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German Pages 332 Year 1911
Deutsches Lesebuch von
Karl Hessel.
Ausgabe für Mädchenschulen mit neunjährigem Lehrgang. Unter Mitwirkung von
Christian Äser. Zweiter Teil. Für da- dritte Schuljahr. Im Anschluß an die elfte Auflage des Lesebuches für höhere Mädchenschulen.
Bonn 1911. A. MarcuS und E. Weber- Verlag.
Borwort. Nachdem durch Ministerial-Erlaß vom 3. Februar 1910 die preußischen Mittelschulen für Knaben und Mädchen in feste Formen gebracht, besonders auch die Lehrstoffe im einzelnen festgelegt worden sind, hat sich alsbald die Not wendigkeit ergeben, mein für höhere Mädchenschulen ent worfenes Lesebuchwerk in einer etwas veränderten Aus gabe erscheinen zu lassen, die sich nicht nur der Mädchen mittelschule im engern Sinne, sondern den Bedürfnissen aller Mädchenschulen mit neunjährigem Lehrgang anpassen will. Diese Ausgabe, die unter Mitwirkung meines Kolle gen Christian Ufer, Rektors der südstädtischen Mädchen mittelschule in Elberfeld, ausgearbeitet ist, erscheint alK sechsbändiges Werk, und zwar so, daß für das zweite, dritte, vierte und fünfte Schuljahr je ein besonderer Band vorhanden ist (1., 2., 3. und 4. Teil), der 5. und 6. Teil dagegen zum Gebrauch für je zwei aufeinanderfolgende Jahr gänge bestimmt ist. Die ersten drei Teile stimmen völlig überein mit den drei ersten Teilen des Lesebuchs für höhere Mädchenschulen, 11. Auflage. Da aber von da ab die Lehrpläne für höhere und für mittlere Mädchenschulen viel fach auseinandergehen, so mußten die Teile 4, 5 und 6 auch ihre eigenen Wege gehen, halten jedoch soviel als mög lich enge Fühlung mit der Ausgabe für höhere Mädchen schulen. Da für die realistischen Fächer durch andere Hilfs mittel genügend gesorgt ist, so haben wir in erster Linie den literarischen Charakter des Lesebuchs betont;. wenn auch dem so wichtigen Konzentrationsgedanken zuliebe und in Rücksicht auf die Bestimmungen für Mittel--
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Vorwort.
schulen geschichtliche Stoffe und solche aus der Erdkunde und Naturkunde durchaus nicht ausgeschlossen sind, so ist dabei doch stets der Gedanke leitend gewesen, daß die För derung der Liebe zur Muttersprache, der Fertigkeit in ihrem Gebrauch, des Sinnes für dichterische Schönheit und die sittliche und vaterländische Erhebung des Gemüts der vor nehmste Zweck des deutschen Lesebuchs sein soll. Herrn Heinrich Weitkamp, Lehrer an der nord städtischen Mädchenmittelschule in Elberfeld, sprechen wir für viele wertvolle Anregungen und Ratschläge den besten Dank aus.
Koblenz, Elberfeld, im April 1911. Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule.
Christian User, Rektor der südstädtischen Mädchenmittelschule.
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Nummer 1 und 2.
I. Tageszeiten und Jahreszeiten. 1. Am Morgen. Ich tu die Hellen Augen auf Und schau, o Gott, zu dir hinauf. Du hast nnch in der dunkeln Nacht Sanft schlafen lassen und bewacht. Behüte mich auch diesen Tag, Daß mich kein Übel treffen mag! Und wirst du gnädig bei mir sein. So bin ich dein, so bleib ich dein. Güll.
2. Guten Morgen. 1. Nun reibet euch die Äuglein wach! Die Schwalben zwitschern schon am Dach, Die Lerche singt schon in der Luft, Die Blume prangt in Tau und Duft. Guten Morgen! 2. Auf Die Und
Die Sonn ist längst auf ihrer Bahn, seinem Posten kräht der Hahn, Tauben flattern aus dem Schlag sonnen sich im rosgen Tag. Guten Morgen!
3. Schon tönen Lieder und Schalmein, Der Herde Glöcklein klingen drein, Und seinen Morgengruß entbeut Vom Turme weithin das Geläut. Guten Morgen! Hessel. Lesebuch 2. 11. Aufl.
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
4. Was nur die Hände rühren kann, Das schickt sich jetzt zur Arbeit an, Die Nachbarsleut in Stadt und Land, Sie drücken sich zum Gruß die Hand. Guten Morgen! 5. Und alles regt sich nah und fern Und rüstet sich und preist den Herrn; Ihr wollt doch nicht die letzten sein? Drum stehet auf und stimmet ein: Guten Morgen! Löwenstein.
3. Neckstrählchen. Manchmal, wenn man in einem Buche liest oder sich ein Bilderbuch betrachtet — husch, da kommt Plötzlich ein Sonnenstrahl daher gehuscht und tanzt und flimmert auf dem Buche herum, daß man gar nicht weiter gucken kann. Oder, wenn man in den Spiegel sieht — husch, da ist der Sonnenstrahl wieder da, guckt auch in den Spiegel hinein und blendet einen dabei so, daß man ganz fix weg gucken muß. Ist es euch nicht auch einmal so ergangen? Na — wenn euch das in Zukunft wieder einmal passiert, dann denkt nur immer gleich: das ist das Neckstrählchen. Das Neckstrählchen! Ja, so hieß er, der kleine, über mütige Sonnenstrahl, der gar nichts lieber tat, als Men schen und Tiere, was ihm gerade in den Weg kam, zu necken. Abends, wenn ihn Mutter Sonne mit den andern Sonnenstrahlen hineinrief zum Schlafen, da fing er dann an, von seinen Streichen zu erzählen, und das gab allemal ein solches Gelächter, daß alle Himmelsbewohner es gleich wußten: Neckstrählchen erzählt einmal wieder von seinen Heldentaten. Eines Abends waren wieder einmal alle Sonnen strahlen in der großen Wolken-Schlafstube beisammen. So — nun schlaft schön, sagte Mutter Sonne, damit ihr mor-
Nummer 3.
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gen zur Arbeit wieder frisch seid. Erst war es dann auch ein Weilchen mäuschenstille. Nichts rührte sich. Hi — hi — hi — hörte man's da plötzlich leise kichern. Es war das Neckstrählchen. Nun war's natürlich nichts mehr mit dem Schlafen. Neckstrählchen — was hast du? Warum lachst du? Ach, liebes Neckstrählchen — er zähle doch! riefen alle Sonnenstrahlen durcheinander. Ha, ha, ha! lachte Neckstrählchen nun ganz laut. Nein — es war doch zu komisch, was sie alle für Fratzen schnitten. Wer schnitt denn Fratzen? Ach, Neckstrählchen — nun mach doch, — erzähle doch! Wer? Die Leute alle, die im Garten saßen und photographiert werden sollten, sagte Neckstrählchen. Sie saßen so fein still und guckten alle in den Photographenkasten. Auf einmal — gerade, als es losgehen sollte, hüpste ich ihnen ins Gesicht, — itsch — da hättet ihr mal sehen sollen, was sie auf einmal alle für Gesichter schnitten. Ha — ha — das wird ein schönes Bild werden, das da aus dem Kasten herauskommt, es ist zum Totlachen. Und alle Sonnen strahlen lachten mit. Weiter, Neckstrählchen, weiter, sagten sie dann; was hast du noch mehr angestellt? Wartet mal, ich will mich mal besinnen. Ach ja — die Kinder am See. Ich schien auf einen See herab. Am Ufer hockten ein paar Kinder, die freuten sich über die kleinen Wasserwellen, die über die großen Steine am User wegrollten und manchmal so niedlich spritzten. Wenn wir man ein Boot hätten und auf den See hinaüsfahren könnten, ganz, ganz weit — in so 'nem großen, feinen Segelboot, sagte der Junge. Hm — machte seine kleine Schwester — ganz, ganz weit —; nja. Aber wir haben man kein Geld, uns eins zu kaufen, sagte der Junge wieder. Oach, meinte die Kleine, da bitten wir ganz fix mal den lieben Gott, der schickt uns schon welches. Und sie faltete die kleinen Hände, guckte zum Himmel hin auf und betete. Da tauchte ich ganz heimlich mein kleines 1*
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
Sonnenkleid in das Wasser; das funkelte und glitzerte, gerade als ob lauter Goldstücke im Wasser lägen. Oach — schrie da auch gleich die Kleine — da guck mal, Maxel — da — oach! Der liebe Gott hat aber fix gemacht. Nu fang sie mal, fix! Da lachte der Junge laut und schlug die Hände zu sammen und ries: Bist du aber dumm! das ist ja die Sonne, die ins Wasser scheint. Dachtest du, das umreit Goldstücke, die der liebe Gott ins Wasser gemorfen hat? Ha! Nein — bist du dumm! Als er dann aber sah, daß seine kleine Schwester ganz erschrocken und enttäuscht und traurig war, da tröstete er sie und sagte: Na, laß ihn man. Wenn ich groß bin, dann mache ich mir selbst so'n Boot, und dann nehme ich dich mit. Das war ja eine niedliche Geschichte, sagten die Sonnen strahlen. Aber es war gut, daß der Bruder sein Schwester chen tröstete, und ihr doch noch ein Segelschiff versprach. Ja sagte Neckstrählchen. Aber nun muß ich euch noch er zählen, wie ich den alten Großvater aus dem Schlafe weckte. Hi — hi! Pfui! riefen die Sonnenstrahlen, wie bös von dir. Aber dann wollten sie doch die Geschichte hören. Und Neckstrählchen erzählte: Ich sah ein Fenster, an welchem die Vorhänge zuge zogen waren. Ich wollte aber gern sehen, was hinter den Vorhängen in der Stube war und suchte mir ein Ritzchen, durch das ich hindurchgucken konnte. Ich kitzelte ihn ein wenig an Nase und Augen, gleich fing er an zu blinzeln, wachte auf, und — hatschi! hatschi! ging's dann los. Es war zu komisch! Hatschi! hatschi! nieste er, immerzu, und jedesmal machte er einen Diener dabei, seht — so! Und Neckstrählchen ahmte dem alten Großvater nach, und alle lachten darüber. Da ging auf einmal die Wolkentür auf und Mutter Sonne trat herein. Husch — wie fix da alle Sonnenstrahlen unter ihre Wolkendecke krochen. Unnütze Gesellschaft! schalt Frau Sonne, meint ihr, ich hätte euch nicht gehört? Nennt
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Nummer 3 bis 5.
ihr das Schlafen? Dann aber ging sie zum Neckstrählchen hin, von dem bloß noch ein winziges kleines Spitzchen aus der Decke herausguckte. Ja — verkriech dich nur! Da hast du recht, sagte sie. Du bist ein ganzer Taugenichts — weißt da das? Ist das erlaubt, alte Leute aus dem Schlafe zu wecken und sie nachher auch noch auszulachen? Wenn du es zu arg treibst mit dem Necken, dann werde ich dich zur Strafe mal ein paar Tage gar nicht auf die Erde hinunterlassen. Hast du's gehört? Das Neckstrählchen hatte es wohl gehört! Aber es schwieg mucksmäuschenstille, denn es schämte sich. Sophie Reinheimer.
4. Abendglöcklein. Glöcklein, Abendglöcklein, läute Frieden, Freude Allen Menschen zu! Helle laß dein Lied erschallen, Und bring allen Eine sanfte Ruh! Ruhe dem, der sorgt und weint, Ruh dem Freund und auch dem Feind. Allen Lieben bringe du Ruhe und mir auch dazu! Güll.
5. Gute Nacht. 1. Schon glänzt der goldne Abendstern! Gut Nacht, ihr Lieben nah und fern, Schlaft ein in Gottes Frieden! Die Blume schließt das Äuglein zu, Der kleine Vogel geht zur Ruh, Bald schlummern alle Müden. 2. Du aber schläfst und schlummerst nicht, Du treuer Gott im Sternenlicht,
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Dir will ich mich vertrauen! O, gib auf mich, dein Kindlein, acht. Und laß nach einer sanften Nacht Mich froh die Sonne schauen!
Agnes Franz.
6. Nachtgebet. 1. Müde bin ich, geh zur Ruh, Schließe beide Äuglein zu; Vater, laß die Augen dein Über meinem Bette sein! 2. Hab ich unrecht heut getan, Sieh es, lieber Gott, nicht an! Deine Gnad in Jesu Blut Macht ja allen Schaden gut. 3. Alle, die mir sind verwandt, Gott, laß ruhn in deiner Hand, Alle Menschen, groß und klein, Sollen dir befohlen sein! 4. Kranken Herzen sende Ruh, Nasse Augen schließe zu! Laß den Mond am Himmel stehn Und die stille Welt besehn!
Luise Hensel.
7. Das Lied vom Monde. 1. Die Der Am
Wer hat die schönsten Schäfchen? hat der goldne Mond, hinter unsern Bäumen Himmel drüben wohnt.
2. Er kommt am späten Abend, Wenn alles schlafen will, Hervor aus seinem Hause Zum Himmel leis und still.
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Nummer 6 bis 8.
3. Dann weidet er die Schäfchen Auf seiner blauen Flur; Denn all die weißen Sterne Sind seine Schäfchen nur.
4. Sie tun sich nichts zu leide. Hat eins das andre gern. Und Schwestern sind und Brüder Ta droben Stern an Stern.
5. Und soll ich dir eins bringen, So darfst du niemals schrein. Mußt freundlich, wie die Schäfchen Und wie ihr Schäfer fein! Hossmann von Fallersleben.
8. Allerdreifeiertagslied. 1. O, du fröhliche, O, du selige, Gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren! Freue, freue dich, Christenheit! 2. O, du fröhliche, O, du selige, Gnadenhringende Osterzeit! Welt liegt in Banden, Christ ist erstanden! Freue, freue dich, Christenheit!
3. O, du fröhliche, O, du selige, Gnadenbringende Pfingstenzeit! Christ, unser Meister, Heiligt die Geister! Freue, freue dich, Christenheit! Falk.
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
9. Todaustreiben. 1. Nun treiben wir den Winter aus. Den alten, falten Krächzer, Wir jagen ihn jnni Land hinaus. Den Griesgram, Brummbär, Ächzer, Und laden uns den Frühling ein Mit Blumen nnb mit Sonnenschein. Juchhei, juchhei! O komm herbei, O Mai, o Mai! 2. Das faule Stroh, das dürre Reis Und alles, was vermodert. Das geben wir dem Feuer Preis, Daß hoch die Flamme lodert. Und laden uns den Frühling ein Mit Blumen und mit Sonnenschein. Juchhei, juchhei! O komm herbei, O Mai, o Mai!
3. Das Lied ist aus, Viktoria! Der Winter ist vergangen. Wir fingen froh ein Gloria Dem Lenz, der angefangen, Und laden uns den Frühling ein Mit Blumen und mit Sonnenschein. Juchhei, juchhei! O komm herbei, O Mai, o Mai! G. Görres.
10. Des Frühlings Ball. 1. Frühling sprach zu der Nachtigall: „Ich will euch geben einen Ball; Lade, Nachtigall, alle ein, Alle Vögel groß und Nein, Alle Vögel, alle!"
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2. Und da kamen die Vögel all Zum Frühlingsball mit Sang und Schall, Kuckuck, Wiedehopf, Elster, Star, Reiher, Nabe, Strauß und Aar, Drossel, Fink und Zeisig.
3. Und sie tanzten im Blumenduft Bei Sonnenschein und linder Luft, Tranken würzigen Blütenmost, Schmausten lauter feine Kost, Teure, seltne Sachen. 4. Als der Abend begann zu nahn, Da sprach zur Nachtigall der Hahn: „Jetzo wird wohl das Beste sein. Wenn wir Vögel groß und klein Gehen heim zu Neste. 5. Aber billig vor allem ist, Daß man des Wirtes nicht vergißt; Laßt uns, Vögelein groß und klein, Kikriki! recht dankbar sein; Vivat hoch, Herr Frühling!" Hoffmann von Fallersleben.
11. Eine Schwalbcngeschichte. Unter den Vögeln gibt es einen kleinen Baumeister, das ist die Schwalbe. Wenn sie am Dache ihr Nest baut, so ist niemand fleißiger als sie. Der erste Sonnenstrahl ruft sie zur Arbeit. Am Ufer des Teiches oder an einer Regenpfütze holt sie in ihrem breiten Schnabel Schlamm, knetet ein Hälmchen hinein und fliegt zum Nest. Mit großem Geschick führt sie die Mauer in die Höhe, immer nur ein ganz kleines Stück, so daß sie manchmal zwölf Tage lang baut, ehe das Nest ganz fertig ist. Bei dem Nestbau hat es die Schwalbe manchmal auf diesen oder jenen Ort ganz besonders abgesehen. So hatten einst im Frühling zwei Schwalben durch ein Schiebfensterchen
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
den Weg in eine Schulstube gefunden. Als am Morgen die Kinder in die Stube traten, da gab es ein Verwundern, daß die behenden Tierchen in der Ecke zu bauen begannen. Und als der Lehrer hereintrat, freute er sich der kleinen Gäste und legte es den Kindern warm ans Herz, sie nicht zu stören. Eine Woche und darüber waren es aber die Schwalben, die da störten. Denn so oft sie zum Schiebfensterchen hcreinflogcn, um am Nest weiter zu bauen, fuhren die Köpfe der Kleinen von Lese buch und Schiefertafel in die Höhe, und die Augen leuchteten vor Freude, wenn sie die munteren Tierchen so fleißig am Werk sahen. Und als nun die Tage wärmer wurden, da flog auf einmal nur noch eine Schwalbe ab und zu. „O weh!" klagten da die Kinder, „unser eines Schwälblein lebt nicht mehr; gewiß hat es ein Raubvogel gefangen und zerrissen." Da lächelte aber der Lehrer und sagte: „Nicht also, sondern unser Schwälblein sitzt im Neste; wartet nur geduldig und stört das Vöglein nicht, so sollt ihr eure Freude an ihm haben!" Und es war, wie der Lehrer gesagt hatte. Etwa zwei Wochen mochten vergangen sein, da flogen wieder alle zwei Schwalben aus und ein. Hatten sie sich aber früher fast den ganzen Tag im Freien herumgetummelt, so flogen sie jetzt eins um das andere ab und zu. „Sie haben Junge im Nest," sagte der Lehrer zu den Kindern, „die haben stets Hunger, und da müssen ihnen die Alten Mücken und Fliegen zutragen." Und oft hörte man auch das leise, fröhliche Piepen der Jungen, das klang ganz wundersam, wenn vielleicht gerade der Lehrer redete von der Güte des himmlischen Vaters gegen alles, was da lebet und webet. Und wieder nach einigen Wochen waren den jungen Schwälblein die Federn gewachsen, und sie wurden flügge. Da litt es sie nicht mehr im Nest, und sie kamen hervor eins nach dem andern und regten die Flügel. Anfangs ging es noch schlecht; eins flatterte auf den Schrank, das andere setzte sich auf den Ofen, das dritte gar kehrte ängstlich wieder in das sichere Nest zurück. Aber da waren auch die Alten zur Hand. Die machten ihnen mit frohem Gezwitscher Mut und zeigten, wie man es machen müsse beim Fliegen, und
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das ging dann bald so gut, daß die Jungen so geschickt flogen wie dje Alten. Einige Tage sind dann die Jungen noch in der Schulstube umhergeflogen und haben die Fliegen weggefangen; dann aber, als sie durch das Schiebfensterchen einmal einen Ausflug gemacht hatten in die große, weite Welt, sind sie eins nach dem andern weggeblieben. Die Alten aber legten noch einmäl Eier, brüteten die Jungen aus und lehrten sie fliegen, bis im Herbst alle zusammen mit ihnen die große Reise über das Meer antraten. Hummel.
12. Mailied. 1. Alles neu Macht der Mai, Macht die Seele frisch und frei. Laßt das Daus! Kommt hinaus! Windet einen Strauß! Rings erglänzet Sonnenschein, Duftend pranget Flur und Hain; Vögelsang, Hörnerklang Tönt den Wald entlang.
2. Wir durchziehn Saaten grün, Haine, die ergötzend blühn, Waldespracht, Neu gemacht Nach des Winters Nacht. Dort im Schatten an dem Quell Rieselt's munter, silberhell; Klein und Groß Ruht im Moos Wie in weichem Schoß. v. Kamp.
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
13. Drossel und Fink. 1. Zur Drossel sprach der Fink: Komm mit, liebe Drossel, komm flink, Heut tanzen die Blumen im moosglatten Wald, Komm mit, liebe Drossel, komm eilig, komm bald! Wir setzen uns auf die Äste Und musizieren zum Feste Und schauen zn, wie sic tanzen, von fern. Ich habe die Blumen so gern. 2. Ta flogen zum Walde die zwei, Wie flogen sie eilig zum Walde, juhci! Frischauf rief der Fink, als die Blumen er sah, So tanzet nun, Drossel und Finke sind da! Und Fink nnd Drossel singen, Und Blumen den Reigen schlingen Und tanzen froh über Tal und .höhn. Wie tanzten die Blumen so schön!
3. Und als der Tanz nun aus. Da flogen der Fink und die Drossel nach Haus; Die Blumen schlossen die Kelchblätter zu Und hielten nach fröhlichen Tagen Nachtruh. Als Fink und Drossel sich schieden, So recht von Herzen zufrieden. Da rief der lustige Fink noch von fern: Ich habe die Blumen so gern! Cornelius.
14. Kinderlied von den grünen Sommervögeln. 1. Es kamen grüne Bögelein Geflogen her vom Himmel Und setzten sich im Sonnenschein In fröhlichem Gewimmel All an des Baumes Äste Und saßen da so feste, Als ob sie angewachsen sein.
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2. Sie schaukelten in Lüften lau Auf ihren schwanken Zweigen; Sie aßen Licht und tranken Tau Und wollten auch nicht schweigen. Sie sangen leise, leise Auf ihre stille Weise Von Sonnenschein und Himmelblau. 3. Wenn Wetternacht auf Wolken saß, So schwirrten sie erschrocken; Sie wurden von dem Regen naß Und wurden wieder trocken; Die Tropfen rannen nieder Vom grünenden Gefieder, Und desto grüner wurde das.
4. Ihr Und Mit
Da kam am Tag der scharfe Strahl, grünes Kleid zu sengen, nächtlich kam der Frost einmal, Reif es zu besprengen. Die armen Vöglein froren, Ihr Frohsinn war verloren, Ihr grünes Kleid war bunt und fahl.
5. Da trat ein starker Mann zum Baum Und hub an, ihn zu schütteln, Vom obern bis zum untern Raum Mit Schauer zu durchrütteln; Die bunten Vöglein girrten Und auseinander schwirrten: Wohin sie flogen, weiß man kaum. Rückert.
15. Die Kornblume. Die Kornblume führt ihren Namen mit Recht, denn sie ist zu Hause im Kornfeld. Hier und da findest du sie auch auf einem Wegrande oder auf einem Anger, aber am liebsten steht sie zwischen den Halmen. Den ganzen Sommer hindurch hält
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
sie Gesellschaft mit dem Getreide. Mit dem Saatkorn zu sammen wirft der Landmann ihren Samen in den Acker. Mit der Saat zusammen wächst sie auf und blüht. Zugleich mit dem reifen Korn wird sie gemäht und in die Scheunen gebracht. So kommen ihre Samenkörnlein unter das Saatgut und im andern Frühjahr wieder in den Boden hinein, obgleich nie mand um sie besorgt ist und sich Mühe darum gibt, sie zu säen oder zu pflanzen. Der Bauer schilt die Kornblume ein lästiges Unkraut, aber des Wandrers Augen erfreuen sich an ihr, wenn ihr liebliches Blau mit dem Purpurrot des Mohnes zusammen das Ährenfeld ziert. Ist dem Landmann sonst nicht viel an ihr gelegen, so flicht er sie doch gern in den Erntekranz hinein, dem sie einen heitern Schmuck verleiht. Pflücke eine Kornblume und schaue sie genau an! Mit
Staunen wirst du gewahren, welch ein kunstreiches Gebilde du in Händen hast. Was als eine einfache Blume erscheint, ist zusammengesetzt aus zahlreichen Blüten, die sehr geschickt in einem zierlichen Körbchen geordnet und aufgestellt sind. In der Mitte stehen kleine Blüten von dunkler Farbe, um diese herum zieht sich ein Kranz aus größeren Blüten, von schön himmelblauer Farbe. Diese aber sind fein ausgezackt, so sau ber und zierlich, als wäre es behutsam mit einer kleinen Schere gemacht. So ist jede Blume ein Meisterwerk.
Schöne Kränze lassen sich aus Kornblumen winden, ohne daß man dazu einen Faden braucht. Mit ihren eigenen Stie
len schlingt man sie umeinander. Wer aber Kornblumen bricht, soll sich davor hüten, daß er die Saat zertritt. Es wachsen ihrer genug am Rande, die man mit den Händen erlangen kann, ohne in das Feld hineinzusteigen. Trojan.
16. Der Bauer und sein Kind. 1. Der Bauer steht vor seinem Feld Und zieht die Stirne kraus in Falten. „Ich hab den Acker wohl bestellt. Auf reine Aussaat streng gehalten;
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Nummer 15 bis 18.
Nun sch mir eins das Unkraut an! Das hat der böse Feind getan." 2. Da kommt sein Knabe hochbeglückt. Mit bunten Blüten reich beladen; Im Felde hat er sie gepflückt, Kornblumen sind es, Mohn und Raden; Er jauchzt: „Sieh, Vater, nur die Pracht! Tie hat der liebe Gott gemacht." Sturm.
17. Im Heu. 1. £, wie schön ist es im Heu! Lieblich ist der Duft, Und die Lerche singt dabei Hoch aus blauer Lust.
2. Und das Grillchen hört man auch, Das die Zither schlägt Unterm wilden Rosenstrauch, Den der Wind bewegt. 3. Warme Luft und Sonnenschein! O, wie ich mich freu. Sagt, wo kann es schöner sein, Schöner als im Heu? Trojan.
18. Das Dorf. 1. Steht ein Kirchlein im Dorf, Geht der Weg dran vorbei, Und die Hühner, die machen Am Weg ein Geschrei. 2. Und die Tauben, die flattern Da oben am Dach, Und die Enten, die schnattern Da unten am Bach.
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
3. Auf der Brück steht ein Junge, Der singt, das; es schallt, Kommt ein Wagen gefahren, Der Fuhrmann, der knallt.
4. Der Und Sitzt
Und der Wagen voll Heu, kommt von der Wiese, oben darauf der Hans und die Liese.
5. Tie jodeln und jauchzen Und lachen alle beid, Und das klingt durch den Abend, Es ist eine Freud! 6. Und dem König sein Thron Der ist prächtig und weich, Doch im Heu da zu sitzen, Dem kommt doch nichts gleich! 7. Und wär ich der König, Gleich wär ich dabei Und nähme zunr Thron mir Einen Wagen voll Heu.
Reinick.
19. Johanniswürmchen. 1. Was tanzen so goldige Sternchen Umher in funkelnder Pracht? Sind Käfer mit ihren Laternchen, Die fliegen spazieren bei Nacht.
2. Wenn einer begegnet dem andern, Dann grüßen sie sich, wie man tut, Erzählen sich was und ivandern Dann weiter wohlgemut. 3. Und kehrt der Morgen wieder. Sucht jeder eilig sein Haus, Doch eh er sich leget nieder, Löscht er sein Laternchen aus. Hofsmann von Fallersleben.
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20. Die Kornähren. Ein Landmann ging mit seinem kleinen Sohne Tobias auf den Acker hinaus, um zu sehen, ob das Korn bald reif sei. „Vater, wie kommt's doch," sagte der Knabe, „daß einige Halme sich so tief zur Erde neigen, andere aber den Kopf so aufrecht tragen? Diese müssen wohl recht vornehm sein; die andern, die sich so tief vor ihnen bücken, sind gewiß viel schlechter?" Ter Vater pflückte ein paar Ähren ab und sprach; „Sieh, diese Ähre hier, die sich so bescheiden neigte, ist voll der schönsten Körner; diese aber, die sich so stolz in die Höhe streckte, ist ganz taub und leer." v. Schmid.
21. Am Sommertag. Ich ging bei hellem Sonnenschein In die blühende Heide hinein. Die Bienen summten hin und her Über dem roten Blütenmeer, 5 Mit Fleiß den Honig sich zu suchen, Daraus man macht die braunen Kuchen Im Winter um die Weihnachtszeit. Das Wachs auch stellen sie bereit Zu den Kerzen, die freundlich glühn, 10 Wie Sterne im dunkeln Tannengrün. Und wie ich weiter ging, da fand Ich auch ein Bäumchen, das da stand. Ein Tännlein war cs — ein besseres kaum Konnt man sich wählen zum Weihnachtsbaum. 15
So wird am Sommcrtag auf der Heide Schon gesorgt sür die Weihnachtsfreude; Wer aber, der die Pracht dann schaut, Denkt an Bienen und Heidekraut?
Sessel, Lesebuch
11. Aust.
Trojan. 2
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22. Nachtgewitter auf dem Land. In der Stadt sind die Leute nicht sonderlich in Sorge, wenn es gewittert. Sie sitzen in festen, aus Steinen aufge führten und mit Steinen gedeckten Häusern, deren das Feuer so leicht nicht Herr wird, wie eines Wohnhauses mit Stroh dach oder einer Scheune, die mit reifer Frucht gefüllt ist. Und wenn der Blitz in ein Haus schlägt und zündet, so ist Hilfe bereit und nahe. Anders ist es auf dem Lande, im Dorf oder in einsam liegenden Höfen. Da sind alle Herzen von Angst und Sorge erfüllt bei einem Gewitter, zumal wenn es in der Nacht kommt. Der Hausvater weckt die Seinen, wenn er die ersten Donnerschläge gehört hat. Die Knechte erhalten ihre Arbeit zugeteilt. Auf die Ställe muß geachtet werden, damit das Vieh sogleich hinausgejagt werden kann, wenn Feuer ausbricht. Die Pferde werden angeschirrt, damit sie bereit sind, mit zum Helfen und Retten verwendet zu werden.
Unten in der Stube aber sind beim Licht oder bei der Lampe alle versammelt, die draußen nicht gebraucht werden. Auch die kleinen Kinder sind aus den Betten geholt und not dürftig angezogen. Furchtsam schmiegen sie sich zuerst an die Mutter oder an die älteren Geschwister an, bald aber schlafen sie wieder ein. Aber die älteren halten sich wach. Mitten in der Stube unter Großen und Kleinen sitzt wohl eine alte Mutter und hält in den Händen das Gesangbuch. Keines spricht ein Wort. Man hört nur das Rasseln des Donners, nur den Regen, der bald gewaltig herniederströmt. Näher kommt das Gewitter, kleiner werden die Zwischen zeiten zwischen Blitz und Donner, auf welche alle ängstlich achten. Jetzt ein furchtbarer Schlag mit dem Blitz zugleich, der das Land draußen taghell erleuchtet. Alles schrickt zusammen und wagt kaum zu atmen. Gottlob! es bleibt alles still auf dem Hof und draußen. Vielleicht hat der Blitz in der Nähe einen Baum getroffen.
Das Gewitter rückt weiter, und der Regen läßt nach. Nur aus weiter Ferne noch grollt der Donner. Endlich
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kann man sagen: Die Gefahr ist vorüber. Nun treten die Landleute vor die Türen ihrer Häuser. Wie frisch die Luft, wie erquickend! Welch ein Duft geht aus von der Erde, von Gesträuchen und Bäumen! Aber sieh! in der Ferne ist ein Feuerschein sichtbar. Die Männer treten zusammen und streiten darüber, wo das Fcner sei. An diesem Ort, sagen die einen, und die andern: an jenem. Aber alle denken bei sich: Gott helfe den Armen, bei denen es gezündet hat, und Dank sei Gott, daß er unser schonte!
Trojan.
23. Das Obstbäuinchen und der Ochse. Nach langer Regenzeit war wieder einmal ein schöner Tag; die Sonne schien, und die Vögel sangen. Da kamen drei Kinder, der Hans, der Franz und die Lisbeth hinaus gesprungen in den Obstgarten, um dort zu spielen: Hans mit seiner Armbrust, Franz mit seiner Peitsche und Lisbeth mit ihrer alten lieben Puppe, der aber schon der eine Arm fehlte. In dem Garten vergaßen sie aber bald ihr Spiel, denn dort gab es viel wichtigere Dinge zu tun. Die Früchte auf den Obstbäumen waren in der letzten Zeit reif ge worden, und eben war der Vater mit seinen Leuten damit beschäftigt, die Äpfel, Birnen und Pflaumen von den Zwei gen zu schütteln. Das war nun ein rechter Jubel für die Kinder, denn sie mußten das abgeschüttelte Obst auflesen und in Körbe tragen, und daß dabei auch tüchtig geschmaust und gelacht wurde, kann man sich denken. Alle übrigen Bäume des Gartens gaben auch willig ihr Obst her, nur ein junges Bäumchen, das ganz abge sondert am Ende des Gartens stand, war eigensinnig und geizig und dachte in seinem Sinne: „Ich sehe nicht ein, worum ich meine Äpfel hergeben soll, die will ich für mich behalten, und sollten sie auch an den Zweigen vertrocknen."
Und gerade dieses Bäumchen gehörte den drei Kindern. Nachdem nun diese eine Weile bei dem Schütteln der andern Bäume tüchtig geholfen hatten, siel es ihnen ein, auch
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
einmal nach ihrem Bäumchen zu sehen; sie liefen daher um die Wette nach ihm hin. Siehe, da hingen ganz oben in seinem Gipfel die schönsten Äpfelchen, die hatten so frische rote Bäckchen, wie die Kinder selber. Da faßten sich die drei Kinder an der Hand, tanzten im Kreise ums Bäumchen herum und sangen: Bäumchen, Bäumchen, wir bitten sehr. Gib uns deine Äpfelchen her! Und willst du dich nicht schütteln, So werden wir dich rütteln! Aber das Bäumchen stand ganz still und schüttelte nur ein ganz klein wenig die Zweige, doch nicht um die Äpfel herzugeben, sondern weil es damit sagen wollte: „Die geb ich euch nicht her!" Die Kinder faßten also das Bäumchen um den Stamm und rüttelten tüchtig dran herum. Aber auch das half nichts, denn das Bäumchen blieb bei seinem Sinn und dachte: „Rüttelt ihr nur immer zu, ich werde meine Äpfelchen schon sesthalten." Als die Kinder sahen, daß sie so nichts ausrichteten, gedachten sie's einmal auf eine andere Weise anzufangen: „Warte," sprach Hans, „dich will ich schon bekommen; Pfeilchen, hol mir ein Äpfelchen her!" und damit nahm er die Armbrust und schoß seinen Pfeil gegen den einen Apfel in den Baum hinauf. Aber das Äpfelchen kam nicht, und der Pfeil kam auch nicht herunter, denn das Bäumchen hielt ihn mit seinen Zweigen fest. Da stand nun der Hans, wußte nicht, was er sagen sollte und sah traurig nach seinem Pfeil hinauf. Da sprach Lisbeth: „Warte, dich wollen wir schon be kommen! Puppe, hol mir das Pfeilchen her!" und damit nahm sie die alte Puppe an ihrem einen Arm und warf sie gegen den Pfeil in den Baum hinein. Aber das Äpfel chen kam nicht, der Pfeil kam nicht, und die Puppe kam auch nicht, denn auch die hielt das Bäumchen mit seinen Zwei gen fest. Und da stand nun auch Lisbeth und sah traurig nach ihrer Puppe hinauf. Endlich rief Franz: „Warte, dich wollen wir schon be-
Nummer 23.
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kommen! Peitsche, hol mir die Puppe herunter!" Und damit marf er die Peitsche der Puppe nach. Aber das Äpfelchen kam nicht, der Pfeil kam nicht, die Puppe kam nicht, und auch die Peitsche blieb oben, denn das Bäumchen hielt alles fest. Darüber wurden die Kinder sehr ärgerlich und fingen von neuem au, das Bäumchen zu rütteln und diesmal noch viel stärker als früher, so daß ihnen der Schweiß von der Stirne lief. Darüber wurde auch das Bäumchen zornig, und da gerade hinter der Hecke ein großer Ochse weidete, ries es dem zu: „Du, Ochslein aus der Weide dort, Komm, jag mir doch die Kinderchen fort! Und tust du den Gefallen mir. Geb ich die schönsten Blättchen dir!" Als der Ochse das hörte, nahm er sogleich den Kopf zwischen die Beine, streckte die Hörner vor sich her und lief, ohne sich rechts oder links umzusehen, gerade auf die Kinder zu. Glücklicherweise sahen ihn die aber schon von weitem daherkommcn, ließen das Bäumchen los und spran gen mit lautem Schreien hinter den Zaun. Aber der Ochse war einmal ins Laufen gekommen, daß er nicht mehr an halten konnte, und lief so gewaltig mit den Hörnern gegen das Bäumchen, daß er es um und um stieß. Da lag es nun mit allen seinen Äpfelchen, mit dem Pfeil, mit der Puppe und mit der Peitsche, und war mausetot. Als der Ochse sah, was er angerichtet, blieb er stehen und sah sich um. Erst machte er ein recht dummes Gesicht dazu, so dumm, wie nur ein ganz dummer Ochse es machen kann, dann aber fing er ruhig an, von den Blättern des Bäumchens zu schmausen. Aber das ging nicht so, wie er's wohl dachte, denn der Vater der drei Kinder kam hinzu und band ihn wieder an demselben Fleck an, wo er früher gestanden. Nun krochen auch Hans, Franz und Lisbeth hinter ihrem Zaune hervor und jammerten recht, wie sie sahen, was der Ochse getan hatte. Als ihnen der Vater aber einen
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
viel schönern Apfelbaum versprach, wurden sie wieder fröh lich und guter Dinge, pflückten sich ihre Äpfelchen, nahmen ihr Spielzeug aus den Zweigen, sangen und sprangen und schossen und spielten, daß es eine Lust war. Das tote Bäumchen ward darauf üi die Küche ge bracht, in Stücke zerhackt und mußte nun mit seinem .Holze den Kindern noch obendrein eine Suppe kochen, hätte es hübsch die Äpfelchen hergegeben, so ständ's noch da, und ihr alle hättet 's auch sehen können. Reinick.
24. Im Walde möcht ich leben. 1. Im Walde möcht ich leben zur heißen Sommerzeit! Der Wald, der kann uns geben viel Lust und Fröhlichkeit. In seine kühlen Schatten winkt jeder Zweig und Ast, Das Blümchen auf den Matten nickt mir: Komm, lieber Gast!
2. Wie sich die Vögel schwingen im Hellen Morgenglanz Und Hirsch und Rehe springen so lustig, wie zum Tanz! Von jedem Zweig und Reise hör nur, wie's lieblich schallt! Sie singen laut und leise: Kommt, kommt in grünen Wald! Hoffmann von Fallersleben.
25. Ein Rätsel. 1. Die Die Und
Ich weiß euch eine schöne Stadt, lauter grüne Häuser hat. Häuser, die sind groß und klein, wer nur will, der darf hinein.
2. Die Straßen, die sind freilich krumm, Sie führen hier und dort herum. Doch stets gerade fort zu gehn, Wer findet das wohl allzuschön? 3. Mit Das Und
Die Wege, die sind weit und breit bunten Blumen überstreut, Pflaster, das ist sanft und weich seine Färb den Häusern gleich.
Nummer 24 bis 26.
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4. Es wohnen viele Leute dort, Und alle lieben ihren Ort, Ganz deutlich sieht man das daraus, Daß jeder singt in seinem Haus.
5. Tie Leute sind da alle klein, Denn es sind lauter Vögelein, Und meine ganze grüne Stadt, Sag, welchen Namen sie wohl hat! Ortlepp.
26. Einkehr. 1. Da Ein An
Bei einen: Wirte, wundermild, war ich jüngst zu gaste; goldner Apfel war sein Schild einem langen Aste.
2. Bei Mit Hat
Es war der gute Apfelbaum, dem ich eingekehret; süßer Kost und frischem Schaum er mich wohl genähret.
3. Viel Sie Und
Es kamen in sein grünes Haus leichtbeschwingte Gäste; sprangen frei und hielten Schmaus sangen auf das beste.
4. Ich fand ein Bett zu süßer Ruh Auf weichen, grünen Matten; Der Wirt, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten. 5. Nun fragt ich nach der Schuldigkeit, Da schüttelt er den Wipfel. Gesegnet sei er allezeit Von der Wurzel bis zum Gipfel! Uhland.
Tageszeiten und Jahreszeiten.
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27. Bom schlafenden Apfel. 1. Jin Baum, im grünen Bettchen Doch oben sich ein Apfel wiegt, Ter hat so rote Bäckchen, Man sieht's, daß er im Schlafe liegt. 2. Ein Kind steht unterm Baume, Das schaut und schaut und ruft hinaus: „Ach, Apfel, komm herunter! Hör endlich doch mit Schlafen auf!" 3. Es hat ihn so gebeten, Glaubt ihr, der wäre aufgewacht? Er rührt sich nicht int Bette, Sieht aus, als ob im Schlaf er lacht. 4. Da kommt die liebe Sonne Am Himmel hoch daherspaziert. „Ach, Sonne, liebe Sonne, Mach du, daß sich der Apfel rührt!"
5. Die Sonne spricht: Warum nicht? Und wirft ihm Strahlen ins Gesicht, Küßt ihn dazu so freundlich, Der Apfel aber rührt sich nicht. 6. Nu schau! da kommt ein Vogel Und setzt sich aus den Baum hinauf. „Ei, Vogel, du mußt singen! Gewiß, gewiß, das weckt ihn auf." 7. Und Und Der
Der Vogel wetzt den Schnabel singt ein Lied so wundernett singt aus voller Kehle; Apfel rührt sich nicht im Bett.
8. Und wer kam nun gegangen? Es war der Wind, den kenn ich schon; Der küßt nicht, und der singt nicht, Der pfeift aus einem andern Ton.
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Nummer 27 und 28. 9. Er stemmt in beide Seiten Tic Arme, bläst die Backen auf Und bläst und bläst; und richtig, Ter Apfel wacht erschrocken auf
10. Und springt vom Baum herunter Grad in die Schürze von dem Kind; Das hebt ihn auf und freut sich Und ruft: „Ich danke schön, Herr Wind!" Reinick.
28. Bom Abnehmen der Früchte. Wenn einer dir einen Korb mit Kirschen, Äpfeln oder sonstigen Früchten zum Geschenk bringt, so wirst du ihm wohl nicht den Korb aus den Händen ziehen oder schlagen, ihm vielleicht gar dazu noch einen seiner beiden Arme aus dem Leibe reißen, sondern du wirst ihm behutsam, was er dir bringt, abnehmen und dich bedanken. Der Baum, der dir Früchte trägt, ist doch wohl wert, gleichermaßen behandelt zu werden. Darum sieh ihn nicht als einen Feind an, der zu plündern und zu berauben ist, sondern er sei dir ein guter Freund, dem du säuberlich und freundlich die Last abnimmst, die er auf den Zweigen trägt. Keinen schmählicheren Anblick gibt's, als einen armen Strauch oder Baum, von dem rohe Hände, vielleicht um noch unreifer Früchte willen, die Zweige heruntergerissen und abgebrochen haben. Geh freundlich mit dem Baume um! Es gräme dich nicht, sitzen zu lassen, was du nicht erreichen kannst. Verloren geht es doch nicht; ein Vogel oder ein Eichhorn oder sonst ein armer und scheuer Gast wird es sich vor dem Winter schon holen. Und wenn du eine Leiter ansetzest, so sieh zu, daß sie wohl gestützt sei. Kämet ihr beide, die Leiter und du, plötzlich von oben herunter, so würdet ihr große Ver heerungen unter den unten stehenden Gewächsen anrichten und auch wohl selber zu Schaden kommen.
Trojan.
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
29. Die Brombeere. Brombeer am Waldesrande steht, Da, wo der Weg vorübergeht. Im Sommer trägt sie Röslein schön. Die allerliebst sind anzusehn, 5 Im Herbste schwarze Beeren, Die gut sind zu verzehren.
Aber nimm dich in acht, Daß sie dir keinen Kummer macht! Mit ihren Ranken, den langen, 10 Versucht sie dich zu fangen. Versucht sie dich zu haschen, Wenn du willst Beerlein naschen. Mit ihren Dornen und Zacken Möchte sie gern dich packen. 15 Sie hält dich fest am Kleide, Ritzt dir die Hände und das Gesicht, Nimm dich in acht, damit sie nicht Dir tut etwas zu leide! Trojan.
30. Ein Rätsel. Es sitzt auf einem Rütchen An einem grünen Stöckchen, Es hat ein schwarzes Hütchen Und hat ein rotes Röckchen; Hat keine Arm und keine Bein, Wer mag das arme Schelmchen sein? Gült.
31. Der Störche Wanderlied. 1. Fort, fort, fort und fort, An einen andern Ort! Nun ist vorbei die Sommerzeit; Drum sind wir Störche jetzt bereit. Von einem Land zum andern Zu wandern.
Nummer 29 bis 32.
2. Ihr, ihr, ihr und ihr, Ihr Bauern, lebet wohl! Ihr gabt zur Herberg euer Dach Und schütztet uns vor Ungemach: Druni sei euch Glück und Frieden Beschrieben! 3. Du, du, du und du, Leb wohl, du schöner Teich! Du hast an deinen Ufern oft Verliehn, was unser Herz gehofft. Dein denken wir von ferne Noch gerne. 4. Ihr, ihr, ihr und ihr, Ihr Frösche, lebet wohl! Ihr habt uns oft Musik gemacht Und uns mit inanchem Schmaus bedacht. Lebt wohl, auf Wiedersehen! Wir gehen.
5. Fort, fort, fort und fort. An einen andern Ort! Nun ist vorbei die Sommerzeit; Drum sind die Störche jetzt bereit, Von einem Land zum andern Zu wandern. Hoffmann von Fallersleben.
32. Abschiedslied der Zugvögel. 1. Wie Hin Und
Wie war so schön doch Wald und Feld! traurig ist anjetzt die Welt! ist die schöne Sommerzeit, nach der Freude kam das Leid.
2. Wir wußten nichts van Ungemach, Wir saßen unterm Laubesdach Vergnügt und froh im Sonnenschein Und sangen in die Welt hinein.
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
LS
3. Wir Wir Und
Wir armen Vögel trauern sehr, haben keine Heimat mehr, müssen jetzt von hinnen fliehn in die weite Fremde ziehn. Hoffmann von Fallersleben.
33. Der Blümlein Antwort. 1. In unsers Vaters Garten Da sah ich noch so mancherlei,
da war's noch gestern grün, so schöne Blumen blühn.
2. Und heut ist alles anders, und heut ist alles tot; Wo seid ihr hin, ihr Blümelein, ihr Blümlein gelb und rot? 3. „O, liebes Kind, wir schlafen nach Gottes Willen hier, Bis er uns seinen Frühling schickt, und dann erloschen wir. 4. Ja, deine Blümlein schlafen, Bis dich erweckt ein Frühlingstag
so wirst auch schlafen du. aus deiner langen Ruh.
5. Und wenn du dann erwachest, o, möchtest du dann sein So heiter und so srühlingsfroh wie deine Blümelein!" Hoffmann von Fallersleben.
34. Der erste Schnee. 1. „Großväterchen, es schneit so sehr, Schau, wie die Flocken jagen! Wo kommt denn all der Schnee nur her?" „Das will ich, Kind, dir sagen: 2. Frau Holle schüttet die Betten aus Vom Himmelssenster droben. Frau Holle hat ein großes Haus Dort zwischen den Wolken droben. 3. Drin glänzet alles schmuck und nett Wie lautrer Silberschimmer; Es steht ein großes, großes Bett Da in Frau Holles Zimmer. 4. Mit klarem Linnen läßt gar fein Ihr Bett Frau Holle schmücken,
Nummer 33 bis 35.
Die Daunen sind so weiß und rein, Als wie vom Schwanenrücken.
5. Und hat sie morgens sich den Schlaf Aus ihren Augen gerieben, Dann schüttelt sie die Betten brav, Daß rings die Federn stieben. 6. Dann deckt sie rings die Felder zu Mit weißer Federn Wolle; Die schlafen dann in süßer Ruh. Schön Dank dafür, Frau Holle!" Löwenstein.
35. Knecht Ruprecht. Von drauß vom Walde komm ich her; Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr! Allüberall auf den Tannenspitzen Sah ich goldene Lichtlein sitzen; 5 Und droben aus dem Himmelstor Sah mit großen Augen das Christkind hervor. Und wie ich so strolcht' durch den finstern Tann, Da rief's mich mit heller Stimme an: „Knecht Ruprecht", rief es, „alter Gesell, 10 Hebe die Beine und spute dich schnell! Die Kerzen fangen zu brennen an. Das 'Himmelstor ist .aufgetan, Alt' und Junge sollen nun Von der Jagd des Lebens einmal ruhn; 15 Und morgen flieg ich hinab zur Erden, Denn es soll wieder Weihnachten werden!" Ich sprach: „O lieber Herrc Christ, Meine Reise fast zu Ende ist; Ich soll nur noch in diese Stadt, 20 Wo's eitel gute Kinder hat." — „Hast denn das Säcklein auch bei dir?" Ich sprach: „Das Säcklein, das ist hier;
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Lage-zeiten und Jahreszeiten.
Denn Äpfel, 9?uf$ und Mandelkern Fressen fromme Kinder gern." 25— „Hast denn die Rute auch bei dir?" Ich sprach: „Die Rute, die ist hier: Doch für die Kinder nur, die schlechten. Die trifft sie auf den Teil, den rechten." Christkindlein sprach: „So ist es recht; 30 So geh mit Gott, mein treuer Knecht!" Von drauß vom Walde komm ich her; Ich muß. euch sagen, es weihnachtet sehr! Nun sprecht, wie ich's hierinnen find! Sind's gute Kind, sind's böse Kind? Storm.
36. Weihnachten. 1. Die schönste Zeit, die liebste Zeit, Sagt's allen Leuten weit und breit, Damit sich jedes freuen mag, Das ist der liebe Weihnachtstag.
2. Den hat uns Gott der Herr bestellt. Den herrlichsten in aller Welt, Daß jung und alt, daß groß und klein So recht von Herzen froh soll sein. 3. Geboren ist das Christuskind, Durch das die Menschen selig sind. Das alle so von Herzen liebt Und ihnen Himmelsgaben gibt. 4. Die Und Und
Das hören froh, das hören gern Menschen alle nah und fern denken nicht an Weh und Leid freuen sich der schönen Zeit.
5. Und jedes ruft dem andern zu: „Mein Bruder, Schwester, hörest du, Was uns vom Himmel diese Nacht Ward für ein großes Heil gebracht?"
6. Du Kind so lieb, du Kind so gut, Das allen Menschen Gutes tut, Komm bald einmal nun auch zu mir Und meiner kleinen Schwester hier! 7. Gib Laß Und
Nimm von uns Angst und Weh und Schmerz, uns ein srohes, frommes Herz, uns auf Erden gut und rein einst im Himmel bei dir sein! Hey.
37. Die heilige Nacht. 1. Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht Nur das traute hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, Schlaf in himmlischer Ruh! 2. Stille Nacht, heilige Nacht! Hirten erst kund gemacht; Durch der Engel Hallelujah Tönt es laut von fern und nah: Christ, der Retter, ist da!
3. Stille Nacht, heilige Nacht! Gottes Sohn, o, wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund, Da uns schlug die rettende Stund, Christ, in deiner Geburt!
Mohr.
38. Die Weihnachtsbescherung. Wenn das Jahr zu Ende geht, erscheint das fröhlichste aller Feste. Das ist das Weihnachtsfest. Mit Hellen Lichtern kommt es um die Zeit, da der Tag sehr kurz und die Nacht sehr lang ist. Der Winter regiert draußen, und auf den Feldern liegt Schnee. Alle Bäume, die Blätter gehabt haben, stehen kahl da, wie abgestorben. Die Tanne aber hat ihre
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
Nadeln behalten, sie allein ist frisch und grün geblieben. Darum wird sie zum Weihnachtsbaum gemacht. Lange vorher freuen sich die Kinder schon auf Weih nachten, lange vorher schon sorgen die Eltern dafür. Oft geht in den Wochen vor dem Fest die Mutter aus und kehrt ins Haus zurück mit Paketen und Schachteln. Aber sie zeigt nichts von dem, was sie gekauft hat, sondern legt alles still in einen Schrank. Den Schrank schliesst sie sorgfältig ab, damit niemand hineinsieht. Jeden Tag zählen die Kinder, wieviel Tage es noch sind bis zur Bescherung. Abends, ehe sie einschlafen, erzählen sie einander, was sie sich wünschen, und wenn sie eingeschlafen sind, träumen sie von Weihnachten. So kommt endlich der Tag der Bescherung heran und der heilige Abend. Am Tage vorher schon wurde ein kleiner Tannenbaum in das Haus hineingetragen. Keiner hat das gesehen, aber auf dem Fuß boden sind grüne Nadeln gefunden worden, und ein ab gebrochenes Zweiglein wurde auch aufgehoben. Vom frühen Morgen an schon wird keins der Kinder in das Zimmer hineingelassen, wo der Baum steht, und wo zur Bescherung aufgebaut wird. Wie lang erscheint der Tag, der doch wirklich so kurz ist! Es will gar nicht dunkel werden. Nachdem es dunkel geworden ist, wird die Ungeduld der Kinder sehr groß. Endlich ertönt eine Glocke, die Türe der Weihnachtsstube öffnet sich, und der Vater oder die Mutter ruft: „Jetzt könnt ihr kommen!" Nun kommen sic alle zusammen in das Zimmer. Da bleiben sie zuerst ganz still stehen, so blendet der Glanz sie. Auf dem Tisch steht der Tanneubaum, mit vielen Kerzen besteckt und behängt mit Äpfeln und Nüssen, mit Ketten aus buntem Papier und bunten Fähnchen und Silberfäden. Am hübschesten sind doch die rotbäckigen Äpfel in dem Tannengrün anzusehen. Nun getraut sich eines nach dem andern näher an den Tisch heran. Da ist für jedes Kind ein Platz bestimmt, auf dem seine Geschenke liegen. Schnell hat jedes seinen Platz gefunden. Jedes freut sich über das, ivas ihm beschert ist.
Nummer 39.
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Wer kann das alles aufzählen, was unter dem Weihnachts baum liegt? Da sind hölzerne Tierchen für die Kleinsten und saubere Puppen. Da ist auch der Baukasten, den Franz sich wünschte, und der Malkasten, den Fritz so gern haben wollte. Herrliche Bilderbücher sind auch da. Die Größeren aber finden auf ihren Plätzen belehrende Bücher und allerhand nützliche Sachen. Auch die Leute haben ihren Tisch, auf dem sie ihren Kuchen finden und ein hübsches Geschenk dazu. Und auch die Armen sind nicht vergessen. Ein und das andere arme Kind aus der Nachbarschaft, das zur Bescherung bestellt ist, meldet sich. Wenn es sein Naschwerk bekommen hat und seine kleinen Geschenke, dann geht es mit glücklichem Gesicht fort. Zuerst geht es langsam, bald aber fängt es an zu laufen. Es möchte gern recht bald zu Hause sein, um zu zeigen, was es bekommen hat. Von den Kindern im Hause ist jedes mit seinen Weih nachtsgeschenken beschäftigt. Die Tierchen werden aufgestellt, die Puppen werden in ihr Bettchen gelegt, die Trommeln werden geschlagen und die Trompeten geblasen. Auch die guten Dinge, die zu essen sind, werden eifrig geprüft. Da ruft die Mutter, welche sich ans Klavier gesetzt hat, die Kinder zu sich. In einer Reihe stellen sie sich auf und singen mit ihr das Weihnachtslied: Ihr Kinderlein, kommet, o, kommet doch all! Zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall! Das klingt durch das Haus so lieblich, und alle, die es hören, werden froh. Sie denken der Engelbotschaft, welche den Hirten auf dem Felde erklang, und der süßen Worte: Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! Trojan.
39. Der kleine Nimmersatt. 1. Ich wünsche mir ein Schaukelpferd, 'ne Festung mit Soldaten Und eine Rüstung und ein Schwert, Wie sie die Ritter hatten. Hessel, Lesebuch 2. 11. Ausl.
.Tageszeiten und Jahreszeiten.
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2. Und Und Und
Drei Märchenbücher wünsch ich mir Farbe auch zum Malen Bilderbogen und Papier Gold- und Silberschalen.
3. Ein Domiuo, ein Lottospiel, Ein Kasperletheater, Auch einen neuen Pinselstiel Vergiß nicht, lieber Vater! 4. Ein Zelt und sechs Kanonen dann Und einen neuen Wagen Und ein Geschirr mit Schellen dran, Beim Pferdespiel zu tragen. 5. Gar Und Noch
Mir fehlt - ihr wißt es sicherlich — sehr ein neuer Schlitten, auch um Schlittschuh möchte ich ganz besonders bitten.
6. Und Um Und
Um weiße Tiere auch von Holz farbige von Pappe, einen Helm mit Federn stolz eine Flechtemappe;
7. Auch einen großen Tannenbaum, Dran hundert Lichter glänzen, Mit Marzipan und Zuckerschaum Und Schokoladenkränzen.
8. Doch Und wollt So könnte Und auch
dünkt dies alles euch zuviel. ihr daraus wählen, wohl der Pinselstiel die Mappe fehlen.
9. Als Hänschen so gesprochen hat, Sieht man die Eltern lachen: „Was willst du, kleiner Nimmersatt, Mit all den vielen Sachen?"
10. „Wer so viel wünscht" — der Vater spricht's — „Bekommt auch nicht ein Achtel — Der kriegt ein ganz klein wenig Nichts In einer Treierschachtel." Seidel.
40. Das Männlein in der Gans. 1. Das Männlein ging spazieren einmal Aus dem Dach, ci, seht doch! Das Männlein ist hurtig, das Dach ist schmal. Gib acht, es fällt noch! Eh sich's versieht, fällt's vom Dach herunter Und bricht den .Hals nicht, das ist ein Wunder! 2. Unter dem Dach steht ein Wasserzuber, Hinein fällt's nicht schlecht; Da wird es naß über und über, Ei, das geschieht ihm recht, Da kommt die Gans gelaufen, Die wird's Männlein saufen. 3. Tie Gans hat's Männlein 'nuntergeschluckt, Sie hat einen guten Magen; Aber das Männlein hat sie doch gedruckt. Das wollt ich sagen. Da schreit die Gans ganz jämmerlich; Das ist der Köchin ärgerlich. 4. Die Köchin wetzt das Messer, Sonst schneidt's ja nicht; „Die Gans schreit so, es ist nicht besser, Als daß man sie sticht; Wir wollen sie nehmen und schlachten Zum Braten auf Weihnachten." 5. Sie rupft die Gans und nimmt sie aus Und brät sie, Aber das Männlein darf nicht 'raus, Versteht sich.
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Tageszeiten und Jahreszeiten. Die Gans wird eben gebraten; Was kann's dem Männlein schaden?
6. Weihnachten kommt die Gans ans den Tisch Im Pfännlein; Der Vater tut sie 'raus und zerschneidt sic frisch. Und das Männlein? Wie die Gans ist zerschnitten, Kriecht's Männlein aus der Mitten.
7. Da springt der Vater vom Tisch aus. Da wird der Stuhl leer; Da setzt das Männlein sich drauf Und macht sich über die Gans her. Es sagt: „Du hast mich gefressen, Jetzt will ich dafür dich essen!" 8. Da ißt das Männlein gewaltig drauf los. Als wären's seiner sieben! Da essen wir alle dem Männlein zum Trotz, Da ist nichts übergeblieben Von der ganzen Gans als ein Tätzlein, Das kriegen dort hinten die Kätzlein;
Nichts kriegt die Maus. Das Märlein ist aus. „Was ist denn das?" Ein Weihnachtsspaß: Aufs Neujahr lernst Du — „Was?" — Den Ernst! Mckert.
41. Winterlied. 1. Wie ruhest du so stille In deiner weißen Hülle, Du mütterliches Land! Wo sind des Frühlings Lieder, Des Sommers bunt Gefieder Und dein beblümtes Festgewand?
Nummer 41 und 42.
2. Du schlummerst nun entkleidet, Kein Lamm, noch Schäflein weidet Auf deinen Aun und Höhn; Der Vöglein Lied verstummet, Und keine Biene summet; Doch bist du auch im Schlummer schön. 3. Die Zweig und Ästlein schimmern, Und tausend Lichter flimmern. Wohin das Auge blickt. Wer hat dein Bett bereitet, Die Decke dir gespreitet Und dich so schön mit Reif geschmückt? 4. Der gute Vater droben Hat dir dein Kleid gewoben, Er schläft und schlummert nicht. So schlummre denn in Frieden! Der Vater weckt die Müden Zu neuer Kraft und neuem Licht. 5. Bald in des Lenzes Wehen Wirst du verjüngt erstehen Zum Leben wunderbar. Sein Odem schwebt hernieder, Dann, Erde, stehst du wieder Mit einem Blumenkranz im Haar! Krummacher.
42. Neujahr. Zeit vergeht und Jahr um Jahr, Gottes Huld bleibt immerdar; Sein getreues Auge wacht Über mir in jeder Nacht; Seine Liebe gehet auf Neu mit jedes Morgens Lauf;
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
Seine Sonn Sieht, Liebet
Vaterhand erhält und Mond und alle Welt, bewahrt, erhält auch mich, mich so väterlich. Hey.
43. Beim Schneeballen. 1. Seht, wie das Schneefeld drüben uns winkt! Seht, wie es flimmert! seht, wie es blinkt! Nicht länger bedacht, Fort, fort in die Schlacht!
2. Ballet den Schnee geschwind wie der Wind! Fort auf den Plan, wo's Kämpfen beginnt! Schnee ist das Gewehr, Schnee Degen und Speer. 3. Näher dem Feinde, näher gerückt! Flink sich gedreht und flinker gebückt! List leite das Spiel, Mut führet zum Ziel! 4. Seht, wie das Schneefeld drüben uns winkt! Seht, wie es flimmert! seht, wie es blinkt! Nicht länger bedacht, Fort, fort in die Schlacht! Hoffmann von Fallersleben.
44. Einen Schlitten mutz ein Junge haben. 1. Einen Schlitten muß ein Junge haben, Im Sommer kann er barfuß traben Durch Gras und Klee. Liegt aber im Winter Eis und Schnee, Dann geht's mit Hurra hinunter die Höh. Einen Schlitten muß ein Junge haben!
2. Hei! Das ist ein Vergnügen, Wie der Wind so geschwind dahinzufliegen! Es knirscht der Schnee, Der Schlitten saust hinunter die Höh
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Nummer 43 bis 45.
Und gleitet, hui! über den See. Einen Schlitten muß ein Junge haben!
3. Aber still sitzen und nicht wippen! Sonst könnte, wupp! der Schlitten kippen. Und du liegst, o weh! Mit der Nase im Schnee, Und der Schlitten saust hiunnter die Höh, Und es lachen alle Knaben — Einen Scklitten muß ein Junge haben! E. Weber.
45. Der Sperling im Winter. Wovon lebt der Sperling im Winter? Er geht nicht im Herbst in südliche Länder, wie andere Vögel, sondern bleibt daheim, wenn auch der Wiuter noch so arg ist. Er sammelt nicht Vorräte, sondern wenn das Korn eingeführt und auch auf den Stoppeln nichts mehr zu finden ist, dann hat er nichts. Es gibt keinen so armen Mann im ganzen Lande wie den Sperling, wenn der erste Schnee draußen gefallen ist. In seiner Wohnung ist nichts zu finden, und verdienen kann er sich auch nichts. Er kann weder Holz hacken noch
Kartoffeln schälen, auch nicht fegen und kehren oder Wasser tragen. Nicht einmal singen kann er. Doch findet er den ganzen Winter hindurch sein Brot. Auf dem Dorf geht er zu den Bauern und sieht zu, wie gedroschen wird. Dabei fällt manches Körnlein für ihn ab. In der Stadt ladet er sich in gleicher Weise bei armen, wie bei reichen Leuten zu gast. Wo Pferde ihren Hafer bekommen, ist er da und sagt: „Ich darf doch mitessen? Das wenige, was ich mir nehme, macht ja nichts aus." Und wo einem Huhn sein Futter gestreut wird, fliegt er auch herbei und spricht: „Du erlaubst doch? Ich werde es dir wiedergeben im Sommer, wenn die Erbsen reif sind." Überall ist er da, wo es etwas zu Picken gibt. Draußen ist kalter Wintertag. Auf den: Fensterbrett liegt Schnee. Da kommt er angeslogen, reckt seinen Hals und
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Tageszeiten und Jahreszeiten.
ruft in das Zimmer hinein: „Ist nicht vorn Mittag etwas übrig geblieben?" Gehst du dann nicht hurtig fort in die Küche und holst ihm etwas? Trojan.
46. Wie es dem arme« Schneemann ging. Was helfen mir die Pelze? Ich armer Mann zerschmelze, Der Kopf ist schon zerronnen, Der Rumpf auch hat begonnen. SO weh, schon kommt ein warmer Hauch, Der nimmt mir fort auch meinen Bauch. Bald geht's beim Sonnenscheine Mir gar auch an die Beine.
Wie kann ich denn noch stehen? 10 Ich muß, ich muß zergehen! Ach, wär ich armer Schlucker Doch wenigstens von Zucker, Daß dann ein gutes Kindlein käm Und mich zu sich nach Hause nähm!
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Nicht wahr, mein Kind, auch dir wär's recht? Du weißt ja, Zucker schmeckt nicht schlecht — Wenn all der Schnee hier um dich her Nur lauter, lauter Zucker wär! Löwenstein.
47. Sehnsucht nach -em Frühling. 1. O, wie ist es kalt geworden Und so traurig, öd und leer! Rauhe Winde wehn von Norden, Und die Sonne scheint nicht mehr. 2. Auf die Berge möcht ich fliegen, Möchte sehn ein grünes Tal, Möcht in Gras und Blumen liegen Und mich freun am Sonnenstrahl!
Nnmmer 46 bis 48.
3. Möchte hören die Schalmeien Und der .Herden Glockenklang, Möchte freuen mich im Freien An der Vögel süßem Sang! 4. Schöner Frühling, komm doch wieder, Lieber Frühling, komm doch bald! Bring uns Blumen, Laub und Lieder, Schmücke wieder Feld und Wald!
5. Ja, du bist uns treu geblieben, Kommst nun bald in Pracht und Glanz, Bringst nun bald all deinen Lieben Sang und Freude, Spiel und Tanz. Hoffmann von Fallersleben.
48. Winters Flucht. 1. Dem Winter wird der Tag zu lang, Ihn schreckt der Vögel Lustgesang; Er horcht und hört's mit Gram und Neid, Und was er sieht, das tut ihm leid; Er flieht der Sonne milden Schein, Sein eigner Schatten macht ihm Pein. 2. Er wandelt über grüne Saat Und Gras und Keime früh und spat: „Wo ist mein silberweißes Kleid, Mein Hut, mit Demantstaub beschneit?" Er schämt sich wie ein Bettelmann Und läuft, was er nur laufen kann. 3. Und hinterdrein scherzt jung und alt In Luft und Wasser, Feld und Wald; Der Kiebitz schreit, die Biene summt, Der Kuckuck ruft, der Käfer brummt; Doch weil's noch fehlt an Spott und Hohn, So quakt der Frosch vor Ostern schon. Hoffmann von Fallersleben.
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Die Natur.
II. Die Natur. 49. Herr Gott, du sollst gelobet sein. 1. Kein Tierlein ist auf Erden Dir, lieber Gott, zu klein, Du lieht sie alle werden, Und alle sind sie dein. Zu dir, zu dir ruft Mensch und Tier, Der Vogel dir singt, das Fischchen dir springt. Die Biene dir brummt, der Käfer dir summt! Auch pfeifet dir das Mäuslein klein: Herr Gott, du sollst gelobet sein!
2. Das Vöglein in den Lüften Singt dir aus voller Brust, Die Schlange in den Klüften Zischt dir in Lebenslust. 3. Die Fischlein, die da schwimmen. Sind, Herr, vor dir nicht stumm, Du hörest ihre Stimmen, Vor dir köinmt keines um.
4. Vor dir tanzt in der Sonne Der kleinen Mücken Schwarm, Zum Dank für Lebenswonne Ist fein§ zu klein und arm. 5. Sonn, Mond gehn auf und unter In deinem Gnadenreich, Und alle deine Wunder Sind sich an Größe gleich.
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Nummer 49 und 50.
6. Zu dir mutz iedes ringen, Wenn es in Nöten schwebt, Nur du kannst Hilfe bringen, Durch den das Ganze lebt. 7. In starker Hand die Erde Trägst du mit Mann und Maus, Es ruft dein Odem: Werde! Und bläst das Lichtlein aus. 8. Kein Sperling fällt vom Dache, Ohn dich vom Haupt kein Haar; O, teurer Vater, wache Bei uns in der Gefahr! Zu dir, zu dir ruft Mensch und Tier, Der Vogel dir singt, das Fischchen dir springt, Die Biene dir brummt, der Käfer dir summt; Auch pfeifet dir das Mäuslein klein: Herr Gott, du sollst gelobet fern! Brentano.
50. Das Alpenlied. 1. Auf hoher Alp Wohnt auch der liebe Goll. Er färbt den Morgen rot Und Blümlein weiß und blau Und labet sie mit Tau. Auf hoher Alp Ein lieber Vater wohnt.
3. Auf hoher Alp In Scharen weiß und schön Die Schaf' und Zieglein gehn Und finden's Mahl bereit, Daß sich ihr Herze freut. Auf hoher Alp Ein lieber Vater wohnt.
2. Auf hoher Alp Von kräuterreichen Höhn Die Lüftlein lieblich wehn, Gewürzig, frei und rein. Mag's auch sein Odem sein? Auf hoher Alp Ein lieber Vater wohnt.
4. Auf hoher Alp Der Hirt sein Herdlein schaut; Sein Herze Gott vertraut. Der Geiß und Lamm ernährt. Ihm auch wohl gern beschert. Aus hoher Alp
Ein lieber Vater wohnt. Krummacher.
Die Natur.
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51. Das Bächlein. 1. Bächlein, wie hurtig Eilst du zu Tal! Kannst du nicht rasten Und ruhn einmal?
2. „Ich kann nicht rasten. Ich kann nicht bleiben, Hinunter muß ich Das Mühlrad treiben.
3. Biel Tierlein muß ich Zum Trinken laden, Und andre kommen, In mir zu baden.
4. Die Wiesen tränk ich. Die grünen Auen Und Blumen, die sich Zn mir beschauen.
5. Dann zu dem Flusse Lenk ich den Laus, Der nimmt so viele Der Bächlein auf. 6. Er geht durchs Land hin Mit stolzem Schritt, Uns alle nimmt e; Zum Meere mit.
7. Vom Bergwald komm ich, Vom Felsen her — Wie weit, wie weit ist Mein Weg zum Meer!"
Trojan.
52. Sonne. Sonne, gehst du schon wieder fort? Was tust du hinter den Bergen dort? Bleib doch ein Weilchen noch bei mir! Es ist so schön im Gärtchen hier. 5 Ich bin so wach und munter doch, Ich möchte spielen und springen noch. Wenn du gehst, so kann ich nichts mehr sehn. Muß gleich ins dunkle Bettchen gehn.
Die Sonne sprach: Mein liebes Kind, 10 Dort hinter den Bergen auch Kinder sind. Die lagen im Bettchen die ganze Nacht, Sind nun schon lange aufgewacht Und warten auf den Sonnenschein, Möchten auch in den Garten hinein
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Nummer 51 bis 53.
15 Und Ade, Das Und Ich 20 Die
spielen und lausen und springen wie du. mein Kind! Nun geh zur Ruh! Kind sprach: Sonne, geh nur schnell mach das Aärtlein drüben hell! will nun gleich ins Bettchen gehn. Sonne rief: Aus Wiedersehn! Eigenbrodt.
53. Zwei Rätsel. 1. Viel Wie Sah
1. Auf einer großen Weide gehen tausend Schafe silberweiß: wir sie heute wandeln sehen, sie der allerältste Greis.
2. Aus Ein Mit
Sic altern nie und trinken Leben einem unerschöpften Born: Hirt ist ihnen zugegeben schöngebognem Silberhorn.
3. Er treibt sie aus zu goldnen Toren, Er überzählt sie jede Nacht Und hat der Lämmer keins verloren, So oft er auch den Weg vollbracht.
4. Ein Die Und
Ein treuer Hund hilft sie ihm leiten, muntrer Widder geht voran. Herde, kannst du sie mir deuten? auch den Hirten zeig mir an!
2. 1. Von Perlen baut sich eine Brücke Hoch über einen grauen See; Sie baut sich auf im Augenblicke, Und schwindelnd steigt sie in die Höh.
2. Der höchsten Schiffe höchste Masten Ziehn unter ihrem Bogen hin; Sie selber trug noch keine Lasten Und scheint, wie du ihr nahst, zu fliehn.
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Die Natur. 3. Sic wird erst mit dem Strom und schwindet, Sowie des Wassers Flut versiegt. So sprich, wo sich die Brücke findet, Und wer sie künstlich hat gefügt! Schiller.
54. Die Farben. Es war sehr heiß gerne)en. Nachmittage zogen dunkle, schwere Wolken heraus' ein heftiges Gewitter entlud sich imter Donner und Blitz; erfrischender Regen strömte herab. Nachdem die Wolken vorübergezogeu waren, strahlte die Sonne auf die erquickten Säume und Blumen und spiegelte sich in den zahllosen Tropfen, welche auf den Gräsern und Blättern hingen. Die Kinder traten mit der ältesten Schwester Maria in den Garten, freuten sich der erfrischenden Luft, der Wohl gerüche, welche die Blumen ausströmten, und des Gesanges der Vögel in ben Zweigen. Sie setzten sich im Gartenhäuschen nieder und sprachen dieses und jenes. Endlich wandte sich ihr Gespräch auf die Farben. Franz sprach: „Die rote Farbe ist mir doch von allen die liebste." — „Weshalb?" fragte Maria. — „Das will ich dir sagen. Ehe die Sonne aufgeht, hat der Himmel ein rotes Mäntelchen um, und ehe die Sonne untergeht, ebenso; rot ist die Farbe der Rose, der schönsten Blume der ganzeu Welt; rot sind die Wangen der Äpfel, wenn sie reif sind; die süßen Kirschen sind rot; deshalb ist rot meine liebste Farbe. Auch der König muß die rote Farbe am liebsten haben; denn die Purpurmäntel der Könige und Kaiser sind ja rot." Ernst sagte: „Meine liebste Farbe ist weiß. Welch ein Vergnügen, im Winter die weißen Schneeflocken wirbeln zu sehen, dann den Schlitten zu nehmen und auf der schimmern den weißen Fläche dahin zu gleiten! Weiß sind unsere Bäume im Mai, wenn sie im Blütenschmucke prangen; weiß ist meine Lieblingsblume, die Lilie; die erste Blume, die nach dem Winter im Garten hervorbricht, das Schneeglöckchen, von
Nummer 54.
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dem der Vater sagte, es läute den Frühling ein, ist weiß. Darum ist weiß meine liebste Farbe!" „Dafür lobe ich mir grün," sagte Emil. „Wie wohltuend ist es für das Auge, auf ein grünes Saatfeld hinzu sehen! Grün ist der schattige Wald; grün sind die Wiesen und Matten; grün ist der weiche Nasen; ein grünes Gewand trägt der Jäger im dunklen Forst, Jäger will ich werden; darum ist grün meine Lieblingsfarbe!" „Aber ich kann euch doch gar nicht begreifen," sprach Paul, „daß niemand von euch die blaue Farbe liebt, das ist doch die schönste von allen. Die Wunderblume im Gebirge, von welcher uns neulich der Bergmann erzählte, ist blau; wenn ich sie nur erst gefunden habe, so kann ich mitten durch das Innere der Berge gehen und werde so viel Gold und Edelsteine bekommen, das; ich für die Eltern und für euch und für alle Leute in der Stadt die prächtigsten Häuser bauen lassen kann. Blau ist der Himmel, an dem Sonne, Mond und Sterne stehen, darum ist blau meine liebste Farbe." „Aber ihr werdet doch zugeben," sagte Otto, „daß auch die gelbe Farbe ganz prächtig aussieht. Habt ihr etwas Schöneres gesehen, als das große reife Kornfeld vor vier Wochen, das hinter unserm Garten sich ausdehnte und von vielen Bienen und Käfern umschwärmt war? Die gelbe volle Rose hier, hat sie sich vor ihren roten Schwestern zu schämen? Und dann denkt einmal an die glänzende Sonne und an den schönen Mond. Was kann cs Schöneres geben? Gelb ist meine liebste Farbe." Nun fingen die Knaben an sich zu streiten, wohl eine halbe Stunde lang; jeder verteidigte seine Lieblingsfarbe. Maria, die älteste Schwester, hörte still zu. Als der Streit etwas lebhaft wurde, sprach sie: „Kommt, ich will euch etwas zeigen." Sie führte die Knaben auf den freien Platz vor dem Gartenhause und zeigte ihnen einen Regenbogen, der eine leuchtende Brücke von der Erde zum Himmel zu bilden schien. „Ha, wie prächtig!" riefen die Knaben aus. „Und alle Farben sind darin," sprach Maria, „und wenn sie so zu-
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Die Natur.
sammenstehen, bann strahlen sie erst recht schön und zau berisch in das Auge! Möchtet ihr eine davon aus diesem herr lichen Bogen hinwcgwünschen?" — „Nein!" riefen die Kna ben, betrachteten noch lange den Friedensbogen, den der Herr über die Erde wölbet, und waren heiter und froh zusammen. Fr. Hoffmann.
55. Die Kinder im Walde. 1. Es blieben einst drei Kinder stehn, Die grad zur Schule sollten gehn; Die dachten dies und dachten das, Das Lernen sei ein schlechter Spaß, 2. Und sprachen dann mit leichtem Sinn: Ei, laßt uns doch zum Walde hin! Das Spielen ist der Tierlein Brauch; Laßt spielen uns mit ihnen auch! 3. Sie luden dann im Walde ein Zum Spiel die Tiere groß und klein; Doch sprachen die: Es ist uns leid, Wir haben jetzo keine Zeit. 4. Der Käfer brummte: Das wär schön, Wollt ich mit euch so müßig gehn! Ich muß aus Gras ein Brücklein baun; Dem alten ist nicht mehr zu traun.
5. Am Ameishausen schlichen sie Ganz leis vorbei, ich weiß nicht, wie, Und liefen vor dem Bienlein schier, Als wär es gar ein giftig Tier. 6. Das Mäuslein sprach zu ihnen fein: Ich sammle für den Winter ein. Und ich, das weiße Täubchen sprach, Zum Neste dürre Reiser trag. 7. Das Häschen winkte freundlich bloß: Ich könnte um die Welt nicht los;
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Nummer 55.
Ihr seht, mein Schnäuzchen ist nicht rein, Das muß im Fluß gewaschen sein.
8. Das zarte Erdbeerblütchen sprach: Ich nütze diesen schönen Tag, Zu reifen meine süße Frucht, Die dann der arme Bettler sucht.
9. Drauf dachten sie in ihren: Sinn: Du, Bächlein, plätscherst doch so hin, Komm, spiel mit uns, sei mit uns froh! Das Bächlein sprach erstaunt: Wie so? 10. Ei, seht Ich weiß nicht, Sie meinen, ich Und kann doch
die faulen Kinder, seht! wo der Kopf mir steht; hätt nichts zu tun, Tag und Nacht nicht ruhn.
11. Menschen, Tiere, Gärten, Wälder, Wiesen, Tal und Berg und Felder — Alle muß das Bächlein tränken Und die Töpfe auch noch schwenken,
12. Kinder wiegen, Mühlen treiben, Bretter schneiden, Erz zerreiben, Wolle spinnen, Schiffe tragen, Feuer löschen, Hämmer schlagen.
13. Ich kann euch alles sagen nicht. Weil mir dazu die Zeit gebricht. So sprach's und sprang von Ort zu Ort, Und husch! war gleich das Bächlein fort. 14. Da war ihr Mut dem Sinken nah, Als einer einen Finken sah, Der aus dem Aste saß in Ruh Und pfiff sein Lied und fraß dazu. 15. Sie riefen: Ach, Herr Biedermann, Der all die schönen Lieder kann, Hessel, Lesebuch 2. 11. Ausl.
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Die Natur.
Du hast gewiß recht viele Zeit Und bist mit uns zum Spiel bereit.
16. Potz tausend! hab ich schlecht gehört? Ihr Kinder scheint mir recht betört: Ich hab gejagt den langen Tag Den Mücken, sie zu fangen, nach. 17. Nun wollen noch die Jungen mein Zum Schlafe eingesungen sein; Drum pfeif ich mit dem Brüderchor Den Kleinen meine Lieder vor.
18. Ich sing deni Wald zur hohen Lust, Ein müder Mann, aus froher Brust, Dem Herren gibt mein Mund den Preis Und lobt die Arbeit und den Schweiß. 19. Doch sprecht, was habt denn ihr gemacht. Die also schlecht von mir gedacht? Kehrt um, ihr Müßiggänger ihr, Und stört die Leut nicht länger hier! 20. Von allen Tierlein so belehrt, Sind drauf die Kinder froh gekehrt Und wußten, daß dem Fleiß allein Des Spieles Lust ein Preis kann sein. G. GörreS.
56. Frühling. Frühling, Frühling überall, Blüten allenthalben; Horch, wie rauscht der Bach im Tal, Sieh, schon Störch und Schwalben! Lämmer springen auf den Weiden, Kinder singen voller Freuden, Kuckuck ruft und Nachtigall: Frühling, Frühling überall! Reinick.
Nummer 56 bis 58.
57. Was gehn den Spitz die Gänse an? Es war einmal ein kleiner Spitz, Der glaubt', er wär zu allem nütz, Und kam etwas ihm in die Quer, Da knurrt und brummt und bellt er sehr.
Nun wackelt einst von ungefähr Frau Gans mit ihrem Mann daher, Und vor den lieben Eltern wandern Die Kinderchen eins nach dem andern. Und wie sie uin die Ecke biegen, 10 Da schreien alle vor Vergnügen: „Seht doch die Pfütze da! kommt hin! Wie herrlich muß. sich's schwimmen drin!" Das sieht Herr Spitz und bellt sie an: „Weg da! weg da! nun seht doch an! 15 Wie könnt ihr euch nur unterstehn. Ins Wasser so hineinzugehn? Wenn ich nicht wär dazugelaufen, Ihr müßtet jämmerlich ersaufen!" 5
Das macht der alten Gans nicht bange, 20 Sie zischt ihn an wie eine Schlange. Da zieht mein Spitz sein Schwänzchen ein Und läßt die Gänse Gänse sein, Doch knurrt er noch int vollen Lauf: „Nu, wer versaufen will, versauf!" 25 Die Gänschen aber trotz dem Spitze, Sie schwelgen recht in ihrer Pfütze, Und immer twch aus lveiter Fern Hört bellen man den weisen Herrn. Bell er, soviel er bellen kann, 30 Was gehn den Spitz die Gänse an? Reinick.
58. Miez ist krank. Miez ist krank, Miez ist krank. Sitzt verdrießlich auf der Bank, Mag kein einzig Mäuslein haschen. Mag von süßer Milch nicht naschen.
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Die Natur. 5 Mag mit Muhmen und mit Nicht mehr auf den Dächern Mag nicht nach den Vöglein Die im Garten lustig singen; Macht ein jämmerlich Gesicht, 10 Selbst das Würstlein lackt sie
Bettern klettern, springen,
nicht!
Ach, sie quält der Katzenjammer, Naschte in der Speisekaminer, Wollte von den leckern Sachen Einen guten Tag sich machen — 15 Hat den Magen sich verdorben, Wär vor Schmerzen fast gestorben, Sitzt verdrießlich aus der Bank, Miez ist krank! Miez ist krank!
Julius Sturm.
59. Born Mäuslein. Die Köchin spricht zum Koch: „Fang mir das Mäuslein doch! Es ist nichts sicher in Küch und Keller, Nicht in der Schüssel, nicht aus dem Teller. 5 Wo's was riecht, da ist es gleich, Wo's was kriegt, da frißt es gleich; Wo ein Braten dampft, Kommt das Mäuslein und mampft. Unter der Bank in den Küchenschrank 10 Hat es gebissen ein Loch. Koch, fang mir das Mäuslein doch Und jag es wieder aus dem Haus In das freie Feld hinaus!" Da macht der Koch ein Gesicht und spricht: 15 „Mäuslein, Mäuslein, bleib in deinem Häuslein! Nimm dich in acht heut Nacht; Mach auch kein Geräusch Und stiehl nicht mehr das Fleisch; Sonst wirst du gefangen und aufgehangen!"
Nummer 59.
20 Der Koch aber deckt zu alle Schüsseln und stellt auf die Falle Hinten im Eck und tut hinein den Speck, Sperrt die Küche zu, Geht und legt sich zur Ruh. 25 Das Mäuslein aber ist ruhig Und wispert leis: „Das tu ich!" Mer es hat nicht lang gedauert, So kommt schon das Mäuslein und lauert Und sagt: „Wie riecht der Speck so gut, 30 Wer weiß, ob's was tut? Nur ein wenig möcht ich beißen, Nur ein wenig möcht ich speisen. Einmal ist keinmal!" So spricht fein Mäuslein und schleicht, 35 Bis es die Falle erreicht. Duckt sich und bückt sich, Schmiegt sich und biegt sich; Ringelt das Schwänzlein wie ein Kränzlein; Setzt sich ins Eck 40 Und ergetzt sich am Speck, Reißt, beißt und speist. Patsch, tut's einen Knall, Und — zu ist die Fall! Das Mäuslein zittert vor Schrecken 45 Und möcht sich verstecken; Aber, wo es will hinaus, Ist zugesperrt das Haus. Es pfeift und zappelt, Es kneift und krabbelt: 50 Überall ist ein Gitter, und das ist bitter. Überall ist ein Draht, und das ist schad. Leider, leider kann's Mäuslein nimmer weiter; Wär's nur gewesen gescheiter! Unterdessen wird es Morgen, 55 Da kommt die Köchin und will besorgen
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Die Natur.
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Den Kaffee und den Tee. Da sieht sie denn, was vorgegangen, Und wie das Mäuslein ist gefangen. Ganz sacht schleicht sie hin und lacht: 60 „Haben wir endlich doch erhascht Das Mäuslein, das immer von allem genascht! Siehst du: einmal ist nicht keinmal. Wärst du geblieben in deinem Loch, Gefangen hätte dich nicht der Koch!" Güll.
60. Das Lied der Bögel. 1. Wir Wir Daß
Wir Vögel haben's wahrlich gut, fliegen, hüpseu, singen, singen frisch und wohlgemut, Wald und Feld erklingen.
2. Wir sind gesund und sorgenfrei Und finden, was uns schmecket; Wohin wir fliegen, wo's auch sei, Ist unser Tisch gedecket.
3. Ist unser Tagewerk vollbracht, Dann ziehn wir in die Bäume; Wir ruhen still und sanft die Nacht Und haben süße Träume. 4. Und weckt uns früh der Sonnenschein, Dann schwingen wir's Gefieder, Wir fliegen in die Welt hinein Und singen unsre Lieder. Hoffmann von Fallersleben.
61. Gänselied. 1. Was haben wir Gänse für Kleidung an? Gi-ga-gack! Wir gehen barfuß allezeit In einem weißen Federkleid, Gi-ga-gack! Wir haben nur Einen Frack.
Nummer 60 bis 62.
2. Was haben wir Gänse für eine Kost? Gi-ga-gack! Des Sommers gehn wir auf die Au, Des Winters speist die Bauersfrau Gi-ga-gack! Uns aus dem Hafersack.
3. Was reden wir Gänse für Sprache doch? Gi-ga-gack! Wir könnten Professoren sein. Wir reden Griechisch und Latein, Gi-ga-gack! Ist unser Schnick und Schnack. 4. Was machen wir Gänse am Martinstag? Gi-ga-gack! Man sührt uns aus dem Stall hinaus Zu einem fetten Martinsschmaus Gi-ga-gick! Und bricht uns das Genick.
Hofsmann von Fallersleben.
62. Hahn. 1. Der Hahn in seiner Tennen Tut herzhaft einen Schrei, Da kommen alle Hennen Geschwind, geschwind herbei.
2. Dann nennt er sie bei ihren Rufnamen allzumal Und führet sie spazieren Hinunter in das Tal. 3. Führt sie zu einem frischen Schlücklein am Wiescnborn, Gibt ihnen aufzutischen Gar manches Gerstenkorn.
4. Ein Käfer kommt gewackelt. Schön dunkelgrün und rot.
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Die Natur.
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Ta wird nicht lang gefackelt, Herr Hahn der schießt ihn tot.
5. Ten Und Und
Und schlachtet mit dem Schnabel Käfer wie ein Kalb teilt ihn ohne Gabel Messer halb nnd halb.
6. Dann ruft er alle Hennen Mit tuck-tuck-tuck zuhauf, Tie wackeln und die rennen Daher int schnellsten Laus. 7. Sie Und Ihn
Und nach dem Braten recken den gestreckten Hals schlucken ihn und schmecken ohne Salz und Schmalz.
8. Und wenn das Schnabelieren Hierauf ein Ende hat, Dann führt er sie mit ihren Küchlein zur Ruhestatt. 9. Er aber vor dem Stalle Singt noch sein Kikriki Und rastet iricht, bis alle Auch eingeschlafen sie. 10. Dann legt er auf die Seiten Den zunderroten Kamm, Daß morgen er beizeiten Den Bauern wecken kann.
Gült.
63. Zaunkönig. Die Vögel wollten nicht länger ohne Herrn sein und beschlossen, sich einen König zu wählen. Nur der Kiebitz war dagegen; frei hatte er gelebt, und frei wollte er sterben. Als es nun zur Wahl kommen sollte, flog er ängstlich hin und her und rief: „Wo bliw ick? wo Miro ick?" Da zog er sich in eine einsame Sumpfgegend zurück und zeigte sich
Nummer 63 und 64.
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nicht mehr unter den andern Vögeln. Die aber hatten sich nnterdes versammelt. Das Huhn, das von der ganzen Zache nichts vernommen hatte, verwunderte sich über die Menge. „Wat wat wat it denn dar to don?" gackerte es; aber der Hahn beruhigte seine liebe Henne und sagte: „Luter rik Lud!" und erzählte ihr, was sie vorhätteu. Da tvard beschlossen, daß der König sein sollte, der am höchsten fliegen könnte. Nun flogen die Vögel auf um die Wette, am höchsten aber flog der Adler. Er hätte noch viel höher fliegen können, aber er hielt es für unnötig, beim alle andern Vögel riefen, er sollte König sein. Nur ein kleines Vögel chen, das sich in die Brustfedern des Adlers so lange ver krochen hatte, flog nun mit seinen frischen Kräften noch höher und rief, als es wieder herunterkam: „König bün ick! König bün ick!" Den Streit zu schlichten, wurde die andere Bedingung gestellt, der sollte König sein, der am tiefsten in die Erde fallen würde. Hierbei kam die Ente am schlimmsten weg; sie sprang in einen Graben, ver renkte sich aber die Beine und watschelte fort zu dem nahen Teiche mit dem Ausruf: „Pracherwerk! Pracher werk!" Der Kleine ohne Namen aber suchte ein Mäuse loch, schlüpfte hinab und rief mit seiner feinen Stimme heraus: „König bün ick! Künig bün ick!" Da zürnten ihm die Vögel sehr und nahmen ihn gefangen. Er ent kam zwar, durfte sich aber nun vor den übrigen nicht mehr sehen lassen. Daher schlüpft er in den Zäunen herum, und wenn er sich ganz sicher dünkt, ruft er wohl zuweilen:. „Künig bün ick! Künig bün ick!" und deshalb nennen ihn: die andern Vögel zum Spott Zaunkönig. Simrock.
64. Gänse. 1. „Nun sagt einmal, ihr Gänschen, mir. Ich seh euch lange zu, Was habt ihr saubre Kleiderchen Und schöne rote Schuh!
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Die Natur.
Ihr wollt gewiß zmn Tanze gehn; Nicht wahr, ihr tanzet wunderschön?"
2. Das schmeichelte den Gänschen sehr, Sie taten gleich manierlich Und fingen drauf zu tanzen au, 's war aber gar nicht zierlich. Sie wackelten wohl auf und ab Und traten fast den Fuß sich ab. 3. „Nun aber sagt, ihr Gänschen, mir, Ich seh euch lange an. Was ihr für weiße Hälse habt Und rote Schnäbel dran! Damit singt ihr wohl allzumal Viel schöner als die Nachtigall?"
4. Da räusperten die Gänschen sich Und machten schnell sich niedlich Und singen drauf zu singen an, 's klang aber nicht gemütlich, Sie schnatterten, es war ein Graus, Und schrien sich fast die Kehlen aus.
5. Wohl manches Kind hat hübsche Schuh Und Kleider schön und bunt, Wohl manches einen weißen Hals Und einen roten Mund, Doch ist noch sehr die Frage dann, Ob's tanzen auch und singen kann! Reinick.
65. Der Nimmersatt. 1. In unserm Flieder raschelt was, Ein kleiner Spatz. „Hier sitz ich ohne Futter, Wo bleibt nur meine Mutter? Ich hab ein schön gelb Schnäbelein, Es tut mir keiner was hinein, Mir armem Matz.
Nummer 65 und 66.
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2. Ade, du schöner Sonnenschein, Du grüner Platz; Hier muß ich nun verderben, Sie läßt mich Hungers sterben, Sie fliegt in aller Welt umher Und findet mich gewiß nicht mehr, Mich armen Matz." 3. Da schwirrt's nnd bringt ein Räuplein $nrt. „Hört eins den Fratz! Ich stopfe, und ich stopfe. Er schilt mit vollem Kropfe! Ich müßt nicht, wer es besser hat; Du bist ein lieber Nimmersatt, Mein kleiner Matz!" Blüthgen.
66. Im grasgrünen Wald. 1. Ich geh durch einen grasgrünen Wald Und höre die Vögelein singen, Sie singen so jung, sie singen so alt. Die kleinen Vögelein in dem Wald, Die hör ich so gerne wohl singen.
2. O sing nur, singe, Frau Nachtigall, Wer möchte dich Sängerin stören? Wie wonniglich klingt's im Widerhall! Es lauschen die Blumen, die Vögelein all, Sie wollen die Nachtigall hören.
3. Nun muß ich wandern, bergauf, bergab, Die Nachtigall singt in der Ferne. Es wird mir so wohl, so leicht am Stab, Und wie ich wandre, bergauf, bergab. Die Nachtigall singt in der Ferne. Volkslied, Strophe 2 und 3 von Klette.
Die Natur.
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67. Die Schwalben. 1. Es fliegen zwei Schwalben ins Nachbar sein Haus, Sie fliegen bald hoch und bald nieder; Aufs Jahr da kommen sie wieder Und suchen ihr voriges Haus. 2. Und Doch Tas
Sie gehen jetzt fort ins neue Land ziehen jetzt eilig hinüber; kommen sie wieder herüber, ist einem jeden bekannt.
3. Und kommen sie wieder zu uns zurück, Ter Bauer geht ihnen entgegen; Sie bringen ihm vielmal den Segen, Sie bringen ihm Wohlstand und Glück. Volkslied.
68. Der Bögelein Abschied. 1. Wer klappert am Dache, mein Kindlein? horch, horch! Ade, lieber Bauer! so rufet der Storch. Nun, ade denn, du Dorf und ihr fleißigen Leut, Ihr Wiesen, ihr Sümpfe, wir scheiden ja heut. Gott segne das Hüttchen, auf dem wir gewohnt, Er laß es von Feuer und Stürmen verschont! Wenn lauer im Frühling die Lüfte dann wehn, Dann gibt es ein freudiges Wiedersehn. Ade! ade!
2. Vom Bache noch einmal trinkt Nachtigall schnell; Ade, liebe Fluren! so singet sie hell, Ihr habt mich erquicket mit Speise und Trank, Ich hab's euch gedanket mit schmetterndem Sang; Nun seid ihr ermüdet, wollt schlafen auch gehn; O, möget im Lenze ihr wonnig erstehn! Wir Vöglein, wir können so lange nicht warten. Gott schirme indessen den schlummernden Garten! Ade! ade!
Nummer 67 bis 70.
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3. Zum Fenster noch einmal blickt Schwälbchcn hinein; Ade, liebe Kinder, geschieden muß sein! Ich hatte mein Nest an dem Fenster gebaut, Ihr habet mit Freuden die Kleinen geschaut Und gern auf mein Zwitschern des Morgens gehört Und habet mir niemals den Frieden gestört; Drum möge auch euch in Freud und Gefahren Der Himmel die liebenden Eltern bewahren! Ade! ade! Söroenftein.
69. Bom Spinnlein und Mücklein. 1. Die Spinne hat gesponnen Den Silberfaden zart und fein, Du Mücklein in der Sonnen, Nimnl wohl in acht die Flügelein! 2. Die Spinne hat gewebet Ihr seidnes Netz mit kluger Hand. Wer weiß, wie lang noch lebet Fein Mücklein, das die Flügel spannt?
3. Fein Mücklein, horcht, wie denkt es? Durchs Netz zu fliegen ist ein Spiel! Frau Spinne aber fängt es Und speist es auf mit Stumps und Stiel. Süll.
70. Am Bienenstock. In einemBienenkorbe wohnen viele Tausende von Bienen, von denen jede weiß, was ihr Geschäft ist, und die alle in größter Eintracht zusammen leben und arbeiten. Als die mächtigste und größte der Bienen erscheint uns die Königin, um die sich das ganze Bienenvolk in treuer Ergebenheit schart. Sie wird in der größten Zelle aufgezogen und erhält dort den besten und meisten Honig. Sie fliegt nicht aus, um Honig zu sammeln; ihr einziges Geschäft ist, die Eier zu legen, damit immer wieder neue Bienen entstehen.
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Die Natur.
Die Bieue findet ihren Stock, und wenn noch so viele zusammen stehen. Das Türlein am Bienenhäuschen ist klein und niedlich, ein Brettchen steht heraus, gerade wie an einem Taubenschlag. Da schlüpft die Arbeiterin hinein und geht be dächtig an die Zellenreihe, wo der Honig aufbewahrt wird, um dort hinzutragen, was sie gesammelt hat. Die kleinen Zellen sind von Wachs, und ihr habt gewiß schon solche gesehen. Im Bienenhause wird keine Biene geduldet, die in ihrer Wohnung etwa alles durcheinander wirft. Da gibt es Speise kammern, zur Aufbewahrung des Honigs bestimmt, dort sind Kinderstuben, da Zellen, worein die Königin ihre Eier legt. Sobald ein Ei in eine Zelle gelegt ist, eilen die Bienen hinzu und legen ein Häufchen Bienenbrot hinein, damit das junge Tierlein, wenn es aus dem Ei schlüpft, sogleich etwas zu essen vorfindet. Sie bereiten ihr Brot aus Blumenmehl und Honig, indem sie den Blumenstaub von den Staubbeuteln der Blüten abstreifen, ihn wie Teig vermengen und an den Hinterfüßen, wo sie ein kleines offenes Säckchen wie ein Körbchen mit sich führen, aufbewahren. Aus dem Ei kommt wirklich bald, nicht ein junges Bienchen, sondern ein kleines weißes Würmchen zum Vorschein. Das liegt wie ein Wickelkindchen in seiner Zelle, neun Tage lang, und frißt von dem Häufchen Bienenbrot, solange als noch ein Stäubchen davon vorhanden ist. Ist das Bienenbrot verbraucht, dann ist auch das Würmchen satt und ausgewachsen. Es legt sich nun hin, um zu schlafen und sich in ein Bienchen umzuwandeln. Die großen Bienen schließen das Kämmerchen mit einem Türchen aus Wachs zu, damit das Kleine ungestört schlafen kann. Es schläft so fest, daß es sich nicht regt und bewegt; erst nach 24 Tagen wird es wach, streift die Haut wie ein Nachtkleidchen ab und kriecht aus seinem Wickelbettchen heraus. Da ist es kein nacktes weißes Würmlein mehr, sondern hat zarte, durchsichtige Flügelchen und ist ein schönes schwarz-braunes Bienchen wie die andern auch. Die Freundinnen kommen nun zu ihm und machen ihm die Flügelchen glatt, die noch ein wenig zerdrückt sind. Fort-
Nummer 70.
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fliegen darf es zwar noch nicht, dazu ist das Bienchen noch zu jung und schwach. Aber arbeiten muß es doch. Zuerst ist sein Geschäft, das Kämmerlein, wo es als Würmlein gelegen, wieder ganz rein zu fegen, die Haut, ivelche es wie ein altes Kleid abgelegt hat, wegzuschasfen und die Zelle wie neu herzurichten, damit die Königin von neuem ein Eilein hineinlegen kann. Auch muß es helfen, Speise für die Königin bereiten und sie ihr bringen. Nach 24 Tagen sagt eine alte Biene in der Bienensprache zum jungen Bienchen: „Du bist jetzt eine große Biene und kein Wickelkindchen mehr, du mußt fleißig sein wie wir; jetzt darfst dn auch zu den Blumen in die Wiese fliegen und Honig machen. Wenn du nicht weißt, wie du dich dazu anstellen sollst, dann sieh nur den andern zu!" Da kriecht das Bienchen, das jetzt eine große Biene geworden ist, zum kleinen Türlein hinaus und setzt sich auf das Brettchen. Wie wohlig mag es ihr da zu Mute sein, zum erstenmal den weiten blauen Himmel zu sehen, die Wiesen mit den bunten, süßen SBtunien und sich int goldenen Sonnenstrahl zu wärmen! Etwas ängstlich mag ihr allerdings zu Mute sein, und die Welt mag ihr gewaltig groß scheinen. Wenn ich nun fortfliege, denkt sie, wer zeigt mir den Weg wieder heim? Vorsichtig fliegt sie nur ein kleines Stückchen in die Höhe, schaut aufmerksam alles an, damit sie ihre Wohnung und jedes Plätzchen in der Umgebung genau kennen lernt, dann kehrt sie auf demselben Weg nach dem Bienenhaus zurück und läßt sich wieder aufs Brettcheu nieder, um zu ruhen. Hierauf fliegt sie wieder, aber doch ein wenig höher als das erstemal und so immerfort, vielleicht sechs- oder acht mal. Dann kennt sie ihren Weg ganz genau und fliegt getrost fort in Wiese und Wald. Was wird das für eine Freude sein, wenn sie ihren ersten Honig heint bringt, und Ivie gut wird der schmecken! Gerade, wie wenn ein Kind zum erstenmal in der Schule war und wieder nach Haus kommt uud etwas Schönes gelernt hat. Sophie Traut.
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Die Natur.
71. Heuschreckenleben. 1. Scheint der Mond so schön Von des Berges Höhn, Müssen wir noch eins int Taue springen Und dann unser Abendliedchen singen.
2. Hat erquickt der Tau Uns in stiller Au, Zirpen wir und tanzen unsern Reigen Froh zu Bett, zu Bett, zu Bett und schweigen. 3. Bald ist hin die Nacht, Und der Tag erwacht. Wecket uns die Morgensonne wieder, Hüpfen wir intb zirpen neue Lieder. Hoffmann von Fallersleben.
72. Unser Garten. I.
Wir haben einen Garten hinter unserm Haus. Dort sind wir gerne. Wenn es nicht regnet, dann müssen wir unsern Garten begießen. Dazu nehmen wir Gießkannen. Die Gießkannen sind voit Blech. Manche Gießkannen sind grün angestrichen. Auf die Röhre, wo das Wasser heraus fließt, setzt man eine Brause. Die Brause ist auch von Blech. Die Brause sieht beinah aus wie ein Pilz. Oben sind lauter Heine Löcher darin. Wenn man das Wasser aus der Gießkanne ohne Brause ausgießt, dann fließt es heraus wie aus der Kaffeekanne. Wenn man die Brause auf die Gießkanne setzt, dann fließt das Wasser heraus wie ein kleiner Regen. Das sind lauter kleine Wasser strahlen, immer einer neben dem andern. So begießen wir alle Beete. Die Kleinen helfen schon tüchtig mit. Die Kleinen haben auch schou ihre eigenen Beete. Jedes Kind hat sich Blumen gepflanzt, Stiefmütterchen und Nelken und Levkojen und Astern. Beinah jedeit Tag pflücken die Kinder von ihren eigenen Blumen und legen sie mittags dem Vater auf seinen Platz. Damt fragt der Vater, von
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ivem die Blumen sind. Und dann sagen die Kinder es ihm. Und dann sagt der Vater: „Schön, Kinder, nun stellt sie aber auch gleich ins Wasser, damit sie nicht verwelken." Und dann suchen die Kinder sich ein Glas. Da füllen sie Wasser hinein. Und dann stecken sie die Blumen hinein, mit dem Stiel ins Wasser, so daß die Blume oben heraus gucken kann. Dann verwelken die Blumen mehrere Tage lang nicht. Denn eine Blume will immer was zu trinken haben. Wenn sie kein Wasser hat, dann verwelkt sie. Wenn die Kinder zur Tante gehn, dann nehmen sie ihr auch Blumen mit. Dann freut sich die Tante über die schönen Blumen. Und dann freuen sich die Kinder, daß sich die Tante freut. Da kann man doch sagen: Die Blumen machen viele Freude.
II. Aber die Kinder haben sich nicht bloß Blumen ge pflanzt, Irmgard hat ein paar Maiskörner gesteckt, die sind sehr hoch gewachsen, die sind viel größer gewachsen, als die ganze Irmgard selber ist. Und die haben sehrgroße, breite Blätter; nlanchmal nimmt die Irmgard solch ein Blatt zu den Blumen, das gibt dann einen ganz hübschen Strauß. Irmgard und Lieschen haben sich auch jede einen Kürbis gepflanzt. Die Knrbispflanzen kriechen weit über die Beete und haben ganz große Blätter. Aber noch größer sind die Kürbisse selber; Lieschens Kürbis ist schon schwerer als die ganze Liese selber, lind er wird noch immer größer. Lieschens Kürbis liegt grade unter Vaters Fenstern. Der liegt ganz versteckt unter Blättern und Sträuchern. Als Mutter ihn zuerst sah, da dachte sie, die Kinder hätten ihn noch gar nicht gesehen. Aber die Kinder hatten ihn schon gesehen, als er noch ganz klein war. Und sie hatten sich gefreut, daß er immer größer wurde.
III. Franz und Richard hatten auch Erdbeeren ans ihren Beeten. Dann haben sie auch manchmal der Mutter und dem Vater Erdbeeren gebracht. Richard hatte auch Bohnen, und Helsel. Lesebuch 2. 11. Ausl. 5
Die Natur.
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die haben wir auch mit z» Mittag gegessen. Sonst wächst noch sehr viel im Garten, Spinat, Sellerie, Weißkraut, Rotkraut, Mohrrübe», Wirsing. Salat habe» wir auch sehr viel gehabt, wir konnten gar nicht allen Salat aufessen. Und Gurken hatten wir auch sehr viel, manchmal konnten ivir neunzehn an einem Tage abpflücken. Da hat denn die Lene Gurkensalat gemacht. Der Gurkensalat schmeckt allen sehr gut. Auch Kohlrabi wachsen im Garten, aber die essen nicht alle Kinder so gern. Kartoffeln haben wir dieses Jahr gar nicht im Garten. Die hatten wir voriges Jahr, aber die haben nicht gut geschmeckt. Und dann haben wir auch Obstbäume im Garten. Aber die sind noch klein und tragen noch nicht viel. Otto.
73. Bon meinem Blümchen. 1. Ward ein Blümchen mir geschenket, Hab's gepflanzt und hab's getränket. Vögel, kommt und gebet acht! Gelt, ich hab es recht gemacht?
2. Sonne, laß Wolke, komm, es Richt empor dein Liebes Blümchen,
mein Blümchen sprießen! zu begießen! Angesicht, fürcht dich nicht!
3. Und ich kann es kaum erwarten, Täglich geh ich in den Garten, Täglich frag ich: Blümchen, sprich, Blümchen, bist du bös auf mich? 4. Sonne ließ mein Blümchen sprießen, Wolke kam, es zu begießen; Jedes hat sich brav gemüht, Und mein liebes Blümchen blüht. 5. Wie's vor lauter Freuden weinet! Freut sich, daß die Sonne scheinet. Schmetterlinge, fliegt herbei, Sagt ihm doch, wie schön es sei! Hoffmann von Fallersleben
Nummer 73 bis 75.
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74. Schneeglöckchen. 1. „Schneeglöckchen, ei, du bist schon da? Ist denn der Frühling schon so nah? Wer lockte dich hervor ans Licht? Trau doch dem Sonnenscheine nicht! Wohl gut er's eben heute meint, Wer weiß, ob er dir morgen scheint?" 2. „Ich warte nicht, bis alles grün; Wenn meine Zeit ist, muß ich blühn. Der mich erschuf für diese Welt, Heißt blühn mich, wann es ihm gefällt; Er denkt bei Schnee und Kälte mein, Wird stets mein lieber Vater sein!" Unbekannt.
75. Der Enzian. Vor vielen Jahren, so geht eine Sage in den Alpen, gingen einmal nach einem langen Winter drei Kinder auf die Höhe der Gebirge, um die reiche Blumenpracht und die reine Himmelsbläue zu schauen. Als sie aber droben waren und auf das Dörflein tief unten blicken wollten, hüllte ein dichtes Gewölk sie ein. Ein heftiger Regenguß strömte vom Himmel und verbarg ihnen die geschmückte Erde. Die Kinder eilten schnell von den Höhen hinab und suchten unter den dichten Kronen der Buchen Schutz, klagend, daß ihre Freude so unerwartet vereitelt ward. Plötzlich tritt ein schöner, blondlockiger Knabe heran und spricht tröstend: „Ihr lieben Kinder, kommt am Sonn tag wieder herauf und singt alsdann da oben fromme Lieder. Dann sollt ihr den blauen Himmel schön und herrlich nicht nur zu euren Häuptern, sondern auch zu euren Fiißen sehen." Nach diesen Worten verschwand er. Am nächsten Sonntag pilgerten die drei Kinder wieder den Berg hinan. Aber sie trauten kaum ihren Augen, als sich ihnen unerwartet ein wunderherrlicher Anblick bot. Ringsumher auf den grünen und bunten Matten standen 5*
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Die Natur.
Diel tausend und abertausend blaue Blumen, so schön und blau, als ob sie Stückchen vom Frühlingshimmel wären. Da war's den Kindern, als sähen sie den Himmel zu Füßen, wie der Eugel gesagt hatte. Seit jeuer Zeit erscheiueu alljährlich auf der Alp und in beit bergigen Gegenden die blauen Enziane und zaubern den Himmel auf die Erde. Die Alpeubewohner nennen sie Gottesschühlein, weil sie den Tritten des holden Engels entsproßten. Dähnhardt.
76. Die Kornähre. Vorzeiten, als Gott noch selbst ans Erden wandelte, da Ivar die Fruchtbarkeit des Bodens viel gröber, als sie jetzt ist; damals trugen die Ähren nicht fünfzig- oder sechzigfältig, sondern vier- bis fünfhnndertfältig. Da wuchsen die Körner am Halm von unten bis oben hinauf: so lang er war, so lang war auch die Ähre. Aber wie die Menschen sind, im Überfluß achten sie des Segens nicht mehr, der von Gott komnit, werden gleichgültig und leichtsinnig. Eines Tages ging eine Frau an einem Kornfeld vorbei, und ihr kleines Kind, das neben ihr sprang, fiel in eine Pfütze und beschmutzte sein Kleidchen. Da riß die Mutter eine Hand voll der schönen Ähren ab und reinigte ihm damit das Kleid. Als der Herr, der eben vorüber kam, das sah, zürnte er und sprach: „Fortan soll der Strohhalm keine Ähre mehr tragen; die Menschen sind der himmlischen Gabe nicht länger wert." Die Umstehenden, die das hörten, erschraken, sielen auf die Knie und flehten, daß er noch etwas möchte an dem Halm stehen lassen; wenn sie selbst es auch nicht verdienten, doch der unschuldigen Hühner wegen, die sonst verhungern müßten. Der Herr, der ihr Elend voranssah, erbarmte sich und gewährte die Bitte. Also blieb noch oben die Ähre übrig, wie sie jetzt wächst. Dähnhardl.
77. Warum die Eichblätter eingekerbt sind. Der Teufel hatte mit einem Bauern einen Pakt ge macht. Danach durste er dessen Seele holen, sobald die Eiche kein Laub mehr trüge. Er freute sich schon auf den
Nummer 76 bis 79.
Oktober. Allein es kam der November, der Dezember, und alle Bäume standen nackt, nur die Eiche nicht. Denn ihre Blätter saßen, wenn auch braun rind dürr, noch fest auf ihren Stielen. Endlich kam der Frühling, und einzelne Eichenblätter flatterten zu Boden. Da frohlockte der Teufel, allein der Bauer führte ihn dicht zur Eiche und zeigte ihm, daß zivischcu den alten Blättern schon die neuen herausgekommen waren. Der Böse wurde nun furchtbar zornig über den Betrug, durch den er sein Spiel verloren hatte, und fuhr mit deu Kralleu wütend in die Blätter. Bis dahin waren sic glattrandig gewesen, seitdem aber wurden sie eingekerbt. Dähnhardt.
78. Pflaume. Dort oben auf dem Baume — Gebt acht! Da sitzt versteckt die Pflaume Und lacht. Nun stellt euch alle unter Den Baum und rüttelt munter Und schüttelt sie herunter! Und fällt sie auf den Rasen, So tappt! Fällt sie euch auf die Nasen, So schnappt! Fällt sie euch in die Taschen, Braucht ihr sie nicht zu Haschen Und könnt nach Lust sie naschen.
79. Das Lied vom Birnbaum. 1. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist denn an selbigem Banm? Ein wunderschöner Ast. Ast an dem Baum, Baum in der Erd.
Gült.
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Die Natur. 2. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist denn an selbigem Ast? Ein wunderschöner Zweig. Zweig an dem Ast,
Ast an dem Baum, Baum in der Erd.
3. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist denn auf selbigem Zweig? Ein wunderschönes Nest. Nest auf dem Zweig, Zweig an dem Ast,
Ast an dem Baum, Baum in der Erd.
4. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist denn in selbigem Nest? Ein wunderschönes Ei. Ei in dem Nest, Nest auf dem Zweig, Zweig an dem Ast,
Ast an dem Baum, Baum in der Erd.
5. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Was wird denn aus selbigem Ei? Ein wunderschöner Vogel. Vogel aus dem Ei, Ei in dem Nest,
Nummer 79. Nest auf dem Zweig, Zweig an dem Ast,
Ast an dem Baum, Baum in der Erd.
6. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist denn an selbigem Vogel? Eine wunderschöne Feder. Feder an dem Vogel, Vogel aus dem Ei, Ei in dem Nest, Nest auf dem Zweig, Zweig an dem Ast, Ast an dem Baum, Baum in der Erd.
7. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Was wird denn aus selbiger Feder? Ein wunderschönes Bett. Bett von der Feder, Feder an dem Vogel, Vogel aus dem Ei, Ei in dem Nest, Nest auf dem Zweig, Zweig an dem Ast, Ast an dem Baum, Baum in der Erd. 8. Draußen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub.
Was liegt in selbigem Bett? Ein wunderschönes Kind.
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Die Natur.
Kind in dein Bett, Bett von der Feder, Feder an dem Vogel, Vogel aus dem Ei, Ei in dem Nest, Nest auf dem Zweig, Zweig an den: Ast,
Ast cm dem Baun:, Baum in der Erd. Drauszen auf grünester Heid Da steht ein schöner Birnbaum, Schöner Birnbaum trägt Laub. Volkstümlich.
80. Wie oft Gott zu danken sei. Wieviel Saud in dem Meer, Wieviel Sterne oben her, Wieviel Tiere in der Welt, Wieviel Heller unterm Geld, 5 In den Adern wieviel Blut, In dem Feuer wieviel Glut, Wieviel Blätter in den Wäldern, Wieviel Gräslein in den Feldern, In den Hecken wieviel Dörner, 10 Auf dem Acker wieviel Körner, Auf den Wiesen wieviel Klee, Wieviel Stäublein in der Höh,
In den Flüssen wieviel Fischlein, In dem Meere wieviel Müschlein, 15 Wieviel Tropfen in der See, Wieviel Flocken in dem Schnee; Soviel lebendig weit und breit, So oft und viel sei Gott Dank in Ewigkeit! Amen. Volkslieds
Nummer 80 bis 82.
HI. Menschenleben. 81. Gott grüße dich! 1. Gott grüße dich! kein andrer Gruß Gleicht dein an Innigkeit. Gott grüße dich! kein andrer Gruß Paßt so zu aller Zeit.
2. Gott grüße dich! wenn dieser Gruß Sv recht von Herzen geht, Gilt bei dem lieben Gott der Gruß Soviel wie ein Gebet. Sturm.
82. Gebet an den heiligen Christ. 1. Tu lieber, heilger, frommer Christ, Der für uns Kinder konrmcn ist, Damit wir sollen weiß und rein Und rechte Kinder Gottes sein;
2. Du Licht, voin lieben Gott gesandt In unser dunkles Erdenland, Du Himnlelskind und Himmelschein, Damit wir sollen himmlisch sein;
3. Du lieber, heilger, frommer Christ, Weil heute dein Geburtstag ist, Drum ist auf Erden weit und breit Bei allen Kindern frohe Zeit. 4. O, segne mich! ich bin noch klein, O, mache mir den Busen rein, O, bade mir die Seele hell In deinem reichen Himmelsquell!
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Menschenleben.
5. Daß ich wie Engel Gottes sei, In Demut und in Liebe treu, Daß ich dein bleibe für und für, Du Heilger Christ, das schenke mir! Arndt.
83. Was ich alles habe. 1. Zwei Augen hab ich, klar und hell, Die drehn sich nach allen Seiten schnell, Die sehn alle Blümchen, Bannt und Strauch Und den hohen blauen Himmel auch. Die setzte der liebe Gott mir ein, Und was ich kann sehen, ist alles sein. 2. Zwei Ohren sind mir gewachsen an, Damit ich alles hören kann, Wenn meine liebe Mutter spricht: Kind, folge mir und tu das nicht! Wenn der Vater ruft: Komm her geschwind! Ich habe dich lieb, mein gutes Kind. 3. Einen Mund, einen Mund hab ich auch, Davon weiß ich gar guten Gebrauch, Kann nach so vielen Dingen fragen, Kann alle meine Gedanken sagen, Kann lachen und singen, kann beten und loben Den lieben Gott im Himmel droben. 4. Hier eine Hand und da eine Hand, Die rechte und linke sind sie genannt; Fünf Finger an jeder, die greisen und fassen. Jetzt will ich sie nur noch spielen lassen; Doch wenn ich erst groß bin und was lerne, Dann arbeiten sie alle auch gar gerne.
5. Füße hab ich, die können stehn, Können zu Vater und Mutter gehn. Und will es mit dem Laufen und Springen Nicht immer so gut, wie ich's möchte, gelingen.
Nummer 83 und 84.
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Tut nichts; wenn sie nur erst größer sind, Dann geht es noch einmal so geschwind. 6. Ein Herz, ein Herz hab ich in der Brust, So klein und klovft doch so voller Lust Und liebt doch den Vater, die Mutter so sehr. Und wißt ihr, wo ich das Herz hab her? Das hat mir der liebe Gott gegeben, Das Herz und die Liebe und auch das Leben! Hey.
84. Heil dir im Siegerkran». 1. Heil dir im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands! Heil, Kaiser, dir! Fühl in des Thrones Glanz Die hohe Wonne ganz, Liebling des Volks zu sein! Heil, Kaiser, dir!
2. Nicht Roß und Reisige Sichern die steile Höh, Wo Fürsten stehn; Liebe des Vaterlands, Liebe des freien Manns Gründen den Herrscherthron, Wie Fels im Meer.
3. Heilige Flamme, glüh, Glüh, und verlösche nie Fürs Vaterland! Wir alle stehen dann Mutig für einen Mann, Kämpfen und bluten gern Für Thron und Reich.
4. Handlung und Wissenschaft Hebe mit Mut und Kraft Ihr Haupt empor! Krieger- und Heldentat Finde ihr Lorbeerblatt Treu aufgehoben dort An deinem Thron!
5. Sei, Kaiser Wilhelm, hier Lang deines Volkes Zier, Des Landes Stolz! Fühl in des Thrones Glanz Die hohe Wonne ganz, Liebling des Volks zu sein! Heil, König, dir! HarrieS.
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Menschenleben.
85. Kaiser Wilhelm. 1. Wer ist der greife Sicgesheld, Der uns zu Schutz und Wehr Fürs Vaterland zog iii das Feld Mit Deutschlands ganzem Heer? Wer ist es, der vom Vaterland Den schönsten Dank empfing, Vor Frankreichs Hauptstadt siegreich stand Und heim als Kaiser ging? Du edles Deutschland, freue dich. Dein König, hoch und ritterlich, Dein Wilhelm, dein Kaiser Wilhelm ist's!
2. Wer hat für dich in blutger Schlacht Besiegt den ärgsten Feind? Wer hat dich groß und stark gemacht, Dich brüderlich geeint? Wer ist, wenn je ein Feind noch droht, Dein bester Hort und Schutz? Wer geht für dich iu Kampf lind Tod, Der ganzen Welt zu Trutz? Du edles Deutschland, freue dich, Dein König, hoch und ritterlich, Dein Wilhelm, dein Kaiser Wilhelm ist's! Hoffmann von Fallersleben.
86. Heraus aus dem Lager. 1. Heraus aus dem Lager, Der Hahn hat gekräht! Schon singen die Vögel, Und Morgenluft weht. Seht, wie uns so freundlich Das Morgenrot winkt Und rings in den Buchen Der Sonnenstrahl blinkt!
2. Das Mieder vom Nagel, Den Hut von der Wand!
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Nummer 85 bis 87.
Greift flink nach dem Reche», Den Spaten zur Hand! Ihr Mädchen, zum Garten, Ihr Burschen, aufs Feld, Und hurtig den Garten, Den Acker bestellt! 3. Und während wir pflügen. Und während wir sän, Mit Tank auf zum Mater Der Menschen gesehn! Der freundlich zum Fleiße Gibt Glück und Gedeih«, Bald Winde, bald Regen, Bald sonnigen Schein. Volkslied.
87. Der Faule. 1. Heute nach der Schule gehen, Da so schönes Wetter ist? Nein, wozu denn immer lernen, Was mau später doch vergißt?
2. Doch die Zeit wird lang mir werden, Und wie bring ich sie herum? Spitz, komm her! dich will ich lehren, Hund, du bist mir viel zu dumm! 3. Andre Hund' in deinenl Alter Können dienen, Schildwach stehn, Können tanzen, apportieren, Auf Befehl ins Wasser gehn.
4. Ja, du denkst, es geht so lveiter, Wie du's sonst getrieben hast. Nein, mein Spitz, jetzt heißt es lernen. Hier! komm her! und aufgepaßt!
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Menschenleben.
5. So, nun stell dich in die Ecke! Hoch! den Kopf zu mir gericht! Pfötchen geben! so! noch einmal! Sonst gibt's Schläge! willst du nicht?
6. Was? du knurrst? du willst nicht lernen? Seht mir doch den faulen Wicht! Wer nichts lernt, verdienet Strafe, Kennst du diese Regel nicht?
7. Horch! wer kommt? — es ist der Vater. Streng ruft er dem Knaben zu: „Wer nichts lernt, verdienet Strafe! Sprich, und was verdienest du?" Remick.
88. Der Turmhahn. 1. Mama, sag mal, wie ist der Hahn Denn auf den Turm gekomuren? „Der Hahn, der hat nicht gut getan. Da hat ihn der Wind genommen Und oben auf den Turm geweht. Sei artig, daß dir's nicht auch so geht!" 2. Mama, sag mal, ist es wahr? Hans sagt, man hört ihn krähen? „Ja, wenn's der Hans sagt; einmal im Jahr, Aber dann muß man sehr früh aufstehen, Anr Ostertag, frühmorgens um vier; Aber dann schlaft mein Schlafmützchen hier." 3. Mama, ach bitte, wenn Ostern ist, Dann weck mich recht früh, bitte, bitte! „Damit du den ganzen Tag schläfrig bist? Unrecht wär's, toeiiit ich's litte. Kleine Kinder schlafen aus. Bist du größer, kräht dich der Hahn schon heraus." Falke.
Nummer 88 bis 90.
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89. Der Verdrießliche. Ich bin verdrießlich! Weil ich verdrießlich bin, Bin ich verdrießlich. Sonne scheint gar zu hell, 5 Bogel schreit gar zu grell, Wein ist zu sauer mir, Zu bitter ist das Bier, Honig zu süßlich. Weil nichts nach meinem Sinn, 10 Weil ich verdrießlich bin Bin ich verdrießlich. Dort wird Musik gemacht, Dort wird getanzt, gelacht, Tort wirft man gar den Hur, 15 Wie mich das ärgern tut! Ist nicht ersprießlich, Ist nicht nach meinem Sinn, Weil ich verdrießlich bin, Ach! so verdrießlich.
Wo ich auch geh und steh, 20 Ich meinen Schatten seh, Immer verfolgt er mich. Ist das nicht ärgerlich? Und wenn der Himmel trüb, Ist es mir auch nicht lieb. 25 Winter ist mir zu kalt, Frühling kommt mir zu bald, Sommer ist mir 311 warm, Herbst bringt den Mücken schwarm. Mücken auf jeder Hand, 30 Mücken an jeder Wand, O, wie mich das verstimmt! O, wie mich das ergrimmt! Bin ganz verdrießlich. Weil nichts nach meinem Sinn, 35 Weil ich verdrießlich bin, Ach, wie verdrießlich ! Bechstein.
90. Versuchung. 1. Gar emsig bei den Büchern Ein Knabe sitzt im Kämmerlein, Da lacht herein durchs Fenster Der lustge, blanke Sonnenschein Und spricht: Lieb Kind, du sitzest hier? Komm doch heraus und spiel bei mir! Den Knaben stört es nicht, Zum Sonnenschein er spricht: „Erst laß mich fertig sein!" 2. Der Knabe schreibet weiter, Da kommt ein lustig Vögelein, Das picket an den Scheiben Und schaut so schlau zu ihm herein.
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Menschenleben. Es ruft: Komm mit! der Wald ist grün, Der Himmel ist blau, die Blume» blühn! Deu Knabeu stört es nicht, Zum Vogel kurz er spricht: „Erst laß mich fertig sein!"
3. Ter Kuabe schreibt uud schreibet, Ta guckt der Apfelbaum herein Und rauscht mit seinen Blättern Und spricht: Wer lvird so fleißig sein? Schau meine Äpfel! diese Nacht Hab ich für dich sie reif gemacht! Den Knaben stört es nicht, Zum Apfelbaum er spricht: „Erst laß mich fertig sein!" 4. Da endlich ist er fertig, Schnell packt er seine Bücher ein Und läuft hinaus zum Garten. Juchhe, >vie lacht der Sonnenschein! Tas Bäumchen lvirft ihm Äpfel zu, Ter Vogel singt uud nickt ihm zu. Der Kuabe spriugt vor Lust Uud jauchzt aus voller Brust; Ieht kau» er lustig sein.
Reinick.
91. Dienerschaft. Ich habe gute Dienerschaft, Die Knechte heißen: Selbstgeschafft Und Spätzubett und Aufbeizeit, Die Mägde Ordnung, Reinlichkeit; Durst, Hunger heißen Schenk und Koch. Hab auch zwei Edelknaben noch, Genannt Gebet und gut Gewissen, Tie, bis ich schlaf, mich wiegen müssen.
Robert.
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Nummer 91 und 92.
92. Die traurige Geschichte vom dummen Hänschen. 1. Hänschen will ein Tischler werden, Ist zu schwer der Hobel, Schornsteinfeger will er werden. Doch das ist nicht nobel, Hänschen will ein Bergmann werden. Mag sich doch nicht bücken, Hänschen will ein Müller werden, Doch die Säcke drücken, Hänschen will ein Weber werden, Doch das Garn zerreißt er; Immer, wenn er kaum begonnen, Jagt ihn fort der Meister. Hänschen, Hänschen, denke dran. Was aus dir noch werden kann! 2. Hänschen will ein Schlosser werden, Sind zu heiß die Kohlen, Hänschen will ein Schuster werden, Sind zu hart die Sohlen, Hänschen will ein Schneider werden, Doch die Nadeln stechen, Hänschen ivill ein Glaser werden, Doch die Scheiben brechen, Hänschen >vill Buchbinder werden, Riecht zu sehr der Kleister; Immer, wenn er kaum begonnen, Jagt ihn fort der Meister. Hänschen, Hänschen, denke dran, Was ans dir noch werden kann! 3. Hänschen hat noch viel begonnen, Brachte nichts zu Ende, Drüber ist die Zeit verronnen, Schwach sind seine Hände. Hessel, Lesrbuch 2. 11. «ufT.
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Menschenleben.
Hänschen ist nun Hans geworden. Und er sitzt voll Sorgen, Hungert, bettelt, weint und klaget Abends und am Morgen: „Ach, warum nicht war ich Dummer In der Jugend fleißig? Was ich immer auch beginne, Dummer Hans nur heiß ich. Ach, nun glaub ich selbst daran, Daß aus mir nichts werden kann!" Lvwenstein.
93. Der Tunichtgut. Was baumelt aus meinem Ranzen? Der Tafelschwamm. Warum muß er immer am Bindfaden tanzen? Weil er nichts Rechtes kann. Meine Griffel, die sind weise, Linien und Kreise, Buchstaben und Zahlen Können sie malen.
Aber der Schwamm, die dumme Klunkermaus, Wischt bloß alles wieder aus. Und das Schlimmste dabei ist das: Er ist immer zu trocken oder zu naß. Rein, mein Schwamm gefällt mir nicht mehr. Wenn ich doch erst in Sexta wär, Wo sie bloß mit Feder und Tinte schreiben. Aber — ich werde wohl sitzen bleiben. Kühl.
94. Des Storches Wiederkehr. Der Storch ließ auf dem Dach sich nieder Und sprach: „Da, Kinder, bin ich wieder! Nun saget mir, was ist geschehn, Seit ich das Dörfchen nicht gesehn?"
Nummer 93 bis 95.
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„Ei, sprach der Hans, „in diesen Tagen Da hat sich vieles zugetragen; Mein Vater kaufte eine Kuh Und meiner Schwester neue Schuh. Ich hab an Größe zugenommen 10 Und jetzt auch Stiefel und Hosen bekommen, Weihnacht kriegte ich ein Schwert Und ein sehr wildes Wiegenpferd. Und in die Schule geht, mein Bester, Jetzt auch die Suse, meine Schwester. 15 Und weil sie neulich nichts gewußt, Hat sie nachbleiben schon gemußt." „Pfui, Hans," begann der Storch zu klappern, „Man darf nicht aus der Schule plappern!" 5
Löwenstein.
95. Ferienlied. 1. Ferit und nah Tönt hurra, Unsre Ferien sind jetzt da! Der Pedell An der Schwell Schließt die Pforte schnell. Doch ivir ziehen froh nach Hans — Morgen schon geht's früh hinaus, Lustgeschwellt, Froh gesellt, In die weite Well.
2. Subtrahieren, Dividieren, Hefte klieren, Memorieren, Zeichnerei, Schreiberei, Alles ist vorbei. Nicht Französisch noch Latein Macht mir morgen Sorg und Pein,
Weltgeschicht lind Gedicht Quält mich morgen nicht.
3. Denn nur acht Wird — o Pracht — Morgen hier nicht aufgemacht. £)b und kahl, Leer zumal Bleiben Stub und Saal. Keinen trifft hier Straf und Schmach, Morgen bleibt hier keiner nach. Keinem droht Schelt und Not Tann beim Vesperbrot. 4. Frisch und frei, Fromm, juchhei, Bei dem ersten Hahnenschrei 6*
Menschenleben.
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Hier und dort Auf und fort Geht's von Ort zu Ort. Buttmann, Böhme, Zuuipt und Ahn — Ich muß aus die Eisenbahn! Bücher bunt In der Rund, Bleibt mir hübsch gesund! 5. Heitren Gruß Rust zum Schluß
Selbst Herr Ordinarius, Lacht in Ruh, Klappt Z—U Tann das Büchlein zu. Spricht: Nun, Kinder, mögt ihr gehn! Auf recht frohes Wiedersehn! Mit Juchhe Trum ade! Scheiden tut nicht weh. Löwenstein.
96. Drei Paare und Einer. 1. Du hast zwei Ohren und einen Mund; Willst du's beklagen? Gar vieles sollst bit hören und — Wenig draus sagen! zwei Augen und einen Mund; Mach dir's zu eigen! Gar manches sollst du sehen und — Manches verschweigen! 2. Du hast
3. Du hast zwei Hände und einen Mund; Lern es ermessen! Zweie sind da zur Arbeit und — Einer zum Essen!
Rückert.
97. Die verkehrte Welt. In der verkehrten Welt geht es wunderlich zu; da stehen die Tische auf den Tellern, und die Stühle sitzen auf den Menschen, das Holz hobelt die Schreiner, und der Amboß hämmert die Schmiede. Die Steine fliegen in der Luft, und die Bögel kriechen auf der Erde, die Bäume strecken die Wurzeln in die Höhe, und das Obst muß man aus der Erde graben. TasWasser fließt auf die Berge hinauf, und das Feuer
Nummer 96 bis 98.
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wird aus Gläsern getrunken. Der Schnee wird im Ofen gedörrt und die Eisschollen in den Kaffee getunkt. Aber erst in der Schule, wie geht es da zu? Die alten Leute sitzen auf den Bänken und lernen, und die Kinder lehren. Da liest man nicht Buchstaben, sondern Äpfel und Birnen, da streut man nicht Sand auf das Papier, sondern Zucker auf Weißbrot. Wer am tvenigsten lernt, der kommt auf den obersten Platz, und wer fleißig ist, der wird mit der Rute gezüchtigt. Wer die Schule versäumt, der wird mit einem Groschen belohnt, und wer am besten plaudert, dem schenkt der Lehrer einen Eierweck. Auch zu Hause ist es so; die Eltern gehorchen den Kindern, und das Gesinde gehorcht niemand. Die Knaben haben die Schlüssel zu der Speisekammer und die Mädchen zu dem Geld schrank. Und wenn die Mutter nicht genug Kuchen und der Vater nicht genug Geld herbeischafft, werden sie von den Kindern tüchtig ausgescholten. Wenn der Knecht keine Lust zu arbeiten hat, muß das Vieh hungern, und wenn die Magd tanzen will, dann darf die Milch in das Feuer laufen und der Kehricht in der Stubentür liegen. So geht es in der verkehr ten Welt, und manchen Menschen gefällt es anfangs außer ordentlich gut darin. Wer aber drei Tage dort war, der läuft wieder fort und will sein lebenlang nicht wieder hinein. Curtman.
98. Der Geburtstagsgratulant. 1. Und Und Wie
Guten Morgen! sollt ich sagen ein schönes Kompliment, die Mutter ließ auch fragen. der Pate sich befänd.
2. Und der Strauß wär aus dem Garten, Wenn ihr etwa danach fragt. An der Tür dann sollt ich warten. Ob ihr mir auch etwas sagt. 3. Uno Und Aber
Und hübsch grüßen sollt ich jeden ganz still sein, wenn man spricht; recht deutlich sollt ich reden, schreien sollt ich nicht.
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Menschenleben.
4. Doch ich sollt mich auch nicht schämen. Denn ich wär ja brav und fromm; Nur vom Kops das Mützel nehmen, Wenn ich in das Zimmer komm!
5. Wenn mir eins was geben wollte, Sollt ich sagen: Danke schön! Aber unaufhörlich sollte Ich nicht nach der Torte sehn. 6. Und hübsch langsam sollt ich essen, Stopfen wär hier gar nicht Brauch; Und — bald hätt ich es vergessen: Gratulieren sollt ich auch! Lohmeyer.
99. Die Kuckucksuhr. Denkt euch nur: In unsrer Stube steht 'ne Uhr Ganz >vie ein altes Schilderhaus, Da guckt eine lange Stange raus 5 Und wackelt schwer Immer hin und her. Jetzt macht sie tick, Läuft schnell zurück Dasselbe Stück 10 Und macht dann tack! Und lvieder tick Und wieder tack Und immer lote zum Schabernack Und immer auf demselben Fleck 15 Und läuft nie aus dem Kasteu >veg Und geht und geht Von früh bis spät Und steht keine Stunde, Nicht mal 'ne Sekunde.
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Schmausen wir in guter Ruh, Macht sie ihr tick und tack dazu,
Nummer 99 und 100.
Und wenn wir luftio spielen und springen, Läßt sie ihr tick-tack dazwischen singen; Und müssen wir schwitzen nnd fleißig sein, 25 Schlägt anch ihr tick-tack ins Buch hinein.
Und wenn man mitten in der Nacht Mal aufwacht, hört man, wie sie sacht Auch nachts ihr dummes tick-tack macht, llnd aus dem alteu Schilderhaus 30 Da kommt so'n dummer Kuckuck rails llnd schreit nnd schreit: 's ist Zeit, 's ist Zeit! Am Morgen ist's noch gar nicht hell. Da schreit er schnell: 35 Kuckuck! Es schlägt acht! Nicht zu lange geschlafen! Schnell aufgewacht! Marsch, in die Schule! Und spielen wir mittags im Sonnenschein, 40 Hören wir den Kuckuck wieder schrein: 's ist höchste Zeit! Nicht zu lange gesessen! Die Nachmittagsschule nicht vergessen!
Und hocken wir abends vorm Gartentor, 45 Schreit uns der Kuckuck wieder ins Ohr: Kuckuck! Es schlägt neun! Herein, herein! Schnell gute Nacht! Und morgen zeitig aufgewacht! 50 Ich gäbe mein bestes Bilderbuch her, Wenn der Kuckuck nur einen Tag stille wär! Kögel.
100. Kaufmann. 1. Kommt, ihr Leute, schnell herbei! Wer nur will was kaufen? Gute Sachen allerlei Hab ich hier in Haufen.
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Menschenleben.
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2. Seht, wie reichlich ausgeschmückt Ist mein ganzer Laden, Wie sind fest und vollgedrückt Kisten nnd Schubladen! 3. Wie bis obenan gestopft All die großen Fässer! Ei, so kommt herbei und klopft! Nirgends kauft ihr besser. 4. Und Hab Von
Pfeffer, Ingwer, Nelken, Zimt Muskatenblüte ich hier, sie sind bestimmt besondrer Güte.
5. Gerste, Sago, Nudeln, Neis, Senf und Ol und Essig Geb ich auch um niedern Preis, Und recht reichlich meß ich. 6. Hab auch Gurken zum Salat, Billige Zitronen, Echten Arak und Muskat, Saftige Melonen. 7. Außerdem empfehl ich euch Die Gewürzlebkuchen Und dergleichen süßes Zeug; Wollt ihr's uicht versuchen?
8. Nur soll mir zum Schabernack Von den losen Schlingeln Keiner ohne Geld im Sack An dem Laden klingeln. 9. Denn für solche Schelmenleut, Die nur alles borgen, Hab ich keine Ohren heut, Keine Waren morgen. Gült.
Nummer 100 und 101.
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101. Der wunderbare Pudding. Neulich Ivar Onkel Robert bei uns und lud uns zum Essen ein. Er sagte, zum Nachtisch wolle er uns einen wunderbaren Pudding vorsetzcn, den mehr als tausend Menschen zubereitet hätten. Einen Pudding, riefe» wir aus,, den mehr als tausend Menschen znbereitet haben? das ist ja ein Riesenpudding! der must so groß sein wie eine Kirche! — Nnn, ihr Kinder! sagte der Onkel, ihr sollt schon sehen, kommt mir morgen und esst bei mir! Kaum hatten wir am andern Morgen gefrühstückt, da wollten wir schon hinüber zum Onkel. Mit großer Mühe hielt uns die Mutter noch zurück. Endlich war es Mittag, da. gingen wir. Wie erstaunten wir, als in Onkel Roberts Hause alles so aussah wie immer. Endlich ging es zu Tische. Suppe, Fleisch und Gemüse waren verzehrt, und voll Ungeduld schauten wir nach der Türe. Sie ging auf, und was er schien? ein ganz gewöhnlicher Pudding, nicht ein bißchen größer als jeder andere Pudding. Mein Bruder sagte: Onkel, das ist ja gar so kein Pudding, wie du uns einen versprochen hast. — Doch, mein Junge! erwiderte der Onkel. — Aber, Onkel! wie kannst du denn sagen, daß mehr als tausend Menschen an deni Pudding da geholfen hätten? — Erst iß einmal ein tüchtiges Stück, Fritz! sagte Onkel Robert, und dann nimm dies Blatt Papier und eine Bleifeder und rechne die Leute zusammen, welche mir geholfen haben, ihn fertig machen! Zuerst, sagte Onkel Robert, brauchten wir Mehl, unb' wie viele Leute haben uns wohl das herbeischaffen helfen? Der Acker mußte gepflügt und besäet und geeggt werden. Dann mußte das Korn geschnitten werden. Um den Pflug und die Sensen herzustellen, haben Bergleute und Eisengießer und Schmiede und Holzhauer uud Wagner gearbeitet. Um aus Leder das Pferdegeschirr zu verfertigen, haben Metzger, Gerber, Sattler und Riemer geschafft. Um das Korn in Mehl zu verwandeln, mußte der Müller sein Mühlchen klappern.
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Menschenleben.
lassen; Maurer und Zimmerleute nnd Dachdecker mußten erst dies Mühlchen bauen, Steinbrecher nnd Steinmetzen mußten die Mühlsteine Herrichten, Fuhrleute mußten sie herbeischaffen. Im Pudding sind auch Rosinen nnd allerlei Eewürze, die kamen weither übers Meer; mit sie herzubringen, mußten Schiffbauer, Segelmacher, Matrosen, Pflanzer, Kaufleute, Krämer nnd viele andere tätig sein. Nm die Segel nnd Schiffstaue zu machen, waren Hanf und Flachs nötig. Darum müssen wir auch alle Leute mitzühlen, welche diese Pflanzen gesäet und bearbeitet haben, die Spinner und Weber und all die Leute, welche die Maschinen gemacht haben, die man dazu wieder gebraucht hat. Dann sind auch Eier und Milch am Pudding nnd ... — Halt ein, Onkelchen, halt ein! rief ich, ich glaube, das sind schon tausend! — Ja, ich bin aber noch lange nicht fertig, sagte Onkel Robert, der Pudding mußte doch gekocht werden, und dazu brauchten wir Kohlen. Da dürften lvir also auch die Bergleute im Kohlenbergwerk nicht vergessen, und die, welche das Eisen und das Kupfer gegraben und bearbeitet haben für die Kessel und Pfannen, und die Kohlenhändler und die Eisenbahnleute nnd------------Ach, Onkel, genug, genug! riefen Fritz und ich zu gleicher Zeit, wir glauben es ja längst, daß mehr als tausend Menschen diesen Pudding zubereitet haben. Bitte, gib uns lieber noch ein recht großes Stück, er schmeckt uns jetzt noch viel besser! H.
102. Das allzeit zufriedene Knäbchen. Zwei Bauersleute hatten ein Kind, nnd wie es denn in der Welt geht, wo nur eins ist, da wird's verzogen. Die Eltern hatten aber kein Auge für die Fehler des Bübchens und nannten es immer nur ihr allzeit zufriedenes Kind. Eines Tages war eine Hochzeit im Ort, dazu waren die Bauersleute auch eingeladen, und da sie nirgendwo allein hingingen, so nahmen sie auch ihr allzeit zufriedenes Kind mit. Als das Essen vorbei war, kamen Birnen, Nüsse und
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Anisgebackenes auf den Tisch, von jedem hohe Teller voll. Die Gäste ließen es sich wohl schmecken, und der Bräntiganr gab den Kindern von alleni so viel, wie sie haben wollten. Als die Gäste aufstehn und znm Tanze gehn wollten, fönt das allzeit zufriedene Kind, stellte sich neben den Bräutigam und weinte bitterlich. Sogleich sprangen die Eltern von ihrer Bank herbei, um zu sehn, was das sei. Der Bräutigam frug das Kuäbchen, was ihm fehle, aber es weinte immer bitterlicher, und endlich weinte seine Mutter mit, und es verschlug kein Haar, dann hätte der Vater auch geweint. Da frug der Bräutigam wieder: „Hast du denit Hunger?" und das Kind schrie: „Ach, ich bin ja schon satt." — „Das dachte ich mir; ach, mein Kind ist ja immer so gern zufrieden," schluchzte die Mutter. Der Bräu tigam sprach: „Dann komm her, ich stopfe dir die Hosen tasche voll Anisgebackenes." Aber das Kind schrie noch ärger: „Sie sind ja schon beide voll!" — „Dachte ich mir's nicht!" schluchzte die Mutter, „unser Kind ist so gern zu frieden, es muß ihnt etwas anderes fehlen." Der Bräutigam sprach: „Dann gehe nach Hause, leere sie aus und komm wieder, dann bekomntst,i)u mehr." Da schrie das Kind noch viel ärger: „Ich war ja schon drei mal zu Hause." — „Nein, das ist es auch noch nicht, unser Kind ist so bald zufriedengestellt, Kindeshand ist bald ge füllt, es muß ihm etwas anderes fehlen," schluchzte die Mutter und weinte bittere Tränen. „Dann geh nach Hanse und komm noch einmal wieder," sprach der Bräutigam; doch da schrie das Kind wie verzweifelt: „Wenn ich wiederkomme, haben die andern alles gegessen." — „Wir heben dir alles aus und essen nichts mehr," sagte der Bräutigam, und da lachte das Kind ihn an und lief weg. Die Mutter rief aber: „Ach, es ist doch rührend, wie nnser Kind ein allzeit zufriedenes Gemüt hat!" — „Ja, das weiß der Himmel," sprach der Vater, „so gibt's keines mehr!"
I. W. Wolf.
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Menschenleben.
103. Das Raupenneft. I.
Eines Tages ging Henriette mit ihrer Mutter durch die Felder. Da sprang sie herum, pflückte Blumen, sah de» Bienen zu, die in den Blumen arbeiteten, den Ameisen, die von allen Seiten Lebensmittel zusammentrugen, hörte zu, wie die Vögel sangen, und freute sich immer, wenn sie etwas sah, das sie in der Stube nicht zu sehen bekam. Auf einmal blieb sie stehen und rief: „Mutter! Mutter! komm geschwind her und sieh, was da ist!" Die Mutter kam, und sieh! da war ein Nesselbusch, der ganz mit Nanpen bedeckt war. Schwarz sahen sic ans, und ihr Rücken war stachlig, auch waren zwischen den Stacheln grillte Streifen. „Soll ich die Raupen tot treten?" fragte Henriettchen. „Was fressen sie?" fragte die Mutter. „Nesseln
fressen sie," sagte Henriettchen. „Nun," fuhr die Mutter fort, „wenn sie Nesseln fressen, da tun sie keinen Schaden, da dürfen wir sie nicht tot treten. Ich will dir aber sagen, wie du dir mit den Raupen Freude machen kannst; nimm sie mit nach Hause und füttre sie!" „Ei, ja!" sagte Henriettchen, griff zu und wollte die Nessel abreißcn. Aber auf einmal zog sie die Hand zurück, verzog den Mund und wollte weinen. „Es brennt," sagte sie. „Freilich brennt die Nessel," sprach die Mutter, „mußt du denn aber deswegen weinen? kannst du denn die Nessel nicht abreißen, ohne daß sie dich brennt?" — „Nein," sagte Henriettchen, nnd die Tränen liefen ihr über die Backen. Da nahm die Mutter ein Schnupftuch, wickelte es um Henriettchens Hand und ließ sie nun die Nessel, auf der die Raupen saßen, abreißen. Da brannte sie nicht. II. Henriettchen trug nun die Nessel mit den Raupen nach Hanse. Die Mutter gab ihr ein großes Glas, steckte die Raupen mit der Nessel hinein und band über das Glas ein
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Papier, damit die Raupen nicht herausliefen. Da nun das Papier auf dem Glase war, fragte sie: „Ist nun alles gut?" — „Ja," sagte Hcnriettchen. „Nein," sagte die Mutter, „es ist noch nicht alles gut. Den Raupen fehlt die frische Luft. Wenn sie keine frische Lust haben, so müssen sie sterben." Darauf nahm die Mutter eine Gabel und stach viele Löcher in das Papier, daß frische Luft in das Glas kommen konnte. „Nun," sagte sie, „ist es gut." Henriette sah nun den Raupen zu, wie sie ein Blatt nach dem andern absraßen, und freute sich darüber. Den andern Tag verzehrte sie ihr Frühstück, eine Schale voll Erdbeeren nnd ein Stück Brot. Da alles aufgegessen war, sagte die Mutter: „Du hast von mir dein Frühstück bekommen; hast du denn aber deinen Raupen auch ihr Frühstück gegeben?" — „O !" sagte Hen riette, „die Raupen haben noch das ganze Glas voll Nesseln." — „Sieh sie an!" sagte die Mutter, „du wirst sehen, das; die Nesseln dürr sind. Dürre Nesseln können die armen Raupen nicht fressen. Da du die Gäste einmal angenommen hast, so mußt du ihnen alle Tage, wenn du dein Frühstück verzehrt hast, frische Nesseln holen." Dies tat nun Henriettchen und wickelte allemal ein Schnupftuch um die Hände, wenn sie eine Nessel abreiben wollte. III.
Fünf Tage hatte sie nun die Raupen gefüttert und ihnen zugesehen, wie sie ihr Futter verzehrten. Den sechsten Tag wollte sie ihnen auch Futter geben, aber da sie das Papier wegnehmen wollte, hatten sich alle Raupen gehängt. Mit den Hinterfüßen hatten sie sich angehängt, einige an das Papier, andere an das Glas. Geschwind lief Henriette zur Mutter, nahm sie bei der Hand und zog sie fort nach dem Glase, wo die Raupen sich gehängt hatten. — „Was ist denn das?" fragte sie, „meine Raupen haben sich ja alle gehängt!" Die Mutter lächelte und sagte: „Laß sie nur in Ruhe, sie werden dir noch manche Freude machen." Henriette gehorchte und machte ganz sanft das Papier über das Glas.
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Menschenleben.
Den folgenden Morgen lief sie geschwind wieder zu ihrem Glase. Da gab es wieder etwas Neues. Die Raupen waren alle ivcg, und es hingen lauter Dingerchen da, die eine kleine Krone auf dem Kopfe und ein Gesicht wie eine Puppe hatten. Sie lebten und bewegten sich hin und her. Henriette machte grosse Augen, schlug die Hände zusammen und wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Endlich rief sie: „Mutter! Mutter! komm geschwind her! lvas ist denn das? meine Raupen sind weg, und es hängen lauter solche Dingerchen da." Die Mutter lächelte und sagte: „Hab ich es dir nicht gesagt, daß dir die Raupen Freude machen würden? Sie habe» ihre Häute abgelegt, die du hier hängen siehst, und haben sich verwandelt in Dinge, die man Puppen nennt. Laß sie nur alle in Ruhe hängen und sieh alle Tage nach dem Glase! Vielleicht erblickst du bald ivieder etwas, das dir Freude macht."
IV. Es traf richtig ein. Nach einigen Wochen sah Henriette auch einmal nach dem Glase, in dem die Raupen waren, und hüpfte vor Freuden, als sie in das Glas gesehen hatte. „Mutter," rief sie, „komm geschwind her, da ist alles voll Schmetterlinge in dem Glase!" Die Mutter sah es, und da sie beide zusahen, erblickten sie ein neues Wunder. Ein Schmetterling, der in einer Puppe stak, drückte mit seinen Füßchen die Puppe voneinander und kroch heraus. Seine Flü gel waren ganz klein und zusammengerollt, wie ein Stück Papier. Er lief aber geschwind am Glase hinauf, hängte sich an das Papier, seine Flügel wuchsen, und nach einer Viertelstunde hingen sie vollkommen da. So ging es den ganzen Vormittag. Immer ein Schmetterling nach dem andern kroch aus seiner Puppe heraus. Nach Tische waren sie alle ausgekrochen. „Nun," sagte die Mutter, „kannst du dir noch eine Freude machen; nimm das Glas, trage es in den Garten, mach es aus und gib den Schmetterlingen die Freiheit!" Dies tat Henriettchen und freute sich herzlich, da sie sah, wie die Schmetterlinge herausflatterten und von einem Baume zum
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andern flogen. Wenn sie hernach im Garten heruinging und einen braunen Schmetterling mit schwarzen Flecken sah, freute sie sich allemal. Bist gewiß auch aus meinem Nanpenglase! dachte sie. Salzmann.
104. Ach, wer das doch könnte! 1. Gemäht sind die Felder, der Stoppelwind weht, Hoch droben in Lüften mein Drache nun steht; Die Rippen von Holze, der Leib von Papier, Zwei Ohren, ein Schwänzlein sind all seine Zier; Und ich denk: So drauf liegen Im sonnigen Strahl, Ach, wer das doch könnte Nur ein einzigesmal!
2. Da guckt ich dem Storch in das Sommernest dort: Guten Morgen, Frau Storchen, geht die Reise bald fort ? Ich blickt in die Häuser zum Schornstein hinein: Lieb Vater, lieb Mutter, wie seid ihr so klein! Tief unter mir säh ich Fluß, Hügel und Tal — Ach, wer das doch könnte Nur ein einzigesmal! 3. Und droben, gehoben, auf schwindelnder Bahn, Da faßt' ich die Wolken, die segelnden, an. Ich ließ mich besuchen von Schwalben und Krähn, Ich könnte die Lerchen, die singenden, sehn. Die Englein belauscht ich Im himmlischen Saal — Ach, wer das doch könnte Nur ein einzigesmal! Blüthgen.
105. Turnerlied. 1. Turner ziehn froh dahin. Wenn die Bäume schwellen grün; Wanderfahrt, streng und hart, Das ist Turnerart!
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Menschenleben.
Turnersinn ist wohlbestellt, Turnen, Wandern wohlgefällt: Darunr frei Turnerei Stets gepriesen sei!
2. Graut der Tag ins Gemach, Dann ist auch der Turner wach. Wird's dann hell, rasch und schnell Ist er auf der Stell, Wandert hin zum Sainmelort, Und dann zieh» die Turner fort. Darum frei Turnerei Hochgepriesen sei!
3. Arni in Arm, sonder Harm Wandert froh der Turnerschwarm; Weit und breit zieh» wir heut Bis zur Abendzeit; Und der Turner klaget nie. Scheuet nimmer Wandermüh; Darum frei Turnerei Hochgepriesen sei! 4. Sturmesbraus, Wettergraus Hält den Turner nicht zu Haus. Frischer Mut wallt im Blut, Deucht ihm alles gut; Singt den lustgen Turnersang, Bleibet froh sein lebelang; Darum frei Turnerei Hochgepriesen sei! Maßmann.
106. Allerlei Spielplätze. Ernst und August, die beiden guten Freunde, hatten sich auf dem Fußboden der Stube eine große Schlacht auf gebaut — Bleisoldaten, Hereros und Kriegsschiffe hatten sie auf dem Fußboden ausgebreitet, unter dem Tisch war
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Afrika, and beim Ofen war Deutschland. Und nun sollte die Schlacht gerade losgehcn, als der Vater kam und mit ihn: zwei Herren, die ihn zu besuchen kamen. O weh, sie wußten gar nicht, wohin sie sollten; vorsichtig traten sie über Palmen, Offiziere und Festnngstürme hinweg; aber doch wurde ein Häuptling platt getreten und das große Kriegsschiff ein wenig gequetscht. Habe ich euch uicht schon ost gesagt, daß ihr nicht so viel Plah einnehmen sollt, schalt der Vater, nun räumt gleich eure Sachen vom Fuß boden stuf. Da flohen die Jungen mit ihren Soldaten ans den großen Tisch, zogen beide Klappen heraus und bauten alles von neuem auf. Aber dann kam die Mutter mit dem Abendbrot, die Kinder mußten wieder alles einräumen, und August mußte nach Hause gehn. Am nächsten Tage dachten sich die beiden Freunde ein neues Spiel aus. Oben auf dem Boden waren sie und bauten sich aus alten Kisten und Brettern und Tüchern eilte Festung und spielten Eroberung. Aber sie runtorten so gräßlich, daß die Frau, die oben im Hause wohnte, herauf kam und schimpfte und sie nach unten jagte. Ich weiß schon, sagte Ernst, wir gehen ans den Hof und schießen mit Pfeil und Bogen und verteilen Preise an die besten Schützen. Aber auf dem Hofe hing die weiße Wäsche, und die Mutter schalt, daß sie mit ihren Pfeilen die Laken und Tücher beschmutzten. Geht doch auf die Straße, sagte sie, die andern spielen auch alle draußen. Und richtig, auf der Straße gab es ein prächtiges Spiel. Sie ließen Drachen steigen, Ernst schenkte auf, und August lief mit dem Bindfaden in der Hand die Straße entlang. Das war sehr lustig. Aber da winkte ein Nachbar, der in Hemdärmeln am Fenster saß und in der Zeitung las, und rief: He, ihr Jungens, da kommt ein Schutzmann! da machten sie, daß sie fortkamen, denn sie wußten wohl, daß sie in ihrer Straße, wo Telephondrähte kreuz und quer gezogen waren, keine Drachen durften steigen lassen. Da nahm August seinen Freund mit sich in ihren Hessel. Lesebuch 2. 11. Ausl.
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Menschenleben.
hübschen Garten und sing mit ihm ein lustiges Kriegen spiel an. In der Laube war das Mal, und nun ging's in wilder Jagd um die Rasenplätze und um die Beete herum. Und die Ränder wurden abgetreten und einige Sträucher und Blumen arg geknickt. Kann man sich da wundern, daß der Vater, der drauf zukam, beide mit Scheltworten hinaus jagte? — Nun sind sie zum Spielplatz hinausgezogcn, mit allen Knaben, die in ihrer Straste wohnen, und einen dicken Lederball haben sie mitgenommen. Und dann wurde der Ball hoch in die Luft geschleudert, hinüber und herüber flog er, und die Jungen liefen mit roten Backen über den weiten Grasplatz und spielten bis zum Dunkelwerden. Dann gingen sie fröhlich nach Haus. Gansberg.
107. Drei kleine Schiffersleute. 1. Die Und Gar
Drei kleine Schiffersleute, kamen an den Strand schauen nach dem Kahne fröhlich, unverwandt.
2. Drei kleine Schiftersleute, Die sitzen träumend dort. Der Wind bläst in die Segel, Und's Kähnchen, das schwimmt fort.
3. Drei kleine Schisfersleute Ziehn Schuh und Strümpfe aus Und waten und langen und suchen Und kommen leer nach Haus.
4. Drei kleine Schiffersleute, Die wurden klug zum Glück Und binden ihr liebes Kähnchen Fortan an einen Strick. Unbekannt.
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108. Hirtenknabe. 1. Eben, wann der Morgen graut, Noch in aller Frühe Treib ich täglich auf die Alp, Täglich meine Kühe.
2. Und die Vögel singen dann Mir die schönsten Lieder, Und zur Antwort sing ich dann Ihnen freundlich wieder.
3. Wollen meine Kühe nicht Mehr zu Mittag grasen, Ruhen wir im Schatten aus Auf dem kühlen Rasen. 4. Und ich Unter dunkeln Schmetterlinge Vor mir ihren
halte dann mein Mahl Zweigen. tanzen dann Reigen.
5. Abends treib ich dann hinab, Lustig wie am Morgen, Und so lebt der Hirtenknab Täglich ohne Sorgen. Hoffmann von Fallersleben.
109. Mein Lämmchen. 1. Das Das Tut
Ich hab ein Lämmchen, weiß wie Schnee, geht auf grüner Weide, ist so fromm, das ist so gut, keinem was zu leide
2. Und suchet sich die Blümchen aus, Die gelben und die weißen, Den Quendel und den Thymian, Und wie die Kräuter heißen. 3. Und wenn's genug gefressen hat Und will nicht weiter grasen,
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Menschenleben. So lagert's sich ant Erlenstrauch Wohl auf dem kühlen Nasen. 4. Und wenn der Hirt nach Hanse treibt, Kommt auch mein Lämmchen wieder, Dann hüpft es in den Stall hinein Und blökt und legt sich nieder. 5. Dem Lämmchen bin ich gar zu gut, Dem Lämmchen auf der Weide, Und wer ihm was zu leide tut, Tut mir auch was zu leide.
Hoffmann von Fallersleben.
110. Der Jäger aus Kurpfalz. 1. Ein Jäger aus Kurpfalz, Der reitet durch den grünen Wald; Er schießt das Wild daher, Gleich wie es ihm gefallt! In ja, ju ja! Gar lustig ist die Jägerei Allhier auf grüner Heid!
2. Auf, sattelt mir mein Pferd, Und legt darauf mein Mantelsack, Ich reite wiederum her Als Jäger aus Kurpfalz. Ju ja, ju ja! Gar lustig ist die Jägerei Allhier auf grüner Heid! 3. Jetzt geh ich nicht mehr heim. Bis daß der Kuckuck kuckuck schreit; Er schreit die ganze Nacht Allhier auf grüner Heid. Ju ja, ju ja! Gar lustig ist die Jägerei Allhier auf grüner Heid!
Volkslied.
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Nummer HO bis 113.
111. Der Schütz. 1. Mit dem Pfeil, dem Bogen Durch Gebirg und Klüfte Herrscht der Schütze frei. Durch Gebirg und Tal Kommt der Schütz gezogen 3. Ihm gehört das Weite; Früh im Morgenstrahl. Was sein Pfeil erreicht, Das ist seine Beute, 2. Wie im Reich der Lüfte Was da fleugt und kreucht. König ist der Weih, Schiller.
112. Der gute Kamerad. 1. Ich hatt einen Kameraden, Einen bessern findst dn nit. Die Trommel schlug zum Streite, Er ging an meiner Seite, In gleichem Schritt und Tritt.
2. Eine Kugel kam geflogen, Gilt's mir oder gilt es dir? Ihn hat es weggerissen, Er liegt mir vor den Füßen, Als wär's ein Stück von mir.
3. Will mir die Hand noch reiche», Derweil ich eben lad. Kann dir die Hand nicht geben, Bleib du im ewgen Leben Mein guter Kamerad! Uhland.
113. Müllers Wanderschaft. 1. Das Wandern ist des Müllers Lust, das Wandern! Das muß ein schlechter Müller sein, Dem niemals fiel das Wandern ein — das Wandern. 2. Vom Wasser haben wir's gelernt, vom Wasser! Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht, Ist stets auf Wanderschaft bedacht — das Wasser. 3. Das sehn wir auch den Rädern ab, den Rädern, Die gar nicht gerne stille stehn, Die sich mein Tag nicht müde drehn — die Näder.
4. Die Steine selbst, so schwer sie sind, die Steine, Sie tanzen mit den muntern Reihn Und wollen gar noch schneller sein — die Steine.
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6. O Wandern, Wandern, meine Lust, o Wandern! Herr Meister und Frau Meisterin, Laßt mich in Frieden weiter ziehn — und wandern! W. Müller.
114. Der Tag eines Bäckerlehrlings. Früh um zwei Uhr weckt mich der Wächter. Ich kleide mich schnell an, wasche mich sauber und mache den Teig. Unterdessen haben Meister und Geselle Zucker und Salz abgewogen. Wenn der Teig fertig ist, werden Franz-, Hefen- und Kaiserbrötchen gemacht. Dann geht es an den Backofen, und die Brötchen werden gebacken, ich streiche sie und packe sie vorsichtig in den Korb. Unterdessen ist eS fünf Uhr, und ich trage das Frühstück in 32 Häuser, trepp auf, treppab. Wenn ich mich verspätet habe, wird die Haus frau unwillig und zänkisch. Wenn ich nach Hause komme, wird das Brot gebacken. Nun ist es zwölf Uhr mittags, und ich esse Mittagsbrot und lege mich zu Bett. Abends um acht Uhr stehe ich auf und mache das Hefenstück und den Sauerteig. Dann ist der Tag zu Ende. Otto.
115. Puppendoktor. 1. Ach, Herr Doktor, sehn Sie nur, Was dem Kind mag fehlen; Bon Appetit auch keine Spur! — Muß den Puls mal zählen. Hat sie abends nicht zu spät Bor der Tür gesessen Oder gar — wie das so geht — Mal zuviel gegessen?
2. Und der kleine Doktorsmann Zieht die Uhr gewichtig. Faßt die Hand der Kranken dann. Zählt und nickt: 's ist richtig!
Nummer 114 bis 116. Angstvoll Auf des Auf ihr Ach, wie
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schaut das Mütterlein Doktors Brille, krankes Kindchen klein, liegt's so stille!
3. Hei, das ist ein schlimmer Fall, Meine Liebe, Gute, Denn der Puls geht allzumal Sechzig die Minute. Nur zu Bette mit dem Kind; Pst! wirst doch nicht weinen! Und ich schreibe ganz geschwind Ein Rezept der Kleinen. 4. Dreimal in Kamillenthee Die Patientin baden Hilft für alles Übelweh, Heilet allen Schaden. Schreit sie dabei weh und ach, Macht euch keine Sorgen; Sehe nächstens wieder nach, Wünsche guten Morgen!
Gült.
116. Wie Lieschen im Laden aufpassen mutz. Zu Hause war die Schneiderin, und Lieschen mußte für die Mutter ein Meter Litze holen. Guten Tag, sagte Frau Schmidt, die hinter dem Ladentisch stand und allerlei Zeug wegräumte; würdest du wohl so gut sein und einen Augen blick aufpassen; ich muß ganz notwendig mal nach meinem Eßtopfe ausschauen, sonst kriegen wir heute mittag gar nichts zu essen. O, das ließ sich Lieschen nicht zweimal sagen, und sie mochte die Tante auch gern leiden. Hier hast du auch ein Buch zu besehn, damit du keine Langeweile hast; und wenn jemand kommt, so mußt du mich eben rufen. Nur fünf Minuten, dann komme ich wieder, sagte Frau Schmidt und ging. Ach nein, Langeweile hatte Lieschen nicht. Im Laden gibt es ja so viel zu sehen, die kleinen
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Menschenleben.
Sachen, die unter der Glasscheibe auf dem Ladentisch liegen: Fingerhüte, Ringe, Nadelkissen, kleine Flaschen, die herr lich duften, in niedlichen kleinen Schachteln, Gürtel und Bänder, lederne Taschen und seidene Beutel. Und was für hübsches Zeug in den Schränken ausgestellt war! Da waren Hauben für kleine Kinder, da hingen allerlei Schürzen, Schürzen mit Spihen und Schürzen mit Taschen; da waren auch bunte Decken, die aufs Sofa und auf den Tisch ge legt werden, wenn's zu Hause Gesellschaft gibt. — Ei, wie fein ist so ein Laden! Auch kann inan sich hinter das Schaufenster stellen, und vielleicht stehen ivohl Leute davor und besehen sich die ausgelegten Sachen. Ach, wenn doch nur jemand käme! Endlich kam jemand, kling! ging die Ladentür, und herein kam die Mutter. Aber Da kam auch Frau Schmidt und sagte zur Mutter, sie möchte nur nicht böse sein. Und Lieschen durfte noch bleiben, und Die Tante schenkte ihr noch Puppeuzeug. Gansberg.
117. Die Betten auf dem Hofe. Schönes, warmes Wetter war es geworden. Die Fenster standen weit offen, und ein leiser Wind bewegte Die Gar dinen. Da waren auch schon die ersten Fliegen, sie summten und schossen in der Luft hin und her. Im Hofe blühten die kleinen Sträucher, und aus jedem kleinen Fleckchen Erde wuchs etwas heraus. Auf dem Hofe sah es schlimm aus. Da hingen und standen und lagen die Betten — dicke, rote Kopf kissen über den Zeugleinen, die hohen viereckigen Rahmen an der Wand. Bei einem konnte man die Unterseite sehen und die vielen Sprungfedern, die darin saßen. Ja, das glaub ich, das soll schön weich sein. Die können ja ganz zusammengedrückt werden; aber man muß sie fcsthalten, sonst springen sie gleich wieder auseinander. Ei, das wäre ein schönes Spielzeug, dachte Willi, der mit der Uhle (Besen) darin herumbürstete, gut für ein Gewehr oder eine Kanone. Wenn er nur eine ausschneiden dürfte! Aber das hätte die Mutter nicht erlaubt. Die stand mit einem Rohr-
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stock bei dem nächsten Nahmen nnd klopfte die Oberseite ans, das dicke, rotgestrcifte Zeng, das so ganz über Oen Nahmen mit den Sprungfedern herübergezogen ist. Sieh mal, Willi, sagte sie, als der nächste Rahinen an die Reihe kam, wie ihr diesen zngerichtet habt! — O weh, wie sah der aus! Alle anderen waren glatt wie ein Tisch, aber dieser war bald hoch, bald nieorig, er hatte Berge und Täler. Da waren eben die Sprungfedern los. Man konnte sogar fühlen, wo sie losgesprungcn waren, denn da drückten sie ins Zeug hinein. Ja, eine hatte sich schon ganz durch das Zeug gebohrt, und die Kinoer hätten sich daran noch weh tun können. Das wäre ihnen aber auch recht gewesen, denn sie hatten ja den Rahmen ruiniert, sie hatten zuviel drauf rum getrampelt, wohl gar im Bett Kopfheister geschossen. — Am Nachmittage kam denn auch der Sattler, nnd Willi war die ganze Zeit bei ihm ans dem Hofe. Er sah, wie das alte, zerrissene Zeug ritsch ratsch herunter gerissen wurde, er sah, wie die Sprungfedern mit starken Bindfäden wieder fest znsammengezogen wurden, und wie endlich neues, festes Zeug mit einer starken Nadel auf dem Rahmen festgenäht wurde. — Spät am Abend war die Kammer fertig. Tie Betten hatten reine Überzüge bekom men, auf der Erde lagen die ausgeklopften Fußdecken, und Spiegel und Bilder waren sauber abgewischt. Da schlief es sich noch einmal so gut. Gansberg.
118. Jnrik bei den Wölfen. Tie angenehmste Erinnerung aus meiner Kindheit knüpft sich an die Abenstunden, wo die Lichter angezündet waren, und die kleine Schwester schlief. Dann fand die Mutter Ruhe, sich mit ihrem Strickstrumpf zu uns zu setzen, und wir plauderten von allem, was uns einfiel. Am liebsten war's uns, wenn die Mutter was erzählte, namentlich von ihrer fernen russischen Hei mat, die wir auch als die unsrige betrachteten, von jenem abgelegenen Küstenlande mit seinen dunklen Wäldern und-
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schimmernden Wiesenslächen, mit seinen frischen Quellen und ewigen Morästen, durchirrt von Elentieren, Bären, Wölfen, wo auch die Großeltern hausten und zahlreiche liebe Verwandte unserer dachten, und wohin wir selbst auch bald zurück sollten. Die wilden Bestien waren jedoch das beste, und nament lich wußte meine Mutter von Wölfen sehr spannend zu be richten. Ob sie auch Kinder fräßen, fragten wir, und es erfolgte nachstehende wahre Geschichte, denn mit Märchen ließ die Erzählerin sich nie ein. Es war einmal ein kleiner Junge, der war vier Jahre alt und hieß Jnrik. Seine Eltern waren Bauersleute und wohnten in einem abgelegenen Walddorfe. Der Jnrik war aber nicht so angezogen wie die Lotzdorfer Bauernjungen; er hatte nichts ant Leibe als ein kurzes Hemd von grober Leinwand. Nun traf sich's, daß die Mutter Piroggen ge backen hatte, das sind kleine runde oder viereckige Kuchen von Brotteig, gefüllt mit Sauerkraut oder auch mit Möhren brei, wie sie die Leute dort zu Lande lieben. Von diesen Piroggen band die Mutter welche in ein Tuch, gab es dem kleinen Jnrik in die Hand und sagte: „Geh, bring's dem Vater aus das Feld, aber eile dich, damit er's warm kriegt."
Der Kleine faßte den Knoten des Tuches fest und sprang wohlgemut in seinem Hemdchen davon. Er mußte aber durch-einen großen Wald laufen, wo viele Erdbeereit standen, doch weil ihm die Mutter gesagt hatte, daß er sich eilen sollte, so rührte er keine an und kam bald zu seinem Vater. Der ruhte im Schatten ant Rande des Wal des, an den sein Feld stieß. Er ruhte von der Arbeit und wollte eben sein Vesperbrot, die mitgebrachte saure Milch verzehren, als Jnrik bei ihm anlangte. Da freute sich der Vater über den Kleinen und über die Piroggen, ließ ihn neben sich niedersitzen und gab ihm auch davon. Das war eine hübsche Geschichte, sagte mein Bruder, und er wollte auch „Perücken" essen. Aber die Mutter be-
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deutete ihm, die Geschichte sei ja noch nicht zu Ende, und er zählte weiter: Als nun die Feldarbeit wieder anging, machte sich der Jnrik auf den Rückweg, und da er keine Eile hatte, pflückte er von den schönen roten Erdbeeren, die am Wege standen. Die schmeckten ihm so süß und immer süßer, je mehr er davon aß, daß er endlich an nichts anderes dachte, als an die Erdbeeren, und je nachdem sie wuchsen, immer tiefer in den Wald lief. Da er nun satt war, pflückte er auch noch ein Sträußchen für die Mutter und wollte dann zurückgehen auf den Weg. Aber er hatte die Richtung ver fehlt und geriet in dichtes Gestrüpp, aus dem er sich nicht mehr herausfinden konnte. Ta wurde er ängstlich und irrte mit seinem Erdbeersträußchen kreuz und quer und stundenlang umher, bis seine kleinen nackten Füßchen von Dornen zerrissen, und er so müde war, daß er nicht weiter konnte. So setzte er sich denn weinend unter eine alte Fichte, und traurig und erschöpft wie er war, sangen ihn die Drosseln bald in Schlaf. Er hatte sich nur etwas ausruhen wollen und dann weiter gehen, aber er schlief so fest und lange, daß, als er endlich erwachte, der Nachtwind bereits die Wipfel der Bir ken wiegte. Da fing der arme Junge bitterlich zu weinen an und rief laut nach seiner Mutter, die ihn freilich nicht hören konnte. Aber ein paar schärfere Ohren hörten ihn. Es war ein Morast in der Nähe, in dessen Mitte eine alte Wölfin auf dem Lager lag. Die hörte den Hilferuf des kleinen Jnrik, streifte ihre Jungen von sich ab, erhob sich und zog leichten Schrittes mit hohlem Leibe über den bruchi gen Boden hin. Plötzlich fühlte der jammernde Knabe sich von einer kräftigen Tatze zu Boden gestreckt und war fast des Todes, als er die glühenden Augen des Raubtieres dicht an den seinigen erblickte. Die Wölfin beschnupperte den Knaben, der in seiner Angst still wie ein Toter dalag. Dann faßte sie ihn mit scharfen Zähnen bei seinem Hemd chen und trat den Rückzug mit ihm an.
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Menschenleben.
Eilig ging's nun fort über Stock und Mock, durch dick und dünn. Halb trug die Wölfin den geraubten Knaben, halb trieb sie ihn durch Peitschen mit ihrem dicken Schwanz« zum Selbcrlausen an. Endlich legte sie ihn zwischen drei kleinen Wölfen mit breiten Köpfen und kurzen Schwänzen auf ihr Lager nieder und leckte seine Füße, während die Kleinen mit ausgelassener Freude kreuz und quer über ihn wegkrochen. Wahrscheinlich sollten sie noch etwas mit ihm spielen, ehe er gefressen würde, aber Jnrik hatte dazu wenig Lust, kaum wußte er, was mit ihm vorging. Da knackte es in den dürren Ästen, die auf dem Morast zerstreut umherlagen, die Wölfin spitzte die Ohren, fuhr auf und schoß einem großen schwarzen Hunde entgegen. Unter Geheul und Bellen entspann sich nun ein fürchterlicher Kampf: Hund und Wolf hatten sich gegenseitig gepackt, rissen sich nieder und wälzten sich blutend im Morast, daß das Gewässer hoch ausspritzte. Indes wurden Männerstimmen laut, und Bauern mit Äxten eilten herbei. Jnriks Vater war, geängstet über das Verschwinden seines Kindes, mit Nachbarn und Hunden ausgezogen und hatte schon seit Stunden den Wald durchsucht. Jetzt allen übrigen voran, schlug er den Wolf tot. Der muß hier sein Nest haben, sagten die Männer und begaben sich ans Suchen. Da fand man das halbnackte Kind mit seinem Erdbeersträußchen in der Hand wie tot unter den kleinen Wölfen, die ihre dicken Köpfe ängstlich anein ander gedrückt hatten. Der Vater riß sein Söhnchen an sich, schloß es ans Herz und fing laut an zu jammern, denn er dachte, daß es tot wäre. Aber Jnrik schlug bald die Augen auf, klammerte seine Ärmchen um den Hals des Vaters und sagte weiter nichts als: Ein großer Hund hat Jnrik gebissen! Tie jungen Wölfe aber verkaufte man dem Gutsherrn, der seine Freude daran hatte und sie als Kettenhunde großzvg. Kügelgen.
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Nummer 118 bis 120.
119. Erddeerliedchen. 1. Ein Mägdlein an des Felsen Rand Ein nacktes Erdbeersträuchlein fand, Von Sturm und Regengüssen Zerzaust und losgerissen. Da sprach das Mägdlein leise: „Du arme, nackte Waise, Komm mit mir in das Gärtchen mein, Du sollst mir wie ein Kindlein sein!"
2. Und Und Ein Und Mit Und Und
Drauf macht cs wohl die Würzlein los trug das Pfläuzchen in dem Schoß spähte still und wonnig Plätzchen kühl und sonnig wühlte in der Erde emsiger Gebärde pflanzte nun das Pflänzchen drein sprach: „Das soll dein Bettchen sein."
3. Und als die Frühlingszeit erschien. Begann das Pflänzchen schon zu blühn. Wie sieben weiße Sterne; Das sah das Mägdlein gerne. Die wurden sieben Beeren, Als ob's Rubinen wären. „Gelt," sprach's, „es will nun dankbar sein Und meint, ich sei sein Mütterlein." Krummacher.
120. Wie die Jungfer Köchin in Dienst genommen wird. 1. Jungfer Köchin, kann Sic kochen? Will Sie mal examinieren. „Ja, ich kann's und zwar mit Feuer, Dürsen's dreist mit mir probieren!" 2. Nun, ivas kocht Sie mir zum Frühstück Und zuin Mittag für mein Püppchen?
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Menschenleben.
„Morgens Milchkaffee und mittags Süßes Schokoladensüppchen." 3. Und wie braut Sie denn den Kaffee, Daß ihn loben alle Gäste? „Nehm zum Kaffee warmes Wasser, Milch und Zucker tun das Beste." 4. Doch wie macht das Mittagstränkchen Sie für mich und meine Lieben? „Tu in Milch viel Zucker und viel Schokolade, fein gerieben." 5. Und wie macht Sie, Jungfer Köchin, Einen guten Sonntagsbraten? „Das versteh ich aus dem Grunde Und ist stets mir gut geraten." 6. Aber wie? weiß in der Küche Sie zu führen Spieß und Messer? „Ungern mach ich heißen Braten, Kalter Braten schmeckt viel besser."
7. Und wie wird der zubereitet? Möcht ihn wohl einmal versuchen! „Apfelscheiben, dünn geschnitten, Zucker, Zimt und Pfefferkuchen." 8. Und wie macht Sie eine Mehlspeis? Wird's doch wissen, wie ich hoffe. „Zu 'ner guten Mehlspeis nimmt man Ganz genau dieselben Stoffe."
9. Gut! so will iit meinem Dienste Jch's einmal mit Ihr probieren! „Dank schön, und Sie sollen prächtig Durch mich schue — schnu — schnabulieren." Löwenstein.
Nummer 120 und 121.
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121. In der Kellerwohnung. „Guschen Möller wohnt int Keller! Guschen Möller wohnt im Keller!" Das sang ich den ganzen Tag, als ich zu Möllers ging. Guschen Möller hatte mich zu ihrem Geburtstage eingeladen. Wir kriegten da Schokolade zu trinken, und nachher guckten wir aus dem Kellerfenster. Es kam mir vor, als wenn es schon Abend wäre, aber draußen war es doch ganz hell gewesen. Es mußte daher kommen, weil das Kellerfenster halb in dem Kellerloch war iitib nur oben einen ganz schmalen hclleit Rand hatte, >vo man atif die Straße sehen konnte. Herr Möller ist ein Schuster, und Frau Möller nimmt Zeug zuin Mangeln ait. Hinter dem kleinen Laden in einer Stube stand die große Mangel, und weiter war gar nichts in der Stube. Nicht 'mal ein Fenster war da. Sie brennen da Tag und Nacht Licht, sagt Guschen. An der Decke hängt eine Petroleumlampe. Es ivar aber doch ziemlich dunkel da; oie Wände hatten keine Tapeten, sie sahen so dunkelgrau aus und in den Ecken beinahe schwarz. An einigen Stellen saß etwas Weißes darauf, wie Salz ungefähr. Guschen sagte, das täte nichts, das wäre Salpeter, sagte ihr Papa, aber ich mochte nicht gern in der Mangelstube sein. Wir gingen wieder in die Wohn stube. Sie roch ganz nach Leder, wie der Laden. „Komm auf die Fensterbank!" sagte Guschen Möller. In deut Keller loch sah es ganz dunkel aus, da krochen ein paar ganz kleine platte runde Tiere herum. „I gilt!" sagte ich. Guschen Möller lachte mich aus. „Das sind bloß 'n paar Kelleresel, die tun einem nichts." Über das Kellerloch war ein eisernes Gitter gedeckt, dadurch wurde es noch dunkler in der Kellerstube.
„Paß auf! da kommen Leute!" sagte Guschen. Aber ich sah keine Leute, ich sah nur Beine und Stiefel, die da vorbeigingen. Wir fingen an zu raten, wem die Stiefel wohl zugehörten, die vorbeikamen. Guschen konnte das viel besser als ich. „Das ist ein Arbeiter, der hat Strapazierstiefel an.
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Menschenleben.
Solche macht mein Papa auch nach Maß. Das ist eine feine Dame. Sie hat seine, hohe Knopfstiefel, ganz neue sogar, die Sohlen sind noch hell. Und sie trägt einen seidenen Unterrock bei dem Regenwetter! Der kleine Junge hat zwei Riester auf jedem Stiefel, der ist gewiß 'n Rietenspliet. Guck, da kommt eine alte Mutter mit Tuchstiefeln mit breiten Schnauzen! Die hat gewiß Leichdörner. Ach, die kleine Holtentüffeldirn! Was die klappert! Das spritzt ordent lich, wo die hintritt!" So sah Guschen ganze Menschen laufen, wo ich nur Füße und ein klein Stück Rock oder Hose oder Strumpf sehen konnte.
„Das hat Großmutter mich gelehrt," sagte Guschen vergnügt, „Großmutter war lahm und saß immer auf der Fensterbank, bis sie gestorben ist." Manchmal sah ich neben den Füßen auch einen Spazier stock. Er tippte auf das nasse Pflaster. Und zwischen den Füßen konnte ich auch den Fahrweg sehen, da trabten braune Pferdebeine, und Räder von den Wagen drehten sich. Zweimal stellte sich jemand auf das Fenstergitter und guckte herunter. Einmal war es ein Junge. Er warf eine Handvoll Grand gegen unser Fenster, und wir streckten ihm die Zunge heraus. Das zweitemal war es ein niedlicher graugelber Hund mit einem runden Kopf und großen braunen Augen. Er hatte krauses Haar und stand da, als wenn er uns etwas sagen wollte. Ich sah seinen Schwanz wedeln. Wir nickten ihm zu, und er streckte traurig den Hals und heulte ein bißchen.
Als Licht auf der Straße brannte, zogen sich helle Streifen über die nassen Steine. Wenn ein Wagen fuhr, rasselte das eiserne Gitter. Und der Schritt der Diele», vielen Füße tönte dumpf auf dem Pflaster.
„Großmutter hat mal gezählt, wieviel hier an einem Tag Vorbeigehen," sagte Guschen, „aber es waren solche Menge — ich hab es wieder vergessen." Ilse Frapan.
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Nummer 122.
122. Das Dachfenster. Heini mußte unterm Dach schlafen; dicht unter den Dachziegeln stand sein Bett, und wenn er abends schlafen ging, zog er sich halb in der Kammer bei den Eltern aus, und dann ging er in Hemd und Hose und Pantoffeln noch eine Treppe auf den Boden. Da schlief er ganz allein. Er war nicht bange. — Wer sollte ihm denn was tun? Die Diebe können doch nicht durchs Dachfenster hereinspazieren, Gespenster gibt es nicht, und die Katzen, die wohl mal auf dem Dach herumtappelten, die hatten so weiche Füße, daß er sie kaum hören konnte. Ja, dunkel war es auf dem Boden, so dunkel, daß man die Kisten und Kasten nicht mehr sehen konnte und mit den Händen in der Luft tasten mußte, wenn man über den Boden ging. Aber Heini konnte sich int Dunkeln gut zurechtfinden. — Da stand sein Bett, davor ein Stuhl, darauf legte er seine Hose, die Pantoffeln stellte er vors Bett — und dann hopste er ins Bett und zog die Decke bis hoch an die Ohren herauf. Nun kommt nur her, wenn ihr was wollt, ihr Natten und Mäuse! dachte er oft und lachte. Und dann lag er still und lauschte auf ein Geräusch. Hör, da unten fährt ein Wagen, nun hält er still, klapp, fliegt die Wagentür zu, kling, geht die Haustür. Da ist jemand gekommen, wohl noch spät von der Bahn. Und der Wagen biegt um, langsam, langsam, daß er die Wendung kriegt — nun poltert er schnell die Straße entlang — rrr! über den eisernen Kanaldeckel — nun immer schwächer — nm die Ecke — weg! Heini hatte sich so geübt zu hören, daß er gleich alles, was unten auf der Straße passierte, wußte. Er konnte hören, ob vor einem Wagen zwei Pferde waren oder eins, er konnte hören, ob der Mann, der da nuten ging, ein Schutzmann war oder ein Wanderer oder ein Laternenanstecker, er konnte hören, wenn es geschneit hatte, er konnte hören, wenn's sieben Uhr morgens war, über haupt, wenn es Morgen werden wollte, er konnte hören, daß die Mutter Wasser in den Kessel laufen ließ, ganz unten Hessel, Lesebuch 2. 11. Ausl.
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Menschenleben.
in der Küche, er konnte hören, ob die Mutter die Treppe heraufging oder hinunterging — ja, Heini hatte feine Ohren, er hatte Jndianerohren. Aber gut sehen konnte er auch — gerade über ihm war ja das Dachfenster, und da gab es immer etwas §11 sehen. Einmal sah ein wunderschöner, blanker Stern in sein Fenster hinein, der wechselte sogar mit feinen Farben, grün, rot, grün, rot, immer ganz schnell hintereinander. Als Heiln aber nach einer Zeit, wo er die Augell scholl zllgehabt hatte, den hübschen Stern sehen wollte, da war er gallz mit Rande von seinem Fenstercheu lind nur noch halb zu sehen. Aber andere (Sterne waren da, oft so stein, wie ein kleines Pünktchen, das man mit einer Nähnadelspipe ins Papier sticht. Einlllal ist auch ein Stern vom Himmel gefallen. Dann zogen Wolken über den Himmel nnb löschten alles aus. — Ja, so ein Dach fenster, so klein, nnb es geht gerade hinauf zum Himmel, und doch ist allerlei dadurch zll sehen; wenn man nur geübte Augen hat. Es war Sonntag morgen, und die Straße war noch so still, auch die Wasserleitung hörte er noch nicht rauschen (das war immer sein Zeichen aufzustehen). Heini hörte das Läuten der Glocken. In den Dachziegeln pfiff der Wind, ei, das war eine feine Musik — hoch, tief, hoch, tief, unmer abwechselnd. Das ist der Stadtwind, sagte Heini, der kommt voll der Stadt und trägt das Glockengeläute über unser Dach weg. Wenn der Landwind übers Dach weht, so kann mall die Glocken nicht hören. Hoch in der Luft segelten die Wolken vor dem Winde her. Ein schwarzer Bogel flog darunter hin, ei, wie er sich tragen ließ, er rührte kaum die Flügel; nun wollte er umbiegen und gegen Wind nnb Wolken fliegen — hei, wie er umklappte, wie ein Fetzen schwarzes Papier — weg war er. — Ein Blatt kam an gesegelt. Es setzte sich auf sein Dachfenster. Es war ein grünes, noch ganz frisches, und wollte sich wohl ein wenig ausruhen. Ja, so geht's, sagte Heini, hättest nur auf deinem Zweiglein sitzen bleiben sollen! Wo es nur abgebrochen
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ist? dachte ör weiter; int Winter sitzen doch keine grünen Blätter mehr auf den Bäumen? Vielleicht hat es auf einer Blume gesessen, die in der Stube Hinterm Fenster stand; ein unvorsichtiges Kind hat es abgestoßen, dann wurde reingemacht, und der Wind trug es hinaus in die Luft. — Erzähl mir doch, wo willst du hin? — Aber der Wino
fing wieder an zu heulen — husch, war das Blättchen fort. Wie ivird's ihm gehn? — Eine Fliege setzte sich auf sein Fenster. Die wollte wohl herein; der Wind treibt sie ja vor sich her, daß sie sich nicht dagegen wehren kann. Wie er ihre Flügel hochklappte, als wollte er sie schott wieder weiterschleppeu. Aber sie hielt sich tüchtig fest — ach, die können sich festhalten, die können ja an den glatten Fenster scheiben in die Höhe laufen; ja, die können sogar an der Stubendecke laufen und fallen doch nicht herunter. Nun kam wieder der Wind — hui, klappten oie Flügel wieder hoch, wie die Mäntel und Röcke bei den Menschen. Aber die Fliege war nicht dumm — sie drehte sich gegen Den Wind, da mußte er ihre zarten Flügel in Ruhe lassen, und sie konnte sie sich mit den Hinterbeinen wieder glatt streichen, dafür konnte der Wind nun Sand und Staub in ihre dicken Augen wehen, — die Fliege kann ja ihre Augen nicht zumachen — aber die Fliege hatte es satt, sich so durchwehn zn lassen, sie kroch unter den Eisenrahmen vom Fenster und saß nun ganz still und geschützt. — Ein dicker Regentropfen klatschte auf das Fenster. Er kam so schnell angesegelt, daß er noch weit über das Glas hinglitschte und einen Heinen Strich über das Fenster zog. Ja, so, wie der Strich zeigt, so weht der Wind — der Regentropfen muß es doch wissen. Aber der Strich blieb nicht so — das Fenster war ja schräg, da lief in dem Strich eine dicke Kugel znsammen, daß er aussah genau wie ein Komma. Aber die Kugel wurde dicker und Dicker, und auf einmal bog der Tropfen ab und lief über die Glasscheibe, als liefe eine Träne über ein Gesicht, bis er am Rande verschwand. Ob er wohl bis in das Regenfaß hinunterkommt?
Menschenleben.
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Auf einmal hörte Heini die Wasserleitung rauschen. Ei, es ist Zeit! Heut ist es ja Sonntag, das ist fein! Und mit einem Satz war Heini aus dem Bett. Gansberg.
123. Zimmerspruch. Das neue Haus ist aufgericht, Gedeckt, gemauert ist es nicht, Noch können Regen und Sonnenschein Von oben und überall herein. 5
Drum rufen wir zum Meister der Welt, Er wolle von dem Himmelszelt Nur Heil und Segen gießen aus Hier über dieses offne Haus. Zu obeift woll er gut Gedeihn
10 In die Kornböden uns verleihn,
In In In In 15
die Stube Fleiß und Frömmigkeit, die Küche Maß und Reinlichkeit, den Stall Gesundheit allermeist, den Keller dem Wein einen guten Geist;
Die Fenster und Pforten woll er iveihn, Daß nichts Unseligs komm herein, Und daß ans dieser neuen Tür Bald fromme Kindlein springen für. Nun, Maurer, decket und mauert aus!
20 Der Segen Gottes ist im Haus.
Uhland.
124. Die Feuerwehr. Hurra! Hurra! die Feuerwehr! Eben war es noch so langweilig und still auf den Straßen, kein Wagen fuhr, wenig Menschen gingen, und nun auf einmal rasselt und klingelt und pfeift es daher, und alle Häuser werden lebendig. Aus den Fenstern strecken sich neugierige Gesichter, und aus den Läden laufen die Leute schnell vor die Tür, nm zu
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sehen, was da los ist. Ha, da kommt ein langer niedriger Wagen angerasselt. Zwei Reihen blanke Helme seh ich blitzen, die Glocke klingelt heftig — rr! ist der Wagen schon vorüber. Schwarz von Menschen ist die stille Straße. Woher kommen all die vielen Leute auf einmal? Woher kommen all die Jungens, die hinter dem Feuerwchrwagen herlaufen? „Wonehm is dat Füer?" — „Ick weet ook nich!" Alle Leute sehen sich um, drehen die Köpfe, recken die Hälse, sprechen miteinander. Sogar die Leute, die einander gar nicht kennen, fragen sich, wo das Feuer ist. Rrrr! wieder ein Wagen! Unter den blanken Helmen seh ich mutige Gesichter. Auf der Schulter trägt jeder Feuer wehrmann ein blankes Beil. Rrrr! ein Wagen mit lauter Spritzenschläuchen, aber es geht so schnell, ich kann nichts recht erkennen. Die Leute laufen alle, als ob jemand hinter ihnen her wäre! Sieh! ist nicht dort unten der Himmel rot? Oh, vielleicht ist das Feuer ganz nahe bei. Wirklich, dort seh ich auch dicken schwarzen Rauch aufsteigen über den Häusern, und rote Funken dazwischen! Jetzt bleib ich nicht länger hier stehen, jetzt lauf ich auch mit! Nein, Mutter, sei nicht bange, es ist ja Tag, und ich geh nicht ins dickste Gedränge, ich verspreche cs dir. Ilse Frapan.
125. Die glückliche Familie. Mutter, Mutter, rief der kleine Martin und kam atem los ins Stübchen gestürzt. Bitte, gib mir einen Nickel, ich möchte gerne die glückliche Familie sehen. — Wen möchtest du sehen? fragte die Mutter verwundert und strich ihrem Bübchen die Locken aus der heißen Stirn. Die glückliche Familie, wiederholte Martin. Draußen auf dem Anger steht ein niedliches Wagenhäuschen mit grünen Wänden und richtigen Fenstern, und die Leute daraus haben eine Bude aufgeschlagen, darin ist die glückliche Familie zu sehen, und der Seiltänzer Friedel zeigt sie. Max und Karl gehen auch hin, und ich möchte so gerne mit. — Warte ein Weilchen,
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sagte die Mutter, wenn ich mit der Arbeit fertig bin, gehe ich selbst mit dir, auch ich bin neugierig auf die glückliche Familie. Wie freute sich Martin! Während die Mutter fertig nähte, holte er geschäftig ihren Hut und Schirm herbei, und bald gingen sie zusammen nach dem Anger. — Richtig, da stand in großen Buchstaben an der Bude: Seiltänzer Friedels glückliche Familie! Sie bezahlten ihren Nickel und traten ein. Was gab es da zu sehen? Nicht etwa, wie Martin gedacht hatte, einen ganz absonderlichen Vater mit der Mutter und den Kindern, nein, da waren eine Menge zahmer Tiere beieinander, die auf Friedels Befehl die schönsten Kunststücke machten und trotz ihrer Abneigung sonst im Leben in der schönsten Einigkeit hier beieinander saßen. Sie wurden deshalb von ihrem Besitzer die glückliche Familie genannt. Nein, seht nur einmal, wie friedlich sie zusammen ver kehren! Auf Mirandas, der Angorakatze, Rücken hat sich Schnippt, die zahme Ratte, ein Plätzchen gesucht, während das Kanarienhänschen furchtlos von ihrem Kopf aus ein Liedchen singt. Ein anderes Vögelcin, ein Rotkehlchen, hat sich auf dem Schmuckerle, dem Meerschweinchen, nieder gelassen, und die Elstern und niedlichen weißen Mäuse ver gnügen sich dicht dabei. Oben aber ans dem Geländer sitzt die Eule und macht gar kein böses Gesicht, trotzdem die kleinen Vöglein um sie herumflattern. Dem kleinen Martin und seiner Mutter machten die zahmen Tiere, die auch ganz nah an sie herankamen, großen Spaß, und Martin tat es leid, als die Vorstellung zu Ende war. Helene Binder.
126. Nach Regen Sonnenschein. 1. Die Ziege. Mitten in der Nacht war die Kuh gestorben. Und der Doktor, der am Morgen kam und die tote Kuh untersuchte, sagte, sie hätte zu viel nasses Futter ge fressen. Das war nun schlimm, aber das Schlimmste war: die Kuh war nicht versichert gewesen. Und für das große
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tote Tier bekam der Vater nur so viel Geld, daß sie sich eine Ziege dafür anschaffen konnten.
O Mama, sagte ant andern Tage die kleine Liese und kam in die Küche au den steinernen Herd, wo die Mutter im dicken blauen Rauch das Essen kochte, o Mama, in unserm Stalle steht ein Tier, o wie sieht das aus, hat zwei Hörner und einen Bart und macht immer me-e-e-e-eck. — Ja, das soll nun deine Freundin werden, sagte die Mutter, komm, wir wollen sie mal in den Hof lassen. Und sie zogen das sonderbare graue Tier ait einem Strick aus dein Stall heraus und banden es int Hof unter den kleinen Pflaumen bäumen an einen Stock, den sie in die Erde steckten. Ja, das war ein lustiger Spielkamerad. Liese gab ihm ein Büschel Gras, aber sie zog gleich die Hand weg, als die Ziege mit dem Maul, das in einem fort schnupperte, zuschnappen wollte. Sie strich ihr über die struppigen Haare, sie lachte über den kurzen, wackeligen Schwanz, sie faßte sie an die Ohren, und die harten Füße der Ziege traten sie so gar einmal auf ihre Hände, als sie auf dem kleinen Grasplatz herumkroch. Ja, zuletzt wurde die Ziege ganz lustig, sprang bald mit den Vorderfüßen, bald mit den Hinterfüßen in die Höhe, riß auch so stark an dem Tau, daß der Stock aus der Erde herausfuhr. Und nun fing sie an, alles in dem Hofe durchzuschnüffeln, knabberte an dem Waschtrog, rieb ihre Hörner an einem Baumstamm und sah zuletzt neugierig durch das Fenster in die Küche hinein.
Liese, sagte die Mutter bei Tisch, du mußt nun heute nachmittag mit deiner Ziege spazieren gehn, und wo es an Wegen und Hecken und Gräben etwas Grünes gibt, da mußt du anhalten, da läßt du die Ziege fressen. Dein Bruder Heini, nein, der hat keine Zeit dazu, der hat ja nun eine Stelle angenommen als Gänsejunge. Da kriegt er jede Woche 50 Pfennig, und die können wir noch gut zu Hause gebrauchen. Und die Ziege ist doch ein nützliches Tier, und man muß doch auch etwas für sie tun. Nimm dich nur vor Terri in acht (das war der Hund
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Menschenleben.
beim Onkel Hufschmied), der macht so ein Tier mit seinem ekligen Gebell bange. Und nun gingen sie in den Stall, riefen Hibbel Hibbel (denn so nannten sie die Ziege), banden ihr das Tau um und führten sie auf den Weg, der nach dem Dorfe hinführte. Da fand die Ziege nun allerlei zu
fressen. Heute gab es etwas Rechtes auf dem Schmiedehose zu sehen. Auf dem Hofe stand ein Torfwagen, der ein neues Rad haben sollte, denn das alte war entzweigebrochen. Da mußte Liese hin und zusehen, wie der Onkel den glühend roten Eisenring um das hölzerne Rad legte und dann mit dem dicken Hammer festklopfte. Und sie ging doch hin — und Hibbel mußte mit. Sie kam auch gerade zur rechten Zeit; denn der Onkel hatte mit einem Bindfaden eine platte Eisenstange so weit abgemessen, daß sie gerade um das schöne weiße Rad herumpaßte. Ein Strich mit der roten Bleifeder, dann wurde die Stange von einer runden Säge durchgeschnitten. Rrrrr ging es, und der Eisenstaub spritzte herum. Aber die platte Stange wurde nun ins Feuer ge legt, als sollte sie gebraten werden. Und dann zog der kleine Lehrjunge an einer Kette, daß ein starker Wind kam und ins Feuer blies, bis die Funken davonstoben. O, das war lustig zu sehen, und Liese sprang ordentlich weg, daß die Funken sie nicht kriegen sollten. Zuletzt mußte sie selbst an der Kette ziehen, immer runter, immer runter — nach oben flog sie schon von selbst —, bis Onkel Schmied sagte, sie sollte das nicht, sie sollte nur auf ihre Ziege passen. O weh, die hatte sie ja ganz vergessen, und sie lief nach draußen und wäre fast über die Nagelkiste gefallen, die auf der Erde stand. Hibbel, Hibbel, wo bist du? rief sie und lief auf dem Hof in alle Ecken hinein. Aber von der Ziege war nichts zu sehn und zu hören. Sie lief ums Haus herum in den Garten, wo die weiße Wäsche im Grase lag, aber da war sie auch nicht. Sie lief auf den Weg, der !nach ihrenc Hause führte, nichts zu sehen. Sie lief bis an die Ecke und sah
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die Landstraße nach rechts und links hinunter — von der Ziege war nichts zu sehn, die Ziege war weg. Und Liese fing gräßlich an zu weinen. 2. Der Fernsprecher. Was fehlt dir denn? sagte ein Bauer, der auf der Landstraße daherkam, zu der weinen den Liese. Hibbel ist weggelaufen? Dann komm mal her. Und er faßte sie an und ging mit ihr nach Onkeh Schmied, denn er dachte, sie wohnte da. Aber der Onkel, der gerade den roten Ring um das Rad festklopfte, sagte: Nein, wir haben keine Ziege, die gehört Liese. Liese, du. hast nicht aufgepaßt, nun ist sie weg. — Ich glaube, sagte nun der alte Bauer auf einmal, ich glaube, die ist ge stohlen; mir sind eben zwei Zigeunerwagen begegnet, und die kleinen Pferde mußten laufen, was sie konnten. — O diese Spitzbuben, sagte der Onkel, aber die wollen wir schon kriegen, das soll einen Hauptspaß geben. — Der alte Bauer mußte weiter, aber der Onkel warf die Lederschürze weg, setzte seine Radfahrermütze auf, streifte die Ärmel über seine dicken, schwarzen Arme herunter und machte sich ge schwind auf den Weg zur Haltestelle. Er sprang vom Rad, dann in zwei Sätzen die Treppe zum Bahnhof hinauf und trat in die Wartehalle 1. und 2. Klasse. — Sieh, guten Tag, Meister! sagte der dicke Wirt, der hinter dem Tresen stand und die gebrauchten Gläser umspülte. Kriegt man Sie auch mal zu sehn? — Aber der Onkel fing gleich an zu erzählen. Und dann sagte Herr Kröger (so hieß der Wirt): dann will ich eben telephonieren, nahm die hölzernen Hörer von der Wand und hielt sie sich ans Ohr. Ach, sagte er, und nun sprach er in den kleinen Kasten, der in der Wand saß, hinein, was der Onkel ihm von den Zigeunern er zählt hatte. Eine Zeit horchte Herr Kröger in den Hörer hinein, dann hängte er die Hörer wieder an die Wand und sagte in aller Ruhe zu Onkel Schmied: Nun wollen wir sie wohl kriegen; morgen früh tönn en die Leute mal hingehen und sich bei der Polizei melden. Und er lachte über die dummen Zigeuner, und der
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Onkel lachte and). Aber Liese, die immer nock) auf dem Schmiedehof stand, weinte in einem fort und wischte sich mit den Händen durchs Gesicht, mib das war schon gerade so schwarz wie ihre kleinen Fuße, die in allem Dreck herumliefen. Die Mutter wußte gar nicht, was sie vor Schreck sagen sollte; aber der Onkel tröstete sie und sagte: Sie kriegen die Ziege wieder.
3. D ie Mühle. Wilhelm, ich glaube, wir stellen die Mühle ab, sagte der staubige Müller zu seinem Knecht, es steigt ganz schwarz übers Gehölz herauf. Ich glaube, wir kriegen ein Gewitter. — Das ist gut, dachte Wilhelm, diese Hitze ist ja nicht mehr zum Aushalten. Und er wischte sich mit seinem großen, roten Taschentuch die dicken Schweiß tropfen ab, die an seinen Haaren saßen. Er war nicht bange vor dem Gewitter; sie hatten ja eine hohe eiserne Stange mit einer goldenen Spitze oben auf der Mühle stehn; da konnte ihnen der Blitz nichts tun. Aber wenn die Mühle stille stand, dann brauchte er sich auch uicht mehr so zu quälen, immer die schweren Säcke Korn die Treppe hinauf schleppen, daß die Tritte knackten — das war kein Ver gnügen. Und nun ging Wilhelm nach oben, um die Flügel ab zustellen. Ganz fest zog er die Kette an, immer langsamer drehte sich der Balken, an dem die Flügel saßen, und er kreischte und weinte, und dann stand er still. So, dich haben wir jetzt, sagte Wilhelm und band die Kette fest, aber nun will ich mir erst das Gewitter ansehn. Und nun trat er aus einer kleinen Tür in die freie Luft hinein — ach nein, auf eine hölzerne Galerie hinaus, die rund um die Mühle herumging. Sieh, da sitzt es, sagte Wilhelm, da über dem Gehölz, ganz blau und schwarz, wie die Nacht. Hu, ein Blitz! — und er zählte 123456789 10 11 12, horch, da kollerte und donnerte es, immer stärker und stärker, und zuletzt bumste es über ihm, als wenn im Himmel wohl eine schwere Kiste um und um geschmissen würde. Hu, schon wieder ein
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Blitz — das wird ja ein schweres Gewitter. Da will ich nur geschwind laufen, daß ich nach unten komme. Wilhelm, rief der Müller von unten aus dem Hof herauf, Wilhelm, mach man schnell alle Fenster zu, das geht gleich los. Ich will eben den Wagen in das Schauer reinziehen. — Ja, — is gut. Und nun klappte Wilhelm die Tür hinter sich zu, schloß ab und rannte schnell von einem Boden nach dem andern und machte alle kleinen Luken und Fenster zu. Als er die letzte Treppe herunterkam, hörte er eine feine Stimme — me-e-e-ee-eck. Wilhelm blieb vor Erstaunen stehen. Da ging es wieder me-e-e-e-eck. O was ist das? Und er lief nach unten; da guckte ein kleines, braunes Gesicht um die Mehlsäcke, ein kleiner Bart, zwei lange Hörner und zwei abstehende Ohren. O eine Ziege, wo kommt die her? Aber er wußte Glicht, wem die gehörte, und er sperrte sie erst mal in den Stall und gab ihr etwas zu fressen. Dann ging er rasch über den Hof ins Wohnhaus, denn nun fielen große warme Regentropfen vom Himmel. 4. Die Kunstreiter. In der Stadt sollte in ein Paar Tagen ein großes Schützenfest gefeiert werden, und der Zirkus war schon unterwegs; zwei Wagen rollten auf der Landstraße, ein Wagen voll von allerlei Gerätschaften, ein Wagen voll von den Kunstreitern. In dem ersten Wagen waren Bretter, Leinenzeug, Bänke, Fahnen, Anzüge, eine Schaukel, bunte Reifen, Trompeten, eine dicke Trommel, spitze Hüte, Peitschen, rote und weiße Farbe, eine Orgel und ein großes, großes Bild von der Vorstellung. In dem zweiten Wagen stand ein Herd mit Topfen und Tellern. Da stand auch ein Sofa und ein Tisch davor, und an den Wänden standen Betten und Stühle und ein kleiner Schrank. In diesem Wagen waren die Frauen und kochten und strickten, und zwei Kinder spielten da, ein Junge und ein Mädchen, Kunstreiterkinder, die buntes Zeug anziehn und in der Vor stellung Kunststücke machen müssen. Die Männer aber gingen draußen mit der Peitsche in der Hand und trieben die Pferde an und paßten auf, daß die beiden kleinen Ponys,
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die hinten am Wagen angebunden waren, sich nicht los rissen. Was ist denn das für eine Wirtschaft! schrie auf ein mal der Mann vom vorderen Wagen. Wohl hundert Gänse watschelten auf der Landstraße und schnatterten und reckten die Hälse und zischten und liefen nach beiden Seiten auseinander, daß die Pferde sie nicht kriegten. Hu, wie sie wackelten und mit den Flügeln schlugen, um nur wegzukommen. Nur eine ganz dicke konnte nicht mitkommen, und der Kunstreiter klatschte ihr mit seiner langen Peitsche so wild um die Ohreu, daß sie deu Pferden gerade zwischen die Füße lief. Tie traten zu — und traten sie tot. Da hielten die schnellen Wagen au, und die Kunstreiter liefen hin, wo die Gans lag, schmutzig und voll Blut und tot. Ein Glück, daß kein Gänsejunge da ist, nur schnell fort damit! Und der Kunst reiter stieg auf die kleine Treppe, hinten an der Tür, reichte die tote Gans hinein und sagte: Hier, ein Sonntagsbraten! Und dann giug's wieder im Trab weiter auf der Landstraße. Nur immer vorwärts! sagte der erste Kunstreiter wieder zu dem zweiten, daß wir hinkommen, es gibt ein Gewitter, sieh nur, wie da die schwarzen Wolken hcraufkommen! Aber sie brauchten nicht mehr zu eilen, denn plötzlich sahen sie hohe Schornsteine, Türme und Dächer und Windmühlen und hohe Fabriken — das war die Stadt. Und nun ging's mit lustigem Hallo hinein, daß die Leute stehen blieben und die Kinder älle hinterherliefen.
Aber sieh, plötzlich kamen zwei Schutzleute über die Straße und sagten zu deu Kunstreitern, sie sollten doch mal stillhalten. — Ihr seid angezeigt, ihr hättet eine Ziege gestohlen, und nun müssen wir wohl mal eben revidieren. — Allein von einer Ziege war nichts zn finden; als sie aber das Bett aufmachten, fanden sie darin eine tote, schmutzige, blutige Gans. He, was ist denn das? fragten die Schutzleute, und nun mußte der erste Kunstreiter die Gans unter den Arm nehmen und mit nach dem Stadthaus.
5. Das Gewitter. Aber wohin gehörte die Gans?
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Ich will's erzählen. — In hem Dorfe, wo die kleine Liese wohnte, stand gleich neben der alten roten Kirche, von Efeu fast ganz zugedeckt, das Pastorenhaus. Dahin gehörte die Gans. — Doris, sagte die Frau Pastorin nnd trat in die Küche, wo die Dienstmagd das Geschirr putzte, Doris, wir kriegen Sonntag Besuch, und da wollen wir unsere dicke Lene schlachten. Sie kann doch nicht niehr laufen und wird uns am Ende noch krank. Laß sie nur gleich in die Küche herein, wenn sie heute Abend zu Hause koinmt!
Aber Lene kam nicht. Die andern waren schon alle im Dorf und patschten im Sandweg und machten, daß sie in ihre Höfe kamen; denn die Gewitterwolken waren nun ganz herangekommen, blau und schwarz wie die Nacht. — Aber Lene kam nicht. Du, Heini, sag mal, wo bleibt denn unsere Lene? fragte Doris nun den weißhaarigen Jungen, der mit einem Stock in der Hand die letzten Gänse vor sich hertrieb. — Js se noch nicht reinge gangen? sagte Heini erschrocken, denn weiß ich nich. — Aber die Frau Pastorin, die ihn von der Haustür her im Regen hatte stehen sehen, rief ihn ins Haus. Nun kam die ganze Geschichte an den Tag, nein, die halbe — daß Heini nicht gut aufgepaßt hatte. Er hatte an der Weser gespielt, bis er den schwachen Donner des Gewitters in der Ferne hörte. Da holte er seine Herde, die sich während der Zeit auf der Landstraße zerstreut hatte, zu sammen und trieb sie rasch ins Dorf hinein.
Nun fing die Frau Pastorin an zu schelten, und Heini weinte ganz laut, bis der Pastor mit einem Buche in der Hand aus der Stubentür trat und sagteLiebe Frau, du wirst doch jetzt nicht schelten; kommt in die Stube, das Gewitter steht gerade über uns, wir wollen beten. — In demselben Augenblick blitzte es, als wenn die ganze dunkle Hausflur im Feuer stände, und gleich hinterher prasselte der Donner wie Gewehrfeuer und Kanonendonner, daß die Erde bebte und die Fensterscheiben klirrten. Um Gottes willen, sagte der Pastor, und faltete die Hände, da hat
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es eingeschlagen! Doch nun brach auch ein Regen los, als sollte die ganze Erde weggcspült werden. Der Regen wusch nur so an den Fensterscheiben herunter, kaum konnte man noch recht die Bäume im Garten sehen; aber Heini, der nun nut in der dunklen Pastorenstube stehen mußte, sah doch, wie die Baumzweige sich bogen, wie das Regen wasser die Wege überschwemmte, und wie die Blätter hinter den Fenstern wild auf und ab schaukelten. Dazlvischcn fuhren immer noch helle Blitze hinein, und dann konnte man einen Augenblick weit, weit ins Dorf hincinschen wie am Hellen Tage.
Endlich wurde es wieder hell, der Regen wurde Iveniger, man konnte jetzt den ganzen Garten wieder deutlich sehen. Da lagen lvohl Zweige und Blätter auf den Wegen; aber sonst war noch alles gut gegangen; bald konnte schon das Fenster wieder aufgemacht werden, damit frische, kühle Regen luft in die heiße, dumpfige Stube hereinkam. — Nun fing auch der Herr Pastor mit dem unachtsamen Gänsejungen an, und wenn der Regen draußen aufhören wollte, so fing er in Heinis Gesicht wieder von neuem an. Aber der Pastor redete ihm freundlich zu und sagte, er solle nicht weinen und sich nun lieber eine recht, recht nützliche Arbeit aus suchen, um den Schaden wieder gutzumachen. — Und nun lauf zu, der Regen hat aufgehört, und deine Mutter wird sich schön ängstigen. Ja die arme Mutter, sie sing an zu weinen, als sie das neue Unglück hörte. Und das Schlimmste war, sie wußte nun, daß sie^zwei unachtsame, leichtsinnige Kinder hatte, auf die man sich nicht verlassen konnte.
6. Das Stadthaus. Am andern Morgen hielt der Müllerwagen vorm Hause, und der Müller trat mit einer Rechnung in die Stube und sagte zur Mutter, ob sie das wohl gelegentlich in Ordnung machen wollte, der letzte Beutel Mehl wäre noch nicht bezahlt. — Ach, du liebe Zeit, das ist ja wahr; ach, was wir doch alles haben! Und als der Müller sie verwundert ansah, fing sie an: Ach, denken Sie
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mal, wir haben vorgestern eine schöne Ziege gekriegt, und gestern haben uns die Zigeuner die Ziege schon wieder gestohlen. — Eine Ziege? sagte der Müller, Sie haben eine Ziege gehabt? — Ja, nun kam es heraus, daß die Ziege nicht gestohlen war, sondern daß sic ganz gemüt lich im Mühlenstall stand, und — der Müller hätte sie schon längst hergebracht, wenn er nur gewußt hätte, wem sie gehörte. Aber nun hatte die Mutter auch Mitleid mit den armen unschuldigen Zigeunern, die nun vielleicht ihretwegen im Ge fängnis sitzen mußten. Doch der Müller wußte guten Rat. — Wissen Sie was, Mutter, ich fahre jetzt ins Dorf nnd bringe Rechnungen herum. Nun ziehen Sie sich fix an, in einer halben Stunde bin ich wieder da, und dann fahren wir zusammen nach der Stadt. — Und das Mittagessen? — Ach was, der Vater kommt ja erst heute abend, und die Kinder können in der Mühle essen, wenn sie die Ziege holen. — Und so wurde es denn auch gemacht. Nur ging Liese allein nach der Mühle, und Heini stieg mit auf den Wagen, weil die Mutter ihm zu gleicher Zeit in der Stadt eine neue Mütze kaufen wollte. So kam Heini auch mit ins Stadthaus. Da hörten sie nun freilich, daß die Leute keine Zigeuner, sondern Kunstreiter gewesen wären; sie hätten auch keine Ziege gestohlen und wären nicht ins Gefängnis gekommen, sondern hätten nur 20 Mk. Strafe bezahlt, weil sie eine tote Gans, die auf der Landstraße gelegen hätte, für sich behalten hätten.
Eine Gans? sagte die Mutter ganz aufgeregt, Heini, dir ist doch eine weggekommen, so sprich doch und sag dem Herrn, wie sie ausgesehen hat! Und nun fing Heini an und sagte alles, was er von der dicken Lene wußjte, denn die kannte er ganz genau; auch daß sie an jedem Flügel eine graue Feder habe, erzählte er — bis der Polizeikommissär lachte und aus dein Nebenzimmer die tote Gans, die in dem Kunstreiterbett gelegen hatte, herausholte. Ja, da war sie.
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und nun konnten Mutter und Sohn glücklich auf dem Müller wagen wieder nach Hause fahren. Nun ist die Geschichte gleich zu Ende. Die Frau Pastorin freute sich, daß sie zu Sonntag nun doch noch ihren Gänse braten kriegte. Der Herr Pastor klopfte Heini auf die Backen und sagte lächelnd, nun brauchte er den Schaden auch nicht mehr gutzumachen. Mer Heini hatte sich doch noch was vorgenommen, und den Nachmittag machte er sich daran und brachte den Pastorengarten hübsch in Ordnung. Es war nur zu viel für ihn, und die Frau Pastorin mußte noch mit helfen. Aber sie gab ihm, weil er fleißig ge wesen war, noch vier gelbe Augustäpfel, die inwendig schon braune Kerne hatten. Die teilte er sich mit seiner Schwester Liese, und dann saßen die beiden auf ihrem Staket und schmausten und schmatzten, und das Kernhaus, das sie nicht essen konnten, gaben sie ihrer Ziege, und Hibbel Hibbel fraß es auf. Da war es mit den Augustäpfeln zu Ende, und mit unserer Geschichte ist es auch zu Ende. Gansberg.
127. Der Radfahrer. Hui, was fliegt da die Straße entlang? Ich sehe zwei Räder, die sich schnell drehen, und obendarauf hockt ein Mensch, und seine Beine heben und senken sich, als träte er eine Nähmaschine. Lustig ist's, so dahin zu sausen, auf der ebenen Straße! Das steht auf des Radfahrers Gesicht geschrieben. Sieh, wie gewandt er sich mit dem schmalen Rade zwischen zwei Wagen hindurchschlängelt, nirgends an stößt, höflich Fußgängern ausweicht. Das ist einer, der das Fahren auf dem Zweirad gut versteht. Auch vorsichtig ist er. Immer hat er die Hand an dem Glöckchen, und ivenn jemand seinen Weg kreuzt, so klingelt er. Er warnt uns. Er hat Furcht, jemand zu verletzen oder gar zu über fahren. Ja, nun wird das Menschengedränge zu dicht, nun muß der Radfahrer absteigen. Nun führt er sein Zwei rad mit der Hand neben sich her. Er lacht dabei und denkt:
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muß ich dich auch führen, mein liebes Zweirad, so brauche ich dich doch nicht zn füttern, wie der Kutscher dort auf dem Platze seine Pferde füttert. Jetzt ist Raum geworden. Schnell ergreift der Radfahrer die Lenkstange, schwingt sich wieder auf sein Rad und rollt schnell dahin. Es geht weich und sanft. Die Räder sind mit einem Gummischlauch eingefaßt. Im Schlauch ist Luft. Nein, ich freue mich, daß ich kein Fußgänger bin, denkt der Radfahrer. P—ff! niacht es plötz lich! O weh! o weh! Was ist geschehen? Der Gummi schlauch ist geplatzt, die Luft ist aus dem Schlauch ent wichen! Das kommt von der alten Glasscherbe her, die auf dem Fahrweg liegt. Die Scherbe hat den Schlauch zer schnitten. Armer Radfahrer, was machst du jetzt? Wieder ist er abgestiegen, wieder führt er sein stählernes Pferd am Zügel. Aber das Pferd ist jetzt krank, und der Rad fahrer macht ein langes Gesicht. Er wollte so schnell nach Bergedors radeln; nun muß er sich eine ruhige Straße suchen und sein Zweirad flicken. Siehst du, sagt der Fuß gänger, jetzt lachst du mich nicht mehr aus! Jetzt lauf ich an dir vorbei, etsch! Klinglingling! tönt es hinter dem Fußgänger. Schon wieder ein Radfahrer? Ja, aber diesmal ist's ein Dreirad, das daher kommt, und darauf sitzt ein Hausknecht mit einem schweren Koffer. Dem gefällt das Dreirad sehr, das gute Dreirad, das nicht nur den schweren Koffer, sondern noch ihn selber schleppt. Wem sollte es nicht gefallen? Ilse Frapan.
128. Die elektrische Straßenbahn. I. Ja, Kinder, die Elektrische macht die ganze Welt anders. Eure Eltern haben sich noch gewundert, als sie zum ersten mal so einen großen Wagen ganz allein ohne Pferde durch die Straße fahren sahen. Und von euren älteren Geschwistern werden das auch noch einige wissen. Ja, Eisenbahnen kannte Hessel, Lesebuch 2. 11. Ausl.
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man schon lange, aber die haben ihre besonderen Wege, auf denen sonst niemand gehen oder fahren darf. Und dann ist bei der Eisenbahn zwar auch kein Pferd vorgespannt, aber doch ein großer Dampfwagen, der viel mehr schnaubt und pustet, als ein halbes Dutzend Pferde. Da merkt man, daß der Dampfwagen sich anstrengt, wenn er vorwärts will. Aber vor dem elektrischen Wagen ist gar keine Lokomotive, da ist einfach ein Wagen, in dem die Leute sitzen können, und vorn steht der Führer und dreht ruhig eine Kurbel, als wenn er ganz langsam Kaffee mahlen wollte. Uub dann fährt der Wagen ganz allein ab und so schnell, daß der Führer große Mühe hat, wenn er ihn ixifd) zum 5?alten bringen will. Das ist doch eigentlich ganz wunderbar, itrib vor zweihundert Jabren hätte ganz gewiß jeder geglaubt, der Führer wäre ein Hexenmeister, und in dem Motor säße der Teufel in eigener Person. Das haben ja viele Menschen schon von der Eisenbahn geglaubt, uiib in der Lokomotive ist doch mir dieselbe Kraft, die jeder zu Hause in seinem Wasserkessel hat, und die auf den: Kessel den Teckel tanzen läßt.
Das ist die Kraft, die in dem Wasserdampf steckt, die hat man eingesperrt in einen großen Kessel, und dann heizt man ihn gehörig ein, daß sie immer böser wird, und dann macht man ihr bald hier und bald dort ein Loch auf, daß die Dampfkraft denkt: Aha, da geht's hinaus! Aber wenn sie sich dahinaus stürzt, dann merkt sie, daß sie nichts soll als einen Kolben hin- und herschieben, und dieser Kolben bewegt eine Eisenstange, und die Eisenstange bewegt ein Rad, und dann müssen die übrigen Räder und die ganze Maschine mit. Das müßt ihr euch einmal genauer ansehen und zeigen lassen.
II. Aber dabei sieht man doch imnrer etwas, aber der elek trische Strom ist viel unheimlicher. Den sieht man meistens gar nicht, nur manchmal abends glüht und blitzt es unter den Rädern und oben an der Stange. Aber wenn man neben dem Führer steht und ganz genau aufpaßt, wie er die
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Kurbel dreht, dann sieht man gar nichts von dem elektrischen Strom, man merkt nur, daß der Wagen anfängt zu laufen; eine wunderbare und unheimliche Geschichte ist das doch!
Die Straßen sind ja nun freilich nicht grade schöner geworden durch die Elektrische. Mitten über der Straße ist immer der Draht, meistens sogar zwei Drähte nebeneinander, wo zwei Geleise sind; und dann stehen hohe Masten auf beiden Seiten der Straße, und von Mast zu Mast ist immer ein Draht gezogen, an dem die Leitungsdrähte aufgehängt sind. Und auf Plätzen, wo viele Bahnen gehen, da sind natürlich auch viele Drähte aufgespannt; das sieht so aus, als hätte eine riesige Kupferspinne ihr Netz gespannt. Das sieht also nicht sehr schön aus, aber man gewöhnt sich daran. Aber man muß sich sehr in acht nehmen, wenn einmal ein Draht reißt, daß er einem nicht auf den Kopf fällt, oder daß man ihn nicht anfaßt. Denn da kann man einen elektrischen Schlag kriegen, daß man gleich tot bleibt. Und auch sonst muß man sich vor der Elektrischen in acht nehmen, weil sie so sehr rasch fährt. Man darf nicht dicht vor ihr über die Straße laufen, man darf nicht aufspringen, wenn die Bahn fährt, und mail darf nicht absprillgen, ehe der Wagen hält; sonst kann man furchtbar hinfallen und über fahren werden. Ilse Frapan.
129» Die Eisenbahn. Sie stehen am Bahnübergänge, der Vater und die Kinder, und sehen, wie der Zug heranstürmt. Ordentlich bange werden sie vor dem Ungetüm, denn das schnaubt und faucht wie ein wildes Tier. Und mit Donnergepolter rast es vorbei, und kaum kann man die Fenster und die Reisenden dahinter sehen. Unter dem letzten Wagen quillt Dampf in dichten Wolken heraus. Das ist die Dampfheizung. Sollen denn die Reisenden frieren und über kalte Füße klagen? Ach nein, man will ihnen das Reisen so angenehm wie möglich machen. Je mehr sie reisen, desto mehr verdient ja auch wieder die Eisenbahn. Und nun gibt es in den Wagen 9*
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Polster, Gardinen, Lampen, Netze, Haken, Aschenbecher, Waschbecken und Spiegel. Es gibt Wagen mit kleinen über einandergestellten Betten; es gibt auch Wagen, in denen die Herrschaften an langen weißgedeckten Tischen sitzen nnd essen und trinken können. Das sind Schlafwagen und Speise wagen. Aber sieh nur, wie weit ist schon der Zng! Nur noch die drei roten Laternen schwimmen in der nebeligen Abend luft. Nun verlöschen sie und fahren in die weite Welt und mit ihnen die Reisenden. Wer weiß wohin? Der eine fährt in die Berge, der andere an die See. Der Jahrmarkts besucher, der Geschäftsreisende, der Kranke, der ins Bad reist, der Soldat, der zu den Eltern reist, der Schiffer, der aus weiter Ferne wieder zurückkehrt in sein kleines Dorf — was könnten die alles erzählen! — Aber der Vater ist mit den Kindern kaum drüben angekommen, so senkt sich die Schranke schon wieder. Und es ist doch noch kein Zug zu sehen!
Da muß der Bahnwärter die Züge wohl alle im Kopfe haben, meinen die Kinder. Aber in seinem Häuschen hängt ja ein Fahrplan, der alle Züge genau angibt. Der ist vorher berech net worden, wie ein Stundenplan, und nun dürfen die Züge nicht mehr fahren, wie sie wollen, sondern sie müssen fahren, wie der Fahrplan vorschreibt. Das könnte sonst eine heil lose Unordnung abgeben! Und die Reisenden? Auch sie müssen sich einen kleinen Fahrplan kaufen, denn der Zug wartet nicht auf sie.
Aber da braust auch schon der Zug an ihnen vorbei! Hei, wie der Dampf sie umflutet! Ja, das ist ein Güter zug, und der ist furchtbar schwer. Wie das ächzt und stöhnt und dröhnt. Steinkohlen, ein Möbelwagen, Petroleumfässer, lange Baumstämme — wo kommen die her, wo wollen die hin? Ja, das ist eine lange Geschichte, und die Räder erzählen sie den Schienen, und das stöhnt und dröhnt, daß man die eigene Stimme nicht hören kann. Gansberg.
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130. Auswanderer in Hamburg. Mutter ging mit mir über den „Graskeller". Viele Leute und Wagen waren da. Man mußte immer ausweichen. Ich sah auch viele Straßenbahnwagen. Sie haben da eine Haltestelle. AlleWagen fuhren sehr schnell. Alle Leute liefen eilig. Da sah ich auf einmal etwas ganz Merkwürdiges. Mitten zwischen den eiligen Leuten, auf den Haus treppen und sogar auf dem Trottoir saßen Leute ganz ruhig. Es waren ungefähr sechs Frauen. Ich sah auch einen alten Mann, er saß auf einem Bündel. Zwei Frauen hatten ganz kleine Kinder im Arm. Einige Kinder von fünf oder sechs Jahren liefen bei ihnen herum. Ich zog Mutter am Rock, daß sie still stehen sollte. Was für Leute sind das, Mutter? fragte ich. Mutter sagte: „Es sind Auswanderer." Wo wandern sie denn hin? „Sie wandern nach drüben irgendwo. Wohin, weiß ich nicht," sagte die Mutter. Die Auswanderer sahen ganz anders aus, als die Leute in Hamburg. Sie hatten rote und gelbe Taschentücher um den Kopf. Sie hatten braune Gesichter. Ihre Augen waren schwarz. Sie sahen uns an, als ob sie traurig wären. Mutter, sind die Auswanderer traurig? fragte ich. „Ja, Kind, ich glaube, sie sind traurig. Sie haben ihre Heimat verlassen." Wo ist denn ihre Heimat, Mutter? „Ich weiß es nicht. Sie ist wohl weit von hier, in Polen oder Ruß land." Und warum haben sie ihre Heimat verlassen, Mutter? „Weil sie dort nicht leben können. Weil ihre Korn felder kein gutes Korn mehr tragen, und weil sie ihre Kühe und Pferde geschlachtet haben zur Zeit der Hungers not." Und was wollen sie drüben tun, Mutter? „Sie wollen Land suchen, wo die Kornfelder gutes Korn tragen, und wo sie besser leben können."
Die Auswanderer sahen uns an, als ob sie mit uns sprechen wollten. Sie sagten auch ein paar Worte, aber wir konnten sie nicht verstehen. Wir hatten gerade Äpfel gekauft. Mutter hat einen Korb voll am Arm. Können
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wir nicht den kleinen Auswandererkindern ein paar Äpfel geben, Mutter? sagte ich. Mutter erlaubte es mir. Es waren sechs Kinder da. Ich gab jedem Kinde einen Apfel. Da wurden sie ganz lustig und die Frauen auch. Sogar der alte Mann mit dem langen grauen Bart lachte ein bißchen. Eine Frau zeigte uns ihr kleines Kind ganz nahebei. Es wachte gerade auf. Es hatte große schwarze Augen. Seine kleinen Füße waren rot und ganz nackt. Mutter wickelte die kleinen Füße besser in das große braune Tuch ein. Die Frau lachte. Alle Auswanderer sahen freundlich aus. Ihre Augen glänzten. Die Kinder aßen die Äpfel auf und sprangen umher. Viele Leute, die vorübergingen, blieben stehen und be trachteten die Auswanderer. Ein Herr schenkte einem kleine» Jungen fünfzig Pfennig. Endlich mußten wir weiter gehen. „Glückliche Reise!" sagte die Mutter. Da lachten alle Aus wanderer freundlich und riefen: „Danke!" Das Wort hatten sie schon gelernt. Ilse Frapan.
131. Rätsel. 1. Was dir die erste Silbe nennt, das fällt von« Himmel; die zweite Silbe nennt ein Spielzeug; das ganze Wort bezeichnet ein Ding, das die Knaben im Kampfe brauchen.
2. Die erste Silbe nennt einen einzigen Buchstaben; die zweite findest du am Himmel; das ganze Wort benennt ein Fest.
3. Die erste Silbe ist fleißig und geschickt; die zweite ist von Leder, Wolle oder Seide; das ganze Wort hat man im Winter am liebsten.
4. Die erste Silbe ist eine Zeit; die zweite wird in dieser Zeit gebraucht und vertreibt die erste; das ganze Wort ist in der Krankenstube. 5. Die erste Silbe ist die Blumenzeit des Jahres; die zweite dem Seefahrer willkommen; das Ganze ist eine Stadt in Italien.
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6. Das erste hat Mensch imb Tier ain Kopfe; die zwei letzten nennen eine Frucht, die nur in wärmeren Ländern reif wird; das Ganze aber ist ein sehr unangenehmes Ding. Staub.
132. Rätsel. 1.
Sie bleibt das ganze Jahr zn Haus Und geht doch alle Tage aus. 2.
Ein hundert scharfe Zähne hat's Und krallt nnd beißt wie eine Katz. 3.
Ein meilenlauger Faden Und dennoch kugelrund, Das deucht dir fast zu bunt, Und doch luirft du's erraten. 4.
Auf ihren Köpfen stehen sie Und recken in die Höh die Zeh; Mit dir spazieren gehen sie Im Sommerklee und Winterschnee. 5.
Fünf Finger und doch keine Hand, Ein Schuh, doch ohne Sohle; Bald kreideweiß wie eine Wand, Bald schwarz wie eine Kohle. Güll.
133. Bolksrätsel. 1.
Rate, was ich hab vernommen! Es sind achtzehn kleine Gesellen zur Welt gekommen. Von Angesicht gar säuberlich. Keiner doch dem andern glich;
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All ohne Fehler und Gebrechen, Nur konnte keiner ein Wort sprechen, Und damit man sie sollte verstehn, Hatten sie fünf Dolmetscher mit sich gehn. Das waren hochgelehrte Leut! Der erst erstaunt, reißt's Maul auf weit. Der zweite wie ein Kindlein schreit, Der dritte wie ein Mäuslein pfiff, Der vierte wie ein Fuhrmann rief, Der fünfte gar wie ein Uhu tut; Das waren ihre Künste gut. Damit erhoben sie ein Geschrei, Füllt noch die Welt, ist nicht vorbei. 2.
Ich mache hart, ich mache weich, Ich mache arm, ich mache reich. Man liebt mich, doch nicht allzunah; Zu nah wird alles von mir aufgezehrt, Und alles stirbt, wo man mich ganz entbehrt.
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Ich weiß ein kleines weißes Haus, Hat nichts von Fenstern, Türen, Toren, Und will der kleine Wirt heraus, So muß er erst die Wand durchbohren. 4.
Nunzelpunzelchen auf der Bank, Runzelpunzelchen unter der Bank, Da wird Runzelpunzelchen krank; Es ist kein Doktor so geschickt, Daß er Nunzelpunzelchen wieder flickt. 5.
Zwei kleine mit zwei großen Laufen auf allen Straßen;
Nummer 133. Laufen die großen auch uoch so sehr, Die steinen kommen doch uoch ehr.
6. Es sitzen zwei und dreißig Gesellchen In einem kleinen Ställchen, Sind lustig und munter, Gehen auf und unter, Und ein rot Mädchen dabei, So sitzen sie schön in der Reih.
7. Es liegen vier Brüder in einer Wiegen, Doch keiner tut in der Mitte liegen.
8. Es geht und gehet immer fort Und kommt doch keinen Schritt vom Ort.
9. Auf einem weißen See Schwimmt eine rote Rose; Willst du die schwarzen Fischlein sprechen, Mußt du die rote Rose brechen.
10. Wer es macht, der braucht es nicht, Wer es kauft, der will es nicht, Wer es braucht, der weiß es nicht.
11. Kaiser Dem gab Also hieß Wie hieß
Karl hatte einen Hund, er einen Namen aus seinem Mund, Kaiser Karl seinen Hund — der Hund?
12. Es schrieb ein Mann an eine Wand: Zehn Finger hab ich an jeder Hand
Fünfundzwanzig an Händen nnd Füßen, Wer das nicht rät, der muß es büßen.
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13. Du siehst es stets bei Sonnenschein, Am Mittag ist es kurz und klein Und wächst bei Sonnenuntergang lind wird gar wie ein Banin so lang.
14. Männchen im Strauch Hat ein schwarz Käppchen ans, Ein rot Mäntelchen um Und Steinchen im Bauch. Wie heistt's Männchen im Strauch?
15. Mein Erstes nicht wenig, Mein Zweites nicht schwer; Mein Ganzes gibt Hoffnung, Doch trau nicht zu sehr.
16. Zwei Väter und zwei Söhne Schossen drei Hasen schöne, Ein jeder hat einen ganzen Getragen in seinem Ranzen.
17. Es liegt was auf dem Rasen Mit vierundzwanzig Nasen.
18. Ein eisernes Gäulchen, Ein flächsernes Schwänzchen; Je länger springt das Gäulchen, Je kürzer wird das Schwänzchen.
19. Es steht etwas im Acker, Hält sich brav und wacker. Hat sieben Häut, Beißt alle Leut.
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20. Hager, mager und klein. Hüll ich all in Kleider ein.
21. Überm Kirchendach Brummt ein Vogel: Ach, Da drunten wird verbrannt Die Arbeit meiner Hand! 22. Erst weiß wie Schnee, Dann grün wie Klee, Dann rot wie Blut, Schmeckt allen Kindern gut. 23. Es flog ein Vogel Federlos; Auf einen Baum Blattlos; Da kam die Frau Mundlos Und aß den Vogel Federlos. 24. Loch bei Loch und hält doch. 25. Bei Tag eine Leiter, Bei Nacht eine Schlange. 26. Es ist kleiner als ein Mensch und doch höher als ein Mensch.
27. Es hängt was an der Wand, Jeder gibt ihm die Hand.
28. Es hängt etwas an der Wand, Hat den Rücken verbrannt. 29. Kugelrund und spitzig. Wer es weiß, ist witzig.
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Menschenleben.
30. Es hat sechs Beine, davon hängen zwei in der Luft und vier laufen. 31. Man reckt ihn, man streckt ihn, Man stellt ihn vors Loch, Er reibt sich, er sträubt sich, Hinein muß er doch. 32. Raus damit, rein damit, rum damit, raus damit, rein damit! Volkstümlich.
134. Sprichwörter. 1. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. — 2. Besser ein Sperling in der Hand als zehn auf dem Dache. — 3. Darf doch die Katze den Kaiser ansehen. — 4. Der Horcher an der Wand hört seine eigne Schänd. — 5. Durch Schaden wird man klug. — 6. Durch wiederholte Streiche fällt auch die stärkste Eiche. — 7. Ehrlich währt am längsten. — 8. Eile mit Weile. — 9. Eine Hand wäscht die andere. — 10. Er geht wie die Katze um den heißen Brei. — 11. Es ist kein Meister vom Himmel gefallen. — 12. Geduldige Schafe gehen viel in einen Stall. — 13. Kleider machen Leute. — 14. Mancher sucht einen Pfennig und verbrennt dabei drei Lichter. — 15 Man muß das Bäumcheu biegeu, so lauge es jung ist. — 16. Man soll nicht aus der Schule schwatzen. — 17. Man sucht keinen hinter dem Ofen, man habe denn selbst dahinter ge steckt. — 18. Mit dem Hut in der Hand kommt man durchs ganze Land. — 19. Müßiggang ist aller Laster Anfang. — 20. Not lehrt beten. — 21. Probieren geht über Studieren. — 22. Schein trügt. — 23. Sparmund und Übelleb kaufen Herrn Wohlleb sein Haus ab. — 24. Sprichwort, wahr Wort. — 25. Tadeln ist leichter als Bessermachen. — 26. Übermut tut selten gut. — 27. Unkraut vergeht nicht. — 28. Viele Köche versderben den Brei. — 29. Vorgetan nnd nachbedacht hat manchen
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in groß Leid gebracht. — 30. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. — 31. Was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben. — 32. Was Mäulchen nascht, muß Leibchen büßen. — 33. Weise Sprüche, gute Lehren soll man tun und nicht bloß hören. — 34. Wenn der Himmel einfällt, sind alle Spatzen tot. — 35. Wenn die Katze aus dem Haus ist, springen die Mäuse über Tisch und Bänke. — 36. Wenn die Mäuse satt sind, schmeckt das Mehl bitter. — 37. Wenn eine Gans trinkt, dann trinken alle. — 38. Wenn man den Wolf nennt, kommt er gerennt. — 39. Wenn's dem Esel zu wohl ist, so geht er aufs Eis tanzen und bricht ein Bein. — 40. Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. — 41. Wer andre necken will, muß selbst Spaß verstehn. — 42. Wer A sagt, muß auch B sagen. — 43. Wer auf zwei Stühlen sitzen will, setzt sich leicht dazwischen. — 44. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. — 45. Wer die Rose bricht, muß leiden, daß sie sticht. — 46. Wer die Wahl hat, hat die Qual. — 47. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. — 48. Wer motzt bei der Schüssel, dem schadet's am Rüssel. — 49. Wer nicht will, der hat gegessen. — 50. Wer ver drießlich ist, den ärgert die Fliege an der Wand. — 51. Wer viel fragt, bekommt viel Antwort. — 52. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. — 53. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. — 54. Wie der Herr, so der Knecht. — 55. Wie gewonnen, so zerronnen. — 56. Wie man in den Wald schreit, so schreit es wieder heraus. — 57. Wie man's treibt, so geht's. — 58. Wo man die Katze streichelt, da ist sie gern. — 59. Zum einen Ohr hinein, zum andern hinaus. Mit Gott fang an, mit Gott hör auf! Das ist der beste Lebenslauf. Volkstümlich.
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Geschichten.
IV. Geschichten. 135. Der fröhliche Hirtenknabe. Ein fröhlicher Hirtenknabe hütete an einein heitern Frühlingsmorgcn in einem blumigen Tale zwischen waldigen Bergen die Schafe und sang und sprang vor Freude. Der Fürst jenes Landes, der in der Gegend jagte, sah ihn, rief ihn zu sich und sprach zu ihm: „Warum bist du denn so gar lustig, lieber Kleiner?" Der Knabe kannte den Fürsten nicht und sagte: „Warum soll ich nicht lustig sein? Unser gnädig ster Landesfürst ist nicht reicher als ich."
„So?" sprach der Fürst, „laß doch einmal hören, was du alles hast!" Der Kilabe sagte: „Die Sonne an dem schönen, blauen Himnrel scheint für mich so freundlich, wie für den Fürsten, und Berg und Tal grünen und blühen für mich so schön, wie für ihn. Meine beiden Hände gäbe ich nicht für hunderttausend Gulden, und meine beiden Augen wären mir um alle Kostbarkeiten in der fürstlichen Schatzkammer nicht feil. Überdies habe ich alles, was ich wünsche; denn ich wünsche nicht mehr, als ich nötig habe: ich esse mich täglich satt, habe Kleider, mich ordentlich zn bedecken, und bekomme für meine Mühe und Arbeit jährlich so viel Geld, daß ich damit ausreiche. Und könnt Ihr sagen, daß der Fürst mehr habe?" Der gute Fürst lächelte, gab sich zu erkennen und sprach: „Du hast recht, guter Knabe, und kannst nun sagen, der Fürst selbst habe dir recht gegeben. Bleibe bei deinem fröhlichen Sinn!" v. Schmid.
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136. Der Löwe. Ein armer Sklave — er hieb Androklns — der seinem Herrn entlaufen war, wurde wieder eingcfangen und zum Tode verurteilt. Man brachte ihn auf einen großen, weiten Platz, der mit Mauern umgeben war, und ließ einen furcht baren Löwen auf ihn los. Mehrere tausend Menschen sahen zu. Der Löwe stürzte grimmig auf den armen Menschen los, blieb aber plötzlich stehen, wedelte mit dem Schweife, sprang voll Freude um ihn herum und leckte ihm dann freundlich die Hände. Die Leute aber verwunderten sich und fragten den Sklaven, wie das komme. Der Sklave erzählte: „Als ich meinem Herrn entlaufen war, verbarg ich mich in einer Höhle der Wüste. Da kam dieser Löwe winselnd zu mir hereiu und zeigte mir seine Pratze, in der ein scharfer Dorn steckte. Ich zog ihm den Dorn heraus, und von der Zeit au versah mich der Löwe mit Wildbret, und wir lebten in der Höhle friedlich zusammen. Bei der letzten Jagd wurden nur voneinander getrennt und beide gefangen, und nun freut sich das gute Tier, mich wieder zu finden." Alles Volk war über die Dankbarkeit des guten Tieres ent zückt und rief laut: „Es lebe der wohltätige Mensch! es lebe der dankbare Löwe!" Der Sklave wurde freigelassen und reichlich beschenkt. Der Löwe aber begleitete ihn von nun an be ständig wie ein zahmes Hündchen, ohne jemand ein Leid zu tu«, v. Schmid. 137. Die Perlen. Ein Wanderer verirrte sich in der Wüste eines fernen Weltteils. Er fand zwei Tage lang nichts zu essen und zu trinken und verschmachtete fast vor Hunger und Durst. Endlich erreichte er einen schattigen Baum uud eine frische Quelle. An dem Baum waren aber keine Früchte; bei der Quelle lag je doch ein kleines Säckchen. „Gottlob!" sagte der Mann, indem er das Säckchen anfühlte, „das sind vielleicht Erbsen, die mich vom Hungertode erretten." Er machte das Säckchen begierig auf und rief erschrocken: „Ach Gott! es sind nur Perlen!" v. Schmid.
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Geschichten.
138. Die sieben Stäbe. Ein Vater hatte sieben Söhne, die öfters miteinander un eins wurden. Über dem Zanken und Streiten versäumten sie die Arbeit. Ja, einige böse Menschen hatten im Sinne, sich diese Uneinigkeit zu nutze zu machen und die Söhne nach dem Tode des Vaters um ihr Erbteil zu bringen. Da liess der ehr würdige Greis eines Tages alle sieben Söhne zusammen kommen, legte ihnen sieben Stäbe vor, die fest zusammengebun den waren, und sagte: „Demjenigen von euch, welcher diesen Bündel Stäbe entzweibricht, zahle ich hundert große Taler bar." Einer nach dem andern strengte alle seine Kräfte an, und jeder sagte nach langem, vergeblichem Bemühen: „Es ist gar nicht möglich." — „Und doch," sagte der Vater, „ist nichts leichter." Er löste den Bündel auf und zerbrach einen Stab nach dem andern mit geringer Mühe. „Ei," riefen die Söhne, „so ist es freilich leicht, so könnte es ein kleiner Knabe!" Der Vater aber sprach: „Wie es mit diesen Stäben ist, so ist es mit euch, meine Söhne. So lange ihr fest zu sammenhaltet, werdet ihr bestehen, und niemand wird euch überwältigen können. Wird aber das Band der Eintracht, das euch verbinden soll, aufgelöst, so geht es euch wie den Stäben, die hier zerbrochen auf dem Boden umherliegen." v. Schmid.
139. Das Wunberkästchen. Eine Hausfrau hatte in ihrer Haushaltung allerlei Un glücksfälle, und ihr Vermögen nahm jährlich ab. Da ging sie in den Wald zu einem alten Einsiedler, erzählte ihm ihre be trübenden Umstände und sagte: „Es geht in meinem Hause einmal nicht mit rechten Dingen her. Wißt Ihr kein Mittel, dem Übel abzuhelfen?" Der Einsiedler, ein fröhlicher Greis, hieß sie ein wenig warten, ging in die Nebenkammer seiner Zelle, brachte über eine Weile ein kleines, versiegeltes Käst chen und sprach: „Dieses Kästlein müßt Ihr ein Jahr lang, dreimal bei Tag und dreimal bei Nacht, in Küche, Keller,
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Stallungen und allen Winkeln des Hauses herumtragen, so wird es besser gehen. Bringt mir aber übers Jahr das Kästlein wieder zurück!" Die gute Hausmutter setzte in das Kästchen ein großes Vertrauen und trug es fleißig umher. Als sie den nächsten Tag in den Keller ging, wollte der Knecht eben einen Krug Bier heimlich herauftragen. Als sie noch spät bei Nacht in die Küche kam, hatten die Mägde sich einen Eierkuchen gemacht. Als sie die Stallungen durch wanderte, standen die Kühe tief im Kot, und die Pferde hatten anstatt des Hafers nur Heu und waren nicht gestriegelt. So hatte sie alle Tage einen andern Fehler abzustellen. Nach dem das Jahr herum war, ging sie mit dem Kästchen zum Einsiedler und sagte vergnügt: „Alles geht nun besser. Laßt mir das Kästlein noch ein Jahr! Es enthält gar ein treff liches Mittel!" Da lachte der Einsiedler und sprach: „Das Kästchen kann ich Euch nicht lassen; das Mittel aber, das darin ver borgen ist, sollt Ihr haben." Er öffnete das Kästchen, und sieh! es war nichts darin, als ein weißes Blättchen Papier, auf dem geschrieben stand: „Soll alles wohl im Hause stehn, So mußt du selber wohl nachsehn/ v. Schmid.
14V. Der Pilger. In einem schönen Schlosse, von dem schon längst kein Stein auf dem andern geblieben ist, lebte einst ein sehr reicher Ritter. Er verwendete sehr viel Geld darauf, sein Schloß recht prächtig auszuzieren; den Armen tat er aber wenig Gutes. Da kam nun einmal ein armer Pilger in das Schloß und bat um Nachtherberge. Der Ritter wies ihn trotzig ab und sprach: „Dieses Schloß ist kein Gasthaus." Der Pilger sagte: „Erlaubt mir nur drei Fragen, so will ich weiter gehen!" Der Ritter sprach: „Auf diese Bedingung hin mögt Ihr immer fragen. Ich will Euch gern antworten." Der Pilger fragte ihn nun: „Wer wohnte doch wohl vor Euch in diesem Schlosse?" — „Mein Vater," sprach der Ritter. Hessel, Lesebuch 2. 11. Ausl. 10
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Geschichten.
Der Pilger fragte weiter: „Wer wohnte vor Euerm Vater im?" - - „Mein Großvater/' antwortete der Ritter. „Und wer wird wohl nach Euch darin wohnen?" fragte der Pilger weiter. Der Ritter sagte: „So Gott will, mein Sohn!" — „Nun," sprach der Pilger, „wenn jeder 11111* eine Zeit in diesem Schlosse wohnet und immer einer dem andern Platz machet, was seid ihr denn anders hier, als Gäste? Dieses Schloß ist also wirklich ein Gasthaus. Verwendet daher nicht so viel, dieses Haus so prächtig auszuschmücken, das Euch nur kurze Zeit beherbergt. Tut lieber deu Armen Gutes, so bauet Ihr Euch eiue bleibende Wohnung im Himmel." Der Ritter nahm diese Worte zu Herzen, behielt den Pilger über Nacht und wurde von dieser Zeit an wohltätiger gegen die Armen. v. Schmid.
141. Der königliche Schatzmeister. Ein königlicher Schatzmeister wurde bei seinem Könige angeklagt, daß er die Schätze des Reiches veruntreue und die geraubten Gelder und Kostbarkeiten in einem verborgenen Gewölbe mit einer eisernen Tür aufbewahre. Der König be gab sich in den Palast des Schatzmeisters, ließ sich die eiserne Tür zeigen und befahl, sie zu öffnen. Aber wie erstaunte er, als er hineintrat! Er sah nichts als vier leere Wände, einen ländlichen Tisch und einen Strohsessel. Auf dem Tische lag eine Hirtenflöte nebst einem Hirtenstabe und eine Hirten tasche. Durch das Fenster sah man auf grüne Wiesen und waldige Berge. Der Schatzmeister aber sprach: „In meiner Jugend hütete ich die Schafe. Du, 0 König, zogst mich an deinen Hof. Hier in diesem Gewölbe bringe ich nun täglich eine Stunde zu, erinnere mich mit Freuden meines vorigen Standes und wiederhole die Lieder, die ich ehemals bei meinen Schafen zum Lobe des Schöpfers gesungen habe. Ach! damals war ich auf meinen väterlichen Fluren bei all meiner Armut glücklicher, als in diesem Palaste bei allem Reichtume, womit die Gnade meines Königs mich überhäuft hat!" v. Schmid.
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142. Der Wolf und der Hund. „Du hast es lang gut," sagte ein Wolf, welcher des Nachts nach Beute umherstrich, zu einem Hunde, mit dem er sich zuweilen unterhielt, „seit Wochen habe ich keinen Bissen Fleisch mehr gegessen; du wirst dick und fett, und ich bin so dünn wie ein zusammeugeklapptes A-B-C-Buch." — „Ja/' sagte der Hund, „mir geht es ganz gut, ich kann nicht klagen. Einmal im Tage füllt man mir meine Schüssel bis zuin Rande mit allerlei, was von der Tafel meines Herrn übrig bleibt, mit fetter Suppe, Brotstücken, grossen Flcischbrvcken und den herrlichsten Knapperknochcu. In der Zwischenzeit bekomme ich noch manche Naschereien zugesteckt, Wurstschalen, Käs rinde, zuweilen sogar ein Schinkenbcin." — „Und gibt
man dir das alles umsonst, aus lauter Liebe?" fragte der Wolf. „Das gerade nicht," erwiderte der Hund, „weisst du, dafür bewache ich meinem Herrn das Haus, halte die Diebe in Furcht und lasse keine Füchse und Wölfe auf den Hof. Ich will dir was sagen, geh doch zu meinem Herrn und verdinge dich ihm auch als Hofhund, du siehst ja einem Schäferhunde zum Verwechseln ähnlich!" „Ich will cs mir einmal überlegen," erwiderte der Wolf, „ich hätte wirklich nicht übel Lust dazu, wenn man dafür so prächtig gefüttert wird. Aber sag einmal, was hast du denn da am Hals für wunde Stellen? bist du denn da gebissen worden?" — „Nein," sagte der Hund, „das ist nichts, das hat nichts zu bedeuten, das ist nur von der Kette!" — „Von der Kette?" fragte der Wolf, „von was für einer Kette?" — „Nun ja, siehst du," antwortete der Hund, „am Tage liege ich an der Kette, weil die Leute sagen, ich wäre bissig. Aber des Abends macht man mich los, da darf ich die ganze Nacht herumlaufeu, soviel ich will." — „Höre," sagte der Wolf, „dann will ich mich lieber doch nicht als Hund verdingen, lieber bleibe ich mager und behalte dafür auch am Tage meine Freiheit!" Und damit lief er wieder in seinen Wald zurück, Flock aber ging wieder in den Hof, zu seiner Schüssel und zu seiner Kette.
H.
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143. Das Böcklein und der Wolf. Ein junges Geißböcklein war auf das Dach seines Stalles geklettert. Da stand es nun, meckerte vergnügt und schaute so stolz in die Welt hinein, als ob es die allergrößte Heldentat vollbracht hätte. Auf einmal sah es unten den bösen Wolf gehen, den Erbfeind seines Geschlechtes. Nun erst wuchs ihm der Mut. „Seht einmal, ihr Leute," rief es laut lachend, „da schleicht der Hungerleider! Gelt, du suchst Böckchen, du Lump? Laß dir nur das Gelüst vergehen! marsch fort in den Wald mit dir, du Nimmersatt, du schäbiger! gib acht, gleich werfe ich dir ein paar Ziegel auf den Kopf, daß du ein Nad schlagen sollst. Willst du wohl weggehen da unten!" Da sagte der Wolf: „Wer schimpft so dort oben? Bist du das, Freundchen? Ach nein, jetzt sehe ich, das Dach schimpft. Nun, Dach, schimpfe nur weiter!" Und damit ging er vorüber. H-
144. Der aufgeblasene Frosch.
Eine Gesellschaft grüner Laubfrösche hüpfte in muntern Sprüngen über eine Wiese, auf welcher ein paar fette Ochsen weideten. „Seht einmal diese riesengroßen Tiere!" sagte einer der Frösche, „gegen die sind wir doch nur elende Zwerge." — „Das finde ich gar nicht," meinte ein stattlicher Frosch — es war nicht der größte, aber der dickste — „ihr seid allerdings nur schmächtige Kerlchen, aber seht einmal mich an! Es fehlt gar nicht so viel, dann bin ich auch so dick wie dort der Ochse." Seine Gefährten quakten laut auf. „Nun gebt einmal acht!" sagte der dicke Frosch, und dabei blies er sich auf, als sei er ein Luftball. „Bin ich jetzt bald so groß wie der Ochse?" fragte er. „Noch lange nicht!" riefen seine Freunde. Nun blies er noch mehr. Er glich jetzt einer dicken Trommel. „Aber jetzt?" fragte er. „Nein, immer noch nicht!" Nochmals blies er mit Anstrengung aller seiner Kräfte, bis er kugelrund war. „Aber jetzt doch?" fragte zum drittenmal der eitle Wicht. Die andern Frösche schüttelten den Kopf. Der Gernegroß blies immer weiter; auf einmal tat es einen Knall, er war geplatzt! H.
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145. Der Esel und das Reitpferd. Ein schwer mit Säcken beladener Esel keuchte langsam seine Straße. Da jagte auf stolzem, stattlich aufgezäumtem Rosse ein Reiter an ihm vorüber. „Ach, wer doch ein Reit pferd wäre!" seufzte der Esel, „dann hätte man es gut. Dann stände man in einem wohlgelüfteten, geräumigen Stall, fräße Hafer, soviel man wollte, würde geputzt und gestriegelt, bekäme einen prächtigen Sattel auf den Rücken gelegt und trüge dann den Reiter in Trab und Galopp, hopp! hopp! über Stock und Stein, das wäre keine Arbeit, das wäre eitel Freude! Unsereins aber hat es halt anders, schleppt schwere Säcke von früh bis spät, und was ist der Lohn? Elende Spreu und Disteln und Prügel ohne Ende. Ach, wer doch auch ein Reitpferd wäre!" — Nach einiger Zeit brach ein Krieg aus, und der Herr des Pferdes mußte auch mit; in voller Rüstung bestieg er sein Tier und trieb es überall hin; er jagte es endlich sogar mitten in die Feinde hinein, bis es verwundet niedersank. Der Kampf war vorüber, und das Pferd, aus seinen Wunden blutend, lag einsam und sterbend auf dem Schlachtfeld. So erblickte es der Esel. Da wurde er anderer Meinung als früher und lobte sich seine Säcke und seine Disteln. „Ist mein Los auch ärmlich," so sprach er, „so ist es doch friedlich. Meiner wartet kein Glanz, aber auch keine Gefahr. Nein, es geht nichts darüber, ein Esel zu sein!" H-
146. Die Grillen und die Ameisen. Unsere Ameisen hierzulande liegen im Winter erstarrt da und brauchen kein Futter. Aber in wärmeren Ländern gibt es eine Art Ameisen, welche sich Speisen für den Winter sammeln. Zu einem solchen fleißigen Ameisenvolke kam zur Winterszeit eine hungrige Grille und bat um etwas zu essen. „Hast du es denn nicht gemacht wie wir?" fragten die Ameisen, „und hast im Sommer dir Vorräte eingeheimst?" — „Nein," sagte kleinlaut die Grille, „dazu hatte ich leider keine Zeit." — „Keine Zeit?" versetzten die Ameisen, „was hast du denn an den langen Sommertagen alles getan?" —
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„Da habe ich gesungen," antwortete die Grille, „meine Stimme klingt so hell wie eine Flöte, und gewiß habt ihr mir auch oft mit Vergnügen zugehört." — „Nicht, daß wir es wüßten," meinten die Ameisen mit Lachen, „dazu hatten wir keine Zeit. Aber wir wollen dir einen guten Rat geben; hast du im Sommer die Flöte geblasen, dann kannst du ja im Winter danach tanzen!" H-
147. Der Katze die Schelle anhängen. Die Mäuse hielten einmal eine Volksversammlung, um sich zu beraten, wie sie den Nachstellungen der Katzen ent gehen sollten. Da war aber guter Rat teuer, und ver gebens rief der Vorsitzer die erfahrensten Mäuse der Ge meinde auf, bis endlich ein junger Mäuserich zwei Finger emporstreckte und um die Erlaubnis bat zu sprechen. Als diesem nun das Wort gegeben ward, hub er an und sprach: „Ich habe lange darüber nachgedacht, warum uns die Katzen so gefährlich sind. Das liegt nicht sowohl an ihrer Ge schwindigkeit, wovon soviel Wesens gemacht wird: würden wir sie zu rechter Zeit gewahr, so wären wir wohl behende genug, in unser Loch zu entspringen, ehe sie uns etwas anhaben könnten. Ihre Überlegenheit liegt vielmehr in ihren samtenen Pfoten, unter welchen sie ihre grausamen Krallen so lange zu verbergen wissen, bis sie uns in den Tatzen haben; denn da wir den Schall des Katzentritts nicht ver nehmen, so tanzen und springen wir noch unbesorgt über Tisch und Bänke, wenn der Todfeind schon heranschleicht und den Buckel zum Sprunge krümmt, uns zu haschen und zu würgen. Darum ist meine Meinung, man müsse den Katzen die Schelle anhängen, damit ihr Schall uns ihre Nähe verkünde, bevor es zu spät ist." Dieser Vorschlag fand so großen Anklang, daß er als bald zum Beschluß erhoben ward. Es fragte sich jetzt nur noch, wer es übernehmen solle, der Katze die Schelle an zuhängen. Der Vorsitzer meinte, hiezu werde niemand ge-
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eignetet fein, als derjenige, der so schlanen Rat erdacht hätte. Da geriet der junge Mänserich in Verlegenheit nnd stotterte die Entschuldigung heraus, hiezu sei er zu jung, er kenne die Katze nicht genug; fein Grossvater, der sie besser kenne, werde dazu geschickter sein. Dieser erklärte aber, eben weil er die Katze zn gut kenne, werde er sich wohl hüten, einen solchen Auftrag zu übernehmen. Auch sonst wollte sich niemand hiezu verstehen, und so blieb der Be schluß unausgeführt und die Herrschaft der Katzen über die Mäuse ungebrochen. Simrock.
148. Der Einsiedler und der Bär. Ein Einsiedler hatte sich einen jungen Bären aufgezogen und durch Futter, Schläge und manche Mühe ihn so zahm wie einen Hund gemacht. Ost brachte er nun seinem Erzieher ein ansehnliches Stück Wildbret heim, trug Holz und Wasser herbei, bewachte feine Hütte; kurz, er leistete ihm Dienste von aller Art. Einst lag an einem Sommertage der Einsiedler im Grase dahingestreckt und schlief. Neben ihm saß sein Bär und wehrte die Fliegen ab, die scharenweise den Greis umschwärm ten. Vorzüglich quälte ihn eine; wohl zehnmal hatte der Bär sie fortgejagt, und immer kam sie wieder. Jetzt, als sie aber mals aus die Wangen des Schlafenden sich setzte, rief der Bär unwillig aus: „Warte, warte! ich will das Wegbleiben dich lehren!" Bei diesen Worten ergriff er einen großen Stein, zielte richtig und zerschmetterte die Fliege, aber freilich auch mit ihr den Kopf des armen Alten. Meißner. 149. Der Igel und der Maulwurf. Als der Igel spürte, daß der Winter sich nahe, bat er den Maulwurf, ihm ein Plätzchen in seiner Höhle einzuräu men, damit er dort gegen die Kälte sich schützen könne. Der Maulwurf war es zufrieden; doch kaum sah sich der Igel drinnen, so machte er es sich bequem, spreitete sich aus, und sein Wirt stach sich alle Augenblicke, bald hier, bald da, au des neuen Gastes spitzigen Stacheln. Jetzt erst erkannte der
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Geschichten.
arme Maulwurf seinen begangenen Fehler; er schwur hoch und teuer, daß dies unerträglich sei, und bat den Igel, wieder hinauszugehen, weil seine Wohnung offenbar für sie beide zu klein sei. Aber der Igel lachte und sprach: „Wem es hier nicht gefällt, der kann ja weichen; ich für meine Person bin wohlzufrieden und bleibe."
Meißner.
150. Der unzufriedene Esel. In einem herben Winter wünschte sich ein Esel sehnlich, bald sein Bündel Stroh und sein kaltes Nachtlager mit wärme rem Wetter und mit einem Mundvoll frischen Grases zu ver tauschen. Das wärmere Wetter und das frische Gras kamen, aber mit ihnen zugleich stellte sich so mannigfache Arbeit ein, daß der Esel bald des Frühlings so überdrüssig als des Winters wurde und sich desto mehr nach dem Sommer sehnte. Auch dieser erschien, aber mit ihm zugleich die Ernte. Wie oft mußte jetzt der Esel Korn und Feldfrüchte bald nach Hause und bald in die Mühle tragen! Wie ängstlich seufzte er über den Sommer, und wie inständig wünschte er sich den Herbst! Der Herbst brach an; Äpfel, Trauben und andere Früchte wurden reif, Holz und Wintervorrat mußten eingesammelt werden. Nie glaubte der arme Langohr noch so übel dran gewesen zu sein, und aufs kläglichste flehte er den Winter an, doch ja
herbeizueilen, weil er dann Ruhe zu finden hoffe.
Meißner.
151. Der Schoßhund und der Esel. Ein Herr hatte ein kleines Hündchen, das war sehr possierlich und machte ihm viele Freude. Das Hündchen durfte immer mit dabei sein, wenn sein Herr aß, es be kam dann allerlei gute Bissen und Brocken, und manchmal durfte es auch auf dem Schoß des Herrn sitzen, da bellte das Hündchen vor Freude, wedelte mit dem Schwanz und leckte seinem Herrn die Hand. Dieser Herr hatte auch einen Esel, der mußte schwere Lasten tragen und bekam oft Schläge.
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Wie nun der Esel sah, daß das Hündchen es so gut hatte, und er hatte es so schlecht, da ward er neidisch und sagte zu sich: Ich arbeite in einem Tag mehr für den Herrn als zehn Hunde in einem Jahr, und doch muß ich auf harten Steinen im Stall schlafen, und dieses Vieh hat ein weiches Körbchen und schläft im warmen Zimmer. Ich will aber auch einmal so artig und freundlich sein wie der garstige Bello, vielleicht wird dann der Herr mich auch so streicheln und füttern. Wie er noch so dachte, da sah er gerade seinen Herrn kommen. Sofort sprang der Langohr auf ihn zu, wedelte mit dem Schwänze wie ein Hund, wackelte vergnügt mit den Ohren und kam mit seinem harten Esels maul dem Herrn an die Hände und ins Gesicht. Dabei schrie er ganz laut: J-a, i-a! und leckte den Herrn ‘mit seiner großen rauhen Zunge. Da schrie der Herr den Knechten zu, die kamen herbei und prügelten den täppischen Esel windelweich, da mußte er wieder in den Stall und mußte Säcke tragen wie sonst.
H.
152. Der Eid des Wolfes. Ein Wolf hatte sich in einer Schlinge gefangen. Da kam der Bauer, der die Schlinge gelegt hatte, und wollte den Wolf totschlagen. Der Wolf heulte jämmerlich und sagte zu dem Landmann: „Wenn du mir das Leben läßt, dann schwöre ich einen Eid, daß ich nie mehr Fleisch fressen will, sondern nur noch Gras und Kräuter, höchstens wenn ich einmal gar zu argen Hunger habe, will ich einen Fisch fressen." Der Bauer glaubte dem Wolf, denn der hatte ja geschworen, er machte die Schlinge los und ließ den Wolf laufen.
Dieser eilte auf den Wald zu. Aber da sah er ein Schwein, das wälzte sich in einer Wasserpfütze und grunzte vor Vergnügen. Da blieb der Wolf stehen und sagte für sich: Was mag das für ein Tier sein dort in dem Wasserfluß? Das kann doch nur ein Fisch sein, denn im Wasser gibt es nur Fische, andere Tiere können gar nicht im Wasser
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leben. Und weil ich gerade gar zu argen Hunger habe, darf ich ja den Fisch fressen! Da fiel er über das arme Schwein her, biß es tot und fraß es auf. H.
153. Die Katzen und der Hausherr. 1. Tier und Menschen schliefen feste, Selbst der Hausprophete schwieg, Als ein Schwarm geschwänzter Gäste Von den nächsten Dächern stieg.
2. In dem Vorsaal eines Reichen Stimmten sie ihr Liedchen an, So ein Lied, das Stein erweichen, Menschen rasend machen kann.
3. Hinz, des Murners Schwiegervater, Schlug den Takt erbärmlich schön, Und zween abgelebte Kater Quälten sich, ihm beizustehn. 4. Endlich tanzten alle Katzen, Poltern, lärmen, daß es kracht, Zischen, heulen, sprudeln, kratzen, Bis der Herr im Haus erwachr.
5. Dieser springt mit einem Prügel In dem finstern Saal herum, Schlägt um sich, zerstößt den Spiegel, Wirft ein Dutzend Schalen unt; 6. Stolpert über ein'ge Spähne, Stürzt im Fallen auf die Uhr Und zerbricht zwo Reihen Zähne. Blinder Eifer schadet nur!
Lichtwer.
154. Der Fuchs und die Schnecke. Meister Fuchs hatte sich einmal an einem warmen Sommertag in der Schwägalp gelagert; da erblickte er neben sich eine Schnecke. Der trug er flugs eine Wette an, wer von ihnen beiden schneller nach St. Gallen laufen könne.
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„Topp!" sagte die Schnecke und machte sich ohne Verzug auf den Weg, zwar ein wenig langsam, denn das Haus auf dem Rücken nahm sie gewohnheitshalber auch mit. Der Fuchs hingegen lagerte sich allfort gemächlich, um erst an: kühlen Abend abzuziehen, und so schlummerte er ein. Diesen Anlaß benützte die Schnecke und verkroch sich heimlich in seinen dicken Zottelschwanz. Gegen Abend begab sich nun der Fuchs auf den Weg und war verwundert, daß er der Schnecke nirgends be gegnete. Er vermutete, sie werde einen kürzern Weg ein geschlagen haben. Als er aber vor dem Tore von St. Gallen noch immer nichts von ihr sah, da wandte er sich stolz uni und rief höhnisch: „Schneck, kommst bald?" — „Ich bin schon da!" antwortete die Schnecke; denn sie hatte sich unvermerkt aus seinem Schwanz losgemacht und schlich gerade unterm Tore durch. Da mußte der hochmütige Fuchs
die Wette verloren geben.
Sutermeister.
155. Der weiße Hirsch. 1. Es gingen drei Jäger wohl auf die Birsch, Sie wollten erjagen den weißen Hirsch. 2. Sie legten sich unter den Tannenbaum, Ta hatten die drei einen seltsamen Traum.
(Der erste): 3. Mir hat geträumt, ich klopf auf den Busch, Da rauschte der Hirsch heraus — husch, husch! (Der zweite):
4. Und als er sprang mit der Hunde Gekläff, Da brannt ich ihn auf das Fell — piff, paff! (Der dritte):
5. Und als ich den Hirsch auf der Erde sah, Da stieß ich lustig ins Horn — trara! 6. So lagen sie da und sprachen, die drei, Da rannte der weiße Hirsch vorbei.
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7. Und eh die drei Jäger ihn recht gesehn. So war er davon über Tiefen und Höhn. Husch husch! piff paff! trara! Uhland.
156. Till Eulenspiegel. Der Eulenspiegel, welcher mit dem Vornamen Till hieß, war ein gar närrischer Mensch. Er lachte mehr, als er weinte, und machte tausend possierliche, oft auch verkehrte Streiche. Doch hatte jedermann den närrischen Kauz gern. Einst machte Eulenspiegel eine Reise durch ein großes Gebirg und hatte noch zahlreiche Reisegesellschaft. Wenn es nun einen Berg hinan ging, dann keuchten und krächzten die andern und sprachen: „Ach, wenn wir doch nur droben wären'" Der Eulenspiegel machte es aber gerade umgekehrt, er sang und sprang und jubelte den Berg hinauf, als wenn ihm das größte Glück widerfahren wäre. Sobald sie aber oben auf dem Gipfel des Berges an gelangt waren und man sich ein wenig ausgeruht hatte, da änderte sich auf einmal die Sache. Eulenspiegel machte ein betrübtes Gesicht, während die übrigen lachten und sich freuten. Und je weiter bergabwärts, desto ärger. Der Eulen spiegel sah aus, als wenn ihm die Hühner das Brot weg gepickt hätten, die übrigen liefen und lärmten, als wenn sie Geld gefunden hätten. Sobald die Gesellschaft unten war, drehte sich alles wieder um; der Eulenspiegel machte ein heiteres, die andern saure Gesichter. Da fragte endlich einer den Eulenspiegel: „Wie ist es aber möglich, daß du immer ganz anders aussiehst, als die übrige Gesellschaft, es ist doch weit lustiger, einen Berg hinab, als hinauf zu gehen!" — „O", sagte Euleuspiegel, „meine Gedanken sind anders. Wenn ich den Berg hinaufgehe, dann freue ich mich schon darauf, daß es nachher wieder bergab geht; geht es aber herunterzu, dann sehe ich auch schon, daß noch ein neuer Berg vor uns liegt, welcher doch auch noch erklommen werden muß, und das verdirbt mir den Spaß.
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Aber wenn wir einmal auf der letzten Höhe stehen und keinen neuen Berg vor uns erblicken, dann will ich lustiger sein als alle anderen!" Curtman.
157. Wie ein Lalenburger ausgesandt wird, aber unterwegs sitzen bleibt. 1. Ein Bote ward einst ausgesandt, Verstand zu holen aus fernem Land. 2. Er eilet rasch über Berg und Tal, Ohne zu ruhn ein einzig Mal.
3. Da steht er plötzlich vor einem Fluß, Welchen er schwimmend durchsetzen muß.
4. Doch der Bot bemüht sich nicht gar sehr; Der Verstand ist schwach, der Wille noch mehr.
5. „Der Regen hat ihn angeschwellt. Ich wart, bis das Wasser wieder fällt." 6. Der Fluß nimmt ab, er nimmt auch zu. Der Bot, er wartet in guter Ruh. 7. „Der Strom ist groß, die Quelle ist klein. Da muß was anders dahinter sein."
8. Der Fluß rinnt fort und immer fort. Der Bot geduld't sich am selben Ort. 9. „Das Wasser, ich kann's ja stießen sehn! Es muß doch endlich zu Ende gehn!" 10. Der Bot, er harrt bis zu dieser Frist, Wenn er nicht zeithero verstorben ist. Aurbacher.
158. Die sieben Schwaben. 1. Das ist die Mär von den sieben Schwaben, Die große Taten verrichtet haben; Sie zogen mit ihrem Spieß zum Streit Für Deutschlands Ruhm und Einigkeit.
Geschichten.
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2. Doch als sie über die Felder zogen, Ein schwarzer Käfer kam geflogen. „Ha," rief Herr Schulz, der tapfre Mann, „Zum Kamps, ihr Herrn, der Feind rückt an!" 3. Herr Jackli bei des Käfers Summen Rief: „Hört ihr die Kanonen brummen?" „Ja," sprach Herr Veitli, „Donnerwetter! Ich höre schon das Kriegsgeschmetter." 4. Und Und Bis
Da stürzten die andern hin mit Beben schrien: „Wir wollen uns ergeben!" lagen auf dem Bauch vor Schreck, daß der Käfer geflogen weg.
5. Als sie nun überstanden das. Da standen sie und schämten sich baß, Gelobten sich auch, daß kein Verrat Enthüllen sollte die erste Tat. 6. Und weiter zogen sie nun zum Streit Für Deutschlands Ruhm und Einigkeit. Da saß ein Häslein fern im Kohl Und tät im süßen Schlaf sich wohl!
7. „O Gott, seht dort das Ungeheuer!" Schrie Hans, „die Augen glühn wie Feuer!" Der Jörgli rief: „Es ist ein Drachen, Wir wollen ihm den Garaus machen!"
8. Der Marli: „Schnell zur Retirade! Wenn er uns sräß, wär's um uns schade!" „Gott hilf uns in der letzten Stund!" Rief Michel, „'s ist der Höllenhund!" 9. Ries Und Den
„Und wenn's der Teufel selber wär," Schulze, „gebt den Spieß mir her, fasset alle, Mann für Mann, Schaft, und gehet drauf und dran!
10. Herr, steh uns bei in dieser Not! Marsch, marsch, nun stecht den Drachen tot!" Der Has erwacht ob solchem Graus, Spitzt seine Löffel und kratzt aus.
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11. Da standen sie und schämten sich sehr, Daß es kein Drache gewesen wär. — Dies ist die Mär vvn den sieben Schwaben, Die große Taten verrichtet haben. Löwenstein.
159. Der Bauer und sein Sohn. Ein guter, dummer Bauernknabe, Den Junker Hans einst mit auf Reisen nahm. Und der, trotz seinem Herrn, mit einer guten Gabe, Recht dreist zu lügen, wiederkam, 5 Ging kurz nach der vollbrachten Reise Mit feinem Vater über Land. Fritz, der im Gehn recht Zeit zum Lügen fand, Log aus die unverschämtste Weise. Zu seinem Unglück kam ein großer Hund gerannt. 10 „Ja, Vater," rief der unverschämte Knabe, „Ihr mögt mir's glauben oder nicht, So sag ich's Euch und jedem ins Gesicht, Daß ich einst einen Hund bei — Haag gesehen habe. Hart an dem Weg, wo man nach Frankreich fährt, 15 Der — ja, ich bin nicht ehrenwert, Wenn er nicht größer war, als Euer größtes Pferd."
„Das," sprach der Vater, „nimmt mich wunder; Wiewohl ein jeder Ort läßt Wunderdinge sehn. Wir zum Exempel gehn jetzunder 20 Und werden keine Stunde gehn, So wirst du eine Brücke sehn, Wir müssen selbst darüber gehn, Die hat dir manchen schon betrogen; Denn überhaupt soll's dort nicht gar zu richtig sein. 25 Auf dieser Brücke liegt ein Stein, An den stößt man, wenn man denselben Tag gelogen. Und fällt und bricht sogleich das Bein."
Der Bub erschrak, sobald er dies vernommen. „Ach," sprach er, „lauft doch nicht so sehr!
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30 Doch wieder auf den Hund zu kommen, Wie groß sagt ich, daß er gewesen wär? Wie Euer großes Pferd? dazu will viel gehören. Der Hund, jetzt fällt mir's ein, war erst ein halbes Jahr; Allein das wollt ich wohl beschwören, 35 Daß er so groß als mancher Ochse war." Sie gingen noch ein gutes Stücke; Doch Fritzen schlug das Herz. Wie konnt es anders sein? Denn niemand bricht doch gern ein Bein. Er sah nunmehr die richterische Brücke 40 Und fühlte schon den Beinbruch halb. „Ja, Vater," fing er an, „der Hund, von dem ich redte, War groß, und wenn ich ihn auch was vergrößert hätte, So war er doch viel größer als ein Kalb."
Die Brücke kömmt. Fritz! Fritz! wie wird dir's gehen! -45 Der Vater geht voran; doch Fritz hält ihn geschwind. „Ach, Vater," spricht er, „seid kein Kind Und glaubt, daß ich dergleichen Hund gesehen; Denn kurz und gut, eh wir darüber gehen, Der Hund war nur so groß, wie alle Hunde sind." Gellert.
160. Der Peter in der Fremde. 1. Der Peter will nicht länger bleiben, Er will durchaus fort in die Welt. Dies Wagestück zu hintertreiben, Der Mutter immer schwerer fällt. „Was," spricht sie, „willst du draußen machen? Du kennst ja fremde Menschen nicht; Dir nimmt vielleicht all deine Sachen Ter erste beste Bösewicht." 2. Der Peter lacht nur ihrer Sorgen, Wenn er die Mutter weinen sieht, Und wiederholt an jedem Morgen -Sein längst gesungnes Reiselied.
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Er meint: „Die Fremde nur macht Leute; Nicht in der Nähe wohnt das Glück." Drum sucht er's gleich recht in der Weite, Doch kehrt er mit der Zeit zurück. 3. Zu Hilfe ruft man alle Basen, Jedwede gibt dazu ihr Wort; Doch Peter läßt nicht mit sich spaßen, Der Tollkopf will nun einmal fort. Da sprach die Mutter voller Kummer: „So sieh doch nur den Vater an! Der reiste nie und ist nicht dummer Als mancher weitgereiste Mann."
4. Doch Peter läßt sich nicht bewegen, So daß der Vater endlich spricht: „Nun gut! ich wünsch dir Glück und Segen; Fort sollst du; doch nun zögr auch nicht!" Nun geht es an ein Emballieren Vom Fuß hinauf bis an den Kopf; Man wickelt, daß auch nichts kann frieren, Das dickste Band um seinen Zopf.
ü. Und endlich ist der Tag gekommen! Gleich nach dem Essen geht er heut. Voraus ist Abschied schon genommen, Und alles schwimmt in Traurigkeit. Die Eltern das Geleit ihm geben Bis auf das nächste Dorf hinaus. Und weil da ist ein Wirtshaus eben, Hält man noch einen Abschiedsschmaus. 6. Ein Fläschchen Wein wird vorgenommen — Doch still wird Peter, mäuschenstill. Man trinkt auf glücklich Wiederkommen, Und Peter seufzt: „Wie Gott es will!" Er muß die Augen manchmal reiben, Nimmt Abschied noch einmal recht schön Hessel, Lesebuch 2. 11. Muff.
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Geschichten.
Und sagt, man soll' nur sitzen bleiben, Denn weiter läßt er keinen gehn. 7. Und endlich wankt er fort, der Peter, Ob's gleich beinah ihn hätt gereut, Nach jeden hundert Schritten steht er Und denkt: „Wie ist die Welt so weit!" Das Wetter will ihn auch nicht freuen; Es geht der Wind so rauh und kalt, Er glaubt: „Es kann noch heute schueien,
Und schneit's nicht heut, so schneit's doch bald!" 8. Jetzt schaut er bang zurück, jetzt geht er Und sinnt, wie weit er heut wohl reist; Jetzt kommt ein Kreuzweg, ach! da steht er, Und niemand, der zurecht ihn weist! „Ach," seufzt er, „so was zu erleben Gedacht ich nicht! daß Gott erbarm! Hätt ich der Mutter nachgegeben, So säß ich jetzt noch weich und warm. 9. Wie konnt ich so mein Glück verscherzen! Ich war doch wahrlich toll und dumm. Wie würde mich die Mutter herzen, Kehrt ich an diesem Kreuzweg um!" Und rasch beschließt er, sich zu drehen, Wie wenn man was vergessen hat, Und rennt — ich hätt es mögen sehen — Zurück zur lieben Vaterstadt. 10. Die Eltern saßen unterdessen Im Wirtshaus noch in guter Ruh, Bekämpften ihren Gram durch Essen Und tranken tiefbetrübt dazu. Der Peter ließ sie gern beim Schmause; Ihn reizte nur der Heimat Glück; Drum rannt er spornestreichs nach Hause Auf einem Seitenweg zurück.
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Nummer 160.
11. Und froh, daß in der Näh und Ferne Sein Fuß sich nicht verirret hat, Gelangt er vor dem Abendsterne Inkognito noch in die Stadt. Doch ist er kaum daheim gekommen, So schallt Gelächter durch das Haus, Das hätt er übel fast genommen, Allein — er machte sich nichts draus. 12. Man spaßt: „Du mußt mit Meilenschuhen Gewandert sein; drum setz dich auch Nun Hintern Ofen, um zu ruhen, Und pfleg am Brotschrank deinen Bauch!" Er tut's. Dann treten seine Alten Zur Stubentür betrübt herein; Die Mutter seufzt mit Händefalten: „Ach, Gott, wo mag mein Peter sein?"
13. Da kriecht der Peter vor und schmunzelt: „Was schreit ihr denn? Hier bin ich ja." Die Mutter jauchzt, der Vater runzelt Die Stirn und spricht: „Schon wieder da? Nun, wie ich's dachte, ist's geschehen; Die Mutter war nur ganz verwirrt; Ich hab's dem Kerl heut angesehen, Wie weit die Reise gehen wird." 14. Die Mutter jubelte, durchdrungen Von frommem Dank: „'s ist besser so; Nun hab ich wieder meinen Jungen Gesund daheim, des bin ich froh!" Doch Peter sagte ganz beklommen: „Hätt' ich nur nicht geglaubt, es schneit, Und wär der Kreuzweg nicht gekommen, Ich wäre jetzt, wer weiß, wie weit!" Eberhard.
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Geschichten.
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Born Büblein, das überall mitgenommen hat sein wollen.
1. Denk an! das Büblein ist einmal Spazieren gegangen im Wiesental; Da wurd's müd gar sehr Und sagt: „Ich kann nicht mehr; Wenn nur was käme Und mich mitnähme!" Da ist das Bächlein geflossen kommen Und hat's Büblein mitgenommen; Das Büblein hat sich aufs Bächlein gesetzt Und hat gesagt: „So gefällt mir's jetzt!"
2. Aber was meinst du? das Bächlein war kalt. Das hat das Büblein gespürt gar bald; Es hat's gefroren gar sehr, Es sagt: „Ich kann nicht mehr; Wenn nur was käme Und mich mitnähme!" Da ist das Schifflein geschwommen kommen Und hat's Büblein mitgenommen; Das Büblein hat sich aufs Schifflein gesetzt Und hat gesagt: „Da gefällt mir's jetzt!" 3. Aber siehst du? das Schifflein war schmal, Das Büblein denkt: da fall ich einmal; Da fürcht es sich gar sehr Und sagt: „Ich mag nicht mehr; Wenn nur was käme Und mich mitnähme!" Da ist die Schnecke gekrochen gekommen
Und hat's Büblein mitgenommen; Das Büblein hat sich ins Schneckenhäuslein gesetzt Und hat gesagt: „Da gefällt mir's jetzt!"
4. Aber denk! die Schnecke war kein Gaul, Sie war im Kriechen gar zu faul;
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Dem Büblein ging's langsam zu sehr; Es sagt: „Ich mag nicht mehr; Wenn nur was käme Und mich mitnähme!" Da ist der Reiter geritten gekommen, Der hat's Büblein mitgenommen; Das Büblein hat sich hinten aufs Pferd gesetzt Und hat gesagt: „So gefällt mir's jetzt!"
5. Aber gib acht! das ging wie der Wind, Es ging dem Büblein gar zu geschwind; Es hopst drauf hin und her Und schreit: „Ich kann nicht mehr; Wenn nur was käme Und mich mitnähme!" Da ist der Baum ihm ins Haar gekommen Und hat das Büblein mitgenommen; Er hat's gehängt an einen Ast gar hoch. Dort hängt das Büblein und zappelt noch. Das Kind fragt: „Ist denn das Büblein gestorben?" Antwort: „Nein! es zappelt ja noch! Morgen gehn wir 'naus und tun's 'runter!" Rückert.
162. Born Bäumlein, -ns andere Blätter hat gewollt. 1. Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald In gutem und schlechtem Wetter; Das hat von unten bis oben Nur Nadeln gehabt statt Blätter; Die Nadeln, die haben gestochen, Das Bäumlein, das hat gesprochen: 2. „Alle meine Kameraden Haben schöne Blätter an.
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Geschichte».
Und ich habe nur Nadeln, Niemand rührt mich an; Dürft ich wünschen, wie ich wollt, Wünscht ich mir Blätter von lauter Gold." 3. Wie's Nacht ist, schläft das Bäumlein ein, Und früh ist's aufgewacht; Da hat es goldne Blätter fein, Das war eine Pracht! Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich stolz; Goldne Blätter hat kein Baum im Holz."
4. Aber wie es Abend ward. Ging der Bettler durch den Wald Mit großem Sack und großem Bart, Der sieht die goldnen Blätter bald, Er steckt sie ein, geht eilends fort Und läßt das leere Bäumlein dort. 5. Das Bäumlein spricht mit Grämen: „Die goldnen Blätter dauern mich; Ich muß vor den andern mich schämen, Sie tragen so schönes Laub an sich; Dürft ich mir wünschen noch etwas, So wünscht ich mir Blätter von hellem Glas."
6. Da schlief das Bäumlein wieder ein, Und früh ist's wieder aufgewacht; Da hat es glasene Blätter fein. Das war eine Pracht! Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich froh! Kein Baum im Walde glitzert so." 7. Da kam ein großer Wirbelwind Mit einem argen Wetter, Der fährt durch alle Bäume geschwind Und kommt an die glasenen Blätter; Da lagen die Blätter von Glase Zerbrochen in dem Grase.
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8. Das Bäumlein spricht mit Trauern: „Mein Glas liegt in dem Staub, Die andern Bäume dauern Mit ihrem grünen Laub; Wenn ich mir noch was wünschen soll, Wünsch ich mir grüne Blätter wohl!"
9. Da schlief das Bäumlein wieder ein. Und wieder früh ist's aufgewacht; Da hat es grüne Blätter fein, Das Bäumlein lacht Und spricht: „Nun hab ich doch Blätter niich, Daß ich mich nicht zu schämen brauch."
10. Da kommt mit vollem Euter Die alte Geiß gesprungen; Die sucht sich Gras und Kräuter Für ihre Jungen; Sie sieht das Laub und fragt nicht viel, Sie frißt es ab mit Stumpf und Stiel.
11. Da war das Bäumlein wieder leer. Es sprach nun zu sich selber: „Ich begehre nun keine Blätter mehr, Weder grüner, noch roter, noch gelber! Hätt ich nur meine Nadeln, Ich wollte sie nicht tadeln." 12. Und traurig schlief das Bäumlein ein. Und traurig ist es aufgewacht; Da besieht es sich im Sonnenschein Und lacht und lacht! Alle Bäume lachen's aus, Das Bäumlein macht, sich aber nichts draus.
13. Warum hat's Bäumlein denn gelacht Und warum denn seine Kameraden? Es hat bekommen in einer Nacht Wieder alle seine Nadeln,
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Geschichten.
Daß jedermann es sehen kann; Geh 'naus, sieh's selbst, doch rühr's nicht an! „Warum denn nicht?" — Weil's sticht! Rückert.
163. Wittington. Zu London hatte ein reicher Kaufmann ein blutarmes Kind, dessen Eltern gestorben waren, zu sich in sein Haus genommen. Weil der arme Junge, der Richard Wittington hieß, noch so klein war, so konnte er anfangs zu nichts ge braucht werden. Man ließ ihn also nur im Hause herum laufen. Da machte er sich nun selbst ein Geschäft daraus, verlorene Stecknadeln und hingeworfene Bindfäden aufzu suchen und sorgfältig zu verwahren. Wenn er dann ein Dutzend Stecknadeln und eine Rolle Bindfaden gesammelt hatte, so brachte er beides seinem Herrn in die Schreibstube. Das gefiel dem Herrn wohl; denn er sah daraus, daß der Knabe haushälterisch und treu werden würde. Von der Zeit an gab er sich mehr mit ihm ab und gewann ihn immer lieber. Da nun eines Tages der Hausknecht junge Katzen ersäufen wollte, bat der Knabe seinen Herrn, er möchte ihm doch er lauben, eine davon aufzuziehen, um sie nachher zu verkaufen. Es wurde ihm bewilligt; und nun fütterte er das junge Kätzchen, bis es groß geworden war. Nach einiger Zeit wollte der Kaufmann ein großes Schiff mit Kaufmannswaren nach einem fernen Lande senden, um sie daselbst zu verkaufen. Da er eben sehen wollte, ob alles ordentlich eingepackt wäre, begegnete ihm der Knabe, der seine Katze auf dem Arm trug. „Richard," sagte er zu ihm, „hast du nicht auch etwas mit* zuschicken, das du verhandeln könntest?" — „Ach, lieber Herr," antwortete der Knabe, „Sie wissen ja wohl, daß ich arm bin und nichts als diese Katze habe." — „Nun, so schicke deine Katze.mit!" sagte der Kaufmann, und Richard lief mit ihm hin zum Schiffe und setzte seine Katze darauf. Das Schiff segelt ab. Nach einigen Monaten kam es bei einem bisher noch nicht bekannten Lande an. Man stieg
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aus und hörte, daß es von einem Könige beherrscht würde. Da dieser König erfuhr, daß Fremde angekommen wären, ließ er einige davon zu sich fordern und mit sich speisen. Aber ungeachtet Essen genug da war, so konnte man doch fast keinen Rissen genießen. Das ganze Zimmer wimmelte nämlich von Mäusen und Ratten, und die waren so dreist, daß sie scharen weise auf dem Tische herum sprangen, sich der Speisen be mächtigten und sogar den Gästen die Bissen aus der Hand holten. Man hatte kein Mittel ausfindig zu machen gewußt, sich davon zu befreien, ungeachtet der König dem, der ein solches Mittel finden würde, ganze Klumpen Goldes zur Be lohnung versprach. Da die Fremden dieses hörten, sagten sie dem Könige, daß sie ein Tier mitgebracht hätten, welches alle diese Mäuse und Ratten töten würde, und holten darauf ihre Katze her. Da hättet ihr sehen sollen, was für eine erschreckliche Nieder lage die Katze unter den Mäusen machte. In einer halben Stunde war im ganzen Zimmer keine einzige mehr zu sehen oder zu hören. Der König war darüber so froh, als wenn ihm einer ein ganzes Königreich geschenkt hätte; und weil er unermeßliche Reichtümer hatte, so gab er für die Katze einige Tonnen Goldes hin. Das Schiff eilte darauf zurück. Der Kaufmann hatte kaum gehört, wie viel Geld die Katze ein gebracht hätte, als er den Knaben vor sich kommen ließ, ihm sein Glück erzählte und ihn versicherte, daß alles ihm allein gehören sollte. Er ließ ihn darauf die Handlung lernen, und da der junge Mensch fortfuhr, treu, fleißig und sparsam zu sein, so gab er ihm, als er erwachsen war, seine einzige Tochter zur Ehe und setzte ihn zum Erben aller seiner Güter ein. Campe.
164. Der Geiger in der Wolfsgrube. Vor nicht so gar langer Zeit gab es selbst in unsern deutschen Wäldern viele Wölfe, und mancher Bauer weiß noch die Geschichte von jenem Geiger in der Wolfsgrube so gut, als wäre sie gestern geschehen, obgleich sie ihm schon sein Groß-
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vater erzählt hat. Es ging nämlich einmal ein Geigersmann von einer Kirchweih nach Hause, auf welcher er den Leuten bis tief in die Nacht aufgegeigt hatte. Das Männlein ging ohne hin nicht gern aus dem geraden Weg und kam daher auch in dem dicken Forste, durch den cs mußte, bald so weit zur Seite ab, daß es ant Ende in eine Grube fiel, welche der Jäger zum Wolssfange gegraben hatte. Der Schreck war schon groß genug für den Geiger, da er so ohne weiteres von der ebenen Erde hinunter in die Tiefe fuhr, wurde aber, als er unten auf etwas Lebendiges auffiel, das wild aufsprang, und als er merkte, daß es ein Wolf sei, der ihn mit funkelnden Augen ansah, noch größer. Der Manu hatte nichts in der Hand als seine Geige, und in der Angst sängt er an, hier vor dem ge öffneten Wolfsrachen alle seine Stückleiu aufzugeigen, die ihm aber diesmal selber gar nicht lustig vorkamen. Dem Wolf mußte aber diese Musik ganz besonders schön und rührend Vorkommen, denn das dumme Vieh fing an über laut zu heulen, was wohl, wie bei unsern musikalischen Hun den, wenn sic Sang und Klang hören, gesungen heißen sollte. Die andern Wölfe draußen im Walde, da sie ihren Kameraden drinnen in der Grube so singen hörten, stimmten auch.mit eiu, und ihr Geheul kam manchmal so nahe, daß das Geigerlein, an welchem kaum ein einziger Wolf satt geworden wäre, ge schweige deren zwei, jeden Augenblick fürchten mußte, es käme »och ein anderer, ailch wohl noch ein dritter und vierter Gast zu seinem bißchen Fleisch in die Grube hinein. Unser Kapell meister in der Wüste guckte indes einmal übers andere in die Höhe, ob's noch nicht Tag werden wollte, denn das Geigen war ihm sein lebtag noch nicht so lang geworden und so ganz sauer und niederträchtig vorgckommen, als da vor dem Wolfe, und er hätte lieber Holz dafür hacken wollen zwanzig Jahre lang alle Wochentage. Ehe aber der Morgen kam, waren schon zwei Saiten an seiner Geige gerissen, und da es Tag wurde, riß die dritte, und der Geiger spielte nun bloß noch auf der vierten und letzten, und wäre die auch noch gerissen, so hätte ihm der Wolf, der durch das viele Heulen die ganze Nacht
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hindurch nur noch hungriger geworden war, keine Zeit mehr gelassen zum Wiederaufziehen, sondern hätte ihn dabei auf gefressen. Da kam zum Glück der alte Jobst, der Jäger, der den Wolf schon von weitem singen, den Geiger aber in der Nähe geigen hörte. Dieser zog den Kapellmeister gerade noch zur rechten Zeit von dem hungrigen Wolfe heraus underlegte dann diesen. Der Spielmann ging aber ganz still seines Weges und nahm sich vor, künftig lieber am Tage und auf geradem Wege nach Hause zu gehen. Das Geigen im Wirtshaus war ihm auch so ganz entleibet, daß er zu seinen Kameraden sagte, er wolle sich lieber mit der Nähnadel, denn er war ein Schneider, sein tägliches Brot erzeigen, und wenn er einmal eins auf Saiten aufspielen möchte, so täte er's lieber in der Kirche, als im Wirtshaus; denn von dort sein ein geraderer und sicherer Weg nach Hause, sei auch nicht so weit dahin, als vom Wirts haus. Schubert.
Sagen. 165. Das Riesenspielzeug. Im Elsaß auf der Burg Nideck, die an einem hohen Berg bei einem Wasserfall liegt, waren die Ritter vorzeiten große Riesen. Einmal ging das Riesenfräulein herab ins Tal, wollte sehen, wie es da unten wäre, und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dem Wald gelegenes Ackerfeld,
das gerade von den Bauern bestellt ward. Es blieb vor Verwunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und Leute an, das ihr alles etwas Neues war. „Ei," sprach sie und ging herzu, „das nehm ich mir mit!" Da kniete sie nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, strich mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und tat's hinein. Nun lief sie ganz vergnügt nach Haus, den Felsen hinaufspringend, wo der Berg so jäh ist, daß ein
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Mensch mühsam klettern muß, da tat sie einen Schritt und war droben. Der Ritter saß gerad am Tisch, als sie eintrat. „Ei, mein Kind," sprach er, „was bringst du da? die Freude schaut dir ja aus den Augen heraus!" Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hineinblicken. „Was hast du so Zappeliges darin?" — „Ei, Vater, gar zu artiges Spielding, so was Schönes hab ich mein lebtag noch nicht gehabt!" Darauf nahm sie eins nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch: den Pflug, die Bauern mit ihren Pferden: lief herum, schaute es an, lachte und schlug vor Freude in die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin und her bewegte. Der Vater aber sprach: „Kind, das ist kein Spielzeug, da hast du was Schönes angestiftet! Geh nur gleich und trag's wieder hinab ins Tal!" Das Fräulein weinte, es half aber nichts. „Mir ist der Bauer kein Spiel zeug," sagte der Ritter ernsthaftig, „ich leid's nicht, daß du mir murrst, kram alles sachte wieder ein und trag's an den nämlichen Platz, wo du's genommen hast. Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf unserm Felsennest nichts zu leben!" Grimm.
166. Der Affe zu Dhaun. Im Schlosse zu Dhaun an der Nahe hielt man einen zahmen Affen, der allerlei possierliche Dinge trieb und der Menschen Gebaren nachahmte, wie die Affen tun. Er sah nun öfter, daß die Amme das junge Gräflein, das noch in der Wickel lag, herzte und küßte; und wie einstmals die Amme eingeschlafen war und das Kind in ihrem Schoß lag und auch schlief, da «ahm der Affe das Kind und herzte es, und damit er das um so ungestörter tun könne, nahm er das kleine Geschöpf und lief mit ihm fort. Als nun die Wärterin erwachte, und das Kind war fort, da erschrak sie auf den Tod. Sie lief in das Schloß und rief enhsetzensbleich: „Das Kind ist fort! Das Kind ist fort!" Alsbald begann ein Suchen nach dem Kinde, nach
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allen Richtungen stob die Dienerschaft, unten an den Simmer bach, in die Felsenschluchten, in den Wald, und der Graf und die Gräfin suchten auch. Da hört im Wald die Wärterin etwas wimmern wie Kindergeschrei, und wie sie die Büsche auseinanderbiegt, da sitzt in der Lichtung des Waldes der Affe und drückt das Wickelkind an sich und schaukelt es hin und her, ganz wie er es die Amme hatte tun sehen, wenn sie das Kindlein hatte beruhigen wollen. In der einen Hand aber hielt er einen Apfel, den er dem kleinen Schreihals vergebens anbot. Nicht ohne Zähnefletschen läßt der Asse sich das kleine Gräflein abnehmen, das nun im Triumphe ins Schloß zurückgebracht wird. Zum Andenken aber an diese Begebenheit hat der Graf an dem Tore den Affen in Stein aushauen lassen, wie er dem Kinde einen Apfel darreicht. Bei der Zerstörung des Schlosses ist der Tor bogen mit dem Affen erhalten geblieben. H.
167. Die Bergwerke im Lemberg. Der Lemberg, der wie ein gewaltiger Pfeiler, der höchste Berg an der Nahe, dicht am Flußbette sich er hebt, birgt in seinem Innern reiche Schätze, besonders an Quecksilber. Darum durchziehen ihn Schachte und Stollen, schon in früheren Jahrhunderten angelegt, jetzt aber verfallen, weil die Erzschätze sich erschöpft zu haben scheinen, wenngleich von Zeit zu Zeit immer wieder Mutungen versucht werden. Die drei berühmtesten Erz gruben waren in alter Zeit: die drei Züge, Ernestiglück und Geißkammer. Über die Entdeckung einer jeden dieser drei Gruben wissen alte Sagen zu berichten. I.
Ein verarmter Ritter von der Ebernburg jagte ein mal am Lemberg im Walde, und da er nichts schoß und über seine Not nachdachte, erschien ihm der Teufel und sagte, just an dieser Stelle seien unter der Erde reiche
Schätze; er wolle sie ihm schenken, wenn er einen von den drei Zügen tue, die er ihm anbiete. Er hatte aber drei Halme, zöge davon der Ritter den längsten, dann solle seine eigene Seele dem Satan verfallen sein, zöge er den mittleren, dann nähme der Teufel seines Weibes Seele, der kleinste Halm endlich solle dem Söhn lein das ewige Heil kosten. Der arme Ritter schüttelte sich vor Grauen und sagte: „Ich will nicht!“ Da bekam er alsbald eine schallende Ohrfeige, daß er taumelte und die Sinne ihm schwanden. Wie er zu sich kam, lag er in der Nähe seines Schlosses Ebernburg. Daß der Teufel bei all seiner Klugheit im Grunde dumm ist, das weiß jeder; auch diesmal hatte er nicht bedacht, daß der Ritter den Wald kannte wie seine Westentasche; er fand wirklich den Fleck, wo er den Teufel getroffen, in kürzester Frist wieder aus; da grub er emsiglich und fand bald reiche Quecksilberadern. Darauf legte er ein Bergwerk an und nannte es die drei Züge, das brachte ihm fortan reichliche Lebsucht. II.
Nun die Geschichte vom Ernestiglück. Ein armer Bergknappe, namens Ernst, arbeitete in den drei Zügen, und weil er so fleißig und fromm war, half ihm ein Berg männlein heimlich, also daß er immer doppelt so viel förderte, wie seine Mitgesellen. Und doch war er miß mutig, denn er hätte gern eines Bauern Tochter im Dorfe Feil gefreit, aber der Vater des Mädchens wollte nur einen reichen Burschen zum Eidam. Wie das gute Bergmännlein seinen Schützling so traurig sah und seinen Kummer erfragt hatte, da sagte es: „Hast du denn gar kein Eigentum?" — „Ach, nur eine Steinhalde mit ein paar Hecken, wo meine Geißen ihr dürftiges Futter suchen!“ Aber als der Berggeist diese Halde beschaute, da sagte er: „Du bist reicher als die Schultheißen von Feil und von Bingert zusammen, denn unter deinem Feld liegen die herrlichsten Quecksilberadern. “ Und so war
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es, und der arme Bergknappe ward reich und führte seine Braut heim und nannte die Grube Ernestiglück.
III. Die Grube Geißkammer ist danach genannt, weil dort sonst eine Höhle gewesen ist, worin eine arme Frau aus Bingert, deren Hütte die Schweden verbrannt, mit ihren Kindern und drei Geißen gewohnt hat. In ihrem Unglück tröstete sie dasselbe Bergmännlein, von dem wir eben ge hört; es klopfte mit seinem Schlägel an die Felswand und sagte: „Da steckt Euer Glück drin; geht nach Kreuznach und sagt dem Amtmann, wenn er Euch Halbpart gäbe, dann wolltet Ihr ihm ein Erzlager zeigen!“ Und wie das geschehen war, da erfand sich’s, daß in der Geißkammer noch reichere Schätze waren, als in den andern Gruben. In ihr ward noch geschürft, als die übrigen Bergwerke des Lembergs schon abgewirtschaftet waren. H.
168. Die Sage vom Mäuseturm. Zur Zeit einer Hungersnot, die vor tausend Jahren zu den Tagen des Bischofs Hatto von Mainz herrschte, rief Hatto eine große Masse armer Leute aus der ganzen Umgegend zusammen, um ihnen Almosen zu spenden, wie er sagte. Er ließ sie aber in einem einsam stehenden Hause verbrennen, weil sic die Hungersnot verschuldet hätten, denn sie hätten müßig herumgestanden und gebettelt und vom Schweiß der Fleißigen sich genährt. Und so vertilgte er alle, die in gläubigem Vertrauen seiner Einladung nachgekommen waren. Dadurch rief er aber die göttliche Rache herbei. Die kam denn über ihn, ehe das dritte Jahr seines erzbischöflichen Amts vorüber war. Es erschien nämlich eine ungeheuere Zahl von Mäusen, .unter deren Bissen er sein Leben elen diglich verlor. Wohin er auch ging, die Mäuse folgten ihm und zerfleischten ihn mit grausamen Zähnen. Er floh in eine hochgelegene Kammer, da stiegen die Mäuse scharen-
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weise an den Wänden hinauf und ereilten ihn, er schloß sich em, da kamen sie durch die Ritzen. Jagten die Diener sie fort, so kamen sie in größerer Menge wieder und ließen dem Ärmsten keine Ruhe an keinem Ort. Und da er auf dem Lande nirgend mehr sicher war, gab mau ihm den Rat, er solle sich ins Wasser flüchten. Da fuhr er in einem Kahn hinüber zu einem Turm, der zur Wacht seit alten Zeiten mitten im Rheine stand, bei Bingen, da wo die Nahe in den Rhein mündet, und dachte, dorthin, wo die Wogen so gewaltig strömten, könnten ihm die Mäuse nicht folgen. Aber es gibt keinen Ort, wo man der göttlichen All macht wehren könnte, Gerechtigkeit zu üben, es sei denn, daß des Sünders herzliche Reue des Richters Sinn er weicht. Gott ordnete es aber so, daß die Mäuse in unge heuren Scharen die Fluten des Rheins durchschwammen; sie erstiegen die feste Burg, an den Mauern hinan klimmend ; alle auf einmal fallen sie den Bischof an, nagen, beißen und töten ihn zuletzt. H.
169. Die Bäckerjungen zu Andernach. Im Rheintor zu Andernach sind zwei roh in Stein gemeißelte überlebensgroße Figuren zu schauen, Knaben in Kitteln. Das Volk nennt sie oie Bäckerjungen von Andernach und erzählt sich folgende Sage: Die Andernacher wußten zu allen Zeiten, welch köstlich Ting es ist, sich behaglich im Bette zu dehnen und sich einen süßen Morgenschlummer zu gönnen. Fast aber wäre ihnen diese Angewohnheit einmal zum Verderben geworden. Die Linzer, ihre alten, grimmen Feinde, gedachten einen Hauptstreich gegen sie zu führen und erwählten dazu einen grauen Frühmorgen, wo in Andernach wie gewöhn lich Alt und Jung dem Tage entgegenträumte. Nur die Bäcker mußten ihres Berufs wegen früher bei der Hand sein, denn die faulen Andernacher wären entrüstet gewesen, hätten sie nicht beim Frühstück ihre warmen Brötchen vor-
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gefunden. Schon waren die Linzer ganz nahe, und die Überrumpelung wäre zweifelsohne gelungen, wenn nicht zwei Bäckerjungen mit dem Semmelkorb auf der Schulter pfeifend die Straße einhergeschritten wären. Weil sie an alle Türen vergebens geklopft hatten, waren sie zum Zeitvertreib ein mal auf den Torturm unten am Rhein geklettert und schauten sich seelenvergnügt um. Siehe, da erblicken sie die Linzer, die in unverkenn bar feindlicher Absicht sich der Stadt Andernach nähern. Die Bäckerjungen, nicht faul, nehmen die auf der Tor brüstung stehenden Bienenkörbe, werfen sie den inzwischen Herangekommenen auf die Köpfe und eilen dann schleunigst an die Sturmglocke, wo sie dermaßen reißen und zerren, daß im Nu kein schläfriges Auge mehr in ganz Andernach ist, sondern in kürzester Zeit Mann bei Mann zur Ver teidigung der bedrohten Stadt bereitsteht. Aber schon war die Gefahr beseitigt, denn die Bienen stachen, daß tausende von Wunden brannten und die Linzer in wilder Flucht davonstürzten, sich vor ihren Peinigern zu retten. Für immer war ihnen die Lust vergangen» einen Angriff auf die Nachbarstadt zu wagen.
H.
170, Entstehung des Siebengebirges. Einst war zwischen Drachenfels und .Rolandseck keine Lücke, wie heute. Der Rhein konnte also nicht weiterfließen, sondern sein Wasser staute sich und bildete einen gewaltigen See. Wie dieser See hoher und höher stieg und alles umher zu überfluten drohte, da schickten die Leute, die da wohnten, zu den Riesen und boten ihnen großen Lohn, wenn sie das Gestein durchstechen wollten. Sieben Riesen waren bereit, sich diesen Lohn zu verdienen, sie nahmen ihren Spaten auf die Schulter, kamen herbei und hatten in sieben Tagen die Arbeit getan. Die Leute schleppten das Geld herbei, das sie den Riesen verheißen hatten, diese teilten sich dann und steckten alles in ihren Rucksack. Ehe sie aber abzogen, klopfte jeder seinen Sessel, Lesebuch 2. 11. Auf,. 12
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Spaten ab, weil noch so viel Felsgebröckel und Erde daran hing. Das Häufchen Gestein aber, was jeder der sieben Riesen zur Seite geworfen hatte, ist jedes einer der sieben Berge, und das zuletzt noch abgeklopfte Gebröckel sind die kleineren Gipfel, die sich dazwischen erheben.
H171. Die Heinzelmännchen. Eine der bekanntesten Kölner Sagen ist die von den
Heinzelmännchen, die allen Leuten des Nachts bei ihren Geschäften halfen. Beim Zimmermann richteten sie die Balken zu, beim Bäcker machten sie Teig und buken Brot, so daß der mit seinen Gesellen die ganze Nacht schlafen konnte; beim Metzger hackten sie das Fleisch und stopften und sotten die Würste, dem Küfer schönten sie die Fässer, stachen ab und schwenkten und schroteten, daß es eine Lust war. Dem Schneider schnitten sie das Tuch zurecht, nähten und flickten, als sei es für sie der größte Zeitvertreib. Weil sie aber niemals sich sehen ließen, so hat ein mal eine Schneidersfrau, die gar zu gern die kleinen Ge hilfen gekannt hätte, Erbsen auf die Treppe gestreut, da fielen sie drüber, glitten aus und schrieen mörderlich. Die Frau kommt schnell mit Licht, aber sie hat doch nichts erblickt, denn wie der Wind sind alle Heinzelmännchen verschwunden, und zwar auf Nimmerwiedersehen. — Das alles kann man, fein ausgemeißelt, an dem Heinzel männchenbrunnen sehen, der in neuerer Zeit unweit den: Dom in Köln errichtet worden ist. H.
172. Das Zwergjunkerlein an der Kohlfurt. I.
In der Nähe der Kohlfurt bei Solingen liegt ein Berg, der mit seinen Klippen die Wupper überragt. Er ist in seinem Innern von unzähligen Höhlen und Gängen durch zogen, die vor langen Jahren von dem kleinen Völkchen der Heinzelmännchen oder Zwerge bewohnt waren. Nun
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begab es sich einst, baß ein wackerer Schmied spät abends zu seinem Hammer*) heimkehrte, der in dieser Gegend an der Wupper lag. Da vernahm er vom jenseitigen Ufer eine wunderbar feine und liebliche Musik, die aus dem Grase und hinter den Steinen hervorzudringen schien. Es geigte und fiedelte, es blies und schmetterte, als wäre da lustiger Tanz. Neugier und Staunen wurden bei dem Schmied rege; er sah scharf zu und bemerkte endlich im Mondenschein viele kleine Gestalten, die in fröhlichem Reigen auf den Steinen umhertanzten. Auch die Musik kam von solchen kleinen Männlein, die sich auf den Felsblöcken niedergelassen hat ten und fein Takt und Ordnung hielten. Abseits aber von den andern erblickte der Schmied ein Männlein auf einem Abhange, der über das Wasser hinausragte. Dieses schien noch heiterer zu sein als die übrigen, denn es jauchzte, sprang auf einem Bein einher, drehte sich im Kreise und warf sein silbernes Hütchen in die Luft. Es freute sich, wie das Hütchen im Monden schein blinkte, und fing es geschickt wieder auf. Mit einem Male aber stieß das Männlein einen lauten Schrei aus. Es hatte einen schrägen Wurf getan, konnte das Hüt chen nicht wieder ergreifen, und dieses fiel in die Wupper. Bei dem Schrei verstummte sofort Jubel und Musik, alle Heinzelmännchen liefen an das Ufer, aber keines konnte das versunkene Hütchen wieder herausholen. Da trat der ehrliche Schmied hinter einem Busch hervor und rief herüber: „Männlein, ich habe dein Hütchen fallen sehen; wenn du dich bis morgen früh gedulden willst, so verspreche ich dir, es wieder herbeizuschaffen." Da rief das ganze Völkchen ihm Beifall zu; der kleine Mann aber sagte: „Ich will es dir reichlich lohnen!" Der Schmied ging von dannen und erwiderte: „Ich habe mich ergötzt an eurer Musik und eurem Tanz, so will ich euch denn auch erkenntlich sein!" *) Schmiede.
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II. Als der Morgen graute, machte der Schmied sich wieder nach derselben Stelle auf. Er watete in das Wasser und sing an zu suchen. Da rief ihm das Zwerglein hinter den Büschen einen guten Morgen zu; es freute sich, daß er sein Versprechen so pünktlich hielt. Bald hatte der Schmied das Hütlein gefunden und reichte es dem Besitzer hinauf, der nun vor Freuden noch höher sprang als am Abend vorher. Dann aber holte er einen großen Edelstein von wundersamer Pracht hervor und wollte damit den Liebes dienst belohnen. Allein so sehr das Zwerglein auch bat, der Schmied nahn: den Stein nicht an, sondern ging ruhig nach Hause und an seine Arbeit. Unter lustigem Sang teilte er einen großen Block Eisen in viele kleinere Klum pen, die er im nächsten Tagewerk in schlanke Stangen auszurecken gedachte.
Wie groß aber war sein Erstaunen, als er am nächsten Morgen in den Hammer trat und die ganze Arbeit schon getan fand. Da lagen die Stangen aufgeschichtet, alle probe mäßig und tadellos ausgeschmiedet. „Nun," dachte der Schmied, „wenn das ein Spaß ist, den sich mein Nachbar erlaubt hat, so kann ich mir den schon gefallen lassen." Er fragte den Tag über hin und her, aber niemand wußte etwas von der Sache. Am Abend lagen wieder die Klumpen fertig, die am nächsten Tage zu schlanken Stangen ausgeschmiedet werden sollten. Der Schmied dachte: Es wäre schön, wenn du morgen früh wieder die Stangen fertig vorsändest! Und richtig, am andern Morgen lagen wieder die Stangen auf geschichtet da, alle probemäßig und tadellos ausgeschmiedet. „Nun," meinte der Schmied, „diese Art zu arbeiten ist so übel nicht; aber ich möchte doch wissen, wie die Sache eigent lich zugeht." Da legte er sich ant Abend auf die Lauer, als die Lichter im Hammer ausgelöscht waren, und lauschte an einer Mauerspalte. Da sah er denn, wie gegen Mitternacht das
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Zwergmännlein mit dem silbernen Hütchen eintrat. Die Tür des Hammers hatte sich ausgetan, nachdem es mit einem silbernen Hämmerlin, das es in der Hand trug, dagegen ge pocht hatte. Das Männlein zündete Licht an und blies in die Kohlen, daß sie bald wieder hell aufflammten. Dann öffnete es ein mitgebrachtes Bündelchen und nahm daraus ein ledernes Schurzfell hervor, das es umtat. Hierauf wälzte es die Klumpen ins Feuer und plagte sich so sehr dabei, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Als es den letzten hineingewälzt hatte, zog es den ersten wieder heraus und zwar mit einer goldenen Schlinge. Der Klumpen glühte noch gar nicht; als aber das Männlein mit seinem silbernen Hämmerchen darauf herumzuarbeiten begann, formte er sich so leicht, als wäre er von Wachs gewesen, und es wurde eine schöne schlanke Stange daraus. So ging es mit dem zweiten und dritten Klumpen und weiter, bis keiner mehr im Feuer war. Dann wusch sich das Männlein, packte sein Schurzleder und sein Hämmerchen ein, setzte sein Hüt chen auf und verschwand so still, wie es gekommen war. III.
Da sagte der Schmied: „Nun, Männlein, wenn du aus Dankbarkeit nachts mein Geselle sein willst, so soll es dir an Arbeit nicht fehlen!" Und fortan machte er mit seinen Gesellen alle Tage nur die Klumpen fertig, die das Männ lein nachts in Stangen ausreckte. Und diese Stangen waren so gut, daß man sie teuer bezahlte, und der Schmied wurde nach kurzer Zeit ein reicher Mann. Eines Tages dachte er: Du verdankest doch all dein Glück, Hab und Gut bloß dem kleinen Männlein und hast ihm nichts dafür geleistet, als daß du sein Hütchen aus dem Wasser geholt hast. Das ist zu wenig. Du mußt ihm einmal eine große Freude niachen. Da ging er nach Solingen zu dem besten Schneider und sprach zu ihm: „Meister, mache mir einen Anzug, wie ihn die Junker zu Köln tragen, ganz von Samt und Seide; er darf über nur so groß sein wie dieses Maß!"
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Damit gab er ihnr die Länge des Männleins. Als der Anzug fertig war, hängte er ihn auf ein Stühlchen neben dem Amboß und stellte einen kleinen Spiegel dabei. Dann versteckte er sich, um zu beobachten, was das Männlein zu dem Geschenke sagen würde. Kaum hatte dieses die Kleider erblickt, so warf es Schurzfell und Hammer beiseite und betrachtete mit Freude und Erstaunen die schönen Gewänder. Alsbald fing es an, sie anzulegen. Dann bewegte es sich wie ein eitles Mäd chen vor dem Spiegel auf und ab und sprach: ,,Ei, wie schön mir das weiße Höschen paßt! Ei, wie schmuck mir das blaue Samtröcklein steht!" Zuletzt setzte das Männ lein auch den Fcderhut auf und steckte den feinen Degen ein. Da wußte es sich vor Freude kaum zu lassen und sprang wieder auf einem Bein einher. Plötzlich aber fielen seine Blicke aus die Eisenklumpen, und es stand wie an genagelt still. „Nein," sprach es endlich, „mit dem Schmie den ist es nun vorbei; solche gemeine Arbeit ziemt sich nicht für einen so schmucken Junker, wie ich jetzt bin." Damit flogen das Schurzfell und der Hammer in die Kohlen, und das Junkerlein klatschte vor Freude in die Hände, als sie in Flammen aufgingen. Darauf nahm es sein silbernes Hütchen und ging stolz zur Tür hinaus. Fortan mußte der Schmied seine Arbeit selbst verrichten, wenn sie getan werden sollte. Da er aber durch des Männ leins Dankbarkeit reich geworden war, so legte er sein Ge schäft nieder und lebte in Ruhe. Wendt.
173. Der hartgeschmiedete Landgraf. Landgraf Ludwig zu Thüringen und Hessen war an fänglich ein gar milder und weicher Herr, demütig gegen jedermann; da huben seine Junker und Edelinge an stolz zu werden, verschmähten ihn und seine Gebote, aber die Untertanen drückten und schätzten sie aller Enden. Es trug sich nun einmal zu, daß der Landgraf jagen ritt in den
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Wald und traf ein Wild an; dem folgte er noch so lange, daß er sich verirrte, und ward von der Nacht überfallen. Da gewahrte er eines Feuers durch die Bäume, richtete sich darnach und kam in die Ruhla zu einer Hammer- oder Waldschmiede. Der Fürst war mit schlechten Kleidern an getan und hatte sein Jagdhorn umhängen. Der Schmied fragte, wer er wäre. „Des Landgrafen Jäger." Da sprach der Schmied: „Pfni des Landgrafen! wer ihn nennet, sollte allemal das Maul wischen! des barmherzigen Herrn!" Ludwig schwieg, und der Schmied sagte zuletzt: „Herbergen will ich dich heut: in dem Schuppen da findest du Heu, magst dich mit deinem Pferde behelfen, aber um deines Herrn willen loill ich dich nicht beherbergen." Ter Landgraf ging beiseite und konnte nicht schlafen.
Die ganze Nacht aber arbeitete der Schmied, und wenn er so mit dem großen Hammer das Eisen zusammenschlug, sprach er bei jedem Schlag: „Landgraf, werde hart! Land graf, werde hart wie dies Eisen!" und schalt ihn und sprach weiter: „Du böser, unseliger Herr! siehst du nicht, wie deine Räte das Volk plagen?" und erzählte also die liebe lange Nacht, was die Beamten für Untugend mit den Unter tanen übeten; klagten dann die Untertanen, so wäre nie» mand, der ihnen Hilfe täte, denn der Herr nähme es nicht an, die Ritterschaft spottete seiner hinterrücks, nennten ihn Landgraf Metz und hielten ihn gar unwert. „Unser Fürst und seine Jäger treiben die Wölfe ins Garn und die Amtleute die roten Füchse in ihre Beutel"; mit solchen und andern Worten redete der Schmied die ganze lange Nacht zu dem Schmiedgesellen, und wenn die Hammer schläge kamen, schalt er den Herrn und hieß ihn hart werden
wie das Eisen. Das trieb er bis zum Morgen; aber der Landgraf faßte alles zu Ohren und Herzen und ward seit der Zeit scharf und ernsthaft in seinem Gemüt, begann die Widerspenstigen zu zwingen und zum Gehorsam zu bringen. Die Unbändigsten unter den Adeligen, welche von der Beraubung der Untertanen nicht lassen wollten, fing
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er zusammen und spannte sie je vier und vier an einen Pflug; er selbst stand dabei und trieb sie mit der Geißel zum Ziehen. Da kam große Furcht über die Bösen int Land, und er ward nicht mehr der Landgraf Metz genannt, sondern von nun an hieß er der eiserne Landgraf. Bäßler.
174. Der heiligen Elisabeth Rosen. Elisabeth, die fromme Landgräfin von Thüringen, war eine Mutter der Armen; täglich ging sie hinaus vor das Schloß, wo die Armen, die Lahmen und Blinden ihrer warteten, und verteilte unter sie Speisen und Gaben, nach dem jedermann not war. Aber ihre Schwiegermutter, die verwitwete Landgräfin Sophie, nahm daran ein Ärgernis und redete ihrem Sohne Ludewig ein, solches Tun wolle einer Fürstin nicht geziemen; darum solle er es seiner Ge mahlin wehren. Als nun wieder eines Tages Elisabeth durch das Burg tor schüchtern hinausschritt und hatte ein Körblein mit Broten, Eiern und anderen Speisen unter dem Mantel am Arm, trat ihr der Landgraf, welcher just aus der Stadt Eisenach den Schloßberg herauf kam, entgegen und frug sie barsch: „Was trägst du da?" Elisabeth erbebte und konnte kein Wort sprechen. „Zeige her!" sprach der Land graf und hob den Deckel vom Korbe, und siehe! da war der Korb mit eitel Rosen angefüllt. Da stand der Fürst beschämt vor seinem frommen Gemahl und merkte die Weisung des Himmels, daß er das mildtätige Herz seiner Gattin nicht wieder in die Versuchung führen sollte; und hinfort, wenn seine Mutter wieder gegen die Freigebigkeit ihrer Tochter sich auslassen wollte, als werde sie damit ihn selbst noch zum armen Manne machen, sprach er: „Laßt sie gewähren! wenn ich nur Wartburg, Eisenach und Neuen burg behalte, so hab ich genug." Bäßler.
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175. Der alte Fritz unv der Bauer. Der alte Fritz war zwar ein großer König; aber eininal ist ihm doch ein Bauer über gewesen. Der säte nämlich gerade Erbsen, wie der alte Fritz — es war in der Ge gend von Potsdam — dazu kam und ihn fragte: „Na, werden sie kommen?" — „Ja," sagte der Bauer, „wenn sie kommen, dann kommen sie nicht; wenn sie aber nicht kommen, dann kommen sie." Die Antwort hat der alte Fritz sich aber nicht zurechtlegen können, soviel er sich auch darüber den Kops zerbrochen hat. Der Bauer aber hatte an die Tauben gevacht, welche den gesäeten Erbsen nach stellen, weshalb man diese auch auf die verschiedenste Weise gegen jene schützt, und deshalb also gemeint: Ja, wenn sie (das heißt die Tauben) kommen, dann kommen sie (das heißt die Erbsen) nicht; wenn sie (das heißt die Tauben) aber nicht kommen, dann kommen sie (das heißt die Erbsen). Schwartz.
176. Der Müller ohne Sorgen. Ein König von Dänemark kam einst in Ditmarschen, einer Landschaft in Holstein, bei eines Müllers Haus vorbei, an dessen Haus geschrieben stand: Ich lebe ohne Sorgen. Der König ließ den Müller zu sich kommen und fragte ihn, wie er sich's einsallen lassen könnte, das über seine Tür zu schreiben, da er, der König selber, es nicht einmal von sich sagen könnte. Der Müller antwortete, es wäre nun einmal so und ließe sich nichts dabei machen. „Nun," sagte der König, so komme Er morgen früh nur einmal zu mir; dann will ich an Ihn drei Fragen tun, und kann Er die beantworten, so will ich Ihm glauben." Am andern Morgen kam der Müller. „Guten Morgen, guter Freund," sprach der König, „was meint Ihr, was denke ich in diesem Augenblick?" — „Ihr denkt," antwortete der Müller, „der Müller kommt." — „Allerdings," sagte der König, „aber nun die zweite Frage. Wie schwer ist wohl der Mond?" — „Höchstens," antwortete der Müller, „vier
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Viertel, und wenn Ihr es nicht glauben wollt, mögt Ihr selbst nachwägen." — „Und wie tief ist das Wasser?" fragte der König wieder, und der Müller antwortete: „Einen Steinwurf." Da lächelte der König und sagte: „Höre Er, Müller, Er ist ein Schalk; aber wenn Er mit allem so schnell fertig werden kann, ist's kein Wunder, wenn Er keine Sorgen hat." Der König beschenkte darauf den Müller, und beide sind ihr Leben lang gute Freunde geblieben. Müllenhofs.
177. Das brave Mütterchen. Es war im Winter, und das Eis stand. Da beschlossen die Husumer, ein großes Fest zu feiern. Sie schlugen Zelte auf, und alt und jung, die ganze Stadt versammelte sich draußen. Die einen liefen Schlittschuh, die andern fuhren in Schlitten, und in den Zelten erscholl Musik, und Tänzer und Tänzerinnen schwenkten sich herum, und die Alten saßen an den Tischen und tranken eins. So verging der ganze Tag, und der helle Mond ging auf, aber der Jubel schien nun erst recht anzufangen. Nur ein altes Mütterchen war von allen Leuten allein in der Stadt geblieben. Sie war krank und gebrechlich und konnte ihre Füße nicht mehr gebrauchen, aber da ihr Häuschen auf dem Deiche stand, konnte sie von ihrem Bette aus aufs Eis hinaussehen und die Freude sich betrachten. Wie es nun gegen den Abend kam, da gewahrte sie, indem sie so auf die See hinaus sah, im Westen ein kleines, weißes Wölkchen, das eben an der Kimmung aufstieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst; sie war in früheren Tagen mit ihrem Manne zur See gewesen und verstand sich wohl auf Wind und Wetter. Sie rechnete nach: in einer kleinen Stunde wird die Flut da sein, dann ein Sturm losbrechen, und alle sind verloren. Da rief und jammerte sie, so laut als sie konnte, aber niemand war in ihrem Hause, und die Nachbarn waren alle auf dem Eise; niemand hörte sie. Immer größer ward unterdes die Wolke und allmählich immer schwärzer; noch einige Minuten, und die Flut mußte da sein, der Sturm losbrechen.
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Da rafft sie all ihr bißchen Kraft zusammen und kriecht auf Händen und Füßen aus dem Bette zum Ofen; glücklich findet sie noch einen Brand, schleudert ihn in das Stroh ihres Bettes und eilt, so schnell sie kann, hinaus, sich in Sicher heit zu bringen. Das Häuschen stand nun augenblicklich in hellen Flammen, und wie der Feuerschein vom Eise aus gesehen ward, stürzte alles in wilder Hast dem Strande zu. Schon sprang der Wind auf und fegte den Staub auf dem Eise vor sich her; der Himmel ward dunkel, das Eis fing an zu knarren und zu schwanken, der Wind wuchs zum Sturm, und als eben die letzten den Fuß aufs feste Land setzten, brach die Decke, und die Flut wogte an den Strand. Sv rettete die arme Frau die ganze Stadt und gab ihr Hab und Gut daran zu deren Heil und Rettung. Müllenhoff.
178. Frau.Hütt. In uralten Zeiten lebte im Tirolerland eine mächtige Riesenkönigin, Frau Hütt genannt, und wohnte auf den Gebirgen über Innsbruck, die jetzt grau und kahl sind, aber damals voll Wälder, reicher Äcker und grüner Wiesen waren. Auf eine Zeit kam ihr kleiner Sohn heim, weinte und jammerte, Schlamm edeckte ihm Gesicht und Hände, dazu sah sein Kleid schwarz aus wie ein Köhlerkittel. Er hatte sich eine Tanne zum Steckenpferd abknicken wollen; weil der Baum aber am Rande eines Morastes stand, so war das Erdreich unter ihm gewichen und er bis zum Haupt in den Moder gesunken, doch hatte er sich noch glück lich herausgeholfen. Frau Hütt tröstete ihn, versprach ihm ein neues, schönes Röcklein und ries einen Diener, der sollte weiche Brosamen nehmen und ihm damit Gesicht und Hände reinigen. Kaum aber hatte dieser angefangen, mit der heiligen Gottesgabe also sündlich umzugehen, so zog ein schweres, schwarzes Gewitter daher, das den Himmel ganz zudeckte, und ein entsetzlicher Donner schlug ein. Als es wieder sich aufgehellt, da waren die reichen Kornäcker, grünen
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Wiesen und Wälder und die Wohnung der Frau Hütt ver schwunden, und überall war nur eine Wüste mit verstreu ten Steinen, wo kein Grashalm mehr wachsen konnte; in der Mitte aber stand Frau Hütt, die Riesenkönigin, verstei nert und wird so stehen bis zum jüngsten Tag. In vielen Gegenden Tirols, besonders in der Nähe von Innsbruck, wird bösen und mutwilligen Kindern die Sage zur Warnung erzählt, wenn sie sich mit Brot werfen oder sonst Übermut damit treiben. „Spart eure Brosamen," heißt es, „für die Armen, damit es euch nicht ergehe, wie der Frau Hütt!" Grimm.
179. Der betrogene Tenfel. 1. Die Araber hatten ihr Feld bestellt. Da kam der Teufel herbei in Eil; Er sprach: „Mir gehört die halbe Welt, Ich will auch von eurer Ernte mein Teil." 2. Die Araber aber sind Füchse von Haus, Sie sprachen: „Die nntere Hälfte sei dein!" Der Teufel will allzeit oben hinaus: „Nein," sprach er, „es soll die obere sein!"
3. Und Die Der
Da bauten sie Rübeu iu einem Strich; als es nun an die Teilung ging. Araber nahmen die Wnrzeln für sich, Teufel die gelben Blätter empfing.
4. Und als es wiederum ging ins Jahr, Da sprach der Tenfel im hellen Zorn: „Nun will ich die untere Hälfte fürwahr!" Da bauten die Araber Weiz und Korn. 5. Die Der Und
Und als es wieder zur Teilung kam. Araber nahmen den Ahrenschnitt, Teufel die leeren Stoppeln nahm heizte der Hölle Ofen damit. Rückert.
Einige Erzählungen von Johann Peter Hebel.
ISO. Bequeme Schiffahrt, wer 8 dafür halten will. Ein Schiff wurde von Mannheim den Neckar hinauf nach Heidelberg gezogen. Kommt hinterdrein mit vollem Felleisen und ein Paar heraushängender Stiefelschuhe ein Handwerksbursche. ,,Darf ich auch mit für Geld und gute Worte? Was muß ich geben?" Der Schiff meister, der gar ein lustiger Kumpan war, sagte: „Fünf zehn Kreuzer, wenn Ihr ins Schiff wollt sitzen. Wollt Ihr aber helfen ziehen, nur sechs. Das Felleisen könnt Ihr mir in das Schiff werfen, es hindert Euch sonst nur." Der Handwerksbursche fing an zu rechnen: Fünf zehn Kreuzer — sechs Kreuzer — sechs von fünfzehn bleibt neun. Die neun Kreuzer, dachte er, kann ich verdienen. „Wenn's denn erlaubt ist," sagte er und warf das Felleisen in das Schiff. Hernach schlang er eins von den Seilen über die Achsel und half ziehen, was er nach Leibeskräften vermochte. Wir kommen eher an Ort und Stelle, dacht er, wenn ich nicht laß bin. In Heidelberg aber entrichtete er sechs Kreuzer Fährgeld — für die Erlaubnis, mit zu ziehen, und nahm das Felleisen wieder in Empfang.
181. Das Mittagessen im Hof. Man klagt häufig darüber, wie schwer und unmöglich es sei, mit manchen Menschen auszukommen. Das mag denn freilich auch wahr sein. Indessen sind viele von solchen Menschen nicht schlimm, sondern nur wunder lich, und wenn man sie nur immer recht kennte, inwendig und auswendig, und recht mit ihnen umzugehen wüßte, nie zu eigensinnig und nie zu nachgebend, so wäre mancher
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wohl und leicht zur Besinnung* zu bringen. Das ist doch einem Bedienten mit seinem Herrn gelungen. Dem konnte er manchmal gar nichts recht machen und mußte vieles entgelten, woran er unschuldig war, wie es oft geht. So kam einmal der Herr sehr verdrießlich nach Hause und setzte sich zum Mittagessen. Da war die Suppe zu heiß oder zu kalt oder keines von beiden; aber genug, der Herr war verdrießlich. Er faßte daher die Schüssel mit dem, was darinnen war, und warf sie durch das offene Fenster in den Hof hinab. Was tat der Diener? Kurz besonnen, warf er das Fleisch, welches er eben auf den Tisch stellen wollte, mir nichts, dir nichts der Suppe nach, auch in den Hof hinab, dann das Brot, dann den Wein und endlich das Tischtuch mit allem, was noch darauf war, auch in den Hof hinab. „Verwegener, was soll das sein?" fragte der Herr und fuhr mit drohendem Zorn von dem Sessel auf. Aber der Bediente erwiderte kalt und ruhig: „Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihre Meinung nicht erraten habe. Ich glaubte nicht anders, als Sie wollten heute in dem Hof speisen. Die Luft ist so heiter, der Himmel so blau, und sehen Sie nur, wie lieblich der Apfelbaum blüht, und wie fröhlich die Bienen ihren Mittag halten!" — Diesmal die Suppe hinabgeworfen und nimmer! Der Herr erkannte seinen Fehler, heiterte sich im Anblick des schönen Frühlingshimmels auf, lächelte heimlich über den schnellen Einfall seines Aufwärters und dankte ihm im Herzen für die gute Lehre.
182. Seltsamer Spazierritt. Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus und läßt seinen Buben zu Fuß nebenher laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: „Das ist nicht recht, Vater, daß Ihr reitet und laßt Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder." Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann und
sagt: „Das ist nicht recht, Bursche, daß du reitest und lässest deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine.“ Da saßen beide auf und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann und sagt: „Was ist das für ein Unverstand! Zwei Kerle auf einem schwachen Tiere! Sollte man nicht einen Stock nehmen und euch beide hinab jagen?“ Da stiegen beide ab und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: „Ihr seid drei kuriose Gesellen; ist’s nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht’s nicht leichter, wenn einer von euch reitet?“ Da band der Vater dem Esel die vorderen Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hinteren Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim. So weit kann’s kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.
183. Böser Markt. Eine seltsame Geschichte begegnete eines Tags einem vornehmen und reichen Mann. Der König und viele andere große Herren und Frauen waren an einem schönen Sommertage in einem großen königlichen Garten ver sammelt, dessen lange gewundene Gänge sich in der Ferne in einem Wald verloren. Viele andere Personen waren auch zugegen, denen es nicht auf einen Gang und auf ein paar Stunden ankam, ihren geliebten König und seine Familie froh und glücklich zu sehen. Man aß und trank, man spielte und tanzte; man ging spazieren in den schönen Gängen und zwischen dem duftenden Rosen gebüsch paarweise und allein, wie es sich traf. Da stellte sich ein Mensch, wohl gekleidet, als wenn er auch dazu gehörte, mit einer Pistole unter dem Rock, in einer abgelegenen Gegend an einen Baum, wo der Garten an den Wald grenzt, dachte: es
wird schon jemand kommen. Wie gesagt, so geschehen, kommt ein Herr mit funkelndem Fingerring, mit klingen den Uhrketten, mit diamantenen Schnallen, mit breitem Ordensband und goldnem Stern, will spazieren gehn im kühlen Schatten und denkt an nichts. Indem er an nichts denkt, kommt der Geselle hinter dem Baum her vor, zieht die Pistole zwischen dem Rock und Kamisol heraus, richtet ihre Mündung auf des Herrn Brust und bittet ihn höflich, keinen Lärm zu machen, es brauche niemand zu wissen, was sie miteinander zu reden haben. Man muß übel dran sein, wenn man vor einer Pistole steht, weil man nicht weiß, was drin steckt. Der Herr dachte vernünftig: Der Leib ist kostbarer als das Geld; lieber den Ring verloren, als den Finger, und versprach zu schweigen. „Gnädiger Herr,“ fuhr jetzt der Ge selle fort, „wären Euch Eure zwei goldenen Uhren nicht feil für gute Bezahlung? Unser Schulmeister richtet die Uhr alle Tage anders, man weiß nie, wie man dran ist, und an der Sonnenuhr sind die Zahlen verwischt.“ Will der reiche Herr wohl oder übel, so muß er dem Halunken die Uhren verkaufen für ein paar Stüber. Und so handelt ihm der Spitzbube Ring und Schnallen und Ordensstern und das goldene Herz, so er vorne auf der Brust im Hemde hatte, Stück für Stück ab um schlechtes Geld, und immer mit der Pistole in der linken Hand. Als endlich der Herr dachte: Jetzt bin ich ab solviert, gottlob! fing der Spitzbube von neuem an: „Gnädiger Herr, weil wir so gut miteinander zurecht kommen, wolltet Ihr mir nicht auch von meinen Waren etwas abhandeln?“ Der Herr denkt an das Sprich wort, daß man müsse zu einem bösen Markt ein gutes Gesicht machen, und sagt: „Laßt sehen!“ Da zog der Bursche allerlei Kleinigkeiten aus der Tasche hervor, und der gute Herr mußte ihm alles abkaufen, Stück für Stück um teures Geld. Als endlich der Spitzbube nichts mehr als die Pistole
übrig hatte und sah, daß der Herr noch ein paar schöne Dublonen in dem grünen seidenen Beutel hatte, sprach er noch: „Gnädiger Herr, wolltet Ihr mir für den Best» den Ihr da in den Händen habt, nicht die Pistole ab kaufen? Sie ist vom besten Büchsenschmied und zwei Dublonen unter Brüdern wert.“ Der Herr dachte in der Überraschung: Du dummer Dieb! und kaufte die Pistole. Als er aber die Pistole gekauft hatte, kehrte er den Stiel um und sprach: „Nun halt, sauberer Ge selle, und geh augenblicklich voraus, wohin ich dich heißen werde, oder ich schieße dich auf der Stelle tot.“ Der Spitzbube aber nahm einen Sprung in den Wald und sagte: „Schießt herzhaft los, gnädiger Herr, sie ist nicht geladen.“ Der Herr drückte ab, und es ging wirklich nicht los. Der Dieb war aber unterdessen schon tief in den Wald, und der vornehme Mann ging scham rot zurück, daß er sich also habe in Schrecken setzen lassen, und dachte an vieles.
184. Das wohlfeile Mittagessen. Es ist ein altes Sprichwort: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selber darein. — Aber der Löwenwirt in einem gewissen Städtlein war schon vorher darin. Zu diesem kam ein wohlgekleideter Gast. Kurz und trotzig verlangte er für sein Geld eine gute Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch ein Stück Rindfleisch und ein Gemüs, für sein Geld. Der Wirt fragte ganz höflich, ob ihm nicht auch ein Glas Wein beliebe. „0 freilich ja,“ erwiderte der Gast, „wenn ich etwas Gutes haben kann für mein Geld.“ Nachdem er sich alles wohl hatte schmecken lassen, zog er einen abgeschliffenen Sechser aus der Tasche und sagte: „Hier, Herr Wirt, ist mein Geld.“ Der Wirt sagte: „Was soll das heißen? Seid Ihr mir nicht einen Taler schuldig?“ Der Gast erwiderte: „Ich habe für keinen Taler Speise von Euch verlangt, sondern Hessel, Lesebuch 2. 11. Ausl.
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für mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr hab ich nicht. Habt Ihr mir zu viel dafür gegeben, so ist’s Eure Schuld/' Dieser Einfall war eigentlich nicht weit her; es gehörte nur Unverschämtheit dazu und ein un bekümmertes Gemüt, wie es am Ende ablaufen werde. Aber das Beste kommt noch. „Ihr seid ein durch triebener Schalk," erwiderte der Wirt, „und hättet wohl etwas anderes verdient. Aber ich schenke Euch das Mittagessen und hier noch ein Vierundzwanzigkreuzer stück dazu. Nur seid stille zur Sache und geht zu meinem Nachbar, dem Bärenwirt, und macht es ihm ebenso." Das sagte er, weil er mit seinem Nachbarn, dem Bären wirt, aus Brotneid im Unfrieden lebte und einer dem andern jeglichen Tort und Schimpf gerne antat und er widerte. Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen Hand nach dem angebotenen Geld, mit der andern vorsichtig nach der Türe, wünschte dem Wirt einen guten Abend und sagte: „Bei Eurem Nachbarn, dem Herrn Bärenwirt, bin ich schon gewesen, und eben der hat mich zu Euch geschickt und kein anderer." So waren im Grunde beide hintergangen, und der dritte hatte den Nutzen davon. Aber der listige Kunde hätte sich noch obendrein einen schönen Dank von beiden verdient, wenn sie eine gute Lehre daraus gezogen und sich miteinander ausgesöhnt hätten. Denn Frieden er nährt, aber Unfrieden verzehrt. 185. Der vorsichtige Träumer. In dem Städtlein Witlisbach im Kanton Bern war einmal ein Fremder über Nacht, und als er ins Bett gehen wollte und bis auf das Hemd ausgekleidet war, zog er noch ein Paar Pantoffeln aus dem Bündel, legte sie an, band sie mit den Strumpfbändern an den Füßen fest und legte sich also in das Bette. Da sagte zu ihm ein anderer Wandersmann, der in der nämlichen Kam-
mer übernachtet war: „Guter Freund, warum tut Ihr das?“ Darauf erwiderte der erste: „Wegen der Vorsicht. Denn ich bin einmal im Traum in eine Glasscherbe ge treten. So habe ich im Schlaf solche Schmerzen davon empfunden, daß ich um keinen Preis mehr barfuß schlafen möchte.“ 186. Der kluge Sultan. Zu dem Großsultan der Türken, als er eben an einem Freitag in die Kirche gehen wollte, trat ein armer Mann von seinen Untertanen mit schmutzigem Bart, zerfetztem Rock und durchlöcherten Pantoffeln, schlug ehrerbietig und kreuzweise die Arme übereinander und sagte: „Glaubst du auch, großmächtiger Sultan, was der heilige Prophet sagt?“ Der Sultan, so ein gütiger Herr war, sagte: „Ja, ich glaube, was der Prophet sagt.“ Der arme Mann fuhr fort: „Der Prophet sagt Herr im Alkoran: Alle Muselmänner sind Brüder. Bruder, so sei so gut und teile mit mir das Erbe.“ Dazu lächelte der Kaiser und dachte: Das ist eine neue Art, ein Almosen zu betteln, und gibt ihm einen Löwentaler. Der Türke beschaut das Geldstück lang auf der einen Seite und auf der andern Seite. Am Ende schüttelt er den Kopf und sagt: „Herr Bruder, wie komme ich zu einem schäbigen Löwentaler, so du doch mehr Silber und Gold hast als hundert Maulesel tragen können, und meinen Kindern daheim werden vor Hunger die Nägel blau, und mir wird nächstens der Mund ganz zusammenwachsen. Heißt das geteilt mit einem Bruder?, Der gütige Sultan aber hob warnend den Finger in die Höhe und sagte: „Herr Bruder, sei zufrieden und sage ja niemand, wie viel ich dir gegeben habe, denn unsere Familie ist groß, und wenn unsere andern Brüder alle auch kommen und verlangen ihr Erbteil von mir, so wird's nicht reichen, und du mußt noch herausgeben.“ Das begriff der Herr Bruder, ging zum Bäckermeister
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Abu Tlengi und kaufte ein Laiblein Brot für seine Kinder, der Kaiser aber begab sich in die Kirche und verrichtete sein Gebet.
187. Der Zahnarzt. Zwei Tagdiebe, die schon lange in der Welt mit einander herumgezogen, weil sie zum Arbeiten zu trag oder zu ungeschickt waren, kamen doch zuletzt in große Not, weil sie wenig Geld mehr übrig hatten und nicht geschwind wußten, wo nehmen. Da gerieten sie auf folgenden Einfall: Sie bettelten vor einigen Haustüren Brot zusammen, das sie nicht zur Stillung des Hungers genießen, sondern zum Betrug mißbrauchen wollten. Sie kneteten nämlich und drehten aus demselben lauter kleine Küglein oder Pillen und bestreuten sie mit Wurm mehl aus altem zerfressenem Holz, damit sie völlig aus sahen wie die gelben Arzneipillen. Hierauf kauften sie für ein paar Batzen einige Bogen rotgefärbtes Papier bei dem Buchbinder, denn eine schöne Farbe muß ge wöhnlich bei jedem Betrug mithelfen. Das Papier zer schnitten sie alsdann und wickelten die Pillen darein, je sechs bis acht Stück in ein Päcklein. Nun ging der eine voraus in einen Flecken, wo eben Jahrmarkt war, und in den roten Löwen, wo er viele Gäste anzutreffen hoffte. Er forderte ein Glas Wein, trank aber nicht, sondern saß ganz wehmütig in einen Winkel, hielt die Hand an den Backen, winselte halblaut für sich und kehrte sich unruhig bald so her, bald so hin. Die ehrlichen Landleute und Bürger, die im Wirtshaus waren, bildeten sich wohl ein, daß der arme Mensch ganz entsetzlich Zahnweh haben müsse. Aber was war zu tun? Man bedauerte ihn, man tröstete ihn, daß es schon wieder vergehen werde. Indessen kam der andere Tagdieb auch nach. Da stellten sich die beiden Schelme, als ob noch keiner den andern in seinem Leben gesehen hätte. Keiner sah
den andern an, bis der zweite durch das Winseln des ersteren, der im Winkel saß, aufmerksam zu werden schien. „Guter Freund,“ sprach er, „Ihr scheint wohl Zahnschmerzen zu haben?“ und ging mit großen und langsamen Schritten auf ihn zu. „Ich bin der Doktor Schnauzius Rapunzius von Travalgar,“ fuhr er fort. Denn solche fremde volltönige Namen müssen auch zum Betrug behilflich sein, wie die Farben. „Und wenn Ihr meine Zahnpillen gebrauchen wollt,“ fuhr er fort, „so soll es mir eine schlechte Kunst sein, Euch mit einer, höch stens zweien, von Euren Leiden zu befreien.“ — „Das wolle Gott,“ erwiderte der andere Halunk. Hierauf zog der saubere Doktor Rapunzius eines von seinen roten Päcklein aus der Tasche, und verordnete dem Pa tienten, ein Kügelein daraus auf den bösen Zahn zu legen und herzhaft darauf zu beißen. Jetzt streckten die Gäste an den andern Tischen die Köpfe herüber, und einer um den andern kam herbei, um die Wunderkur mit anzusehen. Nun könnt ihr euch vorstellen, was ge schah. Auf diese erste Probe wollte zwar der Patient wenig rühmen, vielmehr tat er einen entsetzlichen Schrei. Das gefiel dem Doktor. Der Schmerz, sagte er, sei jetzt gebrochen, und gab ihm geschwind die zweite Pille zu gleichem Gebrauch. Da war nun plötzlich aller Schmerz verschwunden. Der Patient sprang vor Freuden auf, wischte den Angstschweiß von der Stirne weg, ob gleich keiner daran war, und tat, als ob er seinem Retter zum Danke etwas Namhaftes in die Hand drückte. Der Streich war schlau angelegt und tat seine Wirkung. Denn jeder Anwesende wollte nun auch von diesen vortrefflichen Pillen haben. Der Doktor bot das Päcklein für 24 Kreuzer, und in wenig Minuten waren alle verkauft. Natürlich gingen jetzt die zwei Schelme wieder einer nach dem andern weiter, lachten, als sie wieder zusammenkamen, über die Einfalt dieser Leute und ließen sich's wohl sein von ihrem Geld.
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188. Das seltsame Rezept. Es ist sonst kein großer Spaß dabei, wenn man ein Rezept in die Apotheke tragen muß; aber vor langen Jahren war es doch einmal ein Spaß. Da hielt ein Mann von einem entlegenen Hof eines Tages mit einem Wagen und zwei Stieren vor der Stadtapotheke still, lud sorgsam eine große tannene Stubentüre ab und trug sie hinein. Der Apotheker machte große Augen und sagte: „Was wollt Ihr da, guter Freund, mit Eurer Stubentüre? Der Schreiner wohnt um zwei Häuser links.“ Dem sagte der Mann, der Doktor sei bei seiner kranken Frau gewesen und habe ihr wollen ein Tränklein verordnen, so sei in dem ganzen Haus keine Feder, keine Tinte und kein Papier gewesen, nur eine Kreide. Da habe der Herr Doktor das Rezept an die Stubentüre geschrieben, und nun soll der Herr Apotheker so gut sein und das Tränk lein kochen. Item, wenn es nur gut getan hat. Wohl dem, der sich in der Not zu helfen weiß!
189. Ein gutes Rezept. In Wien der Kaiser Joseph war ein weiser und wohl tätiger Monarch, wie jedermann weiß; aber nicht alle Leute wissen, wie er einmal der Doktor gewesen ist und eine arme Frau kuriert hat. Eine arme, kranke Frau sagte zu ihrem Büblein: „Kind, hol mir einen Doktor, sonst kann ich’s nimmer aushalten vor Schmerzen!“ Das Büblein lief zum ersten Doktor und zum zweiten, aber keiner wollte kommen, denn in Wien kostet ein Gang zu einem Patienten einen Gulden, und der arme Knabe hatte nichts als Tränen, die wohl im Himmel für gute Münze gelten, aber nicht bei allen Leuten auf der Erde. Als er aber zum dritten Doktor auf dem Weg war, oder heim, fuhr langsam der Kaiser in einer offenen Kutsche an ihm vorbei. Der Knabe hielt ihn wohl für einen reichen Herrn,
ob er gleich nicht wußte, daß er der Kaiser ist, und dachte: Ich will's versuchen! „Gnädiger Herr/' sagte er, „wolltet Ihr mir nicht einen Gulden schenken, seid so barmherzig!" Der Kaiser dachte, der faßt’s kurz und denkt, wenn ich den Gulden auf einmal bekomme, so brauch ich nicht sechzigmal um den Kreuzer zu betteln. „Tut’s ein Käsperlein oder zwei Zwanziger nicht auch?" fragt ihn der Kaiser. Das Büblein sagte: „Nein!" und offenbarte ihm, wozu er das Geld benötigt sei. Also gab ihm der Kaiser den Gulden und ließ sich genau von ihm beschreiben, wie seine Mutter heißt, und wo sie wohnt; und während das Büblein zum dritten Doktor springt, und die kranke Frau betet daheim, der liebe Gott wolle sie doch nicht verlassen, fährt der Kaiser zu ihrer Wohnung und verhüllt sich ein wenig in seinen Mantel, also daß man ihn nicht recht erkennen konnte, wer ihn nicht darum ansah. Als er aber zu der kranken Frau in ihr Stüblein kam, und es sah recht leer und be trübt darin aus, meint sie, es ist der Doktor, und erzählt ihm ihren Umstand, und wie sie noch so arm dabei sei und sich nicht pflegen könne. Der Kaiser sagte: „Ich will Euch dann jetzt ein Rezept verschreiben!" und sie sagte ihm, wo des Bübleins Schreibzeug ist. Also schrieb er das Rezept und belehrte die Frau, in welche Apotheke sie es schicken müsse, wenn das Kind heimkommt, und legte es auf den Tisch. Als er aber kaum eine Minute fort war, kam der rechte Doktor auch. Die Frau verwunderte sich nicht wenig, als sie hörte, er sei auch der Doktor, und ent schuldigte sich, es sei schon so einer dagewesen und hab ihr etwas verordnet, und sie habe nur auf ihr Büblein gewartet. Als aber der Doktor das Rezept in die Hand nahm und sehen wollte, wer bei ihr gewesen sei, und was für einen Trank oder Pillelein er ihr verordnet hat, erstaunte er auch nicht wenig und sagte zu ihr: „Frau," sagte er, „Ihr seid einem guten Arzt in die Hände gefallen,
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denn er hat Euch fünfundzwanzig Dublonen verordnet, beim Zahlamt zu erheben, und unten dran steht: Joseph, wenn Ihr ihn kennt. Ein solches Magenpflaster und Herz salbe und Augentrost hätte ich Euch nicht verschreiben können." Da tat die Frau einen Blick gegen den Himmel und konnte nichts sagen vor Dankbarkeit und Rührung, und das Geld wurde hernach richtig und ohne Anstand von dem Zahlamt ausbezahlt, und der Doktor verordnete ihr eine Mixtur, und durch die gute Arznei und durch die gute Pflege, die sie sich jetzt verschaffen konnte, stand sie in wenig Tagen wieder auf gesunden Beinen. Also hat der Doktor die kranke Frau kuriert und der Kaiser die arme.
190. König Friedrich und sein Nachbar. Der König von Preußen hatte acht Stunden von Berlin freilich ein schönes Lustschloß und war gerne darin, wenn nur nicht ganz nahe daneben die unruhige Mühle gewesen wäre. Denn erstlich stehn ein königliches Schloß und eine Mühle nicht gut nebeneinander, obgleich das Weißbrot schmeckt auch in dem Schloß nicht übel, wenn's die Mühle fein gemahlen und der Ofen wohl ge backen hat. Außerdem aber, wenn der König in seinen besten Gedanken war und nicht an den Nachbar dachte, auf einmal ließ der Müller das Wasser in die Räder schießen und dachte auch nicht an den Herrn Nach bar, und die Gedanken des Königs stellten das Räder werk der Mühle nicht, aber manchmal das Klapperwerk der Räder die Gedanken des Königs. Der geneigte Leser sagt: „Ein König hat Geld wie Laub, warum kauft er dem Nachbar die Mühle nicht ab und läßt sie niederreißen?" Der König wußte, war um. Denn eines Tages ließ er den Müller zu sich rufen, „Ihr begreift," sagte er zu ihm, „daß wir zwei nicht nebeneinander bestehen können. Einer muß weichen.
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Was gebt Ihr mir für mein Schlößlein?“ — Der Müller sagte: „Wie hoch haltet Ihr es, königlicher Herr Nach bar?“ — Der König erwiderte ihm: „Wunderlicher Mensch, soviel Geld habt Ihr nicht, daß Ihr mir mein Schloß abkaufen könnt. Wie hoch haltet Ihr Eure Mühle?“ Der Müller erwiderte: „Gnädigster Herr, so habt auch Ihr nicht soviel Geld, daß Ihr mir meine Mühle ab kaufen könnt. Sie ist mir nicht feil.“ Der König tat zwar ein Gebot, auch das zweite und dritte, aber der Nachbar blieb bei seiner Rede. „Sie ist mir nicht feil. Wie ich darin geboren bin,“ sagte er, ,,so will ich darin sterben, und wie sie mir von meinen Vätern erhalten wor den ist, so sollen sie meine Nachkommen von mir er halten und auf ihr den Segen ihrer Vorfahren ererben.“ Da nahm der König eine ernsthaftere Sprache an: „Wißt Ihr auch, guter Mann, daß ich gar nicht nötig habe, viel Worte zu machen? Ich lasse Eure Mühle taxieren und breche sie ab. Nehmt alsdann das Geld oder nehmt es nicht!“ Da lächelte der unerschrockene Mann, der Müller, und erwiderte dem König: „Gut ge sagt, allergnädigster Herr, wenn nur das Hofgericht in Berlin nicht wäre.“ Nämlich, daß er es wolle auf einen richterlichen Ausspruch ankommen lassen. Der König war ein gerechter Herr und konnte überaus gnädig sein, also daß ihm die Herzhaftigkeit und Freimütigkeit einer Rede nicht mißfällig war, sondern wohlgefiel. Denn er ließ von dieser Zeit an den Müller unangefochten und unterhielt fortwährend mit ihm eine friedliche Nachbar schaft. Der geneigte Leser aber darf schon ein wenig Respekt haben vor einem solchen Nachbar und noch mehr vor einem solchen Herrn Nachbar.
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Märchen. 191. Goldtöchterchen. Vor dem Tor, gleich an der Wiese, stand ein Haus, darin wohnten zwei Leute, die hatten nur ein einziges Kind, ein ganz kleines Mädchen. Das nannten sic Gold töchterchen. Es war ein liebes, krägles, kleines Ding; flink wie ein Wiesel. Eines Morgens geht die Mutter früh in die Küche Milch zu holen; da steigt das Ding aus dein Bett und stellt sich int Hemdchen in die Hanstüre. Nun war ein wunderherrlicher Sommermorgen, und wie es so in der Haustüre steht, denkt es: „Vielleicht regnet's morgen; da ist's besser, du gehst heute spazieren." Wie's so denkt, geht's auch schon; läuft hinters Haus auf die Wiese bis an den Busch. Wie's an den Busch kommt, wackeln die Haselbüsche ganz ernsthaft mit den Zweigen und rufen: „Nackfrosch im Hemde, Was willst du in der Fremde? Hast kein Schuh und hast kein Hos, Hast ein winzig Strüntpfel bloß.; Wirst du noch den Strumpf verliern. Mußt du dir ein Bein erfriern. Geh nur wieder Heime, Mach dich auf die Beine!"
Aber es hört nicht, sondern läuft in den Busch, und wie es durch den Busch ist, kommt es an den Teich. Da steht die Ente am Ufer mit einer vollen Mandel Junger, alle goldgelb, wie die Eidotter, und fängt entsetzlich an zu schnat tern; dann läuft sie Goldtöchterchen entgegen, sperrt den Schnabel weit auf und tut, als wenn sie es fressen wollte. Aber Goldtöchterchen fürchtet sich nicht, geht gerade darauf los und sagt:
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„Ente, du Schnatterlieschen, Halt doch den Schnabel und schweig ein bißchen!"
„Ach," sagt die Ente, „du bist's, Goldtöchterchen! Ich hatte dich ja gar nicht erkannt; nimm's nur nicht übel! Nein, du tust uns nichts. Wie geht es dir denn? Wie geht es denn deinem Herrn Vater und deiner Frau Mutter? Das ist ja recht schön, daß du uns einmal besuchst. Das ist ja eine große Ehre für uns. Da bist du wohl recht früh aufgestanden? Also du willst dir wohl auch einmal unsern Teich besehen? Eine recht schöne Gegend! Nicht wahr?" Wie sie ausgeschnattert hat, fragt Goldtöchterchen: „Sag einmal, Ente, wo hast du denn die vielen kleinen Kana rienvögel her?" „Kanarienvögel?" wiederholt die Ente, „ich bitte dich, es sind ja bloß meine Jungen." „Aber sie singen ja so fein und haben keine Federn, son dern bloß Haare! Was bekommen denn deine kleinen Ka narienvögel zu essen?" „Die trinken klares Wasser und essen feinen Sand." „Davon können sie aber unmöglich wachsen." „Doch, doch," sagt die Ente; „der liebe Gott segnet's ihnen; und dann ist auch zuweilen im Sand ein Würzelchen und im Wasser ein Wurm oder eine Schnecke." „Habt ihr denn keine Brücke?" fragt dann weiter Gold töchterchen. „Nein," sagt die Ente, „eine Brücke haben wir nun allerdings leider nicht. Wenn du aber über den Teich willst, will ich dich gern hinüberfahren."
Darauf geht die Ente ins Wasser, bricht ein großes Wasserrosenblatt ab, setzt Goldtöchterchen darauf, nimmt den langen Stengel in den Schnabel und fährt Goldtöchter chen hinüber. Und die kleinen Entchen schwimmen munter nebenher. „Schönen Dank, Ente!" sagt Goldtöchterchen, als es drüben angekommen ist. „Keine Ursache," sagt die Ente. „Wenn du mich mal wieder brauchst, steh ich gern zu Diensten. Empfiehl mich deinen Eltern. Schön Adje!"
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Auf der andern Seite des Teiches ist wieder eine große, grüne Wiese, auf der geht Goldtöchterchen weiter spazieren. Nicht lange, so sieht es einen Storch, auf den läust's geradezu: „Guten Morgen, Storch," sagt's „was ißt du denn, was so grünscheckig aussieht und dabei quakt?" „Zappelsalat," antwortet der Storch, „Zappelsalat, Gold töchterchen!" „Gib mir auch was, ich bin hungrig!" „Zappelsalat ist nichts für dich," sagt der Storch; geht an den Bach, taucht mit seinem langen Schnabel tief unter und holt erst einen goldnen Becher mit Milch und dann eine Wecke heraus. Darauf hebt er den einen Flügel und läßt eine Zuckerdüte herunterfallen. Goldtöchterchen läßt sich's nicht zweimal sagen, sondern setzt sich hin, ißt und trinkt. Wie's satt ist, sagt's:
„Ein'n schönen Dank, Und für gute Gesundheit dein Leben lang!" Darauf läuft's weiter. Nicht lange, so kommt ein kleiner, blauer Schmetterling geflogen. „Kleines Blaues," sagt Goldtöchterchen, „wollen wir uns ein wenig haschen?" „Ich bin's zufrieden," antwortet der Schmetterling, „aber du darfst mich nicht angreisen, damit nichts abgeht." Nun haschen sie sich lustig auf der Wiese herum, bis es Abend wird. Wie es anfängt zu dämmern, setzt sich Goldtöchterchen hin und denkt, jetzt willst du dich ausruhen; dann gehst du nach Hause. Wie's so sitzt, merkt's, daß die Blumen im Grase auch schon alle müde sind und einschlasen wollen. Das Gänseblümchen nickt ganz schläfrig mit dem Kopfe, richtet sich dann auf, sieht sich mit gläsernen Augen um, und dann nickt's noch einmal. Da steht eine weiße Aster daneben (und das war jedenfalls die Mutter) und sagt: „Gänseblümchen, mein Engelchen, Fall nicht vom Stengelchen! Geh zu Bett, mein Kind." Und das Gänseblümchen duckt sich hin und schläft ein. Dabei verschiebt sich's das weiße Mützchen, daß ihm die
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Spitzen gerade übers Gesicht fallen. Daraus schläft die Aster auch ein. Wie Goldtöchterchen sieht, daß alles schläft,
fallen ihm die Augen auch zu. Da liegt es nun auf der Wiese und schläft, und mittlerweile läuft seine Mutter immer noch im ganzen Hause umher und sucht's und weint. Sie geht in alle Kammern und sieht in alle Winkel, nnter alle Betten und unter die Treppe. Dann geht sie auf die Wiese .bis an den Busch und durch den Busch bis an den Teich. Über den Teich kann es nicht gekommen sein, denkt sie und geht wieder zurück und durchsucht noch einmal alle Winkel und Ecken und sieht unter alle Betten und unter die Treppe. Wie sie damit fertig ist, geht sie wieder auf die Wiese und wieder in den Busch und wieder bis an den Teich. Das tut sie den ganzen Tag, und je länger sie es tut, desto mehr weint sie. Der Mann aber läuft unterdes in der ganzen Stadt umher und fragt, ob niemand Goldtöchterchen ge sehen hat. Als es aber ganz dunkel geworden war, kam einer von den zwölf Engeln, die jeden Abend über die ganze Welt hinwegfliegen müssen, um nachzusehen, ob sich nicht irgendwo ein kleines Kind verlaufen hat, und es wieder zu seiner Mutter zu bringen, auch auf die grüne Wiese. Als er Goldtöchterchen hier liegen und schlafen sah, hob er es behutsam auf, ohne es zu wecken, flog bis über die Stadt und sah nach, in welchem Hause uoch Licht war. „Das wird wohl das Haus sein, wo's hingehört," sagte er, als er das Haus von Goldtöchterchens Eltern sah, und das Licht im Wohnzimmer brannte immer noch. Heimlich sah er zum Fenster hinein: da saßen Vater und Mutter sich an dem kleinen Tisch gegenüber und weinten, und unter dem Tisch hielten sie sich die Hände. Da öffnete er ganz leise die Haustür, legte das Kind unter die Treppe und flog fort. Und die Eltern saßen immer noch am Tisch. Da stand die Frau auf, zündete noch ein Licht an und leuchtete noch einmal in alle Winkel und Ecken und unter die Betten. „Frau," sagte der Mann traurig, „du hast ja schon so oft
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vergeblich in alle Winkel und Ecken und unter die Treppe gesehen. Geh zu Bett. Unser Goldtöchterchen wird wohl in den Teich gefallen und ertrunken sein." Doch die Frau hörte nicht, sondern ging weiter, und wie sie unter die Treppe leuchtete, lag das Kind da und schlief. Da schrie sie vor Frende so laut auf, daß der Mann eilends die Treppe herabgesprungen kam. Mit dem Kinde auf dem Arm kam sie ihm freudestrahlend entgegen. Es schlief ganz fest, so müde hatte es sich gelaufen. „Wo war es denn? Wo war es denn?" rief er. „Unter der Treppe lag's und schlief," erwiderte die Frau, „und ich habe doch heute schon so oft unter die Treppe gesehen." Da schüttelte der Mann mit dem Kopfe und sagte: „Mit rechten Dingen geht's nicht zu, Mutter; wir wollen nur Gott danken, daß wir unser Goldtöchterchen wieder haben!" Leander.
192, Birkcninännchen. Es ist doch wunderhübsch, wenn die Hellen Birkenstämme so freundlich leuchten und das frische maigrüne Laub so fröh lich säuselt und flüstert. Unaufhörlich säuseln die Blätter, als ob sie recht viel zu erzählen hätten, aber sie sind nur so wohlgemut und freuen sich an jedem Lüftchen, das vorüber zieht, während mancher schwerfällige Baum seine Blätter kaum rührt. Und das ist der Wahlspruch der fröhlichen Birke: Rasch wie die Welle und leicht wie der Wind Flattert die Zeit, und das Leben verrinnt,
Junges Blut, junges Blut Fröhlich und wohlgemut!
Wer könnte wohl den freundlichen Bäumen etwas zu leide tun! Und doch geschieht es! In einem Hellen schönen Birkenwäldchen, welches mit allen Blättern so lustig zum blauen Himmel säuselte, schlich der kleine Anton wie ein Verbrecher. Er stellte sich an den
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Stamm einer Birke und stach mit einem spitzigen Bohrer dem Baum durch die Rinde ins Herz. Da flössen die Tränen des armen Bäumchens wie Blut aus der Wunde, und das wollte ja der Knabe, denn er hatte gehört, Birkensaft schmecke wie Wein, und er glaubte nicht an das Birkenmännchen, weil er schon manchmal die Rinde junger Bäume abgeschält hatte und das Birkeumännchen nicht gekommen war. Plötzlich aber wurde Anton durch einen Rutenstreich sehr unsanft unterbrochen. Er drehte sich um, und da stand das Birkenmännchen leibhaftig vor ihm! Es war sehr klein, trug ein Jttcklein, Höschen und Hut von Birkenrinde, in der Hand aber eine gewaltige Birkenrute, die war dreimal so groß als das Männlein selber. Man hätte denken sollen, es würde die Rute gar nicht regieren können — ei ja doch! wie der Wind strich und fuhr sie über Rücken und Höslein, Gesicht und Hände des bösen Buben, der wie unsinnig auf schrie, so brannten die Rutenstreiche. Er lief, was er laufen konnte, aber das Birkenmännlein war noch viel flinker mit. der Rute hinterdrein und schluo in einem fort.
O je, o je! Es tut so weh! so weh! so weh! jammerte Anton; doch Birkenmännlein entgegnete: Die Rute schlägt, der Bohrer sticht. Du stachst mein Bäumlein, schlechter Wicht, Dir soll für jeden Tränentropfen Die Rute Rock und Höslein klopfen.
Anton lief immer im Kreise herum, und es war, als könnt er den Weg nicht nach Hause finden, an jeden Baum rannt er in Todesangst, und die schreckliche Rute flog ordent lich hinter ihm her.
Erbarmen, ach Erbarmen, Ich tu es nimmermehr! — Allein das unermüdliche während es rüstig zuschlug:
Birkenmännlein
versetzte,
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Geschichten. Du hattest kein Erbarmen, Nun kommt die Strafe hinterher, Noch schlägt die Rute gar nicht sehr. Und du verdienst es noch viel mehr.
Endlich erblickte Anton das Haus seiner Eltern, und endlich lag das Birkenwäldchen hinter ihm. Da war auch die fürchterliche Rute verschwunden. Über Hals und Kops rannte der Knabe nach Hause; er sah schön aus, Gesicht und Hände feuerrot! und der ganze Körper schmerzte und brannte von den unzähligen Rutenstreichen, als hätt er in Nesseln gelegen.
Klette.
193. Die Blume mit dem roten Herzen. Im tiefen Walde blühte einsam die weiße Blume mit dem roten Herzen. Wer sie so sah in ihrer Schönheit, dem deutete es Glück, und er war froh drei Tage und drei Nächte lang. Davon hörte die Königstochter, und sie suchte den wilden Wald hindurch, bis sie die Blume fand. Da ward ihr wunderbar froh zu Sinn, und sie rief: „Einsam sollst du nicht bleiben; in meiner Nähe will ich dich sehen, und ich will dich nach Hause bringen." Die Königstochter grub die Blume aus, nahm sie mit sich und ließ sie durch den Hofgärtner in einen goldnen Blumentopf pflanzen. Diesen Blumentopf stellte sie in ihr Zimmer mitten auf den Tisch, tanzte vor Freuden darum herum und rief: „Du sollst mir lieb sein und nicht geringer gehalten werden, wie ich selbst." Am ersten Tage holte sie süßen Met in einer goldenen Schale und begoß damit die Blume; aber am andern Morgen war eins der Blättchen verwelkt und fiel ab. Da wurde das Kind ernst und dachte: „Sie soll es noch besser haben." Dann holte sie vom allerbesten Wein einen Becher voll und begoß die Blumen damit. Am folgenden Morgen war das zweite Blättchen verwelkt und fiel ab. Da trauerte das Königskind und sagte: „Sie muß es
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milder haben." Dann begoß sie die Blume mit Milch, von der sie selbst getrunken hatte, aber am nächsten Morgen war das dritte Blättchen verwelkt und fiel ab. Die Königstochter begann zu weinen und sagte: „Ich will sie wieder in den wilden Wald tragen, und der Tau soll sie netzen und der Regen des Himmels sie begießen." Und als die Blume mit deni roten Herzen wieder zwischen den hohen Eich bäumen stand, da wuchs am ersten Tage das erste Blättchen wieder, am zweiten das zweite und am dritten das dritte; dann begann die Blume wieder zu duften, und wer sie sah, wurde froh in seinem Herzen und fühlte sich danach glück lich, drei Tage und drei Nächte lang. Kastropp.
194. Warum die Schweine im Grund wühlen. Eine alte Hexe und zwei schmucke Mädchen setzten einen Kuchen aufs Feuer. Aber als der Kuchen halb gar war, ging er auf und davon. Als er nun ein Stück unterwegs war, kam ihm eine Hase entgegen und sprach: „Kuchen, wohin willst du, Kuchen?" Da sagte der Kuchen: „Ich bin eben zwei schmucken Mädchen und einer alten Hexe entlaufen, ich entlaufe dir, Has Wippschwanz, auch wohl." Da sing der Hase auch an zu laufen, dem Kuchen nach, fiel um und blieb tot. Der Kuchen ging weiter. Als er nun wieder ein Stück hinter sich hatte, kam ihm der Fuchs entgegen und sprach: „Kuchen, wohin willst du, Kuchen?" Da sagte der Kuchen: „Ach, ich bin eben zwei schmucken Mädchen und einer alten Hexe und dem Has Wippschwanz entlaufen, ich entlaufe dir, Fuchs Dickschwanz, auch wohl." Da fing der Fuchs an zu laufen, fiel um und blieb tot. Der Kuchen ging weiter. Als er nun wieder ein Stück hinter sich hatte, kam ihm ein Reh entgegen und sprach: „Kuchen, wohin willst du, Kuchen?" Da sagte der Kuchen: „Ach, ich bin eben zwei schmucken Mädchen und einer alten Hexe und dem Has Mippschwanz und dem Fuchs Dickschwanz entlaufen, ich entHessel. Lesebuch 2. 11. Ausl. 14
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Oieschichten.
laufe dir, Reh Blixschwanz, auch wohl." Da fing das Reh an zu laufen, fiel um und blieb tot. Der Kuchen ging weiter. Als er nun wieder ein Stück hinter sich hatte, kam ihm eine Kuh entgegen und sprach: „Kuchen, wohin willst du, Kuchen?" Da sagte der Kuchen: „Ich bin eben zwei schmucken Mädchen und einer alten Hexe und dem Has Wipp schwanz und dem Fuchs Dickschwanz und dem Reh Blixschwanz entlaufen, ich entlaufe dir, Kuh Schwippschwanz, auch wohl." Da fing die Kuh an zu lausen, fiel um und blieb tot. Der Kuchen ging weiter . Als er nun wieder ein Stück hinter sich hatte, kam ihm eine alte Sau entgegen und sprach : „Kuchen, wohin willst du, Kuchen?" Da sagte der Kuchen: „Ach, ich bin eben zwei schmucken Mädchen und einer alten Hexe und dem Has Wippschwanz und dem Fuchs Dickschwanz und dem Reh Blixschwanz und der Kuh Schwippschwanz entlaufen, ich entlaufe dir, alte Sau, auch wohl." Und als der Kuchen das gesagt hatte, machte er sich in den Grund hinein. Da fing die alte Sau au zu wühlen und wollte ihn herausholen, konnte ihn aber nicht kriegen. Und von dieser Zeit an wühlen die Schweine noch alle im Grund und wollen den Kuchen heraussuchen.
Dähnhardt.
195. Unser Herr als Bettler. Es ist schon lange, lange her, da lebte einmal ein altes Weiblein, das entsetzlich arm war. Sie konnte sick wenig verdienen, und betteln gehen wollte sie nicht, denn sie dachte immer: „Lieber als daß ich betteln geh, verkaufe ich meinen Löffel." Wie das arme Weiblein nun einmal in ihrem Stübchen so dasaß und über ihre Not nachdachte, kam ein Bettel mann, der war recht zerlumpt und sah so bleich und mager aus, wie die teure Zeit. Der Bettler bat gar schön und um Gotteswillen um ein kleines Almosen, und das Weiblein
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wußte fast nicht, was sie tun sollte, denn sie hatte nichts als eine Henne, und den Bettler ganz leer weggehen lassen wollte sie auch nicht. Sie wurde endlich mit sich einig und hieß den Bettler sich setzen und ein wenig ausrasten. Dann ging sie in die Küche, stach die Henne ab, kochte sie und setzte sie zusammen mit einer kräftigen Suppe dem Bettler vor. Der Alte ließ sich Suppe und Henne gefallen, aß recht wacker los, und als er wegging, konnte er fast nicht aufhören zu danken. Als der arme Mann schon zur Tür hinaus war, erinnerte sich das Weiblein, daß sie noch ein wenig Tuch im Kasten habe, und holte gleich ein Stückchen vom Tuch für den Bettler, damit er sich ein Hemd machen könnte. Mit dem Tuche lief sie nun dem Bettler nach und schenkte es ihm. Der Arme nahm es lächelnd mit Dank an und sprach: „Weil du mit mir so gut gewesen bist, so schneide Tuch herab, bis die Sonne untergeht." Er sprach's und verschwand glänzend, wie eine Wolke, die bei Sonnen untergang am Himmel hängt. Das Weiblein ging nun eilig nach Hause und fing an Tuch herabzumessen und nahm sich den ganzen Tag hindurch kaum Zeit zu atmen, so beschäftigt war sie. Und wie die liebe Sonne hinter den Bergen zur Ruhe ging, da war das ganze Häuslein, in dem sie wohnte, gesteckt voll schneeweißer Leinwand, die so schön war, daß sich der Kaiser daraus hätte das Festtagstischzeug machen lassen können. Sie maß noch fort, und als die schwarze Nacht kam, hatte sie keinen Platz mehr für ihr Tuch und mußte viele, viele Stücke bei guten Nachbarn aufbewahren lassen. Da machte wohl manche Bäuerin Augen über das schöne Tuch, daß man ihr's leicht ansah, wie gern sie's gehabt hätte. Dem Weiblein fehlte es aber nie mehr, so lange es lebte, an Gottes Segen, und es tat auch den Armen immer fort viel Gutes. Zingerle.
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Einige Märchen von den Brüdern Grimm. 196. Muttergottesgläschen. Es hatte einmal ein Fuhrmann seinen Karren, der mit Wein schwer beladen war, festgefahren, so daß er ihn trotz aller Mühe nicht wieder losbringen konnte. Nun kam gerade die Muttergottes des Weges daher, und als sie die Not des armen Mannes sah, sprach sie zu ihm: „Ich bin müd und durstig, gib mir ein Glas Wein, und ich will dir deinen Wagen frei machen.“ — „Gerne“, antwortete der Fuhrmann, „aber ich habe kein Glas, worin ich den Wein geben könnte.“ Da brach die Muttergottes ein weißes Blümchen mit roten Streifen ab, das Feldwinde heißt und einem Glase sehr ähnlich sieht, und reichte es dem Fuhrmann. Er füllte es mit Wein, und die Muttergottes trank ihn, und in dem Augenblick ward der Wagen frei, und der Fuhrmann konnte weiter fahren. Das Blümchen heißt noch immer Muttergottes gläschen.
197. Der Nagel. Ein Kaufmann hatte auf der Messe gute Geschäfte gemacht, alle Waren verkauft und seine Geldkatze mit Gold und Silber gespickt. Er wollte jetzt heimreisen und vor Einbruch der Nacht zu Hause sein. Er packte also den Mantelsack mit dem Geld auf sein Pferd und ritt fort. Zu Mittag rastete er in einer Stadt; als er weiter wollte, führte ihm der Hausknecht das Roß vor, sprach aber: „Herr, am linken Hinterfuß fehlt im Hufeisen ein Nagel.“ „Laß ihn fehlen!“ erwiderte der Kaufmann, „die sechs Stunden, die ich noch zu machen habe, wird das Eisen wohl festhalten. Ich habe Eile.“
Nachmittags, als er wieder abgestiegen war und dem Roß Brot geben ließ, kam der Knecht in die Stube und sagte: „Herr, Eurem Pferd fehlt am linken Hinterfuß ein Hufeisen. Soll ich’s zum Schmied führen?“ — „Laß es fehlen!“ antwortete der Herr, „die paar Stunden, die noch übrig sind, wird das Pferd wohl aushalten. Ich habe Eile.“ Er ritt fort, aber nicht lange, so fing das Pferd zu hinken an. Es hinkte nicht lange, so fing es an zu stolpern, und es stolperte nicht lange, so fiel es nieder und brach ein Bein. Der Kaufmann mußte das Pferd liegen lassen, den Mantelsack abschnallen, auf die Schulter nehmen und zu Fuß nach Haus gehen, wo er erst spät in der Nacht anlangte. „An allem Unglück,“ sprach er zu sich selbst, „ist der verwünschte Nagel schuld.“ Eile mit Weile! 198. Der Fuchs und die Katze. Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte: Er ist ge scheit und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: „Guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie geht’s, wie steht’s? wie schlagt Ihr Euch durch in dieser teuren Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmutes voll, betrachtete die Katze von Kopf bis zu Füßen und wußte lange nicht, ob er eine Antwort geben sollte. Endlich sprach er: „0, du armseliger Bartputzer, du buntscheckiger Narr, du Hungerleider und Mäuse jäger, was kommt dir in den Sinn? du unterstehst dich, zu fragen, wie mir’s gehe? was hast du gelernt? wie viel Künste verstehst du?“ — „Ich verstehe nur eine einzige“, antwortete bescheidentlich die Katze. „Was ist das für eine Kunst?“ fragte der Fuchs. „Wenn die Hunde hinter mir her sind, so kann ich auf einen Baum springen und mich retten.“ — „Ist das alles?“ sagte der Fuchs, „ich bin Herr über tausend Künste und habe überdies noch
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einen Sack voll Liste. Du jammerst mich, komm mit mir, ich will dich lehren, wie man den Hunden entgeht!“ Indem kam ein Jäger mit vier Hunden daher. Die Katze sprang behend auf einen Baum und setzte sich in den Gipfel, wo Äste und Laubwerk sie völlig verbargen. „Bindet den Sack auf, Herr Fuchs, bindet den Sack auf!“ rief ihm die Katze zu, aber die Hunde hatten ihn schon gepackt und hielten ihn fest. „Ei, Herr Fuchs!“ rief die Katze, „Ihr bleibt mit Euern hundert Künsten stecken. Hättet Ihr heraufkriechen können, wie ich, so wär’s nicht um Euer Leben geschehen.“ 199. Der Wolf und der Mensch. Der Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen, kein Tier könnte ihm widerstehen, und sie müßten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf: „Wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme! Ich wollte doch auf ihn los gehen.“ — „Dazu kann ich dir helfen,“ sprach der Fuchs, „komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen!“ Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage ging. Zuerst kam ein alter abgedankter Soldat. „Ist das ein Mensch?“ fragte der Wolf. „Nein,“ antwor tete der Fuchs, „das ist einer gewesen.“ Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. „Ist das ein Mensch?“ — „Nein, das will erst einer werden.“ Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte auf dem Rücken und den Hirschfänger an der Seite. Sprach der Fuchs zum Wolf: „Siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den mußt du losgehen, ich aber will mich fort in meine Höhle machen.“ Der Wolf ging nun auf den Menschen los; der Jäger, als er ihn erblickte, sprach: „Es ist schade, daß ich keine Kugel geladen habe,“ legte an und schoß dem Wolf das Schrot ins Gesicht. Der Wolf verzog
das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und ging vorwärts; da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiß den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe; da zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, daß er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchs zurück lief. „Nun, Bruder Wolf,“ sprach der Fuchs, ,wie bist du mit dem Menschen fertig geworden?“ — „Ach,“ ant wortete der Wolf, „so hab ich mir die Stärke des Men schen nicht vorgestellt; erst nahm er einen Stock von der Schulter und blies hinein, da flog mir etwas ins Gesicht, das hat mich ganz entsetzlich gekitzelt; danach pustete er nochmals in den Stock, da flog mir’s um die Nase wie Blitz und Hagelwetter; und wie ich ganz nah war, da zog er eine blanke Rippe aus dem Leib, damit hat er so auf mich losgeschlagen, daß ich beinah tot wäre liegen geblieben." — „Siehst du,“ sprach der Fuchs, „was du für ein Prahlhans bist! du wirfst das Beil so weit, daß du’s nicht wieder holen kannst.“
200. Der Zaunkönig und der Bär. I. Zur Sommerszeit gingen einmal der Bär und der Wolf im Wald spazieren, da hörte der Bär so schönen Gesang von einem Vogel und sprach: „Bruder Wolf^ was ist das für ein Vogel, der so schön singt?" — „Das ist der König der Vögel," sagte der Wolf, „vor dem müssen wir uns neigen!" Es war aber der Zaunkönig. „Wenn das ist," sagte der Bär, „so möcht ich auch gerne seinen königlichen Palast sehen, komm und führe mich hin!" — „Das geht nicht so, wie du meinst," sprach der Wolf, „du mußt warten, bis die Frau Königin kommt." Bald darauf kam die Frau Königin und hatte Futter im Schnabel, und der Herr König auch, und wollten ihre Jungen ätzen. Der Bär wäre gern nun gleich hinterdrein gegangen, aber der Wolf hielt ihn am Ärmel
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und sagte: „Nein, du mutzt warten, bis Herr und Frau Königin wieder fort sind!" Also nahmen sie das Loch in acht, wo das Nest stand, und trabten wieder ab. Der Bär aber hatte keine Ruhe, wollte den königlichen Palast sehen und ging nach einer kurzen Weile wieder vor. Da waren König und Königin richtig ausgeflogen; er guckte hiuein und sah fünf oder sechs Junge, die lagen darin. „Ist das der königliche Palast?" rief der Bär, „das ist ein er bärmlicher Palast! ihr seid auch keine Königskinder, ihr seid unehrliche Kinder." Wie das die jungen Zaunkönige hörten, wurden sie gewaltig bös und schrieen: „Nein, das sind wir nicht, unsere Eltern sind ehrliche Leute; Bär, das soll aus gemacht werden mit dir!" Dem Bär und dem Wolf ward angst, sie kehrten um und setzten sich in ihre Höhlen. Die jungen Zaunkönige aber schrieen und lärmten fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten, sagten sie: „Wir rühren kein Fliegenbeinchen an, und sollten wir verhungern, bis ihr erst ausgemacht habt, ob wir ehrliche Kinder sind oder nicht; der Bär ist dagewesen und hat uns gescholten." Da sagte der alte König: „Seid nur ruhig, das soll ausgemacht werden!" Flog darauf mit der Frau Königin dem Bären vor seine Höhle und rief hinein: „Alter Brummbär, warum hast du meine Kinder gescholten? das soll dir übel bekommen, das wollen wir in einem blutigen Krieg ausmachen!" II.
Also war dem Bären der Krieg angekündigt, und ward alles vierfüßige Getier berufen: Ochs, Esel, Rind, Hirsch, Reh, und was die Erde sonst alles trägt. Der Zaunkönig aber berief alles, was in der Luft fliegt; nicht allein die Vögel grob und klein, sondern auch die Mücken, Hornissen, Bienen und Fliegen mußten herbei. Als nun die Zeit kam, wo der Krieg angehen sollte, da schickte der Zaunkönig Kundschafter aus, wer der komman dierende General des Feindes wäre. Die Mücke war die listigste von allen, schwärmte im Wald, wo der Feind sich
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versammelte, und setzte sich endlich unter ein Blatt auf den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde. Da stand der Bär, rief den Fuchs vor sich und sprach: „Fuchs, du bist der schlauste unter allem Getier, du sollst General sein und uns anführen." — „Gut," sagte der Fuchs, „aber was für ein Zeichen wollen wir verabreden?" Niemand wußte es. Ta sprach der Fuchs: „Ich habe einen schönen, langen, buschigen Schwanz, der sieht aus fast wie ein roter Federbusch: wenn ich den Schwanz in die Höhe halte, so geht die Sache gut, und ihr müßt darauf los marschieren; laß ich ihn aber herunterhängen, so lauft, was ihr könnt!" Als die Mücke das gehört hatte, flog sie wieder heim und verriet dem Zaun könig alles haarklein. Als der Tag anbrach, wo die Schlacht sollte geliefert werden, hu! da kam das vierfüßige Getier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde zitterte; Zaunkönig mit seiner Arinee kam auch durch die Luft daher, die schnurrte, schrie und schwärmte, daß einem angst und bange ward, und gingen sie da von beiden Seiten aneinander. Der Zaunkönig aber schickte die Hornisse hinab, sie sollte sich dem Fuchs unter den Schwanz setzen und aus Leibeskräften stechen. Wie nun der Fuchs den ersten Stich bekam, zuckte er, daß er das eine Bein aufhob, doch ertrug er's und hielt den Schwanz noch in der Höhe; beim zweiten Stich mußte er ihn einen Augenblick herunterlassen; beim dritten aber konnte er sich nicht mehr halten, schrie und nahm den Schwanz zwischen die Beine. Wie das die Tiere sahen, meinten sie, alles wäre verloren, nnd singen an zu laufen, jeder in seine Höhle, und hatten die Vögel die Schlacht gewonnen. Da flog der Herr König und die Frau Königin heim zu ihren Kindern und riefen: „Kinder, seid fröhlich, eßt und trinkt nach Herzenslust, wir haben den Krieg gewonnen!" Die jungen Zaunkönige aber sagten: „Noch essen wir nicht, der Bär soll erst vors Nest kommen und Abbitte tun und soll sagen, daß wir ehrliche Kinder sind." Da flog der Zaunkönig vor das Loch des Bären nnd rief: „Brummbär,
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bit sollst vor das Nest zu meinen Kindern gehen und Abbitte tun und sagen, das; sie ehrliche Kinder sind, sonst sollen dir die Nippen im Leib zertreten werden!" Da kroch der Bär in der größten Angst hin und tat Abbitte. Jetzt waren die jungen Zaunkönige erst zufrieden, setzten sich zusammen, aßen und tranken und machten sich lustig bis in die späte Nacht hinein.
201. Der Wolf und der Fuchs. I.
Der Wolf hatte den Fuchs bei sich, und was der Wolf wollte, das mußte der Fuchs tun, weil er der schwächste war, und der Fuchs wäre gern des Herrn los gewesen. Es trug sich zu, daß sie beide durch den Wald gingen, da sprach der Wolf: „Rotfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber ans!" Da antwortete der Fuchs: „Ich weiß einen Bauernhof, wo ein paar junge Lämmlein sind; hast du Lust, so wollen wir eins holen!" Dem Wolf war das recht, sie gingen hin, und der Fuchs stahl das Lämmlein, brachte es dem Wolf und machte sich fort. Da fraß es der Wolf auf, war aber damit noch nicht zufrieden, sondsru wollte das andere dazu haben und ging, es zu holen. Weil er es aber so ungeschickt machte, ward es die Mutter vom Lämmlein gewahr und fing an entsetzlich zu schreien und zu bläen, daß die Bauern herbeigelaufen kamen. Da fanden sie den Wolf und schlugen ihn so erbärmlich, daß er hinkend und heulend bei dem Fuchs ankam. „Du hast mich schön angeführt," sprach er, „ich wollte das andere Lamm holen, da haben mich die Bauern erwischt und haben mich weich geschlagen." Der Fuchs antwortete: „Warum bist du so ein Nimmersatt?"
II. Am andern Tag gingen sie wieder ins Feld; sprach der gierige Wolf abermals: „Rotfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber auf!" Da antwortete der Fuchs: „Ich weiß ein Bauernhaus, da backt die Frau heut
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Abend Pfannkuchen, wir wollen uns davon holen!" Sie gingen hin, und der Fuchs schlich ums Haus herum, guckte und schnupperte so lange, bis er ausfindig machte, ivo die Schüssel stand, zog dann sechs Pfannkuchen herab nnd brachte sie dem Wolf. „Da hast du zu fressen," sprach er zu ihm und ging seiner Wege. Der Wolf hatte die Pfannkuchen in einem Augenblick hinuntergeschluckt und sprach: „Sie schmecken nach mehr," ging hin und riß geradezu die ganze Schüssel herunter, daß sie in Stücke zersprang. Da gab's einen gewaltigen Lärm, daß die Frau herauskam; und als sie den Wolf sah, rief sie die Leute, die eilten herbei und schlugen ihn, was Zeug ivollte halten, daß er mit z>vei lahmen Beinen laut heulend zum Fuchs in den Wald hinaus kam. „Was hast du mich garstig angeführt!" rief er, „die Bauern haben mich erwischt nnd mir die Haut gegerbt." Der Fuchs aber antwortete: „Warum bist du so ein Nimmersatt?" III.
Am dritten Tag, als sie beisammen draußen waren und der Wolf mit Mühe nur forthinkte, sprach er doch wieder: „Rotfuchs, schaff mir was zu fresseu, oder ich fresse dich selber auf!" Der Fuchs antwortete: „Ich weiß einen Mann, der hat geschlachtet, und das gesalzene Fleisch liegt in ciuem Faß im Keller, das wollen wir holen!" Sprach der Wolf: „Aber ich will gleich mitgehen, damit du mir hilfst, wenn ich nicht fort kann." — „Meinetwegen," sagte der Fuchs und zeigte ihm die Schliche und Wege, auf welchen sie endlich in den Keller gelangten. Da war nun Fleisch im Überfluß, und der Wolf machte sich gleich daran nnd dachte: „Bis ich aufhöre, hat's Zeit." Der Fuchs ließ sich's auch gut schmecke», blickte überall herum, lief aber oft zu dem Loch, durch welches sie gekommen waren, und versuchte, ob sein Leib noch schnial genug wäre durchzuschlüpfen. Sprach der Wolf: „Lieber Fuchs, sag mir, warum rennst du so hin und her und springst hinaus und herein?" — „Ich muß doch sehen, ob niemand
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kommt," antwortete der listige, „friß nur nicht zu viel!" Da sagte der Wolf: „Ich gehe nicht eher fort, als bis das Faß leer ist." Indem kam der Bailer, der den Lärm von des Fuchses Sprüngen gehört hatte, in den Keller. Der Fuchs, wie er ihn sah, war mit einem Satz zum Loch draußen; der Wolf wollte nach, aber er hatte sich so dick gefressen, daß er nicht mehr durch konnte, sondern stecken blieb. Da kam der Bauer mit einem Knüppel nnd schlug ihn tot. Der Fuchs aber sprang in den Wald nnd war froh, daß er den alten Nimmersatt los war.
202. Der alte Sultan. Es hatte ein Bauer einen treuen Hund, der Sultan hieß, der war alt geworden und hatte alle Zähne verloren, so daß er nichts mehr fest packen konnte. Zu einer Zeit stand der Bauer mit feinet Frau vor der Haustüre nnd sprach: „Den alten Sultan schieß ich morgen tot, der ist zu nichts mehr uütze." Die Fra», die Mitleid mit dem treuen Tiere hatte, antwortete: „Da er uns so lange Jahre gedient hat und ehrlich bei uns gehalten, so könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben." — „Ei, was," sagte der Mann, „du bist nicht recht gescheit; er hat keinen Zahn mehr im Maul, nnd kein Dieb fürchtet sich vor ihn:, er kann jetzt abgehen. Hal er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt." Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag, hatte alles mit angehört und war traurig, daß morgen sein letzter Tag sein sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem schlich er abends hinaus in den Wald und klagte über das Schicksal, das ihm bevorstände. „Höre, Gevatter," sagte der Wolf, „sei gutes Mutes, ich will dir aus deiner Not helfen. Ich habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht dein Herr mit seiner Frau ins Heu, und sie nehmen ihr kleines Kind mit, weil niemand im Hause zurückbleibt. Sie pflegen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu
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legen; lege dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen. Ich will dann aus dem Walde herauskommen und das Kind rauben; du mußt mir eifrig nachspringen, als wolltest du mir es wieder abjagen. Ich lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück, die glauben dann, du hättest es gerettet, und sind viel zu dankbar, als daß sie dir ein Leid antun sollten; im Gegenteil, du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen." Der Anschlag gefiel dem Hund, und wie er ausgedacht war, so ward er auch ausgeführt. Der Vater schrie, als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah; als es aber der alte Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn und sagte: „Dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnadenbrot essen, so lange du lebst!" Zu seiner Frau aber sprach er: „Geh gleich heim und koche dem alten Sultan einen Weckbrei, den braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus meinem Bette, das schenk ich ihm zu seinem Lager!" Von nun an hatte es der Sultan sv gut, als er's sich nur wünschen konnte. Bald hernach besuchte ihn der Wolf und freute sich, daß alles so wohl gelungen war. „Aber, Gevatter," sagte er, „du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole? Es wird einem heutzutage schwer, sich durchzuschlagen." — „Darauf rechne nicht," ant wortete der Hund, „meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zugeben." Der Wolf meinte, das wäre nicht im Ernste gesprochen, kam in der Nacht herangeschlichen und wollte sich das Schaf holen. Aber der Bauer, dem der treue Sultan das Vorhaben des Wolfes verraten hatte, paßte auf und kämmte ihm mit dem Dreschflegel garstig die Haare.
203. Die Wichtelmänner. Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm ge worden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er
am Abend die Schuhe zu, die wollte er den nächsten Morgen in Arbeit nehmen; und weil er ein gutes Ge wissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich zur Arbeit nieder setzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf dem Tisch. Er verwunderte sich und wußte nicht, was er dazu sagen sollte. Er nahm die Schuhe in die Hand, um sie näher zu betrachten: sie waren so sauber gearbeitet, daß kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln. Er schnitt sie abends zu und wollte den nächsten Morgen mit frischem Mut an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand, waren sie schon fertig, und es blieben auch nicht die Käufer aus, die ihm so viel Geld gaben, daß er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen konnte. Er fand früh morgens auch die vier Paar fertig; und so ging's immer fort, was er abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte und endlich ein wohlhabender Mann ward. Nun geschah es eines Abends nicht lange vor Weih nachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, daß er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach: „Wie wär's, wenn wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer uns solche hilfreiche Hand leistet?" Die Frau war's zu frieden und steckte ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken, hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben acht. Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine niedliche nackte Männlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zu geschnittene Arbeit zu sich und fingen an, mit ihren
Fingerlein so behend und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, dass der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war und fertig auf dein Tische stand, dann sprangen sie schnell fort. Am andern Morgen sprach die Frau: ,,Die kleinen Männer haben uns reich gemacht, wir müßten uns doch dankbar dafür bezeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib und müssen frieren. Weißt du was? ich will Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu." Der Mann sprach; ,,Das bin ich wohl zufrieden," und abends, wie sie alles fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zuge schnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch und ver steckten sich dann, um mit anzusehen, wie sich die Männlein dazu anstellen würden. Um Mitternacht kamen sie herangesprungen und wollten sich gleich an die Arbeit machen; als sie aber kein zugeschnittenes Leder, sondern die niedlichen Kleidungsstücke fanden, verwunderten sie sich erst, dann aber bezeigten sie eine gewaltige Freude. Mit der größten Geschwindigkeit zogen sie sich an, strichen die schönen Kleider am Leib und sangen: „Sind wir nicht Knaben glatt und fein? Was sollen wir länger Schuster sein!" Dann hüpften und tanzten sie und sprangen über Stühle und Bänke. Endlich tanzten sie zur Türe hinaus. Von nun an kamen sie nicht wieder, dem Schuster aber ging es wohl, so lang er lebte, und es glückte ihm alles, was er unternahm.
204* Die drei Spinnerinnen* I. Es war ein Mädchen faul und wollte nicht spinnen, und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, sie konnte es nicht dazu bringen. Endlich übernahm die Mutter
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einmal Zorn und Ungeduld, daß sie ihm Schläge gab, worüber es laut zu weinen anfing. Nun fuhr gerade die Königin vorbei, und als sie das Weinen hörte, ließ sie anhalten, trat in das Haus und fragte die Mutter, warum sie ihre Tochter schlüge, daß man draußen auf der Straße das Schreien hörte. Da schämte sich die Frau, daß sie die Faulheit ihrer Tochter offenbaren sollte, und sprach: „Ich kann sie nicht vom Spinnen abbringen, sie will immer und ewig spinnen, und ich bin arm und kann den Flachs nicht herbeischaffen.“ — Da antwortete die Königin: „Ich höre nichts lieber als spinnen und bin nicht vergnügter, als wenn die Räder schnurren; gebt mir Eure Tochter mit ins Schloß, ich habe Flachs genug, da soll sie spinnen, so viel sie Lust hat.“ Die Mutter war's von Herzen gern zufrieden, und die Königin nahm das Mädchen mit. Als sie ins Schloß gekommen waren, führte sie es hinauf zu drei Kammern, die lagen von unten bis oben voll vom schönsten Flachs. „Nun spinn mir diesen Flachs!“ sprach sie, „und wenn du es fertig bringst, so sollst du meinen ältesten Sohn zum Gemahl haben; bist du gleich arm, so acht ich nicht darauf, dein unverdrossener Fleiß ist Ausstattung genug.“ Das Mädchen erschrak innerlich, denn es konnte den Flachs nicht spinnen, und wär's drei hundert Jahr alt geworden und hätte jeden Tag vom Morgen bis zum Abend dabei gesessen. Als es nun allein war, fing es an zu weinen und saß so drei Tage, ohne die Hand zu rühren. Am dritten Tage kam die Königin, und als sie sah, daß noch nichts gesponnen war, ver wunderte sie sich, aber das Mädchen entschuldigte sich damit, daß es vor großer Betrübnis über die Entfernung aus seiner Mutter Hause noch nicht hätte anfangen können. Das ließ sich die Königin gefallen, sagte aber beim Weggehen: „Morgen mußt du mir anfangen zu arbeiten.“
II. Als das Mädchen wieder allein war, wußte es sich nicht mehr zu raten und zu helfen und trat in seiner
Betrübnis vor das Fenster. Da sah es drei Weiber her kommen, davon hatte die erste einen breiten Platschfuß, die zweite hatte eine so große Unterlippe, daß sie über das Kinn herunterhing, und die dritte hatte einen breiten Daumen. Die blieben vor dem Fenster stehen, schauten hinauf und fragten das Mädchen, was ihm fehlte. Es klagte ihnen seine Not, da trugen sie ihm ihre Hilfe an und sprachen: „Willst du uns zur Hochzeit einladen, dich unser nicht schämen und uns deine Basen heißen, auch an deinen Tisch setzen, so wollen wir dir den Flachs weg spinnen, und das in kurzer Zeit!“ — „VonHerzen gern,“ antwortete es, „kommt nur herein und fangt gleich die Arbeit an!“ Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein und machte in der ersten Kammer eine Lücke, wo sie sich hinsetzten und ihr Spinnen anhuben. Die eine zog den Faden und trat das Rad, die andere netzte den Faden, die dritte drehte ihn und schlug mit dem Finger auf den Tisch, und so oft sie schlug, fiel eine Zahl Garn zur Erde, und das war aufs feinste gesponnen. Vor der Königin verbarg sie die drei Spinnerinnen und zeigte ihr, so oft sie kam, die Menge des gesponnenen Garns, daß diese des Lobes kein Ende fand. Als die erste Kammer leer war, ging’s an die zweite, endlich an die dritte, und die war auch bald aufgeräumt. Nun nahmen die drei Weiber Abschied und sagten zum Mädchen: „Vergiß nicht, was du uns versprochen hast, es wird dein Glück sein!“
HI. Als das Mädchen der Königin die leeren Kammern und den großen Haufen Garn zeigte, richtete sie die Hochzeit aus, und der Bräutigam freute sich, daß er eine so geschickte und fleißige Frau bekäme, und lobte sie gewaltig. „Ich habe drei Basen,“ sprach das Mädchen, „und da sie mir viel Gutes getan haben, so wollte ich sie nicht gern in meinem Glück vergessen; erlaubt doch, Hessel. Lesebuch
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11. Stuft.
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daß ich sie zur Hochzeit einlade, und daß sie mit an den Tisch sitzen!“ Die Königin und der Bräutigam sprachen: „Warum sollen wir das nicht erlauben?“ Als nun das Fest anhub, traten die drei Jungfern in wunderlicher Tracht herein, und die Braut sprach: „Seid willkommen, liebe Basen!“ — „Ach,“ sagte der Bräutigam, „wie kommst du zu der garstigen Freund schaft?“ Darauf ging er zu der einen mit dem breiten Platschfuß und fragte: „Wovon habt Ihr einen solchen breiten Fuß?“ — „Vom Treten,“ antwortete sie, „vom Treten.“ Da ging der Bräutigam zur zweiten und sprach: „Wovon habt Ihr nur die herunterhängende Lippe?“ — „Vom Lecken,“ antwortete sie, „vom Lecken.“ Da fragte er die dritte: „Wovon habt Ihr den breiten Daumen? — „Vom Fadendrehen,“ antwortete sie, „vom Fadendrehen.“ Da erschrak der Königssohn und sprach: „So soll mir nun und nimmermehr meine schöne Braut ein Spinnrad anrühren!“ Damit war sie das böse Flachsspinnen los.
205. Die drei Brüder. I. Es war ein Mann, der hatte drei Söhne und weiter nichts im Vermögen als das Haus, worin er wohnte. Nun hätte jeder gerne nach seinem Tode das Haus gehabt; dem Vater aber war einer so lieb als der andere, da wußte er nicht, wie er's anfangen sollte, daß er keinem zu nahe tät; verkaufen wollte er das Haus auch nicht, weil’s von seinen Voreltern war, sonst hätte er das Geld unter sie geteilt. Da fiel ihm endlich ein Rat ein, und er sprach zu seinen Söhnen: „Geht in die Welt und versucht euch, und lerne jeder sein Handwerk! wenn ihr dann wiederkommt, wer das beste Meisterstück macht, der soll das Haus haben.“ Das waren die Söhne zufrieden, und der älteste wollte ein Hufschmied, der zweite ein Barbier, der dritte
aber ein Fechtmeister werden. Darauf bestimmten sie eine Zeit, wo sie wieder nach Haus zusammenkommen wollten, und zogen fort. Es traf sich auch, daß jeder einen tüchtigen Meister fand, wo er was Rechtschaffenes lernte. Der Schmied mußte des Königs Pferde beschlagen und dachte: „Nun kann dir's nicht fehlen, du kriegst das Haus.“ Der Barbier rasierte lauter vornehme Herren und meinte auch, das Haus wäre schon sein. Der Fecht meister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zähne zu sammen und ließ sich’s nicht verdrießen, denn er dachte bei sich: Fürchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr.
II. Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie bei ihrem Vater wieder zusammen; sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegenheit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und ratschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Hase übers Feld daher gelaufen. „Ei,“ sagte der Barbier, „der kommt wie ge rufen,“ nahm Becken und Seife, schäumte so lange, bis der Hase in die Nähe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasierte ihm auch in vollem Laufe ein Stutzbärtchen, und dabei schnitt er ihn nicht und tat ihm an keinem Haare weh. „Das gefällt mir,“ sagte der Vater, „wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein.“ Es währte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen dahergerannt in vollem Jagen. „Nun sollt Ihr sehen, Vater, was ich kann,“ sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl,“ sprach der Vater, „du machst deine Sache so gut wie dein Bru der; ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll.“ Da sprach der dritte: „Vater, laß mich auch einmal 15*
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gewähren!“ und weil es anfing zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben über seinen Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen stärker ward und endlich so stark, als ob man mit Mul den vom Himmel gösse, schwang er den Degen immer schneller und blieb so trocken, als säß er unter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte er und sprach: „Du hast das beste Meisterstück gemacht, das Haus ist dein“. Die beiden andern Brüder waren damit zufrieden, wie sie vorher gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle drei zusammen im Haus und trieben ihr Handwerk; und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie vergnügt bis in ihr Alter zusammen, und als der eine krank ward und starb, grämten sich die zwei anderen so sehr darüber, daß sie auch krank wurden und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt gewesen waren und sich so lieb gehabt hatten, alle drei zusammen in ein Grab gelegt.
206. Doktor Allwissend. I. Es war einmal ein armer Bauer, namens Krebs, der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt und verkaufte es für zwei Taler an einen Doktor. Wie ihm nun das Geld ausbezahlt wurde, saß der Doktor gerade zu Tisch; da sah der Bauer, wie er schön aß und trank, und das Herz ging ihm danach auf, und er wäre auch gern ein Doktor gewesen. Also blieb er noch ein Weil chen stehen und fragte endlich, ob er nicht auch könnte ein Doktor werden. „0, ja,“ sagte der Doktor, .das ist bald geschehen.“ — „Was muß ich tun?“ fragte der Bauer. „Erstlich kauf dir ein A-B-C-Buch, so eins, wo vorn ein Göckelhahn drin ist; zweitens mache deinen
Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld und schaff dir damit Kleider an und was sonst zur Doktorei gehört; drittens laß dir ein Schild malen mit den Worten: ICH BIN DER DOKTOR ALLWISSEND! und laß das oben über deine Haustür nageln!“ Der Bauer tat alles, wie’s ihm geheißen war. Als er nun ein wenig gedoktert hatte, aber noch nicht viel, ward einem reichen, großen Herrn Geld ge stohlen. Da ward ihm von dem Doktor Allwissend ge sagt, der in dem und dem Dorfe wohnte und auch wissen müßte, wo das Geld hingekommen wäre. Also ließ der Herr seinen Wagen anspannen, fuhr hinaus ins Dorf und fragte bei ihm an, ob er der Doktor Allwissend wäre. Ja, der wäre er. — So sollte er mitgehen und das ge stohlene Geld wieder schaffen. — 0, ja, aber die Grete, seine Frau, müßte auch mit. Der Herr war das zu frieden und ließ sie beide in den Wagen sitzen, und sie fuhren zusammen fort. Als sie auf den adligen Hof kamen, war der Tisch gedeckt, da sollte er erst mit essen. Ja, aber seine Frau, die Grete, auch, sagte er und setzte sich mit ihr hinter den Tisch.
II. Wie nun der erste Bediente mit einer Schüssel schönem Essen kam, stieß der Bauer seine Frau an und sagte: „Grete, das war der erste,“ und meinte, es wäre derjenige, welcher das erste Essen brachte. Der Be diente aber meinte, er hätte damit sagen wollen: „Das ist der erste Dieb,“ und weil er’s nun wirklich war, ward ihm angst, und er sagte draußen zu seinen Kameraden: „Der Doktor weiß alles, wir kommen übel an; er hat gesagt, ich wäre der erste.“ Der zweite wollte gar nicht herein, er mußte aber doch. Wie er nun mit seiner Schüssel herein kam, stieß der Bauer seine Frau an: „Grete, das ist der zweite.“ Dem Bedienten ward eben falls angst, und er machte, daß er hinaus kam. Dem
dritten ging's nicht besser, der Bauer sagte wieder: „Grete, das ist der dritte.“ Der vierte mußte eine verdeckte Schüssel hineintragen, und der Herr sprach zum Doktor, er sollte seine Kunst zeigen und raten, was darunter läge; es waren aber Krebse. Der Bauer sah die Schüssel an, wußte nicht, wie er sich helfen sollte, und sprach: „Ach, ich armer Krebs!“ Wie der Herr das hörte, rief er: „Da, er weiß es, nun weiß er auch, wer das Geld hat.“ Dem Bedienten aber ward gewaltig angst, und blinzelte den Doktor an, er möchte einmal herauskommen. Wie er nun hinauskam, gestanden sie ihm alle viere, sie hätten das Geld gestohlen; sie wollten's ja gerne heraus geben und ihm eine schwere Summe dazu, wenn er sie nicht verraten wollte, es ginge ihnen sonst an den Hals. Sie führten ihn auch hin, wo das Geld versteckt lag. Damit war der Doktor zufrieden, ging wieder hinein, setzte sich an den Tisch und sprach: „Herr, nun will ich in meinem Buche suchen, wo das Geld steckt.“ Der fünfte Bediente aber kroch in den Ofen und wollte hören, ob der Doktor noch mehr wüßte. Der saß aber und schlug sein A-B-C-Buch auf, blätterte hin und her und suchte den Göckelhahn. Wie er ihn nicht gleich finden konnte, sprach er: „Du bist doch darin und mußt auch heraus.“ Da glaubte der im Ofen, er wäre gemeint, sprang voller Schrecken heraus und rief: „Der Mann weiß alles.“ Nun zeigte der Doktor Allwissend dem Herrn, wo das Geld lag, sagte aber nicht, wer's ge stohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung und ward ein berühmter Mann. 207. Hans im Glück. I. Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm: „Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gerne wieder heim zu meiner Mutter, gebt mir
meinen Lohn!“ Der Herr antwortete: „Du hast mir treu und ehrlich gedient; wie der Dienst war, so soll der Lohn sein!“ und gab ihm ein Stück Gold, das so groß als Hansens Kopf war. Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein, setzte ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Haus. Wie er so dahin ging und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem munteren Pferd vorbei trabte. „Ach,“ sprach Hans ganz laut, „was ist das Reiten ein schönes Ding! da sitzt einer wie auf einem Stuhl, stößt sich an keinen Stein, spart die Schuh und kommt fort, er weiß nicht wie.“ Der Reiter, der das ge hört hatte, hielt an und rief: „Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß?“ — „Ich muß ja wohl,“ antwortete er, „da hab ich einen Klumpen heim zu tragen; es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht gerad halten, auch drückt miss auf die Schulter.“ — „Weißt du was?“ sagte der Reiter, „wir wollen tauschen! ich gebe dir mein Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen.“ — „Von Herzen gern,“ sprach Hans, „aber ich sage Euch, Ihr müßt Euch damit schleppen.“ Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans hinauf, gab ihm die Zügel fest in die Hände und sprach: „Wenn's nun recht geschwind soll gehen, dann mußt du mit der Zunge schnalzen und hopp! hopp! rufen.“ Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde saß und so frank und frei dahin ritt. Über ein Weilchen fiel's ihm ein, es solle noch schneller gehen, und fing an, mit der Zunge zu schnalzen und hopp! hopp! zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und ehe sich Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. II. Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine
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Kuh vor sich her trieb. Hans suchte seine Glieder zu sammen und machte sich wieder auf die Beine. Er war aber verdrießlich und sprach zu dem Bauer: „Es ist ein schlechter Spaß, das Reiten, zumal, wenn man auf so eine Mähre gerät wie diese, die stößt und einen herab wirft, daß man den Hals brechen kann; ich setze mich nun und nimmer wieder auf. Da lob ich mir Eure Kuh, da kann einer mit Gemächlichkeit hinterher gehen und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiß. Was gäbe ich darum, wenn ich so eine Kuh hätte!“ — „Nun“, sprach der Bauer, „geschieht Euch so ein großer Gefallen, so will ich Euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen.“ Hans willigte mit tausend Freuden ein; der Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt eilig davon. Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und be dachte den glücklichen Handel. „Hab ich nur ein Stück Brot, und daran wird mir's doch nicht fehlen, so kann ich, so oft mir’s beliebt, Butter und Käse dazu essen; hab ich Durst, so melk ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?“ Als er zu einem Wirtshaus kam, machte er Halt, aß in der großen Freude alles, was er bei sich hatte, sein Mittags- und Abendbrot, rein auf und ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze ward drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte. Da ward es ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte. Dem Ding ist zu helfen, dachte Hans, jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch laben! Er band sie an einen dürren Baum, und da er keinen Eimer hatte, so stellte er seine Ledermütze unter, aber wie er sich auch bemühte, so kam kein Tropfen Milch zum Vor schein. Und weil er sich ungeschickt dabei anstellte, so
gab ihm das ungeduldige Tier endlich mit einem der Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er zu Boden taumelte und eine Zeitlang sich gar nicht be sinnen konnte, wo er war.
III. Glücklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren ein junges Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!“ rief er und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger reichte ihm seine Flasche und sprach: „Da, trinkt einmal und erholt Euch! Die Kuh will wohl keine Milch geben, das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten.“ — „Ei, ei,“ sprach Hans und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! es ist freilich gut, wenn man so ein Tier ins Haus abschlachten kann, was gibt’s für Fleisch! aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein hätte! das schmeckt anders, dabei noch die Würste.“ — „Hört, Hans!“ sprach da der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen und will Euch das Schwein für die Kuh lassen!“ — „Gott lohn Euch Eure Freundschaft!“ sprach Hans, übergab ihm die Kuh, ließ sich das Schwein chen vom Karren losmachen und den Strick, woran es gebunden war, in die Hand geben. Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch ginge, begegnete ihm ja eine Verdrießlich keit, so würde sie doch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich danach ein Bursche zu ihm, der trug eine schöne, weiße Gans unter dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans fing an, von seinem Glück zu erzählen, und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte. Der Bursch erzählte ihm, daß er die Gans zu einem Kindtauf schmaus brächte. „Hebt einmal!“ führ er fort und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie ist, die ist aber auch
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acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt, muß sich das Fett von beiden Seiten abwischen. “ — ,,Ja,“ sprach Hans und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht, aber mein Schwein ist auch keine Sau. " Indessen sah sich der Bursche nach allen Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem Kopf. „Hört!" fing er an, „mit Eurem Schweine mag’s nicht ganz richtig sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stalle gestohlen worden. Ich fürchte, ich fürchte, Ihr habt’s da in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie Euch mit dem Schwein erwischten; das geringste ist, daß Ihr ins finstere Loch gesteckt werdet." Dem guten Hans ward bang; „ach Gott," sprach er, „helft mir aus der Not, Ihr wißt hier herum besser Bescheid, nehmt mein Schwein da und laßt mir Eure Gans!" — „Ich muß schon etwas aufs Spiel setzen," antwortete der Bursche, „aber ich will doch nicht schuld sein, daß Ihr in Unglück geratet." Er nahm also das Seil in die Hand und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort, der gute Hans aber ging, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme der Heimat zu.
IV.
„Wenn ich’s recht überlege," sprach er mit sich selbst, „habe ich noch Vorteil bei dem Tausch; erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die heraus träufeln wird, das gibt Gänsefettbrot auf ein Viertel jahr; und endlich die schönen, weißen Federn, die laß ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!" Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scherenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, und er sang dazu:
„Ich schleife die Schere und drehe geschwind Und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind!“ Hans blieb stehen und sah ihm zu; endlich redete er ihn an und sprach: „Euch geht’s wohl, weil Ihr so lustig bei Eurem Schleifen seid.“ — „Ja,“ antwortete der Scheren schleifer, „das Handwerk hat einen güldenen Boden. Ein rechter Schleifer ist ein Mann, der, so oft er in die Tasche greift, auch Geld darin findet. Aber wo habt Ihr die schöne Gans gekauft?“ — „Die hab ich nicht gekauft, sondern für mein Schwein eingetauscht.“ — „Und das Schwein?“ — „Das hab ich für eine Kuh gekriegt.“ — „Und die Kuh?“ — „Die hab ich für ein Pferd bekom men.“— „Und das Pferd?“ — „Dafür hab ich einen Klum pen Gold, so groß als mein Kopf, gegeben.“ — „Und das Gold?“ — „Ei, das war mein Lohn für sieben Jahre Dienst.“ — „Ihr habt Euch jederzeit zu helfen gewußt,“ sprach der Schleifer, „könnt Ihr’s nun dahin bringen, daß Ihr das Geld in der Tasche springen hört, wenn Ihr auf steht, so habt Ihr Euer Glück gemacht.“ — „Wie soll ich das anfangen?“ sprach Hans. — „Ihr müßt ein Schleifer werden, wie ich; dazu gehört eigentlich nichts, als ein Wetzstein, das andere findet sich schon von selbst. Da hab ich einen, der ist zwar ein wenig schadhaft, dafür sollt Ihr mir aber auch weiter nichts als Eure Gans geben! wollt Ihr das?“ — „Wie könnt Ihr noch fragen?“ ant wortete Hans, „ich werde ja zum glücklichsten Menschen auf Erden; habe ich Geld, so oft ich in die Tasche greife, was brauche ich da länger zu sorgen?“ reichte ihm die Gans hin und nahm den Wetzstein in Empfang. „Nun,“ sprach der Schleifer und hob einen gewöhnlichen, schwe ren Feldstein, der neben ihm lag, auf, „da habt Ihr noch einen tüchtigen Stein dazu, auf dem sich’s gut schlagen lässt und Ihr Eure alten Nägel gerade klopfen könnt. Nehmt hin und hebt ihn ordentlich auf!“
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V. Hans lud den Stein auf und ging mit vergnügtem Herzen weiter; seine Augen leuchteten vor Freude. „Ich muß in einer Glückshaut geboren sein,“ rief er aus, „alles, was ich wünsche, trifft mir ein, wie einem Sonntagskind.“ Indessen, weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen ge wesen war, begann er müde zu werden; auch plagte ihn der Hunger, da er allen Vorrat auf einmal in der Freude über die erhandelte Kuh aufgezehrt hatte. Er konnte endlich nur mit Mühe weiter gehen und mußte jeden Augenblick Halt machen; dabei drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er sie gerade jetzt nicht zu tragen brauchte. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen ge schlichen, wollte da ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben; damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens. Darauf setzte er sich nieder und wollte sich zum Trinken bücken, da versah er's, stieß ein klein wenig an, und beide Steine plumpten hinab. Hans, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, sprang vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Tränen in den Augen, daß er ihm auch diese Gnade noch erwiesen und ihn auf eine so gute Art, ohne daß er sich einen Vorwurf zu machen brauchte, von den schweren Steinen befreit hätte, die ihm allein noch hinderlich gewesen wären. „So glück lich wie ich“, rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne!“ Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.
208. Der Arme und der Reiche. I. Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß eines Abends ihn die Nacht überfiel, bevor er zu einer Herberge kommen konnte. Nun standen vor ihm zwei Häuser einander gegenüber, das eine groß und schön, das andere klein und ärmlich anzusehen. Da dachte unser Herrgott: „Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen, bei ihm will ich übernachten.“ Der Reiche, als er an seine Tür klopfen hörte, machte das Fenster auf und fragte den Fremdling, was er suche Der Herr ant wortete: „Ich bitte um ein Nachtlager.“ Der Reiche guckte den Wandersmann von Haupt bis zu den Füßen an, und weil der liebe Gott nicht aussah, wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, schüttelte er mit dem Kopf und sprach: „Sollte ich einen jeden beherbergen, der an meine Türe klopft, so könnte ich selber den Bettelstab in die Hand nehmen. Sucht Euch anderswo ein Auskommen!“ Schlug damit sein Fenster zu und ließ den lieben Gott stehen. Also kehrte ihm der liebe Gott den Rücken und ging hinüber zu dem kleinen Haus. Kaum hatte er an geklopft, so klinkte der Arme schon sein Türchen auf und bat den Wandersmann, einzutreten. „Bleibt die Nacht über bei mir!“ sagte er, „es ist schon finster, und heute könnt Ihr doch nicht mehr weiter kommen!“ Das ge fiel dem lieben Gott, und er trat zu ihm ein. Die Frau des Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen und sagte, er möchte sich’s bequem machen und vorlieb nehmen, sie hätten nicht viel, aber was es wäre, gäben sie von Herzen gerne. Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer, und derweil sie kochten, melkte sie ihre Ziege, damit sie ein wenig Milch dazu hätten. Und als der Tisch ge deckt war, setzte sich der liebe Gott nieder und aß mit ihnen. Nachdem sie gegessen hatten und Schlafenszeit
war, ließen die beiden Alten nicht ab, bis der liebe Gott sich in ihr Bett legte, sich selbst aber machten sie eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen standen sie vor Tag schon auf und kochten dem Gast ein Frühstück, so gut sie es hatten. Als nun die Sonne durchs Fensterlein schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Als er in der Türe stand, kehrte er sich um und sprach: ;,Weil ihr so mit leidig und fromm seid, so wünscht euch dreierlei, das will ich euch erfüllen!“ Da sagte der Arme: „Was soll ich mir sonst wünschen als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, so lang wir leben, gesund dabei bleiben und unser notdürftiges tägliches Brot haben; fürs dritte weiß ich mir nichts zu wünschen." Der liebe Gott sprach: „Willst du dir nicht ein neues Haus für das alte wün schen?"— „0 ja," sagte der Mann, „wenn ich auch das noch erhalten kann, so wär’s mir wohl lieb." Da erfüllte der Herr ihre Wünsche, verwandelte ihr altes Haus in ein neues, gab ihnen nochmals seinen Segen und zog weiter. II. Es war schon voller Tag, als der Reiche aufstand. Er legte sich ins Fenster und sah gegenüber ein neues reinliches Haus mit roten Ziegeln, wo sonst eine alte Hütte gestanden hatte. Da machte er große Augen, rief seine Frau herbei und sprach: „Was ist geschehen? Gestern abend stand noch die alte, elende Hütte, und heute steht da ein schönes, neues Haus. Lauf hinüber und höre, wie das gekommen ist!" Die Frau ging und fragte den Armen aus; er erzählte ihr alles. Da lief sie eilig zurück und erzählte es ihrem Manne. Der Mann sprach: „Ich möchte mich zerreißen und zerschlagen! Hätte ich das nur ge wußt! Der Fremde ist zuvor hier gewesen und hat bei uns übernachten wollen, ich habe ihn aber abgewiesen." — „Eil dich," sprach die Frau, „und setze dich auf dein
Pferd, so kannst du den Mann noch einholen, und dann mußt du dir auch drei Wünsche gewähren lassen!“ Der Reiche befolgte den guten Rat, jagte mit seinem Pferd davon und holte den lieben Gott noch ein. Er redete fein und lieblich und bat, er möcht’s nicht übel nehmen, daß er nicht gleich wäre eingelassen worden, er hätte den Schlüssel zur Haustüre gesucht, derweil wäre er weggegangen; wenn er des Weges zurückkäme, müßte er bei ihm einkehren. „Ja,“ sprach der liebe Gott, „wenn, ich einmal zurückkomme, will ich es tun.“ Da fragte der Reiche, ob er nicht auch drei Wünsche tun dürfte, wie sein Nachbar. Ja, sagte der liebe Gott, das dürfte er wohl, es wäre aber nicht gut für ihn, und er sollte sich lieber nichts wünschen. Der Reiche meinte, er wollte sich schon etwas aussuchen, das zu seinem Glück ge reiche, wenn er nur wüßte, daß es erfüllt würde. Sprach der liebe Gott: „Reit heim, und drei Wünsche, die du. tust, die sollen in Erfüllung gehen.“
III. Nun hatte der Reiche, was er verlangte, ritt heim wärts und fing an nachzusinnen, was er sich wünschen sollte. Wie er sich so bedachte und die Zügel fallen ließ, fing das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zu sammen bringen konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte: „Sei ruhig, Liese!“ aber das Pferd machte aufs neue Männerchen. Da rief er ganz ungeduldig: „So wollte ich, daß du den Hals zerbrächst!“ Wie er das Wort ausgesprochen hatte, plump, lag das Pferd tot und regte sich nicht mehr; damit war der erste Wunsch er füllt. Weil er aber von Natur geizig war, wollte er das. Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitt’s ab, hing’s auf seinen Rücken und mußte nun zu Fuß gehen. „Du hast noch zwei Wünsche übrig,“ dachte er und tröstete sich, damit.
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Wie er nun langsam durch den Sand dahinging und zu Mittag die Sonne heiß brannte, ward’s ihm so warm und verdrießlich zu Mut; der Sattel drückte ihn auf den Rücken, auch war ihm noch immer nicht ein gefallen, was er sich wünschen sollte. „Wenn ich mir auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche,“ sprach er zu sich selbst, „so fällt mir hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das weiß ich im voraus; ich will’s aber so einrichten, daß mir nichts mehr zu wünschen übrig bleibt.“ Da kam ihm so in die Gedanken, was es seine Frau jetzt gut hätte, die säße daheim in einer kühlen Stube und ließ sich’s wohl schmecken, und ohne daß eFs wußte, sprach er so hin: „Ich wollte, die säße daheim auf dem Sattel und könnte nicht herunter, statt daß ich ihn auf meinem Rücken schleppe.“ Und wie das letzte Wort aus seinem Munde kam, so war der Sattel von seinem Rücken verschwunden, und er merkte, daß sein zweiter Wunsch auch in Erfüllung gegangen war. Da ward ihm erst recht heiß, er fing an zu laufen und wollte daheim auf etwas Großes für den letzten Wunsch sinnen. Wie er aber ankommt und die Stubentür aufmacht, sitzt seine Frau auf dem Sattelund kann nicht herunter, jammert und schreit. Da sprach er: „Gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichtümer der Welt herbeiwünschen, nur bleib da sitzen!“ Sie schalt ihn aber und sprach: „Was helfen mir alle Reichtümer der Welt, wenn ich auf dem Sattel sitze? du hast mich dar auf gewünscht, du mußt mir auch wieder herunterhelfen.“ Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten Wunsch tun, daß sie vom Sattel heruntersteigen könnte; und der Wunsch ward alsbald erfüllt. Also hatte er nichts davon als Ärger, Mühe, Scheltworts und ein verlorenes Pferd; die Armen aber lebten vergnügt, still und fromm bis an ihr seliges Ende.
209. Sneewittchen. I. Es war einmal mitten im Winter, und die Schnee flocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Königin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwar zem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich: „Hätt ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen!" Bald darauf bekam sie ein Töch terlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz und ward darum das Sneewittchen (Schneeweißchen) genannt. Und wie das Kind geboren war, starb die Königin. Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Ge mahlin. Es war eine schöne Frau; aber sie war stolz und übermütig und konnte nicht leiden, daß sie an Schönheit von jemand sollte übertroffen werden. Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?" so antwortete der Spiegel: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land."
Da war sie zufrieden, denn sie wußte, daß der Spiegel die Wahrheit sagte. Sneewittchen aber wuchs heran und wurde immer schöner, und als es sieben Jahre alt war, war es so schön, wie der klare Tag und schöner als die Königin selbst. Als diese einmal ihren Spiegel fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?" Hessel, Lesebuch 2. 11. Aufl.
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eo antwortete er: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber Sneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr." Da erschrak die Königin und ward gelb und grün vor Neid. Von Stund an, wenn sie Sneewittchen erblickte, kehrte sich ihr das Herz im Leibe herum, so haßte sie das Mädchen. Und der Neid und Hochmut wuchsen wie ein Unkraut in ihrem Herzen immer höher, daß sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr hatte. Da rief sie einen Jäger und sprach: „Bring das Kind hinaus in den Wald, ich will’s nicht mehr vor meinen Augen sehen. Du sollst es töten und mir Lunge und Leber zum Wahrzeichen mitbringen!“ Der Jäger ge horchte und führte es hinaus, und als er den Hirsch fänger gezogen hatte und Sneewittchens unschuldiges Herz durchbohren wollte, fing es an zu weinen und sprach: „Ach, lieber Jäger, laß mir mein Leben! ich will in den wilden Wald laufen und nimmermehr wieder heimkommen!“ Und weil es so schön war, hatte der Jäger Mitleiden und sprach: „So lauf hin, du armes Kind!“ Und als gerade ein junger Frischling dahergesprungen kam, stach er ihn ab, nahm Lunge und Leber heraus und brachte sie als Wahrzeichen der Königin mit.
II. Nun war das arme Kind in dem großen Wald mutter selig allein, und ward ihm so angst, daß es alle Blätter an den Bäumen ansah und nicht wußte, wie es sich helfen sollte. Da fing es an zu laufen und lief über die spitzen Steine und durch die Dornen, und die wilden Tiere spran gen an ihm vorbei, aber sie taten ihm nichts. Es lief, so lange nur die Füße noch fort konnten, bis es bald Abend werden sollte, da sah es ein kleines Häuschen und ging hinein, sich zu ruhen. In dem Häuschen war alles klein, aber so zierlich und reinlich, daß es nicht zu sagen ist. Da stand ein weißgedecktes Tischlein mit sieben
kleinen Tellern, jedes Tellerlein mit seinem Löffelein, ferner sieben Messerlein und Gäblein und sieben Becher lein. An der Wand waren sieben Bettlein neben ein ander aufgestellt und schneeweiße Laken darüber ge deckt. Sneewittchen, weil es so hungrig und durstig war, aß von jedem Tellerlein ein wenig Gemüs und Brot und trank aus jedem Becher lein einen Tropfen Wein; denn es wollte nicht einem allein alles wegnehmen. Her nach, weil es so müde war, legte es sich in ein Bett ehen, aber keins paßte; das eine war zu lang, das andere zu kurz, bis endlich das siebente recht war; und darin blieb es liegen, befahl sich Gott und schlief ein. Als es ganz dunkel geworden war, kamen dieHerren von dem Häuslein, das waren die sieben Zwerge, die in den Ber gen nach Erz hackten und gruben. Sie zündeten ihre sieben Lichtlein an, und wie es nun hell im Häuslein ward, sahen sie, daß jemand darin gewesen war, denn es stand nicht alles so in der Ordnung, wie sie es verlassen hatten. Der erste sprach: „Wer hat auf meinem Stühlchen gesessen ?“ Der zweite: „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“ Der dritte: „Wer hat von meinem Brötchen genommen?“ Der vierte: „Wer hat von meinem Gemüschen gegessen?“ Der fünfte: „Wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen?“ Der sechste: „ Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten ?“ Der siebente: „Wer hat ausmeinem Becherlein getrunken ?“ Dann sah sich der erste um und sah, daß auf seinem Bett eine kleine Dälle war; da sprach er: „Wer hat in mein Bettchen getreten?“ Die andern kamen gelaufen und riefen: „In meinem hat auch jemand gelegen.“ Der siebente aber, als er in sein Bett sah, erblickte Snee wittchen, das lag darin und schlief. Nun rief er die andern, die kamen herbeigelaufen und schrieen vor Ver wunderung, holten ihre sieben Lichtlein und beleuchteten Sneewittchen. „Ei, du mein Gott! ei, du mein Gott!“ riefen sie, „was ist das Kind so schön!“ und hatten so große Freude, daß sie es nicht aufweckten, sondern im Bettlein 16*
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fortschlafen ließen. Der siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen, bei jedem eine Stunde, da war die Nacht herum. Als es Morgen war, erwachte Sneewittchen, und wie es die sieben Zwerge sah, erschrak es. Sie waren aber freundlich und fragten: „Wie heißt du?“ — „Ich heiße Sneewittchen,“ antwortete es. — „Wie bist du in unser Haus gekommen?“ sprachen weiter die Zwerge. Da er zählte es ihnen, daß seine Stiefmutter es hätte wollen um bringen lassen, der Jäger hätte ihm aber das Leben ge schenkt, und da wäre es gelaufen den ganzen Tag, bis es endlich ihr Häuslein gefunden hätte. Die Zwerge sprachen: „Willst du unsern Haushalt versehen, kochen, betten, waschen, nähen und stricken, und willst du alles ordent lich und reinlich halten, so kannst du bei uns bleiben, und es soll dir nichts fehlen.“ — „Ja,“ sagte Sneewitt chen, „von Herzen gern!“ und blieb bei ihnen. Es hielt ihnen das Haus in Ordnung; morgens gingen sie in die Berge und suchten Erz und Gold, abends kamen sie wie der, und da mußte ihr Essen bereit sein. Den Tag über war das Mädchen allein, da warnten es die guten Zwerg lein und sprachen: „Hüte dich vor deiner Stiefmutter, die wird bald wissen, daß du hier bist; laß ja niemand herein!“ III. Die Königin aber dachte nicht anders, als sie wäre wieder die erste und allerschönste, trat vor ihren Spiegel und sprach: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Da antwortete der Spiegel: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber Sneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als Ihr.“
Da erschrak sie, denn sie wußte, daß der Spiegel keine Unwahrheit sprach, und merkte, daß der Jäger sie be trogen hatte und Sneewittchen noch am Leben war. Und da sann und sann sie aufs neue, wie sie es umbringen wollte; denn so lange sie nicht die Schönste war im ganzen Land, ließ ihr der Neid keine Ruhe. Und als sie sich endlich etwas ausgedacht hatte, färbte sie sich das Ge sicht und kleidete sich wie eine alte Krämerin und war ganz unkenntlich. In dieser Gestalt ging sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, klopfte an die Türe und rief: „Schöne Ware feil! feil!“ Sneewittchen guckte zum Fenster heraus und rief: „Guten Tag, liebe Frau, was habt Ihr zu ver kaufen?“— „Gute Ware, schöne Ware,“ antwortete sie, „Schnürriemen von allen Farben,“ und holte einen hervor, der aus bunter Seide geflochten war. „Die ehrliche Frau kann ich herein lassen,“ dachte Sneewittchen, riegelte die Tür auf und kaufte sich den hübschen Schnür riemen. „Kind,“ sprach die Alte, „wie du aussiehst! komm, ich will dich ordentlich schnüren.“ Sneewittchen hatte kein Arg, stellte sich vor sie und ließ sich mit dem neuen Schnürriemen schnüren; aber die Alte schnürte geschwind und schnürte so fest, daß dem Sneewittchen der Atem verging und es für tot hinfiel. „Nun bist du die Schönste gewesen,“ sprach sie und eilte hinaus. Nicht lange darauf, zur Abendzeit, kamen die sieben Zwerge nach Haus, aber wie erschraken sie, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen sahen; und es regte und bewegte sich nicht, als wäre es tot. Sie hoben es in die Höhe, und weil sie sahen, daß es zu fest ge schnürt war, schnitten sie den Schnürriemen entzwei; da fing es an ein wenig zu atmen und ward nach und nach wieder lebendig. Als die Zwerge hörten, was geschehen war, sprachen sie: „Die alte Krämerfrau war niemand als die gottlose Königin; hüte dich und laß keinen Men schen herein, wenn wir nicht bei dir sind!“
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IV. Das böse Weib aber, als es nach Haus gekommen war, ging vor den Spiegel und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Da antwortete er wie sonst: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber Sneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als Ihr. “ Als sie das hörte, lief ihr alles Blut zum Herzen, so er schrak sie, denn sie sah wohl, daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. „Nun aber,“ sprach sie, „will ich etwas aussinnen, das dich zu Grunde richten soll!“ und mit Hexenkünsten, die sie verstand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete sie sich und nahm die Gestalt eines andern alten Weibes an. So ging sie hin über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, klopfte an die Türe und rief: „Gute Ware feil! feil!“ Snee wittchen schaute heraus und sprach: „Geht nur weiter, ich darf niemand hereinlassen!“ — „Das Ansehen wird dir doch erlaubt sein,“ sprach die Alte, zog den giftigen Kamm heraus und hielt ihn in die Höhe. Da gefiel er dem Kinde so gut, daß es sich betören ließ und die Tür öffnete. Als sie des Kaufs einig waren, sprach die Alte: „Nun will ich dich einmal ordentlich kämmen!“ Das arme Sneewittchen dachte an nichts und ließ die Alte gewähren, aber kaum hatte sie den Kamm in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte und das Mädchen ohne Besinnung niederfiel. „Du Ausbund von Schön heit,“ sprach das boshafte Weib, „jetzt ist’s um dich ge schehen,“ und ging fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Haus kamen. Als sie Sneewittchen wie tot auf der Erde liegen sahen,
hatten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht, suchten nach und fanden den giftigen Kamm; und kaum hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich und erzählte, was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal, auf seiner Hut zu sein und niemand die Tür zu öffnen. V. Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Da antwortete er wie vorher: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber Sneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als Ihr." Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. „Sneewittchen soll sterben," rief sie, „und wenn es mein eigenes Leben kostet!" Darauf ging sie in eine ganz verborgene, einsame Kammer, wo niemand hinkam, und machte da einen giftigen, giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit roten Backen, daß jeder, der ihn erblickte, Lust danach bekam; aber wer ein Stückchen davon aß, der mußte sterben. Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht und ver kleidete sich in eine Bauersfrau, und so ging sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Sie klopfte an, Sneewittchen steckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: „Ich darf keinen Menschen einlassen, die sieben Zwerge haben mir's verboten." — „Mir auch recht," ant wortete die Bäuerin, „meine Äpfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir schenken!" — „Nein," sprach Sneewittchen, „ich darf nichts annehmen." — „Fürchtest du dich vor Gift?" sprach die Alte, „siehst
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du, da schneide ich den Apfel in zwei Teile; den roten Backen iß du, den weißen will ich essen!“ Der Apfel war aber so künstlich gemacht, daß der rote Backen allein vergiftet war. Sneewittchen lusterte den schönen Apfel an, und als es sah, daß die Bäuerin davon aß, so konnte es nicht länger widerstehen, streckte die Hand hinaus und nahm die giftige Hälfte. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund, so fiel es tot zur Erde nieder. Da betrachtete es die Königin mit grau sigen Blicken und lachte überlaut und sprach: „Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz! dies mal können dich die Zwerge nicht wieder erwecken.“ Und als sie daheim den Spiegel befragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ so antwortete er endlich: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land.“ Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe, so gut ein neidisches Herz Ruhe haben kann.
VI. Die Zwerglein, wie sie abends nach Hause kamen, fanden Sneewittchen auf der Erde liegen, und es ging kein Atem mehr aus seinem Mund, und es war tot. Sie hoben es auf und suchten, ob sie was Giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles nichts, das liebe Kind war tot und blieb tot. Sie legten es auf eine Bahre und setzten sich alle sieben daran und beweinten es und weinten drei Tage lang. Da wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus wie ein lebender Mensch und hatte noch seine schönen roten Backen. Sie sprachen: „Das können wir nicht in die schwarze Erde versenken,“ und ließen einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, daß man es von allen Seiten sehen konnte, legten es hinein
und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf, und daß es eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg hinauf auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte ihn. Und die Tiere kamen auch und beweinten Sneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen. Nun lag Sneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarge und verweste nicht, sondern sah aus, als wenn es schliefe, denn es war noch so weiß wie Schnee, so rot als Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Es geschah aber, daß ein Königssohn in den Wald geriet und zu dem Zwergenhaus kam, da zu übernachten. Er sah auf dem Berg den Sarg und das schöne Sneewittchen darin und las, was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war. Dann sprach er zu den Zwergen: „Laßt mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt!" Aber die Zwerge antworteten: „Wir geben ihn nicht um alles Gold in der Welt." Da sprach er: „So schenkt mir ihn, denn ich kann nicht leben, ohne Sneewittchen zu sehen, ich will es ehren und hochachten wie mein Liebstes!" Wie er so sprach, empfanden die guten Zwerge Mit leiden mit ihm und gaben ihm den Sarg. Der Königs sohn ließ ihn nun von seinen Dienern auf den Schultern forttragen. Da geschah es, daß sie über einen Strauch stolperten, und von dem Schüttern fuhr der giftigeApfel grütz, den Sneewittchen abgebissen hatte, aus dem Hals. Und nicht lange, so öffnete es die Augen, hob den Deckel vom Sarg in die Höhe und richtete sich auf und war wieder lebendig. „Ach, Gott, wo bin ich?" rief es. Der Königssohn sagte voll Freude: „Du bist bei mir!" und erzählte, was sich zugetragen hatte, und sprach: „Ich habe dich lieber als alles auf der Welt; komm mit mir in meines Vaters Schloß, du sollst meine Gemahlin wer den!" Da war ihm Sneewittchen gut und ging mit ihm, und ihre Hochzeit ward mit großer Pracht und Herrlich keit angeordnet.
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Geschichten.
21V. Schneewittchen. Zwergenwirtschast. Links eine Tür zur Schlafkammer der Zwerge, im Hintergründe eine Tür und Fensteröffnung. Bon außen Wald und Sonnenschein. Drinnen steht ein kleiner Tisch mit sieben Schüsseln. Die sieben Zwerge (kommen singend nacheinander herein mit Kräutersäcken auf dem Nacken, werfen die Säcke in den Winkel, treten an den Tisch und stutzen, einer nach den andern).
Zwergenaltester. Wer hat auf meinem Stühlchen sessen? 2. Zwerg. Wer hat von meinem Tellerlein essen? 3. Zwerg. Wer hat von meinem Müschen pappt? 4. Zwerg. Wer hat mit meinem Gäblein zutappt? 5. Zwerg. Wer hat aus meinem Becherlein trunken? 6. Zwerg. Wer hat mein Löfflein eingetunken? 7. Zwerg. Wer drückt in meinem Bett das Dällchen? 1. Zwerg. Wer rückt an meinem Schlafgestellchen? 2. Zwerg. Wer schlief auf meinem Lagerstättchen? 3. Zwerg. O weh! liegt einer in meinem Bettchen! 4. Zwerg. Ein Mägdelein! 5. 6. 7. Zwerg. Laß schaun, laß sehn! 7. Zwerg. Ei Gott, wie ist das Kind so schön! Zwergenaltester. O weckt sie nicht! o schreckt sie nicht! Geschlossen ist der Äuglein Licht, Hinabgerollt die Locken dicht; Über des Mieders blanke Seide
Gefaltet fromm die Händchen beide.
2. Zwerg. Wer mag sie sein? Wo kam sie her? Der Wald wächst in die kreuz und quer. 3. Zwerg. Wie fand das liebe Tausendschön Den Weg durch Dorn und Moor und Seen? 4. Zwerg. Ist alles so gar lieb und fein. So rosenrot, schneeweiß und rein! Zwergenältester. Bis sie erwacht, bleibt mäuschensacht. Das helle Glöcklein nehmt in acht. Bleibt ruhig in den Schühlein stehn, Laßt leis das Zünglein umegehn!
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4. Zwerg. Schau, schau! Die Wimper regte sich. 5. Zwerg. Das Mündlein rot bewegte sich. 6. Zwerg. Das blonde Köpfchen reckt sich auf. Zwei blaue Äuglein schlägt sie auf! 7. Zwerg. Sie schaut sich um ein stummes Weilchen! Zwergenältester. Schweigt nun! ihr Mühlchen, ihr Plappermäulchen! Erschreckt sie nicht, geht fein beiseit! Sie sah wohl Zwerglein nicht bis heut. vie sie die Tage herumbringen wollten in Freuden nnd mit Nichtstun, außer daß sie die Zeitungen gelesen haben. Einmal sind sie in die Hauptstadt gefahren, ein große» Fest zu sehen. Da sind der König und die Königin in ihrer ganz vergoldeten Kutsche gesessen, in goldgestickten Kleidern, nnd vorn und hinten und auf beiden Seiten sind Marschälle, Hofleute, Edelknaben und Soldaten geritten, und alle Leute habe» die Hute und Taschentücher geschlvenkt, wo der König und die Königin vorbeigefahren sind. Ach, >vie hat da dem Manne nnd der Fran vor Ungeduld das Herz geklopft!
V. Kaum waren sie wieder nach Hause, so sprachen sie: „Fehl »vollen wir noch König und Königin werben, hernach »vollen wir aber einhalten." Und da haben sie wieder alle zwei in die Hände geklatscht und haben gerufen, »vas sic nur rufen konnten: „Goldvögelcin im Sonnenstrahl! Goldvögelein int Demantsaal! Goldvögelein überall!" Da ist das goldene Vögelcin wieder znm Fenster herein geflogen und hat gefragt: „Was »vollt ihr nur von mir?" Da haben sie beide geantwortet: „Wir möchten gern König nnd Köiligiit sein." Da hat aber das Vögelein ganz schrecklich mit den Ange»» geblinzelt, hat alle Federcheit gesträubt, hat mit den Flügeln geschlagen und hat gesagt: „Ihr wüsten Leute, ivann Hierbei ihr denn einmal genug habeit? Ich will euch auch noch znm König nnd zur Königin machen, aber dabei wird's doch nicht bleiben sollen, beim ihr habt nimmer mehr genug!" Jeht sind sie nun König und Königin gewesen und haben übers ganze Land zu gebieten gehabt, haben sich einen großen Hofstaat gehalten, nnd ihre Minister nnd Hoflente haben müssen auf die Knie niederfallen, wenn sie eins von ihnen ansichtig lonrden. Auch haben sie nach und nach alle Beamten
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Geschichten.
im ganzen Lande vor sich konnnen lassen lind ihnen vom Thron herab ihre strengsten Befehle erteilt. Und was es mir Teures nnd Prächtiges in aller Herren Länder gab, das mußte herbeigeschafst werde», daß ei» Glanz nnd ein Reichtum sie umgab, der unbeschreiblich ist.
VI. Und doch sind sie jetzt noch nicht zufrieden gewesen nnd sagten immer: „Wir müssen noch etwas mehr werden!" Da sprach die Frau: „Werden wir Kaiser und Kaiserin!" — „Nein," sagte der Mann, „wir »vollen Papst werden!" — „Hoho! das ist alles nicht geling," schrie die Fran in ihrem Eifer, „wir wollen lieber Herrgott sein!" Kaum aber hatte sie das Wort ausgeredet, so ist ein mächtiger Sturmtvind gekonnnen, und ein großer schwarzer Vogel mit funkelnden Angen, die wie Feuerräder rollten, ist zum Fenster hereingeflogen nnd hat gerufen, daß alles erzitterte: „Daß ihr versauern müßt im Essigkrug!" Pautz, und da Ivar alle Herrlichkeit zum Kuckuck, nnd da saßen sie alle beide, der Mann und die Frau, wieder in ihrem engen Essigkrng drin; da sitzen sie noch nnd können drin sitzen bleiben bis an den jüngsten Tag. Bechstein.
219. Des Königs Münster. Es war einmal ein König, der erbaute ein pracht volles Münster zur Ehre und zum Lobe Gottes, und durfte niemand zu diesem Bau einen Heller beisteuern, nach des Königs ausdrücklichern Gebot, sondern er wollte es ganz ans dein eigenen Schatz erbauen. Und so geschah es auch, und das Münster war vollendet, schön und würdig, mit aller Pracht und aller Zier. Nnd da ließ der König eine große marmorne Tafel znrichten, in diese ließ er mit goldnen Buchstaben eine Schrift graben, daß er, der König, allein den Dorn erbaut habe, nnd niemand habe dazu bei gesteuert. Als aber die Tafel einen Tag nnb eine Nacht laug aufgerichtct war, so war in der Nacht die Schrift ver-
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ändert, und statt des Königs Nanien stand ein anderer Name darauf, und zwar der Name einer armen Fran, so daß es nun lautete, als habe sie das ganze prächtige Münster er baut. Das verdroß den König mächtig; er ließ den Namen austilgeil und den seinigen wieder einschreiben. Aber über Nacht stand »nieder der Name jener armen Fran auf der Tafel, und jedermailn las, daß sie des Münsters Stifterin sei. Und zum drittenmal ward des Königs Name auf die Tafel geschrieben, und zuin drittenmal verschwand er, nnd jener kam zum Vorschein. Da »nerkte der König, daß hier Gottes Finger schreibe, deinütigte sich und ließ nach der Fran forschen und sie vor seinen Thron heischen. Voll Angst und erschrocken trat sie vor den König, der sprach zn ihr: „Frau, es begeben sich wunderliche Dinge, sage mir bei Gott und deinem Leben die Wahrheit! Hast du mein Gebot nicht vernommen, daß niemand zu dem Münster geben solle? Oder hast du doch dazu gegeben?" Da fiel das Weib dem Könige zu Füßen und sprach: „Gnade, mein Herr und König! Ich will alles auf deine Gnade bekennen! Ich bin ein ganz armes Weib, ich muß mich kümmerlich mit Spinnen ernähren, daß mich der Hunger nicht tötet, und da hatte ich doch ein Hellerlein er übrigt, das »nocht ich gar zu gern darbringen zu deinem Tempelbau und Gott zu Ehren, aber ich fürchtete, v Herr, deinen Bann und deine harte Bedräuung, und da kaufte ich um das Hellerlein ein Bündelein Heu, das streute ich auf die Straße den Ochsen hin, welche die Steine zu deinem Münster zogen, und sie fraßen es. So tat ich nach meinem Willen und ohne dein Gebot zu verletzen. Da ward der König mächtiglich bewegt voi» der Frauen Rede und sah, wie Gott der Herr ihren reinen Sinn ge würdigt und ihn als höheres Opfer angenommen, »oie des Königs reichen Schatz. Und der König begabte die arme Frau reichlich und nahm sich die Strafe seiner Eitelkeit wohl zu Herzen. Bechstein.
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Robinson Crusoe.
220, Die Geschichte von Robinson Crusoe. 1.
Wie Robinson Schiffbruch litt und allein gerettet wurde.
Robinson wurde int Jahre 1632 in der Stadt Bork in England geboren. Sein Vater >var ein Deutscher und hiess mit Familiennanten Kreutzenaer, aber weil die Eng länder biefen Namen immer abkürzteit itnd Crusoe aus sprachen, so schrieb er sich zuletzt auch Crusoe, uitb der Sohu hieß also Robinson Crusoe. Robinson war der dritte Sohn und genoss eine sehr gute Erziehung. Er hatte aber solche Lust zur See zu gehen und recht viele Abenteuer zu erleben, dass er int Alter von achtzehn Jahren seinen Eltern entlief und von Hüll aus mit einem Schulgesährten auf dem Schiff von dessen Vater nach London fuhr. Er kam dort in gute Gesellschaft, lernte die Kaufmanitschaft und machte dann mehrere Handelsreisen nach Afrika und Bra silien. Dort verdiente er viel Geld, und weil damals gerade der Sklavenhandel in Blüte stand, so rüstete er mit Hilfe eines Bekannten ein Schiff aus, um nach Afrika zu segeln, dort Sklaven zu kaufen und sie nach Brasilien zu bringen. Am 1. September 1659, gerade an dem Tage, wo er vor acht Jahreit feinen Eltern entlaufen war, bestieg er das Schiff, das mit allerlei beladeit war, was Neger gern ein handeln, mit Glasperlen, Messerit, Scheren, Beilen, Spie geln und solchen Dingen. Sie wollten von Brasilien hinüber nach Afrika steuern, aber ein heftiger Orkan packte das Schiff und trieb es erst nordioärts, bann westwärts. Sie mußten in der Nähe der karaibischen Inseln sein, die von Menschenfressern bewohnt waren, da erscholl eines Morgens der Ruf: Land! Als sie auf das Verdeck eilten, um das Land zu sehen, gab es einen gewaltigen Stoß, das Schiff war auf eine Sandbaitk ausgelaufen. Da saß es fest und
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konnte nicht mehr los. Jeden Augenblick konnte das Hinter teil des Schiffes bersten, weil die Wellen damit spielten, während das Vorderteil fest saß. Das Rettungsboot wurde heruntergelassen, und schnell sprangen alle elf Leute hinein, die an Bord waren. Als sie noch eine Meile weit vom Lande waren, kam eilte ungeheure Welle gerade auf sie »ugerollt nttd warf das Boot um. Die Leute flogen heraus und versanken im Meer. Als die Welle zurückwich, hatte sie den Robinson eine weite Strecke nach der Küste hingetragen, und als er wieder Atem schöpfen konnte, lag er auf fast trockenem Sande. Er sah eine neue Woge herbeirollen, da hielt er den Atem an und ließ sich wieder eine große Strecke forttragen, und so kam er nach und nach auf das feste Land. Er warf sich auf die Knie und dankte Gott, daß er gerettet sei. Aber von den zehn Gefährten sah er keinen, sie waren alle ertrunken. Er hatte nasse Kleider und nichts in den Taschen als ein Messer und eine Tabakspfeife. Am Strand fand er etwas trinkbares Wasser, es stand da auch ein Baum, eine Art Fichte, und weil der Abend gekommen war, so kletterte er darauf und schlief in den Ästen, denn er hatte Angst, in der Nacht kämen vielleicht wilde Tiere. Als er erwachte, war es heller Tag, und er sah das Schiff ungefähr zwei Meilen weit vom Ufer an einem Felsen liegen; es war nicht geborsten, die Wellen hatten es vielmehr von der Sand bank wieder emporgehoben und näher an das Ufer ge schleudert. Wenn die Leute ruhig auf dem Schiff geblieben wären, hätten sie sich alle retten können. Robinson zog seine Kleider aus und kam erst watend, dann schwimmend bis an das Schiff; an einem herunterhängenden Tau kletterte er hinauf, suchte sich erst etwas zu essen, weil er so hungrig war, dann legte er Sparren, Balken und Bretter zusammen, band sie mit Stricken aneinander und machte daraus eine Art von Floß, das warf er ins Meer, nachdent er es mit einem Strick am Schiff befestigt hatte, daß es nicht fortschwimmen sollte. Er leerte dann drei
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Robinson Crusoe.
Kisten und ließ sie auf das Floß hinunter; in die erste Kiste kamen Brot, Reis, drei holländische Käse und ein Nest Weizen und Gerste. Daun suchte er nach Kleidern, sand viele und füllte damit die zweite Kiste. In die dritte kam der Inhalt des Ziminerinannskastens, zwei Flinten, Pistolen, zwei Säbel und drei Fäßchen Schießpulver. Die Flut war gekoiniuen, und er fuhr ab, denn er hoffte, die Flut triebe sein Floß gerade auf das Land zu. Das geschah denn auch, er kam in eine Bucht, welche die Müudung eines kleinen Flusses war. Er hatte sich vom Schiss Ruder initgeuoinuien und konnte intii aus Land rudern. Dort wartete er sie Ebbe ab, die sein Floß dann auf dem Trocknen liegen ließ. Er selbst klomm einen Hügel hinan, um Ausblick zu halten. Da sah er, daß er ans einer Insel war, denn rundum war Meer. In weiter Ferne sah er noch zwei kleinere Inseln, aber seine Insel Ivar nicht angebaut und, wie es schien, auch nicht bewohnt. Er schoß seine Flinte ab, und ans den Knall hin erhoben sich rings zahllose Vögel von den Bäumen und flogen mit Gekreisch auseinander. Daun ging er zum Floß zurück, schaffte alle Sachen ans Land und baute sich aus den drei Kisten, dem Floß und den Brettern eine Art Schutzhütte für die Nacht. Am andern Tag watete er wieder ans Schiff und machte sich dort ein besseres. Floß. Er fand Nägel, Bohrer, einen Schleifstein, sieben Gewehre mit Schießvorrat, ein Segel, Hängematten und Bettzeug. Das brachte er alles mit. Er fand auch drei Bibeln und ein Gebetbuch, einen Kompaß, zwei Fernrohre und Federn mit Papier und Tinte. Das nahm er alles mit. Auf dem Schiff waren zwei Katzen und ein Hund. Die Katzen nahm er auf dem Arm ins Floß, der Hund sprang von selbst herunter, schwamm ein Stück und kletterte dann auf das Floß. Und nun fuhr er jeden Tag hinüber und holte, was er nur kriegen konnte, Takelwerk, sämtliche Segel, Brot, Zucker, Salz, Mehl und Rum. Als er am elften Tag zum dreizehntenmal Sachen holte, fand er noch Rasiermesser, Scheren, Messer und Gabeln und zuletzt noch viele Gold»
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und Silbernlünzen. Das nahm er auch alles mit. Danach aber erhob sich ein heftiger Sturm, und am andern Morgen war das Schiff verschwunden.
2.
Wie Robinson sich eine Wohnung m a ch t e.
Robinson dachte nun darüber nach, >vie er sich eine Art Wohnung machen könnte, nm vor wildeil Tieren und wilden Menschen Schuh zu haben. Es waren schon zwölf Tage vergangen, und. es hatten sich noch keine Menschen und zum Glück auch kein lvildes Tier gezeigt. Er wollte nicht weit vom Meere fortgehen, iveil er doch möglichst oft ausschaueu wollte, ob kein Schiff vorbeiführe, dem er sich vielleicht bemerk lich macheil könnte. Der Plah sollte aber auch Schuh vor der Souue bieten, und Triuklvasser mußte auch i» der Nähe sein. Endlich fand er eine kleine Ebene vor einem Fels hügel, die das alles bot, lvas er gewünscht hatte. Der Fels fiel ganz steil ab nild hatte an einer Stelle eine steine Vertiefung; gerade vor dieser Grotte war eine schöne Rasen fläche, ungefähr 600 Schritte breit und doppelt so lang, daun ging es wie von einer Terrasse abwärts zum Meeres strand. Die kleine Ebene lag nach Nordlvesten, so daß nur abends die Sonne hinkam. Er stellte sich nun gerade vor die Felsenhöhle, ging acht Schritte vor und machte sich mit Hilfe eines Strickes einen regelmäßigen Halbkreis. In dem Halbkreis pflanzte er dicke Pfosten und Pfähle tief in die Erde, so daß sie so hoch waren wie er selbst. Dahinter kam noch eine Reihe, die niedriger war. Die Pfosten vom Schiff reichten nicht aus, da fällte er Bäume und hieb die Äste ab. Das dauerte jedesmal drei Tage, bis wieder ein neuer Pfosten errichtet war. Zwischen die Pfosten schlang er starke Schiffstaue. Er brachte keine Tür an, sondern stieg immer mit einer Leiter ein und aus. War er drinuen, so zog er die Leiter hinter sich auf. In diese Festung brachte er mit vieler Mühe all seine Lebensrnittel, die Kisten und alles, was er vom Schiff gerettet hatte. Dann machte er von den Schifsssegeln ein doppeltes Zeltdach und spannte
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Robinson Crusoe.
über die Segel noch einmal geteerte Leinwand. Das alles kostete viel Mühe und viele Zeit. Er schlief auch nicht in dem Bett, das er ans Land gebracht hatte, sondern in einer sehr guten Hängematte, die das Nachtlager des Steuermanns gewesen war. Aus Brettern vom Schiff nagelte er sich auch einen Tisch und einen Stuhl zurecht. Sinn erweiterte er die Höhle, ivas ganz gut ging, da das Gestein lockerer Sandstein war. Alle Steine und Erde, die er los gearbeitet hatte, wurden gegen den Zaun gelegt, um ihn fester zn machen. Während er so arbeitete, stieg dunkles Gewölk auf, es zuckte ein Blitz, und ein gewaltiger Donner schlag folgte. Da dachte Robinson: Wenn nun ein Blitz in mein Pulver schlüge, dann wäre mit einem Schlag alles Pulver vernichtet. Er hatte beinahe drei Zentner Pulver, das teilte er nun in mehr als hundert kleine Hänfen und machte sich für jedes Häufchen ein Kästchen oder einen Beutel. Die verteilte er dann in Löcher unter dem Felsen und merkte sich genau die Stellen, wo das Pulver war. Die Höhle machte er immer tiefer, so daß sie seine Küche, sein Vor ratshaus und sein Keller wurde. Er schlug auch große Nägel in die Felsritzen und befestigte Bretter darüber, so hatte er Schränke und Gefächer. Täglich stieg er oben auf deu Felshügel und blickte auf das Meer, aber es ließ sich feilt Segel sehen, und er dachte, daß er gewiß lange hier bleiben müsse, vielleicht sein ganzes Leben lang. Da ward er sehr traurig. Aber weil er sehr viel zu arbeiten hatte, hatte er keine Zeit, lange traurig zu sein. Nur abends, ehe er einschlief, weinte er oft und betete auch jedesmal recht von Herzen, das hatte er viele Jahre lang nicht mehr getan. Als er dreizehn Tage auf der Insel gewesen war, konnte er diese Zeit noch genau nachrechnen. Aber er dachte, wenn noch mehr Zeit verginge, könnte er es zuletzt nicht mehr genau behalten. Darum machte er sich einen Kalender. Er nahm einen großen viereckigen Pfosten vom Schiff und trieb ihn tief in die Erde hinein, in das Holz schnitt er die Worte: Hier bin ich am 30. September 1659 gelandet! Täglich
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machte er an einer Kante des Pfostens einen kleinen Ein schnitt und Sonntags einen doppelt so langen Schnitt, am ersten Tage eines jeden Monats aber einen viermal so langen Schnitt. So wußte er immer, was es für ein Wochen tag und für ein Monatstag war. Jeden Tag ging er mit einem Gewehr aus und ent deckte dabei, daß es hier eine Art von Ziegen gab. Es gelang ihm, eine zu schießen, die ein junges Zicklein bei sich hatte — das Zicklein blieb bei seiner toten Mutter steheu, und als er die alte Ziege zu seiner Festung trug, lief das Junge nach. Er hob es über den Zaun und gab ihm Gras zu fresse«. Aber es war noch so klein, daß es nur Milch trinke« konnte. Die hatte er nicht, da tötete er das Zicklein auch und hatte nun lange Zeit Fleisch zu essen. Eck bereitete das Fleisch so zu, wie er oft genug zu Hause gesehen hatte, daß man Fleisch briet. Zu beiden Seiten des Feuers steckte er zwei Stöcke kreuzweis in den Boden, legte eine eiserne Stange quer drüber, hängte daran das Fleisch mit einer Schnur auf und ließ es sich dann fortwährend drehen, bis es braun gebraten war.
3.
Wie Robinson die Regenzeit verlebte und
krank wurde.
Einmal schoß Robinson wieder auf eine Ziege und traf sie auch; aber sie war nicht tot, sondern sie war nur an einem Bein verwundet. Mit Mühe schleppte er das Tier an einem Strick bis in seine Wohnung, er verband das lahme Bein, da heilte es nach einiger Zeit, und die Ziege wurde ganz zahm und weidete auf dem Rasenplatz vor der Festung. Sie hinkte und lief niemals fort. Das brachte Robinson auf den Ge danken, ob er nicht später sich eine ganze Herde Ziegen fangen und zähmen könnte, wenn er einmal kein Pulver mehr hätte, um sie zu schießen. Es fing aber nun an zu regnen und hörte wochenlang nicht auf. Robinson machte sich eine Rinne, daß das Wasser von seiner Wohnung ablaufen sollte. Fast täglich Hegel, Lesebuch 2. 11. Ausl. 19
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gab es ein schweres Gewitter. Er konnte viele Tage nicht ausgehen und geriet fast in Verzweiflung. Ein mal wankte der ganze Fels, das war ein Erdbeben, das Meer schäumte und brandete ganz entsetzlich, so daß Robinson glaubte, die Welt ginge unter. Aber das Unwetter ging vorüber, und cs hatte sogar sein Gutes für Robinson. Denn er sah auf einmal am Meere einen Sand hügel, der früher nicht da gewesen war, und dabei lag das Wrack des Schisses, das die Zeit über verschwunden ge wesen, jetzt aber so nahe aus Land geschleudert war, das; er zur Zeit der Ebbe trockeueu Fußes dorthin gehen konnte. Da eilte Robinson mit Axt, Brecheisen und Säge hin und löste sich Tag für Tag Balken und Bretter von dem Wrack los. Es gelang ihm, in den Schiffsrumpf zu kommen, wo er noch viel Holz, eine große Nolle Blei und mehr als zwei Zentner Eisen fand. Am Strand fand er auch eine große Schildkröte, die er tötete und mituahm, das gab eine vortreffliche Mahlzeit. Aber von all dem Regen wurde Robinson krank. Sein Kopf brannte wie Fener, er war matt in allen Gliedern und glaubte, er müsse sterbeu. Er hatte schreckliche Träume uud machte sich Vorwürfe über sein früheres Leben. Er fühlte, daß das alles eine Strafe Gottes wäre, und betete, der liebe Gott möge ihn doch erretten. Er suchte sein Bett hervor und legte sich da hinein anstatt in die Hängematte. Da schlief er ein und schlief die ganze Nacht und den folgenden Tag und noch eine Nacht. Als er wach wurde, war er nicht mehr so heiß, das Fieber war vorüber, und er konnte wieder aufstehen. Er nahm die Bibel und las tröstliche Psalmen, da fühlte er sich wieder erquickt. Dort, wo er wohnte, war es in der heißen Zone, die Insel lag vielleicht zehn Grad nördlich vom Äquator, da gibt es keinen Winter, aber eine Regenzeit, die vom Februar bis April dauert, und noch eine zweite, wenn bei uns Herbst ist.
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Nummer 220,3 und 220,4.
4. Wie Robinson sich eine Sommerwohnung ei »richtete und die Insel durchwanderte.
Als Robinson wieder gesund war und die Regenzeit vorüber, beschloß er, die Insel auch im Innern näher zu ersorschen. Er war jetzt zehn Monate hier, und weil sich immer noch kein böses Tier gezeigt hatte, hatte er auch keine Angst mehr davor, von zu Hause fortzugehen. Mit seiner Flinte über der Schulter, seinen treuen Hund zur Seite, ging er die kleine Bucht entlang, wo er zuerst sein Floß hineingefahren hatte, immer landeinwärts. Wo die Bucht aufhörte, floß eine kleiner Bach mit frischem, klarem Wasser, der mündete in die Bucht. Rechts und links war schönes Gras mit vielen Blumen, dann kam Wald, und am Rande des Waldes wuchsen Aloe, Melonen und saftige Ananas und standen Kokosnußbäume. Es war dort viel schö ner als in seiner Wohnung, und er beschloß, dort sich eine Art Sommerwohnung zu machen. Er arbeitete einen ganzen Monat daran, da hatte er einen ähnlichen Zaun fertig, wie bei seiner Festung, nur fehlte ein Felsen dahinter, da rum mußte er den Zaun rundum führen, nicht bloß im Halbkreis. Nun wuchs sein Mut, und er konnte der Lust nicht mehr widerstehen, die ganze Insel zu durchwandern. In einem Sack trug er einige Lebensmittel, Zwieback und getrocknetes Fleisch, und dann ging er so weit, bis er das Meer auf der andern Jnselseite erblickte. Ganz in der Ferne sah er Land, das war eine andere Insel. In den Bäumen saßen viele bunte Papageien, die machten ein großes Ge schrei. Es gelang ihm, mit seinem Stock einen jungen Papagei von einem Baume zu schlagen; da nahm er das Tierchen mit nach Hause. Es wurde zahm und lernte auch bald sprechen. Er kam bis an den Meeresstrand, da wimmelte es von großen Schildkröten. Aber obwohl es in den an dern Teilen der Insel viel schöner war als da, wo er wohnte, so freute er sich doch sehr, als er wieder zu Hause war. Er wollte auch deshalb lieber hier wohnen, weil er das
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Robinson Crusoe.
Meer vor sich hatte und er doch immer noch die Hoffnung hatte, einmal ein Schiff zu sehen, das ihn Mitnahme. 5. Wie Robinson sich Lampen und Körbe anfertigte. Robinson hatte es gar nicht gefallen, daß es jeden Abend um sechs Uhr dunkel wurde und dann zwölf Stunden lang Nacht blieb. So ist das in der heißen Zone das ganze Jahr über, ein Tag ist so lang wie der andere, und eine Nacht so lang wie die andere. Da saß er denn im Dunkeln und konnte doch nicht die ganze Zeit über schlafen. Da sann er nach, wie er sich eine Art Lampe machen könnte. Er sammelte von nun an alles Fett von den Ziegen, die er erlegte, dann knetete er sich aus Lehm eine Schale, trocknete sie in der Sonne und drehte aus Taugarn eine Art Docht. Das brannte denn ganz schön, freilich nicht so hell wie eine Kerze, aber doch hell genug. Da war es ganz behaglich des Abends, er konnte in seiner Bibel lesen, er konnte seine Erlebnisse niederschreiben und konnte allerlei arbeiten. Besonders eine Art Arbeit machte ihm viele Freude. Es fehlte ihm an Gefäßen, um seine Vorräte hinein»utun, und er hätte gar zu gern einige Körbe gehabt. Die Zweige aber, die er dazu nahm, waren alle viel zu spröde; wenn er sie biegen wollte, brachen sie durch. Da fiel ihm ein, daß die Bäume, aus deren Ästen er den Zaun um seine Sommerwohnung gemacht hatte, ganz den Weiden seiner Heimat glichen, und daß ihre Zweige dünn und geschmeidig wären. Er ging also am nächsten Tage mit einem Beile dorthin, schnitt ein großes Bündel dünne Zweige ab und legte sie in seine Höhle. Und nun dachte er lange darüber nach, wie ein Korb aussähe, und wie er wohl hergestellt werden könnte. Er erinnerte sich, daß er als Kind öfter einem Korbmacher bei der Arbeit zugesehen hatte. Und so gelang es ihm zuletzt, einen Korb zu flechten. Das gefiel ihm so gut, daß er sich die ganze nächste Regen-
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zeit über die Zeit damit vertrieb, einen Korb nach dem andern zu flechten, er flocht große und kleine, enge und weite, flache und tiefe Körbe. Er freute sich schon darauf, wenn diese Körbe nächstens, mit Vorräten jederart gefüllt, in einer Reihe daständen. 6. Wie Robinson sich irdene Töpfe her st eilte.
Viel schwieriger war es aber, irdene Töpfe zu machen, die er doch so gern gehabt hätte, um darin zu kochen. Weil ihm die Schale für die Lampe so gut geraten war, so gab er sich daran, formte aus Lehm Töpfe und trocknete sie in der Sonne. Das war keine ganz einfache Sache, denn Robinson war in solchen Arbeiten ganz ungeübt und darum ungeschickt. Die Töpfe konnten zwar stehen, wenngleich wack lig, waren aber sehr plump und häßlich. Manche fielen immer wieder auseinander, weil der Ton bröckelig war, andere gingen entzwei, wenn man sie nur eben anfaßte, andere bekamen Risse und Sprünge in der Sonnenhitze. Er suchte sich also bessern Lehm, fand auch endlich solchen, grub ihn aus, feuchtete ihn an, knetete und formte zwei Monate lang, bis er zwei große ungestalte Dinger fertig hatte. Als die Sonne sie hart gebrannt hatte, flocht er Körbe um die Töpfe itnb füllte den Zwischenraum mit trockenem Gras. Kleines Geschirr geriet ihm besser, Schälchen und Tassen, Krüge und Schüsseln. Wenn man aber eins dieser Gefäße aufs Feuer setzte, sprang es entzwei, und wenn man Wasser hineintat, so sickerte dies unten wieder heraus. Da begegnete es ihin, als er einmal das Feuer auslöschte, welches er zum Braten von Fleisch angezündet hatte, daß in der Asche ein Scherben einer seiner Schüsseln lag, steinhart und rot gebrannt. Da sagte sich Robinson, daß man wohl auch ein ganzes Gefäß im Feuer so hart brennen könnte. Er hatte keinen Begriff von einem Töpferofen, aber er probierte einmal. Er stellte drei Tiegel in einen großen Topf überein ander, schichtete auf einem Haufen Asche rundum Brenn-
Holz auf und sorgte für immer neuen Brennstoff. Durch die Flamme durch sah er die Töpfe rotglühend werden, ohne daß sie platzten. Er ließ sie nun noch vier bis fünf Stunden stehen, da sah er, wie ein Topf zu schmelzen anfing, ohne jedoch zu platzen; das war der dem Ton beigemischte Sand, der zu Glas schmolz. Robinson milderte nun die Hitze etwas und wachte die ganze Nacht. Am andern Mor gen waren die drei Tiegel und der große Topf so hart ge brannt, wie man es sich nur wünschen konnte. Der Topf, von dem der Sand geschmolzen war, sah glasiert aus. Robinson konnte es kaum erwarten, bis die Töpfe kalt waren, da füllte er einen halb mit Wasser, tat Fleisch hinein und stellte alles ans Feuer. Es gab ein vorzügliches Kochfleisch und eine prächtige Fleischbrühe. Von nun an fehlte es Robinson nie mehr an irdenen Gefäßen jeder Art, lauter häßliche und wackelige Dinger, aber alle brauch bar. 7. Wie Robinson sich Kleider machte.
So sparsam auch Robinson mit seinem Vorrat an Tinte und Papier haushielt, beides ging zu Ende, und es gelang ihm nicht dafür Ersatz zu finden. Auch der Schiffszwieback wurde alle, und er mußte eine längere Zeit jede Nahrung entbehren, die ähnlich war wie Brot. Schlimmer war es, daß seine Kleider mehr und mehr dahinschwanden. Am längsten hielten die gemusterten Ma trosenhemden, die er in den Kisten seiner Gefährten ge funden hatte. Die dicken Wachtröcke waren noch da, aber sie waren viel zu warm, um sie in dieser heißen Gegend zu tragen. Ein Hemd anzuhaben, war ihm ein Labsal, denn das schützte vor der Sonnenglut. Auch Hut und Mütze konnte er nicht entbehren. Wenn er einmal versuchte, im bloßen Kopf zu gehen, so bekam er regelmäßig heftige Kopf schmerzen, denn die Sonne brannte allzuheiß und stand ost senkrecht über seinem Haupte. Er hielt es für nötig, die Lumpen, in die sich seine Kleider allmählich verwandelt
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hatten, in Stand zu setzen. Er gab sich ans Schneidern und Pfuschte allerlei schreckliche Sachen zusammen. An das Barfußgehen gewöhnte er sich schnell. Er hatte die Felle aller erlegten Tiere sorgfältig auf bewahrt. Er hatte sie an Stangen aufgespannt und so an der Sonne getrocknet. Einige waren davon so hart und steif geworden, daß er sie nicht brauchen konnte, andere aber blieben geschmeidig. Er kehrte die rauhe Seite nach außen, und es gelang ihm mit vieler Mühe, sich eine Mütze, Westen und kurze Hosen aus Fell zu machen. Die Hosen waren freilich an den Knieen offen, aber sie sollten ja auch nicht warm halten, sie sollten ihn vielmehr vor der Hitze be schützen. Was ihm sehr not tat, das war ein Sonnenschirm. Nach vielen Versuchen brachte er ein ziemlich zweckmäßiges Gestell fertig. Die größte Schwierigkeit machte ihm die Ein richtung, wodurch man den Schirm zusammenlegen konnte. Denn wenn er sich nur aufgespannt tragen ließ, dann wäre es doch sehr lästig gewesen, das Ding immer über dem Kopf zu halten, auch wenn es nicht regnete und die Sonne nicht brannte. Endlich gelang auch diese Vorrichtung so leid lich, der Überzug war ein Fell, die Haare nach außen, wovon der Regen wie von einem schrägen Dach ablief. Auch gegen die Sonne schützte dies Ungetüm von einem Schirm; und wenn ihn Robinson nicht nötig hatte, so klappte er ihn zusammen und trug ihn unter dem Arm. Die Mütze war hoch und spitz, aus Ziegenfell, und hinten hing eine lange Krämpe in den Nacken. Er machte sich auch einen Gürtel aus getrocknetem Ziegenfell, der mit zwei Riemen befestigt war. Im Gürtel trug er bei allen Ausgängen eine kleine Säge an einer Seite, ein Beil an der andern Seite. Und wenn er auf die Jagd ging, hatte er noch zwei Beutel mit Pulver und Schrot und einen Korb auf dem Rücken. Sein Bart war lang geworden, aber doch nicht verwildert, da er ja Messer und Schere besaß, uni ihn zu schneiden. Wenn jemand Robinson so gesehen hätte, dann hätte er gewiß den Kopf geschüttelt.
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8. Wie Robinson Getreide säte und erntete. Einmal, im ersten Jahre seines Aufenthaltes auf der Insel, als Robinson unter seinen Sachen kramte, sand er ein Säckchen, worin noch einige Getreidekörner waren, die im Schiff zum Füttern der Hühner benutzt worden waren. Weil er damals das Säckchen zur Aufbewahrung von Pulver brauchen wollte, schüttete er die Körner aus. Einen Monat später sah er an der Stelle grüne Halme, daraus wuchsen zehn oder zwölf Gerstenähren. Als Robinson diese zuerst bemerkte, glaubte er anfangs, Gott hätte ihm zuliebe ein Wunder getan und für ihn Getreide wachsen lassen, bis ihm dann einfiel, daß er an jener Stelle das Säckchen aus geleert hatte. Als er genauer hinsah, bemerkte er auch einige Reisähren. Er ließ die Ähren reif werden, pflückte sie dann sorgsam ab, schälte die Körner mit den Händen heraus und bewahrte sie auf, um sie später zu säen. Zum Säen muß man aber ein lockeres Erdreich haben, und das muß man sich künstlich Herstellen, durch Pflügen oder durch Umgraben. Robinson hatte aber keinen Spaten. Da sah er beim Durchstreifen des Waldes einen Baum von der Art, wie man sie in Brasilien Eisenbäume nennt we gen ihres harten Holzes. Mit seiner Axt fällte er mit großer Mühe einen solchen Baum und brachte mit viel Anstren gung einen dicken Klotz davon nach Hause. Wochenlang arbeitete er, bis dieser Klotz in eine Art Spaten umgeformt war, der Handgriff war so gestaltet, wie er sich von Hause aus erinnerte. Die breite Schaufel am untern Ende war jedoch ohne Eisenbeschlag; trotzdem ließ sich damit leid lich graben. Als nun die Regenzeit vorüber war, grub Robinson ein Stück Land um und streute die Getreidekörner darauf. Da er nicht sicher war, ob es auch die richtige Zeit zur Aussaat wäre, so säte er nur zwei Drittel seines Vorrates und behielt eine Handvoll Gerstenkörner und eine Handvoll Reiskörner zurück. Und wie gut war das: denn nicht ein einziges Korn ging auf, weil ja jetzt lauter trockene Monate kamen.
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Robinson wartete bis zum Februar, da säte er den Rest seiner Körner, und als die regenreichen Monate März und April solgten, da sproßten bald üppige Halme empor und gaben reiche Ernte. Weil aber die Aussaat so gering ge wesen war, so brachte freilich auch die Ernte nur ungefähr eine halbe Metze von jeder Sorte, denn wie die Saat, so die Ernte. Während das Korn wuchs, machte Robinson eine an genehme Entdeckung. Er besuchte eines Tages seine Sommer wohnung und fand, daß die Pfähle der Einfriedigung nicht vertrocknet waren, sondern Zweige getrieben hatten und schon reichlich Schatten in den Kreis warfen, den sie um schlossen. Darum machte er sich noch mehr solche Pfähle und legte auch um seine Hauptwohnung eine solche Einfrie digung an, die dann in den nächsten Jahren auch so schönen Lchatten gab. Von dem geernteten Getreide aß Robinson nichts, sondern verwahrte alle Körner sorgfältig, bis die folgende Regenzeit herannahte. Das war ein halbes Jahr später, gegen November hin. Er merkte, daß man hier zweimal im Jahre Getreide säen und ernten könne, nur mußte man jedesmal vor der Regenzeit säen. Jetzt war es schon ein ziemlich großes Stück Feld, das er zu umgraben und zu besäen hatte. Er schleifte einen großen Baumast darüber hin, damit die Körner mit Erde zugedeckt und nicht von Tieren gefressen würden, das war dann geeggt. In kurzer Zeit wuchs das ganze Feld voll Korn üppig heran. Aber da kamen wilde Ziegen und Tiere, die ähnlich wie Hasen aussahen, und fraßen viele von den grünen Halmen ab; und als die Ähren reif wurden, kamen ganze Scharen von Vögeln und pickten die Körner aus den Ähren. Da lauerte er den Vögeln auf und schoß drei Stück tot, die hängte er an Pfählen in sein Getreidefeld. Da bekamen ihre Gesellen Angst und blieben fort. Um die Weihnachtszeit konnte das Getreide geschnitten werden. Er nahm einen der Säbel, die er aus dem Schiff gerettet hatte, schnitt nur
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die Ähren ab, nicht die Halme, und trug sie in großen Körben nach Hause. Er entkörnte die Ähren mit den Händen und hatte nun zwei Scheffel Reis und beinahe drei Scheffel Gerste. Er beschloß, auch davon nichts zu essen, sondern alles nach einem halben Jahr wieder zu säen. In der Zwischenzeit wollte er überlegen, wie er Brot backen könnte.
9. Wie Robinson sich Brot bereitete.
Um Brot zu backen, brauchte Rvbiuson allerdings viele Werkzeuge, zuerst mußte er etwas haben, womit er das Korn von der Spreu trennen konnte, dann brauchte er eine Mühle, um das Korn zu Mehl zu mahlen, er brauchte ein Sieb, um Mehl und Kleien zu scheiden, er brauchte Hefe, um eineu Teig zu machen, er brauchte endlich einen Back ofen, um das Brot zu backen. Die Spreu, so dachte er, könnte man ja von den Körnern trennen, wenn man die Körner im Winde mit einer Schaufel in die Höhe würfe, dann nähme der Wind die Spreu schon von selbst fort. Aber wie sollte er die Körner mahlen? Er konnte doch für sich allein keine Mühle bauen. Aber Robinson dachte, ein Mörser wäre auch gut genug, um das Korn zu zermahlen. Er fällte einen Baum und machte aus dem Stamm einen Holzklotz. Mit unsäg licher Mühe brannte er eine Höhlung hinein, die er mit dem Messer noch abrundete. Dann machte er sich eine Holzkeule, das war der Stößel. Ein Sieb ließ sich aus dünnem Baum wollenzeug bereiten, das er ja noch in Masse besaß. Auf Hefe verzichtete er, aber einen Backofen mußte er durch aus haben, und zwar sehr bald, denn inzwischen war die Regenzeit schon wieder gekommen, es war gegraben, gesät, geeggt worden; die Erntezeit war gekommen, es war mit dem alten Säbel statt einer Sichel gemäht worden, alle Körbe waren mit Halmen gefüllt worden, und einer nach dem andern war umgestülpt worden und die Körner aus gerieben. Es waren jetzt ungefähr zwanzig Scheffel Gerste da und noch mehr Reis. Robinson berechnete, wieviel er
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bis zur nächsten Aussaat von dem Vorrat essen dürfe, und kam zu dem Ergebnis, daß er jetzt aus dem Vollen wirt schaften könne und soviel verzehren dürfe, als er nur Lust hätte. Jetzt ging es also an die Herstellung eines Backofens. Er machte sich einige flache irdene Gefäße, zwei Fuß im Durchmesser und einen halben Fuß hoch. Dann machte er auf seinem Herde, den er aus einigen von ihm in der Sonne gebackenen Ziegeln gebaut hatte, ein großes Feuer an und ließ die heiße Asche liegen, bis alle Ziegel des Herdes ganz heiß waren. Dann fegte er die Asche ab, legte den mit Wasser und Salz gekneteten Brotteig darauf, stülpte die flachen Schüsseln darüber und häufte die heiße Asche von außen um die Schüsseln herum. Von Zeit zu Zeit sah er nach, und endlich waren köstlich duftende Brote herrlich gebacken. Er lernte auch andere Speisen aus Mehl bereiten, Pudding, Brei und Suppe, Pfannkuchen und kleine Bröt chen, so daß er jetzt Bäcker, Koch und Konditor zugleich ge worden war. 10. Wie Robinson sich eine Ziegenherde verschaffte.
Ein Jahr verging um das andere, und jede Hoffnung auf Rettung schien verloren, das Pulver war sehr knapp geworden, und Robinson mußte daran denken, sich Tiere lebend einzufangen. Er versuchte es mit Schlingen, aber die waren nicht stark genug, die Tiere zerrissen sie wieder. Dann legte er eine Fallgrube an, in die er Korn hinein streute, und eines Tages fingen sich wirklich drei junge Ziegen in der Grube. Er band ihnen die Beine mit Stricken zusammen und trug sie nach Hause. Dort band er sie an einen Pflock und ließ sie grasen, gab ihnen auch dazwischen Gerstenähren oder Reis, so daß sie bald ganz zahm wurden und ihm aus der Hand fraßen. Drei Monate arbeitete Robinson daran, ein Stück Wiese mit einem Zaun zu um-
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geben. Als die Einfassung fertig war, führte er die Ziegen hinein. Sie folgten ihm willig, und nun hatte er also eine Herde. Nach zwei Jahren bekamen einige seiner Schützlinge junge Lämmchen, und nach zwei Jahren hatte er schon dreiundvierzig Tiere. Er machte noch mehrere eingezäunte Weide plätze, und von nun an hatte er Fleisch, soviel er essen konnte, und Ziegenmilch, soviel er trinken konnte. Und was er von der Milch nicht genießen konnte, gab Sauermilch, Käse und Butter. Der Huud war immer älter und steifer geworden und schließlich an Altersschwäche gestorben, aber von den Katzen hatte die eine junge Kätzchen bekommen, und zuletzt waren so viele Katzen da, daß die meisten wegliefen und wild wurden. Der Papagei aber blieb am Leben und erfreute ihn durch feilt zutrauliches Wesen und durch sein Ge schwätz, denn wenn Robinson einmal laut etwas zu sich selbst sagte, merkte sich's das Papchen ganz genau und brachte das Gelernte dann vor, es mochte passen oder nicht passen. 11. Wie Robinson eine Seereise unternahm.
Als Robinson es so weit gebracht hatte, daß er keine Sorgen mehr zu haben brauchte um Nahrung, Kleidung und Wohnung, war sein Mut so gewachsen, daß er darüber nachdachte, ob er nicht aus eigener Kraft die Insel ver lassen und ein bewohntes Land aufsuchen könnte. Dazu mußte er aber ein Boot haben. Zwei Jahre arbeitete er daran, einen großen Baumstamm auszuhöhlen und ihn in ein kleines Boot zu verwandeln. Damit wollte er zunächst einmal um die ganze Insel herumsegeln. Mast und Segel hatte er, diese brachte er in dem Boot mit leichter Mühe an, er hatte auch Ruder und zimmerte sich einen mit Brettern bedeckten Raum, worin Lebensmittel und Schießbedarf trocken verwahrt werden konnten, selbst eine Art Anker hatte er sich aus Eisen zurecht gemacht. Und nun stieß er vom Lande ab und wollte zur Probe einmal um die ganze Insel herum fahren. Auf einmal erfaßte ihn eine Strömung,
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gegen die er nicht anrudern konnte. Kein Wind kam ihm zu Hilfe, und er geriet immer weiter ins offene Meer hinein. Kaum konnte er seine Insel noch sehen; da erhob sich ein leichter Wind, der immer stärker wurde, so daß es möglich war, das Segel aufzuspannen. Jetzt ging es denn wieder nach dem Lande zu, und nach einer Weile kam er zum Glück in eine andere Strömung, die landeinwärts ging. Das Boot flog auf die Küste zu, und Robinson landete wieder. Er siel auf die Knie und dankte Gott inbrünstig, daß er ihn gerettet hatte. Jeden Gedanken, daß er mit einem so erbärnilichen Fahrzeug sich ans Festland retten könnte, gab er nun auf und dachte nur daran, wie er wieder heim käme. Er stieg wieder ins Boot und fuhr dicht an der Küste hin, bis er in eine kleine Bucht kam; in die ruderte er hinein, bis sie sich ganz verengte und nun einen Bach bildete. Darin lag das Boot so sicher wie in einem Bett, und Robinson konnte getrost ans Land steigen, um aus zukundschaften, wo er wäre. Er merkte bald, daß er hier schon einmal gewesen war, und nach einem mehrstündigen Marsch kam er denn auch glücklich an seinem wohlbekannten Festungszaune an. Er stieg hinüber und schlief sofort vor Müdigkeit ein. Wie überrascht war er, als er nach einiger Zeit aus dem Schlaf geweckt wurde durch eine Stimme, die immerzu rief: Robin, Robinson, armer Crusoe, wo hist du? wo bist du gewesen? Er wußte gar nicht, was er dazu sagen sollte, aber ach! es war kein Mensch, sondern es war sein Papchen. Er selbst hatte so oft im Selbstgespräch diese Worte gesagt, daß der Papagei sie aufgeschnappt hatte und jetzt wiederholte. Diesmal paßte es gut.
12. Wie Robinson einen Gefährten bekam. Als Robinson eines Tages nach seinem Boote ging, um zu sehen, wie er es näher an seine Wohnung bringen könnte, sah er im Ufersand ganz deutlich den Abdruck eines nackten menschlichen Fußes. Da stand er wie vom Donner gerührt still. Er horchte, er sah um sich, er erstieg einen Hügel,
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er ging an der Küste entlang, aber er sand keine weiteren Fußspuren, als nur die eine. Er sah immer wieder die Fuß spur an, aber es war nicht anders, es war die Spur eines Menschensußes. Man sah alle Zehen, die Sohle und die Ferse. Es war der linke Fuß und nur der eine. Wie war dieser Mensch hierhergekommen? Wo war er jetzt? Wie außer sich wanderte Robinson in seine Festung zurück, oder vielmehr er floh wie ein verfolgtes Wild. Er konnte den ganzen Tag an nichts anderes denken als an die Fußspur, und die ganze Woche und den ganzen Monat nichts anderes. Tag und Nacht malte er sich aus, daß Wilde kämen, die ihn totschlügen. Er las in der Bibel und sand den Spruch: Rufe mich an in der Not, und ich will dich erretten, und du sollst mich Preisen! Das tröstete ihn wieder etwas. Fünfzehn Jahre war er jetzt auf der Insel und hatte all die Zeit über kein menschliches Geschöpf erblickt. Und jetzt auf einmal waren doch Menschen da gewesen. Er gab sich jetzt daran und machte den Wall um seine Wohnung zehn Fuß dick, indem er Erde aufschüttete und sie feststampfte. Er legte seine sieben Gewehre wie Kanonen gegen den Wall, daß er sie alle hintereinander abschießen könnte, wenn er belagert würde. Dann legte er sich in weiter Entfernung von seiner Wohnung, tief im Walde, eine dritte Umzäunung an und brachte dorthin zehn Ziegen, damit er im Notfall dorthin fliehen könnte. Dann suchte er einen Platz, wo sich Werkzeuge und Lebensmittel verstecken ließen. Dabei kam er an das andere Ende der Insel, wo er vorher nie gewesen war. Was sah er da? Es lagen auf der Erde viele Menschenknochen und Menschenschädel, und rundum war ein tiefer Graben im Kreis herum gezogen, und man sah auch, daß hier ein Feuer gebrannt hatte. Kurzum, an diese Stelle kamen sicherlich zuweilen die Wilden von andern Inseln herübergefahren und feierten Siegesfeste, wobei sie die Gefangenen, die sie mitschleppten, töteten und fraßen. Robinson war so entsetzt darüber und bekam nun solche Angst, die Wilden kämen wieder, daß er wieder nach Hause
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lief und nicht mehr wagte, ein Gewehr abzuschießen, weil sonst die Wilden vielleicht den Knall hören und ihn finden könnten. Er hatte ja auch zahme Ziegen genug, die ihn mit Milch und Fleisch versorgten, er brauchte gar keine wilden Ziegen zu schießen. Sein Boot ruderte er in eine Bucht, wohin die Wilden niemals kamen, weil dort die Strömung des Meeres zu stark war. Aber als ein ganzes Jahr verging und noch eins und noch eins, ohne daß Wilde sich zeigten, beruhigte sich Ro binson endlich wieder. Doch eines Morgens sah er auf der Jnselseite, wo er wohnte, fünf Kähne auf einmal am User liegen. Aber cs war niemand in den Kähnen. Er trug alle seine Gewehre an den Fuß der Leiter und stieg mit seinem Fernrohr den Hügel hinauf. Da sah er, daß gar nicht so sehr weit von ihm ungefähr dreißig Wilde um ein Feuer lagerten und sich Fleisch brieten. Dann tanzten sie mit merkwürdigen Grimassen um das Feuer. Auf einmal liefen einige an die Kähne und schleppten zwei gefesselte Menschen, die auf dem Boden eines Kahnes gelegen hatten, ans Feuer. Man band sie los, und Robinson sah, wie der eine mit einer Keule erschlagen wurde, aber als der andere an die Reihe kommen sollte, da lief er auf einmal so schnell wie ein Hase fort, gerade auf die Gegend los, wo Robinson wohnte, zwei andere ihm nach. Aber der Entflohene lief viel schneller als diese. Zwischen den Wilden und Robinsons Festung war noch die Bucht, wo Robinson zuerst mit seinem Floß gelandet war. Als der Flüchtling dort angelangt war, sprang er ohne weiteres ins Wasser, schwamm hindurch, kletterte ans Land und rannte weiter. Die andern brauchten noch einmal so lang, bis sie durch die Bucht geschwommen waren. Da dachte Robinson, er wollte dem armen Opfer helfen. Er sprang den Hügel hinunter, holte sich zwei Gewehre, dann wieder hinauf und auf das Meer zu, so daß er zwischen den Flücht ling und die Verfolger kam. Er rief laut, und wie der erste Verfolger näher kam, drehte er das Gewehr um und schlug ihn nieder. Der andere Verfolger hatte Bogen und
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Pfeile bei sich und wollte schießen. Da nahm Robinson sein Gewehr und schoß ihn tot. Der Flüchtling blieb stehen, aber als Robinson ihm winkte, kam er näher, blieb wieder stehen, kam endlich herbei und kniete nieder. Er küßte die Erde, ergriff dann Robinsons Fuß und stellte ihn aus seinen Kopf, das sollte heißen, er wolle sein Sklave sein. Dann machte er ein Zeichen, Robinson solle ihm seinen Säbel geben, den er ohne Scheide an der Seite hängen hatte. Und mit dem Säbel hieb er dem andern Feinde, den Robinson nieder geschmettert hatte, den Kopf ab. Dann scharrte er mit den Händen den lockeren Sand aus uud begrub die zwei Feinde. Robinson führte den Geretteten in seine Wohnung. Dort schlief er rasch ein. Es war ein kräftiger, großer Jüngling, vielleicht zwanzig Jahre alt, braungelb von Haut, mit langen schwarzen Haaren, mit schmalen Lippen und schneeweißen Zähneck. Als er wach wurde, setzte er nochmals Robinsons Fuß auf seinen Kopf und zeigte auf jede Art seine Dank barkeit. Die andern Wilden kamen nicht wieder, und auch ihre Kähne waren verschwunden. Weil es ein Freitag war, so nannte Robinson seinen neuen Gefährten Freitag und gab sich gleich daran, ihn sprechen zu lehren. Er mußte den Robinson Herr anreden, und Ja und Nein lernte er auch gleich sagen. Er lernte auch Milch trinken und Brot essen und bekam auch Kleider, eine Jacke aus Ziegenfell und Hosen und Mütze aus andern Fellen. Anfangs war ihm das sehr unbequem, aber bald gewöhnte er sich daran, und es dauerte nicht lange, so verstand er alles, was sein Herr sagte, und konnte selbst auch sprechen, was er wollte.
13. Wie Robinson und Freitag nochdreiJahre lang auf der Insel hausten. Drei Jahre lang lebte Robinson noch mit Freitag zu sammen aus der Insel, und das waren die drei glücklichsten Jahre seines dortigen Aufenthaltes. Denn kein Mensch kann sich vollkommen glücklich fühlen, wenn er immer ganz allein ist, auch wenn es ihm ganz gut geht. Der Mensch muß andere
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Menschen haben, mit denen er sprechen kann, denen er er zählen kann, wenn er sich über etwas freut oder über etwas traurig ist. Die Menschen müssen auch einer dem andern raten und helfen. Freitag lernte alles lehr schnell; er fürchtete sich an fangs sehr, wenn ein Gewehr knallte, aber bald schoß er selbst damit, und zwar sehr sicher und geschickt. Er lernte kochen und backen, arbeiten und anständig essen. Er schwatzte den ganzen Tag, ließ sich von Robinson erzählen und er zählte diesem auch vieles Neue und Merkwürdige. Robinson erfuhr nun, daß diese Insel, die jetzt von zwei Menschen be wohnt war, wirklich zur karaibischen Inselgruppe gehörte, wie er längst vermutet hatte; er erfuhr, daß die Meeres strömungen um die Insel herum von der Mündung des Orinokostromes herrührten, daß das große Land, das man in weiter Ferne erblickte, die Insel Trinidad sei. Er er fuhr, daß die Bewohner der karaibischen Inseln oft Krieg miteinander führten und dann die Gefangenen schlachteten und auffräßen. Um das ungestört tun zu können, führen sie dann oft in ihren Booten an ganz bestimmte Punkte von Robinsons Insel, wo die Strömung das Boot regelmäßig Hintrieb. Indem sie dann von einer anderen Meeresströmung sich treiben ließen, so erzählte Freitag, führen sie wieder in ihre Heimat zurück. Robinson wieder unterwies den Freitag in den Gesetzen der Schicklichkeit und in den Grund lehren der christlichen Religion, er flößte ihm Abscheu ein vor der entsetzlichen Menschenfresserei, er lehrte ihn zu Gott beten, der Himmel und Erde geschaffen hat und doch wieder über jeden einzelnen Menschen wacht, ihm rät und hilft. Frei tag war von Anfang an dem Robinson so innig ergeben, daß er alles tat, was dieser ihm befahl. Freitag wußte, daß Robinson ihm das Leben gerettet hatte, und war dafür dank bar. Robinson hätte ihn schlagen dürfen, was niemals ge schah, ja, er hätte ihn töten dürfen, und Freitag hätte das ganz in der Ordnung gefunden. Robinson überlegte mit Freitag, ob sie nicht zusammen Hessel, Lesebuch 2. 11. Ausl. 20
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in ihrem Boot nach der Insel fahren wollten, wo Freitag her war. Freitag glaubte, daß für zwei Menschen das Boot zu klein wäre. Dann schlug Robinson vor, sie wollten zusammen ein größeres Boot bauen, aber Freitag schüttelte den Kopf. Er hatte Angst, dem Robinson würde es unter seinem Volke schlecht ergehen, und er selbst wollte auch nicht wieder ein Menschenfresser werden. Aber Robinson wollte auch nicht immer unter den Menschenfressern wohnen, er hoffte nur, er fände dort eher Gelegenheit, auf das Fest land zu weißen Menschen zu kommen. Vielleicht wäre die Sehnsucht Robinsons, endlich wieder in seine Heimat zu gelangen, doch stärker gewesen als Freitags Furcht, viel leicht hätten sie doch zusammen die große Seereise gewagt, aber da kam etwas ganz Unerwartetes dazwischen. 14. W i e Robinson die Insel verließ und in
seine Heimat zurückkam. Freitag war eines Tages auf die andere Seite der Insel geschickt worden, um Früchte zu holen. Früher, als er sollte, kam er zurück, aber er kam in atemlosen Laufe gestürzt und rief immer: Sie kommen, sie kommen! Robinson er schrak heftig, denn er glaubte, die Menschenfresser wären wieder gelandet. Aber die waren es nicht, sondern es war ein Schiff mit der englischen Flagge, das in der Nähe ihrer Insel vor Anker lag. Ein Boot war ans Land gefahren, und Robinson und Freitag sahen drei Männer gefesselt am Lande liegen. Sie gingen zu ihnen hin; da sagte einer der drei Männer, er wäre der Kapitän des Schiffes, und die andern beiden wären die zwei Schiffsoffiziere. Die Schiffsmannschaft hätte gemeutert und hätte sie hier ans Land gebracht. Sie flehten, Robinson solle sie doch befreien. Da schnitt Robinson die Stricke entzwei, womit die drei Männer gebunden waren. Die Meuterer hatten sich im Wald zerstreut, um Früchte zu suchen. Die auf dem Schiffe wären nicht so schlimm, das wären die Verführten, sagte der Kapitän, aber die hier ans Land gegangen wären, das wären die Rädelsführer. Ro-
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binson nahm die drei Männer mit in seine Burg, und sie be rieten, wie sie wieder in den Besitz ihres Schiffes kommen könnten. Alle fünf Männer versahen sich mit Flinten und kehrten dorthin zurück, wo das Boot lag. Nach einiger Zeit kamen die sieben Meuterer aus dem Walde zurück, da wurden sie mit Schüssen empfangen. Der Kapitän und sein erster Offizier erschossen die zwei Hauptmeuterer, zwei andere wur den verwundet, und die übrigen flehten um Gnade. Sie wurden überwältigt und mit denselben Stricken gebunden, womit sie vorher ihre Vorgesetzten gebunden hatten. Robinson erzählte dem Kapitän in aller Schnelligkeit, wie er auf die Insel gekommen sei, und wie er hier gelebt hätte. Er war bereit, gleich mit ihm fortzufahren in seine Heimat, und Freitag ging auch gerne mit. Als die drei Meuterer hörten, daß man hier ganz gut leben könnte, baten sie inständig, man möge sie doch hier lassen, das wäre ihnen lieber, als nach England zurückzukehren und dort gehängt zu werden. Robinson freute sich darüber sehr, denn so gern er auch in die Heimat zurückkehrte, so leid tat es ihm doch auch, seine Festung und seine Felder und seine Herden auf immer zu verlassen. Er erklärte den drei Meuterern, die man losgebunden hatte, alles, was sie hier tun müßten, um zu leben, dann holte er sich das Geld, vas er danials vom Schiff gerettet hatte. Es lag noch an derselben Stelle, wo er es vor jetzt fünfundzwanzig Jahren versteckt hatte, und er mußte es erst lange putzen, denn man sah nicht mehr, was Silber und Gold war. Dann hängte er sich seine beste Flinte um und schickte sich mit Tränen im Auge an, zu gehen. Die Ziegen meckerten und leckten ihm die Hand, als er sie zum Abschied streichelte, das Papchen aber kam herbei und sagte: Robin, Robinson, armer Crusoe, wo bist du? Da setzte er das Papchen auf die Schulter und nahm es auch mit. Und den Regenschirm auch. Freitag ging hinterher. Als sie an das Schiff fuhren, merkte die Mannschaft gleich, was geschehen sein mußte, und alle sechs oder sieben Matrosen, die noch dort waren, standen da und schauten Der* 20*
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wundert nach dem Boote. Der Kapitän und die andern hatten die geladenen Gewehre im Arm und riefen der Mannschaft von weitem zu, sie sollten sich ergeben. Das war aber nicht nötig, denn sie zitterten und flehten um Gnade. Der Kapitän nahm wieder Besitz von seinem Schiffe, und alles wurde gütlich geordnet. Der Kapitän gab dem Robinson einen schönen neuen Anzug, aber Robinson nahm seine Fellkleider zum Andenken mit. Sie fuhren noch einmal ans Land, denn Robinson wollte den Schiffsleuten von seinen Vorräten noch allerlei schenken, Fleisch und Mehl und Früchte, frisches Wasser und einige lebende Ziegen. Das wurde alles mitgenommen. Am 19. Dezember 1684 verließ Robinson das Eiland, nach dem er 25 Jahre, 2 Monate und 19 Tage darauf zu gebracht hatte. Nach einer langen Fahrt kam er tm folgenden Jahre mit seinem treuen Freitag und dem Papchen in seiner Heimat an; dort lebten noch zwei Silvestern von ihm und zwei Kinder seines jüngsten Bruders, die freuten sich alle, als er ankam, denn sie hatten gedacht, Robinson wäre längst gestorben. H-
Erläuterungen.
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Erläuterungen. Nr. 6 (Nachtgebet): Deine Gnad in Jesu Blut soll heißen, Gott sei den Menschen gnädig wegen des Versöhnungstodes Jesu; die Lesart „und Jesu Blut" rührt nicht von der Dich terin her. Nr. 35 (Knecht Ruprecht): fressen bedeutet eigentlich veressen, d. h. alles aufessen, und das tun nicht bloß Tiere, sondern auch Kinder, wenn ihnen etwas gut schmeckt. Nr. 76. (Die Kornähre): Man vgl. damit die Sage von Frau Hütt S. 172. Nr. 84 (Heil dir im Siegerkranz): Das Lied war dem König von Dänemark gewidmet, wurde aber auf König Friedrich Wilhelm II. von Preußen angewandt. Nr. 95 (Ferienlied): Buttmann war Verfasser eines griechi schen Lehrbuchs, Böhme eines Rechenbuchs, Zumpt einer lateinischen, Ahn einer französischen Grammatik. Nr. 106 (Allerlei Spielplätze): aufschenken, provinziell für zu werfen, in die Höhe werfen. Nr. 118 (Jnrik bei den Wölfen): Die Mutter des Verfassers war aus Reval, die Familie wohnte damals in Lotz dorf bei Dresden; Jnrik ist Heinrich. Nr. 121 (Kellerwohnung): Rietenspliet — Reiß in Splitter; Leich dörner^ Hühneraugen; Holtendüffeldirn = Holzpantoffel dirn ; Grand = Sand. Nr. 124 (Die Feuerwehr): Wonehm is dat Füer? ick lveet ook nich — Wo ist das Feuer? ich weiß auch nicht. Nr. 126 (Nach Regen Sonnenschein): Tresen — Ladentisch; man — nur; die hier erwähnte Mühle ist eine Wind mühle; das Schauer — die Scheuer oder Scheune. Nr. 130 (Auswanderer in Hamburg): Graskeller heißt eine Straße in Hamburg. Nr. 131 (Rätsel) Auflösungen: Schneeball, Ostern, Handschuh, Nachtlicht, Mailand, Ohrfeige. Nr. 132 (Rätsel) Auflösungen: Schnecke, Säge, Garnknäuel, Schuh nägel, Handschuh. Nr. 133 (Rätsel) Auslösungen: ABC; Feuer; Ei; Ei; Näder; Zähne; Kissenzipfel; Uhr; Brief; Sarg; Also; Nr. 12 ist mit Satzzeichen und Trennung zu schreiben; Schatten; Hagebutte; vielleicht; Vater, Sohn und Enkel; Säge; Nadel und Faden; Zwiebel; Nadel; Biene; Kirsche; Schnee und Sonne; Netz oder Kette; Schnürriemen; Hut;
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Erläuterungen.
Handtuch.: Pfanne; Stecknadel; Reiter und Pferd: Faden und Nadel; Hausschlüssel in der Tasche. 134 (Sprichwörter): motzen mundartlich für schmollen; Rüssel hier scherzhaft für Mund, den schmollende Kinder gern durch Vorstrecken der Lippen verlängern. 154 (Der Fuchs und die Schnecke): Die Schwägalp ist am Hohensäntis im Kanton Appenzell. 157 (Lalenburger): Lalenburg eine von törichten Leuten be wohnte Stadt, wie Krähwinkel, Schöppenstedt, Schilda usw. 159. (Der Bauer und sein Sohn): Jetzunder veraltet für jetzt. 160 (Der Peter in der Fremde): Das Gedicht ist eigentlich in Nürnberger Mundart um 1780 von Grübel gedichtet, Eberhard hat es ins Schriftdeutsche übertragen; 1780 trugen die Männer noch Zöpfe; emballieren veraltet für einpacken; Meilenschuhe — Siebenmeilenstiefel. 163 (Wittington): Eine alte Londoner Sage mit histori schem Hintergrund, englisch Whittington. 165 (Das Riesenspielzeug): Die Sage hat Charlotte von Engelhardt aus dem Volksmund entnommen und poetisch in elsässischer Mundart dargestellt, danach haben die Brüder Grimm in den deutschen Sagen die Geschichte, wie sie hier vorliegt, erzählt, nach Grimm endlich hat Chamisso sein bekanntes Gedicht geschaffen. 168 (Sage vom Mäuseturm): Die Sage in der hier vor liegenden Form ist fast wörtlich übersetzt aus der Hirsauer Chronik des Trithemius, Abtes von Sponheim, der zuerst die Sage überliefert hat. 171 (Die Heinzelmännchen): Schönen nennt man das Klären des Weines, gewöhnlich durch feingeschnittene Hausenblase; schroten ist die Beförderung der Fässer mittelst einer Schrot leiter in und aus dem Keller. 177 (Das brave Mütterchen): Kimmung ist der nieder deutsche Ausdruck für Horizont. 188 (Das seltsame Rezept): Item ist lateinisch und bedeutet: gleichfalls, ebenso. Hebel gebraucht es jedoch meist als Bindewort zu Anfang eines Satzes in allgemeinerem Sinne: nun wohl. 190 (König Friedrich und sein Nachbar): Die Mühle, die unter der Benennung „historische Mühle" noch sorgfältig er halten, jedoch untätig hinter dem Schloß Sanssouci steht, ist eine Windmühle, Hebel hat jedoch geglaubt, es sei eine Wassermühle gewesen. In Wirklichkeit störte den König weniger das Geräusch der Mühle, als Lcr Um stand, daß die Mühle auf demselben Hügel stand, von dessen Höhe sein neuerbautes Lustschloß herabschaute. 197 (Der Nagel): Geldkatze, ein lederner, um den Leib geschnallter Geldbeutel.
Erläuterungen. Lebensabriß d. Verfasser u. Nachweis d. Quellen.
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Nr. 209 (Sneewittchen): Frischling — junges Wildschwein; Dälle — kleine Vertiefung. Zu 216 (Schlaraffenland): Lebzelten — Lebkuchen, Zelte sind abgeteilte Stücke, Zuckerzelten — Bonbon; Malvasier griechischer Wein aus Malvasia. Zu 218 (Mann und Frau im Essigkrug): Krug heißt im nörd lichen und östlichen Deutschland ein kleines Wirtshaus. Zu 220 (Robinson Crusoe): Wir haben diese Geschichte getreu nach dem Ur-Nobinson von Defoe erzählt. Wo von Mei len die Rede ist, sind englische Meilen gemeint, zu 1,6 km.
Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen. Arndt Ernst Moritz, geb. 26. Dez. 1769 zu Schoritz auf Rügen, t 29. Jan. 1860 zu Bonn. Nr. 82 (Gedichte, Leipzig, 1840). Aurbacher Ludwig, geb. 26 Aug. 1784 zu Türkheim in Bayern, t 25. Mai 1847 zu München. Nr. 157 (Historie von den Lalenbürgern, Leipzig o. I.). Baßler Ferdinand, geb. 16. Januar 1816 zu Zeitz, t 5. Februar 1879 zu Schulpforta. Nr. 173, 174 (Sagen a. der Geschichte des deutschen Volkes, Berlin, 1855). Be ch stein Ludwig, geb. 24. November 1801 zu Weimar, t 4. Mai 1860 zu Meiningen. Nr. 89, 213, 214, 216—219 (Märchenbuch, Leipzig, o. I.). Binder Helene, geb. 3. Juni 1855 zu Eisenach, lebt zu Chemnitz. Nr. 125 (Guckguck, Bilderschatz, München, o. I.). B l ü t h g e n Viktor, geb. 4. Januar 1844, lebt als Schrift steller zu Berlin, im Sommer zu Freienwalde a. d. O. Nr. 65, 104 (Jugendland, Bd. 2, Zürich, o. I.; Selige Zeit, Stuttgart, o. I.). Brentano Klemens, geb. 8. September 1778 zu Ehren breitstein, t 28. Juli 1842 zu Aschaffenburg. Nr. 49 (Ges. Schriften, Frankfurt a. M. 1852, Bd. 5). Campe Joachim Heinrich, geb. 29. Sept. 1746 zu Deensen bei Holzminden, t 22. Oktober 1818 zu Braunschweig. Nr. 163 (Kinderbibliothek, Wien, 1813). Cornelius Peter, geb. 24. Dez. 1824 zu Mainz, T 26. Oktober 1874 ebenda. Nr. 13 (Gedichte, Leipzig 1905). Curt man Wilhelm, geb. 3. März 1802 zu Alsfeld in Hessen, t 6. Februar 1871 zu Gießen. Nr. 97, 156 (Lese buch f. d. Stufe d. Anschauung, Offenbach, 1845; Geschichtchen für Kinder, Gießen, 1892, hier und da etwas gekürzt).
312
Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen.
Dähnhardt Oskar, geb. 21. November 1870 zu Kiel, lebt zu Leipzig. Nr. 75—77, 194 (Naturgeschichtliche Volks märchen, Leipzig, 1898). Eberhard August Gottlob, geb. 17. Jan. 1769 zu Belzig, I 13 Mai 1845 zu Dresden. Nr. 160 (Gesammelte Schriften, tzalle, 1830). Eigenbrodt Wiland, geb. 10. Juni 1860 zu Koblenz, lebt in Jena. Nr. 52 (Aus der schönen weiten Welt, Leipzig, o. I.). Falk Johannes, geb. 28. Oktober 1768 zu Danzig, t 14. Februar 1826 zu Weimar. Nr. 8 (Werke, Leipzig, 1819, Bd. 1). Falke Gustav, geb. 11. Januar 1853 zu Lübeck, lebt zu Großborstel bei Hamburg. Nr. 88 (aus Selige Zeit, Stuttgart, o. I.). Franz Agnes, geb. 8. März 1794 zu Militsch in Schlesien, t 13. Mai 1843 zu Breslau. Nr. 5 (Buch d. Kindheit il Sugeiib, Breslau, 1850). Frapan Ilse, verheiratete Akunian, geb. 3. Februar 1852 zu Hamburg, t 5. Dez. 1908 zu Zürich. Nr. 121, 124, 127, 128, 130 (Hamburger Bilder f. Kinder, Hamburg). Gansberg Friedrich, geb. 9. April 1871 zu Bremen, lebt daselbst. Nr. 106, 116, 117, 122, 126, 129 (Nr. 122, 126: Streifzüge d. d. Welt der Grobstadtkinder, Leipzig, 1904; Nr. 126 vom Verfasser selbst für unser Buch geändert; Nr. 106, 129 Originalbeiträge). Gellert Christian Fürchtegott, geb. 4. Juli 1715 zu Hainichen, f 13. Dezember 1769 zu Leipzig. Nr. 159 (Werke, Berlin, Hempel, o. I.). G ö r r e s Guido, geboren 28. Mai 1805 zu Koblenz, t 14. Juli 1852 zu München. Nr. 9, 55 (aus Singvögelchen, Stuttgart, 1882. Görres u. Pocci, Festkalender, Freiburg, 2 Bde., o. I.; in Nr. 55 sind 2 Strophen weggelassen). Brüder Grimm: 1. Jakob, geb. 4. Januar 1785 zn Hanau, t 20. September 1863 zu Berlin. 2. Wilhelm, geb. 24. Februar 1786 zu Hanau, t 16. Dezember 1859 zu Berlin. Nr. 165, 178, 196—209 (Kinder- u. Hausmärchen, große Ausg. Berlin, 1882; Nr. 208 gekürzt. — Deutsche Sagen, Berlin, 1816). Güll Friedrich, geb. 1. April 1812 zu Ansbach, t 23. De zember 1879 zu München. Nr. 1, 4, 30, 59, 62, 69, 78, 100, 115, 132, (Kinderheimat, Gütersloh, 1875). Harries Heinrich, geb. 9. September 1762 zu Flensburg, t 28. September 1802 zu Brügge bei Kiel. Nr. 84 (abgedruckt aus Wustmann, Liederbuch, Leipzig). Hebel Johann Peter, geboren 10. Mai 1760 zu Basel, t 22. September 1826 zu Schwetzingen. Nr. 180—190 (Schatz-kästlein, Stuttgart).
Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen.
313
Hensel Luise, geb. 30. März 1798 zu Linum in Branden burgs 118. Dezember 1876 zu Paderborn. Nr. 6 (Lieder, 6. Ausl. Paderborn, 1887). Hey Wilhelm, geb. 26. Mai 1789 zu Laucha bei Gotha, t 19. Mai 1854 zu Ichtershausen. Nr. 36, 42, 83 (Fabeln f. Kinder, Gotha, o. I.). Hoffmann von Fallersleben August Heinrich, geb. 2. April 1798 zu Fallersleben bei Hannover, t 19. Januar 1874 zu Corvey a. d. Weser. Nr. 7, 10, 19, 24, 31—33, 43, 47, 48, 60, 61, 71, 73, 85, 108, 109 (Kinderlieber, herausg. von Donop, Berlin 1887). Hoffmann Fr. Nr. 54 (aus Böhme, 3. Stufe des Schreiblesens, Berlin 1878, gekürzt). Hummel August, geb. 4. August 1839 zu Halle an der Saale, t 19. Jan. 1898 in Delitzsch. Nr. 11 (Herzblättchens Zeitvertreib, Glogau, Bd. 29). von Kamp Hermann, geb. 1796 zu Nuhrort, t 26. No vember 1867 zu Mülheim a. d. Ruhr. Nr. 12 (aus Dietlein ii. Polack, aus Deutschen Lesebüchern, Bd. 1, Leipzig, 1897). Kastropp Gustav, geb. 30. August 1844 zu Salmünster, lebt in Hildesheim. Nr. 193 (Jugendland, Bd. 2, Zürich, o. I.). Kl etke Hermann, geb. 14. März 1813 zu Breslau, f2. Mai 1886 daselbst. Nr. 66. 192. (Neues Märchenbuch, Berlin, o. I.) Kögel Fritz u. Emily 99 (Die Arche Noah, Leipzig, 1901). Krum macher Friedrich Adolf, geb. 13. Juli 1767 zu Tecklenburg, t 4. April 1845 zu Bremen. Nr. 41, 50, 119 (Fest büchlein, 3 Bde. Essen, 1846). Kügelgen Wilhelm, geb. 20. Nov. 1802 zu Petersburg, t 25. Mai 1867 zu Ballenstedt. Nr. 118 (Jugenderinnerungen eines alten Mannes, Halle, o. I.). Kühl 93 (aus Buntscheck, Köln o. I.). Leander (Richard von Volkmann), geb. 17. Aug. 1830 zu Leipzig, t 28. Nov. 1889 zu Halle. Nr. 191 (Träumereien an französischen Kaminen, 19. Aufl., Leipzig, 1890). Lichtwer Magnus Gottfried, geb. 30. Januar 1719 zu Wurzen, f 6. Juli 1783 zu Halberstadt. Nr. 153 (Schriften, Halberstadt, 1828). Lohmeyer Julius, geb. 6. Oktober 1834 zu Neiße, f 24. Mai 1903 zu Berlin. Nr. 98 (aus Singvögelchen). L ö w e n st e i n Rudolf, geb. 20. Februar 1819 zu Breslau, t 5. Januar 1891 zu Berlin. Nr. 2, 34, 46, 68, 92, 94, 95, 120, 158 (Kindergarten, Berlin, o. I. — Kindergedanken, ebenda). Maßmann Hans Ferdinand, geb. 15. August 1797 zu Berlin, t 3. August 1874 zu Muskau. Nr. 105 (Lieder f. Knaben ii. Mädchen, München, 1832). Meißner August Gottlieb, geb. 3. November 1753 zu Bautzen, f 20. Februar 1807 zu Fulda. Nr. 148—150 (Äsopische Fabeln, Dresden, o. I.).
314
Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen.
Mohr Joseph, geb. 11. Dez. 1792 zu Oberndorf bei Salzbiurg, t 4. Dez. 1848 zu Wagram. Nr. 37 (aus Klumpp, Kinder lieber, Mainz, o. I.). Müllen ho ff Karl Viktor, geb. 8. September 1818 zu Marne in Ditmarschew, t 19. Februar 1884 zu Berlin. Nr. 176, 177 (Sagen, Märchen u. Lieder d. Herzogtümer SchleswigHolstein, Kiel, 1845). Müller Wilhelm, geb. 7. Oktober 1794 zu Dessau, t 30. September 1827 daselbst. Nr. 113 (Ged. e. reisend. Waldhornisten, Dessau, 1826). OrtlePp Ernst, geb. 1. August 1800 zu Droyßig, t 14. Juni 1864 zu Almrich bei Naumburg. Nr. 25 (Seidel, Buntes a. d. Leben, Stuttgart, o. I.). Otto Berthold, geb. 6. August 1859 zu Bianowitz, lebt zu Groß-Lichterfelde bei Berlin. Nr. 72, 114 (Der Hauslehrer, Wochenschrift, Leipzig, 1901—1904). Reinheimer, Sophie, geb. 20. Juli 1874 zu Brüssel, lebt zu Frankfurt a. M. Nr. 3 (Bon Sonne, Regen, Schnee und Wind, Berlin, 1907). N e i n i ck Robert, geb. 22. Februar 1805 zu Danzig, t 7. Febrauar 1852 zu Dresden. Nr. 18, 23, 27, 56, 57, 64, 87, 90 (Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch, Bielefeld, 1884; AB-C-buch, Leipzig, 1876). Robert 91 (abgedruckt aus dem Spielmann, Bd. 1). Rückert Friedrich, geb. 16. Mai 1788 zu Schweinfurt, t 31. Januar 1866 zu Neuseß. Nr. 14, 40, 96, 161, 162, 179 (Gedichte, Erlangen, 1839). Salz mann Christian Gotthilf, geb. 1. Juni 1744 zu Sömmerda, t 31. Oktober 1811 zu Schnepfenthal. Nr. 103 (Unterhaltungen f. Kinder, Leipzig, 1811). Schiller Friedrich, geb. 10. November 1759 zu Marbach am Neckar, f 9. Mai 1805 zu Weimar. Nr. 53, 111 (Werke). v. Schmid Christoph, geb. 15. Aug. 1768 zu Dünkelsbühl, t 3. September 1854 zu Augsburg. Nr. 20, 135—141 (Kurze Erzählungen, Originalausgabe letzter Hand, München, 1885. Die gereimte Lehre am Schluß blieb meist weg). von Schubert Gotthilf Heinrich, geb. 26. April 1780 zu Hohenstein im Erzgebirge, t 1. Juli 1860 zu Laufzorn in Oberbayern. Nr. 164 (Lehrbuch d. Naturgeschichte f. Schulen, Frank furt a. M., 1871; unbedeutend gekürzt). Schwartz, Wilhelm, geb. 4. Sept. 1821 zu Berlin, t 16. Mai 1899 ebenda. Nr. 175 (Sagen der Mark Brandenburg, 5. Aufl., Stuttgart u. Berlin, 1909). Seidel Heinrich, geb. 25. Juni 1842 zu Perlin in Meck lenburg, t 7. Nov. 1906 zu Gr. Lichterfelde. Nr. 39 (Weih nachtsbüchlein).
Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen.
315
2 imrock Karl, geb. 28. August 1802 zu Bonn, f 18. Juli 1876 daselbst. Nr. 63, 147 (Äsops Leben und Fabeln, Frank furt a. M.). Staub Johannes, geb. 1813 zu Zürich, t H April 1880 zu Riesbach in der Schweiz. Nr. 131 (Kinderbuch, Zürich, o. I.). Storm Theodor, geboren 14. September 1817 zu Husum, t 4. Juli 1888 zu Hademarschen. Nr. 35, 210 (Werke, Bd. 8). Sturm Julius Karl Reinhold, geb. 21. Juli 1816 zu Köstritz (Reuß), t 2. Mai 1896 ebenda. Nr. 16, 58, 81, 215 (Fromme Lieder, 2 Teile, Leipzig, 1884; Das Buch für meine Kinder, ebenda, 1880). Sutermeister Otto, geb. 27. September 1832 zu Zofingen i. d. Schweiz, t 8. August 1901 zu Aarau. Nr. 154 (Kinder- u. Hausmärchen a. d. Schweiz, Aarau, 1873). Traut Sophie 70 (Aus dem Elternhaus, Leipzig, 1875; gekürzt und an einigen Stellen geändert, um naturwissenschaft liche Ungenauigkeiten richtig zu stellen). Trojan Johannes, geb. 14. August 1837 zu Danzig, lebt zu Warnemünde in Mecklenburg. Nr. 15, 17, 21, 22, 28, 29, 38, 45, 51 (Hundert Kinderlieder. Berlin, 199; Nr. 28: Für gewöhnliche Leute, Berlin, 1893; Nr. 15, 22, 38, 45: Original beiträge für die frühere Auflage dieses Buches). U h l a n d Ludwig, geb. 26. April 1787 zu Tübingen, t 13. November 1862 daselbst. Nr. 26, 112, 123, 155 (Gedichte). Volkstümliches 66, 67, 79, 80, 86, 110, 133, 134 (aus Scherers Kinderbuch, Leipzig, 1879: Des Knaben Wunder horn, Heidelberg, 1803; Klumpp, Kinderlieber, Mainz, o. I.; Wackernagel, Golbene Fibel, Wiesbaden, 1869; Simrock, Deutsches Rätselbuch, Frankfurt a. M. o. I.). Weber Emil, geb. 20. August 1877 zu Hamburg, lebt in Hamburg. Nr. 44 (Selige Zeit, Stuttgart, o. I.). Wendt, Hermann, geb. 14. Mai 1849 zu Okel, Hannover, lebt zu Elberfeld. Nr. 172 (Aus einem Osterprogramm ber höh. Mädchenschule in Elberfeld, 1898). Wolf Johannes Wilhelm, geb. 23. April 1817 zu Köln, t 29. Juni 1855 zu Hofheim in Hessen. Nr. 102 (Deutsche Haus märchen, Göttingen, 1851). Zingerle Ignaz, geb. 6. Juni zu Meran, t 17. Sep tember 1892 zu Innsbruck. Nr. 195 (Kinder- u. Hausmärchen aus Tirol). K. H. 101, 142—146, 151, 152, 166—171, 211, 212, 220. Unbekannt: 74, 107 (Guckguck, Bilderschatz, München, o. I.).
316
^Inhalt 1. f
Inhalt I. Die Gedichte sind mit ♦ bezeichnet.
I. Lage-reiten und JahreS-etten. *1. *2. 3. *4. *5. *6. *7.
*8. **9. 10. *11. *12. *13. 14. *15. ♦16. *17. ♦18. 19. *20. 21. 22. *23. ♦24. *25. *26. 27. *28. *29. *30. *31. ♦32. *33. *34. *35. *36. 37. ♦38. *39. *40. *41. *42. 43.
Am Morgen. [@üH]................................................................... Guten Morgen. sLöwenstein).................................................. Neckstrählchen. sReinheimer)....................................................... Abendglöcklein. [®üll]............................................................... Gute Nacht. sAgnes Franzi....................................................... Nachtgebet, [ßuifc Hensels....................................................... Das Lied vom Monde. sHoffrnann v. F.)
Seite 1 1 2 5 5 6 6
Allerdreifeiertagslied. [0rolf]...................................................... 7 Todaustreiben. [®. Görres)...................................................... 8 Des Frühlings Ball. sHoffmann v. F.) 8 Eine Schwalbengeschichte. sHummel)...................................... 9 Mailied. [ü. Kamp)............................................................................ 11 Drossel und Fink. ^Cornelius)..................................................... 12 Kinderlied von den grünen Sommervögeln.sRückert) . . 12 Die Kornblume. sTrojan)............................................................... 13 Der Bauer und sein Kind.sSturm)............................................... 15 Im Heu. sTrojan)........................................................................... 15 Das Dorf. [Meinicf]........................................................................ 15 Johanniswürmchen. sHossmann v. F.)...................................... 16 Die Kornähren, [ö. Schmid).......................................................17 Am Sommertag. sTrojan) ............................................................. 17 Nachtgewitter auf dem Land. sTrojan)...................................... 18 Ochse und Obstbaum. sReinick)................................................... 19 Im Walde möcht ich leben. [Rossmannv. F.)........................22 Ein Rätsel. sOrtlepp) ................................................................... 22 Einkehr. sUhland)............................................................................23 Born schlafenden Apfel. sReinick) .............................................. 24 Bom Abnehmen der Früchte. sTrojan)...................................... 25 Die Brombeere. sTrojan)............................................................... 26 Ein Rätsel. sGüll)............................................................................ 26 Der Störche Wanderlied. sHoffmann v. F.) 26 Abschiedslied der Zugvögel. sHoffrnannv. F.)............................ 27 Der Blümlein Antwort. sHofsmann v. F.).............................. 28 Der erste Schnee. sLöwenstein)...................................................28 Knecht Ruprecht, sStorm) ........................................................... 29 Weihnachten. sHey)........................................................................30 Die heilige Nacht. sMohr) ...........................................................31 Die Weihnachtsbescherung. sTrojan).......................................... 31 Der kleine Nimmersatt. sSeidel).................................................. 33 Das Männlein in der Gans. sRückert)......................................35 Winterlied. sKrummacher) ...........................................................36 Neujahr. sHey)....................................................................................37 Beim Schneeballen. ^Hoffmann v. F.)...................................... 38
Inhalt I.
*44. 45. *46. *47. *48.
317 Sette Einen Schlitten rnuß ein Junge haben. [6. Webers ... 38 Der Sperling im Winter. [^Tojan]....................................... 39 Wie es dem armen Schneemann ging. [Löwenstein] ... 40 Sehnsucht nach dem Frühling. [Hoffmann v. F.) .... 40 Winters Flucht. [Hoffmann v. F.]........................................... 41
*49. *50. *51. *52. *53. 54. *55. *56. *57. *58. *59. *60. ♦61. *62. 63. *64. *65. *66. *67. *68. *69. 70. *71. 72. *73. *74. 75. 76. 77. *78. *79. *80.
Herr Gott, du sollst gelobet sein. [^Brentano]........................ 42 Das Alpenlied. [Krummacher]................................................... 43 Das Bächlein. [Trojan]...............................................................44 Sonne. [Sigenbtobt].................................................................. 44 Zwei Rätsel. [Schiller]...............................................................45 Die Farben, [gr. Hoffmanns................................................... 46 Die Kinder im Walde. [$. Görres]....................................... 48 Frühling. [9teinicf]...................................................................... 50 Was gehn den Spitz die Gänse an? [Reinick]........................ 51 Miez ist krank. [Julius Sturms............................................... 51 Vom Mäuslein. [$üH]............................................................... 52 Das Lied der Vögel. [Hoffmann o. g.J.................................... 54 Gänselieb. [Volkstümlich]........................................................... 54 Hahn. [@üll]...............................................................................55 Zaunkönig, [©imwcf]...................................................................56 Gänse. [Reinick]...........................................................................57 Der Nimmersatt. [Blüthgen]....................................................... 58 Im grasgrünen Wald. [Volkslied, Strophe 2 u. 3 Äletfe] 59 Die Schwalben. [Volkslied]....................................................... 60 Der Vöglein Abschied. [Löwenstein]....................................... 60 Vom Spinnlein und Mücklein. [(Süll]................................... 61 Am Bienenstock. [Sophie Trants............................................... 61 Heuschreckenleben. [Hoffmann v. FZ....................................... 64 Unser Garten. [Otto] ............................................................... 64 Von meinem Blümchen. [Hoffmann v. F.]..............................66 Schneeglöckchen. [Unbekannt]....................................................... 67 Der Enzian. [Dähnhardt]...........................................................67 Die Kornähre. [Dähnhardt].......................................................68 Warum die Eichblätter eingekerbt sind. [Dähnhardt] ... 68 Pflaume. [Güll].......................................................................... 69 Das Lied vom Birnbaum. [Volkstümlich]............................... 69 Wie oft Gott zu danken sei. [Volkslied]................................72
*81. *82. *83. *84. *85. ♦86. *87. *88. *89. *90. ♦91.
Gott grüße dich. [Sturm]........................................................... 73 Gebet eines kleinen Knaben an den heiligen Christ. [Arndt] 73 Was ich alles habe. [Hey]....................................................... 74 Heil dir im Siegerkranz. [Harries]........................................... 75 Kaiser Wilhelm. [Hoffmann v. F.]........................................... 76 Heraus aus dem Lager. [Volkslied]....................................... 76 Der Faule. [Reinick]...................................................................77 Der Turmhahn. [Falke] ...........................................................78 Der Verdrießliche. [Bechstein]................................................... 79 Versuchung. [Reinick].................................................................. 79 Dienerschaft. [Robert] .............................................................. 80
II. Die Natur.
III. Menschenleben.
318
Inhalt!. Sette
*92. •93. *94. *95. *96. 97. *98. *99. ♦100. 101. 102. 103. *104. *105. 106. *107. *108. *109. "HO. ♦111. *112. ♦113. 114. *115. 116. 117. 118. *119. ♦120. 121. 122. *123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. ♦132. ♦133. 134.
Tic traurige Geschichte vorn dummen Hänschen. sLöwenstein) 81 Der Tunichtgut. sKühl)..............................................................82 Des Storches Wiederkehr. sLöwenstein) ..................................82 Ferienlied. sLöwenstein)............................................................. 83 Drei Paare und Einer. sRückert)............................................. 84 Die verkehrte Welt. sCurtman)................................................. 84 Der Geburtstagsgratulant. sLohmeyer)................................. 85 Die Kuckucksuhr. [$ögel]..............................................................86 Kaufmann. [®üH] 87 Ter wunderbare Pudding. [£.] 89 Das allzeit zufriedene Knäbchen. sJ. W. Wolf)..................... 90 Das Raupennest. s Salzmann)................................................. 92 Ach, wer das doch könnte! sBlüthgen) ................................. 95 Turnerlied. sMaßmann) ........................................................... 95 Allerlei Spielplätze. sGansberg) ............................................. 96 Drei kleine Schiffersleute. ^Unbekannt)................................. 98 Hirtenknabe. sHoffmann v. F.)................................................. 99 Mein Lämmchen. sHoffmann v. F) ..................................... 99 Der Jäger aus Kurpfalz. ^Volkslied.)................................... 100 Der Schütz. sSchiller)................................................................101 Der gute Kamerad. sUhland) ............................................... 101 Müllers Wanderschaft. sW. Müllers....................................... 101 Der Tag eines Bäckerlehrlings. [£)tto] 102 Puppendoktor. [®üU]................................................................102 Wie Lieschen im Laden aufpassen muß. sGansberg) . . 103 Die Betten auf dein Hofe. sGansberg)............................... 104 Jnrik bei den Wölfen. sKügelgen)....................................... 105 Erdbeerliedchen. sKrummacher)............................................... 109 Wie die Jungfer Köchinin Dienst genommen wird, [ßötoeirftem] 109 In der Kellerwohnung. sJlse Frapan)................................... 111 Das Dachfenster. sGansberg)....................................................113 Zimmerspruch. sUhland)............................................................ 116 Die Feuerwehr. sJlse Frapan)................................................116 Die glückliche Familie. sHelene Binders............................... 117 Rach Regen Sonnenschein. sGansberg)............................... 118 Der Radfahrer. sJlse Frapan)................................................128 Die elektrische Straßenbahn. sJlse Frapan) ...... 129 Die Eisenbahn. sGansberg) .................................................... 131 Auswanderer in Hamburgs sJlse Frapan).................... . 133 Rätsel, s Staub) ........................................................................ 134 Rätsel. sGüll)........................................ 135 Volksrätsel. ^Volkstümlich)........................................................ 135 Sprichwörter. sVolkstümlich)....................................................140
135. 136. 137. 138. 139. 140. 141.
Der fröhliche Hirtenknabe, sv. Schmid).................................142 Der Löwe. [o. Schmid)..............................................................143 Die Perlen, sv. Schmid)............................................................. 143 Die sieben Stäbe. [t>. Schmid)................................................ 144 Das Wunderkästchen, [ü. Schmid)..............................................144 Der Pilger, [o. Schmid)..............................................................145 Der königliche Schatzmeister, sv. Schmid) .............................146
IV. Geschichten.
Inhalt I.
319 Seite
Wolf und der Hund. [$.]............................................... 147 Böcklein imd der Wolf. [£>.]........................................... 148 aufgeblasene Frosch. [£.]............................................... 148 Esel und das Reitpferd. [£.] 149 Grille und die Ameisen. [£.] 140 Katze die Schelle anhängen. [(SimTod]...................... 150 Einsiedler und der Bär. Meißners.............................. 151 Igel und der Maulwurf. Meißners.......................... 151 unzufriedene Esel. [Meißners.......................................... 152 Schoßhund und der Esel. [.]....................................177 Die Heinzelmännchen. [§.]........................................................ 178 Das Zwergjunkerlein an der Kohlfurt. [Wendts .... 178 Der hartgeschmiedete Landgraf. [Bäßler^........................... 182 Der heiligen Elisabeth Rosen. [Bäßler^............................... 184 Der alte Fritz und der Bauer. [Schwartz^........................... 185 Der Müller ohne Sorgen. [Müllenhoff)............................... 185 Das brave Mütterchen. [Müllenhoffl ................................... 186 Frau Hütt. [Stimm]................................................................ 187 Der betrogene Teufel. [Rückerts............................................ 188
180. 181. 182. 183. 184. 185.
Bequeme Schiffahrt....................................................................189 Das Mittagessen im Hof ............................................................ 189 Seltsamer Spazierritt............................................................... 190 Böser Markt ................................................................................ 191 Das wohlfeile Mittagessen........................................................193 Der vorsichtige Träumer - -..................................... 194
Einige Erzählungen von I P. Hebel.
186. Der kluge Sultan
..............................................
187. Der Zahnarzt 188. Das seltsame Rezept
195
................ ........................................ 196 .................................................... 196
320
Inhalts
Sette 189. Ein gutes Rezept......................................................................... 198 190. König Friedrich und sein Nachbar............................................ 200
191. 192. 193. 194. 195. 196. 197. 198. 199. 200. 201. 202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209. *210. 211. 212. 213. 214. 215. 216. 217. 218. 219.
220. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 23. 14.
Märchen (191—219). Goldtöchterchen, [fieonber].........................................................202 Birkenmännchen. [Ä'Ietfe]......................................................... 206 Die Blume mit dem roten Herzen. [Kastropp]................... 208 Warum die Schweine im Grund wühlen. [Dähnhardt] . 209 Unser Herr als Bettler. [Zingerle]........................................ 210 Muttergottesgläschen. [$rimmj.................................................212 Der Nagel. 212 Der Fuchs und die Katze. [®rimm]........................................ 213 Der Wolf und der Mensch. [Ohimm].................................... 214 Der Zaunkönig und der Bär. [$rnnm]................................ 215 Der Wolf und der Fuchs. [Grimm]........................................ 218 Der alte Sultan. [$rinnn].........................................................220 Die Wichtelmänner, [öfthnm]................................................ 221 Die drei Spinnerinnett. [®rimm]............................................ 223 Die drei Brüder. [Gh'hnm] .....................................................226 Doktor Allwissend. [$nmm].....................................................228 Hans im Glück. [®rnnm]......................................................... 230 Der Arme und der Reiche. [©rinimj.................................... 237 Sneewittchen. [$rimm]............................................................. 241 Schneewittchen. [Storni]............................................................. 250 Rumpelstilzchen. [£.]................................................................. 256 Der gestiefelte Kater. [£).].........................................................259 Der Hase und der Fuchs. [Bechstein].................................... 262 Die drei Hochzeitsgäste. [Bechstein]........................................ 263 Gänsechristel. [©türm]................................................................. 265 Das Märchen vom Schlaraffenland. [Bechstein]................... 269 Hänsel und Gretel. [Bechstein]................................................ 271 Mann und Frau im Essigkrug. [Bechstein]............................277 Des Königs Münster. [Bechstein].............................................282
D i e Geschichte von Robittson Crusoe. Wie Robinson Schiffbruch litt und allein gerettet wurde . 284 Wie Robinson sich eine Wohnung machte ......................... 287 289 Wie Robinson die Regenzeit verlebte und krank wurde Wie Robinson sich eine Sommerwohnung einrichtete und die Insel durchwanderte........................................................... 291 292 Wie Robin on sich Lampen und Körbe anfertigte . . Wie Robin on sich irdene Töpfe herstellte..................... 293 294 Wie Robin on sich Kleider machte.................................. 296 Wie Robin on Getreide säte und erntete..................... Wie Robin 'on sich Brot bereitete.................................. 298 Wie Robinson sich eine Ziegenherde verschaffte................. 299 Wie Robinson eine Seereise unternahm............................. 300 Wie Robinson einen Gefährten bekam.................................. 301 Wie Robinson und Freitag noch drei Jahre lang auf der Insel hausten..................................................................................304 Wie Robinson die Insel verließ und in seine Heimat zurückkam 306
Inhalt II.
Inhalt II. Die Gedichte sind mit einem * bezeichnet. *82.
♦157.
173. 174. *89. 213. 214. 216. 217. 218. 219.
125. ♦65. ♦104.
♦49. 163.
*13. 97. 156. 75. 76. 77. 194. ♦160.
*52. ♦8. ♦88. *5.
Arndt: Seite Gebet an den heiligen Christ...................................................73 Aurbacher: Wie ein Lalenburger ausgesandt wird....................................157 Bäßler: Der hartgeschmiedete Landgraf................................................. 182 Der 'heiligen Elisabeth Rosen .................................................183 Bechstein: Der Verdrießliche .......................................................................79 Der Hase und der Fuchs......................................................... 262 Die drei Hochzeitsgäste............................................................. 263 Das Märchen vom Schlaraffenland........................................ 269 Hänsel und Gretel..................................................................... 271 Mann und Frau im Essigkrug................................................ 277 Des Königs Münster..................................................................282 Helene Binder: Die glückliche Familie..................................................................117 Blüthgen: Der Nimmersatt............................................................................ 58 Ach, wer das doch könnte............................................................95 Brentano: Herr Gott, du sollst gelobet sein............................................... 42 Campe: Wittington................................................................. 168 Cornelius: Drossel und Fink............................................................................12 Curtman: Die verkehrte Welt........................................................................ 84 Till Eulenspiegel........................................................................ 156 Dähnhardt: Der Enzian......................................................................................67 Die Kornähre.................................................................................68 Warum die Eichblätter eingekerbt sind ..................................68 Warum die Schweine im Grund wühlen............................209 Eberhard: Der Peter in der Fremde......................................................... 160 Eigenbrod t: Sonne ................................................................................... 44 Falk: Allerdreifeiertagslied.................................................................. 7 Falke: Der Turmhahn ............................................................................78 Agnes Franz: Gute Nacht............................................................................... 5
Hessel, Lesebuch 2. 11. «ufl.
21
322
Inhalt II. Sette
121. 124. 127. 128. 130. 106. 116. 117. 122. 126. 129.
♦159. ♦9. *55. 165. 178. 196. 197. 198. 199. 220. 201. 202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209.
*1. *4. *30. *59. *62. *69. ♦78. *100. ♦115. *132. *84.
180. 181. 182.
Ille Frapan: In der Kellerwohnung 111 Die Feuerwehr 116 Der Radfahrer 128 Die elektrische Straßenbahn 129 Auswanderer in Hamburg 133 Gansberg: Allerlei Spielplätze 96 Wie Lieschen im Laden aufpassen mich 103 Die Betten auf bem Hofe 104 Das Dachfenster 113 Nach Regen Sonnenschein 118 Die Eisenbahn 131 Gellert: Der Bauer und sein Sohn . 159 G. Görres: Todaustreiben 8 Die Kinder im Walde 48 Brüder Grimm: Das Riesenspielzeug 171 Frau Hütt . . . ................................................................... 187 Muttergottesgläschen 212 Der Nagel .'. ....................................................................... 212 Der Fuchs und die Katze 213 Der Wolf und der Mensch 214 Der Zaunkönig und der Bär 215 Der Wolf und der Fuchs 218 Der alte Sultan ....................................... 220 Die Wichtelmänner 221 Die drei Spinnerinnen ....................................................... 223 Die drei Brüder 226 Doktor Allwissend ........................................... 228 Hans irrt Glück 230 Der Arme und der Reiche 237 Sneewittchen 241 Güll: Am Morgen - . . 1 Glöcklein, Abendglöcklein .................................... 5 Ein Rätsel ............................................. 26 Vom Mäuslein ......................................... 52 Hahn..................................... . . ..................................... 55 Vom Spinnlein und Mücklein .................... 61 Pflaume 69 Kaufmann 87 Puppendoktor ......................................... 102 Rätsel.................................................................................... . 135 Harries: Heil dir im Siegerkranz 75 Hebel: Bequeme Schiffahrt . 189 Das Mittagessen im Hof 189 Seltsamer Spazierritt 190
Inhalt II.
323 Sette
183. 184. 185. 186. 187. 188. 189. 190.
♦6. ♦36. *42. ♦83.
*7. *10. *19. *24. *31. *32. ♦33. ♦43. *47. *48. *60. *61. *71. *73. *85. *108. *109.
54. 11.
*12. 193.
192.
*99. *41. ♦5ü. *119.
118. ♦93,
Böser Markt................................................................................ 191 Das wohlfeile Mittagessen........................................................193 Der vorsichtige Träumer ........................................................194 Der kluge Sultan .................................................................... 195 Der Zahnarzt............................................................................ 196 Das seltsame Rezept................................................................198 Ein gutes Rezept .................................................................... 198 König Friedrich und sein Nachbar........................................200 Luise Hensel: Nachtgebet................................................................................ 6 Hey: Weihnachten.................................................................................30 Neujahr......................................................................................... 37 Was ich alles habe.................................................................... 74 Hoffmann von Fallersleben: Das Lied vom Monde ........................................................ 6 Des Frühlings Ball ........................................................... 8 Johanniswürmchen..................................................................... 16 Im Walde möcht ich leben .................................................... 22 Der Störche Wanderlied .........................................................26 Abschiedslied der Zugvögel .................................................... 27 Der Blümlein Antwort.............................................................28 Beim Schneeballen..................................................................... 38 Sehnsucht nach den: Frühling................................................. 40 Winters Flucht................... '....................................................... 41 Das Lied der Vögel................................................................ 54 Gänselied ........... ......................................................................... 54 Heuschreckenleben......................................................................... 64 Von meinem Blümchen............................................................. 66 Kaiser Wilhelm ......................................................................... 76 Hirtenknabe................................................................................. 99 Mein Lämmchen......................................................................... 91 Fr. Hoffmann: Die Farben................................................................................. 46 Hummel: Eine Schwalbengeschichte .................................................... 9 v. Kamp: Mailied......................................................................................... 11 Kastropp: Die Blume mit dem roten Herzen....................................... 208 Kletke: Birkenmännchen....................................................................... 206 Kögel: Die Kuckucksuhr.................... 86 Krummacher: Wü terlied..................................................................................... 36 Das Alpenlied............................................................................. 43 Erdbeerliedchen............................................................................109 Kügelgen: Jnrik bei den Wölfen............................................................... 105 K ü h 1: Der Tunichtgut ..........................................................................82
324
Inhalt II. Gelte
191.
*153.
*98. *2. *34. *46. *68. *92. *94. *95. *120. *158.
*105.
148. 149. 150. *37.
176. 177.
♦113. *25. 72. 114.
3.
*18. 23. *27. *56. ♦57. *64. *87. *90.
*91. ♦14. ♦40. *96. ♦161.
Leander: Goldtöchterchen ......................................................... 202 Lichtwer: Die Katzen und der Hausherr . . .........................................154 Lohmeyer: Der Geburtstagsgratulant.................................. 85 Löwen st ein: Guten Morgen........................................................................... 1 Der erste Schnee............................................................................ 28 Wie es dem armen Schneemannerging ................................. 40 Der Vögelein Abschied ............................. 60 Die traurige Geschichte vomdummenHänschen .... 81 Des Storches Wiederkehr............................................................ 82 Ferienlied....................................................................................... 83 Wie die Jungfer Köchin in Dienstgenommen wird . . . 109 Die sieben Schwaben................................................................. 157 Maßmann: Turnerlied....................................................................................... 95 M e ißner: Der Einsiedler und der Bär...................................................... 151 Der Igel und der Maulwurf ................................................. 151 Der unzufriedene Esel ........................................................... 152 Mohr: Die heilige Nacht.......................................................................... 31 Müllenhoff: Der Müller ohne Sorgen........................................................ 185 Das brave Mütterchen ............................................................ 186 Wilhelm Müller: Müllers Wanderschaft................................................................ 101 Ortlepp: Ein Rätsel...................................................................................... 22 Otto: Unser Garten ................................................................................ 64 Der Tag eines Bäckerlehrlings................................................. 102 Sophie Reinheimer: Neckstrählchen ........................................................... 2 Reinick: Das Dorf...................................................................................... 15 Das Obstbäumchen und derOchse........................................... 19 Vom schlafenden Apfel............................................................. 24 Frühling .............................................................................. 50 Was gehn den Spitz dieGänse an............................................ 51 Gänse.............................................................................................. 57 Der Faule......................................................................................77 Versuchung .................................................................................. 79 Robert : Dienerschaft.................................................................................. 80 Rückert: Kinderlieb von den grünen Sommervögeln........................ 12 Das Männlein in der Gans.................................................... 35 Drei Paare und Einer............................................................. 84 Vom Büblein, das überall mitgenommen hat sein wollen 164
Inhalt II.
*162. *179.
103.
♦53. *53. *111. 20. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141.
164. 175.
*39. 63. 147.
131. *35. *210.
*16. *58. *81. 215. 164.
70. 15. *17. *21. 22. 28. ♦29. 38. 45. ♦51.
325 Seile Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt .... 165 Der betrogene Teufel................................. '............................. 188 Salzmann: Das Raupennest............................................................................ 92 Schiller: Auf einer großen Weide .......................................................... 45 Von Perlen baut sich...................................................................45 Der Schütz......................................................................................101 v. Schmid: Die Kornähren............................................................................... 17 Der fröhliche Hirtenknabe......................................................... 143 Der Löwe...................................................................................... 143 Die Perlen.................................................................................. 143 Die sieben Stäbe..........................................................................144 Das Wunderkästchen ................................................................. 144 Der Pilger ..................................................................................145 Der königliche Schatzmeister.....................................................146 Schubert: Der Geiger in der Wolfsgrube.................................................169 Schwartz: Der alte Fritz und die Bauern...............................................185 Seidel: Der kleine Nimmersatt ...............................................................33 S i mrock: Zaunkönig........................................................................................56 Der Katze die Schelle anhängen............................................. 150 Staub: Rätsel.............................................................................................. 134 Storm: Knecht Ruprecht........................................................................... 29 Schneewittchen............................................................................. 250 Sturm: Der Bauer und sein Sohn .........................................................14 Miez ist krank............................................................................... 51 Gott grüße dich ........................................................................... 73 Gänsechristel................................................................................. 265 Sutermeister: Der Fuchs und die Schnecke.....................................................154 Sophie Traut: Am Bienenstock . ................................................ 61 Trojan: Die Kornblume ........................................................................... 13 O, wie schön ist es im jpeit....................................................... 15 Am Sommertag........................................................................... 17 Nachtgewitter auf dem Land .................................................. 18 Vom Abnehmen der Früchte ...................................................25 Die Brombeere ........................................................................... 26 Die Weihnachtsbescherung...........................................................31 Der Sperling im Winter...........................................................39 Das Bächlein ............................................................................... 44
326
Inhalt II.
Seite Uhland: *26. (Linkehr......................................................................................... 23 *112. Der gute Kamerad................................................................... 101 *123. Zimmerspruch........................................................................... 116 155. Der weiße Hirsch....................................................................... 155 Unbekannt: *74. Schneelöckchen............................................................................. 67 *107. Drei kleine Schiffersleute........................................................ 98 Volkstümlich: *66. Im grasgrüne?! Wald.................................................................59 *67. Die Schwalben ......................................................................... 60 *79. Das Lied vom Birnbau???......................................................... 69 *80. Wie ost Gott zu danke?? sei..................................................... 72 *86. Heraus aus den? Lager............................................................. 76 *110. Der Jäger aus Kurpfalz ....................................................... 100 *133. Bolksrätsel................................................................................... 135 134. Sprichwörter............................................................................... 134 E. Weber: *44. (Linen Schlitte?? muß ein Zungehabe?? . ................................. 38 Wendt' 172. Das Zwergjunkerlei?? an der Kohlf??rt.....................................178 W o l f: 102. Das allzeit zufriedene K??äbche??............................................ 90 Zingerle: 195. Unser Herr als Bettler.......................................................... 210 K. H.: 101. Der wunderbare Pudding........................................................ 89 142. Der Wolf und der Hund........................................................ 147 143. Das Böcklein und der Wolf................................................... 148 144. Der aufgeblasene Frosch............................................................148 145. Der Esel und das Reitpferd................................................... 149 146. Die Grille?? und die Ameise?? ............................................... 149 151. Der Schoßhund und der Esel............................................... 152 152. Der Eid des Wolfes................................................................153 166. Der Affe zu Dhaun ................................................................ 172 167. Die Bergwerke in Lemberg....................................................173 168. Die Sage vom Mäuseturm................................................... 175 169. Die Bäckerjungen zu Andernach........................................... 176 170. Entstehung des Siebengebirges............................................... 177 171. Die Heinzelmännchen............................................................... 178 211. Rumpelpilzchen ....................................................................... 256 212. Der gestiefelte Kater............................................................... 259 220. D i e Geschichte vo?? Robinson Crusoe 1. Wie Robinson Schiffbruch litt und allein gerettet wurde 284 2. Wie Robinson sich eine Wohnung machte........................... 287 3. Wie Robinson die Regenzeit verlebte und krank wurde . 289 4. Wie Robinson sich eine Sommerwohnung einrichtete und die Insel durchwanderte........................................................... 291 5. Wie Robinson sich Lampen und Körbe anfertigte . . . 292 6. Wie Robinson sich irdene Töpfe herstellte......................... 293 7. Wie Robinson sich Kleider machte..................................... 294 8. Wie Robinson Getreide säte ??nd erntete ..................... 296
Inhalt II.
Anfänge der Gedichte.
327 Seite
Wie Robinson sich Brot bereitete........................................298 Wie Robinson sich eine Ziegenherde verschaffte................ 299 Wie Robinson eine Seereise unternahm ... ........................ 300 Wie Robinson einen Gefährten bekam ............................ 301 Wie Robinson und Freitag noch drei Fabrelang mif der Insel hausten ..................................................................... 304 14. Wie Robinson die Insel verließ und in seine Heimat zurückkam.................................................................................... 306
9. 10. 11. 12. 13.
Anfänge der Gedichte. Die Anfänge der Rätsel Nr. 132 und 133 sind nicht verzeichnet Sette
Ach, Herr Doktor ..... 102 Alles neu macht der Mai. . 11 Aus einer großen Weide gehen 45 Auf hoher Alp........................ 43 Bächlein, wie hurtig .... 44 Bei einem Wirte........................ 23 Brombeer am Waldesrande . 26 Das ist die Mär...................... 157 Das Männlein ging .... 35 Das neue Haus ist . . . .116 Das Wandern ist...................... 101 Dem Winter wird der Tag . 41 Denk an das Büblein . . . 164 Denkt euch nur........................ 86 Der Bauer steht vor .... 14 Der Hahn in seiner Tennen 55 Der Peter will nicht .... 160 Der Storch ließ auf dem Dach 82 Die Araber hatten.................. 188 Die Köchin spricht.................... 52 Die schönste Zeit .................... 30 Die Spinne hat gesponnen . 61 Dort oben auf dem Baume. 69 Draußen auf grünester Heid 69 Drei kleine Schiffersleute . . 98 Du hast zwei Ohren .... 84 Du lieber, heiliger.................... 73 Eben, wann der Morgen . . 99 Ein Bote ward einst .... 157 Einen Schlitten muß.... 38 Ein guter, dummer.................. 159 Ein Jäger aus Kurpfalz . . 100 Ein Mägdlein an des Felsen 109 Es blieben einst drei Kinder 48 Es fliegen zwei Schwalben . 60
Sette
Es gingen drei Jäger. . . . 155 Es ist ein Bäumlein .... 165 Es kamen grüne Bögelein. . 12 Es sitzt auf einem Rütchen . 26 Es war einmal ein kleiner . 51 Fern und nah............................ 83 Fort, fort, fort nnb fort . . 26 Frühling, Frühling überall . 56 Frühling sprach zu der . . . 8 Gar emsig bei den.................... 79 Gemäht sind die Felder. . . 95 Glöcklein, Abendglöcklein . . 5 Gott grüße dich........................ 73 Großväterchen, es schneit . . 28 Guten Morgen sollt ich sagen 85 Hänschen will ein Tischler . 81 Heil dir im Siegerkranz. . . 75 Heraus aus dem Lager . . 76 Heute nach der Schule gehen 77 Ich bin verdrießlich.................... 79 Ich geh durch einen grasgrünen 59 Ich ging bei hellem .... 17 Ich habe gute Dienerschaft . 80 Ich hab ein Lämmchen . . 99 Ich hatt einen Kameraden . 101 Ich tu die hellen Augen auf 1 Ich weiß euch eine schöne Stadt 22 Ich wünsche mir .................... 33 Im Baum, im grünen ... 24 Im Walde möcht ich leben . 22 In unsern: Flieder .... 58 In unsers Vaters Garten . 28 Jungfer Köchin...................... 109 Kein Tierlein ist auf Erden . 42 Kommt, ihr Leute.................... 87
328
Anfänge der Gedichte. Seite
Sette
Mama, sag mal, wie ist . . 78 Miez ist krank............................ 51 Mit dem Pfeil...........................101 Müde bin ich........................ 6 Nun reibet euch die ... . 1 Nun sagt einmal, ihr Gänschen 57 Nun treiben wir.................... 8 £), du fröhliche........................ 7 O, wie ist es kalt geworden . 40 O, wie schön ist es im Heu. 15 Scheint der Mond so schön . 64 Schneeglöckchen.........................67 Schon glänzt der goldene. . 5 Seht, wie das Schneefeld . 38 Sonne, gehst du schon wieder 44 Steht ein Kirchlein im Dorf 15 Stille Nacht ............................ 31 Tier und Menschen schliefen 154 Turner ziehn............................ 95
Bon drauß vom Walde . . 29 Von Perlen baut sich. . . . 45 Ward ein Blümchen .... 66 Was baumelt aus.................... 82 Was haben wir Gänse ... 54 Was helfen mir die Pelze . 40 Was tanzen so goldige Stern 16 Wer hat auf m. Stühlchen . 250 Wer hat die schönsten Schäfchen 6 Wer ist der greise Siegesheld 76 Wer klappert am Dache . . 60 Wie ruhest du so stille ... 36 Wieviel Sand in dem Meer 72 Wie war so schön doch ... 27 Wir Bögel habend.................... 54 Zeit vergeht und Jahr ... 37 Zur Drossel sprach ... 12 Zwei Augen hab ich ... . 74
Druck von Iuliu- Beltz, Hofbuchdrucker, Langensalza.