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German Pages 123 [152] Year 1960
SAMMLUNG
GÖSCHEN
DEUTSCHE
BAND
929
WORTKUNDE
KULTURGESCHICHTE DES D E U T S C H E N
WORTSCHATZES
von
DR. P H I L . A L F R E D
SCHIRMER
Vierte Auflage •Oll
DR. W A L T H E R
MITZKA
o. P r o f e s s o r a n d e r U n i v e r s i t ä t M a r b u r g / L a h n
WALTER DE GRUYTER & CO. Tormals G. J. Göschen'sche Verlagöhandlung • J, Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp. BERLIN
1960
© C o p y r i g h t 1960 b y W a l t e r de Gruyter & Co., Berlin "W 35. — Alle Redite, einschl. der Rechte der Herstellung v o n Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten. — A r c h i v - N r . 1109 29. — Satz und Drude: Saladruck, Berlin N 65. — P r i n t e d in G e r m a n y .
Inhalt Seite
Einleitung
6
§ §
1. W o r t f o r s c h u n g 2. S c h r i f t t u m z u r Wortgeschichte
6 8
§ § §
3. W o r t f o r m und Wortbedeutung 4. Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung 5. D e r B e d e u t u n g s w a n d e l
§
6. E n t l e h n u n g : F r e m d w o r t , L e h n w o r t , F r e m d w o r t e r s a t z
.
.
23
§ §
7. M u n d a r t , Hochsprache, U m g a n g s s p r a c h e , S o n d e r s p r a c h e n 8. M o d e w ö r t e r , S c h l a g w ö r t e r , Geflügelte W o r t e ; N a m e n
. .
. .
30 34
11 13 19
Das Erbe der Vorzeit §
35
9. D i e indogermanische U r z e i t
35
§ 1 0 . D i e germanische G e m e i n s c h a f t
41
Der Kultureinfluß der Mittelmeerlämler
46
§ 11. D i e K u l t u r d e r R ö m e r
46
§ 12. D a s älteste germanische C h r i s t e n t u m
51
Die altdeutsche Zeit
53
§ 13. D a s E r b g u t i m W o r t s c h a t z
53
§ 14. C h r i s t e n g l a u b e u n d Geistesleben in althochdeutscher u n d
alt-
sachsischer Z e i t
56
Die Sprache des hohen Mittelalters
62
§ 15. D i e Sprache des R i t t e r t u m s u n d d e r höfischen D i c h t u n g
.
.
62
§ 16. D i e Bürgersprache
67
§ 17. Kirche u n d lateinische G e l e h r s a m k e i t im s p ä t e r e n M i t t e l a l t e r
71
Humanismus, Renaissance, Reformation
74
§ 18. D i e lateinische H o c h f l u t des H u m a n i s m u s § 19. M a r t i n L u t h e r u n d die n e u h o d i d e u t s c h e Schriftsprache .
74 .
.
80
Das Barockzeitalter und die alamodische Sprache . . . .
85
§ 20. D e r W o r t s c h a t z d e r M u s i k
85
§ 21. D i e H e e r e s s p r a c h e
86
§ 22. D a s Rotwelsch
89
§ 23. D e r alamodische F r e m d w o r t u n f u g u n d die Sprachgesellschaften
90
§ 24. D i e D i d i t e r s p r ä c h e d e r Barockzeit
95
Seite
Die Sprache des klassischen Zeitalters § 25. Die Sprache der klassischen Dichtung des 18. J a h r h u n d e r t s . § 26. Die Französische Revolution und die Ausbildung der politischen Fadisprache
Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart § 27. § 28. § 29. § 30. §31.
Der Wortschatz der R o m a n t i k Neue Erfindungen und WissenSchäften D e r Einfluß des Englischen auf den deutschen "Wortschatz . . Die Revolution von 1848 und der Sozialismus Die Sprache von Kunst und Dichtung vom Jungen Deutschland bis zur Gegenwart § 3 2 . Der Wortschatz der jüngsten Vergangenheit § 33. A u s b i i i i in die Z u k u n f t
Sachverzeichnis
97 97 103
104 104 107 109 111 112 114 118
122
Abkürzungen ahd. arab. Aufl. Bd. Bde. Bedtg. dt. Diss. DWb. eigtl. engl. franz. germ. griedi. hd. holl. idg. ind. ital.
= = = = = = = = =•
althodideutsdi arabisdi Auflage Band Bände Bedeutung deutsdi Dissertation Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm (vgl. 5.2) ~ eigentlich = englisch = französisch = germanisch = griechisch = nochdeutsch — holländisch = indogermanisch = indisch = italienisch
Tahrh. kelt. lat. md. mhd. mlat. mnd. nd. nhd. obd. poln. russ. slaw. span. ungar. urgerm. urspr. vgl. Wb. ZfdW.
Jahrhundert keltisch lateinisch mitteldeutsch mittelhochdeutsch mittellateinisch mittelniederdeutsch niederdeutsch neuhochdeutsch oberdeutsch polnisch russisch slawisch spanisch ungarisch urgermanisch ursprünglich vergleiche Wörterbuch Zeitschrift f ü r deutsche Wortforschung (vgl. § 2)
Einleitung § 1. Wortforschung W o r t f o r s c h u n g nennt man denjenigen Zweig der sprachgeschichtlichen Forschung, der die Herkunft und die Bedeutungsentwicklung der Wörter einer Sprache von den ältesten in Schriftdenkmälern erreichbaren oder über Lautgesetze u. dgl. rekonstruierten Anfängen bis zur Gegenwart untersucht. Wird der Hauptnachdruck dabei auf die Feststellung der Herkunft eines Wortes, auch über die ältesten urkundlich bezeugten Formen rückwärts, und auf die Verwandtschaft mit Wörtern anderer Sprachen gelegt, so spricht man von E t y m o l o g i e (Lehre vom Ursprung der Wörter, zu dem mit dem dt. ,ist' urverwandten griech. étymos ,wahr' und lògos ,Wort', légo ,lese'). Wie mit dem Wort ein Ding oder ein Begriff bezeichnet wird, stellt die Bezeichnungslehre ( O n o m a s i o l o g i e , von griedi. ónoma ,Name') dar. Weiteres vgl. § 3. Beschäftigt man sich mehr mit der Entwicklung und Veränderung der Wortbedeutung in geschichtlich bezeugter Zeit, so gebraucht man den Ausdruck S e m a s i o l o g i e (Bedeutungslehre, zu griedi. sema ,Kennzeichen'). Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen legt die Wortforschung herkömmlicherweise (seit der Spätantike) in alphabetisch geordneten Wörterbüchern vor, einer für das Nachschlagen zwar bequemen, aber für die Aufhellung der allgemeinen Zusammenhänge unübersichtlichen Form. Deshalb hat man in neuerer Zeit vielfach eine Darstellung der wortkundlichen Forschungsergebnisse in sachlicher Gliederung gewählt, und zwar begegnet man (neben der ungeschichtlichen logischen Gliederung, wie sie die sog. Synonymenwörterbücher, die Zusammenstellungen sinnver-
§ 1. Wortforschung
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wandter Wörter, wählen) am häufigsten der Darstellung des Wortschatzes nach geschichtlichen Grundsätzen. Diese Anordnung ist auch der vorliegenden Darstellung des deutschen Wortschatzes zugrunde gelegt, und zwar v e r b i n d e t sie die s p r a c h g e s c h i c h t l i c h e D a r s t e l lung mit einer kulturgeschichtlichen Betracht u n g . Sie geht von der Erwägung aus, daß ein Wort nie etwas für sich allein Bestehendes sein kann, vielmehr stets an das Vorhandensein einer bestimmten Sachvorstellung oder eines Begriffsfeldes gebunden ist. Es soll der Zusammenhang zwischen Kulturentwicklung und Wortschatzveränderung in geschichtlichem Ablauf dargelegt werden. Unter K u l t u r sollen dabei alle ideellen und materiellen Äußerungsformen des menschlichen Schaffens im weitesten Sinne, also Religion, Wissenschaft, Kunst, Recht, Staatsund Gesellschaftsleben, Wirtschaft, Technik usw. verstanden werden. Es soll gezeigt werden, wie sich das Auftreten neuer Erscheinungen der Sachwelt oder neuer Anschauungsund Betätigungsformen des menschlichen Geistes im Wortschatz widerspiegelt, sei es durch die S c h ö p f u n g gänzlich neuer Wörter, sei es durch die E n t l e h n u n g bis dahin ungebräuchlicher Fremdwörter, sei es durch die Ausstattung bereits vorhandener Wörter mit neuem B e d e u t u n g s inhalt. Nun ist für die Vergangenheit, die wir in ihrem sprachlichen Schaffen nicht unmittelbar miterleben, nur an Hand der zufällig erhaltenen schriftlichen Zeugnisse lückenhaft nachgestalten können, nicht immer möglich, jede Wandlung des Wortschatzes vollständig, sicher und zeitgerecht festzustellen. Es ergibt sich doch eine weitgehende Ubereinstimmung zwischen der Entwicklung der Kultur und der des Wortschatzes. „Wie die Zeiten sind, so sind die Wort, und hinwiederumb wie die Wort, so sind auch die Zeiten", dieser Satz des „Unartig Teutschen Sprachverderbers" (1643), der zugleich die kulturbildende Rückwirkung der Sprache auf die Volksgemeinschaft betont, soll dabei das Leitwort unserer Darlegungen sein. In diesem Sinne ist d i e W o r t k u n d e ein T e i l g e b i e t der Kulturgeschichte.
8
Einleitung § 2. Schrifttum zur Wortgesdudite
„Kulturgeschichtliche Erörterungen auf sprachlicher Grundlage" geben die Bücher von O. W e i s e „Die deutsche Sprache als Spiegel deutscher Kultur" (Jena 1923) und „Wanderungen auf dem Gebiete der deutschen Sprachgeschichte und Wortbedeutung" (Jena 1925), die in allgemeinverständlicher Form einzelne Kulturersdieinungen sprachlich erläutern. F. S e i l e r s „Entwicklung der deutschen Kultur im Spiegel des deutschen Lehnworts" (8 Bde., Halle 1913—1924) gibt eine ausführliche Darstellung der kulturellen Einflüsse, die zur Übernahme der zahlreichen Lehn- und Fremdwörter ins Deutsche geführt haben. F. K l u g e s „Deutsche Sprachgeschichte" (Leipzig, 2. Aufl. 1925) schließt namentlich für die ältere Zeit eingehende Ausführungen über die Entwicklung des Wortschatzes ein, indem dabei dem Worte Schillers nachgegangen wird: „Die Sprache ist der Spiegel einer Nation." Für die neuere Zeit wird dieses Werk ergänzt durch desselben Verfassers Aufsatzsammlungen „Von Luther bis Lessing" (Leipzig, 5. Aufl. 1918) und „Wortforschung und Wortgeschichte" (Leipzig 1912). H . H i r t s tiefschürfende „Etymologie der neuhochdeutschen Sprache" (Mündien, 2. Aufl. 1921) stellt den deutschen Wortschatz nach sprachkundlichen Gesichtspunkten geordnet dar. Die umfassendste von der indogermanischen und germanischen Vorzeit bis zum heutigen Tag ausgreifende Darstellung des deutschen Wortschatzes ist die aus den Beiträgen von Mitarbeitern zusammengefaßte „Deutsche Wortgeschidite", herausgegeben von F. Maurer und F. Stroh, in der 1. Auflage 1943 als Festschrift für Alfred Götze erschienen, in der 2., in manchen Stücken neubearbeiteten, den letzten Stand der Forschung bietenden Auflage 1959 (3 Bände). Diese 15 Aufsätze nennen das grundlegende und vorausgehende Schrifttum ausgiebig; sie behandeln die indogermanischen Ursprünge, Germanentum, Deutsche Frühzeit, Lehnwörter und Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen, Höfisches Rittertum, Spätes Mittelalter, Romanischer Einfluß auf das Deut-
§ 2. Schrifttum zur Wortgeschidite
9
sehe bis zum Ausgang des Mittelalters, Humanistische Strömungen, Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache, Barock, Wortschatz des 18. Jahrhunderts, das 19. Jahrhundert, Neuere und neueste Zeit, Stämme und Landschaften in deutscher Wortgeographie. Die Verfasser nennen wir zur Darstellung der einzelnen Zeiträume. Den Wortschatz des deutschen Schrifttums seit Beginn des Druckes sammelt und verarbeitet das große „Deutsche Wörterbuch" von J a c o b G r i m m und W i l h e l m G r i m m (Leipzig 1854 ff.). Nach ausgiebiger Bearbeitung der von den Brüdern Grimm nicht mehr behandelten Buchstaben D bis Z durch führende Wortforscher wird dies wortgeschichtliche Nationalwerk in naher Zukunft abgeschlossen sein. Es umfaßt rund 110000 Wortstämme, was mit den mehr oder weniger gelegentlich vorkommenden Zusammensetzungen über eine halbe Million neuhochdeutscher Wörter ergibt. Der Wortschatz der deutschen Mundarten der Gegenwart ist in landschaftlichen Wörterbüchern gesammelt, dazu sind zuletzt solche für das S c h w ä b i s c h e (H. Fischer), S c h l e s w i g - H o l s t e i n i s c h e (O. Mensing) und T i r o l i s c h e (Schatz, Finsterwalder) erschienen. Den Druck haben begonnen das S c h w e i z e r d e u t s c h e (gegenwärtig Wanner), M e c k l e n b u r g i s c h e (Teudiert), H e s s e n N a s s a u i s c h e (Luise Berthold), R h e i n i s c h e (J. Müller, Meisen), B a d i s c h e (F. Ochs), N i e d e r s ä c h s i s c h e (H. Wesche). Eine Ubersicht über die mundartlichen Wörterbuchsammlungen innerhalb der deutschen Sprachfläche vom Stande von 1937 bietet eine Karte in der Zs. f. Mundartforschung 13, 91. — B e r n h a r d M a r t i n , Die deutschen Mundarten 1959. Das auf mehr als 30 Bände geplante große „Deutsche Wörterbuch" ist ein stolzer Ruhmestitel der deutschen Sprachwissenschaft, wurde aber nicht das Hausbuch, als das es zunächst gedacht war. Daran denkt eher „Trübners Deutsches Wörterbuch", im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Wortforschung herausgegeben von A l f r e d G ö t z e (Berlin 1936—1957) in 8 Bänden, die letzten von W. Mitzka besorgt. Es bringt eine reiche Aus-
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Einleitung
wähl des deutschen Wortschatzes in -wissenschaftlich gesicherten Wortgeschichten, die sprach- und kulturgeschichtlich bedeutsam sind. Die Herkunft und die Verwandtschaft innerhalb der idg. Sprachfamilie bietet F. K l u g e s „Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache", zuerst 1881 erschienen, in der 18. Auflage (Berlin 1960) durch A. G ö t z e auf die Höhe der modernen Wortforschung gebracht und wegen der ständigen Betonung der Zusammenhänge zwischen Wort- und Sachgeschichte gerade für unsere Zwecke unentbehrlich. Die bis zum heutigen Tage sich rasch ablösenden Auflagen ermöglichen die dauernde Fühlungnahme mit der fortschreitenden Forschung. Die beiden letzten Auflagen bearbeitete W. Mitzka. H . P a u l , „Deutsches Wörterbuch" (Halle, 4. Aufl., bearbeitet von K . E u l i n g , 1935), 5. Auflage von A. S c h i r m e r , Halle 1956f., von W. B e t z , Tübingen 1958f., stellt vor allem eine verläßliche Auskunft über die Bedeutungsentwicklung des deutschen Wortschatzes dar. Den Bestand der deutschen Sprache an Fremdwörtern untersucht in strenger wortgeschichtlicher Methodik und mit vielen kulturgeschichtlichen Hinweisen das „Deutsche Fremdwörterbuch" von H . S c h u l z ( l . B d . A — K , Straßburg 1913, fortgesetzt von O. Basler, 2. Bd. L—P, Berlin 1942). In sachlicher Anordnung führt den Wortschatz vor F. D o r n s e i f f , „Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen" (Berlin, 5. Aufl. 1959), ein auch durch seine Einleitung und die ausführlichen Literaturhinweise wertvolles Buch. Als Zeitschrift für unser Gebiet kommt vor allem in Betracht die von F. K l u g e begründete „Zeitschrift für deutsche Wortforschung" ( = Z f d W . ) Straßburg 1—15, 1901—1916, in neuer Folge 1959 von W. B e t z herausgegeben. Zur Wortforschung, vor allem zur Geschichte einzelner Wörter, nennen jeweils das Schrifttum des In- und Auslandes die „Jahresberichte über die Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen Philologie", 1879 f.
§ 3 . W o r t f o r m und Wortbedeutung
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Zur W o r t g e o g r a p h i e bietet den Nachweis kartenmäßiger Darstellung Elli S i e g e l in der Zs. f. Mundartforschung 1943; 1956. Wortgeographie der deutschen Spradifläche(von 1939) stellt der D e u t s c h e W o r t a t l a s , Bd. 1 — 4 von W. M i t z k a , 5 f. zusammen mit L. E. S c h m i t t dar. Dort wird weiteres Schrifttum gebracht. § 3. Wortform und Wortbedeutung An W. v. H u m b o l d t schließt L. W e i s g e r b e r seine Lehre von der Leistung des Wortes im Sinngefüge einer Nationalsprache in seinen Schriften an, so „Weltbild der deutschen Sprache" I I 1953. In ihren Grammatiken zur Gegenwartssprache gehen vom W o r t , seinem Bau und seiner Gliederung, Inhalt und Funktion im Satze, Wortart, aus: J o h a n n e s E r b e n , Abriß der deutschen Grammatik, Berlin 1 9 5 8 ( S . 5 . „phonologische Wortstruktur") und P a u l G r e b e , Duden, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Mannheim 1959 (S. 3 9 6 f . H . G i p p e r , Das W o r t . . . , S. 400 „Die inhaltsbezogene Betrachtung"). W o r t nennen wir den sprachlichen Ausdruck für eine psychologische Einzelvorstellung. Es läßt sich klanglich zerlegen in Laute, das ist die Aufgabe der P h o n e t i k oder Lautbildungslehre, der P h o n o l o g i e (Strukturlehre" vgl. § 2), als Lehre von den Einheiten des Lautsystems (Phonemen) bis zum Wort in ihren gegensätzlichen Funktionen in der g e s p r o c h e n e n Sprache (vgl. Braune-Mitzka, Althochdeutsche Grammatik 1959® § 8 a, Paul-Mitzka, Mittelhochdeutsche Grammatik 1959 1 8 § 11); grammatisch (wenigstens in den indogermanischen Sprachen) in Wortstamm und Endungen (unter Umständen auch Vor- und Nachsilben). Diese Aufgabe der Grammatik geht insbesondere die Wortbildungslehre an. Durch die Sprachform des S a t z e s werden die durch die Wörter vermittelten Einzelvorstellungen verbunden zu einer Gesamtvorstellung (Aufgabe der S y n t a x oder Satzlehre). Im Leben der Sprache tritt das Wort nicht vereinzelt auf, sondern nur im Satzzusammenhang, auch wenn nur ein einzelnes Wort ge-
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Einleitung
sprochen oder geschrieben ist; denn da ist ein Satz wenigstens gedacht. Auch im Wörterbuch ist jedes Stichwort ( L e m m a , zu lat. legö ,lese') eingeordnet in den durchgehend vorausgesetzten Satz „Was bedeutet dies Wort"? Im Etymologischen Wörterbuch dazu: „Woraus ist es abzuleiten, welches ist seine Verwandtschaft"? Wenn wir es für sprachgeschiditliche Betrachtungen vereinzeln, so ist dies erst eine Handlung des sprachwissenschaftlichen Nachdenkens. Die F o r m der Wörter unterliegt im Laufe der sprachlichen Entwicklung gewissen Veränderungen. Diese untersucht die L a u t g e s c h i c h t e . Ein Wort kann sich im Laufe der Jahrhunderte hinsichtlich seiner Form beträchtlich wandeln, ohne daß sich seine Bedeutung verändert. So bedeutet das Wort arbeolaosa des Hildebrandsliedes trotz bedeutender Formänderung heute noch genau wie vor über tausend Jahren „erblos", wozu es lautgesetzlich geworden ist. Unabhängig von der Änderung der ä u ß e r e n F o r m eines Wortes kann sich aber auch seine Bedeutung, der durch das Wort bezeichnete und gemeinte Bedeutungsgehalt, der Wortinhalt wandeln ( i n n e r e F o r m ) . So bezeichnet Milde heute etwas ganz anderes als das gleichlautende mhd. milte, milde, das „Freigebigkeit" bedeutet, oder edel, das sich in alter Zeit nur auf die adlige, vornehme Abstammung bezog, heute aber vorzugsweise die sittliche Vornehmheit bezeichnet. Zumeist freilich unterliegt ein Wort im Laufe der Geschichte sowohl Änderungen der äußeren Form wie der inneren Bedeutung. So lautet unser nhd. albern ahd. alawäri, mhd. alware und zeigt die Bedeutungsentwicklung: „ganz wahrhaftig", „aufrichtig, freundlich", „einfältig". Dabei bestehen zwischen der Wandlung der Lautform und der der Bedeutung nur ausnahmsweise Zusammenhänge, so etwa wenn man älteres Kräusel, das ursprünglich ein topfartiges Kinderspielzeug bedeutete (zu Krause „Krug"), mit Kreis, kreisen in Verbindung bringt und nun Kreisel schreibt und spricht, oder wenn mhd. vrithof „eingehegtes Grundstück, besonders um eine Kirche" (zu ahd. friten „hegen") entgegen der sonstigen Lautentwicklung
§4. Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung
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von mhd. I zu nhd. ei nicht zu Freithof (so nur mundartlich bairisch) geworden ist, weil man seine Bedeutung irrigerweise mit Friede in Verbindung gebracht hat (vgl. den Absatz V o l k s e t y m o l o g i e in § 6 ) . § 4. 'Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung W. W u n d t , Völkerpsychologie I : Die Sprache, 2 Bde. (Leipzig, 3. Aufl. 1911). — H. P a u l , Prinzipien der Sprachgeschichte (Halle, 5. Aufl. 1920). — O. J e s p e r s e n , Die Sprache, ihre Natur, Entwicklung und Entstehung (Heidelberg 1925). — W. v. W a r t b u r g , Einführung in Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft (Halle 1943). — W. H e n z e n , Deutsche Wortbildung (2. Aufl. Tübingen 1957). — H. B r i n k m a n n , Die Zusammensetzung im Deutschen, Sprachforum 2, 1956/57, 222 f. Die E n t s t e h u n g des W o r t e s bildet einen Teil der wichtigen Frage nach der Entstehung der Sprache, über die in der Sprachwissenschaft noch keine Klarheit herrscht. Die herkömmliche Erklärung (W. Wundt) ist die, daß die Wörter ihren Ursprung in L a u t g e b ä r d e n haben, die wiederum einen Teil der verschiedenen Ausdrucksgebärden des Menschen (und der höheren Tiere) ausmachen. Ausdrucksgebärden noch nicht sprachlicher Art sind z. B. Kopfnicken und -schütteln als Zeichen für „ja" und „nein", Lautgebärden (aber noch keine artikulierte Sprache) sind das Bellen des Hundes, das Schnurren der Katze, das Schreien des Säuglings. Ein Hund kann durch die Lautgebärde des Knurrens die Gesamtvorstellung „ich bin zornig" ausdrücken, er kann sie aber nicht in die Einzelvorstellungen „ich" und „zornig sein" zerlegen. Reste solcher urtümlicher Ausdrucksweisen haben sich namentlich in den A u s r u f e n bis in die heutige Sprache erhalten; wenn wir z. B. pst! sagen und damit der Sachlage entsprechend „Seid ruhig!" meinen, so ist das offenbar eine den sprachlichen Anfängen nahestehende Ausdrucks weise für eine Gesamtvorstellung. Wie die einzelnen Lautgebärden zu Bezeichnungen für bestimmte Einzelvorstellungen und damit zu Wörtern ge-
14
Einleitung
•worden sind, entzieht sich genauer Kenntnis. Früher schrieb man der Nachahmung von Naturlauten eine große Rolle zu und führte demgemäß die Entstehung einer großen Anzahl von Wörtern auf S c h a l l n a c h a h m u n g (Onomatopöie, aus griech. ¿noma ,Name', poieln .schaffen') zurück. So sind Tiernamen vielfach offenbar aus der annähernden Wiedergabe der von den Tieren gebrauchten Laute entstanden: Kuckuck, Kiebitz, Fink, Glucke, Uhu. Audi Geräuschbezeichnungen wie blöken, klappern, quäken usw. verdanken solcher Schallnachahmung ihren Ursprung. Diese Art der U r S c h ö p f u n g ist bis heute in Kraft, so wenn man den Kraftwagen (zuerst in Frankreich) nach dem Auspuffgeräusch Töfftöff, ein Motorboot Muckepicke oder ein lärmvolles Musikkaffee Tingeltangel benannt hat. Eine große Rolle spielt die Schallnachahmung in der K i n d e r s p r a c h e oder Ammensprache, denn nicht nur die Kinder haben solche Wortschöpfung, z. B. Muhmuh oder Muschekuh für die ,Kuh', der Wauwau für den ,Hund', die Ticktack für die ,Uhr'. Immerhin ist bei der Erklärung heutiger Wörter aus Schallnadiahmung Vorsicht geboten, denn manche Wörter, die heute lautmalend klingen, haben in früherer Zeit beträchtlich anders gelautet, anderseits sind zahlreiche lautmalende Wörter auffällig jung und lassen sich in der Sprachgeschichte nicht weit zurückverfolgen (z. B. klirren, zirpen). Wenn es auch möglich ist, daß eine große Anzahl von Wörtern im Laufe der jahrtausendealten Entwicklung der Sprache (von der wir übrigens an Hand der schriftlichen Überlieferung kaum mehr als zwei bis drei Jahrtausende tatsächlich beobachten können) ihre Form so stark verändert haben, daß wir ihren schallnachahmenden Ursprung heute nicht mehr erkennen, so können doch unmöglich alle Wörter einer Sprache auf diese Weise entstanden sein. Namentlich die Bezeichnungen für s e e l i s c h e Vorgänge geben ja zudem keinerlei Anlaß, sie mit irgendwelchen Naturlauten in Verbindung zu setzen. Ob nun bei der Urschöpfung der Wörter auch andere Beziehungen zwischen K l a n g und V o r s t e l l u n g mitgespielt haben, wie z.B.
§ 4. Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung
15
Wundt für manche Wörter eine Beziehung zwischen der Bedeutung des Wortes und dem das Wort hervorbringenden Spradiwerkzeug annimmt (z. B. blasen, Mund, Zunge mit ihren Vordermundlauten) oder eine „durch den Gefühlston des Lautes vermittelte Beziehung" zwischen Wortform und Bedeutung vermutet (sog. L a u t m e t a p h e r ) , ist an unseren heutigen, durch viele lautliche Veränderungen hindurchgegangenen Wortgebilden nicht zu beweisen. Wenn auch vor allem unsere Dichter die Lautsymbolik vieler Wörter deutlich empfinden, so muß sich die wissenschaftliche Wortdeutung zumeist doch auf die Anführung der ältesten geschichtlich bezeugten Vorstufen des einzelnen Wortes beschränken. Als früheste Ausgangsformen der einzelnen Wortsippen lassen sich bestenfalls Wortstämme (aus denen nach Wegnahme der Endung u. dgl. sog. W u r z e l n konstruiert werden) erschließen, die eine Zusammenfassung der Lautmerkmale der als von ihnen abstammend angenommenen Wörter darstellen, ohne daß damit bewiesen wird, daß die Wurzel in der erschlossenen Form wirklich jemals irgendwo gesprochen worden ist. Stoßen wir in der Wortbildungslehre zur Wortschöpfung immer wieder auf die Grenzen der Erkenntnis, so bleibt doch die Leistung der kritischen Sprachwissenschaft seit Anfang des 19. Jahrhunderts für das Deutsche im Kreise der vorher nie geahnten indogermanischen Sprachfamilie ein stolzer Ruhmestitel der Sprachwissenschaft. Was die Hessen Jakob Grimm und Bopp, der Däne Rask mit der Entdeckung der Lautgesetze an Konstruktionen der ursprachlichen Wörter vom Germanischen bis zum Indischen ermöglichten, fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine überraschende Bestätigung im Hethitischen Kleinasiens des 2. Jahrtausend vor Chr. Geb.: z.B. germ. watar, im Niederdeutschen, Niederländischen, Englischen bis heute erhaltenes water tauchte da in Keilschrift als watar auf, ähnlich ist es bei Feuer (Kluge-Mitzka, Etymolog. Wb. 17. 18. Aufl.). Und eine deutsche Expedition brachte vor dem 1. Weltkrieg aus der Wüste Gobi die Wörter einer unbe-
16
Einleitung
kannten indogermanischen Schwestersprache mit, das Tocharische der Völkerwanderungszeit. Eine gewisse Anzahl der heutigen Wörter geht auf frühere E i g e n n a m e n zurück, ohne daß wir mit dieser Ableitung etwas über die Entstehung der zugrunde liegenden Namen aussagen könnten. Bei einer ganzen Reihe von Wörtern aus jüngerer Zeit, wie boykottieren (nach dem engl. Gutsverwalter Charles Boycott, über den die irische Landliga 1880 den Bann verhängte), Grog (urspr. Spitzname des engl. Admirals Vernon, der den Rum der Matrosen mit Wasser verdünnen ließ), Gobelin (Name eines Pariser Wollfärbers), Tüll (urspr. Gewebe aus Tülle in Frankreich), röntgen, einwecken, dem von Berlin ausgegangenen Ausruf (Adverb) knorke usw. können wir nachweisen, daß sie aus P e r s o n e n - oder O r t s n a m e n hervorgegangen sind. Was wir hier in verhältnismäßig junger Zeit im vollen Lichte der sprachlidien Erkenntnis vor sich gehen sehen, die Entwicklung eines Individualnamens zu einer Gattungsbezeichnung, kann in Urzeiten in großem Umfang stattgefunden haben. Zahlreiche Wörter sind ursprünglich Namen für Einzelwesen, Bezeichnungen für einen einzelnen Vorgang gewesen und erst allmählich durch Erweiterung ihres Bedeutungsumfanges zu Gattungsbezeichnungen geworden. Die heutige Fülle des Wortschatzes ist für urzeitliche Sprachstufen dadurch vereinfacht, daß die meisten heutigen Wörter A b l e i t u n g e n , W e i t e r b i l d u n g e n , Z u s a m m e n s e t z u n g e n aus einfachen Grundwörtern sind. Jeder erkennt ja den Zusammenhang von stehen, Stand, Ständer, Zustand, ständig, bestehen, Bestand, beständig, gestehen, Geständnis, stetig, stets, unstet usw. Daß auch Stelle, still, Statt, Stadt, Stuhl, Stall, Stollen, Stulle, Stadel, Stunde, Stamm, Steven, Stute usw. Ableitungen aus demselben Grundwort sind, ist für den sprachgeschichtlich nicht Geschulten schon weniger leicht erkennbar. Aus einem einzigen Grundwort können unter Umständen Hunderte von Wörtern abgeleitet sein, die heute nadi Form und Bedeutung nur wenig gemeinsam haben. Da es nun unwahr-
§ 4. Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung
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scheinlich ist, daß jemals eine Sprache n u r aus einfachen Grundwörtern bestanden hat, so zeigt ein einfaches Rechenexempel, daß eine Ursprache von nur wenigen Hunderten von Grundwörtern und einigen Dutzend Ableitungssilben (Vor- und Nachsilben) imstande war, durch Ableitung und Zusammensetzung einen in die Tausende gehenden Wortschatz herzustellen, der allen Bedürfnissen genügte. Auf diese Weise deckt auch die heutige Sprache im allgemeinen den Bedarf an neuen Bezeichnungen; wenn wir den mehrere Hunderttausende von Wörtern umfassenden Wortschatz etwa von Grimms Deutschem Wörterbuch mustern, so entdecken wir, daß weitaus die Mehrzahl aus Ableitungen oder Zusammensetzungen besteht. Gerade die deutsche Sprache zeigt auf diesem Gebiet eine ungemeine Fähigkeit zur Weiterbildung. Wenn das DWb. 257 Zusammensetzungen mit Liebes- als erstem Glied bucht und ein nachtragender Sammler diese Zusammenstellung um etwa 675 Zusammensetzungen mit Liebes-, Liebe-, lieb-, die alle bei Dichtern wirklich vorkommen, vermehrt hat, so sehen wir, welche Entwicklungsmöglichkeiten des Wortschatzes durdi soldie Weiterbildungen gegeben sind. Obschon es uns nun in der durch schriftliche Zeugnisse erhellten Zeit (und mit dieser soll sich unsere Darstellung vorwiegend befassen) vielfach möglich ist, den Z e i t p u n k t d e r N e u p r ä g u n g eines Wortes, ja bisweilen sogar den N a m e n d e s S c h ö p f e r s zu bestimmen, so müssen wir uns dabei doch stets bewußt bleiben, daß wir nur gewöhnlich die früheste literarische Verwendung eines Wortes feststellen können. Manche Wortschöpfung für die Chemie verdanken wir dem Begründer der chemischen Therapie in der Medizin, Paracelsus, wie Gnom (vgl. Kluge-Mitzka, Etym. Wörterbuch), durch Ableitung oder Zusammensetzung neu gebildet z. B. Badewasser, Brandsalbe, Eiweiß, Geist(es)krankheit, Niespulver, Scheidenwasser, "Weingeist, aber unter vielen anderen auch malerisch, schöpferisch (vgl. K.-H. Weimann in Zs. f. Mundartforschung 1952, 65). Meist klafft aber, wie uns Beobachtungen an der Sprache der Gegenwart zeigen, eine beträchtliche zeitliche Spanne S c h i r m e r - M i t z k a , Vortkunde
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zwischen dem ersten Auftreten eines Wortes in der gesprochenen Sprache und dem Beginn seiner Schriftfähigkeit (namentlich bei Ausdrücken des Alltagslebens). Daher müssen wir alle Altersangaben mit Vorbehalt geben: sie können durch weitere Beobachtung leicht überholt werden. Die in der Gegenwart sehr beliebte Neubildung von Wörtern durch Aneinanderreihung der Anfangssilben oder Anfangsbuchstaben längerer Verbindungen (sog. A k ü S p r a c h e = Abkürzungssprache, z. B. Osram (aus Wolfram und griech. osmdomai ,ich rieche', vgl. Kluge-Mitzka, Etymolog. Wb. 1960, 18. Aufl.), Indanthren (Indigo+ Anthrazen), Din-Format (Deutsche Industrie-Normen), D-Zug, U-Boot, dürfte in älterer Zeit kaum eine Rolle gespielt haben, da es sich hierbei im wesentlichen um einen auf der geschriebenen Sprache beruhenden Vorgang handelt. Auch W o r t k ü r z u n g e n , z . B . Auto statt Automobil, Piano statt Pianoforte, Cello statt Violoncello, Photo statt Photographie, Bus statt Omnibus, gehören in die Gegenwart, wie zuletzt Asta = Allgemeiner Studentenausschuß, nur mit Anfangsbuchstaben AEG, Din = Deutsche Industrienorm, BGB = Bürgerliches Gesetzbuch, UKW = Ultrakurzwelle. Neben dem Neuaufkommen von Wörtern spielt auch das A b s t e r b e n d e r W ö r t e r sprach- und kulturgeschichtlich eine wichtige Rolle. Meist handelt es sich dabei darum, daß von zwei oder mehreren sinnverwandten Ausdrücken für einen bestimmten Begriff der eine den anderen zurückdrängt, wobei vor allem der Wettbewerb zwischen verschiedenen sozialen Schichten der Sprache (Volkssprache, Sprache der gehobenen Gesellschaft, Kunstsprache der Dichtung) oder auch zwischen Ausdrücken verschiedener landschaftlicher Prägung ausschlaggebend wirkt. Soweit solche Vorgänge kulturgeschichtliche Rückschlüsse zulassen, ist in unserer Darstellung darauf hingewiesen (vgl. z . B . §§ 13, 15, 19). Die W i e d e r b e l e b u n g v e r a l t e t e r W ö r t e r durch Neuanwendung in der Dichtersprache kommt vor allem seit der Romantik auf ( § 2 7 ) . G e f ü h l s b e t o n t e Wörter, wie die in der Umgangssprache und in der Mund-
§ 5. Der Bedeutungswandel
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art gern gebrauchten Ausdrücke für ,sidi beeilen' oder für .schelten' können rasch von neuen abgelöst werden (P. Seidensticker in Zs. f. Mundartforschung 1956, 160). § 5. Der Bedeutungswandel W. W u n d t , Völkerpsychologien, 8.Kap. — H . P a u l , Prinzipien, Kap. IV. — K. O. E r d m a n n , Die Bedeutung des Wortes (Leipzig, 4. Aufl. 1925). — O. M e i s i n g e r , Vergleichende Wortkunde (München 1932). — H . S p e r b e r , Einführung in die Bedeutungslehre (Bonn und Leipzig 1923). — A. W a a g , Bedeutungsentwicklung unseres Wortschatzes (Lahr i. B., 5. Aufl. 1926). — J. T r i e r , Dtsch. Bedeutungsforschung (Behaghel-Festschrift 173). Zur Bedeutungslehre ist an jüngstem, grundlegendem Schrifttum, das wiederum Vorgänger zitiert, zu nennen H e i n z K r o n a c h e r , Handbuch der Semasiologie, Heidelberg 1952. Über Bezeichnungslehre (wie benennt die Sprache die Dinge oder Begriffe?) handelt H . Q u a d r i , Aufgaben und Methoden der onomasiologischen Forschung, Bern 1952. Über beide Methoden will die „inhaltsbezogene Betrachtung" hinaus zur Erkenntnis der Leistung der Sprache im Zusammenfassen gleicher oder ähnlicher Erscheinungen führen. Die Inhalte seien nicht den Individuen überlassen, sondern bezögen ihre Wertung aus dem überindividuellen Sprachgefüge. Dazu vgl. L. W e i s g e r b e r , Die Muttersprache im Aufbau unserer Kultur, Düsseldorf 1950 und Schrifttum zu § 3. Neben der formalen Erweiterung des Wortschatzes durch Urschöpfung, Ableitung und Zusammensetzung gehen einher die Veränderungen, die die Bedeutung der Wörter durch den B e d e u t u n g s w a n d e l erfährt. Der B e g r i f f d e r B e d e u t u n g e i n e s W o r t e s wird auf verschiedenen Wegen gesucht. Die Logik umschreibt ihn mit I n h a l t und U m f a n g . Mit B e d e u t u n g s i n h a l t bezeichnet sie die Summe der Merkmale, die zu dem durch ein Wort ausgedrückten Begriff gehören, z. B. Tier: organisches Wesen, Empfindung, freie Bewegung. Mit B e d e u -
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t u n g s u m f a n g wird die Summe der einzelnen Individuen bezeichnet, die zu der durch das Wort bezeichneten Gattung gehören, bei Tier z. B. Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien usw. Die Psychologie betont, daß neben dieser logischen Bestimmung der Bedeutung, die nur die durch das betreffende Wort ausgedrückte Hauptvorstellung erfaßt, die zumeist gleichzeitig ausgelösten Nebenvorstellungen, der G e f ü h l s t o n usw. eine wichtige Rolle spielen und daß gerade diese es sind, die für den (zumeist wohl beim Übergang von Generation zu Generation auftretenden) Wandel der Bedeutung ausschlaggebend wirken. Ohne auf die noch nicht genügend erforschten Ursachen des Bedeutungswandels einzugehen, wollen wir an Hand der logischen Begriffsbestimmung der Wortbedeutung feststellen, welche A r t e n d e s B e d e u t u n g s w a n d e l s im Laufe der sprachlichen Entwicklung am häufigsten auftreten. Da ist zunächst öfters zu bemerken, daß der Bedeutungsinhalt eines Wortes sich vergrößert oder verkleinert und der Bedeutungsumfang der durch das betreffende Wort bezeichneten Erscheinungen sich entsprechend verengt oder erweitert (sog. B e d e u t u n g s v e r e n g u n g und B e d e u t u n g s e r w e i t e r u n g ) . Für die Verengung der Bedeutung (Spezialisierung) nennen wir z. B. das Wort Dirne, das früher (wie heute noch vom Böhmerwald bis München über Salzburg bis in die Steiermark als Deandl, Diandl u. ä., vgl. Deutscher Wortatlas Bd. IV, vgl. allgemein neuhochdeutsch Dirndlkleid) einfach „junges Mädchen" bedeutet, in der Schriftsprache aber (durch Hinzufügung des Bedeutungsmerkmals „sittliche Verworfenheit") die Bedeutung „Hure" erlangt hat. Andere Beispiele sind: Getreide, ahd. gitregidi „Erträgnis", heute Körnerfrucht" (dazu H . H ö i n g , Deutsche Getreidebezeichnungen in europäischen Bezügen, semasiologisch und onomasiologisch untersucht 1958, mit Karten); Gift, eigtl. „Gabe", vgl. engl. gift, nhd. Mitgift, heute „tödlidie Droge". Als Beispiele für die Erweiterung der Bedeutung (Generalisierung) seien angeführt hübsch, eigtl. „höfisch", heute „anmutig von Aussehen oder sonst im Eindruck"; fertig, eigtl. „fahrtbereit",
§ 5. Der Bedeutungswandel
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heute allgemein „bereit, zu Ende gebracht". Natürlich können auch die beiden Vorgänge der Bedeutungserweiterung und -Verengung im geschichtlichen Ablauf bei dem gleichen Wort aufeinanderfolgen; so bedeutet das bereits angeführte Wort Dirne in altgermanischer Zeit offenbar „Dienerin" (zusammenhängend mit dienen und Demut), hat somit, indem es die Bedeutung „junges Mädchen" erlangte, schon einmal eine Bedeutungserweiterung durchgemacht. Mit der Bedeutungsverengung geht häufig eine V e r s c h l e c h t e r u n g der Bedeutung Hand in Hand, vgl. oben Dirne, Gift, ferner Pfaffe, im Mittelalter allgemein „Geistlicher", Mähre, ursprünglich „Pferd, Stute" ohne verächtlichen Nebensinn. Auch B e d e u t u n g s v e r b e s s e r u n gen kann der Bedeutungswandel zur Folge haben, so in Marschall, das ursprünglich „Pferdeknecht" bedeutet hat. Eine weitere häufige Art des Bedeutungswandels bezeichnet die Logik als Ü b e r t r a g u n g ( M e t a p h e r ) , so wenn im „Deutschen Wortatlas I I " z. B. das Insekt Libelle im Ostpreußischen Scherenschleifer, im Westfälischen Düwels Naihnadel, im Schwarzwald Deifelsnodle, im Bairischen und sonst Wasserjungfer, überhaupt mit Teichhüter, Wasserschandarm, Schlangenhüter, Gottespferd hundertfache Metaphorik zeigt. Die Zoologie hat das mit waagerechten Flügeln schwirrende Insekt als Verkleinerung libella (zu lat. libra ,Wasserwaage') benannt, der deutsche Maurer oder Zimmermann nennt seine Wasserwaage ,Libelle'. Dabei wird die Bedeutung eines Wortes in ein anderes Begriffsgebiet verschoben, wobei die äußere Ähnlichkeit oder die Ähnlichkeit der Verwendung zweier Dinge eine besonders wichtige Rolle spielt. Übertragungen dieser Art sind z. B. der Bedeutungsübergang von Linse „Hülsenfrucht" auf die Linse im Auge und die Glaslinse in optischen Geräten, von Feder „Vogelfeder" auf den Gänsekiel zum Schreiben, dann auf das stählerne Schreibwerkzeug oder auf die elastische Feder in der Technik, von Strom „Wasserlauf" auf das „Strömen" der Elektrizität. Der gesamte Wortschatz der Sprache ist von solchen Bildern durchsetzt, besonders die Umgangssprache des Volkes und die Sonder-
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sprachen (vgl. § 7) neigen dazu. Die Ausdrücke für geistige Vorgänge sind fast durchweg aus Wörtern mit ursprünglich sinnlich-anschaulicher Bedeutung übertragen, z. B. begreifen, ursprünglich „angreifen, betasten", etwas nicht fassen können, eigentlich „anfassen", erfahren, ursprünglich „etwas durch Fahren erkunden" (vgl. bewandert „erfahren"). Auch die Übertragung von Wörtern, die zunächst nur für belebte und beseelte Wesen gelten, auf seelenlose Geräte, Werkzeuge und Maschinen ist sehr häufig, vgl. Hund „Förderwagen im Bergwerk", Ramme, eigtl. „Widder" (engl, ram), Bär „Rammklotz", Kran (Kranich), Schraubenmutter usw. (sog. A n i m i s m u s , B e s e e l u n g des S e e l e n l o s e n ) . Der Übertragung verwandt ist die V e r s c h i e b u n g ( M e t o n y m i e ) , bei der der tatsächliche Zusammenhang, die räumliche, zeitliche oder ursächliche Abhängigkeit zweier Begriffe ausschlaggebend sind. Dahin gehört Messe, ursprünglich „kirchliche Feier", dann der damit zusammenhängende Markt; Hasenpfeffer, „ein mit Pfeffer zubereitetes Gericht von Hasenfleisch"; Ekel, zunächst „Brechreiz", dann „widrige Empfindung", ferner „widriger Mensch". Besonders häufig ist dabei die Verschiebung der Bedeutung v o n e i n e m T e i l a u f das G a n z e (sog. pars pro toto); vgl. Maske, ursprünglich „Gesichtslarve", dann „verkleidete Person", ferner Schlafmütze für eine schläfrige Person, Blaujacke für einen Seemann. Eine Bedeutungsverschiebung liegt auch vor, wenn die Namen von Orten oder Personen auf Gegenstände oder Tätigkeiten übertragen werden, die von ihnen stammen oder ausgehen: Achat (nach dem Flusse Achates in Sizilien), Champagner (von der franz. Provinz Champagne), Batist (nach dem flandrischen Leineweber Baptiste in Cambrai), Vertiko (nach dem Berliner Tischler Vertikow), verbalhornen (nach dem Buchdrucker Johann Balhorn in Lübeck, der angeblich ein ABC-Buch verschlimmbesserte) ( G a t t u n g s n a m e n aus E i g e n n a m e n , vgl. § 4). Weitere Formen des Bedeutungswandels sind Ü b e r t r e i b u n g , V e r k l e i n e r u n g , V e r h ü l l u n g , d. i. E u -
§ 6. Entlehnung: Fremdwort, Lehnwort usw.
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p h e m i s m u s , z u griech. eu ,wohl', phemi ,ich spreche',z.B. vollschlank für ,dick', wollen wir hier übergehen. Für unsere Darstellung wichtiger als die logische Einteilung der verschiedenen Arten des Bedeutungswandels ist die jeweilige Feststellung, welche kulturellen und seelischen Wandlungen bei dem Wandel der Bedeutung eines Wortes mitgespielt haben. Wesentlich ist dabei die Erkenntnis, daß alle Veränderungen der Wortinhalte sich im allgemeinen nicht auf vereinzelte Wörter erstrecken, sondern ganze Wortbezirke ergreifen, die inhaltlich eine Gemeinschaft bilden (sog. W o r t f e l d f o r s c h u n g , vgl. J. Trier, L. Weisgerber, §3). Deshalb ist auch in der vorliegenden Darstellung jeweils ein inhaltlich zusammengehöriges Gebiet des Wortschatzes in geschlossener Darstellung untersucht worden. § 6. Entlehnung: Fremdwort, Lehnwort, Fremdwortersatz E. R i c h t e r , Fremdwortkunde (Leipzig und Berlin 1919). — K. B e r g m a n n , Die gegenseitigen Beziehungen der dtsch., engl, und franz. Sprache (Dresden und Leipzig 1912). — W. E i t z e n , Der Irrgarten der Sprachen (Berlin und Bonn 1929). — W. P f ä f f , Zum Kampf um deutsche Ersatzwörter (Gießen 1935). — O. S t e u e r n a g e l , Die Einwirkungen des Deutschen Sprachvereins auf die deutsche Sprache (Wiss. Beihefte zur Zeitschrift des Dtsch. Sprachvereins, Heft 41). — T h . S t e c h e , Neue Wege zum reinen Deutsch (Breslau 1925). — Vgl. ferner H . H i r t s Etymologie (Kap. 7, 8, 15), H . P a u l s Prinzipien (Kap. 22), das Fremdwörterbuch von S c h u l z - B a s l e r und die Vorreden und Einleitungen zu S e i l e r (genaue Titel s. § 2). Grundlegend: J. W e i s w e i l e r , W. B e t z , E. ö h m a n n , H.-Fr. R o s e n f e l d in Deutsche Wortgeschichte I 2 (1959). Eine wichtige Möglichkeit der Erweiterung des Wortschatzes einer Sprache ist die E n t l e h n u n g von Wörtern aus fremden Sprachen. Keine Sprache ist völlig frei von solchen Entlehnungen; verschieden ist nur die Menge des aufgenommenen Lehngutes und der Grad der formalen Anpassung der fremden Wörter an die heimische Laut-
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gebung. Im Deutschen ist die Aufnahme fremden Wortgutes bekanntlich der Menge nach sehr groß; die Kraft der deutschen Sprache, die Fremdlinge dem heimischen Lautstand anzupassen, ist in älterer Zeit beträchtlich größer gewesen als in der Gegenwart, wo die weitverbreitete Kenntnis der fremden Ausgangssprachen der lautlichen Angleidhung oft hemmend entgegenwirkt. Mehrfache Entlehnung ins Deutsche hat z. B. das vom Kaisersitz des Augustus auf dem Palatin in Rom abgeleitete palatium erfahren: die althochdeutsche Lautverschiebung um 600 hat Pfalz mitgemacht, ist also vorher übernommen worden; in mittelhochdeutscher Zeit vor 1200 wird es erneut als palas(t) eingeführt, seit 1669 tritt vom Französischen her Palais als Fremdwort im Deutschen auf (vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch). Der Fremdwortschatz des Deutschen ist für die vorliegende Darstellung besonders aufschlußreich, weil der Übernahme fremden Wortgutes fast immer auch s a c h l i c h e L e h n b e z i e h u n g e n zugrunde liegen. Die Ursache für die Entlehnung von Wörtern aus einer fremden Sprache kann einmal sein, daß ein Volk ihm bisher unbekannte Gegenstände oder Vorgänge mit fremden Namen bezeichnet, weil in der eigenen Sprache ein entsprechender Ausdruck dafür fehlt. In dieser Weise werden besonders die als K u l t u r w ö r t e r bezeichneten Fremdausdrücke für ausländische Bodenerzeugnisse, Tiere, Handelswaren, ferner die Bezeichnungen für staatliche und wirtschaftliche Einrichtungen und kulturelle Neuerungen übernommen; dahin gehören die aus fremden Sprachen ins Deutsche entlehnten Wörter Pfeffer, Kartoffel, Orange, Ananas, Kaffee, Löwe, Tiger, Seide, Atlas, Vogt, Pacht, Finanzen, Turnier. Namentlich wo ein in seiner Lebenshaltung tiefer stehendes Volk mit einer hochentwickelten fremden Kultur in Berührung kommt, treten ganze Gruppen von Ausdrücken des betreffenden Sachgebietes über (vgl. als Beispiele den Einfluß der römischen Umwelt auf das Germanentum § 11 oder den der französischen Kultur auf das höfische Ritter-
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tum des Mittelalters § 15 und auf die modische Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts § 23). Bei starker politischer oder kultureller Abhängigkeit greifen diese Lehnbeziehungen auch auf Gebiete des Wortschatzes über, für die die entlehnende Sprache heimische Bezeichnungen durchaus besitzt oder leichtlidi aus vorhandenen Wortstämmen entwickeln könnte. So hat der Einfluß der a n t i k e n W i s s e n s c h a f t e n eine Unmenge gelehrter Fremdwörter ins Deutsche gebracht, für die heimische Bezeichnungen wohl denkbar gewesen wären (das beweist das Holländische, das zahlreiche uns unentbehrlich scheinende Fremdwörter nicht kennt, z. B. Theater, holl. scbouwburg, Idee, holl. denkbeeld, oder das Isländische, das nahezu völlig fremdwortfrei ist). Im Deutschen aber hat z. B. im Barockzeitalter der Einfluß der als überlegen angesehenen französischen Kultur zur Verwendung französischer Wörter sogar für Dinge geführt, für die heimische Bezeichnungen längst vorhanden waren (Papa, Mama, Onkel, Tante, Adieu). Schließlich spielen auch psychologische und s o z i a l e Gründe bei solchen Entlehnungen mit: das Bedürfnis namentlich der höheren Gesellschaftsschichten, in Unterhaltung und Dichtung (Konversation und Literatur) feinere Bedeutungsabschattungen wiederzugeben (z. B. Mut — Courage, Tapferkeit — Bravour, Unglück — Malheur), oder die Mode, sich gewählt auszudrücken, „sich en parlant von der Canaille zu distinguieren" (französierende Ausdrucksweise der Alamodezeit § 23, antike Ausdrücke der Gelehrtenwelt §18, englische Sportausdrücke § 2 9 >Hieraus ergibt sich also, daß man nicht in allen Fällen aus der Übernahme von Fremdwörtern auf sachliche Lehnvorgänge schließen darf (wie es bei dem Lehrsatze „Die Wörter wandern mit den Waren" im allgemeinen zutrifft), sondern daß man bei Rückschlüssen von sprachlichen Entlehnungen auf sachliche immer vorsichtig prüfen muß, ob für die gleiche Sache etwa vorher ein heimischer Ausdruck üblich war. Sowenig die Übernahme von Ausdrücken wie Onkel, Tante, Cousin, Cousine im 17. Jahrhundert den
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Schluß zuläßt, daß die Deutschen diese Verwandtschaftsgrade (vorher Oheim, Muhme, Vetter, Base) nicht gekannt hätten, ebensowenig läßt etwa die Entstehung des Wortes Pferd aus dem Volkslatein des merowingischen Zeitalters den Schluß zu, daß den Germanen das Pferd nicht bekannt gewesen wäre. Hier ist allerdings eine besondere Pferderasse, die als Zugtier vor dem Räderwagen geeignet war —• sonst war es ein Reittier — eingeführt worden: griech. pard ,bei' und spätlat. veredus ,Postpferd' zu keltischem redet vierrädriger Reisewagen' ergibt vom 6. Jahrhundert an zuletzt nhd. ,Pferd' (Kluge, Etymolog. Wb.). Das alte, heute in der Dichtersprache in alter Würde bewahrte Roß gilt im Volksmunde für ,Pferd' ohne besondere Wertung im weiten Südosten, in der Mitte des deutschen Westens ist Gaul, dort ohne abschätzigen Gefühlswert, aufgekommen, es war zunächst das junge Haustier überhaupt damit gemeint. Aus den angeführten Entlehnungen läßt sich nur folgern, daß man im 17. Jahrhundert eine Vorliebe für französisches Wesen hatte und daß das Pferd den Germanen im romanisierten Gallien entgegengetreten ist. Die herkömmliche Scheidung der fremden Bestandteile des deutschen Wortschatzes in L e h n w ö r t e r und F r e m d w ö r t e r ist mit voller Strenge nicht durchführbar. Als Kennzeichen des Lehnwortes gegenüber dem Fremdwort sieht man meist seine Anpassung an deutsche Sprachgewohnheiten hinsichtlich Lautgebung, Betonung und Abwandlung, daneben sein Eindringen in die allgemeine Umgangssprache an. Wenigstens ist das der zweckmäßigste Standpunkt; denn es geht nicht an, etwa alle in althochdeutscher und mittelhochdeutscher Zeit aufgenommenen Fremdlinge als Lehnwörter, die nach 1500 eingedrungenen aber als Fremdwörter zu bezeichnen. Wir werden also Wörter fremden Ursprungs, die sich nach Schreibung (z. B. Tanz, Möbel, Leutnant), Aussprache (z. B. Wein, Mauer, Sport), Betonung (z. B. Fenster, Banner, Kaffee) und Abwandlung (z. B. Schecke, Leutnante, Streike) deutscher Gewohnheiten gefügt haben, als Lehnwörter bezeichnen. Es macht dabei wenig aus, ob diese Wörter seit Jahrhunderten in die deut-
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sehe Sprache eingedrungen sind (wie Fenster, Wein, Mauer in germanischer Zeit aus dem Lateinischen, Banner und Tanz um 1200 aus dem Französischen) oder ob sie erst in neuerer Zeit (wie Leutnant, Möbel, Kaffee) oder gar neuester Zeit (wie Sport, Scheck, Streik) aufgenommen worden sind. Freilich ist der Grad der lautlichen Anpassung nicht immer entscheidend für die Beurteilung, ob ein Fremdwort wirklich eingebürgert ist. Denn es gibt Fremdwörter, die seit Jahrhunderten im Deutschen üblich sind, ihre Lautform aber kaum geändert haben (z. B. Evangelium, katholisch, Kompanie), und andere, die trotz fremder Schreibung, Aussprache und Betonung (z. B. Hotel, Bassin, Courage, Restaurant, Kognak, Photographie) selbst der Volkssprache und den Mundarten ganz geläufig sind. Audi die Tatsache, daß eingebürgerte Lehnwörter meist Ableitungen entwickeln (vgl. mauern, Maurer, ummauern usw. von Mauer), Fremdwörter dagegen nicht (von Bassin und Kognak gibt es keine Weiterbildungen), ist kein strenger Unterscheidungsgrund; denn Lehnwörter wie Ampel, Estrich und Söller haben auch keine Weiterbildungen entwickelt, das Fremdwort Friseur aber zeigt solche (wenn auch wohl aus der fremden Sprache mitgebrachte, vgl. Friseuse oder Friseurin, Frisur, frisieren). Eine durchgehende Scheidung in Lehn- und Fremdwörter ist also vom sprachgeschichtlichen Standpunkt schwer aufrechtzuerhalten; wir können hier nur feststellen, wann ein Fremdwort übernommen worden ist und ob es allgemein üblich geworden oder immer auf bestimmte fachliche oder gesellschaftliche Kreise beschränkt geblieben ist. Wichtig ist die Scheidung in Lehn- und Fremdwörter nur für die Frage der bewußten V e r d r ä n g u n g u n d E r s e t z u n g d e r F r e m d w ö r t e r . Denn die auf die Reinigung unserer Sprache von fremden Bestandteilen gerichtete Bewegung will, soweit sie nicht über das Ziel hinausschießt, nur die nicht heimisch gewordenen, e n t b e h r l i c h e n Fremdwörter, nicht aber die wirklich in den Sprachgebrauch der Allgemeinheit übernommenen Lehnwörter ersetzen. In früheren Zeitaltern spielte diese An-
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gelegenheit eine geringe Rolle, da wirklich unentbehrliche Fremdwörter von den Sprechenden selbst mundgerecht zugeschliffen und dadurch zu Lehnwörtern gemacht wurden, so daß eine bewußte, planmäßige Ausscheidung von Fremdwörtern kaum nötig war. Audi heute läßt sich von der Sprache des Volkes sagen, daß sich das Volk nie bewußt sprachreinigend betätigt, sondern nur unbewußt. Es paßt die Fremdwörter lautlich der heimischen Sprachform an, vgl. volkstümliche Betonungen wie Bü'ro, Ko'n-sum, die süddeutsche Aussprache von Pension ohne Hintergaumen-« und mit klarem -e-, die Schreibungen Schef und Schofför. Weit seltener führt es deutsche Ersatzwörter von sich aus ein (bayrisch Schnauferl für Automobil, obersächsisch Stöckelklemmer für Lorgnette). Bei der lautlichen Anpassung der Fremdwörter tritt dabei von jeher die Angleichung an bekannte heimische Wortstämme auf, indem man dem fremden, unverständlichen Wort eine sinnvolle Deutung zu geben sucht (sog. V o l k s e t y m o l o g i e ) , vgl. z.B. franz. valise zu Felleisen, mlat. ar(cu)ballista, altfranz. arbaleste zu Armbrust, mlat. contrapunctum zu kunterbunt, ein Vorgang, der übrigens auch heimische Wörter ergreift, deren Herkunft nicht mehr verstanden wird, z. B. Sündflut, eigtl. sin[t]fluot „allgemeine Überflutung", Maulwurf, eigtl. moltwerf „Erdwerfer", Wetterleuchten, früher weterleichen „Wetterspiel", Pickelhaube aus älterem Bekkenhaube. Soweit in älterer Zeit eine bewußte E r s e t z u n g d e s F r e m d w o r t e s vorkommt, geschieht es meist in der Weise, daß man den Sinn des fremden Wortes durch heimische Sprachstämme wörtlich übersetzt. Solche Ü b e r s e t z u n g s l e h n w ö r t e r spielen bei der Entstehung des deutschen Wortschatzes eine größere Rolle, als man zumeist annimmt. Schon die kirchlichen Übersetzer der althochdeutschen Zeit verfuhren ganz allgemein so, etwa wenn sie nach lat. conscientia Gewissen, nach misericors ahd. armaherzi (heute barmherzig), nach confessio bijiht (heute Beichte), nach compater Gevatter bildeten. Ein sehr großer Teil der deutschen Ausdrücke für religiöse, staatliche, wis-
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senschaftlidie Begriffe ist in dieser Weise nach dem Muster namentlich des Lateinischen gebildet. Audi in jüngerer Zeit und bis in die Gegenwart nehmen die Ubersetzungslehnwörter breiten Raum ein, z. B. in der Sprache der Politik (vgl. § 26), der Technik und in anderen Fachsprachen. Manchmal kommt es nicht zur Bildung völlig neuer deutscher Wörter durch dieses Verfahren, sondern bereits vorhandene heimische Wörter werden unter dem Einfluß fremder Wörter mit neuer Bedeutung erfüllt. So nimmt das deutsche Wort Rechnung in der Kaufmannssprache unter dem Einfluß des ital. conto im 15. und 16. Jahrhundert vielfach dessen Bedeutung an (vgl. laufende Rechnung nach conto corrente,auf neue Rechnung übertragen), das deutsche Wort Fluß „fließendes Wasser" wird zum Krankheitsnamen durch lat. fluor, griech. rheuma, Fall als grammatische Bezeichnung stammt von lat. casus, jemanden schneiden „ihn geflissentlich übersehen" geht auf engl, to cut zurück, überholen „gründlich nachsehen" auf engl, to overhaul, Ring hat erst in jüngster Zeit die Bedeutung des amerikanischen ring „Preisübereinkunft" angenommen ( B e deutungsentlehnung). Eine planmäßige Verdrängung der Fremdwörter setzt erst im 17. Jahrhundert ein, wo die Mitglieder der S p r a c h g e s e l l s c h a f t e n (z.B. Zesen, Harsdörffer, Schottel, vgl. § 23) manche brauchbare Verdeutschung bewußt geschaffen haben, der heute niemand mehr ihren künstlichen Ursprung ansieht (z. B. Oberfläche für lat. superficies, Rechtschreibung für Orthographie, Briefwechsel für Korrespondenz, Feldmesser für Geometer, Mitlaut und Selbstlaut für Konsonant und Vokal). Um 1800 ist vor allem die Tätigkeit des feinfühligen Verdeutschers J. H . C a m p e („Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke" 1801, 2. Aufl. 1813, vgl. § 25) wichtig, von dem so kühne, aber doch eingebürgerte Verdeutschungen stammen wie Feingefühl für Takt, Stelldichein für Rendezvous, Bittsteller für Supplikant, Festland für Kontinent, Kerbtier für Insekt, Lehrgang für Kursus, Tageblatt iürJournal. Für die Fachaus-
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drücke des Postwesens hat der General-Postmeister Stephan seit 1874 planmäßig deutsche Wörter geschaffen (einschreiben statt rekommandieren, postlagernd statt poste restante, Postanweisung statt Mandat, Postkarte statt Correspondenzkarte, Fernsprecher statt Telephon); ihm schlössen sich bald die Eisenbahn Verwaltung (Bahnsteig statt Perron, Abteil statt Coupe, Rückfahrkarte statt Retourbillet) und andere Behörden an. Seit 1885 wirkt der D e u t s c h e S p r a c h v e r e i n erfolgreich f ü r die Reinigung unserer Sprache, indem er durch seine Zeitschrift („Muttersprache") und seine Verdeutschungshefte den Sinn f ü r entbehrliche Fremdwörter in weiteste Kreise trägt. Die Sprache des Flugwesens hat von vornherein den Wortschatz aus deutschem Wortvorrat geholt: z. B. Flugzeug, landen, wassern. § 7. Mundart, Hochsprache, Umgangssprache, Sondersprachen P. K r e t s c h m e r , Wörtgeographie der hochdeutschen Umgangssprache (Göttingen 1918). — A. S c h i r m e r , Die Erforschung der deutschen Sondersprachen (Germ.-Roman. Monatsschr. V I ff.). — H . H i r t , Etymologie (Kap. 11, 12). Zu den voneinander nicht in jedem Wort einheitlich und scharf zu trennenden S p r a c h s c h i c h t e n vgl. W. P o r z i g , Das Wunder der Sprache, 2. Auflage 1957; W. H e n z e n , Schriftsprache und Mundarten, ein Uberblick über ihr Verhältnis und ihre Zwischenstufen im Deutschen, 2. Auflage Bern 1954. Beide nennen ausgiebig vorausgehendes Schrifttum. Die deutsche Sprache tritt uns von ihrem ersten Auftreten an in M u n d a r t e n gespalten entgegen. Strenggenommen gibt es f ü r die althochdeutsche und mittelhochdeutsche Zeit überhaupt nur Mundarten, wenn sich auch in der Kunstsprache der höfisch-ritterlichen Dichtung Ansätze zu einer Gemeinsprache durch Vermeidung des grob Mundartlichen zeigen. Bis zum Ausgang des Mittelalters ist der deutsche Wortschatz mehr oder weniger mundartlich gefärbt. Erst vom Zeitalter des Humanismus und der Reformation an breitet sich, zunächst f ü r den schriftlichen Verkehr, die Ver-
§ 7. Mundart, Hochsprache, Umgangssprache
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Wendung einer Gemeinsprache, der hochdeutschen S c h r i f t s p r a c h e (vgl. § 19) aus, die durch die überragende Bedeutung unserer klassischen Dichter im 18. Jahrhundert schließlich auch im mündlichen Verkehr durchdringt, ohne daß freilich landschaftliche Eigentümlichkeiten des Sprachgebraudis bis heute gänzlich verschwunden wären. So kommen auch heute, trotz anerkannter Herrschaft der Hochsprache, im Wortschatz süddeutscher, schweizerischer oder niederdeutscher Dichter noch L a n d s c h a f t s w ö r t e r vor (z. B. Pecher „Pechsucher", rauschig „berauscht", handsam „handlich, bequem, umgänglich" bei Peter Rosegger, äufnen „in die Höhe bringen, fördern", zutun „anschaffen", Gegenschwäher bei Gottfried Keller, sipp (bei den Deutschbalten zipp) „zimperlich" und plieren „tränen" bei dem Niederdeutschen Gustav Frenssen). Noch stärker als in der Schriftsprache sind bis heute die landschaftlichen Abweichungen im Wortschatz der gesprochenen U m g a n g s s p r a c h e . Für manche Begriffe des Alltagslebens hat sich ein gemeinsamer hochdeutscher Ausdruck überhaupt noch nicht herausgebildet. So stehen Sonnabend und Samstag (die gesamtdeutsche Karte von A. D. A v e d i s i a n im Deutschen Wortatlas Bd. V zeigt die Verteilung; im Nordwesten herrscht in scharf abgegrenzter Wortfläche Satersdag. Da ist jedesmal die alte Missionsgeographie grundlegend), Fleischer, Metzger, Schlächter und Selcher (Karten dazu bringt S c h ö n f e l d t im Wortatlas X ) , Tischler und Schreiner, Töpfer und Hafner, Klempner und Spengler, Treppe und Stiege, Semmel, Schrippe und Brötchen, fegen und kehren (ihre Verteilung und Nachbarschaft mit andern Sinngleichen bringt in gesamtdeutscher Wörtgeographie der Wortatlas III), klingeln, läuten und schellen, Sahne und Rahm (hierzu mit weiteren Sinngleichen die Karte von Kristine Nielsen im Wortatlas V), Mütze und Kappe geographisch getrennt, oft gleichberechtigt nebeneinander. Genauere Darstellung in Einzelmonographien solcher, vor allem mundartlicher, aber von da aus weithin umgangsprachiger Wortgeographie haben außer den obengenannten unterdessen die manchmal in die Tausende gehende
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Einleitung
Synonymik erfahren von Ahorn, Augenbraue, Augenlid, Brennessel, Brombeere, Fliege, Zweiter Grasschnitt (Grummet), Kartoffel, Kreisel, Mücke, Schlüsselblume, veredeln, Zaunkönig, sich beeilen, Enterich, Kater, Nebel, Pfriem, Quecke, schelten, Schnupfen, Stachelbeere, Stellmacher, Wacholder, Wiederkäuer, Gabeldeichsel, Einspännerdeichsel, Glühwürmchen, Grasschwade, Sperling, Heckenrose, Holunder, Kopfweh, Maulwurf, Ohrwurm, Rauhreif, Streichholz, Zahnschmerzen, Anemone, auswringen, Bauchweh, Begräbnis, es blitzt, Elster, Frühling, Genids, Heuschrecke, Hügel, Junge, Mädchen, Knöchel, Kröte, Frosch, Kruste, leer, Mutterschwein, Narbe, Pflugwende, Roggen, Ameise, Beule, hageln, Hebamme, Kaulquappe, Kornblume, Viehbremse, Ziege, Schwiegervater, -mutter, -söhn, -tochter, weibl. Kalb, weibl. Lamm, Ferkel, männl. Gans, Täuberich, pflügen, dengeln, irdener Topf. Vgl. Deutscher Wortatlas (oben § 2), wo auf Karten darüber hinaus Hummel, Pate, Patin, Käfer, Stecknadel, Stricknadel, Warze, ziehen mit ihrem landschaftlichen Wortschatz dargestellt sind. Aber nicht nur landschaftlich ist der Wortschatz gegliedert, sondern auch nach G e s c h l e c h t , A l t e r s s t u f e , B i l d u n g s g r a d , S t a n d u n d B e r u f bestehen Abweichungen im Wortschatz (sog. G r u p p e n - , F a c h - S o n d e r s p r a c h e n ) . Zwar gibt es im Deutschen keine ausdrückliche Weiberspradie (wie etwa bei den Kariben), aber gewisse Wörter gelten doch als kennzeichnend für das weibliche Geschlecht, besonders im Backfischalter (vgl. z. B. Steigerungswörter wie rasend, wahnsinnig, phantastisch), während die gleiche Altersstufe männlichen Geschlechts dafür kräftigere Ausdrücke (etwa pfundig, zackig, ganz groß) bevorzugt. Daß es Lieblingsausdrücke der Jugend ebenso wie des Alters gibt, ist sowohl an der gesprochenen Sprache wie der unserer Dichter (z. B. Goethe) schon oft beobachtet worden. Daß ferner zwischen dem Wortschatz eines gelehrt Gebildeten und dem eines nur mit Volksschulbildung ausgestatteten Menschen ein Unterschied besteht, ist eine Tatsache, die leider in der Vergangenheit oft genug das gegenseitige Verständnis der einzelnen Volksteile er-
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schwert hat. Vor allem die durch die gelehrte Schulbildung verbreiteten Fremdwörter haben in den deutschen Wortschatz vielfach eine gemeinschaftshemmende Spaltung gebracht. Irrig ist jedoch die Ansicht, daß der Wortschatz eines geistigen Arbeiters ohne weiteres viel umfangreicher sein müsse als der eines Handarbeiters, wie man früher oft behauptet hat. Vielmehr haben neuere Beobachtungen ergeben, daß z. B. der Wortschatz eines Bauern oder eines Handwerkers nicht selten eine erstaunliche Mannigfaltigkeit der Ausdrucksweise, auch abgesehen von den Fachwörtern des Berufslebens, aufweist, z. B. für das Gefühlsund Liebesleben, besonders für Scherz, Schimpf und Spott. Daß die S o n d e r s p r a c h e n ( F a c h s p r a c h e n ) der verschiedenen Stände und Berufe den Reichtum ihres Wortschatzes nicht einfach auf ihre besondere, dem Außenstehenden unbekannte Begriifswelt gründen, sondern daß vielfach auch für ganz allgemein geläufige Vorstellungen in einem bestimmten Stande besondere Bezeichnungen entwickelt werden, zeigt z . B . die W e i d m a n n s s p r a c h e , die auch dem Laien bekannte Dinge und Vorgänge mit nur ihr eigentümlichen Wörtern benennt (z. B. die Körperteile oder die Bewegungen der einzelnen Wildarten). Das R o t w e l s c h der Gauner hat für durchaus im Bereich des allgemeinen Verständnisses liegende Begriffe so abweichende Bezeichnungen, daß es das Wesen einer Geheimsprache annimmt. Und mit der Sprache der S t u d e n t e n und der S c h ü l e r (Pennäler) ist es ähnlich. Bei vielen Berufssprachen, wie denen der B u c h d r u c k e r , der K a u f l e u t e , der S e e l e u t e , der T e c h n i k e r usw., beruhen die Abweichungen im Wortschatz allerdings darauf, daß die betreffenden Berufe für zahlreiche Einzeldinge, deren Kenntnis der Allgemeinheit fernliegt, genaue Fachbezeichnungen entwickelt haben, die für eine klare und irrtumsfreie Verständigung notwendig sind. In der vorliegenden Darstellung werden sondersprachliche Ausdrücke nur insoweit behandelt werden, als sie weiteren Kreisen geläufig sind. Anderseits können wir die Sondersprachen (Fachsprachen) nicht außer acht lassen, da gerade ihr Wortschatz Schirmer-Mitzka,
Wortkunde
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Einleitung
vielfach wichtige kulturgeschichtliche Vorgänge bezeugt. Der Wortschatz der deutschen Mundarten und der landschaftlich gefärbten Umgangssprache weist eine erstaunlich lebhafte Freude an der Fülle landschaftlicher Ausdrücke auf (vgl. Deutscher Wortatlas und § 2). § 8. Modewörter, Sdilagwörter, Geflügelte Worte; Namen Vgl. F. H e r r m a n n , Modische Erscheinungen im heutigen Deutsch (Bielefeld 1931). — O . L a d e n d o r f , Historisches Schlagwb. (Straßburg u. Berlin 1906). — H . H i r t , Etymologie (§ 166 und Kap. 16). — M. G o t t s c h a l d , Deutsche Namenkunde (3., vermehrte Auflage von E. B r o d f ü h r e r , Berlin 1954); d e r s e l b e , Die deutschen Personennamen (Berlin 1940, Sammlung Göschen Bd. 422). — A. H e l b o k , Die Ortsnamen im Deutschen (Berlin 1939, Sammlung Göschen Bd. 573). — A. B a c h , Deutsche Namenkunde I — I I I Heidelberg 1952—56. — E . S c h w a r z , Deutsche Namenforschung, Bd. I Ruf- und Familiennamen, Göttingen 1949, Bd. I I Orts- und Flurnamen 1950. — G. B ü c h m a n n , Geflügelte Worte, Fischer-Bücherei 1957. Fast in jedem Zeitalter gibt es Wörter und Wendungen, die von bestimmten Kreisen, seltener von der ganzen Sprachgemeinschaft eine Zeitlang mit besonderer Vorliebe gebraucht werden und die man deshalb als M o d e w ö r t e r bezeichnet hat. Für die Gegenwart drängen sich Beispiele auf wie etwa restlos, (ein Mann) von Format, ganz groß, „Ausgeschlossen!" (als starke Verneinung), „Allerhand!" oder „Meine Herren!" (als Ausrufe des Staunens). Während für die Gegenwart die Feststellung solcher Modewörter ziemlich leicht ist, können wir für weiter zurückliegende Sprachzeitalter solche Lieblings- und Modewörter zumeist nur durch umfangreiche Häufigkeitsbeobachtungen (bisweilen auch durch unmittelbare Zeugnisse) nachweisen. Doch sind gerade sie für unsere Betrachtung sehr wichtig, da sie zumeist wertvolle kultur- und sittengeschichtliche Rückschlüsse zulassen (vgl. etwa die Ausdrucksweise des höfischen Rittertums im 13. Jahrhundert § 15, die der höhe-
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ren Gesellschaftsschichten in der Alamodezeit § 23, die Kraftausdrücke des Geniezeitalters § 25). Allerdings ist es auf Grund der schriftlichen Überlieferung nicht immer leicht, zwischen Lieblingsausdrücken eines einzelnen Schriftstellers und denen eines ganzen Zeitalters zu scheiden. Eine ähnliche Rolle spielen die S c h l a g w ö r t e r , Ausdrücke, die durch den Beiklang eines bestimmten Gefühlstones mehr bedeuten als die bloße durch sie bezeichnete Vorstellung. So sind etwa völkisch, Goldwert oder Neutöner solche Schlagwörter aus neuerer Zeit, weil sie ganz bestimmte politische, wirtschaftliche oder künstlerische Nebenvorstellungen auslösen. Für frühere Zeiten setzt der Nachweis solcher Schlagwörter (auch f a r b i g e W ö r t e r genannt) ein sorgsames Einfühlen in den Wortgebrauch der betreffenden Zeitalter voraus, soweit uns nicht sog. r e d e n d e B e l e g e ( z . B . „Wir lesen in neuester Zeit so gar viel von Fortschritten und Emanzipationen", Griesinger 1840) oder Mittel des Druckes wie Sperrung oder Anführungszeichen Hinweise geben. Die G e f l ü g e l t e n W o r t e gehen uns in dieser Darstellung weniger an: sie sind Zitate von Wörtern, häufiger ganzen Wendungen, Sätzen oder Versen aus Dichtern, Schriftstellern und Rednern. Nur in Ausnahmefällen gehören sie in eine kulturgeschichtliche Darstellung des Wortschatzes. Am vollständigsten gesammelt hat sie G. Büchmann in seinen „Geflügelten Worten". Die Behandlung der E i g e n n a m e n (Vor- und Familiennamen, Ortsnamen, Völkernamen, Hausnamen usw.) muß in dieser Darstellung leider aus Raumgründen auf gelegentliche Andeutungen (vgl. §§ 10, 16, 18, 19, 29) beschränkt bleiben, obgleich sie viele kulturgeschichtliche Erinnerungen durch die Zeiten weitertragen. Das E r b e der V o r z e i t § 9. Die indogermanische Urzeit H . K r ä h e , Idg. Sprachwissenschaft (Berlin 1943; Sammlung Göschen Bd. 59 u. 64). — O. S c h r ä d e r und 3*
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H . K r ä h e , Die Indogermanen (Leipzig 1935). — O. S c h r ä d e r und A. N e h r i n g , Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde (Berlin, 2. Aufl. 1917—29). — A. W a l d e und J. P o k o r n y , Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen (3 Bde., Berlin und Leipzig 1927—32, verarbeiten das Schrifttum bis 1923). — J. P o k o r n y , Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, (Bern; I 1951—1959; II Einleitung, Register). — F. S t r o h , Indogermanische Ursprünge (Deutsche Wortgeschichte I, 2. Auflage 1959 [besorgt von H . R u p p ] ) . Die deutsche Sprache gehört als Glied der germanischen Sprachgruppe zu der großen i n d o g e r m a n i s c h e n S p r a c h f a m i l i e . Diese indogermanische Ursprache ist eine wissenschaftliche Konstruktion; geschichtlich bezeugt oder schriftlich überliefert ist sie nicht. Wir können lediglich den Lautstand, das Formensystem und den Wortschatz der Ursprache mit annähernder Sicherheit aus den Gemeinsamkeiten der verschiedenen, aus dem Indogermanischen entsprungenen und schriftlich überlieferten Sprachen erschließen (Vergleichende Sprachwissenschaft). Wann, wound von wem diese indogermanische Ursprache gesprochen worden ist, darüber sind nur ziemlich allgemeine Angaben möglich. Immerhin läßt sich mit großer Sicherheit so viel sagen, daß das indogermanische Urvolk, der Träger dieser Sprache, etwa bis ins 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung in Mittel- und Nordeuropa (nach anderer Ansicht in Westasien) gewohnt hat. Die Kulturstufe dieses Urvolkes ist als die der jüngeren Steinzeit, zur Zeit seiner Auflösung, in Einzelstämme als die des Übergangs von der jüngeren Steinzeit zur älteren Bronzezeit anzusprechen. Wahrscheinlich ist es das gleiche Volk, das die Vorgeschichtsforschung auf Grund der Bodenfunde als Schnurkeramiker und als Streitaxtleute bezeichnet. Von den Lebensgewohnheiten des indogermanischen Urvolkes wissen wir nicht viel. Zwar hat die vergleichende Sprachwissenschaft schon seit fast einem Jahrhundert eine R e k o n s t r u k t i o n der i n d o g e r m a n i s c h e n Kult u r v e r h ä l t n i s s e versucht, indem sie von der Voraus-
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setzung ausging, daß diejenigen Dinge, für die sich in allen oder wenigstens mehreren indogermanischen Spradigruppen miteinander verwandte Bezeichnungen finden, schon dem Urvolk bekannt gewesen sein müssen, während das Fehlen solcher „Wortgleichungen" auf das Fehlen auch der Sache zu schließen gestatte. Diese „ l i n g u i s t i s c h e P a l ä o n t o l o g i e " (A. Kuhn, A. Pictet) ist jedoch nicht unbedingt verläßlich. Denn einmal kann bei der vielfach lückenhaften Überlieferung namentlich der älteren Entwicklungsstufen der indogermanischen Sprachen das Fehlen eines Wortes in einer bestimmten Sprache zufällig sein, anderseits sind uns die Lehnbeziehungen innerhalb der Glieder der indogermanischen Sprachfamilie (und noch mehr die Lehnbeziehungen der indogermanischen Ursprache zu anderen nichtindogermanischen Spradifamilien) so wenig bekannt, daß viele unserer Rückschlüsse auf sehr unsicherer Grundlage ruhen. Zudem kann bei Erhaltung eines Wortstammes in allen indogermanischen Sprachen zwar die Form die gleiche geblieben sein, die Bedeutung jedoch allgemein eine durch die gesamte Kulturentwicklung bedingte Wandlung durchgemacht haben, die uns jeden Ansatz einer ursprachlichen Bedeutung unmöglich macht. Wir werden also die kulturgeschichtlichen Schlüsse der vergleichenden Sprachwissenschaft mit Vorsicht aufnehmen und ihnen nur insoweit Bedeutung beimessen, als sie durch die Wissenschaft des ausgrabenden Spatens und durch völkerkundliche Vergleichung einigermaßen gestützt sind. Und da ergibt sich das Folgende. Das i n d o g e r m a n i s c h e U r v o l k bestand — entgegen früherer Annahme — nur zum Teil aus viehzüchtenden Hirten (Nomaden); im wesentlichen war es, zumindest in seinen europäischen Wohnsitzen, ein Volk von seßhaften Ackerbauern, die einfache Formen der Feldbestellung mit dem Hakenpflug, später wohl auch höhere Formen des Ackerbaues kannten. Hauptgetreide war die Gerste; vielleicht war auch die Hirse bekannt. Obst- und Gemüsebau wurde noch nicht getrieben. Die Indogermanen verstanden sich auf die Zähmung von Haustieren. Die wichtigsten
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Haustiere waren das Schaf, dessen Wolle man benutzte, die Ziege, die ihrer Milch wegen gehalten wurde, und das Rind, das als Zugtier bei der Feldbestellung diente. Auch Pferd, Hund, Schwein waren bekannt, nicht dagegen Esel, Maultier, Katze und Huhn (das mitsamt dem Hahn Homer noch nicht kennt). Der Wald mit seinen Bäumen und Tieren war den Indogermanen wohlvertraut, und zwar sind es vor allem die Bäume des mittel- und nordeuropäischen Waldes, die uns der gemeinsame Wortschatz bezeugt (Buche, Birke, Fichte, Föhre), dazu Waldtiere wie Wolf, Fuchs, Elch, Hirsch, Hase (nicht die Tiere Asiens wie Löwe und Tiger). Bekannt waren ferner Vögel wie Ente, Gans, Adler, Kranich und Star. Fischnamen indogermanischen Ursprungs sind nur wenige bezeugt. Der Lachs ist nur den Westindogermanen bekannt, doch die Römer lernen ihn (fehlt im Mittelmeer und seinen Zuflüssen) erst bei den Galliern kennen. Die Tocharen nehmen aus Europa das Wort nach Ostturkistan mit, finden dort aber diesen Fisch nicht und übertragen den Namen auf den Fisch überhaupt. Die Wohnstätten der Indogermanen bestanden aus hölzernen viereckigen Häusern, deren Wände auch aus Flechtwerk (Wand ist von winden abgeleitet) hergestellt waren. Das gezähmte Pferd war vor allem Reittier, der Zugochse zog einen (anfangs zweirädrigen, später vierrädrigen) Wagen. Kahn und Ruder besaßen die Indogermanen, ein Seefahrervolk waren sie aber nicht. Vielleicht kannten das Meer überhaupt nur Teile des Urvolkes. Von den Metallen war sicher nur das Kupfer (Erz) bekannt; noch nicht vertraut war man mit dem Eisen und dem Schmiedehandwerk. Aus Honig und Gerste wurde ein Rauschtrank (Met) hergestellt. Als Wertmesser des Besitzes galt das Vieh. Die Familiengemeinschaft war eine patriarchalische Großfamilie; das Verwandtschaftsgefühl war voll ausgebildet, wie uns die zahlreichen in indogermanische Zeit zurückreichenden Verwandtschaftsbezeichnungen beweisen. Das Sippen- und Stammesgefühl waren kräftig entwickelt. Das Rechtsverhältnis der Ehe bestand, doch war die Stellung der Frau, der vor allem die Besorgung der Feldarbeit oblag, wohl
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noch unfrei. Im Rechtsleben spielten Eid, Gastfreundschaft, Blutrache und Wergeid wichtige Rollen. Religiöse Vorstellungen besaßen die Indogermanen; von den Götternamen geht aber nur der des Himmelsgottes (Zeus, Jupiter, Ziu) in indogermanische Urzeit zurück. Den Göttern wurden Opfer gebracht. Die Toten wurden begraben, die Ahnen hoch verehrt. Die Himmelserscheinungen, wie Sonne, Mond und Sterne, Blitz und Donner, beachtete man; bekannt waren den Indogermanen die Jahreszeiten Sommer und Winter, dazu die Naturerscheinung des Schneiens (was zugleich auf nördliche Wohnsitze des Urvolkes hinweist). Das Wort,Schnee' ist bis nach Indien (altind. sneha —) bekannt. Der hohe Kulturstand der Indogermanen, der sich aus dem Angeführten ergibt, wird auch dadurch erwiesen, daß die Zahlwörter von eins bis hundert geläufig waren, während es heute noch urtümliche Völker gibt, die kaum über drei hinaus zählen können. Mit der Zehnerrechnung, die die Grundform der indogermanischen Zählung ist, kreuzen sich hier und da andere Rechnungsformen, namentlich Spuren der Zwölferrechnung. Von unserem heutigen W o r t s c h a t z an Erbwörtern mag ein knappes Viertel der Grundwörter seinem Ursprung nach bis in die indogermanische Urzeit zurückreichen, und zwar handelt es sich dabei zum größten Teil gerade um solche Wörter, die später in der Entwicklung von Ableitungen und Zusammensetzungen besonders fruchtbar gewesen sind, so daß sich ein recht bedeutender Teil unseres heutigen Wortschatzes (mehr als die Hälfte) auf jene alte Grundlage aufbaut. Einige der wichtigsten aus jener Urzeit stammenden Wörter seien hier aufgezählt, wobei wir leider manches wichtige Wort indogermanischer Abkunft, das in althochdeutscher Zeit noch vorhanden war, wie ehu „Pferd", nur im Emsland für das einjährige Pferd, vgl. lat equus = griech. hippos (in Philipp ,Pferdefreund', Hippodrom) gomo „Mann" (erhalten in Bräutigam), quena „Weib" (vgl. engl, queen), ou „Schaf" (mundartl. Au, Äue „Mutterschaf") auslassen müssen:
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H a u p t w ö r t e r : Aar, Aas, Achse, Achsel, Acker, Ader, Ahle, Ahorn, Ähre, Angel, Arm, Asche, Ast, Atem, Auge, Balken, Bann, Bär, Barsch, Bart, Bauch, Beil, Berg, Biber, Birke, Blatt, Blitz, Blume, Bock, Braue, Brei, (Vieh-)Bremse, Bruder, Buche, Bude, Bug, Dach, Dachs, Dämmer, Darm, Daumen, Deichsel, Diele, Donner, Dorn, Drohne, Drossel, Düne, Dunst, Eber, Egge, Ehe, Ehre, Ei, Eibe, Eiche, Eis, Elch, Elle, Ende, Enkel, Ente, Erbse, Erle, Esche, Espe, Euter, Faden, Falter, Farn, Faust, Feder, Feind, Feld, Fell, Felsen, Ferkel, Ferse, Feuer, Fichte, Fisch, Flachs, Fladen, Flur, Flut, Fohlen, Föhre, Frau, Freund, Fuchs, Furche, Fuß, Futter, Galle, Gans, Garn, Gast, Gaumen, Geier, Geiß, Ger, Gerste, Gras, Hachse, Halm, Hals, Hase, Haupt, Haut, Herz, Hirn, Hirsch, Holz, Honig, Horn, Huf, Hund, Igel, Imme, Joch, Kalb, Kehle, Kind, Kinn, Knie, Kranich, Kuh, Leder, Leib, Lende, Leute, Licht, Linde, Lippe, Lohe, Luchs, Lust, Magd, Mähne, Mark, Maul, Maus, Meer, Met, Milch, Minne, Mist, Mitte, Mond, Mord, Mund, Mutter, Nabe, Nabel, Nacht, Nagel, Name, Nase, Nebel, Neffe, Nest, Nestel, Niere, Ochse, Ohr, Osten, Otter, Rad, Rat, Raub, Rechen, Riese, Rind, Rinde, Rücken, Ruder, Ruhm, Salbe, Salz, Sau, Schar (Menge), (Pflug-)Schar, Schein, Schnabel, Schnee, Schwäher, Schwan, Schwester, Sehne, Seil, Sieg, Sippe, Sommer, Sonne, Specht, Sperling, Star, Stern, Stier, Stirn, Strang, Strom, Tag, Tanne, Tau, Teig, Tochter, Tor, Torf, Tür, Ufer, Unke, Vater, Vieh, Wabe, Wachs, Wasser, Wechsel, Weg, Welle, Werk, Widder, Wind, Wolf, Wolle, Zahn, Zähre, Zange, Zunge. E i g e n s c h a f t s w ö r t e r : arm, barsch, dünn, ehern, eigen, eng, falb, faul, feil, fern, frei, gelb, hart, jung, kalt, lang, lieb, minder, mitten, mürbe, nackt, neu, queck (vgl. Quecke), roh, rot, süß, stark, still, toll, weiß, weit. Z e i t w ö r t e r : bauen, beißen, bieten, binden, bohren, dulden, essen, fahren, falten, fechten, flechten, fragen, frieren, fühlen, gären, gehen, hehlen, heischen, hinken, husten, kiesen, kommen, können, leihen, liegen, mahlen, mahnen, säen, sagen, schauen, scheren, schieben, schneien, schweben, schwellen, schwirren, schwitzen, sehen, seihen,
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sein, sitzen, spähen, springen, stauen, stehen, steigen, sterben, stöhnen, tun, wachen, weben, wehen, wehren, weichen, werden, wissen, wollen, zähmen, zehren, zeihen, ziemen. F ü r w ö r t e r : der, dich, du, er, ich, mich, sich, sie, uns, wer, wir usw. Z a h l w ö r t e r : eins bis zehn, hundert, viel. § 10. Die germanische Gemeinschaft
Vgl. A. T o r p und H . F a l k , Wortschatz der germanischen Spracheinheit (Göttingen 1909). — J . H o o p s , Reallexikon der germanischen Altertumskunde (4 Bde., Straßburg 1911—1919). — T . E. K a r s t e n , Die Germanen. Eine Einführung in die Geschichte ihrer Sprache und Kultur (Berlin und Leipzig 1928). — H . G ü n t e r t , Der U r sprung der Germanen (Heidelberg 1934). — H . K r ä h e , Germ. Sprachwissenschaft (Berlin 1942; Sammlung Göschen Bd. 238, 780). — T h . S t e c h e , Deutsche Stammeskunde (Berlin 1942; Sammlung Göschen Bd. 126). — F. S t r o h , Germanentum (Deutsche Wortgeschichte I 2 , ergänzt und um Hinweise auf neues Schrifttum erweitert von H a n s Rupp). Zu der Zeit, wo uns die G e r m a n e n zum ersten Male in den Berichten der antiken Völker entgegentreten, sind sie als Volks- und Spradieinheit schon lange aus dem indogermanischen Urvolk ausgegliedert. Die hervorstechendsten Kennzeichen der germanischen Sprachen, die Verschiebung der Verschlußlaute (sog. 1. oder germanische Lautverschiebung) und die Zurückziehung des frei beweglichen Worttones auf die Stammsilbe, sind in den frühesten germanischen Wörtern und Namen bereits ausgebildet. Wie die Germanen vom Beginn ihres Eintretens in die Geschichte in Stämmen erscheinen, so begegnen uns auch die frühesten literarischen Denkmäler der germanischen Völker in mundartlicher Vielfalt. Außer einigen Namen und Wörtern, die uns die klassischen Schriftsteller überliefert haben, kennen wir keine Wortformen aus der Zeit der germanischen Ge-
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meinschaft. Manche Runeninschriften auf Geräten und Waffen ragen eben nodi in die gemeinsame Ursprache zurück, allen voran eine Weiheinschrift in italischen Buchstaben auf einem Helm der Cimbern- und Teutonenkriege, ein Jahrhundert vor Chr. Geb. Im ganzen sind wir, wie bei der Ursprache, auch für die Zeit der germanischen Gemeinschaft darauf angewiesen, die Sprache, das U r g e r m a n i s c h e , aus Gleidiungen der verschiedenen germanischen Tochtersprachen (Gotisch, Althochdeutsch, Altsächsisch, Altnordisch, Altenglisch) zu erschließen. Der N a m e der Germanen ist nach Tacitus jung und galt zunächst nur für eine kleinere Völkerschaft des rheinischen Grenzgebietes. Erst später wurde er von Galliern und Römern auf das Gesamtvolk ausgedehnt. Er ist höchstwahrscheinlich ein germanisches (nicht keltisches) Wort und hängt vielleicht mit erman-, irmin- „groß, gewaltig" zusammen (vgl. Arminius, Ermanarich, Irminsul). Das Germanenvolk hat nach Ausweis der Bodenfunde wohl seit jeher von Südskandinavien und den Gestaden der Nord- und Ostsee-bis an die Südgrenzen der norddeutschen Tiefebene gewohnt und sich später bis südlich des Mains und der Donau ausgebreitet, wo vorher Kelten saßen, sonst kommen noch Illyrer in Betracht. Nach dem Zeugnis der römischen Schriftsteller zeigten die Germanen hohe, kräftige Gestalt, blaue Augen und blonde Haare als typische Kennzeichen. Ihr Kulturzustand, ursprünglich bronzezeitlich, war zur Zeit der Berührung mit den Römern der des Ackerbaus und der Eisenverwendung, doch scheint die Kunst der Eisenbearbeitung erst von den westlich benachbarten Kelten übernommen worden zu sein. Im Wortschatz zeigt das Germanische, neben dem Verlust manches indogermanischen Stammes (wie pö „trinken", dö „geben"), wichtige Neuerungen, die sich namentlich in der reichen Ausbildung von Wörtern für die fortgeschrittene Wirtschaftsform, für Begriffe aus dem Bereich des Kriegslebens und für sittliche und religiöse Vorstellungen äußern. Man hat den in germanischer Zeit erfolgten Wortzuwachs etwa auf ein Viertel des gesamten heutigen deut-
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sehen Wortschatzes veranschlagt. Den Wirtschaftszustand der Germanen, der sich wesentlich auf G e t r e i d e b a u u n d V i e h z u c h t aufbaute, verdeutlichen etwa die folgenden germanischen Prägungen: Beere, Bohne, braten, Brot, dengeln, Distel, Dotter, Dung, Fleisch, hacken, Harke, Hechel, Hede, Hengst, Herd, Kalb, Krippe, Lamm, Leder, Mähre, Roß, rösten, Schaf, Schinken, sieden, Speck, Speiche, Talg, Wachs, weiden. Man kannte G e f l ü g e l als Haustiere, wie Hahn, Huhn, Henne, Taube, ferner Ente und Gans, die als Wildvögel schon in vorgermanischer Zeit bekannt waren. Zahlreiche T i e r e u n d V ö g e l des W a l d e s treten mit gemeingermanischen Namen auf: litis, Marder, Rabe, Reh, Wiesel, Wisent, Ur (Auerochs), Habicht, Häher, Reiher und Storch. Für das W o h n u n g s w e s e n , für das ein neuer, reicher Wortschatz auftritt (z. B. Bank, Bett, Bohle, Brett, Esse, Fach, First, Flett, Halle, Hof, Kofen, Laube, Saal, Sparren, Span, Wand), ist kennzeichnend, daß Ausdrücke für den Steinbau noch völlig fehlen (die Esse und das Flett, die Tenne, waren aus Lehm); die hölzerne Bauweise war die übliche. Das Fachwerk, als Balkengerüst mit Lehmstrohfüllung, ist von den Altsachsen in der Völkerwanderungszeit geschaffen worden. K ä m p f e r i s c h e V e r w i c k l u n g e n unserer Vorfahren spiegeln sich in Neubildungen wie Waffe, Spieß, Schwert, Schild, Helm, Bogen, Schleuder, Strauß, Fehde, Friede, raufen, ringen, folgen, fliehen, zwingen, (auf-)spüren, feige (eigentlich „todwund"). Hier sei auch ein Hinweis auf die germanischen P e r s o n e n n a m e n gebracht, deren (aus indogermanische Zeit stammende) zweigliedrige Bildungsart vielfach Grundwörter wie Kampf, Sieg, Heer, Ruhm verwendet: Günter (= Gundahari „Kampf" und „Heer"), Segimerus „siegberühmt", Hildebrand und Hadubrand „Kampfschwert", Ludwig „kampfberühmt", Gernot und Notger „Speerschwung". Audi Frauennamen entstammen der gleichen Vorstellungswelt, allerdings oft von Männernamen abgeleitet: Brünhild ( = „Brünne" und „Kampf"), Kriemhild ( = „Helm" und „Kampf"), Hedwig ( = „Kampf" und „Kampf"), Hilde-
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Das Erbe der Vorzeit
gund (dasselbe). Da sind jene Glieder des zweiteiligen Namens, wie auch in männlichen Namen, in der Folge der Generationen von Namen älterer Verwandter (Großeltern usw.) für die Kinder zusammengestellt worden. Das ausgebildete R e c h t s l e b e n der Germanen beweisen Neubildungen wie Adel, Bann, Dieb, dienen, Ding (ursprünglich Gerichtsverhandlung), rügen, Sache (ursprünglich Rechtshandel, -streit), schwören, sühnen, Volk, Wirt. Im alten Frankenlande kommen urkund = Zeuge, Zeugnis, urteil als Rechtswörter auf. Ausdrücke der ständischen Gliederung treten früh auf: König, Graf, Herr, Herzog. Mannigfach sind die Neuprüfungen für s i t t l i c h e und r e l i g i ö s e V o r s t e l l u n g e n , die einen Zug der Sprache vom sinnlich Wahrnehmbaren zum Begriifliehen zeigen: arg, besser, blöde, Ernst, frech, Furcht, Geist, Gott, Grimm, gut, Haß, hehr, Himmel, hold, Hölle, Neid, Ruf, Ruhm, Seele, Spuk, träge, trauern, Treue, Wunder, Zauber. Gemeingermanische Götternamen sind Ziu (Beiname Thingsus — Gott des Things, des Rechts, daher unser Dienstag, der in Schwaben noch Ziestag = Tag des Ziu heißt), Donar (Gott der Bauern), Ostra (vgl. Ostern), während Wodan (Gott der Dichter und Krieger, zu ,Wut', vgl. die heilige Wut im griechischen Dionysoskult) und Nerthus zunächst nur Stammesgottheiten waren. Zeigte schon die Bildungsweise der Personennamen vielfach einen Zug ins Dichterische, so treten jetzt auch Wörter wie Lied und singen auf. Kennzeichnend für den germanischen Wortschatz sind ferner zahlreiche Neubildungen, die sich auf S e e f a h r t und F i s c h f a n g beziehen, z. B. Aal, Dorsch, Ebbe, Fock, Hafen, Haff, hissen, Jolle, Kahn, Kiel, Klippe, leck, Lee, Luke, Möwe, Nachen, Netz, reffen, Reede, Reuse, Rogen, Schiff, schwimmen, See, Segel, Spiere, Stange, Steuer, Stint, Strand, Sturm, Takel, Tran, Wrack. Audi die Namen für die Himmelsrichtungen sind erst von den seefahrenden Germanen gebildet (Nord, Ost, Süd, West, vgl. Kluge, Etymol. Wörterbuch). Das begrenzte indogermanische Z a h l e n s y s t e m wird bereichert um den Begriff des Tausends (urspr. = Viel-
§10. Die germanische Gemeinschaft
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hundert). In der Z e i t r e c h n u n g spielt die Zählung nach Nächten eine größere Rolle als die nach Tagen (vgl. neuengl. fortnight „14 Tage", deutschmundartlich heint = (heute nacht) „heute", Fastnacht, Weihnacht); die Einteilung des Jahres in Monate ( = Monde) war schon aus indogermanischer Zeit geläufig, doch fehlen urgermanische Monatsnamen. Über die sprachlichen L e h n v e r h ä l t n i s s e der Germanen läßt sich Genaueres aussagen als über die der Vorzeit, obgleich auch in jener Entlehnungen stattgefunden haben. So scheinen die Wörter Erz, Silber, Hanf, Linse, Rühe, Affe, Krug Lehnwörter aus nichtindogermanischen Sprachen zu sein. Das für die Bronze unentbehrliche Kupfer ist nach der Insel Zypern (griech. kypros) benannt. Die Germanen ihrerseits haben in der Urzeit an die Finnen eine große Zahl von urgermanischen Lehnwörtern abgegeben; Gegenbeziehungen durch Entlehnung finnischer Wörter ins Germanische sind aber nicht nachweisbar. Eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die der germanische Wortschatz mit dem k e l t i s c h e n aufweist, dürfte zum Teil auf den engen nachbarlichen Beziehungen dieser beiden Völkergruppen beruhen (Eid, Erbe, frei, Geisel, Rune, Lot „Blei", Mähre „Pferd"), zum Teil handelt es sich dabei um Entlehnungen aus dem Keltischen (Amt, Reich, wohl auch Eisen, letzteres ein Zeuge für die bei den Kelten frühzeitig entwickelte Eisentechnik). Auch welsch, ursprünglich „keltisch" (dazu Walnuß = welsche Nuß) ist keltischen Ursprungs (gallische Völkerschaft der Volcae). Aus dem Westgermanischen ist in den Jahrhunderten der Völkerwanderung eine große Anzahl von Wörtern, die sich namentlich auf Heerwesen, Hausbau und tägliches Leben beziehen, in die romanische Volkssprache der Römerprovinzen gedrungen und seitdem fest zum Wortschatz der romanischen Sprachen gehörig, vgl. auch italienische Namen aus dem Germanischen wie Alighieri (alh Heiligtum, ger) Garibaldi (zu ,Wehr' und bald ,kühn'), spanische wie Alfons (aus adal ,edel' und funs Ruhmbegierig').
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Der Kultureinfluß der Mittelmeerländer
D e r K u l t u r e i n f l u ß der
Mittelmeerländer
§ 11. Die Kultur der Römer
F. K l u g e in Pauls Grundriß der germanischen Philologie (Straßburg, 2. Aufl. 1901') I, S. 327—354. — Th. F r i n g s , Germania Romana (Halle 1932). — F. S e i l e r (Titel s. §2), I.Teil. — F. K o e p p und G. W o l f f , Römisch-Germanische Forschung (Sammlung Göschen Bd. 860). — F. C r a m e r , Deutschland in römischer Zeit (Sammlung Göschen Bd. 633). Ehe uns die deutsche Sprache von der Zeit Karls des Großen an im Lichte der erhaltenen althochdeutschen Literaturdenkmäler entgegentritt, hatte sie in dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zwei durchgehende Einflüsse erfahren, die ihre Spuren im Wortschatz bis heute deutlich zeigen: den der r ö m i s c h e n K u l t u r w e l t und den des Christentums. Die Berührung des Germanentums mit der a n t i k e n K u l t u r , im besonderen der der Römer, beginnt etwa zur Zeit Casars und der ersten Kaiser und führt nach schwankenden Kämpfen zwischen Donau, Rhein und Elbe zu einer engen technischen und wirtschaftlichen, überhaupt kulturellen Nachbarschaft. Schon seit dem Anfang des 3. Jahrhunderts dringen dann germanische Stämme, geballt in den neuen Großstämmen der Franken (der „Freien") und der Alemannen („alle jungen Männer"), über Rhein und Donau in die Provinzen des Römischen Reiches ein und treten das Erbe der antiken Kultur an. Wir wissen aus zahlreichen geschichtlichen Zeugnissen, wie stark römische Lebensgewohnheiten in germanische Kreise übernommen wurden: verstand doch selbst der Befreier des Germanentums als ehemaliger römischer Offizier und Bürger die lateinische Sprache, dienten doch zahllose Germanen im römischen Heer, wo sie vielfach sogar römische Namen annahmen, ja im Zeitalter Trajans konnte die Rechtspflege in den germanischen Provinzen des Römischen Reichs teilweise ohne Zuhilfenahme von Dolmetschern in lateinischer Sprache erfolgen.
§ 1 1 . Die Kultur der Römer
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Eine so innige kulturelle Berührung mußte ihre Spuren in der Sprache hinterlassen. Da die Überlegenheit der römischen Kultur vor allem die Gebiete der M i l i t ä r o r g a n i s a t i o n , der V e r w a l t u n g und R e c h t s p f l e g e , des H a n d e l s und der h ä u s l i c h e n L e b e n s h a l t u n g betraf, so sind auch diese Bereiche des deutschen Wortschatzes vor allem durch lateinische Lehnwörter beeinflußt worden. Daß der Kulturstand der Römer in wissenschaftlicher und künstlerischer Hinsicht auf die Germanen fast gar nicht abgefärbt hat, liegt wohl daran, daß die Vermittler dieser Entlehnungen, die Soldaten der römischen Grenzgarnisonen und ihre Gefolge, in sozialer und kultureller Hinsicht wenig hoch standen und daß ein Volk von der Urtümlidikeit des germanischen für fremde Geistesbildung zunächst noch wenig erschlossen war. Vor allem die bis in die Schweiz, jahrhundertelang als Siedler in Rodeland oder höhergelegene Bergwelt, vorrückenden Alemannen sind in der Masse Bauern gewesen, was auch wesentlich für die Franken gilt, deren Führer aber Erben römischer Herrschaft wurden. Der Ausgangspunkt für die Übernahme der lateinischen Lehnwörter nach Deutschland ist nur in wenigen Fällen Oberitalien und der Weg über die Alpen gewesen. Die große Masse der Lehnwörter ist an Mittel- und Niederrhein aus dem romanisierten Gallien ins Germanische übernommen worden, wobei Mosel und Maas als Hauptanmarschwege und die Kaiserstadt Trier als wichtigster Ausstrahlungspunkt in Betracht kommen. Der Umfang, in dem das Lateinische auf das Germanische gewirkt hat, geht daraus hervor, daß man gegen 600 ins Germanische gedrungene römische Lehnwörter nachweisen kann und daß sich diese Wörter fast durchweg so sehr im Deutschen eingebürgert haben, daß sie heute nicht mehr als Fremdlinge empfunden werden, wie auch vielfach ihre Fähigkeit zur Bildung von Ableitungen beweist. Der Zeitpunkt ihres Eindringens wird dadurch gekennzeichnet, daß sie die zweite oder althochdeutsche Lautverschiebung seit dem 6. Jahrhundert zumeist mitgemacht haben, in ihrem
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Der Kultureinfluß der Mittelmeerländer
Lautstand zum Teil noch nicht die Kennzeichen des späteren Volkslateins zeigen und daß sich diese Lehnbeziehungen nicht nur auf die deutschen Stämme, sondern auch auf die Angelsachsen (zum Teil sogar die Nordgermanen) erstrecken. So ergibt sich also die Zeit vom 1. bis 5. Jahrhundert als Zeitraum für die Aufnahme der meisten dieser Lehnwörter. Eine Gliederung der wichtigsten römischen Lehnwörter zeigt uns, welche ganz neuen Gebiete der Zivilisation den Germanen durch die Römer erschlossen worden sind. Die Kämpfe mit dem römischen Heere und der spätere Dienst in seinen Legionen brachten die Bekanntschaft mit der römischen Militärorganisation: Pfeil (lat. pilum), Drache (lat. draco, als Kohortenzeichen), Wall, (Sdiznz-) Pfahl, Kastell (in Ortsnamen wie Kastel bei Mainz, Bernkastel), Straße, Meile. Sogar ein so allgemeines Wort wie Kampf (von lat. campus) ist entlehnt; doch sind die Entlehnungen gerade auf diesem Gebiete wenig zahlreich, ein Beweis dafür, daß die kriegserfahrenen Germanen hier von den Fremden nicht eben viel zu lernen hatten. Römische V e r w a l t u n g u n d Rechtsprechung spiegeln sich in den Gebieten an Rhein und Donau wider in: Kaiser (lat. Caesar, das älteste römische Lehnwort), Zoll, Zöllner, Kerker, Kette, sicher(n), kosen (urspr. juristisch „einen Rechtshandel führen", lat. causari), Pacht, pachten, Pfand. An die römische F l u ß s c h i f f a h r t auf Rhein und Donau erinnern Wörter wie Anker, Riemen „Ruder" (lat. remus) und Naue „Boot" (noch in Schillers Teil: „Zieh die Naue ein"). Römische Hausierhändler und Heeresmarketender vermitteln den Germanen, die bei ihrer Naturalwirtschaft höchstens einen beschränkten Tauschhandel kannten, die Grundbegriffe der deutschen K a u f m a n n s s p r a c h e , wie kaufen und Kaufmann (von lat. caupo „Schenkwirt, Händler"), Markt, Speicher, Kiste, Korb, Münze, Pfund, Sack, Unze, später Zins, ferner die Ausdrücke des W e i n -
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§11. Die Kultur der Römer
h a n d e i s , wohl noch ehe der Weinbau in den römischen Garnisonen Germaniens üblich wurde: Wein, mischen, eichen (lat. aequare), Eimer, Zuber, Kelch, Becher. Auch die Namen von Transporttieren, wie Esel, Maultier, Saumtier, gelangten in dieser Zeit aus dem Lateinischen nach Deutschland. Die bisher in Blockhäusern wohnenden Germanen in den römischen Grenzgarnisonen sahen die ihnen neue Technik des S t e i n b a u e s (Mauer aus lat. murus), die sie, unter Benutzung der römischen Fachausdrücke, bald nachahmten: Ziegel (aus lat. tegula, das nach der Lautverschiebung noch einmal, nun zu Tiegel entlehnt wurde), Kalk, mauern, Söller, Estrich, Pflaster, Kammer, Kachel, Keller, Pforte, Pfeiler, Fenster, Speicher, tünchen, dann auch Zugehöriges wie Pfosten, Schindel. Unter den Neuerungen der B o d e n k u l t u r nimmt der W e i n b a u , den man den Römern an Rhein, Donau und Main absah, die wichtigste Rolle ein. Fast alle seine Bezeichnungen, vom Namen des Weins (s. oben) selber an, sind lateinische Lehnwörter: Winzer, Most, Kelter, Presse, Trichter, Spund, Bottich (davon später Böttcher), Ohm, Kufe (davon Küfner), Flasche, Pech, Essig, Lorke, mischen, Sexter, Lägel, Kelch, Becher, Eimer, Kübel (dazu noch zahlreiche mundartliche Ausdrücke). Auch der A c k e r b a u erhält neue Anregungen: Wicke, Forke, Kolter „Messer vor der Pflugschar", Miete „Feim", (Dresch-)Flegel, Wanne „Getreideschwinge", Stiel, Stoppel, Sichel, Frucht, Kicher(erbse). Ganz auf römischen Einfluß geht der Anbau von G a r t e n g e m ü s e und O b s t zurück: Kohl (lat. caulis, die Urheimat unserer Kohlarten ist das Mittelmeergebiet), aus der Sprache des Deutschen Ordens ostpreuß. Kumst „Kohl" (aus lat. compositum, was noch einmal in der Neuzeit aus dem Französischen als Kompott mit anderer Bedeutung entlehnt wurde), rhein.-hess. Kappes (aus lat. caputea) „Kohlkopf", Beete „rote Rübe", Rettich, Minze, Kümmel, Senf, Fenchel, Kerbel, Lorbeer, Schirm er-Mitzka,
Wortkunde
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Der Kultureinfluß der Mittelmeerländer
Kirsche, Pflaume, Quitte, Pfirsich, Maulbeere, Mispel, Kastanie, Feige, Mandel, Kürbis, dazu die gärtnerischen Ausdrücke pfropfen, impfen, bayr. pelzen aus lat. propagare „vorantreiben", imputare „einschneiden", impeltare „ein Schildchen einlegen", für veredeln (diese Wortgeographie bietet eine Karte in 2s. f. Mundartforschung 1951), Pflanze, pflücken. Die Geflügelzucht verfeinert sich (Pfau, Fasan), vor allem aber die Ausnutzung der als Handelsware von den Römern geschätzten Federn: Flaum, Pfühl, Kissen, mausern sind Lehnwörter. Das germanische Roß erhält den neuen Namen Pferd (galloroman. paraveredus), der auf seine Verwendung als Postpferd hindeutet. Die K o c h k u n s t entwickelt sich unter römischem Einfluß: außer Topf, Napf, Sieb, Quirl, Messer, Löffel, braten und sieden, die germanischen Ursprungs sind, ist in der Küche fast alles römischen Ursprungs und durch die Römer in der hier geschilderten Zeit oder später durch die antik beeinflußte Kultur der Klöster zu uns gelangt. Als frühe Entlehnungen seien Küche und kochen, ferner Becken, Pfanne, Kessel, Schüssel, Tisch (zunächst im griech. diskos, vgl. im Sport Diskus,,runde Scheibe, Schüssel'), Semmel (aus lat. simila ,feines Weizenmehl'), Mühle genannt. Auch die Lebenshaltung in H a u s g e r ä t und K l e i d u n g empfing von den Römern mannigfache Anregung. Auf eine Verbesserung der Wohnverhältnisse deuten die schon angeführten Ausdrücke der Steinbautechnik; weiter sind lateinische Lehnwörter: Schemel, Fackel, Kerze, Tisch, Spiegel; ferner verfeinerte sich die Kleidung: Socke, Sohle, Schürze, stopfen, Strippe, Kunkel, Karde. An allgemeinen Kulturausdrücken seien Pfeife und Fiedel, Arzt, Fieber, Pflaster (mediz.), Büchse genannt. Man sieht, daß sich diese Ausdrücke fast durchweg auf sinnlich wahrnehmbare Dinge, auf Gegenstände des m a t e r i e l l e n Lebens beziehen; abstrakte Begriffe, Ausdrücke geistigen oder ethischen Gehalts sind kaum darunter. Nur die dem Lateinischen- nachgebildeten Namen der Wochentage sind als antikes Erbe hier zu nennen. Aber die antike
§ 12. Das älteste germanische Christentum
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S c h r e i b k u l t u r spiegelt sich in den Lehnwörtern schreiben (lat. scribere), dichten (lat. dictare, enger angeschlossen bleibt die neue Entlehnung diktieren), Tinte (lat. tincta ,Farbe'; vgl. weiteres § 14). § 12. Das älteste germanische Christentum F. S e i l e r (Titel siehe § 2), Teil I, Kap. 11; Teil II, Kap. 1. — F. K l u g e , Wortforschung und Wortgeschichte (Leipzig 1912), S. 134ff.: Unser ältestes Christentum. — W. B r a u n e , Althochdeutsch und Angelsächsisch (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 43, 361 ff.)."— T h . F r i n g s (vgl. § 11). Deutsche Wortgeschichte I 2 (1959): I. W e i s w e i l e r Deutsche Frühzeit, W. B e t z , Nachtrag dazu; W. B e t z , Lehnwörter und Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen. N u r wenige Jahrhunderte später als der Einfluß der römischen Kultur setzte die Einwirkung des von den antiken Völkern weiterverbreiteten C h r i s t e n t u m s auf die Germanenwelt ein. Das erste germanische Volk, das sich zum Christentum bekehrte, waren die W e s t g o t e n , denen ihr Bischof W u l f i l a (gest. 383) schon im 4. Jahrhundert die Bibel aus dem Griechischen in ihre heimische Sprache übersetzte. Audi zu einigen westgermanischen Stämmen drang das Christentum schon früh; die H a u p t masse der deutschen Stämme ist jedoch erst später, im wesentlichen im 7. und 8. Jahrhundert, durch irische und angelsächsische Missionare bekehrt worden. Spuren des früheren gotisch-arianischen Christentums scheinen jedoch schon vorher den Weg in die Seele und zugleich in die Sprache der im heutigen Deutschland lebenden Germanenstämme, besonders der im Donauraum, gefunden zu haben. Denn innerhalb des Wortschatzes der christlichen Kirche im Deutschen findet sich eine Anzahl von Ausdrücken, die ihrer Lautform nach sehr früh aufgenommen sein müssen und die das Deutsche mit der gotischen Kirchensprache teilt. Zu dieser ältesten Schicht christlicher Lehnwörter griechischen Ursprungs, die offenbar durch 4*
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Der Kultureinfluß der Mittelmeerländer
gotisdi-arianische Glaubensboten von Süden und Südosten her als Fachausdrücke der oströmischen Kirche zu den deutschen Stämmen, insbesondere den Baiern, gebracht worden sind, rechnet man: Christ (in althochdeutscher Schreibung Krist), P f a f f e (von griech. papäs), Pfarre (von griech.-lat. parochia), Engel (von griech. dngelos), Teufel (von griech. diäbolos), Pfingsten (von griech. pentekoste, ,der 50. Tag'), Samstag (von griech. sabbaton, vulgärgriech. sambaton) sowie die Übersetzungslehnwörter fasten, taufen, vielleicht auch Heide. Daneben stehen einige wenige christliche Lehnwörter, die auf das frühe romanische Christentum der rheinisch-römischen Provinzen zurückgehen. Hierzu gehören wohl Kirche (ursp. griech. kyri[a]kon, zu kyrios der ,Herr'), Bischof (urspr. griech. episkopos, ,Aufseher'), Almosen. Die oberdeutsche Missionssprache, die durch heimische Ausdrücke wie dulden, sich freuen, klagen, trauern, zeigen, zweifeln, Trost, erbarmen, barmherzig, Gnade, Demut gekennzeichnet war, drang donauaufwärts und rheinabwärts vor und traf an Mittel- und Niederrhein auf die fränkischrheinische Kirchensprache, die lateinischen Lehnwörter wie Propst (vulgärlat. propösitus), Priester (griech.-lat. Presbyter), Pfründe (lat. praebenda), Kloster (lat. claustrum, aber jung Klausur), Mönch (griech.-lat. monachus, vgl. München, niederd. Mönchen[-Gladbach]), Münster (griech.lat. monasterium), Glocke (mlat. clocca, aus dem Keltischen), segnen (lat. signare) kannte. Die angelsächsische Mission setzte die Wendung der Heilige Geist gegenüber den von der oberdeutschen Kirchensprache geprägten Ausdrücken wih „heilig" (noch erhalten in Weihnacht „heilige Nacht") und ätum „Hauch" (als Übersetzung von lat. spiritus) durch und brachte als Entlehnung aus dem Angelsächsischen das Wort Heiland (Übersetzungslehnwort nach lat. salvator, griech. söter). So ist die frühe deutsche Kirchensprache aus der Vereinigung mehrerer Missionsströmungen entstanden, ohne daß sich im einzelnen für die Herkunft jedes Wortes letzte Klar-
§ 13. Das Erbgut im Wortschatz
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heit erzielen ließe. Ihre endgültige Gestaltung findet die Kirchensprache erst in althochdeutscher Zeit, die bis ins 11. Jahrhundert reicht (vgl. § 14). Die altdeutsche
Zeit
§ 13. Das Erbgut im Wortschatz F. K l u g e , Deutsche Sprachgeschichte §§ 24, 26, 30. — E. G. G r a f f , Althochdeutscher Sprachschatz oder Wörterbuch der althochdeutschen Sprache (6 Bde., Berlin 1834 bis 1846). — E l i s a b e t h K a r g - G a s t e r s t ä d t und T h . F r i n g s , Althochdeutsches Wörterbuch 1952f. — H . W e s c h e , Der althochdeutsche Wortschatz im Gebiete des Zaubers und der Weissagung ( H a l l e 1940). — J . W e i s w e i l e r und W . B e t z in „Deutsche Wortgeschichte" I 2 , S. 51 f. — F. H o l t h a u s e n , Altsächsisches Wörterbuch (Münster 1954). Wenn auch aus vorkarolingischer Zeit kaum sprachliche Denkmäler überliefert sind, so können w i r aus der ausgebildeten D i c h t e r s p r a c h e , wie sie uns vom 8. J a h r hundert an nicht nur auf deutschem Boden, sondern allenthalben bei den Westgermanen (Angelsachsen, Altsachsen) entgegentritt, schließen, daß bereits in den Zeiten der westgermanischen Gemeinschaft, ehe Angeln und Sachsen nach England abwanderten (um 450) und bevor die 2. Lautverschiebung (6. Jahrhundert) Hoch- und Niederdeutsche trennte, ein ausgebildeter westgermanischer Wortschatz für die Heldendichtung vorhanden gewesen sein muß. Die gewaltigen Erlebnisse der Völkerwanderungszeit wurden von den seit der Urzeit liedfrohen Germanen in großen Heldendichtungen geschildert; der dafür verwendete Sprachschatz zeigt reiche Ausdrucksmöglichkeiten namentlich für die Begriffe Kampf und Sieg, Fürst und Gefolge, Fest und Gelage. Für die deutsche Heimat ist uns freilich von alledem nicht viel überliefert; aber aus den gemeinsamen Stilmitteln von Dichtungen wie dem angelsächsischen Beowulf und dem altsächsischen Heliand können w i r entnehmen, daß po-
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Die altdeutsche Zeit
etische Ausdrücke, dichterische Umschreibungen, regelmäßig verwendete Formeln für die genannten Sachgebiete auch bei uns bekannt gewesen sind. Eine dichterische Umschreibung (gleich Ringgeber oder Goldspender für „Fürst" oder Waffenträger für „Krieger") war vielleicht ursprünglich Leichnam, aus ahd. llhhamo, wörtlich „Leibeshülle". Beliebt war auch die Namengebung für Waffen (vgl. Siegfrieds Schwert Balmung, ferner Miming, Eckesachs; dazu § 5 : Animismus). Von einer eigentlichen deutschen Sprache läßt sich erst vom 8. Jahrhundert an reden, denn um diese Zeit entwickelt sich bei denjenigen Germanenstämmen, die, soweit sie nicht von alters her eingesessen waren, im Verlaufe der Völkerwanderung auf dem Boden des heutigen Deutschlands seßhaft geworden sind (mit Ausnahme des den Slawen überlassenen Gebietes östlich von Saale und Elbe), der B e g r i f f d e r g e m e i n s a m e n D e u t s c h h e i t . Audi die 2. (hochdeutsche) Lautverschiebung, die dies Gebiet in die beiden Sprachgebiete des Hoch- und des Niederdeutschen spaltete, hat die völkische Zusammengehörigkeit (abgesehen von der späteren Lostrennung des Niederländischen) nicht zu erschüttern vermocht. In dieser Zeit tritt auch der Name für das Deutschtum auf: ahd. diutisc für den Namen der im Reiche Karls d. Gr. nicht romanisch sprechenden Deutschen (von diot „ V o l k " , heute noch erhalten in Namen wie Dietmar, Dtetleib, Detmold), ursprünglich in lat. Form theodisce „in der Volkssprache" (786), in der lingua vulgaris, mit Lehnübersetzung theodisca lingua (7 88) im Gegensatz zum gelehrten, kirchlichen Latein, der lingua Romana bezeugt (W. B e t z , in „Deutsche Wortgeschichte" I 2 122). Der Wortschatz, den dieses deutsche Volk aus der Zeit der germanischen Gemeinschaft (vgl. § 10), bereichert durch Lehngut aus dem Erbe der Antike (§§ 11, 12), geerbt hatte, zeigt die Wesensart eines kämpferischen, tätigen Volkes, dem aber auch feinere seelische Regungen, freilich in sinnlich-anschaulicher Ausdrucksform, fern von abstrakter Blässe durchaus nicht fremd sind. Mancherlei a l t h e i d -
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n i s c h e K u l t u r ü b e r r e s t e wurzeln von dieser Zeit her bis heute fest in der deutschen Sprache. So spiegeln alten Heidenglauben wider die Wörter: Gott (der Form nach ursprünglich sächlich, wohl „das angerufene Wesen"), Himmel (ursprünglich vielleicht „Decke der Erde"), Hölle (ursprünglich N a m e des Aufenthaltsortes der Toten; vgl. die altnord. Totengöttin Hei), Ostern (ursprünglich N a m e eines vorchristlichen Frühlingsfestes; beide Wörter bewußt von den Missionaren auf christliche Einrichtungen übertragen), Weihnachten (ursprünglich die den Germanen heiligen Zwölfnächte der Wintersonnenwende), weihen „heiligen" (vgl. auch Ortsnamen wie Weihenstephan „Heiliger Stephan"), Alb (amtlich: Alp), der N a m e eines gespenstischen Wesens, Druckgeistes, um dem Englischen im 18. Jahrhundert als Elfe ,Waldfee' übernommen, Donnerkeil (eigentlich von D o n a r geschleuderter Blitzstein), Kobold (ein Hausgeist), Zwerg, Drude, Riese, Werwolf (ein Mensch in Wolfsgestalt), Wicht (eigentlich Wesen, Dämon), Wichtelmännchen. Audi die N a m e n unserer Wochentage bewahren, obwohl sie dem Lateinischen nachgebildet sind (Solis Dies, Lunae Dies, Martis Dies usw.) noch heidnische Götternamen, z. B. Sonntag (eine Göttin Sünna kommt im zweiten Merseburger Zauberspruch vor), Dienstag (nach dem Beinamen Thinxus „Schützer des Dinges", des alten Kriegsgottes Ziu), Donnerstag (Donar), Freitag (Freia). Die germanische Runenschrift hat sich erhalten in Wörtern wie Rune, raunen (die Runen waren ursprünglich geheimnisvolle Zauberzeichen), Alraune, Zauber (eigentlich rote Farbe der Runenschrift), Buchstabe (Zeichen f ü r die Buchschrift; fast jede Rune hat einen senkrechten Stab), lesen (eigentlich die Runenstäbchen deutend zusammenlesen; vgl. Tacitus, Germania 10), raten (eigentlich die Runen deuten; vgl. engl, to read). Audi reißen in Reißbrett, Reißzeug, Riß (Grundriß, Bauriß, Abriß) gehört hierher, denn es ist das altgermanische W o r t f ü r schreiben (vgl. engl, to write), da die Runen eingeritzt wurden; schreiben ebenso wie Brief ist aus dem Lateinischen entlehnt worden, als die Klöster
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Die altdeutsche Zeit
das Schreiben auf Pergament nadi antikem Vorbild aufbrachten. Vieles aus dem germanisch-altdeutschen Wortschatz ist unserer heutigen Sprache v e r l o r e n g e g a n g e n . Immerhin ist in Zusammensetzungen und Namen noch manches wichtige altdeutsche Wort erhalten. So steckt in den Endungen von Flieder, Holunder, Heister, Rüster, Maßholder, Wacholder und in den Wortnamen Affolter, Ä f falter das altdeutsche Wort f ü r Baum (vgl. engl, tree) (also Affolter — Apfelbaum). Ein Flußname wie Salzach bewahrt das altdt. acha „Wasser", in den Alpen gibt es manche Ache, von Norden her reicht bis in die Rhön die andersentwikkelte Lautform — a, z. B. in Wisera ,Weser', dasselbe Wort mit besonderer Lautentwicklung ist Werra; (verwandt mit lat. aqua, aus dem Keltischen als ap übernommen, hochdt. ä f f , vgl. niederrhein. Lennep, Honnef, Aschaffenburg (,Esche'), Laasphe (,Lachs'). Auch ein großer Teil unserer ererbten Vornamen (vgl. § 10) bewahrt ausgestorbene Wörter, z. B. Hed-, Had- „Kampf", -bald, -bold „kühn", Mein- „Kraft", so auch die zuletzt aus dem Norden entlehnten Ingrid ( I n g r i = n o r d . Göttername und frid ,schön'); dies auch in Sigrid. § 14. Christenglaube und Geistesleben in althochdeutscher und altsächsischer Zeit Vgl. R. v. R a u m e r , Die Entwicklung des Christentums auf die althochdeutsche Sprache (Stuttgart 1845). — F. S e i l e r , (Titel s. § 2 ) , II. Teil. — W. B e t z , Der Einfluß des Lateinischen auf den althochdeutschen Sprachschatz I. II. (Heidelberg 1936/47). — J. T r i e r , Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes (Heidelberg 1931). — P. W a h m a n n , Der althochdeutsche Wortschatz im Bereich der Gnade, Gunst und Liebe (Berlin 1937). — J. W e i s w e i l e r , Buße (Halle 1930). — D e u t s c h e s R e c h t s w ö r t e r b u c h , herausgegeben von der Preuß. Akad. d. Wiss. (Weimar 1914ff.). — J. W e i s w e i l e r , W. B e t z in „Deutsche Wortgeschichte" I 2 .
§ 14. Christenglaute und Geistesleben usw.
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Die altdeutsche (althochdeutsche und altsächsische) Zeit (vom 8. bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts) wird im Wortschatz dadurch gekennzeichnet, daß sich in ihr die Ausbildung der sprachlichen Bezeichnungen für g e i s t i g e und s e e l i s c h e V o r g ä n g e vollzieht. Den Anlaß dazu hat die Bekehrung der Deutschen zum Christentum gegeben, die in der Zeit Karls des Großen mit der Zwangsbekehrung der Sachsen ihren äußeren Abschluß gefunden hat. Die Ausbildung des großenteils auf geistige Vorgänge, auf das Innenleben eingestellten Wortschatzes des Christentums erfolgt unter ständiger Einwirkung des Lateinischen, der Sprache des Gottesdienstes der Kirche, der alleingültigen Amts- und Gelehrtensprache des ganzen Mittelalters. Durch diese Bereicherung und Veränderung des Wortschatzes wird, wie sich das äußere Antlitz der deutschen Landschaft durch den Bau von Kirchen, Klöstern und Kapellen ändert, auch der sprachliche Ausdruck des Deutschen vom Reckenhaften des germanischen Heidentums (mit der Ethik des trotzigen Bestehens des Schicksals, mit seiner durchaus tragischen Lebensanschauung) ins Weiche, Seelenvolle (mit der Ethik der reinen Liebe) umgebogen. Es bleiben genug Spuren des alten Kämpfertums auch in der Sprache weiterbestehen. Die Seelenregungen dieser Zeit zeigen sich namentlich in der Bildung zahlreicher neuer Zeit- und Eigenschaftswörter. In dieser Zeit entstehen wenige konkrete Hauptwörter, eher abstrakte von Zeitwörtern abgeleitete Hauptwörter. Die Christenlehre bringt zunächst eine Menge lateinischer Lehnwörter: katholisch (fides catholica, ursprünglich griech. ,in der ganzen Welt'), Marter (martyrum), martern, Kapelle (daneben mit deutscher Betonung Kappel in Ortsnamen), Dom, Münster, Altar, Messe (entstanden aus der Schlußformel: „Ite, missa est (contio)", die Gemeinde ist entlassen, erst später vom Gottesdienst auf den an Feiertagen im Anschluß an die kirchliche Messe oft stattfindenden Markt übertragen), predigen (lat. praedicare), Predigt, Mette (lat. matutina), Vesper, firmen (lat. firmare), Fir-
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Die altdeutsche Zeit
mutig, Arche (lat. arca), Kreuz, kreuzigen, Psalm, Psalter, Evangelium, Satan, Beelzebub (die letzteren ursprünglich griechisch bzw. hebräisdi). Entlehnt sind vor allem die Bezeichnungen für die äußerlichen Einrichtungen der Kirche, also die Titel, Ämter, Gerätschaften, Gebräuche, und für das Klosterwesen: Bischof (s. § 12), Dechant, Kaplan, Sigrist, Küster, Mesner, Abt, Äbtissin, Nonne, Prälat, Papst usw.; Kloster, Klause, Regel, Orden, Zelle; Mette, None, Vesper, keusch (zunächst ,was sich ziemt', von lat. conscius); nüchtern (von lat. nocturnus), Regel „Ordensregel", spenden, Spende; Kruzifix, Kanzel, Lettner, Lampe, Ampel, Orgel, Feier, Legende, Text, Patron, Pilger, Pilgrim. Die inneren Vorgänge, die eigentliche Lehre, soweit sie das lateinunkundige Volk selbst anging, wurden dagegen im allgemeinen mit d e u t s c h e n Ausdrücken bezeichnet, bei deren Bildung allerdings sehr oft die lateinischen Grundwörter mit deutschen Wortstämmen getreu nachgeahmt wurden (Übersetzungslehnwörter). Dem Lateinischen nachgebildet sind Wörter wie Gewissen (nach conscientia), Gevatter (nach compater), Mittler (mediator), Gemeinde (communio), Gotteshaus (domus Dei), Beichte (ahd. bijiht nach confessio, von bi- und jehan „sagen"), auferstehen (exsurgere). Auch deutsche Wörter wie Jünger, Weissagung, bekehren, Fegefeuer sind eigens zum Zweck der Wiedergabe von lateinischen Kirchenausdrücken erfunden. Leider hat sich manche schöne althochdeutsche Verdeutschung, wie Zwölfbote für Apostel, Heiltum für Sakrament, gotspel „Gotteskunde" für Evangelium, forasago oder wlsago für Prophet, nicht erhalten. Ältere Ausdrücke heimischen Ursprungs werden durch das Christentum mit neuem Sinn erfüllt: Hölle und Ostern (s. § 13), Glaube, Gnade, Güte, Huld, Milde, Buße, Heil, Sünde, Schuld, Reue, Taufe, Schöpfer, Gebet, beten. An weiteren deutschen Neuprägungen und Ableitungen für christliche Begriffe seien aus dieser Zeit genannt: christlich, Christenheit, Gottesmutter, die Heiligen, Bethaus, Feiertag, Gottesdienst, Täufer, die Heilige Schrift,
§ 14. Christenglaube und Geistesleben usw.
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Gottes Wort, Sintflut, Gottheit, göttlich, Herr, der Vater, erlösen, Sühne, sühnen, weltlich, Feind, Altfeind, Hauptsünde, sündig, Sünder, gläubig, Unglaube, büßen, gute Werke, dienen, der Jüngste Tag, ewiges Leben. Zu Pate, Pfetter nach lat. päter spiritualis „geistlicher Vater", danach Patin, dazu weithin geltende Koseformen wie Gote, Gotel, Dode vgl. Wortatlas IV (1955). Die Betrachtung der deutschen Ausdrücke, die das Christentum in althochdeutscher Zeit neu geprägt oder mit neuer Bedeutung erfüllt hat, zeigt, daß es sich hier um wesentliche Bestandteile des heutigen Wortschatzes handelt. Sie beweisen durch die Fähigkeit, sich in Ableitungen und Zusammensetzungen weiterzuentwickeln, eine besonders innige Geltung unter den Worten des Gefühlslebens. Dazu kommt, daß der Wortschatz der althochdeutschen Christensprache noch zahlreiche Ausdrücke umfaßt hat, die sich nicht bis heute haben behaupten können, so daß der neue Glaube der deutschen Sprache tatsächlich einen wichtigen Zuwachs an Wörtern gebracht hat. Dieser Zustrom verteilt sich auf mehrere Jahrhunderte, manche Lehnwörter sind erst spät aufgenommen worden (Papst ist erst um 1000 bezeugt), viele deutsche Ausdrücke gehen auf die feinfühlige Übersetzertätigkeit der Klosterlehrer des 9. und 10. Jahrhunderts zurück. Vor allem Notker III. von St. Gallen, mit dem Beinamen „der Deutsche" (gest. 1022), ist hier als Schöpfer einer theologisch-philosophischen Fachsprache zu nennen, die für ihre Zeit einzigartig dasteht, leider aber später wieder in Vergessenheit geraten ist. — Im Sinnbezirk des Leidens wird altes Erbgut im Zuge der Christianisierung vergeistigt. Von körperlichem Schmerz zum seelischen führte die Wortgeographie von dulden aus dem irischen Missionsbereich vom Bodensee in die weiteste Nachbarschaft. Mit dem Eindringen des Christentums und der Ausbreitung der Klöster geht eine starke Hebung der V o l k s b i l d u n g Hand in Hand. Da der Lehrstoff der Klöster, vor allem soweit er nicht rein christlich-theologisch war,
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Die altdeutsche Zeit
durchaus auf dem Geisteserbe der Antike beruhte, da auch sonst in dieser Zeit bewußte Anknüpfungen an Bildung und Kultur des Altertums häufig waren (Karolinger, Ottonen), so darf es uns nicht wundernehmen, daß die wichtigsten Fachausdrucke dieses Bildungswesens lateinische Lehnwörter sind: Laie, schreiben, Schrift, Schule, Schüler, Meister (lat. magister), Latein, Tinte (mlat. tincta), Pergament, Bimsstein (zum Abreiben des Pergamentes gebraucht), Tafel, Griffel, Linie, Kapitel, Pult, dichten (von lat. dictare, nordgermanisch dafür yrkja, unser wirken), trachten (lat. tractare), Vers, Siegel, Zettel, Brief (lat. breve „kurze Urkunde", die alte Bedeutung noch in Frachtbrief. Die kulturfördernde Wirkung des Klosterwesens betraf auch äußere, materielle Dinge, so Einführung und zweckmäßige Kultur des feineren O b s t - u n d G a r t e n b a u s : Birne (das übrige Obst war schon früher durch die Römer bekannt geworden und in lateinischen Namen entlehnt worden, der Name des Apfels ist nicht indogermanisch (Kluge-Mitzka, Etymolog. Wb. 1960, 18. Aufl.) Weichsel, Ammer, Pappel, Rose, Lilie, Akelei, Veilchen (aber ein Erbwort ist Nelke eigentl. ,Nägelchen'), Zwiebel, Petersilie, Lattich, Eibisch, Kamille, Baldrian, Gamander, Liebstöckel (Volksetymologie aus lat. ligusticum „ligurische Pflanze"), Raute, Radieschen, Salbei, Schellkraut, Thymian, Lavendel, Polei, Anis und wie die wohlriechenden und heilkräftigen Pflanzen des Klostergartens sonst noch alle heißen. Die Entlehnung von Butter, Brezel, Lebkuchen, Barbe Muschel, Kapaun, Mörser, Tiegel, Mulde erinnert uns an die Vortrefflichkeit der klösterlichen Kochkunst. Das B a u w e s e n macht, von kunstverständigen Mönchen gefördert, weitere Fortschritte, indem es sich von den schlichten Basiliken der Frühzeit zur hohen Schönheit der romanischen Dome weiterentwickelt; davon zeugen Lehnwörter wie Turm, Portal, Gruft (zu graben, unter Bedeutungsanlehnung an griech.-lat. crypta), Mörtel, Gips, Zement, Grad, Marmelstein (wie man damals statt Marmor sagte, heute
§ 14. Christenglaube und Geistesleben usw.
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sprechen die Kinder noch von Murmeln), Granit, Tuffstein, Quader, Erker, Kamin, Model (wie man altdeutsch statt des späteren Modell sagte) usw. Das H a n d w e r k , oft in Verbindung mit klösterlichen Ansiedlungen, bald aber vor allem an den neugegründeten Städten ausgeübt, zeigt neue Benennungen in Schuster, Metzger, Masse, Messing, Pinsel, Mennig, Zinnober, Mergel, Alaun, Ocker, Grünspan, Kreide usw. Die B e k l e i d u n g , geistliche wie weltliche, verrät ihre neue Gestalt, die von der altgermanischen völlig abweicht, in Wörtern wie Albe, Kugel (lat. cuculla), Kutte, Zwillich, Drillich (beide nach dem Lateinischen gebildet: bilix, trilix ,zwei-, dreifädig'), Kappe, Mantel, Pelz, bunt (ursprünglich nur vom Pelzwerk, von lat. punctus), Matte, Teppich, Seide, Perle. In R e g i e r u n g u n d V e r w a l t u n g kommen gegen das Ende der althochdeutschen Zeit wichtige lateinische Fachausdrücke auf, denn die Amts- und Kanzleisprache ist bis etwa 1300 das Latein. Es seien Wörter genannt wie Meier „Verwalter" (von lat. maior), Bezirk, Rente, Kanzlei, Kanzler, Vogt (mlat. vocatus), Titel, falsch, Glosse, Bulle, regieren. Die Ausdrucksweise des R e c h t s l e b e n s dagegen, das durchaus in heimisch-germanischen Vorstellungen wurzelt (vgl. § 10), bleibt deutsch; zahlreiche volkstümliche Wendungen daraus haben sich bis heute erhalten (z. B. Ding eigentlich Gerichtsverhandlung", dazu dingfest machen, dingliches Recht, verteidigen (eigentlich „auf dem Tageding vertreten"), Sache „Streitsache", Sachwalter, Rede stehen, vermählen (eigentlich „feierlich zusammensprechen"), Umstände (eigentlich „Zuhörer bei der Gerichtsversammlung"), widmen (eigentlich „mit dem Wittum ausstatten"), auf den Schild erheben, für vogelfrei erklären, in die Acht tun, handhaft (so, daß man etwas in der Hand hat; handgreiflich), einen überführen (wohl ursprünglich durch Vorführung von Zeugen), überzeugen (eigentlich „durch Zeugen überführen"), etwas wettmachen (zu ahd. wetti „Ersatz"), ersessene Rechte usw. (vgl. auch § 18).
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Die Sprache des hohen Mittelalters
D i e S p r a c h e des h o h e n
Mittelalters
§ 15. Die Sprache des Rittertums und der höfischen Dichtung
Vgl. F. K l u g e , Deutsche Sprachgeschichte §§ 38, 39. — F. S e i 1 e r (Titel s. § 2), II. Teil, Kap. 2. — H. P a 1 a n d e r S u o l a h t i , Der französische Einfluß auf die deutsche Sprache im 12. und 13. Jahrh. Mem. Soc. Neo-Phil. Helsingfors I I I (1901), V I I I (1929), X (1933). — B e n e c k e Müller-Zarncke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch (4 Bde., Leipzig 1854—1861). — M. L e x e r , Mittelhochdeutsches Handwörterbuch (3 Bde., Leipzig 1872—1878). — E. W i e ß n e r , Höfisches Rittertum, in: Deutsche Wortgeschichte I 2 . — E. ö h m a n n , Der romanische Einfluß auf das Deutsche bis zum Ausgang des Mittelalters ebda. I 2 . Die geistlich-klösterliche Kultur der althochdeutschen Zeit wurde gegen Ende des 11. Jahrhunderts abgelöst von der des R i t t e r t u m s . Dies Rittertum bringt unter französischem Einfluß im Zeitalter der Kreuzzüge eine klassische Blüte der deutschen Dichtung in Minnesang und höfischem Epos hervor. Es erlebt unter kirchlichem Einfluß zugleich der romanische Stil in Deutschland seine reifste Blüte in Baukunst und Plastik und prägt einen eigenen Wortschatz. Er hat zwar aus altgermanischem Reckentum und altdeutscher Frömmigkeit noch manches bewahrt, entwickelt anderseits aber unter französischem Einfluß eine G e s e l l s c h a f t s - u n d L i t e r a t u r s p r a c h e mit tiefer Durchgeistigung und Beseelung. Die Mannigfaltigkeit der Vielfalt des Wortschatzes bleibt für die Volkssprache bestehen. Das Rittertum bestätigt sein Ideal der mäze (des Maßhaltens) auch im Wortschatz. Es meidet grob mundartliche, bäuerische und altertümliche Wörter und stellt einen festen Kanon der höfischen Ausdrucksweise auf. Der althergebrachte Wortschatz des germanischen Heldensangs wird vom höfischen Rittertum als altfränkisch empfunden, nur das Volksepos und die Spielmannsdichtung kennen ihn zum Teil noch. Wörter, die im volkstümlichen Nibelungenlied noch eine wichtige Rolle spielen, wie Recke, Held, Degen „Held", Ger, michel „groß", halt „kühn",
§ 1 5 . Die Spradie des Rittertums usw.
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gemeit „fröhlich, eilen „Kampfeifer", wigant „Kämpfer", bouc „Armring", Hagen der grimme, breite Schwerter, sturmkühne Helden, steinharte Helme, stahlharte Spangen usw., kommen in der Sprache der ritterlichen Dichtung ab. D a f ü r entwickelt die höfische Dichtung einen umfangreichen Wortschatz, der an Stelle des Kampfes die feinsten Regungen des Liebeslebens, die höfische Sitte, die Feste und Gebräuche des Ritterlebens wiedergibt. Vrouwe „Frau", riuwe „Kummer", höchgezit „hohes Fest, höchste Freude", tugent, milte „Güte", edel, tump „töricht", kiusche „Keuschheit", kranc „schwach", mäze „Selbstbeherrschung", State „Beständigkeit", vuoge oder vuoc „Schicklichkeit", Zucht, Minne, schoene „Schönheit", Steide „Glück", hövesch (daraus das nhd. hübsch), klar, fein, stolz, fehlen, prüfen (die letzten fünf Entlehnungen aus dem Französischen sind seine Kennwörter). Eine Fülle von Neuprägungen, besonders von Zusammensetzungen, auch Umprägung des Bedeutungsgehaltes älterer Wörter (z. B. edel ursprünglich nur vom Geburtsadel, erst seit Gottfried von Straßburg auch vom Seelenadel) kennzeichnet die Sprache der ritterlichen Dichtung. Welchen G r a d der Ausdrucksfähigkeit für seelische Vorgänge diese Spradie erreicht, geht z. B. daraus hervor, daß ein mittelhochdeutsches Wörterbuch nicht weniger als 90 Zusammensetzungen mit Minne als erstem Glied aufzählt. Entsprechend der französischen Beeinflussung des Rittertums und seiner Dichtung ist dieser neue Wortschatz stark mit F r e m d w ö r t e r n von dorther durchsetzt. Der Anschluß an jenen Westen ist dabei vorzugsweise über F l a n d e r n und den N i e d e r r h e i n erfolgt. In diesen Gebieten lassen sich die neuen Modewörter zumeist am frühesten nachweisen, wie auch das vItemen mit der rede, die viamische hövescheit besonders beliebt waren. Deshalb werden auch Wörter mit flämisch-niederdeutschem Lautstand gern gebraucht, z. B. gebürekin „Bäuerlein", soete kindekln „süßes Kind", schapellekin „Kränzlein", ors (statt Roß), Ritter (statt riter „Reiter"), Wappen (wäpen statt Waffen), bilde „froh" usw. Bezeichnend ist, daß der Schimpfname
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Die Sprache des hohen Mittelalters
für den Bauern dörptere, eine Ubersetzung des altfranz. vilain, nhd. zu Tölpel geworden, bis heute das p des niederdeutschen Lautstandes bewahrt. Wie stark das Französeln in der ritterlichen Dichtung vorübergehend geworden ist, ersehen wir daraus, daß der Dichter Tannhäuser (um 1250) dieses Welsdien parodierend verspottet: Ein riviere ich da gesach, durch ein fores gieng ein bach petal über ein pläniure. Unter den Epikern ist am stärksten Wolfram von Eschenbach dieser Mode verfallen, er mischt ganze französische Zeilen in seine Werke ein (z. B. Bien sei venüz, beäs sir!). Audi der gelehrte Meister Gottfried von Straßburg bedient sich gern französischer Wendungen; selbst das sonst ganz deutsche Nibelungenlied kennt Fremdwörter wie bühurt, garzün, puneiz, tjoste, trunzün. Nur der Minnesang, insbesondere Walther von der Vogelweide, hält sich von solcher Entlehnung frei. Die Abhängigkeit vom Französischen zeigt sich auch darin, daß in jener Zeit sogar einige französische Bildungssilben ins Deutsche gedrungen sind. Die Endung -le (heute -ei), ursprünglich nur in Fremdwörtern wie partie, villariie gebraucht, wird bald auch an deutsche Wortstämme angehängt: vischerie, dörpene, jegerïe, zouberïe, und wird heute in Wörtern wie Bäckerei, Fleischerei usw. als heimisch empfunden (obwohl sie nach fremder Art den Wortton trägt). So steht es auch mit der Endung -ieren, z. B. in parlieren, dann in deutschen Wörtern: stolzieren, hausieren, halbieren; mit der Endung -lei (altfranz. lei = neufranz. loi „Gesetz, Art") in mancherlei, vielerlei, allerlei. Neben der Übernahme der fremden Wörter selber spielen auch Übersetzungslehnwörter und Bedeutungsentlehnungen eine wichtige Rolle; so übersetzt hövesch das franz. courtois, hövescheit franz. courtoisie, knappe = garçon, vriedel = ami, ritter = chevalier usw. Auch das Ihrzen in der höfischen Anrede an Stelle des altheimischen Duzens, das
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§ 1 5 . Die Sprache des R i t t e r t u m s usw.
weithin und lange Zeit, bis in heutige Bauermundarten hinein volkstümlich bleibt, wird durch das französische Vorbild gefördert. Von da stammen auch Höflichkeitswörter wie ade (franz. adieu) und merzi (franz. merci). Von den zahlreichen Fremdwörtern aus jenem Westen, die das Rittertum übernommen hat, hat sich nur ein geringer Teil bis heute in der deutschen Sprache halten können. Die Mehrzahl ist mit dem Untergang des Rittertums von der Sprache wieder aufgegeben worden. Wir wollen deshalb von dem Schwall dieser Modewörter, von denen als erste etwa Palas, Tanz und Turm um 1130 im Rolandslied bezeugt sind, im allgemeinen nur diejenigen mustern, die sich bis heute gehalten haben. Am stärksten unter französischem Einfluß steht der ritterliche Sport des T u r n i e r s . Von seinen zahlreichen Fachausdrucken (z. B. hurt „Anprall" [davon hurtig], hurten, bühurt, tjoste, tjostieren, fungieren, garzün, buckel, puneiz, leisiere, trunzün) haben sich eigentlich nur Turnier, turnieren, Lanze, Harnisch, Panzer, Koller, Panier, Wimpel, Plan bis heute erhalten. Beachtenswert ist auch, daß das Ritterwesen eine Anzahl bildlicher Wendungen, die namentlich vom Turnierwesen ausgehen, dem allgemeinen Wortschatz zugeführt hat, z. B. in die Schranken treten, den Fehdehandschuh hinwerfen, die Spitze bieten, eine Lanze brechen, aus dem Sattel heben, auf den Sand setzen, unter die Arme greifen (eigentlich dem geworfenen Turnierkämpfer), fem. einen Korb geben (man ließ den abholden Verehrer, der sich in einem Korb zur Burg hochwinden lassen wollte, wirklich durch einen Korb mit auslösbarem Boden fallen). Die Sitten der ritterlichen G e s e l l i g k e i t , die sich in mittelhochdeutscher Zeit in Wörtern wie condwieren, salwieren, äventiure widerspiegeln, haben der deutschen Sprache an dauernden Erwerbungen gebracht: Tanz, tanzen, Manier, fein, klar, falsch, stolz, fehlen, prüfen, Platz, Preis, Kompanie, Kumpan, Schach, matt (beide ursprünglich persisch), Abenteuer, Fabel, Tafelrunde (nach der table ronde des Königs Artus). Ausdrücke der verfeinerten WohSchirmer-Mitzka,
Wortkunde
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Die Sprache des hohen Mittelalters
nungs- und Lebensweise sind: Palast, Turm (damals turn), Pavillon, logieren, Panel, Habit, Sauce (damals salse, zunächst ,gesalzene Brühe'), Kompott, Teller. Zahlreiche Luxuswaren des französischen Handels bürgern sich ein: Samt, Scharlach, Litze, Korduan, Achat, Granat, Jaspis, Alabaster, Kristall, Rubin, Smaragd, Zinnnober usw.; die Modefarbe ist blond, was vorher im germanischen Sprachkreis mit bleich bezeichnet wurde. Französische Namen tragen auch die beliebtesten Instrumente: Flöte, Schalmei, Posaune. Auch das Handwerk, das ja für die Ritterhöfe arbeitet, nimmt vorübergehend an der ritterlichen Welscherei teil; geblieben sind davon die Wörter Firnis, Franse, Polier, Juwel, Juwelier, Konterfei. Ganz und gar französisch durchsetzt ist im Zeitalter des Rittertums die Sprache des W e i d w e r k s : pirschen, Koppel, koppeln, Pansen, Ziemer. Die Masse der damaligen französischen Jagdausdrücke hat die deutsche Weidmannssprache nicht beibehalten, vielmehr ist sie heute ihrer Wesensart nach durchaus deutsch (vgl. F. K l u g e . Unser Deutsch, Leipzig, 3. Aufl. 1914; E. v. D o m b r o w s k i , Deutsche Waidmannssprache, Neudamm, 2. Aufl. 1897). Sie hat mancherlei alte germanische Ausdrücke bis in die Gegenwart gerettet, z. B. Fähe („Hunde-)Weibchen", Schweiß „Blut des Wildes", Weif, Welpe „junger Hund", und die Ausdrucksweise für die Eigenschaften und Tätigkeiten der einzelnen Wildarten genau gegliedert (z. B. Löffel, Schüssel, Lauscher, Gehör oder Lauf, Pranke, Arm, Ständer für Stelzvögel wie den Reiher, Fang, Tritt, Ruder für Schwimmvögel wie die Wildente). Manche Jagdausdrücke sind in die Gemeinsprache übergegangen, z. B. bärbeißig, vorlaut, unbändig, naseweis („mit der Nase weisend", alle ursprünglich nur vom Jagdhunde), wittern, stöbern, (auf)spüren, berücken, Fallstrick, nachstehen, umgarnen, ins Garn gehen, zur Strecke bringen, ins Gehege kommen, auf falscher Fährte sein, durch die Lappen gehen, auf den Busch klopfen, Wildfang (eigtl. „wild gefangener Falke") usw.
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§ 16. Die Bürgersprache
§ 16. Die Bürgersprache Vgl. F. S e i l e r (Titel s. § 2), II. Teil, Kap. 3. — A. S c h i r m e r , Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache (Straßburg 1911); Vom Werden der deutschen Kaufmannssprache (Leipzig 1925). — F. K l u g e , Seemannssprache (Halle 1911). — K. L o k o t s c h , Etymologisches Wörterbuch der europäischen Wörter orientalischen Ursprungs (Heidelberg 1927). — P h . M. P a l m e r , Neuweltwörter im Deutschen, Heidelberg 1939. — B. M a r t i n , Die Namengebung aus Amerika eingeführter Kulturpflanzen, in „Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen" hrsg. v. L. E. Schmitt I I (1960). — H . V e i t h , Deutsches Bergwörterbuch (Breslau 1871). — P h . W i e k , Die slawischen Lehnwörter in der neuhochdeutschen Schriftsprache (Diss. Marburg 1939). — S i e g m u n d A. W o l f , Wörterbuch des Rotwelschen, Mannheim 1956. — H e r b e r t W o l f , Studien zur deutschen Bergmannssprache (nach Bergmannsliedern) 1958. Das Rittertum, das seine höchste Blüte im Zeitalter der Kreuzzüge und der Staufenkaiser, etwa zwischen 1150 und 1250, erreicht hatte, mußte vom Ausgang des 13. Jahrhunderts an seine gesellschaftliche und kulturelle Führerrolle an das B ü r g e r t u m abgeben, das in Gewerbe und Handel mächtig erstarkte und ein stolzes Standesgefühl entwickelte. Das Absinken der Ritterschaft zu rohem Raubrittertum sehen wir in dem Aufkommen von Ausdrücken wie brandschatzen und Brandschatzung (um 1350), Brandbrief, Buschklepper, Schnapphahn, Strauchritter, Heckenreiter, sengen, dem Landfrieden nicht trauen, sich durch die Welt schlagen ( = kämpfend durch die Lande ziehen). Das Selbstbewußtsein des Bürgertums dagegen, das sich in Gilden, Innungen und Zünften zusammenschließt, zeigt sich auch darin, daß die in den Städten zu größerer Bevölkerungszahl angesammelten Bürger nach dem Muster des Adels einen zweiten Namen annehmen, der, erblich geworden, zum F a m i l i e n n a m e n wird. 5'
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Die Sprache des h o h e n Mittelalters
Unter den Sprachen der Gewerbe sei als kennzeichnendstes Beispiel der Wortschatz des Kaufmannshandels hervorgehoben. Während die germanische Urzeit nur wenige allgemeine Handelsausdrücke kannte, entwickelte sich eine k a u f m ä n n i s c h e F a c h s p r a c h e erst, als sich in den Städten ein festorganisierter Handelsstand ausbildete. Dessen Sprache war im Schriftverkehr zunächst das weltumspannende Latein; für den mündlichen Geschäftsverkehr aber entwickelte sich eine deutsche Kaufmannssprache auf oberdeutscher Grundlage in den handelswichtigen Städten Süddeutschlands, daneben eine weit über die Grenzen des deutschen Sprachgebiets hinausreichende niederdeutsche im Handelsbereich der Hanse. Während die hansische Kaufmannssprache mit dem Untergang der Hanse wieder erloschen ist (nur einige Wörter niederdeutschen Ursprungs [Hansesprache] wie Makler, Stapel, Fracht, Bodmerei erinnern noch an sie), hat die Sprache des oberdeutschen Handels sich vom Mittelalter bis heute weiterentwickelt. Zur Kennzeichnung der weitgehenden Fachgliederung dieser mittelalterlichen Handelssprache mögen Wörter dienen wie: Gesellschaft „Handelsgesellschaft", Geleite, Geleitsbrief, gestehen „kosten", Gewölbe oder Gadern „Kaufladen", Gewandhaus, Gewandschneider „Tuchhändler", Handgeld, Höker „Kleinhändler", Kaufmannschaft, Kaufhaus, Kaufherr, Pfandbrief, Schuld, Schuldner, Schuldbrief, Unterpfand, Wechsel (zunächst=Tauschhandel, dann=Wechselgeschäft), Wechselbrief, verrechnen, Ziel. Aus der lateinischen Amtssprache, die ja allgemein dieUrkundensprache war, sind in die Kaufmannssprache (und damit in weitere Kreise) Wörter wie quitt, Rente, Datum, Register, Summe, Fazit, Nota, Kopie, kopieren, Privileg gelangt. Vor allem aber brachten die lebhaften Geschäftsbeziehungen der süddeutschen Handelsstädte zu den norditalienischen Häfen jene Fülle italienischer Kaufmannswörter in die deutsche Kaufmannssprache, die ihr noch heute ihr Gepräge geben. Zu den ältesten gehören Lombard, ursprünglich „Geldwechsler", später „Beleihung"
§ 16. Die Bürgersprache
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(nach dem Namen der Lombarden), Gant „Versteigerung" (heute nur noch süddtsch. = „Konkurs", von ital. incanto, lat. in quantum? „wie hoch?"), Tara (über das Italienische aus dem Arabischen). Von etwa 1400 an strömen dann die italienischen Kaufmannswörter in breiter Flut ins Deutsche: Bank (Bedeutungslehnwort nach ital. banco), Bankerott, brutto, ditto, Faktor, Kassa, Kassierer, Kollo, Muster (aus ital. mostra), netto, Posten (ital. posta), Primo, Medio, Ultimo, Porto, Risiko, Skonto, Tratte, Vista usw. Mit der gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Venedig aus bekannt gewordenen „italienischen Buchhaltung" dringen Wörter ein wie Debet und Kredit (ursprünglich ital. Debito und Credito), Konto, Kontokorrent, Journal (ursprünglich in italienischer Form Giornale), Skontro, Strazze, Bilanz. Wenn manche dieser Wörter heute die italienische Lautform mit der französischen vertauscht haben, so liegt das an der Vorliebe des Barockzeitalters für französische Fremdwörter, die sich auch in der reichlichen Aufnahme französischer Kaufmannswörter im 17. und 18. Jahrhundert verrät (z. B. Adresse, Emballage, Fonds, retournieren, reell). Weiterhin hat der deutsche Handel im 17. Jahrhundert einige sprachliche Anleihen bei dem blühenden Uberseeund Kolonialhandel der Holländer gemacht: Aktie, Dividende, Leckage, Refaktie „Preisnachlaß für beschädigte Ware", Lotterie, Niete, piekfein (von holl. puik „ausgezeichnet"), Preiskurant (nach holl. prijs courant „laufender Preis"). Vom Ausgang des 18. Jahrhunderts an kommt zu dieser Fremdwortmischung der Kaufmannssprache dann noch ein starker englischer Zustrom (z. B. Jobber, Stock, Banknote, Partner, Scheck, Konsols, Limit), der namentlich im Exporthandel bis in neueste Zeit angedauert hat. In der Gegenwart bemüht sich die Kaufmannssprache allerdings, die fremdländischen Lehnwörter durch zweckmäßige Verdeutschungen zu ersetzen. In die Gemeinsprache übergegangen sind Kaufmannswörter wie Ausbund (ursprünglich „Schaumuster, das auf die Außenseite einer Packung gebunden war"), Kerbholz, Mißkredit; von jenen Lehnwörtern (Schuld-) Konto, Manko, dito usw.
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Die Sprache des hohen Mittelalters
Der Levantehandel brachte im Ausgang des Mittelalters zahlreiche W a r e n b e z e i c h n u n g e n romanischen und orientalischen Ursprungs (letztere durch romanische Vermittlung) ins Deutsche: Kordel, Stiefel, K o f f e r , Spezerei, Konfekt, Schachtel, Marzipan, Olive, Zibebe, Rosine, Ingwer, Muskat, Zimt, Korinthe, Kaper, Spinat, Wirsing, Mostrich, Zwetschge, Zitrone, Limone, Pomeranze, Orange, Apfelsine, Papier, Zucker, Sirup, Safran, Kattun, Mull, Atlas, Damast, Barchent, Scharlach, Kork, Borax, Salpeter usw. Die Berührung mit den östlichen Völkern Europas durch den Handel und durch die deutsche Ostsiedlung brachte seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters eine Anzahl W ö r t e r s l a w i s c h e n U r s p r u n g s ins Deutsche; ihre Zahl ist aber nicht eben groß, da die deutschen Bauern und Bürger vielmehr die eigene Sprache ostwärts ausbreiteten. Schon von dem 11. Jahrhundert ist das Wort Zobel (Handelsausdruck!) aus dem Russischen entlehnt; auch Kürschner geht wohl auf ein slawisches Grundwort zurück. Spätere Entlehnungen östlichen Ursprungs sind Dolmetsch (gegen 1300), Kummet, Grenze, Horde (tatarisch); Kutsche (nach dem ungarischen Dorfe Kocs bei Raab), Heiduck, Petschaft, Kretscham, Halunke, Jauche, Schöps, Graupe, Quark, Gurke, Peitsche, Säbel usw. Auch die Sprache der S e e f a h r t entwickelt sich in den Jahrhunderten des ausgehenden Mittelalters zu einer wirklichen Fadisprache. Ihre Grundlage ist gemeingermanisdi (vgl. § 10), z. B. S c h i f f , Nachen, Mast, Segel, Ruder, Bug, Steven. Im Mittelalter kommen zahlreiche Lehnwörter südeuropäischer Herkunft dazu, die von Jahrhundert zu Jahrhundert zunehmen: Aviso, Bai, Barke, Besan, Boje, entern, Flotte, Fregatte, Golf, Harpune, Havarie (arab.), Kai, Kajüte, kalfatern (arab.), Kap, Kapitän, Kastell (Schiffsaufbau), Kompaß, Korvette, Kurs, Marine, Mole, Pinasse, Port. Die Zufuhr dieser romanischen Lehnwörter geht zurück, als mit dem Niedergang des Mittelmeerhandels und dem Aufkommen der Seefahrt auf dem Atlantischen Ozean die Entlehnungen aus der den niederdeutschen See-
§ 17. Kirche und lateinische Gelehrsamkeit usw.
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fahrern vertrauten niederländischen Seemannsspradie einsetzen: Matrose (holl. matroos, über das Altfranzösisdie auf altnord. motunautr „Mahlgenosse in einer Schiffsmannschaft" zurückgehend), Maat (mnd. mute „Tischgenosse"), Büse, Kombüse, Düne, Klüver, Jacht, Fock usw. Aus dieser niederdeutsch-holländischen Seemannssprache, die in neuerer Zeit auch aus dem Englischen eine ganze Reihe von Entlehnungen aufgenommen hat (Boot, Brise, Log, Lotse, wohl auch Flagge) stammt im wesentlichen die heutige Seemannsspradie, die jedoch von den italienisch-romanischen Anfängen der deutschen Handelsschiffahrt im Mittelalter noch manche sprachliche Erinnerung bewahrt. Von Seemannsausdrücken, die in die Gemeinsprache übergegangen sind, seien genannt: Abstecher, Ballast, Flagge, flau, flott, scheitern. Fast völlig rein von fremden Bestandteilen ist die B e r g m a n n s s p r a c h e (nur Kux ist tschechisches Lehnwort, um 1300 am Südhang des Erzgebirges übernommen). Sie scheint in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters als Fachsprache entstanden zu sein und tritt uns vom 16. Jahrhundert an in geordneten Zusammenstellungen entgegen. Ihr Wortschatz bewahrt viel altes deutsches Sprachgut, z. B. Haspel, Klafter, Lachter, Bulge, Schacht, Schicht, muten, Stollen, Zeche; einige bergmännische Fachausdrücke sind in die allgemeine Sprache übergegangen: Ausbeute, Fundgrube, zutage fördern, reichhaltig (eigtl. an Erz), Stichprobe (eigtl. „Probe aus dem Schmelzofen"). § 17. Kirche und lateinische Gelehrsamkeit im späteren Mittelalter Vgl. F. S e i l e r (Titel s. § 2 ) , Teil III. — P. M ö l l e r , Fremdwörter aus dem Lateinischen im späteren Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen (Diss. Gießen 1915). — G. L ü e r s , Die Sprache der deutschen Mystik des Mittelalters (München 1926). — O. Z i r k e r , Die Bereicherung des deutschen Wortschatzes durch die spätmittelalterliche Mystik (Jena 1923). — R. F a h r n e r , Wortsinn und
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Die Sprache des hohen Mittelalters
Wortschöpfung bei Meister Eckehart (Marburg a. L. 1929). — Th. S c h n e i d e r , Der intellektuelle Wortschatz Meister Eckeharts (Berlin 1935). — H. K u n i s c h , Spätes Mittelalter, in „Deutsche Wortgeschidite" I 2 . Für den amtlichen Gebrauch der Kirche galt durch das ganze Mittelalter hindurch die lateinische Sprache als allein zulässig. Verbot doch Karl IV. im Jahre 1369 geistliche Schriften in deutscher Sprache und noch 1486 der Erzbischof von Mainz den Druck deutscher Bibelübersetzungen. So kann es uns nicht wundernehmen, daß zahlreiche k i r c h l i c h e A u s d r ü c k e während des Mittelalters aus dem Lateinischen ins Deutsche übergegangen sind. Es seien hier genannt (vgl. § 14): Absolution, absolvieren, Anathema, Chor, Exkommunikation, exkommunizieren, Glorie, Habit, inquirieren, Inquisition, Interdikt, Kalender, Kollekte, Konklave, Konzil, Litanei, Pastor, Mirakel, Reliquien, Sakrament (das in der Volkssprache zu dem Ausruf Sapperment geworden ist), Passion, Prozession, Kanon, Klerisei, Tonsur, Eremit, Talar, Kathedrale, Zeremonie, Brevier, Hostie, Monstranz, Konfession, Testament, Bulle, investieren, Investitur, Kapitel, Kurie, Lektion, Mandat, Paternoster, Sekte, Simonie, Diakon, Archidiakon, Kantor, Novize, Organist, Oblate, Ornament, Sakristei, Ornat, Stola, Hymnus, Requiem, Sequenz usw. Neben dem Latein der kirchlichen Messe entwickelte sich seit dem Auftreten der Bettelmönche (Dominikaner und Franziskaner) die d e u t s c h e P r e d i g t , die namentlich durch Berthold von Regensburg (um 1250) mächtig gefördert wurde. Von allem aber brachten die Schriften der M y s t i k e r (Meister Eckehart, Seuse, Tauler) eine deutsche Ausdrucksweise für Glaubensangelegenheiten, überhaupt für Begriffe des Seelenlebens, in Gebrauch. Zu den für die mystische Gottesversenkung kennzeichnenden Ausdrücken gehören: Vereinigung, Gleichheit, Gemeinsamkeit, Gegenwärtigkeit, Empfänglichkeit, Läuterung, Verwandlung, Erleuchtung, Unendlichkeit, Erhabenheit, Eindruck, Einfall, Einfluß, Einkehr, Ganzheit, Geistigkeit, Unwesen, über-
§ 17. Kirche und lateinische Gelehrsamkeit usw.
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göttlich, übermenschlich, übernatürlich, geistig, wesentlich, sachlich, innerlich, beschaulich, unaussprechlich, gelassen, innig, einwirken, entzücken, sich ergeben usw. Wenig zahlreich sind die Fremdwörter (Vision, Substanz, stubtil, spekulieren, kontemplieren), es kommen kühne Verdeutschungen vor: vürwurf oder gegenwurf für Objekt, underwurf für Subjekt, üzvluz für Emanation. Die Sprache der Mystik schafft eine sichere deutsche Ausdrudesweise für abstrakte Begriffe, wobei sie Hauptwörter auf -heit und -ung sowie substantivierte Infinitive bevorzugt (Dreiheit, Vielheit, Wesenheit, Erneuerung, Berührung, Vermengung; das Sein) und schafft die Grundlage für eine deutsche Sprache der Philosophie (begreifen, einleuchten, einsehen, wirklich, Eigenschaft, eigentlich, Verständnis, unverständlich, Zufall). Ein Zug zur Vergeistigung der sinnlich-anschaulichen Sprache der vorhergehenden Jahrhunderte ist diesem Wortschatz eigen. Aus der lateinischen Ausdrucksweise der Kirche bildet sich die G e l e h r t e n s p r a c h e , da die Wissenschaft des Mittelalters als Dienerin der Kirche durchaus das Latein benutzt. Zahlreiche zunächst theologische Ausdrücke gehen in den allgemeinen Gebrauch über, z. B. disputieren, Disputation, exponieren, Glosse, Text, Traktat. Die lateinischen Fachausdrücke der schulmäßigen Philosophie werden auch im Deutschen geläufig: Philosoph, Philosophie, Argument, definieren, Definition, Logik, Materie, Metaphysik. Reich an lateinischen Fremdwörtern ist die Sprache der M a t h e m a t i k und der Naturwissenschaften: addieren, dividieren, duplieren, Exempel, Geometrie, Grad, Minute, multiplizieren, Produkt, Quadrat, subtrahieren, Triangel, Zentrum, Zirkel (erst in späteren Jahrhunderten bietet man dafür Verdeutschungen, so Dürer, Kepler und Chr. Wolff); Astronomie, Astrologie, Firmament, Komet, Magnet, Orient, Okzident, Planet usw. Die lateinischen Monatsnamen drängen die alten deutschen, für deren Geltung sich Karl der Große eingesetzt hatte, immer mehr zurück (nur Hornung hält sich länger); einige werden
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Humanismus, Renaissance, Reformation
wenigstens eingedeutscht (März, Mai, süddeutsch Jänner, Feber). Auf lateinischer Grundlage beruhen auch die Fachausdrücke der A l c h i m i e : Elixier, Essenz, Extrakt, destillieren, Element, Filter (mlat. filtrum von germ. filt „Filz"), fix(ieren), hermetisch, Mixtur, Tinktur, die den Grundstode für die Fachsprache der modernen Chemie abgegeben haben. Die Sprache der M e d i z i n ist im 'wesentlichen auf lateinischen Fremdwörtern aufgebaut, wenn auch die volkstümlichen Namen der Krankheiten deutsch sind (z. B. Hexenschuß [Rest alten Heidenglaubens], fallende Sucht, Veitstanz, Schlagfluß usw.); angeführt seien etwa Apotheke, Arterie, Embryo, Fistel (lat. fistula), Karbunkel, Klistier, Kolik, kurieren, Medikament, Medizin, Pestilenz, Pille, Podagra, Puls, Pulver, Rezept. Auch in der Sprache der kunstmäßigen M u s i k , die ja im Mittelalter im wesentlichen kirchliche Musik ist, überwiegen die lateinischen Fachausdrücke: Diskant, Dissonanz, Harmonie, intonieren, komponieren, Melodie, Note, Oktave, Pause, Quarte, Quinte, Resonanz, Symphonie, Takt, Tenor, Terz; doch erhält die musikalische Fachsprache ihr eigentliches Gepräge erst im 17. Jahrhundert durch den Einfluß der italienischen Opernmusik (vgl. § 20). Humanismus, Renaissance,
Reformation
§ 18. Die lateinisdie Hochflut des Humanismus
F. S e i l e r (Titel s. § 2 ) , III. Teil. — A. G ö t z e , Akademische Fachsprache (Heidelberg 1929). — H. K l e n z , Die deutsche Druckersprache (Straßburg 1900). — F. K l u g e , Deutsche Studentensprache (Straßburg 1895). — H.-Fr. R o s e n f e l d , Humanistische Strömungen, in „Deutsche Wortgeschichte" I 2 , S. 329 f. Hat es der deutschen Sprache schon während des ganzen Mittelalters nicht an Fremdwörtern lateinischer Herkunft gefehlt, so nimmt diese Durchsetzung mit klassischem Sprachgut unter dem Einfluß des H u m a n i s m u s , des
§ 18. Die lateinische Hochflut des Humanismus
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Wiederauflebens antiken Geistes, namentlich in den gebildeten Kreisen so stark zu, daß das deutsche Volkstum durch die fremde Beeinflussung von Wortschatz und Stil zeitweilig gefährdet erscheint. Die Gelehrten reden in dieser Zeit über wissenschaftliche Fragen überhaupt kaum mehr deutsch; ihre Schriften sind durchaus in klassischem Latein abgefaßt (ein einziger Humanist, Ulrich von Hutten, wagt es, in der Muttersprache zu schreiben, und rühmt sich dieses Unterfangens als einer Kühnheit). Sagt doch eine theologische Streitschrift vom Jahre 1520, die in einem besonderen Kapitel gegen die Verwendung der Volkssprache in der Messe kämpft, ausdrücklich: „So nun drü Haupt- und reguliret Sprachen zu dem Dienst Gottes verordnet sein — hebräisch kriechisch latinisch — und wir Latiner seind, sollen wir billich die latinische Sprach zu der Messen bruchen." Die gelehrte Humanistenwelt kennt als Bildungssprache nur Latein. Es wird Mode weiter Kreise, soweit sie auf Bildung Anspruch erheben, zumindest z a h l l o s e l a t e i n i s c h e F r e m d w ö r t e r in ihre Rede einzuflechten. Dazu tritt ein Neues. Während das ganze Mittelalter hindurch das G r i e c h i s c h e kaum je unmittelbar auf das Deutsche gewirkt hatte (vgl. jedoch § 12), nimmt jetzt das Studium der griechischen Sprache, von Reuchlin und im Dienste der Reformation von Melanchthon lebhaft gefördert, weiten Umfang an. So kommt es, daß auch g r i e c h i s c h e W ö r t e r in größerer Menge als vorher durch die zweite Hand des Lateins ins Deutsche, namentlich die Gelehrtensprache übergehen. Wie stark der Einfluß der antiken Sprachen auf das Deutsche in dieser Zeit wird, ersieht man daraus, daß sogar manche F a m i l i e n n a m e n ins Lateinische und Griechische übersetzt oder doch mit lateinischer Endung versehen werden, z. B. Agricola, Avenarius, Faber, Mercator, Pistorms, Textor; Melanchthon, tieander, Oecolampadius; Schulerus, Scultetus, Hoffmanius. Antike Bildungssilben werden in freiester Weise mit Stämmen lateinischen oder griechischen Ursprungs verbunden, z. B. -os, -enz, -tor, -ian, -cd, -aticus, a-, sogar mit Wörtern deutschen Ursprungs verkoppelt, namentlich in der Gelehrten-
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Humanismus, Renaissance, Reformation
und Kanzlistensprache, z. B. Grobian, Schlendrian, morganatisch (von Morgengabe), Austrägalinstanz (früheres Aktenwort). Wie zahlreich die Übernahme antiker Fremdwörter in dieser Zeit war, beweist das erste Fremdwörterbuch, das am Ende dieser Periode erschien, das von Simon Roth (1571): es zählt gegen 2000 meist lateinische Fremdwörter auf. Und noch heute enthalten die umfangreichen Fremdwörterbücher unter ihren langen Wortlisten zu etwa drei Vierteln aus dem Latein und dem Griechischen stammende Wörter der gelehrten Bildung. Dazu hat das Zeitalter des Humanismus im wesentlichen den Grund gelegt. Spätere Zeiten (bis herab zur Gegenwart) fügen in Fachsprachen der Wissenschaft, allen voran der Chemie, dann der Medizin, Biologie, Fremdwörter hinzu. Es sind jetzt der Form nach zumeist fremde Wörter, die in jenen naturwissenschaftlichen Bereichen international einheitlich sein wollen. An lateinisch-griechischen Fremdwörtern des g e l e h r t e n U n t e r r i c h t s , deren Fortbestand bis heute dadurch gefördert worden ist, daß die Gelehrtenschulen und Universitäten bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts im wesentlichen das Latein als Unterrichtssprache beibehielten, nennen wir: Abitur(ium), Abiturient, Akademie, Aktus, Antiquität, Auditorium, Aula, Autor, Autorität, Bibliothek (daneben älter Liberey), Botanik, deklamieren, demonstrieren, diktieren, Examen, Exkursion, Fakultät, Famulus, Ferien, Fauna, Flora, Geographie, Glossar, Grammatik, Gymnasium, Humanität, interpretieren, Karzer, Katheder, Klasse, Kollege, Kommentar, Kompendium, Korrektur, korrigieren, Lektion, Lineal, Lyzeum, Magister, memorieren, Opus, Pädagog, Pensum, Prädikat, präparieren, Professor, Rektor, repetieren, rezitieren, Scholar, Sexta bis Prima (als Bezeichnungen der Klassenstufen), Stilistik, Student, studieren, Studium, Universität, Vokabel, Vokabularium, Zensur. Fast alle diese Wörter werden mit voller lateinischer Endung ins Deutsche übernommen, ja sie werden im deut-
§ 1 8 . D i e lateinische H o c h f l u t des H u m a n i s m u s
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sehen Text streng nach den lateinischen oder griechischen Regeln abgewandelt, so Mehrzahlbildungen wie Examina
und Themata, Tempora und Kommata oder in den Fallendungen von Jesus Christus (z. B. Jesu Christo), bis heute. Aus dem gelehrten Latein der humanistischen Wissenschaft erwächst der Grundstock der S t u d e n t e n s p r a c h e :
fidel, Kommers, Moneten, Prosit, Vivat, Pereat, Silentium, Sinesine, in die Allgemeinsprache ist Pros(i)t
eingegangen.
Scherzhafte deutsch-lateinische Zwitterworte (sog. „makka-
ronisches" Latein) sind: Pfiffikus, Schwachmatikus, Schwulität, Paukant, Exkneipe, Konkneipant. Da wird die griechische Adverbialendung -ikos beliebt; burschikos ist ein Rest davon. Die eigentliche „ B u r s c h e n s p r a c h e " bildet sich aber erst im 17. und 18. Jahrhundert aus, namentlich an den Universitäten Jena, Halle, Gießen. Sie zeigt neben
deutschen Ausdrücken, wie Fuchs, Frosch, Affe, Kater,
fop-
pen, pumpen, Moos „Geld" (einiges davon stammt aus dem Rotwelschen), auch mancherlei französische Anklänge des
„galanten" Zeitalters: Blamage, Renommage,
Kontrahage,
Kneipier,
trist.
renommieren,
Die K a n z l e i e n jener Zeit sind in lateinischen Wörtern und Wendungen schwer zu verstehen, jedenfalls für das breite Volk rätselhaft:
Akten, Aktuar, antizipieren, Archiv, Audienz, Auktion, authentisch, cito „schnell", Deputat, dispensieren, disponieren, Disposition, Distrikt, Exekution, Faktum, Familie, fingieren, Fiskus, general, gratis, inklusive, Insignien, instruieren, Instruktion, Inventar, kassieren, Kautel, Klausel, Kommission, Konferenz, konform, Kontrakt, Konzept, Motiv, Nation, Residenz, Skrupel. Die T i t e l werden seit der Zeit Karls V. im amtlichen Stil stets lateinisch angeführt, z. B. Majestät (vorher hatte
es deutsch Hoheit oder Gnaden geheißen), Monarch,
tat, Regent, Exzellenz usw.
Poten-
Das r ö m i s c h e R e c h t , dessen Vordringen im Kampfe gegen die volkstümlichen deutschen Rechtsanschauungen (vgl. § 14) uns Goethes Götz von Berlichingen (I. Akt) anschaulich schildert, brachte jene Flut des Juristenlateins, das
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Humanismus, Renaissance, Reformation
erst in jüngster Zeit wieder durch eine allgemeinverständliche deutsche Rechtssprache abgelöst worden ist. Mit der Kammergerichtsordnung von Jahre 1495 tritt das Corpus Juris in deutsches Rechtsleben ein. Von da an gelten in der deutschen Rechtssprache lateinische Fremdwörter wie: adoptieren, Advokat, Agnaten, Alimente, Amnestie, annullieren, appellieren, Appellation, Arrest, arrestieren, Assessor, Delinquent, Exzeß, Hypothek, Injurie, inquirieren, insinuieren, Jura, Justiz, Kaution, Kodizill, konfiszieren, konfrontieren, legal, Legalität, protestieren, Prozeß usw. N u r die volkstümlichen Ausdrücke des Strafvollzugs bleiben deutsch: über einen den Stab brechen (alter Rechtsbrauch), brandmarken, Steckbrief, Henkersmahlzeit, Feuerprobe, radebrechen „die Glieder auf dem Rade brechen", sich wie gerädert fühlen, Daumschrauben ansetzen, und wie diese heute fast durchweg bildlich angewandten Wendungen lauten. Als man im 18. Jahrhundert immer stärker bis heute Rechtsverordnungen auch dem einfachen Volke verständlich abzufassen begann, suchte man nach gutem deutschen Wortschatz in den Mundarten. So kamen die ersten Mundartwörterbücher auf. Es sind Juristen, die in der Gegenwart auf klare deutsche Ausdrucksweise dringen und z. B. in solchen Bestrebungen des „Allgemeinen deutschen Sprachvereins" sich in die vorderste Reihe stellten. Aber die Sprache der Medizin soll nach dem Willen der Fachleute gerade nicht allgemeinverständlich sein, was dem Kranken schaden könnte. Von den Berufssprachen ist die der B u c h d r u c k e r , die ja der gelehrten Welt nahestehen (die ersten Druckergesellen waren oft verbummelte Studenten), durch die humanistische Fremdwörterflut entscheidend beeinflußt worden. Zwar ist das Grundwort der von Gutenberg um die Mitte des 15. Jahrhunderts aufgebrachten Kunst deutsch: drucken; kennzeichnend ist, daß dieser Fachausdruck bis heute seine oberdeutsche Lautform (drucken statt drücken) bewahrt hat. Die Druckerkunst ist in Süddeutschland erfunden und zuerst ausgebreitet worden. Deutsche Fachausdrücke sind noch: Buchdrucker und Buchbinder (seit dem Ausgang des
§ 18. Die lateinische Hochflut des Humanismus
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15. Jahrhunderts), Buchhändler (dafür anfangs Buchführer), verlegen, Verleger und Verlag (verlegen, ursprünglich die Kosten für den Druck eines Buches vorschußweise auslegen); setzen und Setzer, Schweizerdegen „Setzer, der auch drucken k a n n " ; sowie einige Handwerksbezeichnungen für Satzfehler wie Hochzeit (doppelt gesetztes Wort), Leiche (fehlendes Wort), Zwiebelfisch (durcheinandergeratene Buchstaben), Fliegenkopf (verkehrt stehender Buchstabe), Spieß (mitgedruckter Ausschluß), Speck (leerer Raum im Satz) usw. Sonst aber spricht der Drucker lateinisch Fadisprache: Abbreviatur „Abkürzung", Alinea „Absatz", Autor, Divis „Teilungszeichen", Divisorium „Halteklammer", Exemplar, Faksimile, Format, illustrieren, Imprimatur „Druckerlaubnis", Initialen, Kolumne, korrigieren, Korrektor, Korrektur, Manuskript, Makulatur, Noten „Anmerkungen", Pagina, paginieren, Presse, Revision, Spatium, Tenakel „Manuskripthalter", Type; ferner die Namen der Formate, wie Folio, Quart, Oktav, Duodez usw., und der Letterngrade, wie Cicero, Corpus (zu denen allerdings später, durch das Übergewicht der Pariser Schriftgießereien, ein paar französische Bezeichnungen kamen, wie Colonel, Petit und Nonpareille). Die H a n d w e r k e erreichen im Zeitalter der Renaissance hohe Blüte auf künstlerischem und kunstgewerblichem Gebiete. Sie decken ihren Wortbedarf im wesentlichen mit heimischen Ausdrücken. Die Baukunst kennt zwar seit den Dombauten des Mittelalters eine Anzahl meist aus dem Latein stammender Fremdwörter, wie Abseite „Nebenraum der Kirche" (aus griech.-lat. absida), Erker (aus nordfranz. arquiere „Schießscharte"), Kapitell, zu denen im 16. Jahrhundert etwa noch Architekt, Architektur, Architrav, Fries usw. treten. Malerei, Schnitzerei, Erzgießerei und Goldschmiedekunst aber kommen, wie die übrigen deutschen Handwerkssprachen, großenteils mit muttersprachlichen Wörtern aus. Mancher gute Ausdrude ist damals üblich, der heute nicht mehr gebraucht wird, so wenn Albrecht Dürer von einer Tafel (Gemälde) oder einer Schilderei spricht. Die neu ausgebildete Lehre der Perspek-
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Humanismus, Renaissance, Reformation
tive wird mit einem Fremdwort bezeichnet. Die Fremdwörter der italienischen Renaissancekunst aber dringen (am stärksten in der neuen Kunst der Opernmusik, vgl. § 20) erst im 17. Jahrhundert in größerem Umfange ein. Die deutsche D i c h t u n g , die sich in diesem grobianischen Zeitalter vielfach auf derbe Schwanke, bürgerliche Unterhaltung und politisch-religiöse Kampfliteratur beschränkt, kommt im allgemeinen mit heimischen Ausdrücken aus, erst gegen das Ende des 16. Jahrhunderts mehrt sich die Vorliebe für klassische Fremdwörter und, in immer zunehmendem Maße, für Ausdrücke französischer Herkunft. Wie stark die sprachschöpferische Kraft jenes Zeitalters noch immer war, ersieht man aus dem Wortschatz Fischarts, der das Deutsche in Wortspielen, Witzen und kühnen Neubildungen virtuos handhabt. Volksetymologien für die neumodischen Fremdwörter spielen dabei keine geringe Rolle, so wenn er maulhenkoliscb für melancholisch, Pfotengram für Podagra, Brotfrission für Profession, affentheuerlich für abenteuerlich (dies selber schon volksetymologisierend aus franz. aventure) bildet. Die Entdeckung der N e u e n W e l t und des Seeweges nach Indien bringt durch die damit zusammenhängende Bekanntschaft mit fremden Waren und Tieren manchen überseeischen Fremdausdruck ins Deutsche, z. B. Mais (um 1500 aus Haiti), Kaffee (1582, arabisch), Kakao (um 1550, mexikanisch), Ananas, Kanarienvogel, Kannibale, Orkan (beide ursprünglich karibisch), Bambus (malaiisch), Tabak. § 19. Martin Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache
F. K l u g e , Von Luther bis Lessing (5. Aufl., Leipzig 1918). — K. v. B a h d e r , Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache (Heidelberg 1925). — A. G ö t z e , Frühneuhochdeutsches Glossar (2. Aufl., Bonn 1920). — P h . D i e t z , Wörterbuch zu Luthers deutschen Schriften. I. Bd. (A—F) (Leipzig 1870). — B. L i n d m e y r , Der Wortschatz in Luthers, Emsers und Ecks Ubersetzung des Neuen Testamentes (Straßburg 1899). —
§ 19. M. Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache
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D . H . M a l h e r b e , Das Fremdwort im Reformationszeitalter (Diss. Freiburg i. B. 1906). — F r . L e p p , Schlagwörter des Reformationszeitalters (Leipzig 1908). — C. F r a n k e , Grundzüge der Schriftsprache Luthers, I I . Luthers Wortlehre (Halle, 2. Aufl. 1914). — J . E r b e n , Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache, in: „Deutsche Wortgeschichte" I 2 , S. 439 f. Als wichtigstes sprachliches Ergebnis der lutherischen Reformation muß im Zusammenhang dieser Schrift der S i e g des D e u t s c h e n ü b e r das L a t e i n i s c h e in d e r K i r c h e n - u n d B ü c h e r s p r a c h e genannt werden. Die Wirkung Luthers kann dabei nicht hoch genug angeschlagen werden. „Niemand, der weiß, was eine Sprache ist, erscheine ohne Ehrerbietung vor Luther. Unter keinem Volke hat ein Mann so viel an seiner Sprache gebildet", sagt mit Recht Klopstock. Zwar ist Luther nicht, wie man früher angenommen hat, der Schöpfer der n e u h o c h d e u t s c h e n S c h r i f t s p r a c h e . Diese ist vielmehr hervorgegangen aus der Verkehrssprache der Siedler des dem Deutschtum neuerschlossenen ostmitteldeutschen Raumes. Als Sprache der kursächsischen Kanzlei hat Luther diese Form der Gemeinsprache für sein literarisches Wirken, insbesondere für seine Bibelübersetzung übernommen und ihr durch die weithin reichende Wucht seines Reformationswerkes entscheidende Förderung verliehen. Mitten in einer lateinsprachigen Zeit, mitten in dem Fremdwörterschwall der Humanistenwelt hat Luther diese neue deutsche Volkssprache literaturfähig gemacht. Schon ein Blick auf die Büchererzeugung jenes Zeitalters lehrt uns das. Während bis 1518 .kaum mehr als 100 Bücher in deutscher Sprache jährlich in Deutschland erschienen, dagegen 90 v. H . aller gedruckten Bücher lateinisch waren, stieg ihre Zahl vom Jahre 1519 an, wo sie infolge von Luthers Auftreten schon 260 betrug, in der Mitte der 20er Jahre an 1000 heran. Freilich betrug im Jahre 1570 die Zahl der lateinisch abgefaßten Druckschriften immer noch etwa 70 v. H . der Gesamtheit; erst im Beginn des 18. Jahrhunderts sank sie auf 30 v. H . , Ende des 18. Jahrhunderts auf 5 v. H . Im Jahre Schirmer-Mitzka,
Wortkunde
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1681 überwogen zum erstenmal die deutschen Bücher an Zahl die lateinischen. Dieser Sieg des Deutschen über das Latein zeigt sich auch darin, daß das Wort Muttersprache im Lutherzeitalter Geltung gewinnt und daß vom Ende des 16. Jahrhunderts an unsere Sprache vielfach den Ehrennamen „Haupt- und Heldensprache" erhält. Was nun die sprachliche Auswirkung des theologischen Bereiches auf dem Gebiete des Wortschatzes betrifft, so ergibt sich, daß eine ganze Anzahl p r o t e s t a n t i s c h e r F a c h a u s d r ü c k e in den allgemeinen Spradigebrauch übergegangen sind: Protestant und protestantisch selber sind freilich erst später allgemein üblich geworden (nach dem Reichstag zu Speyer 1529); der anfängliche Ausdruck war lutherisch. Evangelisch tritt seit 1520 als Schlag- und Parteiwort auf (zuerst evangelische Lehre). Ferner nehmen ihre heutige Verwendung an: Konfession (besonders seit der „Augsburgischen Konfession" 1530), Reformation und reformieren (die freilich auch im 15. Jahrhundert, dem Zeitalter der Reformkonzilien, schon viel gebraudit wurden), Kommunion, konfirmieren, Dissident, Kantor, Kultus, Konsistorium, Pastor, Superintendent usw. Meist sind es ältere kirchliche Fachausdrücke, die unter neuer Bedeutung und mit neuen Gefühlsgehalt volkstümlich werden. Daneben prägt das Zeitalter des Kirchenkampfes zahlreiche neue Schlagwörter, von denen allerdings heute nur noch ein Teil lebendig ist. Als Beispiele seien genannt: Martinisch, Eckisch, Freiheit, Evangelium, Ketzer, Bilderstürmer, Schwärmer, Schwarmgeist, Rottengeist, Antichrist, Papist, Romanist, Lutherischer (später Lutheraner), Zwinglianer. Auf Luther selber gehen Wortschöpfungen wie Feuereifer, Bubenstück, Lästermaul, Mördergrube, Wehklage, Wehmutter zurück. Zahlreiche biblische Wendungen und Redensarten dringen durch die volkstümliche Bibelübersetzung Luthers, der bei der Wahl seiner Ausdrucksweise nicht die fremden Buchstaben, sondern die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt befragt hatte, in den allgemeinen Sprachschatz ein: jemand die Leviten lesen, Hiobspost, der ungerechte Mam-
§ 19. M. Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache
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mon, Zeichen der Zeit, Stein des Anstoßes, mit Blindheit geschlagen, Krethi und Plethi, ein Dorn im Auge, Splitterrichter, mit fremdem Kalbe pflügen, im Schweiße seines Angesichts, ein Kind des Todes, Linsengericht, sein Licht unter den Scheffel stellen, sein Scherflein beitragen, mit seinem Pfunde wuchern, durch die Finger sehen, herrlich und in Freuden leben. Der kirchliche Zug der Zeit spiegelt sich in der Wahl der V o r n a m e n . Während zunächst biblische und antike Namen bevorzugt, z. B. Johannes, Martin, Thomas, Desiderius, Philipp, Sebastian, kommen in den folgenden Jahrhunderten (namentlich im 18.) religiöse Namen deutscher Bildung in Gebrauch: Fürchtegott, Ehregott, Traugott, Gotthold, Gottfried, Gottlieb. Erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts werden weltliche Vornamen wieder häufiger. Der „grobianische Geist", der dem Lutherzeitalter eigen ist und den auch Luther, ein Virtuos im Schimpfen, schätzt, greift zu derben Wortverdrehungen wie Dreck statt Dr. Eck, dagegen Luder statt Luther, Dreckental statt Dekretal, Jesuwider statt Jesuiter, in Schimpfwörtern wie Babylonische Hure, Teufelsmäuler, Teufelskinder, Teufelsgeschmeiß, Schlangenbrut, pestilenzisch Übel. Gegenüber der übermächtigen Fremdwörterherrschaft seiner Zeit verhält sich Luther gemäßigt. In seiner Prosa verschmäht er das F r e m d w o r t nicht völlig; so kommen bei ihm etwa Majestät, Glorie, Pestilenz, Finanzen, Lektion, disputieren, Element, Exempel, fanatisieren, Artikel, Kapitel, Person häufig vor. Die Bibelübersetzung Luthers aber macht sich von den Fremdwörtern fast völlig frei. Während die Ubersetzung seines Gegners Eck noch die Fremdwörter prophetisieren, Fundament, Orient, Glorie, Ampel, Regent kennt, schreibt Luther dafür weissagen, Grund, Morgen, Herrlichkeit, Fackel, Herr. Auch Zwingli ist in seiner Sprache fast völlig fremdwortfrei. Die sprachliche Hauptbedeutung der Bibelübersetzung Luthers besteht darin, daß eine Anzahl ursprünglich m i t t e l d e u t s c h e r L a n d s c h a f t s w ö r t e r , von denen 6*
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Humanismus, Renaissance, Reformation
einige übrigens erst aus dem Niederdeutschen ins Ostmitteldeutsche übernommen sind, in die Schriftsprache eingeführt und die entsprechenden oberdeutschen dadurch verdrängt haben. So sind Wörter mitteldeutschen Ursprungs: Götze (obd. dafür Abgott), Grenze (obd. Mark), beben (obd. bidmen), Pflaster (obd. Estrich), Lippe (obd. Lefze), harren (obd. warten), fühlen (obd. empfinden oder spüren), bunt (obd. gesprenkelt), fett (obd. feist), Pfuhl (obd. Teich), Ufer (obd. Gestad), Kahn (obd. Nachen), Hügel (obd. Bühel), Ziege (obd. Geiß), Splitter (obd. Spreiß), täuschen obd. trügen), empören, ernten, freien, gehorchen, albern, üstern, schüchtern, wichtig, Heuchler, Stachel, tadeln usw. Beruf in der Bedeutung „Amt, Stand" (vorher = Berufung) und Grund in der Bedeutung „Ursache" (vorher = Unterstes, Unterlage) gehen ebenfalls auf Luthers Sprachgebrauch zurück. Im Anfang von Luthers Bibelübersetzung werden oberdeutsche Drucke vielfach mit einem Wortverzeichnis versehen. Es übersetzt die ungewohnten neuen Ausdrücke den süddeutschen Landsleuten in ihr heimisches Deutsch. Mit der Zeit sind die durch Luther eingeführten Wörter doch so allgemein üblich geworden, daß die Schweizer um 1600 sich anschließen. In manchen Teilen des deutschen Sprachgebietes hat es freilich noch lange gedauert, ehe der neue Wortgebraudi völlig durchdrang. Namentlich Niederdeutschland hat sich lange dagegen gesträubt. Zum rechten Sieg kam die Luthersprache erst, als die klassischen Dichter des 18. Jahrhunderts der auf Luthers Bibel zurückgehenden Literatursprache auch die künstlerische Weihe gaben. Eine völlige Vereinheitlichung des Wortschatzes ist allerdings im deutschen Sprachgebiet bis heute nicht eingetreten. Die Alltagsrede kennt zahlreiche landschaftliche Verschiedenheiten (so in den Berufsbezeichnungen der Handwerker, wie Fleischer, Metzger, Schlachter, Selcher oder Tischler— Schreiner, Klempner—Spengler, oder in Doppelungen wie Sonnabend—Samstag, Sahne—Rahm, Kohl—Kraut, klingeln—läuten—schellen, Treppe—Stiege). Auch im Wortgebrauch der Dichtung, wo man etwa bei Dichtern österreichischer, schweizerischer oder niederdeutscher Herkunft
§ 20. Der Wortschatz der Musik
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landschaftliche Sonderheiten selbst in völlig mundartfreier Darstellung immer noch durchspürt (vgl. § 7). Und solche landsmännische Wortwahl kann sehr wohl gefallen. Das B a r o c k z e i t a l t e r und die a l a m o d i s c h e S p r a c h e § 20. Der Wortschatz der Musik
F. S e i l e r (Titel s. « 2) I I I , Kap. V I , 6. — W. F l e m m i n g in „Deutsche Wortgeschichte" I I 2 S. 1 f. Im Mittelalter und bis ins 16. Jahrhundert hinein bestand ein ausgebildeter Fachwortschatz im allgemeinen nur für kirchliche Musik und kirchlichen Gesang (abgesehen von der wieder untergegangenen Ausdrucksweise des Meistergesangs). Die musikalischen Fachausdrücke stammen im wesentlichen aus dem Latein der katholischen Kirche (vgl. § 17). Eine eigentliche m u s i k a l i s c h e F a c h s p r a c h e kommt erst um 1600 aus Italien, wo seit dem Ende des 16. Jahrhunderts die Oratorien- und Opernmusik aufblühte, ins Deutsche. Zahlreiche lateinische Lehnwörter der alten Kirchenmusik blieben bis in die heutige Musiksprache erhalten, z. B. Alt, Baß, Diskant, Tenor, Musik, Choral, Note, Harmonie, Rhythmus, Takt, Komposition, Komponist, Instrument, Orgel, Melodie, Kontrapunkt (aus diesem das Volkswort kunterbunt, ursprünglich vielstimmig). Die heutige Ausdrucksweise der musikalischen Kunst geht auf die italienischen Fremdwörter zurück. In voller Reichhaltigkeit hat das 17. Jahrhundert, ja zum Teil erst das 18., solche übernommen. Nur die einfachsten volkstümlichen Grundwörter der Musik sind von jeher deutsch: singen, spielen, blasen, Stimme. Selbst so volkstümliche Instrumente wie Leier, Laute, Fiedel, Harfe, Geige tragen Namen, die (bereits im Mittelalter) aus dem Romanischen entlehnt sind. Die eigentlich technischen Fachbezeichnungen aber sind durchweg aus dem I t a l i e n i s c h e n übernommen. Als älteste Schicht italienischer Musikwörter, bereits im 16. Jährhundert entlehnt, sind zu nennen: Kapelle,
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Das Barockzeitalter und die alamodische Sprache
Sonate, Motette. Gegen 1600 setzt der italienische Zustrom voll ein: Adagio, Allegro, Arie, Bariton, Bombardon, Bratsche, Finale, forte, Fuge, Konzert, Oper. Im Anfang des 18. Jahrhunderts treten etwa noch dazu: Mandoline, Duett, Operette, Solo, Sopran, Violine, Violoncello (später zu Cello verkürzt) und die zahlreichen Vortragsbezeichnungen wie accelerändo, andante, piano, pianissimo, fortissimo, decrescendo. Neben den italienischen Ausdrücken wirken französische Fachausdrücke weiter: Fagott und Flöte (um 1600 aus dem Französischen), Hoboe (um 1700 aus Hautbois). Jüngeren Ursprungs sind Musikausdrücke wie Klavier, Taste (18. Jahrhundert), Pianoforte und Piano (19. Jahrhundert). § 21. Die Heeressprache
P. H o r n , Die deutsche Soldatensprache (Gießen, 2. Aufl. 1905). — O. M a u ß e r , Deutsche Soldatensprache (Straßburg 1917). — W. T r a n s f e l d , Wort und Brauch im deutschen Heer (Hamburg 1942). Eine eigentliche Fachsprache des Heereswesens hatte das Mittelalter noch nicht gekannt. Kampf und Kriegführung waren so sehr Sache der Allgemeinheit, daß die Ausdrücke dafür, wie Krieg, kämpfen, Heer, Schlacht, Sieg, Wörter des allgemeinen Wortschatzes waren, soweit nicht das Rittertum französische Fachausdrücke dafür entlehnt hatte (vgl. § 15). Mit dem Aufkommen der Söldnertruppen als Berufsheere im Ausgang des Mittelalters kommt nun eine wirkliche Fachsprache für alles Militärische, das dem früheren Kriegerischen gegenübersteht, auf, und ihre Ausdrücke sind z u n ä c h s t m e i s t f r a n z ö s i s c h e E n t l e h n u n g e n . So stammen Sold, Söldner, Rotte, Standarte (alle schon mittelhochdeutsch) aus dem Französischen, Kartaune (um 1475) und Soldat (nach 1500) aus dem Italienischen. Immerhin werden ältere heimische Ausdrücke neben den Fremdwörtern weiterbenutzt, z. B. Fähnrich, Hauptmann, oder neue gebildet, z. B. Feldwebel, Feldherr, Feldscher, Feldzeichen, Feldzeugmeister, Feldzug, Kriegsknecht, Landsknecht, Oberst, Wachtmeister, Zeug-
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haus (alles Ausdrücke des 16. Jahrhunderts). Gefreiter, eine Lehnübersetzung von lat. exemptus „(vom Wachtdienst) befreit", kommt gleichfalls gegen Ende des 16. Jahrhunderts auf. Neben diesen heimischen Ausdrücken gelangt seit dem 16. Jahrhundert und in noch zunehmendem Maße im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges eine bunte Masse fremder Militärfach-wörter aus fast allen Spradien Europas, entsprechend der bunt durcheinandergewürfelten Herkunft der Söldnerscharen jener Zeit, in die deutsche Heeressprache. Nicht immer sind diese Fremdwörter ihrer Herkunft nach auf eine bestimmte Sprache zurückzuführen. Es treten oft verschiedene romanische Sprachen in Wettbewerb. Neben das Französische treten als Ursprungsspradien vor allem das S p a n i s c h e und das I t a l i e n i s c h e , wie denn spanischer Ursprung für einige Wörter selbst an der Lautform nachzuweisen ist (z. B. Brigade, Infanterie). R o m a n i s c h e n U r s p r u n g s sind die folgenden Fachausdrücke der Heeressprache: Adjutant, Alarm (eigentlich der italienische Ruf all'arme „zu den Waffen", daneben die ältere Form Lerman, die zu Lärm eingedeutscht wird), Armee, Arsenal (ursprünglich arabisch, über Venedig ins Deutsche gedrungen), Artillerie, Bagage, Bajonett (nach der französischen Stadt Bayonne), Bande, Bataille, Bataillon, Batterie, blockieren, bombardieren, Bombe, Bresche, Brigade, Chef, Defensive, defilieren, Deserteur, desertieren, Division, Dragoner, Epaulette, Eskadron, Etappe, exerzieren, Flanke, Fort, Front, Furage, furagieren, Füsilier,Galopp, galoppieren, Gamasche, Garde, Garnison, General, Granate, Grenadier, Gros, Infanterie, Ingenieur (ursprünglich „Festungsbaumeister"), Kaliber, Kamerad, Kanone, Karabiner, Karree, Kartusche, Kasematte, Kaserne, Kavallerie, Kommandant, kommandieren, Kommando, Kommiß, Kompanie, Kornett, Korporal, Korps, Küraß, Kürassier, Leutnant, Major, Marketender, Munition, Offizier, Palisade, Parade, Pardon, Parole, Patrone, Patrouille, Pionier, Ronde, Sergeant, Spion, Train, Truppe u. a,
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Neben diesen Wörtern romanischer Herkunft kommt aber durch die T ü r k e n k r i e g e und durch die Teilnahme östlicher Völkerschaften am Dreißigjährigen Krieg auch eine Anzahl s l a w i s c h e r u n d o r i e n t a l i s c h e r A u s d r ü c k e in die deutsche Heeressprache, so etwa: Attila „Husarenjacke" (ungarisch), Dolman „Husarenpelz" (türkisch), Haubitze (tschechisch, seit den Hussitenkriegen), Horde (türkisch), Husar (ungarisch, eigentlich „der Zwanzigste", weil in Ungarn je 20 Gutsbesitzer einen Berittenen stellen mußten), Kaipak „Husarenpelzmütze", Litewka (polnisch), Pallasch (türkisch), Pandur, Pekesche (polnisch), Säbel (ungarisch oder polnisch), Schabracke (türkisch), Tschako (ungarisch), Ulan (polnisch). Wahrscheinlich aus dem Schwedischen ist im Dreißigjährigen Krieg Flinte (schwedisch ftinta „Feuerstein") entlehnt worden. Dies Übermaß an Fremdwörtern, das schon im 17. Jahrhundert bewegliche Klagen deutschliebender Sprachfreunde hervorgerufen hat, ist trotz aller Änderungsversuche großenteils bis in die Heeressprache der Gegenwart erhalten geblieben. Erst in jüngster Zeit sind erfolgreiche Verdeutschungen eingeführt worden, so Oberleutnant statt Premierleutnant, Fahnenjunker statt Avantageur, Gelände statt Terrain, Wecken statt Reveille, Spähtrupp statt Patrouille. Die amtliche Fachsprache des Heeres hat ältere deutsche Ausdrücke neu belebt (Schützengraben, Unterstand, Verhau, Stellung) oder neue Dinge mit heimischen Namen benannt (Kampf- oder Panzer [wagen] statt des englischen Tank, Kampfflieger, Abwehrschlacht). Neben der Heeressprache, der sachlichen Benennung militärischer Fachbegriffe, entwickelte das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges auch eine S o l d a t e n s p r a c h e als Sonder- und Geheimsprache, die nicht nur militärische, sondern auch Alltagsbegriffe mit Sondernamen belegte. Diese „ F e l d s p r a c h e " trägt anfangs stark rotwelsche Züge (vgl. § 22), da zwischen Landsknechten und fahrenden Leuten oft nur wenig Unterschied bestand. Doch hat sich von dieser dunklen Feldsprache nur wenig bis in die Soldatensprache der Gegenwart gehalten, diese ist viel-
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mehr eine Neuschöpfung des Z e i t a l t e r s d e r a l l g e m e i n e n W e h r p f l i c h t und beruht in ihrer bilderreichen, oft humorvoll gefärbten Mannigfaltigkeit auf der allgemeinen Umgangssprache, zum Teil auch auf dem mundartlichen Wortschatz. Immerhin haben sich einige aus der Feldsprache stammende Wörter und Redensarten, wie abgebrannt ( = ohne Geld), heller Haufen, Vorteil (eigentlich „vorweggenommener Beuteanteil"), Spießruten laufen, Fersengeld geben, unsicherer Kantonist, aufs Korn nehmen usw., als bildliche Wendungen in die Gemeinsprache gerettet. § 22. Das Rotwelsch S i e g m u n d A. W o l f , Wörterbuch des Rotwelschen 1956. — K l u g e - M i t z k a , Etymologisches Wörterbuch 1960, 18. Aufl.: Sachverzeichnis am Schluß. Das R o t w e l s c h (von Rot = „Bettler" + welsch = „fremdländisch") oder d i e G a u n e r s p r a c h e ist die Geheimsprache des Vagabunden- und Verbrechertums. Ihre Kenntnis ist im allgemeinen auf die genannten Kreise beschränkt, doch ist vieles aus ihr in andere Standessprachen (z. B. die Feldsprache, die Studenten- und Pennälersprache, die Kaufmannssprache) übergegangen, auch in den Gebrauch der Gemeinsprache eingedrungen. Deshalb soll hier wenigstens kurz darauf hingewiesen werden, daß uns das Rotwelsch in seinen wesentlichsten Zügen in den unsicheren, kriegsbewegten Zeiten des 16. und 17. Jahrhunderts zuerst deutlich greifbar wird. Zahlreiche seiner Bestandteile haben aber sicher ein höheres Alter, nur ist dieses mangels schriftlicher Überlieferung schwer nachweisbar. Seit dem 16. Jahrhundert ist die Gaunersprache in reichlichen Quellen bezeugt; so hat auch Luther ein rotwelsches Quellenbuch und Wörterverzeichnis, den Liber Vagatorum, das Buch der fahrenden Leute, neu herausgegeben. Das Rotwelsch enthält zunächst eine Reihe hebräischer Ausdrücke, z. B. acheln „essen", Baldober „Auskundschafter" Dalles, Gauner, kapores, Kassiber „schriftliche Mitteilung", Masematten „Geschäfte", Schlamassel „Unglück", Schmiere stehen, dann
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aber auch deutsche Umschreibungen geheimsprachlicher Natur, z. B. Trittlinge für „Schuhe", Obermann für „Hut", Windfang für „Mantel", Blech oder Heu für „Geld". Dazu kommen Wörter aus der Zigeunersprache: Kaschemme, Zaster. Nicht selten bedient sich das Rotwelsch lautlicher Spielereien zur Wortentstellung (Silbeneinschub wie in der bi-Sprache, vgl. stibitzen, Lautumstellungen usw.). In den Großstädten der Gegenwart ist mancher rotwelsche Ausdruck in die allgemeine Umgangssprache übergegangen, z. B. berappen oder blechen „bezahlen", beschummeln, beschuppen oder mogeln „betrügen", mies „häßlich", mopsen „stehlen", Kittchen „Gefängnis", paschen „schmuggeln". Ältere gemeinsprachliche Ausdrücke rotwelschen Ursprungs sind foppen, Kniff, Ranzen, schäkern (ursprünglich „lügen, betrügen"), schwänzen, Stromer. Das jüngste Lehnwort der Literatursprache aus diesem Bereich ist seit wenigen Jahren der Knüller für sentimentale Erzählung', aus jidd. knellen .schlagen' (vgl. „Schlager"), ,knallen'. § 23. Der alamodische Fremdwortunfug und die Sprachgesellschaften
F. S e i l e r (Titel s. § 2) Bd. I I I , IV. — K. H e c h t e n b e r g , Fremdwörterbuch des 17. Jahrhunderts (Berlin 1904). — F. S c h r a m m , Schlagworte der Alamodezeit (Straßburg 1914, ZfdW. X V , Beiheft). — P. S c h e i d , Studien zum spanischen Sprachgut im Deutschen (Greifswald 1934). — E. E n g e l , Deutsche Sprachschöpfer (Leipzig 1919). — H. H a r b r e c h t (Zesen) in der ZfdW. X I V 71. — P. P i u r , Studien zur sprachlichen Würdigung Christian Wolfis (Halle 1903). — W. F l e m m i n g , Barock („Deutsche Wortgeschichte" I 2 ). Die a l a m o d i s c h e Z e i t , i s t wie das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, in der Kulturgeschichte nach seiner Bevorzugung der „welschen" Moden benannt. Es setzt die Fremdwörtereinfuhr des Humanistenzeitalters fort. Nur sind es jetzt weniger lateinische Ausdrücke, obgleich auch die Vorliebe für diese kaum wesentlich zurückgeht. Es sind vor allem Wörter r o m a n i s c h e n , n a m e n t l i c h f r a n -
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z ö s i s c h e n U r s p r u n g s . Diesmal sind es nicht die gelehrten, sondern die höfisch-gesellschaftlichen Kreise, die in ausgedehntem Maße französisch (daneben auch italienisch oder, wie in Wien, spanisch) reden und die deutsche Sprache, soweit sie diese überhaupt noch handhaben, mit fremdsprachigen Wörtern durchsetzen. Es ist aber nicht richtig, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, wo dies Unwesen wucherte, allein dafür verantwortlich zu machen. Vielmehr setzt die Überflutung mit romanischen Fremdwörtern schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts ein. Was in jener Zeit an solcher Wortmode in der Sprache üblich und möglich war, zeigt etwa ein Brief Wallensteins über seine Abweisung von Gustav Adolfs Angriff bei Nürnberg: „Das combat hat von frühe angefangen und den ganzen Tag caldissimanente (ital. = hitzig) gewährt. Alle Soldaten Ew. Kaiserl. Armee haben sich so tapfer gehalten, als idis in einiger occasion mein Leben lang gesehen, und niemand hat einen fallo (ital. = Fehl) in valor (ital. = Tapferkeit) gezeigt. Der König hat sein Volk über die Maßen discoragirt (entmutigt), daß er sie hazardosamente (span. = auf gut Glück) angeführt, daß sie in vorfallenden Occasionen ihm desto weniger trauen werden. Ew. Majestät Armee aber, indem sie gesehen, wie der König repussirt (franz. = zurückgewiesen) wurde, ist mehr denn je assekurirt (sicher gemacht) worden." Es sei als Zeugnis für alamodische Ausdrucksweise noch der Anfang eines Liebesbriefes wiedergegeben, wie ihn Rist in der „Rettung der Edlen teutschen Hauptsprache" (1642) abdruckt: „A Tresnoble Damoiselle Adelheit von Ehrenberg, ma treschere maitresse. Meine allerliebste Dame, die große perfection, womit der Himmel selber euwre glorificirte Sehle hat erfüllet, zwinget alle amoureuse Cavalliers, daß sie sich für euwrer hochwürdigen grandesse humliijren und alß Scabellen unterthänigste gehorsamste Schlaven zu den ( = Schemeln) euwrer prächtigen Füeße nieder legen. Sie perdonnire mir, allerschönste Dame, daß ich die hardiesse ( = Kühnheit) gebrauche, mich jren allerunterthänigsten Serviteur zu nennen: Der grimmige Amor, welchem zu
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resistiren keine einzige Creatur bastandt ( = fähig) ist, hat mich mit einem solchen Titul und Nahmen schon lengst privilegiret, deme sich zu opponiren ich mich viel zu schlecht und geringe erkenne." Die Anrede wird also in jener Zeit durchaus französisch (Monsieur, Madame, Mademoiselle [daraus gekürzt Mamsell], Baron, Baronesse usw.). Komplimente macht man sich auf französisch, und wenn der modische Kavalier flucht, so wählt er sogar dafür diese Sprache. Selbst die alltäglichen Verwandtschaftsnamen Vater, Mutter, Oheim, Muhme, Vetter, Base werden in dieser Zeit durch die französischen Bezeichnungen Papa, Mama, Onkel, Tante, Cousin, Cousine ersetzt, ein Gebrauch, der bis' heute weiterlebt. Besonders häufig verwendet werden Wörter, die geradezu Schlagwortcharakter annehmen: Mode, nach der Mode oder meist a la mode, alamodisch, Alamodist, brav, exzellent, nett, nobel, Dame, Demoiselle, Kavalier, Galan (aus dem Spanischen), galant, Favor, Courtoisie, Pläsir, karessieren, Kompliment, Mätresse „Geliebte", Reputation, Splendeur, Estime. Der Ausdrude Pöbel, schon im Mittelalter in der Bedeutung „Volksmenge" (vgl. engl, people ,Volk') aus dem franz. peuple übernommen, wird von diesem Zeitalter an nur noch in geringschätzigem Sinne gebraucht. Man könnte im übrigen ein ganzes "Wörterbuch zusammenstellen, wenn man die in jener Zeit in das Deutsche überflutenden Fremdwörter aufzählen wollte. Vieles hat davon nur vorübergehende Bedeutung gehabt. Es hat sich beinahe die Hälfte der damals aufgenommenen Fremdwörter bis heute gehalten. Ein paar Ubersichten mögen die Gebiete des Gesellschaftslebens zeigen, die sich besonders ans Französische anschlössen. W o h n u n g s w e s e n und G a r t e n : Galerie, Loge, Fassade, Balkon, Nische, Kuppel, Terrasse, Stuck, Korridor, Garderobe, Kabinett, Salon, Etage, Alkoven, Hotel, Palais, Möbel, Sofa, Schatulle, Büfett, Tasse, Karaffe, Gardine, Allee, Boskett, Rondell, Fontäne, Bassin,
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Grotte, Spalier, Rabatte (und wie die Fachausdrücke für die Ziergärten im Lenótregeschmack alle heißen). T r a c h t und äußeres Aussehen: Mode, Kostüm, Taille, Robe, Weste, Korsett, garnieren, Agraffe, Perücke, Puder, pudern, Pomade, frisieren, Frisur, Toupet, Parfüm, Teint. Bis heute sind infolgedessen die Fachausdrücke des Bekleidungsgewerbes und der Schönheitspflege im wesentlichen französisch. Im 19. Jahrhundert ist für die Männerkleidung der Einfluß Englands dazugekommen (vgl. § 29). M a h l z e i t e n , Essen und T r i n k e n : tranchieren, servieren, Serviette, Service, Kuvert, delikat, Delikatesse (in diesem Sinne unfranzösisch), Frikassee, Ragout, Kotelette, Karbonade, Omelette, Sauce (älter Salze), marinieren, Poularde, Prünelle, Bouillon, Gelee, Kompott, Konfitüre, Marmelade, Torte, Biskuit, kandieren, Limonade usw. In der K o c h k u n s t hat der französische Einfluß besonders nachhaltig gewirkt. Die Speisekarte der vornehmen Küche ist bis in die Gegenwart großenteils französisch geblieben. Andere Länder haben nur wenig beigesteuert (Italien etwa Salami, Makkaroni, Cervelatwurst, Mortadella; England: Roastbeef, Beefsteak, Rumpsteak und Pudding), deutsch blieben die einfachsten Grundwörter. In letzter Zeit ist die deutsche Speisekarte weithin wieder deutschsprachig geworden. Die Ausdrücke für die V e r g n ü g u n g e n u n d L u s t b a r k e i t e n der höfischen Gesellschaft sind durchweg französisch oder italienisch: Pläsir, amüsieren, Ballet, Ball, Menuett, Quadrille, Maske, maskieren, Maskerade, Redoute, Illumination, Karussell, Promenade, Kavalkade, galoppieren, Parforcejagd, Meute, dressieren, apportieren, Hasard, basta (ital. Ausdrude des Spiels), Pikett, Solo, Lomber, Atout, Billard, Scharade usw. Französisch (oder lateinisch) sind die Ausdrücke der F e c h t k u n s t Florett, Prime, Sekunde, Terz, Finte, parieren, Duell, duellieren, Sekundant, sekundieren, ferner
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Das Barockzeitalter und die alamodisdie Sprache
viele Ausdrücke des g e s e l l s c h a f t l i c h e n R e i s e n s und K u n s t s a m m e l n s , da ja jeder junge Mann von Stand seine „Kavalierstour" durch die Residenzen Europas machte: Kuriositäten, Raritäten, inkognito, Hotel, Chaise, Equipage, Route, Tour, retour. Namentlich aber sind die Fachwörter derjenigen K ü n s t e u n d H a n d w e r k e , die für die galante Gesellschaft arbeiten, französisch oder italienisch: Tapezierer, Gobelin, Karton, Barock, Rokoko, Kolorit, Skizze, Prospekt, Profil, Kontur, Porträt, Fresko, tuschen, Palette, Draperie, Statue, furnieren, lackieren, Porzellan, Fayence, Email, Bronze, Facette, ziselieren, gravieren, Plüsch, Brokat usw. Hierher gehören auch die Fachausdrücke der Musik (vgl. § 20). Besonders stark werden Fremdwörter weiterhin im Bereich des T h e a t e r s und der O p e r , der R e i t k u n s t , der D i p l o m a t i e beibehalten. Mit dem neu erwachenden Gefühl für eigenes Volkstum und deutsche Kultur treten Gegner solcher Überfremdung des Wortschatzes auf den Plan. Johann Lauremberg verspottete im dritten seiner plattdeutsch abgefaßten „Veer Schertz Gedichte" (1652) die alamodischen Ausdrücke und Titel. Der Schlesier Friedrich von Logau greift in scharfen Sinngedichten die Sprachverderber an. Für die R e i n i g u n g d e r M u t t e r s p r a c h e kämpfen nun die S p r a c h g e s e l l s c h a f t e n , von deren Mitgliedern Harsdörffer, Zesen und Schottel eine besondere Nennung verdienen. Sie haben unserer Sprache manche treffliche Verdeutschung geschenkt. So stammen von H a r s d ö r f f e r : Aufzug statt Akt (im Drama), beobachten statt observieren, Briefwechsel statt Korrespondenz, Fernglas statt Teleskop, Irrgarten statt Labyrinth, Lehrart statt Methode; von Z e s e n : Anschrift statt Adresse, Augenblick statt Moment, Blutzeuge statt Märtyrer, Bollwerk statt Bastion, Bücherei statt Bibliothek, Feldmesser statt Geometer, Gesichtskreis statt Horizont, Grundstein statt Fundament, Jahrbücher statt Annalen, lustwandeln statt spazieren, Nachruf statt Nekrolog, Sinngedicht statt Epigramm, Statthalter statt Gou-
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verneur, Vollmacht statt Pienipotenz und zahlreiche andere. Auf S c h o t t e l , der einige treffliche grammatische und lexikalische Werke geschaffen hat (vor allem die „Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubt-Sprache" 1663) gehen namentlich wohlgelungene V e r d e u t s c h u n g e n der s p r a c h w i s s e n s c h a f t l i c h e n F a c h a u s d r ü c k e zurück, wie Mundart, Sprachlehre, Wörterbuch, Wortforschung, Geschlechtswort, Hauptwort, Zahlwort, Zeitwort, Strichpunkt (statt Semikolon), Doppellaut (statt Diphthong); außerdem stammen von ihm Tunke statt Sauce Lustspiel und Trauerspiel für Komödie und Tragödie, Jahrhundert statt Säkulum usw. Audi der Philosoph L e i b n i z trat in seinen „Unvorgreiflichen Gedanken" (1697) nachdrücklich für die Reinigung der deutschen Sprache ein. Das Deutsche löste unter dem Einfluß von Männern wie C h r i s t i a n T h o m a s i u s und C h r i s t i a n W o l f f das Lateinische als Sprache der Wissenschaft allmählich ab. Die deutsche F a c h s p r a c h e der P h i l o s o p h i e geht im wesentlichen auf Wolff zurück, der Ausdrücken wie Aufmerksamkeit, Bedeutung, Bewußtsein, Verständnis ihren heutigen Sinn gab. § 24. Die Dichtersprache der Barockzeit
Vgl. H. S p e r b e r , Die Sprache der Barockzeit (Zschr. f. Dtschkunde 1929, 670). — E. H e i l b o r n , Der Wortschatz der sog. l.Sdhles. Dichterschule (Diss. Berlin 1890). — K. B r o ß m a n n , Hofmann von Hofmannswaldau, eine Studie über die schwülstige Schreibart (Leipzig 1900). — W. F l e m m i n g , in: „Deutsche Wortgeschichte" II 2 . Die D i c h t u n g dieses Zeitalters ist nicht derartig stark von Fremdwörtern durchsetzt wie die Sprache der alamodischen Gesellschaft. In der Lyrik, der ein gutes Teil der Dichtung (namentlich der aus Martin Opitzens Schule) galt, verbot sich die übertriebene Anwendung von Fremdwörtern aus künstlerischen Gründen; zudem stehen verschiedene Dichter (Opitz, Logau, Gryphius) der sprachreinigenden Bewegung der Sprachgesellschaften nahe. Zesen
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beweist den „Glanz der Haupt- und Heldensprache" durdi die Verwendung kühner Neubildungen in seinen Romanen. Dagegen zeigen viele Dichter dieses Zeitalters, namentlich die der sog. zweiten Sdilesischen Schule, sprachliche Unnatur durch den prunkvoll überladenen Wortgebraudi des sog. S c h w u l s t e s . Dieser äußert sich in der Vorliebe für gesuchte Ausdrücke, so wenn statt der einfachen Bezeichnung „Mond" etwa gesagt wird „der Sonne Kammermagd", statt „Ochse": „der Kühe lieber Mann", statt „Brust": „das Zeughaus süßer Lust", statt „Purpur": „Schneckenblut", statt „Perle": „Musdielkind". Man bevorzugt ungewöhnliche Beiwörter, z. B. „gläserne Gewässer", „gesalzene Zähren", „schwarze Sterne". Gern verwendet werden Namen für starke Duftstoffe, z. B. Ambra, Bisam, Aloe, Zibet, Myrrhe, Balsam; ferner sind Lieblings Wörter: Alabaster, Kristall, Marmor, Koralle, Granat, Rubin, Purpur, Nektar, Honig, Koloquinte, Safran, Manna, Jasmin, Palme, Löwe, Rose und Dorn, die zu zahlreichen kühnen Bildern und spitzfindigen Vergleichen herhalten müssen. Wörter des religiösen Begriffskreises wie göttlich, Opfer, (auf-)opfern werden auf Weltliches übertragen. In der Anrede von Höhergestellten liebt diese titelsüchtige und komplimentierfreudige Zeit Beiwörter wie höchstgeneigt, hochberühmt, hochwert, nennt einen Dichter freigebig „unseren Phöbus", einen Redner „unseren Cicero", während der Schreiber selbst seine Persönlichkeit hinter der Formel „meine Wenigkeit" versteckt. Ungewöhnliche Wortbildungen und Zusammensetzungen werden gewagt: Nektarlippen, Lilienbrüste, Zinnobermund, Gunstmagnet, Augenstrahl, Wollustgluten, jammerreich, goldgekämmtes Haar, loderndhell, schimmerndlicht, hochmächtiggroß, schneegebirgt. Die verstandesmäßig klügelnde Art dieser Dichtungen liebt abstrakte Hauptwörter auf -ung: Danksagung, Verfinsterung, Voraugenstellung, Herzunahung; auf -nis: Bildnis, Verwundernis, Gleichnis; auf -heit und -keit: Dienstbarkeit, Dienstwilligkeit., Zärtlichkeit. Wenn auch viele von den Neubildungen dieser Dichtersprache heute wieder untergegangen sind (z. B. Wortungeheuer wie Allengefal-
§ 25. Die Sprache der klassischen Dichtung usw.
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lenheit, Lasterfleckmal), so ist ein wesentlicher Zweck doch erreicht worden: das deutsche Wort hatte die Kraft für die hohen Leistungen der hernach aufblühenden klassischen Dichtung und Wissenschaft gewonnen. Aus der volksnahen Sprache des 16. Jahrhunderts ist im Barockzeitalter unter der Einwirkung der romanischen Renaissancedichtung, dann aber der Sprache des Herzens im Pietismus das Sprachwunder für die gefühlsinnige Dichtung Klopstocks, die kristallklare Prosa Lessings, der Zauber der Lyrik Goethes, die dramatische Spradhgewalt Schillers geboren worden. D i e S p r a c h e des k l a s s i s c h e n
Zeitalters
§ 25. Die Sprache der klassischen Dichtung des 18. Jahrhunderts H. S p e r b e r , Die Sprache der Aufklärung (Zeitschrift f. Dtschkunde 1929, 777). — K . B u r d a c h , Vorspiel, Bd. I I (Halle 1926). — E. R e i c h e l , Kleines GottschedWörterbuch (Berlin 1902); Gottsched-Wörterbuch (Bd. 1, A — C , Berlin 1909). — F. P e t r i , Kritische Beiträge zur Geschichte der Dichtersprache Klopstocks (Diss. Greifswald 1894). — S c h ö n a i c h s Ganze Ästhetik in einer Nuß oder Neologisches Wörterbuch (1754), herausgegeben V.A.Köster (Leipzig 1900). — C h r . W ü r f l , Über Klopstocks poetische Sprache (Herrigs Archiv 64;65). — O. H o f f m a n n , Aus Herders Wortschatz (Preuß. Jahrbücher 76). — P. F i s c h e r , Goethe-Wortschatz (Leipzig 1929). — G. R a u s c h , Goethe und die deutsche Sprache (Leipzig 1909). — E. A. B o u c k e , Wort und Bedeutung in Goethes Sprache (Berlin 1901). — W. F e l d m a n n , Modewörter des 18. Jahrhunderts (ZfdW. V I , 101). — M. M ü l l e r , Wortkritik und Sprachbereicherung in Adelungs Wörterbuch (Berlin 1903). — F. K a i n z , Klassik und Romantik. — A. L a n g e n , Der Wortschatz des 18. Jahrhunderts (beides in „Deutsche Wortgeschichte" I I 2 ) . Das Zeitalter der A u f k l ä r u n g , das den geistigen Nährboden für das Aufblühen der Dichtung des 18. Jahrhunderts schafft, entwickelt eine scharfgeschliffene AusSchirmer-Mitzka,
Wortkunde
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Die Sprache des klassischen Zeitalters
drucksweise für die Begriffe der W e l t a n s c h a u u n g und K u n s t l e h r e . Selbständig beurteiltes Vorbild bleibt das Französische, wie ja das Schrifttum Frankreichs das der deutschen Aufklärung vielfach beeinflußt hat. Antike Entlehnungen bezeugen die Weitherzigkeit freier Wortwahl, Von vortrefflichen deutschen Fachwörtern erlangen viele weitreichende schlagwortartige Bedeutung. Dazu gehören: Aufklärung, aufgeklärt, vernünftig, voraussetzen, wahrscheinlich, Weltbürger, Weltgeist, Freidenker, Freigeist, Denkfreiheit, Menschenliebe, empfinden, Empfindung, Geschmack (im bildlichen Sinne von Kunstdingen erst seit Winckelmann), Schöngeist usw. Widitige von gemeinsamer abendländischer Kultur zeugende Fremdwörter dieses Zeitalters sind z. B. Toleranz, Humanität, Esprit, Grazie, Ideal, idealisieren, Publikum, Stil, Stilist. Die Literaturwissenschaft bildet eine vielseitige Fachsprache aus (z. B. Ballade, Epos, Elegie, Idylle, Hymne, Lyrik). Die Kunstgeschichte führt Fremdwörter wie Gemme, Genre, Antike, Dillettant ein. Das Theater entwickelt eine geschlossene Berufssprache (Akteur, Regie, Regisseur, Soufflieren, Kulisse, Soffitte, Statist usw.). In der Dichtung trat G o t t s c h e d , der um die Mitte des 18. Jahrhunderts das deutsche Kunstleben beherrschte, gegen den Sdiwulst und Fremdwörterüberfluß des vorhergegangenen Jahrhunderts auf („Grundlegung einer deutschen Sprachkunst" 1752) und prägte dafür das Schlagwort Bombast. Indem er Deutlichkeit und Klarheit als Ideal der Sprache hinstellte, half er die Sprache unseren Klassikern bereitzustellen. Zu seinen Lieblingswörtern zählen Anmut, anmutig, Art und artig; daneben prägt er eine große Menge von Neubildungen (allerdings meist Zusammensetzungen bekannter Wörter, z. B. letzte Hand, Lehrerstand), erneuert auch eine Anzahl älterer Ausdrücke. Durch die S c h w e i z e r D i c h t e r , besonders H a l l e r , werden einige ursprünglich schweizerische Mundartwörter literaturfähig, z. B. Abbild, Abhang, Schutz- und Trutzbündnis, staunen, Unbill. Weitere Schweizer Wörter haben W i e l a n d (z. B. abschätzig, Augenschein, entsprechen,
§ 25. Die Sprache der klassischen Dichtung usw.
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Heimweh) und vor allem S c h i l l e r im „Teil" (z.B. Ammonshorn, anstellig, Fluh, Föhn, Lawine, tagen, Wildheuer) in die deutsche Allgemeinsprache eingebürgert. Besonders stark war K l o p s t o c k s Einwirkung auf den Wortschatz. Schon Herder hat die „Schöpfermacht'' Klopstocks betont, der „die Sprache seiner Zeit notwendig für sidi zu eng finden mußte" und mit dem „auch in der Spradie eine neue Zeit anfängt". Der Klopstocksche Wortschatz ist erstaunlich reich und von bewundernswerter Bildsamkeit. Klopstock wählt sorgfältig die edelsten und nachdrücklichsten Wörter, sog. „starke" Wörter, wie er sie in Übereinstimmung mit dem Schweizer Breitinger nennt. Er sucht also den Wörtern die volle Kraft ihrer Bedeutung zu geben. Deswegen schöpft er, wenn ihm der Wortgebrauch seiner Zeit den treffenden Ausdruck nicht gibt, aus dem Sprachschatz vergangener Jahrhunderte (bis in die altdeutsche Dichtung zurück, die er kennt). Aus dem gleichen Grunde bekämpft er die Fremdwörter, will aber audi die landschaftlichen Ausdrücke aus der Poesie verbannt wissen. Vor kühnen Neuerungen schreckt er nicht zurüdc. Ein Lieblingswort seiner Jugend ist ätherisch, ferner strömen, das er seit dem Beginn der 50er Jahre in allen möglichen Zusammensetzungen (he-, durch-, ent-, ver- usw.) gebraucht. Weiter liebt er die Wörter brünstig, zärtlich, donnern, eisern (Beiwort für alles, was mit Krieg zusammenhängt), seraphisch, jauchzen, jubilieren, Myriade, Deutschheit, wandeln, schauen, den Ruf Heilt Die Ausdrucksweise des Gefühls und der Empfindung ist durch Klopstock wesentlich bereichert worden, z. B. empfindungsvoll, entzückungsvoll, seelenvoll, Wehmut, wehmütig, weinen (mit zahlreichen Zusammensetzungen). Klopstock wählt gern das einfache Zeitwort statt des zusammengesetzten, um der Rede Kraft zu geben: schrecken, decken (statt bedecken), schatten (statt umschatten), dorren> fertigen; er liebt seltene Zeitwortbildungen, wie äugeln, kleinein, kunstwörteln, die zusammengebirgten Gestade. Kurze weibliche Hauptwörter auf -e zieht er denen auf -heit vor: 7»
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Die Sprache des klassischen Zeitalters
Bläue, Frische, Frühe, Irre, Süße, Schöne, Weiße, Röte. Wörter auf -ung jedoch treten recht häufig bei ihm auf (Ähnlichung, Einung). Männliche H a u p t w ö r t e r auf -er, die er wegen ihres tätigen Ausdrucks sehr liebt, bildet er in großer Zahl neu, z. B. Allvollender, Donnerer, Krittler, Zukunftswisser. Ungewöhnliche Zusammensetzungen wendet er an, namentlich mit Mittelwörtern, z. B. flammenverkündend, schnellherschmetternd, blütenumduftet, bangzerrungen, wahnsinnstrunken, ipeisheitverlassen. Besonders zahlreich sind seine Zusammensetzungen mit -gesang, -lied, und Todes-. Auch dreifache Zusammensetzungen wagt er: Bardenliedertanz, Sphärengesangeston. Unter den Schöpfern der neuen Dichtersprache, dazu aber auch der wissenschaftlichen, kritischen Prosa ist audi L e s s i n g zu nennen. Er hat sich vielfach kritisch mit den Mitteln der Sprache beschäftigt, auf gute alte Wörter hingewiesen, die der Vergangenheit entrissen zu werden verdienten, und zu Logaus Dichtungen, aus denen er Wörter wie Besonnenheit, herzlich, Unzahl, Wegelagerer empfiehlt, ein kurzes Wörterbuch zusammengestellt. Als neue Wörter seiner AufkläZeit empfindet und gebraucht Lessing: aufklären, rung, bemitleiden, Bildung, empfindsam, gemeinsam, Kultur, Liebchen, Maßregel, rührend, staunen, Tatsache, weinerlich, zerstreut. W i e l a n d , der anfangs einer Fremdwörtervorliebe huldigte, schätzte später eine bewußte Fremdwortverdeutschung, bei der er sich an die o f t etwas engstirnigen, aber durch ihre Folgerichtigkeit schließlich doch erfolgreichen Schriften und Wörterbücher des Sprachreinigers J. H . C a m p e (vgl. § 6) anschloß. Wieland verdanken wir den Sieg von Verdeutschungen wie entziffern statt dechiffrieren, Freistaat, Staatsbürger, Trugschluß, Weltall; Campes im Anfang viel verspottete Verdeutschungen gehen in die Hunderte, als besonders glücklich seien genannt: Zerrbild (Karikatur), Beweggrund (Motiv), Zartgefühl (Delikatesse), gegenständlich (objektiv), Bannware (Konterbande), Eilbote (Kurier), Stelldichein (Rendezvous), Sternwarte, Fallbeil, Festland, Dienstalter. Auf H e r d e r gehen
§ 25. Die Sprache der klassischen Dichtung usw.
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Ausdrücke wie Volksseele, Volkslied, das Selbst, Humanität, Heldenstolz, traumhaft, Verhimmelung, Richtlinie, abschatten, Anschaulichmachung, Befremdnis usw. zurück. Zahlreiche neue Zusammensetzungen (besonders mit All-, un-, Wort-) führt er in die Sprache ein. Die A n a k r e o n t i k e r schwärmen mit Ausdrücken wie Elysium, Grazien, Charitinnen, munter, Wollust, zärtlich, Zephir, Weihrauch, süß, gaukeln, wiegen, Triebe. Die S t ü r m e r und D r ä n g e r der 70er Jahre greifen zu Kraftwörtern wie Genie, Originalgenie, Kraftgenie, genial, original, originell, dämonisch, schöpferisch, hochsinnig, Vollkraft. G o e t h e hat den deutschen Wortsdiatz aufs nachdrücklichste beeinflußt. In seinen frühesten Dichtungen liebt er die Lieblingswörter der Anakreontik, z. B. munter, Lust, Trieb, zärtlich, seufzen, küssen, Tal, Hain, Bach, Busen, Zephir, Weihrauch, gaukeln, rosenfarben; dann schätzt und bereichert er den Wortschatz des Sturmes und Dranges. Ein Lieblingswort des jungen Goethe ist dumpf (und Dumpfheit; Gegensatz: Klarheit), daneben Dust. Weitere von Goethe bevorzugte Ausdrücke sind: Behagen, behaglich, bedeutend, heiter, rein und reinlich, stetig und Stetigkeit, Gegenwart, Freiheit, die Menge, der Kreis, das Stille, verrucht, Zustand, Wesen, beschränken, bedingen, begrenzen, streben, steigen, Vollendung, Typus, vorzüglich, außerordentlich, würdig, tüchtig, trefflich, absurd, problematisch, widerwärtig, Forderung, leidenschaftlich. Die Verinnerlichung der deutschen Dichtersprache der Klassikerzeit gewinnt höchsten Rang. Von Wörtern, die Goethe durch seinen Gebrauch durchgesetzt hat, seien genannt: Aar (Wiederbelebung eines älteren Wortes), ähneln, ahnen, banal, Belletrist, Christbaum (im Werther), Christkindchen, Degen, Frack, Katzenjammer, Rätsel, Wahlverwandtschaft, Weltkind, Weltliteratur (1827). Auch Thüringer Mundartwörter, wie gätlich „ziemlich groß" und kauzen „kauern", nimmt er gelegentlich auf. S c h i l l e r gebraucht an Wörtern, die vor seiner Zeit kaum üblich waren: Aar, Blaustrumpf (Übersetzung von
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Die Sprache des klassischen Zeitalters
engl, bluestocking, franz. bas bleu), entgöttern, Gaukelbild (statt Phantom), Gedankenfreiheit, verhängnisvoll und die weiter oben genannten Schweizer Wörter aus dem „Teil". Der Einfluß der Homerübersetzung durch V o ß zeigt sidi in der Vorliebe für zusammengesetzte Beiwörter, wie löwenherzige Jungfrau, tränenvoller Krieg (auch bei Goethe: männertötende Schlacht, erdgeborene Menschen). J e a n P a u l , der in Neubildungen, freilich oft sonderbarer Art, sehr fruchtbar ist, hat unsere Sprache um die Ausdrücke Doppelgänger, Ehehälfte, Flegeljahre, Krähwinkel, neureich und Weltschmerz bereichert. Auch die unschön klingende und entbehrliche Neubildung Jetztzeit (statt Gegenwart) geht auf ihn zurück. Die Klassikerzeit hat den deutschen Wortschatz in umfassenden W ö r t e r b ü c h e r n gesammelt, die den „guten Gebrauch" regeln und herrschende Mißbräuche kritisch erörtern wollten. A d e l u n g s großes Wörterbuch (1784ff.) sucht in fünf Bänden den gesamten Sprachgebrauch der gleichzeitigen Literatursprache aufzuzeichnen und hat, da es von zahlreichen Schriftstellern als Richtschnur benutzt wurde, entscheidend auf die Ausbildung des Wortschatzes zurückgewirkt. Adelung bekämpft freilich auch viele Wörter als „veraltet" oder „provinziell", die trotz seinem Verdammungsurteil erhalten blieben. So kennzeichnet er als-, veraltet die heute noch ganz allgemein gebrauchten Wörter abhold, Absage, Fehde, Gau, Hader, Schlacht; so verdammt er als „Provinzialismen", Ärger, beschwichtigen,, blank, Bucht, dicht, düster, flau, flink, hastig, verblüffen (alle angeblich nur niederdeutsch), abhanden, behelligen,, behende, deuten, dumpf, gemeinsam, kosen, lugen, unbefangen, Unbild, weitschichtig (alle als oberdeutsch gekennzeichnet). Noch weniger als Adelungs Kritik hat sich im allgemeinen die des oft recht eigenwilligen J . H. C a m p e („Wörterbuch der deutschen Sprache" 1807—1811) bewährt; von den zahlreichen Verdeutschungen jedoch, die er vorgeschlagen hat, haben sich immerhin mehr durchgesetzt, als seine Gegner erwartet haben (vgl. oben und § 6).
Die Französische Revolution und die Ausbildung usw.
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§ 26. Die Französische Revolution und die Ausbildung der politischen Fachsprache
W. F e l d m a n n , Die Große Revolution in unserer Sprache (ZfdW. 13, 245). — O. L a d e n d o r f , Historisches Schlagwörterbuch (Straßburg 1906). — A. L a n g e n , vgl. §25. Die starke Beachtung, die die F r a n z ö s i s c h e R e v o l u t i o n in Deutschland fand, äußerte sich sprachlich darin, daß die Schlagwörter der Revolutionsbewegung als französische Fremdwörter oder als Ubersetzungslehnwörter auch in Deutschland rasch geläufig wurden. Der Ausdruck Menschenrechte war schon 1776 von Nordamerika her eingedrungen, Freiheit und Gleichheit, Brüderlichkeit, Vernunft, Philanthropie, Aristokrat, Menschenliebe drangen 1789 nach Deutschland vor. Weitere politische Schlagwörter jener Tage sind: Revolution, revolutionär, liberal, Reaktion, Royalist, Monarchist, Propaganda, Terrorismus, Marseillaise, öffentliche Meinung, Fortschritt, fraternisieren, Guillotine, Initiative (zunächst in politischem Sinne), Agitator, Anarchist, Sanskulotte, Jakobiner, Bürokratie, Defizit, Insurgent, Kokarde, Komitee, Demokrat, Emigrant, Klub, Konstitution, Organisation, Koalition. Vor allem aber entstand unter dem politischen Einflüsse Frankreichs ein deutscher Fachwortschatz für die Vorgänge der P o l i t i k und des P a r l a m e n t a r i s m u s . Während England schon im 17. Jahrhundert eine festgefügte politische und parlamentarische Ausdrucksweise gebrauchte und Frankreich die seine im Aufklärungszeitalter (vielfach nach englischem Muster) ausbildete, setzte sich eine deutsche Parlamentssprache erst gegen Anfang des 19. Jahrhunderts durch. Vorher waren nur wenige allgemeine Ausdrücke wie Redner, tagen, Tagung (ursprünglich schweizerisch), Session, Opposition, Präsident, votieren „stimmen" geläufig. Das Zeitalter der Aufklärung hatte immerhin die Bekanntschaft mit den Einrichtungen des englischen Parlamentswesens, zugleich mit den englischen Fachausdrücken, vermittelt: Bill (seit etwa 1700), Adresse, Debatte, Kommis-
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Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart
sion, Parlament. Vielfach wird dabei die wörtliche Ubersetzung ins Deutsche angewandt: Sprecher (nach engl. Speaker), eine Gesetzvorlage lesen (to read a bill), Lesung, ein Gesetz einbringen (to introduce a bill), zur Ordnung rufen (to call to order), zur Sache! (the question!), Parlamentsmitglied (member of Parliament). I m Anfang des 19. Jahrhunderts mehren sich dann Menge und Gebrauch dieser Ausdrücke; es kommen hinzu: Hört! hört! (hear, hear!), Thronrede (speech from the throne), Jungfernrede (maiden-speech) usw. Erst in der Mitte des 19. J a h r hunderts sind Ausdrücke aufgekommen wie Herrenhaus (nach engl. House of Lords), Tisch des Hauses, Meeting, alles nach englischem Vorbild. D i e Einrichtungen des französischen Revolutionsparlaments brachten folgende parlamentarische Wörter nach Deutschland: Abgeordneter, einstimmig, Wahlmann, Stimmenmehrheit, Nationalversammlung, Tagesordnung (nach franz. ordre du jour), Fraktion, Linke — Rechte, abstimmen, Geschäftsordnung, Kandidat, Majorität — Minorität, legislativ, Veto. Seitdem dieser politisch - parlamentarische Wortschatz dann mit dem Beginn des deutschen Verfassungslebens praktisch erprobt worden war, hat er sich bald erweitert; zahlreichen jüngeren Zuwachs brachte ihm namentlich die Revolution von 1848 (vgl. § 30). D a s 19. J a h r h u n d e r t u n d die
Gegenwart
§ 27. Der Wortschatz der Romantik Vgl. F. M ü h l e n p f o r d t , Einfluß der Minnesinger auf die Dichter des Göttinger Hains (Diss. Leipzig 1 8 9 9 ) . H . P e t r i c h , Drei Kapitel vom romantischen Stil (Leipzig 1878). — W . K u h b e r g , Verschollenes Sprachgut und seine Wiederbelebung in neuhochdeutscher Zeit (Frankfurt am Main 1933). — J . Z e i d l e r , Die deutsche Turnsprache bis 1819 (Halle 1942). — F. K a i n z , Klassik und Romantik, in „Deutsche Wortgeschichte I I 2 (1959).
§ 27. Der Wortschatz der Romantik
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Der W o r t s c h a t z d e r R o m a n t i k e r ist entsprechend der romantischen Vorliebe für Dichtung und Kunst des deutschen Altertums gekennzeichnet durch die W i e d e r belebung zahlreicher mittelalterlicher Wört e r . Dieser sprachliche Vorgang ist nicht durch die R o m a n tik allein und zuerst veranlaßt. Schon frühere Dichter und Schriftsteller hatten auf treffende W ö r t e r bei älteren Diditern hingewiesen; so hatte Leibniz (vgl. § 2 3 ) „die Wiederbringung alter verlegener Worte, so von besonderer G ü t e " angeraten, Lessing hatte Logaus Wortschatz empfehlend gemustert (§ 25), Goethe und Schiller hatten aus dem W o r t schatz der Lutherbibel reiche Anregung geschöpft. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wirkte in steigendem M a ß e die durch die Schweizer Bodmer und Breitinger vermittelte Bekanntschaft mit den Dichtungen der Blütezeit der mittelhochdeutschen Dichtung. Die Sprache der Minnesinger beeinflußte die Dichter des Göttinger Hains, namentlich Bürger, V o ß , H ö l t y . Wörter wie Minne, Minnelied, Minnesang wurden neu belebt (um 1500 galt Minne für ein unanstänständiges Wort, dann wurde es ganz vergessen). A l t deutsche Ausdrücke, wie Fehde, Gau, Hain, Halle, Hort, Kämpe, lobesam,' ferner hehr, minnewund, preislich, vielgetreu, wonniglich, sogar die Seide, die Schöne ( = Schönheit), werden in dem allerdings manchmal gesucht klingenden Stil der Haindichter wieder hervorgeholt. Andere Dichter beleben altertümliche Bildungen, wie allzumal, einträchtiglich, eitel, gen, Herzeleid, sintemal; Klopstock verwendet das durch Tacitus bezeugte, aber nicht germanische Bardiet im Sinne von „Bardengesang". Allgemein verwendetes Stilmittel wird diese Wiederbelebung älteren Sprachgutes aber erst in der romantischen Dichtung, namentlich bei den jüngeren Romantikern, wie Uhland, Rückert, den Brüdern Grimm. So gebraucht U h l a n d , um mittelalterliche Stimmung zu wecken, die Wörter Gauch „ N a r r " , Ger „Speer", stäte „beharrlich", Brünne, Turnet, Ferge „Fährmann", Buhle, das Gemahl, das Waffen, Wat „Kleidung", gesippt „verwandt", lustsam, zutal, allstund, fromm (im Sinne von tüchtig), Elend
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Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart
= „Fremde", wundermild, Tartsche, Marschalk. R ü c k e r t verwendet Gaden „Zimmer", Wind = Windhund, Kunft ( = Kommen), Dürft, sehren, Fahr, Ruch, Schmach. Nur ein Teil dieser Wörter hat sidi dauernd dem Sprachgebrauch wieder einverleiben lassen. Der Turnvater J a h n belebt altdeutsche Wörter, indem er ihnen in seiner T u r n s p r a c h e neue Bedeutung gibt, z.B. turnen, Barren, Kürturnen, Riege, Wippe, andere holt er aus seinem heimatlichen Niederdeutsch, wie Reck, was dort der Querbalken des Viehzaunes war. Ein später Nachfahr der Romantiker auf diesem Gebiete ist R i c h a r d W a g n e r , der seinen Dichtungen durch Wörter und Wendungen wie Minne, Brünne, Sippe, Fahr und Sehr, Glast, freislich, sehrende Not eine altdeutsche Färbung zu geben versuchte, wobei es allerdings nicht ohne Übertreibungen und Unverständlichkeiten abging. Bei einem Vergleich des heutigen Sprachgebraudis mit den Angaben der Wörterbücher des 18. Jahrhunderts stoßen wir auf die Wörter, die durch die erneuernde Wortwahl der Romantiker und ihrer sprachlichen Vorläufer neues Leben erhalten haben. So bezeichnen die Wörterbücher (besonders Adelung) als veraltet die heute durchaus lebendigen Wörter Aar, Absage, Ahn, Aue, befehden, Elfe, eitel ( = „lauter"), Fee, Fehde, Feme, frommen, fürlieb, Gau, Ger, Hain, Halle, hehr, Heim, Hort, Imbiß, Knappe, kosen, künden, lugen, munden, raunen, rügen, samt, Satzung, Seher, Sippe, Söller, sühnen, Tafelrunde, tagen, Ungetüm, wallen, Wehrmann, Weidwerk, weidlich, Windsbraut, Wonne, wundersam, zag, zeihen. Eine weitere Eigenart des romantischen Wortgebrauches ist die V o r l i e b e f ü r g e h e i m n i s v o l l - m y s t i s c h e A u s d r ü c k e . Deshalb sind Wörter wie Geheimnis, Rätsel, Seltsamkeit, Wunder, Zauber, Schicksal, Verhängnis, fatal, Vorsehung, seltsam, sonderbar, unbeschreiblich, verzaubert, wunderbar, wundervoll, geheimnisvoll, geisterhaft, feenhaft, gespensterhaft, sonderlich, Waldeinsamkeit, Waldesdunkel, Waldesnacht, Waldesgrün sehr beliebt. Viele neue Zusammensetzungen mit Wunder- werden ge-
'S 28. Neue Erfindungen und Wissenschaften
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bildet (von Tieck und Novalis allein gegen 60); bevorzugt werden auch die Eigenschaftswörter auf -lieh (bedächtiglieh, herzinniglich). Als Schlagwörter spielen die Ausdrücke blaue Blume, das Losungswort der Romantiker (Novalis 1802), Universum, objektiv und subjektiv, echtdeutsch, reindeutsch usw. eine Rolle. Die Ausdrücke Romantik und romantisch selber erhalten ihren besonderen Sinn (etymologisch stammen sie von Roman, ursprünglich „Dichtung in romanischer Sprache"). Das Zeitalter der B e f r e i u n g s k r i e g e bringt, neben gesteigerter Vorliebe für altdeutsche Ausdrücke (Jahn), Wörter wie Gamaschendienst (1807), Landwehr, Landsturm (neubelebte ältere Ausdrücke), Wehrmann, Wehrpflicht, Alldeutschland (Arndt), teutonisch (Jahn), Volkstum (Jahn 1809), Völkerschlacht, Kleinstaaterei (Jahn 1814), Legitimität (1814), Guerillakrieg (nach dem Kampf der spanischen Freischaren, guerrillas, 1807—1814). Aus der H e g e i s c h e n P h i l o s o p h i e entstammen Ausdrücke wie absolut, Idee, Weltseele. $ 28. Neue Erfindungen und Wissenschaften
K. W a g n e r , Das 19. Jahrhundert, in „Deutsche Wortgeschichte" I I 2 (1959). Das 19. Jahrhundert ist dann keineswegs ein romantisches geworden, sondern ein recht praktisches, technischmaterielles. Seine Leistungen in N a t u r w i s s e n s c h a f t u n d T e c h n i k drücken sich in mancherlei Neuerungen des Wortschatzes aus. Manches davon geht auf das 18. Jahrhundert zurück. So finden sich schon im 18. Jahrhundert die Wörter: Elektrizität, elektrisch, elektrisieren (alle im Anfang des 18. Jahrhunderts), Chemie (um 1775, älter Chymie), Gas (gegen 1784, aber als gelehrtes Fachwort nach griech. chaos schon im Anfang des 17. Jahrhunderts von dem Brüsseler Chemiker Helmont gebildet); um 1800 treten auf: Galvanismus, galvanisch (1796 in Italien von dem Physiker Volta zu Ehren Luigi Galvanis gebildet), Telegraph, explodieren. Die Dampfmaschine, zuerst Feuer-
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Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart
maschine genannt, kommt um dieselbe Zeit auf. Gegen 1830 bürgert sich von Frankreich her der Ausdruck industriell (dazu Industrialismus, beide 1817 von Saint-Simon gebildet) ein. Der Wortschatz des Eisenbahnwesens kommt seit etwa 1830 auf: Eisenbahn (1825), Lokomotive (1838); dabei geht es entsprechend dem Ursprung der neuen Erfindung nicht ohne englische Entlehnungen ab: Puffer (engl. buffer), Tender, Tunnel, Lori, Waggon. Ausdrücke für die Luftschiffahrt kommen schon im Ausgang des 18. Jahrhunderts (Montgolfiere!) in Gebrauch: Aeronaut (1784), Luftballon (1784) usw. Im Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt namentlich die C h e m i e ihren Wortreichtum: Kohlensäure, Kohlenstoff (um 1800), Leuchtgas (etwa 1820), den sie bald durch kühne Bildung völlig neuer Fachausdrücke aus altsprachlichen Wortstämmen (Oxyd, Karbol, Azetylen) ins Ungemessene vermehrt und täglich weitere benötigt. Audi die M e d i z i n mit ihren vielen Krankheitsbezeichnungen auf -itis, -om und -ose und in ihrem Gefolge die Heilmittelindustrie (Aspirin, Bromural, Vasenol) machen diese neuklassizistische Namenschöpfung in stetig wachsendem Maße mit. Bis zu welchen Absonderlichkeiten manchmal die anekdotische Wortschöpfung dabei geht, zeigt der Name des Schlafmittels Veronal. Die Verhandlungen über die Namengebung soll der Erfinder des Mittels, Emil Fischer, mit den Worten beendet haben: „In einer halben Stunde geht mein Zug; ich habe schon in Verona Nachtquartier bestellt", worauf man sich auf Veronal geeinigt hätte. Aber andere meinen, das Wort wäre anders entstanden. Die Schnulze ist ein in Text oder Musik rührseliger Kitsch in F i l m und Literatur. Das Wort entstand 1948, als in einer Programmbesprechung der Leiter der Musikabteilung H. H. Spitz im Nordwestdeutschen Rundfunk nach einem Wort für minderwertige Schlager suchte, er hatte „Schmalz" (=,sentimentales Zeug', Gaunersprache) und „Schmachtfetzen" auf der Zunge, und es kann Schnulze heraus (Kluge - Mitzka, Etymolog. Wb. 1960, 18. Aufl.).
§ 29. Der Einfluß des Englischen usw.
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Die neuen naturwissenschaftlichen Anschauungen des 19. Jahrhunderts äußern sich in Wörtern wie Biologie (1802), Eiszeit (1837), Darwinismus, Kampf ums Dasein (englisch 1859, deutsch seit etwa 1870), Abstammung, Zuchtwahl, Auslese, Bazillus (1885), Reinkultur, Hygiene (Schlagwort seit 1879), Welträtsel (seit 1880). Zahlreiche dieser zunächst wissenschaftlichen Fachausdrucke dringen, auch in bildlicher Verwendung, in den allgemeinen Gebrauch. Der technische Geist des Jahrhunderts zeigt sich auch darin, daß viele Wörter und Wendungen der technischen Fachsprache zu Bildern und Vergleichen der Gemeinsprache aufsteigen, z . B . auslösen (seit 1882), ausschalten, Spannung, Entspannung, Belastungsprobe, Entgleisung, Dampf hinter etwas machen, mit Volldampf, unter Hochdruck, Schwungkraft, toter Punkt, Sicherheitsventil. § 29. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz
Vgl. H. D u n g e r , Engländerei in der deutschen Sprache (Berlin 1909). — A. B. S t i v e n , Englands Einfluß auf den deutschen Wortschatz (Diss. Marburg 1936). — W. F i s c h e r , Englische Einflüsse (Götze - Festschrift II 356). — P e t e r F. G a n z , Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz 1640—1815 (Berlin 1957). So viele fremde Sprachen auf den deutschen Wortschatz im Laufe der Jahrhunderte eingewirkt haben, das E n g l i s c h e hat in früheren Zeiten als Quelle für Entlehnungen doch nur geringe Bedeutung gehabt. Freilich die Beschäftigung mit englischem Geistesleben und englischer Dichtung im Aufklärungszeitalter, später die Bekanntschaft mit den Einrichtungen des englischen Parlamentarismus (vgl. § 26) haben schon im 18. Jahrhundert manchen englischen Ausdruck ins Deutsche gebracht. Zu den ältesten englischen Fremdwörtern des Deutschen gehören: Dogge (16. Jahrhundert), Elfe (Bodmer 1742), Humor (1760), Spleen (um 1770), Bowle (1773), boxen (1774), Gentleman (1777), Jobber (1778, dazu andere Kaufmannswörter, wie Banknote und Stock), Jockei (1787), Jury (1806), fashion-
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Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart
able (1809, daraus wienerisch fesch), Budget (1812), Grog (1821), Sport (1828). Audi Wörter wie Ballade und Sekt (nach Shakespeare) gehen auf englischen Einfluß zurück; Übersetzungslehnwörter sind z. B. Blaustrumpf, Gardinenpredigt, Heißsporn, Kronzeuge, Schwindler. Vielfältiger werden die deutsch-englischen Lehnbeziehungen im 19. Jahrhundert, ja auf einigen Gebieten (Sport, Handel, Mode) dauern sie bis heute an. Die S e e m a n n s s p r a c h e hatte schon früh englische Fachausdrücke entlehnt, z. B. Boot, Kutter, Schoner, Lotse, loggen (vgl. § 16); neueren Datums sind die Wörter Bunker, chartern, Gig, Hulk, Messe, Pantry, Pier, Steward, Tank, Topp, trimmen. H a n d e l u n d G e w e r b e übernehmen Ausdrücke wie Partner, Export, Import, Bonds, Clearing, Scheck, Humbug, Trust, Konzern. Sehr zahlreich sind die S p o r t a u s d r ü c k e englischen Ursprungs, die namentlich seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts in steigender Menge ins Deutsche eindringen; dem älteren boxen und Jockei folgt die bunte Schar der Fachausdrücke des Rennsports: Tattersall, Start, Trainer, Totalisator, Outsider (übersetzt zu Außenseiter), Derby, Finish, Handikap, Spurt, Turf, Pace, Kanter, Favorit, Tip, Buchmacher (Übersetzungslehnwort nach engl, bookmaker). Andere Sportarten bringen die Ausdrücke Tennis, Sportsmann, Match, Champion, Rekord, Fußball (Übersetzungslehnwort nach engl, football), Kricket, Hockey, Polo, Golf, Bobsleigh. Audi die S p e i s e k a r t e erfährt durch das Englische einige Veränderungen ihres bis vor kurzem fast ausschließlich französischen Gewandes (vgl. § 23): Pudding, Beefsteak, Roastbeef, Rumpsteak, Toast, Keks, Drink usw. Die M o d e , bisher gleichfalls unumstrittenes Reich des Französischen, muß namentlich auf dem Gebiet der Herrenkleidung dem Englischen Zugeständnisse machen: Frack (sdion 1774 bei Goethe, nach engl. frock), Havelock, Ulster, Raglan, Smoking, Cutaway, Plaid, Schal, Cape, Boxkalf, Moleskin, Mule, Schirting, Twist. Audi das G e s e l l s c h a f t s l e b e n nimmt hier und da englische Formen an: Flirt, flirten (um 1890), Komfort, Weekend (übersetzt zu Wochenend). Zirkus und
§ 30. Die Revolution von 1848 und der Sozialismus
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V a r i e t é machen sich mit englischen Wörtern interessant (Clown, Artist, Attraktion, Manager, Sketch, Exzentrik, Girl). Man geht sogar dazu über, nicht nur deutsche Gasthöfe und Modenhäuser mit englischen Namen zu benennen (Atlantik, Astoria, Prince of Wales), sondern auch deutsche Kinder mit englischen Vornamen zu taufen (Harry, Ellen, Fanny, Liddy). Einige neuere englische Ausdrücke stammen übrigens aus Amerika, z. B. Dumping, smart, Knickerbocker, Jazz. Diese englischen Lehnwörter bezeichnen — ähnlich wie die römischen Lehnwörter im Germanischen (vgl. § 11) — im wesentlichen Dinge des m a t e r i e l l e n Lebens. § 30. Die Revolution von 1848 und der Sozialismus
Vgl. O. L a d e n d o r f , Historisches Schlagwörterbuch (Straßburg 1906). Das „tolle Jahr", wie das R e v o l u t i o n s j ä h r 1 8 4 8 im Schlagwort weiterlebt, hat eine ganze Anzahl sprachlicher Neubildungen gebracht. Es bildete den p o l i t i s c h e n u n d p a r l a m e n t a r i s c h e n W o r t s c h a t z (vgl. § 26) weiter aus und brachte ihn zu allgemeiner Bekanntheit. Entstammten der vorhergehenden Zeit der Metternichsdien Reaktion Ausdrücke und Schlagwörter wie Rechtsstaat, Polizeistaat, Junkertum, gesinnungstüchtig, Kamarilla, Kastengeist, Finsterling, Preßfreiheit, Krawall (1830), so gewannen jetzt vor allem die folgenden Schlagwörter weitreichende Bedeutung (gebildet sind sie z. T. schon in der der Revolution vorhergehenden literarischen Bewegung): Fortschritt, Freisinn, freisinnig, Kladderadatsch, Putsch (ursprünglich ein Schweizerwort), Attentäter, Errungenschaft, niederkartätschen, Rechtsboden, Wucher (seit 1847 als Schlagwort), maßregeln, großdeutsch, kleindeutsch, ruhiger Bürger, Säbelregiment, Brandredner, Bundesstaat, Überzeugungstreue, Richtung (von einer Partei), Streber (politisch, 1855), Wühler. Der Ausdruck Biedermeier kommt nach 1855 auf.
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Das 19. J a h r h u n d e r t u n d die G e g e n w a r t
Der S o z i a l i s m u s (dieser Ausdrude seit dem Ende der 30er Jahre aus Frankreich, Sozialdemokrat um 1850) bringt Schlagwörter wie Kommunist (1841), Kommunismus (1841), Proletariat, Proletarier, Bourgeois (um 1840), Bourgeoisie (1847), Massen, arbeitende Klassen, weiße Sklaven, Klassenkampf (Karl Marx 1847), Invalid der Arbeit, Streik (aus dem Englischen um 1854, dazu Generalstreik, 1878), Internationale, Konsumverein, Arbeiterbataillone, Aussperrung (Lehnübersetzung von engl, lockout, 1875), Dividendenschlucker (1861), soziale Frage, Klassenstaat, Recht auf Arbeit, Völkerfrühling, Völkerversöhnung, Zukunftsstaat, Solidarität, Gewerkschaft (aus dem Bergbau, politisch seit 1868), Genosse (als Anrede seit 1879, Franz Mehring), Boykott (1880, aus dem Englischen), Streikbrecher, Umsturz, Umstürzler, fortwursteln (gegen 1895), Arbeitswilliger (1897) usw. Andere politische Schlagwörter der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind: Zivilcourage (Bismarck 1864), Byzantinismus (1866), Militarismus (186*9), Nihilist (um 1870 aus dem Russischen), Liebesgabe (1870), Chauvinismus (1870), ultramontan (1870), Kulturkampf (1873), Agrarier (1874), Gründer (1872), Krach (1873), Antisemit (1879), alldeutsch (1891), Scharfmacher (1895), Ostelbien (1897), Kuhhandel (1897). § 31. Die Sprache v o n Kunst und Dichtung v o m Jungen Deutschland bis zur Gegenwart
Vgl. H. M ü l l e r , Studien zur Wortwahl und Wortschöpfung bei Dehmel, Liliencron, Nietzsche (Diss. Greifswald 1926). — L. T h o n , Die Sprache des deutschen Impressionismus (München 1928). — H u g o M o s e r , Neuere und neueste Zeit, in „Deutsche Wortgeschichte II 2 (1959). Die literarische Bewegung des 19. Jahrhundert spiegelt sich in zahlreichen Schlagwörtern wider. Das „Junge Deutschland" (1833) brachte z.B. folgende Ausdrücke in Gebrauch: Charakter! Leben! Individuum! (um 1832), Zerrissenheit (H. Heine), Ton, Schule, Manier, Kunstkenner, taufrisch (Wienbarg 1834), ästhetische Teeabende, zeit-
§ 31. Die Sprache von Kunst und Dichtung usw.
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gemäß, Schöngeist, europamüde (1828), Stimmung, Hinterwäldler (1833). Nervös nimmt seit etwa 1830 seine heutige Bedeutung an. Durch Schopenhauer wurde das an sich ältere Wort Pessimismus allgemein üblich. Die Bezeichnung Epigonen wurde namentlich durch Immermanns gleichnamigen Roman (1836) eingeführt. Der R e a l i s m u s brachte Ausdrücke auf wie realistische Kunst und Wirklichkeitskunst. Aus Frankreich kamen die literarischen Fremdwörter Boheme (1851 französisch, seit 1864 im Deutschen), Milieu (seit den 70er Jahren, nach Taine und Zola). Gustav Freytag schuf 1853 die Bezeichnung Schmock für einen charakterlosen Journalisten. Seit den 80er Jahren prägte die n a t u r a l i s t i s c h e K u n s t r i c h t u n g (Naturalismus bei Zola 1876, im Deutschen seit 1885) Schlagwörter wie Suggestion, suggestiv, hochmodern, die Moderne, Dekadenz, dekadent, Symbolismus (1885), Tin de Siecle, Heimatkunst (F. Lienhard 1896), Jugendstil (1897), Sezession, Impressionismus, Schlager, Kitsch (1881), Kabarett, Brettl, Überbrettl, Couplet, Chanson usw. Frankreich ist, wie schon die französische Form vieler dieser Ausdrücke zeigt, meist der künstlerische und sprachliche Ausgangspunkt dieser Bewegung gewesen. Als starker Neuschöpfer von Wörtern und Wendungen erwies sich N i e t z s c h e ; auf ihn gehen Ausdrücke wie Ubermensch (das Wort ist an sich älter, kommt z. B. in Goethes „Faust" vor), Herrenmensch, Herdentier, Bildungsphilister, Umwertung aller Werte, blonde Bestie zurück. R i c h a r d W a g n e r (vgl. § 2 7 ) führte die musikalischen Schlagwörter Leitmotiv (um 1875), Musikdrama und Zukunftsmusik in den Allgemeingebrauch ein. Modewörter der Literatur um 1900 waren: auslösen, sich auswirken, aufzeigen, entfesselt, kolossal, sozial, kosmisch, Gebärde, Geste, Lebensgefühl, Zeitgeist, Sensation, Subjektivität und zahlreiche Fremdbildungen auf -ismus. Die Dichtung um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, für die der Ausdrude Expressionismus Mode war, bevorzugte (Klopstock nicht unähnlich, vgl. § 25) Wörter von großer Prägnanz und kraftvoller KnappSchirmer-Mitzka,
Wortkunde
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Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart
heit. Literarische Schlagwörter dieses Zeitalters sind z. B. Ausdruckskunst, Ichkultur, Plakatstil, Dadaismus, Futurismus, Kubismus. In der expressionistischen Dichtung waren beliebt die Ausdrücke steil (dazu sich aufsteilen), ballen (z. B. geballte Finsternis), Ballung, wuchten, Wucht, schreien, Schrei, jäh, dumpf (wie beim jungen Goethe), Flamme, Verzückung, verzückt, besessen, Dämon, dämonisch, Aufbruch, Sturm, Ekstase, ekstatisch, Dynamik, dynamisch. Hatte der Stil des Realismus und Naturalismus mit seinen technisch genauen Beschreibungen das Eigenschaftswort vorgezogen, so liebte diese Kunstrichtung das Zeitwort, namentlich das unzusammengesetzte (z. B. inseln, Schluchten, bäumen), während das zusammengesetzte gern ungetrennt gebraucht wurde (z. B. „Ausbleibt Antwort"). Die Dichtung der jüngsten Zeit verzichtet auf effekthascherische Wortkünsteleien und bemüht sich — ähnlich dem Streben nach „neuer Sachlichkeit" (1925) in der bildenden Kunst — durdi kurze, schlichte Wörter, besonders Hauptwörter, volle stilistische Wirkung zu erreichen. D a bei werden gern, namentlich in der Erzählung, auch landschaftlich gefärbte oder älteren Sprachzeiträumen entstammende Wörter gewählt. § 32. Der Wortschatz der jüngsten Vergangenheit Vgl. R . R o t h e i t , Kernworte des Weltkrieges (Berlin 1916). — M. D i e t z , Der Wortschatz der neueren Leibesübungen (Diss. Heidelberg 1935). — M. B u e s , Die Verspottung der deutschen Sprache im 20. Jahrhundert (Greifswald 1937). — F. H e r r m a n n , Modische Erscheinungen im heutigen Deutsch (Bielefeld 1931). — V. K l e m p e r e r , L T I . Notizbuch eines Philologen (Berlin 1947). — H u g o M o s e r , vgl. § 31. Der W e l t k r i e g v o n 1 9 1 4 b i s 1 9 1 8 und die ihm folgende Umwälzung des politischen, wirtschaftlichen und geistigen Lebens sind am deutschen Wortschatz nicht spurlos vorübergegangen. Die dem Weltkrieg vorausgehende Zeitspanne wird gekennzeichnet durch politische Schlagund Kampfwörter wie Imperialismus und Nationalismus
§ 3 2 . Der Wortschatz der jüngsten Vergangenheit
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(beide an sich älter, aber Schlagwörter seit der Jahrhundertwende), Expansionspolitik, Hurrapatriotismus (um 1900), Rüstungsfieber (1913), Einkreisung. Der Weltkrieg selbst brachte in sprachlicher Hinsicht zunächst einen verschärften K a m p f g e g e n das F r e m d w o r t , der sich freilich nicht selten in Äußerlichkeiten verlor und dessen Erfolge nicht auf allen Gebieten von Dauer waren. Denn zahlreiche Fremdwörter der Mode, des Sports, der Speisekarte, die während der Kriegsjahre verpönt waren, kehrten bald nach Kriegsende in den Sprachgebrauch zurück, ebenso wie die fremdsprachigen Gasthaus- und Ladenschilder wieder auftauchten. Ja, auf manchen Gebieten nahm der Zustrom von Fremdwörtern, namentlich solcher aus dem EnglischAmerikanischen (Jazzband, Foxtrott, Couch), nach 1918 noch zu. Dem steht gegenüber, daß durch planvolle Verdeutschungsarbeit in Verwaltung und Gesetzgebung viele früher für unentbehrlich angesehene Fremdwörter beseitigt worden sind. Der Wortschatz der H e e r e s s p r a c h e (vgl. § 21) wurde durch die letzten Kriege in weite Kreise getragen. Zum älteren Bestand kamen hinzu: im ersten Weltkrieg vor allem die Ausdrücke des Stellungskrieges (an sich meist älter, z. B. Schützengraben, Drahtverhau, Sappe, Unterstand, zum Teil aber auch neugebildet, z. B. Bunker, Trommelfeuer) und des Feldflugwesens (Flieger, Flugzeug, Bomber usw.). Der Krieg von 1939—1945 erweiterte den Wortschatz auf dem Gebiet der motorisierten und gepanzerten Truppen und vor allem des Luftkrieges und des damit zusammenhängenden zivilen Luftschutzes (Luftschutzkeller, Sirene, Fliegeralarm, entrümpeln, verdunkeln, entdunkeln, warnen, entwarnen). Auch die S o l d a t e n s p r a c h e (§21) wurde in der breiten Öffentlichkeit bekannt, doch entsprachen die zahlreichen Scherzausdrücke, die in Kriegsberichten gern gebraucht wurden (z. B. Heldenfett, Armeebutter, Kommißbrotschminke für Marmelade) durchaus nicht immer der wirklichen Ausdrucksweise der Frontsoldaten (nur die Heimat nannte sie „Feldgraue"). 8*
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Die w i r t s c h a f t l i c h e n N ö t e u n d E r s c h ü t t e r u n g e n , die Deutschland in den Kriegs- und Nachkriegsjahren durchmachte, spiegeln sich in zahlreichen Neuwörtern wider: Aushungerung, (Hunger-)Blockade, durchhalten, Brotkarte (1915), nach Lebensmitteln anstehen, Schlange stehen, Butterpolonäse, hamstern, Hamsterer, Schleichhandel, Schwarzschlachtung, hintenherum kaufen, schieben, Schiebung, Schieber, strecken, Streckmittel, Ersatz, Kunsthonig, Planwirtschaft, Rationierung, Höchstpreise, Kriegsgewinnler, Schwerarbeiter, Preisabbau usw. Selbst reine Fachausdrücke der Wirtschaftssprache, wie Devisen, Valuta, Index, Inflation, Dumping, Kontingent, Hortung, Golddeckung, Preisstopp, Stabilisierung, wurden allgemein geläufig. Auch die p o l i t i s c h e U m w ä l z u n g brachte zahlreiche Neuwörter auf (oder machte ältere Fadiausdrücke allgemein bekannt): Selbstbestimmungsrecht, Reparationen, Nationalversammlung, Verhältniswahl, Volksentscheid (1919 statt Referendum), Sozialisierung, Pazifismus (verkürzt aus Pazifizismus), Volksbeauftragter, Aktionsausschuß usw. Dem Russischen entstammen Wörter wie Bolschewismus, Bolschewik (daneben das unrussische Bolschewist), Sowjet, Kolchos, Komintern. In Ausdrücken wie Arbeiter- und Soldatenrat, Räteregierung hatte das Wort Rat die Bedeutung des russischen Sowjet übernommen. Um 1922 kamen aus Italien die Fremdwörter Faschismus und Faschist (dort fascio „Kampfbund" seit etwa 1915); als Gegenbildung wurde Antifaschist geprägt. Nationalsozialismus und Nationalsozialist kamen 1919 auf (national-sozial war, freilich, in anderem Sinne, schon 1896 von Friedrich Naumann verwendet worden), dazu die Verkürzungen Nazi, Nazismus und nazistisch. Die lebhafte Entwicklung der L e i b e s ü b u n g e n u n d des S p o r t e s hatte zur Folge, daß deren Wortschatz allen Volkskreisen geläufig wurde, wozu auch die Abhaltung der Olympischen Spiele in Deutschland im Jahre 1936 beitrug. Der frühere Fremdwortreichtum der Sportsprache, der sich z. B. beim Tennissport bis zum Zählen in englischer Sprache
§32. Der "Wortschatz der jüngsten Vergangenheit
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erstreckt hatte, ging infolge planmäßiger Verdeutschung erfreulich zurück (z. B. Schläger statt Racket, Aufschlag statt Service, bisweilen auch Einbürgerung zu Lehnwörtern wie Ski zu Schi, to crawl zu kraulen). Vielfach kann man eine „Versportung" der Sprache auch außerhalb des Fachbereichs feststellen, so wenn Sportausdrücke wie fair, Rekord, Sport (z. B. Denksport), starten, Start, spurten, stoppen, Training, Außenseiter, Schrittmacher, in Form sein in der Gemeinsprache bildlich verwendet werden. Der Wortschatz der T e c h n i k (vgl. § 2 8 ) entwickelte sich weiter, besonders auf den Gebieten der Elektrizitätsversorgung (Dynamo 1882, Kraftwerk, Umformer, Hochspannung usw.) und des Verkehrswesens (Automobil 1893, Kraftwagen 1900, Motorrad, tanken, parken, Flugzeug, Eindecker, Doppeldecker usw.). Ein ganz neues Wortfeld erwuchs durch die Erfindung der Schreibmaschine (Anschlag, Taste, Farbband, Durchschlag, tippen). Die C h e m i e machte zahlreiche neue Werkstoffe bekannt (Kunstseide, Glanzstoff, Zellwolle, zum Teil phantasievolle Neuwortbildungen: Vistra, Buna, Bakelit). Das F i l m w e s e n , zurückgehend auf die schon 1839 erfundene Photographie, entstand im Ausgang des 19. Jahrhunderts und trat zuerst mit Bezeichnungen wie „lebende Bilder" (1896) und Kinematograph (1896, bald zu Kino oder volkstümlich Kintopp verkürzt) an die Öffentlichkeit. Heute weist es einen umfangreichen Wortschatz auf, der sich vor allem um die Ausdrücke Film (filmen, filmisch, Verfilmung, Filmkunst, Filmtheater, Stummfilm, Tonfilm), Licht (Lichtspiel), drehen (Drehbuch) gruppiert, daneben aber auch eine Anzahl Fremdwörter aufweist (Diva, Star, Prominenter, Komparse); im Film Gag (aus dem amerikanischen Englisch: ,Witz in einem FilmlustspieP). Einen völlig neuen Fachwortschatz entwickelte schließlich der im Jahre 1924 in Deutschland eingeführte R u n d f u n k (so bald allgemein statt des anfänglich gebrauchten, aus Radiotelegraphie bzw. Radiotelephonie gekürzten Fremdwortes Radio), zuletzt des Fernsehens, z. B. Fernseh-Interview). Im Anfang waren technische Fachaus-
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drücke fremden Ursprungs üblich, z. B. Antenne, Detektor, Fading, Mikrophon; bald aber kamen zweckmäßige deutsche Neubildungen auf, die sich heute allgemein eingeführt haben, z. B. Empfang, Empfänger, Senden, Sender, Sendung, erden, Welle(nlänge), Röhre, Lautsprecher, Verstärker, Rückkopplung, Ansager, Hörspiel, Nachrichtendienst und der Gruß Auf Wiederhören. Aus den USA sind jetzt z. B. Feature ,Hörfolge beim Rundfunk aus Momentaufnahmen', Musical, Quiz ,Fragespiel', wohl aus in-quisitive. Überhaupt stammt von dorther manches neue Fremdwort wie Bestseller, Lobbyist ,der Parlamentarier für sich gewinnen will' (zu lobby .Vorzimmer'), Slogan ,Reklamevers', Teenager (deren Kleidermode eben wieder vergeht, vielleicht bald mit dem Wort) für .Backfisch', Party, Trend, ,Tendenz', Slang .niedere englische Umgangssprache', Jeep, Come-back, Team, fit, mixen, Manager-^krankheit), Job, Make-up, Hobby, Campingausrüstung), Festival(stzdi), Fan ,Liebhaber von Musik, Kino' usw. § 33. Ausblick in die Zukunft Vgl. A. M a t s c h o ß , Wortschöpferische Strömungen der Gegenwart (Wiss. Beihefte zur Zeitschrift des Deutschen Sprachvereins, H e f t 50). — Th. S t e c h e , Neue Wege zum reinen Deutsch (Breslau 1925). — H . L. S t o l t e n b e r g , Neue Sprachgestaltung (Lahr 1930). Wir sind am Schluß unserer Betrachtung. Haben wir bisher in geschichtlich rückwärts gewandter Darstellung die ständige Wandlung des Wortschatzes unter dem Einfluß der kulturellen Veränderungen feststellen können, so ergibt sich daraus, daß der Wortschatz der deutschen Sprache a u c h i n d e r Z u k u n f t n i c h t u n v e r ä n d e r t bleiben wird. Wenn sich auch über den Gang dieser Entwicklung sidiere Voraussagen kaum geben lassen, so können wir doch vielleicht e i n p a a r E n t w i c k l u n g s l i n i e n andeuten, die für den Gang der Weiterentwicklung des deutschen Wortschatzes vermutlich bestimmend sein werden:
§ 33. Ausblick in die Zukunft
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1. Eine Erweiterung des Wortschatzes durch U r s c h ö p f u n g (vgl. § 4) wird nur in sehr begrenztem Umfang vorkommen. Immerhin können die heute so beliebten Abkürzungen aus den Anfangsbuchstaben oder -silben längerer Zusammensetzungen (sogenannte A k ü - S p r a c h ' e , vgl. § 4) neue Wortstämme liefern, wie das z. B. bei Talmi (aus Tallois mi-or „Talloissches Halbgold"), Flak „Fliegerabwehrkanone", Krad „Kraftrad" heute schon der Fall ist. Audi aus E i g e n n a m e n können in Zukunft völlig neue Wortstämme entstehen, so wie bisher schon röntgen und einwecken. Der weitaus üblichere Weg zur Deckung neuen Wortbedarfs wird jedoch, wie in den Jahrhunderten der geschichtlich erhellten Vergangenheit der deutschen Sprache, die Bildung von A b l e i t u n g e n u n d Z u s a m m e n s e t z u n g e n aus bereits vorhandenen Wortstämmen sein, und dieser Weg läßt gerade in der deutschen Sprache noch reiche Bildungsmöglichkeiten offen, wie die Fülle derartiger Neubildungen in jüngster Zeit beweist. Verschiedentlich hat man versucht, diese Neuwortbildung planmäßig zu regeln. Daß derartige absichtliche Eingriffe in die Entwicklung der Sprache möglich sind, zeigt z. B. das Wort Auskunftei, das der Germanist H. v. Pfister 1889 planmäßig nadi dem Muster von Kauffahrtei, Hausvogtei usw. gebildet hat und das heute nicht nur allgemein durchgedrungen ist, sondern weitere ähnliche Bildungen gezeugt hat (Kartei, Detektei usw.). Gestützt auf solche Erfahrungen, hat man deshalb in neuerer Zeit namentlich für die Erweiterung des Fachwortschatzes in Wissenschaft, Wirtschaft und Technik f e s t e B i l d u n g s r e g e l n für die Prägung von Neuwörtern vorgeschlagen, indem bestimmte Endungen, Vor- und Nachsilben ein für allemal bestimmten Bedeutungsgruppen zugeordnet sein sollen. So soll z. B. der eine Handlung beruflich Ausübende stets durch die Endung -ner gekennzeichnet werden (Bankner „Bankier", Drogner „Drogist", Kaßner „Kassierer", Auslagner „Schaufensterdekorateur"), während die Endung -el das Werkzeug oder den Werkstoff bezeichnet (Härtel „Beton", „Wendel „Spiraldraht", Schreibet „Schreibgerät"). Wenn auch die oft ge-
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waltsamen Neubildungen solcher Wortschmiede dem allgemeinen Spradiempfinden bisweilen Gewalt antun, so ist doch festzustellen, daß derartige planmäßige Neuprägungen in den Fachsprachen (und von da aus zum Teil in der Gemeinsprache) bereits Eingang gefunden haben, z. B. normen, Normung, bälfteln, verkraften, Regler (statt Regulator), lacken (statt lackieren) usw. Audi durch die Bildung von G e g e n s a t z w ö r t e r n zu bereits vorhandenen wird der Wortschatz heute bisweilen planmäßig erweitert, z. B. ertauben zu erblinden, verstädtern zu verbauern. Es ist anzunehmen, daß diese Wege planmäßiger Neuwortbildung auch in Zukunft beschritten werden. 2. Die l a n d s c h a f t l i c h e n B e s o n d e r h e i t e n , die dem deutschen Wortschatz heute noch anhaften (vgl. §§ 7 und 19), sind zweifellos im R ü c k g a n g , da Wirtschaft und Verkehr, Presse und Rundfunk die sprachliche Vereinheitlichung immer stärker fördern. Aber doch gehen noch immer landschaftliche Sonderwörter in die Gemeinsprache über (z. B. nd. stur „eigensinnig, hartnäckig", Trecker „Zugmaschine", oberbayerisch rodeln, schweizerisch Stumpen „Zigarillo"). Doch vereinzelter ist die Bereicherung des Wortschatzes durch die Wiederbelebung älteren Sprachgutes (horten als Wirtschaftsausdruck, Kür im Sport, tarnen in der Heeressprache). 3. Die E n t l e h n u n g f r e m d e r W ö r t e r wird bei den engen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der europäischen Völker auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Neue Erfindungen, Wissenschaften, Lebensformen u. dgl. werden aus dem Ausland auch weiterhin zunächst unter ihren fremden Bezeichnungen bei uns bekannt werden. Daß es aber möglich ist, diese Fremdwörter durch planmäßige Verdeutschung wieder zu ersetzen, hat unsere Darlegung an zahlreichen Beispielen (vgl. §§ 6, 21, 23, 25) nachgewiesen. Jeder Vergleich etwa eines vor hundert Jahren veröffentlichten Fremdwörterbuches mit einem heutigen zeigt deutlich, daß sich das Fremdwort in der deutschen Sprache auf dem Rückzug befindet. Der zweckmäßigste Weg der Verdeutschung ent-
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behrlidier Fremdwörter (soweit nicht eine Einbürgerung zu Lehnwörtern möglich ist, wie etwa bei Film, filmen, kraulen) ist allem Anschein nach die Bildung von Ü b e r s e t z u n g s l e h n w ö r t e r n (vgl. § 6), weil diese in der Übergangszeit das zu ersetzende Fremdwort und seine Bedeutung noch durchschimmern lassen. Es werden wieder Truhen angefertigt, jetzt ist es sogar die Industrie, die Musiktruhen und Tiefkühltruhen anbietet, für die Beleuchtung in Stube und auf der Straße Ampeln, baut zuletzt Atommeiler, wovon die Köhler vor ihren Meilern nichts ahnten. Solche Wege werden auch in Zukunft gewiß mit gutem Erfolg in der Wortschöpfung und Wortwahl gefunden werden. Es wird der deutschen Sprache auch in Zukunft nicht an Möglichkeiten fehlen, für alle neu auftretenden Begriffe angemessene Ausdrucksformen zu schaffen und damit ihre Aufgabe als wichtigstes Mittel der Verständigung und Bindung innerhalb des Volkes zu erfüllen.
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Sachverzeichnis A b l e itung 16, 119 Film 108, 117 Absterben der W ö r t e r 18, Fisdiart 80 Fischfang 44 39, 56 Flandern 63 Adcerbau 37, 49 Adelung 102 Französisches 25, 91, 103 Akü-Sprache 18, 119 F r e m d w o r t 26, 52, 75, Alamodezeit 90, 92 109, 116 Alchimie s. Chemie Fremdwortverdeutschung Amerikanisches 80 29, 30, 83, 88, 96, 115 A n a k r e o n t i k 101 Animismus 22 G a r t e n b a u 49, 60, 92 Antike 25, 46, 83 Gaunersprache 89 Arianismus 51 Geflügelte W o r t e 34 A u f k l ä r u n g 97, 103 Gelehrsamkeit 73, 76 Ausrufe 13 Germanen 41 Gesellschaftsleben 65, Barock 95 92, 94 Bauwesen 38, 49, 60 Getreidebau 37 Bedeutung 7, 11, 19 Goethe 101 Befreiungskriege 107 G ö t t e r n a m e n 39, 43 , 55 Bergmannssprache 71 Goten 59 Bibel 84 Gottsched 98 Buchdruck 33, 78 Griechisch 75 Bürgersprache 67 G r i m m , J . u. W . 9 Grobianismus 80, 83 C a m p e 29, 100 Gruppensprache 33 Chemie 74, 108 Gryphius 95 Christentum 46, 51, 57, 72, 81 H a i n b u n d 101 H a l l e r 98 Dichtung 53, 80, 95, H a n d e l 69, 96, 110 112, 114 H a n d w e r k 61, 79, 84 D i p l o m a t i e 94 H a r s d ö r f f e r 94 H a u s b a u 38, 49, 60 Eck 83 Eigennamen 16, 22, 34, H a u s g e r ä t 50 Haustiere 38 54, 67, 75, 83 Heeressprache 86, 115, Englisches 55, 109 120, s. Soldatensprache E r b w o r t 39, 53 Hegel 107 Etymologie 6 H e i d e n t u m 39, 43 , 54, Expressionismus 113 74 H e r d e r 100 Fachsprachen 32, 68, Humanismus 74 73, 82, 85 Familiennamen s. Eigennamen Impressionismus 112 Fechtkunst 93 Indogermanen 35 Feldsprache 88 Italienisches 85, 116
| a g d 66 J a h n 106 Jean P a u l 102 Junges Deutschland
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Kanzleien 77, 81 Kaufmannssprache 29, 33, 48, 67, 70 Keltisches 45 Kindersprache 14 Kirche 51, 55, 56, 81 Kleidung 50, 93 Klopstock 99 Kochkunst 50. 93 Krankheitsnamen 74 Kriegswesen 43, 86, 114 K u l t u r w ö r t e r 24, 55 Kunst 85, 94 112 K u r z w ö r t e r 18, 119 Landschaftswörter s. Wortgeographie Lauremberg 94 Lautgebärde 13 L a u t m e t a p h e r 15 Lautwandel 12 Lehnwort 12, 23 , 26, 45, 60 Leibesübungen 57, 116, 120 Leibniz 95 Lessing 100 Literaturspradie 62 Logau 95 Luther 80, 83, 84 Mahlzeiten 93, 110 M a t h e m a t i k 73 Medizin 74, 108 Metalle 38, 45 Metapher 15. 21 Metonymie 22 Militärisches 47, 86, s. Heercrsf räche, Kriegswesen Mode 66, 90, 110 Monate 44, 74 M u n d a r t e n 30, 101, s. Wortgeographie
Sachverzeichnis M u s i k 74, 85 M y s t i k 72 N a t u r a l i s m u s 113 Naturwissensdia ft 109 Nietzsche 113 N o t k e r 59
107,
O b s t b a u 37, 49, 60 O n o m a s i o l o g i e 6, 19 O p e r 94 O p i t z 95 O r t s n a m e n 16 Paläontologie, linguistische 37 P a r l a m e n t a r i s m u s 103, 111 P a r s p r o t o t o 22 Personennamen s. E i g e n n a m e n P h i l o s o p h i e 73 , 95, 107 P h o n e t i k 11 P h o n o l o g i e 11 P o l i t i k 111, 116 P o s t w e s e n 30 P r o t e s t a n t i s m u s 81, 82 R e a l i s m u s 112 Rechtsleben 44, 47, 48, 61, 77 R e g i e r u n g 61 R e i t k u n s t 94 R e v o l u t i o n e n 103, 111 R i t t e r t u m 62 R ö m e r 46 R o m a n t i k 104 R o t w e l s c h 33, 89 R ü d t e r t 106 R u n d f u n k 117 R u n e n 55
S d i a l l w o r t 14 S c h i f f a h r t 33, 48, 70 Schiller 99, 101, 114 S c h l a g w o r t 34, 82, 107 Schlesische Schule 95 Schottel 95 Schriftsprache 31, 80 Schule 59, 76 Schweizerisches 31, 98, 99, 102 Schwulst 96 S e e m a n n s s p r a c h e 44, 70, 111 S e m a s i o l o g i e 6, 19 S i t t e 44 Slawisches 70, 116 S o l d a t e n s p r a c h e 88, 115 Sondersprache s. Fachsprache S o z i a l i s m u s 112 Spanisches 87 S p o r t 110, 116 Sprachgesellschaften 29, 90 Sprachschicht 30 S p r a c h v e r e i n , Deutscher 30 S t e p h a n 30 S t r u k t u r l e h r e 11 S t u d e n t e n s p r a c h e 33, 7 7 S t u r m u n d D r a n g 101 S y n t a x 11 T e c h n i k 109, 117 T h e a t e r 94, 95, 98 T h o m a s i u s 95 T i t e l 77 T u r n e n 106 T u r n i e r w e s e n 65
123 U h l a n d 105 U m g a n g s s p r a c h e 31 U r g e r m a n i s c h 42 U r s c h ö p f u n g 14, 119 Verdeutschung s. F r e m d wortverdeutschung V e r g n ü g u n g e n 93, 111 V e r w a l t u n g 48 Viehzucht 43 61 V o l k s e t y m o l o g i e 28, 80 V o r n a m e n s. E i g e n n a m e n V o ß 102, 105 W a f f e n 43, 87, 115 W a g n e r 106, 113 W a l d t i e r e 38, 43 W a r e n n a m e n 67, 70, 80 W e i d m a n n s s p r a c h e 66 W e i n b a u 48, 49 W e l t k r i e g 114 W i e d e r b e l e b e n älterer W ö r t e r 18, 105 W i e l a n d 100 W i r t s c h a f t 116 W o h n u n g 43,92 W o l f f , C h r . 95 W o r t f e l d 23 W o r t f o r m 11 W o r t g e o g r a p h i e 11, 30, 32, 63, 83, 120 W o r t k ü r z u n g 18, 119 W o r t s c h ö p f u n g 13, 17, 119 W u l f i l a 37 W u r z e l 15
Z a h l e n 44 Zeitrechnung 45 Zesen 94 Z i r k u s 111 D b e r s e t z u n g s l e h n w o r t 26 , Z u s a m m e n s e t z u n g 16, 13, 119 57, 63, 110, 121 Z w i n g l i 83 Ü b e r t r a g u n g 21
FRIEDRICH KLUGE
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache 18. Auflage, bearbeitet von W a l t h e r
Mitzka
Lexikon-Oktav. XV, 917 Seiten. 1960. Ganzleinen DM 35,—
Urteil über die 17. A u f l a g e : „Das altbekannte Etymologische Wörterbuch, das Friedrich
Kluge
zuerst 1887
veröffentlicht und trotz seiner wachsenden Erblindung weiter betreut h a t , ist schon 1934 in 11. Auflage von seinem Schüler Alfred wünschenswerten Götzes
Neubearbeitung
herausgekommen;
Götze dieser
in einer höchst kamen
sowohl
Herausgabe von T r ü b n e r s deutschem Wörterbuch wie die Mitarbeit des
Indogermanisten Professor Hans
Krabe
der Sprachwissenschaft trug d a n n Schirmer
zugute.
in der
Den weiteren
15. Auflage von
Fortschritten
1951 Professor
Rechnung, der auch sonst den T e x t von hervorragenden Sachkennern
ü b e r p r ü f e n ließ.
Ein Beweis d a f ü r , wie dieses S t a n d a r d w e r k auch in noch
mehr vervollkommneter
Gestalt auf voll berechtigten Anklang und
Absatz
rechnet, liegt nun in dieser neuesten Auflage vor, die vom Herausgeber des deutschen Sprachatlasses, Professor Mitzka Professor ...
Schirmers
Weiterarbeit
(Marburg), betreut worden ist, der
übernahm
und
mit
Eigenem
verband.
So verdient das W e r k ein wahres Hausbuch zu werden als Fundgrube
f ü r die H e r k u n f t des deutschen Sprachschatzes und seiner Verwandtschaftsbeziehungen."
Prof.
Dr. Gustav
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO.
Widmann
in:
Universitas
/ B E R L I N W35
MAURER
—STROH
Deutsche Wortgeschichte 2., neubearbeitete Auflage. Oktav. E R S T E R B A N D . VIII, 492 Seiten. 1959. Ganzleinen D M 35,— Z W E I T E R B A N D . VI, 613 Seiten. 1959. Ganzleinen D M 42,— DRITTER BAND.
Register. VT, 186 Seiten.
1960.
Ganzleinen D M 18,— (Grundriß Band I
der germanischen
Philologie
Band 17)
Friedrich
Stroh
Indogermanische Ursprünge
Friedrich
Stroh
Germanentum
Josef
Weisweiler
Deutsche F r ü h z e i t
Werner
Betz
N a c h t r a g zu „Deutsche F r ü h z e i t "
Werner
Betz
Lehnwörter und Lehnprägungen Vor- und
Edmund
Wiessner
Hermann
f
Höfisches R i t t e r t u m Spätes Mittelalter
Kunisch
Emil
im
Frühdeutschen
D e r romanische E i n f l u ß auf das
öhmann
Deutsche bis z u m A u s g a n g des Mittelalters Hans-Friedrid) Johannes
Rosenfeld
Erben
Humanistische Strömungen L u t h e r u n d die Neuhochdeutsche Schriftsprache
Band II
Willi
Flemming
August
Langen
Friedrich
Kainz
Barock Der Wortschatz
des 18. J a h r h u n d e r t s
Klassik u n d . R o m a n t i k
Kurt
Wagner
D a s 19. J a h r h u n d e r t
Hugo
Moser
N e u e r e u n d neueste Z e i t .
V o n den
80er J a h r e n des 19. J a h r h u n d e r t s zur Gegenwart Walther
Mitzka
S t ä m m e u n d L a n d s c h a f t e n in deutscher Wortgeographie
Band III
Heinz
WALTER
Rupp
DE G R U Y T E R
Register
Sc C O .
/
BERLIN
W35
Deutsche Sprache und Literatur in der Sammlung Göschen Jeder Band D M 3,80. Doppelband DM 5,80 H.
SPERBER
Geschichte der Deutschen Sprache 3. Auflage, besorgt von W . F l e i s c h h a u e r . (Sammlung Göschen Band 913) M. G O T T S C H A L D
128 Seiten. 1958.
t
Deutsches Rechtsdireibungswörterbudi 2., verbesserte Auflage. 219 Seiten. 1953. (Sammlung Göschen Band 200/200 a) A.
SCHIRMER
Deutsche Wortkunde Eine kulturgesdiiditliche Betrachtung des deutsdien 3., durchgesehene Auflage. 109 Seiten. 1949. (Sammlung Göschen Band 929) W.
Wortschatzes.
HOFSTAETTER
Deutsche Sprachlehre 10. Auflage. Völlige U m a r b e i t u n g der 9. Auflage. 150 Seiten. 1960. (Sammlung Göschen Band 20) H.
BIEHLE
Stimmkunde für Beruf, Kunst und Heilzwecke 111 Seiten. 1955. (Sammlung Göschen Band 60) H. B I E H L E
Redetechnik
E i n f ü h r u n g in die Rhetorik. 115 Seiten. 1954. (Sammlung Göschen Band 61) H. F E I S T
Sprechen und Sprachpflege (Die Kunst des Sprediens.) 2., verbesserte Auflage. 99 Seiten, 25 Abbildungen. 1952. (Sammlung Göschen Band 1122) H. N A U M A N N
t
Deutsches Dichten und Denken von der germanischen bis zur staufischen Zeit (Deutsche Literatur v o m 5.—13. J a h r h . ) 2., verbesserte Auflage. 166 Seiten. 1952. (Sammlung Gösdien Band 1121) G.
MOLLER
Deutsches Dichten und Denken vom Mittelalter zur Neuzeit (1270 bis 1700.) 2., durdigesehene Auflage. 159 Seiten. 1949. (Sammlung Gösdien Band 1086)
W A L T E R D E G R U Y T E R Sc C O .
/
BERLIN
W35
K. V I f i T O R
t
Deutsches Dichten und Denken von der Aufklärung bis zum Realismus (Deutsche Literaturgesdiidite von 159 Seiten. 1958. (Sammlung Göschen Band 1096) K.
1700—1890.)
3.,
durchgesehene
Auflage.
LANGOSCH
Der Nibelunge N o t in Auswahl mit kurzem Wörterbuch. 10., durchgesehene Auflage. 164 Seiten. 1956. (Sammlung Göschen Band 1) O. L.
JIRICZEK
Kudrun- und Dietrich-Epen in Auswahl mit Wörterbuch. 6. Auflage, bearbeitet von R . 173 Seiten. 1957. (Sammlung Göschen Band 10)
Wisniewski.
H. J A N T Z E N Wolfram von Eschenbadi. Parzival Eine Auswahl mit Anmerkungen und Wörterbuch. 2. Auflage, bearbeitet von H . K o l b . 128 Seiten. 1957. (Sammlung Göschen Band 921) F.
MAURER
Hartmann von Aue. Der arme Heinrich nebst einer Auswahl aus der „Klage", dem „Gregorius" und den Liedern (mit einem Wörterverzeichnis). 96 Seiten. 1958. (Sammlung Göschen Band 18) F.
MAURER
Gottfried von Straßburg in Auswahl. 142 Seiten. 1959. (Sammlung Göschen Band 22) M. G O T T S C H A L D
t
Die deutschen Personennamen 2 . , verbesserte Auflage. 151 Seiten. 1955. (Sammlung Göschen Band 422) H. N A U M A N N t
— W.
BETZ
Althochdeutsches Elementarbuch 2., verbesserte und vermehrte Auflage. 156 Seiten. 1954. (Sammlung Göschen Band tili) H. D E B O O R — R.
WISNIEWSKI
Mittelhochdeutsche Grammatik 2., verbesserte und ergänzte Auflage. 142 Seiten.1960. (Sammlung Göschen Band 1108)
WALTER
DE G R U Y T E R
& CO.
/
BERLIN
W35
Quellen und Forschungen zur tjprachund 1\ulturgeschichte der germanischen 'Völker Begründet v o n Bernhard ten Brink und Wilhelm Scherer Neue Folge herausgegeben v o n Hermann Kunisch N E U E F O L G E 1 (125) GERHARD RUDOLPH
Studien zur dichterischen Welt Achim von Arnims Groß-Oktav. VIII, 171 Seiten. 1958. DM 16,— N E U E F O L G E 2 (126) EMMY ROSENFELD
Friedrich Spee von Langenfeld Eine Stimme in der Wüste Groß-Oktav. Mit 25 Abb. X, 299 Seiten. 1958. Ganzleinen DM 45,— N E U E F O L G E 3 (127) MARIANNE THALMANN
Ludwig Tieck „Der Heilige von Dresden" Groß-Oktav. Mit 2 Abbildungen. VII, 203 Seiten. 1960. Ganzleinen DM 27,—. Brosdiiert DM 24,— N E U E F O L G E 4 (128) HUGOSOMMERHALDER
Johann Fisdiarts W e r k Eine Einführung Groß-Oktav. Mit 2 Abbildungen. Etwa V I I I , 137 Seiten. 1960. Ganzleinen DM 14,— In Vorbereitung: N E U E F O L G E 5 (129) JOSEFINE NETTESHEIM
Christoph Bernhard Schlüter Eine Gestalt des deutsdien Biedermeier Groß-Oktav. Mit 3 Abb. Etwa 200 Seiten. Ganzleinen etwa DM 24,—
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. / BERLIN W 3 5
GESAMTVERZEICHNIS der
SAMMLUNG GÖSCHEN
Jeder Band DM 3,60 • Doppelband DM 5,80
Stand November 1959
WALTER DE GRUYTER & CO., BERLIN W 3 5
Inhaltsübersicht Biologie Botanik Chemie Deutsche Sprache und Literatur Elektrotechnik Englisch Erd- und Länderkunde Geologie Germanisch Geschichte Griechisch Hebräisch Hoch- und Tiefbau Indogermanisch Kristallographie Kunst Land- und Forstwirtschaft Lateinisch Maschinenbau Mathematik Mineralogie Musik Pädagogik Philosophie Physik Psychologie Publizistik Religionswissenschaften Romanisch Russisch Sanskrit Soziologie Statistik Technik Technologie Volkswirtschaft Vermessungs wesen Wasserbau . Zoologie
. . . . . . . .
. . .
Seite 15 13 I* 6 15 7 8 14 7 5 8 8 18 7 14 . . 5 14 . . . . 8 . . . . 16 . . . 9 14 4 3 3 11 3 9 4 7 8 8 3 9 15 12 9 18 17 14
Geisteswissenschaften Philosophie Einführung in die Philosophie von//. Lehegang t- 3- Auflage. 145 Seiten. 1937. (iti) Hauptprobleme der Philosophie von G. Simmtl f . 7., unveränderte Auflag;. 177 Seiten* 1950. (joo) Geschichte der Philosophie I: D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von 1V. Capelle. i . T c i l . Von Thaies bis Leukippos. 2., erweiterte Auflage. 135 Seiten. 1953. (///) II: D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von W. Captüe. 2. T e i l . Von der Sophistik bis zum Tode Piatons. 2., stark erweiterte Auflage. 144 Seiten. 1953. (9f$) III: D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von W. Capelle. 3. T e i l . Vom Tode Piatons bis zur Alten Stoa. 2., stark erweiterte Auflage. 132 Seiten. 19J4. (t/9) IV: D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von VT. Capelle. 4. T e i l . Von der Alten Stoa bis zum Eklektizismus im 1. Jahrb. v. Chr. 2., stark erweiterte Auflage. 132 Seiten. 1954. (16)) V : D i e P h i l o s o p h i e des M i t t e l a l t e r s Ton J. Kceb. In Vorbereitung. (S26) V I : V o n d e r R e n a i s s a n c e bis K a n t von K. Schilling. 234 Seiten. I9J4- (j94lj94 a) VII: I m m a n u e l K a n t von G. Lebmann. In Vorbereitung. (fj6) VIII: D i * P h i l o s o p h i e des 19. J a h r h u n d e r t s von G. Lebmann. 1. T e i l . 151 Seiten. I X : D i e P h i l o s o p h i e des 19. J a h r h u n d e r t s -von G. Lehmann, x. T e i l . 16S Seiten. 195$. (79) X : Die P h i l o s o p h i e im ersten D r i t t e l des 20. J a h r h u n d e r t s I von G. Lehmann. 128 Seiten. 195 7. Die geistige Situation der Zeit (1931) von K. Jaspers. 4., unveränderter Abdruck der 1932 bearbeiteten j . Auflage. 2 1 1 Seiten. 193). (1000) Erkenntnistheorie von G. Kropp I.Teil: A l l g e m e i n e G r u n d l e g u n g . 143 Seiten. 1950. (toy) Formale L o g i k von P. Lorenken. 165 Seiten. 19J8. (1176I1176a) Ehilosophisches Wörterbuch von M. Apel f . 5.» völlig neubearbeitete Auflage von P. Lud^. 315 Seiten. 1958. (iojijiojia) Philosophische Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart von M. Landmann. 266 Seiten. 1955. (if6[ij6a)
Pädagogik, Psychologie, Soziologie Geschichte der Pädagogik von Herrn. Weimer. 13., durchgesehene und vermehrte Auflage von Heinz Weimer. 178 Seiten. 1958. (14J) Therapeutische Psychologie. Ihr Weg durch die Psychoanalyse von W M. Kranefeldt. Mit einer Einfuhrung von C. G.Jung. 3. Auflage. i j 2 Seiten. 1950.
1
GEISTESWISSENSCHAFTEN A l l g e m e i n e Psychologie von Th. Erismann. j Bände. 2., neubearbeitete Auflage. I: G r u n d p r o b l e m e . 146 Seiten. 1958. (Sßi, II: G r u n d a r t e n des p s y c h i s c h e n G e s c h e h e n s . 272 Seiten. 1959. (8j2j8ß2a) III: P s y c h o l o g i e der P e r s ö n l i c h k e i t . In Vorbereitung. (8ßß) Soziologie. Geschichte und Hauptprobleme von L. von Wiese. 5. Auflage. 162 Seiten 1954. (/