Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen. Teil 3 Für das vierte Schuljahr: Im Anschluß an die elfte Auflage des Lesebuches für höhere Mädchenschulen [Reprint 2020 ed.] 9783111405025, 9783111041537


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German Pages 318 [320] Year 1911

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Table of contents :
Vorwort
Erste Abteilung: Gedichte
Zweite Abteilung: Prosa
Erläuterungen
Lebensabriss der Verfasser und Nachweis der Quellen
Inhalt
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Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen. Teil 3 Für das vierte Schuljahr: Im Anschluß an die elfte Auflage des Lesebuches für höhere Mädchenschulen [Reprint 2020 ed.]
 9783111405025, 9783111041537

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Deutsches Lesebuch von

Karl Hessel.

Ausgabe für Mädchenschulen mit neunjährigem Lehrgang. Unter Mitwirkung von

Christian Äser. Dritter Teil. Für das vierte Schuljahr. Im Anschluß an die elfte Auflage des Lesebuches für höhere Mädchenschulen.

Bonn 1911. A. Marcus und E. Webers Verlag.

Vorwort. Nachdem durch Ministerial-Erlaß vom 3. Februar 1910 die preußischen Mittelschulen für Knaben und Mädchen in feste Formen gebracht, besonders auch die Lehrstoffe im einzelnen festgelegt worden sind, hat sich alsbald die Not­ wendigkeit ergeben, mein für höhere Mädchenschulen ent­ worfenes Lesebuchwerk in einer etwas veränderten Aus­ gabe erscheinen zu lassen, die sich nicht nur der Mädchen­ mittelschule im engern Sinne, sondern den Bedürfnissen aller Mädchenschulen mit neunjährigem Lehrgang anpassen will. Diese Ausgabe, die unter Mitwirkung meines Kolle­ gen Christian Ufer, Rektors der südstädtischen Mädchen­ mittelschule in Elberfeld, ausgearbeitet ist, erscheint als sechsbändiges Werk, und zwar so, daß für das zweite, dritte, vierte und fünfte Schuljahr je ein besonderer Band vorhanden ist (1., 2., 3. und 4. Teil), der 5. und 6. Teil dagegen zum Gebrauch für je zwei aufeinanderfolgende Jahr­ gänge bestimmt ist. Die ersten drei Teile stimmen völlig überein mit den drei ersten Teilen des Lesebuchs für höhere Mädchenschulen, 11. Auflage. Da aber von da ab die Lehrpläne für höhere und für mittlere Mädchenschulen viel­ fach auseinandergehen, so mußten die Teile 4, 5 und 6 auch ihre eigenen Wege gehen, halten jedoch soviel als mög­ lich enge Fühlung mit der Ausgabe für höhere Mädchen­ schulen. Da für die realistischen Fächer durch andere Hilfs­ mittel genügend gesorgt ist, so haben wir in erster Linie den literarischen Charakter des Lesebuchs betont; wenn auch dem so wichtigen Konzentrationsgedanken zuliebe und in Rücksicht auf die Bestimmungen für Mittel-

Vorwort.

IV

schulen geschichtliche Stoffe und solche aus der Erdkunde und Naturkunde durchaus nicht ausgeschlossen sind, so ist dabei doch stets der Gedanke leitend gewesen, daß die För­ derung der Liebe zur Muttersprache, der Fertigkeit in ihrem Gebrauch, des Sinnes für dichterische Schönheit und die sittliche und vaterländische Erhebung des Gemüts der vor­ nehmste Zweck des deutschen Lesebuchs sein soll. Für die Übung im sinngemäßen Lesen erscheint es besonders wichtig, daß stets darauf aufmerksam gemacht wird, daß Pausen nicht allein bei Satzzeichen zu machen sind, sondern auch nach jedem Sprechakt (Atempause). Wir haben deshalb als Probe ein Prosastück, und zwar Nr. 108, das Märchen vom Tischlein deck dich mit Bezeichnung der Sprechtakte drucken lassen. (Näheres in meinem Artikel „Vortrag, mündlicher, und seine Pflege im Schulunter­ richt", in Reins Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, in Sonderabdruck durch Marcus u. Webers Verlag, Bonn, zu beziehen. K. H.) Herrn Heinrich Weitkamp, Lehrer an der nord­ städtischen Mädchenmittelschnle in Elberfeld, sprechen wir für viele wertvolle Anregungen und Ratschläge den besten Dank aus. Koblenz,

Elberfeld, im April 1911.

Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule.

Christian Ufer, Rektor der südstädtischen Mädchenmittelschule.

Erste Abteilung:

Gedichte. Ernst Moritz Arndt. 1. Morgengebet. 1. Der Und Und

Die Nacht ist nun vergangen. Morgen steht so herrlich da. alle Blumen prangen alle Bäume fern und nah; Auf Feldern und auf Wiesen, In Wald und Berg und Tal Wird Gottes Macht gepriesen Von Stimmen ohne Zahl.

2. Die frommen Nachtigallen, Sie klingen Hellen Freudenklang, Die Lerchen höchst vor allen. Zum Himmel tragen sie Gesang, Der Kuckuck auf den Zweigen Und auch der Zeisig klein, Sie wollen sich dankbar zeigen, 's will keiner hinten sein.

3. Der Sie Den

Das Wild im grünen Walde, Vogel auf dem grünen Baum, priesen also balde Vater überm Sternenraum? Es sumsete die Imme, Das Würmchen seine Lust, Und ich hätt keine Stimme Des Lobes in der Brust?

Hessel und Ufer, Lesebuch 3.

1

2

Arndt.

Baumbach.

4. O Herr, laß mich auch heute In deiner Liebe wandeln treu. Daß ich der Sünden Beute, Der Eitelkeiten Spiel nicht sei; Laß mich nach deinem Bilde Den Weg der Tugend gehn. So wird der Tag mir milde. So kommt der Abend schön.

2. Ballade. 1. Und die Sonne machte den weiten Ritt um die Welt. Und die Sternlein sprachen: „Wir reisen mit um die Welt." Und die Sonne, sie schalt sie: „Ihr bleibt zu Daus! Denn ich brenn euch die goldnen Äuglein aus Bei dem feurigen Ritt um die Welt." 2. Und die Sternlein gingen zum lieben Mond in der Nacht, Und sie sprachen: „Du, der auf Wolken thront in der Nacht, Laß uns wandeln mit dir, denn dein milder Schein, Er verbrennet uns nimmer die Äugelein!" Und er nahm sie, Gesellen der Nacht.

3. Nun willkommen, Sternlein und lieber Mond in der Nacht! Ihr verstehet, was still in dem Herzen wohnt in der Nacht! Kommt und zündet die himmlischen Lichter an. Daß ich lustig mitschwärmen und spielen kann In den freundlichen Spielen der Nacht.

Rudolf Baumbach. 3. Die Gäste -er Bache. 1. Mietegäste vier im Haus Hat die alte Buche: Tief im Keller wohnt die Maus, Nagt am Hungertuche.

Baumbach.

Bechstein.

2. Stolz auf seinen roten Rock Und gesparten Samen Sitzt ein Protz im ersten Stock, Eichhorn ist sein Namen.

3. Weiter oben hat der Specht Seine Werkstatt liegen, Hackt und zimmert kunstgerecht. Daß die Späne fliegen. 4. Auf dem Wipfel im Geäst Pfeift ein winzig kleiner Musikante froh im Nest. — Miete zahlt nicht einer.

Ludwig Bechstein. 4. Landgraf Ludwig und der Löwe. 1. Der heilge Ludwig tritt hervor Aus Wartburgs hochgewölbtem Tor, Er grüßet fromm den Morgenstrahl Und schaut herab auf Stadt und Tal.

2. Und als er so hinunterschaut. Schreckt ihn ein donnergleicher Laut. Er wendet sich nach dem Geschrei Und sieht bestürzt den Löwen frei, 3. Den Löwen, den man ihm geschenkt. Der seinen Kerker heut gesprengt; Sein Haupt, vom Mähnenhaar umrollt. Bewegt er ivild, die Stimme grollt.

4. Und seiner Augen Flammenstern Ist starr gerichtet auf den Herrn; Doch dieser blickt so fest ihn an, Wie ihm der Löwe kaum getan.

3

4

Bechstein.

Bornemann.

5. Und Auge fest in Auge ruht. Der Landgraf aber droht voll Mut: „Gleich lege dich, mein edles Tier! Bei meinem Zorn befehl ich's dir." 6. Da hat der Löwe sich, erschreckt. Zu Ludwigs Füßen hingestreckt. Es hielt die Riesenkraft im Bann Der Zornblick von dem frommen Mann.

7. Ein fester Blick, ein kühner Mut, Die sind zu allen Zeiten gut. Der Leu des feindlichen Geschicks Weicht oft dem Feuer kühnen Blicks.

Wilhelm Bornemann. 5. Jägerlied. 1. Im Wald und auf der Heide, Da such ich meine Freude, Ich bin ein Jägersmann! Den Wald und Forst zu hegen. Das Wildbret zu erlegen. Hab meine Freude dran. Halli, hallo! Hab meine Freude dran. 2. Das Huhn im schnellen Fluge, Die Schnepf im Zickzackzuge Treff ich mit Sicherheit. Die Sauen, Reh und Hirsche Erleg ich auf der Pirsche, Der Fuchs läßt mir sein Kleid. Halli, hallo! Der Fuchs läßt mir sein Kleid.

Bornemann.

Bürger.

5

3. Kein Heller in der Tasche, Ein Schlückchen aus der Flasche, Ein Stückchen schwarzes Brot, Den treuen Hund zur Seite, Wenn ich den Wald durchschreite. Dann hat es keine Not. Halli, hallo! Dann hat es keine Not. 4. So zieh ich durch die Wälder, So eil ich durch die Felder Wohl hin den ganzen Tag; Dann fliehen meine Stunden Gleich flüchtigen Sekunden, Eil ich dem Wilde nach. Dalli, hallo! Eil ich dem Wilde nach.

5. Wenn sich die Sonne neiget, Der düstre Nebel steiget. Das Tagwerk ist getan, Dann kehr ich von der Heide Zur häuslich stillen Freude, Ein froher Jägersmann. Halli, hallo! Ein froher Jägersmann.

Gottfried August Bürger. 6. Die Schatzgräber. Ein Winzer, der am Tode lag. Rief seine Kinder an und sprach: „In unserm Weinberg liegt ein Schatz; Grabt nur darnach!" — „An welchem Platz?" 5 Schrie alles laut den Vater an. „Grabt nur!" O weh! da starb der Mann.

6

Bürger.

ColShorn.

Kaum war der Alte beigeschafft. So grub man nach aus Leibeskraft. Mit Hacke, Karst und Spaten ward 10 Der Weinberg um und um gescharrt. Da war kein Kloß, der ruhig blieb. Man warf die Erde gar durchs Sieb Und zog die Harken kreuz und quer Nach jedem Steinchen hin und her. 15 Allein da ward kein Schatz verspürt, Und jeder hielt sich angeführt.

Doch kaum erschien das nächste Jahr, So nahm man mit Erstaunen wahr. Daß jede Rebe dreifach trug. 20 Da wurden erst die Söhne klug Und gruben nun jahrein, jahraus Des Schatzes immer mehr heraus.

Theodor Colshorn. 7. Remteremteremtemtem. Gealtert war der alte Fritz, Zur Neige ging sein sprudelnder Witz: Drum ward er unwirsch oft und murrend. Sprach abgebrochen, kurz und schnurrend, 5 Und so ihn jemand nicht gleich verstand. So ward er übel angerannt.

Am schlimmsten war's bei Musterungen, Wenn die Kanonen den Grundbaß sungen. Zwar die Herrn Adjutanten, 10 Die ihn von innen und außen kannten, Die verstanden den Alten sofort: Sie lasen vom Munde ihm das Wort.

Colshorn.

Doch wehe den Extraordonnanzen! Die tät er oft nicht schlecht kuranzen. —

Bei einem solchen Manöver war Einst fortgeschickt die gesamte Schar Adjutanten und Ordonnanzoffiziere, Sie jagten, als ob der Sturm sie entführe. Es war dem König nur noch zur Hand 20 Ein einziger junger Leutenant. Dem war das Herz nicht wenig beschwert: Seit einer Stunde hat er gehört Alle Befehle nach hier und dort; Verstanden hatt' er kein einziges Wort. 25 „Ha!" seufzte der Leutenant still für sich, „Ha! Kommt die Reihe jetzt an dich. Du bist verloren!" — Da hört er schon Des Königs kurzen, gebrochenen Ton: „Leutenant Klemm!" rief hastig der Fritz, 30 Reit Er zunr General Seydlitz —" Weiter verstand er nicht ein Wort, Das andre trugen die Lüfte fort, Das schwirrte wie ein schnarrendes Rm: „Remteremteremtemtem!"

15

Einen Moment sann der Ärmste nach. Er stand, als sei er gerührt vom Schlag. „Reit Er!" rief der König voll Hast. Da hatte der Leutenant sich schnell gefaßt; Er jagt davon mit Ungestüm, 40 Als sitze das Unglück hinter ihm. „Exzellenz, Seine Majestät befehlen: Remteremteremtemtem!" So ries er und machte rechtsumkehrt, So rasch, wie der Blitz um den Kirchturm fährt. 45 Und ritt, als fitz ihm der Tod an den Sohlen, Als wollt er beim König das Leben holen. —

35

8

Tolshorn.

Torneliut.

Eichendorfs.

Das Manöver verlief ganz ungestört; Als der König aber den Spaß gehört, Da hat er sich weidlich satt gelacht 50 Und den Klemm zum Adjutanten gemacht.

Peter Cornelius. 8. Die Hirten. 1. Hirten wachen im Feld; Nacht ist rings auf der Welt; Wach sind die Hirten alleine Im Haine.

2. Und ein Engel so licht Grüßet die Hirten und spricht: „Christ, das Heil aller Frommen, Ist kommen!" 3. Engel singen umher: „Gott im Himmel sei Ehr! Und den Menschen hienieden Sei Frieden!"

4. Eilen die Hirten fort, Eilen zum Heilgen Ort, Beten an in den Windlein Das Kindlein.

Joseph Freiherr von Eichendorfs. 9. Gottes Segen. 1. Das Kind ruht aus vom Spielen, Am Fenster rauscht die Nacht, Die Engel Gottes im Kühlen Getreulich halten Wacht.

Eichendorfs.

2. Der Sie Das

Falke.

Am Bettlein still sie stehen. Morgen graut noch kaum. küssen's, eh sie gehen. Kindlein lacht im Traum.

Gustav Falke. 10, Schule. 1. Karo soll das Sitzen lernen. Darf sich nicht vom Platz entfernen. Einerlei, ob die Kätzchen ein Tänzchen Tollen, immer rund um sein Schwänzchen. Die frechen Dinger! Könnt er sie zausen! Aber der Lehrer gibt keine Pausen: Achtung! hübsch! will Er wohl sitzen Und gelehrig die Ohren spitzen! 2. Ja, lieber Karo, da heißt es sich fügen. Lernen macht nicht immer Vergnügen, Und manches lernt man, was grade nicht not, Aber die Schule hat strenges Gebot. Und schließlich, mit oder ohne Grund, Du bist nachher ein gebildeter Hund, Während die Kätzchen stets albern bleiben Und sich die Zeit mit nichts vertreiben.

11. Die Sorglichen. 1. Im Frühling, als der Märzwind ging, Als jeder Zweig voll Knospen hing. Da fragten sie mit Zagen: Was wird der Sommer sagen?

2. Und als das Korn in Fülle stand. In lauter Sonne briet das Land, Da seufzten sie und schwiegen: Bald wird der Herbstwind fliegen.

9

10

Falke.

3. Der Herbstwind blies die Bäume an

Und ließ auch nicht ein Blatt daran.

Sie sahn sich an: Dahinter Kommt nun der böse Winter.

4. Das war nicht eben falsch gedacht. Der Winter kam auch über Nacht. Die armen, armen Leute, Was sorgen sie nun heute?

5. Sie sitzen hinterm Ofen still Und warten, ob's nicht tauen will. Und bangen sich und sorgen Um morgen.

12. Was Haven denn wir Schneider auch grob für ein Gewicht! 1. Der Riese sitzt am Brückenhaus Und will den Zoll erheben.

Der Meister Zwirn im Wanderflaus Will ihm den Zoll nicht geben: Zoll hin, Zoll her! Den zahl ich nicht. Ganz sicher nicht! Was haben denn wir Schneider Auch groß für ein Gewicht!

2. Der Riese fährt ihm ins Gesicht

Mit Augen groß wie Räder: Hier geht's nach Maß nicht und Gewicht, Zoll zahlen muß hier jeder. Sein breiter Rücken sperrt den Steg, Den ganzen Steg: Dann mußt du eben schwimmen. Sonst kommst du hier nicht weg.

3. Stromabwärts treibt ein Lindenblatt, Der Meister sieht es segeln

Falke.

Und denkt: Das Ding kommt dir zustatt, Wer zankte sich mit Flegeln. Zoll hin, Zoll her! Den zahl ich nicht. Ganz sicher nicht! Was haben denn wir Schneider Auch groß für ein Gewicht! 4. Ein Sprung — so sah ich all mein Tag Noch keinen Menschen springen. Ein Heuschreck, wenn er Mut hat, mag Es auf die Hälfte bringen. Das Blättlein schwankt ein wenig kaum. Ganz wenig kaum, Der Schneider hat's ersprungen So eben noch am Saum.

5. Der Meister auf dem Blättlein steht Und rudert mit der Elle, Die stolzeste Fregatte geht Nicht sichrer durch die Welle. Zoll hin, Zoll her! Den zahl ich nicht, Ganz sicher nicht! Was haben denn wir Schneider Auch groß für ein Gewicht! 6. Der Riese sieht vom Brückensteg Die lustige Gondel schwimmen, Da schwimmt ein Gröschlein Zoll ihm weg. Das mag ihn baß ergrimmen. Und dann der kecke Schneidermut, Der Schneidermut, Der also sich erdreistet. Wie bringt ihn der in Wut!

11

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Fechner.

Gustav Theodor Fechner (Mises). 13. Die vier Hühnchen. Der Hahn hat mir heut morgen früh Erzählet dies Geschichtchen hie: 1. Es ist nun grade Jahr und Tag, Wie ich mich wohl erinnern mag. Da saßen vier Hühnchen auf einem Stakete, Worüber ein grünes Zweiglein wehte.

2. Die Hühnchen, die wollten recht lustig sein. Da fiel's dem einen der viere ein, Hinauf zu springen zum Zweiglein oben; Das wollten die andern auch erproben.

3. Das Die Das

Wohl vierte droben unten,

dreien der Sprung ganz gut gelang, leider zu niedrig sprang; erhoben ein frohes Gekrähe, das schrie Zeter und Wehe.

4. Die dreie wollten recht lustig sein. Da fiel's dem einen der dreie ein. Zu springen noch nach dem Zweiglein darüber; „Ei," riefen alle, „je höher, je lieber!" 5. Wohl zweien der Sprung ganz gut gelang. Das eine leider zu niedrig sprang; Die oben erhoben ein frohes Gekrähe, Die unten schrieen Zeter und Wehe. 6. Die zweie wollten recht lustig sein. Da fiel's dem einen der zweie ein. Hinauf zu springen noch vollends zur Spitzen. Das andere rief: „Da will ich mit sitzen!" 7. Dem einen der Sprung Das andere leider zu niedrig Das droben erhob ein frohes Die unten schrieen Zeter und

ganz gut gelang. sprang; Gekrähe, Wehe.

Fechner.

Fischer.

8. Das Hühnchen, das jetzt saß oben drauf, Seitdem zum großen Hahn wuchs auf; Der hat sich den Baum zum Sitz erwählet. Das ist der Hahn, der dies erzählet. 9. Die unten schrieen noch lange glucks. Da kam und fraß sie alle der Fuchs; Den droben mußt er sich lassen vergehen, Der lacht ihn aus von seinen Höhen. 10. So geht es zu in dem Hühnerreich, Es will jedes auf einen grünen Zweig; Doch alle können nicht oben sitzen. Drei fallen, eines gelanget zur Spitzen.

Johann Georg Fischer. 14 Der alte Fritz auf Saussouei. 1. Zu Sanssouci beim heitren Mahl Saß einst in seinem Gartensaal Der alte Preußenkönig Fritz; Ihn labte des Franzosen Witz.

Druni sprach er, schlürfend seinen Wein: „Nur ein Franzos kann witzig sein!"

2. Da sprach Settoto aus Pommerland: „Mir sind auch deutsche Witze bekannt! Bei Mollwitz schlug ja wie der Blitz

Den Feind zum erstenmal der Fritz; Denn mit Maria Theresien Rauft' er sich dort in Schlesien.

3. Und weiter war's bei Bunzelwitz, Wo wieder focht der König Fritz. Auch ist in Kunersdorf bekannt.

Daß man den König Fritz dort fand; Doch war da nicht der Held Prittwitz, So war er futsch, der König Fritz!"

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14

Fischer.

4. Der „Ja, Die Das Der

Fontane.

Da schmunzelte auf seinem Sitz alte Preußenkönig Fritz. Lettow," sprach er, „Er hat recht; Witze waren gar nicht schlecht! war gesunder deutscher Witz; lebe fort von Fritz zu Fritz!"

Theodor Fontane. 15. Herr von Ribbeck auf Nibbeck im Havelland.

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Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Ein Birnbaum in seinem Garten stand, Und kam die goldene Herbsteszeit Und die Birnen leuchteten weit und breit, Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl. Der von Ribbeck sich beide Taschen voll Und kam in Pantinen ein Junge daher. So rief er: „Junge, wist 'ne Beer?" Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn." So ging es viel Jahre, bis lobesam Der von Nibbeck auf Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende, 's war Herbsteszeit, Wieder lachten die Birnen weit und breit, Da sagte von Nibbeck: „Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab." Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, Trugen von Nibbeck sie hinaus, Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht Sangen „Jesus, meine Zuversicht", Und die Kinder klagten, das Herze schwer: „He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?" So Nagten die Kinder. Das war nicht recht. Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht.

Fvntane.

25 Der neue freilich, der knausert und spart. Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt, Aber der alte, vorahnend schon Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn, Der wußte genau, was damals er tat, 30 Als um eine Birn ins Grab er bat. Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab. Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, 35 Und in der goldenen Herbsteszeit Leuchtet's wieder weit und breit. Und kommt ein Jung übern Kirchhof her. So flüstert's im Baume: „Wiste ne Beer?" Und kommt ein Mädel, so flüstert's: „Lütt Dirn, 40 Kumm man röwer, ick gew di 'ne Birn." So spendet Segen noch immer die Hand Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

16. Der alte Zielen. 1. Joachim Hans von Zielen, Husaren-Gcncral, Deut Feind die Stirne bieten. Er tat's die hundertmal; Sie haben's all erfahren. Wie er die Pelze wusch Mit seinen Leibhusarcn, Ter Bieten aus dem Busch. 2. Bei Bei Und Bei Ritt

Hei! wie den Feiud sie bleuten Hennersdorf und Prag, Liegnih und bei Lcuthen weiter Schlag auf Schlag; Torgau, Tag der Ehre, selbst der Friß nach Haus,

16

16

Fontane.

Doch Zielen sprach : „Ich kehre Erst noch mein Schlachtfeld aus."

3. Sie kamen nie alleine. Der Zielen und der Fritz,

Der Donner war der eine. Der andre war der Blitz; Es wies sich keiner träge, Drum schlug's auch immer ein Ob warm', ob kalte Schläge, Sie pflegten gut zu sein.

4. Der Friede war geschlossen: Doch Krieges Lust und Qual,

Die alten Schlachtgenossen Durchlebten's noch einmal. Wie Marschall Daun gezaudert Und Fritz und Zielen nie, Es ward jetzt durchgeplaudert Bei Tisch in Sanssouci. 5. Einst möcht es ihm nicht schmecken.

Und sieh, der Zielen schlief; Ein Höfling wollt ihn wecken. Der König aber rief: „Laßt schlafen mir den Alten, Er hat in mancher Nacht

Für uns sich wach gehalten, Der hat genug gewacht." 6. Und als die Zeit erfüllet Des alten Helden war, Lag einst, schlicht eingehüllet.

Der Zielen, der Husar;

Wie selber er genommen Die Feinde stets im Husch,

So war der Tod gekommen. Wie Zielen aus dem Busch.

Fontane.

17

17. Herr Seydlitz auf dem Kalben. 1. Herr Seydlitz auf beut Falben Sprengt an die Front heran. Sein Aug ist allenthalben. Er mustert Roß und Mann, Er reitet auf und nieder Und blickt so lustig drein, Da wissen's alle Glieder: Heut wird ein Tanzen sein.

2. Noch weit sind die Franzosen: Doch Seydlitz will zu Ball, Die gelben Lederhosen, Sie sitzen drum so prall: Schwarz glänzen Hut und Krempe Im Sonnenschein zumal. Und gar die blanke Plempe Blitzt selbst wie Sonnenstrahl. 3. Sie brechen auf von Halle, Die Tänzer allbereit, Bis Gotha hin zu Balle Ist freilich etwas weit. Doch Seydlitz, vorwärts trabend. Spricht: „Kinder, wohlgemut! Ich denk, ein lustger Abend Macht alles wieder gut."

4. Die Nacht ist eingebrochen: Zu Gotha, auf dem Schloß, Welch Tanzen da und Kochen In Saal und Erdgeschoß! Die Tafel trägt das Beste An Wein und Wild und Fisch, — Da, ungebetne Gäste Führt Seydlitz an den Tisch.

Hes.fel

und Ufer, Lesebuch 3,

M. 2

18

Fontane.

5. Die Witz- und Wortspiel-Jäger Sind fort mit einem Satz, Die Schwert- und Stulpen-Träger Sie nehmen hurtig Platz; Herr Seydlitz bricht beim Zechen Den Flaschen all den Hals, Man weiß, das Hälsebrechen Verstund er allenfalls. 6. Getrunken und gegessen Hat jeder, was ihm scheint. Dann heißt es: „Aufgesessen Und wieder nach dem Feind!" Der möchte sich verschnaufen Und hält bei Roßbach an. Doch nur, um fortzulaufen Mit neuen Kräften dann. —

7. Das waren Seydlitz Späße; Bei Zorndorf galt es Zorn, Als ob's im Namen säße. Nahm man sich da aufs Korn Das slavische Gelichter — Herr Seydlitz hoffte traun Noch menschliche Gesichter Aus ihnen zuzuhaun. 8. Des Krieges Blutvergcuden, Die Fürsten kriegten's satt; Nur Seydlitz wenig Freuden An ihrem Frieden hat. Oft jagt er drum vom Morgen Bis in die Nacht hinein. Es können dann die Sorgen So schnell nicht hinterdrein.

9. Er kam nicht hoch zu Jahren, Früh trat herein der Tod;

Fontane.

Gellert.

Könnt er zu Rosse fahren,

Da hätt's noch keine Not; Doch auf dem Lager balde

Hat ihn der Tod besiegt. Der draußen auf der Halde Noch lang ihn nicht gekriegt.

18. Berliner Republikaner. 1. Berliner Jungen scharten sich Vor einger Zeit allabendlich Nicht weit vom Kupfergraben Und sangen gottserbärmiglich: „Wir brauchen keenen Kenig nich. Wir wollen keenen haben!"

2. Da endlich packt ein Fußgendarm Nicht eben allzu zart am Arm Den allergrößten Jungen Und spricht: „He, Bursch, juckt dir das Fell, Du Tausendsapperments-Rebell? Was hast du da gesungen?"

3. Doch der Berliner comme il faut

Erwidert: „Hab Er sich nicht so,

Und laß Er sich begraben; Wozu denn gleich so ängstiglich, Wir brauchen keenen Kenig nich. Weil wir schon eenen haben!"

Christian Fürchtegott Gellert.

19. Der Blinde und der Lahme. 1. Ein Und Daß

Von ungefähr muß einen Blinden Lahmer auf der Straße finden. jener hofft schon freudenvoll. ihn der andre leiten soll.

19

20

Gellert.

Seros.

2. „Dir," spricht der Lahme, „beizustehn? Ich armer Mann kann selbst nicht gehn. Doch scheint's, daß du zu einer Last Noch sehr gesunde Schultern hast.

3. Entschließe dich, mich fortzutragen. So will ich dir die Wege sagen, So wird dein starker Fuß mein Bein, Mein Helles Auge deines sein. 4. Der Lahme hängt mit seinen Krücken Sich auf des Blinden breiten Rücken. Vereint wirkt also dieses Paar, Was einzeln feinem möglich war.

Karl G e r o k. 20. Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt. 1. Als Kaiser Karl zur Schule kam Und wollte visitieren. Da prüft er scharf das kleine Volk, Ihr Schreiben, Buchstabieren, Ihr Vaterunser, Einmaleins, Und waH man lernte mehr; Zum Schluffe rief die Majestät Die Schüler um sich her.

2. Gleichwie ein Hirte schied er da Die Böcke von den Schafen, Zu seiner Rechten hieß er stehn Die Fleißigen, die Braven. Da stand im groben Linnenkleid Manch schlichtes Bürgerskind, Manch Söhnlein eines armen Knechts Von Kaisers Hofgesind. 3. Dann rief er mit gestrengem Blick Die Faulen her, die Böcke,

Gerok.

Und wies sie mit erhobner Hand Zur Linken in die Ecke. Da stand im pelzverbrämten Rock Manch feiner Herrensohn, Manch ungezognes Mutterkind, Manch junger Reichsbaron. 4. Da sprach nach rechts der Kaiser mild: „Habt Dank, ihr frommen Knaben, Ihr sollt in mir den gnädgen Herrn, Den gütgen Vater haben; Und ob ihr armer Leute Kind Und Knechtesöhne seid. In meinem Reiche gilt der Mann Und nicht des Mannes Kleid." 5. Dann blitzt' sein Blick zur Linken hin, Wie Donner klang sein Tadel: „Ihr Taugenichtse, bessert euch, Ihr schändet euren Adel! Ihr seidnen Püppchen, trotzet nicht Auf euer Milchgesicht! Ich frage nach des Manns Verdienst, Nach seinem Namen nicht." 6. Da sah man manches Kinderaug In frohem Glanze leuchten Und manches stumm zu Boden sehn Und manches still sich feuchten. Und als man aus der Schule kam, Dr wurde viel erzählt. Wen heute Kaiser Karl belobt. Und wen er ausgeschmält. 7. Und wie's der große Kaiser hielt. So soll man's allzeit halten, Jur Schulhaus mit dem kleinen Volk, Im Staate mit den Alten:

21

22

Gerok.

Den Platz nach Kunst und nicht nach Gunst, Den Stand nach dem Verstand, So steht es in der Schule wohl Und gut im Vaterland.

21. Wie Kaiser Karl schreiben lernte. 1. Als Kaiser Karl zu Jahren kam Und war der Große worden Und streckte seinen Zepter aus Nach Süden und nach Norden, Da gab's ins weite Kaiserreich Wohl auszuschreiben viel; Doch der so stark den Zepter hält, Führt schwach den Federkiel. 2. Wohl lernt' er in der Jugend einst. Ein rasches Roß zu reiten. Zu schwimmen durch den wilden Fluß, Mit Schwert und Speer zu streiten; Noch ist dem Mann kein Hengst zu wild. Kein Fluß zu rasch und tief, Nur eines fällt dem Helden schwer: Zu schreiben einen Brief. 3. Da geht der große Kaiser noch Beim Schreiber in die Schule Und müht sich wie ein Schülerknab Mit seiner Federspule; Doch bleibt der schwertgewohnten Hand Der leichte Kiel zu schwer. Er seufzt: „Was Hänschen nicht gelernt. Das lernt der Hans nicht mehr!"

4. Nun, alter Kaiser, tröste dich! Kannst du ihn schlecht nur schreiben. Dein Name wird im deutschen Land Wohl angeschrieben bleiben! Du schriebst ihn mit dem scharfen Schwert

Gerok,

In Erz und Marmelstein, Du schriebst mit deinen Taten ihn Ins Buch der Zeiten ein. 5. Ihr Kinder aber werdet nicht Mit Blut und Eisen schreiben; Drum sollt ihr eure Schreiberkunst Mit Tint und Feder treiben! Ihr grabet eure Namen nicht In Erz und Marmelstein; Drum schreibet eure Lektion Ins Schulheft sauber ein!

6. Doch ist der letzte Punkt gemacht. So legt abseits die Schriften Und springt hinaus in Flur und Wald, Die Brust euch auszulüften! Und streckt die Glieder, schwimmt und ringt. Wie Junker Karl getan, Das steht der deutschen Jugend wohl Und schätzt den deutschen Mann!

7. Das Der Der

Denn jung gewohnt ist alt getan, Bäumchen muß sich biegen; alte Baum, der harte Stamm, mag sich nimmer schmiegen.

Das lernt vom alten Kaiser Karl! Das Schreiben ward ihm schwer; Denn was das Hänschen nicht gelernt, Das lernt der Hans nicht mehr.

22 Des deutschen Knaben Tischgebet.

5

Das war einmal ein Jubeltag! Bei Sedan fiel der große Schlag: Mac Mahon war ins Garn gegangen. Der Kaiser und sein Heer gefangen! Und blitzschnell flog die Siegespost Am Draht nach Süd und Nord und Ost.

23

24

Gerok.

Da gab's ein Jubeln ohne Maßen, Von Flaggen wogten alle Straßen, Viel tausendstimmig scholl Hurra, 10 Und waren noch Kanonen da, So schoß man auch Viktoria. Doch jedenfalls die Wacht am Rhein Ward angestimmt von groß und klein.

Und einer von den kleinsten Jnngen, 15 Der hat am lautsten mitgesungen; Die bunte Mütze auf dem Ohr, Die Höslein flott im Stiefelrohr, Marschiert er wacker mit im Chor, Beteiligt sich den Morgen lang 20 An jedem Schrei und jedem Sang; So wichtig nahm's der Keine Wicht, Als ging's ohn ihn entschieden nicht, War so mit Leib und Seel dabei, Als ob er selbst die Rheinwacht sei, 25 Hat drum den Glockenschlag vergessen Und kam zu spät zum Mittagessen. Mit heißen Wangen, rotem Kopf, Mit offner Brust, verwehtem Schopf Erscheint er endlich siegesmatt — 30 Die andern waren halb schon satt — Grüßt obenhin, setzt sich zu Tisch Und greift nach seinem Löffel frisch. Jedoch der biedre Vater spricht: „Fritz, ungebetet ißt man nicht!" 35 Worauf mein Fritz vom Stuhl ersteht, Die Hände faltet zum Gebet, Und weil sein Kopf noch stark zerstreut. Gibt's, wie der Geist ihm just gebeut. Spricht: „Lieber Gott, magst ruhig sein, 40 Fest steht und treu die Wacht am Rhein! Amen."

Greis.

Güll.

Martin Greif. 23. Weihnächte«. 1. Das Dort Und

Ein Bäumlein grünt im tiefen Tann, kaum das Aug erspähen kann. wohnt es in der Wildnis Schoß wird gar heimlich schmuck und groß.

2. Der Jäger achtet nicht darauf. Das Reh springt ihm vorbei im Lauf; Die Sterne nur, die alles sehn. Erschauen auch das Bäumlein schön. 3. Da Erglänzt Wer hat Getragen

mitten in es fromm es hin mit über Berg

des Winters Graus im Elternhaus. einem Mal und Tal?

4. Das hat der heilge Christ getan. Sieh dir nur recht das Bäumlein an! Der unsichtbar heut eingekehrt. Hat manches Liebe dir beschert.

Friedrich Giill. 24. Der Jäger und der Fuchs. 1. Der Jäger pirscht mit seiner Büchs, Da schleichen über Feld die Füchs.

2. Er fackelt nicht und spannt den Hahn Und legt die Büchse sicher an. 3. Piff, paff! Da prasseln hin die Schrot, Und bumbs! — der alte Fuchs ist tot.

4. Der Jäger spricht: „He, Feldmann, flugs. Nun apportiere mir den Fuchs!"

25

26

Güll.

5. Der Feldmann sucht mit seiner Schnauz Und hat ihn schon, den alten Kauz. 6. „Du hast gerupft so manche Gans, Jetzt zaust man dich bei deinem Schwanz. 7. Du hast geschüttelt manchen Hahn, Jetzt packt man dich beim Kragen an.

8. Du hast gefressen manche Taube, Jetzt sitzen wir dir auf der Haube!" 9. So schleppt ihn Feldmann hin zum Herrn, Der streichelt ihn und hat ihn gern 10. Und sagt: „So, Feldmann, das war gut!" Geht weiter dann mit frohem Mut 11. Und steckt den Fuchsen in den Sack Und schmaucht sein Pfeiflein Rauchtaback.

25. Svatzenausflug. Die Spatzen schrein in ihrem Nest, Als hätten sie ein großes Fest: „Philipp-zip-zip! philipp-zip-zip!" Und iveiß nicht, wie viel Gast.

5

Nun ist vorbei Gesang und Schmaus, Da fliegen sie aufs Dach heraus: „Philipp-zip-zip! philipp-zip-zip!" Und ruhn ein wenig aus. Der alte Spatz, der kluge Mann, 10 Hebt jetzo seine Rede an: „Philipp-zip-zip! philipp-zip-zip!" Hoch auf der Wetterfahn. „Ihr Kinder, eh nach Samen Ihr ausfliegt auf das Feld, 16 Geb ich euch eure Namen, Dann schlagt euch durch die Welt! Ihr könnt nun prächtig singen

GM.

Und flattern und Hüpfen und springen Und bauen euer Zelt. 20 So merkt denn auf und horchet, Wie jeder von euch heißt. Und seid dann unbesorget. Wenn ihr von dannen reist. Helft nur einander treulich 25 Und seid nicht so abscheulich, Seid friedlich allermeist! Du bist der Winkelschlupfer, Der Mück und Schnak ertappt, Du bist der Gassenhupfer, 30 Der Korn und Hafer schnappt. Und du der Broselesser, Und du der Kirschenfresser, Wohl schmeck euch, was ihr habt! Und wohnt ihr in den Hecken, 35 Und wohnt ihr unterm Dach, Fern sei euch jeder Schrecken Und jedes Ungemach! Seid nun auch auf der Lauer, Wenn über Zaun und Mauer 40 Entschleicht das Kätzlein nach! Miau! dort kommt sie schon, die Katz, Die hat uns all auf einen Satz! Zwickel-wick-bem-bem! zwickel-wick-bem-bem! Sucht einen sichern Platz!"

26. Rätsel. 1. Hundert kleine Kügelchen Hängen im Sonnenscheine, Jedes ist ein Krügelchen, Voll von süßem Weine; Und nun rat, mein Klügelchen, Was ich da wohl meine!

27

28

GM. 2.

Es schnurrt und surrt herum im Kreis;

Es summt und brummt, patsch! liegt's im Sand. Geschwind, geschwind! wer weiß, wer weiß: Wie wird der Einfuß doch genannt? 3.

Bin in der leeren Flasche, Bin in der leeren Tasche, Bin in dem hohlen Topf Und auch im hohlen Kopf.

4. Du tauchst mit deiner Hand Mich in den Suppentopf, Und zweimal hat mich stehn Der Hase auf dem Kopf.

5.

In der Hand halt ich den Bissen fest. Auf dem Baum des Vogels kleines Nest. 6.

Um Haus und Scheuer brennt's. Doch ist's kein Feuer. Nennt's! 7.

Ich steh im Garten, bloß ein Kops Aus einem kurzen Bein, Am liebsten werd ich dir im Topf Und auf dem Teller sein. 8.

Wer es hat, dem macht es Sorgen, Wer's nicht hat, entbehrt es schwer. Hat er's nicht, so muß er's borgen, Hat er's, gibt er's wieder her.

(Süll. Hauss. 9. Gelb mit S und grün mit S, Weiß mit W, nun sag es schnell!

10. Mit einem B im Schnee, Mit einem K im See, Mit einem Z im Mund: Du weißt es, gib es kund!

Wilhelm Hauff. 27. Reiters Morgengesang. 1. Morgenrot, Leuchtest mir zum frühen Tod? Bald wird die Trompete blasen. Dann muß ich mein Leben lassen. Ich und mancher Kamerad. 2. Kaum gedacht. War der Lust ein End gemacht. Gestern noch auf stolzen Rossen, Heute durch die Brust geschossen. Morgen in das kühle Grab. 3. Ach, wie bald Schwindet Schönheit und Gestalt! Tust du stolz mit deinen Wangen, Die wie Milch und Purpur prangen? Ach, die Rosen welken all. 4. Darum still Füg ich mich, wie Gott es will. Nun, so will ich wacker streiten; Und sollt ich den Tod erleiden. Stirbt ein braver Reitersmann.

29

30

Hensel.

Luise Hensel. 28. Schneeluft. 1. Der Wintermann mit Reif und Eis Macht alle Blümlein tot Und wirft umher mit Flocken weiß Und kneipt die Nas uns rot.

2. Heraus, ihr Kindlein, nah und fern, Wolln ihm entgegen gehn, Wir müssen doch den strengen Herrn Ein wenig näher sehn. 3. Heraus, heraus, ihr Kindlein all! Er sieht recht munter aus. Heraus, heraus, mit Sang und Schall! Das ist ein lustger Strauß. 4. Was grüne Flur? was Blumen bunt? Wir haben Schnee und Eis. Wie flimmert alles rings und rund So silbern und so weiß!

5. Ei, Winter, lustger Wintersmann, Sie sagen, du seist kalt. Wärst ganz mit Pelzen angetan Und grämlich sehr und alt. 6. Ich Sie Mir

Ei, Wintersmann, warum nicht gar, hab es gleich gedacht, kennen dich nur schlecht, nicht wahr? hast dich kund gemacht.

7. Und Hast Bist

Du bist ein lustiger Gesell munter wie ein Fisch, Augen himmelblau und hell. just wie ich so frisch.

Hensel.

Herder.

Hey.

8. Wir sind dir gut, wir Kinder hier. Bringst tausend Spaß, du Wicht, Und siehst du, dafür werf ich dir Den Schneeball ins Gesicht.

Johann Gottfried Herder. 29. Wind und Sonne. Wind und Sonne machten Wette, Wer die meisten Kräfte hätte. Einen armen Wandersmann Seiner Kleider zu berauben. 5

Wind begann. Doch sein Schnauben Tat ihm nichts: der Wandersmann Zog den Mantel dichter an.

Wind verzweifelt nun und ruht, 10 Und ein lieber Sonnenschein Füllt mit holder, sanfter Glut Wanderers Gebein. Hüllt er nun sich tiefer ein? Nein! 15 Ab wirft er nun sein Gewand, Und die Sonne überwand.

Wilhelm Hey. 30. Neujahr. 1. Der Viel Seit

Ein neues Jahr hat angefangen. liebe Gott hat's uns geschenkt. hundert Jahr sind 'hingegangen. er an seine Menschen denkt.

31

32

Hey.

Und Und Und Und

Hoffmann.

hört nicht auf für uns zu sorgen wird nicht müde, was er tut, weckt und stärkt uns alle Morgen gibt so viel und ist so gut.

2. Und sieht auch heut vom Himmel nirder Auf mich und jedes kleine Kind Und hilft auch dieses Jahr uns wieder. So lang wir gut und folgsam sind. Du, lieber Gott, kannst alles machen; Willst du mich machen treu und gut. Willst du mich dieses Jahr bewachen, Daß nie dein Kind was Böses tut?

August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben. 31. Wiegenlied 1. Das Die Nur

Die Ähren nur Haupt ist ihnen müden Blumen schüchtern noch

noch nicken. schwer. blicken umher.

2. Da kommen Abendwinde, Still wie die Engelein, Und wiegen sanft und linde Die Halm und Blumen ein. 3. Und Ivie die Blumen blicken. So schüchtern blickst du nun. Und wie die Ähren nicken. Will auch dein Häuptlein ruhn.

4. Und AbendNänge schwingen. Still wie die Engelein, Sich um die Wieg und singen Mein Kind in Schlummer ein.

33

Hoffmann.

32. Schwarzdrossel. 1. Vom höchsten Wipfel singt hernieder Schwarzdrossel ihre lieben Lieder; Sie singt vergnügt ins Abendrot, Sie kennet keine Sorg und Not.

2. Doch unten ohne Sang und Lieder Zieht mancher heim nach Hause wieder, Geht seines Weges ernst dahin Und höret kaum die Sängerin. 3. Ich aber bleibe ruhig stehen. Ich muß sie hören, muß sie sehen: Willkommen ist mir allezeit. Wer mit mir teilet Freud und Leid.

33. O, wie freun wir «ns! 1. O, wie freun wir uns. 4. Wenn zum erstenmal Wenn ein Frühlingstag Uns mit frohem Schall Aus dem jungen Laub Endlich heiter lacht Grüßt die Nachtigall. über Feld und Hag!

5. Unser Herz geht auf. 2. Wenn ein Falter froh Durch die Luft sich schwingt Wie das Blümelein, Und es freuet sich Und ein Blümchen still Auch am Sonnenschein. Aus der Knospe springt;

6. Freue du dich auch, 3. Wenn der letzte Schnee Wie der Frühlingstag, Rieselt hin als Quell Durch die grünen Aun, Der da heiter lacht Rein und silberhell! über Feld und Hag!

34. Dann ist -er Frühling da! 1. Wenn die Lerch empor sich schwingt, Durch die blauen Lüfte singt Und der Kibitz, um sein Nest Kreisend, sich vernehmen läßt Hessel und Ufer, Lesebuch 3.

M.3

34

Hoffmann.

Und das Ackermännchen schnell Hüpft umher am Wiesenquell — Dann, dann ist der Frühling da, Freud und Leben fern und nah!

2. Wenn das Veilchen freundlich blickt. Seinen Morgengruß uns nickt, Wenn der Himmelschlüssel sprießt, Seinen goldnen Kelch erschließt Und Schneeglöckchen bim-bam-bom Läuten: „Frühling, komm, komm, komm!" Dann, dann ist der Frühling da, Freud und Leben fern und nah! 3. Wenn das Auge alles sieht Und das Ohr hört jedes Lied; Wenn das Herz, von Lust bewegt. Frei sich fühlt und voller schlägt Und vergißt mit einem Mal All des Winters Leid und Qual — Dann, dann ist der Frühling da, Freud und Leben fern und nah!

35. Der Laubfrosch. 1. Der Laubfrosch, der Laubfrosch In seinem grünen Rock, Er sitzt im Schutz der Blätter Und kündet andres Wetter Herab vom Rosenstock.

2. O Laubfrosch, o Laubfrosch, Gleich fangen wir dich ein, Um dich ins Glas zu setzen. Da kannst du weiter schwätzen Und Wetter prophezein. 3. Der Laubfrosch, der Laubfrosch Bekommt ein gläsern Haus

Hoffmann.

35

Und eine hübsche Leiter, Was will er da noch weiter? Und Fliegen sind sein Schmaus.

4. Der Laubfrosch, der Laubfrosch, Was soll ihm Haus und Schmaus? Er fühlt sich doch nicht heiter. Sitzt still auf seiner Leiter Und möchte gern hinaus.

5. O Laubfrosch, o Laubfrosch, Bald kehrest du zurück: Der Frühling soll dir geben Dein freies, frohes Leben, Denn Freiheit nur ist Glück.

36. Sommer und Winter. (Sommer) So komm doch heraus ins Freie zu mir! So komm doch, o Winter! ich tanze mit dir. (Winter) Ich mag nicht tanzen, ich geh nicht hinaus. Viel lieber ist mir am Ofen zu Haus. (Sommer) O, sieh doch, wie alles hüpfet und springt! O, hör doch, wie draußen die Nachtigall singt! (Winter) Laß springen und singen nur immerzu — Ich lieg im Bett und pflege der Ruh. (Sommer) So jag ich dich fort von Hof und Haus Und treibe dich weit in die Welt hinaus. (Winter) Und bin ich dann ein vertriebener Mann, So steig ich die Alpen da droben hinan. (Sommer) Auch droben, da wirst du nicht sicher sein: Ich schicke dir nach den Sonnenschein. (Winter) Und willst du nicht Frieden halten mit mir. So komm ich gar zeitig hinab zu dir. (Sommer) Und kommst du, so nehm ich zum Aufenthalt Die Laubern und Blumen im grünen Wald. (Winter) So komm ich mit Reif und mit Schnee und mit Eis

SS

Hoffmann.

Und mache den grünen Wald dir weiß. (Sommer) So kriech ich mit meinen Blümelein Tief unter das Gras in die Erde hinein. (Winter) So deck ich mit weißen Laken dich zu. Dann hab ich vor dir doch endlich Ruh. (Sommer) Dann ruf ich die Sonne mit ihrem Schein, Die jagt dich dann fort in die Welt hinein. (Winter) Und jagt sie mich fort, was mach ich mir draus? Sie jagt mich doch nie aus der Welt hinaus.

So necken sich Winter und Sommer fürwahr. So necken sie sich doch jegliches Jahr Und necken sich fort bis in Ewigkeit, Denn ewig ist Winter- und Sommerzeit.

37. Der Eislauf. 1. Und Die Und Das Die Wer Wer

Der See ist zugefroren hält schon seinen Mann. Bahn ist wie ein Spiegel glänzt uns freundlich an Wetter ist so heiter, Sonne scheint so hell. will mit uns ins Freie? ist mein Mitgesell?

2. Da ist nicht viel zu fragen. Wer mit will, mach sich auf! Wir gehn hinaus ins Freie, Hinaus zum Schlittschuhlauf. Was kümmert uns die Kälte? Was kümmert uns der Schnee? Wir wollen Schlittschuh laufen Wohl auf dem blanken See.

3. Da sind wir ausgezogen Zur Eisbahn alsobald

Hoffmann.

Und Die Das Im Wir Als

HVlty.

37

haben uns am Ufer Schlittschuh angeschnallt. war ein lustig Leben hellen Sonnenglanz, drehen uns und schweben. wär's ein Reigentanz.

4. Nun ist vorbei der Winter, Vorbei ist Schnee und Eis, Es sind die Bäum im Garten Jetzt nur von Blüten weiß. Doch auch in meinen Träumen Ruf ich noch oft: Juchhe, Kommt, laßt uns Schlittschuh laufen Wohl auf dem blanken See!

Ludwig Heinrich Christoph Hölty. 38. Frühlingslied. 1. Die Luft ist blau, das Tal ist grün. Die Keinen Maienglocken blühn Und Schlüsselblumen drunter. Der Wiesengrund Ist schon so bunt Und malt sich täglich bunter.

2. Drum komme, wem der Mai gefällt. Und freue sich der schönen Welt Und Gottes Vatergüte, Die diese Pracht Hervorgebracht, Den Baum und seine Blüte.

Kilzer.

38

Kletke.

Wilhelm Kilzer. 39. Das Kirchlein. 1. Auf Und Des

Ein Kirchlein steht im Blauen steilen Berges Höh, mir wird beim Beschauen Kirchleins wohl und weh.

2. Verödet steht es droben. Ein Denkmal früher Zeit, Vom Morgenrot gewoben Wird ihm sein Sonntagskleid. 3. Und wenn die Glocken klingen Im frischen Morgenhauch, Dann regt mit zarten Schwingen Sich dort ein Glöcklein auch.

4. Es weckt sein mildes Schallen Die Vorzeit wunderbar: Zum Kirchlein seh ich wallen Dann frommer Beter Schar.

Hermann Kletke. 40. Die Jahreszeiten 1. O Frühlingszeit, o Frühlingszeit, Du kannst mir sehr gefallen! Das klare Bächlein rinnet frei, Mit Blüten kommt der grüne Mai; O Frühlingszeit, o Frühlingszeit, Du kannst mir sehr gefallen! 2. O Sommerzeit, o Sommerzeit, Du kannst mir sehr gefallen! Das goldne Korn so wogt und weht, Das Bäumlein voller Früchte steht. O Sommerzeit, o Sommerzeit, Du kannst mir sehr gefallen!

Klette.

Kopisch.

39

3. O brauner Herbst, o brauner Herbst, Du kannst mir sehr gefallen! In buntem Laube glänzt der Wald, Die Traube winkt, das Jagdhorn schallt; O brauner Herbst, o brauner Herbst, Du kannst mir sehr gefallen! 4. O Winterzeit, o Winterzeit, Du kannst mir sehr gefallen! Mit blankem Eis und weißem Schnee Weihnachten kommt, juchhe, juchhe! O Winterzeit, o Winterzeit, Du kannst mir sehr gefallen!

41. Der Apfelbaum. 1. Nun seht einmal den Apfelbaum, Wo gestern wir gesessen. Dem kam zur Nacht, so recht im Traum, Das Blühen unterdessen. Er schwenkt die Blüten hinab, hinauf, Er scheint gar nicht wenig eitel darauf.

2. Nun, ja doch, ja, wir kennen dich Von unten bis zu oben, Im Winter frorst du jämmerlich. War nichts an dir zu loben. Wahr ist's, nicht übel steht dir das Kleid; Doch hör, mit den Äpfeln komm auch zur Zeit!

August Kopisch. 42. Die Roggenmuhme. Laß stehn die Blume! Geh nicht ins Korn! Die Roggenmuhme Zieht um da vorn.

40

Kopisch.

Bald duckt sie nieder, Bald guckt sie wieder; Sie wird die Kindlein fangen, Die nach den Blumen langen.

43. Die Zwerge auf dem Baum 1. Sonst wimmelte das Haslital Von niedlichen Zwerglein überall, Die halfen im Felde, die halfen im Wald Und trugen uns Holz ein, würd es kalt. Sagt an, ihr Leute, was ist geschehn? Es läßt sich keiner mehr da sehn.

2. Was ist geschehn? — Ein böser Streich, Sie wurden verlacht, da flohn sie gleich. Sie huschten so gern auf den Ahornbaum Und träumten da nickend den Mittagtraum; Da sägt ein Schelm den Ast entzwei. Wo sie neulich gesessen in einer Reih. 3. Und nun, den andern Mittag draus. Duscht wieder das Zwergleinvolk hinauf; Sie hatten so fleißig gemäht das Gras, Es war jedwedem sein Stirnlein naß. Und wie sie sich trocknen, so bricht der Ast, Zersägt, wie er war, von der vielen Last. 4. Sie purzeln herunter, und alles lacht. Da haben sie sich davon gemacht. „O Himmel, wie bist du hoch überall. Wie groß ist die Untreu im Haslital!" So riefen sie aus und schrieen sehr: „Einmal hierher und nimmermehr!"

44. Der Schueiderjuuge vou Krippstevt. In Krippstedt wies ein Schneiderjunge Dem Bürgermeister einst die Zunge. Es war im Jahr eintausend siebenhundert.

Kopisch.

41

Der Bürgermeister sehr sich wundert 5 Und findt es wider den Respekt, Weshalb er in den Turm ihn steckt. Es war nach der Nachmittagspredigt, Die Kirche noch nicht ganz erledigt. Am Heilgen Trinitatis-Tag: 10 Da geschah aus einmal ein großer Schlag! Es schlug mit Gedonner im Wettersturm Der Blitz in denselben Sankt Niklasturm.

Der Schreck durchfährt die ganze Stadt, Die kaum sich vom Brand erhoben hat. 15 Was innen ist im Gotteshaus, Das dringt mit aller Gewalt heraus: Was außen ist, das will hinein! —

Da sieht man auf einmal Flammenschein Bon außen an des Turmes Spitze: 20 Da ries man: „Feuer! Wasser! Wo ist die Spritze?" — Die Spritze, ja, die ist dicht dabei; Doch Kasten und Röhren sind entzwei! — Wie saure Milch läuft alles zusammen. Man schreit und blickt auf die Feuerflammen. 25 Dazwischen, es war ein böser Tag — Hallt mancher Donner und Wetterschlag! — Nun sammelt sich der Magistrat, Und jeder weiß etwas, und keiner weiß Rat! Der Bürgermeister, ein weiser Mann, 30 Sieht sich das Ding bedenklich an Und spricht: „Hört mich, lvir zwingen's nicht! Der Turm brennt nieber wie ein Licht.

Es kommt, wer hätte das gedacht sich, Wie anno sechzehnhundertachtzig! 35 Erst brennt der Turm, die Kirche, die Stadt sodann, Drum ist mein Rat: Nett jeder, was er kann!" —

42

Kopisch.

Da Ein Das 40 Wie

laufen die Bürger; mit aller Kraft jeder das Seine zusammenrafft. ist ein Gerenne, wie fliegen die Zöpfe, stoffen zusammen die Puderköpfe!

Auf einmal — was krabbelt dort aus dem Loch Am Turm? — Ein Junge! — Nein! und doch! Er ist's, er klettert zur Turmes Spitze — Der Schlingel! — Er nimmt vom Kopf die Mütze, 45 Er schlägt auf das Feuer, und — daß dich der Daus! Er löscht es mit seiner Mütze aus! Er tupft am ganzen Turm unrher, Man sieht nicht eine Flamme mehr! Und während alle jubelnd schrein, 50 Schlüpft er von neuem ins Loch hinein. Er scheut des Magistrates Wesen Und sitzt, als wär gar nichts gewesen. —

Das mehrt den Jubel; die Bürger alle Rufen ihm „Vivat!" mit großem Schalle; 55 Der Bürgermeister aber spricht. Indem sein großer Zorn sich bricht: „Holt ihn heraus, ich erzeig ihni Ehr Und tu für ihn zeitlebens mehr!" — Da kommt er ganz rußig, der Knirps, der Zwerg. 60 „Hoch lebe der Heine Liewenberg!" Der Bürgermeister sprach: „Komm, Junge, Streck noch einmal heraus die Zunge! Ich leg dir lauter Dukaten draus! So, sperr den Mund recht angelweit auf! 65 Nur immer mehr herausgereckt! — Wir haben alle vor dir Respekt. Und morgen wird, daß nichts manquiert, Die große Spritze hier probiert Und, was entzwei ist, repariert!"

Kopisch.

43

48. Willegis.

1. Es sahen am Tum zu Mainz die adeligen Herrn Den Willegis zum Bischof nicht allerwege gern. Der war ein Wagnersohn: Sie malten ihm zu Hohn Mit Kreide Räder an die Wand, Die sah er, wo er ging und stand. Doch es nahm Willegis An dem Schimpf kein Ärgernis. 2. Denn als der fromme Bischof die Räder da ersehn. So hieß er seinen Knecht nach einem Maler gehn. „Komm, Maler, male mir Ob jeder Tür dahier Ein weißes Rad im roten Feld, Darunter sei die Schrift gestellt: Willegis, Willegis, Denk, woher du kommen sis!" 3. Nun wurde von den Herren im Tum nicht mehr geprahlt. Man sagt, sie wischten selber hinweg, was sie gemalt. Sie sahn, dergleichen tut Bei weisem Mann nicht gut. Und was dann für ein Bischof kam. Ein jeder das Rad ins Wappen nahm. Also ward Willegis Glorie das Ärgernis.

46. Friedrichs des Zweiten Kutscher. 1. Des alten Fritz Leibkutscher soll aus Stein Zu Potsdam auf dem Stall zu sehen sein — Da fährt er so einher, als ob er lebend wär: Aller Kutscher Muster, treu und fest und grob, Pfund genannt, umschmeißen konnt er nicht, das war sein Lob.

44

Aopisch.

2. Mordwege fuhr er ohne Furcht, sein Mut Hielt aus in Schnee, Nacht, Sturm und Wasserflut. Ihm war das einerlei, er fand gar nichts dabei. In dem Schnurrbart fest und steif blieb sein Gesicht, Und man sah darauf kein schlimmes Wetter niemals nicht. 3. Doch rührte man an seinen Kutscherstolz, War jedes Wort von ihm ein Kloben Holz; Woher es auch geschah, daß er es einst versah Und dem alten Fritz etwas zu gröblich kam, Wessenhalb derselbe eine starke Prise nahm 4. Und sprach: „Ein grober Knüppel, Ivie Er ist, Der fährt fortan mit Eseln Knüppel oder Mist!" Und so geschah's. Ein Jahr bereits verflossen war. Als der Pfund einst Knüppel fuhr und gutes Muts Ihm begegnete der alte Fritz; der frug: „Wie tut's?"

5. Indem „So Ob's Fahr

„I nu, wenn ich nur fahre", sagte Pfund, er fest auf seinem Fahrzeug stund, ist mir's einerlei und weiter nichts dabei, mit Pferden oder ob's mit Eseln geht. ich Knüppel oder fahr ich Euer Majestät."

6. Da nahm der alte Fritz Tabak gemach Und sah den groben Pfund sich an und sprach: „Hüm, fiudt Er nichts dabei und ist Ihm einerlei. Ob es Pferd, ob Esel, Knüppel oder ich; Lad Er ab und spann Er um, und fahr Er wieder mich!"

47. Blücher am Rhein. Die Heere blieben am Rheine stehn: Soll uran hinein nach Frankreich gehn? Man dachte hin und wieder nach. Allein der alte Blücher sprach: 5 „Generalkarte her! Nach Frankreich gehn ist nicht so schwer. Wo steht der Feind?" — „Der Feind? — dahier!"

„Den Finger drauf, den schlagen wir!

Kopisch.

Körner.

Krummacher.

Wo liegt Paris?" — „Paris? — dahier!" 10 „Den Finger braus, das nehmen wir! Nun schlagt die Brücken übern Rhein! Ich denke, der Champagnerwein Wird, wo er wächst, am besten sein!"

Karl Theodor Körner. 48. Zur Nacht. 1. Gute Nacht! Allen Müden sei's gebracht. Neigt der Tag sich still zum Ende, Ruhen alle fleißgen Hände, Bis der Morgen neu erwacht. Gute Nacht!

2. Geht zur Ruh! Schließt die müden Augen zu! Stiller wird es auf den Straßen, Und den Wächter hört man blasen, Und die Nacht ruft allen zu: Geht zur Ruh! 3. Gute Nacht! Schlummert, bis der Tag erwacht! Schlummert, bis der neue Morgen Kommt mit seinen neuen Sorgen! Ohne Furcht: der Vater wacht! Gute Nacht!

Friedrich Adolf Krummacher. 49. Sonntagslied im Sommer. 1. Der Sonntag ist da! Er kommt uns gesendet vom Himmel, Drum schweigt das Getümmel Der irdischen Müh.

45

46

Krummacher.

Er steht an den Wegen Und preiset den Segen, Den Gott uns verlieh.

2. Der Sonntag ist da! Er ruft uns in Ährengefilde, Die freundliche Milde Des Vaters zu sehn. Wie glänzt in der Stille Des Tages die Fülle Der Saaten so schön! 3. Der Sonntag ist da! Die Kette des Pfluges nicht klirret. Die Peitsche nicht schwirret. Es knarret kein Rad. Wir stehen und hören Das Rauschen der Ähren In wogender Saat. 4. Der Sonntag ist da! Wir streuten in Hoffnung den Same», Der Vater sprach Ainen, Da wuchs er empor. Nun stehn wir und höre» Das Rauschen der Ähren Mit freudigem Ohr.

5. Der Sonntag ist da! Auf, lasset den Vater uns loben! Er feuchtet von oben Den durstenden Keim. Bald rauschen und klingen Die Sicheln: wir bringen Die Garben dann heim.

Löwenstein.

47

Rudolf Löwenstein. 50. Rätsel. 1. Es baut in schattigen Zweigen sein Nest, Es hüpfet und schlüpft durch der Bäume Geäst, Es schwingt sich von Gipfel zu Gipfel geschwind Und ist doch kein Vogel — was ist's, mein Kind? 2. Wie heißt die größte Straße der Welt? Ist von viel tausend Lichtern erhellt; Kann niemand doch die Häuser sehn. Die in der großen Straße stehn. Weiß keiner doch, wie breit sie ist. Ist niemand, der ihre Läng ermißt. Sie zieht sich weithin von Ort zu Ort, Hoch über unsern Köpfen fort.

51. Avril. April, April Weiß nicht, was er will, Ist gar ein launischer Gesell, Bald düster, bald hell; 5 Bald lacht er wie Maien-Sonnenschein Dir freundlich und hell ins Herz hinein Und grüßt dich mit Blicken, mit frühlingswarmen. Bald weint er und heult schier zum Erbarmen; Bald läßt er des Sommers Strahlen blitzen, 10 Daß Perlen dir von der Stirne schwitzen; Bald rüttelt und schüttelt er deine Glieder Und hagelt und wettert wild hernieder. Dem Frühling heut zu dienen beginnt er. Und morgen dient er wieder dem Winter.

Löwenstein.

48

Ist eben zweier Herren Knecht Und macht's drnm keinem Herren recht. Will sich für keinen von den beiden Mit ehrlich festem Sinn entscheiden. Was er verspricht, das hält er nicht, 20 Was er bringen soll, das bringt er nicht. Was er singen soll, das singt er nicht. Wenn er lachen kann, so lacht er nicht, Was er machen kann, das macht er nicht, Tut, was er schafft, nur mit Verdruß 25 Und tnt's nur darum, weil er muß. Da lob ich mir, denn der kommt jetzt herbei. Vor allem doch den Monat Mai!

15

52 Schlittenfahrt. 1. Die Schellen klingen hell und rein: Kling-ling! Die Peitsche knallet lustig drein: Kling-ling! Die Pferdchen ziehn im raschen Lauf, Drum setzt euch auf den Schlitten drauf! Kling-ling 1

2. Wie weht so scharf der kalte Wind! Hallo! Wie saust der Schlitten hin geschwind! Hallo! Vorüber fliegen Feld und Baum, So schnell, daß wir sie sehen kaum. Hallo!

3. Was springt dort auf, vom Schall erschreckt? O je! Ein Häschen ist's, lag tief versteckt Im Schnee.

Löwenstein. Mörile.

49

Nun läuft es fort, so schnell es kann; Es fürchtet wohl den Jägersmann. O je! 4. Es singt im Wald kein Vogel mehr So froh. Nur Krähen krächzen um uns her: Kro-kro! Der Winter macht uns wohlgemut. Ob er's wohl auch den Vögeln tut So froh?

5. Der Baum ist kahl, denk Tier ist kalt. Ja, ja! Sie denken: „Wär der Frühling bald Doch da!" Gäb's nur im Lenz noch Schlittenbahn, Wir wünschten auch den Lenz heran. Ja, ja!

Eduard Mörike. 53. Mausfallen-Sprüchlein. vird man mit den Jahren nicht." Dieselbe Gesinnung sprach sich in des Königs Ab­ neigung gegen alle Denunzierungen aus. Einst beklagte sich eine adelige Dame gegen ihn, daß sie von ihrem

Klee.

151

Manne unhöflich und grob behandelt würde. Der König versetzte: „Das geht mich nichts an." — „Aber," platzte die Dame heraus, „er redet auch lästerlich von Eurer Majestät." — „Das geht Sie nichts an," erwiderte der König und wandte ihr den Rücken.

139. Der alte Fritz und sein Leibkutscher Pfund. Ganz geringe Leute durften sich eine kecke Antwort herausnehmen, wenn der König nur fand, daß sie aus einem geraden Herzen kam: das freilich war ihm die Hauptsache, denn er machte sich, wie er wenige Wochen vor seinem Tode einmal bemerkte, nichts aus einem Mann von Geist, wenn er nicht dabei auch ein redlicher Mann war. Das letztere wenigstens war des Königs Leibkutscher Pfund gewiß, und dazu treu und gewissenhaft in seinem Dienste. Mit ihm redete der König oft wie mit seines­ gleichen. Einmal sagte er zu ihm: „Pfund, in einer halben Stunde reise ich auf eine halbe Woche fort. Richte dich darnach ein." — „Nu ja," antwortete Pfund, „daß Gott erbarm! In einer halben Stunde fortreisen? das geht nicht." — „Und warum nicht?" — „Weil ich in einer halben Stunde ein christliches Werk verrichten und bei dem Sohne meiner armen Nachbarin Gevatter stehen will." — „Nun, dann muß ich eines christlichen Werkes wegen schon eine Stunde länger warten." Pfund ging, um sich umzukleiden; Friedrich rief ihn zurück: „Höre, Pfund, ist die Frau wirklich so bedürftig?" — „Das weiß Gott, sie is eine arme Schustersfrau, ihr Mann is vor einigen Wochen gestorben. Die hat nich viel einzubrocken." — „Gut, dann nimm ihr die 50 Taler mit und sag ihr, sie soll ihren Jungen ordentlich erziehen." —

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Kugler.

Franz

Kugler.

Drei Geschichten aus Friedrich des Großen Kinderphnen.

140. Der kleine Trommler. Eine Szene aus Friedrichs Kinderjahren ist buidj ein schönes Gemälde des damaligen Hofmalers Pesne derNmchwelt überliefert worden. Der Prinz hatte eine klenne Trommel zum Geschenk erhalten, und man bemerke mit Freude, daß es ihm, im Gegensatz gegen sein foiftuges stilles Wesen, Vergnügen gewährte, den Marsch, der man ihn gelehrt, rüstig zu üben. Einst hatte ihm die Nuttter erlaubt, diese Übung in ihrem Zimmer vorzunchnnen; auch die Schwester war mit ihren Spielsachen dabei Der letzteren wurde des Trommelns zu viel, und sie btt den Bruder, lieber ihren Puppenwagen ziehen zu Helfer oder mit ihren Blumen zu spielen. Aber sehr ernsthaft erwiderte der kleine Prirz, so gern er sonst jeder Bitte der Schwester willfahrte: „Gut Trommeln ist mir nützlicher als Spielen und lieber als Blumen." Diese Äußerung schien der Mutter so wichtig, daß sie schleunigst den König herbeiries, dem das selten geäußerte soldatische Talent des Knaben die größt: Ge­ nugtuung gewährte. Dem Hofmaler mußte die Szene, ohne daß die Kinder die Absicht merkten, noch einmal vorgespielt werden; auf seinem Gemälde hat er, als zur Bedienung der königlichen Kinder gehörig, noch einen Kammermohren hinzugefügt.

141. Der Vater als Spielkamerad. Der König war gern im Kreise seiner Familie, und seine Zuneigung zu den Kindern zeigte sich häufig auch darin, daß er selbst an ihren Spielen teilnahm. Einst trat der alte General Forcade unangemeldet in das Zimmer des Königs, als dieser eben mit dem kleinen Prinzen Ball spielte. „Forcade," sagte er zu ihm, „Er ist selbst Vater und weiß es, Väter müssen mit ihren Kindern zuweilen

Kuqler.

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Kinder fein, müssen mit ihnen spielen und ihnen die Zeit vertreiben."

142. Der Almosenier. Die Königin machte den Kronprinzen früh zu ihrem kleinen Almosenier. Die Hilfsbedürftigen, die sich ver­ trauensvoll an die allgemein bekannte Milde ihres Herzens gewandt hatten, ließ sie zu sich kommen, bezeugte ihnen ihr Mitleid, und die Betrübten wurden dann durch den Keinen Almosengeber mit Geschenken entlassen. Diese schöne Sitte war von den erfreulichsten Folgen auf das Gemüt des Kronprinzen; schon früh gab er das Zeugnis, wie lebendig er die Lehre der Mutter seinem Herzen einge­ prägt hatte. Die Eltern pflegten in der ersten Zeit nach ihrer Vermählung jährlich eine Reise nach Hannover zu machen, um den Vater der Königin zu besuchen; seit seinem dritten Jahre wurde der Kronprinz auf diesen Reisen mitgenommen. In Tangermünde ließ der König gewöhnlich einige Stunden anhalten, um sich dort mit den Beamten der Provinz über Gegenstände der Verwaltung zu besprechen. Bei diesen Gelegenheiten versammelte sich stets ein großer Teil der Einwohner, um den jungen Kronprinzen zu sehen; die Königin erlaubte ihm gern, zu dem Volke hinauszu­ gehen. Einst bat er einen der Zuschauer, ihn zu einem Bäcker zu führen; hier öffnete er schnell seine kleine Börse und schüttete seine ersparte Barschaft in die Hand des Bäckers, mit der Bitte, ihm dafür Semmeln, Zwieback und Brezeln zu geben. Er selbst nahm einen Teil der Eßwaren, das Übrige mußten seine Begleiter und ein Bedienter

tragen. Dann wandte er sich zu den Einwohnern, die ihm in Scharen gefolgt waren, und teilte seine Beute freudig an Kinder und Greise aus. Die Eltern hatten den Vor­ gang vom Fenster des Amtshauses angesehen und ließen, als die erste Spende beendet war, noch eine zweite holen.

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Kugler.

um dem Prinzen das Vergnügen der Austeilung zu ver­ längern. Jährlich, bis zum zwölften Jahre, erneute der Kronprinz diese Spende in Tangermünde und legte dazu stets schon einige Zeit vor der Abreise etwas von seinem kleinen Taschengelde Furück. Die Tangermünder nannten ihn mit Entzücken nur ihren Kronprinzen. Nach seiner Thronbesteigung äußerte Friedrich öfters, daß er an die­ sem Orte zum ersten Male das Vergnügen genossen habe, sich von Untertanen geliebt und Dankestränen in den Augen der Kinder und Greise zu sehen.

143. Rach -er Schlacht bei Kolli«. Friedrich hatte sich, als er die Schlacht verloren sah, sofort unter geringer Bedeckung auf den Weg nach Nimburg gemacht. Der abendliche Ritt war sehr gefahrvoll, denn rings, in Dörfern und Gebüschen, lagen Trupps feindlicher Husaren und Kroaten zerstreut. Auch erhob sich während des Rittes plötzlich das Gerücht, es seien österreichische Husaren im Anzuge; man sah sich genötigt, eine halbe Stunde mit verhängtem Zügel fortzujagen. In einem Dorfe mußte man darauf kurze Rast machen, um die erschöpften Pferde zu tränken. Ein alter verwundeter Kavallerist trat zum Könige und reichte ihm in seinem Hute einen kühlen Trunk, den er aus dem Pferdeeimer geschöpft hatte, mit den Worten: „Trink Eure Majestät doch und laß Bataille Bataille sein! Es ist nur gut, daß Sie leben; unser Herrgott lebt gewiß, der kann uns schon wieder Sieg geben!" Solche Worte mochten wohl tröstlich in das Ohr des Königs dringen, aber es waren nicht viele in der Armee, die ebenso sprachen. — Als die übrigen Offiziere, welche zu Friedrichs Gefolge gehörten, nach Nimburg kamen, fan­ den sie ihn auf einer Brunnenröhre sitzend, den Blick starr auf den Boden geheftet und mit seinem Stocke Figuren in den Sand zeichnend. Niemand wagte ihn in seinen düsteren Gedanken zu stören. Endlich sprang er auf und

s Kugler.

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Lichtenberger.

gab mit Fassung und erzwungener Heiterkeit die nötigen Befehle. Beim Anblick des kleinen Restes seiner gelieb­ ten Garde traten ihm Tränen in die Augen. „Kinder," sagte er, „ihr habr heule einen schlimmen Tag gehabt." Sie antworteten, sie seien leider nicht gut geführt wor­ den. „Nun, habt nur Geduld," fuhr Friedrich fort, „ich werde alles wieder gut machen."

Franz Lichtenberger. 144. Die Weiden blühe«. Nun haben wir endlich

schöne,

warme

Frühlings­

tage! Kommt schnell mit! Da draußen gibt's was zu sehn. Da hinten am Abhang nach der alten Elbe zu da stehen Weidensträucher. Den ganzen März über und schon vor­ her haben sie hübsche graue Kätzchen gehabt. Nun sind die vor ein paar Tagen gelb geworden, das sieht noch viel hübscher aus. Hört ihr schon was? — „Sum sum sum sum — das summt ja wie ein Bienenschwarm!" — So, da sind wir. — „Oh, lauter Bienen. . . ." — „Wie die mit ihren kleinen Beinen auf den Kätzchen rumtrampeln. . ." — „Oh, da sind zwei auf einem Kätzchen. Ei, und so'n feiner Schmetterling! So'n schöner brauner!" — „Seht mal, wie er da seinen Säugrüssel in die Kätzchen rein­ steckt .... jetzt wieder.... oh so tief rein.... immer wieder." — „Kuck, ranlommen läßt er keinen, wo er sitzt.... kuckt mal, wie er mit den Flügeln schlägt! Die Biene macht, daß sie wegkommt!" — „Was mag denn der da bloß rausholen?" „Und was wollen denn die Bie­ nen eigentlich auf den Kätzchen?" Na, das wollen wir uns doch mal genau ansehn. So — ich sitze hier sehr schön neben dem Weidenstrauch. Laßt nur ruhig die Kätzchen dran sitzen, wir sehn auch

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Lichtenberger.

so schon, was wir sehn wollen. — Seht ihr da auf den weißen kleinen Stielchen die gelben Beutel? Na, was wird das wohl sein? — Richtig, die Staubfäden mit den Staub­ beuteln sind's — grade so, wie bei den Haselstrauchkätz­ chen. Nur daß hier die Schüppchen so klein sind, daß sie jetzt zwischen den Staubgefäßen kaum zu sehn sind. Sagt mal, riecht ihr was? — „Ja, ja! Ei, so süß!" — „Ich rieche nichts!" — Na Junge, eine feine Nase hast du grade nicht. Denn mal drauf mit der Nase auf die Kätzchen! — „Ei, ja!" — „Oh kuckt mal den, der hat ja 'ne gelbe Nasenspitze!" „Na, sieh dich bloß vor, daß die Bienen nicht denken, deine Nasenspitze ist ein Wei­ denkätzchen!" Nun sagt aber mal: was hat denn der eigentlich an seiner Nase? — „Den Blütenstaub, den Blütenstaub!" — Ja, Blütenstaub. Und seht ihr: nach dem kommen die Bienen. Die haben eine viel feinere Nase wie wir, die riechen ihn schon ganz von weitem. Und dann kommen sie an und holen ihn sich. Sie riechen ihn nämlich nicht bloß gern, sie fressen ihn auch gern. Seht euch mal die Kätzchen an, wo die Bienen drin gesessen haben! Da stehn die leeren Staubfäden — so wirr und durcheinander, wie bei Kaspar Matz die Haare, wenn er sie sich nicht gekämmt hat. Und nun seht euch mal ganz genau die Bienen an! — „Ach, ach, was haben denn die an den Hinterbeinen?" — Na, was denn? — „So 'nen gelben Klumpen.... ganz dick sind die bei der einen. Hier bei der sind sie nicht so dick." — Na, seht ihr: da schleppen die Bienen den Blütenstaub nach Hause. Da an den Hin­

terbeinen, da haben sie ein „Körbchen". Das ist eine kleine Rinne, und da stehn noch Haare an der Seite. Und da schieben sie den Staub mit den vordern Beinen rein.... Da — habt ihr's eben gesehn? — Wenn's so ist bei den Bienen, da sagt man: die Bienen haben „Höschen" an. — „Ach, ach, die Bienen haben Höschen an, die Bienen haben Höschen an!"

Lichtenberger.

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Aber der Schmetterling, was holt sich denn der? Blütenstaub kann er nicht fressen. Die Schmetterlinge können überhaupt nichts fressen, die trinken bloß mit ihrem Rüssel. Und mit dem Blütenstaub geht das doch nicht. Na, da versucht mal die Staubgefäße und die Deck­ schüppchen auseinander zu biegen. Was seht ihr denn da unten zwischen? — „So was Glänzendes. So 'nen klei­ nen glänzenden Tropfen." — Seht mal hin, wo sitzt denn der Tropfen? — „Ach, da sind ja da unten noch Heine Stiele zwischen.... die sehn beinah aus wie Schnecken­ fühler .... oben so 'n bißchen dick. Und da sitzt der Tropfen drauf." — „Was ist denn das? — Na, da leckt doch mal dran! — „Ei, so süß! Wie Honig!" — Na, Honig ist es gerade nicht, aber süßer Saft, den die kleinen Stielchen ausschwitzen. Den saugt der Schmetterling mit seinem Säugrüssel. Und die Bienen saugen ihn auch und schleppen ihn nach Hause und machen dann den Honig von. Das sind doch ganz allerliebste Weidenkätzchen: für den Schmetterling haben sie Blütensaft und für die Bienen Blütenstaub; und den Blütensaft nehmen die Bienen auch und machen Honig von; und den Honig nehmen wir dann nachher. Ganz famose Weidenkätzchen! Die sorgen für uns alle hier! Was meinst du — die sorgen bloß für sich? Na, wieso denn? — „Na, der Blütenstaub, der ist doch für die Narben, daß sie bestäubt werden, und daß der Wei­ denstrauch nachher auch Früchte kriegt." — Und da schleppen ihn die Bienen für sich weg? Und wozu ist denn der Honig da? Der braucht doch nicht auf die Narben zu kommen. Ja, und wo sind denn eigentlich die Fruchtblätter mit den Narben? — I, da müssen wir doch mal gründ­ lich nachsehn! — Wißt ihr noch, wie's beim Haselstrauch war? — Na? — „In den Kätzchen saßen bloß Staub­ gefäße, und die Fruchtblätter, die saßen allein in den Knospen und kuckten oben raus." — Na, denn man zu! Kuckt da aus den Knospen was raus? — „Nein, die sind

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Lichtenberger.

noch ganz zu." — Seht doch mal überall genau zu, wb irgendwo die Fruchtblätterblüten stecken! — „Nein, dms sind alles bloß Kätzchen mit Staubgefäßen." — Na, da hört's aber doch auf! Es müssen doch auch Fruchtblättier da sein! Sonst kann die Weide keine Früchte kriegem! Und sonst brauchte sie ja auch keine Staubgefäße! — „Ach, was hier an deni andern Weidenstrauch ist! Hier sind ganz andre Kätzchen! Ganz grüne!" Na betnn mal alle dahin. — „Oh, oh, wie die aussehen, ganz grün?" Ist das denn auch ein Weidenstrauch? — „Ja, das ist einer! Die Zweige sehn ganz ebenso aus wie bei benit da, bloß die Kätzchen sind anders." — Da müssen wir doch mal ganz genau sehn, was denn das für Dinger sind. Na, biegt mal eins so auseinander. Da seht ihr schon genug. — „Ach, was für Dinger stehn denn da hoch. . . wie kleine Kegel sieht das aus." — „Und oben auf dem Kegel sitzt was drauf." — Wie sieht denn das aus, was da oben auf den Kegeln sitzt? — „So wie zwei Heine Hörner, aber ganz stumpfe..." — Hier ist meine Lupe. Seht euch mal damit die Hörnchen an! — „Ei, wie die glänzen, wie Samt." — „Ich weiß, ich weiß, was das hier ist: die kleinen Kegel mit den Hörnchen drauf — Na, was denn? — „Das sind die Frucht­ blätter, und oben drauf das ist die Narbe. . . ." Paßt mal auf — da! — Sum sum sunt sum. . . . „'ne Biene, 'ne Biene!" — „Was will die denn hier?" — „Da, drauf auf das Kätzchen!" — „Na, was die hier holen will! Blütenstaub gibt's hier doch nicht." Na, seht mal zu, was macht sie denn? — „Ach, die schiebt ihren Kops ganz tief zwischen die Fruchtblätter.... Ach, da sitzen ja auch solche Stielchen mit Honig — mit Saft wollte ich sagen — aha, den will sie sich holen!" Seht mal, seht mal — wie sieht denn die Biene aus? — „Oh, die hat auch Höschen an, und an den andern Beinen unb am Bauch sieht sie auch ganz gelb aus — lauter Blüten­ staub." — Nun seht mal, wie sie aus dem Kätzchen rum-

Lichtenberger.

Sinnig.

16»

wirtschaftet, da, immer über die Narben drüberweg. . . — „Die werden noch kaput gehen!" — Na, die können schon was aushalten. Aber seht mal, wo sie über die Nar­ ben weggekrochen ist... . Da, könnt ihr's sehn? Kuckt mal mit der Lupe! — „Ach, lauter gelber Staub auf

den Narben!" — „Ach, das ist ja der Blütenstaub, den die Biene von dem andern Weidenstrauch mitgebracht hat. . .!" — „Und nun hat sie ihn hier auf die Narben getragen!" — „Und nun sind die bestäubt!" — „Und nun können hier kleine Weidenfrüchte wachsen!" Na, seht ihr: nun ist's bei den Weidenkätzchen auch so, wie es bis jetzt immer war: die haben auch bloß das, was sie nötig brauchen, gar nichts zum Staat oder für andre — ja doch: für andre haben sie schon was, aber die müssen dann dafür auch für sie arbeiten. Der Saft ist für die Bienen und für die Schmetterlinge. Aber da­ für, daß sie den kriegen, da müssen sie den Blütenstaub zu den Narben tragen. Das wissen die natürlich nicht, daß sie das tun, das kommt ganz von selbst, so wie wir das eben gesehen haben. Und von dem Blütenstaub können die Bienen auch ruhig naschen; es ist genug davon da. Das ist nun noch 'ne sonderbare Sache bei den Wei­ den: auf dem einen Strauch gibt's bloß Staubgesäßkätz­ chen und auf einem andern bloß Fruchtblattkätzchen. Beim Haselstrauch war's schon sonderbar genug. Aber da wohn­ ten die beiden Sorten Blüten doch noch auf einem Strauch, in einem Hause. Aber bei den Weiden, da brauchen die Blüten gar zwei Häuser zum Wohnen. Na, es gibt noch mehr solche zweihäusigen Leute! Und sie blühn auch bald.

Franz Linnig. 145. Gudrun. Hettel und Hilde hatten zwei Kinder, einen Knaben, Ortwin, und eine Tochter, Gudrun. Als das Mägdlein

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Sinnig.

heranwuchs, ward sie schöner, als je die Mutter gewesen, und mächtige Fürsten warben um sie. Mächtiger aber war keiner als Hartmut, Sohn des Königs Ludwig von der Normandie; allein alte Feindschaft zwischen den Geschlechtern verhinderte einen glücklichen Erfolg seiner Werbung, und Gudrun ward Herwig, König von Seeland, verlobt. Wäh­ rend indes die Hegelinge auf einem Kriegszuge außer Lan­ des sind, kommen Hartmut und Ludwig von der Normandie mit Schiffsmacht angefahren, brechen in die Burg und führen Gudrunen mit ihren Jungfrauen hinweg. Durch Boten von Hilde benachrichtigt, setzen die Hegelinge den Räubern nach; eine furchtbare Schlacht entbrennt, in der Hettel von dem Schwerte König Ludwigs getötet wird. In der Nacht fahren die Normannen mit den Jungfrauen weiter. Freudig wird Gudrun in der Normandie empfangen und soll nun hier mit Hartmut Krone tragen; allein die Jungfrau hält fest an ihrer Treue zu Herwig und wendet sich ab von dem. dessen Vater den ihrigen erschlagen hat. Dadurch aber er­ regt sie in Gerlind, Hartmuts Mutter, Zorn und Haß, und die Ergrimmte schreitet zu Gewalt und Mißhandlung. Gudruns edle Jungfrauen, die sonst Gold und Gestein in Seide wirkten, müssen Garn winden und spinnen; sie selbst, die Königstochter, die eine Krone tragen sollte, muß den Ofen heizen, mit den Haaren den Staub abkehren und zuletzt sogar in Schnee und Wind am Strande des Meeres Kleider waschen. Hildeburg, auch eines Königs Tochter und mit Gudrunen gefangen, teilt freiwillig mit ihr die Arbeit. Dreizehn Jahre vergehen so voll sich stets wiederholender, stets gesteigerter Demütigungen und Mißhandlungen. Da geschah es eines Tages — es war in den Fasten — als Gudrun und Hildeburg am Strande waschen standen, daß sie einen schönen Vogel daherschwimmen sahen. Da sprach Gudrun: „O weh, schöner Vogel, du mußt mich wohl er­ barmen, daß du auf diesen Fluten einhergeschwommen kommst!" Der Vogel sprach: „Du magst dich wohl ver­ sehen, du arme Heimatlose, groß Heil soll dir widerfahren.

Sinnig.

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Willst du mich fragen von deinem Heimatlande, ich bin der Deinen Bote, den dir Gott zu Troste schickt." Da sprach die Arme: „So laß mich, guter Bote, hören, ist Hilde noch am Leben, meine Mutter?" — „Ich sah sie gesund vor Tagen, als sie dir ein größeres Heer zu Hilfe sandte, als jemals eine Mutter liebem Kinde tat." Da fuhr die Jung­ frau fort: „Edler Bote, wenn es dich nicht verdrießt, so frage ich mehr: ist Ortwin, König von Ortland, noch am Leben? und Herwig, mein Verlobter?" Da sprach der schöne Vogel: „Das mache ich dir wohl kund, beide, Herwig und Ortwin, sah ich heute aus Meereswogen fahren; an einem Ruder zogen mit gleicher Kraft die Degen." Nachdem der Vogel diese Kunde gesagt, verschwand er wieder. Die Jungfrauen aber standen da verwundert und besprachen die Botschaft, des Waschens nicht fürder ge­ denkend. Darüber wurden sie abends von Gerlinden hart gescholten, und früh morgens mußten sie barfuß durch den Schnee wieder zum Strande waten. Sehnlich blickten sie unter dem Waschen oft auf die Flut hinaus. Endlich ge­ wahrten sie zwei Männer in einer Barke. Sie wollten, weil sie ihrer Schmach sich schämten, die Flucht ergreifen; aber schon sprangen die Männer an den Strand und boten ihnen den Morgengruß, den sie lange nicht gehört Hatten. Vor Frost bebten die schönen Wäscherinnen, kalte Märzwinde hatten ihnen die Haare zerweht; weiß wie der Schnee glänzte ihre Farbe durch die nassen Gewänder. Noch erkannten sie einander nicht, obgleich die Herzen sich ahnten. Ortwin fragte nach dem Fürsten des Landes und nach der Königstochter, die vor Jahren hergeführt wor­ den. Gudrun sprach: „Die Ihr da suchet, habe ich in großen Mühsalen gesehen, das will ich Euch bekennen." Und an Herwig gewandt, fährt sie fort: „Wie Ihr auch heißet, Ihr gleicht einem gar wunderbar, den ich kannte; er war Herwig geheißen und war von Seelanden." Da sprach der edle Ritter: „Seht her, ob Ihr das Gold an meiner Hand er­ kennet. Herwig bin ich genannt, mit diesem Ringe sollte Hessel und Ufer. Lesebuch 3.

M. 11

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Sinnig.

ich Subrunen nttnnen; seid Ihr meine Verlobte, wohlan, so führ ich Euch minniglich von hier zurück." Sie lächelte vor Freuden und sprach: „Das Gold erkenne ich wieder, es war ja ehemals mein; und dieses hier an meinem Finger gab mir mein Geliebter, als ich armes Mädchen noch mit Freuden in meines Vaters Lande war." Da schloß Herwig die treue Jungfrau in seine Arme, und vorüber waren Leid und Betrübnis. Mit dem Versprechen, daß sie morgen, ehe die Sonne scheine, zur Befreiung da sein werden, scheiden die Männer. Gudrun aber wirst die Wäsche in die Flut mit den Worten: „Dazu bin ich zu hehr, nun und nimmermehr mag ich der bösen Gerlind waschen und Dienste tun, nun zwei Könige mich küßten." Als sie zur Königsburg kom­ men ohne das Linnen, da will Gerlind die Jungfrauen mit Dornen züchtigen; Gudrun aber erklärt, wenn ihr die Strafe erlassen werde, so wolle sie morgen Hartmuts Ge­ mahlin werden. Da freut sich Gerlind, und Gudrun und ihre Jungfrauen werden herrlich gekleidet und bewirtet. Am nächsten Morgen in der Frühe, da noch alles in der Burg schläft, lassen die Hegelinge schon ihr Kriegshorn erschallen, daß die Ecksteine fast ans der Mauer fallen. Die Burg wird erstürmt, König Ludwig fällt von der Hand Herwigs, Hart­ mut wird mit achtzig Rittern gefangen; die andern kom­ men alle um. Auch Gerlind, die sich zu Gudrun geflüchtet hat, wird von den Mannen Ortwins erschlagen, obschon die edle Gudrun für sie bittet. Nur Hartmuts Schwester, die sich stets freundlich gegen Gudrun erwiesen, findet Gnade, wird aber ebenfalls als Gefangene fortgeführt nach Hege­ lingen. Dort findet eine allgemeine Versöhnung statt. Ort­ win vermählt sich mit Hartmuts Schwester, dieser mit Hilde­ burg, und Herwig führt die treue Gudrun heim nach Seeland.

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146. Wieland der Schmied. Wieland, der Sohn des Mesen Wate, war der kunst­ fertigste Schmied, der je den Hammer geschwungen hat. Über alle Länder war der Ruhm seines Namens verbreitet, und wo immer ein kunstfertiges Geschmeide oder eine vor­ treffliche Waffe bewundert wurde, da war es ein Werk von der Hand Wielands des Schmiedes. Das kostbarste und beste, was er schuf, war das Schwert Mimung. Dieses schmiedete er am Hofe des König Neidung im Wettstreit mit dem königlichen Waffenschmiede Amilias. Als es fertig war, prüfte es Wieland auf folgende Weise: er warf einen Flock Wolle, der frisch aus der Presse kam und drei Fuß dick war, in einen sanft strömenden Teich und ließ ihn gegen die Schärfe des Schwertes antreiben. Als die Wolle gegen die Schneide glitt, stockte sie keinen Augen­ blick, denn das Schwert schnitt sie glatt durch. Wohlzufrieden mit dieser Probe, begab sich Wieland an den Hof, wo der Wettstreit mit Amilias stattfinden sollte. Da stand des Königs Schmied in einer glänzenden Rüstung, die hatte er so hart gestählt, daß alle Schwerter auf der­ selben zerschellten wie eitel Glas. Höhnend forderte er Wie­ land auf, sein Schwert auf seinem Helme zu prüfen. Da legte Wieland Mimungs Schneide auf den Helm und drückte leise. „Nun, wie tut's?" fragte er. Amilias entgegnete: „Hau du nur zu aus Leibeskräften, mein Helm bleibt den­ noch unversehrt." Da drückte Wieland stärker, und die Klinge glitt durch den Helm und den Panzer herab bis auf den Gürtel. „Fühlst du jetzt etwas?" fragte Wieland. „Mir war," antwortete der Schmied, „als wenn mir ein Tropfen Wasser am Leibe herunter gelaufen wäre." — „So schüttel dich einmal!" rief Wieland. Amilias schüttelte sich, da fiel nach beiden Seiten ein halber Ritter ins Gras: Wie­ lands Schwert hatte ihn mitten durch geteilt. Seit diesem Tage war Mimung das berühmteste Schwert, das je von einem Helden getragen wurde.

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Luther.

Martin Luther. 147. Bom Raben und Fuchse. Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen und setzte sich auf einen hohen Baum und wollte zehren. Da er aber seiner Art nach nicht schweigen kann, wenn er isset, hörte ihn ein Fuchs über dem Käse kecken und lief zu und sprach: „O Rab, nun hab ich mein Lebtag nicht einen schöneren Vogel gesehen von Federn und Gestalt, denn du bist. Und wenn du auch eine so schöne Stimme hättest zu singen, so sollte man dich zum Könige krönen über alle Vögel." Den Raben kitzelte solch Lob und Schmeicheln, fing an, wollte seinen schönen Gesang hören lassen, und als er den Schnabel auftat, entfiel ihm der Käse, den nahm der Fuchs behend, fraß ihn und lachte des törichten Raben.

148. Bom Hahn und der Perle. Ein Hahn scharrte auf dem Mist und fand eine köstliche Perle. Als er dieselbige im Kot so liegen sah, sprach er: „Siehe, du feines Dinglein, liegst du hier so jämmerlich! Wenn dich ein Kaufmann fände, der würde dein froh, und bit würdest zu großen Ehren kommen; aber du bist mir und ich dir kein nütze, ich nehme ein Körnlein oder Würmlein und ließe einem alle Perlen, magst bleiben, wie du liegst!"

149. Bon der Stadt- und der Feldmaus. Eine Stadtmaus ging spazieren und kam zu einer Feld­ maus, die tat ihr gütlich mit Eicheln, Gerste, Nüssen und womit sie konnte. Aber die Stadtmaus sprach : „Du bist eine arme Maus, was willst du hie in Armut leben, komme mit mir, ich will dir und mir genug schaffen von allerlei köst­ licher Speise!" Die Feldmaus zog mit ihr hin in ein herrlich, schön Haus, darinnen die Stadtmaus wohnetc, und gingen in

Luther.

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die Kemnaten; da war vollauf von Brot, Fleisch, Speck, Würste, Käse und alles. Da sprach die Stadtmaus: „Nun iß lunb sei guter Dinge, solcher Speise hab ich täglich über­ flüssig." Indes kommt der Kellner und rumpelt mit den Schlüsseln an der Tür; die Mäuse erschraken und liefen davon. Die Stadtmaus fand bald ihr Loch, aber die Feldmams wußte nirgendhin, lief die Wand auf und ab und hatte sich ihres Lebens erwogen. Da der Kellner wieder hinaus war, sprach die Stadt­ maus: „Es hat nun keine Not, laß uns guter Dinge sein!" Die Feldmaus antwortete: „Du hast gut sagen, du wußtest dein Loch fein zu treffen, dieweil bin ich schier vor Angst gestorben. Ich will dir sagen, was die Meinung ist: bleibe du eine reiche Stadtmaus und friß Würste und Speck, ich will ein armes Feldmäuslein bleiben und meine Eicheln essen. Du bist keinen Augenblick sicher vor dem Kellner, vor den Katzen, vor so viel Mäusefallen, und ist dir das ganze Haus feind; solches alles bin ich frei und sicher in meinem armen Feldlöchlein."

150. Bom Kranich und Wolfe. Da der Wolf einstmals ein Schaf geiziglich fraß, blieb ihm ein Bein im Halse überzwerch stecken, davon er große Not und Angst hatte, und erbot sich, großen Lohn und Ge­ schenk zu geben, wer ihm hülfe. Da kam der Kranich und stieß seinen langen Kragen dem Wolf in den Rachen und zog das Bein heraus. Da er aber den verheißenen Lohn forderte, sprach der Wolf: „Willst du noch Lohn haben? danke du Gott, daß ich dir den Hals nicht abgebissen habe! du solltest mir schenken, daß du lebendig aus meinem Rachen ge­ kommen bist." Diese Fabel zeigt: Wer den Leuten in der Welt will wohltun, der muß sich erwägen, Undank zu verdienen. Die Welt lohnet nicht anders, denn mit Undank, wie man spricht: „Wer einen vom Galgen erlöset, dem hilft derselbige gern dran."

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Luther.

Mansfeld.

150. Bom Hunde und Schaf. Der Hund sprach ein Schaf vor Gericht an um Brot, das er ihm geliehen hätte. Da aber das Schaf leugnet, berief sich der Hund auf Zeugen, die mußte man zu­ lassen. Der erste Zeuge war der Wolf, der sprach: „Ich weiß, daß der Hund dem Schaf Brot geliehen hat." Der Weih sprach: „Ich bin auch dabei gewesen." Der Geier sprach zum Schaf: „Wie darfst du so unverschämt leug­ nen?" Also verlor das Schaf seine Sache und mußte mit Schaden zur uneben Zeit seine Wolle angreifen, damit es das Brot bezahlet, das es nicht schuldig war. Lehre. Hüt dich vor bösen Nachbarn, oder schick dich auf Ge­ duld, willst du bei Leuten wohnen. Denn es gönnt nie­ mand dem andern was Guts, das ist der Welt Lauf.

Alfred Mansfeld. 152. Tischlein deck dich — Knüppel ans dem Sack. Märchen aus dem Urwald von Afrika.

Die Schildkröte wollte einst eine Kokosnuß haben; sie schlug eine Kokosnuß ab, die Nuß fiel aber in einen unter­ irdischen Gang, in dem sie weiter und weiter rollte. Die Schildkröte folgte ihr und kam allmählich ins Totenreich. Dort fragte sie nach ihrer Nuß. Man antwortete ihr, daß die Nuß längst verzehrt sei, worauf die Schildkröte Be­ zahlung verlangte. Man gab ihr für die Nuß eine Trom­ mel; damit kehrte sie auf die Erde zurück. Unterwegs setzte sie sich hin, um auszuruhen, und probierte dabei die Trommel; da fielen sechs Kalabassen voll Leckerbissen heraus, die sie sich wohl schmecken ließ. Zuhause angelangt wiederholte sie den Versuch, und wieder kam Essen zum Vorschein. Nun rief sie alle Leute zu­ sammen und sagte: „Ich möchte, daß ihr drei Tage lang

Mansfeld.

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für meinen verstorbenen Vater ein Totenfest veranstaltet. Das Essen gebe ich, ladet nur alle Nachbarn ein." Da wurde denn gespielt und getanzt, und die Schild­ kröte trommelte fortwährend nach Essen. Der Leopard hatte das Trommeln beobachtet; er bat die Frau Schild­ kröte, ihm den Raum zu zeigen, wo die Trommel hänge; sie weigerte sich; er aber erbrach die Tür, nahm ein Messer, schnitt die Trommel entzwei und lief davon. Die Schildkröte erzählte das ihrem Mann und stachelte ihn zur Rache auf. Das Männchen ging wieder Nüsse schlagen und wartete, bis eine Nuß herunterfiel; er stieß sie ab­ sichtlich in ein Loch und folgte wieder nach der Unter­ welt. Dort angekommen, bat er um die Nuß, und obgleich inan sie ihm diesmal ausliefern wollte, erbat er wieder eine Trommel. Wirklich erhielt er sie. An der Oberwelt angelangt, verspürte er Hunger und trommelte darauf los. Da sprangen fünf starke Männer aus der Trommel, mit Flußpferdpeitschen bewaffnet, und schlugen ihn jämmerlich. Er ging dann nach Hause und erzählte der Frau, die sich schon wieder auf die Freß­ trommel gefreut hatte, was für eine böse Trommel dies sei, und gemeinsam beschloß man, für den doppelten Ärger an dem Leoparden Rache zu nehmen. Man rief wieder alles zum Tanzspiel zusammen, und auch der Leopard kam. Statt aber zu tanzen, schlich er sich in das Haus auf der Suche nach der neuen Trommel. Kaum hatte er sie berührt, da kamen fünf Männer heraus und schlugen itjn halb tot. Die andern Tiere liefen herbei, verlangten Essen für die Festteilnehmer und er­ kundigten sich, warum der Leopard so verprügelt worden sei. Man bedrohte die Frau und machte ihr Vorwürfe, bis sie die Trommel nahm und die fünf Männer erscheinen ließ. Eine wüste Prügelei entstand, und alle Tiere liefen nach verschiedenen Richtungen in den Busch; seitdem traut kein Tier mehr dem andern, und alle leben getrennt.

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Mansfeld.

Meißner.

158. Wettlauf zwischen Antilope und Schildkröte. Märchen aus dem Urwald von Afrika.

Die Antilope kam eines Tages zur Schildkröte; im Laufe des Gespräches schlug die letztere vor: „Wir wollen doch einmal Wettlauf spielen!" Da lachte die Antilope

und sagte: „Du mit deinen Keinen Beinen, du bist wohl närrisch." Da aber die Schildkröte darauf bestand, einigte man sich über die Strecke der Laufbahn. In der Nacht vor dem Wettrennen rief die Schildkröte ihre sieben jünge­ ren Schwestern und verteilte sie auf der ganzen Strecke. Sie gab jeder der Schwestern die Weisung, vor dem Eintreffen der Antilope zuzurufen: „Ich bin schon lange hier." Am nächsten Morgen begann der Lauf; nach hun­ dert Metern kam die Antilope an ein Wasser, da saß die eine Schildkrötenschwester und rief ihr entgegen: „Wo bleibst du denn? Ich bin schon lange hier." Die Antilope schüttelte erstaunt den Kopf und rannte weiter. Beim nächsten Bach wiederholte sich derselbe Vor­ gang, und vor dem Ziel rief ihr die älteste Schildkröte ebenfalls zu: „Ich bin schon lange hier." Da wurde die Antilope traurig und faßte den Entschluß, sich das Leben zu nehmen; sie steckte ihren Kopf zwischen zwei Baum­ wurzeln und drehte sich mehrmals herum, so daß ihr Hals lang ausgedreht wurde. Sie starb zwar nicht daran, aber der lange Hals ist auf ihre Nachkommen übergegangen.

August Gottlieb Meißner. 154. Die beiden Krebse. „Geh doch nicht so krumm, sondern in gerader rief ein älterer Krebs einem jüngeren zu. „Von gern," erwiderte dieser, „nur bitte ich, mir voran zu Tadle an niemandem einen Fehler, den du selbst

Linie!" Herzen gehen!" besitzest.

Meißner.

L6S

ISS. D.ie zwei Pflugschare. Von einerlei Gattung Eisen und auf einer und eben der­ selben Werkstättc wurden zwei Pflugschare verfertigt. Der eine davon kam in die tätige Hand eines Landmannes; der andre ward in einen Winkel geworfen, lag allda vuhig ein ganzes Jahr hindurch und ward mit Rost überdeckt. Jetzt erst erinnerte man sich seiner und zog auch ihn wieder hervor. Wie staunte er, als er seinen Bruder erblickte und ihn mit sich selbst verglich. Denn er fand ihn hell und spiegel­ glatt, fast glänzender noch, als er anfangs war. „Ist das möglich?" rief der Verrostete aus, „einst waren wir einander gleich. Was hat dich so herrlich erhalten, da ich in der glücklichsten Ruhe doch so verunstaltet worden bin?" — „Eben diese Ruhe war es," erwiderte jener, „was dir schadete. Mich hat Übung und Arbeit erhalten. Ihr nur verdank ich es, daß ich jetzt dich übertreffe."

156. Die Eiche und die Weide. Eine große starke Eiche und eine schlanke Weide standen nebeneinander, und oft warf jene dieser letzter» spöttisch vor, daß sie nach jedem Windhauch sich demütig neige, indes die Eiche auch den stärksten Sturm mit unbewegtem Gipfel er­ dulde. Einst, indem sie eben darüber stritten, entstand ein fürchterliches Ungewitter. Der Wind tobte vom Abend her; die Weide krümmte sich, so oft er sie traf; aber die Eiche bot nach gewöhnlicher Art ihm Trotz. Doch auf einmal faßte sie jetzt die ganze Gewalt des Sturmes; aus ihren Wurzeln gerissen, sank sie zu Boden, indes die biegsame Weide sich glücklich erhielt.

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Müller.

Wilhelm Müller. 157. KSnig Wilhelm I. und Bismarck -ei Königgrätz. Bismarck erzählte: „Der König hatte seine ganze Aufmerksamkeit ans den Gang des Kampfes gerichtet uno achtete nicht im geringsten auf die ihn dicht umsausenden Granaten. Auf meine wie­ derholte Bitte, Majestät möge sich nicht so rücksichtslos dem mörderischen Feuer aussetzen, erhielt ich die könig­ liche Antwort: „Der oberste Kriegsherr steht dort, wohin er gehört." Erst später, als der König beim Dorfe Lipa persönlich das Vorgehen der Kavallerie befohlen hatte und die Granaten wieder um ihn herum niederfielen, wagte ich aufs neue zu bitten: „Majestät, da Sie keine Rück­ sicht auf Ihre Person nehmen, so haben Sie wenigstens Mitleid mit Ihrem Ministerpräsidenten, von dem Ihr ge­ treues preußisches Volk seinen König fordern wird; im Namen dieses Volkes bitte ich: verlassen Sie diese gefähr­ liche Stelle!" Da reichte mir der König die Hand: „Nun, Bis­ marck, so lassen Sie uns weiter reiten!" Der König wandte auch wirklich seine Rappstute und setzte sie in einen so langsamen Galopp, gerade als wär's ein Spazierritt die Linden hinunter in den Tiergarten. Da zuckte es mir doch in Händen und Füßen — Sie alle und noch manche andere Leute kennen ja den alten heißblütigen Bismarck —, ich ritt meinen Dunkelfuchs dicht an die Sadowa heran und versetzte ihr einen kräftigen Stoß mit meiner Stiefelspitze; sie machte einen Satz vorwärts, und der König blickte sich verwundert um. Ich glaube, er hat es gemerkt, aber er sagte nichts." In einem Brief vom 11. Juli schrieb Bismarck: „Bei Königgrätz ritt ich den großen Fuchs, dreizehn Stunden im Sattel ohne Futter. Er hielt sehr gut aus, schrak weder vor Schüssen noch vor Leichen, fraß Ähren und Pflaumen-

Müller.

Reinheimer.

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blätter mit Vorliebe in den schwierigsten Momenten und ging flott bis ans Ende, wo ich müder schien als das Pferd."

Sophie Reinheimer. 158. Der Herbftwind geht auf Reisen. Es war wundervolles Herbstwetter draußen! Der Himmel war blau, die Sonne schien, und in den Gärten blühten die roten und blauen und weißen Astern. Es war ein Wetter, daß man am liebsten den ganzen Tag spazieren gegangen wäre. Wißt ihr, wer das auch dachte? Der Wind, der Herbstwind. Hui! machte er, das ist ein Wetter heute! Wie geschaffen zum fröhlichen Wandern. Heute soll's lustig werden, hui! Heute wird eine Reise ge­ macht, adieu! Und weil der Wind, wenn er auf die Reise geht, nicht erst Koffer zu packen braucht, wie wir, so konnte er gleich losfahren. Hui, da sauste er schon durch die Straße. Kommen Sie mit? ries er einem Stück Papier zu, das da lag. Das Papier flog ein Stück weit mit, dann blieb es liegen. Hui, ich gehe auf die Reise! Wer kommt mit? rief der Wind noch einmal ganz laut. Da kam es von allen Seiten herbei. Dürre Blätter, Holzspäne, leere Papierdüten, ja, sogar ein paar Hüte kamen von den Köpfen heruntergeflogen und wollten mit. So ist's recht! sagte der Herbstwind. Und er jagte mit den Hüten im Galopp die Straße hinunter. Reise­ lust steckt an. Die ganze Straße war auf einmal davon gepackt. Hier schwang sich eine Gardine zum Fenster hin­ aus, dort klapperte und rüttelte ein Fensterladen an seinen Angeln; ach, aber sie konnten traurigerweise beide nicht loskommen. Und dort der Blumentopf am Fenster, wollte der gar auch mit? Er wackelte hin und her, bums, da lag er auf der Straße. Wie schade! Auf der Straße aber schrieen und schimpften die Leute,

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Reinheimer.

und andere liefen hinter ihren Hüten her, und andere machten schnell die Fenster zu. Da sah der Wind ein, daß das Reisen in großer Gesellschaft doch seine Unan­ nehmlichkeiten habe. Die einen können überhaupt nicht los­ kommen, und die anderen bleiben gleich liegen. Ich werde lieber allein weiter reisen, sagte er. Aber die enge Straße ist nichts für mich, ich brauche Platz, ich muß hinaus, ins Freie. Draußen vor der Stadt war ein Stoppelfeld. Auf dem Stoppelfelde liefen Buben herum, die wollten ihren Drachen steigen lassen. Schöne, große Drachen mit langen, bunten Schwänzen, aber sie wollten nicht steigen. Dort­ hin ging nun der Wind. Na, meine Herren, sagte er zu den Drachen. Sie machen ja so ängstliche Gesichlter? Es geht wohl nicht so recht mit dem Fliegen, was? Na, warten Sie, ich werde Ihnen ein bißchen helfen dabei. Und nun nahm der Wind die Drachen und hob sie in die Höhe. So, hoo! Nur ruhig, nur nicht so wackeln; und die Schwänze, die Schwänze schön gerade gehalten! So, so, sehen Sie, es geht ja ganz famos. Achtung, da kommt ein Baum, denken Sie an Ihre Schwänze! Es sah sehr hübsch aus, wie alle die bunten Drachen da oben so ruhig dahinschwebten. Die Buben unten auf dem Feld jubelten vor Freude. Der Wind aber sagte dann zu den Drachen, nun wüßten sie ja, wie sie's machen müßten, und er müsse nun weiter wandern. Er kam nun an einen Wald, an einen bunten Herbst­ wald. Bunt sah der Wald aus, weil alle die Blätter ihre hübschen, bunten Kleidchen an hatten, die Kleider, die der Herbst ihnen mitgebracht, als er ins Land gezogen kam. Wind, lieber Wind, riefen die Blätter, hol uns doch von den Bäumen herunter! Was nützen uns unsere hüb­ schen Kleider, wenn wir ewig hier oben sitzen? Wir möch­ ten so gern auf die Erde hinunter und laufen und tanzen und springen. Recht so, sagte der Wind, der sich freute.

Reinheimer.

Reinick-

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soviel niedliche kleine Tänzerinnen zu bekommen. Ff! machte er, und dann noch einmal ganz stark: Fff! Da fiel ein ganzer Blätterregen auf die Erde hinunter. Unten auf dem Waldwege da ging der Tanz dann los. Polka, Walzer, Galopp, wie die Blätter es haben wollten. Der Wind war ein famoser Tanzmeister. Und pfeifen konnte er dazu, ganz wundervoll! Huihihi, huihihi! Und dann machte er, daß er weiter kam.

Robert Reinick. 159. Der Pfennig. In dem Münzhause, wo die Goldstücke, die Taler und die Groschen gemacht werden, war eben ein Dukaten und ein Pfennig fertig geworden. Die lagen nun beide blank und sauber auf dem Tische dicht nebeneinander, und der Helle Sonnenschein flimmerte recht darauf herum. Da sprach der Dukaten zum Pfennig: „Du Lump, geh fort von mir! du bist ja nur von gemeinem Kupfer gemacht und nicht wert, daß dich die Sonne bescheint. Bald wirst du schmutzig und schwarz auf der Erde daliegen und kein Mensch dich aufheben wollen. Ich dagegen bin von köst­ lichem Golde. Daher werde ich weit in die Welt hinaus­ reisen zu großen Herren und Fürsten, werde große Taten tun und zuletzt noch einmal in die Krone des Kaisers kommen." In derselben Münzstätte lag auf der Ofenbank ein alter, weiser Kater. Wie der das hörte, strich er sich bedächtig den Bart, legte sich auf die andere Seite und sprach dabei: „Umgekehrt ist auch was wert." Und so geschah denn auch den beiden Geldstücken gerade das Umgekehrte von dem, was der Dukaten gesprochen. Dieser kam zu einem alten, reichen Geizhals, der ver­ wahrte ihn in seinem Geldkasten, wo er müßig und faul bei andern seinesgleichen dalag. Doch als der Geizhals merkte, daß er selbst bald sterben werde, vergrub er all sein Geld vorher in die Erde, damit kein Mensch es bekäme, und da

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Reinick.

liegt nun auch der stolze Dukaten noch bis auf diese Stunde, ist schwarz und schmutzig geworden, und kein Mensch wird ihn jemals aufheben. Der Pfennig dagegen sollte weit in der Welt herumreisen und zu hohen Ehren kommen, und das geschah also: Zuerst bekam ihn der arme Münzbursche als Lohn; der brachte ihn nach Hause, und weil sein kleines Schwesterchen an dem blanken Stück große Freude hatte, schenkte er ihm den Pfennig. Das Kind sprang damit in den Garten, um ihn der Mutter zu zeigen. Da hinkte ein alter, kranker Bettler heran, der bat um ein Stückchen Brot. „Ich hab keins," sprach das Mädchen. „So gib mir einen Pfennig, daß ich mir Brot dafür kaufen kann!" sagte der Bettler. Und das Kind gab ihm den Pfennig. Der Bettler hinkte zum Bäcker. Wie er eben beim Laden stand, kam ein alter Bekannter, als Pilger gekleidet, mit Mantel, Stab und Tasche die Straße daher und gab den Kindern, die an dem Bäckerladen standen, schöne Bilder von heiligen und frommen Männern, wofür die Kinder Geld in die Büchse warfen, die er in der Hand hielt. Der Bettler fragte: „Wohin geht die Reise?" Der Pilger sprach: „Viele hundert Meilen weit nach der Stadt Jerusalem, wo das liebe Christkindlein gewandelt und gestorben. Dort will ich an seinem Grabe beten und dann meinen Bruder loskaufen, der von den Türken gefangen ist. Dazu sammle ich erst noch Geld in dieser Büchse." — „So nimm auch mein Scherflein dazu!" sprach der Bettler, gab dem Pilger den Pfennig und wollte hungrig, wie er gekommen, auch wieder weggehen; aber der Bäcker, der alles mit angesehen, schenkte dem armen Manne das Brot, das er hatte kaufen wollen. Nun wandelte der Pilger durch viele Länder und fuhr

zu Schiff weit übers Meer zur großen Stadt Jerusalem. Als er dort angekommen war, betete er zuerst an dem Grabe des Christkindleins und ging dann zu dem türkischen Sultan, der seinen armen Bruder gefangen hielt. Er bot dem Türken eine große Summe Geldes, wenn er den Gefangenen frei

Reinick.

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gäbe. Der aber wollte noch viel mehr haben. Der Pilger sprach: „Dann kann ich dir weiter nichts mehr anbieten, als diesen Kupferpfennig, den mir ein armer, hungriger Bettler aus Barmherzigkeit gegeben hat. So sei auch du barmherzig wie er, und das Kupferstück wird es dir ver­ gelten." Da erbarmte sich der Sultan, gab den Gefangenen frei und empfing von dem Pilger den Pfennig. Der Sultan steckte das Kupferstück in seine Tasche. Nach einiger Zeit aber dachte er nicht mehr daran. Da geschah es, daß der Kaiser nach der Stadt Jerusalem kam und mit dem Sultan Krieg führte. Dieser schlug sich aber

tapfer herum und ward auch nie verwundet. Einmal aber wurde ein Pfeil gerade auf seine Brust abgeschossen; er traf ihn zwar, prallte aber von seinem Kleide ab, ohne ihn zu verletzen. Der Sultan wunderte sich darüber, und als man nach der Schlacht das Kleid untersuchte, fand man in der Tasche den Kupferpfennig, an dem war der Pfeil abge­ prallt. Da hielt der Türke den Pfennig hoch in Ehren und ließ ihn mit einem goldenen Kettchen oben an seinem krummen Säbel befestigen. Später aber ward der Sultan selbst vom Kaiser gefangen genommen und mußte diesem seinen Säbel abgeben. So kam mit dem Säbel auch der Pfennig an den Kaiser. Wie dieser einmal bei Tische saß und eben einen Becher voll Wein in der Hand hielt, sagte die Kaiserin, sie möchte auch gern einmal den türfischen Säbel sehen. Der ward herbeigebracht, und als der Kaiser ihn seiner Gemahlin zeigte, fiel der Pfennig davon herunter und gerade in den Becher voll Wein. Der Kaiser hatte es wohl bemerkt und nahm daher, ehe er den Becher an den Mund setzte, den Pfennig heraus. Wie er ihn aber näher besah, war der Pfennig ganz grün geworden. Daran erkannten alle, daß Gift in dem Wein wäre. Ein böser Kammerdiener hatte dieses hineingemischt, um den Kaiser zu töten. Der Kammerdiener wurde daher zum Tode verurteilt, doch den Pfennig ließ der Kaiser in seine Krone setzen.

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So hat der Pfennig ein Kind erfreut, einem Bettler Brot verschafft, einen Gefangenen erlöst, einen Sultan vor Wunden geschützt und einem Kaiser das Leben gerettet. Da­ für ward er auch in die Kaiserkrone gesetzt und ist gewiß noch jetzt darin. Wenn man die Krone nur zu sehen bekäme!

160. Der Dieb. Im nächsten Städtchen gab es Kirchweih und Jahr­ markt, deshalb waren alle Leute aus dem Dorfe dorthin gezogen, um einzukaufen, lustig zu sein und zu tanzen. So war es denn am Abende gar still im Orte, kein Mensch war zu sehen noch zu hören. Der Brunnen, an dem sonst um diese Zeit die Mädchen beim Wasserholen plauderten und lachten, streckte seine langen Balken neugierig in die Luft, als wollte er fragen: „Kommt denn heute niemand her, mein Wasser zu holen? "Unter der großen Linde, wo an andern Abenden die jungen Bursche saßen und ihre Lieder sangen, regte sich heute kein Grashälmchen, und nur oben im Baume pfiff ein Vögelchen sein Abendlied. Selbst der alte Baumstamm, worauf die Kinder zu spielen und herumzuklettern pflegten, lag verlassen und leer da, und nur wenige Ameisen, die sich bei der Arbeit verspätet hatten, krochen darauf noch hin und her, um sich ihr Abendbrot zu holen. Allmählich kam die Dämmerung herauf, es wurde immer dunkler und stiller, und nachdem die lauten, lustigen Vögel in ihre Nester gekrochen waren, schlüpften die häßlichen Fledermäuse hervor und schwirrten und huschten durch die Wendlust. Da kam um die Ecke der Scheune ein Mann daher. Er schlich leise und ängstlich immer der Mauer entlang, wo es am dunkelsten war. Dabei sah er sich scheu nach allen Seiten um, ob auch kein Mensch da wäre, der ihn be­ merken könnte. Als er sich aber ganz sicher glaubte, kletterte er auf die Mauer, kroch dort auf allen vieren wie eine Katze weiter, bis an eine Stelle, wo die Mauer ans Haus

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Reinick.

stieß, und schwang sich dann in ein Fenster des Hauses

hinein, das gerade offen stand. Der Mann aber hatte recht böse Dinge im Sinne, denn er war ein Dieb und gedachte die Leute, die in dem Hause wohnten, zu bestehlen. Nachdem er durch das Fenster hineingekrochen war, befand er sich in einer leeren Kammer, dicht daneben war die Wohnung der Hausbewohner; eine Türe, die dort hineinführte, war nicht geschlossen, sondern nur leicht angelehnt. Der Dieb wußte wohl, daß die Leute ebenfalls aus den Jahrmarkt gegangen, doch dachte er, es könnte vielleicht zufällig jemand in die Stube gekommen sein, legte daher das Ohr an die Türspalte und horchte. Drinnen hörte er ein Kind laut sprechen, und wie er durchs Schlüsselloch guckte, sah er beim Dämmerscheine, daß es ganz allein mit gefalteten Händen in seinem Bettchen saß — das Kind betete, wie es immer vor Schlafengehen tat, laut sein Vaterunser. — Schon sann der Mann darüber nach, wie er dennoch seinen Diebstahl am besten ausführen möchte, da hörte er, wie das Kind mit lauter, klarer Stimme eben die Worte betete: „Und führe uns nicht in Versuchung, son­ dern erlöse uns von dem Übel!" Das ging dem Manne tief zu Herzen, und sein Ge­ wissen erwachte. Er fühlte, wie schwer die Sünde sei, die er eben hatte begehen wollen. Da falteten sich auch seine Hände, und auch er betete inbrünstig für sich: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel!" und der liebe Gott erhörte ihn. Auf demselben Wege, den er gekommen, schlich er wieder zurück bis in sein Kämmer­ lein. Dort bereute er von ganzem Herzen sein bisheriges Leben, bat Gott um Verzeihung und dankte ihm für den Schutz, den er ihm durch den Mund eines frommen Kindes hatte angedeihen lassen. Er ist darauf ein arbeitsamer und ordentlicher Mensch geworden.

Hessel und Ufer, Lesebuch 3.

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Rosegger.

Peter Rosegger. 161. Der Gansräuber. Was es denn gibt? Der ganze Staudenhof ist in Auf­ regung. Über den hartgefrorenen Erdboden hin und her klingen die Schritte der Bäuerin, der Dirnen, der Kinder. Nur der alte „Täte" (Großvater) kann nicht mitlaufen. Und war doch auch einmal so flink, einst in fernen Jahren, als sie ihn den lustigen Franzl geheißen! Wie die Zeit vergeht! Jetzt sitzt er drinnen beim warmen Ofen, just über der Hühnersteige, und in seinen Gliedern liegen und zwicken die achtzig Jahre. Ist freilich auch kein gutes Sitzen, besonders jetzt, wo draußen ums Haus der Lärm gellt. Was ist denn geschehen? Das kleinste Knäblein, welchem gerade noch so viele Jahre abgehen, um ein ganzer Mensch zu sein, als der Täte ihrer zu viele hat, und welches seine Jugend frisch und verhältnismäßig sauber hinten aus dem Höslein hervorhängen hat, dieses kleinste Knäblein kommt jetzt laut weinend in die Stube gelaufen und verbirgt voll Grauen sein Gesicht in die blaue Schürze seines Großvaters. Was ist denn geschehen? Krampfhaft fest klammert sich der Junge an die alten Glieder, und das ganze kleine Wesen wird durchwühlt vor Angst und Entsetzen. Jetzt kommt auch das zweite, ein Mädchen, zur Türe hereingesprungen, barfuß war es draußen gewesen und auf dem gefrorenen Boden und im frostigen Nebel; ach, wer denkt heute an Kälte, wo es allen so glühend heiß durchs Herz fuhr? Was geschehen ist? Ein Verbrechen! „Hinter dem Stadl draußen liegt sie!" schluchzt das Mädchen und verhüllt mit den Händen seine Augen, als ob das gräßliche Bild noch immer davor herumgaukele. „Na so, was ist denn los?" fragt der Großvater immer wieder. „Ist ein Trumm von der Weltkugel weggebrochen?" — „Sie hat kein Leben mehr, Tata, und ist voller Blut — so viel, so viel Blut!" Jetzt hörte man auch die Bäuerin schreien: „Wie das denn hat geschehen können, du heiliger Sankt Michel, wie

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Rosegger.

denn das bar sein können!" Und hebt den Bericht an: „Just erst ist sie beim Brunnen gestanden und habe ich sie noch über den Hof gehen sehen. Und jetzt auf einmal! Hat noch her­ geschaut auf mich, als wie wenn sie hätt sagen wollen: Behüt dich Gott, Bäuerin! — Wer hätt einen Gedanken gehabt auf so was! Das Mädel hat noch den Schrei gehört von, Hintern Stadl, aber hat nichts denken können. Geschrien hat sie oftmals, ist so ein lustig Ting gewest. Und jetzt das Unglück! Wer es denn mag getan haben, o, du heiliger Martinus!" Jetzt wird herum geredet an der Sache. War die Tat vorbereitet? Fast ist es so. War sie auf einen Raub geplant gewesen? Das zeigt sich wieder nicht, denn der Leichnam liegt des weiteren unversehrt an der Stelle. Ein reiner Racheakt? Mein Gott, und dieses gute, arme Wesen sollte jemandein etwas zu leide getan haben? Ganz undenkbar, es hat sein Lebtag niemandem ein „ungeschaffenes" Wort gegeben, ge­ schweige sonst was Schlimmes. Sie war so munter und harmlos, alles im ganzen Hof hatte sie lieb, selbst die Katze und die Ferkeln hielten zu ihr. So eine kommt nimmer! Draußen nähern sich vielerlei Stimmen, wimmernde, zeternde, klagende, fluchende. Die Tür springt auf, der wirre Zug poltert in die Stube. Eine Magd trägt den Leichnam — die tote Gans. Wahrhaftig ja, es ist eine Todsünde gegen den heiligen Martinus. Es ist die Martinigans. Nur noch etliche Tage auf seinen Festtag! Es ist die große Zinnschüssel schon abgescheuert worden, in der sie hätte sollen auf den Ehren­

platz marschieren. Und jetzt das Unheil! Noch dazu am hellen Tage. Aber dieser Nebel! Dieser Spätherbstnebel! Und liegt nicht einmal so viel Schnee, daß man den Spuren des Mörders nachgehen könnte, und der Lehmboden stein­ hart gefroren, alles wie zusammengespielt, daß es hat ge­ schehen können. Schwer ist sie und fett, und in einer Woche hätte sie ihre schöne Vollendung erreichen können. Den Kops und die Flügel läßt sie hängen, wie es sich schickt für eine 12*

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Rosegger.

tote Gans. Mitten in der Brust trägt sie die Todeswunde. Ein Biß, ein einziger, scharfer Biß. Der Jungbauer geht draußen um, er kreist mit einem Stock in der Hand um den Hof. Nichts Verdächtiges fällt ihm auf. Des Nachbars Karo läuft lustig wedelnd herbei. Er ist zwar kein geborener Jagdhund, aber seit der Nachbar die Jagd verpachtet hat, geht's langweilig her auf der Welt. „Ja, mein lieber Karo!" ruft ihm der Bauer zu, „wärest du heute um eine Stunde früher gekommen, die Gans lebte noch." — „Wohl, wohl," meint die Magd, „wenn halt kein Hund ist beim Haus! Ein Wächter soll in jedein Hof sein. Sollst den Karo kaufen, Bauer, der Nachbar braucht ihn jetzt nicht." — „Ich glaub, sie geben ihm ohnehin nichts zu fressen, seit er ihnen keine Hasen mehr auf den Tisch jagt. Ausschauen tut er so. Wer ein Vieh hat, der soll sich auch drum kümmern." — „Das ist wohl wahr," gibt die Magd bei. „Geh her, Karo, 's ist gewiß ein Knochen übrig geblieben von Mittag!" Der Hund folgt ihm vergnügt wedelnd in die Stube. Dort aber, als er in der Hand der Bäuerin die ermordete Gans erblickt, duckt er sich unter die Bank und zieht den Schweif ein. „Was ist das?" fragt der Bauer dumpfen Tones. „Die Ohren läßt er hängen?" — „Und wie er herglotzt! Als ob er einen mit den Augen stechen wollt! Sollt er ein schlechtes Gewissen haben?" — „Am Ende hat's der getan!" — „Wetten mag ich nichts!" — So rufen sie durcheinander. „Geh her, Karo! komm heraus!" lockt der Bauer mit freundlicher Gebärde, hat aber hinten am Rücken den Strick in der Hand. „Da, geh her! pst! da, komm her!" Der Hund legt sich auf den Bauch und kriecht dergestalt zitternd und fast stöhnend hervor. Nun ist's offen, auch wenn man den Blutflecken an seiner Schnauze nicht gesehen hätte. Wie ein Riesensalamander, so kriecht er leise winselnd vor die Füße seines Richters hin. Diesem zuckt die Hand mit dem Strick. In den Gesichtern der Anwesenden kein Erbarmen. Da kommt das Trauderl zur Tür herein.

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und das weiß zu erzählen, die Gans sei sonst wohl brav gewesen, aber den Karo habe sie öfters angesprungen. Das ändert die Sache insofern, daß der Bauer etwas unsicher dreinschaut und die Staudenbäuerin zu ihm sagt: „Jag's fort, das Vieh, aber schlagen tu's nit. Die Gans wird nimmer lebendig. Siehst es, er bittet um Verzeihung und weiß selber nicht, warum. Das Tier hat keine Gebote, und meine Mutter hat oftmals gesagt, wer im Zorne ein Tier schlägt, der schlägt dem Herrgott auf die Finger. Ob wir die Gans — feist ist sie — etliche Tage später oder früher essen, das wird dem heiligen Martini einerlei sein."

162. Eine Geschichte vom Erzherzog Johann von Österreich. Oben an der Salza erzählt man einen reizenden Zug aus dem Leben des in den Alpenländern unvergeßlichen Erzherzogs Johann. Dort lebte ein armer Kleinhäusler, welchen sie den Holler -Wastl hießen, weil sein Häuschen ringsum von Hollundersträuchen bewachsen und damit fast bedeckt war, so daß im Juni zur Blütezeit der kleine Bau wie von Schneeflaum umhüllt schien und die weißen Dolden fast zu den Fenstern hineinhingen. In Steiermark ist es Sitte, daß am Sonnenwendtage, als am Feste des Täufers

Johannes, solche Hollerblüten zur.Bereitung einer Eierspeise, der Hollerstrauben, verwendet werden. Es wird nämlich die gepflückte Blütendolde in Eierteig getaucht, so daß sie sich mit diesem überzieht, und dann in heißes Schmalz getan. Nach wenigen Minuten zieht man sie gar geschmort als eine Kuchentraube wieder heraus. Der Blütenduft macht ein solches Eiergericht zur köstlichsten Speise. Genug davon, vorläufig ist uns der Holler-Wastl wich­ tiger als die Hollerstrauben. Zu jenem Sonnenwendtage hörte also der Wastl, daß der Prinz Johann in der Nähe sei. Sofort fiel es ihm ein, daß der Prinz sicherlich an

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diesem Johannestage sein Namensfest begehe, und er sann auf Mittel, dem geliebten kaiserlichen Herrn zu seinen, Namensfeste eine Freude zu bereiten. Das ist nun bei hohen Herren schwer, und muß es nur der gute Wille aus­ machen, mit dem etwas geboten wird. Der Holler-Wastl traf es aber nicht übel, er schickte dem Prinzen in einem grün­ glasierten Tonbecken drei große, schöne Forellen, die ei­ eigenhändig gefangen hatte. Es war im Grunde zwar eine wunderliche Sache, denn das Fischwasser gehörte dem Erz­ herzog ; doch hatte es Johann den armen Leuten der Gegend gestattet, daß jeder Fisch, den sie ohne Vorrichtung nur mit der bloßen Hand aus dem Wasser fingen, ihnen zu eigen gehören sollte. Er wußte wohl, wie geschickt die Leute das anstellten, aber er wußte auch, daß verbotene Frucht so sehr reize und entsittliche, erlaubte aber die Leidenschaft kühle, wie wirklich auch seit der Verstattung die Fische mehr geschont wurden als früher. Johann war überrascht, als da drei stumme Forellen anrückten, um ihrn zu seinem Namenstage Glück zu wünschen. Dann war er so fein, den Irrtum des gutmeinenden Spen­ ders nicht richtig zu stellen, sondern die gute Meinung freundlichst zu entgegnen. Der Prinz kannte das Häus­ chen unter den Hollerbüschen und wußte auch, daß Holz­ hauer, zu denen der Wastl gehörte, des Nachts einen ge­ sunden Schlaf haben, und deren Weiber und Kinder eben­ falls, und so ließ er den lustigen Streich spielen. In stiller Nacht zündeten Männer in der Nähe des Hollerhäuschens ein Feuer an, nahten mit schmorenden Schmalz- und Eier­ teigpfannen den Büschen, ließen jede Blüte, ohne sie zu brechen, so lange hineinhängen, bis der fertig gebackene Kuchen um die Dolde sich geschlossen hatte. Das Geschäft währte Stunden, ging aber in aller Stille ab. Am Morgen, wie das Weib des Holler-Wastls aus dem Fenster schaut, schreit sie: „Uh, Jeßtl, wer hält uns denn heut schon eine Strauben zum Fenster herein?" — „Eine Strauben?" fragt der Wastl und springt aus dem

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Scharrelmann.

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Bette. Und wie sie vor die Tür gehen, meinen beide, sie wären stocknärrisch geworden. Alle Zweige des Holler­ strauches hängen schwer nieder, und anstatt der Blüten gängeln lauter köstlich strotzende Kuchenstücke daran, daß die ganze Luft erfüllt ist von dem Dufte dieser seltsamen Hollunderfrucht. „Das wird ein Sonnenwendtag heut!" sagte der Wastl voll inneren Jubels und weckte die Kinder auf. Das Weib wollte keinen Bissen essen, es hielt das ganze Ding für einen Hexenspuk der Johannisnacht. Aber als nun in der hellen Morgenfrühe der Prinz mit mehreren Herren an dem Häuschen vorüberging und freundlich über den Zaun grüßte, da dachten sich's die Leutchen bald, welcher Zau­ berer hier gewaltet hatte, und ließen sich dann diese Be­ scherung trefflich schmecken. Sie luden alle Nachbarn dazu ein, auch den Wirt vom Kreuzwege, dem der gute Gedanke kam, daß zu den fetten Hollertrauben auch „eppes" Keller­ naß nicht schaden könne, und so war das eine Mahlzeit beim Hollerhäusel, desgleichen die Leute weder früher noch seither jemals gesehen hatten. Das Hollerhäuschen ist heute zerfallen, aber die Hollersträxche stehen noch frisch und lebendig an dem Gemäuer. Sie tragen keine in Schmalz gebackene Frucht mehr, aber sie heißen im Volksmund der Prinzenholler, bis auf den heutigen Tag.

Heinrich Scharrelmann. 163. In der Elektrischen. Vor ein paar Tagen fuhr ich einmal mit der elektri­ schen Bahn durch die Stadt. Und da so schönes Wetter war, stellte ich mich vorne hin, wo der Führer steht, der mit der einen Hand die Bremse hält und mit der anderen den gelben Messinggriff, womit der Strom eingeschaltet wird. Da stand ich nun und blickte die ganze Straße ent­ lang. Wagen fuhren an uns vorbei, andere überholten

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wir, wieder andere wußten zur Seite fahren, damit unsere Bahn an ihnen vorbei konnte. An den Haltestellen stiegen Leute ein und aus, alle Augenblicke tönte die Glocke. Der Schaffner stand int Wagen, um das Fahrgeld einzusammeln, und die beiden Fußsteige der Straßen waren voller Menschen, die wohl alle ihren Geschäften nachgingen. Was war das für ein Getreide! Jeden Augenblick gab's Neues zu sehen, und mir wurde recht heiter und fröhlich zu Mute. Und weil mir so wohl ums Herz war, stellte ich mich neben den Führer des Wagens und sagte: „Ist doch ein wunderschönes Wetter heut! Wie lange Zeit brauchen Sie nun, um mit Ihrer elektrischen Bahn von einem Ende der Stadt nach dem anderen zu fahren?" Er antwortete nichts, sondern hielt, als hätte keiner ein Wort zu ihm gesagt, die Bremse mit der einen und den Schalter mit der anderen Hand. Ich wiederholte meine Frage: „Wie lange Zeit brauchen Sie eigentlich, um von einem Ende der Stadt nach dem anderen zu kommen?" Wieder keine Antwort. Nanu, dachte ich bei wir, ist denn der Mann schwerhörig? Ich tupfte ihm mit dem Finger auf die Schulter und fragte noch einmal: „Sie! sagen Sie mal, wie lange brauchen Sie eigentlich, um mit der Bahn von einem Ende der Stadt nach dem anderen Ende zu kommen?" Er rührte sich nicht. Den Blick geradeaus, auf die vor uns liegende Wegstrecke gerichtet, stand er und sah nicht rechts noch links. Da wurde ich ganz ungeduldig und wiederholte zum letzten Male recht laut und eindringlich meine Frage: „Wie lange brauchen Sie, um von einem Ende der Stadt nach dem an­ dern zu kommen?" Wieder keine Antwort. Nur einen Augenblick ließ seine Rechte die Bremse fahren, und er zeigte nach dem oberen Wagenrand hinaus. Als ich aufblickte, las ich auf einem Plakate die Worte: „Dem Wagenführer ist die Unterhaltung mit den Fahrgästen verboten! Die Direk-

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Hon." Ach so, das war es also gewesen! Nun wußte ich auch, warum der Mann mir nicht geantwortet hatte. Seine Pflicht hatte ihn abgehalten, mit mir zu sprechen, und ich hatte geglaubt, er sei unhöflich. Wahrscheinlich bin ich ganz rot geworden im Gesicht, denn ich schämte mich, den Versuch gemacht zu haben, den Mann von seiner Pflicht abzubringen. So stand ich nun hinter ihm und sah auch nicht mehr rechts noch links, sondern geradeaus auf das Geleise. Ich beobachtete ihn und paßte auf, wann er stärkeren Strom gab, und wann er ihn wieder abstellte, wann er die Bremse zog, und wann er ein Glockenzeichen gab. Und als ich ihm so lange Zeit zugesehen hatte, da. begriff ich auch, warum ihm die Unterhaltung mit den Fahrgästen verboten war. Wie leicht konnte ein Unglück geschehen. In dem Augenblicke, wo er sich nach einem Fahrgaste nmdrehte, um ihm zu antworten, konnte ein Kind über die Straße gehen, ein Lastwagen die Bahn an­ rempeln, ein Betrunkener zu Fall kommen usw. usw. Tau­ send Möglichkeiten gab es, eine noch schlimmer als die andere, und all dieses Unglück würde verhindert durch die ununterbrochene strenge Aufmerksamkeit des Führers. O,. zweifellos hätte er gewiß ganz gern einmal ein Wort ge­ sprochen. Wie manchmal stand wohl ein guter Bekannter oder gar ein Freund hinter ihm und redete auf ihn ein. Er durfte nichts erwidern, er durfte nicht einmal auf das hören, was der ihm sagte! Menschenleben standen auf. dem Spiele! Als mir diese Gedanken alle so nacheinander durch den Kopf geschossen waren, sah ich den Wagenführer mit ganz besonderer Hochachtung an und dachte: Sieh, das ist ein Mailn, ivie er sein muß, der tut seine Pflicht mit ganzer Kraft und kümmert sich um nichts anderes! Wenn doch alle Menschen so in ihrem Leben ihre Pflicht täten,, wie viel Unglück würde es weniger geben, und wie viel. Unrecht würde weniger geschehen!!

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Aber um so seine Pflicht tun zu können, dazu muß man einen ernsten, klaren Willen haben, und den bekommt man nicht von heute aus morgen, der fällt einem Menschen nicht wie ein reifer Apfel einfach vor die Füße. Die Willenskraft muß geübt werden wie alle Kräfte im Men­ schen. Und wer ein tüchtiger Mensch werden will, der muß schon als Kind beginnen, seinen Willen zu stärken, daß er tut, was das Gewissen uns sagt, und nicht, was das Auge sieht und die Hand begehrt.

Ferdinand Schlez. 164. Wie Meister Hämmerlein Gemeindeschmied wird. Vor etlich und dreißig Jahren starb in meinem Ge­ burtsorte der Gemeindeschmied Jakob Horn. Noch steht er so lebhaft vor meinen Augen, daß ich zum Sprechen ihn treffen wollte, wenn ich Maler wäre. Im gemeinen Leben hieß er nicht anders als: Meister Hämmerlein. „Meister Hämmerlein? Ei, warum denn Meister Hämmerlein?" Weil er die sonderbare Gewohnheit hatte, wo er ging und stand, sein Hämmerlein und ein paar Nägel in der Tasche zu führen und an allen Toren, Türen und Zäunen zu hämmern, wo er etwas los und ledig fand. Vielleicht auch, weil er über seinem Hämmerlein Gemeinde­ schmied des Dorfes geworden war. „Wie wäre das denn zugegangen?" Ganz natürlich, wie ihr sogleich hören sollt. Sein Vorfahr war gestorben. Vier wackre Burschen hatten sich um den Dienst gemeldet und dem und jenem allerlei versprochen. Meister Hämmerlein hatte sich nicht gemeldet und nichts versprochen; er hämmerte bloß -ein wenig an einer Gartentür und erhielt dafür den Dienst. „Und bloß für ein bißchen Hämmern?" Bloß für ein bißchen Hämmern! An einer Gartentüre, nahe am Dorfe,

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hing schon wochenlang ein Brett ab. Meister Hämmerlein kam mit einem Felleisen des Weges her. Flugs langte er einen Nagel und sein Hämmerlein aus der Tasche und nagelte das Brett fest. Das sah der Dorfschulze. Ihm schien es sonderbar, daß der landfremde Mensch das Brett nicht ledig sehen konnte, das doch selbst der Eigentümer des Gartens wohl zwanzigmal so gesehen hatte, ohne es fest zu machen. Er wollte ihn anreden, aber der Bursche war fort, ehe er ihm nahe genug kam. Ein paar Stunden darauf ging der'Schulze in die Dorf­ schenke. Sogleich fiel ihm der junge Mensch ins Gesicht. Er saß ganz allein an einem Tischchen und verzehrte sein Abend­ brot. „Ei, willkommen!" rief der Schulze, „treffen wir uns hier, guter Freund?" — Der junge Mensch stutzte, sah ihm steif ins Gesicht und wußte nicht, woher die Be­ kanntschaft kam. „Ist Er nicht der junge Wanderer," fragte der Schulze, „der diesen Abend da außen am Wege das Brett einer Gartentüre fest gemacht hat?" — „Ja, der bin ich." — „Nun gut, so kommt, Nachbar Hans," sagte der Schulze zu dem Eigentümer des Gartens, der zufällig auch da war, „kommt und bedankt Euch bei dem wackern Fremdling! er hat im Vorbeigehn Eure zerbrochene Gartentüre repariert." — Nachbar Hans schmunzelte, sagte seinen Dank, setzte sich nebst dem Schulzen traulich zu dem Fremdling, und alle Gäste lauschten auf ihr Gespräch. Es betraf das Handwerk, die Wanderungen und Kundschaften desselben, und in allen erwachte der einmütige Wunsch,, ihn zum Gemeindeschmied zu bekommen, weil allen der Zug von gemeinnütziger Denk­ art gefallen hatte. Hämmerlein mußte bleiben; und da er schon am folgenden Morgen einen Beweis von seiner Geschicklichkeit in der Vieh­ arzneikunst und im Beschlage gab, so war nur eine Stimme für ihn: dieser und kein anderer soll Gemeindeschmied werden! Man schloß den Kontrakt mit ihm ab, und Meister Hämmerlein war unvermutet Schmiedemeister eines großen Dorfs, das er wenig Stunden zuvor auch nicht einmal dem Namen

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nach gekannt hatte. Sage mir nun noch einer: wer unge­ beten zur Arbeit geht, geht ungedankt davon!

165. Wie Meister Hämmerlein eine Türschwelle wegmeitzelt. Noch kann ich Meister Hämmerlein vor mir sehen, wie er einmal in meines seligen Vaters Hanse eine Türschwelle wegmeißelte. Das altmodische Gebäude hatte durchaus hohe Türschwellen, aber keine war uns Kindern fataler, als die an unserer Stubenkammer; denn alle acht Tage fiel eins von den Kleinen darüber. Das hatten meine Eltern Wohl hundert­ mal gesehen und bellagt, wohl auch uns Kinder über unsere Unvorsichtigkeit gestraft; aber auf den Gedanken, den Anstoß wegzuräumen, schien niemand zu verfallen. Zum Glücke war einmal Meister Hämmerlein bei uns, als eines meiner Neinen Geschwister wieder über die Schwelle fiel. Während man das Kind aufhob, war Meister Hämmerlein ver­ schwunden, aber in etlichen Minuten kam er mit Säge, Beil und Meißel zurück. „Ei," sagte er, „wer wird die armen Kinder immer über den Block fallen lassen?" Und ohne uinzufragen, schnitt er die Schwelle so tief, als der Boden lag, durch, spaltete den Klotz heraus, setzte ein Stückchen Brett unten an die Türe, und eh eine Stunde verging, war der Weg vom Wohnzimmer in die Kammer schnureben ge­ macht. Was da meine kleinen Geschwister ein Fest hatten, wie sie vor Jubel zwanzigmal öfter, als sonst, die Kammer aus und ein sprangen, und wie Meister Hämmerlein bei seinem Glase Wein, das ihm mein Vater gab, über die Kinderfreude, die er angestiftet hatte, schmunzelte, sehe ich noch immer vor Augen.

166. Bon Meister Hämmerleins Heirat. „Aber was sagte denn Frau Hämmerlein zu den Fron­ diensten ihres Mannes? War sie zufrieden damit? oder hatte der Sonderling gar keine Frau?" Ja wohl hatte er eilte und zwar eine Frau, die nicht aus seiner Rippe, sondern aus

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seinem Herzen gemacht schien. Ich muß euch doch auch er­ zählen, wie er zu ihr gekommen ist: Nicht lange nach seiner Anstellung ging Meister Hämmerlein in den Wald, um Holz sich anweisen zu lassen. Auf dem Heimwege stieß er auf eine alte, bucklige Frau. ,,Und die hat er doch nicht geheiratet?" Warum nicht gar. Laßt mich doch erst ausreden! Die alte Frau trottelte gar emsig hinter einem jungen, hübschen und wohlgekleideten Mädchen her, das eine Bürde Brechholz auf dem Rücken trug. Meister Hämmerlein, der beide nicht kannte, grüßte sie freund­ lich ; aber mit besonderem Wohlgefallen ruhte sein Auge auf der schönen Tochter, wofür er das Mädchen hielt. Er ließ sich mit ihnen ins Gespräch ein, und zu seiner nicht geringen Verwunderung erfuhr er, daß die alte Frau das Mädchen auch nicht einmal dem Namen nach kannte. „Das gute Ding kam hinter mir her," sagte die Alte, „und sah, daß mir die Bürde so schwer war. Ich lehnte mich gerade an einen Baum und schnaufte ein wenig aus, da nahm mir das liebe Kind den Huckepack ab und will ihn bis ins Dorf tragen." Das war ein Zug nach dem Herzen und für das Herz unsers Meister Hämmerleins! „Ach, das ist brav!" sagte er und klopfte freundlich dem Mädchen auf die Schulter. „Das ist auch die Rede wert!" sagte dieses ganz verschämt. „Ich bin noch jung und stark, und das alte Mütterchen ist schwach. Ob ich den Weg leer gehe oder das bißchen Holz trage!" — Meister Hämmerlein mußte nun alles wissen, was das gute Mädchen betraf. Zu seiner Freude erfuhr er, daß es nur anderthalb Stunden von ihm wohnte und eine Base in seinem neuen Wohnorte besuchen wollte. Die weitere Bekanntschaft wurde gesucht und gemacht, und — kurz und gut — Meister Hämmerlein und Käthchen wurden ein glückliches Paar. Der Pfarrer des Orts, der die Veranlassung zu der Heirat erfuhr, hielt ihnen eine Hochzeitspredigt über die Geschichte von Elieser und Rebekka und lobte den Bräu­ tigam, daß er ein dienstfertiges Gemüt allen andern Rück­ sichten vorgezogen hatte.

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Nun werdet ihr wohl nicht mehr fragen, ob auch Frau Hämmerlein mit ihres Mannes gemeinnützigem Sinne zu­ frieden war. Wo etwas Gemeinnütziges geschah, und wo einem Menschen unverhofft und int stillen geholfen wurde, da hieß es: „Das hat gewiß Meister Hämmerlein oder seine Käthe getan!"

Heinrich Seidel. 167. Das Goldhähnchen. Das Goldhähnchen ist der kleinste deutsche Vogel und wiegt mit Haut und Federn nicht mehr als fünf Gramm. Um sich davon eine Vorstellung zu machen, muß man sich vergegenwärtigen, daß man vier solche Vögelchen in einem einfachen Briefe versenden könnte. Diese kleinen Lilipu­ taner sind ganz ungemein niedlich und zierlich und lassen sich bei ihrer Zutraulichkeit gegen den Menschen sehr leicht in der Nähe beobachten. An dem Goldhähnchen ist alles niedlich und nett, auch sein fein geschnitzter Gesang, den man nur in nächster Nähe vernehmen kann. Ich habe einmal ein kleines Spinnrad aus Elfenbein gesehen, das unter einer Glasglocke, nicht größer als ein Fingerhut, Platz hatte — so zierlich muß man sich den Gesang des Goldhähnchens vorstellen. Das schöne und künstliche Nest ist sehr schwer zu fin­

den, weil es meist sehr hoch über dem Boden an und zwischen herabhängenden Fichtenzweigen aufgehängt ist. Es ist etwa so groß wie eine Männerfaust und gleicht einem runden Ball, von dem man oben ein kleines Stückchen abgeschnitten hat. Es sieht meist grün aus, ist aus Moos und Jnsektengespinst sehr dickwandig zusammengewebt und der oben etwas eingezogene Napf, der mehr tief als breit ist, mit sehr vielen feinen Federn höchst mollig ausgepvlstert. Man findet darin sechs bis elf niedliche Eier von rötlicher Farbe, die nicht viel größer als Erbsen sind. Man kann sich denken, daß so ein kugliges Nest mit etwa zehn

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halbflüggen, überaus winzigen Jungen darin einen hübschen Anblick darbietet. Wegen seiner Zutraulichkeit ist das Goldhähnchen sehr leicht zu fangen, und zwar geschieht dies auf eine höchst eigentümliche Weise, die man „Kikeln" nennt. Man schleicht einer Gesellschaft von Goldhähnchen mit einer langen Gerte, an die vorn ein Leimrütchen gebunden ist, so lange nach, bis man eins damit berühren kann, worauf es sofort kleben bleibt. Das gelingt bei diesen harmlosen Tieren mit einiger Vorsicht ohne Schwierigkeit. Sie gewähren, in Gefangen­ schaft gehalten, durch ihr niedliches Wesen großes Ver­ gnügen, erfordern jedoch bei ihrer Hinfälligkeit — sie sterben nämlich schon von der geringsten Verletzung, ja sogar, wenn man sie lange in der Hand hält — sehr viel Mühe, Sorgfalt und Kenntnis. Bei Goldhähnchens war ich jüngst zu gast! Sie wohnen int grünen Fichtenpalast In einem Zimmerchen klein. Sehr niedlich und sehr fein. Was hat es gegeben? Schmetterlingsei, Mückensalat und Gnitzenbrci Und Käferbraten famos — Zwei Millimeter groß. Dann sang uns Vater Goldhähnchen was, So zierlich klang's wie gesponnenes Glas. Dann wurden die Kinder besehn: Sehr niedlich alle zehn! Dann sagt ich: „Adieu!" und „Danke sehr!" Sic sprachen: „Bitte, wir hatten die Ehr Und hat uns mächtig gefreut!" Es sind doch reizende Leut!

168. Der Zaunkönig. Ein zweiter Liliputaner, der den meisten wenigstens dem Namen nach besser bekannt ist, schon aus dem Grunde, weil sich eins der hübschesten deutschen Volksmärchen mit

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ihm beschäftigt, ist der Zaunkönig, den man bei mir zu Hause auch wohl wegen seiner Kleinheit spottweise „GrotJochen" nennt. Der Zaunkönig ist ein zierliches, rostbraunes, etwas dunkler gewelltes Vögelchen, dessen Betragen eine seltsame Mischung von Keckheit und unbegrenzter Furchtsamkeit zeigt. Wenn er, etwas Auffälliges bemerkend, seine Bücklinge macht, seinen Ruf „Zerz, Zerz!" ausstößt und das kleine Drollige Schwänzchen noch höher aufgerichtet trägt als ge­ wöhnlich, dann sieht er außerordentlich keck aus, wie ein kleiner Held; naht sich ihm aber eine wirkliche Gefahr, so gerät er in schreckliche Angst und verkriecht sich augen­ blicklich, ja auf freiem Felde sogar in ein Mauseloch, wenn

eins da ist. Der Zaunkönig konimt häufig in der Nähe von Gebäuden vor, wo tote Zäune und Neisighaufen ihm will­ kommene Schlupfwinkel darbieten, doch findet man ihn namentlich in der Nähe des Wassers auch mitten im .Hoch­ walde, und es berührt höchst angenehm, wenn in dem finstern und an Vogelstimmen so armen Gebirgswalde plötzlich der laute jauchzende Gesang dieses kleinen Tier­ chens wie ein einfallendes Sonnenlicht von Tönen auf­ blitzt. Denn der Kleine hat eine mächtige Stimme und einen hellpfeifenden, sehr hübschen Gesang, der ein wenig dem des Kanarienvogels ähnelt und auch mit dem des Baumpiepers verglichen wird. Selbst im Winter bei streng­ ster Kälte, wenn nur ein wenig die Sonne scheint, läßt er diesen Gesang erschallen. Im Durchschlüpfen von Ritzen und Winkeln, von Rei­ sigzäunen und verworrenem Wurzelgeflecht tut es ihm kein Vogel gleich; da glaubt mau manchmal, wenn er so flink dahinschlüpft, eine Maus zu sehen. An solchen verborge­ nen Orten, in allerlei dunklen Winkeln und auch beson­ ders gern an leerstehenden Jäger- und Köhlerhütten im Walde baut er sein überaus künstliches Nest. Man findet dann sechs bis acht niedliche weiße Eier, die am stumpfen

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Ende mit roten Pünktchen verziert sind. Wenn die Jungen ausgeflogen sind, halten sie sich gern zusammen und sitzen oft auf einem dürren Reischen alle nebeneinander. Es ist überhaupt sehr drollig, ein Zaunkönigspaar zu sehen, das seine ausgeflogenen Jungen führt. Kommt man in die Nähe, so erheben sie einen ganz gewaltigen Lärm und lassen fortwährend ihr warnendes Geschrei: „Zerr Zerr!" ertönen, während die Jungen wie die Mäuse in das dichteste Gebüsch schlüpfen. Nimmt man diese rechtzeitig aus dem Neste, so lassen sie sich mit frischen Ameisenpuppen leicht aufziehen, werden sehr zahm und erregen durch ihr drolliges Wesen viel Vergnügen. Mein Bruder hatte einmal fünf so kleine Tierchen, die zwar schon etwas fliegen, aber noch nicht allein ihr Futter aufnehmen konnten. Wenn sie zu essen bekamen, saß ihm auf jedem Finger der linken Hand eins dieser winzigen Vögelchen — ein reizender Anblick.

Johannes Trojan. 169. Das Abenteuer im Walde. Es regnete, was vom Himmel herunter wollte. Die Tannen schüttelten den Kopf und sagten zueinander: „Wer hätte am Morgen gedacht, daß es so kommen würde!" Es tropfte von den Bäumen auf die Sträucher, von den Sträuchen auf das Farnkraut und lief in unzähligen kleinen Bächen zwischen dem Moose und den Steinen. Am Nachmittag hatte der Regen angefangen, und nun wurde es schon dunkel, und der Laubfrosch, der vor dem Schlafengehen noch einmal nach dem Wetter sah, sagte zu seinem Nachbar: „Vor morgen früh wird es nicht aufhören." Derselben Ansicht war eine Ameise, die bei diesem Wetter im Walde spazieren ging. Sie war am Vormittag mit Eiern in Tannenberg auf dem Markte gewesen und trug jetzt das dafür gelöste Geld in einem kleinen blauen Leinwand­ beutel nach Hause. Bei jedem Schritte seufzte und jammerte sie. „Das Kleid ist hin," sagte sie, „und der Hut auch. Helsel und User, Lesebuchs.

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Hätt ich nur den Regenschirm nicht stehen lassen, oder hätt ich wenigstens die Überschuhe angezogen! Aber mit Zeug­ schuhen in solchem Regen ist gar kein Weiterkommen." Während sie so sprach, sah sie gerade vor sich in der Dämmerung einen großen Pilz. Freudig ging sie darauf zu. „Das paßt," rief sie, „das ist ja ein Wetterdach, wie man es sich nicht besser wünschen kann. Hier bleib ich, bis es auf­ hört zu regnen. Wie es scheint, wohnt hier niemand — desto besser! Ich werde mich sogleich häuslich einrichten." Das tat sie denn auch. — Sie war eben daran, das Regenwasser aus den Schuhen zu gießen, als sie bemerkte, daß draußen eine kleine Grille stand, die auf dem Rücken ihr Violinchen trug. „Hör, Ameischen," hub die Grille an, „ist es er­ laubt, hier unterzutreten?" — „Nur immer herein!" er­ widerte die Ameise; „es ist mir lieb, daß ich Gesellschaft be­ komme." — „Ich habe heute," sagte die Grille, „im Heide­ krug zur Kirmes aufgespielt. Es ist ein bißchen spät ge­ worden, und nun freue ich mich, daß ich hier die Nacht bleiben kann; denn das Wetter ist ja schrecklich, und wer weiß, ob ich noch ein Wirtshaus offen finde." Also trat Grillchen ein, hing sein Violinchen auf und setzte sich zu der Ameise. Noch nicht lange saßen sie da, als sie in der Ferne ein Lichtchen schimmern sahen. Als es näher kam, erkannten sie es als ein Laternchen, das ein Johannis­ würmchen in der Hand trug. „Ich bitt euch," sagte das Johanniswürmchen höflich grüßend, „laßt mich die Nacht hier bleiben! Ich wollte eigentlich nach Moosbach zu meinem Vetter, habe mich aber im Walde verirrt und weiß weder aus noch ein." — „Nur immer zu," sagten die beiden, „es ist recht gut für uns, daß wir Beleuchtung bekommen." Gern folgte Johanniswürmchen der Einladung und stellte sein Laternchen auf den Tisch. Der Schein des Lichtchens führte ihnen bald einen Wanderer zu, der ziemlich ungeschickt über Laub und Moos herangestolpert kam. Es war ein Käfer von der größten Art. Ohne guten Abend zu sagen, trat er ein. „Aha!" ries

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er, ,,so bin ich doch recht gegangen, und dies ist die Zimmergesellen-Herberge." Mit diesen Worten setzte er sich, holte seinen Schnappsack hervor und begann sein Abendbrot zu verzehren. „Ja, ja," sagte er, „wenn man den ganzen Tag über Holz gebohrt hat, dann schmeckt das Essen." Als er mit dem Essen fertig war, stopfte er sich eine Pfeife, liest sich vom Johanniswürmchen Feuer geben, zündete an und fing an, ganz, gemüt­ lich zu rauchen. Unterdessen war es draußen ganz dunkel geworden und das Wetter schlimmer als vorher, da traf zu allgemeiner Verwunderung noch ein später Gast ein. Schon seit längerer Zeit hörte man in der Ferne ein eigentümliches Schnaufen; dies kam langsam näher und näher, und endlich erschien unter dem Pilze eine Schnecke, die ganz außer Atem war. „Das nenne ich lausen!" rief sie; „wie bin ich gejagt! ordentlich das Milzstechen hab ich be­ kommen. Ich will nur gleich bemerken, daß ich im nächsten Dorfe eine Bestellung zu machen habe, die Eile hat. Aber niemand kann Wer seine Kräfte, besonders wenn er sein Haus trägt. Wenn die Gesellschaft erlaubt, will ich hier ein paar Stündchen rasten; dann kann ich nachher wieder galoppieren, als gälte es, den Dampfwagen einzuholen." Niemand hatte etwas dagegen, daß sich die Schnecke ein gemütliches Plätzchen aussuchte. Da setzte sie sich vor ihre Haustür, holte ein Strickzeug hervor und fing an zu stricken. So waren nun die Fünfe da versammelt, als die Ameise das Wort nahm und also sprach: „Warum sitzen wir hier so trübselig bei einander und langweilen uns, da wir uns doch die Zeit auf angenehme Weise verkürzen könnten? Ich habe daran gedacht, daß wir uns Geschichten erzählen sollten, und gern würde ich selbst den Anfang machen, wenn ich nur eine recht hübsche Geschichte wüßte. Nun ist mir aber eben etwas noch Besseres eingefallen. Ich sehe, daß die Grille ihr Violinchen bei sich hat. Wenn sie nicht gar zu müde ist, möcht ich sie bitten, uns ein lustiges Stückchen zu spielen, damit wir eins tanzen können."

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Dieser Vorschlag der Ameise fand allgemeinen Beyfall. Die Grille aber ließ sich nicht lange nötigen, sondern stellte sich sogleich mit ihrem Violinchen in die Mitte und spielte das lustigste Tänzchen herunter, welches sie auswendig waßte, während die andern um sie herumtanzten. Nur die Schnecke tanzte nicht mit. „Ich bin," sagte sie, „nicht gewöhnt an das schnelle Herumwirbeln; mir wird zu leicht schwindelig. Aber tanzt, soviel ihr wollt, ich sehe mit Vergnügen zu und mache meine Bemerkungen." Die andern ließen sich denn auch gar nicht stören, sondern jubelten so laut, daß man es auf drei Schritte Entfernung hören konnte. Aber ach! durch welch ein furchtbares, ungeahntes Er­ eignis wurde plötzlich ihr Fest unterbrochen! Der Pilz, unter welchem die lustige Gesellschaft tanzte, gehörte leider einer alten Kröte. An schönen Tagen saß sie oben auf dem Dache, wie die Kröten zu tun pflegen; trat aber schlecht Wetter ein, so kroch sie unter den Pilz, und es konnte ihret­ wegen regnen von Pfingsten bis Weihnachten. Diese Kröte nun war am Nachmittag nach dem nächsten Moor zu ihrer Base, einer Unke, gegangen und hatte sich mit derselben bei Kaffee und Napfkuchen so viel erzählt, daß es darüber dunkel geworden war. Jetzt am Abende kam sie ganz leise nach Hause geschlichen. Über den Arm hatte sie ihren Arbeits­ beutel hängen, und in der Hand trug sie einen roten Regenschirnr mit messingener Krücke. Als sie in ihrem Hause den Jubel hörte, trat sie noch leiser auf; so kam es, daß die Leutchen drinnen sie nicht eher gewahr wurden, als bis sie mitten unter ihnen stand. Das war eine unerwartete Störung! Der Käfer fiel vor Schreck auf den Rücken, und es dauerte fünf Minuten, ehe er wieder auf die Beine kommen konnte. Das Leuchtkäferchen dachte zu spät daran, daß es sein Laternchen hätte aus­ löschen sollen, um in der Dunkelheit zu entwischen. Die Grille ließ mitten im Takt ihr Violinchen fallen, die Ameise sank aus einer Ohnmacht in die andere, und selbst die Schnecke, die sonst nicht leicht aus der Fassung zu bringen

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ist, bekam Herzklopfen. Sie wußte sich aber schnell zu helfen; sie kroch in ihr Häuschen, riegelte die Tür hinter sich ab und sprach zu sich: „Was da will, kann kommen! Ich bin für niemand zu sprechen." — Nun hättet ihr aber hören sollen, wie die Kröte die armen Leute heruntermachte! „Sieh einmal an," rief sie zornig und schwang ihren Regenschirm, „da hat sich ja ein schönes Lumpengesindel zusammengefunden! Ist das hier eine Herberge für Landstreicher und Dorfmusikanten? Ich sage es ja, nicht aus dem Haus kann man gehen, gleich ist der Unfug los. Augenblicklich packt jetzt eure Siebensachen ein, und dann fort mit euch, oder ich will euch schon Beine machen!" — Was war zu tun? Die armen Leute wagten gar nicht, sich erst aufs Bitten zu legen, sondern nahmen still ihre Sachen auf, riefen der Schnecke durchs Schlüssel­ loch zu, daß sie mitkommen solle, und als auch diese sich fertig gemacht hatte, zogen sie alle zusammen von dannen. Das war ein Näglicher Auszug! Voran das Johannis­ würmchen, um auf dem Wege zu leuchten, dann der Käfer, dann die Ameise, dann das Grillchen und zuletzt die Schnecke. Der Käfer, der eine gute Lunge hatte, rief von Zeit zu Zeit: „Ist hier kein Wirtshaus?" Aber alles Rufen war vergeblich. Als sie ein Stück gegangen waren, merkten sie, daß die Schnecke nicht mehr bei ihnen war. Sie riefen alle zusammen in den Wald zurück: „Schnecke! Schnecke! beeil dich!" — erhielten aber keine Antwort. Die Schnecke mußte wohl soweit zurückgeblieben sein, daß sie die Rufe nicht mehr hören konnte. Die andern zogen betrübt weiter, und nach langem Umherirren fanden sie unter einer Baumwurzel ein leidlich trockenes Plätzchen. Da brachten sie die Nacht zu unter großer Unruhe und ohne viel zu schlafen. Wenn sie auch mit heiler Haut davon gekommen, es blieb doch immerhin ein schlimmes Abenteuer, und die mit dabei ge­ wesen sind, werden daran denken, so lange sie leben.

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170. Linsenfeld-Nnkraut im Zimmer. Linsen geben, auf verschiedene Art zubereitet, ein sehr gutes Gericht ab. Sollen sie aber im Hause zu Mittag gekocht werden, so muß man sie vorher verlesen, denn nicht nur schlechte Linsen finden sich unter den guten, sondern auch viele fremde Körnlein, welche mitgeerntet worden sind. Diese Gelegenheit, etwas zu lernen, versäume man nicht. Man kann es den Körnlein, wenn man nicht sehr ge­ lehrt ist, freilich nicht ansehen, was für Gewächse aus ihnen hervorgehen können, aber herauszubekommen ist es doch. Das stellt man so an. Zunächst bewirbt man sich um die Erlaubnis, die Linsen verlesen zu dürfen. Ge­ wöhnlich wird das gern erlaubt werden, wenn man sich nur verpflichtet, die Sache gut und gründlich zu besorgen. Nun verliest man die Linsen gut und gründlich und läßt nichts Fremdes zwischen ihnen; die fremden Körnlein aber, die man unter den Linsen gefunden hat, nimmt man als Lohn für die Arbeit in Anspruch. Dann füllt man einen Holzkasten mit Gartenerde, säet da all die aufgefundenen Samenkörnlein hinein, stellt den Kasten an ein Fenster und überläßt alles weitere dem Himmel, nur daß man die Erde mäßig feucht hält. Wohlgemerkt aber, man wartet damit bis zum Frühling, bis zu der Zeit etwa, da es die ersten Veilchen gibt. Nun begibt sich etwas sehr Merkwürdiges. Nicht lange dauert es, und in dem Kasten geht eine Menge von Pflanzen auf. Ich sage nicht, obwohl ich es weiß, was für Pflanzen es sind; denn die Hauptsache bei dem Ganzen ist die Über­ raschung und das Vergnügen, eines nach dem andern, wie es aufwächst, zu erkennen oder, wenn es als unbekannt sich herausstellt, regelrecht zu bestimmen. Zu Anfang des Sommers hat man dann in dem Kasten eine lustige kleine Wildnis, und mit Verwunderung sagt man zu sich selber: „Das alles lag also in den un­ scheinbaren kleinen Körnern, und das alles hat der Kauf­ mann, von dem die Linsen gekauft sind, uns umsonst zu-

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gegeben. Ist es aber eigentlich nicht mehr wert als die Linsen?" — „Ach, es ist ja doch nur Unkraut!" sagt einer. Das ist aber ganz unrichtig; Unkraut wäre es, wenn es im Linsenfeld stände, im Kasten aber und im Zimmer ist jedes einzelne eine Zierpflanze. Betrachtet doch einmal das Blatt der kleinen Brennessel, die im Linsen­ unkraut-Kasten so leicht nicht fehlen wird. Man sieht sich gerade dieses Blatt selten genau und in Ruhe an, und doch ist es sehr wert der Betrachtung. Es ist von besonders schöner Form, ist geradezu ein Meisterwerk.

171. Die Wichtelmännchen. A. Ich weiß nicht, wie du es anfängst, daß dein Wohlstand immer mehr ziinimmt. Ich versuche alles mög­ liche und kann doch auf keinen grünen Zweig kommen. Ich glaube, es geht nicht mit rechten Dingen zu, daß du so viel Glück hast. B. Wenn du nur schweigen könntest! A. Wie das Grab. Bitte, sage mir, wie du's ge­ macht hast. B. Ich will dir gestehen — du mußt es aber nicht weitersagen! — daß ich zu meinem Wohlstand gekommen bin durch ein paar kleine Geister, von der Art, die man Heinzel- oder Wichtelmännchen nennt. A. Ich habe mir's immer gedacht. Erzähle weiter! B. Es sind ihrer zwei. Der erste, den ich schon von Hause mitnahnl, als ich auf mein Eigen ging, hieß Sparwas und war von recht unansehnlicher Bildung und von rauhem Wesen. Er war ein unruhiger Geist; des Mor­ gens ganz früh fing er schon an dergestalt zu rumoren, daß ich nicht mehr schlafen konnte, sondern an die Arbeit gehen mußte. Bei der Arbeit stand er immer hinter mir und trieb mich an, und bei allem, was ich unternahm, hatte er ein Wort drein zu reden. Ich fügte mich ihm, weil ich der Überzeugung war, daß er es eigentlich gut mit mir meinte.

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A. Aber durch den bist du doch nicht zu deinem Mck gekommen? B. Höre nun weiter: nach einiger Zeit nahm ich mir eine Frau, die sich gut mit Sparwas vertragen körnte. Wir lebten sehr tätig und einfach, wovon der Grund war, daß Sparwas noch immer bei uns hauste. Dann, nach vielen Jahren, fand sich ein anderer kleiner Gast bei uns ein, der Habwas hieß und schinuck und ansehnlich aussah. Von dem kann ich dir viel Gutes erzählen. Er zox so­ gleich in die Küche und kochte uns besseres Essen, als wir früher gehabt hatten. Da kam er eines Tages und hcngte uns den ganzen Kleiderschrank voll neuer Sachen. Dann kaufte er uns ein Stück Acker, baute uns ein Häuschen darauf und richtete dasselbe in allen Räumen so cllerliebst ein, daß wir sehr mit ihm zufrieden waren. Jetzt, wie er mir sagt, geht er eben damit um, uns auch noch das Grundstück des Nachbarn anzukaufen. A. Das gefällt mir von ihm. Hör, kannst du mir nicht auf einige Zeit deine kleinen Geister ins Haus schicken? B. Ich will sehen, was sich tun läßt. Ich will einmal mit Sparwas reden, und dann mußt du mit ihm reden und dann? A. Nein, das paßt mir nicht. Zu Sparwas hab: ich nicht viel Vertrauen. Kannst du mir nicht sogleich den Habwas ins Haus schicken? B. Wird sich schwer machen lassen. So viel ich weiß, kommt Habwas nie in ein Haus, wo nicht Sparwas vor­ her gehaust hat. A. Dann ist es überhaupt nichts damit. Ich glaube jetzt, du hast mir ein Märchen aufgebunden mit deinen Wichtelmännchen. Behalte sie beide. Ich werde mir schon anders helfen. B. Geh doch nicht gleich! Bleibe doch! Er geht — er ist schon fort. — Ja, wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen.

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Konrad von Unruh. 172. Der Storch mit dem merkwürdigen Schnabel. Vor Jahren lebte im alten Botanischen Garten zu Berlin ein Storch, der zu Kinder« sehr vertraulich war, aber gegen Erwachsene mißtrauisch blieb. Er schien nicht vergessen zu können, daß solche ihm viel Schmerz und Ungemach verursacht hatten, während sie ihn doch vom Verhungern retten wollten. Auf den alten Schöneberger Wiesen, da, wo jetzt das sogenannte bayrische Viertel errich­ tet ist, hatten zwei Spaziergänger ihn hilflos ermattet aufge­ funden. Der halbe Oberschnabel war ihm abgebrochen, da­ mit seine Hauptwasfe verloren gegangen, aber auch jede Ernährungsmöglichkeit. Mitleidig brachten die beiden das Tier zu einem Klempnermeister, der kunstvoll aus Zink­ blech einen Ersatzschnabel fertigte, an den noch haltbaren Stumpf annietete und noch dazu mit rotem Blechlack an­ strich. Sträubend hatte der Storch den Meister mit den Flügeln ins Gesicht geschlagen, aber der joviale Alte hatte nur gemeint, solche Vorausbezahlung bedürfe er nicht, und, als die Herren nach dem Preise der fertigen Arbeit fragten, geantwortet, solche Arbeit ließe sich nur paarweise be­ rechnen.

Dann hatten die Herren den Adebar mit dem Blech­ schnabel dem damaligen Kastellan des Botanischen Gartens gebracht und dort am kleinen Teiche niedergesetzt, der von Frischen wimmelte. Sogleich erwies der Kunstschnabel sich als durchaus brauchbar, und der Storch blieb seiner neuen Heimstätte treu. Im Herbste wanderte er ab, kehrte aber im nächsten Frühjahr mit einer Gefährtin zurück und nistete noch sechs Jahre auf dem alten Kalthause. Der Blech­ schnabel hatte die Farbe verloren und war glänzend blank geworden, aber er hielt und genügte seinem Zwecke voll­ kommen. —

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Unruh.

173. Pflichttreue der Pferde. I. In seinem Schlosse zu G. in Ostpreußen gab der Gutsherr ein großes Fest, zu dem die Gutsnachbarn wie immer vierspännig auf der hohen Schloßrampe vorsuhren. Einen von ihnen zwang Unpäßlichkeit der Frau, schon zeitig vor den anderen den Heimweg anzutreten. Der Kutscher wurde bestellt, fuhr auf die noch unbeleuchtete Rampe und wartete. Da fiel ihm ein, er habe im Stall etwas vergessen; also sprang er rasch ab, um es zu holen. In dem Augenblick treten Herr und Frau N. N. hin­ aus an den Wagxn, steigen ein, und der helfende Diener des Hauses schlägt in üblicher törichter Weise die Wagen­ tür mit lautem Knall zu. Dies Signal kennen die vier starken Pferde, ziehen sofort an, von der Rampe herunter kommt der schwere Wagen so recht in Schuß, und hin geht die Fahrt. Herrn N. befremdet das starke Tempo, das der Kutscher sofort einschlägt! Sobald seine Augen sich aber an die Dunkelheit gewöhnt haben, bemerkt er, daß der Bocksitz leer ist, also die Pferde führerlos gehen. Um seine nervöse Frau nicht zu erschrecken, sagt er nichts davon, hüllt ihr nur den Kopf dicht ein, damit sie nichts merkt und wenn etwas passieren sollte, doppelt geschützt ist. Denn schlimmstenfalls hält ein fester Wagen immer noch mehr aus, als ein Menschenkörper und -Kopf. Gespannt achtet er, wie geschickt die vier Prachtpferde den Wendungen und Abbiegungen des Heimweges folgen, aus­ weichen und zuletzt in rasender Fahrt die schwierige Ein­ fahrt des heimatlichen Hofes scharf um Gebäudeecken her­ um tadellos nehmen. Daheim im Hofe denken sie aber nicht daran, zum Stalle zu eilen, sondern wie immer machen sie den großen Bogen zur Vorfahrt, und vor der Haus­ tür stehen sie, ganz wie sich's gehört, still. Rasch springt Herr N. heraus zu den Pferden, die er nicht genug loben und liebkosen kann, und seine Frau erfährt nun erst, wel-

Unruh.

Volz.

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chem vorzüglichen Kutscher sie für diese Fahrt an der braven Klugheit und Pflichttreue der Pferde gehabt. II.

Nahe meiner Wohnung befand sich eine große Kachelund Ofenfabrik, deren Besitzer ich eines Mittags aufsuchen wollte. Auf dem Hofe war ein alter Schimmel vor ein Göpelwerk zum Mischen und Kneten des Tons gespannt, aber er stand still. Gewöhnt zu Pferden zu sprechen, klopfte ich ihm den Hals und sagte: „Na, willst du nicht mehr ziehen, oder sollst du nicht?" Ein Arbeiter, der das ge­ hört, sah aus der Tür und antwortete: „Nein, er will nicht mehr, es hat zwölf geschlagen." — Das interessierte mich natürlich, und ich erfuhr, daß der Schimmel seit Jahren den Göpel ziehe, aber schon in der ersten Zeit habe er gemerkt, daß, wenn es zwölf schlägt und die Fabrikglocke läutet, der Arbeit das Futter zu folgen habe. Der Mann sagte: „Da können Sie machen, was Sie wollen, nach zwölf zieht er nicht eher wieder an, als bis er sein Futter gekriegt hat." Der nun gerade hinaustretende Besitzer fügte hinzu: „Keine Macht der Erde bringt den Schimmel nach zwölf ohne Futter wieder in Gang. Er wehrt sich nicht, macht gar nichts, aber er zieht nicht, während er sonst unermüdlich geht und nie einen Antreiber braucht."

Walter Volz. 174. Bom Flußadler. Märchen aus Sumatra.

In den großen Flüssen sieht man sehr oft einen brau­ nen, weißköpfigen Adler, der sich vom Fischfang nährt. Seinen lauten, weithin hörbaren Schrei wird man immer wieder erkennen. Die Malaien glauben, daß er ein ver­ zauberter Mensch sei, und erzählen sich folgende Geschichte: Eine Mutter und ihr Sohn bewohnten eine Hütte an dem Ufer eines großen Flusses. Da sie beide sehr arm

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Volz,

waren, so beschloß der Sohn, in die weite Welt zu zichen und dort sein Glück zu versuchen. Als eines Tages ein Schiff den Fluß Hinuntersuhr, verdingte er sich als Matrose. Durch kühne Unternehmungen wurde er nach einiger Zeit

so reich, daß er sich ein eigenes Schiff kaufen konnte, das er mit einem Kapitän, einem Steuermann, vielen Mctrosen und Kulis bemannte und nach seiner Heimat zurück­ fuhr. Bei der Hütte seiner Mutter legte er an, und die alte Frau kam gleich an Bord, um ihr lange ersehntes Kind zu begrüßen. Da sie sehr häßlich und runzlig war, so machte sich der Steuermann über sie lustig, und auch der Kapitän erwählte sie als Ziel seines Spottes. Nun wie die Matrosen und Kulis sahen, daß ihre Vorgesetz­ ten über die alte Frau lachten, trotzdem sie versicherte, sie sei die Mutter des Besitzers des Schiffes, tanzten sie um dieselbe heruni und höhnten sie aus. Da kam ihr Sohn aus seiner Kabine, und als ihn die Mutter erblickte, stürzte sie auf ihn zu, wollte ihn umarmen und bei ihm Schutz suchen vor dem Gespötte seiner Untergebenen; aber der Sohn schämte sich, die häßliche alte Frau als seine Mutter anzuerkennen, und stieß sie von sich, nannte sie eine verrückte Person und stimmte ins Gelächter der Schiffs­ mannschaft ein. Da verließ die gekränkte Mutter das Schiff, stieg ans Ufer und flehte zu Allah, er möge ihren Sohn strafen. Plötzlich wurde es dunkel, ein heftiger Wind erhob sich, das stolze Schiff zitterte und krachte, legte sich auf die Seite und versank. Nur der Kiel trieb oben auf. Der Sohn kletterte an den Wänden empor, setzte sich auf den Kiel und rief in Todesangst: „Mamaku, Mamaku" (Mama — Mutter, Aku — ich). „Du bist doch meine Mutter,"

aber es nützte nichts mehr. Allah verwandelte ihn zur Strafe in den braunen, weißköpfigen Adler, der noch heute zur Warnung für ungeratene Kinder einen Schrei aus­ stößt, der wie „mamaku, mamaku" tönt.

Wolf.

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Johann Wilhelm Wolf. 175. Der Traum des Wolfes. Der Wolf lag in einer Nacht in seinem Loche, da klang es ihm im linken Ohr. „Das bedeutet eine hochzeitliche Speise," sprach er, ließ morgens alle Brocken liegen, welche er noch übrig hatte, und marschierte weg. Da kam er auf eine Wiese, wo zwei Widder weideten; er ging zu ihnen und sprach: „Einen von euch muß ich fressen." — „Herr, wie du willst," sprach der älteste von den Widdern, „wir können gegen dich nichts ausrichten, aber du bist ein guter Landmesser und könntest vorher die Weide ab­ messen, wie viel jedem von uns gehört, dann gibt es keine Erbstreitigkeiten." — „Das soll geschehen," sprach der Wolf, dem dies schmeichelte, und er lief die Nase an der Erde rund um die Wiese herum und stellte sich dann in die Mitte. „Stellt euch auf die beiden Ecken," rief der Wolf, „du dahin, du dorthin, und laufet auf mich zu, dann werdet ihr finden, daß ich recht gemessen habe." Das ge­ schah, die Widder liefen auf ihn zu und stießen ihn so unsanft mit den Hörnern, daß ihm der Appetit nach ihnen verging und er für tot liegen blieb. Als er wieder zu sich kam, sprach er: „Die Schmer­ zen achte ich nicht, ich traue auf mein Ohr," und er ging weiter und kam an eine andere Wiese, da weidete ein Pferd mit einem Füllen. „Eins von euch muß ich fressen," rief er. Das Pferd sprach: „Herr, wie du willst, du bist der Stärkere, aber ich habe mir einen Dorn in den Fuß getreten, frißt du mir mein Füllen, dann habe ich nie­ mand, der mir den Dorn aus dem Fuße zieht; darum bitte ich dich, tu mir zuvor den Liebesdienst, du bist als ein geschickter Feldscherer bekannt." — „Das soll ge­ schehn," sprach der Wolf, bent der Mund nach dem jungen Füllenfleisch wässerte, und dem das Lob außerdem wohl tat. „Heb nur den Fuß auf, und sage mir, wo der Dorn

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Mols.

steckt, ich hole ihn eins zwei drei heraus." Das Pferd hob einen Hinterhuf, der Wolf trat hinzu; als er aber recht genau zuguckte, schlug ihn das Pferd vor den Kopf, daß ihm grün und gelb vor den Augen wurde und er für tot liegen blieb. Als er wieder zur Besinnung kam, sprach er: „die Schmerzen achte ich nicht, ich traue meinem Ohr und muß meine hochzeitliche Speise finden." Er schritt, anfangs matt, dann immer rüstiger, weiter und kam an ein Dorf. Vor dem Dorf stand der Backofen und glühte, und vor dem Backofen stand eine alte Geiß mit sieben jungen Geiß-chen, die meckerten, daß es eine Art hatte. Der Wolf lief auf sie zu und rief: „Eins von euch muß ich fressen." — „Muß ist ein bitter Kraut," sprach die Geiß, „aber Herr, wie du willst, denn du bist der Stärkere. Nur könntest du uns zuvor noch einen Gefallen tun." — „Was ist das?" fragte der Wolf. „Wir sangen soeben das Sieb: Eine feste Burg, aber die Melodie will nicht recht her­ aus, da du ein so guter Sänger bist, könntest du sie uns einmal Vorsingen, dann magst du sogleich eins von meinen Geißerchen fressen und kannst es dir aussuchen." Das schmeichelte dem Wolf nicht wenig, denn er hörte sich gar zu gern loben. Er setzte sich auf seine Hinterbeine, fegte mit den Vorderpfoten in der Luft herum, als schlüge er den Takt, und hub an zu heulen, daß alle Bauern int Dorfe zusammenliefen und ihm so das Fell zergerbten, daß ihnt die Lust nach Geißenfleisch ganz und gar verging. Da schlich er betrübt und hungrig in den Wald, legte sich unter einen Eichbaum und rief: „Ach, was bin ich für ein dummer Kerl! Ach Gott, wirf dein scharfes Schwert von deinem elfenbeinernen Turm und strafe mich um meiner Dummheit willen, daß ich meinem linken Ohr so viel getraut habe!" Nun saß auf der Eiche ein Bauer, der mit seinem Beil im Wald gearbeitet hatte und, als er den Wolf kommen sah, auf den Baum geklettert tvar. Als der den Wolf also rufen hörte, faßte er das Weil

Wolf.

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und warf es ihm gerade zwischen die Ohren. „Uh!" schrie der Wolf, „die Stätte ist gar zu heilig, da wird jede Bitte allzubald erhört!" und er schleppte sich schachmatt und halb tot zu seiner Höhle. Da fand er kein Bröcklein mehr von seinem Vorrat, er sprach trostlos zu sich selbst: „Mein Vater war kein Landmesser, darum kann ich auch keiner sein; mein Vater war kein Feldscherer, drum kann ich auch keiner sein; mein Vater war kein Sänger, drum kann ich keiner sein und kann mir mein Brot nicht verdienen." Und darüber quälte er sich so, daß er sich hinlegte und starb.

Karl Zeitz. Heiteres mrS dem Feldzug 1870—71.

176. Der bayrische Musketier lernt Französisch. Ein biederer, bayrischer Musketier tritt zu einem Ein­ jährigen seiner Kompagnie, sagt ihm, daß er zur Ver­ ständigung mit den Einwohnern noch einiger Worte be­ dürfe und fragt: „Was heißt essen?" — „Manger," ant­ wortet der Einjährige. „Und was trinken?" — „Boire!" — „So, jetzt weiß ich genug, nun komme ich mit den Leu­ ten aus." Im nächsten Quartiere faßt er seinen Bauer am Arm, hält ihm seine Uhr. vor die Augen, deutet auf 9 Uhr und sagt mit großer Bestimmtheit: „Manger!" Dann zeigt er auf 12 Uhr: „Manger!" Auf 3 Uhr: „Manger!" Auf 6 Uhr: „Manger!" Nun fährt er mit dem Zeigefinger rings um das Zifferblatt herum, sieht seinem Pisang mit aller Schärfe, deren in durstigen Zeiten ein Bayer fähig ist, in das erstaunte Gesicht und ruft ihm mit mächtiger, allen Widerstand beugender Donnerstimme — dabei immer mit dem Zeigefinger rings um das Zifferblatt fahrend — zu: „Boire!"

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Zeitz.

177 Der Sergeant bestellt Eier. Der Sergeant hatte seinen Leuten aufgetragen, von der Bauersfrau Eier zu kaufen. Die Musketiere kamen zurück. „Herr Sergeant, die Frau gibt uns keine @i?r," meldeten sie. „Habt ihr bei der Frau auch deutlich (riet bestellt?" fragte mit Würde der Sergeant. „Jawohl, Herr Sergeant, die Frau versteht das aber nicht." — „Sie ver­ steht das nicht? Sie versteht euch nicht, ihr Kerle!" wetterte streng der Herr Sergeant. „Nein, es ist doch großartig, nicht einmal Eier kann so ein Mensch bestellen! Muß ich denn alles für euch tun? Nun steht ihr da und sperrt die Mäuler auf. Bringt mir einmal die Frau her, ich werde die Eier selbst bestellen." Die Frau, hüben und drüben unterstützt von einem Musketier, trat an. Der Sergeant thronte auf der Ecke des einzigen Tisches der Bauernstube. Der Herr Sergeant faßte die Frau, die an allen Gliedern zitterte, am Arme und sagte ihr mit ruhiger, würdevoller Stimme: „Fran, bringen Sie uns Eier." — „Comprends Pas, Monsieur, comprends Pas du tout," stammelte die gute Bäuerin. Der Sergeant blieb groß, wie zuvor, in seiner Würde und aus seiner Tischecke. Die Musketiere umstanden erwartungsvoll ihren hohen Vorgesetzten. Der Sergeant wiederholte, immer noch ruhig, die Worte: „Frau, Eier!" — „Comprends Pas, Monsieur, comprends Pas du tout," gab sie wiederholt ängstlich zur Antwort. Nun ging aber, zum besseren Verständnis für die Französin, der Herr Sergeant von Steigerung zu Steigerung und zwar in der Weise, daß er das Wort: „Ei — er!" immer langsamer und lauter sagte, bis er endlich mit donnernder Kommandostimine ihr ein: „Ei — er!" in die Ohren brüllte, daß man damit eine ganze Batterie hätte übertönen können. Noch eine weitere Steigerung, und es hätte ein französisches Trommelfell weniger gegeben.

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Zeitz.

Da kam ein Musketier angesprengt, in der hoch er­ hobenen Rechten ein Huhn, hielt es der Frau unter die Nase und strich es nun an der Seite des hühnerhaften Leibes, die dem Schnabel gerade entgegengesetzt ist, in­ dem er dabei die Bewegung des Herunterfallens nachahmte. Sinnend betrachtete erst die Frau ihr geliebtes Huhn und dann den rätselhaften Strich des Musketiers, der Sergeant brüllte dazu: „Ei — er! Frau! Ei — er!" Der Musketier stellte das Eierherabfallen so anschaulich

dar, daß endlich der guten Frau ein Licht aufging. „Ah," meinte sie, „des oeufs? des oenfs?" Und nun stürzte die Französin weg, um bald darauf mit einer Schürze voll Eier zurückzukommen. Mit Würde sah sich der Sergeant im Kreise seiner Musketiere um, die ihn staunend angafften. „Na," sagte er stolz, „seht ihr nun, ihr Kerle, da habt ihr Eier. Man muß eben nur verstehen mit den Leuten zu reden! Aber so ein Dämelsack will ein Bauer sein und kann nicht eininal Eier bestellen. Und mit solch einer Gesellschaft soll ich Krieg führen!"

178. Das Festmahl. Wir wollten zu Abend essen, aber wir hatten nichts. Doch schürten wir das Kaminfeuer, die Burschen schwärm­ ten nach Lebensmitteln aus. Bald steckte der eine, bald der andere dieser Leute die Nase durch die Stubentür, um kleinlaut zu melden, daß er noch immer nichts gefunden habe. Endlich kam einer freudestrahlend an. Es war der Bursche unsers Vizefeldwebels, er hatte einen Topf mit Kartoffeln gefunden. Seit Orleans war der Bursche unseres Fähnrichs im­ mer wieder mit hochbepacktem Tornister angetreten. Aber jetzt erst kam es zu Tage, was das war. Es war ein irdener Topf mit Honig, welchen er aus einem Keller in Orleans gerettet hatte und seitdem mit herunschleppte. Jetzt trat er an: Es wären nur so wenig

Hkssel und Ufer, Lesebuchs.

M. 14

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Zeitz-

Kartoffeln zu finden, und da wollte er dem Herrn Fähn­ rich den Honig geben. Braver Dietsch ! — So hatten wir also Kartoffeln und Honig. Das war jedoch noch lange nicht alles. Die Kartoffeln standen am Feuer; sie wur­ den gar, das Essen begann. Unser frischer, lustiger Kompagnieführer sagte ir. be­ fehlendem Tone: „Erster Gang: Kartoffeln!" Jeder Mann erhielt eine Kartoffel. Ich drehte meine Taschen um. Richtig, da war in der einen noch etwas Salz, in der anderen Pfeffer. Salz und Pfeffer, großartige Entdeckung! — „Zweiter Gang: Kartoffeln mit Salz!" Jeder erhielt eine weitere Kartoffel und durfte damit in das Salz tunken. Dritter Gang: Salz mit Kartoffeln! Vierter Gang: Kartoffeln mit Pfeffer! Fünfter Gang: Pfeffer mit Kar­ toffeln! Der Leutnant wollte einige Zwischengänge ein­ legen: „Salz mit Pfeffer und Pfeffer mit Salz!" Wir waren jedoch damals nur an so einfache Kost gewöhnt, daß wir bescheiden ablehnten. Nun kamen die süßen Speisen: „Sechster Gang: Kar­ toffeln mit Honig!" Das schmeckt gut! Denkt man heute daran, dann wird es einem noch nachträglich übel und weh. „Siebenter Gang: Honig mit Kartoffeln!" Jetzt folgte der achte Gang: Kartoffeln mit Honig, Salz und Pfeffer! Neunter Gang: Salz und Pfeffer mit Honig und Kartoffeln! Wer das einmal im Leben ge­ kostet hat, vergißt es nie wieder. Es war ein Mahl von neun Gängen. Ja, wir hätten sogar noch mehr Gänge haben können, wären nur die Kartoffeln nicht ausgegangen. Der Leutnant wollte zum Nachtisch Honig mit Salz und Pfeffer geben; wir dankten jedoch, der Feldsoldat muß nicht von allem haben. Wir zogen vor, uns zum Nach­ tisch nur noch einmal in die schönen roten Taschentücher zu schnäuzen. Dann schlummerten wir selig ein.

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179. Die Gründung Aachens. Kaiser Karl der Große liebte sehr das edle Weid­ werk, er pflegte sich damit von seinen schweren Staats­ geschäften zu erholen. Nun waren in der Gegend, wo jetzt die Stadt Aachen liegt, dichte Wälder, die mit Sümpfen und Heiden abwechselten. Wilde Tiere gab es hier in Menge. Es war daher nicht zu verwundern, daß der Kaiser, wenn er diese Gegend besuchte, jedesmal auch in den weiten Wäldern jagte. Einst aber hatte er sich, als er einen Hirsch verfolgte, allein weit von seinen Begleitern entfernt. Im Walde umherirrend, kam er zu einer in Trümmern liegenden Burg. Als er sie nun näher in Augenschein nehmen wollte, sank plötzlich sein Roß mit den beiden Vorderfüßen in einen Morast. Der Kaiser stieg ab und wollte dem Tiere helfen; da sah er an der Stelle, wo die Füße des Pferdes den Boden durchbrochen hatten, heiße Dämpfe aufwallen und gleich darauf einen Wasserstrahl aufspritzen. Der fromme Kaiser sank auf die Kniee und dankte Gott für diese Entdeckung; er er­ kannte sofort, daß hier eine heilbringende Quelle sei. Er gelobte auch, der Jungfrau Maria hier einen Tempel zu errichten; aus den Burgtrümmern aber wollte er sich eine Pfalz bauen lassen. Und so geschah es. Die heiße Quelle wurde gefaßt, und der Kaiser ließ Badehäuser anlegen, die er selbst fleißig benutzte, denn Aachen wurde von nun an sein Lieblingsaufenthalt. Die Kaiserpfalz bestand noch lange Jahrhunderte, in ihr wurden die deutschen Kaiser ge14*

krönt; später ist dieser Palast aber nach und nach von der Erde verschwunden. Die achteckige Palastkapelle steht noch heute, unter ihr hat der Kaiser Karl sein Grab gefunden; durch weitläufige Anbauten ist sie später zu dem Aachener Münster erweitert worden. Die heißen Schwefelquellen sprudeln noch immer, und viele Tausende von Kranken suchen alljährlich daselbst Genesung. 180. Der Edelstein in der brandenburgischen Krone.

Als der Burggraf Friedrich von Hohenzollern auf seiner Burg zu Nürnberg die Boten des Kaisers Sigis­ mund empfangen hatte, welche ihm verkündigten, daß er zum Kurfürsten von Brandenburg bestimmt sei und nach Kostnitz kommen solle, um mit dieser Würde belehnt zu werden, da hatte er in der folgenden Mitternacht eine wunderbare Erscheinung. Es schien ihm nämlich, als trete ein Engel an sein Lager und reiche ihm einen Karfunkelstein, der in allen Farben des Regenbogens glänzte. Als der Burggraf am Morgen erwachte, da lag wirklich ein solcher Stein auf seinem Bette, nur leuchtete er nicht, sondern war matt und glanzlos. Zum Andenken an den Traum verwahrte aber Friedrich den Stein sorg­ sam in einer Truhe. Als er einige Zeit später im festlichen Schmuck in die Stadt Berlin einziehen sollte, da war von den Dia­ manten, welche seinen Kurhut schmückten, der kost­ barste verloren gegangen. Der Kurfürst gedachte jenes Steines, den ihm damals der Engel gegeben hatte, er holte ihn aus der Truhe und versuchte, ob er vielleicht in die Lücke passe. Kaum hatte der Stein den Hut berührt, da saß er so fest, daß man nicht an ihm rütteln konnte, und er leuchtete plötzlich so hell, wie keiner der anderen Edelsteine. Jener Stein hat sich von da ab immer fort­ geerbt, als das kostbarste Stück in der brandenburgischen Krone.

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181 Der Todeswürfel. Zur Zeit des Großen Kurfürsten geschah zu Berlin eine Mordtat, deren zwei Soldaten bezichtigt wurden, die beide zu den Leibtrabanten des Kurfürsten gehörten. Es war so gut wie sicher, daß einer von ihnen der Täter gewesen sein müsse, aber jeder leugnete, und zuletzt sagte der Kurfürst, er wolle die Entscheidung Gott selbst anheimstellen. Er befahl, die zwei sollten würfeln; wer den höchsten Wurf getan, sei für unschuldig zu erachten, der andere aber solle enthauptet werden. Derjenige, der wirklich unschuldig war, drang noch einmal in den andern, er möge sich schuldig bekennen. Der aber schüt­ telte das Haupt, nahm die zwei Würfel und warf zwei Sechsen, den höchsten Wurf, den einer tun kann. Der Unschuldige aber ließ sich trotzdem nicht be­ irren, gläubig sah er gen Himmel und bat Gott, er möge ein Zeugnis seiner Unschuld ablegen. Und wie er die Würfel heftig auf die Trommel warf, da zeigte der eine Würfel eine Sechs, der andere Würfel aber war mitten entzwei gesprungen, und es lag da noch eine Sechs und eine Eins, so daß er dreizehn geworfen hatte, eins mehr als sein Gegner. Letzterer aber ward so be­ stürzt, daß er nicht länger leugnete, sondern seine Schuld eingestand. Der Kurfürst ließ ihn aber nicht töten, son­ dern verurteilte ihn zu langjährigem Gefängnis, auf daß ihm Zeit zur Reue gelassen würde. Der Todeswürfe] aber wird auf der Kunstkammer im Schlosse noch heute gezeigt.

Das Reiterbild des Großen Kurfürsten zu Berlin. Der König Friedrich I. von Preußen ließ seinem Vater, dem Großen Kurfürsten, ein ehernes Reiterbildnis setzen, welches der berühmte Bildhauer Andreas Schlüter zum Beifall aller Kunstverständigen verfertigte. Das Werk wurde auf der sogenannten Langen Brücke, die 182

unweit des Schlosses über die Spree führt, aufgestellt und im Jahre 1703 feierlich eingeweiht. Der Künstler war auf seine Arbeit sehr stolz und soll sich vermessen haben, so ihm jemand einen Fehler nachweisen könne, wolle er sich das Leben nehmen. Da machte ihn einer seiner Gesellen darauf aufmerksam, daß am rechten Vorderhufe des Pferdes das Hufeisen fehle, daß also bei einem so bedeutenden Fehler der Meister durchaus keine Ursache habe, mit seiner Arbeit so wichtig zu tun. Später aber, so erzählt man weiter, habe er sich den wohlverdienten Vorwurf so zu Herzen genommen, daß er von derselben Brücke, wo das Reiterbild aufgestellt war, in die Spree gesprungen und so sein Leben geendet habe. Obwohl nun dem Pferde wirklich das Hufeisen fehlt, so ist doch die Geschichte von dem Selbstmorde des Künstlers erfunden, denn Schlüter lebte bis 1713 als Hofbildhauer und Baumeister in Berlin, wo er auch das Zeughaus, die jetzige Ruhmeshalle, sowie das königliche Schloß erbaut hat. Er ward nach St. Petersburg berufen und starb dort 1714 als Baumeister Peters des Großen. 183. Das Haus mit den Schafsköpfen in Berlin. In der Alexanderstraße zu Berlin steht ein Haus, woran viele steinerne Schafsköpfe angebracht sind. Der Grund dieser seltsamen Verzierung soll aber folgender sein: Der alte Fritz hatte einemBürger, der amAlexanderplatz wohnte, für mannigfache Verdienste ein schönes Haus bauen und selbiges mit mehreren steinernen Fi­ guren schmücken lassen. Ein Nachbar des also Geehrten sann darauf, wie ihm etwas Ähnliches zu teil werden könne. Er geht also zum König und erbietet sich, er wolle eine ansehnliche Stiftung für die Armen machen; der König nimmt das Anerbieten an und heißt ihn sich dafür eine Gnade ausbitten. Da bittet der Bürger, ob der König ihm nicht auch ein ähnliches Haus wolle bauen lassen,

wie er es dem Nachbarn gestiftet hätte. Der König tat das um so lieber, als es sein eifriger Wunsch war, die Residenzstadt mit schönen Neubauten auszuzieren. Als aber der alte Fritz späterhin das neue Haus einmal besah, da zeigte der hochmütige Bürger so wenig Freude, daß der König fragte, ob ihm das Haus nicht gefiele. Jener aber versetzte, er habe insgeheim gehofft, der König werde sein Haus auch mit Standbildern ausschmücken, ähnlich wie er es bei dem Hause seines Nachbarn getan habe. Der König beschloß, den Unverschämten zu strafen; er schickte schon am folgenden Tage einen Künstler, welcher das neue Haus mit 99 Schafsköpfen schmücken sollte. Dem Beisitzer aber schrieb er: „Mit den 99 Ab­ zeichen wird Er hoffentlich zufrieden sein, für den hun­ dertsten Schafskopf aber sorgt Er wohl selbst!“ 184. Der Türträger in der Wallstraße zu Berlin. Eins der ältesten Wahrzeichen der Stadt Berlin be­ findet sich an einem Hause der Wallstraße, es besteht aus einem erhaben in Stein gemeißelten Manne, der ein Tor auf seinem Rücken trägt. Man sagt, an jener Stelle habe einst das Köpenicker Tor gestanden, und der Stein stelle den Simson dar, der nach der Erzählung der heiligen Schrift das Stadttor von Gaza auf die Höhe von Hebron getragen habe. Die Sage aber weiß anders darüber zu berichten. Danach soll dort ein armer Schuhmacher gelebt haben, der, was er sich am Munde abdarbte, hinlegte, um ein Lotterielos zu kaufen, da er sich fest einbildete, es sei ihm beschieden, auf diese Art reich zu werden. Als der Tag der Ziehung gekommen war, eilte er auf das Rathaus, und wie er in den Saal trat, hörte er gerade seine Nummer ausrufen und gleich dahinter den höchsten Gewinn. Spornstreichs eilte er nach Hause, um sein Los herbeizuholen und sich zu überzeugen, ob er sich auch nicht in der Nummer geirrt hätte. Aber wie erschrak er, als er sein Los nirgends mehr fand. Endlich sah er

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es an der Stubentür kleben. In seiner Abwesenheit hatte eins seiner Kinder sich den Spaß gemacht, das Los mit Kleister dort anzuheften. Der Schuhmacher wollte es mit Wasser ablösen, doch das geriet nicht, und weil er sich nicht anders zu helfen wußte, so hob er die Tür aus den Angeln, nahm sie auf den Rücken und trug sie auf das Rathaus, um dort zu beweisen, daß er der Besitzer des Loses sei. Richtig erhielt er seinen Gewinn aus­ bezahlt, baute sich ein eigenes Haus und ließ sich selbst über der Tür in Stein meißeln, wie er die Stubentür auf das Rathaus schleppt.

185. Die Faulheitsprobe zu Tübingen. Schwäbische Sage.

Zu Tübingen wurde einmal ein Gewinst ausgesetzt demjenigen, so der Faulste wäre. Wie sich nun vor dem Tor Unterschiedliche einstellten und ihre Kunst beweisen wollten, sagte der Bürgermeister, man solle noch ein wenig verziehen, sein Stalljunge wäre noch nicht da, der würde wohl auch sein Bestes hierbei tun. Zu­ gleich schickte er einen Boten nach Hause, ihn zu holen. Der Bote kam zurück und berichtete, daß der Junge nicht kommen wolle; er habe gesagt: ,,Was brauch ich vors Tor zu laufen? Will man mir den Preis geben, so kann man ihn mir auch hereinbringen." Männiglich war darüber einig, daß ihm der Preis ge­ bühre, da er so faul gewesen, daß er nicht einmal darnach gegangen sei. 186. Ein Spaziergang unter den Linden in Berlin. Wer auch nur einen einzigen Tag in Berlin gewesen ist, hat die Straße „Unter den Linden" gesehen, denn dort ist der Mittelpunkt des ganzen Berliner Lebens, wenn auch nicht gerade der Mittelpunkt des geschäft­ lichen Verkehrs. Diese Straße hat ihren Namen von vier Reihen alter Linden, die sie gleichsam in fünf neben-

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einander laufende Straßen teilen; sie geht vom Branden­ burger Tor gerade auf das Königliche Schloß zu, einen Weg von etwa zwanzig Minuten. Haben wir einen Spaziergang unter den mächtigen Bäumen des Tiergartens gemacht, der sonst vor den Toren Berlins lag, jetzt aber ganz von einem Häuser­ meer umschlossen ist, und wenden uns den Linden zu, dann gelangen wir zunächst an das Brandenburger Tor, einen achtzig Fuß hohen Säulenbau mit fünf Durch­ gängen nebeneinander. Den First des Torbaues krönt das in Kupfer getriebene, über sechs Meter hohe Vier­ gespann der Siegesgöttin Viktoria. Wir schreiten zwischen Säulen durch einen der fünf Torwege und ge­ langen auf den Pariser Platz, den prachtvolle Gebäude umgeben; vor uns verengt sich dieser Platz zu der Straße Unter den Linden, die aber immerhin noch beinahe hundert Schritte breit ist. Wie ein Strom wogen daselbst Menschen auf und ab, Kaufleute und Offiziere, vornehme Damen, Kinder, Arbeiter, Spazier­ gänger, Briefträger, Schutzleute; auf den Fahrwegen neben uns rollen Droschken, Automobile und feine Kutschen, Hofwagen, Geschäftsfuhrwerke, Fahrräder, Bierkarren und Hundewagen. Besonders lebhaft geht es da her, wo die Friedrich­ straße die Linden durchschneidet; dort ist das Ge­ dränge so dicht, daß wir eine ganze Weile warten müssen, bis in der endlosen Reihe von Fuhrwerken eine Lücke entsteht, durch die wir schnell auf die andere Seite der Straße schlüpfen. Mitten im Gewühl hält von früh bis spät ein Schutzmann hoch zu Roß, damit er gleich zur Hand sei, wenn ein Unfall oder eine Ungehörigkeit vorkommen sollte. Glänzende Kaffeehäuser und Läden mit flimmernden Schmucksachen, mit Gemälden und Kupferstichen, mit blühenden Blumen, mit seltenen Früchten und Leckereien ziehen unsere begehrlichen Blicke auf sich.

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Wo die Lindenbäume aufhören, steht das einfache und doch großartige Erzdenkmal Friedrichs des Großen, von Rauchs Meisterhand modelliert, beinahe haushoch. Oben reitet, überlebensgroß, der alte Fritz, im Krönungs­ mantel, den dreieckigen Hut auf dem Haupt, den Krück­ stock zur Seite. An dem hohen Sockel sprengen aus den vier Ecken vier Reiter: Prinz Heinrich und Herzog Fer­ dinand von Braunschweig, Zieten und Seydlitz; die Flächen sind mit lebensvollen Gruppen von Helden und verdienten Männern aus der Zeit des großen Königs angefüllt, ganz unten prangen lange Reihen von Namen, deren Träger dadurch ausgezeichnet werden sollen. Rechts von diesem Denkmal ist das einstige Wohn­ haus Kaiser Wilhelms L, ein ganz einfacher, aber in edlen Formen gehaltener Bau; dort an dem Eckfenster zur ebenen Erde hat der alte Kaiser bis kurz vor seinem Ende gearbeitet und jeden Mittag die Wache begrüßt, die mit klingendem Spiel hier vorüber zur nahen Hauptwache zog. Von hier bis zum königlichen Schlosse sind keine Läden, überhaupt keine bürgerlichen Wohnhäuser mehr, nur Paläste hoher Herrschaften oder riesige öffentliche Gebäude, die Palästen gleichen; die Zwischenräume zwischen ihnen sind sehr weit, mit Denkmälern, Rasen­ plätzen, Blumenbeeten oder alten, schattigen Bäumen besetzt. Da liegt die Königliche Bibliothek, die Uni­ versität, das Opernhaus, der Palast, den Kaiser Fried­ rich bewohnte, die Hauptwache, die Ruhmeshalle, wo Siegeswaffen und Fahnen, Gemälde und Erinnerungen aller Art das Andenken an den Ruhm des Heeres wach­ halten. Wir überschreiten auf der breiten Schloßbrücke einen Arm der Spree und sind auf einer Insel; rechts von uns erhebt sich der Riesenbau des Residenzschlosses und vor dessen westlichem Portal, mit dem Rücken gegen die Spree stehend, das überaus großartige, figurenreiche

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Denkmal für Kaiser Wilhelm I., von dem Bildhauer Begas ersonnen. Der mit Bäumen besetzte große Platz vor uns und uns zur Linken heißt Lustgarten und war dereinst der Schloßgarten, bis der Soldatenkönig Friedrich Wil­ helm I. ihn zum Exerzierplatz umgestaltete, aus dem später ein öffentlicher Platz wurde. Inmitten des Lustgartens steht das große Reiterbild Friedrich Wil­ helms III., und ganz nach links hin bildet die lange, von achtzehn Säulen getragene, auf hoher Freitreppe sich er­ hebende Vorhalle des Museums den Abschluß. Wo der alte, etwas dürftige Dom gestanden hatte, erhebt sich jetzt ein stolzer, kuppelgekrönter neuer Dom, den Kaiser Wilhelm II. hat bauen lassen. Der älteste Teil des Schlosses ist dicht an dem an­ dern Arm der Spree gelegen und sieht schwarz und düster aus, recht wie eine alte Ritterburg: hat doch Kurfürst Friedrich II., genannt der Eisenzahn, jene Burg um 1440 als Zwingburg gebaut, wider den Willen der Berliner, um die Stadt unter sein Joch zu zwingen; heutzutage ist es aber der Stolz und die Ehre Berlins, die Residenz der preußischen Könige und deutschen Kaiser zu sein, denn diesem Umstand vornehmlich hat Berlin seine Größe und seinen Ruhm zu danken.

187. Frankfurt am Main. In dem alten, ehrwürdigen Dom zu Frankfurt am Main wurden in früheren Zeiten die Kaiser gekrönt. Dann ging es in festlichem Zuge in den Römer, der ganze Weg dorthin war mit Teppichen belegt. Dieser Römer ist das alte Rathaus der Stadt und steht auf dem Römerberg, einem freien Platze unweit des Mainstroms. In dem großen Römer­ saal gab es dann ein Festmahl, wo die Kurfürsten den neuen Kaiser bedienen mußten; auf dem Römerberg aber war ein Brunnen, da floß zur Belustigung des Volkes aus einer Röhre roter Wein und aus der andern weißer

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Deutschland (Landschaft und Sage).

Wein, während in einer Hütte aus Brettern ein ganzer Ochse am Spieß gebraten wurde und ein Reiter herum­ ritt und Silbermünzen unter die jubelnde Menge warf. An den Wänden des Römersaales sind in Lebensgröße 52 Kaiserbilder gemalt, von Karl dem Großen bis zu Franz II., der 1806 die Krone des alten Kaiserreiches niedergelegt hat; im Saal aber steht eine Marmorbild­ säule Kaiser Wilhelms I., durch den 1871 am 18. Januar das deutsche Kaiserreich wieder neu gegründet wor­ den ist. Frankfurt war bis 1866 eine freie Stadt, und über 50 Jahre hat in seinen Mauern der deutsche Bund seine Be­ ratungen abgehalten, die der Bundestag genannt wurden. Dann ist es eine preußische Stadt geworden und seitdem mächtig aufgeblüht, ja, seine Einwohnerzahl hat sich mindestens verfünffacht; die vielen Eisenbahnen, die in Frankfurt einmünden, laufen in einem Hauptbahnhof zu­ sammen, der zu den schönsten derartigen Bauten Deutschlands gehört. In seine Riesenhalle läuft fast jede Minute ein Zug ein, jetzt einer aus Mann­ heim, dann einer aus Kassel, aus Wiesbaden, aus Hanau und wer weiß woher. Die alte Stadt hat meistens enge Straßen mit altertümlichen Häusern, auch einige breite, wie die berühmte Zeil, aber in den Gassen herrscht ein reges Treiben, denn Frankfurt ist eine sehr bedeutende Handelsstadt. Liegt es doch genau in der Mitte zwischen Norddeutschland und Süd­ deutschland. Viele staatliche Brücken führen aufs linke Mainufer nach Sachsenhausen. Der Main ist schiffbar, große Häfen bieten den Schiffen Raum, die vom Main und vom Rhein her anlanden. Einst waren die Frankfurter Messen, die alljährlich gegen Ostern und im Herbst abgehalten werden, weltberühmt, jetzt sind es fast nur Jahrmärkte. Um das Jahr 1800 wurden die alten Festungsmauern abgetragen, die sonst die Stadt einschlossen, und wo Mauern, Wälle und Gräben

waren, machte man schattige Anlagen, die sich um die ganze Altstadt rechts des Maines herumziehen und auch die Mainufer umsäumen. Jenseits der Anlagen sind neue Stadtteile entstanden mit vielen prächtigen Gebäuden. Die benachbarten Ortschaften sind längst mit Frankfurt vereinigt. In Frankfurt ist im Jahre 1749 der Dichter Goethe geboren; sein Geburtshaus auf dem großen Hirschgraben hat man zur Erinnerung an ihn möglichst so eingerichtet, wie es zu jener Zeit gewesen ist, als Goethe seine Kinder­ jahre darin verlebt hat. Ein ehernes Standbild des Dichters ziert einen freien Platz der Stadt. 188. Rheinfahrt von Mainz bis Köln. Es gibt keine vergnüglichere Reise, als auf dem Deck eines Rheindampfers von Mainz nach Köln zu fahren. Man hat alle Bequemlichkeiten, braucht weder Hunger und Durst zu leiden, noch vor Regen, Wind und Sonnen­ glut zu bangen, und sieht in Gesellschaft vieler froher Menschen die schönen Ufer an sich vorüberziehen, als wären es Blätter eines Bilderbuches. Von Mainz bis Bingen begleiten uns rechts die blauen, hochragenden Berge des Taunus, immer in einiger Entfernung vom Strome, niedrigere Hügel schieben sich dichter an das Ufer heran, mit Reben bepflanzt, die den köstlichsten Wein liefern, den Deutschland hervorbringt. Steinberger, Rauentaler, Markobrunner, Johannisberger, was das be­ deutet, das weiß man in der ganzen Welt. Am linken Ufer treten die Berge noch weiter zurück; aber links wie rechts wechseln Weinberge, Obstgärten, Gemüsefelder, Wald, Landhäuser, Schlösser, Kapellen, Dörfer und Städtchen; in dem grünen Strome, der wie ein See sich ausbreitet, reiht sich Insel an Insel, alle mit prächtigen Bäumen bewachsen: das ist Deutschlands Gar­ ten, der herrliche Rheingau. Da, wo rechts Rüdesheim, links Bingen liegt, rückt rechts der Taunus, hier Nie-

derwald genannt, bis dicht an den Strom, und von seiner Höhe grüßt das eherne Riesenbild der Germania her­ unter, das dort oben hingestellt ist zur Erinnerung an die Neugründung des Deutschen Reiches 1871; von links her aber treten die Berge ebenso dicht her­ an, und dort soll ein Denkmal für Bismarck er­ richtet werden. Durch eine enge Felsenpforte wälzt die kleine, schnelle Nahe ihre braungelben Fluten dem Rheine zu, und nun, gerade da, wo mitten im Rhein der sagenberühmte Mäusturm steht, schließen sich auch die Rheinufer von links und von rechts her zu einem Felsentor zusammen, dem Bingerloch. Auch im Strom­ bett selbst ragen Felsen auf, so daß gewaltige Strudel entstehen, die schon manchem Schiff Verderben gebracht haben. Der mächtige Strom lenkt nun beinahe ganz nach Norden hin, gerade in das Bingerloch hinein. Viel schmäler als bisher, weil die steilen Wände ihn einengen, fließt er nunmehr auf eine Strecke von etwa zehn Weg­ stunden in einer tiefen Schlucht hin, um lauter Felsen­ ecken herum. Die bekannteste dieser vorspringenden Ecken ist die Lorelei, wo ein sechsfaches Echo die Sage hervorgerufen hat von einer Zauberin, die drin sitzt und durch ihren Gesang die Schiffer anlockt und ins Ver­ derben zieht. Dort ist die engste Stelle des ganzen Rheintals. Der Strom hat die Tiefe von dreißig Metern und fließt so ruhig, daß er stille zu stehen scheint. Stille Wasser sind tief! Auf den sonnigen Seiten der Felsen stehen Wein­ stöcke, auf den Schattenseiten Eichengestrüpp, Nuß­ bäume oder auch wirklicher Hochwald. Unten am Ufer erblicken wir altertümliche Städtchen mit schönen Kirchen, Giebelhäusern und halbverfallenen Stadtmauern, an den Felsen aber kleben Burgruinen, teils in Trümmern, mit Efeu umsponnen, teils wieder aufgebaut, wie das herrliche Schloß Stolzenfels. Wo die breite, schöne Mosel ihre Wasser mit denen

des Rheins vermischt, da liegt zwischen den beiden Strö­ men das alte Koblenz und gegenüber die mächtige Felsen­ festung Ehrenbreitstein. Gerade an der Moselmündung erinnert uns ein gewaltiges, turmhohes, ehernes Reiter­ standbild an Kaiser Wilhelm I. und seine gewaltigen Taten. Bis Neuwied hin erweitert sich das Rheintal zu dem sogenannten Neuwieder Becken, das in Urzeiten ein See gewesen ist. Von links treten nun die Eifelberge, die einstmals Feuer gespieen haben, von rechts die Höhen des Westerwaldes beinahe ebenso dicht an das Ufer, wie vorher Hunsrück und Taunus, bis das kleine, aber hohe Siebengebirge am rechten Rheinufer aufsteigt mit seinen sieben waldigen Bergen, deren einer, der mächtige Drachenfels, den letzten Eckpfeiler bildet; denn nun tritt der Rhein in die niederrheinische Tiefebene. Je wei­ ter wir rheinabwärts kommen, desto belebter wird der Strom: Personendampfer, Schleppdampfer, die viele schwerbeladene große Kähne schleppen, Flöße, Motor­ boote, Ruderkähne, das alles begegnet uns ununter­ brochen. Das schöne Bonn liegt schon im Flachland, und die Stromstrecke von da bis Köln zeigt nur niedrige Höhenzüge, die uns in gemessener Entfernung rechts und links begleiten, bis das türmereiche Köln mit seinem gewaltigen Dome erscheint, in mächtigem Bogen an dem linken Ufer hingelagert.

Kolonialbilder. 189. Erster Schulanfang tu Bamum. Aller Anfang ist schwer. Auch unser erster Schul­ anfang in Bamum war keine leichte Arbeit. Vor allem mußte ein geeignetes Schulhaus gebaut werden. Der Herrscher stellte dazu etwa zwanzig starke Arbeiter zur Ver­ fügung; außerdem mußten zwei berittene Soldaten für Herschaffung des nötigen Baumaterials Sorge tragen. Ab und zu kam er selber, um den Fortgang des Baues zu be-

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Kolomalbilder.

sichtigen. Ich mußte den Leuten den Bauplatz ausmessen und die nötigen Bauvorschriften erteilen, da sie noch kein derartiges Haus gebaut hatten. Das Schulhaus sollte ge­ nügend Raum bieten für eine Schulklasse von 60 Schülern. Es mußte zu diesem Zweck zehn Meter lang und fünf Meter breit werden, um zwei Reihen zu zehn Schulbänken aufnehmen zu können. Eine Schulbank sollte für drei Schüler Platz haben. Zuerst wurden die Hartholzbalken für die richtige Länge zugeschnitten und dann fest in den Boden einge­ rammt, dann die Wände und Giebel aus Palmrippen her­ gestellt, so dicht, daß Palmrippe aus Palnirippe zu liegen kam. Diese einzelnen Wandteile wurden au die Balkeu be­ festigt und die beiden Längswände oben durch drei Quer­ balken miteinander fest verbunden. Darauf belegte man das ebenfalls aus Palmrippen hergestellte Dach dicht mit dürrem Gras. Damit war der Rohbau des Hauses be­ endigt. Es mußten jetzt vor allem die Öffnungen für Fenster — auf jede Längsseite drei — und für eine Türe in der Giebelwand ausgeschnitten werden. Diese Ausschnitte versahen wir dann mit hübschen Verkleidungen aus Palm­ rippen und setzten die Tür und Fensterläden ebenfalls aus Palmrippen so ein, daß sie durch Schieben von rechts nach links auf- und zugemacht werden können. Auf der Außenseite des ganzen Hauses wurden hübsch geflochtene Matten angebunden zum besseren Schutz gegen Wind und Regen. Das Einsetzen der Schulbänke für die Schüler mußte ich zum größten Teil selber besorgen, weil die Leute von solcher Arbeit noch keine Ahnung hatten. Diese Bänke sind ebenfalls ganz aus Palmrippen herge­ stellt. Eine Wandtafel machte ich aus Kistenbrettern, die ich glatt hobelte und in Ermangelung von Wandtafellack mit Schablonenschwärze färbte. Sie erfüllt ihren Zweck voll­ ständig. Wir hatten nun ein hübsches Schulhaus, aber noch keine Schüler. Ich bat den Herrscher, mir sechzig Schüler

Kolonialbilder.

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zu besorgen. Ich wolle aber keine Sklaven, sondern lauter freigeborene Bamumer haben. Die Sklaven kämen später an die Reihe. Er war etwas erstaunt, daß ich bloß sechzig Schüler wünschte. Nach seiner Meinung sollten es min­ destens 2—300 sein. Ich machte ihm klar, daß das nicht möglich sei. Für eine Schule seien sechzig Schüler voll­ ständig genügend. Später würden wir noch mehrere Schulen errichten, um dann mit der Zeit womöglich alle jungen Leute in Bainum unterrichten zu können. Mit diesem Bescheid gab sich der König zufrieden. Bald darauf erschien ein Soldat und meldete mir: „Herr, der König ruft dich." Ich sattelte mein Pferd und ritt nach der Wohnung des Gebieters von Bamum. In deren Hof waren fast sämtliche Soldaten angetreten. Die zukünftigen Schüler waren in einer Reihe, der Größe nach gemustert, aufgestellt. Der Herrscher grüßte mich militärisch; ich stieg vom Pferd und sah mir die zukünftigen Jünger der Wissenschaft näher an. Es toare» lauter nette Bürschlein mit vielversprechendem Äußeren. Ich sprach dem Landesherrn meine Anerkennung aus, daß er eine so gute Auswahl getroffen habe; meinen künfti­ gen Schülern aber hielt ich eine Rede über regelmäßigen Schulbesuch. Jener verschärfte das Gesagte noch kraft seiner „königlichen" Würde. Auf seine Frage an die Knaben, ob sie es gehört hätten, antworteten alle einstimmig: Ja! Etwas abseits sah ich noch eine Reihe, anderer Bürschlein stehen. Auf meine Frage, was denn mit jenen sei, erhielt ich zur Antwort, sie möchten auch in die Schule ausgenom­ men werden, er habe ihnen aber bereits erklärt, sie kämen erst später an die Reihe. Den Auserwählten sagte ich, die Schule beginne erst am übernächsten Tage, da am morgenden Tage der Ruhetag des weißen Mannes sei, wo man keine Schule halte. Übermorgen dagegen sollten sie kommen, und zwar morgens frühe, sobald sie sich den Schlaf aus den Augen gerieben hätten. Hessel und Ufer, Lesebuch 3. M. 15

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Äoloniolbübet.

Der Montag Morgen kam, aber Schüler kamen nicht. Das fängt schön an, dachte ich. Ich wartete und wartete. Es wurde zehn Uhr. Endlich erschienen sie feierlich alle miteinander in Begleitung eines Soldaten, alle frisch ge­ waschen und zum größten Teil mit glattrasiertem Kopfe. Ich führte sie in das neue Schulhaus, wies jedem seinen Platz an und schrieb ihre Namen auf. Dann gab ich ihnen noch einige Ermahnungen über den Schulbesuch und ent­ ließ sie. Das war der erste Schultag in Bamum, Montag, der 25. Juli 1906. Seither wird nun regelmäßig jeden Tag fleißig Schule gehalten. Die erste halbe Stunde von 8—8*/2 Uhr wird geturnt, damit die kleinen Schlingel sich an stramme Hal­ tung und Zucht gewöhnen. Dann werden Leseübungen an der Wandtafel gemacht. Die Schüler haben ihre Schiefer­ tafeln, die zwar schon bestellt, aber noch nicht angekom­ men sind, bereits bezahlt, jeder mit 300 Kaurimuscheln, dem in Bamum üblichen Geld. Im Singen haben wir bereits die Tonleiter erstiegen, ohne zu stolpern, und von der Melodie: „Großer Gott, wir loben dich" die erste Zeile eingeübt. Es hat furchtbar schwer gehalten, bis die Stim­ men und Ohren sich etwas an Musik gewöhnt hatten. Ich glaubte beinah mit meiner Kunst unterliegen zu müssen. Das Schlimmste war, daß sie beim Singen zuerst gar keinen Ernst an den Tag legten. Sie hielten diese Übungen für eine willkommene Gelegenheit, nach Herzenslust zu schreien und einen richtigen Heidenlärm zu vollführen. Jetzt haben sie allmählich erfaßt, daß zwischen Schreien und Singen ein Unterschied besteht. Auch einige biblische Geschichten habe ich ihnen scholl erzählt. Meine Ermahnungen zu regelmäßigem Schulbe­ such nahmen sie sich so zu Herzen, daß eines Tages einer seinen älteren Bruder als Stellvertreter schickte, weil er krankheitshalber selber nicht kommen konnte. Der liebens­ würdige Vertreter hatte sich stillschweigend an seines Bru­ ders Platz gesetzt und beim Ablesen, als er dessen Nameir

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hörte, aus Leibeskräften „hier" gerufen. Im ganzen bin ich mit meinen ersten Bamum-Schülern zufrieden. Es gibt zum Teil aufgeweckte Bürschlein unter ihnen. Nur einem mußte ich wegen übermäßiger Dummheit wieder die goldene Freiheit schenken, was er mir gewiß nicht übel genom­ men hat.

190. Lagerleben in Deutsch-Ostafrika. Meine Leute tun mir während des Marsches leid. Nichts entschädigt sie für die Strapazen. Ein gebahnter Weg durch glutheiße Steppen dünkt ihnen tausendmal schöner als Fluß und Gebirge, wenn man sich ihren Anblick er­ kämpfen muß. Sind sie aber im Lager, dann haben sie wieder alles vergessen. Dann entwickelt sich rasch ein be­ wegtes und heiteres Leben. Wenn die Zelte aufgeschlagen sind, beginnt sofort die Tätigkeit, die ihrem Dasein erst einen Inhalt gibt, die Zubereitung des Essens. Sie be­ schränken sich allerdings meist darauf, die Lebensmittel ein­ zuhandeln und als Sachverständige um die Töpfe zu sitzen, in denen die Weiber den täglichen Mehlbrei zusammen­ rühren. Gewöhnlich hat jede Speisegenossenschaft, zu der sich nach altem Reisebrauch fünf bis acht Leute zusam­ mentun, ein Mitglied, dessen Frau für alle sorgt. Das Herbeischaffen von Wasser und Brennholz wird meist ge­ meinsam betrieben, während die Grasbündel, die als Bett dienen, fast ausschließlich von den Burschen besorgt werden. Wenn nun an allen Ecken und Enden die Feuer an den Töpfen emporlecken, wenn es überall brodelt und zischt und dampft, dann kommt wieder Frische und Leben in die ermüdeten Glieder. Die einen gehen in den Wald, um Honig zu suchen, die anderen angeln mit der einfachsten Angel der Welt, einer langen Schnur mit einem gekrümm­ ten und geschärften Nagel am Ende, und bringen mit ihr mannslange Welse und andere Fische ans Land, die sie auf hölzernen Rosten braten. In gleicher Weise behandeln sie das Fleisch der Nilpferde, die ich ihnen schieße. Aber 15*

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Aolonialbilder.

nur einzelne Stämme essen es, während die anderen es um keinen Preis annähmen, weil die Tiere nicht mit durch­ schnittenem Halse verendet sind. Einzelne Leute von Bagamojo sind so schlau, sich ihre Ration geben zu lassen, auch

wenn sie sie nicht essen, um sie an Eingeborene gegen andere Nahrung einzutauschen. Andre verschmähen das Fleisch, benutzen aber das reichliche Fett, um Lampenöl herznstellen, oder sie schneiden aus der Haut die berühm­ ten Nilpferdpeitschen.

Während die einen so einen geschästigen Müsziggang treiben, übergeben sich die anderen ganz dem süssen Nichts­ tun. Hier wird geschwatzt und gelacht, dort den Karten gefrönt, hier läßt einer unaufhörlich die einseitige Gitarre der Küste ertönen, und dort wird eifrig ein hübsches Brett­ spiel gespielt, das man in jedem Dorf findet. So geht die Zeit bi^ zu dem großen Augenblick hin, wo die Sachver­ ständigen, die schon mehrfach die beim Rühren am Löffel hängenbleibenden Reste geprüft haben, den entscheidenden Spruch fällen. Dann kauern sie um den großen Topf, greifen mit der Rechten abwechselnd hinein, kneten den Brei in der Hand zu einer Kugel, und dann erst schieben sie ihn — o Augenblick, gelebt int Paradiese — in den Mund, mit den Augen schon nach der Stelle schielend, die zunächst in Angriff genommen werden soll. Gesprochen wird wenig beim Essen, das würde nur die Behaglich­ keit stören.

Ist die Mahlzeit beendet, dann wird geschwatzt, und ich höre von meinem Schreibtisch aus ost noch lange nach Mitternacht das gedämpfte Lachen und Plaudern einzel­ ner Gruppen. Dämmert aber der Morgen und heißt es, die Lasten packen, dann sind die Mienen — ach so sauer, dann ist nichts mehr übrig geblieben von der strahlenden Wonne des vergangenen Tages, bis wieder der Befehl zum Lagern gegeben wird und der Ruf „hema, hema," „das Zelt, das

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Zelt," sich vom ersten bis zum letzten fortpflanzt. Und wieder lächelt diesen Kindern das Leben. Klar leuchtet schon der Himmel durch die Lücken der dunklen Stämme; die Dämmerung begann früh sich auszuhellen. Noch stehen einige Sterne über dem Horizont, blasse, kraftlose Schwimmer, die bald von dem Lichtmeer verschlungen werden. Alles kündet einen schönen Sonnen­ tag. Aber kalt ist es noch, schauerlich kalt; feucht schlug mir die Morgenluft mit frischem Erdgeruch entgegen und kitzelte niich boshaft in Nase und Hals, daß ich rasch wie­ der bis zu den Augenbrauen in der Decke verschwinde. Das Lager ist noch nicht wach. Nur aus der Tiefe des Küchenzeltes höre ich leise Teller klappern; verfroren und mit krummen Knien schleicht ein kleiner Küchenjunge, Reisig brechend, umher, wobei er unter dem Sprühregen, der von den erschütterten Bäumen ihm auf den nackten Oberkörper fällt, jedesmal heftig erschauert. Auch aus einigen andern Zelten tönen verschlafene Reden von Ehepaaren, die ihr Morgenschwätzchen beginnen. Aber sonst ist es noch recht still; die Leute wissen, daß heute nicht marschiert wird, und nützen es aus. Aber über mir ist schon alles wach. Schon singt, mit den Schwän­ zen Takt schlagend, ein Paar Grasmücken ein Duett, uno die Wildtauben gurren ihr eintöniges, dumpfes huh-huh-, huhduhhuduh; vom Wasser her schnarrt ein Erpel, und über mir höre ich den wütenden, metallisch klingen­ den Flügelschlag eifersüchtig kämpfender Täuberiche. Rück­ sichtslos durchbrechen sie die Laubmassen, verfolgen sich von Ast zu Ast; stoßen in kurzen Pausen einen leisen, kaum hörbaren Zorneslaut aus; in blinder Kampfesbegier schlagen sie mit den Schwingen gegen die nassen Blätter, daß der Nachttau in großen Tropfen auf mein Zeltdach trommelt. Ich trete hinaus vor mein Zelt, wo der jüngere Bursche inzwischen schon Eimer und Waschschüssel im nahen Flusse gefüllt und den Frühstückstisch auf der andern Seite des breitästigen Baumes herzurichten begonnen hat. Vor

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mir (aber in gemessener Entfernung, damit mich nicht der Rauch der zahlreichen Herdfeuer belästigt) stehen in drei konzentrischen Halbkreisen etwa 50 Zelte und Grashütten, die je drei bis vier Leute beherbergen. Das erwachende Lager — wer malt mir das Bild? Hundert blutrote, in den ersten Strahlen der Morgensonne fast zu stark leuch­ tende Flecken auf grünem Grunde — das sind die Decken meiner Leute, in die sie jetzt kälteschauernd ihre nackten Körper fest eingepackt haben; denn der Neger liebt es, auch wenn er noch so viel Zeug sein eigen nennt, hüllen­ los unter der Schlafdecke zu liegen. Das dehnt und reckt und biegt und rekelt und streckt sich, als hätten sie in enger, harter Höhle einen Winterschlaf abgehalten. Die Sonne steigt, schon brechen wärmende Strahlen durch die lichteren Stellen des Waldes, und die schweren Decken werden von leichterem Zeuge abgelöst; dann eilen die Leute truppweise an den Fluß, um sich den Schlaf aus den Gliedern zu baden und Hunger für die erste Mahlzeit zu holen. Aber bevor sie den vom letzten Abend­ essen aufbewahrten und flüchtig aufgewärmten Mehlbrei verzehren, wird erst ein Geschäft verrichtet, dessen Ge­ wissenhaftigkeit weiten Volkskreisen in Europa aus Grün­ den der Gesundheit zur Nachahmung sehr zu empfehlen wäre; ich meine die Pflege der Zähne. Dazu bedient sich der Neger eines Zweigstückes vom Mbulobaum, das er auf allen Reisen mit sich führt. Der Baum ist im Innern sehr verbreitet, nötigenfalls tut es aber auch das Holz mehrerer anderer Arten. Das Ende des 15 Zentimeter langen Stückes zerkaut er, bis es einem Pinsel ähnlich faserig geworden ist, und mit dieser leicht in Wasser befeuchteten Bürste reibt er eine halbe Stunde lang jeden seiner 32 Zähne mit senkrecht geführten Strichen sorgfältig ab. Das ist das ganze Geheimnis, dem die Neger ein weißes, gesundes und kräftiges Gebiß verdanken, ob­

gleich sie es fürchterlich mißbrauchen.

Rätsel.

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Rätsel.

191. Rätselfragen. 1.

2. 3. 4.

5 6. 7.

8. 9. 10. 11. 12.

13. 14.

15. 16. 17.

Wer spricht alle Sprachen, ohne eine einzige gelernt zu haben? Es brennt Tag und Nacht und verbrennt doch nicht. Welches Kraut kennen auch die Blinden? Es läuft schneller auf dem Rücken, als ein Hund kann rennen. Was geht rund ums Haus und sagt immer jirk jark? Es hat vierundzwanzig Füße und geht doch auf dem Rücken heim. Was ist das, das im Feld liegt, man kann ihm alle Rippen zählen? Es sind viel tausend Jungfrauen, die machen vor­ einander Bücklinge. Rund herum schwarz, in der Mitte wie Abendrot. Braun Hündchen geht alle Tage durch die Stube und schnüffelt alle Winkel aus. Wenn’s an der Wand hängt, ist’s traurig; wenn’s herunterkommt, wird’s lustig. Eine hohle Mutter, ein dürrer Vater und vier singende Töchter. Ich bin ein armer Bauer, ich habe niemals Sünde getan und bin doch gehängt worden. Man wünscht es sich, und wenn man es hat, behält man es selten oder gar nicht. Solang ich bei meinem Herrn bleibe, kann ich ihm nicht helfen; erst wenn er mich weggibt, helfe ich ihm. Der Blinde sah einen Hasen, der Lahme griff ihn, und der Nackende steckte ihn in die Tasche. Was ist das? Ich werde gestern sein, bin morgen dagewesen.

18. Ein Knabe aß und aß, und jemehr er aß, jemehr wurde es. Der Knabe war satt, da warf er den ganzen Haufen zum Fenster hinaus. Was aß er? 19. Es wird kleiner, wenn man dazutut, es wird größer, wenn man davontut. 20. Was wäscht sich Tag und Nacht und wird immer schwärzer ? 21. Es sind zwei Schwestern, die eine diesseit des Hügels, die andere jenseits, und beide sehen einander nie. 22. Es hat keine Füße und geht doch auf und ab und beißt sich immer tiefer ein, bis es sich durch­ gebissen hat. 23. Was liegt auf der Bleiche und wird immer schwärzer? 24. Es hat keinen Körper und ist doch sichtbar. 25. Welches Ding kann unter freiem Himmel von der Sonne nicht beschienen werden ? 26. Ich weiß einen Knecht, den treten sie alle Tage mit Füßen, und er sagt kein Wort. 27. Rund schmeiß ich es auf das Dach, und lang kommt es wieder herunter. 28. Was macht das Buch, wenn es auf dem Tische steht ? 29. Was brennt besser als zwei Lichter ? 30. Was ist das beste am Kalbskopf? 31. Welcher Ring ist nicht rund? 32. Was ist fertig und wird täglich gemacht? 33. Was ist schwärzer als der Rabe? 34. Welche Schuhe zerreißen nie an den Füßen? 35. Welche Zeit benutzt sogar der Faule? 36. Was geht rot ins Wasser und kommt schwarz hera us ? 37. Was ist nicht drinnen und nicht draußen? 38. Was kostet zu Nürnberg das Maß Rheinwein ? 39. Welcher Hase ißt mit Löffeln? 40. Welche Sohlen zerreißen nicht leicht? 41. Kannst du sagen: Burkhard mit der Nase? 42. Welche Kuh gibt keine Milch ? 43. Welches Haus hat weder Stuhl noch Bank?

44. 45. 46.

47. 48. 49. 50.

Was für Haare hat des Königs Pferd? Welcher Stand ist der beste? Welches Wort wird kürzer, wenn man noch eine Silbe dazu setzt? Wie schreibt man dürres Gras mit drei Buchstaben? Lirum larum Löffelstiel: schreib mir das mit drei Buchstaben! Was ist mitten in Ulm? Beinah eine Bretzel und schon eine Bretzel.

Sprichwörter. 1. 2. 3.

4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

192. Sprichwörter. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Bis dahin läuft noch manch Tropflein Wasser den Rhein hinunter. Bitter dem Mund, dem Herzen gesund. Böse Gesellschaft verdirbt gute Sitten. Den Sack schlägt man, und den Esel meint man. Der Sack ist des Bändels nicht wert. Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Ein blöder Hund wird selten fett. Eine gute Ausrede ist drei Batzen wert. Einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul. Einen Mohren kann man nicht weiß waschen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Ein Narr macht viele. Er hat läuten gehört, weiß aber nicht, wo die Glocken hängen. Er ist das fünfte Rad am Wagen. Er ist so klug, er hört das Gras wachsen. Er schimpft wie ein Rohrspatz. Es flog ein Gänschen über den Rhein und kam ala Giggack wieder heim.

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20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46.

47. 48. 49. -50.

Sprichwörter.

Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch an die Sonnen. Es ist noch nicht aller Tage Abend. Fangvielan richt wenig aus. Frische Fische, gute Fische. Geflickte Freundschaft wird selten wieder ganz. Gestrenge Herren regieren nicht lange. Gibt man dem Teufel einen Finger, so nimmt er gleich die ganze Hand. Gott grüßt manchen, der ihm nicht dankt. Gut Ding will Weile haben. Hochmut kommt vor dem Fall. Hoffahrt muß Zwang leiden. Jeder ist seines Glückes Schmied. Jeder weiß selbst am besten, wo ihn der Schuh drückt. Kümmere dich nicht um ungelegte Eier. Man spricht so lange von der Kirmes, bis sie da ist. Mit den Wölfen muß man heulen. Mit großen Herren ist nicht gut Kirschen essen. Morgen ist auch noch ein Tag. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Salz und Brot macht Wangen rot. Selber essen macht fett. Soviel Köpfe, soviel Sinne. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Undank ist der Welt Lohn. Was deines Amtes nicht ist, da laß deinen Fürwitz. Was lange währt, währt gut. Wenn ein Gienlöffel gient, so gienen zehn Gien­ löffel nach. Wer bald gibt, gibt doppelt. Wer im Rohr sitzt, hat gut Pfeifen schneiden. Wer langsam geht, kommt auch zum Ziel. Wer Pech angreift, besudelt sich.

Sprichwörter.

Heldensagen.

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Heldensagen. ISS

Die Nibelungen. 1.

Wie Kriemhilde und Siegfried aufwuchsen.

Zu alten Zeiten wohnten am Rhein die Burgunden, Worm war ihre Hauptstadt. Der König Dankrat war gestorben, und sein ältester Sohn Gunther herrschte nun über das Volk; Gernot und Giselher, seine beiden Brüder, standen ihm treu zur Seite; die alte Königin, Frau Ute, lebte still und zurückgezogen mit ihrem einzigen Töchter­ lein Kriemhilde, die zu einer holden Jungfrau erblüht war. Am Königshof weilten viele Helden, vor allem Gunthers Ohm, der starke Hagen aus Tronje, mit seinem Bruder Dankwart, der war der Marschall, und seinem Neffen Ort­ wein aus Metz, der war Truchseß. Gere und Eckewart waren Markgrafen, Volker von Alzei verstand das Geigen­ spiel, Sindold war Schenke, Kämmerer Hunold. Kriemhilde träumte einmal, daß sie einen starken Falken sich aufgezogen hätte, den griffen ihr zwei Aare. Daß sie den Falken, der ihr so wert war, so verlieren mußte, das machte ihr im Traum solches Herzeleid, wie sie es nie zuvor gefühlt hatte. Am andern Morgen er­ zählte sie das ihrer Mutter Ute, die sagte, der Falke sei ihr künftiger Gemahl, den wolle Gott behüten vor solchem Unheil, wie der Traum es gezeigt hatte. Kriemhilde war sehr bekümmert über diese Rede und sagte, sie wolle lieber immer ohne Mannes Minne bleiben bis an ihr Ende.

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Heldensage».

Zur selben Zeit wuchs in Santen am Niederrhein ein Jüngling heran, der hieß Siegfried. Sein Vater Sieg­ mund und seine Mutter Siegelinde waren das Königs­ paar in jenen Landen. Siegfried ward ritterlich erzogen, und als er erwachsen war, wurde ihm und seinen Alters­ genossen edler Herkunft das Schwert verliehen unter großen Festlichkeiten; aber Siegfried überstrahlte alle Jünglinge an Schönheit, Kraft und Mut. Er fuhr in fremde Lande, bestand dort viele Abenteuer und erfocht reiche Siege.

2. Wie Siegfried nach Worins kam.

Siegfried bekam Kunde von dem schönen Königstöch­ terlein zu Worms, und er gedachte dorthin zu reiten, um sie zur Gemahlin zu gewinnen. Seinem Vater und seiner Mutter war das bitter leid, denn sie fürchteten, Sieg­ fried könnte in Streit kommen mit den starken Recken zu Worms. Er ließ aber nicht ab von seinem Begehren und wollte nicht mit einem Heere dorthin fahren, sondern sclbzwölfter. Da rüstete man ihn und elf Ritter herrlich aus, gab ihnen prächtige Pferde, die mit rotem Gold und Seide aufgezäumt waren; lichte Panzer, feste Helme und breite Schilde hatten die Helden, und wie sie in Worms einritten, staunten alle und hätten gern gewußt, wer die fremden Gäste wären. Hagen aber, der alle Lande kannte, sagte, das müsse Siegfried sein. Er wußte auch von ihm, daß er im Land der Nibe­ lungen gewesen sei, wo er den Brüdern Schilbung und Nibelung den gewaltigen Nibelungenhort teilen sollte, der in einem hohlen Berg lag, von Zwerg Alberich bewacht. Man gab ihm für sein Richteramt das Schwert Balmung, das dem alten Nibelungenkönig gehört hatte. Aber er konnte es mit der Teilung den Brüdern nicht recht machen, so daß diese zuletzt den Siegfried bestritten. Er erschlug im Kampfe die beiden Brüder mit dem Schwerte Balmung, aber den Schatz wollte Alberich nicht hergeben. Siegfried

Die Nibelungen.

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war stärker als Alberich, er gewann ihm die Tarnkappe ab, die das kostbarste Stück des ganzen Schatzes war, und Alberich schwur ihm Eide, daß er immerdar sein Knecht bleiben wolle. Ein andermal, das wußte Hagen auch, hätte Siegfried einen Linddrachen getötet und in dessen Blut sich gebadet, da wäre seine Haut hörnern und unverwund­ bar geworden. Das alles wußte Hagen, und er riet, man solle die Helden gut aufnehmen. Siegfried aber forderte trotzig, er wolle mit Gunther um die Herrschaft kämpfen zu Worms und zu Santen, aber er wurde besänftigt, als Gunther sprach, er solle sein Freund sein, und er wolle alles mit ihm teilen. Da blieb denn Siegfried mit seinem Gefolge ein Jahr lang zu Worms, und wenn im Hofe der Königs­ burg Ritterspiele zur Kurzweil gepflogen wurden, da schaute Kriemhild durch die Fenstergitter zu, ungesehen von Sieg­ sried, und ihr gefiel der starke Jüngling über die Maßen. Auch Siegfried gedachte der Minniglichen immerdar, aber zu sehen bekam er sie nicht.

3. Wie Siegfried mit Gunther in den Krieg zog und zum erstenmal Kriemhilde sah.

Da geschah es, daß der Sachsenkönig Lüdeger und Lüdegast, der Dänenkönig, den Burgunden Fehde ansagten. Aber Siegfried machte den drei Königen zu Worms Mut und erbot sich ihnen im Streite beizustehen. Da unter­ nahmen sie die Heerfahrt, und Siegfried entschied den Sieg, nachdem er mit eigener Hand die zwei feindlichen Könige überwunden und gefangen hatte. Mit hohen Ehren wurden die Sieger in Worms empfangen. Und nun veranstaltete Gunther ein großes Fest, wo auch die Frauen erscheinen durften, und Kriemhilde sollte den Siegfried begrüßen. Das tat sie mit freundlichen Mor­ ien; sie leuchtete aus allen Frauen, wie der lichte Vollmond

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Heldensagen.

vor den Sternen schwebt, ihre rosenfarbenen Wangen gaben lieblichen Schein, und Siegfried mußte sie immer ansehen und dachte in seinem Herzen, sie stände so hoch und hehr da, daß er nicht wagen dürfe um sie zu werben. Er be­ gehrte Urlaub und wollte heim reiten nach Santen. Giselher aber sagte, er solle doch hier bleiben, er dürfe auch ferner­ hin mit all den schönen Frauen öfter zusammensein. Da blieb Siegfried. 4. Wie Gunther mit Siegfrieds Hilfe Brun­ hilde gewann.

Es war aber eine Königstochter fern über Meer ge­ sessen, auf dem Jsenstein, die hieß Brunhilde, sie war schön und über die Maßen stark; wer um sie werben wollte, der mußte ihr drei Spiele abgewinnen, sonst verlor er sein Haupt. Als König Gunther davon hörte, wollte er niemand anders zuin Weib gewinnen, als Brunhilde. Er ging den Siegfried an, mit ihm die Heerfahrt nach Jsenland zu wagen, der antwortete, er wolle es tun, wenn er zum Lohne Kriemhilde zur Ehe bekäme. Da gelobte ihm Gunther, er wolle ihm Krienihilde geben, sobald Brunhilde nach Worms gekommen sei. Mit dreißig Frauen nähte nun Kriemhilde in sieben Wochen kostbare Gewänder aus weißer arabischer Seide und grünem Zazamanker, durchwirkt mit Hermelin, Gold und Edelgestein, auch wurde ein Schiff ausgerüstet, darin fuhr nun Gunther mit Siegfried, Hagen und Dankwart den Rhein hinab, Siegfried lenkte das Schiff. Rosse und reiche Speise hatten sie auch, Siegfried führte aus seinem Schatze die Tarnkappe oder Nebelkappe mit, die machte den, der sie trug, unsichtbar und verlieh ihm übermenschliche Kräfte. Nach zwanzig Tagen sahen sie die Burg Jsenstein aus deni Meere aufsteigen und landeten bald in Jsenland. Brunhilde begrüßte die vier Helden mit Mißtrauen und

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redete vor allem Siegfried an, weil er der Herrlichste war. Sie sagte, wenn er um ihre Minne gekommen sei, so müsse er erst mit ihr kämpfen, und wenn er besiegt würde, verlöre er sein Leben. Siegfried sagte, nicht er, sondern Gunther begehre ihre Minne, Gunther sei sein Herr und König, sie andere seien nur Gunthers Mannen. Die Jungfrau aber rüstete bald die Spiele zu, und wie sie dastand im Streitgewande aus Seide von Assagaug, am weißen Arm einen Schild, den vier Helden nicht hätten tragen können, in der Hand einen mächtigen Speer, den drei Männer aus ihrem Banne mit Mühe herbeigeschleppt hatten, da zitterten die Helden aus Burgundenland, und Hagen sagte: das ist des Teufels Weib! Gunther aber wünschte, er wäre daheim geblieben zu Worms am Rheine. Siegfried jedoch hatte sich heimlich ins Schiff begeben und die Tarnkappe umgehängt, da stand er denn ungesehen Gunther zur Seite und flüsterte ihm Trost zu, er wolle für ihn streiten, Gunther solle nur Bewegungen machen, als ob er es sei, bei kämpfe. Und nun nahm Siegfried Gunthers Schild und fing damit den wuchtigen Speer auf, den Brunhilde herübersch-.ckte. Das Feuer sprang aus dem Schilde, und beide Recken strauchelten, dem Siegfried schoß das Blut aus dem Munde. Aber sie erhoben sich beide wieder, und Siegfried warf den Speer gegen Brunhilde zurück; er kehrte ihn un, daß nicht die Speerspitze die Jungfrau töten solle, uw doch traf der Wurf die starke Maid so, daß sie zur Erde sank. Da nahm sie den gewaltigen Wurfstein und schleuderte ihn zwölf Klafter weit von sich, sie selbst aber sprang dem fliegenden Steine nach und erreichte ihn. Das wer das zweite und dritte Spiel. Siegfried aber warf der Stein noch viel weiter und erreichte ihn auch im Sprunge, obwohl er den Gunther noch in seinen Armen

trrg, als er sprang. Da erklärte die Königin Brunhilde sich für besiegt uw war bereit, mit Gunther nach Worms zu ziehen als

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feilte Gemahlin. Doch erst wolle sie ihre Vettern und Lehens­ leute befragen; ihre Boten ritten nach allen Seiten hin, um sie herbeizurufen. Da fürchtete Hagen, daß man die Burgunden verraten wolle. Aber Siegfried sagte, sie sollten getrost sein, er wolle Hilfe herbeiholen. Da fuhr er mit dem Schiffe hinweg, in die Tarn­ kappe gehüllt, daß niemand ihn sah, und es schien, als fahre das Schiff von selber durch das wilde Meer. Er fuhr aber in das Land der Nibelungen, das ihm gehörte, und sein treuer Zwerg Alberich rüstete tausend Mann aus und viele Schiffe, mit denen kam Siegfried in kurzer Frist nach Jsenland und sagte, diese Helden wären ihr Gefolge, das nachgekomnren wäre. Brunhilde wagte nun kein Widerwort mehr, sie über­ gab die Herrschaft ihrem Mutterbruder, der sollte ihr Vogt sein, bis sie vielleicht einmal wiederkäme. Dann schiffte sie sich mit den Burgunden ein und nahm zweitausend Recken mit, auch Frauen und Mägdelein als Gefolgschaft. Sie sollte aber nientals wieder nach Jsenstein zurückkehren. 5.

Wie Siegfried sich mit K r i e m h i l d e vermählte und Gunther mit Brunhilde. Als sie über das Meer gesegelt waren, mußte Sieg­ fried voraufreiten, uni die frohe Botschaft schon früher nach Worms zu bringen, und Ortwein solle Gestühle am Rhein errichten lassen, auf daß die Schiffe festlich emp­ fangen würden, wenn sie nach Worms kämen. Wie drängte sich alles am Rheinesufer, als sie endlich kamen! Die Königin Ute und Kriemhilde umarmten und küßten Brun­ hilde in Liebe, als sie ans Land stieg, Kampsspiele wurden gehalten. Preise verteilt und eine große Hochzeit angerichtet. Gunther sagte seiner Schwester Kriemhilde, er hätte sie einem Recken zum Weib versprochen, ob sie den wolle. Kriemhilde sagte, sie wolle sich gerne dem verloben, welchen Gunther ihr erkoren hätte. Da neigte sich Siegfried und

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schloß sie in seine Arme vor aller Augen. Und gleich- am selben Tage war eine doppelte Hochzeit in Jubel und Freude. Die stolze Brunhilde aber weinte beim Hochzeitsfeste und sagte zu ihrem Gemahl, sie müsse weinen, weil die Königstochter Kriemhilde dem Eigenholden Gnnthers znm Weibe gegeben werde. Gunther sagte ihr, Siegfried sei ein König und hätte Bnrgen und weites Land, da be­ ruhigte sie sich. Als aber am Abend der Hochzeit Gunther nnd Brunhilde allein in der Kammer waren, erwachte die alte Kampfeslust und Stärke in Brnnhilde, sie drückte ihrem Gemahl die Hände, daß das Blut unter den Nägeln heraussprang, dann band sie ihm die Arme mit ihrem Gürtel und hängte ihn an einem Haken auf, der an der Wand herausragte. Da hing er die ganze Nacht, und erst am Morgen band sie ihn los auf sein dringendes Flehen hin. Da ging Gnnther zu Siegfried und bat ihn, er möge ihm noch einmal helfen gegen diese schreckliche Jungfran. So hüllte sich denn Siegfried am andern Abend nochmals in die Tarnkappe nnd kämpfte in Gnnthers Gemach mit Brnnhilde. Er sprach kein Wort dabei, denn Brunhilde sollte ja meinen, Gunther kämpfe mit ihr. Nach gewaltigem Ringen unterlag zuletzt Brunhilde, und sie sagte, jetzt habe sie erkannt, daß Gnnther stärker wäre als sie und eines Weibes Meister sein könne, von nun an wolle sie sein folgsames Weib sein. Da schlüpfte Siegfried aus der Kam­ mer, er nahm aber Brunhildens Gürtel mit und einen Ring, den er beim Kampfe ihr vom Finger gestreift hatte. Siegfried nahm nun Urlaub von Gunther und zog mit seinem Weibe Kriemhilde nach Santen. Gunther wollte seiner Schwester tausend Mannen mitgeben als Lehens­ leute, die sollte sie sich aussuchen. Sie schickte zu Hagen, er solle mit ihr ziehen, da geriet Hagen in Zorn und sagte, ihn könne Gnnther nicht vergeben, sie solle sich andere suchen. Da ging der Markgraf Eckewart nnd fünfhundert Mannen mit nach Santen. Siegmund und Siegelinde weinHessel und Ufer, Lesebuch 3.

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ten vor Freude, als ihr Sohn in so hohen Ehren wieder heim kam. Nach einiger Zeit starb die Königin Siege­ linde, und der alte König Siegmund übergab seinem Sohne Siegfried Krone und Herrschaft; und das Land der Nibe­ lungen war ihm auch untertan mit all seinen Schätzen. So lebte das Königspaar zehn Jahre lang in hohem Glück, sie bekamen ein Söhnlein, das hießen sie Gunther, und das Kind Gunthers wurde Siegfried genannt.

6. Vom Streit der Königinnen.

Da geschah es, daß Brunhilde zu Gunther sprach: Alle deine Dienstleute kommen an deinen Hof, nur Sieg­ fried nicht. Wenn er auch weit wohnt, so ist es doch seine Dienstpflicht, daß er sich einmal zeigt. Ich möchte auch Kriemhilde gerne Wiedersehen, weil ich ihrer so gern ge­ denke. Ersinne doch eine Festlichkeit und lade sie dazu ein! Das gefiel Gunther wohl, und er sandte Boten nach Nor­ wegen in das Land der Nibelungen, wo Siegfried jetzt wohnte. Und Hagen sprach: Hei! wenn dereinst der Nibe­ lungen Hort in das Burgundenland kommen sollte! Als der alte König Siegmund seinen Kindern zuredete, sie sollten der Einladung folgen, wenn es auch weit sei, und er wolle selber mitfahren, da sagte Siegfried zu, daß er zur Zeit der Sonnenwende nach Worms kommen werde mit seinem Weib und seinem Vater und vieler Gefolg­ schaft. Wie freute man sich in Worms dieser Botschaft, wie wurde gerüstet; wie arbeiteten alle Frauen, wie herrschte Runold, der Küchenmeister, über seine Untertanen, die Kessel, Häfen und Pfannen, alles zum festlichen Empfang der Gäste aus Nibelungenland! Endlich kamen sie, aber Kriemhildens Söhnlein war nicht dabei, man hatte es daheim gelassen bei seinen Pflegern. Mit hohen Ehren und gewaltigein Jubel wur­ den die Gäste empfangen, wie man bisher nie gesehen hatte. In Kurzweil zerrannen die Stunden, das Gesinde lag in

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Herbergen, und bei Tische saßen Wohl zwölfhundert Recken, also daß viele reiche Kleider vom Weine naß wurden. Posaunen, Flöten und Drommeten klangen, und die Wände hallten wieder von all dem Getöse. Brunhilde aber lag es immer in Gedanken, daß Sieg­ fried ihr damals, als er mit Gunther nach Jsenland ge­ kommen war, selbst gesagt hatte, er sei der Untertan Gunthers. Und als einmal die beiden Frauen zusammen einem Kampfspiel zusahen, da gab es einen Streit zwischen ihnen, weil Kriemhilde ihren Mann rühmte und Brun­ hilde hochmütig sagte, er sei ja doch nur der Dienstmann ihres Gemahls. Da sagte Kriemhilde in Zorn: Man wird ja sehen, daß wir nicht weniger sind als ihr, noch heute werde ich beim Kirchgang vor dir in den Dom treten, denn das ist mein Recht! Und wie man nun zur Kirche ging, da käm BrunHilde mit ihren Frauen von der einen Seite, und von ihr geschieden kam Kriemhilde mit ihren Frauen von der anderen Seite, und wie Kriemhilde zuerst zur Pforte hin­ einschreiten wollte, sagte Brunhilde: Es soll die Frau eines Dienstmannes nicht vor der Königin gehen. Kriemhilde entflammte in Hellem Zorn und sagte: Dich hat nicht Gunther bezwungen, sondern Siegfried, mein lieber Mann. Und um es zu beweisen, zeigte sie ihr den Ring und den Gürtel, die Siegfried einst der Brunhilde entrissen hatte. Und wie Brunhilde noch dastand, zitternd und wort­ los, da schritt Kriemhilde stolz an ihr vorüber und ging vor ihr in den Dom. Von diesem Augenblick an war die Freundschaft in Haß verkehrt; es war umsonst, daß Gunther und Sieg­ fried die beiden Frauen versöhnen wollten, der grimme Hagen schürte die Glut noch mehr, er sagte: Siegfried soll sterben, denn er ist schuld, daß meine Herrin heute gelästert wurde. Und alle Tage wiederholte es Hagen zu Gunther: Wenn Siegfried nicht mehr lebte, dann würde dir manches Land untertan werden!

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7. Wie Siegfried verraten ward. Zweiunddreißig Boten kamen angeritten zu Worms, die kündigten Fehde an von feiten der Könige Lüdegast und Lüdeger, die früherhin Siegfried gefangen hatte. Da erschraken die Burgunden, aber Siegfried war sofort be­ reit, diesen Krieg mitzumachen samt seinem Gefolge; der alte König Siegnrund sollte derweilen zu Worms bleiben. Kriemhilde war sehr traurig, denn sie fürchtete, ihr Trauter käme nicht wieder. Sie ließ Hagen zu sich ent­ bieten und bat ihn, er möge aus Siegfried achten. Überall

sei er unverwundbar, seit er sich einstmals im Blute des Drachen gebadet habe, nur an einer Stelle nicht, wo ein breites Lindenblatt auf ihn gefallen sei, so daß das Drachen­ blut diese Stelle nicht berührt hätte. Hagen gelobte, er werde Siegfried mit seinem Schilde schützen, nur solle sie ein kleines Zeichen auf sein Gewand nähen, dainit er wisse, wo die verwundbare Stelle sei. Und als sie andern Tags ausrückcn wollten, da er­ blickte Hagen ein seidenes Kreuzchen ans Siegfrieds Waffen­ rock, gerade zwischen den Schulterblättern des Helden. Nun kamen zwei neue Boten von Lüdeger, die sagten, daß die Feinde doch lieber Frieden halten wollten. Aber das alles hatte der arge Hagen nur ersonnen. Die zweiunddreißig Boten und die zwei Boten hatte Hagen selbst geschickt, er wollte nur Siegfrieds verwundbare Stelle wissen, denn er wollte ihn umbringen. Und Gunther wußte um diesen Plan. Da hieß es: wenn wir nicht in den Krieg ziehen, dann wollen wir in den Odenwald und eine große Jagd dort halten. Siegfried küßte zum Abschied Kriemhilde. Die wollte ihn nicht von ihrer Seite lassen, sie hatte geträumt, wie zwei wilde Schweine über die Heide jagten und die Blumen alle sich rot färbten, und dann wieder ivaren zwei Berge auf Siegfried gefallen. Sie wußte, daß Hasser sie beide umgaben, darum ahnte ihr Herz Verrat und Trug.

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Siegfried aber umfing sie mit den Armen; das sollte das letztemal fein, daß er sic herzte. Danach ritt er von dannen. Im Odenwalde gab es eine lange und lustige Jagd, da war Wild von allen Arten und viele Jäger und Hunde. Als die Jagd geendet war, hatte Siegfried das meiste Wild erlegt und hatte sogar einen Bären lebendig gefangen, den er dann zur Kurzweil in der Küche losließ, die man auf­ geschlagen hatte, um die Jäger nach der Jagd zu erquicken. Da es aber an Wein fehlte, der versehentlich in den Spessart geschickt war, wie Hagen vorgab, da fragte der durstige Siegfried nach einem Quell, um an einem Trünke Wassers sich zu erlaben. Hagen sagte, ein frischer Quell sprudele nicht weit von hier, sie wollten um die Wette dorthin laufen. Da sprangen die drei davon, Siegfried, Hagen und Gunther, Siegfried in Waffenrüstung voraus, die beiden in leichter Gewandung folgten. Hagen schaute immer nach deni seidenen Kreuzchen.

8.

Von Siegfrieds Tod. Da kamen sie ans Brünnlein, Siegfried legte die Waffen nieder, aber er wollte den König Gunther erst trinken lassen, weil er sein Wirt war. Und während sich Gunther niederneigte, trug Hagen Bogen und Schwert Siegfrieds zur Seite, dann sprang er zurück und nahm den Wurfspeer des Helden in seine Hand. Und wie Sieg­ fried gebückt vor dem Brünnlein stand und trank, da schaute Hagen noch einmal dahin, wo das Kreuzlein blinkte, dann stieß er ihm mit allen Kräften den Spieß in den Rücken, daß er im Herzen stecken blieb und das Herzblut, heraus­ sprang. Siegfried sprang tobend vom Brunnen auf und griff nach seinen Waffen, die waren aber verschwunden, da rannte er mit dem Schildrande den Hagen an, der strauchelte und fiel nieder, und die Schildesschläge, die auf ihn nie­ derfielen, weckten den Widerhall.

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Heldensagen.

Aber Siegfrieds Farbe war schon erblichen, er konnte nicht mehr stehen, seines Leibes Stärke war zergangen, er fiel in die Blumen nieder und sprach leise seine letzten Worte. Er klagte über die treulosen Freunde, und als Gunther jammerte über die Missetat, da sagte Siegfried, durch ihn sei ja die Tat geschehen, da solle er nicht noch heuchlerisch klagen. Aber mich dauert Frau Kriemhilde, mein Weib, und mein kleines Söhnlein. Edler König, ver­ letzt Kriemhilde nicht, die ja Eure Schwester ist! So sprach er noch, die Blumen und das Gras waren vom Blute naß, und der Held war tot. Sie trugen ihn auf dem Schilde zu den Jagdgenossen, und man wollte sagen, Schächer hätten ihn erschlagen. Aber Hagen sprach: Mich soll es nicht kümmern, wenn die Wahrheit der bekannt wird, die meine Herrin Brun­ hilde so gekränkt hat.

9. Wie Siegfried bestattet wurde.

Es war Nacht, als man mit dem toten Helden zu Worms ankam, und Hagen ließ ihn vor die Kammertür legen, wo Kriemhilde ruhte. Als sie beim Morgengrauen erwachte und zur Mette in den Dom gehen wollte, wie sie Pflegte, da schrie ein Kämmerer, vor dem Gemach läge ein toter Ritter. Kriemhilde wußte sofort, daß es Sieg­ fried sei, denn sie gedachte an Hagens Worte, er wolle ihn schützen, und an Brunhildens Haß. Da war es für ewig vorbei für sie mit Lust und Fröhlichkeit. Sie ließ sich zur Leiche führen und hob Siegfrieds schönes Haupt mit ihrer weißen Hand empor. Meuchelmörder haben dich erschlagen! so jammerte sie, im Rücken ist die Todeswunde! Sie weckte Siegmund, der nun mit ihr klagte. Kriemhilde ließ den Toten auf einer Bahre in den Dom tragen, und alle schritten daran vorüber. Aber wie Hagen an der Bahre vorbei ging, bluteten die Wunden wieder. Drei Tage lang wurde gesungen und gebetet und

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geklagt, dann kam das Begräbnis. Ein Sarg war geschmiedet worden, darin ruhte der Held. Ehe er ins Grab versenkt wurde, ließ Kriemhilde den Sarg nochmals aufbrechen und küßte noch einmal den vielgeliebten Gemahl unter blutigen Tränen, dann sank sie in eine lange, tiefe Ohnmacht.

10. Was weiter geschah, bis Kriemhilde ins Heunenland kam.

König Siegmund kehrte heim, aber die schmerzer­ füllte Kriemhilde wollte zu Worms bleiben bei ihrer Mutter Ute, denn sie konnte sich von ihrem Gemahl auch im Tode nicht trennen. Den Hagen sah sie nicht wieder, und mit Gunther redete sie kein Wort. Nur mit Giselher, ihrenl jüngsten Bruder, redete sie, denn der war immer lieb und gut gegen sie und suchte sie zu trösten. Sie ließ sich ein Haus zimmern am Dom, damit sie immer dort beten könne, wo ihr Freund begraben lag. Wie nun ihr Schmerz gar nicht nachließ, riet Hagen, man solle den Nibelungenhort holen, der ihr ja gehöre, das werde sic vielleicht trösten. Und man holte vom Zwerg Alberich den Schatz. Da versöhnte sie sich mit Gunther, aber im tiefsten Herzen blieb sie ihm doch gram. Als sie nun mit vollen Händen Gold und Kleinode verschenkte, den Armen und ihren Freunden, da fürchtete Hagen, sie würde sich allzugroßen Anhang machen im Lande und end­ lich Rache nehnren können an denen, die sie in dies Leid gebracht hätten. Er verschasfte sich darum den Schlüssel zunr Schaße, nahm den Schatz heimlich weg und versenkte ihn bei Lochheim in den Rhein. Die Mutter Ute zog in einen Siedelhof beim Kloster Lorsch, und bei ihr wohnte nun auch Kriemhilde ; Siegfrieds Sarg nahm sie mit und ließ ihn in der Klosterkirche zu Lorsch beisetzen. Bon nun ab nannte man Gunther, weil er im Besitz des Nibelungen­ schutzes war, den Herrn der Nibelungen, auch alle seine Minnen wurden die Nibelungen genannt.

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So vergingen dreizehn Jahre, da starb im Hennen­ lande die Königin Helke, des Heidenkönigs Etzels Ge­ mahlin. Und als nach einer Weile Etzel sich nochmals ver inählen wollte, rühmte ihm sein Markgras Rüdiger die Königswitwe Kriemhilde so lange, bis Etzel den Rüdiger nach Worms sandte, daß er um Kriemhilde werben sollte. Sie zögerte lange, denn sie konnte Siegfried nie ver­ gessen, aber als Rüdiger ihr mit Eiden gelobte, daß er in allen Nöten ihr beistehen wolle, da zuckte es durch ihre Gedanken, daß sie vielleicht mit Rüdigers Hilfe dereinst an dem Mörder Siegfrieds sich rächen könne, und sie sagte: Ja, ich will König Etzels Gemahlin werden, wenngleich er ein Heide ist. So fuhr sie beim mit Rüdiger ins Heunenland, ihre Brüder Giselher und Gernot ritten mit bis an die Donau. Im Heunenland wurde Kriemhilde mit hohen Ehren be­ grüßt, und ein glänzendes Hochzeitsfest wurde gefeiert.

11. Wie die Nibelungen ins Heunenland ritten.

Sieben Jahre vergingen, und Kriemhilde hatte ein Söhnlein bekommen, das bekam die Christentaufe und wurde Ortlieb genannt. Da drang sie in Etzel, ihren Gemahl, er möge ihre Freundschaft einmal einladen ins Heunen­ land, auch Hagen müsse dabei sein. Sie verhehlte aber, was eigentlich ihre Absicht sei. Da sandte Etzel zwei Heunen, die Spielleute Schwemmel und Werbet, nach Worms mit Botschaft und Briefen, alle möchten zur Sonnwend­ zeit sich in seinem Lande einfinden zu großen Spielen und Festlichkeiten. Der finstere Hagen argwöhnte Schlinimes, aber er wollte nicht feige erscheinen und sagte zu, daß er mitkommen wollte. Er sorgte aber, daß alle wohl­ gerüstet waren und mit großem Heergefolge ausritten. Als sie über die Donau wollten, da suchte er lange am Gestade nach einer Fähre. Er sah zwei Meerweibchen,

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die badeten und hatten ihre Schwanengewänder ans User gelegt. Tie nahm Hagen fort und wollte sie ihnen erst wiedergeben, wenn sie ihm weissagten. Das taten sie denn und sagten, keiner von ihnen würde die Heimat Wieder­ sehen, nur der Kapellan. Als sie nun die Fähre gefunden hatten und Hagen mit dem Kapellan als letzter überfuhr, ergriff er den Ärmsten und schleuderte ihn in die Fluten. Aber Gott errettete den Kapellan, daß er am jenseitigen Ufer, von wo sie gekommen waren, ans Land trieb. Da merkte Hagen, daß die Meerweibchen Wahrheit gesprochen hatten, er zertrümmerte in Wut das Fährboot, und seine Mienen wurden von nun an noch finsterer, als sie schon immer gewesen waren. Zu Bechlarn, wo Graf Rüdiger wohnte, wurden die Burgnnden gastlich empfangen, sie mußten vier Tage blei­ ben, und weil Rüdigers holdes Töchterlein dem Giselher so gut gefiel, verlobte er sich mit ihr und versprach, aus der Rückreise sie als sein Weib mit an den Rhein zu nehmen. Das sollte aber niemals geschehen. Endlich kainen sie in das Heunenland, und Kriemhilde sah vom Fenster aus, wie all ihre alten Freunde einritten. Insgeheim aber gedachte sie, wie wohl ihre Rache ergehen könne an Hagen. Wer ein Held ist, der denke an mein Herzeleid, so ermahnte sie ihre Getreuen.

12. Von Kriemhildens Rache.

Alle Nibelungen grüßten freundlich die Königin, nur Hagen blieb stumm auf einer Steinbank im Hofe sitzen, als Kriemhilde vorüberschritt; in grausigem Hohn hatte er das blanke Schwert Balmung, das einst Siegfrieds Schwert gewesen war, über seine Kniee gelegt; als Kriemhilde ihm zurief, er hätte den Siegfried erschlagen, da sagte er trotzig: ja, er hätte das getan, das möge rächen, wer da wolle. Kriemhilde fragte, ob man ihr den Nibelungenhort mitge-

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bracht hätte, der ihr gehöre. Da antwortete Hagen, der läge im Rhein bis zum jüngsten Tage, wo, das werde er niemals sagen. Das war so bittere und herbe Rede, daß nur Unheil daraus entspringen konnte, und die schreck­ lichste Rache begann. Zwar wollte Krieuihilde den Hagen allein treffen, aber alle Nibelungen schwuren, daß sie ein­ ander nicht verlassen wollten, besonders gelobte Volker, der Spielmann von Alzei, er wollte mit Hagen alle Gefahr gemeinsam bestehen. So kam es zu einem wilden Kampfe, der beim Eintritt der Dunkelheit erst ruhte, aber am frühen Morgen wieder anhub. Alle Helden vom Rhein wurden er­ schlagen, und zuletzt waren nur noch Gunther und Hagen am Leben. Dietrich von Bern, der dem Etzel untertan war, kämpfte mit Hagen und brachte ihn gebunden zu Kriemhilde. Sie versprach Hagen, er solle sein Leben be­ halten, wenn er ihr sage, wo der Nibelungenhort läge.

So lange einer meiner Herrn lebt, erwiderte Hagen, sage ich das nimmermehr! Da ließ Kriemhilde ihrem Bruder Gunther, der auch gefangen und gebunden war, das Haupt abschlagen und brachte es dem Hagen. Jetzt müsse er sagen, wo der Schatz wäre. Hagen aber sagte: Wo der Schatz ist, das weiß jetzt nur Gott und ich, du wirst

es niemals erfahren! — Tann habe ich nur noch einen Trost, sagte Kriemhilde, das ist Balmung, das Schwert meines Siegfried, den ich niemals vergessen kann. Und sie zog das Schwert aus der Scheide, sie schwang es mit den Händen und schlug Hagen das Haupt ab. Das konnte der alte Hildebrand, Etzels Dienstmann, nicht ansehen, daß Hagen, nach Siegfried der stärkste und kühnste Held, von der Hand eines Weibes wehrlos den Tod erlitten hatte. In grimmem Zorne sprang er hinzu, es half Kriemhilde nichts, daß sie so ängstlich schrie, sie sank zu Boden, von Hildebrands Schwert zerhauen. So endete die Liebe mit Leide.

Die Götter der Griechen.

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194. Die Götter der Grieche». 1. Die Griechen verehrten viele Götter, aber jeder Volks­ stamm für sich doch nur wenige, nur seine besonderen Schutzgötter, zu denen gebetet wurde in Not, denen Man dankte im Glück, denen man Opfer brachte, denen man Tempel baute, worin sie im Bilde wohnten. Die Athener verehrten hauptsächlich die Athena, nach der ihre Stadt ja genannt worden war. Es war eine Jungfrau, bewehrt mit Helm, Schild und Speer, sie hatte große, strahlende, auch im Dunkeln leuchtende Augen, wie eine Eule. Die Eule war denn auch ihr heiliges Tier, und Eulen wurden in Athen überall gehalten, wie bei uns andere Vögel in Käfigen. Die Athena war die Göttin, die ihre Freunde im Krieg und im Frieden beschützte, die den Olbaum ge­ schenkt hatte und gedeihen ließ; sie hatte den Webstuhl erfunden, sie verstand alle Künste und alle Weisheit. Sie war eigentlich die verkörperte Weisheit des höchsten Gottes selbst; man sagte, ihre Geburt sei so geschehen, daß sie völlig erwachsen und in voller Rüstung aus dem Haupte des Zeus herausgesprungen sei. Dieser Zeus, der Vater der Götter und Menschen, wurde als oberster Gott in ganz Griechenland angebetet. Man dachte sich ihn wie einen kräftigen Mann, die Stirn sorgenvoll gefurcht, immer ernst, das Haupt von lockigem Haar umwallt, mit einem nicht zu langen, lockigen Voll­ bart. Die Römer nannten ihn Jupiter, und seine Tochter Athena nannten sie Minerva. Zeus lenkte alle Erschei­ nungen in der Lust, er sammelte die Wolken, er ließ blitzen, donnern und regnen. Er herrschte gerecht und milde. Der Wler war sein heiliges Tier und sein Bote. Die Hera, von den Römern Juno genannt, war die Götterkönigin, die Gemahlin des Zeus. Sie war eine stolze Schönheit, streng, hoheitsvoll und unnahbar, selbst Zeus fürchtete sich, sie zu erzürnen. Ihr heiliges Tier war der Pfau, der paßte zur Hera.

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Heldensagen. Poseidon, der Gott des Meeres, war dem Zeus

sehr ähnlich an Gestalt, nur daß sein Bart nicht so lockig war, denn er war immer naß vom Meerwasser. Poseidon war der Bruder des Zeus. Da Griechenland fast ganz vom Meer umspült ist, viele Buchten und Meerbusen tief ins Land einschneiden, auch zahlreiche Inseln dazu ge­ hören, so mußten die Griechen viel auf dem Meere fahren, und die Gunst des Meergottes war für sie sehr wichtig. Poseidon fuhr auf dem Meere immer hin und her in einem Muschelwagen, in der Hand einen Dreizack, der seine Waffe war. Stieß er mit diesem gegen Felsen, so gab es ein Erdbeben, drum nannte man ihn auch den Erd­ erschütterer. Auf der Meerenge von Korinth und anderswo am Meergestade halte er Heiligtümer: die Fichte, genau ge­ sagt die Strandkiefer, war ihm geweiht. Bei den Römern hieß dieser Gott Neptun.

2. Zu Delphi und anderswo verehrte ncan den Gott Apollo. Eigentlich war er die Sonne, die man göttlich verehrte, loeil sie den Menschen ja alles bringt, was sie zum Leben brauchen, Licht und Wärme und was damit zusammenhängt. Apollo oder Helios lenkte die Sonne, die war ein Wagen, von vier leuchtenden Sonnenrossen gezogen. Apollo war von strahlender Schönheit und von großer Stärke. Sein Gesicht war bartlos. Wie die Sonne Strahlen wirft, so schoß er Pfeile, damit konnte er seine Feinde töten. Er weissagte auch, besonders in seinem Tempel zu Delphi. Dort saß eine Priesterin auf einein ehernen Drei­ fuß, die stieß unzusammenhängende Worte aus, man glaubte, auf Eingebung des Apollo; die Priester brachten diese Worte in Zusammenhang, und das war die Antwort des Gottes, wenn Leute in irgend einer wichtigen Sache ihn um Rat gefragt hatten. Das nannte man das Orakel des Apollo zu Delphi. Da man die Dichter für eine Art von gottbegeisterten Propheten hielt, so beschützte Apollo auch

Die Götter der Griechen.

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die Dichter. Der Lorbeer >var die ihm heilige Pflanze. In seinem Gefolge waren unter andern neun Jungfrauen, die man Musen nannte: wenn sie die Musen anriefen, dann fanden die Dichter die schönsten Verse, die Sänger die bezauberndsten Töne, den Erfindern fielen die tiefsten

Gedanken ein. Sonne und Mond gehören eng zusammen, sie sind gleichsam Geschwister. So verehrten denn die Griechen den Mond als Zwillingsschwester des Apollo, die nannten sic Artemis. Sie war sanft und milde; in Kleinasien hielt man diese Artemis zugleich für die große Beherrscherin der freien Natur, die Göttin des Waldes, die Beschützerin der wilden Tiere. Wollte ein Jäger ein Tier erlegen, so betete er zur Artemis, daß sie ihm von all den Tieren, die ihr ja gehörten, einige überlassen möchte. Darum nennt man sie auch wohl die Göttin der Jagd. Ihr lateini­ scher Name war Diana. Noch andere Gestirne wurden von den Griechen als Götter betrachtet, so der schönste aller Sterne, der Mor­ genstern. Wenn der Schiffer den Morgenstern in der Morgendämmerung aus dem Meere aufsteigen sah, dann fiel er auf seine ftniee und betete, denn jetzt war er froh, jetzt mußte die Reise ohne Gefahr von statten gehen, so dachte er, denn der Glücksstern hatte ja geleuchtet. Darum hieß es, dieser Stern wäre die Glücksgöttin, die Göttin der Schönheit, Anmut und Liebe; sie sei geboren aus dem Schaume des Meeres, die Göttin Aphrodite. Auf eini­ gen Inseln, besonders auf der großen Insel Cypern, stan­ den Tempel der Aphrodite. In Rom wurde diese Göttin auch Venus genannt, und ihr Söhnchen Eros hieß dort Amor. Man dachte ihn sich als kleinen Knaben mit Flügeln, bewaffnet mit Bogen und Pfeilen. Damit ver­ wundete er die Menschen, manchmal leicht, manchmal tödlich. Am Himmel steht auch ein sehr heller, rötlich leuch­ tender Stern, den die Römer Mars nannten, so heißt der

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Heldensagen.

Stern auch bei uns. Die Griechen aber nannten ihn Ares. Weil sein Licht rot ist, so dachte man, dieser Stern sei blutig und sähe gern Blut; so hielt man dies Gestirn sür den Gott des Krieges. Doch ist uns nicht bekannt, daß ihm irgendwo ein Tempel gewidmet worden wäre. Er war gefürchtet, aber man betete nicht zu ihm. Um so eifriger beteten die Schisser zu dem hellen Zwillingsgestirn, Kastor und Pollux, dann hatten sie gute Fahrt. 3.

Ten Landleuten war es wichtig, die Demeter an­ zurufen, denn sie ließ die Feldfrüchte gedeihen, besonders das Getreide; die Römer nannten sie Ceres. Sie war die Schwester des höchsten Gottes Zeus. Da nun die Pflanzen zu ihrem Wachstum auch Wurzeln haben müssen, die unter der Erde im Dunkeln wachsen, und da die Griechen das ganze Gebiet unter der Oberfläche der Erde das Reich der Unterwelt benannten, so legten sie sich diese merkwürdige Lebensweise der Pslanzen so zurecht: sie sag­ ten. die Tochter der Demeter, genannt Proserpina, sei beim Spiel auf einer Wiese eines Tages von Pluto oder Hades, dem Gotte der Unterwelt, geraubt und in die Unterwelt entführt worden. Dort hätte Pluto sie zu seiner Gemahlin gemacht. Seitdem nun beschützten die beiden Göttinnen, Mutter und Tochter, gemeinsam das Getreide, die Demeter von oben her die Halme und Ähren, die Proserpina von der Unterwelt her die Wurzeln. In Ägypten, wo seit uralten Zeiten viele Künste ge­ übt wurden, das Bauen, die Bearbeitung von Metallen und Ton zu Waffen, Geräten und Gefäßen von allerlei Art, glaubte man, ein bestimmter Gott hatte diese Dinge die Menschen gelehrt. Diesen ägyptischen Gott nahmen nun auch die Griechen in ihren Götterkreis auf und nonnten ihn Hephästos, die Römer nannten ihn später Vulkan. Nach ihm heißen noch heute die feuerspeienden Berge Vul-

Die Götter der Griechen.

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kane, und die Griechen glaubten auch, im Ätna aus der Insel Sizilien wäre die Schmiedewerkstatt des Hephästos. Er verfertigte für Götter und auch zuweilen für Men­ schen, die er liebte, Waffen und Geräte. Weil er aber immer am Amboß stand und mit dem Feuer zu tun hatte, so war er nicht schön wie die andern Götter, sondern von Ruß geschwärzt und hinkte auch. Ein Sohn des Zeus, Hermes, von den Römern Merkur genannt, hatte die Seelen der verstorbenen Men­ schen in die Unterwelt zu geleiten. Dort lebten sie als Schatten ein freudloses Leben weiter, nur einzelne, welche sich durch ein frommes Leben ausgezeichnet hatten, kamen in die elysäischen Gefilde, wo es sehr schön war, nur lagen sie freilich auch in der Unterwelt. Weil Hermes beständig zwischen Erde und Unterwelt hin- und hereilte, ward er der Götterbote. Er war ein schlanker, kraftvoller Jüng­ ling. Darum beteten auch die Jünglinge zu ihm um Stär­ kung ihrer Kraft und Gewandtheit bei den Leibesübungen. In jedem Hause erschien der Herd als der Ort des Friedens und der Geselligkeit. Um das warme Feuer konnte man sich im Kreis herumsetzen und sich allerlei erzählen, denn in den anderen Gemächern waren keine Ofen. Dar­ um galt der Herd selbst als der Altar einer Göttin, die hieß Hestia, römisch Vesta; sie war die Schwester des Zeus. 4.

Wie bei uns, wenn wir den Sagen und Märchen glauben, viele übermenschliche und niächtige Wesen die ganze Natur erfüllen. Elfen, Zwerge und Kobolde, Feen, Riesen und Nixen, ganz so glaubten auch die Griechen, es gäbe überall Götter und Göttinnen von geringerer Macht, aber immerhin doch viel mächtiger als die Menschen, und vor allen Dingen, sie waren unsterblich. Im Wald und an den Quellen wohnten Ntzniphen, das waren Götter­ mädchen, in den Flüssen wohnten Flußgötter, int Meere Tritonen und zahllose Gestalten, halb Mensch, halb Fisch,

256

Heldensagen.

in einsamen Gegenden gab es die ziegenbeinigen Sathren, deren oberster Herr, Pan, auch so aussah, und Zentau­ ren, die halb Pferd, halb Mensch waren; die Morien­ röte war eine Göttin mit Rosenfingern, sie hieß Los, römisch Aurora; die drei Parzen spannen den Schicksalsfaden jedes Menschen, schnitt die dritte Parze den Faden ab, dann starb der Mensch. Ten DionnsoS, römisch Bacchus, dürfen wir auch nicht vergessen, den Gott des Weines, der mit einem großen Gefolge von göttlichen Wesen den Erdkreis durchzog, überall Freude und laute Lust weckte und die Menschen begeisterte, wo er sich zeigte. Und was gab es nicht alles 6eim Hades, in der Unter­ welt, für geheininisvolle Dinge zu schauen! Freilich ein lebender Mensch kam dort nicht hin, nur dem Herkules und dem Orpheus soll es gelungen sein. Aber bei all der Fülle von göttlichen Wesen betete jeder einzelne Grieche nur zu wenigen Göttern, jeder Ort hatte nur wenige oder nur einen Tempel. Der Tempel war eigentlich nur ein heiliger Bezirk, der der Gottheit geweiht war, eingehegt mit Zaun oder Mauer; drinnen stand ein Altar, auf dem die Opfer dargebracht wurden, und Priester oder Priesterinnen wohnten in der Nahe als Wächter. Weihgeschenke stellte man umher, und wenn zu­ letzt Geld genug vorhanden war, dann wurde auch wohl ein Tempelhaus gebaut und eine Bildsäule der Gottheit hineingestellt. Der Altar stand immer im Freien vor dem Tempel, und wenn ein Fest war zu Ehren des Gottes, dann opferte inan Tiere auf dem Altar; die Nieren und das Fett und einige besonders gute Stücke vom Fleisch ver­ brannte man für den Gott, der wohlgefällig dell empor­ steigenden Duft einsog, das übrige wurde als Opfermahl­ zeit von den Menschen verzehrt. Oft gingen auch Leute ill das Tempelhaus, legten sich auf den Boden und schliefen. Träumten sie dabei etwas, so glaubten sie, der Gott hätte ihnen den Traum gesandt, um ihnen seinen Willen zu offenbaren und ihnen zu raten, was sie tun sollten.

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Herkules.

Der höchste Berg in Griechenland ist der Olymp, der so hoch ist, daß sein Gipfel immer von Wolken verhüllt unb fast das ganze Jahr mit Schnee bedeckt ist. Dort auf der höchsten Spitze des Olymp wäre die Wohnung der Götter, so glaubte man. Dort stand die herrliche Burg des Zeus, und manchinal ließ er alle Götter dorthin rufen zu einer Versamm­ lung oder zu einem Feste. Dann aßen sie Ambrosia und tranken Nektar, und Hebe, die Tochter des Zeus, mußte einschenken. Nur die Götter der Unterwelt durften nie­ mals dorthin kommen. Die andern nannte man auch die olympischen Götter. Und das sind eben die sechs Götter und sechs Göttinnen, von denen wir hauptsächlich erzählt haben. Alle sahen aus wie Menschen, nur viel größer und schöner und stärker, und alle waren unsterblich, und sie wurden auch niemals älter, Zeus blieb immer ein älterer Mann und Eros immer der kleine, mutwillige Knabe.

195 Herkules. Herkules war der Sohn des höchsten Gottes Zeus, seine Mutter Alkmene war aber eine sterbliche Königstochter. Herkules war von übermenschlicher Stärke, schon in der Wiege erdrückte er zwei mächtige Schlangen, die ihn um­ bringen wollten. Sein ganzes Leben war Mühe und Ar­ beit. Ihn haßte die Götterkönigin Hera, darum hatte sie es so geordnet, daß er dem feigen und schwachen König Eurystheus dienen mußte. Was dieser befahl, mußte Herku­ les tun, erst als er auf des Königs Befehl zwölf Arbeiten glücklich vollendet hatte, ward er von seinem Dienste frei. Als Herkules starb, erhob ihn Zeus zu sich in den Himmel und gab ihm die Göttin Hebe zur Gemahlin. In Griechen­ land erzeigte man dem Herkules göttliche Ehren, opferte ihm und betete zu ihm. Wir wollen uns einige der zwölf Arbeiten des Herkules erzählen lassen: Hessel und Ufer, Lesebuch 3.

M. 17

258

Heldensagen.

1. Der Löwe von Nemäa. Herkules trat vor den König Eurystheus und sagte ihm, daß er alles tun wolle, was er ihm befehlen würde. Da sagte der König Eurystheus, er solle nach Nemea gehen und den Löwen totschlagen. Nemea war ein Tal mit einem dichten Walde zwischen hohen Bergen im Lande des Eurystheus; in dem Walde wohnte ein sehr böser Löwe, dessen Fell war so stark, daß kein Eisen ihn verwunden konnte, und wenn die Hirten Spieße auf ihn warfen, so sielen sie nieder, ohne dem Löwen Schaden zu tun, und der Löwe sprang auf sie und zerriß sie. Herkules stellte sich im Walde, wie die Jäger es tun, hinter die Bäume, daß ihn das Raubtier nicht sehe, wenn er schießen wollte. Da kam der Löwe durch den Wald; er hatte Rinder ge­ fressen, und sein Maul und seine Mähne waren ganz blutig, er leckte sich mit seiner großen Zunge das Blut, welches ihm am Maul saß, und brüllte. Wenn ein Löwe int Walde brüllt, so klingt es wie Donner, und die Erde zittert. Mit seinem Schwanz schlug er sich die Seiten und die Bäume. Herkules schoß, aber der Pfeil sprang ab. Herkules schoß noch einmal, aber auch der Pfeil konnte nicht durch die Haut des Löwen dringen, und wenn er auf einen ge­ harnischten Mann geschossen hätte, so würde der Pfeil durch den Panzer und durch den Körper des Mannes ge­ gangen sein. Da sah der Löwe Herkules und sprang auf ihn zu. Wenn ein Löwe springt, so macht er sich krumm, legt sich mit der Brust auf die Erde und zieht den Schweif zwischen die Hinterbeine; er kann so weit springen, als die Stube mit dem Ofen lang ist. Herkules wickelte seinen Mantel um den linken Arm, um ihn abzuhalten, und in die rechte Hand nahm er eine große Keule, die er sich im Walde gehauen hatte, und mit der schlug er den Löwen auf den Kopf. Der Löwe aber blieb nicht tot, sondern stand auf den Füßen, er war aber ganz erschrocken. Da sprang Herkules über ihn und faßte seinen Hals zwischen

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Herkules.

seine beiden Arme und hob ihn auf und erwürgte ihn; mit den Füßen stand er auf den Hinterbeinen des Löwen. AIs der Löwe tot war, zog er ihm das Fell ab und hing es sich um, den Rachen des Löwen setzte er sich auf den Kopf, als ob es ein Helm wäre, und das Fell von den Vor­ derfüßen knotete er um seinen Hals zusammen. Seine Keule war zerbrochen, als er den Löwen auf den Kopf geschlagen hatte; so stark waren die Knochen des Tieres. Da hieb er sich eine andere Keule, und so ging er immer mit der Keule und dem Löwenfell. Nun kam Herkules wieder zurück nach Tiryns und ließ dem Könige sagen, daß der Löwe tot sei. Da fürchtete Eurystheus sich sehr vor ihm und ließ sich unter der Erde eine Kammer von Erz inachen, in die ging er hinunter, wenn Herkules kam, und es war ein Gitter daran, durch das sprach er mit ihm und befahl ihm, hinzugehen und die Hydra von Lerna tot zu schlagen. 2.

Die Hydra von Lerna. Diese Hydra war eine große Schlange, so lang wie ein Schiff, die hatte neun Köpfe und wohnte im Sumpf von Lerna. Herkules setzte sich auf einen Wagen, und sein Freund Jolaus lenkte die Pferde, und sie fuhren hin nach Lernr. Die Hydra verkroch sich vor Herkules, der nahm seinen Bogen und wickelte Werg mit Pech und Schwefel um Die Pfeile, zündete das an und schoß damit auf die Hydra in das Loch hinein, wo sie sich unter der Erde verkwchen hatte. Da fuhr sie aus dem Loch heraus und auf Herkules zu. Herkules packte sie mit der einen Hand um üen Hals, wo die neun Köpfe saßen, sie wand sich aber mit ihrem langen Schwanz um sein eines Bein. Herkrles schlug mit seiner Keule auf die Köpfe und schlug sie ertzwei, wenn aber ein Kopf zerschlagen war, so wuchsen zweiandere wieder heraus. Nun schlug er immer mit der Keule 17'

260

Heldensagen.

auf die Köpfe der Hydra, und immer wuchsen wieder neue heraus, und er wäre nicht mit ihr fertig geworden, wenn nicht sein Freund Jolaus bei ihm gewesen wäre. Der hieb Bäume um und legte die Stücke zusammen und machte ein großes Feuer; nun nahm er große brennende Stücke, und wenn Herkules einen Kopf zerschlagen hatte, so brannte er ihn damit, dann wuchsen keine anderen wieder heraus. Als alle Köpfe entzwei geschlagen waren, war die Hydra tot, und Herkules tauchte die Spitzen seiner Pfeile in ihr Blut, das war so giftig, daß, wenn der Pfeil die Haut nur ritzte, so starb der Mensch oder das Tier. Das war der zweite Kampf, den Herkules auf Befehl des Eurystheus voll­ brachte, wie Apollo es ihm befohlen hatte. 3.

Der Eber vom Erymanthus. Darauf verlangte Eurystheus, daß er den wilden Eber vom Erymanthus lebendig bringen sollte. Der Erymanthus ist ein Berg in Arkadien, da wohnte dieser Eber und lief in alle Kornfelder und Gärten und verwüstete die, und wenn die Leute mit Spießen gegen ihn gingen, so warf er sie nieder und verwundete sie mit seinen großen Hauern, daß sie starben. Da ging Herkules auf den Erymanthus und dachte, daß der Eber gegen ihn laufen sollte, wie gegen andere Jäger, und dann wollte er ihn greifen; aber der Eber ward bange vor ihm und lief weg. Herkules lief ihm nach, und der Eber immer vor ihm her und sprang in der Angst in eine tiefe Schlucht, die war voll Schnee; denn auf den Bergen von Arkadien liegt tiefer Schnee wie auf den Alpen. Da hatte Herkules eine Schlinge von einem starken Tau ge­ macht, und die warf er ihm um die Beine und den Leib, als er zappelte, um herauszukommen; er zog ihn herauf zu sich, warf das Tier auf seine Schultern und trug ihn nach Tiryns. Der Eber lag auf dem Rücken, mit den

Herkules.

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Beinen in die Höhe, und grunzte und schlug mit dem Kopf und den Beinen, aber er konnte sich nicht los­

machen.

4. Der Gürtel der Hippolyta.

Die Amazonen waren ein Volk von lauter Weibern, die auf Pferden ritten und Krieg führten und so tapfer waren wie Helden; ihre Königin hieß Hippolyta, diese hatte einen kostbaren Gürtel von Gold mit Edelsteinen, den hatte ihr Mars geschenkt. Von diesem Gürtel hatte Eurystheus gehört, und er wollte ihn für seine Tochter Admeta haben; deshalb befahl er Herkules, daß er ihn bringen solle. Herku­ les ließ in Griechenland bekannt machen, daß er gegen die Amazonen in den Krieg ziehen wolle, und daß tapfere Männer mit ihm gehen könnten. Er ging mit einem Schiff und nahm die, welche zu ihm gekommen waren, mit sich. Als er nach dem Lande der Amazonen gekommen war, ließ er der Königin Hippolyta wissen, weswegen Euryst­ heus ihn geschickt habe. Hippolyta wußte, daß Herkules Eurystheus gehorchen müsse, weil Apollo es ihm befohlen hatte, und wollte ihm den Gürtel schenken; aber die Ama­ zonen wollten es nicht leiden und griffen Herkules und seine Gefährten an. Da ward eine große Schlacht gefoch­ ten, die auf vielen Basreliefen abgebildet ist. Die Ama­ zonen fochten zu Pferde und Herkules und seine Beglei­ ter zu Fuß, und wenn Herkules nicht gewesen wäre, so würden die Frauen gesiegt haben. Aber Herkules schlug sie in die Flucht und nahm Hippolyta gefangen; er tat ihr aber nichts zu Leide und ließ sie wieder los, als er ihren Gürtel bekommen hatte.

5.

Die Äpfel der Hesperiden. Da befahl Eurystheus dem Herkules, daß er ihm die goldenen Äpfel der Hesperiden bringen sollte. Als Juno

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Heldensagen.

Hochzeit mit dem Jupiter machte, schenkte sie ihm goldene Äpfel, die legte er in die Erde im Garten der Nymphen,

die Hesperiden heißen, und daraus wuchsen Bäume, die wie­ der goldene Apfel trugen. Die hätten viele gern stehlen mögen, und deswegen mußten die Hesperiden selbst den Gar­ ten bewachen und hielten einen großen Drachen darin, der hundert Köpfe hatte. Herkules aber wußte gar nicht, wo der Garten sei, und mußte erst viele Tage umher­ gehen, bis er erfuhr, wo der sei. Auf dem Wege begegnete ihm Antäus, der war ein Sohn der Erde und gewaltig stark, der rang mit allen, die er antraf und brachte sie um; denn wenn einer so stark war, daß er Antäus zu Boden warf, so sprang er gleich wieder auf, weil die Erde seine Mutter war und ihn immer stärker machte, wenn er sie berührte, und wenn er den Gegner niedergeworfen hatte, so brachte er ihn um. Wie Herkules das merkte, daß Antäus stärker ward, wenn er ihn auf die Erde warf, so hob er ihn zwischen seinen Armen in die Höhe, daß er die Erde auch nicht mit den Füßen berührte, und drückte die Arme so fest, daß Antäus starb. Dann kam er an den Kaukasus, das ist ein sehr hoher Berg gegen Sonnenaufgang; an einer Wand dieses Berges, die ganz steil war und so hoch, daß niemand hinaufkommen konnte, hatte Jupiter den Gott Prometheus mit Ketten anschmieden lassen, zur Strafe dafür, daß er das himm­ lische Feuer den Menschen auf die Erde gebracht hatte. Alle Tage kam ein Adler, der ihm in die Seite hackte. Herkules nahm seinen Bogen und schoß den Adler tot und bat Jupiter, daß er Prometheus loslassen solle, und das tat Jupiter, und Prometheus kam wieder auf den Olympus zu den andern Göttern. Endlich kam Herkules zu Atlas, der am Rand der Erde stand und das Himmelsgewölbe mit seinen Schultern trug, daß es nicht auf die Erde falle. Atlas war ein Riese, ein Vatersbruder der Hesperiden, und Herkules bat

Herkules.

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ihn, daß er seine Nichten überreden möchte, ihm Äpfel zu schenken. Herkules fürchtete sich nicht vor dem Drachen und würde den auch totgeschlagen haben; aber er wollte den Nymphen die Äpfel nicht mit Gewalt nehmen. Atlas ging

für ihn zu den Hesperiden, und bis er wiederkam, nahm Herkules das Himmelsgewölbe auf seine Schultern. Die Hesperiden gaben ihrem Oheim drei Äpfel, die sollte er Herkules geben, wenn er verspräche, daß sie sie wieder bekommen sollten; denn alle wußten, daß Herkules hielt, was er versprach. Als Atlas zurückkam, wollte er Herkules immer stehen und den Himmel halten lassen, aber Herkules drohte, daß er ihn fallen lassen wollte, und da nahm ihn Atlas wieder und gab die Äpfel. Herkules trug sie zu Eurystheus und sagte ihm, daß er versprochen habe, sie wiederzugeben; Eurystheus hätte sie gern behalten, er wußte aber, daß Jupiter alsdann Herkules erlauben würde, ihn zu strafen, und so gab er sie wieder an Herkules, der brachte sie der Minerva, und die schickte sie an die Hesperiden. Das war die elfte Arbeit.

6. Der Höllenhund Cerberus.

Nun war noch eine Arbeit übrig, und wenn die vollendet war, so war der Herkules frei, und Eurystheus hatte ihm nichts mehr zu befehlen. Da gebot er, ihm den Hund Cerberus aus der Unterwelt heraufzubringen. Herkules ging an den Tänarus. Das ist ein hohes Vorgebirge in Griechenland, und in dem Felsen sind große Spalten und Höhlen, durch die man in die Unterwelt hin­ absteigen kann, und da ging Herkules immer tiefer hinunter, bis er an den Fluß Styx kam, der um die ganze Unter­ welt herumfließt, wo Pluto König war. Über den Fluß geht keine Brücke, sondern Charon fährt mit einem Boot hinüber und herüber. Charon sagte, Herkules sei gar zu groß und schwer, und das Boot könne ihn nicht tragen, aber er mu^te gehorchen.

264

Heldensagen.

Pluto und Proserpina begrüßten Herkules freundlich und sagten ihm, er könne den Cerberus gern mitnehmen, wenn er ihn zwingen könnte und versprechen wollte, ihn wiederzubringen. Cerberus war so groß wie ein Elephant und hatte drei Köpfe und an den Köpfen eine Mähne von Schlangen, und sein Schwanz war eine große Schlange. Herkules hatte seine Rüstung angelegt, die Vulkan ihm geschenkt hatte, wickelte die Löwenhaut fest um sich und packte Cerberus beim Hals und zog ihn fort; die Schlange, die der Schwanz des Hundes war, biß ihn immer, aber Herkules ließ nicht los und stieg durch die Höhlen wieder hinauf, durch die er herabgekommen war, und als Cerberus hcrauskam und Licht sah, ward er erst ganz wütend, und der Schaum lief ihm aus dem Munde, und wohin er fiel, wuchsen giftige Kräuter, woran die, welche sie essen, sterben. Alle, die den Cerberus sahen, flohen, und Eurystheus verkroch sich. Darauf brachte Herkules den Hund wieder zurück und gab ihn an Charon, daß er ihn mit seinem Boot an das andere Ufer des Sthx fahren sollte. Das war die zwölfte und letzte Arbeit, und nun war Herkules wieder frei.

196. Dädalus und Ikarus Die alten Ägypter gestalteten ihre Götterbilder so, daß Mensch und Tier sich darin gleichsam vermischten: einen, Gott gaben sie einen Sperberkopf, einem andern Widder­ hörner, einem dritten einen Stierkopf. Der Sperberkopf bedeutete das allsehende Auge des Gottes, Widderhörner und Stierkopf die übermenschliche Stärke. Auch auf der großen Insel Kreta ward in uralten Zeiten, als König Minos dort herrschte, ein Wesen gött­ lich verehrt, das war ein Mensch mit einem Stierkopf. Es hieß der Minotaurus, und Menschenopfer wurden ihm dargebracht. Nur war der Minotaurus kein Bild, son­ dern er lebte. Der König Minos ließ ihm ein un­ terirdisches Haus bauen, das ersann der berühmteste

Dädalus und Ikarus.

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Mnstler, der damals lebte, Dädalus. Der Bau hatte so verworrene und durcheinanderlaufende Gänge, daß die armen Opfer, die hineingeführt wurden, sich notwendig ver­ irren mußten und niemals wieder den Ausgang fanden. Dann kam der Minotaurus und fraß sie. Der Bau aber hieß das Labyrinth. Minos wollte nicht, daß Dädalus anderswo das Ge­ heimnis dieses kunstvollen Bauwerks verriete, darum ließ er ihn nicht aus Kreta fortziehen, sondern hielt ihn in strenger Haft. Da saß er denn mit seinem Söhnchen Ikarus in einem hohen Turni und sann, wie er mit seinem Kinde entfliehen könne. Minos hat mir den Weg übers Meer versperrt, so will ich denn den Weg durch die Luft neh­ men, die kann der König nicht sperren! so sprach Dädalus zu sich. Er beobachtete nun genau den Flug der Vögeln und wie ihre Flügel eingerichtet sind, womit sie sich durch die Lüfte tragen lassen. Er verschaffte sich Vogelfedern und legte sie so neben­ einander, daß ein riesengroßer Flügel entstand, zuerst lange Federn, dann immer kürzere, und alles in Bogen und gewölbt. Mit Fäden und mit Wachs wurden die Federn zusammengehalten. Der Knabe stand dabei und sah ver­ wundert das Kunstwerk sich bilden, er half das gelbe Wachs kneten und blies zum Spiel in die Flaumfedern, daß sie sich bewegten. Als ein. Flügelpaar vollendet war, legte Dädalus eK an, prüfte die Schwingen, und siehe da! es ging gangut, er hob sich, schwebte und lernte bald auch steuern. Boller Freude schuf er nun auch ein kleineres Flügelpaar, legte es dem Knaben an und übte mit ihm so lange, bis er zuletzt auch schweben und steuern konnte. Dann belehrte er ihn, daß er immer hinter dem Vater her fliegen müsse, nur nicht tiefer, damit nicht die feuchte Luft die Flügel beschwere und er hinabgezogen würde ins Meer. Aber er dürfe auch nicht zu hoch fliegen, denn dann käme er der Sonne zu nahe, und das Wachs könne leicht schmelzen.

266

Heldensagen.

Und als nun alles fertig war, gab er unter Tränen dem Söhnlein einen Abschiedskuß, und dann schwang er sich vom Turm hinab. Ikarus folgte, und sie flogen hin­ tereinander, wie wenn ein Vogel sein ungeübtes Junge zum ersten Fluge ausführt. Unten aber standen die Men­ schen und staunten. Die Angler ließen ihre Angel, die Hirten lehnten sich auf ihren Stab und starrten in die Luft, die Pflüger hielten ihr Gespann an und sahen hin­ auf, alles lief zusammen, und einer rief dem andern zu: Seht einmal, da fliegen Götter, die wollen die Menschen besuchen! Dann kamen sie ans Gestade des Meeres, und kühn und sicher ging es nun über der brausenden, unend­ lichen Flut dahin. Als Ikarus sich immer sicherer fühlte, da wurde er übermütig, denn er war ja noch ein Knabe. Er wollte gern einmal sehen, wie es droben aussähe in deni strahlen­ den Himmelsblau; aber da geschah das, was der Vater befürchtet hatte, die Sonne brannte heißer und heißer, und nun ging es — tropf, tropf! Das Wachs schmolz und troff hinunter ins Meer. Ehe Ikarus es merkte, lösten sich die einzelnen Federn seiner Flügel voneinander, sie fingen nicht mehr die Lüfte auf, er schwang vergebens die nackten Arme und rief vergebens seinen Vater um Hilfe an. Er sank immer schneller, bis auf das blaue Meer, da verschwand er in der schrecklichen Tiefe. Jetzt sah der Vater sich um, aber er erblickte den Ikarus nicht mehr. Ikarus! rief er, wo bist du? wo soll ich dich suchen? Endlich sah er tief unten auf dem Meere Federn schwimmen, da erkannte er, was geschehen war. Eine kleine Insel war in der Nähe, dorthin senkte Dädalus seinen Flug und wartete, ob der Leichnam des Ikarus nicht angetrieben käme. Und als das endlich geschah, da bestattete er den Leib auf der Insel und gab ihr zum Andenken an sein unglückliches Kind den Namen Jkaria.

Dann legte er wieder seine Flügel an und flog weiter bis nach Sizilien. Dort blieb er bis an sein Ende.

Troja.

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197, Aus der Sage von Troja. 1. Wie die Griechen vor Troja zogen.

Als der König Peleus mit der Meergöttin Thetis Hochzeit machte, waren viele Götter dazu geladen, nur Eris nicht, weil sie die Göttin der Zwietracht war. Sie kam aber trotzdem an die Schwelle des Hochzeitshauses und warf einen goldenen Apfel hinein, darauf stand: Der Schönsten! Die Götterkönigin Hera, Athena und Aphrodite wollten eine jede den Apfel haben. Sie gingen nun auf den Berg Ida und fragten den Sohn des Königs Priamos von Troja, Paris, der dort die Herde weidete, wer von ihnen die Schönste sei. Heimlich hatte Aphrodite ihm vor­ her gesagt, wenn er sie als die Schönste erkläre, solle er das schönste Weib auf der Erde zur Frau bekommen. Da gab Paris der Aphrodite den Apfel. Im Zorn schieden Hera und Athena. Nun galt Helena, die Gattin des Königs Menelaos in Sparta, als die schönste Frau auf Erden. Das hatte Paris vernommen, er reiste darum nach Sparta und kehrte als Gast beim König ein. Durch schmeichlerische Worte überredete er zuletzt die Helena, daß sie mit ihm fliehen solle nach Troja. Das geschah denn auch, und eines Tages war der Gast mitsamt der Königin verschwunden. Menelaos ging zu allen Fürsten in Griechenland, sie sollten ihm helfen, sein Weib dem frechen Räuber wie­ der abzunehmen. Alle waren empört über die frevelhafte Verletzung des heiligen Gastrechts und sagten ihm Hilfe

zu. Die Fürsten wählten sich Agamemnon, den Bruder des Menelaos, den König von Mykene, zu ihrem obersten Feldherrn und zogen auf vielen Schissen in die Ebene vor Troja. Aber die Helena bekamen sie nicht. Da lagen denn die griechischen Heere zehn lange Jahre vor der Stadt und konnten sie nicht erobern. Der tapferste aller Griechen war Achilles, der Sohn des Peleus

268

Heldensagen.

und der Meergöttin Thetis, der erfahrenste war der alte Nestor, der listigste Odysseus; des Achilles Herzensfreund war Patroklvs. Von den fünfzig Söhnen des Priamos war Paris wohl der schönste, aber der tapferste war Hektor.

2. Hektors Abschic d.

Hektor verließ den heißen Kampf auf einige Zeit unb ging zur Stadt, damit seine Mutter zur Göttin Athena um Abwendung der furchtbar vordringenden Griechen flehe. Als er dies vollbracht hatte und nun wieder hinaus wollte, begegnete ihm am Tore seine sittsame und verständige Gattin Andromache mit einer Sklavin, die ihr das kleine» unniündige Knäblein nachtrug. Das zärtliche Weib vergoß. Tränen bei seinem Anblick, nahm sanft seine Hand und sprach zu ihm: „O mein Trautester, dich tötet noch dein Mut. Bleib doch einmal bei uns und erbarme dich des unmündigen Kindes und deines elenden Weibes. Ach, wenn ich dich verliere, wer soll mich schützen? Meine Mutter ist gestorben, meinen Vater und sieben Brüder hat Achilles in Cilicien erschlagen, und du gehst nun auch von mir, da die Griechen schon unsere Mauern bestürmen. O, bleib doch hier auf bem Turme!" „Liebes Weib," versetzte Hektor, „wie kann ich? Ruht nicht auf mir die Errettung der Stobt, und sieht nicht alles Volk auf mich? Müßte ich mich nicht vor den Weibern schämen, wenn sie mich zuschauend auf der Mauer erblick­ ten? Freilich wird auch mein Bemühen ivohl fruchtlos sein, denn mir sagt es mein Geist: kommen wird der Tag, da Troja in Asche versinkt und Priamos edles Geschlecht er­ lischt. Und dann wehe dir, armes Weib, wenn ein stolzer Achäer dich als Sklavin wegführt, daheim in Argos für seine Frau zu weben ober aus der fernen Quelle Wasser zu holen, und die Leute dich neugierig anschauen und sagen: das war Hektors Gemahlin, die hochgeehrte Trojaner--

Troja.

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fürstin, als jene berühmte Stadt noch stand. — Ach, das zu hören! Unglückliches Weib! Und ich kann dich nicht aus der Knechtschaft erretten, denn ich vernehme deine Klage nicht mehr, und meine Asche deckt der Totenhügel!" Jetzt wandte er den wehmütigen Blick von der Gattin auf den zarten Knaben im Arme der Dienerin. Als er aber die Hände nach ihm ausstreckte, fürchtete sich das Kind vor dem Helmbusch und drückte sein Köpfchen fest an den Busen des Mädchens. Da nahm der Vater den Helm ab und setzte ihn auf die Erde, und nun schauete er dem Knäblein freundlich ins Gesicht, und es folgte ihm willig in seine Arme. Da iviegte er es auf und ab mit herzlicher Vaterfreude, küßte es und wandte brünstig flehend den Blick zum Hinimel. „Gütige Götter," rief er, „erfüllt mir das eilte: laßt dies mein Knäblein stark und brav werden, daß es mächtig vorstrebe vor anderen und seinem Volke ein tapfrer Hort sei, daß die Männer, wenn er vom Treffen heimkehrt, sagen: der übertrifft noch den Vater. Des müsse sich dann die gute Mutter erfreuen!" Er sprach's und gab das Kind der weinenden Gattin, die es sanft an ihren Busen drückte, lächelnd in Tränen. Auch ihn ergriff unbezwingliche Wehmut. Er streichelte das gute Weib mit der Hand und sagte tröstend: „Arme Frau, du mußt auch nicht gar zu traurig sein. Des Menschen Leben ruht in der Hand der Götter, und keiner wird mich wider mein Geschick zu den Toten hinabsenden. Wem aber das Los einmal fällt, der muß folgen, er sei edel oder­ gemein. Geh nur jetzt an deine Geschäfte, besorge Spindel und Webstuhl und halte die dienenden Weiber zum Fleiß an. Der Krieg ist das Geschäft der Männer, und mir ge­ ziemt er unter allen Trojanern am meisten." Er nahm seinen Helm auf und eilte von dannen. Auch sie ging mit dem Kinde, doch stand sie oft still, ihm nachzusehn. Erst in ihrem Gemach ergoß sich der volle Strom der Tränen, und mit ihr schluchzten die Sklavinnen, denn sie alle liebten sie und den edlen Hektor; es ward viel

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Heldensagen.

von ihm gesprochen, und den Frauen ahnte nichts Gutes; sie betrachteten ihn als einen, der schon gestorben war.

3.

Hektors Tod. Was bisher den Ausgang des Krieges so lange ver­ zögert hatte, war besonders ein Zwist zwischen Agamemnoir und Achilles, der die Folge hatte, daß der letztere eine zeitlang an dem Kriege gar keinen Teil nahm. Nur erst, da sein Herzensfreund Patroklos vom Hektor erschlagen ward, erhob dieser Löwe sich wieder, allen zum Verderben. Fürchterlich war sein Wüten in der Schlacht, einen nach dem andern durchbohrte seine nie fehlende Lanze oder er­ reichte sein flüchtiger Fuß. Dieser eine jagte den Trojanern mehr Schrecken ein, als alle anderen zusammen genommen. Ihn aber konnte alles Blut der Erschlagenen nicht sättigen, bis er nicht an dem Mörder seines Freundes seine Rache gestillt hatte. Diesen suchte er allenthalben auf dem weiten Gefilde; aber Hektor entzog sich ihm den ganzen Tag. Erst am Abend, als sich die Scharen der Trojaner in die Stadt zurückzogen, faßte er ein Herz und beschloß, den Wüten­ den zu erwarten. Doch als er nun den Feind wie init Göttergeivalt daherstürmen sah, entsank ihm der Mut wieder, und er wandte sich zur Flucht. Wie die Taube, die ein Habicht verfolgt, so floh er längs der Stadtmauer hin; aber Achilles, laut jauchzend, setzte ihm mit raschen Schenkeln nach. Bald rechts, bald links sprang der vordere ab, den Hintern Läufer zu ermüden; aber umsonst. Dreimal jagte ihn Achilles um die Stadt herum; endlich stand er er­ schöpft still und rief jenem zu: „Halt, Sohn des Peleus, länger entfliehe ich dir nicht. Ich will dir stehen, ich töte dich nun oder falle. Aber laß uns vor den allsehenden Göttern einen Bund beschwören, daß der Sieger den Getöteten nicht mißhandle."

Troja.

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„Kein Bund ist zwischen uns beiden!" rief Achilles entgegen. „Macht auch der Löwe mit Rindern, der Wolf mit Lämmern Verträge? Jetzt gedenke des Kampfs! Aber ich hoffe, du sollst mir nicht entrinnen." Wort und Wurf war eins. Doch Hektor, schnell aufs Knie sich werfend, vermied die entsetzliche Lanze, die weit über ihn hin in den Sand fuhr. Freudig aufspringend rief er aus: „Gefehlt, du göttlicher Achilles! Jetzt wahre deine Brust, du törichter Schwätzer!" Und mit gewaltigem Krachen fuhr Hektors Spieß in Achilles Schild. Leider war dieser Schild undurchdring­ lich, und Achilles, der den Spieß schnell ergriff, stieß ihn dem Unglücklichen in die Kehle, daß er sinnlos nieder­ stürzte. Sterbend wiederholte Hektor noch die Bitte, seinen Leichnam nicht zu schänden, aber bei Achilles war kein Erbarmen. Er durchstach ihm die Füße zwischen Ferse und Knöchel, zog einen Riemen hindurch und knüpfte ihn an den Hinterteil seines Wagens. So schleifte er ihn längs dem Tore hin, zum bittersten Schmerz des alten Vaters und aller übrigen Trojaner, die oben auf der Mauer stan­ den, und eilte dann mit ihm dem Lager zu, wo er ihn, unkenntlich gemacht durch Blut und Staub, unter freiem Himmel den Hunden zuni Fraße liegen ließ. Jetzt erst nahm er das feierliche Leichenbegängnis seines Freundes Patroklos vor. Diesen wollte er ehren, wie noch kein Freund geehrt worden wäre, und zu dem Ende lud er alle Griechen zu dieser festlichen Handlung ein. Ein großer Scheiterhaufen ward aufgebaut; in der Mitte desselben ward Patroklos rein gewaschener Leich­ nam gelegt und ringsum die Leiber zwölf gefangener Tro­ janer, die Achilles lebendig ergriffen und mit eigner Hand am Grabe seines Freundes geschlachtet hatte. Daß er Hek­ tors Leichnam nicht mit verbrannte, geschah aus Zorn, er wollte diesem die Ehre des Feuers nicht gönnen. Als der Holzstoß niedergebrannt war, wurden die Knochen des

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Heldensagen.

Freundes aus der Asche hervorgesucht und mit Fett ver­ mischt in eine goldene Urne gelegt, die man zuletzt unter einen weitragenden Grabeshügel vergrub. Hierauf ordnete Achilles, dem Freunde zu Ehren, ritter­ liche Spiele an seinem Grabe an und setzte für die Sieger köstliche Preise, Sklavinnen, Pferde, Maultiere, Kessel, Becken, Trinkschalen, Goldbarren, Harnische und dergleichen aus. Die Spiele bestanden im Wagenrennen, im Wettlauf, im Ringen, im Scheibenwerfen, im Lanzenwurf und im Faustkampf. Aber noch immer war dem leidenschaftlichen Sinne des Achilles kein Genüge geschehen. In einer schlaf­ losen Nacht erhob er sich von seinem Lager, spannte seine Rosse an und schleifte Hektors Leichnam noch dreimal um des Freundes Totenhügel.

4. Trojas Untergau g.

Der alte Priamos fuhr des Nachts auf einem mit Maultieren bespannten Wagen hinaus in das griechische Lager und bat den Achilles unter Tränen, er möge ihni wenigstens den Leichnam Hektors überlassen, damit er ehr­ lich bestattet werde. Achilles ließ sich erbitten, und Pria­ mos bereitete seinem Sohn ein feierliches Begräbnis. Aber bald darauf fiel Troja. Der starke Achilles wurde durch einen Pfeilschuß getötet, den Paris sandte, Apollo, der Freund der Trojaner, lenkte den Pfeil. Da fertigten die Griechen auf den Rat des schlauen Odysseus ein riesen­ großes hölzernes Pferd, das war hohl, und in ihm verbargen sich viele bewaffnete Männer. Die Griechen waren aus dem Lager verschwunden, sie stellten sich, als wären sie nach Hause gefahren. Als die Trojaner das Lager leer sahen, stürzten sie alle vor Freuden heraus; sie hielten das hölzerne Pferd für ein Geschenk an die Götter und be­ schlossen, es in die Stadt Troja zu bringen. Als Laokoon, der Priester des Poseidon, die Trojaner warnte und sagte, man könne den Griechen nicht trauen, kamen zwei

Troja.

273

Odysseus.

Schlangen aus dem Meere aufgestiegen, wanden sich um Laokoon und seine beiden Söhne und bissen alle drei tot. Da sagten die Trojaner, das sei eine Rache der Götter für das Mißtrauen, das Laokoon gehabt hätte, und das Pferd wurde nun unter lautem Jubel an Stricken zur Stadt gezogen. Weil das Tor zu niedrig war, wurde ein Teil der Stadtmauer eingerissen. Am Abend wurden große Jubelfeste in Troja gefeiert wegen des Abzugs der Feinde, und dann sanken alle sorgenlos in tiefen Schlaf. Da kletterten die bewaffneten Männer aus dem hölzernen Pferd heraus, zeigten ihren Freunden, die unter­ dessen zurückgekommen waren, den Weg durch die nieder­ gerissene Stelle der Stadtmauer, und es begann in den Straßen Trojas eine wilde Schlacht. Was nicht fiel unter der Schärfe des Schwertes, das wurde gefangen nach Griechenland geschleppt, zuletzt ging ganz Troja in Flam­ men aus; die Kostbarkeiten, die in der Stadt waren, wur­ den von den Griechen erbeutet und mitgenommen. Aber nicht alle Griechen kamen in die Heimat zurück, einige erst nach langer Irrfahrt, und manche, die glücklich zurück­ kamen, fanden daheim Unheil und Elend.

198. Odysseus. 1.

Wie die Götter beschlossen, daß Odysseus heimkehren sollte. Alle Götter waren im Olymp versammelt, im Palaste des Zeus, des Götterkönigs, nur der Meergott Poseidon nicht. Der war zu einem Opferschmaus in ein fernes Land gefahren, weit über dem Meer. Athena freute sich, daß Poseidon nicht da war, denn nun konnte sie doch ihren Vater Zeus bitten, er möge Hermes als Boten zur Nymphe Kalypso senden mit dem Befehl, sie müsse den Odysseus eidlich in seine Heimat entlassen. Poseidon zürnte näm­ lich dem Odysseus, weil er den Polyphem geblendet hatte, Hessel und Ufer. Lesebuchs.

M. 18

274

Heldensagen.

den Sohn des Poseidon, und wollte ihn darum verderben, wenn er auf dem Meere in seine Heimat Ithaka zurück­ fahren sollte. Athena sagte, wenn doch alle Götter die Heimkehr des Odysseus wollten, dann müsse sich der eine Poseidon darein fügen. Zeus stimmte zu, und Athena selbst schwebte hinunter nach Ithaka, sie nahm die Gestalt eines Mannes aus Ithaka an und trat in die Halle des Odysseus, wo sein junger Sohn Telemach saß, das Haupt traurig gesenkt, mitten unter der Schar übermütiger Freier. Diese Männer betrachteten seit Jahr und Tag des Odysseus Palast als ihr eigenes Haus, schmausten, tranken und spielten nach Herzenslust und quälten die Gemahlin des Odysseus, Pene­ lope, sie sollte einen von ihnen zum Gemahl wählen, weil ja ihr Gatte, der vor zwanzig Jahren fortgezogen war in den Kampf gegen Troja, längst tot sein müsse. Athena riet nun dem Telemach, er solle die Freier aus dem Haus weisen und solle mit einem Schiff nach Pylos fahren und nach Sparta, um den alten Nestor und den Menelaos nach seinem Vater zu befragen. Telemach gefiel dieser Rat, und er sagte sofort den Freiern, sie sollten das Haus seines Vaters verlassen. Aber die Freier höhnten und spotteten ihn aus, Antinoos an der Spitze. Sie wollten alle lieber bleiben. Am andern Tag fuhr Telemach zu Nestor, der ihm aber keine Kunde von seinem Vater geben konnte. Ähnlich ging es in Sparta, wo Helena ihn tröstete und Mene­ laos wenigstens das Eine wußte, daß ein Weissager ihm einmal verkündet hätte, Odysseus sei nicht tot, sondern werde von einer Nymphe Kalypso auf einer Insel zurück­ gehalten. Athena selbst begleitete den Telemach auf dieser Reise, in Gestalt des treuen Mentor aus Ithaka, der ein Freund des Odysseus gewesen war. Als die Freier von der Seefahrt des Telemach erfuhren, beschlossen sie, ihm mit Schiffen aufzulauern und ihn auf seiner Heimfahrt in der Nähe von Ithaka zu ermorden.

Ldvsseus.

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2. Wie Odysseus von Kalypso wegfuhr und Schiffbruchlitt.

Als Hermes, der Götterbote, von Zeus geschickt, aus die Insel kam, fand er den Odysseus am Felsgestade sitzen, da blickte er immerfort da hinaus, wo Ithaka lag, über das weite, wüste Meer, weinte und wünschte, er könnte wenigstens den Rauch aufsteigen sehen von seiner lieben Heimat. Aber Ithaka war dafür viel zu weit. Kalypso wohnte in einer großen Felsengrotte, Pappeln und Zypressen standen umher, Weinstöcke rankten sich den Fels hinan, schwer mit köstlichen Trauben belastet, Habichte, Baum­ eulen und Krähen nisteten in den Bäumen, vier klare Quellen rieselten über grüne Wiesen, wo Veilchen blühten. Die Göttin bewirtete den Hermes mit Speise und Trank, aber als er seinen Auftrag ausgerichtet hatte, klagte sie laut, denn sie hätte gern den Odysseus als Gemahl behalten. Dennoch widersprach sie nicht, sie suchte den Odysseus auf, der immer noch gramvoll aufs Meer blickte, und teilte ihm den Ratschluß der Götter mit. Er dürfe sich ein Floß zimmern, sagte sie, um darauf heimwärts zu fahren, denn ein Schiff gäbe es nicht auf diesem Eiland. Da fällte sich denn Odysseus Bäume und baute sich ein Floß mit Mast und Steuer und Segel. Am fünften Tag war alles vollendet, Kalypso brachte einen Schlauch mit Wein und einen mit Wasser, auch einen Korb voll Speisen, da fuhr Odysseus ab. Als er achtzehn Tage gefahren war, sah er das Land der Phäaken. Da fügte es sich, daß Poseidon aus Äthiopien zurück­

fuhr. Wie er so über das Meer blickte, bemerkte er ein ein­ sames Floß, darauf saß ein einziger Mann, und wie er noch genauer hinsah, erkannte er den Odysseus, den er so haßte. Da erzürnte der Meergott, er wühlte mit seinem Dreizack die Salzflut auf und sammelte Wolken am Himmel. Nacht legte sich auf das Meer, und zu gleicher Zeit bliesen Winde aus 18*

276

Heldensage«.

Ost sich das fort mit

und Süd, aus Westen und Norden, die Wogen wälzten hoch und höher heran, das Floß wirbelte im Kreis, Steuer und der Mast zerbrachen, das Segel flatterte ins Meer hinaus, und Odysseus hielt sich nur noch Mühe an den Balken. Da tauchte die Meergöttin Leukothea wie ein Schwan aus den Wellen, warf ihm ihren Schleier zu und sagte: „Zieh all deine Gewänder aus und hülle dich in diesen Schleier, damit kann man nicht untergehen, dann lvirf dich ins Meer, und wenn du ans feste Land getrieben bist, wirf mir meinen Schleier wieder zurück in die Wellen, aber mit abgewandtem Antlitz!" Das tat er und schwamm dahin, in den Schleier gehüllt. Poseidon war inzwischen verschwunden, das benutzte Athena, sie hemmte schnell alle Winde außer dem Nordwind, der trieb den Schiffbrüchigen am dritten Tage auf einen Strand. Er warf den Schleier ins Meer, wie ihn Leukothea geheißen hatte, dann arbeitete er sich bis in eine Waldung, die er vor sich sah, und warf sich todmüde ins Laub. Schlamm und Seegras deckten ihn an Stelle der Kleidung, er kroch unter Blätter und sank in tiefen Schlaf.

3. Wie Odysseus bei den Phäaken gastlich ausge­ nommen wurde.

Auf der Insel Scheria herrschte der König Alkinoos über das Volk der Phäaken. In jener Nacht eilte Athena ins Schlafgemach Nausikaas, des Königstöchterleins, und flüsterte ihr die Mahnung zu, morgen mit ihren Mäg­ den an den Meeresstrand zu fahren, um feine Gewänder, Gürtel und Teppiche zu waschen. Mit reichlicher Speise versehen, auch mit einem geißledernen Schlauch voll Weins, fuhren sie in aller Frühe mit einem Maultiergespann hin­ aus. Als die Wäsche in den gemauerten Waschgruben ge­ stampft und dann im Meer gespült war, wurde sie zum

Ldysfeus.

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Trocknen an den Strand ausgebreitet, die Mädchen aber erquickten sich an Speise und Trank und vergnügten sich dann mit Tanz und Ballspiel. Auf einmal flog ein Ball in das Meer, und die Mädchen kreischten darüber so hell auf, daß die Berge widerhallten. Davon erwachte Odysseus, und er wußte nicht, ob die Stimmen von Nymphen kämen oder von Menschenmädchen. Um Gewißheit zu erhalten, brach er Zweige ab, damit ver­ hüllte er sich, und trat dann aus dem Walde heraus, da kreischten die Jungfrauen erst recht auf und flohen vor dem wilden Meermann. Nur Nausikaa behielt Mut, und Odysseus redete sie an; er sagte, er sei ein armer schiff­ brüchiger Mann, der zwanzig Tage umhergetrieben sei auf der Salzflut; sie sollte ihm Kleider geben und den Weg nach der Stadt weisen. Da warf die Königstochter ihm Gewänder zu, und Odysseus wusch sich von Schlamm rein und erschien dann in dem weiten, faltigen Mantel, das Haupthaar mit Öl gesalbt, vor den Mädchen. Voller Begier aß und trank er, was man ihm reichte. Dann wurde die reine Wäsche auf den Wagen ge­ legt, und Nausikaa lenkte selbst die Mäuler, auf dem Wagen stehend. Die Mägde und Odysseus folgten zu Fuß. So kamen sie, als die Sonne.eben untergehen wollte, in den Königshof. Der Fremdling wurde als Gast herrlich be­ wirtet und flehte die Königin an, sie möge ihn heim­ senden. Das wurde ihm versprochen. Nach dem Mahle erzählte er seine Meerfahrt auf dem Floß, Namen und Herkunft nannte er nicht, danach fragte auch keiner. Dann ließ ihm die Königin in der Halle ein Lager bereiten mit purpurnen Polstern. Am andern Morgen gab es Kampfspiele zu Ehren des Gastes, es wurden Reigentänze veranstaltet, und ein Sänger sang Lieder von den Taten der Helden und Götter. Nach dem Abendschmaus sang er wieder, diesmal von den Taten der Griechen vor Troja, von dem hölzernen Roß und von Odysseus. Da kamen dem edlen Dulder die Tränen,

278

Heldensagen.

und er seufzte und griff nach dem Purpurvorhang vor ihm, damit wischte er die Augen, daß niemand ihn weinen sähe. Aber der König hatte es doch bemerkt, er hieß den Sänger aufhören; denn nicht allen sei sein Lied zur Lust, Schwermut und Betrübnis habe es in dem werten Gast erweckt. „Sage mir, edler Fremdling," so wandte sich der König jetzt an Odysseus, „wer du bist, dein Land, dein Volk und deine Geburtsstadt. Denrl unsre Schiffe sollen dich ja doch in die liebe Heimat tragen, darum müssen wir das wissen. Ist dir vielleicht ein Verwandter gefallen vor Troja, weil die Lieder von Troja dich so traurig ge­ macht haben?" Da sagte der Fremdling: „Ich bin ja der Odysseus, von dem eben der Sänger gesungen hat, daß er das hölzerne Roß ersonnen habe, durch das Troja nach zehn Jahren endlich erobert wurde, der Sohn des Laertes, der Beherrscher von Ithaka. Und ich bin immer noch nicht in meine Heimat zurückgelangt nach Trojas Untergang. Immer bin ich seitdem umhergeirrt auf dem öden Meer und aus Inseln. Ich will euch all die Irrfahrten erzählen, die ich bestanden, seit ich von Troja wegzog." Da blickten alle mit Staunen auf die hohe Heldengestalt und lauschten mit Spannung. Wir wollen auch etwas hören von seinen Irrfahrten.

4.

Wie Odysseus den Kyklopen blendete. Mit vielen Schiffen war Odysseus mit seiner Mann­ schaft weggesegelt von Troja ab, der Heimat zu. Aber ein Orkan kam und verschlug sie zu den Lotusessern nach Afrika, wo sie gastlich ausgenommen wurden. Ungern fuhren die Gefährten weiter, denn süßen Lotus zu essen, bei dessen Genuß man alles Schlimme vergaß, was man erduldet hatte, das gefiel ihnen gar zu gut. Sie landeten dann an der Insel der Kyklopen. Gegen­ über lag ein einsames Eiland, das menschenleer schien.

Odysseus.

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Odysseus wollte es erkunden und fuhr mit seinem Schiff hinüber. Sie entdeckten dort am Meeresufer, hoch auf einem Felsen, eine Grotte, mit Lorbeer umwuchert, vor der zahl­ reiche Ziegen und Schafe lagerten, ringsum war ein Ge­ hege von mächtigen Steinen, Fichten und Eichen. Odysseus stieg mit zwölf der tapfersten Gefährten hinauf, sie nahmen einen Schlauch mit voll süßen, dunkelroten Weines, denn sie dachten, damit könnten sie sich vielleicht die Leute, die dort wohnten, geneigt machen. Sie fanden die Höhle offen, aber von Bewohnern war nichts zu erblicken. Ringsum standen Körbe voll Käse, Melkeimer voll Milch und große Kannen voll Molken; in Ställen waren viele Lämmer und Zicklein eingesperrt. Sie entzündeten ein Feuer und aßen von dem Käse, und als es Abend ward, kam ein baumlanger Riese herein, der hatte nur ein Auge, mitten auf der Stirn. Er war Dom Stamme der Zyklopen, das heißt auf deutsch Rund­ augen, und er war der Eigentümer und einzige Bewohner der Höhle. Mit Gekrach warf der Riese ein Bündel Holz zur Erde, das er zur Feuerung mitgebracht hatte, dann trieb er viele Schafe und Ziegen herein. Aber den Ein­ gang zur Höhle verschloß er mit einem Felsen, so groß, daß nicht zweiundzwanzig vierräderige Wagen ihn weg­ gefahren hätten. Nun entzündete er den Holzstoß, das war die Beleuchtung zur Abendmahlzeit. Wie er dann die Schafe und Ziegen melkte, entdeckte der Ungeschlachte die Fremden und brüllte sie an, wer sie wären. Odysseus sagte, sie kämen von Troja, ihr Schiss hätte Poseidon zerschmettert, und sie allein seien übrig geblieben von allen Gefährten, er möge ihnen ein Gastgeschenk reichen. Da griff das Ungeheuer zwei Männer heraus, fraß sie auf, wie ein Löwe tut, nichts ließ er übrig, auch nicht die Knochen. Dann trank er ganze Kübel voll Milch und entschlief. Gern hätte ihn Odysseus jetzt mit dem Schwerte durchbohrt, aber wer hätte ihnen dann den Stein von der Türe gewälzt?

280

Heldensagen.

Am Morgen verzehrte der Niese nochmals zwei Männer zum Frühstück, dann trieb er die Herde aus und legte den Felsblock vor den Eingang. Odysseus sah drinnen die ge­ waltige Keule des Ungeheuers liegen, groß wie ein Schiffs­ mast, aus Holz vom Olbaum; da glätteten sie das eine Ende mit Messern und spitzten es, indem sie es im Feuer drehten, damit wollten sie dem Riesen sein einziges Auge

ausbohren. Am Abend ging es gerade Ivie gestern: der Kyklop kam und schloß die Tür, zündete Feuer an, melkte, fraß zwei Menschen und wollte dann seine Milch trinken. Da schenkte Odysseus aus seinem Schlauch eine hölzerne Kanne voll Wein und bot dem Kyklopen den Trunk. Der schmeckte ihm so, daß er dreimal die Kanne leerte. Er fragte den Fremden nach seinem Namen, dann wollte er ihm ein Gastgeschenk reichen. „Niemand ist mein Name," sagte Odysseus, „Niemand nennen mich alle Leute." Da grinste das Ungetüm und sagte: „Niemand, dich freß ich zuletzt, das soll dein Gastgeschenk sein," da taumelte er trunken und entschlief mit Geschnarch. Schnell wurde der Pfahl in der Flamme gedreht, und als die Spitze glühte und funkelte, da faßten alle die Keule und stießen machtvoll die Spitze in das Auge des Riesen; alsbald dröhnte ein grauenvolles Schmerzgeheul. Das hallte so laut, daß ringsum die Kyklopen erschrocken vor die Höhle kamen unö fragten, was da wäre. „Niemand tut mir etwas," schrie der Kyklop, „Niemand bringt mich um." Da lachten die Nachbarn und sagten: „Du dummer Polyphem, was brauchst du dann so zu schreien, wenn dir niemand was zu leid tut!" Da gingen sie wieder heim. Als es dämmerte, setzte sich der Kyklop an den Ein­ gang, nahm den Felsblock weg und tappte nach den hin­ ausziehenden Tieren, um die Fremdlinge zu finden. Aber Odysseus hatte jedesmal drei Widder mit Reisig anein­ andergebunden und unter jedes mittlere Tier einen der Männer gebunden. Aber den mächtigsten Schafbock hatte

Odysseus.

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er sich selber ausgesucht, den faßte er am Rücken und wälzte sich unter seinen Bauch, die Hände fest in die Woll­ flocken gedreht. Jedes Tier betastete der Riese, ob jemand darauf säße, aber er dachte nicht, daß auch jemand darunter hängen könne. Als zuletzt auch der stärkste Widder langsam hinausging, denn er trug eine schwere Last, be­ fühlte ihn Polyhem sorgsam und sagte: „Liebes Tierlein, sonst bist du immer der erste, warum kommst du denn jetzt zuletzt? Und warum gehst du so langsam? Das tust du sicher aus Trauer über die Blendung deines Herrn." Dann ließ er den Widder hinausgehen. Als die Herde eine Strecke von der Höhle entfernt war, ließ zuerst Odysseus seinen Widder los, dann löste er auch die Freunde. Und als sie int Schiff saßen, höhnte er laut beit Kyklopen, der riß int Zorn einen Fels vom Gebirge los und schleuderte ihn dem Schalle nach. Dicht hinter dem Steuer fiel der Block ins Meer, daß das Meer hoch auf­ schwoll und das Schiff ans Ufer zurückwarf. Als sie wieder wcggerudert waren, doppelt so weit wie vorhin, rief noch einmal Odysseus: „Höre, Kyklop, wenn du gefragt wirst, wer dich geblendet hätte, dann sage: Odysseus, des Laertes Sohn aus Ithaka, hat das getan!" Da hob der Kyklop die Hände und rief: „Poseidon, du bist mein Vater, erhöre mich, gib, daß dieser Odysseus nicht mehr heimkehrt in sein Land Ithaka." Und Poseidon hörte das Gebet. Da nahm Polyphem einen noch größeren Fels­ block und warf ihn mit allen Kräften dem Schiff nach, daß der Stein wieder dicht hinter dem Steuer ins Meer sauste, und das Schiff wurde wieder ans Ufer zurückge­ trieben. Sie ruderten aber aus Leibeskräften und kamen bald zu den andern Schiffen, doch beraubt der lieben Ge­ nossen.

282

Heldensagen. 5.

Abenteuer bei Äolo.§ und Kirke, und Fahrt an den Eingang zur Unterwelt.

Es dauerte nicht lange, so kamen sie an eine schwim­ mende Insel, wo Äolos wohnte, der Beherrscher der Winde. Er nahm sie gastlich auf und schenkte dem Odysseus zum Abschied einen Schlauch, darin waren alle widrigen Winde verschlossen, daß sie den Schiffen nichts anhaben konnten. Er blies ihnen den Zephyr, den sanften Westwind, in die Segel, da flogen sie unaufhaltsam dahin und sahen endlich nach neun Tagen und Nächten die Feuerwachen auf Ithakas Vorgebirge. Odysseus stand ant Steuer, schlaflos, aber nun glaubte er, sei seine Wachsamkeit nicht mehr not, und er entschlummerte vor Müdigkeit. Die Gefährten waren neu­ gierig, welche Schätze an Gold und Silber wohl im Schlauch wären, sie öffneten ihn, und siehe! da fuhren alle Winde heraus, die Schiffe wirbelten durcheinander und flogen dann wieder nach Westen bis zur schwimmenden Insel des Äolos. Mit Schmähworten jagte der sie von sich, er sagte, sic seien vom Zorne der Götter verfolgt, ihnen könne nie­ mand helfen. Da steuerten sie weiter und kamen an eine schöne Insel, wo die schönlockige Göttin Kirke wohnte. Zwei Tage rasteten sie in einer lieblichen Bucht, wo es menschenleer war. Dann erklomm Odysseus einen Felsen, um zu er­ kunden, ob keine Menschen da wären. Er erlegte einen mächtigen Hirsch und brachte ihn den Genossen. Dann schickte er eine ganze Schar auf weitere Kundschaft. Er selbst ging nicht mit. Sie kamen vor Kirkes Palast, da umringten sie Wölfe und Bären, die wie Hunde sie freund­ lich wedelnd begrüßten. Aus dem Palaste aber trat Kirke in strahlender Götterschönheit. Mit schmeichelnden Worten geleitete sie die Frem­ den in die Halle und setzte ihnen Speise und Trank vor; als ihnen aber ein Weinmus gerade besonders schmeckte.

Odysseus.

283

schlug sie mit ihrem Zauberstab auf sie, da wurden alle zu borstigen Schweinen; man jagte sie in die Kosen und gab ihnen Eicheln, die Mast der erdaufwühlenden Schweine. Nur einer war zeitig geflohen, der erzählte dem Odysseus

alles. Nun begab sich dieser allein auf den Weg, in der Hoffnung, er könne die Freunde erlösen. Da begegnete ihm der Gott Hermes, der offenbarte ihm alle Ränke der Zauberin; dann riß er ein Kräutlein aus der Erde, das hatte eine schwarze Wurzel und eine milchweiße Blüte und hieß Moly: wenn er das genossen, könne der Zauber ihm nicht schaden. Als nun Odysseus zu Kirke kam und sie ihm auch Weinmus gereicht hatte wie den anderen, da schlug sie ihn auch mit dem Stab und rief auch wieder: „Marsch, in den Schweinekofen!'* aber er blieb ein Mensch­ drang mit dem Schwerte auf Kirke ein und zwang sie, die Freunde wieder in Menschen zu verwandeln. Von da ab war auch Kirke wie verwandelt. Sie be­ handelte alle die Jrrfahrer liebreich und gastlich und ent­ ließ sie erst nach einem vollen Jahre. Sie hieß den Odysseus unbekümmert hinaussegeln auf das Meer, dann kämen seine Schisse ganz von selbst an den Eingang zur Unterwelt. Dort solle er den abgeschiedenen Geistern opfern und nach

dem Schatten des Sehers Tiresias rufen, der stiege dann herauf und sagte ihm, was er weiter tun solle. Sie handelten nach Kirkes Geheiß, fanden alles genau so, wie sie gesagt hatte, und befragten den Schatten des Der sagte, wenn sie auf die Insel Thrinakia kämen, wo die Herden des Sonnengottes weideten, und wenn sie diese Herden nicht antasteten, dann würden sie glücklich heim gelangen. Wenn sie aber von den Rindern welche töteten, dann würden alle Schiffe untergehen und alle Gefährten umkommen, nur Odysseus allein käme spät, auf fremdem Schiff, nach Ithaka. Er weissagte auch, wie sein Schicksal sein würde bis zu seinem Tode. Odysseus sprach auch mit den Schatten vieler Helden, die vor Troja Tiresias.

28

Heldensagen.

gefallen waren, und mit dem Schatten seiner Mutter und schaute alle Geheimnisse der Unterwelt.

6. Abenteuerbei den Sirenen, ander Charybdis und Skylla.

Sie steuerten zur Insel der Kirke zurück, da gab die Göttin ihnen genau an, wie sie die Gefahren der Sirenen, der Skylla und Charybdis vermeiden könnten. Dann ging es weiter, wie sie glaubten, der Heimat zu. Sie nahten der Insel der Sirenen, das waren schöne Jungfrauen, die herrlich sangen, nur hatten sie Vogel­ füße und fraßen die Leute, die sie durch ihren Gesang auf ihre Insel gelockt hatten. Nach Kirkes Rat verstopfte Odysseus den Gefährten die Ohren mit Wachs, nur sich selbst nicht. Dafür ließ er sich fest an den Mastbaum binden. Da kamen lockende Töne an sein Ohr: „Komm, lenke das Schiff ans Land, preiswerter Odysseus, unsere Honigstimmen zu hören. Wir wissen alles, was auf Erden geschah, und was die Himmlischen sinnen. Jeder kehrt weiser zurück von hier; komm, lenke das Schiff ans Land, preiswerter Odysseus!" So sangen sie. Wirklich glaubte Odysseus den Sängerinnen und winkte den Freunden zu, sie sollten ihn doch losbinden. Aber er hatte ihnen vorher streng befohlen, wenn er vielleicht winken sollte, dann sollten sie ihn nur noch fester binden. Das taten sie denn auch, und so entrannen alle den locken­ den Sirenen. Nun kamen sie in die Meerenge an der Insel Thrinakia. Auf der einen Seite war eine wilde Brandung, die hieß Charybdis, da wurde abwechselnd das Wasser wie in einen Trichter eingesogen, daß man in einen schwarzen Abgrund hinabsah, und dann wieder mit Gezisch und Donnern ausgespieen, daß der Gischt zum Himmel hinauf­ spritzte; die Schiffe, die in diesen Wirbel hineingerieten,

Odysseus.

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wurden in die Tiefe gerissen und kamen nur als Trümmer wieder in die Höhe.

Vermied man aber die Charybdis, dann kam man der Skylla ganz nahe, die gerade gegenüber in einer Felsen­ kluft lauerte. Das war ein Ungeheuer mit zwölf Füßen und sechs Hälsen, auf jedem Hals saß ein Kopf mit drei Reihen von Zähnen; dies Untier schnappte nach den Vor­ überfahrenden, um sie zu fressen. Odysseus hatte seinen Freunden nur von dem Wirbel erzählt, denn den hielt er für die schliminere Gefahr, und weil sie dem Wirbel auswichen, kamen sie der Skylla so nahe, daß sie sechs tapfere Genossen wegschnappte. Das war der erbarmens­ werteste Anblick, den Odysseus auf allen seinen Irrfahrten hatte. So wurden ihrer immer weniger.

Jetzt hatten sie Thrinakia vor sich und hörten schon die Rinder des Sonnengottes brüllen. Sie landeten, und trotz aller Ermahnungen ihres Gebieters stürzten sich die halb verhungerten Männer auf die schönen Herden und schlachteten so viele Rinder, als sie zum Mahl zu bediirfen glaubten. Voll banger Ahnung ging Odysseus wieder zu Schiffe, und wirklich, die Rache des Sonnengottes kam nur allzu­ schnell. Dunkle Gewitternacht legte sich auf das Meer, die Stürme heulten, und zuletzt sandte Zeus einen Blitz, daß alle Schiffe krachend auseinander barsten und die See­ fahrer wie die Seevögel die Schiffe umschwammen, aber einer nach dem andern versank in die Tiefe. Nur Odysseus hatte sich an den Mast geklammert, als dieser zersplittert ins Meer gesunken war. Da saß er denn rittlings und trieb und trieb, bis er in der zehn­ ten Nacht an die Insel getrieben kam, wo die Nymphe Kalypso wohnte. Diese nahm ihn freundlich auf und be­ wirtete ihn gastfrei, aber sie ließ ihn nicht los, sieben lange Jahre.

Heldensagen.

7. Wie Odysseus in seine Heimat zurückkehrte. Tiefe Stille herrschte in der Halle, als der edle Dulder seine Erzählung geendet hatte, mit Entzücken hatten alle gelauscht und bewegten nun nochmals alles in ihren Ge­ danken. Am andern Tage rüstete Alkinoos ein Schiff und ließ viele kostbare Gastgeschenke an Bord schaffen. Odysseus schaute den ganzen Tag nach der Sonne, ob sie nicht bald sinken wolle, denn abends sollte das Schiff abfahren. Endlich dunkelte es, noch ein Ehrentrunk in der Runde, Händedruck und herzliche Abschiedsworte, dann ging es wirk­ lich der Heimat zu, endlich, endlich! Die ganze Nacht hindurch flog das Schiff dahin, und der Dulder schlief friedlich und tief. Als im Osten der helle Stern aufstieg, der die Morgenröte anmeldet, nahte das Schiff dem Eiland Ithaka. In einer lieblichen Felsen­ bucht warf es die Anker aus, und die phäakischen Männer trugen den süßschlummernden Helden sanft ans Land. Da war eine Grotte, ein Heiligtum der Nymphen, dort leg­ ten sie den Schläfer ins weiche Gras, stellten all die herr­ lichen Gastgeschenke im Kreise um ihn und entfernten sich still. Als die Sonne hoch am Himmel stand, erwachte Odysseus. Er erkannte die Heimat nicht und weinte heftig, denn er meinte, er sei wiederum betrogen und an irgend einer einsamen Insel ausgesetzt worden. Da trat Athena zu ihm in Gestalt eines Hirten und sagte auf seine Frage, wo er wäre, dies Land sei Ithaka. Zugleich hob sie den Nebel, der die Landschaft verhüllte, da erkannte er alles genau. Nun war er also daheim, aber noch harrten seiner viele Gefahren. 8. Wie Odysseus sein Heim und die Seinen wieder sah. Athena nahm ihre göttliche Gestalt wieder an und sprach dem Zagenden Mut ein, sie erzählte ihm, wie es

Odysseus.

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in seinem Hause zuginge und gab Rat, wie er die Freier seiner Gattin Penelope vertreiben solle. Sie rührte ihn an, da schrumpfte seine Heldengestalt zusammen, und er wurde zu einem kraftlosen Greise, der war in Felle und Lumpen gekleidet und hatte einen verschabten, vielfach ge­ flickten Ranzen auf dem Rücken. So wanderte er zur Be­ hausung des Sauhirten Eumäos. Er wagte nicht, sich diesem zu entdecken, weil er seine Treue erst prüfen wollte; darum speiste er ihn mit Märchen ab und erfundenen Geschichten. Aber es zeigte sich, daß Eumäos seinem alten Herrn treu ergeben war und das Treiben der Freier von Herzen haßte. Andern Tages kam auch Telemach zu Eumäos. Er hatte auf Athenas Rat einen andern Rückweg genommen, als er vorher gesagt hatte, und war so den Nachstellungen der Freier entgangen. Seinem Sohn entdeckte sich Odysseus, der geriet ganz außer sich vor Freude, und sie beide be­ schlossen den Tod der Freier. Telemach ging zur Stadt,

um seiner Mutter Bericht zu geben über seine Reise. Eumäos folgte mit Odysseus nach. Vor dem Tor des Palastes lag auf dem Miste ein alter Hund, der kaum noch die Glieder regen konnte, es war Argos, den Odysseus sich dereinst aufgezogen hatte. Der erkannte seinen Herrn trotz aller Verkleidung nach zwanzig Jahren wieder, er wedelte ihm freundlich mit dem Schweif und versuchte zu ihm zu kriechen, aber er war zu schwach dazu. Odysseus wischte sich eine Träne aus dem Auge bei dem Anblick solcher Treue. Und nun betrat er sein Heim wieder, wonach er sich so lange Jahre gesehnt hatte. Er durfte nicht hineintreten, nur au die Schwelle durfte er sich stellen und blickte in die Halle, wo die Freier tafelten, wohl hundert an Zahl. Ein anmaßender Bettler, namens Jros, war gewohnt, hier zu sitzen und von den Abfällen der Tafel sich zu sättigen, der empfing den neuen Mitesser, dafür hielt er den Frem­ den, mit Schimpfen und Drohworten. Aber wie Odysseus ihm einen einzigen, wie er meinte, sanften Schlag gab.

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Heldensagen.

fiel Jros zu Boden, und ein purpurner Blutstrom ent­ stürzte seinem Munde, da war er still. Die Freier lach­ ten laut und erlaubten dem fremden Manne zu bleiben, ja sie gaben ihm sogar einen gebratenen, mit Fett und Blut gefüllten Ziegenmagen, zwei Brote und eine Kanne

Wein. Als jedoch nach einer Weile der Fremdling anfing von Odysseus zu reden, da warf der freche Antinoos mit einem Fußschemel nach ihm. Doch Telemach nahm ihn in Schutz, denn wenn der fremde Bettler auch schlecht ge­ kleidet war und einen vielfach geflickten Ranzen hatte, so war er doch sein Gast. Als Penelope von dem Fremdling hörte, ließ sie ihn einladen, die Nacht im Palaste zu bleiben; denn am Abend wollte sie ihn ausfragen, ob er vielleicht etwas von ihrem Gemahl wisse. Dann kam sie selbst in den Saal zu den Freiern und kündigte ihnen an, morgen solle ein Bogen­ kampf entscheiden, wen sie zum Gemahl nehmen wolle. Es lag aber in der Bodenkammer, sorgsam verwahrt, das Schießzeug des Odysseus, ein mächtiger Bogen aus Horn, Köcher und viele Pfeile, auch zwölf Äxte, die dereinst dem König Odysseus zum Kampfspiel gedient hatten. Er pflegte sie alle zwölf in einer Reihe aufzustellen, so daß, mit einer Richtschnur gerichtet, die zwölf Ofen der Äxte genau in einer Linie standen. Dann pflegte er durch alle zwölf Ofen seine Pfeile zu jagen. Wem von den Freiern dies Spiel gelänge, aber mit dem Bogen des Odysseus, der solle Penelopes zweiter Gemahl werden. Da freuten sich die Freier, denn jeder dachte, ein solcher Schuß wäre für ihn kinderleicht. Als es Abend geworden war und alle Freier sich ent­ fernt hatten, stieg Penelope wieder hinab in den Saal zu dem Fremdling. Odysseus wollte sich noch nicht ent­ decken, darum erzählte er, daß er aus Kreta sei, wo er den Odysseus gesehen hätte. Er beschrieb ihn so genau, daß Penelope ihm alles glaubte, er wußte auch allerlei

Odysseus.

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»oit des Odysseus Irrfahrten. Jetzt, so sagte er, weile ihr Gatte bei den Phäaken, die versprochen hätten, ihn auf

einem Schiff nach Ithaka zu bringen. Jeden Augenblick könne er kommen. Trotzdem erkannte Penelope ihren Ge­ mahl nicht, denn Athena hatte ihn ja alt und unansehn­ lich gemacht. Penelope ließ die alte Schaffnerin Eurhkleia kommen, die einst des Odysseus Amme gewesen war, die sollte ihm die Füße waschen. Beim Waschen glitt ihre Hand über seine Knie, wie erschrak sie da! Sie hatte eine Narbe ge­ fühlt, die sie sehr wohl kannte, ein Eber hatte sie einst auf der Jagd dem jungen Odysseus mit dem Hauer ge­ rissen. Sie stieß in ihrem freudigen Schreck das Wasch­ becken um, denn sie wußte jetzt, daß der Bettler Odysseus wäre. Der aber hielt ihr rasch den Mund zu und flüsterte, sie dürfe das Geheimnis jetzt noch nicht verraten. Penelope hieß nun dem Frenidling ein Lager im Vor­ saal bereiten und ging selbst in ihr Schlafgemach. Odysseus bestärkte sie noch, sie solle ja den Wettkampf morgen an­ ordnen. Sein Herz schlug ^reudig, denn er hatte die Treue seiner Gattin erkannt. 9.

Wie Odysseus an den Freiern schreckliche Rache nahm. Am andern Tage war das Fest des Neumondes und der Tag der Entscheidung, darum erschienen die Freier früher als sonst beim Gelage. Beim Schmause waren sie lauter und übermütiger als jemals. Wieder höhnten sie den fremden Mann, und einer warf sogar einen Kuh­ fuß nach ihm. Und dann lachten sie wieder alle mit ver­ zerrtem Grinsen, und einige weinten und klagten, es wäre ganz dunkel um sie her. Es war, als ob sie das schnell nahende Verhängnis im ahnenden Geiste schon erblickten. Da trat Penelope ein, in den Händen den Bogen des Odysseus. Auch den Köcher und die zwölf Äxte brachte Hessel und Ufer, Lesebuch 3.

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Heldensagen.

sie, und man stellte die Äxte auf, wie es sich gehörte. Jedoch keiner der Freier konnte den Bogen spannen, ruch Telemach versuchte es vergeblich. Die Freier riefen rach Fett, damit wollten sie den harten Bogen schmieren.

Da bat der Fremdling, ob er es versuchen dürfe den Bogen zu spannen. Mit Hohn und Entrüstung wurde ihm geantwortet, aber Telemach erlaubte es doch. Da streifte der Bettler seine Lumpen zurück, daß zwei sehnige, mächtige Arme bloß wurden, denn Athena verlieh ihm wieder jugendliche Kraft und Schönheit. Alle starrten ihn ent­ setzt an, schlimmer Ahnung voll. Wie im Spiel spannte er seinen alten, vertrauten Bogen, und schwirrend llog der Pfeil durch alle zwölf Äxte.

Der Schütze stand auf der Schwelle des Saales, der Köcher mit den Pfeilen lag neben ihm, und er rief mit schrecklicher Stimme in den Saal hinein: „Jetzt wähle ich mir ein anderes Ziel, das noch kein Schütze getroffen hat, möge Apollo mir Ruhm gewähren!" Da schwirrte der Pfeil, und Antinoos sank zu Boden, tödlich verwundet. Die Freier meinten zuerst, der Pfeil hätte durch einen unglücklichen Zufall getroffen, aber da rief der zürnende Odysseus: „Ich bin gekommen, um die Schmach meines Hauses zu rächen, ich bin Odysseus!" Und schon flog ein dritter Pfeil und traf einen Freier: Pfeil um Pfeil kam geflogen, unö keiner verfehlte sein Ziel. Umsonst Tumult und Entsetzen und flehende Worte. Ehe die Geschosse zu Ende gingen, schlüpfte Telemach mit Eumäos und dem treuen Rinderhirten durch ein Seitenpförtlein, und sie holten die bereitliegenden Waffen. Nun kämpften vier gerüstete Männer gegen die Freier, die sich umsonst wehrten mit Tischen und Schemeln, einige auch mit Schwertern. In dem gewaltigen Getümmel fielen nach und nach alle Freier, nur des Heroldes schonte der schreck­ liche Rächer und des Sängers, der flehend die hellklingende Harfe emporhielt. Die waren ja auch keine Freier.

Ldyjscus.

Dneas.

jß91

Dann ward der Saal gereinigt von all den Toten und dem Blut, und als Odysseus sich gebadet und gesalbt, girrg er zu Penelope, die ihn endlich erkannte und selig in ihre Arme schloß. Am anderen Tage suchte der Held seinen alten Vater Laertes aus, den er im Baumgarten traf, wo er in harter Feldarbeit seinen Gram zu vergessen suchte. Als er er* kannte, daß sein Sohn wirklich zurückgekommen sei, da entschwanden dem Greis die Sinne, und er sank in Ohn­ macht zur Erde. Bald aber erholte er sich und gab ver­ ständigen Rat, wie man die Freunde und Verwandten der toten Freier versöhnen könne. Als diese wirklich, ange­ stiftet von dem Vater des Antinoos, Rache nehmen woll­ ten, da trat Athena selbst in die Mitte der Zürnenden, und mit ihrer klugen Rede besänftigte sie alle. Sie glich dem treuen Mentor an Gestalt und an Stimme.

199, Äneas. Als Troja unterging, gelang es einem einzigen von all den fünfzig Söhnen des Königs Priamos, dem Äneas, aus der brennenden Stadt zu entkommen. Er trug seinen alten Vater Anchises auf dem Rücken und führte sein Söhn­ lein Ascanius an der Hand. Im Getümmel ging ihm Kreusa, seine Gattin, auf immer spurlos verloren. Am Meeresstrand fand sich nach und nach ein Häuflein flüchti­

ger Trojaner zusammen, und bis zum nächsten Frühjahr hatten sie sich zwanzig Schiffe gebaut, auf denen segelten sie in das wilde Meer hinaus, um sich eine neue Heimat zu suchen. Nach mancherlei Irrfahrten landeten sie an der Küste von Nordafrika, in Karthago. Dort herrschte die Königin Dido, die war eine Königstochter aus dem Lande Phönizien. Sie war eine Witwe und wollte, ähnlich wie die Kalypso den Odysseus, den Helden Äneas bei sich be­

halten, daß er ihr Gemahl sein solle. Aber Zeus schickte den Hermes zu Äneas mit dem Befehl, er müsse weiter19*

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Heldensagen.

segeln, denn Italien solle seine neue Heimat werden, und seine Nachkommen sollten dort eine Stadt bauen, die würde einst noch mächtiger werden wie Troja. Damit war Rom gemeint.

Als Äneas Karthago verlassen hatte, nahm sich die Königin Dido in Verzweiflung das Leben, indem sie sich auf einem Scheiterhaufen selbst verbrannte. Äneas aber landete zunächst auf der Insel Sizilien, wo ihn ein Mann gut aufnahm, der früher in Troja sein Gastfreund gewor­ den war. Der alte Vater Anchises war auf der Irrfahrt gestorben, und als Äneas in Sizilien zu Ehren des Abge­ schiedenen Kampfspiele gefeiert hatte, wollten viele Ge­ nossen, der langen Meerfahrt müde, auf der schönen Insel bleiben. Als Äneas nicht wollte, verbrannten sie im Zorn die Schiffe. Da ließ Äneas die Schwachen und Weiber zurück und fuhr auf neuerbauten Schiffen mit auserwählten Gefährten weiter nordwärts, bis sie an der Mündung des Tiberstromes landeten, im Gebiete des Königs Latinus. Lavinia, die Tochter des Königs, war durch Schicksals­ spruch dazu bestimmt, die Gattin eines Fremden zu wer­ den, trotzdem hatte ihre Mutter sie mit dem Turnus ver­ lobt, dem König der Rutuler, während der Vater sie dem Äneas zur Gattin versprach. Da entspann sich eine er­ bitterte Fehde, die damit endete, daß Äneas siegte und sich mit Lavinia vermählte. Nach des Latinus Tode wurde Äneas König über das lateinische Land. Nach ihm herrschte sein Sohn Askanius, und der er­ baute sich die Stadt Albalonga als Herrschersitz, das be­ deutet das lange Alba. Denn es lag am Albanersee, einem kreisrunden Bergsee, dessen Ufer wie die Wände eines Trich­ ters steil aufsteigen, so daß kaum Platz bleibt für eine Stadt. Die Häuser erstreckten sich darum in einer einzigen Gasse lang am Ufer hin.

Gründung Roms.

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200. Sagen von -er Gründung Roms. 1. Wie Rom erbaut wurde.

Es vergingen Jahrhunderte, und aus dem Stamm des Äneas herrschten zuletzt zwei Brüder in Albalonga. Der jüngere, Amulius, entriß seinem Bruder Numitor die Herrschaft, und als Rhea Silvia, die Tochter des Numi­ tor, Zwillingsknaben gebar, da fürchtete Amulius, diese Knäblein könnten ihn vom Throne stoßen, wenn sie ein­ mal groß geworden wären. Darum nahm er die Zwillinge ihrer Mutter weg, ließ sie in ein Körbchen verpacken und in die Tiber werfen. Aber der Strom trug das Körbchen gegen einen Feigenbaum, dessen Zweige über das Wasser hingen, da verfing sich das Körbchen in den Zweigen. Eine Wölfin kam und säugte die Kinder, so daß sie am Leben blieben. Dann fand sie ein Hirte, nahm sie voll Mitleid mit sich nach Hause und zog sie auf, als wären es seine eigenen Kinder. Er nannte sie Romulus und Remus. Die Zwillinge wurden groß und zeichneten sich vor allen Hirten aus durch Stärke, Kühnheit und Wildheit. Als sie mit den Hirten des abgesetzten Königs Numitor einen Streit hatten, wurde Remus gefangeu vor Numitor gebracht. Und nachdem dieser ihn ausgefragt hatte, erkannte er, daß Remus sein Enkel sein müsse, und voller Freude behielt

er ihn bei sich. Da hörte denn auch Romulus von seiner Herkunft, und die beiden sammelten alle Hirten um sich, zogen gegen Albalonga und töteten den Amulius, da wurde ihr Großvater wieder König über die Lateiner. Zum Dank schenkte er den Zwillingsenkeln den Berg Palatin an der Tiber, dicht bei der Stelle, wo damals das Körbchen am Feigenbaum hängen geblieben war. Auf diesem Berg wollte nun Romulus eine Stadt bauen. Er begann damit, daß er einen Graben um die Bergeshöhe zog und eine Mauer dahinter errichtete. Remus spottete über das niedrige Mäuerchen und sprang darüber. Da

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Heldensagen.

ergrimmte Romulus so, daß es zu heftigem Streit kam zwischen den Brüdern und Romulus zuletzt im Zorne den Remus erschlug. Er herrschte nun allein über sein neu­ gebautes Städtchen, das noch keine Häuser hatte. Um Leute herbeizulocken, die sich dort ansiedeln sollten, erklärte er die Stadt, die er nach seinem eigenen Namen Rom genannt hatte, als Freistätte für alle, die wegen eines Verbrechens verfolgt würden. Da sammelte sich denn allerlei Volks in Rom, die einen hatten gestohlen, andere waren Räuber ge­ wesen, andere hatten Menschen umgebracht aus Habgier oder im Drange der Leidenschaft, vielleicht auch aus Mordlust, noch andere waren unschuldig Verfolgte. Als Geburtstag von Rom wurde der 21. April alljährlich als Festtag ge­ feiert. Siebenhundertdreiundfünszig Jahre vor Christi Ge­ burt ward Rom gegründet, über tausend Jahre lang hat man die Jahre nach Roms Gründung gezählt. Auf römi­ schen Münzen und sonstwo findet man oft eine Wölfin abgebildet, an der zwei Knäblein saugen, das galt als das Wahrzeichen Roms. 2. Der Raub der Sabinerinnen. Frauen gab es keine in der Stadt des Romulus, und sie konnte doch ohne Frauen nicht bestehen. Niemand aus der Umgegend wollte seine Tochter einem Römer zum Weibe geben, denn sie sagten, die Römer wären ein zusammen­ gelaufenes Gesindel. Da ersannen die Römer eine List. Sie bereiteten Kampfspiele und Wettrennen vor, dazu luden sie die Quiriten ein, welche das Nachbarstädtchen bewohnten, eine halbe Stunde von Rom gelegen, auf dem Hügel Quirinal. Die Quirlten gehörten zu dem Volksstamm der Sabiner. Die Römer sagten aber ausdrücklich, die Sabiner müßten auch ihre Frauen und Töchter mitbringen. Die kamen auch gerne mit, denn an Wettkämpfen hatten die Frauen und Mädchen großes Wohlgefallen. Als nun die Spiele der bewaffneten Römer im besten Gange waren, auf der Ebene

Gründung Roms.

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am Fuße der neuen Stadt, da packte jeder junge Römer eine junge Sabinerin und lief mit ihr in die Stadt. Und wie alle drinnen waren, schlossen sie die Tore zu und ließen niemand mehr herein. Die Sabiner standen draußen, schimpften und drohten, aber was half ihnen das? Man öffnete ihnen doch nicht die Tore, und endlich zogen sie voller Wut ab. Bald kamen sie wieder und legten sich mit einem Heere vor Rom, um es zu belagern. Da er­ schienen auf den Mauern alle geraubten Sabinerinnen und riefen herunter, es gefalle ihnen ganz gut hier, sie wollten nicht mehr nach Hause, sondern bei ihren Männern bleiben. Nun gab es ein großes Versöhnungsfest, die Römer und die Quiriten schlossen Frieden und Bündnis. Ja, noch mehr: sie beschlossen, es solle eine große Mauer die beiden Nachbarstädte umschließen, und sie wollten dann eine einzige Stadt sein, darüber solle abwechselnd ein Römer und dann ein Sabiner König sein. Der Hügel, auf dem das eigentliche Rom lag, hieß Palatin. Zwischen dem Pala­ tin und dem Quirinal war ein kleiner, aber steiler Fels­ hügel, der hieß Kapitol, der war auch von der Stadt­ mauer mit umschlossen, auf diesem Kapitol sollten Götter­ tempel gebaut werden; am Fuß des Kapitols die Ebene, genannt das Forum, sollte Marktplatz werden, dort sollten Verkaufsbuden aller Art stehen, dort sollte Gericht gehal­ ten werden, sollte das Volk zur Beratung sich versammeln und sollten bei Festen Wettspiele veranstaltet werden. Und so geschah es. Nun war Rom eine große Stadt geworden, seine Mauern umschlossen drei Hügel. In den folgenden Zeiten wurden noch vier andere Hügel mit in die Stadt einbeschlossen, und Rom wurde darum auch die Sieben­ hügelstadt genannt. Aber die Stadt auf dem Palatin, welche nach Romulus genannt war, galt immer als das echte, alte Rom. Dort bauten sich auch die römischen Kaiser ihre prächtige Wohnung, die nannten sie nach dem Berge Palatium, und daraus sind die deutschen Benennungen Palast und Pfalz entstanden.

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Erläuterungen.

Erläuterungen. Zu Nr. 5 (Bornemann, Jägerlied): Pirsche, Zeitwort pirschen, auch barschen geschrieben, ist das vorsichtige Anschleichen an das Wild. Der Text ist seit 1316 immer wieder in den Liederbüchern verändert worden. Zu Nr. 26 (Güll, Rätsel): Bahn, Kahn, Zahn. Brennessel. Gabel. Geld. Kohlkopf. Kreisel. ^Löffel. Nichts. Sand, Land, Wand. Traube. Zu Nr. 34 (Hoffmann, Dann ist der Frühling da): Acker­ männchen heißt an vielen Orten die Bachstelze, weil sie gern hinter dem Pflug hergeht, um Würmchen aufzulesen. Zu Nr. 43 (Kopisch, die Zwerge aus dem Baum): DasHaslital liegt an der Aar, im Kanton Bern, ist 12 Stunden lang und 9 Stunden breit, ausgezeichnet durch Naturschönheiten, von vielen fleißigen Menschen bewohnt. Zu Nr. 45 (Keplsch, Ter Schneiderjunge von Krippstedt): Dieser Ort ließ sich nicht ermitteln, bei Weimar gibt es einen Ort Krippendorf. Zu Nr. 46 (KoPisch, Friedrichs des Zweiten Leibkutscher): Man vgl. Nr. 139. Zu Nr. 50 (Löwenstein, Rätsel): Eichhorn. Milchstraße. Zu Nr. 55 (W. Müller, Wikher): Man vgl. Nhland, Schwäbische Kunde, Nr. 91. Zu Nr. 57 (R ei nick, Frühlingsglocken): In Reinicks Gedichten fehlt das kling-ling, bim-bam und bim-bim, doch steht es im ersten Abdruck des Gedichtes in Chamissos Musenalmanach für 1837 und darf wegen des Reimes und aus poetischen Gründen nicht fortbleiben. Zu Nr. 97 (V o l k s r ä t s e l): Schreibfeder. Kuckuck. Zunge. Rinde. Tau. Dachziegel. Wasser, Feuer, Erde und Luft. Regen­ wurm. Bett. Handschuh. Schnee. Wiege. Ring. Ich. Zunge. Gans. Wachskerze. Schere. Uhr. Zu Nr. 99 (Rätselfragen): Ameisen. Armbrust. Der Berg in der Schweiz. Eichhorn. Eisbahn. Grünspan. Hochzeit. Hund als Bergwerkskarren. Kalmücken. Klavier. Kosack. Mitleid. Nashorn. Sonnabend. Ungarn. Vormund. Windspiel. Zu Nr. 106 (Bäßler, Landgraf Ludwig): Landgraf Ludwig starb 1227 zu Otranto, als er mit Kaiser Friedrich II. auf dem Kreuzzug war. Seine Gemahlin, die heilige Elisabeth, starb 1231. Zu N* 107 (Bäßler, Die Gründung der Stadt Karlsruhe): Diese Gründung geschah im Jahre 1715. Zu Nr. 119 (Grimm, Radbot läßt sich nicht taufen): Magen ist altdeutscher Ausdruck für Sippe, Verwandte. Zu Nr. 131 (Hebel, Gute Geduld): Die Sitte, den Pferden die Schwänze abzuschneiden, kam aus England, deshalb nannte man solche Pferde Engländer Handzwehle — Handtuch.

Erläuterungen. Lebensabriß d. Verfasser u. Nachweis d. Quellen.

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Zu Nr. 149 (Luther, Von der Stadt- und der Feldmaus): Sich erwägen bedeutet abwägen, sich überlegen, zweifelhaft sein; sie hatte sich ihres Lebens erwogen, also sie zweifelte an ihrem Leben. Zu Nr. 150 (Luther, Vom Kraniche und Wolfe): Geiziglich ist gierig, Kragen: Hals; muß sich erwägen, wie bei Nr. 149, must in Zweifel sein, ob er nicht Undank verdient. Zu Nr. 161 (R o s e g g e r, Der Gansräuber): Stadl ist Schuppen; ungeschaffenes Wort ist unhöfliches Wort. Zu Nr. 162 (R o s e g g er, Eine Geschichte vom Erzherzog Johann): Erzherzog Johann ist 1782 geboren, kämpfte gegen Napoleon, war 1849 deutscher Reichsverweser, lebte später meist in Steiermark, wo er 1859 gestorben ist. Wastl ist Abkürzung von Sebastian. Zu Nr. 164—166 (Schlez, Meister Hämmerlein): Meister Hämmerlein ist sonst volkstümliche Bezeichnung des Teufels oder auch eines Mannes, der mit Teufels Hilfe hexen kann. Zu Nr. 176 (Zeitz, Der bayrische Musketier): Pisang nannten die deutschen Soldaten 1870 die französischen Bauern statt paysan. Zu Nr. 193 (Die Nibelungen): 1. Erst spät ward aus dem Namen Santen (ad sanctos, bei den Gräbern der Heiligen) die jetzige Benennung Xanten. 2. Lind ist das altdeutsche Wort für Schlange. 4. Zazamanker ist der Name eines orientalischen Gewebes, Assagaug ist auch ein orientalischer Name. 5. Eigenhold ist ein Untertan. 9. Mette^ (matutina) ist der Frühgottesdienst.

Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen. A h l f e l d , Friedrich, geb. 1. November 1810 zu Mehringen (Pro­ vinz Sachsen), t 4. März 1884 zu Leipzig. Nr. 101 (abgedruckt aus dem deutschen Spielmann, Bd. 16). v. Archenholz, Johann Wilhelm, geb. 3. September 1745 zu Danzig, t 28. Februar 1812 zu Oyendorf (Holstein). Nr. 102 (Ge­ schichte des siebenjährigen Krieges, 7. Aufl., herausgegeben von Pott­ horst, Berlin 1861; im Anfang etwas gekürzt). Arndt, Ernst Moritz, geb. 26. Dezember 1769 zu Schoritz auf Rügen, f 29. Januar 1860 zu Bonn. Nr. 1. 2. (Gedichte, Leipzig, 1840, Nr. 1 um 2 Strophen gekürzt.) B ä ß l e r, Ferdinand, geb. 16. Januar 1816 zu Zeitz, t 3. Februar 1879 zu Pforta. Nr. 103—107 (Sagen aus der Geschichte des deutschen Volkes, Berlin, 1855). Baumbach, Rudolf, geb. 2R September 1840 zu Kranichfeld (Sachsen-Meiningen), f 21. September 1905 zu Meiningen. Nr. 3 (abgedrnckt aus Falke und Löwenberg: Steht auf. Köln, o. I.) B e ch st e i n, Ludwig, geb. 24. Nov. 1801 zu Weimar, f 4. Mai 1860 zu Meiningen. Nr. 4. 108 (Gedichte, Frankfurt a. M. 1836; Märchenbuch, Prachtausgabe, 5. Aufl., Leipzig, o. I. ein Satz geändert). B ö ck e l, Otto, geb. 5. Juli 1859 zu Frankfurt a. M., lebt in Michendorf i. d. Mark. Nr. 109. 110 (Dorfbilder aus Hessen und der Mark, 1908).

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Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen.

Bornemann, Wilhelm, geb. 2. Februar 1776 zu Gardelegen (Altmark), t 23. Mai 1851 zu Berlin. Nr. 5. Bürger, Gottfried August, geb. 31. Dezember 1747 zu Molmer­ schwende am Harz, t 8. Juni 1794 zu Göttingen. Nr. 6 (Gedichte, Berlin, o. I.). Caspari, Karl Heinrich, geb. 16. Februar 1815 zu Eschau in Unterfranken, t 10. Mai 1861 zu München. Nr. 111—113 (Geistliches und Weltliches, 12. Aufl., Erlangen, 1880). Colshorn, Theodor, geb. 3. Januar 1821 zu Ribbesbüttel bei Lüneburg, t 1- September 1896 zu Hannover. Nr. 7 (Stühlen, Deutsche Feierklänge). Cornelius, Peter, geb. 24. Dezember 1824 zu Mainz, t 26. Oktober 1874 ebenda. Nr. 8 (Gedichte, Leipzig, 1905). Eichendorff, Joseph, geb. 10. März 1788 zu Lubowitz in Oberschlesien, f 26. November 1857 zu Neiße. Nr. 9 (Gedichte, 9. Aufl., Leipzig, 1875). Einwald, August, geb. 8. April 1856 zu Heidelberg, lebt in Düsseldorf. Nr. 114 (Zwanzig Jahre in Südafrika, 2. Aufl., Hannover 1909). Enslin, Karl, geb. 21. September 1819 zu Frankfurt a. M., t 24. Oktober 1875 daselbst. Nr. 115 (Frankfurter Sagenbuch, Frank­ furt a. M. 1856). Falke, Gustav, geb. 11. Januar 1853 zu Lübeck, lebt zu Horn­ bostel bei Hamburg. Nr. 10—12 (Spielmann, Bd. 21; Neue Gedichte, Hamburg, 1907). Fechner , Gustav Theodor (Mises), geb. 19. April 1809 zu GroßSärchen (Lausitz), t 18. November 1887 zu Leipzig. Nr. 13 (Mises: Gedichte, Leipzig, 1841). Fischer, Johann Georg, geb. 25. Oktober 1816 zu Groß-Lüßen (Württemberg), t 1897 zu Stuttgart. Nr. 14 (Stühlen, Deutsche Feier­ klänge). Fontane, Theodor, geb. 30. Dezember 1819 zu Neuruppin, t 24. Oktober 1898 zu Berlin. Nr. 15—18 (Gedichte, 4. Aufl., Berlin, 1892; Lachende Lieder, herausgegeben von Berstl, Leipzig, Boigtländer). Gellert, Christian Fürchtegott, geb. 4. Juli 1715 zu Hainichen, t 13. Dezember 1769 zu Leipzig. Nr. 19 (Werke, Berlin, Hempel). G e r o k, Karl, geb. 30. Januar 1815 zu Baihingen (Württem­ berg), t 14-. Januar 1890 zu Stuttgart. Nr. 20—22 (Deutsche Ostern, Stuttgart, o. I., Nr. 22 mit Weglassung von zwei Zeilen). Greif, Martin, geb. 18. Juni 1839 zu Speier, lebt in München. Nr. 23 (Deutsches Weihnachtsbuch. Hamburg-Großborstel, 1906). Brüder Grimm: 1. Jakob, geb. 4. Januar 1785 zu Hanau, t 20. November 1863 zu Berlin. 2. Wilhelm, geb. 24. Februar 1786 zu Hanau, f 16. Dezember 1859 zu Berlin. Nr. 116—121 (Kinder- und Hausmärchen, große Ausgabe, 18. Aufl. Berlin 1882; Deutsche Sagen, 2. Aufl., Berlin, 1865—66; Nr. 118 mit Weglassung des Schlusses). Gude, Karl, geb. 28. Februar 1814 zu Hasserode (Harz), f 30. November 1898 zu Magdeburg. Nr. 122 (Erläuterungen deutscher Dichtungen. 5. Aufl., Leipzig, 1875, Bd. 3). Güll, Friedrich, geb. 1. April 1812 zu Ansbach, t 23. Dezember 1879 zu München. Nr. 24—26 (Kinderheimat, Gütersloh, 1875).

Lebensabriß der Berfasser und Nachweis der Quellen.

299

Haas, Alfred, geb. 8. Juli 1860 zu Bergen auf Rügen, lebt zu Stettin. Nr. 123. 124 (Rügensche Sagen und Märchen. Stettin, 3. Aufl.). Haffter , Elias, geb. 13. Februar 1851 zu Weinfelden (Schweiz), t 4. August 1909 zu Frauenfeld (Schweiz). Nr. 125 (Briefe aus dem fernen Osten. Frauenfeld, 1900, 6. Ausl.). Hagenbeck, Karl, geb. 10. Juni 1844 zu Hamburg, lebt in Stellingen bei Hamburg. Nr. 126—128 (Von Tieren und Menschen, Berlin, 1908). Hauff, Wilhelm, geb. 29. November 1802 zu Stuttgart, f 18. No­ vember 1827 daselbst. Nr. 27 (Werke, 12 Bde. Berlin, o. I.). Hebel, Johann Peter, geb. 10. Mai 1760 zu Basel, t 22. Sept. 1826 zu Schwetzingen. Nr. 129—135 (Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes, kritische Ausgabe von Behaghel, Berlin, Bd. 142 der Nationalliteratur). Hensel, Luise, geb. 30. März 1798 zu Linum (Brandenburg), t 18. Dezember 1876 zu Paderborn. Nr. 28. (Lieder, 6. Aufl., Paderborn, 1887). Herder, Johann Gottfried, geb. 25. August 1744 zu Mohrungen (Ostpreußen), f 18. Dezember 1803 zu Weimar. Nr. 29 (Werke, Berlin, 1885. Die Lehre ist weggelassen, sie lautet: Übermacht, Bernunftgewalt macht und läßt uns kalt; warme Christusliebe — wer, der kalt ihr bliebe? Hey, Wilhelm, geb. 26. Mai 1789 zu Laucha bei Gotha, t 19. Mai 1854 zu Ichtershausen. Nr. 30 (Fabeln für Kinder, mit Anhang, Gotha, o. I.). Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich, geb. 2. April 1798 zu Fallersleben, (Hannover) 119. Januar 1874 zu Corvey a. d. Weser. Nr. 31—37 (Kinderlieber. Erste vollständige Ausgabe, herausgegeben von Donop, Berlin, 1887). Hölty , Ludwig Heinrich Christoph, geb. 21. Dez. 1748 zu Mariensee bei Hannover, t 1 Sept. 1776 zu Hannover. Nr. 38 (Gedichte, herausgegeben von Halm, Leipzig, 1869). Jahnke, Hermann, geb. 20. April 1845 zu Wintersfelde, t 1909 zu Pötzscha, Sachsen. Nr. 136. 137 (Hohenzollern-Anekdoten, Stuttgart). Kilzer , Wilhelm, geb. 11. April 1799 zu Worms, 19. April 1864 zu Frankfurt a. M. Nr. 39 (Nach der Originalhandschrift des Dichters). Klee, Gotthold, geb. 17. Mai 1850 zu Dresden, lebt in Bautzen. Nr. 138. 139. (Friedrich der Große, Leipzig, 1903). Kletke, Hermann, geb. 13. März 1813 zu Breslau, f 2. Mai 1886 daselbst. Nr. 40. 41 (Kinderlieber, Gesamtausgabe, Berlin, o. I.). K o p i s ch , August, geb. 26. Mai 1799 zu Breslau, t 6. Februar 1853 zu Berlin. Nr. 42-^7 (Werke, Bd. 1, Berlin, 1856). Körner, Karl Theodor, geb. 23. September 1791 zu Dresden, 126. August 1813 bei Gadebusch (Mecklenburg). Nr. 48 (Werke, Berlin, 1885, Bd. 1). Krumm ach er , Friedrich Adolf, geb. 13. Juli 1767 zu Tecklen­ burg, f 4. April 1845 zu Bremen. Nr. 49 (Festbüchlein, Essen, 1846, Bd. 1, um eine Strophe gekürzt). Kugler, Franz, geb. 19. Januar 1808 zu Stettin, t 18. März 1858 zu Berlin. Nr. 140—143 (Geschichte Friedrichs des Großen, 5. Ausl., Leipzig, 1903).

300Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen. Lichtenberger, Franz, geb.31.August 1881 zu Ahrensfelde, lebt zu Magdeburg. Nr. 144 (Allerlei vorn Leben der Pflanzen, Köln, o. I.). Sinnig, Franz, geb. 24. November 1832 zu Agidienberg bei Königswinter, lebt zu Koblenz. Nr. 145. 146 (Deutsches Lesebuch, 1. Teil, 7. Aufl., Paderborn, 1885). Löwenstein, Rudolf, geb. 20. Februar 1819 zu Breslau, f 5. Januar 1891 zu Berlin. Nr. 50. 51 (Kindergarten, 5. Aufl., Berlin, o. I. Kindergedanken, ebenda). Luther, Martin, geb. 10. November 1483 zu Eisleben, t 18. Februar 1546 daselbst. Nr. 147—151 (Werke, Erlangen, 1826—55, Bd. 64). Mansfeld, Alfred, geb 14.März 1870 zu Tesch en (Böhmen), lebt in Kamerun. Nr. 152. 153 (Urwald-Dokumente, Berlin, Reimer). Meißner, August Gottlieb, geb. 3. November 1753 zu Bautzen, t 18. Februar 1807 zu Fulda. Nr. 154—156 (Äsopische Fabeln für die Jugend, Dresden, o. I.). M ö r i k e , Eduard, geb. 8. Sept. 1804 zu Ludwigsburg, f 4. Juni 1875 zu Stuttgart. Nr. 53. 54 (Gedichte, 12. Auf!., Stuttgart, 1897). Müller, Wilhelm, geb. 2. Dezember 1820 zu Gingen, Württem­ berg, 11892 zu Ravensburg. Nr. 157 (Fürst Bismarck, Stuttgart, 1890). Müller, Wolfgang, geb. 5. März 1815 zu Königswinter, f 29. Juni 1893 zu Neuenahr. Nr. 55 (Lorelei, Rheinisches Sagenbuch, 4. Aufl., Leipzig, 1873). Pfeffel, Gottlieb Konrad, geb. 28. Juni 1736 zu Kolmar (Elsaß), f 1. Mai 1809 daselbst. Nr. 56 (Fabeln und poetische Erzäh­ lungen, Stuttgart, 1840, Bd. 1). Reinheimer, Sophie, geb. 20. Juli 1874 zu Brüssel, lebt in Frankfurt a. M. Nr. 158 (Von Sonne, Regen, Schnee und Wind, Berlin, 1907.) Reinick, Robert, geb. 22. Februar 1805 zu Danzig, f 7. Februar 1852 zu Dresden. Nr. 57—62. 159. 160. (Musenalmanach für 1837, herausgegeben von Chamisso; Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch. 7. Ausl., Bielefeld, 1884. ABC-Buch. 4. Aufl., Leipzig, 1876). Rosegger, Peter, geb. 31. Juli 1843 zu Alpel (Steiermark), lebt zu Graz. Nr. 161. 162 (Spaziergänge in die Heimat. Wien, 1894; Meine Ferien, Wien, 1883). Rückert, Friedrich, geb. 16. Mai 1788 zu Schweinfurt, t 31. Ja­ nuar 1866 zu Neuseß bei Koburg. Nr. 63—66 (Gedichte. 6 Bde., 3. Aufl., Erlangen, 1838; Neue Auswahl, 22. Aufl., Frankfurt a. M., 1886). von Sallet, Friedrich, geb. 20. April 1812 zu Neiße, f 21. Fe­ bruar 1843 zu Reichau (Schlesien). Nr. 67—69 (Gedichte, Königsberg, 1843). Scharrelmann, Heinrich, geb. 3. Sept. 1875 zu Bremen, lebt in Kreßbronn am Bodensee. .. Nr. 163 (Goldene Heimat, Harnburg, 1908). Schiller, Friedrich, geb. 10. November 1759 zu Marbach am Neckar, t 9. Mai 1805 zu Weimar. Nr. 70 (Werke, herausgegeben von Boxberger, Kürschners Nationalliteratur, Bd. 2). S ch l e z , Ferdinand, geb. 27. Juni 1759 zu Ippesheim (Franken), t 7. September 1839 zu Schlitz (Oberhessen). Nr. 164—166 (Der Denkfreund. 5. Aufl., Gießen, 1820).

Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen.

301

von Schmid, Christoph, geb. 15. August 1768 zu Dinkelsbühl, t 3. September 1854 zu Augsburg. Nr. 71 (Blüten, 2. Ausl., Landshut, Krüll, 1826). Seidel, Heinrich, geb. 25. Juni 1842 zu Perlin (Mecklenburg), t 7. November 1906 zu Groß-Lichterfelde. Nr. 72. 73. 167. 168 (Wolffs Poetischer Hausschatz, Leipzig, Der Spielmann, Bd. 22; Naturbilder, herausgegeben von Wolfgang Seidel, Leipzig, 1909). Simrock, Karl, geb. 18. August 1802 zu Bonn, f 18. Juli 1876 daselbst. Nr. 73 (Rheinsagen, 10. Aufl., Bonn, 1891). Sturm, August, geb. 14. Januar 1852 zu Göschütz bei Schleiz, lebt in Naumburg. Nr. 75 (Wolffs Poetischer Hausschatz, Leipzig). Sturm, Julius, geb. 21. Juli 1816 zu Köstritz (Reuß), t 2. Mai 1896 daselbst. Nr. 76—79 (Gedichte, Leipzig, 1850). S u t e r m e i st e r, Otto, geb. 27. Sept. 1832 zu Zufingen < Schweiz), t 19. August 1901 zu Aarau. Nr. 80. 81 (Frisch und Fromm, Zürich, 1907.) Trojan, Johannes, geb. 14. Aug. 1837 zu Danzig, lebt zu Warnemünde (Mecklenburg) Nr. 82—85. 169—171 (Gedichte, Leipzig, 1883; Hundert Kinderlieder, Berlin, 1899; kleine Bilder, Minden, 1886; Für gewöhnliche Leute, Berlin 1893). U h l a n d , Ludwig, geb. 26. April 1787 zu Tübingen, t 13. No­ vember 1862 daselbst. Nr. 86—91 (Gedichte, Stuttgart, o. I.). v o n U n r u h , Konrad, geb. 1842 zu Gumbinnen, lebt in Thürin­ gen. Nr. 172. 173 (Leben mit den Tieren, Stuttgart, o. I.). Vogl, Johann Nepomuk, geb. 1. Februar 1802 zu Wien, t 16. November 1866 daselbst. Nr. 92 (Balladen, Romanzen, Sagen und Legenden, 3. Aufl., Wien, 1851). Volkstümlich. Nr 93. 94. 96 und 98 aus des Knaben Wunderhorn; Nr. 97 aus Böhme, Kinderlied und Kinderspiel, Leipzig, 1897, aus Seidel, Buntes aus dem Leben, Stuttgart, o. I., aus Wolgast, Rätselreime, in „Quellen", München, o. I., und aus Bonus, Rätsel, 1. Bd.» München, 1907; Nr. 100 auS Inschriften an Harrs und Gerät, 5. Aufl., Berlin, 1888. Volz, Walter, geb. 17. Dezember 1875 zu Wynau (Schweiz), erschossen 2. April 1907 zu Bussamai in Westasrika. Nr. 174 (Reise­ erinnerungen aus Ostasien, Bern, Franke, 1909). Wolf, Johann Wilhelm, geb. 23. April 1817 zu Köln, f 29. Juni 1855 zu Hofheim (Hessen). Nr. 175. Zeitz, Karl, geb. 26. Oktober 1844 zu Bad Salzungen (SachsenMeiningen), lebt in Meiningen. Nr. 176—178 (Kriegserinnerungen eines Feldzuasfreiwilligen aus den Jahren 1870 rrnd 1871, Altenburg, 1905; kleine Änderungen mit ausdrücklicher Zustimmung des Verfassers). Deutschland (Landschaft und Sage), Nr. 179—184; 186—188 von K. H. erzählt, Nr. 185 aus: Geschichten aus Schwaben, Stuttgart. K o l o n i a l b i l d e r. Nr. 189. 190 aus: Bilder aus den deut­ schen Kolonien, Essen, 1908. Rätsel; Sprichwörter. Nr. 191 volkstümlich, Nr. 192 meist aus Simrocks Sprichwörterbuch. Heldensagen. Nr. 193, 194, 196—200 von K. H. erzählt, in Nr. 195 sind die Arbeiten des Herkules aus Niebuhr, Heroengeschichten, Nr. 197, 2 und 3 aus Beckers Weltgeschichte.

302

Inhalt I.

Inhalt I. Gedichte sind durch ♦ bezeichnet.

A. Anordnung nach dem Inhalt. Nr. 1. Häusliches Leben. Feste. Sette *31. Rossmann, Wiegenlied...........................................................32 *53. Mörike, Mausfallensprüchlein .............................................. 49 *54. „ Unser Fritz............................................................................50 *75. A. Sturm, Der kluge Peter....................................................73 *96. Spinnerlied........................................................................................88 164—166. Schlez, Meister Hämmerlein........................................ 186

*8. *23. *70. ♦85. *30. *48. 110. *59. *86. *39. *70. 162. *94. 161.

Cornelius, Die Hirten....................................................... 8 Greif, Weihnachten....................................................................26 Schmid, Die Kinder bei der Krippe...................................... 69 Trojan, Ein frohes Fest........................................................... 80 Hey, Neujahr................................................................................ 32 Krumma ch er, Sonntagslied imSommer .........................45 Böckel, Der Erntekranz..........................................................111 Reinick, Sonntags am Rhein ...............................................59 Uhland, Schäfers Sonntagslied ........................................ 80 Kilzer, Das Kirchlein................................................................38 Schiller, Zum Geburtstag ................................................... 67 Rosegger, Geschichte vom Erzherzog Johann .... 181 Vogelhochzeit...................................................................... 86 Rosegger, Der Gansräuber................................................. 177

*80. 101. 111. 113. 116. 129. 130. 132. 159. 163. 171. 192. *100.

2. Weisheit. Gottvertrauen. Sutermeister, Schulze Hoppe macht das Wetter - - 76 Ahlfeld, Zwei vom alten Schlag........................................... 94 Caspari, Die drei Hausräte................................................. 112 „ Ehrlichkeit.................................................................. 115 Grimm, Das Hirtenbüblein ................................................ 119 Hebel, Kindesdank .................................................................. 140 „ Einer oder der andere .............................................. 141 „ Der Herr Stadtrichter...................................................143 Reinick, Der Pfennig..............................................................173 Scharrelmann, Auf der Elektrischen................................ 183 Trojan, Die Wichtelmännchen............................................. 199 Sprichwörter.................................................................................. 233 Inschriften an Haus und Gerät................................................... 92

*1. Arndt, Morgengebet............................................................... *9. Eichendorff, Gottes Segen..............................................

1 8

^Inhalt I. Nr.

303 Seite

*48. Körner, Zur Nacht..................................................................45 *79. I. Sturm, Gebet für Kaiser und Reich..............................76 *87. Uhland, Die Kapelle............................................................. 81 *86. „ Schäfers Sonntagslied .............................................. 80 160. Reinick, Der Dieb ............................................................... 176

8. Deutsche Sage und Geschichte. 193. ♦89. *90. 145. 146. 119. 103. 104. 115. 179. *74. *45. 120. *91. *55. *65. 121. *4. 106. 180. 112. *73. 181. 182. 107. 136. *46. 183. 184. *15. 185. *43. *44.

Die Nibelungen . .......................................................................235 Uhland, Das Schwert.............................................................. 82 „ Siegfrieds Schwert.................................................. 82 Sinnig, Gudrun....................................................................159 „ Wieland der Schmied............................................163 Grimm, Radbot läßt sich nicht taufen...............................128 Bäßler, Pipins Kraftprobe ................................................. 95 „ Wittekinds Taufe......................................................96 Enslin, Frankfurts Gründung............................................ 118 Die Gründung Aachens ............................................................ 211 Simrock, Die Schule der Stutzer.......................................... 72 Kopisch, Willegis.......................................................................43 Grimm, Die Weiber von Weinsberg................................129 Uhland, Schwäbische Kunde.................................................. 83 W. Müller, Wikher.................................................................. 51 Rückert, Barbarossa.................................................................. 63 Grimm, Friedrich Rotbart auf dem Kyffhäuser .... 129 Bech stein, Landgraf Ludwig und der Löwe................. 3 Bäßler , Wie Landgraf Ludwig eines KrämersGeselle wird 100 Der Edelstein in der brandenburgischen Krone ................... 212 Caspari, Die Hussiten vor Naumburg .......................... 113 Seidel, Die Träume...............................................................70 Der Todeswürfel .....................................................................213 Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten inBerlin . . 213 Bäßler, Die Gründung der Stadt Karlsruhe .... 102 Jahnke, Höger rup ............................................................. 148 Kopisch, Friedrichs II. Kutscher.............................................. 43 Das Hails mit den Schafsköpfen in Berlin........................... 214 Der Türträger in der Wallstraße in Berlin........................... 215 Fontane, Herr von Ribbeck auf Ribbeck.............................. 14 Die Faulheitsprobe zu Tübingen............................................ 216 Kopisch, Die Zwerge auf dem Baum................................. 40 „ Der Schneiderjunge von Krippstedt..................... 40

*20. Gerok, Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt..................... 20 *21. „ Wie Kaiser Karl schreiben lernte..................................22 *92. Vogl, Heinrich der Vogler...................................................... 85 *67. Sallet, Der Derfflinger........................................................... 65 140—142. Kugler, Aus Friedrichs d. Gr. Kinderjahren . . 151 143. „ Nach der Schlacht bei Kollin ........................................ 154 138. 139. Klee, Zwei Geschichten von Friedrich d. Gr. . . . 150 *6. Colshorn, Remteremtemtem......................................... 5 102. Archenholz, Der gefangene Husar......................................94 113. Caspari, Ehrlichkeit............................................................... 115

304 Nr.

Inhalt I. Seite

*16. Fontane, Der alteZielen........................................................15 *68. Sallet, Zielen................................................................. 66 *17. Fontane, Seydlitz..................................................................17 *14. Fischer, Der alte Fritzauf Sanssouci................................... 13 135. Hebel, Der Kommandant und die Jäger in Hersfeld . 146 *66. Rückert, Auf die Schlacht an der Katzbach......................... 64 *47. Kopisch, Blücher am Rhein..................................................44 *76. I. Sturm, Belle-Alliance..................................................... 74 *77. „ Ein Kunststück..............................................................76 157. W. Müller, König Wilhelm I. und Bismarck................... 170 176—78. Zeitz, Heiteres aus dem Feldzug 1870 und 71. . . 207 *22. Gerok, Des deutschen KnabenTischgebet............................... 23 *18. Fontane, Berliner Republikaner......................................... 19 137. Jahnke, Die Gans in Audienz............................................149

194. 195. 196. 197. 198. 199. 200.

4. Sagen der Griechen und Römer. Die Götter der Griechen........................................................... 251 Herkules............................................................................................ 257 Dädalus und Ikarus................................................................... 264 Aus der Sage von Troja........................................................... 267 Odysseus........................................................................................ 273 Aneas............................................................................................ 291 Die Gründung Roms................................................................293

*78. 109. HO. 186. 187. 188. *59.

5. Deutsches Land und Bolt. I. Sturm, Mein Vaterland................................................. 75 Böckel, Die alte Linde............................................................109 „ Der Erntekranz........................................................111 Ein Spaziergang unter den Linden in Berlin....................... 216 Frankfurt am Main................................................................... 219 Rheinfahrt von Mainz bis Köln............................................... 221 Reinick, Sonntags am Rhein ..............................................59

122. 125. 174. 114. 126. 152. 189. 190.

6. Die Fremde. Gude, Der Geißbub................................................................ 130 Haffter, Aus Kioto in Japan............................................134 Volz, Vom Flußadler (Märchen aus Sumatra) .... 203 Einwald, Heuschreckenplage in Südafrika........................115 Hagenbeck, Tierkarawane in Afrika....................................136 153. Mansfeld, Zwei Märchen a. d. Urwald v. Afrika 166 Erster Schulanfang in Bamum................................................223 Lagerleben in Deutsch-Ostafrika................................................227

7. Tierleben und Pflanzenlebe«. 126. Hagenbeck, Tierkarawane in Afrika................................136 127. „ Der geduldige Löwe.............................................138 128. „ Gedächtnis der Raubtiere..................................... 139 *4. Bech stein, Landgraf Ludwig und der Löwe................. 3 *5. Bornemann, Jägerlied..................................................... 4

305

Inhalt I. Nr.

Sette

*24. *56. 173. *95. *13. ♦64. ♦25. *94. 167. 168. 172. *35. 123. 124. 114. 169.

G ü l l, Der Jäger und der Fuchs .......................................... 25 Pfeffel, Die zwei Hunde......................................................53 von Unruh, Pflichttreue derPferde................................. 202 Die beiden Hasen..........................................................................88 Fechner, Die vier Hühnchen................................................... 12 Rückert, Des Hahn GockelsLeichenbegängnis.......................62 Güll, Spatzenausflug ..............................................................26 Bogelhochzeit.................................................................................. 86 Seidel, Das Goldhähnchen ................................................. 190 „ Der Zaunkönig......................................................... 191 von Unruh, Der Storch mit dem merkwürdigen Schnabel 201 Hoffmann, Der Laubfrosch..................................................34 Haas, Die Steinbutte............................................................. 132 „ Der Stör..........................................................................132 Einwald, Heuschreckenplage in Südafrika........................ 115 Trojan, Das Abenteuer im Walde.................................... 193

♦41. ♦15. 109. 110. ♦42. *80. *57. 144. *82. 170. *60.

Kletke, Der Apfelbaum^...........................................................39 Fontane, Herr von Ribbeck................................................... 14 Böckel, Die alte Linde............................................................. 109 „ Der Erntekranz......................................................... 111 Kopisch, Die Roggenmuhme...................................................39 Sutermeister, Schulze Hoppe macht das Wetter . 76 Reinick, Frühlingsglocken .......................................................57 Lichtenberger, Die Weiden blühen ............................ 155 Trojan, Der Dornbusch........................................................... 79 „ Linsen-Unkraut......................................................... 198 R e inick, Wunderliches Spiel...................................................57 Man vergleiche auch die Fabeln (Nr. 9).

*58. *40. *11. *36. *57. *38. *33. *51. *49. *61. 158. *28. *37. *52. *83. ♦1. *9. *48. *72.

8.^Leben der Erde. Jahreszeiten. Tageszeiten. Reinick, Juchhe........................................................................... 58 Kletke, Die Jahreszeiten ...................................................... 38 Falke, Die Sorglichen.......................................................... 9 Hoffmann, Sommer und Winter...................................... 35 Reinick, Frühlingsglocken........................................................... 57 Hölty, Frühlingslied....................................................................37 34. Hoffmann, Frühlingslieder...........................................33 Löwenstein, April................................................................... 47 Krumm a ch er , Sonntagsliedim Sommer ........................45 Reinick, Der Herbst................................................................... 58 Reinh eimer, Der Herbstwind geht auf Reisen ... 171 Hensel, Schneelust................................................................... 30 Hoffmann, Der Eislauf....................................................... 36 Löwenstein, Schlittenfahrt................................................... 48 Trojan, Der Wunderbaum ................................................79 Arndt, Morgengebet............................................................... 1 Eichendorff, Gottes Segen.......................................... 8 Körner, Zur Nacht................................................................... 45 Seidel, Laternenlied................................................................... 70

Hessel und Ufer, Lesebuch 3.

M.20

306

Inhalt I.

B. Anordnung nach der Form.

Lehrhaftes (Didaktisches). Nr.

9. Fabel.

Parabel.

Spruch.

Rätsel.

Seite

147—151. Luther, Fünf Fabeln............................................... 164 154—156. Meißner, Drei Fabeln............................................... 168 ♦19. Gellert, Der Blinde und der Lahme................................. 19 *29. Herder, Wind und Sonne..................................................... 31 *56. Pfeffel, Die zwei Hunde..................................................... 53 192. Sprichwörter............................................................................... 233 *100. Inschriften auf Haus und Gerät................................................. 92 ♦26. Güll, Rätsel ............................................................................. 27 ♦50. Löwenstein, Rätsel............................................................. 47 ♦81. Sutermeister, Neckfragenund Antworten....................... 77 ♦97. Bolksrätsel..................................................................................... 89 *98. Rätsel um Rätsel......................................................................... 91 ♦99. Rätselfragen.................................................................................. 92 191. Rätsel............................................................................................ 231

Erzählendes (Episches). 10. Märchen.

♦63. 108. 116. 117. 118. 175. 123, 152, 174.

Rückert, Der Spielmann ..................................................... 60 Bechstein, Tischchen deck dich ........................................... 103 Grimm, Das Hirtenbüblein ............................................... 119 „ Dornröschen............................................................. 120 „ Der Frieder und das Katherlieschen .... 123 Wolf, Der Traum des Wolfes........................................... 205 124. Haas, Zwei Fischmärchen (Steinbutt, Stör) ... 132 153. Mansfeld, Zwei Märchen a. d. Urwald v. Afrika 166 Volz, Dom Flußadler (Märchen aus Sumatra) .... 203 11. Sage.

Legende.

Hierher gehören die meisten Stücke unter Nr. 3 und 4. 12.Erzählungen, ernste und heitere, in Poesie und Prosa.

*2. Arndt, Ballade..................................................................... 2 ♦6. Bürger, Die Schatzgräber.................... 5 ♦12. Falke, Was haben denn wir Schneider für Gewicht . . 10 *54. Mörike, Unser Fritz................................................................. 50 *80. Sutermeister, Schulze Hoppe macht das Wetter . . 76 101. Ahlfeld, Zwei vom alten Schlag......................................... 94 113. Caspari, Ehrlichkeit................................................................115 129—135. Hebel, Erzählungen ....................................................140 159. Reinick, Der Pfennig........................................................... 173 160. „ Der Dieb....................................................................176 161. Rosegger, Der Gansräuber............................................... 178

307 Inhalt I. Nr. Seite 162. Rosegger, Geschichte vorn Erzherzog Johann .... 181 164—166. Schlez, Meister Härnrnerlein..................................... 186 Man vergleiche auch die Erzählungen aus der Weltgeschichte und die Sagen (Nr. 3 und 4).

18. Schilderung und Beschreibung. 109. Böckel, Die alte Linde.............................................................109 110. „ Der Erntekranz.............................................................111 122. Gude, Der Geißbub................................................................. 130 158. Reinheimer, Der Herbstwind geht auf Reisen ... 171 Hierher gehören auch die meisten Darstellungen aus Erdkunde und Naturkunde (Nr. 5 bis 8).

Gefühle und Gedanken (Lyrisches). 14. Lied. Volkslied. Geistliches Lied. *5. Bornemann, Jägerlied ................................................. 4 *8. Cornelius, Die Hirten...................................................... 8 *27. Hauff, Reiters Morgengesang .............................................. 29 ♦31—37. Hoffmann, Kinderlieber.............................................. 32 *38. Hölty, Frühlingslied...................................................................37 *49. Krummacher, Sonntagslied im Sommer ..................... 45 *72. Seidel, Laternenlied...................................................................70 *78. Sturm, Mein Vaterland...........................................................75 *79. „ Gebet für Kaiser und Reich...................................... 76 *86. Uhland, Schäfers Sonntagslied .......................................... 80 *88. „ Des Knaben Berglied.......................................... 81 *96. Spinnerlied....................................................................................... 88

Handlung (Dramatisches). *36. *64. 136. 144. 171. *13. *25. *53. *60. *61. *70.

15. Gespräch. Selbstgespräch. Hoffmann, Sommer und Winter...................................... 35 Rückert, Des Hahn Gockels Leichenbegängnis .... 62 Jahnke, Höger rup................................................................. 148 Lichtenberger, Die Weiden blühen................................ 155 Trojan, Die Wichtelmännchen............................................. 199 Fechner, Die vier Hühnchen................................................... 12 Güll, Spatzenausflug................................................................... 26 Mörike, Mausfallensprüchlein ...............................................49 Reinick, Wunderliches Spiel...................................................... 57 „ Der Herbst................................................................... 58 Schiller, Zum Geburtstag ...................................................37

308J

Inhalt n.

Inhalt II. Hrste «bteilung:

Gedichte. NrArndt: Seite 1. Morgengebet.......................................................................... 1 2. Ballade .................................................................................. 2 Baumbach: 3. Die Gäste derBuche................................................................ 2 Bech stein: 4. Landgraf Ludwigund der Löwe......................................... 3 Bornemann: 5. Jägerlied.................................................................................. 4 Bürger: 6. Die Schatzgräber...................................................................... 5 Colshorn: 7. Remteremteremtemtem........................................................... 6 Cornelius: 8. Die Hirten.............................................................................. 8 Eichendorff: 9 Gottes Segen.......................................................................... 8 Falke: 10. Schule...................................................................................... 9 11. Die Sorglichen...................................................................... 9 12 Was haben denn wir Schneider auch groß für ein Gewicht 10 Fechner: 13. Die vier Hühnchen....................................................................... 12 Fischer: 14. Der alte Fritz auf Sanssouci................................................... 13 Fontane: 15. Herr von Ribbeck auf Ribbeckim Havelland.......................... 14 16. Der alte Zieten...........................................................................15 17 Herr Seydlitz auf demFalben................................................ 17 18. Berliner Republikaner............................................................... 19 Gellert: 19. Der Blinde und der Lahme....................................................... 19 Gerok: 20. Wie Kaiser Karl Schulvisttation hielt.................................... 20 21. Wie Kaiser Karl schreiben lernte............................................... 22 22. DeS deutschen Knaben Tischgebet............................................ 23 Greif: 23. Weihnachten.................................................................................. 25 Güll: 24. Der Jäger und der Fuchs........................................................25 25. SpatzenauSslug............................................................................ 26 26. Rätsel...........................................................................................27

Inhalt II. 9k.

309 Seite

Hauff: 27. Reiters Morgengesang...............................................................29 Hensel: 28. Schneelust......................................................................................30 Herder: 29. Wind und Sonne...................................................................... 31 Hey: 30. Neujahr..........................................................................................32 Hoffmann: 31. Wiegenlied.................................................................................. 32 32. Schwarzdrossel...........................................................................33 33. O, wie freun wir uns 1........................................................... 33 34. Dann ist der Frühling da!........................................................33 35. Der Laubfrosch ........................................................................... 34 36. Sommer und Winter............................................................... 35 37. Der Eislauf..................................................................................36 Hölty: 38. Frühlingslied..............................................................................37 Kilzer: 39. Das Kirchlein............................................................................... 38 Kletke: 40. Die Jahreszeiten............................................................. 38 41. Der Apfelbaum..........................................................................39 Kopisch: 42. Die Roggenmuhme..................................................................... 39 43. Die Zwerge auf demBaum.................................................... 40 44. Der SchneiderjungevonKrippstedt........................................... 40 45. WillegiS......................................................................................43 46. Friedrichs desZweiten Kutscher..................................................43 47. Blücher amRhein.........................................................................44 Körner: 48. Zur Nacht.................................................................................. 45 Krummacher: 49. Sonntagslied im Sommer........................................................45 Löwen st ein: 50. Rätsel.......................................................................................... 47 51. April............................................................................................. 47 52. Schlittenfahrt.............................................................................. 48 Mörike: 53. MauSfallen-Sprüchlein.............................................................. 49 54. Unser Fritz.....................................................................................50 Müller: 55. Wikher.........................................................................................51 Pfeffel: 56. Die zwei Hunde..........................................................................53 Reinick: 57. Frühlings glocken..........................................................................54 58. Juchhe .........................................................................................55 59. Sonntags am Rhein.................................................................. 56 60. Wunderliches Spiel......................................................................57 61. Der Herbst..................................................................................... 58 62. Der Strom................................................................................. 59

310 Nr.

63. 64. 65. 66.

67. 68. 69. 70. 71.

72. 73. 74.

75.

76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85.

86. 87. 88. 89. 90. 91. 92.

93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100.

Inhalt II. Seite

Rückert: Der Spielmann.............................................................................. 60 Des Hahn GockelsLeichenbegängnis............................................62 Barbarossa...........................................................................................63 Auf die Schlacht an der Katzbach................................................ 64 Sallet: Der Derfflinger...............................................................................65 Zielen................................................................................................... 66 Herbstlied...........................................................................................67 Schiller: Zum Geburtstage der Frau Kirchenrätin Griesbach ... 67 Schmid: Die Kinder bei der Krippe.........................................................69 Seidel: Laternenlied...................................................................................... 70 Die Träume.......................................................................................70 Simrock: Die Schule der Stutzer.................................................................. 72 Sturm, August: Der kluge Peter............................................................................... 73 Sturm, JuliuS: Belle-Alliance.................................................................................. 74 Ein Kunftstück...................................................................................75 Mein Vaterland..............................................................................75 Gebet für Kaiser undReich..........................................................76 Sutermeister: Der Schulze Hoppe macht daS Wetter......................................76 Neckfragen und Antworten.......................................................... 77 Trojan: Der Dornbusch...................................................................................79 Der Wunderbaum................................................................... . 79 Königskerze.......................................................................................80 Ein froheS Fest.............................................................................. 80 Uhland: Schäfers Sonntagslied.................................................................. 80 Die Kapelle....................................................................................... 81 Des Knaben Berglied.......................................................................81 DaS Schwert...................................................................................82 Siegfrieds Schwert...........................................................................82 Schwäbische Kunde........................................................................... 83 Vogl: Heinrich der Vogler........................................................................85 Volkstümlich: Morgenlied........................................................................................ 86 Bogelhochzeit.................................................................................... 86 Die beiden Hasen............................................................................88 Spinnerlied........................................................................................ 88 Dolksrätsel........................................................................................ 89 Rätsel um Rätsel............................................................................90 Rätselfragen........................................................................................ 92 Inschriften an HauS und Gerät................................................. 92

Inhalt II

311

3weite Abteilung: Prosa. «r 101. 102.

103. 104.

105. 106. 107.

108. 109. 110.

111. 112. 113 114. 115.

116. 117. 118. 119. 120. 121. 122.

123. 124.

125.

126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133.

Ahlfeld: ®cite Zwei vom alten Schlag.............................................................. 94 Archen Holz: Der gefangene Husar....................................................................94 Bätzler: PipinS Kraftprobe.........................................................................95 Wittekinds Taufe......................................................................... 96 Der Ziegenhirt im Kyffhäufer.................................................... 97 Wie Landgraf Ludwig eines Krämers Geselle wird . . 100 Die Gründung der StadtKarlsruhe...........................................102 Bechstein: Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack 103 Böckel: Die alte Linde.............................................................................109 Der Erntekranz.............................................................................. 111 Caspari: Die drei Hausräte........................................................................ 112 Die Hussiten vorNaumburg..................................................... 113 Ehrlichkeit.......................................................................................115 Einwald: Heuschreckenplage in Südafrika . . . .115 Enslin: Frankfurts Gründung .... .118 Brüder Grimm: Das tzirtenbüblein....................................................................... 119 Dornröschen..................................................................................120 Der Frieder und das KatherlieSchen........................................ 123 Radbot läßt sich nicht taufen..................................................128 Die Weiber zu Weinsberg....................................................... 129 Friedrich Rotbart auf dem Kyffhäufer...................................129 Gude: Der Geitzbub .... . . 130 HaaS: Die Steinbutte . . ... 132 Der Stör .... ... 132 Haffter: Aus Kioto in Japan .... .... 134 Hagenbeck: Tierkarawane in Afrika.............................................................136 Der geduldige Löwe..................................................................138 Das Gedächtnis der Raubtiere............................................. 139 Hebel: KindeSdank.......................................................................................140 Einer oder der andere ............................................................ 141 Gute Geduld.......................................... 142 Der Herr Stadtrichter..................................................................143 Teures Späßlein....................................................................... 144

312 Nr.

Inhalt II. Sette

Der listige Steiermärker...........................................................145 Der Kommandant und die Jäger in HerSfeld . . . . 146 Jahnke: 136. Höger rup....................................................................................... 148 137. Die Gans in Audienz.................................................................. 149 Klee: 138. 139. Zwei Geschichten von Friedrich dem Großen . . . 150 Ku gler: 140—142. Drei Geschichten a. Friedr. d. Gr. Kinderjahren . 151 143. Nach der Schlacht bei Kollin................................................... 154 Lichtenberger: 144. Die Weiden blühen...................................................................155 Linnig: 145. Gudrun............................................................................................. 159 146. Wieland der Schmied.................................................................. 163 Luther: 147. Vom Raben und Fuchse............................................................. 164 148. Vom Hahn und der Perle........................................................ 164 149. Von der Stadt- und derFeldmaus..........................................164 150. Vom Kranich und Wolfe........................................................ 165 151. Vom Hund und Schaf............................................................. 166 Mansfeld: 152. Tischlein deck dich — Knüppel aus dem Sack . 166 153. Wettlauf zwischen Antilope und Schildkröte ... . 168 Meißner: 154. Die beiden Krebse........................................................................ 168 155. Die zwei Pflugschare................................................................... 169 156. Die Eiche und die Weide............................................................. 169 Müller: 157. König Wilhelm I. und Bismarck bei Königgrätz ... 170 Re i n h eimer: 158. Der Herbstwind geht auf Reisen............................................. 171 Reinick: 159. Der Pfennig...................................................................................173 160. Der Dieb........................................................................................176 Rosegg er: 161. Der Gansräuber........................................................................ 178 162. Eine Geschichte vom Erzherzog Johann von Österreich . 181 134. 135.

163.

164. 165. 166. 167. 168.

169. 170. 171.

Scharrelmann: In der Elektrischen........................................................................ 183 Schlez: Wie Meister Hämmerlein Gemeindeschmied wird . . .186 Wie Meister Hämmerlein eine Türschwelle wegmeißelt . 188 Von Meister Hämmerleins Heirat........................................ 188 Seidel: Das Goldhähnchen........................................................................190 Der Zaunkönig..............................................................................191 Trojan: DaS Abenteuer im Walde.........................................................193 Linsenfeld-Unkraut imZimmer............................................... 198 Die Wichtelmännchen................................................................... 199

Inhalt II. Nr.

172. 173.

174. 175. 176. 177. 178.

179. 180. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188.

189. 190. 191. 192. 193. 194. 195. 196. 197. 198. 199. 200.

313 Seile

v. Unruh: Der Storch mit dem merkwürdigen Schnabel . . . . 201 Pflichttreue der Pferde........................................................ 202 Volz: Vom Flußadler . ...................................................... 203 Wolf: Der Traum des Wolfes..................................................... 205 Der bayrische Musketier lernt Französisch....................... 207 Der Sergeant bestellt Eier................................................ 208 Das Festmahl.................................................................... 209 D eutschland (Landschaft und Sage): Die Gründung Aachens..................................................... 211 Der Edelstein in der brandenburgischen Krone . . . . 212 Der TodeSwürfel............................................................... 213 Das Reiterbild des Großen Kurfürsten zu Berlin . . . 213 DaS HauS mit den SchafSköpfen in Berlin................... 214 Der Türträger in der Wallstraße zu Berlin................... 215 Die Faulheitsprobe zu Tübingen...................................... 216 Ein Spaziergang unter den Linden in Berlin . . . . 216 Frankfurt am Main.......................................................... 219 Rheinfahrt von Mainz bis Köln.......................................221 Kolonialbilder: Erster Schulanfang in Bamum....................................... 223 Lagerleben in Deutsch-Ostafrika.......................................227 Volkstümliches: Rätselfragen............................................................................ 231 Sprichwörter............................................................................ 233 Heldensagen: Die Nibelungen....................................................................... 235 Die Götter der Griechen......................................................... 251 Herkules.................................................................................257 Dädalus und Ikarus............................................................. 264 Aus der Sage von Troja................................................... 267 Odysseus................................................................................ 273 ÄneaS ...................................................................................... 291 Sagen von derGründung Roms............................................293

314

Anfangsworte der Gedichte.

Anfangsworte der Gedichte. Die Anfangsworte der Rätsel und Inschriften sind nicht angeführt. Seite

Seite

Abends, wenn es dunkel wird 70 Als Kaiser Karl zu Jahren . 22 Als Kaiser Karl zur Schule . 20 Als Kaiser Rotbart lobesam . 83 Als Karl der Fünfte .... 70 April, April.............................. 47 Berliner Jungen...................... 19 Das ist der Tag des Herrn . 80 Das Kind ruht aus vom Spielen 8 Das war der Schulze Hoppe 76 Das war einmal ein Jubeltag. 23 Dem Land, wo meine Wiege . 75 Der alte Barbarossa .... 63 Der Blücher war so lahm . . 74 Der Derfflinger...................... 65 Der Engelsgruß...................... 80 Der große König...................... 66 Der Hahn hat mir heut ... 12 Der heilge Ludwig.................... 3 Der Jäger pirscht...................... 25 Der Laubfrosch.......................... 34 Der Peter saß.......................... 73 Der Riese sitzt am Brückenhaus 10 Der See ist zugefroren ... 36 Der Sonntag ist da.................. 45 Der Spielmann...................... 60 Der Vater Blücher.................. 75 Der Wintermann...................... 30 Des alten Fritz Leibkutscher . 43 Des Sonntags in der M. . . 56 Die Ähren nur noch nicken . . 33 Die Heere blieben.................. 44 Die Luft ist blau...................... 37 Die Nacht ist nun vergangen. 1 Die Schellen klingen .... 48 Die Spatzen schrein.................. 26 Draußen auf dem Rain ... 79 Droben stehet die Kapelle . .81 Durch die Wälder streif ich . .67 Ein Bäumlein grünt .... 25 Ein Haupt hast du dem Volk 76 Ein Junker hielt sich .... 53 Ein Kirchlein steht...................... 38 Ein neues Jahr...................... 32 Ein Winzer, der am Tode lag . 5 Es ist ein ungeheurer Baum . 79 Es sahen am Tum zu Mainz . 43

Es wollt ein Vogel.................. 86 Fern von des R eines.... 51 Gealtert war der alte Fritz . . 6 Gute Nacht......................... . 45 Hallo, die Türen aufgetan . 58 Herr Heinrich sitzt...................... 84 Herr Seydlitz .......................... 17 Herr von Ribbeck...................... 14 Hirten wachen............................ 8 Ich bin vom Berg.................. 81 Ihr Kinderlei '.......................... 69 Im Frühling, als der Märzwind 9 Im Wald und auf der Heide 4 In Krippstedt ....... 40 In solchem Staat .................. 72 Joachim Hans von Zieten . .15 Jung Siegfried.......................... 82 Karo soll das Sitzen lernen . 9 Kleine Gäste.............................. 49 Königskerze auf der Heide . . 80 Laß stehn die Blumen ... 39 Lauf ich Sonntags.................. 57 Mach auf, Frau Griesbach. . 67 Mietegäste vier im Haus . . 2 Morgenrot..................................29 Nehmt euch in acht.................. 64 Nun seht einmal den Apfelbaum 39 O Frühlingszeit...................... 38 O wie freun wir uns .... 31 Schneeglöckchen tut läuten . . 54 So komm doch heraus ... 35 Sonst wimmelte bas Haslital 40 Spinn, Mägdlein, spinn ... 88 Steht auf ihr lieben Kinderlein 86 Tief in waldgrüner Nacht . . 59 Und die Sonne machte ... 2 Unser Fritz richt seinen Schlag 50 Bom höchsten Wipfel singt . \ 33 Von ungefähr muß einen . . 19 Wenn die Lerch empor sich 31 Wer erschlug den Hahn Gockel 62 Wie ist doch die Erde .... 55 Wind und Sonne machten Wette 31 Zur Schmiede ging.................. 82 Zu Sanssouci.............................. 13 Zwischen Berg und tiefem Tal 88

Druck von Julius Beltz, Hofbuchdrucker, Langensalza.