feature and is used in a context of neutralization. The notion of markedness, however, has been widely used in other domains of linguistics. In the domain of semantics, for instance, it is the unmarked member of a pair of antonyms to occur in a context of neutralization. In neutral contexts, as in the question „How good is he?", it is the unmarked member of the pair that is normally used (Lyons, 1977: 305-311). In morphology, as has been pointed out by Matthews (1992: 234), in the opposition singulaiNplural in English, it is the singular that is unmarked, since it lacks the morpheme -s. For Matthews (1992: 234) the key factor in deciding the markedness of a member of a pair is length or weight, whereas for Gomrie (1976:111-112) the key factors are neutralization, frequency and context. It seems to me that it is not possible to establish 'a priori' which criteria have to be used to establish markedness in one specific domain of linguistics, but I will try to define markedness in discourse within the parameters set by the above quoted linguists. I have previously said that, following Lyons's terminology, speakers normally have a choice between an overtly unqualified and an overtly qualified assertion: an assertion is given an overt qualification by any embedding expression (such as
believe" 1 , etc.) or modal expression (e. g.
„should", „will" ) that decreases the degree of belief in a certain fact. If the pair „he went to the cinema" and „he will go to the cinema" is considered, it cannot pass unnoticed that the former expression is shorter than the latter. The unmarked term, therefore, is less weighty than the marked one (hence Matthews's criterion seems to be met). The marked term is obtained by adding one
38 lexical element (will) which expresses the future tense, but modality as well, following Lyons (1977: 815-818). Furthermore, the fact that the future versus non future distinction is frequently neutralized in subordinate or negative clauses, in participles and nominalizations in English (as Lyons says), seems to fit Comrie's criterion of neutralization. Things, however, are not that easy. Can the criterion of neutralization be applied to the opposition .John went to the cinema" and
believe that John went to the cinema"? In this opposition, the
marked member is obtained by adding the embedding expression „1 believe", which indicates that the speaker's belief in the embedded proposition is weaker than if this proposition was uttered without further qualification. However, it should be noted that the marked vs. unmarked opposition functions only in the first person, because in the third person, e. g. in the utterance „He believes that Mary is very intelligent", the term „believe" is not used to modalize a proposition but to express a categorical statement (the speaker is reporting his knowledge of the world). Context, in this case, plays a crucial role in the neutralization of the opposition marked versus unmarked, since „1 believe that p" has a modalizing effect only in the first person. By using the notion of markedness, I have tried to show that a scale between .John went to the cinema" and „1 believe that John went to the cinema" would account for the fact that „1 believe. . . " is weaker than .John went to the cinema" despite the fact that a verb of belief is used. In the use of the scale cunmarked, marked>, whereby the presence of a marked, more prolix expression implies that the stereotypical properties of the unmarked expression do not apply, I am slightly modifying Horn's unmarkedNmarked implicational scale so as to adapt it to the issue of modality. According to Horn (Levinson, 1987: 408409), when there are two or more available expressions of the same sense, one of which is unmarked and the other marked in form, the unmarked form carries the I-implicatures as usual, but the use of the marked form implicates the non-applicability of the pertinent I-implicatures. If a pragmatic perspective is applied to modality, -Q expressions (the unmarked expressions) will be said to express conventionally the strongest possible form of commitment to p, whereas +Q expressions (which are more prolix and therefore formally marked) will be said to imply by their use that a weaker form of commitment applies. The Horn cunmarked, marked > scale and my modification of the same scale rest on the application of the Gricean maxim of manner, which being infringed in so far as a longer expression is being preferred to a shorter one, generates an implicature. Pragmatic principles, therefore, can account for the mismatch between literal and intended meaning in the case of expressions such as ,4 believe that. . . ". ,,I think that.. . " which, if used in the first person, express a minor degree of belief than i f , John went to the cinema" was used. The fact that there is no mapping between verbs of belief (I think, I believe, etc. ) and the expression of an actual state of positive belief is due to the complex organization of the language system, whereby an expression acquires its meaning (linguistic value) in opposition to the other available expressions competing for the same area of meaning. However, an implicational scale between forms would only account for how the longest expression is interpreted with reference to the shorter one, and presupposes that the shorter expression has a stable, conventional meaning.
39 There is a tendency in grammar books to take it for granted that „obviously" can be paraphrased with the expression „It is obvious to me". It is not clear if the equivalence is only semantic or also syntactic. For the immediate purpose of this section, I will assume that it is only semantic. If such was the case, then those who favour this reading, should be in a position to explain why a redundant expression ought to be used, since it is one of the presuppositions of an assertion that the speaker is giving some information which is obvious to him. If „obviously" really meant „it is obvious to me", then we would have a repetition of two identical messages. Such a repetition would infringe the Gricean maxim of Quantity and would generate an implicature, in the same way in which an expression such as „war is war" does. The proponent of the modal hypothesis might however object to this conclusion, and might wish to say that there is no repetition when a presupposed item (which is implicit) is reiterated, because this reiteration is equivalent to making the item explicit. If this view is taken, one should embark on the difficult task of explaining why the following expressions are anomalous: John went to the cinema and there is someone called John. I regret not going to the cinema, and I did not go to the cinema. I stopped drinking at 11 p. m, and I had been drinking before. I managed to pass the exam, and I tried to pass the exam. The common denominator of these sentences is that their presuppositions are being reiterated (and the ordering is such that the presupposed information is rightmost), a process which results in a violation of the maxim of Quantity (do not give more information than necessary). If one assumes and has good reasons for assuming that a piece of information is in the consciousness of the addressee, he can presuppose it. So, when one reiterates a presupposition, one is adding some information which he assumes the addressee has already accessed somehow, and the maxim of Quantity is violated. It should also be noted that in all of the examples used, the speaker has no reasons for reiterating a presupposition: it cannot be said that doing so makes the interpretation of the message easier. The reiteration would serve a purpose if the speaker added „my friend John" so as to aid the identification of John by restricting the range of reference of the nominal expression; but adding a presupposition of the type „there is someone who is called John" does not aid the process of identification of the referent. It seems to me that if the view is taken that „obviously" can be paraphrased with „it seems obvious to me" some redundancy is introduced and an implicational mechanism is triggered. But could not „obviously" mean„It's obvious to me and to you"? This seems to be the only way out of the problems generated by the previous hypothesis. This solution is not better than the previous one. If Searle's constitutive are accepted, a speaker should not say that which is obvious (or that which he thinks is obvious) to the recipient If an approach different from that of Searle is taken, the speaker, under the constraint of the maxim of Quantity, should not provide a piece of information which he thinks the addressee already has. Even in this case, the conversational contribution would be more informative than required, and an implicature would be generated.
40 3. Conclusion In this paper I have argued that the modal hypothesis, according to which „obviously" is employed by language users to make their commitment to p stronger, is inadequate on many accounts and clashes with the assumption that a categorical assertion is the strongest type of assertion that can be made. If „obviously" does not serve the modal function, it must serve other functions: the next step to take is to investigate the role played by „obviously" in discourse.
Note 1) It may objected that expressions such as ,4 know that. . . ", „1 am sure that", etc. make the speaker's commitment stronger than if an unqualified assertion is uttered. Furberg (1971: 248250), however, claims that ,4 know" phrases are used when some doubt is envisaged, since, otherwise, they are apt to provoke ridicule. As far as ,4 am sure" is concerned, if one assumes that this expression makes the speaker's commitment stronger, one would have to account for the following paradox. In a sentence such as „1 am sure he would help you", one would have to account for the fact that ,4 am sure" makes the speaker's commitment stronger and the modal expression „would" makes such commitment weaker. How is this possible?
References Capone, A. (1991), Frasi topicali mancanti ed implicature. In: Lingua e Stile 261, 67-79. Capone, A. (1992), How to respond to an initiative assertion. In: La Linguistique 28/1, 15-25. Capone, A. (1992), „Obviously" as a discourse marker of concessivity, M. Phil, thesis, Oxford. Caton, C. (1966), On the general structure of the epistemic qualification of things said in English. In: Foundations of Language, 2, 36-66. Comrie, B. (1976), Aspect, Cambridge. Falzon Santucci, C. (1981), Harold Pinter: explorations in verbal and non verbal interaction, Messina. Grice, P. (1975), Logic and conversation. In: Syntax and Semantics, 3,41-58. Hubler, A. (1983), Understatements and hedges in English, Amsterdam. Levinson, S. (1983), Pragmatics, Cambridge. Levinson, S. (1987), Pragmatics and the grammar of anaphora: a partial pragmatic reduction of binding and control phenomena. In: Journal of Linguistics 23, 379-434. Lyons, J. (1977), Semantics, Cambridge. Martinet, A . , (1985), Syntaxe generale, Paris. Matthews, P. H. (1991), Morphology, Cambridge. Quirk, R., Greenbaum, S., Leech, G . , Svartik, J. (1985), A comprehensive grammar of the English Language, London. Quirk, R. & Greenbaum, S. (1987), A University grammar of English, London. Searle, J. (1969), Speech acts, Cambridge. Searle, J. (1979), Expression and meaning, Cambridge. Stati, S. (1988), D dialogo, Napoli.
Svétla Cmejrkovä THE STONY FACE OF A SPHINX AND AN INVITATION
1.
Face in communication
2.
Face in folk linguistics
3.
Face in semiotics
4.
Face in philosophy
Notes References
1. Face in communication The alternative terms used to render distinctive and constitutive features of a dialogical situation, such as the face-to-face interaction or vis-a-vis communication underline the validity of the encounter of two faces brought together in a dialogue. The partners in dialogue not only perceive one another but are also aware of being perceived by their counterparts. The dialogical interaction/transaction concerns both verbal and nonverbal components of the speakers' performance. It is not only the exchange of verbal messages but also glances, smiles and other facial signals. More than that, the facial signals may prevail or even get a priority over spoken repliques, as the face reveals understanding and anticipates speech reaction even if the dialogical locutor says nothing just listening and waiting for his/her turn. And on the contrary, when he/she stops talking, he/she cannot stop communicating, as Erving Goffmann (1963) mentions in his Behaviour in Public Places. The face expresses the first anticipation and the final appendix to the message. Charles IV, the Czech king and Roman Emperor, is reported that during the receptions of statesmen and negotiators he was engaged in carving, namely with the intention - while bending down - to conceal his face from the visitor, and to prevent his engaged hands from involuntary gesturing. Jan Mukafovsky, the scholar of the Prague Linguistic Circle used this example in his lecture „ Speech - gestures - mimics
to illustrate the fact, that during the dialogue we try to look at the face
of the interlocutor, and if someone doesn't want to be understood more than he wishes he takes measures so that his partner could as little as possible judge by his movements and face. The eloquence of behaviour, and mainly the expression of face, which shows emotions and reactions although nothing is said, is a widely acknowledged fact In other instances nonverbal behaviour and facial signals accompanying speech complement the sense of a message, make it clear or put it to doubt, or, they may also change the message completely. By winking at the hearer,
42 for example, a speaker may turn the meaning of the message into its ironic opposite. This is the starting point for the proponents of the „metacommunicative axiom of the impossibility of not communicating". According to Watzlawik (1967), communication occurs verbally and in many nonverbal modalities viewed in their metacommunicative validity (cf. winking). Some scholars (such as Pike 1967) attempt to develop a unified structural framework for the analysis of both verbal and nonverbal communication, some separate language from concommitant modes of behaviour and insist on viewing the nonverbal communication as communication minus language. The nonverbal communication, however, cannot be satisfactorily delimited against the verbal. There are various degrees of autonomy of both the codes and variuos degrees of their mutual dependance. 2. Face in folk linguistics Long before the linguists started to study the nonverbal behaviour and its relation to speech and proposed several alternative treatments of their relations, the parallelism of speech and face had been reflected by speakers themselves and rendered in numerous observations, evaluations, sayings, and proverbs. The latter create a corpus of folk linguistic remarks on communicative behaviour, both verbal and nonverbal, which may work in unison or be in clash. Let us give several examples in which the speech intentions and the speech interpretations as well as the whole impact of the dialogical interaction are demonstrated through the face: He opened his face and shut his face, he threw it in my face, it helped him to preserve his face, he had the face to ask for more, he put a bold face, his face fell, he went away with a long face, it put me out of my face, I couldn't keep a straight face, he faced him out of countenance, he faced down all opposition, he was forced to face up to the situation, he puts a good face on bad business, she did it not to lose her face, she did it in order to save her face, it threatened her face, and, finally, he suffered a loss of face, he is a man with a double face, his face was made of a fiddle or his stony face is driving me mad. The folk wisdom is often analyzed from the point of view of its contradictoriness and folk comments on speech and face make no exception to the rule: the sayings and proverbs may declare completely opposite approaches, as also in our case of the face. The face is an index of the heart, as in Vultus est index animi, as well as The face is not an index of the heart, as in Fronti nula fides or Trust not the face. In spite of its contradictoriness, the folk wisdom does not cease to be wise. Do the popular notions on language influence the linguist's hypotheses or are the linguistic theories in opposition to prevailing prejudices? In any case we should be aware of the mysterious interplay between the received opinion and a new doctrine. This is particularly important in linguistics, which has always striven to refine the conventions of the ordinary language into an instrument to analyze those conventions. Karl Popper (1963, 37) has professed - in his Conjectures and Refutations - that,.historically speaking all - or very nearly all - scientific theories originate from myth and that a myth may contain important anticipations of scientific theories".
43 In the folk judgements on communication, the human behaviour is taken as a whole, it is not important where the language ends and the non-language begins to talk. This approach anticipates the contemporary demands of an interdisciplinary linguistics, which tries to describe language as an interaction and the social, psychological, and communicative discourse. It is not without interest that one of the most influential approaches towards the analysis of the dialogical discourse treats the face-saving and face-threatening strategies labeled and interpreted in harmony with the popular notions of face-saving and face-threatening. This approach has provided the contemporary theory of discourse with a very promising interpretative apparatus applied not only to the analysis of the spoken interaction but also the written respectively. 3. Face in semiotics Face is a sign and may be paralleled to speech on the semiotic grounds. The face is a medium of the relatively permanent signals of a personality as well as the medium of the temporarily variable signals of facial expressive movements. The eybrows and forehead, eyes, nose, lips jaw and cheeks are the regions by which facial signals may be transmitted. Nevertheless, the face can also adopt a mask. The mask is used either to hide the face, mislead the interlocutor, or to extend the possibilities of the face - as in theatrical performances. Long before the semioticians began to study the language of the face, the artists, painters, sculpturers and especially actors had recognized the semiotic potential of facial expression. From the semiotic point of view, in their primary function, the spontaneous or intended signals of the face are said to be indexical: the signs of fear, disgust, anger, or happiness. Derived from the primary situations of semiosis, however, the facial signals may also occur as a mimic behaviour transmitting signals by imitation. In the latter cases, the facial signals are to be interpreted as iconic signs. Following the clue offered by Peirce in his triadic classification of signs, we can ask: Are there also symbols among the facial signals? What about conventional masks? Is not there a repertory of masks following the situational conventions, and enabling us to share the same situational meaning with the addressee? Can conversational masks aspire at such a treatment? According to Peirce, the most perfect signs are those in which the indexical, iconic and symbolic features are amalgamated in as equal proportions as possible. As for the conversational masks, we must admit, that they are pardy indexical, as they are in an existential relation to the speaker's emotional state. Partly they are iconic, as they imitate the partner's facial expression, e.g. in situations in which the speaker conforms to his counterpart's expression and assumes an analogic look, sometimes even before he is verbally informed what's happened. The need for a mimic adjusting and assimilating finally results in the conventional, symbolic nature of conversational masks. In happy situations we select the mask of happiness, in serious situations that of seriousness, in sad situations that of sadness. Both the dialogical partners usually share the same mask and such a cooperation or conformability makes the flow of dialogue smooth and plain. However, if each of the two dialogical partners has
44 found and assumed a different mask, the conflict of masks usually causes a conflict in words. Let us remind of the situation in which one of the two interlocutors speaks seriously while the other one cannot stop laughing - a situation which is very annoying for the serious interlocutor and awkward for the non-law-abiding one. Sometimes the wrong mask has been chosen by mistake - as in JeromeKlapka-Jerome episode from Three Men in a Boat2. The audience is supposed to put a tragic face, as a tragic song is performed, however nobody understands, as it is in German. The audience is mystified by two laughing boys and reacts accordingly, which is the wellknown case of the wrong but catching audience response. Another catch or trap is the mask of a sphinx. It has been many times described by actors, especially comic, when observing their audiences. Let there be a single face in the audience that does not react in accordance with the actor's anticipations and desires, and the actor is taken out of the countenance. The straight face is driving him mad, he does his best to break the mask and if he fails he is ready to doubt his performance unless he recognizes that the straight face belongs to a foreigner who does not understand. The interaction between the actor and the audience has many specific features. But we also know the situation from our everyday lives. I remember for example my teacher of physics whose stony face was really exciting. We called him a sphinx, of course. I think he helped me to realize the semiotic validity of human face. He asked the question and then as if he abandoned his victim letting him or her talk and showing no marks of satisfaction or disgust, until he pronounced the final verdict: excellently or insufficiendy. The dialogue in the classroom, in which the teacher asks the student not with the intention to know the answer but to know whether the student knows, has very little in common with a real dialogical situation. However, an analogic mask may be adopted outside the classroom. Stony face, then, is a very elaborate strategy of the powerplay - it is a face-threatening strategy par excellence. Your interlocutor is mysterious, does not show anything, and may extend the silence till the complete exhaustion of the speaker. The speaker starts to hesitate, repeat or forget words, and desperately looks but for a slightest indication of response from the merciless partner who may even enjoy the power. That is also the case of the episode described in Lawrence Durrell's Stiff Upper Lip? What we miss in situations resembling those just mentioned is any kind of feedback, either positive, or negative. A real dialogue consists in combining both the positive and negative feedback. The positive feedback reinforces existing structures of the message and can thus, by uncontrolled repetition, lead to disturbances of communication. Some listeners consent all the time, for example, nodding their heads and successfully finishing utterances of the speaker who may feel that there is no need for saying anything at all - apparently, both sides have known it beforehand. Nothing new is added, the dialogue moves in a circle. What is necessary is a negative feedback that - as a rule - influences the sender to correct or change the message, because of the undesired effects observed, - such as misunderstanding, over- or underinterepretation, etc. It is the negative feedback that contributes to the maintenance of a steady state of communication.
45 Both the positive and the negative feedback occur in a real interaction, which is a constant process of self-adaptation and self-correction. The sender observes the reaction of the receiver and adjusts his or her message accordingly. The receiver's reaction is a message, which is fed back as a signal to the original sender. This message can be verbal but often also nonverbal. The face of both the speaker and the hearer is a permanent source of potential messages. 4. Face in philosophy Why do we stress the extraordinary value of the human face? Having outlined the possible semiotic interpretations of the face we are arriving at a final inerpretation. The face is not only a sign but a reality of the person. The bare face or the naked face - to use Levinas' (1961) terminology is a guarantee of person's otherness. It is agate leading towards his or her individuality. The other one in a dialogue must not be taken as an object of our communicative efforts, in the last instance as an object of our violence (here I refer to Derrida's 1967 work Violence et Metaphysique). The other one is to be viewed not even in terms of ontology but in terms of ethics (his position resembles not that of an object but that of an ethic dative). The only thing we are sure about is the other person's otherness, guaranteed by his or her face and we are obliged to respect that otherness. Levinas' philosophical treatment of the face of the other person, that is not liable to our control or even violence undoubtedly coincides with the contemporary theory of an autonomous role of the receiver in the act of communication stressing the receiver's resistance. We come across it first of all in the theory of written texts. However, an analogic approach emerges in the theory of the spoken dialogical discourse (it has also its specific manifestation in the theory of assertivity). A true dialogue is not only a matter of mutual self-adaptation and self-assimilation, but also an overt manifestation of the resistant otherness. Let me use a striking comparison mentioned by Frederick Erickson (1986) in his article Listening and Speaking. He recalls the statement of an eminent scholar in artificial intelligence who commented on the theory of dialogical interaction saying: „What you have been telling me reminds me that in my own work we've discovered that's impossible for humans to build a machine that can climb a tree". Erickson introduces the statement to illustrate the fact that the problem of a machine with built-in general intelligence confronted by the unique particularity of an actual tree is akin to the problems faced and solved continually by speakers and hearers engaged in face-to-face interaction. Erickson concludes: „Talking with another person is even more tricky than climbing an actual tree. It is like climbing a tree that climbs back". Erickson's metaphor seems to be very close to nature and very true. It renders both the speaker's effort to climb the hearer and the hearer's resistance.
46 Notes 1) „Speech, a living speech is given not only by the content of words, by a mere content and sound: anything what the speaker does while speaking, his appearance and changes of his face, however slight - this all belongs to speech, controls and complements the meaning. In conversation, we try to be able to look at the face of the interlocutor, and if someone does not want to be understood more than he wishes, he takes measures that his partner could judge by his movements and face as little as possible. Charles IV is reported to have been engaged in carving during the receptions of statesmen and negotiators, with the intention - while bending down - to conceal his face and its expression from the visitor, and to prevent his engaged hands from involuntary gesturing."(Jan Mukaïovsky, Rei - gesto - mimika (Speech - gestures - mimics)) 2) „Herr Slossenn Boschen accompanied himself. The prelude did not suggest a comic song exactly...I don't understand German myself...Still, I did not want the people there to guess my ignorance, so I hit upon what I thought to be rather a good idea. I kept my eye on the two young students, and followed them. When they tittered, I tittered, when they roared, I roared, and I also threw in a little snigger all by myself now and then, as if I had seen a bit of humour that had escaped the others. I considered this particularly artful on my part. I noticed, as the song progressed, that a good many other people seemed to have their eyes fixed on the two young men, as well as myself. These other people also tittered when the young men tittered and roared when the young men roared: and, as the two young men tittered and roared and exploded with laughter pretty continuously all through the song, it went exceedingly well. And yet that German Professor did not seem happy. At first, when we began to laugh die expression of his face was one of intense surprise..." (Jerome K. Jerome, Three Men in a Boat) 3) „The case of Wormwood," said Antrobus gravely, ,4s one which deserves thought...It is worth reflecting on", he went on, „since it illustrates my contention that nobody really knows what anybody else is thinking. Wormwood was cultural attaché in Helsinki, and we were all terrified of him,„He never spoke. He carried this utter speechlesness to such lengths as to be almost beyond the bounds of decency. The whole Corps quailed before him. One slow stare through those pebble-giglamps of his was enough to quell even the vivid and charming madame AbreyviUe who was noted for her cleverness in bringing out shy. She made the mistake of trying to bring Wormwood o u t He stared at her hard. She was covered in confusion and trembled from head to foot, after this defeat, we all used to take cover when we saw him coming. One winter just before he was posted to Prague, I ran into him at a party, and finding myself wedged in behind the piano with no hope of escape, cleared my throat (I had had three Martinis) and said with what I hoped was offensive jocularity: 'What does a novelist think about at parties like these?'Wormwood stared at me for so long that I began to swallow my Adam's Apple over and over again as I always do when I am out of countenance. I was just about to step out of a window into a flowerbed and come round by the front door when he... actually spoke to me: 'Do you know what I am doing?' he said in a low hissing tone full of malevolence. 'No,' I said. 'I am playing a little game in my mind'"... (Lawrence Durrell, Stiff Upper Lip) References Derrida, J. (1967), Violence et Métaphysique. Essai sur la pensée d'Emmanuel Lévinas. In: L'écriture et la différance. Paris 1967. Erickson, F. (1986), Listening and Speaking. In: Deborah Tannen and James E.Alatis (Eds.): Languages and Linguistics. Washington D.C. Georgetown University Press. Goffman, E. (1963), Behaviour in Public Places. New York: Free Press. Lévinas, E. (1961), Totalité et infini. Essai sur l'extériorité. Haag. M.Nijhoff 1961. Nôth, W. (1990), Handbook of Semiotics. Indiana University Press. Peirce, Ch. S. (1972), The Essential Writings. New York: Harper and Row. Pike, K. L. (1967), Language in Relation to a Unified Theory of the Structure of Human Behaviour, the Hague: Mouton. Popper, K. (1972), Conjectures and Refutations. The Growth of Scientific Knowledge. London: Routledge and Kegan Paul. Watzlawick, P., Beavin, J. H. and Jackson, D. D. (1967), Pragmatics of Human Communication, New York: Norton
Adriana Goràscu DIALOGO NON-STANDARD
1.
Premessa
2.
Le Massime Conversazionali: discussione
3.
Le Massime Conversazionali: rivalutazione
4.
Verso una tipologia dialogale: considerazioni metodologiche, parametri
Note Riferimenti bibliografici
1. Premessa Il punto di partenza per quello che segue sarà la teoria griceana della conversazione (Grice 1975), più esattamente le Massime Conversazionali, la cui presunta validità per l'intera categoria dialogo vorrei mettere in causa. L'uso che ho appena fatto dei due termini - quale sinonimi - e, di coseguenza, l'estendere il commento sulle massime governanti la conversazione ai vari casi di dialogo inteso nel senso più lato (quello della comunicazione verbale in generale) è consentito dal testo stesso di Grice, le cui analisi ed esempi ci lasciano indubbiamente capire che quello che ha in mente è non soltanto (o meglio: non tanto) la conversazione spontanea, non subordinata ad una meta determinata, quanto la comunicazione verbale vista come „varietà di comportamento razionale, orientato verso uno scopo" 1 Quindi, se il genere prossimo che Grice stesso indica per il suo concetto di conversazione è definito tramite un tratto (,purposive') che nell'accezione comune, più ristretta del termine è piuttosto escluso, vuol dire che l'uso che ne fa è uno abbastanza largo da sovrapporsi con quello del termine dialogo, nel senso più largo (quello di qualsiasi contatto comunicativo realizzato tramite la parola). 2 Dirò sin dall'inizio che ritengo la teoria di Grice allo stesso tempo illuminante e discutibile. Quello che m'ingegnerò a fare è proprio discuterla, proporvi degli emendamenti e sfruttarne i suggerimenti. 2. Le Massime Conversazionali: discussione 2.1. Prima di tutto si deve verificare se le Massime Conversazionali sono davvero universali. Se invece non lo sono, si dovrà delimitare la sottoclasse di interazioni verbali per cui pur valgono e stabilirne lo statuto nei confronti del resto dei tipi di dialogo. Senz'altro, per non risultare tautologica, tale delimitazione si dovrebbe fare nei termini di altri parametri tipologici, da scoprire (ma
48 non è detto che ci si riuscirà). Altrimenti, chiaramente, non potremo dire altro della classe delle conversazioni che osservano le Massime sennon che è costituita dalle conversazioni che osservano le Massime. Per ciò che riguarda la presunta universalità, i controesempi che si potrebbero addurre per ciascuna delle massime sono assai ovvi e a portata di mano. Per farne alcuni: 2.2. La Massima della Quantità viene non soltanto trasgredita (che sia accidentalmente o volutamente) ma veramente abolita nella sua componente di economia informativa („non dire più del necessario") nelle conversazioni del tipo „chiaccherata" ( mondana, galante, scambio di pettegolezzi, ecc.), in cui l'imperativo assunto dai partecipanti sembra essere proprio il contrario - „non stare zitti", „dire quello che ti passa per mente, purché non ci siano dei tempi morti" - al punto che per tali situazioni si sono creati dei pattern conversazionali altamente standardizzati (degli argomenti, delle repliche, addirittura delle catene di battute già fatte - una specie di „moda pronta conversazionale": le discussioni inglesi sul tempo che fa; i commenti che si fanno in Bucovina - la parte settentrionale della Moldavia, la regione orientale della Romania - sull'età e sui figli; le informazioni che si scambiano, fra quelli che fanno la fila per gli alimenti nei Paesi dell'Est, sui prodotti messi in vendita previamente in vari punti della città e sugli acquisti riusciti/mancati in quelle occasioni - informazioni perfettamente inutili una volta che i detti prodotti si sono subito esauriti). La stessa Massima della Quantità viene soppressa pure nella sua componente relativa all'efficienza informativa („dire tutto quanto richesto dallo scopo corrente dello scambio") in un dialogo del tipo, ad esempio, gara di indovinelli, che ubbidisce, tutt'al più, ad un imperativo rovesciato („dire quanto meno possibile sull'argomento", per rendere l'indovinare quanto più difficile). 2.3. La Massima della Qualità viene altresì sospesa nei dialoghi del tipo finzionale (ad es. il raccontare delle storie, delle barzellette), in cui il problema della verità semplicemente non si mette. E pur quando il discorso porta sull'universo reale, non sono pochi i tipi di dialogo in cui è di regola che i partecipanti non dicano necessariamente la verità, ma tutt'al più un surrogato, che è il verosimile. Nessuno si aspetta che un imputato venga ad incriminare se stesso col dire „la verità, tutta la verità e nient'altro che la verità" (questo lo devono fare solo i testimoni, sotto giuramento), anzi, certe legislazioni provvedono esplicitamente il suo diritto di non autoincriminarsi. L'avvocato della difesa è altresì eccettuato dall'obbligo di osservare le proprie convinzioni riguardanti il vero e il falso, il suo compito esplicito (e accettato come tale da tutte le parti del processo) essendo quello di ottenere un verdetto quanto più favorevole al suo cliente. Similmente, in una conversazione alla buona fra due, poniamo, imprenditori che si fanno concorrenza, nessuno dei due si aspetta che l'altro dica la verità su argomenti che hanno a che fare coll'oggetto della loro attività competitiva, pur quando si tratta di uno scambio amichevole di parole - anzi, la supposizione generica è che non la si dice, al punto che uno può,.mentire" col dire la verità (ci sono pure delle barzellette in merito: „Mi hai detto che vai a Parigi perchè io sia covinto che non ci saresti andato; eppure ho saputo che vi sei stato: perchè allora mi hai voluto fregare?"). 2.4. La Massima della Rilevanza viene anch'essa non meramente trasgredita, ma semplicemente sospesa in tutt'una serie di tipi di dialogo (tanto nel senso lato, di contatto comunicativo, quanto nel
49 senso stretto, di scambio verbale reciproco e diretto), di cui facciamo soltanto gli esempi del discorso pubblicitario (nel quale la regola è di sorprendere il destinatario con un messaggio inattezo), oppure del discorso poetico (o almeno certe categorie di discorso poetico, in cui l'effetto artistico risulta dal contrasto ripetuto fra i temi successivi), o anche dell'appello di avvertimento (quando si avvertisce una persona che sta per cascare in un precipizio non ci si aspetta che tale intervento sia giustificato dall'andamento anteriore della conversazione). 2.5. Infine, la Massima della Maniera, la quale raccomanderebbe un'espressione chiara, nonambigua, economica e ordinata, non funziona come principio regolante sennon per una categoria ristretta di dialoghi, caratterizzata dal tipo di parlanti coinvolti e/o dal tipo di contesto situazionale. Nel resto viene ignorata, ad uno od altro dei capitoli oppure a tutti, secondo il tipo di parlante (che non è necessariamente meno dotato di quello proposto come standard, ma semplicemente altrimenti dotato - ad esempio il tipo metaforico, il tipo digressivo che può essere un eccellente narratore, il tipo associativo che può essere un brillante conversazionalista), nonché secondo il tipo di comunicazione di cui si tratta (ad es. nelle riunioni di lavoro e divertimento delle paesane romene rom.'jezàtoare' - dove le digressioni, le parole a doppio senso, i salti da un soggetto all'altro, ecc., fanno la regola della comunicazione; oppure, di nuovo, le gare di indovinelli; oppure gli scontri scherzosi e sostenuti di parole pungenti fra innamorati, e così via). 2.6. Si noti che gli esempi di mancata osservanza delle massime che abbiamo fatto non sono casi di trasgressione puntuale delle presunte norme conversazionali dovuta sia all'intento di ingannare l'allocutario, sia alla decisione esplicita di infrangere una regola (e cioè al rifiuto dello scambio comunicativo proposto), sia alla mera incapacità di rispettarla, sia all'intento di sfruttarla tramite l'apparente trasgressione (come sorgente per le implicazioni conversazionali) - quindi non si annoverano fra le situazioni individuate da Grice 3 come eccezioni al funzionamento delle massime. In tutti i casi a cui abbiamo fatto cenno si tratta, al contrario, sia di soppressione sia di sostituzione delle dette massime da altre norme, distinte o addirittura contrarie, ma fungenti sempre da regole costitutive4 e definitorie per una classe particolare di dialoghi (non più per la categoria generica dialogo). 3. Le Massime Conversazionali: rivalutazione 3.1. Il fatto che le Massime, nella stesura di Grice, si sono avverate non universali non toglie però che i parametri a cui le dette massime fanno riferimento restino rilevanti. Ma la loro rilevanza non concerne più la delimitazione della classe dialogo da tutto quello che non lo sia, bensì la tipologia dei componenti di tale classe. E la variabilità dei detti parametri non è più necessariamente binaria (osservanza vs. non-osservanza di una regola), ma possibilmente a più valori (per ciò che riguarda il parametro maniera, ad esempio, se ne potrebbero stabilire tanti valori quanti stili di espressione verbale fossero individuati). 3.2. Un problema che sorge a questo punto è se la sottoclasse di dialoghi i cui parametri sono fissati ai valori indicati da Grice abbia o meno una posizione privilegiata fra tutte le altre - se, quindi,
50 debba o possa essere ritenuta quale il prototipo, lo standard, la forma canonica di dialogo. Per rispondere a tale questione si potrebbe fare appello a vari criteri: a) il criterio statistico. Ha davvero la conversazione griceana la prevalenza quantitativa su tutti gli altri tipi di conversazione, o almeno sulla frequenza di ciascuno di essi? La risposta sembra dipendente dal tipo di ambiente sociale, culturale, morale - il che suggerisce, inoltre, che le variabili prese in considerazione non siano assolutamente libere, ma almeno parzialmente legate da altri parametri, da stabilire. b) il criterio funzionale/valutativo:
se troviamo un principio valorico secondo il quale la
conversazione proposta come standard sia preferibile alle altre, in quanto rispondente meglio ad una funzione sociale accettata come la più importante. Una decisione in merito, che sia altro che intuitiva o arbitraria, è difficile prendere. c) il criterio metodologico: se riusciamo a trovare un sistema di descrizione di tutti i tipi di dialogo nei termini delle regole di quello proposto come standard, tramite reiterazioni e rielaborazioni. La teoria delle implicazioni conversazionali sarebbe un tentativo del genere, però, in quanto suppone il principio cooperativo come necessariamente presente, lascia inspiegati i casi, assai frequenti e caratteristici, di dialoghi non cooperativi (che pure non falliscono in quanto dialoghi - si pensi ad esempio all'interrogatorio, in cui il prigioniero si può opporre con tutti i mezzi e su tutti i piani alla realizzazione di un contatto comunicativo ottimale; oppure il dialogo di ostilità, in cui lo scopo degli interlocutori - o solo di uno di loro - è di umiliare l'altro tramite il sabotaggio della comunicazione). E non soltanto questi casi limite, ma anche tipi meno marginali di dialogo presentano vari gradi e modalità di atteggiamento sia competitivo sia addirittura conflittuale - si considerino l'intervista polemica, il litigio, il dibattito pubblico fra candidati alla stessa funzione, la conversazione apparentemente cordiale fra nemici non dichiarati, le negoziazioni, ecc. Se invece vogliamo considerare tutti questi casi di competizione o di conflitto realizzato verbalmente come pur governati da un principio più generale di cooperazione, allora quest'ultimo cessa di avere la minima relazione con quella specie di „buona fede" nell'osservare lo spirito, se non la lettera, delle massime di Grice (quella „buona fede" postulata que permette le inferenze conversazionali) e diventa la „buona fede" nell'osservare le regole particolari di ciascun tipo di dialogo (che permette anch'essa delle inferenze conversazionali, ma in base a delle premesse diverse). 4. Verso una tipologia dialogale: considerazioni metodologiche, parametri. 4.1. Più importante del problema dello statuto del dialogo che abbiamo quindi, per ora, solo arbitrariamente chiamato standard (cioè quello griceano) è la questione dei parametri necessari e sufficienti per stabilire la tipologia conversazionale. Adesso, è chiaro che il punto di vista e il grado di dettagliatezza di una tipologia sono determinati da una decisione assai arbitraria del ricercatore. Ma se decidiamo di fermarci ai criteri rappresentati
51 dai quattro parametri astratti dalle Massime griceane, dovremo pur necessariamente portare in discussione un numero di parametri supplementari, coinvolti nella definizione dei primi. 4.2. Se definiamo un processo nei termini delle norme che lo governano, non possiamo fare a meno degli agenti coinvolti nella formulazione delle norme. Per le norme del dialogo dovremo riferirci ai partecipanti all'atto comunicativo, che sono quelli che le mettono in atto e allo stesso tempo ne valutano la realizzazione, in quanto agenti epistemici interni. 4.2.1. Notiamo che la struttura agentiva dell'azione comunicativa non è sempre, e nemmeno il più delle volte, omogenea o simmetrica per ciò che riguarda le norme da osservare. Un partecipante può desiderare il contatto e pertanto fare di tutto per realizzarlo, mentre l'altro può benissimo cercare di schivarsi. Uno ne può essere sincero e l'altro ipocrita. Un parlante può essere chiaccherone e l'altro taciturno. Uno limpido e l'altro confuso, ecc. Sono questi dei tipi di parlanti che determinano parzialmente il tipo del dialogo. Ci sono poi gli statuti permanenti dei parlanti (professore/studente, genitore/figlio, differenze di età, ceto sociale, ecc.) che implicano dei ruoli diversi nel dialogo, con compiti distinti. Esistono infine dei tipi di dialogo a struttura intrinseca non simmetrica, che impone norme distinte da osservare ai parlanti distribuiti nei ruoli asimmetrici (ad esempio, le sessioni scientifiche in cui c'è il moderatore, il parlante e il pubblico, ruoli che si scambiano a determinati momenti). Per descrivere la tipologia dei contatti comunicativi si deve quindi per forza fare appello anche alla tipologia dei parlanti in quanto individui, agli statuti sociali permanenti, ai ruoli comunicativi occasionali e alle relazioni che corrono fra questi e le strutture dialogali. 4.2.2. Si deve poi tener presente il fatto che i ruoli conversazionali alternativi (locutore/allocutario, destinatore/destinatario, mittente/ricevente), apparentemente monolitici nel dialogo considerato come canonico (quello diadico, orale, in praesentia, non mediato), riuniscono in realtà un numero di attribuzioni distinte, che si possono dividere e assegnare/assumere di una maniera selettiva nell caso dei dialoghi di un'indole particolare (comunicazione a più partecipanti, comunicazione intermediata, negoziati fra squadre di partecipanti, dialogo a distanza - nello spazio e nel tempo, dialogo tramite mezzi di registrazione de la parola, ecc.) Tali responsabilità distinte si riferiscono alla costituzione e alla produzione del messaggio, da una parte, e al ricevimento / trasmissione / decodificazione / valutazione / sfruttamento del messaggio, dall'altra parte. Per ciò che riguarda la sorgente del messaggio, le attribuzioni distinte rintracciabili e separabili sono: a) concepire il messaggio in quanto azione virtuale sul partner (implicitamente sull'universo) e assumere la responsabilità per tale azione: il locutore come autore dell'atto illocutivo e destinatario virtuale della replica. b) codificare il messaggio (trasporre l'intento di azione sull'interlocutore in un'azione - sempre virtuale - di tipo verbale, formulata nei termini di un codice linguistico determinato e adattata ad un contesto extralinguistico determinato: il locutore in quanto autore dell'atto locutivo.
52 c) produrre effettivamente il messaggio verbale, trasmetterlo fisicamente: il locutore in quanto autore dell'azione verbale materiale, immediata. D ruolo di allocutario si lascia analizzare nelle seguenti attribuzioni distinte: a) paziente designato dell'azione verbale esercitata dal locutore tramite il messaggio linguistico. b) autore virtuale della replica al messaggio il cui destinatario è. c) trasmittente del messaggio (fisico e/o sostanziale) verso il paziente designato dell'azione virtuale esercitata per il suo tramite. d) ricevente - interprete (decodificatore) del messaggio. 4.2.3. Oltre tutti questi ruoli virtuali, sui quali le regole specifiche riguardandi genericamente la cooperatività/competizione/conflitto, e più particolarmente l'infoimatività, la verità, la rilevanza, la modalità espressiva agiscono di una maniera solo accidentalmente omogenea, si devono prendere in considerazione pure i parametri relativi al tipo di contatto (immediato / a distanza nello spazio o nel tempo), nonché i vari tipi di rapporti fra i partecipanti, dei quali la determinazione/indeterminazione del partner è molto importante e poco o affatto studiato (si pensi alla comunicazione televisivamess-mediatrice in genere - dove la storia conversazionale5 non è rintracciabile; ai dialoghi tramite iscrizioni murali fra detenuti che succesivamente abitano la stessa cella; al messaggio nella bottiglia gettata nel mare). 4.3. Fra tutte queste categorie di variabili, nonché fra esse e le norme costitutive dei tipi conversazionali, corrono delle relazioni molto complesse e varie, da (parziale) dipendenza (determinazione/esclusione) fino alla totale indipendenza, che si devono studiare minutamente pure in via induttiva, per ridurre la combinatoria massimale che risulterebbe da un approccio meramente deduttivo ad una tipologia dialogale reale e coplessiva.
Note 1) Cf. Grice (1975), 47: „[...] talking as a special case or variety of purposive, indeed rational, behavior". 2) Per la discussione terminologica v. Stati (1988), 11-16. 3) Cf Grice (1975), 49. 4) Cf. Searle (1969), 33-42. 5) Cf. Golopenpa (1980).
Riferimenti bibliografici Golopenpa-Eretescu, S. (1980), Histoire conversationnelle. In: Revue Roumaine de Linguistique, XXV, 5,499-503. Grice, H.P. (1975), Logic and Conversation. In: Peter Cole, J.L. Morgan (eds.), Syntax and Semantics, 3 (Speech Acts), Academic Press, New York, San Francisco, London. Searle, J.R. (1969), Speech Acts. An Essay in the Philosophy of Language, University Press, Cambridge. Stati, S. (1982), Il Dialogo, Liguori Editore, Napoli.
Valeria Gu{u Romalo COMPRÉHENSIBILITÉ ET,ACCORD SÉMANTIQUE" DANS LE DIALOGUE
1.
Préliminaires terminologiques
2.
Compréhension et „accord sémantique"
3.
Transfert d'information et malentendu
4.
Filtres interprétatifs
5.
Entraves linguistiques
6.
Entraves pragmatiques
7.
Conclusions
Notes Bibliographie
1. Préliminaires terminologiques En tant que „structure fondamentale du discours" (Benveniste, 1974) ou bien de „the most typical formof language behavioui" (Lyons, 1970), le dialogue a polarisé, pendant ces dernières décénies, l'attention des scientifiques; abordé sous différents aspects, il a fait l'objet de recherches linguistiques aussi bien que pragmatiques, philosophiques ou socio- et psycholinguistiques. L'information qui en résulte vient d'enrichir l'image du phénomène, de sorte que son mécanisme, qui se révèle extrêmement complexe, ainsi que son fonctionnement commencent à se laisser surprendre et comprendre. Dans ce contexte, en partant de sa spécificité d'interaction verbale, le présent exposé se propose de mettre en évidence certaines variables sémantiques dont dépendent le développement et la réussite du procès dialogal. La diversité des perspectives conduit inévitablement à une grande variété terminologique, qui n'est pas toujours facile à concilier. Vu le caractère général, peu spécifique, des faits soumis à l'examen, dans ce qui suit on a recours à dialogue, terme à valeur générique, se rapportant à des réalités diverses - telles que conversation, dispute, interrogation, etc. - et à information, qui recouvre la trame significative complexe du message faisant l'objet du dialogue, mais aussi celle des contributions verbales constitutives. Dans les considérations qui suivent, dialogue a comme réfèrent soit l'activité dialogale, soit le texte qui en résulte. Dans les deux cas il implique la coparticipation d'au moins deux personnes dans des conditions de changement (obligatoire) des rôles communicatifs, tous les participants agissant alternativement en qualité d'émetteur et de récepteur; la réussite du dialogue réside dans
54 l'implication active des participants dans une activité discursive commune, visant les finalités les plus diverses. Circonscrit dans ces limites, le dialogue représente, probablement, le type le plus habituel de communication orale. Dans les conditions énoncées ci-dessus, l'activité dialogale implique une stratégie coopérationelle - mise en évidence par Grice (1975), Levinson (1983), etc., stratégie lui assurant une certaine continuité ou, en tout cas, la présence de relations - variées - qui s'établissent entre les répliques constituant le dialogue, et qui résultent des rapports complexes reliant les contributions (verbales) successives des interlocuteurs à l'occasion du procès dialogal. C'est cette connexion intérieure du dialogue, considérée du point de vue des variables impliquées dans le succès ou l'échec du procès communicatif, qui fait l'objet des commentaires suivants. 2. Compréhension et „accord sémantique" L'enchaînement des contributions dues au différents participants engagés dans l'action discursive représente un trait caractéristique du dialogue riche en conséquences pour la structure superficielle, mais aussi sous l'aspect de l'information véhiculée (et/ou produite) à l'occasion du procès dialogal. Les connexions superficielles se manifestent surtout dans les particularités de l'organisation syntaxique du dialogue (Slama-Cazacu 1982). Du point de vue „information", le progrès de ce procès, réalisé par des „agents" différents, à l'aide de „textes" produits, au fur et à mesure, en s'appuyant réciproquement l'un sur l'autre, dépend de l'„accord sémantique" qui s'établit entre les participants. Cet accord suppose une compréhension correcte de la contribution dialogale de „l'autre", contribution qui implique, toujours, une information complexe - linguistique, pragmatique et extralinguistique. Le degré d'adéquation des répliques à l'intérieur de la succession dialogale est déterminé, en grande partie, par la qualité de la réception. La réussite de l'activité dialogale dans son ensemble est conditionnée par la qualité de récepteur, aussi bien que par celle d'émetteur des participants. Une réception défectueuse, une interprétation erronée, de même qu'une modalité inadéquate de s'exprimer peuvent aboutir à des blocages du dialogue. On invoque fréquemment la nécessité d'une „accomodation à l'interlocuteur" dans l'activité dialogale. C'est un principe qui concerne le participant dans son rôle d'émetteur. Mais on doit ajouter que le progrès d'un dialogue est conditionné aussi par l'interprétation adéquate de la contribution dialogale du partenaire, condition qui situe le participant dans la position de récepteur. Dans le procès dialogal, l'attitude coopérante du récepteur se manifeste aussi par son effort de comprendre le „texte" émis par son interlocuteur, d'en décoder correctement le message. Le dialogue peut échouer non seulement à cause du refus de coopérer1 d'un (ou des) participant(s), non seulement à cause de leurs opinions irrémédiablement divergentes sur un problème (thème) donné, mais aussi par un malentendu, résulté de l'absence ou de l'insuffisance de la compréhension.
55 3. Transfert d'information et malentendu Le danger de malentendu (même si on fait abstraction des conditions phoniques ou acoustiques de la communication) n'est pas négligeable vu la complexité et la diversité des variables impliquées dans l'information véhiculée au cours du procès dialogai. Et les participants en sont conscients. C'est pour cela que le dialogue abonde en général en répliques destinées à vérifier ou à corriger, à différentes étapes, la qualité de l'interprétation de la contribution dialogale de(s) (l')autre(s). Les répliques-contrôle révèlent, par leur variété, la profonde sensibilité des locuteurs pour la diversité des sources possibles des malentendus2. Par son caractère d'échange linguistique engagé à l'intérieur d'une situation qui est, par ellemême, communicative, le dialogue est profondément tributaire aux facteurs extralinguistiques en ce qui concerne la qualité de l'information, ainsi que de la qualité de son transfert d'un interlocuteur à l'autre: le message devient plus riche et/ou plus précis grâce à l'information offerte par les conditions circonstantielles spatio-temporelles du dialogue, qui rendent plus concrète la généralité abstraite des unités linguistiques telles que les déictiques3, mais aussi par les inférences contextuelles du procès dialogai. Activité discursive à plusieurs „agents" ayant, à tour de rôle, la qualité d'émetteur et de récepteur et évoluant, par étapes successives d'une réplique à l'autre, le dialogue implique un transfert ininterrompu d'information, transfert qui change continuellement de source et de destinataire. Ce sont justement la continuité et la qualité de ce transfert informationnel qui assurent la progression du dialogue. 4. Filtres interprétatifs Le transfert comporte toujours un filtre constitué par les moyens spécifiques, individuels, mis en jeux par le récepteur dans son effort de décodage: la qualité du transfert informationnel dépend de la qualité du filtre récepteur qui s'interpose dans la transmission de l'information, filtre représenté par la maîtrise - variable - des moyens d'expression des participants au dialogue, et aussi par tout ce qui représente leur „connaissance du monde", ainsi que l'image affective de ce „monde". Ce n'est que remodelée par ce filtre interprétatif que l'information réceptée sert de point de départ pour la (les) réplique(s) suivante(s). Le succès de l'activité dialogale est, en grande partie, déterminé par la qualité de ces filtres personnels interposés dans le procès - engagé dans un cadre déterminé - de la transmission de l'information. L'existence, inévitable, de différences individuelles, personnelles, représente un des principaux obstacles capables d'entraver, également, le développement et l'aboutissement du dialogue. Les variables impliqués par ces filtres, variables qui conditionnent et, en fin de compte, déterminent le déroulement du dialogue, sont nombreuses et encore insufisamment étudiées.
56 L'information véhiculée et/ou produite par les contributions verbales successives des interlocuteurs s'organise en „couches de contenu" (Stati 1990), qui influencent, de manière plus ou moins spécifique, le transfert de l'information. Conscients des obstacles et dangers représentés par l'existence de ces filtres et soucieux de la qualité du procès communicatif, les participants au dialogue ont recours fréquemment à des répliques ayant pour but d'éviter les malentendus, évidents ou virtuels. 5. Entraves linguistiques La „compréhension" escomptée, suite du transfert de l'information, est conditionnée, tout d'abord, par l'instrument de l'activité discursive: l'habilité linguistique varie d'un individu à l'autre à l'intérieur d'un même systeme, de la même communauté linguistique. La „compétence linguistique" comporte des variations individuelles, plus ou moins profondes, plus au moins évidentes, déterminées, en premier lieu, par la structuration professionnelle et culturelle d'une certaine communauté linguistique historiquement constituée 4 . Les particularités individuelles de la compétence - affectant surtout le niveau lexical de la communication - , qui se trouvent confrontées à l'occasion de l'activité dialogale, représentent une source évidente du succès ou de l'échec du procès discursif. L'„accommodation à l'interlocuteur" essaie d'éliminer ou d'atténuer, du point de vue de l'émetteur, ce genre d'obstacle survenant dans la communication dialogale. L'intention de se faire comprendre se manifeste par des commentaires du genre: „comment dire",, j e suis confus", „ce n'est peut-être pas le mot juste" 5 etc., ou à l'aide de questions dont le but est de vérifier la réception du message 6 et qui, par la fréquence de leur emploi, se transforment parfois en tics verbaux. La conscience du danger que représentent, pour le développement du dialogue, les décalages lexicaux se manifeste aussi, de la part du récepteur, sous la forme d'un contrôle visant l'expression linguistique du message récepté. Des répliques-questions à fonction métalinguistique interviennent parfois dans le déroulement du dialogue à fin de vérifier et d'assurer la qualité de la transmission de l'information. La réplique-contrôle vise parfois l'ensemble d'une (des) contribution(s) antérieure(s), invitant à une répétition ou à une réformulation, destinées à préciser ou à élucider le message7. Le contrôle du transfert communicatif peut concerner également les éléments constitutifs de l'énoncé. Dans ce cas-là, les éclaircissements consistent d'habitude dans des précisions terminologiques8. Le transfert de l'information et le développement du dialogue peuvent être entravés aussi à cause de différences linguistiques individuelles plus subtiles, que se proposent d'intégrer les études de sémantique interprétative ou logique (Vasiliu 1981, 1984, Martin 1983), qu'ont en vue, en tant que d'inférences diverses (Levinson 1983, 21-23) les études de pragmatique. Les distinctions du genre „sémantique linguistique" et „sémantique pragmatique" (Martin 1983), ainsi que des concepts tels que celui du,.monde possible", d'„univers de croyance", d'„univers du discours", d'„expérience cognitive" etc. essaient de surprendre le rapport entre les „sens linguistiques" et les différences de mentalité représentant le résultat d'une expérience - historique et personnelle - diversifiée. Les
57
différences significatives qui en résultent se manifestent dans le dialogue, qui, par son caractère d'interaction, est particulièrement sensible à ce genre de divergences linguistiques. La confrontation, à l'occasion de l'activité dialogale, de telles variations individuelles impose, eu égard à la continuité du procès communicatif, la réduction ou, au moins, l'identification explicite des divergences constatées. Au cas où les différences se révèlent irréconciliables, le dialogue risque de se trouver dans l'impossibilité de continuer: la coopération des participants s'arrête ou bien le dialogue se dissout dans des monologues parallels. C'est à ce type de différences qu'appartient l'exemple fréquemment invoqué de la baleine „mammifère" pour une catégorie de locuteurs, „poisson" pour une autre - et, à l'autre bout de l'échelle, les divergences irréconciliables qui rendent parfois inutiles les discussions politiques ou religieuses. 6. Entraves pragmatiques La qualité du transfert et de l'interprétation de l'information représentant la composante pragmatique du message joue, à son tour, un rôle important dans le développement de l'activité dialogale. La structure d'une réplique dépend, dans une mesure aucunement négligeable, des buts et intentions décélés dans la contribution dialogale du partenaire. Composante importante de l'action dialogale, mais pas toujours facile à découvrir, l'information qui appartient à la „sémantique pragmatique" est fréquemment soumise à un contrôle de la part des participants. Nécessitant une analyse plus subtile et plus complexe de la contribution du partenaire et, par conséquent, une attention et un effort accrus de la part du récepteur, il arrive souvent que l'information pragmatique ne soit pas réceptée ou soit interprétée de façon erronée par celui-ci, ce qui peut conduire à un blocage dialogal. Pour prévenir ce genre d'omissions ou de malentendus, l'émetteur /ui-même se donne parfois la peine de faire ressortir ses intentions par des moyens linguistiques (intonation) et paralinguistiques (mimique, gestes), dans les situations où il ne les exprime pas directement par des formules telles que: ,Je vous ordonne", „Je demande", „C'était une plaisanterie", „Ce n'était pas sérieux", etc. Le contrôle pragmatique exercé par le récepteur se manifeste sous forme de répliques-questions („Que voulez-vous dire?" par exemple) ou bien sous forme d'évaluation - souvent négative de la contribution verbale du partenaire, considérée, parfois, du point de vue des relations interpersonnelles des participants: le récepteur insatisfait se déclare,.insulté", „traité d'imbécile", „menti", etc., ce qui entraîne, d'habitude, des répliques explicatives de la part du partenaire®. Le développement de l'activité dialogale suppose l'existence d'une trame pragmatique compliquée, résultat de l'enchevêtrement des motifs et intentions de coparticipants: chaque contribution dépend, dans l'occurence d'une motivation personnelle induite, au moins partiellement, par les intentions discernées dans la contribution dialogale du partenaire (Ôinu 1986).
58 Ce genre d'interférences pragmatiques complexes se manifestant dans le procès dialogai est suggéré d'une manière saisissante par ce couple de répliques provenant du Pendule de Foucault10: „- E se lo ha detto, non voleva intendere quello que io ho inteso? - Se lei ha inteso così è perché voleva intendere così." 7. Conclusions Les considérations exposées ci-dessus essaient de mettre en évidence la composante „compréhension" dans le déroulement du dialogue, envisagé surtout comme interaction discursive, qui se développe d'étape en étape, les diverses contributions s'appuyant l'une sur l'autre. Représentant le lien qui associe deux ou plusieurs participants dans un procès discursif unique, le transfert de l'information constitue le maillon indispensable qui assure l'enchaînement cohérent des répliques, mais aussi le point de contact, le moment où se produit l'interférence des „univers" linguistiques et culturels représentés par les interlocuteurs impliqués dans le dialogue. L'importance accordée par les sujets parlants à la „compréhension" se manifeste dans le dialogue par la présence, assez fréquente, des éléments destinés à faciliter et, sourtout, à contrôler le transfert de l'information d'un interlocuteur à l'autre. Le souci de se faire comprendre et de bien comprendre s'exprime par des formules verbales, plus ou moins fixées, destinées à prévenir ou à élucider les malentendus possibles. Les répliques (ou fragments de répliques) visant le contrôle du transfert informationnel indiquent comme source des malentendus: a) les décalages des „univers" représentés par ceux qui participent au dialogue etb) l'interférence complexe et, parfois, le manque de transparence dans l'expression de l'information concernant la composante pragmatique des contributions verbales des interlocuteurs.
Notes 1) „Coopérer" dans le sens de „participation active" en faisant abstraction de l'attitude convergente ou divergente des interlocuteurs. 2) Pour ajouter de la substance aux considérations qui suivent on a recours à des citations provenant de: Eugène Ionesco, Théâtre, II, Paris 1958 et III, Paris 1963, Gallimard; et: Samuel Beckett, En attendant Godot, Paris 1956, Ed. de Minuit. 3) Ex.: Vladimir: - Regarde moi ça! Estragon: - Quoi? Vladimir (indiquant): - Le cou. Estragon (regardant le cou): - Je ne vois rien. Vladimir: - Mets-toi ici. (Beckett, 39-40) 4) Ex.: a) Berenger - Je me sens vieux. Le temps est surtout subjectif. Ou plutôt, je me sentais vieux, car depuis ce matin je suis un homme nouveau. Je suis sûr que je redeviens moimême, le monde redevient lui-même; c'est votre pouvoir qui aura fait cela. Votre lumière magique...
59
5)
6)
7)
8)
L'Architecte - Mon éclairage électrique! Berenger - . . . Votre cité lumineuse! (Ionesco, II, 69-70) b) Berenger - Je ne suis pas un esprit scientifique. Voilà pourquoi sans doute, je ne m'explique pas, malgré vos explications pertinentes, comment il peut faire toujours beau dans cet endroit!...; c'est curieux, tout de même, Monsieur l'Architecte de la ville, c'est bien curieux! L'Architecte, donnant des renseignements compétents - Rien d'extraordinaire , je vous dis, c'est de la tech-ni-que!! Tâchez donc de comprendre. Vous auriez dû suivre une école pour adultes. (Ionesco, II, 71-72) c) L'Architecte, se grattant la tête - Vous avez une de ces terminologies! nous ne parlons pas la même langue. (Ionesco, II, 74) Ex.: a) Daisy, à Botard - Je trouve, monsieur Botard, que la nouvelle est très précise. Botard - Vous appelez cela de la précision? Voyons. De quel pachyderme s'agit-il? Qu'estce que le rédacteur de la rubrique des chats écrasés entend-il par un pachyderme? Il ne nous dit pas. Et qu'entend-il par chat? (Ionesco, in, 47) b) Berenger - On ne peut savoir. L'hiver de l'âme! Je m'exprime confusément, n'est-ce pas? (Ionesco, II, 74) Ex.: Berenger - Les maisons que je logeais semblaient être des taches immatérielles prêtes à fondre dans la lumière plus grande qui dominait tout... Berenger, à l'Architecte - Vous voyez ce que je veux dire? L'Architecte, distrait - A peu près, votre exposé me semble plus clair maintenant. (Ionesco, II, 77) Ex.: a) Estragon - Tu es sûr que c'était ce soir? Vladimir - Quoi? Estragon - Qu'il fallait attendre? (Beckett, 22) b) Estragon (inquiet) - Et nous? Vladimir - Plaît-il? Estragon - Je dis, Et nous? Vladimir - Je ne comprends pas. Estragon - Quel est notre rôle là-dedans? Vladimir - Notre rôle? Estragon - Prends ton temps. Vladimir - Notre rôle? Celui du suppliant. (Beckett, 28-29) c) Vladimir - Il halète. Estragon - C'est normale. Vladimir - Et ses yeux! Estragon - Qu'est qu'ils ont? Vladimir - Ils sortent. Estragon - Pour moi il est en train de crever. (Beckett, 40-41) Ex.: Pozzo - . . . La beauté, la grâce, la vérité de première classe, je m'en savais incapable. Alors j'ai pris un „knouk". Vladimir (malgré lui cessant d'interroger le ciel) - Un „knouk"? Pozzo - Il y aura bientôt soixante ans que ça dure... (il calcule mentalement) ... oui, bientôt soixante. (Se redressant fièrement.) On ne me les donnerait pas, n'est-ce pas? (Vladimir regarde Lucky.) A côté de lui j'ai l'air d'un jeune homme, non? (Un temps. A Lucky.) Chapeau! (Lucky dépose le panier, enlève son chapeau. Une abondante chevelure blanche lui tombe autour du visage. Il met son chapeau sous le bras et reprend le panier.) Maintenant regardez. (Pozzo ôte son chapeau. Il est complètement chauve. Il remet son chapeau.) Vous avez vu? Vladimir - Qu'est-ce que c'est, un „knouk"? Pozzo - Vous n'êtes pas d'ici. Etes-vous seulement du siècle? Autrefois on avait des bouffons. Maintenant on a des knouks. Ceux qui peuvent se le permettre. (Beckett, 53-54)
60 9) Ex.: a) Berenger, excédé et assez fatigué - Que sais-je alors? Peut-être s'est-il abrité sous un caillou?... Peut-être a-t-il fait son nid sur une branche desséchée?... Jean - Si vous vous croyez spirituel, vous vous trompez, sachez-le! Vous êtes ennuyeux avec... avec vos paradoxes! Je vous tiens pour incapable de parler sérieusement!... Jean Berenger Jean, l'interrompant Berenger, la main sur le coeur Jean, l'interrompant Berenger Jean
- Vos mots d'esprit ne valent rien! - Je ne prétends nullement... - Je déteste que l'on se paye ma tête! - Je ne me permettrais jamais, mon cher Jean... - Mon cher Berenger, vous vous le permettez... - Non, ça non, je me le permets pas. - Si, vous venez de vous le permettre!... (Ionesco, III, 20-21) b) Le Monsieur - Voyez-vous, Madame, l'avenir de l'humanité est dans le futur, pour l'animal et la plante c'est tout le contraire... Pourtant, il ne faut pas croire que la machine est un „Deus ex machina" qui remplacerait le progrès et Dieu, sans le moindre effort de notre part Au contraire, Madame... La Dame - Je n'ai pas dit ça! Le Monsieur - Au contraire, dis-je, l'homme est encore la meilleure machine humaine! C'est l'homme qui dirige la machine... car c'est lui l'esprit. (Ionesco, II, 248) c) Le Monsieur - . . .Tenez, on parlait tout à l'heure de pétrole, de chandelle. On avait un oeuf pour un sou, en ce temps là, pas un de plus!... La Dame - Pas possible! Le Monsieur - Vous me croirez, si vous voulez!... La Dame - Je ne mets pas en doute votre parole! (Ionesco, II, 248) 10) Umberto Eco, Il pendolo di Foucault, Milano 1988,187
Bibliographie Benveniste, E. (1974): Problèmes de linguistique générale. Paris. Grice, H.P. (1975), Logic and Conversation. In: P. Cole, J.L. Morgan (eds.), Speech acts. New York, 41-58. Lyons, J. (1970): Linguistique générale. Paris. Levinson, St. (1983): Pragmatics. Cambridge. Martin, R. (1983): Pour une logique du sens. Paris. Ôinu (1986): Where do communicative acts come from. In: Pragmatics and Linguistics. Festschrift for Jacob L. Mey on his 60th birthday, 30th October, 1986,125-135. Slama-Cazacu, T. (1982): Structura dialogului: despre „sintaxa dialogati". In: Studii 5; cercetâri lingvistice, n.3,4. Stati, S. (1990): Considerazioni di Linguistica Pragmatica. Napoli. Vasiliu, Èm. (1978): Preliminarii logice la semantice frazei. Bucure§ti. Vasiliu, Em. (1984): Sens, adevâr analitic, cunoajtere. Bucurejti.
Franz Hundsnurscher DIALOGGRAMMATISCHE ANALYSE DER DEUTSCHEN NEBENSÄTZE
1.
Einleitende Bemerkungen
2.
Hartungs „gußeisernes Modell"
3.
Ein einfaches Deutungssystem
4.
Deutungsversuche in der Forschungsliteratur
5.
Fragen auf dialogischem Hintergrund
6.
Versuch der Beantwortung und weiterführende Perspektiven
Literatur
1. Einleitende Bemerkungen Im Gefolge der sogenannten pragmatischen Wende in der Linguistik Anfang der 70er Jahre wurde zuweilen der nicht ganz unbegründete Verdacht geäußert, daß nun die grammatischen Kernbereiche Phonologie, Morphologie, Wortbüdung und Syntax vernachlässigt würden. In der Tat kann man etwa am Verhalten der Studierenden bei der Auswahl der Teilgebiete für das Staatsexamen zuweilen feststellen, daß sich mit der Entscheidung für Gebiete wie Sprechakttheorie, Soziolinguistik und Psycholinguistik und für Gebiete wie Gesprächsanalyse und Textlinguistik, die man auch zur SoftLinguistik rechnen kann, die Hoffnung verbindet, auf diese Weise um die harten Disziplinen der Sprachwissenschaft herumzukommen. Der Hickhack zwischen orthodoxen Hardlinern und Abweichlern ist auch in der Linguistik selbst offenkundig und allgemein bekannt So läuft etwa die Charakterisierung neuer Richtungen wie Soziolinguistik und Diskursanalyse, auf die William Frawley in seiner Besprechung des vierbändigen Handbuchs der Diskursanalyse, hg. von Teun van Dijk (1985), eingeht, darauf hinaus, daß sie im wesentlichen durch eine negative Identität bestimmt seien, indem sie gegen formale Grammatik polemisierten und einem, wie er es sieht, reaktionären Empirismus und Kontextualismus das Wort redeten. Ich bin geneigt, Frawley in seiner Einschätzung der Arbeiten von van Dijk, Coulthard, Givón, de Beaugrande und Stubbs weitgehend zuzustimmen, wenn er schreibt .After reading a lot of such worics, one begins to think that anyone can do DA, with no special qualification apart from the ability to recount a few good anecdotes about how cultures differ, and the stamina to blow loud calls on the neo-empiricist, contextualist trumpet" (Language 63,1987, S. 361). Dennoch halte ich eine Situation nicht für wünschenswert, in der solche Vorbehalte einer Wissenschaftsrichtung gegen eine andere in der Luft liegen und sich auf Dauer verfestigen.
62 Es scheint mir indes nur fair zu sein, daß die pragmatische Sprachbetrachtung gegenüber der formalen Grammatikrichtung die Beweislast auf sich nimmt und an Beispielen wenigstens zeigt, wie eine Verbindung beider Richtungen hergestellt werden könnte und wie die Zentralbereiche der Grammatik, zu denen die Syntax ohne Zweifel gehört, auch in einem pragmatischen Paradigma eine angemessene Berücksichtigung finden könnten. 2. Hartungs „gußeisernes Modell" Ich wähle als Anschauungsbereich das System der sog. konjunktionalen adverbialen Nebensätze des Deutschen. Einen guten orientierenden Einstieg für den formalen Ansatz bietet meiner Meinung nach immer noch Wolfdietrich Härtung, „Die zusammengesetzten Sätze des Deutschen" (1964). Er unterscheidet neun Typen: Kausalsätze, Konzessivsätze, Konditionalsätze, Temporalsätze, Instnimentalsätze, Begleitsätze, Vergleichssätze, Konsekutivsätze, Finalsätze. Hartungs Interesse ging dahin, auf der Grundlage einer frühen Version der generativen Transformationsgrammatik nachzuweisen, daß zwischen diesen Satztypen strukturelle Gemeinsamkeiten und transformationelle Beziehungen bestehen, die es erlauben, die verschiedenen Erscheinungsformen konjunktionaler Nebensätze und insbesondere die adverbialen Nebensätze auf der Grundlage eines komplexen Einbettungsprozesses zu beschreiben und zu erklären. Dieser Einbettungsprozeß umfaßt drei Stufen, die jeweils als Wirkungsbereich bestimmter Transformationen anzusehen sind. Es handelt sich im einzelnen auf einer ersten Stufe um eine Satzverbindungstransformation, auf einer zweiten Stufe um eine Nominalisierungstransformation und auf einer dritten Stufe um eine Adjungierungstransformation mit entsprechenden Permutationen und Tilgungen. Der abgeleitete Strukturbaum kann in vereinfachter Form so dargestellt werden: SM
NP
VP
AB[SC]i
HV
Erklärung der Symbole: S M = Matrixsatz; SR = Konstituentensatz; AB[SC]j = Adverbialkomplex mit einer bestimmten semantischen Charakteristik; Demg = Demonstrativelement, das einen Satzinhalt vertritt; K = Konjunktion; HV = Hauptverbkomplex
63 Die Strukturelemente und die auf sie einwirkenden Transformationen erfüllen im Rahmen dieses Beschreibungskonzepts zwei naheliegende Aufgaben: Sie erlauben die Formulierung der Ableitungsbeschränkungen für die Wohl geformtheit der entsprechenden „zusammengesetzten Sätze" und sie signalisieren Berührungszonen mit außersyntaktischen Sprachebenen, eben der .Semantik', und, wie ich zeigen möchte, auch der Pragmatik. Die „strukturelle Aufgabe" von Derr^ z.B. ist es, als Platzhalter im Matrixsatz für den unter einer bestimmten semantischen Charakteristik [SC], einzubettenden Konstituentensatz zu fungieren. Die strukturelle Aufgabe des K-Elements wird traditionellerweise in der „Verknüpfung" von Matrixsatz und Konstituentensatz gesehen; das hat sich namengebend für diese Wortklasse .Konjunktionen' ausgewirkt, wobei eine bestimmten Oberflächenstruktur offenbar als Standardform angesehen wunde: (Man glaubt ihm, obwohl er lügt.) SM
K
SK
Das AB-Element ist durch einen Hinweis auf seine semantische Charakteristik markiert; für AB [Konz] z. B. gibt Härtung an, daß damit das Unwirksamwerden eines erwarteten Kausalzusammenhangs zum Ausdruck gebracht werde (S. 125), und er benutzt diese „semantische Interpretation", um Konzessivsätze im strengen Sinne von lediglich einschränkenden Sätzen zu unterscheiden. Im übrigen legt Härtung die in der TG übliche Immunisierungshaltung gegenüber ebenenübergreifenden Erklärungsfragen an den Tag:,.Der Begriff .Konzessiv' ist - wie alle anderen hier verwendeten Begriffe - durch die Menge der Sätze definiert, zu deren Ableitung er erforderlich ist." (S. 125) Gemeint sind hier in der Tat die oben angeführten nebensatzcharakterisierenden Begriffe wie Kausal-, Konditional-, Modal- usw.. 3. Ein einfaches Deutungssystem Die Herausforderung einer pragmatischen Sprachbetrachtung gegenüber einer solchen ziemlich hermetischen formalen Sprachbetrachtung liegt nun gerade in dem Anspruch, für die syntaktischen Prozesse und .semantischen' Kategorien einen erklärenden Hintergrund zu liefern und ihre kommunikativen Funktionen explizit zu machen. Daß zur Erklärung kommunikativer Zusammenhänge handlungstheoretische und dialoganalytische Konzepte u.U. besser geeignet sind als formalgrammatische oder .semantische', ist keine neue Erkenntnis, aber die tatsächliche Umsetzung eines solchen Programms scheint immer noch Schwierigkeiten zu bereiten. Den Gedanken etwa, den ich in den Mittelpunkt meiner Betrachtung stellen möchte, hat schon Bodo Vogel in dem von Harald Weydt herausgegebenen Sammelband „Die Partikeln der deutschen Sprache" (Berlin 1979) in seinem Beitrag „Zur pragmatischen Funktion von Adversativ- und Konzessivsätzen in Dialogen" (S. 95-106) andeutungsweise geäußert, nämlich, daß konjunktionale adverbiale Nebensätze für bestimmte Typen von Sprechakten stehen, z.B. S. 102: „Mit Adversativ- bzw. Konzessivsätzen führt ein Sprecher die Handlung des Einwandes durch!".
64 Nichts liegt meiner Meinung nach näher, als zu fragen, wie es sich denn dann mit den anderen Nebensatztypen verhält, eine Frage, der man, soweit mir bekannt ist, noch nicht systematisch nachgegangen ist. In der Tat glaube ich, daß die Beobachtung Vogels zu einer generellen Fragestellung erweitert werden kann: Welchen ülokutionstypen entsprechen die einzelnen konjunktionalen adverbialen Nebensätze des Deutschen? Wir gelangen zu einer ersten Übersicht, wenn wir sie der Reihe nach durchgehen: Kausalsätze
- Illokution: Begründung vorbringen
Er wurde ausgezeichnet, weil er Hervorragendes geleistet hat. Konzessivsätze
- Illokution: Einwand berücksichtigen
Sie nahmen das alte Zelt mit, obwohl es undicht war. Konditionalsätze
- Illokution: Bedingung angeben
Wenn du dich beeilst, erreichst du den Zug. Temporalsätze
- Illokution: Zeitspanne/-punkt fixieren
Vieles hat sich ereignet, seit er weg ist. Instrumentalsätze
- Illokution: Handlungsmittel angeben
Er unterhielt die Gäste, indem er Witze erzählte. Begleitumstandssätze
- Illokution: Begleitumstand spezifizieren
Er bestand die Prüfung, ohne daß er dabei Schwierigkeiten hatte. Vergleichssätze
- Illokution: Vergleichsbezug herstellen
Wir haben die Kritik so verstanden, wie sie gemeint war. Konsekutivsätze
- Illokution: auf Folgen hinweisen
Er sprach undeutlich, so daß ich ihn nicht verstehen konnte. Finalsätze
- Illokution: Handlungsziel angeben/Intention erläutern
Er beeilt sich, damit er den Zug noch erreicht / Wir haben ihn weggeschickt, um allein zu sein.
65 Kausalsätze können also mit Begründungen in Zusammenhang gebracht werden, Konditionalsätze mit dem Formulieren von Bedingungen, Temporalsätze mit der Explikation zeitlicher Zusammenhänge, Instrumentalsätze mit der Angabe der Mittel zur Bewerkstelligung eines Vorhabens, Vergleichsätze mit dem Aufzeigen von Ähnlichkeiten und Unterschieden, Konsekutivsätze mit dem Hinweis auf mögliche Folgen usw. Eine solche platte Umschreibung, bei der überdies die Unterscheidung von Sprechakt und Außerungsform immer genau zu beachten ist, erbringt zunächst nicht viel und könnte als eine tautologische Auslegung der sprechenden Namen, die die traditionelle Grammatik für solche Zusammenhänge bereits gefunden hat, abgetan werden, aber indem der Bezug der Äußerungsformen zur Sprechhandlungscharakteristik systematisch hergestellt wird, ergeben sich doch neue Einsichten. 4. Deutungsversuche in der Forschungsliteratur Man sollte die traditionelle Grammatik nicht unterschätzen; ihre suggestive Begrifflichkeit ist nicht ungefährlich. Gerade unter Rückgriff auf sie sind viele neuere linguistische Untersuchungen meiner Meinung nach in die Irre gegangen, indem sie z.B. meinten, die linguistische Beschreibung der Kausalsätze setze eine Klärung des Begriffs der Kausalität voraus, eine Beschreibung der Konsekutivsätze eine Klärung der Folgerelation usw.. Wolfgang Settekom z. B. gelangt in seiner Arbeit über die „Semantischen Strukturen der Konditionalsätze" (1974) zu dem Ergebnis, daß die materiale Implikation als Grundlage der Beschreibung der umgangssprachlichen Konditionalsätze nicht ausreiche; er schlägt vor, zu einer Quasi-Implikation überzugehen, aber auch diesereichekaum zur Beschreibung der nichtkonjunktivischen Konditionalsätze aus. Die Einbeziehung der konjunktivischen Konditionalsätze in die Beschreibung mache, wie er sich ausdrückt, die Berücksichtigung „ontologischer Gesetze" erforderlich; es müsse daher zu einem „pragmatischen Gesetzesbegriff' übergegangen werden (S. 238/239). Es ließe sich eine umfängliche Liste ähnlicher Untersuchungsergebnisse aufstellen; ich bringe nur noch zwei Beispiele, das eine aus dem Beitrag von Nelly Stojarnowa „Zur Struktur und Funktionen der denn-Sätze" (1987/88): „Der linguistische Begriff der Kausalität ist dem philosophischen in bezug auf Wahrheitswert, Denotate, Kategorien, Typen von Bedingungen und Prinzipien nicht kongruent". Sie beruft sich dabei auf die „Grundzüge einer deutschen Grammatik" (1984) und führt weiter aus: „Das Sprachlich-Kausale stellt somit Sachverhalte als Widerspiegelung von objektiven Verhältnissen dar, die im Bewußtsein des Menschen in einem subjektiven Kausalzusammenhang gesetzt werden und mit der Wirklichkeit übereinstimmen können, aber nicht müssen. Das Sprachlich-Kausale bringt also sowohl faktische Wahrheit als auch faktische Falschheit zur Geltung." (S. 35) Was immer das besagen mag. Das andere Beispiel findet sich in der Habilitationsschrift von Angelika Redder, die zu dem Ergebnis kommt, daß weil ein echter Kausaloperator sei, während da und denn lediglich Paraoperatoren seien, weil sie nicht Relationen in der Wirklichkeit wie weil, sondern lediglich Relationen in der Widerspiegelung von Wirklichkeit seien.
66 Dahinter steckt zwar das Bemühen, funktionale Gebrauchsunterschiede bei den Konjunktionen festzustellen, aber die Bezugsbasis von Funktionalität bleibt in beiden Fällen unklar. Alle diese Versuche deuten meiner Meinung nach in eine Richtung: die kommunikativen Funktionen - schlichter gesagt, die Formen des normalen Sprachgebrauchs - sind mit deduktiv-logischen, modelltheoretischen Mitteln nicht zu erfassen, und der Gebrauch von Kausalsätzen oder Konditionalsätzen ist nicht gleichzusetzen mit dem Reden über Kausalität oder mit nomologischen Gesetzesaussagen. Wenn in der Alltagssprache etwas begründet wird oder Folgerungen gezogen werden, so können diese Formen sprachlichen Handelns eben nicht ohne weiteres mit den entsprechenden Prozeduren im logischphilosophischen Kontext in Verbindung gebracht werden; sie dienen von Haus aus den Zwecken der Alltagskommunikation. Auf die Gefahr solcher Kurzschlüsse hat erst kürzlich wieder Wilhelm Koller in seiner „Philosphie der Grammatik" (1988) unter Hinweis auf Hegels Bestimmung der Sprachen als „vorgeschichtlichen Phänomenen" sehr eindringlich hingewiesen. 5. Fragen auf dialogischem Hintergrund Wie also sollte man Syntax im Rahmen einer handlungstheoretischen, dialoganalytischen Methologie betreiben? Daß Nebensätze unter gewissen Umständen Äußerungsformen für bestimmte Typen sequenzabhängiger Sprechakte sein können, ist schon ein ganz nützlicher Ansatzpunkt, aber die Formulierung Vogels („Mit Adversativ- bzw. Konzessivsätzen führt ein Sprecher die Handlung des Einwendens durch!") kann ohne Berücksichtigung der Äußerungssituation nicht allgemein gelten, denn warum z.B. sollte ein Sprecher gegen das, was er sagt, selbst einen ,Einwand' vorbringen? Hier sind zwei Sprechsituationen zu unterscheiden - eine monologische und eine dialogische. Vogels Aussage gilt nur für Adversativsätze und nur für die strikt dialogische Konstellation. (1)
Sp 1:
„Wir müssen noch Zigaretten kaufen."
Sp 2:
„Aber ich habe nur noch 200 Kronen."
Die Handlungscharakteristik im zweiten Beispiel ist nicht so einfach zu ermitteln. (2)
Sp 1:
,JEr hat nie geraucht."
Sp 2:
„Trotzdem ist er an Lungenkrebs gestorben."
Sp 1:
„Tja."
Wie aber verhält es sich nun mit dem komplexen Satz der monologischen Variante? (3)
Sp 1:
„Er ist an Lungenkrebs gestorben."
Sp 2:
„Aber er hat doch nie geraucht."
Sp 1:
, Ja, so ist es. Obwohl er nie geraucht hat, ist er trotzdem an Lungenkreb gestorben."
Hier macht Sp 2 in der Tat einen Einwand in dem Sinn, daß er ein entgegenstehendes Faktum anführt, aber in dem komplexen Satz von Sp 1 handelt es sich um das vorwegnehmende Aufgreifen und damit Neutralisieren eines Einwands, nicht um das Vorbringen eines Einwands.
67 Im vierten Beispiel wird der Einwand zunächst abgetan, aber es wird im komplexen Satz dennoch auf ihn Bezug genommen. (4)
Sp 1:
„Wir nehmen das alte Zelt mit."
Sp 2:
„Aber das ist (doch) nicht ganz dicht."
Sp 1:
,,Na und? Dann werden wir eben ein bißchen naß."
Sp 2:
„Also gut, wenn es auch nicht ganz dicht ist, wir nehmen das alte Zelt dennoch mit."
(Sp 3: „Sie haben das alte Zelt mitgenommen, obwohl es nicht ganz dicht war.") Man macht also - entgegen der Meinung Vogels - mit solchen „Konzessivsätzen" keine direkten Einwände, sondern man gibt zu erkennen, daß man eventuelle Einwände oder entgegenstehende Umstände in Betracht gezogen hat und (dennoch) an einem ursprünglichen Handlungskonzept (oder einer Behauptung) festhält; es handelt sich also, wie schon gesagt, um die Vorwegnahme und das Beiseiteschieben (Neutralisieren) eines möglichen naheliegenden Einwands. Deshalb gehören zu den Gebrauchsbedingungen komplexer Sätze mit eingebetteten Konzessivsätzen typischerweise monologische Situationen: vorzugsweise die Berichtssituation in der 3. Person, und hier häufig im schriftlichen Medium („Obwohl das alte Zelt undicht war, nahmen sie es trotzdem mit in den Urlaub."), oder in resümierender Funktion als Sprachhandlung von Sp 1 im 3. Zug, als eine Art modifizierendes Insistieren in mündlicher Kommunkikation. Legen wir dieses, zugegebenermaßen sehr primitive formale Dialogisierungsmodell zugrunde, so ergeben sich hinsichtlich einer pragmatischen Interpretation oder Erklärung dieser Struktur die folgenden Fragen: 1. Was steht als pragmatisches Handlungskonelat hinter der von Härtung postulierten „Satzverbindungstransformation"? 2. Was hat es mit Hartungs „semantischer Charakteristik" von AB auf sich? 3. Welche pragmatischen Funktionen erfüllen solche Strukturelemente wie Derr^ und K? 4. Was ist für die syntaktische Vielgestaltigkeit der funktional äquivalenten Äußerungsformen im Bereich der adverbialen konjunktionalen Nebensätze verantwortlich? Einige dieser Fragen ließen sich im Rahmen einer Sprechakttheorie beantworten, für eine weiterführende Lösung aber ist meiner Meinung nach, wenn die Beispiele (l)-(4) zutreffend sind, ein dialogischer Ansatz unbedingt erforderlich, um dem Zusammenhang des Gebrauchs der Satzarten auf die Spur zu kommen. 6. Versuch der Beantwortung und weiterführende Perspektiven Nach diesen eher beiläufigen Beobachtungen anhand einzelner Forschungspositionen zum Thema der Nebensätze und an isolierten Beispielen möchte ich nicht so sehr eine eigene Theorie der Nebensätze vortragen, sondern ein Gedankenexperiment entwerfen; wenn sich daraus wirklich eine neue Sicht der
68 Nebensätze entwickeln ließe, umso besser. Das Gedankenexperiment soll auf folgendem Hintergrund veranstaltet werden: Wir fragen uns als erstes: Wodurch wird ein Satz zu einem Nebensatz und was bedeutet sein Status als Nebensatz? Die Fragen stehen für bestimmte Typen kommunikativen Interesses: (5) Er hat eine Bank überfallen.
Aus welchem Grund?
Kaus.: Er hat Geld gebraucht. (6) Er ist an Lunkenkrebs gestorben.
Wie verträgt sich das mit bestimmten Fakten?
Konz.: Er hat nie geraucht. (7) Er unterhielt die Gäste.
Wie ist ihm das gelungen?
Inst.: Er erzählte Witze. (8) Du erreichst den Zug noch.
Unter welcher Bedingung?
Kond.: Du beeilst dich. Der Satzzusammenhang ergibt sich, so meine ich, aus dem unterstellten Interesse des Hörers; seine erwartbare Fragerichtung prägt die Handlungscharakteristik des anschließenden Zuges. Die Art des Verhältnisses wild durch die Konjunktionen angezeigt und so explizit gemacht; Konjunktionen sind also Indikatoren der illokutionären Zugqualität. Eines ist noch hervorzuheben: Zusammengesetzte Sätze sind Äußerungsformen für komplexe sprachliche Handlungen, nicht einfach für hintereinandergeschaltete Züge; Nebensätze stehen für besondere sequenzgebundene Sprechakte. Eine zusammenfassende Beantwortung der gestellten Fragen könnte so aussehen: 1. Die Satzverbindungstransformation steht für einen Sprechhandlungszusammenhang. 2. Die .semantische Charakteristik' ist die sequenzgebundene Sprechaktcharakteristik. 3. Derrij, schafft die Referenzgrundlage für die aufeinander zu beziehenden Sprechhandlungen und macht zusammen mit K die spezifische Dlokution explizit. 4. Die Vielfalt der Nebensatzgestaltung trägt den wechselnden situativen Bedingungen, zu denen auch die Sprecherkonstellation gehört, Rechnung. Es ist meiner Meinung nach noch nicht ausdisktutiert, wie man die Mokutionsqualität sequenzgebundener Sprechakte beurteilen soll, d. h. es ist eine offene Frage, wie sich solche Handlungen - etwas einwenden, etwas begründen, etwas eingestehen oder zugeben, usw. - zur Sprechakttypologie Searles stellen. Wenn man sie einfach den Searleschen Dlokutionstypen zuschlägt, geht eines ihrer Spezifica verloren, nämlich ihre unmittelbare Abhängigkeit von einem dominierenden, meist vorangehenden Sprechakt Die formalen Aspekte der Nebensätze sind kommunikativ zu deuten. Da komplexe Sätze an
69 der Nahtstelle von (Einzelsatz-)Syntax und Textstruktur stehen, kann man von einer Klärung der Nebensatzverhältnisse auch Aufschlüsse über den Sprechhandlungszusammenhang in Texten erwarten.
Literatur Beaugrande, Robert de (1980): Text, discourse, and process. Norwood, N.Y.: Ablex. Coulthard, Malcolm (1977): Introduction to discourse analysis. London: Longman. Dijk, Teun van (1985) (Ed.): Discourse and communication. New approaches to the analysis of mass media discourse and communication. Berlin, N.Y.: de Gruyter 1985. (Research in texttheory. Untersuchungen zur Texttheorie. Vol. 10.). Frawley, William (1987): Review article: Handbook of discourse analysis, Volumes 1-4. Ed. by Teun van Dijk. Orlando. Academic Press 1985. In: Language. Vol. 63. No. 2. S. 361-397. Givön, Talmy (1979): On understanding grammar. N.Y.: Academic Press. Härtung, Wolfdietrich (1987): Die zusammengesetzten Sätze des Deutschen. 7., unveränderte Aufl. Berlin: Akademie-Verlag. (Studia grammatica. IV.). Heidolph, Erich u.a. (1984) (Hg.): Grundzüge einer deutschen Grammatik. 2. Auflage. Berlin. Koller, Wilhelm (1988): Philosophie der Grammatik. Vom Sinn grammatischen Wissens. Stuttgart: Metzler. Redder, Angelika (1990): Grammatiktheorie und sprachliches Handeln. „Denn" und „da". Tübingen: Niemeyer. (Linguistische Arbeiten. 239.). Settekorn, Wolfgang (1974): Semantische Strukturen der Konditionalsätze. Linguistische und logische Untersuchungen. Kronberg/Ts.: Scriptor-Verlag. (Skripten Linguistik und Kommunikationswissenschaft. 4.). Stojanova, Nelly (1987/88): Zur Struktur und Funktionen der denn-Sätze (l.Teil/2. Teil). In: Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache. Hrsg. v. Wolfgang Fleischer u.a. Bd. 7 u. 8. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. S. 32-61; S. 241-259. Stubbs, Michael (1983): Discourse analysis. Chicago: University of Chicago Press. Vogel, Bodo (1979): Zur pragmatischen Funktion von Adversativ- und Konzessivsätzen in Dialogen. In: Weydt, Harald (Hg.): Die Partikeln der deutschen Sprache. Berlin, N.Y.: de Gruyter. S. 95-106. Weydt, Harald (1979) (Hg.): Die Partikeln der deutschen Sprache. Berlin, N.Y.: de Gruyter.
Andreas H. Jucker THE STRUCTURE AND COHERENCE OF DISCOURSE
1.
Discourse coherence
2.
Relevance theory
3.
Discourse structure
4.
Conclusion
Notes References
1. Discourse coherence The essential key in our understanding of discourse structure is a clear understanding of discourse coherence. Basically any utterance in a discourse must be related to its preceding utterance in such a way that the preceding utterance offers an optimal context for the interpretation of the new utterance. I will call this the condition for relational coherence. Every utterance provides a relevant continuation against the background of its preceding utterance. However, if a participant wants to introduce a new topic, the conditions for the relational coherence have to be relaxed. There are various ways in which this can be done, and it is exacdy these means which create a local structure in conversations. They signal in particular beginnings and endings of topics. Bublitz (1989: 33) argues in some detail that coherence is not a text-inherent property but arises in the process of text inteipretation. Consequently, one cannot say 'a text has coherence', but only 'someone understands a text as coherent' (or, if coherence is seen as a text defining condition: 'someone understands a sequence of utterances as a coherent text'); he ascribes coherence to it. Texts gain coherence only by way of a description. So, it can be the case that one and the same text is coherent for person A but not coherent for person B. Obviously not any arbitrary sequence of utterances will qualify as a coherent discourse. Hearers understand sequences of utterances as coherent in the process of utterance interpretation. Moreover, one and the same text may achieve coherence for one reader or listener but not for another reader or listener. However, if we accept that coherence is achieved in the process of utterance interpretation as the „result of a deductive process of interpretation which is part of the more general process of understanding" (Bublitz 1989: 39), we must try to specify how this deductive process works and how utterance interpretation can create coherence.
72 I suggest that Sperber and Wilson's model of utterance interpretation (relevance theory) provides a plausible account for the ascription of coherence in the process of utterance interpretation. 2. Relevance theory Utterances are always processed on the background of a relevant context consisting of the linguistic context and the assumed background assumptions of the addressee, that is to say context is created as a function of utterance interpretation, it is not given antecedently. Speaker and hearer do not, not even under ideal circumstances, have access to a set of assumptions or facts that are mutually known, that is to say they do not have any mutual knowledge in the strict sense. However, they have a mutual cognitive environment. That is each conversationalist has a number of assumptions about what is manifest to the other. These assumptions may be strong (close friends have a fairly good idea of each other's assumptions); or they may be very weak (strangers can only make very rough guesses about each other's assumptions). The mutual cognitive environment is constantly negotiated and renegotiated throughout the conversation. Every utterance adds new assumptions to the shared (mutual) cognitive environment, or it makes old assumptions stronger and more manifest For any utterance the immediately preceding utterance has a special significance because it is against the mutual cognitive environment as established by this previous utterance that the oncoming utterance is going to be interpreted. Information made accessible by the interpretation of the first utterance is used in establishing the relevance of the second; the interpretation of that utterance makes information available for the interpretation of the third, and so on. In this way discourse provides the hearer with a continually changing background against which new propositions are processed. If the preceding discourse does not make contextual assumptions accessible for a new utterance, then the hearer will not be able to see any connection, and the discourse will seem incoherent. (Blakemore 1988: 241) In everyday conversation, however, not every utterance provides an equally optimal background for the processing of the immediately following utterance. Digressions are common. One conversationalist may suddenly remember something that acquires an immediate relevance for her and lets her override considerations for coherence. There may be prompts in the surroundings or she may remember something 'out of the blue' as it were. In such a situation the normal flow of the conversation may be interrupted, and an utterance may be produced for which the immediately preceding utterance does not offer an optimally relevant background. Similarly the speaker may have mistaken assumptions about the addressee's cognitive environment, and therefore an utterance that was intended as an optimally coherent continuation of the preceding utterance may not be perceived as such by the addressee. One topic may lose its interest for all the participants of a conversation. Nobody has anything to add to it The conversation lapses until somebody picks up the conversation by introducing a new topic. In this situation, too, there will be few coherence restrictions between the last utterance of the old topic and the first utterance of the new topic.
73 Coherence arises from the roles that an utterance plays in determining the relevance of another utterance or in determining the content of another utterance. Two utterances are optimally coherent if thefirstutterance provides an optimally relevant background for the interpretation of the second utterance. A lack of coherence signals a structural position within the conversation. The first utterance of a new topic will have few if any connections with the preceding utterance. The first utterance of a topic shift will have some connections to the preceding utterance, but the preceding utterance will not be an optimally relevant background for the new utterance. Below I will give some empirical evidence for these and some other types of coherence options. 3. Discourse structure Through topic management, the participants of a conversation create a structure for this conversation. I use the term 'relational coherence' to refer to the extent to which the previous utterance provides a relevant background for the following utterance. In a well-argued academic paper one would expect the relational coherence between any two sentences to be strong. Every sentence provides a useful and necessaiy background against which the following sentence is to be processed. In a conversation, on the other hand, the relational coherence may either be strong or weak. If the relational coherence between any two utterances is strong, we are still within the same topic. If it is weak, there is a topic shift And if it is very small, approaching zero, and non-apparent to the listener, there might be a new topic or the talk is incoherent If an utterance with a very small apparent relational coherence is not licensed by a preceding lapse, an explicit introduction or a non-linguistic context that overrides the relevance of the linguistic context the utterance will appear incoherent or not readily interpretable. Vuchinich carried out an experiment which is quite illuminating in this respect He tried to produce deliberately non-coherent replies to utterances made by unsuspecting interlocutors, as for instance in the following example: (1) S:
Well unless you're not a member, if yer a member of TM [transcendental meditation] people do, ah simply because its [sic] such a fucking high price to get in there (1.0 sec) its [sic] like thirty five dollars
C:
its [sic] like water polo
S:
Why, is it expensive/ (Vuchinich 1977: 246)
(2.0 sec)
This transaction was an experiment conducted by C. He deliberately produced a non-coherent reply to S's utterance in order to test his partner's reaction. Bublitz (1989:38) argues that S, after a slight pause possibly caused by the difficulty to assign a relevant interpretation to C's utterance,„has understood C not only as relevant and meaningful, but also as appropriate to the context that is to say as coherent" In terms of relevance theory this has to be interpreted rather differently. As Bublitz correctly notices, there is of course the possibility that the 2 second pause after C's utterance is caused by some entirely
74 unrelated factors, but it is very likely that it is caused because of S' s initial inability to see the coherence between C's utterance and his own previous remaric. His previous remark does not make contextual assumptions accessible that yield a relevant background for the interpretation of C's utterance. However, S has no reason to doubt C's sincerity, he assumes that the utterance was made in good faith and in accordance with the principle of relevance, that is to say that it came with a guarantee of its own optimal relevance. There is no obvious connection between transcendental meditation and the prices charged on the one hand and water polo on the other. The most salient piece of information at the end of S's previous utterance was the high price. It is most salient in the sense that it is the last piece of information given, and it seems to be important in the context of S's utterance, even if it is difficult to understand without more context. Moreover it is accompanied by an expletive which adds to its saliency. S therefore tries to make the connection along these lines. Perhaps the high price provides a possible background which would yield a coherent interpretation for C's utterance, but S cannot be sure. So he asks „why, is it expensive". This does not mean that he finds C's utterance relevant, meaningful and coherent, but that he tries to do so. Without evidence to the contrary, therefore, an addressee will always try to interpret an utterance on the background of the previous utterance. I call this the coherence constraint. A topic change or a shift to another subtopic will therefore be signalled by some effort to indicate this relaxation of the coherence constraint The following extracts will show how this is done in a free-flowing dinner table conversation between two sisters and their respective husbands. As pointed out above, every utterance in a conversation creates fairly strict limitations on possible next moves in the sense that any next move will be interpreted on the background of the previous move (cf. example (1) above). However, if these constraints were always operational, there would not be any possibility for a topic change. There are, however, possibilities to relax this constraint. A lapse in the conversation - if it is long enough - will automatically do that What is 'long enough', will of course depend on the particular situation and on the participants. In the extract (2) which is taken from a sequence on an Australian Christmas party, the participants talk about their relatives who live in Australia and about whether they have an Australian accent or not. (2) M: Keir does of course but (0,5) funnily enough Juan doesn't (1,1) B:
is that a fact
M: it is a fact (0,8) Juan doesn't talk with any Australian accent you / ???? you say William W: no (3,6) M: it's very strange ->
B:
(1,3) that was delicious I picked that one William ... (ST p lOf)1
The reference of that one is exophoric and refers apparently to something in the non-linguistic context of this utterance. B' s utterance initiates a topic change. The new topic is about eating and weight control
75 which seems to be a problem for M and B. The new topic does not seem to be connected with the previous topic at all, nor is it related to the main topic of the entire conversation, that is to say the topic 'travelling to Australia'. M's second utterance of this extract seems to be the end of the topic. W shares her view, which he indicates with a simple no. After his utterance there is a fairly long pause of 3.6 seconds followed by what might be called an afterthought of M. M's utterance it's very strange does not develop the previous topic in any new direction. Apparently nobody has got anything to add to this topic, and therefore the floor is free for a topic change. B initiates the new topic by way of reference to the non-linguistic context. She talks about the food that they are eating. A lapse in the conversation is not the only possibility to introduce a new topic into the conversation. Previous to the extract in (3) W wonders whether he has forgotten to fill up B's glass or whether she has refused his offer. Apparently neither is the case, she has already drunk it (3) D: perhaps it's sort of automatic urpurp (0,7) *and if you —
->•
B:
and plumplum and it's gone*
D:
mm
B:
:er (0,8): [coughs] yeah one thing I was going to ask you :erm (1,4): when do you (1,6) change your money into Australian (,) I mean what do you / if you buy anything at Singapore what- what do you use (0,6)... (ST p 14)
In this case there is no silence long enough to qualify as a lapse. The new topic about changing money is introduced by B (at the place indicated by the arrow). Again there are no cohesive ties across the topic change. The last utterance of the previous topic, also by B, does not provide any useful background for the processing of the new utterance. But in this case B has to do a fair amount of verbal work to introduce her new topic. There are pause fillers er, yeah and erm, there are two fairly short pauses of 0,8 and 1,4 seconds, and above all she introduces the new topic by announcing it explicitly: one thing I was going to ask you before she actually goes on and asks the question. A similar topic change that is instantiated without a preceding lapse is introduced by oh I must tell you followed by a brief pause (ST P
6).
Thus it appears that new topics cannot be introduced out of the blue as it were. Such violations of the coherence requirements can only be committed after a sufficient lapse or after an adequate preface introducing the new topic. Very often, however, topic changes are not as abrupt as the cases in the examples above. (4) B:
what's this (,) boarding pass *documents —
M: you'll have to let her* see you using *it B:
oh* yes I will I will I will (0.7) oh very *nice
M: bring it* out of your handbag with a flourish ->
B:
with a flourish (0.9) passport and health /(,) do you have to have a health certificate [laughter] (1.1) *you de —
M: yes you /* you're / there / they / you get provided with that when you go in
76 B: oh D: if you can walk (,) you're healthy (ST p 4) In extract (4), B has just received a present from Lesley in Australia which M has brought back for her. It seems to be some kind of wallet with labelled partitions for various documents. B expresses her pleasure at the present andreadsout the labels of these partitions. She is interrupted by M, who suggests that she should let Lesley see her using the wallet Then she continues with her list and interrupts herself when she reads 'health certificate'. She does not even finish to read out the entire label because a new question has occurred to her. If there is a partition labelled 'health certificate', does this mean that one needs a health certificate to enter Australia. Thus the conversation shifts away from Lil's present to the airport formalities in Australia, and the health certificate provides the link which licenses this topic shift. This is a very common way for a conversation to develop. One expression used in talking about some topic is taken as the starting point for another topic, thus initiating a topic shift. An inserted topic is one which merely interrupts another topic without actually replacing it. The previous topic is taken up again when the inserted topic is finished; or else the inserted topic is cut off when the previous topic resumes. Another common reason for topic insertions is attention to the non-linguistic context of the conversation. As it is a dinner table conversation, the hosts and the guests often divert their attention from the main topic to offering more food and accepting or declining the offers. Extract (5) is a relevant example. (5) M: yeah the - they asked us to sit down and We waited while they / (0.7) a table became (0.6) free ->
W: B: M: W:
(2.9) [clatter of dishes] yeah you *can have that is that bacon* (,) can I — * [chuckling] is it bacon Derek (,) bit more meat
(2,3) B: mmm W: Betty *any more meat D: no more William* thank you (1.0) [D clears throat] M: and then we took our seats (,)... (ST pl4) The beginning of the insertion topic is indicated by the first arrow. The second arrow shows the line at which the previous topic is taken up again. It is noteworthy that it is the same speaker who last contributed to the previous topic, i.e. M, who continues the topic. She continues as if there had not been any interruption. In fact she marks her utterance explicitly as a continuation by prefacing it with and then.
77 It is clear, of course, that only the return to the previous topic turns a new topic or a side topic into an insertion topic. Without a return, the topic introduced in the insertion sequence might have continued and developed. An element or an event in the non-linguistic context can be salient enough to provide the necessary background for a new topic. This may be the case for only some of the participants, and they may start a parallel topic. Such parallel topicsregularlyoccur when some food is offered and accepted orrejected,while other participants of the conversation carry on with the main topic. (6) M: well (1.5) we had two or three lots of different things as they were coming round (,) and then the - the - the / wasn't it the manager William W: yeah M: the - the headwaiter or the manager came over to us because he'd / he /obviously when we came in we weren't Chinese so he was taking an interest in us (0.7) so he said :erm(0.8) er(1.0) i/ (1.3) are your all right and have you had any /he spoke in Chinese / i - is there anything else you would
W: D e r e k ? o n e ?
like (0.9) so (0.7) I said (0.7)
D:
:er(0.5): what (0.8) do you have for
W: yeah I'm sorry I / sorry
desert? but you see it wasn't / it w /
D:
•this Yum Chow me- means
W: alright
B: no there weren't desert* M: brunch (,) really it's a breakfast
D:
*yeah yeah
sounded like *extra W: I thought* he was saying extra I was just about to refuse it (ST p 8f)
[chuckle] *all ???
D: yes yes* yes yes yes (,) lovely (,) lovely
M: so he's ah desert ah :erm(0.9): oh I can give you extah - ext - extra it
yeah I'll take it with mine
W: would you like this piece here that's
cum lunch (1.3) B:
small piece please (,) for me
(,) splendid D:
?????????? (,) ????????? [D clears throat] ?????????????????????????
W: ?????????????????????????
For anybody who was not present at this particular conversation it is exceedingly difficult to transcribe a split-floor sequence. Here two conversations are carried on side by side. One conversation is a continuation of the topic that was current before the floor split This conversation is carried on by the two women, M and B, whereas the two men, W and D talk about the food. For the men this is really an insertion topic which follows the same conventions as any normal insertion topic. It takes its starting point in the non-linguistic context of the conversation, that is to say the food on their plates, or rather D's empty plate prompts W to offer some more food to D, who in turn accepts. It is interesting to note that at least W pays enough attention to what the women say to come in immediately after the end of the split floor. He does not need any time to get the context of what they are
78 saying, so he can join in and relate his own recollection of the incident in the Chinese restaurant in Australia. 4. Conclusion In this paper I have tried to show how the conversationalists collaboratively create the discourse structure in the course of the conversation. There is no pre-existing structure that the conversationalists have to follow. They create coherence and with it the structure of the conversation locally from one turn to the next.
Notes 1) The names occurring in conventions were used: (,) ( 1,2) / * ... ... * ... I...
the transcriptions have been changed. The following transcription Pause of less than 0.5 sec. Manually timed pause Self-interruption Beginning of overlapped talk End of overlapping talk Floor split
References Blakemore, D. (1988), The organization of discourse. In: Newmeyer, F.J. (ed.), Linguistics: The Cambridge Survey, Volume IV, The Socio-cultural Context, Cambridge, 229-250. Bublitz, W. (1988), Supportive fellow-speakers and cooperative conversations. Discourse Topics and Topical Actions, Participant Roles and 'Recipient Action' in a Particular Type of Everyday Conversation, Amsterdam. Bublitz, W. (1989), Topical coherence in spoken discourse. In: Studia Anglica Posnaniensia 22, 31-51. Jucker, A. H. (1992), Conversation: Structure or process? In: Searle, J.R. et al., (On) Searle on Conversation, Amsterdam, 77-90. Sperber, D./Wilson, D. (1986), Relevance. Communication and Cognition, Oxford. Vuchinich, S. (1977), Elements of cohesion between turns in ordinary conversations. In: Semiotica 20.3/4, 229-257.
Margareta Manu-Magda LE „DIALOGUE" EN DIALOGUE
1.
Questions préliminaires
2.
Le „dialogue" en dialogue, entre réalité et fiction
3.
Caractérisation du phénomène de reproduction du discours
4.
Le message reproduit
5.
Conclusion
Références Bibliographie
1. Questions préliminaires Le présent exposé n'est qu'une introduction dans la problématique du phénomène de „dialogue" en dialogue (avec application spéciale au roumain). Les quelques considérations ci-dessous nous ont été suggérées par nos recherches portant sur la compétence communicative des locuteurs dans un type à part de communité linguistique: celle dialectale, à culture orale. Nous avons pu constater que les difficultés concernant l'accès du chercheur aux données concrètes de la communication se différentient en fonction du type de situation communicative examiné. Ce sont les situations fortement standardisées et/ou ritualisées qui semblent privilégiées sous cet aspect. Pour étudier les normes sous-jacentes de la communication courante, nous avons recouru à un substitut: l'évocation du contact communicatif dans une communication-cadre. Car l'intégration profonde, prolongée du chercheur dans la communauté à observer n'est pratiquement pas possible. Nous sommes partie de la constatation générale qu'un très grand nombre des énoncés parlés ou écrits, performés au cours de la communication sont, en fait, des textes reproduits (explicitement ou non, intégralement ou partiellement) d'après des conversations antérieures (parlées ou écrites). Nous avons admis aussi dès le début, que c'est de la manière dans laquelle a lieu la reproduction du discours que dépend, au moins dans la même mesure que l'habileté d'employer le dialogue (en tant que partie de celui-ci), la qualité des relations sociales. Nous nous sommes posé ensuite le problème concernant les modalités de filtrer le message reproduit dans le message-cadre. Il s'impose ainsi la nécessité d'esquisser la perspective pour étudier en détails la reproduction (orale) du discours aussi bien comme situation communicative distincte, qu'en tant que source d'information sur les situations communicatives évoquées (après avoir éliminé les indices de distortion).
80 La complexité du phénomène de reproduction du discours dans la communication in praesentia permet d'y opérer des distinctions dont les implications intéressent plusieurs domaines de la linguistique. C'est la composante pragmatique qui offre la perspective la plus large pour approcher ce phénomène. Les travaux linguistiques qui traitent des moyens de reproduire la parole (les approchant sous différents noms comme: style, parole, discours-direct et indirect avec leurs variantes) recourent, d'habitude, à des critères formels de définition, insistant sourtout sur la fonction stylistique de ces moyens-ci dans la construction des oeuvres littéraires. 1 Ces variantes ont été décrites par la rhétorique, par la stylistique ou la théorie de la littérature étant cependant trop peu examinées pour la communication courante (Grupul u 1974; Krahl-Kurz 1984; Wellek-Warren 1967). Ayant examiné un grand nombre de textes oraux (dont, par exemple, les ethnotextes), nous avons pu constaté que le choix des moyens servant à reproduire le discours dans la communication orale n'est pas déterminé, en premier lieu, par des raisons stylistiques, mais par certaines contraintes pragmatiques (et implicitement par des facteurs psycho- et sociolinguistiques, dans la mesure ou la communication est traitée comme forme de comportement). 2. Le „ d i a l o g u e " en dialogue, entre réalité et fiction Nous nous occuperons dans ce paragraphe de la structure pragmatique que nous avons appelée (partant de l'aspect extérieur de l'énoncé) „dialogue" en dialogue. Il convient de préciser, en premier lieu, dans quelle mesure les deux termes identiques mis en relation dans la dénomination ci-dessus désignent des aspects de substance identique. La présente démarche sera contrée uniquement sur les situations de dialogue réel (identifiables, à notre avis au discours direct), que nous appellerons dialogue-cadre et à l'intérieur duquel on reproduit (dans une réplique ou bien dans les deux répliques du syntagme interactionnel minimal Action-Réaction), par l'intermédiare du disours direct cité, des répliques appartenant à des épisodes conversationnels antérieurs. Nous appellerons cette forme de discours dialogue-évoqué (ou bien, paraphrasant un terme analogue pris à la théorie de la littérature, Rahmendialog - Rahmenerzählung). 2 En accord avec la bibliographie de spécialité (Stati 1988, 13), nous désignerons par dialogue réel (conversation) la structure interactionelle qui présente les traits suivants: - oralité (cela n'exclut pas pour autant la possibilité que la conversation enregistrée soit transcrite, devenant ainsi conversation „écrite"); - contact direct: les interlocuteurs (au moins deux) sont ou bien co-présents-conversation ,/acciaa faccia", ou bien reliés par l'intermédiaire d'un canal technique (téléphone, radio); - spontanéité; - le coparticipants ont des positions hiérarchiques égales; - le passage d'un argument à l'autre se produit par consentement réciproque.
81 Partant de ces traits, les deux composantes prises en considération pour évaluer le phénomène de „dialogue" en dialogue pourraient être caractérisées comme il suit: Le dialogue-cadre respecte, en grandes lignes, les particularités du dialogue reél. Toutefois, si l'une des répliques du dialogue-cadre devient très longue (se transformant en monologue), celui-ci se rapproche, par sa structure, du dialogue apparent; c'est-à-dire il prend la forme d'une narration dans laquelle sont insérés des éléments dialogués. Le dialogue-évoqué peut converger, à son tour (comme il sera démontré ci-dessous), soit vers le dialogue réel (auquel il ne pourra s'identifier que d'une manière idéale), soit vers le dialogue fictif (dans la mesure ou les répliques reproduites simulent intégralement le dialogue réel). 3. Caracterisation du phénomène de reproduction du discours La reproduction verbale est un phénomène complexe de réactualisation, par le truchement de langue, des actions verbales antérieures au moment de la parole. Il est connu que la description de l'interaction est liée à une condition essentielle: le déroulement de discours in praesentia. Or, la reprise des paroles d'un locuteur L1 dans un événement verbal EV1 au moment T1 suppose, par contre, l'absence (au moins du discours) de L1 dans l'événement EV2 au moment T2 et la reprise des paroles de celui-ci par un transmetteur ou intermédiaire L2 ayant la fonction de récepteur dans le EV1 et celle d'émetteur second par rapport aux récepteur L3 (interlocuteur). Par la reproduction du discours on établit un pont de liaison entre des épisodes de conversation différents et le plus souvent, avec un interlocuteur absent (voire inconnu) auquel on transmet des étapes antérieures de l'histoire conversationelle.3 A la différence de l'histoire conversationelle, quand, au cours du discours on omet certains éléments considérés connus par les interlocuteurs des étapes antérieures de leur conversation, la reproduction de la parole introduit d'une manière explicite ces éléments, car ils sont inconnus à l'interlocuteur et nécessaires à la réussite de la conversation. De cette manière on assure la continuité (la liaison) entre des épisodes différents de conversation et l'on crée un véritable réseau conversationnel. 1) Reproduction du discours dans la perspective de l'émetteur L2. La langue a développé des noms spécifiques pour désigner celui qui a la fonction de reprendre la réplique produite auparavant par un locuteur (ou bien sa propre réplique): on l'appelle messager, porte-parole, sourtout dans les emplois officiels, publics. C'est à celui-ci que revient la tache de „circonstancier" le message reproduit, de le transposer, de l'adapter au public allocuteur. Le porte-parole devient obligatoirement un interprète pour les raisons suivantes: a) La reproduction littérale intégrale des messages antérieurs est impossible (même si l'on avait affaire à un messager exceptionnel, doué d'une mémoire parfaite, sincère et disposé à reproduire avec une fidélité maxima). Le résumé, l'omission sont nécessaires pour l'économie et l'efficience de la communication.
82 Il convient de ne reproduire que les répliques et les aspects significatifs pour la conversation en train de se dérouler. b) La reproduction du discours constitue elle-même un acte de parole, qui fonctionne d'après certaines règles, au messager revenant les fonctions suivantes: - restituer à la réplique la dimension de l'oralité qui lui est essentielle; - réaliser son intention communicative dans la communication seconde; d'habitude le locuteur reproduit les répliques de quelqu'un comme argument, justification, et pour faire l'interlocuteur revivre l'épisode conversationnel auquel il a participé. L2 organise son énoncé d'une manière spécifique en fonction de sa compétence linguistique et de son intention communicative, utilisant de façon prépondérente un des soi-disant styles de reproduction du discours (combinés dans une proportion qui lui convient, variant entre la reproduction littérale et la relation dans l'esprit du texte). Il est connu, par exemple, que le recours plus fréquent au style direct est spécifique aux personnes moins instruites, qui ne disposent pas de la compétence d'appliquer dans le discours des procédés linguistiques plus élaborés du point de vue logique ou syntaxique. La reproduction fidèle des répliques, en style direct suppose ou bien le cas de neutralité maxima du messager (transmission des nouvelles officielles, témoignages, etc.), ou bien le cas d'implication affective maxima. Le contenu affectif du message reproduit peut diminuer (reproduction dans des termes neutres), se conserver tel quel (par une habile et fidèle réactualisation du contexte situationnel de l'épisode conversationnel antérieur) ou augmenter (par l'exagération délibérée du messager). Par des raisons expressives, le locuteur revit l'épisode conversationnel antérieur et s'efforce, à l'aide des moyens les plus suggestifs dont il dispose (théâtralisation, mise en scène, simulation du contexte précédent), de transposer l'interlocuteur dans la situation. L2 peut donc être un simple transmetteur du message ou bien un interprète-en faveur de Ll, en défaveur de L l , en sa faveur ou bien en sa défaveur. C'est de cette position de l'émetteur second que dépend la structure du message reproduit. 2) Le phénomène dans la perspective de l'interlocuteur. La réception par l'interlocuteur L3 des répliques appartenant à des épisodes conversationnels antérieurs dépend de l'attitude conversationelle du messager. Pour la compréhension correcte des significations de l'épisode conversationnel antérieur il s'impose non seulement de communiquer fidèlement le message, mais aussi d'initier l'interlocuteur en ce qui concerne les conditions dans lesquelles le message a été produit (le contexte du message respectif). L'initiation de l'interlocuteur se fait à l'aide de quelques indications de mise en scène données par L2 à propos des conditions dans lesquelles les paroles de Ll sont prononcées. Entre L2 et L3 s'établit une complicité concernant l'interprétation du message de L l . Cette complicité dépend en grand mesure de la teinte que le messager imprime à la conversation, mais aussi de l'acceptation par L3 de la variante qui lui est présentée.
83 4. L e message reproduit Le message reproduit (le dialogue évoqué) apparaît comme texte-copie (transmission d'information exacte, document, argument), texte-variante ou texte-version présenté par L2 pour le discours énoncé dans un épisode conversationnel précédent. La dimension du message reproduit varie (en fonction de l'intention communicative de L2 et du contexte de communication de l'EV2). La longueur de ce message peut correspondre à un fragment de réplique, à une ou à plusieurs répliques (soit consécutives, soit intercalées dans le texte du dialogue-cadre). a) Identité - Alterité dans le message reproduit La reproduction littérale (la citation) est utilisée d'habitude par les locuteurs qui sont obligés a cela, qui désirent conférer plus de vraisemblance, plus d'authenticité, aux choses relatées, qui y cherchent un argument (d'autorité ou non) ou qui, tout simplement, considèrent cela plus commode. Les textes-copies, plus rarement identifiables dans la conversation courante, ne sont, en général, que des courtes répliques. Car la reproduction littérale des énoncés plus longs sollicite la mémoire et l'attention des interlocuteurs, troublant par cela la spontanéité de la conversation et rendant difficile la communication dans des contextes informels. Les textes-variantes sont les plus fréquents dans le type de communication analysé. Ils représentent une reproduction du message originale non pas dans sa lettre, mais dans son esprit (variant de la relation approximative jusqu'à la simulation du dialogue). Le texte-version apparaît chaque fois que l'esprit du message original n'est pas respecté (la lettre du texte reproduit étant souvent, d'une manière délibérée, partiellement respectée). La signification du texte-version dépend de la façon dont ce texte est inséré dans le contexte du dialoguecadre. Dans la version reproduite, les actes verbaux performés in praesentia perdent leur fonction initiale, acquérant une autre, secondaire, dans le contexte EV2. Les mutations de temps, de lieu et d'interlocuteur entraînent, d'habitude, la transformation d'un acte linguistique dans un autre (acte indirect), l'acquisition d'une nouvelle force illocutionnaire (cf. par exemple, le cas du mensonge, du cancan, de l'intrigue, de l'insinuation). D'ailleurs, dans un sens ou dans un autre, la ,.réussite" ou .J'échec" (selon le point de vue adopté) de la communication à reproduction de discours a pour effet .^'incitation", „la désinformation", „la manipulation" de l'interlocuteur (termes si souvent usités aujourd'hui dans la vie sociale et politique des „pays de l'Est" pour désigner les causes de l'échec dans le dialogue sociale) (Guju Romalo 1990). Et cela car on constate que le locuteur (ou „la voix" qui le représente, quand il s'agit du dialogue social) ne se résume pas à relater fidèlement, en respectant l'identité du texte reproduit (et, implicitement, celle de l'auteur de celui-ci); le plus souvent, ce locuteur interprète, et même dénature, des répliques prononcées antérieurement, convertissant la communication dans la direction par lui désirée.
84 Le texte-variante et le texte-version sont des résultats de la communication linguistique subjèctivisée. Les trois types de textes décrits représentent, à côté de quelques autres formes de discours (de nature argumentative) (Anscombre-Ducrot 1981; Stati 1990) des formes importantes de manifestation de ce que nous avons appelé la fonction persuasive du langage, b) Liberté et contrainte dans la forme du message Reproduire en style direct les paroles d'autrui n'est pas obligatoire dans la communication orale. Le sujet parlant peut choisir librement ce procédé-ci, en défaveur d'un autre. Ce choix est motivé par le plaisir de parler du locuteur et par sa capacité d'improviser sous forme de dialogue. Mais cela n'est pas tout. La forme du message reproduit est dépendante de toute une série de contraintes qui concernent, en grandes lignes: la capacité fonctionelle du code employé, la compétence communicative du locuteur, le caractère spécifique du contexte communicatif (lieu, temps, interlocuteur). Nous nous limiterons ici à énoncer quelques-unes des contraintes qui exercent une influence sur la forme du message reproduit. Nous nous servirons d'exemples extraits des ethnotextes roumains recueillis sur terrain.4 Des contraintes concernant le code: Les ethnotextes sont le résultat d'une culture orale, étant engendrés par un code restreint, dont la capacité fonctionelle est limitée. Aussi se caractérisent-ils par une remarquable homogénéité verbale. La distance verbale entre le dialogue-cadre et le dialogue-évoqué est pratiquement négligeable, car les alternatives linguistiques du répertoire verbal des locuteurs sont peu variées. C'est pourquoi les traits principaux du dialogue-évoqué sont l'authenticité et l'expressivité du discours (c'est-à-dire des éléments qui concernent la variation stylistique et non par celle sociolinguistique). On constate aisément que les textes conservent en très grande mesure tous les indices linguistiques de l'oralité, spécifiques à une communauté linguistique (à savoir: des formules d'interpellation, spécifique, des inteijections locales, des marques de la déclaration, des expressions éliptiques, des éléments, des expressions ayant la fonction de mettre en relief, d'intensifier, des expressions dubitatives, itératives ou marquant l'échec, des exclamations, etc.). En voici un exemple: O vint. Vine ji face: „TuAno ... mâprimifi?". „Da ...damumS hi, ce-ai zis dwnneata cînd ai vint la noi cînd m-am fâcut mireasâ?!". ,JVa lasa-le toate acuma," ...§i m-am dus la el în grajd §i-am zis câtâ el: „Cefacem acuma? Cà uite, o vint la noi." Face: „PSi ce safScem? " o zis, „ s-o grijim câ-i mumâ-ta. " les afarà. Am avut un vecin lîngâ mine acolo. Zice: „ Tu, nu lega s-o grijejti, câ aia {-o fâcut multe çi nu moare curînd." Era pârintele, tatu-so lu Ion, „Ce faci Ano?" - „Domnu pSrinte ii mumâ-sa lu bSrbatu meu, ce sâ facu?" „No Ano ..." Mâ gîndiam „ Vei hi tu popk, da nu eçti Dumnezeu, cà nu §tii câ moare ori trâie§te." Da n-o durât mult. (TDSib 1985)
85 (Elle est venue. Elle vient et dit: „Dis donc, Anne ... me recevez vous?" „Mais ... dites donc maman, qu'avez vous dit quand vous êtes venues chez nous quand je me suis mariée?!" „Eh, laisse tout ça maintenant", me dit-elle... Et je suis allée chez lui dans l'étable et je lui ai dit: „Qu'allons-nous faire maintenant, car, voilà qu'elle est venue chez nous?" Il me dit: „Dame, que pouvons-nous faire?" a-t-il dit, „nous allons la soigner car c'est ta mère!" Je sors. J'ai eu un voisin à côté. Il dit:,,Dis-donc, ne t'engage pas à la soigner car celle-là t'a fait beaucoup de mal et elle ne meurt pas si tôt". C'était le curé, le père de Jean ..."Que fais-tu, Anne?" „Monsieur le curé, c'est sa mère à mon mari, que faire?" ,,Eh bien, Anne ..." Je pensais: „Tu peux bien être prêtre, mais tu n'est pas le Dieu, car tu ne sais pas si elle meurt ou si elle vit." Mais elle n'a plus duré longtemps.) Des contraintes imposées par la nécessité d'une communication efficiente: L'analyse des ethnotextes a relevé, à côté de la tendance mentionnée ci-dessus, que pour des raisons visant l'efficience de la communication, le discours de L1 est repris par L2 d'une manière sélective et résumative. Tous les actes verbaux qui ne posent pas en premier plan l'intention communicative de L2 sont omis ou résumés (par des paraphrases ou des clichés verbaux du type cutare „un tel, une telle chose", nu piu ce , j e ne sais pas quoi", a§a-a$a „ainsi-ainsi", c-o fi c-o pâfi, „qu'il advienne ceci, qu'il advienne cela", cîte în lunâ fi-in stele, „un tas de choses"). 5 Exemple: Câ zicea: „Ne vine un plontonier, aja-aja, plontonier majur" (TDM, m , 120) (Qu'il dit: „11 nous arrive un adjudant, ainsi-ainsi, un adjudant chef.") A§a-a§a remplace l'histoire antérieure. „Cine treiera întîi?" „Cutare." (TDM III, 137) („Qui bat les céréales d'abord?" „Un tel.") Cutare remplace le nom propre. Acolo: ,,Tovarâ§u cutare" zice „uite, serveçte pe dînsu, nu §tiu ce", cà era treburi mari. (TDM, n, 64) (Là: „Camarade un tel" dit-il „tiens, sers-lui, je ne sais quoi", car ...) Il est aussi à observer que certains actes linguistiques ayant la fonction d'introduire le discours sont souvent totalement omis dans la reproduction du discours (tels: le salut, la présentation, l'excuse, le remerciement). A certaines questions directes de l'enquêteur concernant la manière de réaliser ces actes, la réponse est presque toujours: „Mais comment dire...?!" (ces actes étant considérés si banals et si connus que leur reproduction au cours de l'enquête semble superflue au sujets enquêtés). Contraintes liées à la compétence culturelle et communicative des locuteurs: Les textes prouvent que, dans la plupart des cas, la reproduction du discours constitue la simulation d'un énoncé exprimé auparavant dans les termes de la compétence du locuteur adapté au nouvel interlocuteur.
86 Par exemple, une informatrice âgée, reproduit employant ces propres paroles, le message transmis par le médecin qui avait traité son mari. Elle-même a des hésitations concernant la reprise correcte du discours: ,,Câ", zice, „dacà n-a mûrit în douàjpatru de ore, nu mai moare. Dacà vomita sînge murea. Da nu, s-a pornit. §-a$a câ are... stomacu bun, nu e fârîmad, nu e nimic, da picioru sâ lipeçte la loc. Il bàgàm în nejte greutâp." Nu §tiu cum mi-a spus acolo. (TDM, II, 49) („Car", dit-il, „s'il n'est pas mort en vingt quatre heures, il ne meurt plus. S'il avait vomi du sang, il serait mort. Mais non, cela n'a pas commencé. Il a donc l'estomac bon, il n'est pas cassé, ce n'est rien, la jambe peut se coller à sa place. Nous lui attacherons des poids." Je ne sais plus comment il a dit là.) Parfois les locuteurs expriment leur impossibilité de reproduire certaines informations: Exemple: Imi spunea cineva: „Mà, du-te la un cetàtean la garâ ..." un nume ... nu $tiu cum îi mai spunea, Ciornu, zice ,,câ are legâturi acolo, la Pietroçip." (TDM,
n, 64)
(Quelqu'un me dit: „Dis donc, va chez un citoyen ici à la gare ..."un nom ... je ne sais plus comment il s'appelait encore, Cioranu, il dit „car il a des relations là, à Pietrosita.) Des contraintes liées au caractère formel ou informel de la communication, au statut de l'interlocuteur: La reprise en d'autres termes d'un message atteste l'adaption linguistique au partenaire dans la communication orale. C'est le cas de l'emploi de certaines formes protocolaires ou non-protocolaires, des formes d'appel, des formes de politesse ou des formes argotiques, l'emploi d'un langage plus soigné ou par contre, moins soigné, là où le contexte initial imposait un autre registre. Pour la même raison est souvent évitée la reprise textuelle de l'insulte, de l'imprécation, du juron, remplacés par des formes résumatives ou euphémistiques. Exemple: Mama: ,jL&-\,fïre-ai,facere-ai, dregere-ai, ce sà vâ fac la toate?" (TDM, n, 145) (Ma mère: „Prends-le comme-ci sois tu ..." et ainsi de suite, „que veux tu que je vous fasse à toutes?") 6. Conclusions Nous avons essayé d'énumérer ci-dessus quelques-uns des aspects concernant la reproduction du discours dans la communication orale. Chaqun de ces aspects pourrait être détaillé et nuancé. Une évaluation plus attentive de cette problématique peut contribuer à mieux connaître la communication humaine en contexte social. Et cela car on étudie un type spécial de situation communicative, avec ces contraintes spécifiques. D'autre part, une telle étude suppose l'identification des moyens qui filtrent et/ou déforment, en fonction des paramètres de la situation
87 communicative-cadre, les informations concernant la situation communicative reproduite. Cela permettrait de reconstituer ultérieurement les informations pertinentes sur l'acte de communication reproduit et de l'étudier même en l'absence de l'accès direct à celui-ci. Néanmoins une question importante reste, pour le moment, ouverte: y aurait-il un type pragmatique spécifique à une langue (par rapport à une autre) concernant le phénomène de reproduction du discours?
Références 1 ) L'analyse des indices linguistiques des moyens servaut à reproduire le discours ne constitue pas l'object du présent ouvrage. Pour la description linguistique du phénomène dans la langue roumaine cf. Fischer-Vasiliu 1953, Golopenjia 1959, GA 1966, Manca$ 1972. 2) „Si usa quindi dialogo nel senso ristretto di dialogo reale, opposo a quello fittizio, di cui è responsabile una persona che ha inventato le battute (e moltissime volte anche gli interlocutori); (...) Acceniamo infine al dialogo inteso come effetiva communicazione interpersonale, imperniata sul desiderio di ogni partecipante di stabilire una relazione reciproca viva; questo è il dialogo autentico, opposto al dialogo apparente, che consiste in realtà di brevi monologhi giustapposti, paralleli." (Stati 1988, 11-12). 3) L'histoire conversationelle:,.L'ensemble des interactions conversationnelles ayant eu lieu, à un moment donné, entre deux (ou plusieurs) sujets parlants." (Golopen;ia 1985). 4) Les ethnotextes que nous avons pris en discussion constituent des répliques développées (des narrations orales), appartenant à l'interview enquêteur/sujet parlant; à l'intérieur de celles-ci ont été insérés des fragments dialogués. Le dialogue-évoqué apparaît comme texte-variante de l'original reproduit Comme l'interlocuteur est, presque invariablement, l'enquêteur à statut d'outsider par rapport à la communauté linguistique étudiée, les intentions du locuteur sont, en général, affectives, déterminées par le besoin de se confesser, le plaisir de raconter, le désir d'épater, etc. La sincérité des locuteurs confère au matériel un degré élevé de vraisemblence; cela est illustratif pour la communication linguistique spécifique au milieu rural ancien, à culture orale (dans lequel l'éducation se faisait, et se fait encore, parfois par l'habitude et non pas par l'instruction). Par la manière dont il a été conçu, l'ethnotexte (en tant que modèle et texte orale) s'avère le résultat du comportement linguistique d'un locuteur représentatif pour en parler, une matérialisation de la compétence communicative de ce locuteur. L'analyse de ce texte nous permet donc d'y déceler des aspects du type structural communicatif d'une communauté dialectale (Manu-Magda 1991). Une riche collection d'ethnotextes est recelée par l'Archive phonogrammique de l'Institut de Phonétique et Dialectologie „A.Rosetti" de l'Académie Roumaine. Certains de ces textes là ont été publiés en transcription phonétique en volumes (Cf. TD dans la bibliographie). 5) Milaç (1988) classe ces formules sous le titre Expressions elliptiques: „Ce qui est caractéristique pour les syntagmes de ce type ... est leur sémantisme vague. La qualité mentionnée les fait adaptables à des contextes variés, dans les limites de la conservation du régent déclaratif."
Bibliographie Anscombre, J.Cl./Ducrot, O. (1981): Interrogation et argumentation, „Langue française" 52, 522.
Fischer, I./Vasiliu Em. (1953): Vorbirea directâ $i indirectâ, in „Limba românâ" 4, 35-40. Golopenjia, S. (1959): Despre o variants a vorbirii indirecte, „Studii si cercetâri lingvistice" 4.
88 Golopenjia, S. (1985): Interaction et histoire conversationnelles. Actes du Colloque „Interactions conversationnelles" Urbino (pre-print). *** Gramatica limbii romàne (GA) (1966), Bucurejti. Grupul u (Dubois, J., Edeline, F., Klinkenberg, J.M., Minguet, P., Pire, F., Trinon, H.): Retorica generali (1974): Bucure§ti. Gutu-Romalo, V. (1991): Considérations sur le „dialogue social", Dialoganalyse in, Referate der 3. Arbeitstagung, Bologna 1990, Teil 2, Tübingen, 433-439. Hilty, G. (1969): Grammaire et style dans le domaine de la reproduction des paroles et des pensées, Sinaia. Krahl, S./Kurz, J. (1984): Kleines Wörterbuch der Stilkunde, Leipzig. Mancas, M. (1972): Stilul indirect liber in romàna literarä, Bucurejti. Manu-Magda, M. (1991): Etnolingvisticä §i tip pragmatic - cu privire specialä la limba romàna. Exposé présenté au 16ème Congrès de l'Académie Roumaino-Américaine de Sciences et d'Artes, Bucarest (sous-presse). Milaç, C. (1988): Introducere in stilistica oralitä{ii, Bucurejti. Stati, S. (1988): Il dialogo. Considerazioni di linguistica pragmatica, Napoli Stati, S. (1990): Le transphrastique, Paris. Texte dialectale. Muntenia (TDM) (sub conducerea lui B.Cazacu), vol. I (1973), Bue urenti; voi. II (1975), Bucureçti; vol. Iïï (1987), Bucureçti. Texte dialectale din Märginimea Sibiului (TDSib) (1985), Bucurejti (culese si transcrise de M. Manu-Magda, mss.). Wellek, R./Warren, A. (1967): Teoria literaturii, Bucurejti.
Matthias Marschall ROUTINEN BEIM TEXTVERSTEHEN Eine Voruntersuchung zu Strategien des Leseverstehens
1.
Vorbemerkung
2.
Textverstehen und Grammatik
3.
Pronominalisierung und Renominalisierung
4.
Pronomengebrauch im Test
5.
Diskussion der Ergebnisse
6.
Ausblick
Literatur
1. Vorbemerkung Das Projekt, das ich hier vorstellen möchte, verdankt sehr viel meiner Arbeit mit französischsprachigen Deutschlernern. Die Schüler werden systematisch mit einer Reihe grammatischer Probleme konfrontiert, die ihnen bis in sehr fortgeschrittene Stadien des Erwerbs der Zielsprache große Schwierigkeiten bereiten. Aus der Perspektive der Textproduktion ist das Insistieren auf diesen grammatischen Schwierigkeiten nicht gerechtfertigt. Für die Produktion verstehbarer (insbesondere mündlicher) Texte könnte man auf ihre Beherrschung verzichten. Anders dagegen aus der Perspektive der Textrezeption. Hier bekommt die Beherrschung grammatischer Ausdrucksmittel ihre eigentliche Bedeutung. Der Gebrauch der Personalpronomina gehört zu diesen Problemen, deren Beherrschung nur dann relevant ist, wenn es um das Verstehen von Texten geht. 2. Textverstehen und Grammatik Das Verstehen von Texten ist ein kommunikativer Prozeß. In seinem Verlauf erarbeiten Textproduzent und -rezipient gemeinsam Sinn - entweder direkt (im Fall der face-to-face-Inteiaküon) oder vermittelt (im Fall schriftlicher Texte) über die Repräsentationen, die Schreiber und Leser voneinander haben. In direkter, mündlicher Kommunikation ist die Kooperation bei der Sinnkonstitution augenfällig. Der Hörer hat die Möglichkeit, bei Verstehensschwierigkeiten nachzufragen und macht in der Regel von dieser Möglichkeit auch Gebrauch. Der Sprecher kontrolliert den Erfolg seiner Sprech-
90 handlungen an den mimischen und gestischen Reaktionen des Hörers und bezieht diese Kontrolle in die Organisation seiner Äußerungen ein. Über die Möglichkeit der unmittelbaren Kontrolle seiner Äußerungen hinaus bieten mündliche Kommunikationssituationen die Möglichkeit, nicht-sprachliche Ausdrucksmittel zu verwenden. Insgesamt sind hier sprachliche Ausdrucksmittel in ihrer Funktion, das Verstehen eines Textes zu leiten, weitgehend entlastet. So ist es z.B. nicht unbedingt notwendig, beim Gebrauch der Pronomina streng auf Eindeutigkeit zu achten; häufig verschwimmt die Grenze zwischen deiktischem und anaphorischem Gebrauch. Eben: im Notfall kann ja der Hörer nachfragen! Anders dagegen in schriftkonstituierten Texten. Hier ist der Leser im wesentlichen auf die sprachlichen Ausdrucksmittel angewiesen. Während in mündlichen Texten der Bezug eines Pronomens gestisch gesichert werden kann, muß in schriftkonstituierten Texten ein Pronomen eindeutig sein. Der Unterschied zwischen schriftlichen und mündlichen Texten tritt noch deutlicher hervor, wenn wir referentielle Probleme einmal beiseite lassen und uns auf Fragen der Textstrukturierung konzentrieren. Für das Verstehen von Texten ist es notwendig, daß der Hörer oder Leser frühzeitig eine Hypothese über die Textstruktur entwickeln kann, die im weiteren Verlauf des Rezeptionsprozesses ermöglicht, neue Informationen sinnvoll auf den schon rezipierten Text zu beziehen. Für diese Fähigkeit, früh Hypothesen über die Textstruktur und speziell über den weiteren Verlauf eines Textes zu entwickeln, spreche ich von Verstehensroutinen. Es handelt sich hierbei um ein praktisches Wissen über die Konstruktion und konkrete Gestaltung von Texten. Als „Routine" bezeichne ich dieses Wissen deshalb, weil es sich um ein Ergebnis aus Leseerfahrungen handelt, nicht etwa um das einer gezielten Unterweisung. Jacques Moeschier hat in seinem Vortrag in ähnlichem Sinne von Text-scripts gesprochen. In der Folge wende ich mich den grammatischen Ausdrucksmitteln zu, die die Organisation des Textes markieren. Damit will ich versuchen, die Rede von Verstehensroutinen inhaltlich zu füllen. Um eine hypothetische Repräsentation der Textstruktur zu erstellen, muß ein Leser - unter anderem - systematisch die verwendeten Ausdrücke in seine Interpretation einbeziehen. Hier nun bietet sich die Analyse der Lesesituation insofern an, als in schriftkonstituierten Texten die Markierungsaufgaben fast ausschließlich den sprachlichen Ausdrücken zufallen. Neben anderen Fähigkeiten, die zu dem Bündel der „Verstehensroutinen" gehören, muß ein Leser in der Lage sein, einen Text in Sinneinheiten zu unterteilen und diese zueinander in Beziehung zu setzen. Diesem Bereich der Textstrukturierung möchte ich mich im folgenden ausschließlich zuwenden. Und dabei - da wir uns auf schriftkonstituierte Texte konzentrieren - auf die Verwendung anaphorischer Ausdrucksmittel (Pronomina) konzentrieren. 3. Pronominalisierung und Renominalisierung Pronomina sind insofern in unserem Zusammenhang von Interesse, als sie die Zusammengehörigkeit innerhalb eines Teiltextes markieren und so wesentlich zur Textkohärenz beitragen. Einen Ausdruck pronominal wiederaufnehmen, signalisiert/bedeutet, daß man sich innerhalb eines enger
91 zusammengehörigen Teils des Textes befindet. Einen Ausdruck nominal wiederaufnehmen, ihn renominalisieren, dagegen signalisiert/bedeutet, daß der mit der Renominalisierung verbundene Aufwand notwendig geworden ist Die Renominalisierung kann nun aus rein referentiellen Gründen verwendet worden sein, weil ein Pronomen an dieser Stelle mehrdeutig wäre, sie kann zu argumentativen Zielen eingesetzt werden, um einen zusätzlichen Bedeutungsaspekt einzuführen, oder aber die Renominalisierung markiert den Beginn eines neuen Teiltextes. Was nun den Einsatz von Renominalisierung und Pronominalisierung betrifft, so stimmen die Regeln des Deutschen und die des Französischen weitgehend überein. Auch für französische Texte gilt, dass Renominalisierungen Aufmerksamkeitssignale sind, die - im Gegensatz zu Pronominalisierungen - eine besonder Interpretation verdienen. Im Grunde trifft also ein französischsprachiger Deutschlerner in dieser Hinsicht nichts Neues in den fremdsprachigen Texten an. Dennoch differieren die Verstehensleistungen in der Muttersprache und in der Zweitsprache lange Zeit sehr stark. 4. Pronomengebrauch im Test An zwei Klassen des Genfer Cycle d'Orientation habe ich getestet, inwieweit die Schüler in der Lage sind, solche Strukturhypothesen zu entwickeln bzw. nutzbar zu machen. Dabei habe ich nicht direkt die Interpretation der Pronomina eines Textes erfragt, weil Form und Gesamtinhalt eines Textes die Interpretation oft schon hinreichend determinieren. Die Schüler wurden vielmehr vor eine gesteuerte Produktionsaufgabe gestellt, die Aufschlüsse über die Einbeziehung näher oder weiter entfernterer Kotextinformationen liefert. Lückentexte, in die Pronomina einzusetzen sind, eignen sich in besonderer Weise dazu, die Einbeziehung von Kontextinformationen in den Textverstehensprozeß zu testen. Die Wahl der Personalpronomina hängt - jedenfalls gilt das für das Lückentest-Setting - von der Verbform (nächster Kontext) sowie von vorausgegangenen Nominalgruppen ab, die im gegebenen Kontext Anwärter auf die Rolle der Antezedenten sind (weiterer Kontext). Für die Wahl des Pronomens muß allerdings darüberhinaus eine globale Repräsentation des Textinhalts zugrundegelegt werden. Und genau diese Fähigkeit, eine globale Inhaltsrepräsentation für die Lösung der Testaufgabe zu nutzen, sollte mit Lückentests überprüft werden. Bei der Testpopulation handelt es sich um zwei in ihrer Zusammensetzung vergleichbare (prägymnasiale) Klassen der achten (14-15 Jahre, N = 33) und der neunten Stufe (15-16 Jahre, N = 22). Die Schüler haben seit zwei bzw. drei Jahren einen mit Noten sanktionierten Deutschunterricht und davor in der Primarschule drei Jahre Deutschunterricht (ohne Notensanktionen). Hier der Lückentext, wie ich ihn den Schülern vorgelegt habe: Erika war mit ihrer Klasse im Sommer eine Woche in Berlin. Es war herrlich [!] war bei Jochen. Jochen und seine Familie waren sehr nett . 2 , haben ihr ganz Berlin gezeigt
92 Erika hat einen Brief von Jochen wiedersehen. Vielleicht fährt Heute trifft [7j
[3]
möchte
[4]
zu Weihnachten
pj in den Ferien wieder nach Berlin.
[6] ihren Freund Hans in der Schulkantine beim Essen fragt
[ 8 j: „Kommst
auch mit nach Berlin?" -
j10j möchte gern", sagt Hans, „aber
j U j habe nicht genug Geld." -
„Sieh mal", antwortet Erika, „hier sind Fotos von Jochen
J12J sind vor dem
Bahnhof Zoo, in der Stadtmitte. Von dort fahren alle Züge nach Westen." Der hier verwendete Text wird im Deutschunterricht zur Überprüfung des Pronomengebrauchs angewandt. Dass der Text nicht an allen Stellen eindeutig die Lösung determiniert, steht gegen den Vorteil, einen authentischen Unterrichtstext zu verwenden. In zusätzlichen, als Lückentest konzipierten Texten habe ich die Ergebnisse bestätigt finden können. Das Lückentext-Setting ist den Schülern aus anderen Aufgabenstellungen wohlbekannt Es ist ein bei Lehrern beliebtes, von den Schülern eher gefürchtetes Mittel, die Fähigkeiten im Gebrauch bestimmter Ausdrucksmittel im Kontext zu überprüfen. Auch die Struktur des Textes, der neben einem monologischen Erzählteil einen dialogischen Teil umfasst, ist den Schülern bekannt, wenn auch im Deutschunterricht weniger geläufig als rein dialogische Texte. Nun zu den Ergebnissen in den beiden Klassen: die besten Resultate finden sich im zweiten, dialogischen Teil unseres Lückentextes, in dem Personalpronomina, also deiktische Ausdrücke, einzusetzen sind. Das gilt sowohl für die achte wie für die neunte Klasse. Allerdings muß einschränkend hinzugefügt werden, daß die letzte Lücke ([12]) hier abweicht. Sehr häufig setzen die Schüler an dieser Stelle ein anaphorisches sie ein. Das bedeutet, daß sie sich bei ihrer Entscheidung in erster Linie auf die Verbform stützen. Dieses Ergebnis kann zwei Gründe haben: eine mögliche Ursache ist darin zu sehen, daß die Schüler den vorausgehenden Satz (und damit das Fehlen eines möglichen Antezedenten) nicht berücksichtigen; eine weitere Ursache ist darin zu sehen, daß die zutreffende Beantwortung dieser Lücke einen Perspektivenwechsel voraussetzt: das wir bezieht sich nur zum Teil auf die Kommunikation und die an ihr Beteiligten, da es 'Erika' und 'Jochen' bezeichnet und sich somit auf die auf dem Foto dargestellte Situation bezieht. Interessant ist dieses Ergebnis zum einen, weil hier die falschen Antworten beim Übergang zur neunten Klasse nicht zurückgehen, sondern im Gegenteil sogar zunehmen: während in der achten Klasse in etwa ebenso viele Schüler w/r (17) wie sie (15) wählen, überwiegt in der neunten Klasse eindeutig sie (19 gegenüber 3 wir). Es ist zugleich der einzige Ort, an dem von einer weiteren Tendenz abgewichen wird, die in der achten Klasse sehr deutlich hervortritt, nämlich die Tendenz zum Gebrauch deiktischer Ausdrucksmittel. In der achten Klasse ist der Anteil deiktischer Antworten mit 47% sehr hoch - angesichts der Tatsache, daß nur in einem Drittel der Lücken tatsächlich eine deiktische Antwort gefordert ist. Auch an solchen Stellen, wo der Gebrauch eines Personalpronomens durch die Verbform ausgeschlossen ist, setzen diese Schüler ein Personalpronomen - vorzugsweise ich. Betroffen von einem
93 solchen abweichenden Personalpronomengebrauch sind die Lücken [3], [5] und [6], Es handelt sich also um solche Stellen, die die Einbeziehung eines weiteren Kontexts erforderlich machen und für die Schüler eine größere Anforderung darstellen. In der neunten Klasse entscheiden sich die Schüler mit größerer Sicherheit für anaphorische Ausdrucksmittel - auch an den genannten Konfliktstellen. Sie reagieren damit auf die von der Textsorte geforderten Homogenität der Wiederaufnahme. Der Anteil personaldeiktischer Antworten liegt allerdings mit 30 % unter den erwartbaren 33 %. Das ist im wesentlichen eine Folge der Bevorzugung des anaphorischen sie in der Lücke [12]. An dieser Stelle schießt die erworbene Systematisierung über ihr Ziel hinaus. 5. Diskussion der Ergebnisse Offensichtlich liegt hier eine Veränderung in den Lesegewohnheiten vor, die eine neue Wahlstrategie erscheinen läßt Während in der achten Klasse in Problemfällen häufig auf deiktische Ausdrücke insbesondere der ersten Person zurückgegriffen wird, sind die Schüler der neunten Klasse deutlich zielgerichteter. In weiteren Lückentests habe ich die hier beschriebenen Tendenzen und Antwortverhalten bestätigt finden können. Sehr deutlich tritt in der achten Klasse das Ausweichen auf deiktische Ausdrucksmittel hervor und geht in der neunten Klasse stark zurück. Hartnäckiger sind dagegen Fehlantworten, die auf mangelhafte oder unzureichende Einbeziehung des weiteren Kotextes sowie der Textstruktur deuten. So wird in beiden Klassenstufen allgemein bevorzugt die nächst vorausgehende Nominalgruppe pronominalisiert - auch wenn, wie in unserem Beispiel Lücke [3], ein eingeführtes Thema ('Erika') in den folgenden Sätzen beibehalten wird. Ein erster Schritt zur Berücksichtigung des Texttyps ist also im Übergang von der achten zur neunten Klasse getan, nicht jedoch die Entwicklung auf eine systematische Einbeziehung der Textstruktur. Mit Bezug auf Stadien des Leseerwerbs kann man diesen Befund folgendermaßen erklären: die Ergebnisse legen nahe, daß die Schüler in dem beobachteten Zeitraum akkumulativ lesen. D.h. sie nehmen die eingehenden Informationen zunächst unstrukturiert auf und versuchen anschließend, auf Basis der Kenntnis des Inhalts, eine hierarchisch organisierte Repräsentation zu entwikkeln. Hierzu passt auch die Beobachtung, daß Schüler - auch noch in späten Klassenstufen - das Textverstehen stark von der Lexik abhängig machen und schon bei geringfügigen lexikalischen Problemen die Lektüre abbrechen. 6. Ausblick Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass sich beim Erwerb des Leseverstehens unterschiedliche Stadien oder Strategien unterscheiden lassen, die m.E. große Ähnlichkeiten mit den Stadien aufweisen, die in der Schreibforschung unterschieden werden (s. Bereiter (1980)). Ein wichtiger Aspekt ist die systematische Einbeziehung grammatischer Ausdrucksmittel in die Textinterpretation sowie deren Nützung für ein vorausschauendes Lesen.
94 Aufgrund seiner Manipulationsmöglichkeiten scheint mir das Lückentestsetting gut geeignet zur Erforschung des Leseerwerb in Hinblick auf die Berücksichtigung grammatischer Ausdrucksmittel. Im Lückentest wird der Kotext vorgegeben. Diese Vorgaben können so gestaltet werden, daß die Antworten der Versuchspersonen (Vpn) zeigen, ob für die Wahl des Pronomens über den Satz hinausgehende Kontextinformationen berücksichtigt werden. Aus diesen Ergebnissen läßt sich dann auf die angewendete Lesestrategie rückschließen: Vpn, deren Antworten nur mit der Verbform vereinbar sind, jedoch im gegebenen Kontext keinen Sinn ergeben, und mehr noch solche, die sich nicht einmal an die Einschränkungen halten, die mit der Verbform vorgegeben sind, wenden sicher auch außerhalb der Testsituation eine Lesestrategie an, bei der sie (zunächst) die im Text enthaltenen Informationen relativ unabhängig voneinander sammeln und erst im Nachhinein die Menge der Informationen zu ordnen suchen. Dieses Verfahren ist typisch für frühe Stadien des Leseerwerbs (in der Muttersprache wie auch in einer Fremdsprache) - als Stadium des Erwerbs ist es keine wirkliche Strategie, weil der Leser nicht die Wahl zwischen der Anwendung verschiedener Strategien hat. Mit zunehmender Berücksichtigung des weiteren Kontextes für die Lösung der Lückentest-Aufgabe steigt die Wahrscheinlichkeit, daß die Vp auch in natürlichen Rezeptionssituationen eine globalere Lesestrategie verfolgt, bei der sie sich schon zu Beginn der Rezeption um eine (heuristische) Repräsentation des Inhaltes des Texts bemüht und dazu die sprachlichen Ausdrucksmittel für das Textverstehen nutzt. Aus der Satzverstehensforschung ist diese Entwicklung von einem stark lexikalisch ausgerichteten Verfahren zur systematischen Berücksichtigung grammatischer Ausdrucksmittel (etwa Passiv) bekannt (vgl. Engelkamp (1976); für das Französische und im Sprachvergleich: Sinclair/Bronckart (1972), Bronckart/Sinclair/Papandropoulo (1976), Bronckart/Gennari/de Weck (1981), Bronckart (1983)). Es wäre interessant, in solchen Bereichen, für die der Zusammenhang zwischen Gebrauch sprachlicher Ausdrücke und Textstrukturierung klar beschreibbar ist, zu überprüfen, ob sich vergleichbare Entwicklungen auch für das Textverstehen nachweisen lassen.
Literatur Bereiter, C. (1980): „Development in writing" in: L.W. Gregg/E.R. Steinberg (eds.): Cognitive processes in writing. Hillsdale: Erlbaum Bronckart, J-P (1983): „Les relations fonctionnelles dans la phrase simple: problèmes et perspectives." in: J-P Bronckart/M. Kail/G. Noizet (eds.): Psycholinguistique de l'enfant. Paris: Delachaux & Niestlé, 91-99 Bronckart, J-P/Gennari, M./de Week, G. (1981): „The Comprehension of Simple Sentences. Ontogenesis of Modes of Processing in French." in: International Journal of Psycholinguistics, 8,121-147 Bronckart, J-P/Sinclair, H./Papandropoulo, I. (1976): „Sémantique et réalité psycholinguistique." in: Bulletin de psychologie, N° spécial „Mémoire sémantique", 225-231 Engelkamp, Johannes (1976): Satz und Bedeutung. Stuttgart: Kohlhammer Sinclair, H./Bronckart, J-P (1972): „S.V.O., a linguisitc universal? A study in developmental psycholinguistics." in: J. of Child Exp. Psychol. 14,329-348
Johan Mönnink DER SATZ IM SPRECHEN UND VERSTEHEN
1.
Der Satz als Basiseinheit
2.
Der Satz in Interaktion
Literatur
1. Der Satz als Basiseinheit Wer Gespräche zu analysieren versucht, und dafür nach deren Einheiten auf der Suche ist, stösst auf theoretische und praktische Probleme. In der Sprachwissenschaft werden die Einheiten des Sprachgebrauchs nicht Sätze, sondern Äusserungen genannt. Der Terminus Satz wird für eine grammatische Kategorie reserviert, dass heisst für ein dekontextualisiertes, standardisiertes und reguliertes Produkt des Sprachverhaltens (Lyons 1977). Solch ein 'Systemsatz' wird meistens vom Forscher konstruiert. Die Konversationsanalyse beschreibt Sätze im Gebrauch ('Textsätze'), also mit Performanzerscheinungen, wie Fehlern, Korrekturen, Verzögerungen und Nicht-Standardformen. Wie theoretisch wichtig der Unterschied zwischen Sätzen und Äusserungen sein mag, Äusserungen sind zu identifizieren als Konkretisierungen von Sätzen, als Sätze im Kontext (BarHillel 1971). Wer von Sätzen im Kontext spricht, nimmt einen Zusammenhang zwischen geäusserten und idealisierten Sätzen an. Zu bemerken ist, dass der Begriff Satz auch ein intuitiver, atheoretischer Begriff ist, der bei jedem seit seinen Schuljahren in seiner Metasprache lebendig ist, zum Beispiel bei seinen Korrektheitsurteilen. Nicht-technische Termini, wie Satz und Bedeutung, sind nicht ausser Betracht zu lassen, sondern verdienen es, auf ihre Haltbarkeit in der Analyse geprüft zu werden. Es ist nicht üblich, in Studien der Interaktionsstrukturen den Satz als Basiseinheit anzuweisen. Sätze (und Teilsätze) in Gesprächen werden als Strukturen der Oberfläche betrachtet, als charakteristische Repräsentationen der unterliegenden Handlungen (siehe Austin und Searle). Man hat auch vorgebracht, dass Sätze häufig im Gesprächsmaterial nicht wiederzufinden sind, und überdies zu oberflächlich oder arbiträr sind für die Erforschung der Handlungen und Pläne des Sprachbenutzers. Was den Punkt betrifft, dass Sätze schwer abzugrenzen sind, ist zu bemerken, dass das von der richtigen Satzdefinition abhängig ist. Was den Punkt des lockeren Zusammenhanges zwischen den geäusserten Sätzen und den Intentionen betrifft, muss bemerkt werden, dass es keine einfache symmetrische Korrelation gibt zwischen Satz und Illokution. Was man sagt, drückt selten völlig aus, was man zu sagen hat.
96 Es gibt viele Satzdefinitionen. Die Vielheit ist durch theoretische Ausgangspunkte bedingt. Der Mangel an Übereinstimmung deutet auf die grosse Schwierigkeit der Definition (siehe O'Connell 1977; 1988: Kap. 12). Bekannt ist die Definition des Strukturalisten Harris (1951). Für ihn ist der Satz eine prosodische Einheit, von Pausen begrenzt; in der Schriftsprache ist diese Einheit an der Interpunktion erkennbar. Diese Umschreibung hat eine vortheoretische Grundlage. So zeigt es sich, dass die meisten Sprecher und Hörer auf der Basis ihrer Sprachkompetenz mühelos entscheiden können, welche Pause einen Satz begrenzt und welche nicht (Goldman-Eisler 1968). Traditionell ist die Definition, in der der Satz als eine Verbindung von Wörtern betrachtet wird, die einen kompletten Gedanken ausdrückt. Subjekt und Prädikat gestalten eine Aussage, die eine vollständige mentale Konfiguration wiedergibt. Mit dieser und der vorigen Definition wird in der Psycholinguistik vielfach gearbeitet. Chafe (1987; 1988) bringt die beiden Umschreibungen zusammen. Erstens nennt er es prototypisch, dass Vokalisierungen einen zusammenhängenden Tonverlauf aufweisen, mit einer oder mehreren Spitzen und mit erkennbarer Kadenz, und dass sie von Pausen umgeben sind. Zweitens fällt die Toneinheit gewöhnlich mit einem Haupt - oder Nebensatz zusammen, der die klassische Subjekt-Prädikatstruktur aufweist. Obwohl Intonationseinheiten in Sätzen wurzeln, so sagt Chafe, gibt es solche Einheiten, die keine Sätze sind. Zum Beispiel tritt dann und wann ein einziges Subjekt oder ein einziges Prädikat auf. Auch kommt es vor, dass eine Konstituente als eine gesonderte Toneinheit hinzugefügt wird. Eine Korrektur, eine Erläuterung, eine Interjektion, sie sind 'zentriert um den Satz'. Wenn, so sagt Chafe, eine Toneinheit nicht selbst ein Satz ist, dann ist sie wahrscheinlich entweder ein Teil des Satzes, eine Orientation darauf, einer, der falsch gestartet worden ist oder einer, der vorzeitig beendet worden ist. Aber erst richten wir den Blick auf die letzte der hier zu besprechenden Definitionen. Ein Satz ist eine Kombination von Wörtern, eventuell ein Wort, die eine verständliche Intention zum Ausdruck bringt (Gardiner 1951). Diese Umschreibung ist sehr passend für die Umgangssprache. Sie ist intuitiver als die vorhergehende. Sie liegt auf der Ebene der praktischen Kenntnis der Sprachbenutzer. Sie schliesst, unserer Meinung nach, nicht aus, dass der verbalisierte Gedanke unvollständig und mangelhaft sein kann, wie übrigens ebenfalls die klassische Subjekt-Prädikatstruktur des Satzes semantisch unvollständig und mangelhaft sein kann. Sätze bezeichnen nur, was sie bezeichnen. Der Zusammenhang mit den Intentionen ist fast immer indirekt. Dies hat zur Folge, dass die Selbständigkeit der ausgedrückten Intentionen sehr vom Kontext abhängig ist. Die letzte Definition (der Satz als eine verständliche Einheit) ist weitgreifend: sie umfasst Anakoluthe, Wiederholungen, Revisionen, Parenthesen und so fort. Diese können als Sätze aufgefasst werden, solange sie als verständliche Strukturen zu deuten sind. Entsprechend versteht es sich auch, dass eine Antwort wie 'Dass der Zug zu spät ist', und eine Frage 'Ob du Lust hast?' verständliche Satzeinheiten sind, obwohl sie der Form nach typische abhängige Sätze sind. Wenn man in Toneinheiten zu segmentieren versucht, stellt man fest, so lehrt die Erfahrung, dass eine Begrenzung auf Basis des Tons und der Pausen nicht aus der Luft gegriffen ist: sie hat
97 Bezug auf Ideen, auf verständliche Stücke der Informationsflut. Es ist eine starke, in der Psycholinguistik sehr gängige Hypothese, dass, was die Sprecher auf die genannte Weise begrenzen, kognitive Informationseinheiten sind. Mit anderen Worten, die Toneinheiten, durch Pausen voneinander getrennt, geben eine Aussicht auf die Gedanken, auf die Einheiten der Informationsflut (siehe u.a. Rochester 1977; Chafe 1987). Damit ist gesagt, dass Definition 3 (der Satz als verständliche Einheit) und Definition 1 (der Satz als Intonationseinheit, von Pausen umringt) komplementär sind. Mit Definition 2 (der Satz als Struktur von Prädikat und Argumenten) kommt man in der Konversationsanalyse weniger gut zurecht. Chafe (1988) schätzt den Gebrauch von vollständigen Propositionen in Gesprächen doch noch auf etwa 70%. Beispiele von Sätzen ohne Subjekt sind: 'Es war neblig.'; 'Geht in Ordnung.' Und von Sätzen ohne Prädikat: 'Ich diesen Pfad, du jenen.' Manchmal wird eine Proposition brockenweise realisiert. Wenn man die Aktivierung der Gedanken betrachtet, ist das Folgende aus drei Sätzen aufgebaut worden: (1) A:
Ich frage lieber ..erst ..meinen Bruder als meine Schwester, ((übersetzt))
Chafe (1987); 1988) würde hier drei Intonationseinheiten unterscheiden. Nach unserer Meinung sollte man hier ausserdem drei Sätze differenzieren. Denn es handelt sich um eine Fokussierung auf drei im Kontext verständliche Ideen, markiert durch Intonation und Pausen. Diese Konsequenz muss man auf sich nehmen, wenn man Sätze nicht als statische Objekte betrachtet, sondern als dynamische Mittel zur Gestaltung von Ideen und Intentionen, die durch Intonation und Pausen gekennzeichnet sind. Offensichtlich ist die Subjekt-Prädikatstruktur eine zu theoretische Struktur, die man manchmal im Gebrauch nicht antrifft Eine Lücke in der ersten Satzumschreibung (in der phonologischen) ist, dass, wenn Sätze schon prosodisch voneinander getrennt sind, sie nicht immer durch längere, oder selbst kürzere, Pausen von einander getrennt sind. Wenn man mit Chafe eine durchschnittliche strukturierende Pause von zwei Sekunden annimmt (oder weniger (siehe Brown und Yule 1983)), dann gilt das wahrscheinlich nur für vorwiegend monologische Gespräche wie Erzählungen. Ein Problem mit den Pausen ist ausserdem, dass sie auch auf anderen Plätzen als zwischen Sätzen vorkommen. Aber es muss bemerkt werden, dass es sich in unserer Definition nur um die Pausen handelt, die Toneinheiten trennen. Und es stellt sich heraus, wie gesagt, dass Sprachbenutzer wissen, welche Pausen Sätze segmentieren. Mit der Schwierigkeit der Mehrdeutigkeit der Pausen in Einzelfällen kommt man zuwege, wenn man die Kombinationen von diversen Gliederungssignalen ins Auge fasst. Am Anfang der Informationseinheiten treten, ausser 'ungefüllten' Pausen, 'gefüllte' Pausen, wie äh, auf, Lautverlängerungen, falsche Starts, Wiederholungen und vor allem lexikalische Signale. Diese Signale sind nicht nur Bindewörter, sondern auch Gliederungssignale, wie Na, Guck mal, Nicht wahr,
98 Weisstdu. Weil diese Signale meistens Grenzsignale sind, müssen sie in die Satzdefinition aufgenommen werden. 2. Der Satz in der Interaktion Was ist von Seiten des Sprachteilhabers über die Begrenzung der Informationseinheiten, die er gehört hat, zu lernen? Unterscheidet und respektiert er den Satz? Es ist handlungstheoretisch unumgänglich das Verstehen der Äusserungen in Betracht zu ziehen. Erst sobald der 'Uptake' realisiert worden ist, so sagt Austin, ist der Sprechakt gelungen. Nach Goffman (1976) ist es offensichtlich ein wesentliches Bedürfnis eines Sprechers, zu wissen, ob seine Botschaft empfangen worden ist, und ebenso wesentlich ist das Bedürfnis des Partners zu äussern, dass sie korrekt verstanden worden ist. Was den letzten Punkt anbetrifft, zielt Goffman auf die Unentbehrlichkeit der Rückmeldungen in Gesprächen. Bevor der Platz des Feedbacks betrachtet wird, können, im Hinblick auf die Beachtung der Grenzen der Sätze, die ein Sprecher bildet, bestimmte reaktive Äusserungen, die sogenannten zweiten Teile der angrenzenden Paare, besprochen werden. In der Tat, solche Reaktionen, zum Beispiel Antworten, respektieren manchmal die Satzgrenze. Wenn ein Hörer einen Gesprächsschritt beansprucht, sucht er eine 'übergangsgeeignete' Stelle aus (Sacks u.a. 1978). Manchmal aber achtet er nicht auf eine solche Stelle, sondern startet schon nach einem Fragment des Satzes in Entwicklung. Es wird dann durch die Verständlichkeit des Fragments bedingt, ob solch ein Teilstück als Satz gewertet werden kann. Eine falsche Projektion einer Übergangsstelle ist selbstverständlich kein Problem, wenn ein Sprecher nur etwas wie eine Anrede oder ein abschliessendes Signal (z.B. nicht wahr!) hinzufügt. Diese zu frühen Antworten achten eine Satzgrenze. Interessanter und wichtiger ist es, die Distribution der Rückmeldungen hinsichtlich der Satzgrenze zu betrachten. Als Verständnissicherungen sind sie natürliche Mittel um auszudrücken, dass ein Hörer das Gesagte als eine zugängliche Einheit gedeutet hat, oder dass er dem zugestimmt hat. (Rückmeldungen können selbstverständlich ebenfalls Nicht-Verstehen oder Ablehnung beinhalten.) Es ist zu erwarten, dass die Rückmeldungen erst gemacht werden, wenn der gegenwärtige Sprecher eine Äusserungseinheit vollendet hat, das Ende eines Satzes erreicht hat (für die 'Satzbildungsregel' siehe Sacks 1971). Wir gliedern das Feedback in vier Gruppen (Duncan 1973; Duncan & Fiske u.a. 1985). Die ersten und vielleicht wichtigsten Rückmeldungen sind Partikeln wie Ja, Hm, Richtig, Ich weiss. Wir haben Grund zu der Annahme, das Hörerpartikeln nicht die zuverlässigsten Abgrenzungen des Vorhergesagten sind. Erstens ist es möglich, dass ein Hörer nicht mehr als eine bestimmte Verweisung im Satze bestätigen will. Zweitens kann er schon vorne im Satz eine Bitte um Aufmerksamkeit (zum Beispiel in Form einer Pause oder einer Verzögerung) mit einer Partikel erfüllen. Und drittens kann ein Hörer antizipieren. Antizipation ist aber keine Reaktion auf einen faktischen Satz, sondern auf eine postulierte Proposition und Illokution. Aufrechtzuerhalten ist jedoch
99 die Behauptung, dass die Hörerpartikeln - sowie mimische und gestische Signale - meistens die Satzbildungsregel nicht verletzen. Eine zweite Art der Rückmeldung ist die Repetition, oder die kurze Nachformulierung. Hierfür gilt, dass deren Anwendung strikter als eine Hörerpartikel der Satzbildungsregel entspricht, schon weil eine Nachformulierung per definitionem nicht antizipierend sein kann. Ein wichtiger Grund ist die Art der Nachformulierung: wer nachformuliert nimmt Besitz von einem gehörten Terminus. Dagegen ist die Anwendung einer Partikel, wicJa, bisweilen unverbindlicher. Die Aufmerksamkeit oder das Verständnis ist selbst scheinbar, sobald ein Hörer eigentlich nicht mehr zuhört, wenn er zum Beispiel, um den Gesprächsschritt zu beanspruchen, die Satzbildungsregel verletzt. Mit einer Wiederholung kann er ebenfalls den Gesprächsschritt fordern, aber ein Beispiel einer Wiederholung, die die Satzintegrität verletzt, haben wir in unserem Material nicht gefunden. Für das Untersuchungsergebnis, dass die repetierende Rückmeldung am Satzende geäussert wird, ist die folgende Erklärung gegeben. Der Hörer sollte das Wort mit dem Hauptakzent, das Wort also mit dem höchsten Informationsgehalt, identifiziert haben. Hiermit wird er erst Erfolg erreicht haben, wenn er den ganzen Satz gehört hat, dessen Ende er an Hand der Tonkontur festgestellt hat. Dieses Argument, dass Dittman & Llewellyn (1967) für die Relevanz der Satzeinheit im Verstehen vorbringen, gründen sie auf die Hörerpartikeln. Es gilt a fortiori für die repetierenden Rückmeldungen. Dass heisst übrigens nicht, dass gerade das Hauptwort repetiert wird. Um wiederholend sein Verständnis der ganzen Informationseinheit zu zeigen, benutzt der Hörer im Fragment (2) nicht das Wort mit dem Hauptakzent ('schmutzig'), aber ein Wort mit Nebenakzent ('gewesen'). (2) (Kons.3:92-93) (übers.) A:
Aber es ist wohl schmutzig gewesen
B: A:
Und jetzt ist es wieder äh na
J a . na ja . gewesen ja nor/normal.
Die dritte Art von Feedback ist die Bitte um Klärung. Formen wie Was?, Was meinst du?, und Wiederholungen drücken Probleme des Hörens oder des Verstehens aus. Für uns ist wiederum die genaue Stelle dieser Intervention im Verhältnis zu dem Satz, den der Sprecher konstruiert, relevant. Was sich zeigt, ist, dass Aufforderungen zur Korrektur vorzugsweise nicht unmittelbar nach etwas Reparierbarem auftreten, sondern erst im nächsten Schritt geäussert werden. Es besteht ja die Chance, dass der Sprecher selbst, unmittelbar in oder nach seiner Äusserung, eine Korrektur vornimmt; und dieser Weg hat den Vorrang. Was wiederum mitspielen wird, ist, dass der Hörer den ganzen Satz gehört haben will, bevor er interveniert. Dass der Hörer die Integrität des geäusserten Satzes fast niemals verletzt (Schegloff u.a. 1977), gilt auch für den Fall, dass er eine Äusserung des ersten Sprechers direkt korrigiert, statt ihn zu einer Korrektion aufzufordern (und das kommt in vielen Situationen vor (siehe Norrick 1991 anti Schegloff u.a. 1977)).
100 Dann die Satzvollendung. Hinsichtlich der Satzbildungsregel ist auch diese vierte Kategorie des Feedbacks aufschlussreich. Es handelt sich nicht mehr, wie bei den vorhergehenden Arten des Feedbacks, um die Respektierung der Satzgrenze seitens des Hörers, sondern um die Qualität des Satzes, in dem der Adressat, was der Sprecher angefangen hat, zu Ende führt. Die Beteiligung des Hörers ist bei einer Satzvollendung so intensiv, dass die Konstruktion des Satzes sich zu einer gemeinsamen Unternehmung ausgewachsen hat. Im Fragment (3) fügt der Teilnehmer nach einem Halt des Sprechers, wie oft, die mangelenden Wörter hinzu. (3) (Kernw. 48-49) (übers.) A: Wenn wir nur Kernwaffen haben.. B:
Genau.
.. dann wird wohl nichts geschehen.
In einer solchen Kooperation bringt der Gesprächspartner nur die Zustimmung zum Ausdruck und strebt nicht die Übernahme des Gesprächsschritts an. Ein Gesprächspartner, der sich aus dem Bedürfnis nach Zustimmung an eine Satzvollendung wagt, ist verpflichtet, ein optimales Verständnis zu zeigen. Es ist dabei zu erwarten, dass sein Beitrag einen, seiner Meinung nach, optimal verständlichen Satz ergibt. Mit der Vollendung demonstriert er, dass er weiss, wie man das angeht. Die Verständlichkeit, der Ton und die Endpause demonstrieren das. Die Rückmeldung des Sprechers ('Genau') bekundet den Erfolg der vereinten Unternehmung. Die Satzkomplementierung zeigt, als Form von Feedback, ganz besonders, wie ein Hörer eine vom Sprecher angefangene Aussage effizient und vor allem verständlich zu Ende führt. Die Verständlichkeit, das Hauptmerkmal des Satzes, kommt in der Satzvollendung ausgeprägt zum Ausdruck. Zwei Hauptfragen sind hier behandelt worden. 1. Wie haltbar ist die Satzeinheit für die Gesprächsanalyse? 2. Welchen Aufschluss gibt die bündige Verständnissicherung seitens des Hörers? Die Antwort ist, kurz gesagt, dass besonders die Rückmeldung in Form von Partikeln, von Nachformulierungen, von Bitten um Klärung und in Form von Satzvollendungen, die Realität der Satzeinheit (als verständliche Aussage) unter Beweis stellt.
Literatur Bar-Hillel, Y. (1971), Pragmatics of Natural Language, Dordrecht. Brown, G., Yule, G. (1983), Discourse Analysis, Cambridge etc. Chafe, W. (1987), Cognitive Constraints on Information Flow. In: Tomlin, R.S. (ed.), Coherence and Grounding in Discourse, Amsterdam etc. 21-51. Chafe, W. (1988), Linking Intonation Units in Spoken English. In: Haiman, J./Thomson, S.A. (eds), Clause Combining in Grammar and Discourse, Amsterdam etc., 1-27. Dittman, A.T., Llewellyn, L.G. (1976), The Phonemic Clause as a Unit of Speech Decoding. In: Journal of Personality and Social Psychology 6, 341-349. Duncan, S. Jr. (1973), Toward a Grammar for Dyadic Conversation. In: Semiotica 9, 29-46.
101 Duncan, S. Jr., Fiske, D.W., et al. (1985), Interaction Structure and Strategy, Cambridge etc. Gardiner, A.H. (19512), The Theory of Speech and Language, London. Goffman, E. (1976), Replies and Responses. In: Language in Society 5,257-313. Goldman-Eisier, F. (1968), Psycholinguistics: Experiments in Spontaneous Speech, London etc. Harris, Z.S. (1951), Methods in Structural Linguistics, Chicago. Lyons, J. (1977), Semantics, vol.2, Cambridge. Norrick, N.R. (1991), On the Organization of Corrective Exchanges in Conversation. In: Journal of Pragmatics 16, 59-83. O'Connell, D.C. (1977), One of many Units: the Sentence. In: Rosenberg S. (ed.), Sentence Production: Developments in research and theory, Hillsdale, 307-314. O'Connell, D.C. (1988), Critical Essays on Language Use and Psychology, New York etc., 181196. Rochester, S.R.. (1973), The Significance of Pauses in Spontaneous Speech. In: Journal of Psycholinguistic Research 2,51-81. Sacks, H. (1971), Das Erzählen von Geschichten innerhalb von Unterhaltungen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 15 (Sonderheft), 307-314. Sacks, H„ Schegloff, E.A., Jefferson, G. (1978), A Simplest Systematics for the Organization of Turn-Taking in Conversation. In: Schenkein, J. (ed.), Studies in the Organization of Conversational Interaction, New York. Schegloff, E.A., Jefferson, G., Sacks, H. (1977), The Preference for Self-Correction in the Organization of Repair in Conversation. In: Language 53, 361-382.
Olga Müllerovä DIALOG UNTER DEM GESICHTSPUNKT DER ANZAHL SEINER TEILNEHMER
1.
Dialog und die Anzahl seiner Teilnehmer
1.1
Dialog zweier Partner
1.2
Dialog dreier Personen
1.3
Gruppendialog
2.
Simultaner Charakter des Sprechens im Gruppendialog Ergebnisse der Analyse eines Freundesbesuchs
Anmerkungen Literatur
1. Dialog und die Anzahl seiner Teilnehmer Die Anzahl der Gesprächspartner1 beeinflusst grundsätzlich das Gesamtbild des Gesprächs. Sie hat Einfluss vor allem auf seine interaktive Strukturierung (die Weisen des Wechsels der Gesprächspartner während des Dialogs) und seine thematische Strukturierung (die Arten der Veränderungen von Haupt- und Nebenthemen des Gesprächs), weiter auf die Auswahl der für die dialogische Kommunikation typischen Sprachmittel (z.B. Möglichkeiten der Anrede der Gesprächspartner und damit verbundenes Duzen/Siezen, Bedeutungen der Personalpronomina (wir/ihr/Sie), sowie auf die Nutzung der nichtverbalen Mittel (z.B. Bewegung der Augen der Sprecher und Richtung ihrer Blicke). Unter dem Gesichtspunkt der Anzahl der Gespächspartner kann man wesentliche Unterschiede zwischen dem Dialog zweier Gesprächspartner, dem Dialog dreier Personen und dem Dialog von mehreren Personen (Gruppengespräch)2 beobachten. Diese Typen der Gespräche sind begreiflicherweise auch von weiteren Faktoren der kommunikativen Situationen beeinflusst, in denen konkrete Gespräche verwirklicht werden. Es gibt z.B. markante Unterschiede zwischen einem Gespräch eines Journalisten mit einem Staatsmann im Fernsehen und einem Gespräch zweier Freunde im Privatmilieu, weil beide kommunikativen Situationen sehr unterschiedlich sind.
104 1.1 Dialog zweier Partner Der Dialog zweier Partner ist hinsichtlich deren Wechsels zwischen kommunikativ aktiver und passiver Rolle (Sprecher -Hörer) relativ am einfachsten. Beide Partner haben annähernd die gleichen Möglichkeiten, sich im Gespräch durchzusetzen; in natürlichen kommunikativen Situationen sind sie jedoch in ihrer kommunikativen Aktivität gewissermassen beschränkt. Zu einer geringeren kommunikativen Aktivität eines Teilnehmers des Gesprächs kann die Dominanz seines Partners führen, die durch dessen intellektuelle, physische, ästhetische bzw. Altersüberlegenheit verursacht ist oder mit höherer sozialer Stellung, grösserer Bildung bzw. reicheren Erfahrungen u.ä. zusammenhängt. In diesem Sinne kann man auch über den Grad der kommunikativen Ausgewogenheit des Dialogs nachdenken. Der Dialog ist kommunikativ ausgewogen (symmetrisch), wenn die Gesprächspartner ungefähr gleiche kommunikative Aktivität zeigen (z.B. im Gespräch zweier Freunde, deren Sprechen der Länge und Häufigkeit nach ausgeglichen ist); kommunikativ nicht ausgewogen (asymmetrisch) ist der Dialog in dem Falle, dass einer der Gesprächspartner mehr in der Position des Hörers bleibt (z.B. beim Erzählen). Die Symmetrie (und Asymmetrie) bei der Durchsetzung der kommunikativen Aktivität ist auch mit der Informiertheit über das Thema verbunden. Im asymmetrischen Dialog ist oft (allerdings nicht regelmässig) der aktivere Gesprächspartner über das Thema mehr unterrichtet (z.B. der Lehrer während der Erläuterung), und auch die Informationen fliessen eher nur in einer Richtung (der Informationsstrom ist einbahnig). Diese Beziehungen sind jedoch nicht immer eindeutig und die Richtung des Informationsstroms muss in einem Gespräch nicht stabil sein. Z.B. ein Gespräch, wo der Arzt einen Kranken nach dessen Beschwerden befragt, um die Diagnose bestimmen und über die Heilkur entscheiden zu können, lässt sich für kommunikativ ausgeglichen halten, was den regelmässigen Wechsel der Gesprächspartner betrifft (der Arzt stellt eine Frage und der Kranke antwortet). Über den Grad der Informiertheit über das Thema kann man nicht eindeutig entscheiden, weil es sich um verschiedene Informationen handelt. Der Kranke gibt dem Arzt die meisten Informationen über seine Gesundheitsprobleme, damit er dem Arzt die Krankheit erkennen hilft. Über die Krankheit ist aber der Arzt mehr als der Kranke informiert. In dem Teil des Gesprächs, wo der Kranke die Fragen des Arztes beantwortet, fliessen also die Informationen in der Richtung von dem Kranken zum Arzt, und in dem Teil des Gesprächs, wo der Arzt den Kranken über die Heilmethode belehrt, kehrt die Richtung der Information um.
1.2 Dialog dreier Personen Im Dialog dreier Personen gibt es viel mehr Möglichkeiten des Redewechsels. Die Gesprächspartner können im Grunde gleich aktiv sein, alle können miteinander sprechen, niemand wird präferiert und niemand tritt in den Hintergrund. Geläufig sind jedoch die Fälle, wo zwei Teilnehmer des Gesprächs miteinander sprechen und der dritte in das Gespräch weniger eingreift, es eher verfolgt, zuhört; er wird aber von seinen Gesprächspartnern nicht ausser acht gelassen, sie wenden
105 sich an ihn. Weiter gibt es die Möglichkeit, dass im Gespräch dreier Personen zwei Gesprächspartner miteinander sprechen, sich präferieren, während die dritte Person absichtlich oder ohne Absicht nicht beachtet wird, - oder sie isoliert sich selbst, schweigt bzw. beschränkt sich auf kurze simultane Bemerkungen, Beipflichten oder nichtverbale Äusserungen ihrer Einstellung zu dem, was gesprochen wird.3 Im Gespräch dreier Teilnehmer kann auch ein Gesprächspartner das Wort ergreifen, wobei die zwei anderen die Rolle der Zuhörer oder kommunikativ weniger aktiver Personen spielen; sie lassen sich z.B. etwas erzählen, werden belehrt, ermahnt. Der Dialog dreier Teilnehmer ermöglicht grössere Vielfältigkeit der Gesprächsthemen, falls er jedoch nicht von einem Gesprächspartner geleitet und thematisch reguliert wird. Von einem Gesichtspunkt der Höflichkeit der Partnerbeziehungen ist das „Spiel" der Augen der Sprecher von Bedeutung. In dem Dialog zweier Partner ist es geläufig, dass sie durch die Augen im gegenseitigen Kontakt stehen und beim Sprechen einander in die Augen schauen, was auch als gesellschaftlich angemessen und erwünscht gilt. Das Abwenden oder Niederschlagen der Augen ist meistens interaktiv motiviert und hängt mit der emotionellen oder einer anderen Modifizierung der Beziehungen der Gesprächspartner zusammen. In der Dreiergruppe ist das Spiel der Blicke komplizierter. In dem Falle, dass ein Gesprächspartner das Wort ergriffen hat, kann er die zwei anderen abwechselnd ansehen; oft präferiert er jedoch nur einen von ihnen, weil er z.B. den Eindruck hat, dass diesen Gesprächspartner die besprochene Sache mehr betrifft und er sie besser versteht, oder der Sprecher findet diesen Partner anziehender (Mann - Frau), sympathischer, kennt ihn besser. Die Aufmerksamkeit des Sprechers kann man in dem Gespräch dreier Personen auch durch lebendigeres Reagieren, Beipflichten, durch Miene und Gebärden gewinnen. Für den Gespächspartner, der in dem Spiel der Augen aus verschiedenen Gründen nicht beachtet wird, kann diese Situation unangenehm sein und seine kommunikative Aktivität noch vermindern. Im fremdsprachigen Gespräch wendet sich der Sprecher an denjenigen Gesprächspartner, der seiner Meinung nach besser versteht bzw. von dem man eine Reaktion eher erwarten kann (evtl.: der Sprecher will den schlechter verstehenden Gespächspartner durch eine Frage, die nicht verstanden werden müsste, nicht in Verlegenheit bringen). 1.3 Gruppendialog Im Dialog von mehreren Personen (Gruppendialog) erhöht sich die Anzahl der Möglichkeiten, wie die Gesprächspartner wechselseitig reagieren, neue Themen anschneiden und von einem Thema zum andern übergehen können. Je grösser die Anzahl der Sprecher ist, desto schwieriger ist es, über eine Sache zu sprechen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen geleiteten und nicht geleiteten Gesprächen. Bei einem nicht geleiteten Gespräch, z.B. bei freier Unterhaltung um das Lagerfeuer, verläuft das „zentrale" Gespräch unter allen, wobei die einen viel sprechen, die Gesellschaft unterhalten und die anderen demgegenüber in das Gespräch gar nicht eingreifen müssen. Gleichzeitig verlaufen Gespräche in Paaren oder kleineren Gruppen, bzw. auch auf grössere Entfernung (über das Lagerfeuer). Ähnlich ist es z.B. bei der Hochzeitstafel, wo sich die gemeinsame Kom-
106 munikation nur auf feierliche Trinksprüche beschränken kann. In den geleiteten Dialogen - z.B. bei der Fachdiskussion, während des Schulunterrichts oder der Seminare - ist der Verlauf der Kommunikation meistens nach einem vorher bestimmten oder feststehenden kommunikativen Modell gestaltet, das jedoch meistens einen bestimmten Zeitraum für spontanes Reagieren bietet. Eben in der Gruppenkommunikation gewinnen etliche Sprachmittel charakteristische Züge. Im Tschechischen ist es z.B. oft nicht möglich zu entscheiden, ob das Personalpronomen yy (ihr, Sie) auf die ganze Gruppe Bezug hat, worin der Sprecher im gegebenen Moment sich selbst einbezieht, oder nicht einbezieht, oder ob es nur einige Mitglieder bzw. lediglich ein Mitglied der Gruppe betrifft - wenn Siezen (im Tschechischen mit yy ausgedrückt) in Frage kommt (vgl. Müllerovä 1989; Flidrovä 1989). Ähnlich unbestimmt können die grammatischen Bedeutungen der Verbformen der 2. Person des Plurals sein. Mit dem Unterschied zwischen Duzen und Siezen sind die Unterschiede in der Ansprache der Kommunikationspartner verbunden; in der Gruppenkommunikation kommen kollektive Ansprache (Kollegen, Freunde, Kinder usw.) und die Ansprachen, die den Adressaten aus der Gruppe ausgliedern, in Betracht (neben direkter Ansprache mit dem Namen werden auch nicht direkte Ansprachen benutzt, falls der Sprecher die Namen der Mitglieder der Gruppe nicht kennt - z.B. Ansprache nach der äusseren Charakteristik der Person: Sie, junger Mann in dem blauen Pullover, vgl. Flidrovä 1989; Formanovskaja 1987). In einem Gruppengespräch können Duzen und Siezen kombiniert werden . 2. Simultaner Charakter des Sprechens im Gruppendialog (Ergebnisse der Analyse eines Freundesbesuchs) Wir haben eine Tonbandaufnahme einer Gruppenkommunikation von sechs Personen während eines Freundesbesuchs analysiert (die Teilnehmer waren die Familie des Gastgebers, in dessen Haus der Besuch stattfand, - d.h. der Gastgeber, die Gastgeberin, ihre Tochter und die Mutter der Gastgeberin sowie Gäste, d.h. ein Ehepaar). Es interessierten uns v.a. diejenigen Züge der Kommunikation, die von der Anzahl der Gesprächspartner (und begreiflicherweise auch deren persönlichen und sozialen Charakteristiken) beeinflusst sind, und zwar: - Gliederung der ganzen Kommunikation in einzelne Gespräche und deren Arten; - kommunikative Aktivität der Teilnehmer, deren Beteiligung an einzelnen Gesprächen, die Art und Weise des Sprecherwechsels; - Wechsel und Veränderungen einzelner Themen in den Gesprächen. Die zweistündige nicht geleitete spontane Kommunikation während dieses Freundesbesuchs erscheint bei der Analyse als ein Komplex nacheinander folgender, sich deckender und verflechtender Gespräche zweier, mehrerer, bzw. aller Teilnehmer. Mangel an Raum erlaubt uns nicht, diese Eventualitäten ausführlicher zu beschreiben. Wir werden uns nur mit einem Zuge dieser Kommunikation beschäftigen, der sehr charakteristisch und auffällig ist, mit dem simultanen Charakter des Sprechens der Gesprächspartner.4 Über den simultanen Charakter sprechen wir in zweierlei Sinne: erstens handelt es sich um die
107 Gleichzeitigkeit des Redens der Sprecher in einem Gespräch, zweitens um die Gleichzeitigkeit ganzer Gespräche. In der Kommunikation von mehr als drei Personen, die durch den behandelten Freundesbesuch repräsentiert wird, kamen diese Arten des gleichzeitigen Sprechens der Teilnehmer des Gesprächs zur Geltung: - Eine mehr oder weniger zusammenhängende monologische Äusserung eines der Sprecher (besonders beim Erzählen) begleiten die anderen Anwesenden mit verbalisierten sowie nicht verbalisierten übereinstimmenden (nicht übereinstimmenden) Reaktionen. Diese Reaktionen haben die Form von Bemerkungen wie das kann nicht wahr sein, das ist unglaublich, das scheint mir nicht möglich zu sein, bzw. - beim reinen Beipflichten - die Form des Ausdrucks hm und dessen Varianten, die vor allem zur Äusserung der Aufmerksamkeit, des Interesses dienen. Die Gesprächspartner bringen auch weitere Nuancen ihrer Einstellungen zum Gesprochenen, z.B. Verwunderung, Bedenken, Übereinstimmung zum Ausdruck, und zwar hauptsächlich mit Hilfe der Intonation. All diese Bedeutungen können die Sprecher auch nicht-verbal, durch Mimik, Miene, Gebärden äussern. (Bsp.: Die Frau des Gastes erzählt temperamentvoll und führt auch teilweise vor, wie ihr Mann vor der erwarteten Preiserhöhung der Alkoholgetränke in der ÖSFR gegen ihren Willen zehn Flaschen Rum gekauft hat; die anderen reagieren mit Lachen und humorvollen Bemerkungen.) - Zwei der anwesenden Teilnehmer reagieren in einem Gespräch temperamentvoll, ungeduldig aufeinander, die Teile ihrer Repliken decken sich halb (diese Sprechweise ist allerdings sogar in einem ruhigen, nicht aufgeregten Gespräch nicht selten). Die anderen hören zu oder sekundieren einem der Gesprächspartner. Es kommen hier Gleichzeitigkeit des Sprechens zweier Partner und Gleichzeitigkeit ihrer Repliken zusammen mit den Reaktionen aller anderen beipflichtenden Teilnehmer zur Geltung. (Bsp.: In einem Teilgespräch der Ehepartner (Gäste) wirft die Frau dem Mann vor, dass er während des Besuchs in einer Zeitschrift einen Artikel über Weinbau liest, statt an dem gemeinsamen Gespräch teilzunehmen. Der Mann fühlt zu seiner Rechtfertigung an, dass er die Zeitschrift nicht zu Hause hat. Einige Teilnehmer des Gesprächs stellen sich auf die Seite der Frau („wir sehen uns so selten, und du liest...") andere auf die Seite des Mannes („... lass ihn nur, dass er sich das bis zu Ende liest"). - Es sprechen gleichzeitig drei Teilnehmer und zwar besonders in dem Falle, dass einer von ihnen versucht, sich in das Gespräch zweier übriger Personen einzugliedern, evtl. einen der Gesprächspartner zu verdrängen. (Bsp.: Die Gastgeberin und ihre Tochter erzählen gemeinsam, wie sie in dem Wochenendhaus die Wespennester beseitigt haben, der Gastgeber (Ehemann und Vater) versucht, in das Erzählen einzugreifen, gegen das weibliche Temperament hat er jedoch wenig Chancen.) - In den Momenten, wo das Gespräch an Lebhaftigkeit gewinnt, in den Passagen, wo die Elemente der Unstimmigkeit oder auch des Konfliktes der Partnerbeziehungen in den Vordergrund treten, oder wenn demgegenüber Lustigkeit und Komik überwiegen,sprechen alle Teilnehmer durcheinander und es entsteht allgemeiner „Wirrwarr". Dieser Zustand ist allerdings kurzfristig, die
108 Teilnehmer fügen sich unterbewusst den nicht geschriebenen Regeln der Kommunikation während eines Besuchs und kehren in die Ruhelage zurück.5 (Bsp.: Alle Anwesenden äussern sich gleichzeitig zu dem Problem, ob es günstig ist, die Obstbäume im Garten chemisch zu behandeln. Sie vertreten gegensätzliche Ansichten, sprechen laut, aufgeregt, weil sie das Problem persönlich betrifft; sie alle haben nämlich im Garten Obstbäume. Sie führen Argumente dafür und dagegen an, und zuletzt überwiegt die Ansicht, dass eine bestimmte Behandlung der Bäume für eine gute Obsternte unumgänglich ist.) In der Gruppenkommunikation, die wir hier kurz charakterisiert haben, kreuzt sich das simultane Sprechen der Teilnehmer in einem Gespräch mit simultanem Charakter zweier oder mehrerer Gespräche. Diese Tatsache verursacht, dass die Beziehungen der Repliken oft gewissermassen kompliziert sind, ihr Zusammenhang häufig weniger durchsichtig ist und zusammenhängende Repliken voneinander entfernt genug sein können. Die Kompliziertheit kommt am deutlichsten zum Vorschein, wenn man das doppelte oder mehrfache simultane Sprechen durch die Umschrift der Tonbandaufnahme festzuhalten versucht.
Anmerkungen 1) Die Termini Dialog und Gespräch benutzen wir in diesem Beitrag als Synonyme. 2) Flidrovä (1989), die an die Arbeiten der sich mit der Beschreibung des gesprochenen Russisch befassenden Linguisten anknüpft, bezeichnet mit dem Terminus Dialog das Gespräch zweier Partner und mit dem Terminus Potylog die Kommunikation in einer Gruppe. Obwohl sich das Gespräch zweier oder mehrerer Personen in manchen sprachlichen und interaktiven Zügen unterscheidet, ist der Aspekt der Gegenseitigkeit, verschiedener Richtung des Informationsstromes und des Verflechtens, den das Präfix dia- in dem Wort Dialog enthält, beiden Typen der Kommunikation eigen. Deswegen übernehmen wir Flidroväs Terminologie nicht und benutzen lediglich den Terminus Dialog. 3) Hierin beziehen wir nicht den Fall ein, dass dem Gespräch zweier Partner eine weitere Person zuhört oder zusieht, ein Zeuge, der in das Gespräch nicht eingreift. Er kann allerdings auf den Verlauf des Gesprächs deutlichen Einfluss haben (vgl. Cmejrkovä 1989). 4) Mit dem simultanen Sprechen im Dialog befasst sich Jotov 1985, der dafür die spezielle Bezeichnung Synchrolalia benutzt. 5) Flidrovä (1989) führt weitere Typen des simultanen Redens im Dialog von mehr Sprechern an, und zwar kollektive Chorreaktionen auf eine Replik eines Sprechers, kollektives Ausrufen oder eine kollektive Mitteilung, kollektive Wiederholung einer Replik beim Skandieren oder bei den Kinderspielen; es sind schon Fälle spezieller Gruppenkommunikation.
Literatur Ömejrkovä, S. (1989): Common work and common talk. In: Kofensky, J./Hartung, W. (ed.): Gesprochene und geschriebene Kommunikation. Linguistica XVIII, 81-87. Flidrovä, H. (1989): Sociolingvistické a psycholingvistické aspekty dialogu a polylogu v ruStiné. Acta Universitatis Palackianae Olomoucensis. Praha. Formanovskaja, N.I. (1987): Russkij rcievoj etiket. Moskva. Jotov, C. (1985): Sinchrolalija (k postanovke problemy). Teoreticni väzprosi na ezikoznanieto. Säpostavitelno ezikoznanie X, 55-65. Müllerovä, O. (1991): Dialog a konflikt. Slovo a slovesnost 52, 247-255.
Kurt Opitz H A B E N M O N O L O G U N D DIALOG EINE G E M E I N S A M E GRENZE?
1.
Die Entropisierung des Dialogbegriffs
2.
Was ist Sprache?
3.
Sprache als Monolog
4.
Dialogische Redeweise
5.
Monolog und Dialog: ihre gegenseitige Durchdringung
6.
Ausblick
Literatur
1. D i e E n t r o p i s i e r u n g d e s D i a l o g b e g r i f f s Jede Kultur kennt gewisse Zentralbegriffe und -Vokabeln, die den Charakter und die Wirkung von Grundwahrheiten haben und quasi die Infrastruktur des Denkens und Sprechens innerhalb der betreffenden Kultur darstellen. Nicht in Frage gestellt und keiner kritischen Analyse unterworfen, erhalten sie sich oft über lange Zeiträume eine Autorität, die in der Regel so summarisch wie diffus ist und sich einer präzisen Definition wirksam entzieht. Eine solche Vokabel ist im europäischen Kulturkreis das Wort Dialog mit dem ihm unterliegenden Vorstellungskomplex. Seit der Zeit seines Aufstiegs im Kontext der griechischen klassischen Philosophie ist es zudem einem Prozeß der Metaphorisierung unterworfen, der auch heute seinen Endpunkt kaum erreicht haben dürfte. Einige Beispiele mögen die heute in praktisch allen europäischen Sprachen zu beobachtende Entropisierung des Dialogbegriffs, die sich daraus herleitet, verdeutlichen. Aus der Sprache der Politik sind uns wie auch aus der sie reflektierenden und begleitenden Sprache der Journalistik seit einer Reihe von Jahren Verwendungen wie „der Dialog der Supermächte" oder „der Nord-SüdDialog" wohlvertraut; hier bewegt die Metaphorik sich noch innerhalb gewohnter Grenzen, die etwa das Schlüsselkonzept 'Wechsel' umschreiben. Jene Vorstellung 'Wechsel' liegt auch seit langem der Anwendung des Wortes Dialog zur Bezeichnung jeder Art von gesprochener Sprache, insbesondere der des Theaters, zugrunde, ohne indes die Eigenschaften und Umstände solcher Wechselrede näher zu bestimmen. Wenn allerdings ein Zeitungsartikel fragt: „Should a museum be ... an independent aesthetic Statement that enters into dialogue with the works it houses?", so ist das Element Rede nur mehr sehr vage aus der Metapher herauszuhören. Der Wortsinn 'Gespräch' scheint einer allgemeinen Befindlichkeit gewichen zu sein, die ebensogut durch 'Beziehung' oder 'Verhältnis' ausgedrückt
110 wäre. In diesen metaphorischen Expansionsprozeß gehört wahrscheinlich auch Bachtins Bezeichnung des kontinuierlichen kulturhistorischen Epochenwechsels als Dialog. Aber selbst innerhalb der Sprachwissenschaft stoßen wir auf diffuse oder widersprüchliche Bedeutungsgebungen. So behauptet z.B. Baumann (1992), daß „die kommunikative Tätigkeit in mündlicher und/oder schriftlicher, monologischer und/oder dialogischer Weise realisiert werden" könne, ohne auf die implizite Frage einzugehen, inwiefern monologische Rede kommunikativ und damit dialogischer Tätigkeit vergleichbar sein kann bzw. welche Relevanz beide überhaupt für das Gelingen von Kommunikation besitzen. Dieser Beitrag versucht, der unreflektierten Anwendung des Wortes Dialog in der empirischen Forschung einige grundlegende Fragen entgegenzustellen, die zu einer Klärung des Dialogbegriffes dadurch führen können, daß sie beide, das Wort und den Begriff, aus ihrer isolierenden Klischeerolle befreien, um sie in einen relevanten Denk- und Argumentationsrahmen einzupassen. Dies soll vornehmlich durch Untersuchung der Frage, inwieweit die im naiven Sprachgebrauch implizierte Opposition des Dialogs zum Monolog berechtigt und sinnvoll ist, geschehen. Die Gegenfrage, ob Monolog und Dialog eine gemeinsame Grenze haben, rückt beide Begriffe nicht nur in örtliche Nachbarschaft. Entscheidend ist das Postulat einer wesensmäßigen Verwandtschaft, das aus einer solchen Konfrontierung spricht. Jeder Kontrast impliziert eine irgendwie geartete Vergleichbarkeit, eine gemeinsame Summe von Kriterien, nach denen mehrere diskrete Phänomene beurteilt werden können. Was Monolog und Dialog gemeinsam ist, ist das komplexe Phänomen Sprache in seiner ganzen Ambiguität von Handlung und Gegenstand, Prozeß und System, kognitivem Instrument und expressiver Seinsweise. Die beide trennende wie verbindende Grenze mögen wir uns als Achse vorstellen, um die, spiegelbildlich gedreht, jedes von beiden seinem Gegenüber entspricht. Was aber ist das, was sich spiegelt? 2. Was ist Sprache? Sprache läßt sich sowohl als zielgerichtete Tätigkeit als auch als losgelöstes Mittel mit einem inhärenten Zweck auffassen. Bewußte Tätigkeit ist sie im direkten Sprechakt des Individuums; ihr medialer Charakter offenbart sich in ihrer kommunikativen Funktion quasi als Bindeglied zwischen den Individuen. (Ob darüber hinaus der so verstandenen Sprache auch eine kognitive Rolle innerhalb des individuellen Bewußtseins zukommt, sei hier nicht entschieden; in diesem Zusammenhang möge der Begriff 'Sprache' auf geäußerte Sprache beschränkt bleiben.) Schon an dieser Stelle zeigt sich mithin ein paradoxer Charakterzug der Sprache, der ohne Frage die Dialog-Problematik berührt: ihr Sinn liegt für den Einzelnen darin, ihm das Vermögen gesellschaftlicher Existenz zu verleihen, d.h. ihn zur Mitteilung an Andere zu befähigen; und dennoch bleibt Sprache in jedem Augenblick als Handlung sein alleiniges Unterfangen, gesteuert von individueller Rationalität und Intentionalität im Hinblick auf eine ganz bestimmte externe Situation. Sie entsteht als Monolog, obwohl ihr Zweck der Dialog ist.
111 3. Sprache als Monolog In einem gewissen Sinn ist Sprache - und handle es sich selbst um die Rede des Chors im antiken Drama - deshalb immer eo ipso Monolog; auch, und gerad, dann, wenn sie ihrem medialen Zweck der Kommunikation am besten zu entsprechen scheint. Allerdings ist mit dieser Feststellung für eine praktische Unterscheidung zwischen Monolog und Dialog nichts gewonnen. Betrachten wir deshalb zunächst einige intern bestimmte Redeformen, die außer dem sprechenden Individuum einen Gesprächspartner zumindest nicht zwingend erfordern: Erzählung, Gedicht und Diskurs. Erzählen bedeutet berichten und erfolgt durch das Zurückrufen erinnerten Wissens. 'Erinnern' ist hier durchaus in einem buchstäblichen Sinn zu nehmen: Erzählen ist das Wiedergeben von Eindrücken, die im Bewußtsein 'gelagert* wurden und zu einem späteren Zeitpunkt als subjektiv bestimmte Erinnerung interpretiert und gespiegelt an die Außenwelt zurückgelangen. Erzählen ist daher gleichzeitig ein Akt der Thematisierung von vergangenem Geschehen und dessen typischer Modalität, der Zeitlichkeit, die sich im Aspekt des Ablaufs und der Folge erschließt. Jeder Eingriff von außen in ihre Ordnung, etwa durch andere Sprecher, ist nicht nur unnötig und überflüssig, sondern bedeutet sogar einen störenden Eingriff in die Logik der erinnerten Wahrnehmungselemente, die es auf nichts anderes als auf einen gleichmäßigen Berichtfluß abgesehen hat. E i n e notwendige Bedingung jenes Flusses ist seine Dauer; erzählen können wir uns kaum als kurzgefaßte Äußerung, als einzelnen Satz - und sei er auch von Kleistscher Ausdehnung - vorstellen. (Was wiederum als Beweis dafür gelten mag, daß Kleists Anekdoten von einer erzählerischen Haltung recht weit entfernt sind.) Anders bietet sich das (lyrische) Gedicht dar. Wohl haben wir es auch hier mit einem einzelnen Sprecher zu tun, der indessen noch weniger als der Erzähler eines Gegenübers bedarf, ja einem solchen überhaupt keinen Platz einräumt. Im Gedicht spricht ein Betrachter etwas aus, das er ausschließlich seinem eignen Bewußtsein verdankt. Man kann auch sagen, daß der Dichter das aus seiner Anschauung genährte Bewußtsein im Augenblick seiner Tätigkeit äußert, indem er dem in ihm ablaufenden Reflexions- und Denkprozeß unmittelbar sprachlichen Ausdruck gibt. Zwar erfordert dieser Sprachgebrauch Unterwerfung unter die Konventionen des gesellschaftlich bestimmten Mediums, und selbstredend schwingt in jedem Gedicht die Hoffnung seines Autors mit, daß sein Ausdruck sich in Mitteilung verwandelt. Die Erwartung eines Hörers/Lesers hat indessen auf die Entfaltung des Gedichts als ästhetischen Objekts keinen direkten Einfluß, im Unterschied etwa zum Werbespot in Rundfunk oder Fernsehen, der ganz im Sinne einer Mitteilung vom Wunsch einer optimalen Einflußnahme auf das Verhalten bestimmter Rezipienten, d.h. extern, motiviert ist. Thematisiert wird im Gedicht im Grunde die Gegenwart seines Entstehens: die Befindlichkeit, das So-Sein des betrachteten Gegenstands (der seinerseits mit dem Ich des Dichters in dessen Bewußtsein verschmilzt). Lyrische Gedichte haben keinen Adressaten und keine Richtung; bewegungslos verharrend sind sie redende Bilder: Monolog. Noch eine weitere Redeweise ist gekennzeichnet von jener Entrückung in die abstrakte Welt des Gedankens: der Diskurs. Auch er wird ohne Not monologisch von einem einzelnen Sprecher
112 bestritten, sei es im wissenschaftlichen Vortrag ex cathedra, oder sei es in der schriftlich fixierten Form des Aufsatzes. Anders als das Gedicht entsteht der Diskurs aber nicht primär aus der Anschauung, als vielmehr aus der prüfenden Überlegung und gleichsam von innen heraus motiviert; seine Methode ist die reine rationale Analyse, seine Logik die der Kausalität und des folgernden Schlusses. Damit ist der Diskurs aus jeder konkret-zeitlichen Bindung gelöst, was auch für sein Verhältnis zu seinem Autor gilt: das sprechende/schreibende Individuum leiht ihm wohl seine Stimme, hütet sich aber vor jeder persönlichen Einmischung in den Verlauf des aus der logisch bestimmten Eigendynamik erwachsenen Arguments. Wenn hier die Rede von einem ausschließlich logisch bestimmten Argumentationsprozeß ist, wird freilich schon sichtbar, wie sehr sich der Monolog im Diskurs der dialektischen Struktur des Dialogs nähert. Das typische Merkmal der monologischen Rede, der eine Sprecher als Totalrepräsentant des Sprechakts, erweist sich als unwesentliches äußerliches Kriterium, denn auch ein Gruppengespräch kann diskursiv verlaufen, was nur bedeutet, daß das Argument dem Gesetz des Syllogismus von Behauptung zu Behauptung folgt, um von einem Ausgangspunkt an sein Ziel zu gelangen. Der Kunstgriff, mit dessen Hilfe der einzelne am Diskurs beteiligte Sprecher sich der für sein Unterfangen notwendigen Dialektik versichert, besteht in eben jener „Enthaltsamkeit", die ihm jede persönliche Anteilnahme am Argumentationsprozeß untersagt und ihm „wissenschaftliche Neutralität" abfordert. Der Balanceakt der dialektischen Argumentationsweise kann durchaus von einem einzelnen Sprecher geleistet werden, wenn dieser die Motivierung der Redeschritte den verschiedenen widereinander gerichteten Dimensionen des Arguments anvertraut, selbst aber lediglich als Helfer seine kontrollierende Intelligenz abwechselnd der einen und der anderen Seite zur Verfügung stellt. Der Monolog erscheint in dieser Konstellation gleichsam als eine Folge von thematischen Konfrontationen und Lösungen, verkettet durch den generativen Mechanismus der Logik einerseits und die Kontinuität eines zentralen Arguments andererseits. Diese Feststellung berechtigt uns zu der Frage, ob die Bezeichnung Monolog für den Diskurs schlechthin haltbar ist und ob es nicht vielmehr angebracht ist, ungeachtet der Singularität des vollziehenden Sprechers zwischen unterschiedlichen Argumentationsmustern zu differenzieren, um uns im einen Fall für die Kategorie Monolog, im anderen für die des Dialogs zu entscheiden. Als bestimmendes Kriterium erweist sich nicht so sehr die Darstellungsform, als vielmehr das Nexusmuster: die Frage nämlich, auf welche Weise die Verkettung der einzelnen Propositionen erfolgt. Betrachten wir diese Anaphorik im folgenden an einigen charakteristischen Dialogformen. 4. Dialogische Redeweise Ist das äußerliche Realisationsmuster des Dialogs als Redetyp der Sprecherwechsel, so entspricht dieser Wechsel auf der inneren Strukturebene einem Motivierungsschema, das insofern mit der Thema-Rhema-Gliederung vergleichbar ist, als einem Sachverhalt A eine Aussage z beigesellt wird, woraus sich eine neue Sachlage A' ergibt, die wiederum Anlaß zu einem neuen Prädikat y
113 wird und mit diesem zusammen das Thema A " generiert Da der Sinn einer jeden Stellungnahme in diesem Prozeß die Veränderung einer als korrekturbedürftig erkannten Situation ist, kann man gleichzeitig folgern, daß jede auf diese Weise erzielte thematische Kontinuität eine dialektische Strukturform darstellt. Die einfachste Form einer solchen Dialektik stellt die Sequenz Frage - Antwort vor, die von der kurzen Bestätigung eines erfragten Sachverhalts bis hin zum ausgedehnten Interview reichen kann. Ob es sich um Entscheidungs- oder Inhaltsfragen handelt, spielt dabei keine Rolle, da im einen wie im anderen Fall die Antwort in direktem Bezug auf das Thema konsekutiv-neutral erfolgt; der antwortende Sprecher „geht auf die Frage ein", was bedeutet, daß er sich die motivierende Basis der Frage zu eigen macht und eine vorgegebene Thematik gleichsam fortführt, ohne einen Perspektivwechsel in den argumentativen Kurs einzuführen. So wie wir im Falle des Diskurses zur Frage gedrängt wurden, ob er in jeder Beziehung ohne weiteres als Monolog zu bezeichnen sei, konstatieren wir nun eine ähnliche Unsicherheit bezüglich der Konstellation Frage - Antwort in Bezug auf deren Dialogcharakter. Im Wechsel von Frage und Antwort ist das Argument lediglich rhetorisch auf zwei Sprecher aufgeteilt; ein echter Perspektivwechsel hat dennoch nicht stattgefunden. Überhaupt scheint eine Kardinalbedingung für den letzteren im Behauptungscharakter einer Proposition zu liegen, der in einer Frage charakteristischerweise nicht gegeben ist; und da der Perspektivwechsel wiederum auf dem Vorhandensein unterschiedlicher Propositionen fußt, ist er dort unmöglich, wo es solche propositionale Konfrontation nicht gibt. Ganz anders ist die Situation im Streitgespräch, das im populären Bewußtsein als Inbegriff des Dialogs betrachtet wird. Zwar folgen auch hier Rede und Gegenrede dialektisch aufeinander; dennoch bleibt der hier deutlich ausgeprägte Perspektivwechsel von dem jeweiligen Anfangsziel überschattet, einen bereits eingenommenen Standpunkt zu verteidigen. Die Folge ist eine Schwächung des Arguments als generative und verbindende Kraft: der von unterschiedlichen vorgegebenen Zielpunkten bewirkte kontroverse Charakter des Streitgesprächs hat die Tendenz, die argumentative Perspektive auf einen simplen Dualismus von positiv - negativ bzw. richtig - falsch zu verengen, innerhalb dessen sich eine wirkliche Dialektik nicht mehr entfalten kann. Damit stößt der Dialog hier wiederum an eine Grenze, und zwar diesmal an jene seiner inneren Konsequenz. Sprecher- und Perspektivwechsel hören in jenem Augenblick auf, Garanten dialogischen Redens zu sein, in dem die Kontinuität des Arguments als dritte Grundkonstituente des Dialogs mangels eines fundamentalen Zielkonsenses nicht mehr gegeben ist. Dialog artet daher in sinnlose Wechselrede aus, wenn nicht alle Teilnehmer sich ihrer Verpflichtung zu einem gemeinsamen Argument bewußt sind und sich auch dieser Verpflichtung entsprechend verhalten. Ein solches diszipliniertes Zusammenwirken zugunsten eines gemeinsam verfolgten Arguments wäre etwa in der prototypischen Redeform des Symposiums zu sehen. In seiner Extremform liegt es gelegentlich auch in gesellschaftlich bestimmten Situationen wie Fest- und Gedenkveranstaltungen mit der für sie charakteristischen Redeform der Würdigung vor, in deren Verlauf
114 verschiedene Sprecher nicht nur Zustimmung zu einem zentralen Thema, sondern auch zu einer durchgängigen Argumentationsstruktur, zu einer gemeinsamen Strategie erheben. Häufig findet man eine solche Strategie - als bedingungslose Zustimmung freilich zu einem argumentativen Klischee erstarrt - im politischen,.Dialog", der eben kein Dialog mehr ist. Wie schon am Beispiel von Frage und Antwort erweist sich auch hier die Wahrheit, daß es keinen sinnvollen Dialog ohne die Konstituente Perspektivwechsel gibt. Der konformistische Charakter der Zustimmung ist dem konsekutiven der Antwort darin ähnlich, daß beide gleichermaßen einer Verwirklichung des dialogischen Prinzips entgegenstehen, wie sehr auch immer das Erscheinungsbild einer Mehrzahl beteiligter Sprecher einen anderen Eindruck erwecken mag. Noch eine weitere, weit verbreitete Redeform bleibt im Rahmen unserer Untersuchung des Dialogs zu erwähnen: die Diskussion. In gewisser Hinsicht könnte man sie als eine erweiterte Variante des Diskurses bezeichnen, folgt sie doch im wesentlichen dem dialektischen Motivierungsschema mit dem ihm eigenen Perspektivwechsel. Allerdings scheint der Sprecherwechsel dagegen nicht absolut notwendig zu sein, wenn wir etwa an die in der wissenschaftlichen Praxis übliche Wortbedeutung „analysierende Betrachtung" denken, die es durchaus zuläßt, daß lediglich ein einzelner Aktant den Sprechakt bestreitet. Auch in der Behandlung der Frage der Motivierung enthüllt sich die enge Wesensverwandtschaft von Diskurs und - als Lexem von diesem abgeleitet - Diskussion. So ist beiden die einverständliche Beachtung des zentralen Arguments, sei es als teleologisch inspirierte forschende Wanderung auf verschlungenen Wegen in der Diskussion, oder sei es als Suche nach einer prima causa, auf deren Ermittlung sich das analytische Bestreben nicht minder oft als auf den Beweis einer Hypothese im Diskurs konzentriert, gemeinsam. 5. Monolog und Dialog: ihre gegenseitige Durchdringung Welche Schlüsse lassen sich aus unseren Feststellungen über die verschiedenen Erscheinungsformen monologischer und dialogischer Rede ziehen? Unverkennbar ist die Schlüsselrolle, die dem Nexuskriterium im einen wie im anderen Fall zukommt. Die entscheidende differenzierende Frage ist nicht, wie viele Sprecher am Redevorgang beteiligt sind, sondern in welcher Weise dieser motiviert und strukturiert ist. Kann diese Frage dahingehend beantwortet werden, daß das Argument sich in dialektischer Weise entwickelt, liegt die erste unabdingbare Konstituente eines Dialogs vor: der Perspektivwechsel. Verbindet sich letzterer mit der Kontinuität eines durchgängigen zentralen Arguments, sind wir berechtigt, die Rede zumindest dialogisch zu nennen. Findet die Verwirklichung des Perspektivwechsels um die Spiegelachse eines zentralen Arguments statt, und wird sie zusätzlich von einem regelmäßigen Sprecherwechsel begleitet, sind alle Voraussetzungen gegeben, die uns die Bezeichnung Dialog gestatten. Dagegen ist es sinnvoll, grundsätzlich alle Redeformen, die nicht dialektisch strukturiert sind, als monologisch zu bezeichnen. Analog zur Verwendung des Wortes Dialog sollte sein Gegenstück Monolog tunlichst für den Zusammenfall der inneren homologischen Motivierung mit der
115 äußeren Bedingung eines einzigen Sprechers/Aktanten reserviert bleiben, wie er uns im lyrischen Gedicht (nicht aber notwendigerweise in einer Elegie oder im Distichon) entgegentritt. Ähnliches gilt für erzählende Rede, die gelegentlich monologische und dialogische Elemente mischt; etwa dann, wenn der Erzähler das rhetorische Mittel der Ansprache an seine Zuhörer einsetzt. Hieraus läßt sich die interessante Frage ableiten, ob ein Dialog notwendigerweise an die völlige Verwirklichung seiner Formpotenz gebunden ist oder ob die 'Leerstelle', die sich aus dem Einräumen einer (in der Folge nicht wahrgenommenen) Chance des Einspruchs ergibt, bereits genügt, den Monolog in einen - defektiven - Dialog zu verwandeln. Betrachten wir die stilisierten Redesituationen des klassischen Theaters in diesem Licht, so zeigt sich, daß auch sie, die gern pauschal als Monolog oder als Dialog bezeichnet werden, tatsächlich nicht selten eher Mischformen darstellen. Diese entstehen etwa dann, wenn die Stichomythie eines schnellen Dialogs in alternierende Reflexionen einmündet oder wenn an irgendeinem Punkt die Anrede an eine zweite Person in ein Selbstgespräch einbricht. Auf den Dialog als strategischrhetorisches Mittel in der Erzählung als Kunstprosa weist Okon (1993) hin. Erscheinungen solcher Art beweisen, daß die Begriffe Monolog und Dialog keine pragmatischen Instrumente für die Beschreibung wirklicher Rede liefern können, sondern ihren Platz in einer Redetheorie haben, die es noch zu entwickeln gilt. Dieser Vorbehalt gründet sich nicht auf die besonderen Eigenschaften artifizieller Texte, die in dieser Hinsicht der theoretischen Definition beider Begriffe noch viel stärker entsprechen, als dies in der wirklichen Alltagssprache der Fall ist, in der unreflektiertes Sprachverhalten einerseits und heterogene Pragmatik andererseits systematisch definierte Redeformen nur über kurze Text- und Zeiträume zuzulassen scheinen. Rücksichtnahme auf die pragmatische Struktur von Rede sollte uns nicht davon abhalten, unserem empirischen Befund entsprechende theoretische Feinstrukturen zu suchen, um diesen möglichst wirksam zu erklären. Für die Feststellung des Verhältnisses zwischen Monolog und Dialog ist daher eine Analysestrategie erforderlich, die von einer gegenseitigen Durchdringung beider auszugehen bereit und in der Lage ist. Daß das Postulat einer monolithischen Großform dazu nicht geeignet ist, hat sich im Laufe unserer Untersuchung herausgestellt. Was wir brauchen, ist ein Konzept, das jene Durchdringung als natürliches Phänomen interpretieren kann. In diese Problematik führt uns die im Titel dieses Beitrags gestellte Frage: Haben Monolog und Dialog eine gemeinsame Grenze? Die oben erwähnte Auflösung des theoretisch konzipierten Dialogs in pragmatisch realisierte dialogische Segmente oder „Dialogismen" (Okon 1993), die bis zur scheinbaren Identität von Dialog und Monolog (Hoffmannová 1993) führt, unterstreicht nur die Aktualität jener Frage. Daran, daß es diese gemeinsame Grenze in der Tat gibt, ist nicht mehr zu zweifeln. Freilich bleibt uns noch die Aufgabe der Bestimmung ihres Ortes. Um sie zu lösen, kehren wir zum Zentralbegriff des Perspektivwechsels zurück. In ihm erkannten wir die vornehmliche Konstituente des Dialogs gleichsam als seine 'Binnenstruktur'. Seine Funktion ist die motivierende und argumenterhaltende Verknüpfung monistischer Redeeinheiten in der Weise, daß eine solche Einheit jeweils durch einen Wechselpunkt an ihrem Anfang und ihrem Ende begrenzt wird. Dieses Schema läßt
116 sich auf den Monolog übertragen, indem wir diesen ebenfalls als Redeeinheit betrachten, die - in einen Makrokontext eingebettet - ihrerseits ihre Grenze im Wechsel zu einer fremden Perspektive findet. Jenseits dieser Grenze mag ein anderer Monolog oder ein dialektisch gemeinter und zum Dialog führender Sprechakt liegen, wodurch die Grenze im ersteren Fall zu einem Teil einer Außenbeziehung, im letzteren dagegen zu einem Element der Binnenstruktur (des Dialogs) wird. Auch hier entstehen interessante Fragen. Über welche zeitliche und/oder räumliche Entfernung vermag ein Perspektivwechsel zu wirken? Ist der Dialog an eine zeitliche Kontinuität ebenso wie an eine argumentative gebunden? Existiert er nur in der Einheit von Zeit und Ort? Ist er also an unmittelbare mündliche Rede gebunden, oder erlaubt er das Mittel der räum- und zeitübergreifenden schriftlichen Form? Kann ein Monolog zu einem Teil eines Diskurses werden? Ist der absolute Monolog vorstellbar? 6. Ausblick Erinnern wir uns: Angelpunkt des dialogischen Prinzips ist der argumentative Nexus. Gelingt es, diesen mit Hilfe geeigneter Analyseverfahren zu ermitteln, wird es auch möglich, über den Grenzverlauf zwischen monologischer und dialogischer Struktur im konkreten Fall eindeutige Aussagen zu machen, und dies sollte das implizite Ziel aller Dialoganalyse sein. Gerade die linguistische Theorie bedarf der Bestätigung durch die empirische Forschung; denn so wichtig es ist, allgemein zu fragen, so notwendig ist es andererseits, Antworten am konkreten Einzelfall zu suchen. Und es kommt darauf an, die richtigen Fragen - Fragen, die den wissenschaftlichen Dialog befruchten und motivieren - zu stellen. Angemessene Theoriebildung ist daher immer als Gegengewicht gegen das Risiko zufälliger und einmaliger Ergebnisse erforderlich. Gegenseitige Durchdringung von Theorie und Empirie, die Relativierung ihrer Grenzen: auch vor der Dialogforschung liegt die notwendige Paradoxie des Lebens und fordert ihren Tribut.
Literatur Baumann, Klaus-Dieter (1992), Integrative Fachtextlinguistik, Tübingen, 50. Hoffmannovä Jana (1993), Zwischen Dialog und Monolog. In: Dialoganalyse IV; Referate der 4. Arbeitstagung für Dialoganalyse Basel 1992, hrsg. von H. Löffler, Tübingen, Bd. 4, 3540. Okon, Luzian (1993), Remarques sur le dialogue philosophique de Diderot, conflit(s) et stratégie(s). In: Dialoganalyse IV; Referate der 4. Arbeitstagung für Dialoganalyse Basel 1992, hrsg. von H. Löffler, Tübingen, Teil II, 53-63.
Annely Rothkegel INTERACTIONAL STRATEGIES OF TEXT PLANNING
1.
Assumptions, questions
2.
Presentation of information in an argumentative style
3.
Text planning strategies
4.
Interaction model
References
1. Assumptions, questions It is assumed that text production is characterized by a process of planning and that this process can be described in terms of interactional strategies which are reflected in the sequential structure of the resulting text. This view tries to combine communicative aspects of language production and structural patterns of connecting utterances. Text planning belongs to an area of growing interest within several disciplines (textlinguistics, computational linguistics, artificial intelligence, psychology, writing research). In general, plans are structured sequences of actions or operations by which a particular task is performed. According to Prevignano (cf. his talk on the same conference) a plan may be considered to be a set of a goal and various procedures. I will adopt this view to the tasks of text production. Producing a text then means to perform particular actions in order to perform a specified task. A very central task of texts is to convey information for particular purposes. According to these purposes a coherent structure has to be built up. Text production then can be described as actions by which such a structure is construed. Within this framework three questions are discussed: (i) What is the relationship between text structure and interaction? We will rely on texts in which the topic and the communicative purpose is fixed. Such a text type is represented by book announcements. The topic refers to new books as products. These may be presented in several styles which correspond to several types of interaction, e.g. a descriptive, narrative, or argumentative style. It is assumed that building up a text structure according to these styles can be considered as the reflection of planning strategies. For our discussion we will give an example of the analysis of a book announcement in an argumentative style. (ii) How can planning strategies be described linguistically? We will proceed from the assumption that text production is a goal-oriented activity which is performed by linguistic actions (text actions, cf. formal description in Rothkegel 1991). The main question here concerns the relationship
118 between illocutionary and prepositional aspects on the one hand, and linguistic means on the other hand. (iii) What does interaction linguistically mean? Starting from the writer-reader - relationship we are looking for a metatheory of interaction which allows us to refer text planning strategies to general strategies of communication. Whereas we are dealing mainly with the informational level of communication the question arises how conveying complex information by means of a text can be modeled. We will apply a constructivistic view of interaction which propagates - instead of an information transfer - a model of orientation. 2. Presentation of information in an argumentative style The text example stems from announcements by the publishers J. Benjamins. The original text is enumerated in terms of propositions (pi). pi
The subject-matter of the present monograph is paradigmatic structure,
p2
a not very 'a la mode' topic.
p3
This study takes the view
p4
that this neglect of the relationships between elements in absentia is highly unfortunate
p5
as far as word-structure is concerned.
p6
For, it claims
p7
that among morphological theories only those are fit
p8
to uncover the principles underlying ...
p9
in which the paradigmatic dimension of word-structure is assigned a central position.
This example offers an evaluation of the book in question by opposing two positions: PRO and CONTRA. PRO is characterized by the position that a property x - here the view of 'paradigmatic structure' - is positively valued. On the contrary, CONTRA considers x as negatively valued. The sequence of the propositions is determined by a global text structure which follows the argumentation scheme of Toulmin (1975). This scheme relates the data (D) and the conclusion (C) by the introduction of an inference rule the warrant W) which may be backed (B) and supplemented by some condition of exception (rebuttal, R). In our example, R is not used and - as an interesting point in advertising texts - the conclusion is not expressed. Starting from the original Toulmin scheme we apply the following analysis. This text enters the line of argument of the book and integrates it into the presentation. The line of arguments is as follows: pi:
object has x (= topic 'paradigmatic strucure')
p2:
this x is - normally - negatively valued
p3-p5:
position of the book:
p6-p9
to have x is positively valued
inference:
object is positively valued
the lack of x is negatively valued
119 Structure according to the Toulmin-scheme: D
C
(pl-p2) W
(p3-p5)
B
(p6-p9)
(to be infered on the basis that p9 corresponds to pi)
3. Text planning strategies Planning strategies are to be seen with respect to structure-building processes. This view is central for several approaches of current text generation models which refer to the so-called strategic level of generation. 'Strategic* means the handling of the content according to some goals which may be divided into a hierarchy of subgoals. The reason for this kind of modeling is to develop a structure for organizing the text content step by step. In our approach we identify those operations with linguistic actions by which communicative goals are performed. This presupposes that the communicative goal and the goal of producing a text is considered to be the same (Rothkegel 1992). Correspondingly we can profit from the goaloriented perspective of speech-act theory in order to define text actions (TA) as text producing actions. They are determined by a specific relationship between the three components: illocution (ILL), prepositional content (PROP), and linguistic means (LOC, locution). This is to be seen in such a way that ILL is a two-place predicate with PROP and LOC as arguments. Operationally, ILL means an instruction as to how to understand PRO that is expressed by LOC (Rothkegel 1991): TA: ILL (PROP, LOC) On the level of interpretation, ILL defines the communicative status of the content and indicates the relationship between the writer, the reader and the content. One of these possibilities is to define illocution by means of the concept of 'aim'. Dimter (1981, 54) describes such a relationship in a mental model which includes basic categories such as WANTING and KNOWING. These categories designate the different aims which the speaker or writer and the listener or reader can have. Conveying information then is expressed as the change of state of the listener or reader in the following form (Dimter 1981, 62): WISSEN (H, w(p)) [KNOWING (L, true (p))] In other words: the speaker/writer wants - this is the aim of S/W - that the listener/reader knows that p is true. If we integrate the role of the speaker/writer (as W) into the relationship between the listener/reader (as R) and the content (as p) we get the following expression: WANTING (W, KNOWING (R, true (p))).
120 In operational terms (e.g. in information processing models) ,,true(p)" means that the content of p is available in the database of a system („not-true" would mean „is not in the database of the system", cf. Moore/Hendrix 1982). Illocution is now an instruction for different kinds of manipulating information (cf. this cognitive view in Biihler 1989, 15). The basic assumption of such an approach is that the information which is uttered by the writer is transferred from the writer to the reader. In the following we will try to apply this approach to a model of text planning. We come back to our example. The realization of the communicative task of book announcements is based upon three types of text actions: DESCRIBING, EVALUATING, CLAIMING. They differ in several treatments of information which we formalize in a similar way as in Dimter (see above). The difference concerns the quality of the predicate of p. We will distinguish between facts, norms and beliefs. Instead of „true" we assign these different types of knowledge in terms of a corresponding predicate. DESCRIBING means: the writer W wants that the reader R knows the content of the proposition p. p corresponds to a fact. DESCRIBING : WANTING (W, KNOWING (R, fact(p))) EVALUATING means: the writer W wants that the reader R knows that p is assigned to norms of evaluation. EVALUATING : WANTING (W, KNOWING (R, norm(p))) CLAIMING means: the writer W wants that the reader R knows that p is assigned to some beliefs. CLAIMING : WANTING (W, KNOWING (R, belief(p))) Our example can be interpreted as a repeated application of CLAIMINGS which also cover EVALUATINGS and by which an argumentative structure is built up. The task of conveying information is performed in an argumentative style. Here for example, the claiming of beliefs is assigned to different positions (posl = CONTRA and pos2 = PRO). The above example now looks as follows: D
TA: claiming (pi, LOC) TA: claiming [posl] (p2, LOC)
W
TA: claiming [posl is negative] (p3-p6, LOC)
B
TA: claiming [pos2 is positive] (p6-p9, LOC)
Whereas the single utterances are characterized by the same type of illocution, namely CLAIMING, the sequence as a whole provides a global structure, namely a short passage of ARGUING. Accord-
121 ing to Heinemann/Viehweger (1991,58f.) we interpret ARGUING as the dominant text illocution whereas the several contributions of CLAIMING function as subsidiary illocutions which support the main goal of the text: conveying information about an object by presenting a text in an argumentative style. According to this view ARGUING, as well as CLAIMING, is a type of text action by which specific information is embedded into communicative actions and thereby into a standardized coherent plan. Schaffner/Shreve/Wiesemann (1987,105) discuss a qualified schema of four parts which constitute an argumentative strategy in texts: 1. invocation of belief structures, 2. decomposition of belief structures, 3. alteration of belief structures, and 4. composition of belief structures. They can exactly be assigned to the above sequence of the four parts, p 1 presents the invocation of a content. p2 „decomposes" this content. p3-p6 gives an alternation (the negative view is negatively valued), and finally, p6-p9 „compose" the wanted structure. The next assumption is that there are traces of the argumentative strategy on the surface level of the text. The sequencing of the several steps of arguments is reflected in a line of corresponding linguistic markers which are realizations of the LOC-component. They establish a Jinking system" (Schaffner/Shreve/Wiesemann 1987, 106) of connectors. 'Connector' in a textual sense does not only mean connectives such as conjunctions which link two sentences together (cf. Redeker 1990). In principle, all parts of speech may get the function of text connectors. It is a category which is purely defined in terms of the function of connecting parts of a text in order to construct a global text structure. Our text shows the following line: posl (CONTRA)
-> not a very ...
pos2 (CONTRA/neg) is valued [-] -> this neglect... highly unfortunate pos2 (PRO) is valued [+]
-> only those ... which ...
Text actions are an instrument which helps to make explicit some relation between a communicative goal on the one hand, and a marked linguistic structure on the other. According to this view they represent planning strategies for building up a text structure. This structure is communicatively relevant as the conveyed information is structured according to communicative goals. 4. Interaction model The conclusion of the line of argument is not explicitly expressed, but the reader is led to this conclusion. This is possible on the basis of the sequence of the several text actions which are parts of a whole text plan. The reader may infer it or not. It may be that he/she is convinced, but it is not necessarily so. This cannot be the point. Can we maintain the idea that argumentation is a mechanism for invoking, modifying and supporting knowledge and beliefs. It also may be that the argumentative style of object presentation is an appropriate strategy for involving the reader in the text and to get his/her attention. The writer presents different positions to the readers. This happens in such a way
122 that one position is preferred (in the example it is pos2). What does this mean for the reader? We can assume that the reader can decide for him- or herself even if pos2 is expressed full-length (it includes at the same time the summary of the content of the book). Consequendy, what does it mean that a writer conveys information to a reader? What is interactional in text planning? In information processing approaches modeling linguistic actions the process of informing is understood as a transfer of information (see above). The participants are considered to be some kind of container (a memory, a database, etc.) from which information can be taken and filled in into another container. In this view the reader of the above text would copy the two positions including the preference that is stressed by the writer. This is intuitively not plausible. Communicative actions are not likely to accomplish some transfer. What alternatives are available? Is there some metatheory of communication that could be useful for explaining text planning as strategies of performing text actions? In the following I will try to apply a constructivistic view to a linguistically motivated interpretation of linguistic actions, especially of text actions. It refers to a meta-theory of communication which is based on cognitive biology (cf. survey in Schmidt (ed) 1991). The constructive paradigm is a cognitive paradigm that goes back to - amongst others - Maturana in the seventies. In short, this theory claims that living systems interact with other living systems by giving him/her an orientation for organizing the conveyed information according to the needs of its own system in order to act in the world. Therefore conveying information cannot be some kind of information transfer from one system to another one. This view is motivated by the following assumptions (Schmidt 1991,26f.): - Information processing is considered to be some kind of organized assigning of meaning in terms of interpretation and construction rather than the handling of representations of the real world. - A living system is informationally closed. It processes external signals according to internal principles of organization. Thus information is created by the system and not transferred from one system to another one (cf. concepts of self-referentiality, self-organization). - A living system interacts with another system (or with itself) in terms of orientation. It describes its states in order to give an orientation for the other system to interact within its own cognitive domain. - The role of natural language is a communicative one. It is used in order to orient living systems towards interactions which are independent of the kind of orienting interactions. The main function of language is therefore orientation and not reference, it is communication and not representation. Information transfer by means of natural language is not possible. What are the consequences of such a view for a linguistic model of interaction? (a) Quality of the information: instead of a model of reference („truethness") a model of construction is applied. Therefore the question is not whether the information is true or not true. The question is whether the construction fits the communicative needs or not.
123 According to this view the definition of text actions may be revised: DESCRIBING: ORIENTING (W, INTERACTING (R, CONSIDERING AS FACT (W, p))) The writer W orients the reader R, in order that R may interact on the basis that the writer considers p to be a fact. EVALUATING: ORIENTING (W, INTERACTING (R, CONSIDERING AS NORM (W, p))) The writer W orients the reader R, in order that R may interact on the basis that W considers p to correspond to a norm. CLAIMING: ORIENTING (W, INTERACTING (R, CONSIDERING AS BELIEF (W,p))) The writer W orients the reader R, in order that R may interact on the basis that W considers p to belong to his/her beliefs. (b) Interactional aspect: instead of a concept of transfer a concept of orientation is used. If we apply this to our example we can say: the writer orients the reader about his/her construction of the object in question. Conversely, this construction allows the reader to construct himself/herself the information which he/she needs. In a cognitive linguistic view we assume that these constructions follow conventionalized patterns of coherence. They provide the writer, as well as the reader, with means for constructing new relations between different pieces of information. Conveying information then is orientation by the writer for the reader about his/her strategies of creating coherent relations between several pieces of information. According to this text actions are communicative actions of orientation which can be distinguished on the basis of specified goals and by chains of linguistic markers.
References Bühler, A. (1989), Semantik kognitiver Sätze und mentale Repräsentation. In: Falkenberg, G. (ed), Wissen, Wahrnehmen, Glauben. Epistemische Ausdrücke und propositionale Einstellungen. 9-25. Tübingen. Dimter, M. (1981), Textklassenkonzepte heutiger Alltagssprache. Tübingen. Heinemann, W./Viehweger, D. (1991), Textlinguistik. Eine Einführung.Tübingen. Moore, R.C./Hendrix, G.C. (1982), Computational models of belief and the semantic of belief sentences. In: Peters, St./Saarinen E. (eds), Process, beliefs and questions. 107-127. Dordrecht. Redeker, G. (1990), Ideational and pragmatic markers of discourse structure. In: Journal of Pragmatics 14,367-381.
124 Rothkegel, A. (1991), The dialogical basis of text production. In: Stati, S./Weigand, E./Hundsnurscher, F. (eds), Dialoganalyse HI, 393-403. Tübingen. Rothkegel, A. (1992), Textualisieren. Theorie und Computermodell der Textproduktion. Lang, Frankfurt (im Druck). Schäffner, Ch./Shreve G.M./Wiesemann, U. (1987), A procedural analysis of argumentative political texts. Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, Leipzig, 2/1987, 105-117. Schmidt, S.J. (ed) (1991), Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Frankfurt. Toulmin, St. (1975), Der Gebrauch von Argumenten. Kronberg.
Tatiana Slama-Cazacu CONTEXTUAL-DYNAMIC METHODOLOGY FOR THE STUDY OF THE STRUCTURE OF DIALOGUE
1.
Dialogue (D) studied in its dynamics
2.
Preliminaries about D
3.
Contextual-Dynamic (C-D) and the study of D
4.
C-D methodology for the study of D
5.
Subsequent solutions in connection with the C-D principles: a) Multidisciplinarity b) Study of „non-constructed" utterances c) Elicited vs. spontaneous D? d) Necessity of generalization, and the „isolated cases" e) Parameters for the (minimal) units, and the structure of D
6.
C-D research and some results (new issues)
Note References Annexes
1. Dialogue (D) studied in its dynamics Especially in the first part of my paper, I shall not directly tackle „the structure of the dialogue" (D). I should also add that this paper will not be centered - as it is still current - in D as a product, considered as a finished, static datum, „packed" in a written form ready for analysis (to be more precise: this written form was, until about 15 years ago, mainly a literary text - a drama e.g. where the features of D were revealed, studied and emphasized; nowadays, this strenuous investigation is often replaced by a corpus of communication out of such literary texts, and not uncommonly by invented „examples" of „fragments" of D). 2. Preliminaries about D My concern here is D in its entire occurrence in real-life contexts, in its dynamic achievement, and even more, its birth - i.e. how does it happen that two or more persons begin to interact through an act of communication? (I won't name it a D, until I have specified what I call a D) 1 .
126 2.1 Personal definition of D This act of communication may consist of signs of various nature, whether or not linked together in strings, perceived by various channels. Which of these forms is a true D1 (conventionally named or not, what do I call a D?) An exchange of replies (at least two: if there is only one, i.e. the address and its reply, the D is „born dead"); an exchange between two or more partners, oriented one to the other, alternating their replies and allotting a proportionate „ dosage " (length), including information and having recourse to a linguistic special form (a syntactic-contextual constellation which I will speak about further). All this is not enough however, and when I gave this definition (SlamaCazacu 1961/1977) I implicitly included in it what I am going to add now, because, I realize, I have to render it more explicit. First, that, in most cases (excepting the „literary" ones and the rare cases of exchange of letters in a ,,D" (or written „messages" in an office, a family, etc.), the D is an oral communciation. As a rule, this fact is not enough taken into consideration in the investigations. And a second essential feature, deriving from what was said before: D, as defined above and such as it occurs more frequently, is a verbal phenomenon (hence its linguistic form). However, as any oral communication, it does not include only acoustic signs, but also other categories of signs (gestures, facial expressions, even actions, etc.) that are mostly received by the visual channel (we have to exclude here the modern derivations of D: by telephone, by radio - and I cannot endeavour to demonstrate that their structure is shaped very much as being a face-to-face one; also, these are special cases, and we have to limit the discussion to what is more general and specific). 2.2 Study of D in real-life situations Such a complex phenomenon cannot be investigated by just recording the sonorous waves (on tape recorders, which were considered as the peak of technology in the 60s-70s, after so many years of simple protocols put down by the researcher). This complex phenomenon cannot even be caught by recording the D on video-tapes (a deceiving remark, which will explained further on; let me only allude to the fact that even Ds in praesentiam do not always occur face-to-face and the partners nailed in one and the same place). Hence, the necessary investigation done on the spot, at the very birth of any D, in its dynamics and not as a „product" (as I previously mentioned), and in its very complexity. We already succeeded in studying this complexity beginning in the 50s even, and long before „Discourse analysis", „Speech acts theory", „Textlinguistics", „Pragmatics" etc. (cf. some of them, as Franke (1990), Tannen (1989)); as a matter of fact, these trends did not only appear much later, but they are unilateral, only concerned with one aspect of what I consider to be a whole, they do not pursue the consequences of their view point up to the various facets of what is such a complex phenomenon as human communication and its actual achievement in oral D. The results alluded to above were attained due to a certain theory (a certain model of the act of communication) and methodology, that were also much developed thanks to research itself. Consequently, if I began by asking „What is a dialogue?" - and mentioned some of its features much
127 discovered by the investigations based on this theory and methodology, a very important question is Mow to know it?" - how to arrive to the discovery of its other features, how to amplify our knowledge about its already known pecularities. The necessity of a thorough study of D, such as it actually is in reality, and even what it is in the reality of acts of communication brings us to the compulsory use of a theory (an adequate theory, however, able to help us to really approach reality), and of an adequate methodology of research. For arguing about their usefulness, just one remark: many facts, features of D, details of interpretation had been put forward and presented in publications long before,.America" W as discovered by some new trends or trends now in fashion, which may realize that they used ideas concerning D just the same as Monsieur Jourdain made prose without knowing it was done and named with a certain name before him (see Slama-Cazacu (1959/1961, 1961/1977, 1968/1973, 1964, etc.). 3. Contextual-Dynamic (C-D) theory and the study of D A few words about the model I envisaged, of the act of communication (hence the „ theory "), and the methodology used for studying D. 3.1 Necessity of a theory for the study of D First of all, some remarks on the necessity of a theory as a basis for research, and also on its prerequisites. Using a theory does not mean a distortion of the research; on the contrary, it provides general rules of „behaviour*' in any research, which usually prevent to just ending in blind alleys or errors. To start research on communication without a theory can lead to numberless trials or preliminary research (where from, finally, a theory may also emerge). However, the use of a theory can be a good guide only in case it case it is an adequate theory: that takes into consideration the reality of D, this really concrete human phenomenon submitted to our research, which is the D. 3.2 The starting point in concrete reality The theory that I use and that I am going to briefly present was elaborated on the basis of reflections, bibliographical documentation, hypotheses checked by preliminary investigations and a great number of research until it was completely validated (it can also be continuously refined by the very research based on it). The essential prerequisite is, as mentioned, the starting point in what is noticed (also by observation, preliminary research etc.) to be concrete reality (I mean that such a theory cannot take its start, from the very beginning - except for the postulate of „respecting reality" -, in deductive principles and even in postulating complete indifference to the reality of communication, of the linguistic or the social contexts etc., as it happened with „generativism").
128 Although already presented in various books and papers - even published in languages as English or French, i.e. not only in the Romanian language -, it is still necessary at least to abstract this theoretical model, as briefly as possible. 3.3 The C-D model of the act of communication The starting point being the reality of a communication act, these essential components are to be found in it (schema 1):
CONTEXT INFORMATION EMITTER
RECEIVER
DECODING
Schema 1: The communication act (from Slama-Cazacu 1959/1961,1968/1973
etc.)
On the basis of several remarks and experimental research works, I have also formulated, as a general rule operating in language functioning, „the principle of adaptation to the context" (SlamaCazacu (1954/1956,1959/1961)). I have long viewed context not only as a linguistic configuration, but also as the situational and social-historical, as well as the partners' systems of coordinates (personality, skill, experience of life, etc.), as all the possible contextual levels (see the model represented in the schema 2, Slama-Cazacu works mentioned above, and (1968/1973)). I have moreover pointed out that the emitter organizes his expression with a view to an explicit as well as an implicit context, in so far as he appreciates that such references would be accessible to the receiver (direct information about the situational context, or stored - in the long term memory - about the personal coordinates of the emitter, etc.) and that, through a process of reception which is an interpretation, the receiver would be able to decode the message by applying the „ knowledge alluded to by signs" offered explicitely by the emitter, as well as by „referring to something " (the word yesterday belongs to the explicit context, but also points to the implicit context, to the situation „implicitely" known by the receiver). This act of receiving involves a complex process of interpretation that makes use of all the signs and clues (also gestures, actions, etc.) that could restore, through „reference", the information that in fact is only „partially" encoded by the emitter,
129 in the explicit context. It happened that I collected the fol-
TOTAL CONTEXT
lowing message, during a travel - and I am giving it in its original French form (the
IMPLICIT CONTEXT
(Situational physical environment; social proper)
message was perfectly decoded by the receiver - and, though addressed in a written form, it could have belonged to an oral dialogue
sequence): «Je re-
viens (the receiver R knows where the emitter E will come back). Je suis au XXe siècle (a previous, anecdotical context had endowed this syntagm with the m e a n i n g of „rest room"). A 3 heures (R knows Schema 2:
^
Contextual levels (from Slama-Cazacu
"" 196811973, etc.)
that it is p.m., not a.m.), je dois être à l'agence de voyage (R knows which one, so as to go
there). J'ai terminé (an important activity about which R knew: a successful result is to be assumed, that is why a thanks follows, as R has contributed to this outcome). Merci, Z. » (R knows the reason of this „merci", and also who the emitter was, hence no full names were necessary.) I will further explain why this theory is not just a contextual one, but also dynamic-contextual. 4. C - D methodology for the study of D What are the consequences of this theoretical model, for the method of D study (which I would better call - or add to it -: on the research on D )? 4.1 Collecting complete corpora of D (including non-verbal c o m p o n e n t s , etc.) One consequence, first of all, is the necessity of collecting corpora of D(s) with whatsoever is to be found in that reality of these acts of communication, and then of studying the corpora of Ds with all their contextual determinations and the interpersonal relations they imply. Hence, this approach, which ascribes its due place to the context at all its levels, brings about the necessity of an accurate and complete recording - in a joint procedure of tape and video-recording together with written protocols (because much may be „lost" in a video-recording),
and adding the personal anamnesis
of each interlocutor, of all that is meant to be used by the interlocutors themselves, though not
130 explicitely given in the verbal replies: data on the coordinates of each partner, the situational context with the objects it includes (Slama-Cazacu (1981)) - and I even make drawings of the room, the position of the objects, of the persons and their movements, if any, etc. (see annex 3); also, notes on nonverbal behaviours and even of paralinguistic expressions, which are not always caught by tape recordings, etc. Many records of Ds were a waste of time, because neither nonverbal elements (gestures etc.) nor even paralinguistic ones (as a slight ironical cough) have been recorded or put down in the publication of the corpus (as, e.g., in the ample and computer-processed Corpus of English Conversation, by Svartvik and Quirk (1980), or others). Some recommendations were done by Ruoff (1973, 1990), but not much materialized in corpora analyses (or in in-depth studies; and, unfortunately, more recent works do not lay stress on the complex requirements of methodology (e.g. Canisius (1986), Franke (1990), Hege (1974), Muller (1984), Schank (1981), Tannen (1989)). 4.2 The study of D in dynamics This theory and its appended methodology are also characterized by dynamic features, which make this approach essentially different from „pure" structural trends, and will be mirrored in data-gathering and in the analysis of data. Hence: dialogues in actual dynamic circumstances of life, and even the processes of activity, an in the age of evolution. It also implies analysing data through establishing relations in a dynamic correlation among the components of the communication act, and within the dialogue itself, which is composed of sequences unfolding in time (I will comment further on the concept of „dialogic syntax" ). This study supposes a pendulation, in analysis, from the part - i.e. microelement - to the whole, and conversely, in order to understand the way the receiver himself interprets the replies. The sequential construction of a dialogue is thus analyzed, and further integrated in the ampler linguistic context, as well as in the extra-linguistic one - a feature which also differentiates this methodology from pure „textlinguistics" (see annex 1). 5. Subsequent solutions connected with the C-D principles Some details as a consequence of the principles presented above: a) Multidisciplinarity. In such a research as the one based on the C-D approach - which is not only psycholinguistic, but also involving interdisciplinary cooperation -, there is no sharp distinction between a linguistic and a socio-orientated discipline. In any case, linguistics can no more achieve „pure" linguistic analysis of a „text" (a D) without integrating it in a social context as well; and sociology (or social psychology) simply have to take into consideration the linguistic aspects of an interaction in communication. The aim (, .knowledge" about the same phenomenon) may be different: focussing on the interaction as such (sociology, social psychology), or on the linguistic means for achieving dialogue in language, or, mostly, in a specific language (linguistics). And I coul add here psycholinguistics,
which explains phenomena, pointing to the influence of psychological
131 processes of the interlocutors on the messages (in various contexts, etc.), while linguistics proper aim at gathering corpora of Ds and at analyzing them through their specific tools. But: all these disciplines coexist and have implicit links - also because the phenomena are very complex. b) Study of„non-constructed" utterances. It is sure that linguistics can no longer operate with „constructed" utterances - as examples of grammatical structures, or of dialogue: first of all, one cannot „construct" (on an a priori basis ?) before knowing how something is in actual fact, and we do not know very well, mostly for dialogue, what its concrete forms are in each language. c) Elicited vs. spontaneous D? Elicited Ds do not mean „artificial", if special prerequisites are respected, as for anything in an experimental research (The question is a very old one in psychological research: to wait until a process occurs, or to induce it - to „elicit" it - in an experiment?). My own experience as an experimentialist in psychology and in linguistics or psycholinguistics has led me to trusting the possibility of recording in natural settings „authentic" communication even if „elicited" experimentally, or to make „elicited" facts become similar - as an output - to „spontaneous" ones (while „spontaneous" Ds may be distorted by various factors biasing their normal course). Finally, completely „spontaneous" Ds can be added to the „elicited" ones in a research; all the more so, because such research needs a very large number of „cases" for establishing a valid corpus. d) Necessity of generalization, and the „isolated cases". An important methodological step in research is generalization. The fashion is over, in linguistics, of „isolated cases". An example was the study of child language on the linguist's own children; there were thorough, exemplary works - e.g. Clara and Wilhelm Stern's but it was impossible to arrive at the scientific aim of „generalization". Many groups (diads, triads at least) involved in Ds are necessary in order to gather corpora (and, as a consequence of the theory and methodology I have presented before, in many contexts : various social contexts, formal and informal, in various activities, various ages involved, etc.). Only if such conditions were fulfilled, the corpus of dialogues for specific languages can be correctly collected, and its linguistic features can be considered as „general" or as „particular" to more restricted contexts. Statistical data processing will moreover be necessary, as a matter of course, to establish the privileged frequencies. e) Parameters for the (minimal) units, and the structure of D. This issue - and even moot point - cannot be resolved in a simple way (as it has been done traditionally in linguistics: the word? no; the sentence? - no; the paragraph? - no; the,, text"!). It depends, however, on the aim pursued: theoretically, a dialogue is a continuum, a single or a whole unit, it consists of a unit of linguistic contexts, and even of a unit with its extra-contents, so it cannot be „cut", theoretically, into „microunits". For practical reasons, however, consequently for analysis, for quantitative processing, it is of course necessary to find a parameter which might be called a „micro-unit". For such reasons, I used a content parameter, i.e. the beginning and the end of a certain topic dealt with by the partners (in the research on
in children", Slama-Cazacu (1961/1973), this served for counting the number
of topics followed within the same time-unit by groups of different ages: the number of topics is in
132 inverse proportion to the age, owing to the lability of interests of younger children). When studying „dialogic syntax", I used as a parameter the beginning and the end of a sentence or the number of replies of various partners forming a single sentence (because a sentence may be composed of the replies of various interlocutors - see below, and annex 2. 6. C-D research and some results Several investigations have been carried out by the present author (and some by doctorands) with the ,,C-D methodology": on children's D (a pioneering book one might say: 1961 in Romanian, 1977 in English, etc.), and on adults (1964 - dialogues in the process of activities; 1981, 1982 a collected corpus and the analysis of the structure of D, etc.). Among the main results I would just mention here the study of Ds in Romanian during various working activities - 1964 -, and the strategies which I called mixed syntax (1970/1968,1973b, 1976,1977a, 1981) and dialogic
syntax
(1961/1977, 1981, 1982 - and A. Crisan's thesis (1990), under my supervision). 6.1 T h e „mixed syntax" in the D (annex 2a) The investigation using the C-D methodology in face-to-face oral D has confirmed the hypothesis that reception is achieved through the double (auditory and visual) channel and offered the objective basis for a systematic gathering and analyzing of the strategy of a mixed syntax. This consists of eliminating certain verbal elements, in the same chain (for instance a subject or a predicate or even a whole sentence), by substituting them by non-verbal elements (by manipulation of an object, performance of an action, pointing to an object, etc.). (I am underlining that this is not the traditionally well known situation, where there is a superposition
of a gesture, e.g. on the simultaneous verbal
chain, or a redundant non-verbal element: the non-verbal completely replaces a verbal one, and only temporarily, so this is not the case of a „whole" non-verbal communication either (annex 2a). For example: «Dorin (5.5, about their „telephones"): How + NV (he indicates the „telephone") [it] doesn't have holes? - Cornelia (5.7): Look! + NV (she indicates them) - Tania (5.4): Oh, yes, it does!...Look! + NV (she indicates the „holes") - Dorin: It has + NV (=holes).» Or: «In a team of fishermen, one of them: Did you take + NV (the sweep net) out? - The other one-. NV (points to it).» (Slama-Cazacu (1961,1973); and (1964,1981), for other examples see ibid., e.g. (1981, 71, 87), etc.). Or: «.Partner A (offers chocolates): Please. - Partner B: NV (takes a chocolate) +: Delicious!» What would one understand from this dialogue, if one did not know the non-verbal elements? Example from B. Shaw, Arms and the Man: «She: (returns with the box of confectionary in her hand) I am sorry I have eaten them all except these (she offers him the box) - The soldier. Creams! Delicious! [...] Thank you (+
133 NV: he hands back the box)» (annex 3); or from Harold Pinter, The Room: «.Rose (she butters the bread, then tells Bert): Eat it up. ItU do you good (then, she goes to the table and pours tea into the cup) Drink it down...». I only gave the example, without the rest of the dialogue. Or from Slama-Cazacu, (1977, 118): «Look [...], Attention [...], Take it [...] Put it [...]. No! [...]». 6.2 The structure of D: the „dialogic syntax" (annex 2b) This is a basic strategy (also due to economic „negotiation"!), consisting offormal syntactic connections between replies, by their mutual completion: they build up a single syntactical-semantic unit (simple or compound sentences): «M.G. [...]: Snobby of certain ... (hesitates). -N.T.: - persons.» (Slama-Cazacu (1981, 75)); «D.S.: When? - E.S.: Formerly. - D.S.: Probably Tuesday afternoon. -M./.: At the lecture in methodology.» (ibid.); «L.I.: [...] There are other abbreviations systems. - CD.: Quite different ones [...].» (ibid.). This strategy appears with great frequency (mosdy, in informal situations); in one corpus, I found 49% occurrences, and it depends on the relations between partners acquainted or not with certain events, on their personality, on the register or situation (formal vs. informal), on the context of activity in which communication is unfolded, etc. Among other results, I found that interruption, generally considered as hindering dialogue (see „the non-interruption rule", which though valid, still, in teaching communication, should be reformulated), may not only be a means of linguistically structuring the D, but it may even show a cooperative intention and respect for the partner, who is thus granted attention (perhaps even, this is part of the phatic - Jakobson (1960, 355)).
Note 1) This term is used here as a more general one, without special connotations. I cannot discuss here the differences (mosdy concerning form, aims, register) between various terms such as: dialogue vs. conversation, discussion (debate, dispute), talk, pratding, chat, colloquy, interview, negotiation); I am only underlining that I don't support the difference assumed (cf. Moeschler 1989, 22) between „dialogue" as corresponding to „more abstract facts" and „artificial interaction", while „conversation" would include a „natural interaction".
References Franke, W. (1990): Elementare Dialogstrukturen. Tübingen. Gühlich, ETTechtmeier, B. (eds.) (1988): Methodologische Aspekte der linguistischen Analyse von Gesprächen (Round table at the 14th Int. Congr. Linguists, Berlin, 1987). Berlin. Hege, M. (1974): Engagierter Dialog. München, Basel.
134 Jakobson, R. (1960): Closing statements : Linguistics and poetics. In: Sebeok, T.A., (ed.): Style in language. Cambridge, Mass., London, 350-377. Jakobson, R. (1972): Verbal communication. In: Scientific American 277/3,72-80. Moeschier, J. (1989): Modélisation du dialogue. Représentation de l'inférence argumentative. Paris. Muller, K. (1984): Rahmenanalyse des Dialogs. Aspekte des Sprachverstehens in Alltagssituationen. Tübingen. Ruoff, A. (1990): Grundlagen und Methoden der Untersuchungen gesprochener Sprache. Tübingen. Schank, G. (1981): Untersuchungen zum Ablauf natürlicher Dialoge. München. Slama-Cazacu, T. (1956/1954): Le principe de l'adaptation au contexte. In: Revue [roumaine] de linguistique 1, 79-118. (Rumänisch: 1954). Slama-Cazacu, T. (1961/1959): Langage et contexte. The Hague. (Rumänisch: 1959, Spanisch: Barcelona, 1970). Slama-Cazacu, T. (1961/1977): Dialogue in children. The Hague, Paris, New York. (Rumänisch: 1961, Tschechisch: 1966). Slama-Cazacu, T. (1963): Remarques sur quelques particularités du message verbal déterminées par le travail. In: Linguistics 2, 60-84 (Deutsch: Revue [roumaine] de linguistique 1962, 2, 269-288). Slama-Cazacu, T. (1964): Comunicarea in procesul muncii Communication in the process of work>. Bucureçti. Slama-Cazacu, T. (1966/1965) Essay on the psycholinguistic methodology and some of its applications. In: Linguistics 24, 51-72 (Rumänisch: 1965). Slama-Cazacu, T. (1966): Le dialogue chez les petits enfants. In: Bulletin de psychologie (Paris), 19-247/8-121,688-698. Slama-Cazacu, T. (1968/1973): Introduction to psycholinguistics, The Hague, Paris. (Rumänisch: 1968, Italienisch: 1973). Slama-Cazacu, T. (1970/1968): L'étude du roumain parlé: un aspect négligé - l'„indicatio ad oculos". In: Actele celui de-al XII-lea Congres International de Lingvisticä $i Filologie Romanicä (1968), Bucure$ti, vol. I, 591-599. Slama-Cazacu, T. (1970): The power and limits of social context of language behaviour. In: Cahiers de linguistique théorique et appliquée 7, 31-41. Slama-Cazacu, T. (1973a): Is a socio-psycholinguistics necessary? In: International journal of psycholinguistics 1-2 [2], 93-104. Slama-Cazacu, T. (1973b): Componente non-verbale ïn secven(a mesajului (Ipoteza sintaxei mixte) -Form verfaßt ist und sich an das Muster eines Reiseberichts anlehnt. Dem widerspricht bloß das Tempus: Präsens. Dieses ist zwar denkbar als historisches, wird aber im Reiseführer typischerweise als zeitloses, von einer konkreten Reise gerade abstrahierendes verwendet. Und das wir kann eben auch ein den Rezipienten vereinnahmendes sein. Diese verschiedenen Perspektiven nun werden in dem Band systematisch gemischt: Bericht über eigene Reisen, Anleitung zu einermöglichen Reise und imaginäre gemeinsame Reise, gemeinsame Reise der Autoren und/oder mit Beteiligung des Rezipienten. Ich zitiere aus dem Abschnitt zu Leipzig: Unser Kontrastprogramm zur Innenstadt heißt Leutzsch. Mit der polternden Straßenbahn, Linie 13, fahren wir durch enge Straßenschluchten, vorbei an verfallenen, verrußten und verwitterten Hausfassaden vor allem aus der Gründerzeit. [...] Wir wandern durch Leutzsch, suchen Szenen des Lebens hier. Vorstadtruhe nimmt uns auf, in den Seitenstraßen spielen Kinder Ball und fahren Rad. Bei uns müßten Schilder aufgestellt werden, um die Sicherheit der Kleinen wenigstens halbwegs zu gewährleisten. An einer Fensterscheibe entdecken wir zwei Aufkleber [...], eine Besonderheit. [...] Wir fotografieren gerade, als sich die Gardine bewegt und ein bärtiger Kopf erscheint; er fragt uns, ob wir die seien, die neulich ... Sind wir nicht. Aber fünf Minuten später sind wir im Besitz einer Einladung für den Abend. Bei Einbruch der Dunkelheit sitzen wir am runden Tisch einer Altbauwohnung. Der Gastgeber ist gebürtiger Mecklenburger [...] und erzählt anschließend aus seinem Leben (Anders Reisen DDR 1986: 312ff.) Ich möchte abschließend die theoretisch bedeutsamen und auch für andere Textsorten relevanten Ergebnisse dieser Untersuchung zusammenfassen: 1. Es hat sich gezeigt, daß in einem Reiseführer vielfältige Interaktionsrahmen rekonstruierbar sind. Diese sind nicht nur analytisch unterscheidbar, sondern werden z.T. in den Texten als konkrete Begegnungen inszeniert bzw. fingiert. 2. Besonders bedeutsam ist der Wechsel von Interaktionsmodi. Reiseführer sind nicht nur bzw. nicht mehr an sachlicher Effektivität und Angemessenheit orientierte Gebrauchstexte, sondern wechseln zwischen .objektiver' und imaginärer Realität hin und her, beziehen Witz, Spiel, Phantasie, primär unterhaltende und ästhetisierende Elemente ein und können stark fiktionalen Charakter annehmen.
175 3. Das Spiel mit solchen Interaktionsrahmen und -modi ist für viele moderne Textsorten, nicht nur für Reiseführer, charakteristisch. Für sprechakttheoretisch orientierte Analysen ist dieses Phänomen insofern sehr bedeutsam, als die Interpretation der illokutionären Funktion einer Äußerung, die Bestimmung möglicher Reaktionshandlungen darauf usw. je nach Interaktionsrolle und -modus unterschiedlich ausfallen kann und damit vielschichtig wird. 4. Dieser Vielschichtigkeit realer Kommunikation muß in den dialoganalytischen Beschreibungen Rechnung getragen werden. Vielschichtigkeit heißt freilich nicht Beliebigkeit, es muß vielmehr darum gehen, die unterschiedlichen Ebenen systematisch zu erfassen, und genau darin scheint mir ein gangbarer Weg zu liegen, den fundamental dialogischen Charakter monologischer Texte zu erfassen. Hat man diesen Schritt einmal getan, so kommt man freilich nicht mehr umhin, auch Dialoge auf mehreren Ebenen zu lesen und das abstrakte Sprecher-Hörer-Paar als ein Ensemble von Interaktantenpaaren aufzufassen.
Anmerkungen 1) Vgl. Bucher/Fritz 1988; Weigand/Hundsnurscher 1989: Bd. 1: IXf.; Holly/Weigand 1991. 2) Die Textsorte ist bisher (unter linguistischen Gesichtspunkten) noch kaum untersucht; vgl. aber Klein 1985; femer den literaturwissenschaftlich orientierten Forschungsbericht von Brenner 1990, der v.a. einen ausgezeichneten Zugang zu der im Umkreis relevanten Forschungsliteratur ermöglicht, und schließlich Steinecke 1988. 3) Alle Beispiele Baedeker Süddeutschland 1929.
Quellentexte Anders Reisen DDR 1986: Ketman, P./Wißmach (1986), A.: DDR. Ein Reisebuch in den Alltag, Reinbek bei Hamburg. Baedeker Süddeutschland 1929: Baedeker, K (1929): Süddeutschland. Handbuch für Reisende, Leipzig, 33. Aufl. „Richtig reisen" Die Schweiz und ihre Städte 1982: Ziehr, A. (1982): Die Schweiz und ihre Städte. Basel Zürich Luzern Bern Lausanne Genf Lugano, Köln. Walter-Reiseführer Schweiz 1989: Kamer, F. (1989): Schweiz, Olten/Freiburg i.Br.
Literatur Brenner, P.J. (1990), Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungsüberblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte (Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 2. Sonderheft), Tübingen. Bucher, H.J./Fritz, G. (1988), [Bericht über die] 2. Arbeitstagung Dialoganalyse (Bochum, 9.11. März 1988). In: Deutsche Sprache 16, 369-376.
176 Holly, W./Weigand, E. (1991), Methodologie der Dialoganalyse. Kolloquium der Internationalen Gesellschaft für Dialogforschung, Bologna 14.-15. Dezember 1990. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 19, 239-242. Klein, K.-P. (1985), Reiseführer. Gebrauchsliteratur für unterwegs und zuhause. In: Der Deutschunterricht 37, 18-28. Steinecke, A. (1988), Der bundesdeutsche Reiseführer-Markt. Leseranalyse - Angebotsstruktur Wachstumsperspektiven, Starnberg. Weigand, E./Hundsnurscher, F. (eds.) (1989), Dialoganalyse II. Referate der 2. Arbeitstagung. Bochum 1988 (Linguistische Arbeiten 229), Tübingen.
Susanne Beckmann & Peter-Paul König SPRICHWÖRTER UND IHRE VERWENDUNG IM DIALOG Über den Zusammenhang zwischen Bewertung und Funktion
1.
Einleitung
2.
Zum Wandel der Bewertung sprichwörtlichen Redens
3.
Sprichwörter: Bewertung und Funktion
Anmerkungen Literatur
1. Einleitung Sprachlich Handelnde haben bei der Formulierung ihrer Gesprächs- und Textbeiträge in der Regel vielfältige Möglichkeiten der Wahl. Mitunter entscheiden sie sich für die Verwendung von Sprichwörtern und Gemeinplätzen. 1 Daß diese hinsichtlich ihrer pragmatischen Funktion anders zu beurteilen sind als „pragmatisch markierte" und „nicht-äußerungswertige" Phraseologismen oder gar nicht-phraseologische Äußerungsformen, wurde verschiedentlich herausgestellt. 2 Im Gegensatz zu den Routineformeln z. B. ist über die spezifische Leistung und den strategischen Wert von Sprichwörtern durch die bloße Zuschreibung von Handlungsmustern wenig ausgesagt. In der Forschungsliteratur werden in diesem Zusammenhang unter anderem folgende Funktionen genannt: Aufmerksamkeitssteuerung, Themen- und Handlungsstrukturierung, Unschärfefunktion, Reduktion der Komplexität, Argumentationsersparnis, Unscharfe-, Konstatierungs-und Moralisierungsfunktion (vgl. z. B. Koller 1985, Sandig 1989, Lüger 1989). Als spezifisch gelten vor allem jene Funktionen, die mit dem Zitatcharakter von Sprichwörtern in Verbindung gebracht werden (z. B. Argumentationserspamis, Moralisierungsfunktion). Häusermann (1977), Fleischer (1982), Hofmeister (1990) u. a. gehen so weit, den Sprichwörtern aufgrund ihres Zitatcharakters eine Sonderrolle zuzuschreiben und sie aus dem Kreis der Phraseologismen auszugrenzen. Fleischer (1982, 80) weist darauf hin, daß Sprichwörter „nicht wie lexikalische Einheiten .reproduziert', sondern wie andere Mikrotexte und Teiltexte (...) .zitiert'" werden. Der Sprecher berufe sich dabei nicht auf eine bestimmte Persönlichkeit, er zitiere die Sprachgemeinschaft (vgl. Norrick 1982, 172). Bei derartigen Sprichwortverwendungen verläßt sich der Sprecher darauf, daß dem Sprichwort eine gewisse Autorität zugebilligt wird, daß das Stereotyp, wie Lüger (1989, 16) schreibt, „eine Markierung als evident, als nicht weiter hinter-
178 fragbar" trägt. Das Vertrauen in die Verbürgtheit des Sprichworts jedoch ist in weiten Teilen unseres Kulturkreises geschwunden. 3 Dieser Wandel der Bewertung sprichwörtlichen Redens in den vergangenen Jahrhunderten soll im folgenden nachgezeichnet werden. 2. Zum Wandel der Bewertung sprichwörtlichen Redens „Was wäre wohl (...) so ganz geeignet," schreibt Erasmus von Rotterdam in einem Brief an den ,Graven Gulielmum Montiojum', „die Rede mit anmuthiger Lebhaftigkeit zu verschönern, mit besonderm Scherze zu würzen, mit dem Salze des Wizes zu erfrischen, (...) als ein reicher und manigfacher Vorrath von Sprichwörtern, aus welchem man, wie aus einer (...) Schazkammer, je nach Bedürfniß und Belieben hervorzieht, was als Metapher schiklich ergözt, oder mit Lauge beißt; was durch sinnreiche Kürze frappiert, oder mit kurzer Spize richtig trift"; „weil", so fahrt Erasmus etwas später fort, .jeder gerne hört, was er sogleich versteht, und was schon eine Art Empfehlung durch sein Altertum mit sich bringt (...).1,4 Eine solche Begeisterung und ungebrochene Wertschätzung des Sprichworts teilt auch Erasmus' Zeitgenosse Agricola, der Verfasser einer der populärsten deutschen Sprichwortsammlungen des 16. Jahrhunderts, von dem Karl Friedrich Wilhelm Wander (1867, Bd. I, XIX) sagt, es sei die goldene Zeit des Sprichworts, „in der alle Welt in Sprichwörtern dachte, redete und schrieb". Für Agricola verbürgt das Sprichwort ,,gesetz() und recht()'\ das die Weisen von „anbegynn der weit (...) ynn kurtze wort" gefaßt haben, damit man sie leichter behalten könne. 5 Die Bedeutung, die dem Sprichwort zu dieser Zeit in der Rechtsprechung zukam, z. B. als Gedächtnishilfe bei der Urteilsfindung, bei der Gerichtsrede oder beim Urteilsspruch, vor allem aber auch beim Sprechen über Recht, ist in der Forschung hinlänglich untersucht worden.6 Ihre Wertschätzung und praktische Anwendung verdanken die Sprichwörter aber auch ihrem religiösen Gehalt: Die Auslegung edicher Sprichwörter - so Sebastian Franck - zeige, daß das Sprichwort ein festes Wort Gottes sei, „das Gott in aller menschen hertz unnd mund geschriben" habe.7 Ganz ähnlich äußert sich Johann Michael Sailer, der in seiner 1810 veröffentlichten Sammlung „Die Weisheit auf der Gasse" den Ursprung aller Sprichwörter auf die Universal-Vernunft Gottes zurückführt. 8 Es mutet heute vielleicht etwas seltsam an, die Wahrheit und Überzeugungskraft von Sprichwörtern auf göttliche Einwirkung gründen zu wollen, doch die Autoren berufen sich auf die Bibel, in der auf unterschiedliche Weise von Sprichwörtern gehandelt wird. Noch in den Wörterbüchern von Adelung und Campe werden - wenn auch eher in dokumentarischer Absicht - unter dem Lemma „Sprichwort" zunächst verschiedene Bibelbelege angeführt, die die Bedeutung des Sprichworts als Wort Gottes belegen: Campe zitiert in seinem 1810 erschienenen „Wörterbuch der Deutschen Sprache" u. a. die Bibelstelle Joh. 16, 25, wo es in der ihm vorliegenden Übersetzung heißt: „Solches habe ich zu euch durch Sprichwort geredet. Es kömmt aber die Zeit, daß ich nicht mehr durch Sprichwort mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen werde von meinem Vater" und Moses 5, 28, 37: „Du wirst ein Sprichwort sein unter allen Völkern. 9 Die Vor-
179 Stellung vom Sprichwort als Wort Gottes bzw. in abgeschwächter Form als dessen kondensierte Lehre machte die Sprichwörter zu einem probaten Mittel für Predigt und moralische Unterweisung. Auch Luther, der durch seine Bibelübersetzung für die Verbreitung zahlreicher Sprichwörter gesorgt hatte, verfügte über eine eigene handschriftliche Sammlung, die er für seine reformatorischen Ziele in Predigten und Pamphleten zu nutzen wußte. Zusammenfassend kann man sagen, daß im 16. und 17. Jahrhundert ein relativ ungebrochenes Verhältnis zu Sprachspielen bestand, in denen man sich auf die Autorität von Sprichwörtern beruft, wie dies z. B. bei Ratschlag, Mahnung oder Argumentation der Fall ist. Dieser Eindruck ergibt sich zumindest, wenn man die Erläuterungen zur Verwendung von Sprichwörtern, wie sie etwa in der Sammlung von Erasmus von Rotterdam gegeben werden, als Indikator für einen möglichen Gebrauch nimmt. 1 0 Die Auffassung, daß das Sprichwort „Ausdruck der Denk- und Sinnesart eines Volkes" 1 1 sei oder - wie Urbas es formuliert - den .jedem Volke eigenthümlichen Genius" 1 2 repräsentiere, ist kennzeichnend für die romantisierende Sicht des 18. und vor allem des 19. Jahrhunderts. Die vielfach unternommenen Definitionsversuche der aufblühenden Sprichwortforschung suggerieren einen unlösbaren Zusammenhang zwischen den intellektuellen Leistungen eines Volkes und seinen Sprichwörtern. Die sprichwörtlichen Redensarten zeigen nach Humboldt, wie das Volk „in der Wortbekleidung selbst einem tieferen Sinne" nachspüre. 13 Und für Herder gehören die „Idiotismen" zu den „patronymische(n) Schönheiten" einer Sprache, die er gegen die Übermacht des sogenannten Klassischen zu verteidigen sucht. 14 Vom sittlichen Wert der Sprichwörter überzeugt, spricht er von „sinnreiche(n) Volksspriiche(n)", „die als Grundsätze der Denk- und Lebensart, als unzweifelhafte Axiome des gesunden Verstandes und der Sittenweisheit gelten". 15 So wie das Sprichwort auf der einen Seite von der Aufwertung und Mythisierung des Volkes profitierte, so war der Aspekt der Volkstümlichkeit auf der anderen Seite auch geeignet, den Gebrauch von Sprichwörtern zu kritisieren. Diese Kritik wurde schon zur Zeit der Aufklärung geäußert: „Sprichwörter, warum sie niedrig sind" 16 , heißt es im Inhaltsverzeichnis von Adelungs Abhandlung „Über den deutschen Stil". Seine Antwort: „weil sie gemeiniglich in den untern Classen entstehen, ihrer Denkungs- und Vorstellungsart am angemessensten sind, und oft widrige und unedle Bilder und Anspielungen enthalten". Sie seien „zum Unterrichte des großen Haufens bequem; aber eben um deswillen auch für den aufgeklärten Verstand der obern Classen unbrauchbar, der höhere Bewegungs- und Bestimmungsgründe kennet und bedarf." 17 Ähnlich abwertend äußert sich Kant, wenn er das Sprichwort dem,,Pöbel" zuordnet. In dem Kapitel „Von dem produktiven Witze" in seiner Schrift zur Anthropologie grenzt er das „Sprichwort (proverbium)" vom „Witzwort (bon mot)" ab. Es sei „eine gemein gewordene Formel, welche einen Gedanken" ausdrücke, „der durch Nachahmung fortgepflanzt" werde „und im Munde des ersten wohl ein Witzwort" gewesen sein könne. „Durch Sprichwörter reden" - folgert Kant - sei „daher die Sprache des Pöbels" und beweise „den gänzlichen Mangel des Witzes im Umgange mit der feineren Welt". 1 8 Für Kant steht das Sprichwort unter dem Verdacht der Denkfaulheit.
180 Auf dem Hintergrund sich entfaltender Verstandeskräfte und bahnbrechender Originalität erscheint das Sprichwort als Nachahmung eines Gedankens, dem jeder Witz abhanden gekommen ist. Nicht von ungefähr steht die Bemerkung über das Sprichwort in dem Kapitel, in dem Kant auch über das Genie handelt. Wie eine Fortsetzung der Kantschen Position klingen die Ausführungen des Philologen Honcamps, der 1861 in seinem Beitrag „Das Sprichwort, sein Werth und seine Bedeutung" schreibt: „Nur der Mensch von beschränkteren Geistesgaben spricht gern durch Überlieferung empfangene Gedanken in der mit dem Gedanken fest verwachsenen Form aus, während der schöpferische Genius für seine neuen Gedanken auch neue Formen des Ausdrucks schafft, und es verschmäht, die Sprache ,für sich dichten und denken' zu lassen." 19 Hier ist deutlich schon jene negative Beurteilung des stereotypen Sprechens vernehmbar, wie sie dem Gebrauch von Sprichwörtern im 20. Jahrhundert anhaftet: „Inwieweit in Sprichwörtern (...) Weisheiten und nicht vielmehr allgemein verbreitete Dummheiten, Vorurteile und Ressentiments ihren Ausdruck finden", sei dahingestellt, schreibt Florian Coulmas (1981, 60), und sein Zweifel wird von vielen geteilt. Daß jedoch die Verwendung von Sprichwörtern nicht unbedingt - wie das vielfach heute angenommen wird - einhergehen muß mit einer unkritischen Übernahme vorgefundener Verhältnisse, verdeutlichen die Ausführungen des eingangs zitierten Erasmus von Rotterdam, mit denen er in seiner Sprichwörtersammlung, der sog. „Adagia", den Gebrauch von Sprichwörtern 20 zu erläutern sucht. Dabei werden mögliche Verwendungen nicht nur beispielhaft angegeben, durch seine oft zeitbezogenen essayistischen Ausführungen läßt Erasmus konkrete Situationen der Anwendung vorstellbar werden. So ist die Erläuterung des Sprichworts „Eile mit Weile" zugleich auch eine heftige Attacke gegen das schlampige Editionswesen seiner Zeit, und seine Ausführungen zu dem Phraseologismus „Von einem Toten Steuern verlangen" geraten zu einer scharfen Kirchenkritik, die fast satirische Züge annimmt. 21 Auch die gängige Auffassung, daß die Verwendung von Sprichwörtern ein blindes und unreflektiertes Operieren vor dem Hintergrund tradierter Erfahrungen sei, wird relativiert, wenn man sieht, wie Erasmus Sinn und Gebrauch von Sprichwörtern durch tiefgreifende philosophische Reflexionen und eigene Erfahrungen zu begründen sucht. Die negative Beurteilung in unserem Kulturkreis hat wohl weniger mit dem Sprichwort als solchem als mit der Tradierung ganz bestimmter Sprachspiele und der in ihnen zum Ausdruck gebrachten Haltungen zu tun. „Die Funktionen, die man traditionell dem Sprichwort zuschreibt", schreiben Burger/Buhofer/Sialm (1982, 134) „sind charakteristisch für einen durchaus konservativen Umgang mit Sprache. Sprichwörter werden als systemerhaltend, normenkonform und dgl. beschrieben, also als Mittel zur Tradierung überkommener Wertvorstellungen, als wichtiges Mittel einer Spracherziehung, die immer schon als moralische Erziehung verstanden ist." Für die im 20. Jahrhundert vorherrschende Einstellung läßt sich etwa folgendes konstatieren: Die Verbürgtheit von Sprichwörtern wird allgemein in Frage gestellt. Zu Recht wird in der Fachliteratur hervorgehoben, daß Sprichwörter nicht isoliert, sondern allenfalls im Zusammenhang bestimmter Situationen ihren Wahrheitswert entfalten kön-
181 nen. Die Tatsache, daß zu einer Reihe von Sprichwörtern Gegensprichwörter existieren (ein Sachverhalt, auf den bereits Seiler (1922, 421ff.) hinweist), bestätigt diese Skepsis. Auch als Symbol der Sittenlehre eines Volkes scheint das Sprichwort ausgedient zu haben: „Machte sich einer daran, eine Ethik der Sprichwörter zu schreiben, aus seinem Buche sähe das (...) dümmliche Spießergesicht des ewigen Besserwissers auf den Leser" schreibt Lutz Mackensen (1968,95), und in der Forschungsliteratur wird man nicht müde zu betonen, daß Sprichwörter nicht in erster Linie eine Morallehre verkörpern, sondern „Ausdruck praktischer, beweglicher Alltagskasuistik" (Bausinger 1978, 4) seien. Daß mit dem Verlust der Autorität des Sprichworts ein Verlust möglicher kommunikativer Funktionen einhergeht, soll abschließend anhand einiger Beispiele gezeigt werden. 3. Sprichwörter: Bewertung und Funktion Die Funktion von Sprichwörtern in argumentativen Zusammenhängen ist in einigen Untersuchungen beschrieben worden (vgl. z. B. Wenzel 1978, Häusermann 1987, Lüger 1992): Sprichwörter können in Argumentationen an die Position der Schlußregel treten, die normalerweise - zumindest auf Nachfrage hin - einer Stützung bedarf. Diese Stützung erspart sich, wer an Stelle der Schlußregel ein Sprichwort verwendet, vorausgesetzt der Sprecher kann sich auf die Autorität des Sprichworts verlassen. (1)
Damit kann man ja nicht auskommen. Allein die Miete verschlingt schon die Hälfte des Gehalts. Der Mensch lebt nicht von Brot allein.
Durch den Verlust des Vertrauens in die Verbürgtheit sprichwörtlicher Weisheiten verlieren diese ihre besondere Eignung für argumentative Sprachspiele. Sie werden hinterfragbar wie entsprechende nicht-phraseologische Äußerungen und bedürfen wie diese gegebenenfalls der Stützung. Wenn Sprichwörter auch heute noch erfolgreich in Argumentationen eingesetzt werden, dürfte das darauf zurückzuführen sein, daß i) die skeptische Haltung gegenüber dem Sprichwort sich noch nicht auf die sprachlichen Routinen ausgewirkt hat und daß ii) ein Teil ihres strategischen Werts erhalten bleibt, solange die Frage nach ihrem Wahrheitswert zumindest noch umstritten ist. Außerdem droht das Gespräch im Falle einer Zurückweisung oder Hinterfragung eines Sprichworts (vgl. 2) in unangemessener Weise zu expandieren und in eine Auseinandersetzung über die Bewertung stereotypen Sprechens bzw. in eine metakommunikative Vorwurfsinteraktion auszuufern. 22 (2)
.Du hast über alle Grenzen verwirrt und vernunftlos gehandelt!' .Vernunft ist nicht das Höchste auf Erden!' ,Oh, keine Phrasen! (aus: Thomas Mann, Buddenbrooks, 294)
Was zur Minderung der Leistung von Sprichwörtern in Argumentationen gesagt wurde, gilt in weit stärkerem Maße für deren Verwendung beim Moralisieren (wie in 3).
182 (3) Otto (zu Martin) Wennst es zündeln nicht aufhörst, fängst eine. Hilde
Messer, Gabel, Schere, Licht, ist für kleine Kinder nicht, (aus: Franz Xaver Kroetz, Lieber Fritz, 191)
Noch Friedrich Seiler (1922, 425) sprach derartigen Sprichwortverwendungen eine besondere Wirksamkeit zu: „Auch in disziplinarischer oder pädagogischer Hinsicht wird man durch ein gelegentlich angeführtes Sprichwort (...) oft mehr erreichen als durch Tadel oder Strafe." Die spezifische Leistung von Sprichwörtern in moralisierenden Sprachspielen beruhte darauf, daß ihnen unhinterfragt Gültigkeit zugeschrieben wurde, so daß weitere Begründungen nicht erforderlich waren. Mit der Entwertung sprichwörtlichen Redens ging diese Funktion verloren, eine Entwicklung, die mit einem allgemeinen Rückgang moralisierenden Sprechens einherging. Sprichwortverwendungen mit dominierendem Zitatcharakter sind aus den genannten Gründen in weiten Teilen unseres Kulturkreises heute deutlich in den Hintergrund getreten. Das Sprichwort ist - wie Burger/Buhofer/Sialm (1982,136) schreiben - „in einem Funktionswandel" begriffen: „Es dient nicht mehr der Berufung auf eine Autorität, auf überlieferte Normen u. dgl., sondern es wird zum rhetorischen, oft humoristischen Mittel der Gesprächsführung und der emotionalen Auseinandersetzung mit dem Partner." Zahlreiche Publikationen zur Sprichwortmodifikation und Sammlungen sogenannter „Antisprichwöiter" 23 belegen diese Tendenz. Die Zunahme derartiger Verwendungen hat Renate Bebermeyer (1989, 105) veranlaßt, vom „gegenwärtigen Comeback des Sprichworts" zu sprechen. Daß Sprichwortmodifikationen jedoch weniger „von der .Lebendigkeit' tradierter Muster" zeugen als von einem „Vorgang der Ablösung und Distanzierung, der Infragestellung von Aussagen mit Allgemein-Gültigkeits-Anspruch", daraufhat Daniels (1989,70) zu Recht hingewiesen. Sprichwörter bzw. deren Variationen dienen dabei in erster Linie der Erregung von Aufmerksamkeit, der Themeneinführung, Akzentuierung usw., sie erfüllen Funktionen, die auch anderen phraseologischen und nicht-phraseologischen zugeschrieben werden: 24 (4)
Die Axt im Haus erspart den Scheidungsgrund.
(5)
Kommt Zeit, kommt Unrat.
(6)
Wer die Moral hat, hat die Qual.
Allenfalls werden .Sprichwortweisheiten* durch modifizierende Sprachspiele in Frage gestellt, oder es wird mit sprichwörtlichen Bedeutungen gespielt: 25 (7)
Morgenstunde ist aller Laster Anfang.
(8)
Wer klagt, gewinnt.
(9)
Wo ein Wille ist, ist auch ein Holzweg.
183 Für die Sprichwortvariationen gilt, was auch für nicht-modifizierende Sprichwortverwendungen festgestellt werden kann: sie verdanken ihre kommunikative Wirksamkeit weniger der Unhinterfragbarkeit sprichwörtlicher Wahrheiten denn ihrer Markiertheit als feste Wortgruppen. Es spricht vieles dafür, daß das Sprichwort einen Teil seiner pragmatischen Funktionen in weiten Teilen unseres Kulturkreises endgültig verliert. Daß dies genau jene Funktionen sind, die mit dem Zitatcharakter von Sprichwörtern in Verbindung gebracht werden und als sprichwortspezifisch gelten, darf bei der Diskussion um die Frage der Sonderrolle des Sprichworts im Rahmen der Phraseologie nicht unberücksichtigt bleiben.
Anmerkungen 1) Die folgenden Ausführungen gelten weitgehend auch für andere „äußerungswertige", „pragmatisch neutrale" Phraseologismen wie Gemeinplätze und (Quasi-)Tautologien. Zum Problem der Abgrenzung vgl. Burger/Buhofer/Sialm (1982, 39). 2) Vgl. z. B. Lüger (1989), Beckmann/König (1991) 3) Vgl. z. B. Mieder (1989, Vllf.): „Zu einer Zeit, wo ständig gegen blinden Gehorsam, gegen Autorität, gegen Binsenweisheit, gegen Vorurteile und überhaupt gegen schablonenhaftes Denken argumentiert wird, wird natürlich auch die tradierte Sprichwörterweisheit angegriffen." 4) Epistolä dedicatoria an den Graven Gulielmum Montiojum, zitiert nach Eiselein (1840, XLVf.) 5) Agrícola, Fünfhundert Gemainer Newer Teütscher Sprüchwörter [1548], zitiert nach der von S. L. Gilman herausgegebenen Ausgabe (1971, Bd. 1,4) 6) Vgl. Weizsäcker (1956) 7) Franck, Sprichwörter/Schöne/Weise/Herrliche Clugreden/und Hoffsprüch [1541], zitiert nach der von W. Mieder herausgegebenen Ausgabe (1987,4) 8) Vgl. Seiler (1922, 140f.) 9) Campe (1810, Bd. 4, 551) 10) Daß die Aussagekraft des Sprichworts sehr ernst genommen wurde, geht nicht nur aus emphatischen Stellungnahmen dieser Zeit hervor, sondern auch aus der Art, wie man mit mißliebigen Sprichwortsammlungen und ihren Verfassern verfuhr. So mußte Agrícola wiederholt Abbitte leisten, weil verschiedene der von ihm gesammelten Sprichwörter als Polemik gegen die Obrigkeit aufgefaßt wurden. 11) Vgl. Honcamp, Das Sprichwort, sein Werth und seine Bedeutung [1861], zitiert nach Mieder (1984,51) 12) Vgl. Urbas, Die Sprichwörter und ihre Entstehung [1876], zitiert nach Mieder (1984, 83) 13) Vgl. Humboldt, Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues [1827-1829], zitiert nach der A. Flitner und K. Giel herausgegebenen Ausgabe (1988,285) 14) Herder, Über die neuere Literatur. Fragmente [1768], zitiert nach der von U. Gaier herausgegebenen Ausgabe (1985, 585) 15) Herder, Morgenländische Literatur [1792], zitiert nach der von H. Dünker herausgegebenen Ausgabe (o. J., 161) 16) Adelung, Über den Deutschen Styl (1785,1. Theil, 448) 17) Adelung, Über den Deutschen Styl (1785,1. Theil, 221f.) 18) Vgl. Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht gefaßt [1800], zitiert nach der von W. Weischedel herausgegebenen Ausgabe (1977,540) 19) Honcamp, Das Sprichwort, sein Werth und seine Bedeutung [1861], zitiert nach Mieder (1984, 61 f.) 20) Der Begriff „Sprichwort" wird von Erasmus allerdings sehr weit gefaßt.
184 21) Erasmus von Rotterdam, Desiderii Herasmi Roterdami veterum maximeque insignium paroemiarum id est adagiorum collectanea [ 1500], zitiert nach der von W. Welzig herausgegebenen Ausgabe (1972, 491 u. 449ff.) 22) Vgl. Beckmann (1991, 90) 23) Vgl. z. B. Mieder (1989) 24) Die Beispiele sind entnommen aus Wotjak (1989, 125 u. 127) und Mieder (1989, 137). 25) Die Beispiele sind entnommen aus Wotjak (1989, 128) und Mieder (1989, 136 u. 141).
Literatur Adelung, J. Chr. (1785), Ueber den Deutschen Styl. Erster Theil, Berlin. Agrícola, J. [1548], Fünfhundert Gemainer Newer Teütscher Sprüchwörter. In: Gilman, S. L. (Hrsg.) (1971), Johannes Agrícola. Die Sprichwörtersammlungen II. Berlin/New York. Bausinger, H. (1978), Nachwort. In: Ders. (Hrsg.), Die Deutschen Sprichwörter. Versammelt von K. Simrock, Dortmund. Bebermeyer, R. (1989), Das gegenwärtige Comeback des Sprichworts. In: Sprachspiegel 45, 105-110. Beckmann, S. (1991), ,So wie man is, is man'. Zur Funktion von Phraseologismen in argumentativen Zusammenhängen. In: Feldbusch, E./Pogarell, R./Weiß, C. (Hrsg.), Neue Fragen der Linguistik. Bd. 2, Tübingen, 85-91. Beckmann, S./König, P.-P. (1991), ,Ich zähle bis drei...' - .Zählen kann jeder'. Überlegungen zur pragmatischen Funktion von Phraseologismen am Beispiel einiger Dialogsequenzen aus Elias Canettis Roman ,Die Blendung'. In: Stati, S./Weigand, E./Hundsnurscher, F. (Hrsg.), Dialoganalyse III. Teil 2, Tübingen, 263-273. Burger, H./Buhofer, A./Sialm, A. (1982), Handbuch der Phraseologie, Berlin etc. Campe, J. H. (1810), Wörterbuch der Deutschen Sprache. Vierter Theil, Braunschweig. Coulmas, F. (1981), Routine im Gespräch, Wiesbaden. Daniels, K.-H. (1989), Das Sprichwort als Erziehungsmittel - historische Aspekte. In: Gréciano, G. (Hrsg.), Europhras 88. Phraséologie contrastive, Strasbourg, 65-73. Eiselein, J. (1840), Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volkes in alter und neuer Zeit, Freiburg. Erasmus von Rotterdam [1500], Desiderii Herasmi Roterdami veterum maximeque insignium paroemiarum id est adagiorum collectanea. In: Welzig, W. (1972) (Hrsg.), Erasmus von Rotterdam. Ausgewählte Schriften. Bd. 7, Darmstadt, 358-633. Fleischer, W. (1982), Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache, Leipzig. Franck, S. [1548], Sprichwörter/Schöne/Weise/Herrliche Clugreden/und Hoffsprüch. Nachdruck, hrsg. von W. Mieder: Hildesheim 1987. Häusermann, J. (1977), Phraseologie, Tübingen. Häusermann, J. (1987), Phraseologismen und Sprichwörter als Formulierungshilfe in der argumentativen Rede. In: Burger, H./Zett, R. (Hrsg.), Aktuelle Probleme der Phraseologie. Symposium 1984 in Zürich, Bem, 79-95. Herder, J. G. [1768], Über die neuere Literatur. Fragmente. In: Gaier, U. (1985) (Hrsg.), Johann Gottfried Herder. Frühe Schriften 1764-1772, Frankfurt a. M. Herder, J. G. [1792], Morgenländische Literatur. In: Dünker, H. (o. J.) (Hrsg.), Herders Werke, Bd. 6. Berlin. Hofmeister, W. (1990), Sprichwortartige Mikrotexte, Göppingen. Honcamp, F. C. [1861], Das Sprichwort, sein Werth und seine Bedeutung. In: Mieder, W. (1984) (Hrsg.), Deutsche Sprichwörterforschung des 19. Jahrhundens, Frankfurt a. M., 45-66. Humboldt, W. von [1827-1829], Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues. In: Flitner, A./Giel, K. (1988) (Hrsg.), Wilhelm von Humboldt. Werke in fünf Bänden. Bd. III, Darmstadt.
185 Kant, I. [1800], Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Königsberg. In: Weischedel, W. (1977) (Hrsg.), Immanuel Kant. Werkausgabe XII, Frankfurt a. M. Koller, W. (1985), Die einfachen Wahrheiten der Redensarten. In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 56, 26-36. Kroetz, F. X. (1976), Lieber Fritz. In: Spectaculum 25, 189-215. Lüger, H.-H. (1989), Stereotypie und Konversationsstil. Zu einigen Funktionen satzwertiger Phraseologismen im literarischen Dialog. In: Deutsche Sprache 17, 2-25. Lüger, H.-H. (1992), Phraseologismen als Argumentationsersatz? In: Püschel, U./Sandig, B. (Hrsg.), Argumentationsstile, Hildesheim (erscheint demnächst). Mackensen, L. (1968) (Hrsg.), Gutes Deutsch in Schrift und Rede, Reinbek. Mann, Th. [1901], Buddenbrooks. In: Mann, Th. (1975), Das Erzählerische Werk in 12 Bänden. Bd. 1, Frankfurt a. M. Mieder, W. (1989), Antisprichwörter. Bd. Ol, Wiesbaden. Norrick, N. R. (1982), Proverbal perlocutions: How to do things with proverbs. In: Grazer Linguistische Studien 17/18, 169-183. Sailer, J. M. [1810], Die Weisheit auf der Gasse, oder Sinn und Geist deutscher Sprichwörter, Augsburg. Neuauflage: Nördlingen 1987. Sandig, B. (1989), Stilistische Funktionen verbaler Idiome am Beispiel von Zeitungsglossen und anderen Verwendungen. In: Grdciano, G. (Hrsg.), Europhras 88, Strasbourg, 387-400. Seiler, F. (1922), Deutsche Sprichwörterkunde. Nachdruck: München 1967. Urbas, W. [1876], Die Sprichwörter und ihre Entstehung. In: Mieder, W. (1984) (Hrsg.), Deutsche Sprichwörterforschung des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M., 81-108. Wander, K. F. W. [1867], Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Leipzig. Unveränderter Nachdruck: Stuttgart 1987. Weizsäcker, W. (1956), Rechtssprichwörter als Ausdrucksformen des Rechts. In: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 58,9-39. Wenzel, A. (1978), Stereotype in gesprochener Sprache. Form, Vorkommen und Funktion in Dialogen, München. Wotjak, B. (1989), Der Gag heiligt die Mittel? Modifikationen und Vernetzungen von Sprichwörtern im Text In: Sprachpflege 38, 125-129.
Anne Betten DIE LITERATURORIENTIERTE DIALOGSPRACHE DER ZWANZIGER JAHRE Beobachtungen an Interviews mit ehemals deutschen Juden in Israel
1.
Projektdanteilung und Ausgangshypothese
2.
Soziolinguistisch relevante Faktoren für Sprachniveau und Sprechweise der Interviewten:
3.
Ein Analysebeispiel
4.
Schlußgedanke
Vergleich von 6 Männern und 6 Frauen
Anmerkungen Literatur
1.
Projektdarstellung und Ausgangshypothese
Das Folgende ist ein Werkstattbericht über ein Projekt, dessen Auswertung erst beginnt. Seit Herbst 1989 habe ich in Israel unter der Mitarbeit von Dr. Kristine Hecker/Universität Bologna über 130 Interviews mit jüdischen Emigranten der 30er Jahre aus deutschsprachigen Ländern gemacht. Ein Ausgangspunkt für das linguistische Interesse an diesen Texten (die aufgrund ihrer geschichtlichen und menschlichen Bedeutung aber auch noch anderen Interessenten zur Verfügung stehen sollen) war die Beobachtung, daß im Vergleich mit den heute für selbstverständlich erachteten und funktional erklärten Charakteristika spontanen Sprechens (wie Parataxe, Satzbrüche, Ellipsen, Parenthesen, Wiederholungen, Wiederaufnahmen, Gliederungs-partikeln etc.) auffällt, wie stark schriftsprachlich orientiert dagegen oft das freie Sprechen alter Emigranten, besonders israelischer, erscheint. Dies gilt erstaunlicherweise nicht nur für Akademiker, sondern auch für Leute mit geringerer Schulbildung. Die Ausgangshypothese für unsere Aufnahmen war daher, zu prüfen, ob und warum die nach Palästina ausgewanderten, damals ca. H-SOJährigen1 das Deutsche wirklich in einer so gepflegten Weise, wie es den Eindruck hat, bewahrt haben und damit noch lebende Zeugen einer relativ unveränderten Sprechsprache der 20er Jahre sind.2 Dieser Ansatz findet bei der betroffenen Sprechergruppe selbst positive Resonanz, da die deutsche Sprache und Kultur für die meisten Emigranten, trotz aller furchtbaren Erfahrungen mit Deutschland, die einzig mögliche Rückbindung an Kindheit, Jugend und Familiengeschichte darstellt. Dazu kommt, daß die meisten mit Stolz auf die Leistungen des deutschen Judentums zurückblicken und angesichts der Nazi-Barbarei der Auffassung waren, daß sie, die, sofern sie etwas mitnehmen konnten, die deut-
188 sehen Klassiker, Heine, Thomas Mann u.ä. im Gepäck hatten, die Bewahrer der humanistischen Tradition in dunkler Zeit waren. Angesichts der Neuorientierung des deutschen Kultur- und Sprachlebens nach 1945 empfinden sie sich z.T. heute noch als die eigentlichen Erben einer an der Klassik ausgerichteten Sprachkultur der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts und rechnen es sich (trotz gewisser Befürchtungen ob der Antiquiertheit ihrer Sprache) als Ehre an, als Repräsentanten des sog. Weimarer Deutsch der Weimarer Republik (man könnte aber getrost auch assoziieren: der Weimarer Klassik) betrachtet zu werden, vgl. Bsp. I: 3 (1)
[...] + nun äh nennen Sie ja ihr Thema Weimarer Deutsch ++ und vielleicht darf ich da auch etwas sagen + bitte mich nicht falsch zu verstehen + es könnte wie Eigenlob klingen + das ist ein Erlebnis vor einem halben Jahr + also nach unserm ersten Gespräch ++ ich war in Mühlheim + eingeladen wiederum zu einem Symposion + der einzige Israeli + und
5
äh das Thema + lautete Erziehung zum Frieden + unter den hiesigen Umständen ein schwieriges Problem ++ ich sprach also + den nächsten Morgen + bevor ich wegfuhr kam eine etwa zwanzig fünfundzwanzigjährige junge Deutsche an mich heran + und sagte + ich muß ihnen etwas sagen ++ bitte + sagt sie + wissen Sie + wenn ich mir + die Kultur der Weimarer Republik vorstelle + dann verkörpern Sie diese Kultur für mich + das
10
war nun für einen deutschen Juden einerseits äh überraschend + ein überraschendes Lob + gab mir aber viel zu denken und äh vielleicht sind wir wirklich die einzigen Erben + der Weimarer Kultur + und wenn ich hier noch äh einschalten kann + denn das würde dieses Gespräch eigentlich äh ver bestärken ++ äh jüdische Schulleiter der dreißiger Jahre erzählen in ihren Erinnerungen + daß wohlwollende ++ äh Inspektoren + die ja die jüdischen
15
Schulen noch besuchen durften und mußten + zu ihnen kamen + und dann + nachdem sie die Klassen besucht hatten + sich mit der Leiterin zurückziehen oder mit dem Schulleiter und sagen + jetzt wo wir unter uns sind + kann ich ihnen sagen + wenn man heute noch + das humanistische deutsche Kulturerbe ++ irgendwo + erleben will + muß man leider in eine jüdische Schule gehen
20 B: W:
das war in den dreißiger Jahren + das war in den drei + in den Hitleijahren + ja und das gehört vielleicht auch in unser Thema hinein + weil ich glaube +daß wir dieses kulturelle Erbe + und eine Sprache ist ja der Spiegel der Kultur + daß dieses kulturelle Erbe wir ++ hierher übernommen haben + mitgenommen haben + und unverändert beibehalten haben + vielleicht in Parenthese auch
25
kein Zufall + daß die deutschen Juden zum Beispiel in ihrer politischen Einstellung + weitgehend beeinflußt sind und bleiben + durch das humanistische Erbe der Weimarer Republik + im besten Sinn ++ (J.W., * 1914 in Breslau, 1933/34 Lehrer an einer jüdischen Volksschule in Breslau, emigriert 1936, später nach weiterführenden Studien Professor der Pädagogik, 20 Jahre Direktor des Leo Baeck Instituts in Jerusalem. Aufnahme A. Betten, Jerusalem 1991)
189 2. Soziolinguistisch relevante Faktoren f ü r Sprachniveau und S p r e c h w e i s e der Interviewten: Vergleich von 6 Männern und 6 Frauen An Beispielen von 6 Männern (einschließlich Bsp. 1) und 6 Frauen sollen einige der Faktoren aufgezeigt werden, die für die Beurteilung ihres Sprachvermögens und des jeweils gewählten Gesprächsstils eine Rolle spielen. 4 Dabei zeigt sich, daß unter den veränderten Lebensumständen nach der Emigration das Milieu des Elternhauses, die Schulbildung sowie der berufliche Werdegang und die Art der weiteren Pflege des Deutschen in Palästina/Israel in ganz unterschiedlicher Weise bestimmend wurden für den heutigen Sprachstil. Weitere Variablen wie Alter, Temperament und Situationseinflüsse treten hinzu. Ob auch geschlechtsspezifische Unterschiede den Gesprächsstil bestimmen, ist zumindest zu erwägen. Auf den ersten Blick mag es als Widerspruch erscheinen, daß gerade die Emigranten, die in das .Land der Väter' gingen - also nicht nur zur Integration bereit waren, sondern sich zumeist ganz stark mit ihrem Einwanderungsland identifizieren, das als eigentliche oder Ur-Heimat, ihr Land, betrachtet wird -, dennoch ihre Erstsprache besser bewahrt haben sollen als in anderen Emigrationsländern. Unter vielen Faktoren, die dabei mitspielten, ist der wichtigste wohl der zunächst schwierige Zugang zur hebräischen Sprache, mit der die meisten noch kaum in Berührung gekommen waren, da ein Großteil der deutschen Juden aus assimilierten Familien stammte, wo die Eltern eher Latein- und Griechischunterricht als Hebräisch gefordert hatten und viele die Klassenbesten in Deutsch waren. Bereitschaft und Tempo der Erlernung des Neuhebräischen (Iwrit) hingen von vielen Bedingungen ab, u.a. dem Alter zum Zeitpunkt der Einwanderung, politischen oder religiösen Motivationen, der Art der Eingliederung in einen Beruf oder weiterführende Ausbildungsinstitutionen, und vor allem von der neuen Sprachumgebung: Sprach der Ehepartner auch deutsch / waren die alten Eltern, die meist nur deutsch sprachen, noch mit- oder nachgekommen / lebte man in einem Dorf oder Kibbuz mit vielen Deutschsprachigen zusammen oder in gewissen, fast ganz von Emigranten aus Deutschland bewohnten Stadtteilen von Haifa oder Tel Aviv (der Norden von Tel Aviv hieß damals im Volksmund Kanton Iwrit = Kän [Keinen] Ton Iwrit), so blieben manchmal auch junge Menschen dem Deutschen sowohl als gesprochene Alltagssprache wie auch als Sprache ihrer Lektüre noch länger verhaftet. Gerade aus diesen schon so jung Emigrierten, die heute in den Siebzigern sind, rekrutieren sich zur Zeit diejenigen, die die zwischen 80 und 100 Jahre Alten noch mit den deutschsprachigen Informationsblättern versorgen und in z.T. noch deutschsprachigen Logen, Verbänden, Altersheimen eine rege Vortragstätigkeit unterhalten. Beispiele dafür sind A.F. und J.S.: A.F., geb. 1923 bei Diez/Lahn, ist Redaktionsmitglied des deutschsprachigen Mitteilungsblatts des Irgun Olej Merkas Europa (= Einwanderer aus Mitteleuropa). Mit abgebrochener Schulausbildung kam er 12jährig nach Palästina und arbeitete zunächst mit seinen Eltern sehr isoliert in der Landwirtschaft; nach Beschäftigungen als Schreiner und Buchhändler kam er später zur Jewish Agency, war auf mehreren Auslandsmissionen, spricht fließend Hebräisch und Englisch. Aber
190 sein Deutsch ist wie das früherer deutscher Akademiker: flüssig, korrekt, präzise, schriftorientiert, was der Transkriptionstext, wie immer, nur schwer vermitteln kann. Man beachte etwa, daß die Konstruktion von Z. 3 mein Vater bis Z. 16, von wenigen Korrekturen und kleinen KongruenzUnstimmigkeiten abgesehen, als ein komplexer, nach schriftsprachlichen Normvorstellungen gebauter Satz betrachtet werden kann: (2)
[...] wir waren damals in diesem Dorf zwei oder drei deutsch-jüdische Familien ++ er konnte mit niemand sprechen ++ Hebräisch + lernte er kaum ++ meine Mutter + meiner Mutter gelang es äh + passables äh Hebräisch äh zu erlernen + mein Vater obwohl er im Lehrhaus in Stuttgart und von zu Hause her ääh die heilige Sprache der Gebete kannte ++ es gelang ihm
5
einfach nicht + Neuhebräisch zu lernen ++ und äh + das Klima + zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel + die schwere harte landwirtschaftliche Arbeit + Bananen- + Tomatenanbau + Hühnerzucht + Kuhwirtschaft + bei manchmal vierzig Grad in der Sonne + heißen + langen Sommertagen + war für ihn gesundheitlich sehr sehr zermürbend ++ und äh menschlich und seelisch äh ++ war die Einordnung in diesen ersten Jahren der arabischen Unruhen neun-
10
zehnhundertsechsunddreißig/neununddreißig und später neununddreißig bis fünfundvierzig während der Kriegsjahre + als man von Europa und dem Schicksal der jüdischen Mitmenschen noch gar nicht richtig wußte + aber jedenfalls völlig abgeschnitten war + auch kein Leichtes ++ so daß er ++ wirtschaftlich völlig ruiniert + und fast + brotlos äh neunzehnhundertsechsundvierzig + als ich bereits in Tel Aviv ansässig war + äh + die Siedlung + das Haus vericaufte und äh + die landwirtschaftliche Arbeit aufgeben mußte + nicht zuletzt weil
15
er bereits das sechzigste Lebensjahr erreicht hatte ++
J.S., geb. 1921 in Giessen, kam als 15Jähriger ohne Familie in einen religiösen Kibbuz und wurde dort von den tonangebenden Ostjuden als „Jekke" (dem Spitz-, früher auch Schimpfnamen für die deutschen Juden) verspottet, was ihn noch jahrelang weiter in deutschsprachige Literatur flüchten ließ. Nach langen beruflichen Umwegen wurde er ohne Studium, wegen seiner Judaica-Kenntnisse Bibliothekar an einer israelischen Universität und hält heute, wie A.F., in Israel viele Vorträge in deutscher Sprache. Obgleich er, im Gegensatz zu dem sachlich berichtenden A.F., bei der Erzählung seiner Biographie sehr erregt war, schlug sich dies kaum im Satzbau nieder. Trotz des sehr spontanen, lebendigen Sprechens gelangen die umfangreichen Satzkonstruktionen meist zu einem ziemlich korrekten Abschluß. A.F. und J.S., die keine Einzelfälle sind, haben deutlich gemacht, daß es entgegen unseren ursprünglichen Annahmen gar nicht einfach ist, hier speziell im Mündlichen einen Niveauunterschied gegenüber den bei der Auswanderung Alteren, durch eine abgeschlossene Schul- und Universitäts- oder Berufsausbildung noch in Deutschland stärker Geprägten festzustellen. E.H., geb. 1912 in Halberstadt, ist als 22jähriger Student emigriert, nach den üblichen Übergangsberufen u.a. Buchhändler, dann Regierungsbeamter geworden; mit 55 Jahren begann er ein Geschichtsstudium, promovierte schließlich und hat 1991 seine Dissertation nochmals nach neu zugänglichen Akten überarbeitet. Er spricht zu Hause Englisch, da seine Frau Amerikanerin ist;
191 seine Kinder können (wie in vielen anderen Familien) seine deutschen Publikationen nicht lesen. Der Textausschnitt steht für komplizierte Hypotaxe mit zwei Parenthesen (Z. 3f., 7), einem von vielen Interviewten bevorzugten Konstruktionstyp, bei dem die angefangenen Sätze - im Kontrast zur heute in Deutschland üblichen Sprechsprache - auch nach langen Einschoben meist korrekt zuende geführt werden: 5 (3)
und dann gab es auch da wieder Gründe + die mich veranlaßten ++ äh eine andere Stelle zu suchen und kam in das + State Controllers Office + Anfang + am ersten Januar fünfundfünfzig + in dem ich dann achtzehneinhalb Jahre arbeitete + und dann dieses Büro + wie ich mich 5
immer scherzhaft ausdrücke + den größten Fehler begangen hat + den sie mir gegenüber begehen konnten + daß sie mich nämlich neunzehnhundersiebenundsechzig zurückgeschickt haben in die Universität + weil + äh eine + Verordnung des der Knesseth angenommen war + daß äh Leute in dem Kontrollwesen + nicht in der Verwaltung aber im Kontrollwesen + nicht arbeiten sollen + wenn sie nicht mindestens einen akademischen + den ersten akademi-
io
sehen Titel haben ++ da ich durch Hitler das nie bekommen konnte + haben sie also äh beschlossen + sie schicken mich in die Universität + siebenundsechzig +
Vielen aber ist nach der Emigration kein Abschluß eines abgebrochenen Studiums oder die Fortsetzung ihres akademischen Berufs mehr gelungen, z.B. E.R., geb. 1909 in Lübeck, abgebrochenes Germanistikstudium, emigriert 1933, Reiseführer, Buchhändler, Mitarbeiter am Leo Baeck Institut u.a.m.. Heute arbeitet er noch an einer englischsprachigen Dokumentation über die zionistischen deutsch-jüdischen Einwanderer vor 1933. Er brilliert mit unerschöpflichem Wissen, meist in gestochenen, langen Sätzen. Doch konnte er sich 1991 schlechter konzentrieren als bei einer früheren Aufnahme 1990 und glitt häufiger ins Episodische und Anekdotische hinüber. Die Relevanz des Alters für den Erzählstil wurde hier deutlich. - Oder D.B., geb. 1912 in Essen, Lehrerssohn, der unter den Nazis sein Jurastudium abbrechen mußte, sich aber noch in Deutschland zum Lehrer und Kantor ausbilden ließ und dann in Stettin arbeitete; nach später Emigration 1939 erlebte er in Palästina eine schwierige Übergangszeit als Eierverkäufer, Kellner; schließlich wurde er mittlerer Beamter im Finanzministerium. Als Freimaurer pflegt er freundschaftlichen Kontakt zu deutschen Logen. Er spricht schnell, lebhaft, anschaulich, .dialogischer' als die meisten Männer, was auch dadurch gefördert wird, daß seine Frau (R.B.) oft präzisierend eingreift, so daß viele Elemente eines spontanen Gesprächs vorkommen (Aufnahme Betten = A.B.): (4) D.B.: [...] und eines Tages traf ich zufällig äh eine Bekannte + die ich noch von von meiner Studienzeit aus Frankfurt kannte + habe ich auf der Straße getroffen und sagte was machst du + sag ich ich mache gar nichts + weiß nicht + ich habe noch nichts + ich weiß noch nichts ++ sagt sie ich arbeite hier bei einer Frau + ich bin + ich bin hier Schneiderin und ich arbeite bei einer Frau + deren Mann + hat eine Vertretung von R.B.: Kfar Shmaijahu D.B.: Kfar Shmaijahu + das sind diese + diese sogenannten Eieijekkes + nicht + wissen sie das + kennen sie ja schon die Geschichte ++ die da das da alles + die alles Akademiker + die da A.B.:
Anwälte und so weiter
192 D.B.: Anwälte und äh Ärzte und so weiter + die haben da Hühnerfarmen aufgemacht und haben die Eier vermarktet ++ unter anderem auch nach Jerusalem ++ hier gab es also einen Vertreter + der die + der die Eier verkauft hat an die Hotels + an die Restaurants und an die Cafés und an Private + er hatte also Leute rumlaufen + die auch privat Eier verkauften und da sagte der zu mir + weißt du + wenn du das machen willst + das kannst du machen + sag ich + ja + mach ich + wie macht man das + ich habe im Leben noch nie was verkauft + ich bin bin aus einer Familie + wo es wo es keine Kaufleute gab [...] Bei einer größeren Auswertung wird zu erklären sein, warum sich im Aufnahmecorpus bei Frauen häufiger als bei Männern ein lockerer Erzählstil findet, z.B. Auflösung der Gespräche in Episoden, szenische Darstellungsweise mit Wiedergabe direkter Rede etc., aber auch eine stärkere dialogische Hinwendung zur Interviewerin, Übergänge zur Textsorte Unterhaltung/ Alltagsgespräch und damit eine weniger schriftnormorientierte Sprechhaltung. Es wäre voreilig, dahinter nur geschlechtsspezifische Unterschiede zu suchen. Nicht unwichtig sind natürlich wie bei den Männern zunächst die Faktoren familiäre Herkunft, Ausbildung und berufliche Entwicklung in Israel; noch wichtiger scheinen die weiteren Sozialkontakte dort und der Beruf des Ehepartners zu sein, der das gesellschaftliche Umfeld der Frauen stärker mitprägt als umgekehrt. All diese Faktoren mischen sich wiederum auf sehr individuelle Weise, führen zu unterschiedlichen Resultaten. Zu berücksichtigen dürfte ferner sein, daß mehrere der Frauen einige (vielleicht entscheidende) Jahre älter sind: C.B., geb. 1902 in Frankenberg/Eder, aus wohlhabender Kaufmannsfamilie stammend mit akademischen Verwandten, hat Abitur, erlernte aber nach Art der ,.höheren Töchter" keinen Beruf und landete schließlich mit ihrem Mann in Palästina in einem Dorf, wo sie fast 30 Jahre Hühner züchteten. Nach dem Tode ihres Mannes wurde sie Hausmutter in dem deutschsprachigen Altersheim, wo sie heute selbst lebt. Die sehr lebhafte 88Jährige erzählt intelligent, anschaulich, aber sprunghaft, abwechselnd zwischen Episoden und Lebensweisheiten. Ob für ihren Erzählstil ihr Alter, ihre seit der Emigration nicht mehr intellektuelle Berufstätigkeit (obgleich einige dieser Hühnerzucht-Dörfer nur von ursprünglichen Akademikern, Anwälten, Ärzten betrieben wurden, vgl. Bsp. 4, und ein anspruchsvolles Kulturleben entfalteten) oder ihr Naturell, eventuell ein typisch weibliches (?), verantwortlich sind, läßt sich schwer entscheiden: (5)
und so hat die + das Huhn und die Ente die ausgebrütet haben + jeden Tag das Ei umgedreht + und wie gesagt sie hat nicht eins zweimal umgedreht und eins vergessen + sondern sie hats genau + sie sind alle ausgebrütet worden und waren äh + und waren gesund und ich meine es war eine primitive Art + aber ich erinnere mich zum Beispiel im ersten Weltkrieg + da hatten wir noch neben der Waschküche in Frankenberg ein + wir hatten ein sehr hübsches Haus in Frankenberg + die Küche und dann die Waschküche und da gab es noch so ein kleines so n Vorrats äh räum und da haben wir im ersten Weltkrieg hat die Großmutter auch + Hühner gehalten + da hat man doch ma hat doch alles zugeteilt bekommen und + und da haben wir selber eigene Eier uns aufgezogen + und selber Hühner gehabt +
E.S., geb. 1899 bei Eberswalde, emigriert 1933, und E.M., geb. 1904 in Breslau, haben im Vergleich zu ihr kein Abitur, wurden zunächst in Deutschland Kindergärtnerin bzw. Gymnastiklehrerin.
193 Beide stammen aber aus Intellektuellenmilieus: Die Brüder von E.S. und ihr Mann hatten im neugegründeten Staat Israel hohe politische Positionen. 93jährig im Altersheim wacht sie neuerdings manchmal morgens mit einem eigenen deutschen Gedicht im Kopf auf. Ihr Redestil ist sachlich berichtend, Gebildetensprache, stark reflektierend: (6)
[...] die Kibbuzkultur ist zum großen Teil von der deutschen Kultur sehr beeinflußt + von dieser + gerade von uns da + von dieser Generat und bewußt beeinflußt und gestempelt worden ++ Das bleibt + nicht + das geht verloren + daß das von Deutschland kommt + aber Daliah und äh diese Tanzgruppen und die Dings + das wäre gar nicht möglich + das wäre nie vom Russischen Polnischen hergekommen ++ und ebenso auch ein bißchen die Geschmacks-gestaltung + der die Baukunst und so sehr beeinflußt + sehr stark + das bleibt ++ aber das Bewußtsein + daß das mal aus Deutschland gekommen ist + das glaub ich geht verloren ++
E.M., die schon in den 20er Jahren als Zionistin in einem Kinderdorf in Palästina arbeitete, aber aus gesundheitlichen Gründen zunächst nach Deutschland zurückkehren mußte, ist die Tochter eines berühmten Kinderpsychologen. Auch durch ihre späteren Tätigkeiten für die Jugend-Alijah in Berlin und während des Krieges in London blieb sie immer in Intellektuellenmilieus. Nach ihrer endgültigen Niederlassung in Israel nach dem Krieg war ausgerechnet sie zu alt, um noch gut Hebräisch zu lernen. Im Alter war sie hauptsächlich mit Arbeiten über ihre berühmten Eltern gefragt, schrieb viel. Ihr Stil ist ähnlich kontrolliert und reflektiert wie der von E.S., aber doch persönlich, anschauliche Episoden einschiebend. Von den beiden bereits in Deutschland beruflich am weitesten qualifizierten Frauen hat die promovierte Juristin H.R., geb. 1909 in Breslau, die kein Referendariat mehr antreten durfte, zunächst in Berlin wie E.S. in der Jugend-Alijah gearbeitet, Emigration 1938. In Palästina trat sie aus einem Intellektuellen-Kibbuz als Individualistin aus, hatte 10 Jahre nur Putzstellen u.ä., nahm dann aber doch mit viel Energie die juristische Laufbahn wieder auf und erhielt eine hohe Position in einem Ministerium. Bei beruflichen Dingen fallen ihr - wie vielen anderen Berufstätigen - oft nur die hebräischen Wörter ein. Sie hält ihre wöchentlichen Vorträge in einem Altersheim über Außenpolitik trotz anfänglichen Protests der Heimbewohner bewußt auf Hebräisch, bevorzugt aber selber beim Lesen deutsche und englische Bücher, weil es schneller und leichter geht. Sie hat immer einen berichtenden und reflektierenden Stil, löst nicht in Geschichten und Episoden auf, doziert aber auch nicht, wie in Textbsp. 1, sondern ist stark argumentativ-dialogisch orientiert, verwendet jedoch kaum sprachliche Dialogsignale (bei Text 10 komme ich auf diesen Punkt zurück): (7)
[...] im Deutschen und im Englischen + und ich denke + das is das is entscheidend für eine Sprache + hab ich die Assoziationen ++ das heißt + äh ja häm + bei jedem Wort und jedem Satz sind äh + gibt es äh eine Assoziation zu dem was man ge äh + von aus einem Buch oder aus einem Lied oder aus einem Gedicht oder aus + einem Theaterstück in Deutsch und Englisch + im Hebräischen fehlt das ++
194 Einen Doktortitel in Zeitungswissenschaften erwarb als Werkstudentin aus einfacher Familie 1934 noch M . M . , geb. 1908 in Berlin; 1933 hatte sie bereits einen Lyrikpreis erhalten. Sie lebt seit 1938 im Kibbuz, w o sie heute aufgrund ihrer sozialistisch-idealistischen Überzeugung noch halbtags in der Fabrik manuell arbeitet. Sie bezeichnet sich als alte Fabrikarbeiterin, ist aber derzeit die einzige der in Israel noch deutsch schreibenden Schriftsteller, die sofort mit eisernem Willen das Hebräische so gut erlernt hat, daß sie auch dem hebräischen Schriftstellerverband angehört. Sie überträgt heute manche ihrer Gedichte v o m Hebräischen ins Deutsche. Ihr Stil ist normalerweise abgeklärt, berichtend, kommentierend- reflektierend, s. die vielen aber, und zwar, also im Ausschnitt über ihre Entscheidung nach Palästina auszuwandern: (8)
mit sechzehn Jahren wollte mich meine Mutter+weil ich immer se eine sehr große Einzelgängerin war + wollte mich meine Mutter in ein Tanzkränzchen äh tun + damit ich Gesellschaft habe + aber ich hab es vorgezogen + in eine Jugendbewegung zu gehen + und zwar in eine zionistische Jugendbewegung + aber damals hab ich mehr die Leute bewundert + die wirklich gesagt haben + wir gehen nach Palästina + ich war zwar in dieser zionistischen Jugendbewegung + aber ich habe gar nicht dran ge gedacht + daß ich jemals nach Palästina komme ++ äh nachdem ich de das Abendgymnasium mit dem Abitur abgeschlossen habe + habe ich angefangen zu studieren + und zwar war ich immer Werkstudentin + das heißt + ich mußte mich immer selber ernähren [...] im Jahre neunzehnhundertvierunddreißig hatte ich schon einen gelben Stempel (räuspert sich) in meinem äh in meinem Studentenheft und der Name Jude stand drin + aber ich wollte unbedingt mein Studium + das ich mit so viel Mühe mit dem Abendgymnasium erreicht hatte + wollte ich unbedingt abschließen +
Ganz anders berichtet über dieselbe Phase ihres Lebens M . W . , geb. 1911 in Wien, die keinen Beruf erlernte, jung heiratete, 1933 emigrierte, in Palästina zunächst kochte, putzte, aber immer unter Deutschsprachigen blieb; erst später, in der Hebraica-Buchhandlung ihres zweiten Mannes, eines Frankfurters, wuchs sie auch ins Hebräische hinein, obwohl die Familiensprache deutsch blieb. Sie erzählt ungezwungener, mit allerlei Gliederungspartikeln, rhetorischen Wiederholungen, kleine Szenen einblendend, in der verlebendigenden Darstellungsweise Frau C.B. (Bsp. 5) ähnlicher, doch nie so ausschweifend - wofür die Anwesenheit ihres Mannes, der auch interviewt wird, ihre stärkere Gesprächskontrolliertheit als noch etwas Jüngere, oder doch eher ihr Wesen verantwortlich sein mögen: (9)
[...] ich weiß nicht + wie das aufgekommen ist ++ wir haben doch eigentlich äh + jüdische Bekannt + Freundinnen + Bekannte gehabt mehr + ich bin zwar in' Arbeiter-Turnverein gegangen und da waren auch Nicht-Juden und so + und am ersten Mai + hab ich geturnt am am Rathaus (lacht) und äh (lacht) + ja aber zum Schluß irgendwie später waren wir doch in den jüdischen ++ mit Juden zu äh befreundet ++ und ich weiß nicht wieso das Wort Palästina aufgekommen is ++ und eines Tages sind wir zu einem Vortrag von Ben Gurion gegangen ++ ich weiß nicht warum + ich kann mich heut wirklich nicht mehr erinnern warum ++ und er hat jiddisch gesprochen + wir haben kein Wort verstanden (lacht) + wir haben wirklich kein Wort verstanden ++ und irgendwie hat sich das entwickelt erst + es war auch eine Arbeitslosigkeit in Wien ++ und so hat sich das irgendwie entwickelt +
195 Es wird schwierig, was man hier als typisch weiblich stehen lassen kann. Den professionellen Stil von Männern, die ursprünglich ihr Ausbildungsniveau oder weniger hatten, wie A.F. (Bsp. 4) und J.S., hat sie jedenfalls nicht Wegen der besseren Vergleichbarkeit mit den Männern, die schriftorientierte abstraktere Sprechstile entwickelt haben, habe ich hier überwiegend Frauen ausgewählt, die ebenfalls durch bildungsorientierte Berufe oder Milieus geprägt sind. Durch die sehr individuellen Verzahnungen von Beruf und Privatleben ergeben sich vielleicht bei Frauen mehr Varianten. Dazu müßten aber noch sehr genaue Erzählstilanalysen auf weit breiterer Basis vorgenommen werden. 3. Analysebeispiel Gemäß der Ausgangshypothese ist nun zu fragen, ob sich trotz der in 2. angedeuteten Verschiedenheiten der Erzählstile nachweisen läßt, daß dennoch allgemein eine stärkere Orientierung an schriftsprachlichen, ja literatursprachlichen Normen vorliegt als in der heutigen deutschen Sprechsprache. Wenn ja, so ließe sich anhand dieser Aufnahmen ein gewisser Wandel in der gesprochenen Sprache des 20. Jahrhunderts dokumentieren, was eine Rarität wäre, da gewöhnlich beklagt wird, daß außer älteren Dialektaufnahmen kein diachrones sprechsprachliches Vergleichsmaterial aus spontanen, freien Gesprächen zur Verfügung steht. Dazu ein Ausschnitt aus dem Gespräch von K. Hecker mit dem Österreicher Franz Krausz, geb. 1905 in Wien, emigriert 1934, zum Zeitpunkt der Aufnahme 84 Jahre alt Er war zunächst 6 1/2 Jahre Verlagskaufmann in Berlin, in Israel schließlich als Graphiker tätig. Ich habe ihn hier ausgewählt, weil er als Österreicher in einem künstlerischen Beruf jedenfalls nicht dem Prototyp des „Schriftdeutsch" sprechenden preußischen Intellektuellen entspricht. Zum Vergleich mit seinem Redetext sei z.B. an Texte des Freiburger Textcorpus' von akademischen Sprechern erinnert. 6 Dort finden sich meist sehr viele Belege für da, und da und und dann-Anschlüsse, wie sie für mündliches Erzählen typisch sind. U.a. ist ihre segmentierende Funktion herausgearbeitet worden, ferner werden in der Forschung zur gesprochenen Sprache die meisten der hier zu beobachtenden, von den Normen schriftsprachlicher Textgestaltung abweichenden Phänomene positiv, auf ihre kommunikativen Leistungen hin interpretiert: nicht als Ergebnis von Planungsschwierigkeiten des Sprechers, sondern eher als sein Entgegenkommen gegenüber dem Hörer, diesem ein optimales Verstehen zu ermöglichen. 7 Bei aller Einsicht in ihre kommunikativen Leistungen erschrickt auch der begeistertste Analytiker gesprochener Sprache zumindest dann vor den ästhetischen Unzulänglichkeiten dieser gepriesenen Funktionalität, wenn er ein Transkript seiner eigenen mündlichen Äußerungen durchsieht und sich f r a g t ob er wirklich nicht wenigstens etwas normgerechter habe sprechen können. Es erhebt sich also die Frage, ob spontanes Sprechen wirklich so sein muß, woraus folgt, daß vergleichbare Strukturen auch in anderen Sprachen und früheren Sprachepochen auftreten müssen. Einzelsprachliche Vergleiche, wie etwa von Koch/Oesterreicher (1990) zum Französischen, Italienischen und Spanischen, weisen zwar darauf hin, daß es hier viele Universalien gibt, aber auch einzelsprachliche Besonderheiten, wie etwa im Deutschen die hohe Frequenz von
196 Abtönungspartikeln. Auch der Blick zurück auf mittelalterliche Erzähltexte, die unter Bedingungen der Hörrezeption verfaßt wurden, bestätigt gewisse Universalien der mündlichen Textgestaltung. Allerdings sind die für die Mündlichkeit typischen Phänomene dort gerade nicht in der stark rhetorisch überformten Dialogwiedergabe, sondern in der Erzähltextstruktur anzutreffen. Zwar werden die literarischen Dialoge vom 16. Jahrhundert an, und dann speziell ab Ende des 18. Jahrhunderts im Deutschen realitätsnäher, „natürlicher" gestaltet, doch weisen sie bis in die Gegenwart die heute zu beobachtenden sprechsprachlichen Erscheinungen nur selektiv und in sehr gemäßigter Form auf. 8 Besonders auffällig sind an heutigen spontanen Erzähl- und Unterhaltungstexten die zahlreichen Verständnissicherungs- und Gliederungssignale, die beim Lesen eines Transkripts den Kontrast zu den Normen eines schriftlich konzipierten Textes wesentlich verstärken. In der fingierten Mündlichkeit literarischer Dialoge wird dieser Bereich denn auch meist nur auf ein ganz sparsames Repertoire vereinzelter ja- oder nicht wa/ir-Formeln zurückgedämmt. Betrachten wir vor diesem Hintergrund die Texte von Franz Krausz, so fällt auf, daß er fast nie Gliederungs- und Verständnissicherungssignale verwendet, v.a. nicht die vielen Formeln wie ich finde, ich meine, ich weiß, was weiß ich. Auch die im Freiburger Corpus so häufigen Wortwiederholungen, Satzabbrüche und Konstruktionswechsel sind wesentlich seltener. Im Vergleich mit ihnen wirkt der Text von Franz Krausz fast literarisch: Asyndetische Reihungen überwiegen gegenüber und- Anschlüssen, wobei und immer allein steht und so nur die parataktische Reihung anzeigt, ohne in Verbindungen wie und dann, und so zu starke Zäsuren zu setzen. Die Sätze sind fast alle korrekt gebaut, wörtliche Rede ist zum Teil ohne Einleitung eingeschoben (Z. 2: sehr schön, danke sehr), Wiederholungen sind nicht Zeichen stotternder Fehlplanung, sondern in ihrer sparsamen Setzung (Z. 3f., 13) eher stilistisch begründet: (10)
[...] mein Chef nahm mich beiseite und sagte zu mir er will mich zum Prokuristen machen + sehr schön + danke sehr + aber im Verlag war Widerstand daß dieser hergelaufene Mensch (lacht)
Prokurist werden sollte +++ und ++ es kam nicht dazu
++ im Gegenteil + ich hatte Grund anzunehmen daß ich entlassen werde + aber £ s 5
kam nicht dazu +++ diejenige die sehr interessiert war daß ich entlassen würde wurde selbst entlassen + das. war die Buchhalterin +++ es war ein ganzer Roman + aber ich muß mich jetzt doch etwas kurz fassen + s'is zu weit gehend + und äh ich blieb in d i e s e m Verlag s e c h s e i n h a l b Jahre + m e i n Chef war w i e ein Vater zu mir ++ ein durchaus + + + harter aber z u g l e i c h sentimentaler deutscher Mann + + + er konnte
10
w a h n s i n n i g nett sein + und konnte die Leute h e r a u s w e r f e n bei den g e r i n g s t e n Angelegenheiten ohne jedes Zögern + einfach + schlechter Laune ++ aber zu mir war er wirklich sehr zugetan + er betrachtete mich nicht als Juden + die meisten Vertreter die der Verlag hatte waren Juden + aber er war trotzdem sehr beeinflußt von dem Erscheinen Hitlers + er war ein Gegner + ein absoluter Gegner der Sozialdemokratie
15
++ und ein durchaus rechtsgerichteter Nationalist + als Hitler Reichspräsident wurde kam er plötzlich in SA-Uniform in das Büro +++ ich fragte mich natürlich wie geht das weiter + dann kam der erste April + der Judenboykott + zu dem die Nazis zum
197 ersten Mal ihre judenfeindliche Propaganda nicht in Büchern nicht in Zeitungen + Tageszeitungen vertraten sondern in Aufmärschen in den Straßen Berlins + mit 20
Gesängen mit Slogans gegen das Judentum + mit Aufschriften an den jüdischen Geschäften die alle geschlossen waren + und manchen waren auch die Scheiben zerschlagen und alles mit der Aufschrift versehen ++ Juden [...]
Auch diesem Stil sind die Mittel des Mündlichen nicht ganz fremd. Es sind die für lineares mündliches Erzählen typischen Mittel, aber nur sparsam benutzt. Krausz' Stil hat nicht viel mehr Anzeichen von Mündlichkeit, als man in traditionellen Stilistiken findet, die ihr Mittelrepertoire letztlich aus den gleichen Quellen schöpfen wie Hermann Wunderlichs Beschreibung der Umgangssprache von 1884, nämlich dem doch weitgehend an der Schriftnorm orientierten Dialog in der Literatur. Bei genauerer Auswertung der Beispiele 1-9 würde sich ferner bestätigen, was J.W. in (1) metakommunikativ anmerkt: Große Hypotaxen mit vielen verschiedenen untergeordneten Nebensätzen, und nach Parenthesen ziemlich korrekte Weiterführung sind stilprägend in Bericht und Erzählung (vgl. Anm. 5). Aber auch im szenischen Erzählen und der Unterhaltung sind die Verlebendigungsmittel oft eher mit denen aus literarischen Dialogen vergleichbar als mit heutigen Transkriptionen. 4. S c h l u ß g e d a n k e In der Diskussion über Epocheneinteilungen in der Neuzeit, speziell im 19./20. Jahrhundert, die mangels anderen Belegmaterials überwiegend von der Entwicklung der Schriftsprache ausgehen, setzt z.B. v. Polenz (1989, 14f.) nach dem Übergang von der bürgerlichen Bildungssprache zur modernen Standardsprache (ab 1870) nach dem 2. Weltkrieg eine neue Entwicklungsphase mit polyzentrischer Entwicklung bzw. „Öffnung in sozialer, sprechsprachlicher und regionaler Hinsicht" (Zitat aus S. Sonderegger, 1979) an. Admoni (1990) hingegen nimmt zwar für das 20. Jahrhundert auch eine größere Beweglichkeit und Offenheit des sprachlichen Systems hinsichtlich der Gestaltung der Satzstrukturen an, aber keine Änderung des Systems der Sprache selbst; daher sieht er keine neue Entwicklungsperiode in der Sprache nach 1945. Die ergänzende Einbeziehung sprechsprachlichen Materials, das die fragliche Zeit vor und nach dem 2. Weltkrieg belegt, könnte diese Überlegungen vertiefen und, wenn nicht einen Systemwandel, so doch einen einschneidenden Normen- und Stilwandel verdeutlichen und konkret beschreibbar machen. Das Material aus Israel gibt jedenfalls reiche Möglichkeiten, unter Mitberücksichtigung vieler soziolinguistisch relevanter Faktoren, die die Wahl von Textsorte (Interview, Bericht, Erzählung, Unterhaltung) und Textsortenstil maßgeblich beeinflussen, sprach- und stilgeschichtlich interessante Details der Entwicklung des Deutschen im 20. Jahrhundert herauszufinden.
198 Anmerkungen 1) Die Interviewpartner hatten sich großenteils auf unsere Anzeigen in zwei deutschsprachigen Nachrichtenblättern sowie nach direkten Kontaktaufnahmen mit dem Dachverband der zentraleuropäischen Landsmannschaften .Centra' und deutschsprachigen Altersheimen in Israel gemeldet. Die 2-3stündigen Aufnahmen fanden meist im Hause der Interviewten, in entspanntem, privatem Gesprächston statt. 2) Nur weil unsere Hypothese von der Erhaltung eines hohen Sprachniveaus ausgeht und die Gründe dafür erhellen möchte, haben wir diese Spracherhebung vorgenommen, während ich es, zumindest für deutsche Forscher, für unakzeptabel hielte, mit dieser Personengruppe etwa eine soziolinguistische Untersuchung über Sprachverlust nach 60 Jahren durchzuführen. 3) Das Zeichen + steht für kurze, bzw. bei Mehrfachsetzung für entsprechend längere Pausen. Unterstreichungen zur Hervorhebung der stilistisch markanten Stellen sind nur in Bsp. 10 vorgenommen. 4) Es können hier leider nicht, wie auf der Tischvorlage zum Vortrag, längere Textproben von allen 12 Gesprächspartnern beigegeben werden, sondern nur einige Ausschnitte. 5) Vgl. Bsp. 1, Z. 12f„ 22f.; es ist aufschlußreich, daß Sprecher J.W. diese Neigung zu parenthetischen Einschüben selbst kommentiert (Z. 12, 24). Wie nach Parenthesen wird nicht nur in (1) auch nach besonders langen eingeschobenen Nebensätzen der Hauptsatz meist regelgetreu wiederaufgenommen. 6) Man vgl. etwa die schon vielfach analysierten Gespräche eines Pfarrerehepaars (Texte HI, 1975, z.B. S. 30) und das von Studenten über die Ehe (Texte I, 1971, z.B. S. 223). 7) Vgl. Rath (1979, 107f.) zu der in Anm. 6 erwähnten Studentendiskussion aus Texte I (1971, 221ff.). 8) Vgl. Betten (1985).
Literatur Admoni, W. (1990), Historische Syntax des Deutschen, Tübingen. Betten, A. (1985), Direkte Rede und epischer Bericht in der deutschen Romanprosa. Stilgeschichtliche Betrachtungen zur Syntax. In: Sprache und Literatur 55, 25-41. Koch, P./Oesterreicher, W. (1990), Gesprochene Sprache in der Romania. Französisch, Italienisch, Spanisch, Tübingen. v. Polenz, P. (1989), Das 19. Jahrhundert als sprachgeschichtliches Periodisierungsproblem. In: Cherubim, D./Mattheier, K.J. (Hg.), Voraussetzungen und Grundlagen der Gegenwartssprache. Sprach- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zum 19. Jahrhundert, Berlin/New York, 11-30. Rath, R. (1979), Kommunikationspraxis. Analysen zur Textbildung und Textgliederung im gesprochenen Deutsch, Göttingen. Texte gesprochener deutscher Standardsprache I-IV (1971-1979), erarbeitet am Institut für deutsche Sprache Freiburg i. Br., München/Düsseldorf.
Jaap Bos & Robert Maier AN ANALYSIS OF THE GRÙNBAUM DEBATE
1.
Introduction
2.
Background data
3.
Method of analysis
4.
General conclusions
5.
Discussion
References
1. Introduction This paper is dedicated to a brief analysis of a discussion that took place in 1986 in the American journal .Behavioral and Brain Sciences' about the philosophical status of psychoanalysis. An extensive and more detailed report on this matter will appear elsewhere (Bos and Maier, in print). Contrary to Latour for example (1987), who considers debates as pure .power plays', or the Amsterdam approach by Van Eemeren and Grootendorst (1991), who think of debates as , highly organized rational discussions', we prefer to see debates as complicated discursive games (which have as much to do with power as with rationality). Hence, our analysis will concentrate on positional plays. Firstly, we shall present the relevant background data, and then we shall discuss the method of analysis and the main results. We shall conclude with a few general remarks on discourse analysis. 2. Background data In 1984, the American philosopher Adolf Griinbaum published a critical study on psychoanalytic theory, called ,The Foundations of Psychoanalysis'. In this book, Griinbaum discusses not only Freud, but also two important interpretations of Freud, namely the hermeneutical interpretation (Habermas, Ricceur and Klein) and the critical rationalist interpretation (Popper). Griinbaum's main conclusions are that a) the hermeneutic interpretation of psychoanalysis is wrong; b) psychoanalysis produces falsifiable claims, and c) the psychoanalytic theory needs extra-clinical (experimental) data to corroborate its hypotheses.
200 Griinbaum's book met with strong criticism and was discussed widely in analytic as well as non-analytic circles. One of these discussions took place in 1986 in the American journal .Behavioral and Brain Sciences' which is a respectable debate platform. This debate consisted of 1) a lengthy exposition of Griinbaum's main claims; 2) 38 short contributions to the debate, of approximately 1000 words in length, by authors from different scientific fields, such as psychology, philosophy, psychiatry and even sociology, and 3) a reply by Griinbaum to his critics. Most authors had been involved in the discussions about the philosophical status of psychoanalysis before and all of them were invited by the journal to deliver a contribution to the debate. It is interesting to note that the hermeneuticians Habermas and Ricceur were invited to deliver a contribution but refused to do so, which obviously upset Griinbaum, who thought it dishonest of them not to respond. 3. Method of analysis Following earlier research (Maier 1988), the present authors have constructed an analytical device which we call the ,four step method' by which we classify all contributions according to the argumentative
position of the participating authors. This method consists of the following four
steps: With the first step, we distinguish between participation and non-participation. Non-participants are usually excluded from the analysis of the discourse; this is, of course, understandable, but we think that non-participation may have some influence in a debate. In this case, Griinbaum, for example, interprets the non-participation of Habermas and Ricceur as a significant and aggressive move by his opponents. With the second step, we distinguish between acknowledgement and non-acknowledgement of the discursive position of the opponent Roughly speaking, a discursive position reveals philosophical starting points, theoretical assumptions and methodological criteria, with which one may, or may not agree. Acknowledgement of the discursive position means accepting the most important basic assumptions of the opponent; however, it does not automatically imply complete agreement with the opponent. Conclusions or particular arguments may be attacked. Non-acknowledgement, on the other hand, means to reject (often implicitly) the main assumptions of the opponent. We submit that this step is a crucial but also a very problematic one for our classification system because it clearly requires subtle skills on the part of the investigator. He (she) must be able to: a) identify the main assumptions of the participants, and b) identify which assumptions of one participant are accepted - or not - by the others. The third step distinguishes between the different argumentative attitudes that we can identify in the two groups of the previous step:
201 Acknowledgement:
Non-acknowledgement:
i) mediative attitude
iii) a contentious attitude
ii) judicious attitude
iv) an irrelevant attitude
ad i) The mediative attitude is basically a corroborative attitude and may consist of a defence or a further explication or refinement of the arguments of the opponent. In other words, the mediators acknowledge the assumptions of Griinbaum. Their contributions consist of a further circulation and diffusion of Griinbaum's theses, but they may have other objectives in mind, as we will show in the next step. This group is made up of ten authors. As an example, we mention the case of Von Eckardt, who completely agrees with Griinbaum, and whose sole aim seemed to be to present a „reconstruction o f ' , and „an addendum to" Griinbaum's analysis. ad ii) The judicious attitude comes closest to the classical argumentative attitude. Contributors from this group also acknowledge the assumptions of Griinbaum, but they attack one or more of his arguments or points in his conclusions. The aim, in this group, is to settle a dispute within the limits of the conceptual and methodological framework set up by the opponent. We found only three authors who met with the criteria set for this group. For example, two authors (Nottumo and McHugh, both critical rationalists), question one of Griinbaum's arguments directed against Popper, but within the original framework of assumptions. ad iii) The contentious attitude means attacking Griinbaum without however acknowledging his basic assumptions. The aim here is not to settle a clearly delimited dispute, but to illuminate some basic differences when approaching the problem of the scientific status of psychoanalysis. This group contains more than half of all contributions: twenty-two in total. There is a clear example of one author (Pollock, a psychoanalyst), who questions Griinbaum's analytical faculty: „[Griinbaum] attempts to look at the entire field of psychoanalysis from the viewpoint of the outsider [...] His is a worthwhile effort [...] however, his .analysis' does suffer from an apparent lack of direct knowledge and experience with psychoanalysis itself." ad iv) The irrelevant attitude is attributed to contributors who start a discursive development which has nothing to do with Griinbaum's theses whatsoever. It may be interesting on its own, but it is outside the scope of the ongoing debate. This group consists of three contributions. As an example, there was one author (Pagnini) who tried to fit Griinbaum's arguments within the framework of the French philosopher Assoun. His contribution met with no reply by Griinbaum. In a fourth step we have further specified the argumentative attitudes identifying the preceding step. In our case, the mediative attitude can be subdivided into the following subcategories: (a)
Griinbaum promoting (to diffuse Griinbaum's ideas exclusively);
(b)
Self promoting (to use Griinbaum in order to spread one's own ideas), and,
(c)
Other promoting (using Griinbaum in order to diffuse the ideas of a third author).
202 The contentious attitude can also be subdivided as follows: (a)
Methodological criteria (questioning Griinbaum's methodological assumptions);
(b)
Strategical criteria (questioning Griinbaum's strategical conception of);
(c)
Non-substantial critique (attacking non-relevant arguments or conclusions), and
(d)
Rhetorical position (no counter arguments, rhetoric only).
We expect to find the argumentative positions identified in the first three steps in all sorts of (scientific) debates. We expect the same for the sub-positions found in the last step, but occurrence of these sub-positions may vary according to the specific context of the debate and eventually other ones than those we identified, may be found. Table 1: diagram of the four steps, with the respective numbers of authors per group. 1. step: participation - non-participation (n = 38)
(n = 87)
2. step: acknowledgement- non-acknowledgement
3. step: MEDIATION/JUDICIOUS - IRRELEVANT/CONTENTIOUS
4. step: subgrouping of third step: MEDIATION
JUDICIOUS IRRELEVANT
CONTENTIOUS
(n=10)
(n=3)
(n=22)
(n=3)
Griinbaum promoting
methodological
(n=3)
criteria (n=8)
Self promoting
strategical
(n=3)
criteria (n=7)
other promoting
non substantiat-
ing)
critique (n=6) rhetoric pos. (n=l)
Our ,four step method' allows us to make a classification of all contributions to this specific discussion with regard to the argumentative position of the author. Our next aim is to investigate if, and if so, in what ways the respective groups and subgroups of authors differ in the use of polemic, argumentative and rhetorical speech figures. What are the styles or argumentation?
203 We investigated three classes of discursive speech figures: 1) rhetoric features, such as metaphors, sarcasm and irony, and rhetorical questions; 2) (quasi) argumentative features such as authority argument and the argumentum ad hominem and 3) discourse elements, such as presentation of the opponent, self-presentation, presentation of the auditorium and of the .discourse-object'. The results of this second analysis reveal that the groups did not usually differ greatly when using rhetoric features. We found, for example, an equally distributed use of all sorts of metaphors in all groups, while the use of sarcasm prevailed only slightly in the contentious and mediation group. Of the use of argumentative features, we can also say that we found no striking differences between the groups of authors, although specific argumentative features tended to prevail in some specific cases. For example, we found a great tendency of authors in the mediation group to refer to either their own work or to the work of other authors. An analysis of the use of discourse elements proved to be the best discriminator at the subgroup level: we found that all subgroups used (to a certain degree) their own specific discourse elements. Consider, for example, the following two opening sentences - the first taken from a contribution from the judicious group, the second from one of the contentious group. They both apply to the presentation of the opponent: (1) ,.Professor Griinbaum is a satisfying person to engage in discussion because of the probity of his evaluations as well as a rare responsiveness to cogent evidence" (Luborsky); (2) „Griinbaum has produced a densely written, painstaken analysis of the arguments Freud presented to justify his theoretical hypotheses" (Greenberg). The author from the judicious group (fragm. 1) presents his opponent (Griinbaum) as a rational, moral individual with whom they are engaged in an argumentative discussion. Another two authors from the judicious group, Notturno and McHugh, think Griinbaum,/ailed to convince" them. And Shevrin (also judicious group) is „grateful to Professor Griinbaum for his searching critique" of which he „learned much in the course of following his tightly reasoned arguments". Griinbaum's presentation of the opponent has the same characteristics with respect to all participants: „Masting regrets....", „Kline does have a point...", „Cioffi raises two distinct, though related points...", etc. In contrast, authors from both the contentious group and the mediator group depict their opponent not as an .engaged' individual (engaged in an ongoing discussion), but as a producer of a product (a book, an argument, a theory or an analysis): „...the power and subtlety of the analysis and arguments Adolf Griinbaum presents..." (Holt), „Griinbaum's ambitious and illuminating book" (Cioffi). With Griinbaum as an individual, no further contact seems possible nor is it expected or anticipated. Only an evaluation of the product is possible. 4. General conclusions The main results of our analysis can be summarized by the following points: a) Many of those who are invited refuse to enter the arena of the debate. We do not know why. Only in one or two cases were we able to gather some information: perhaps the type of arena and
204 the time of the debate were not acceptable to them. Griinbaum experienced this refusal (in these particular cases) as an affront. b) All contributions contain at least some polemic devices: no contribution is devoid of rhetoric, even if some are far more rhetorical than others. c) Only a very limited number of participants enter into a ,real' argumentation with the theses of Griinbaum, and they can be found in the judicious group. They use few rhetorical devices of a polemical nature. In their contributions they construct an image of the .object' of the debate in terms of a theory or a hypothesis of Griinbaum, who is depicted as a worthy and valued adversary in an argumentative discussion. Griinbaum himself is definitely a judicious arguer, who has the characteristics mentioned. However, we may point out a weakness which is equally characteristic of Griinbaum: he can be sucked into an argument by rather futile points, which are clearly irrelevant. In particular, he seems to be enticed into doing this by attacks - even of a low calibre - directed against his correct rendering of Freud's texts and theory. In this sense, the metaphors used to describe his participation may be correct. He is said to .move in with an argumentative tank' in order to ,chase blind rabbits'. d) There are some, but rather few, irrelevant contributions. e) The .mediators' are quite outstanding, in number as well as in their variety. More than a quarter of all participants fall into this category, a result which is quite astonishing. After all, the mediators do not enter into any discussion in any proper sense. They affirm to agree with Griinbaum, and then they go on to promote Griinbaum or to elaborate some of his points. Or, they promote themselves or still another, third author, using Griinbaum. They use a great variety of discursive elements. f) Finally, more than half of all the participants of the debate chose a polemical stance. They do not really discuss any thesis put forward as such by Griinbaum critically. But they confront Griinbaum in a variety of ways by attacking his qualifications or his theoretical and philosophical assumptions or they disqualify Griinbaum's aims. Many discursive and rhetorical weapons are used, but one thing is certain: this group does not conceive the object of the debate as a theory formulated by Griinbaum, with whom one may engage in a critical argument about this theory. On the contrary, for them, Griinbaum is at the basis of a discourse or a story, and the problem is to deconstruct this discourse by attacking the qualifications of the author or some elements of the discourse. 5. Discussion Returning to our opening remarks, we think it legitimate to conclude from our analysis that scientific debates are neither pure power plays (as Latour would have it), nor well organized rational discussions that follow only logical rules (as Van Eemeren and Grootendorst would have it), but they are rather .positional games', which follow both rhetoric and rational rules.
205 In this paper, we have presented an explorative study on the argumentative positions in scientific debates; we do not wish to exclude the possibility that in other debates, other argumentative positions can be found. But even if our analytical tool is still unfinished, it has, we think, the advantage of covering a wider and more detailed area of debate analysis than most other analytical tools (even if it requires more on the part of the investigator) and it is therefore well worth exploring in greater detail.
References Behavioral and Brain Sciences, (1986). vol. 9 (2): 217-284. Bos, J. and Maier, R. (in print). The name of the game. An analysis of the Grünbaum debate. Communication & Cognition. Eemeren, F.H. van and R.Grootendorst, (1991). A pragma-dialectical perspective on norms. Communication & Cognition, 24, (1): 25-41. Grünbaum, A., (1984). The Foundations of Psychoanalysis. Berkeley, Los Angeles, London: University of California Press. Latour, B., (1987). Science in Action. How to follow scientists and engineers through society. Stony Stratford: Open University Press. Maier, R., (1989). Argumentation: a multiplicity of regulated rational interactions. In: Norms in Argumentation, R. Maier (Ed.), 123-142. Dordrecht: Floris Publications.
T h o m a s Gloning S P R A C H R E F L E X I V E T E X T S T E L L E N ALS Q U E L L E FÜR DIE G E S C H I C H T E V O N KOMMUNIKATIONSFORMEN
1.
Betrachtungsweise und Fragestellungen
2.
Die Quellenfrage
3.
Sprachreflexive Textstellen: Beispiele ihrer Nutzung
4.
Probleme bei der Nutzung von sprachreflexiven Textstellen
Literatur
1.
B e t r a c h t u n g s w e i s e und
Fragestellungen
Dialog- und Kommunikationsformen sind gekennzeichnet durch eine jeweils spezifische sequentielle und thematische Organisation, typische Rollen- und Wissenskonstellationen, typische Handlungsmöglichkeiten (relativ zu einem bestimmten Dialogstand), typische Äußerungsformen, strategische und regulative Maximen, durch eine typische Phasengliederung u.dgl. Zu den Aufgaben einer Geschichte von Kommunikationsformen gehört es, die jeweilige Ausprägung dieser Organisationsprinzipien und die Veränderungen im G e f ü g e dieser Aspekte bezogen auf historische Kommunikationsformen zu beschreiben (vgl. Fritz 1993; Fritz/Gloning 1992). Daraus ergeben sich u.a. folgende Fragestellungen: (i) Welche Handlungsmuster und K o m m u nikationsformen lassen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt nachweisen? (ii) In welche Handlungszusammenhänge ist eine bestimmte Kommunikationsform eingebettet? (iii) Welche charakteristischen Eigenschaften weisen Kommunikationen einer bestimmten Form auf? (Sequentielle Organisation, thematische Organisation, typische Rollen- und Wissenskonstellationen, Handlungsmöglichkeiten bei einem bestimmten Dialogstand, mögliche Dialogverläufe, typische Außerungsformen, strategische und regulative Maximen, die die Wahl der Sprecher unter Handlungsalternativen bestimmen, zentrale Handlungsmuster, eine typische Strukturierung usw.). (iv) Was wußten historische Sprecher über die Formen des Sprachgebrauchs ihrer Zeit? Inwiefern waren sie in der Lage, über ihre kommunikativen Fähigkeiten auch Auskunft zu geben? (v) Unter welchen Bedingungen und in welchen Aspekten verändern sich Kommunikationsformen? Läßt sich das Muster Variation - Selektion - Verbreitung auch auf die Geschichte von Kommunikationsformen anwenden? Welche Rolle spielen Medien? Wie hängt die Veränderung einer Kommunikationsform mit dem System der übrigen Kommunikationsformen zusammen? Als methodisches Prinzip bei der Beantwortung dieser Fragen kann folgende Forderung erhoben werden: >Es darf in der Geschichte von Kommunikationsformen nichts als selbstverständlich, konstant oder überzeitlich gültig angenommen werden, was nicht über Quellen abgesichert ist.