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German Pages 137 [140] Year 1969
Deutsche Wortkunde Kulturgeschichte des Deutschen Wortschatzes
von
Dr. phil. Alfred Schirmer
Sechste v e r b e s s e r t e und erweiterte Auflage von
Dr. Walther Mitzka o. Professor an der Universität Marburg/Lahn
Sammlung Göschen Band 929 Walter de Gruyter & Co. • Berlin 1969 vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.
1. Auflage 2 Auflage 3. Auflage 4. Auflage 5. Auflage 6. Auflage
1925 1946 1949 1960 1965 1969
] | Alfred Schirmer J \ l Waither Mitzka j
©
Copyright 1969 by W a l t e r de Gruyter & Co., vormals G. J . Gösdien'sdie Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl. J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Archiv-Nr. 73 30 691. — Satz und Drude: Saladruck, Berlin 36 — Printed in Germany.
Inhalt Einleitung § § § § § § § §
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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Wortforschung Zur Wortgesdiidite Wortform und Wortbedeutung Wortschöpfung, Abteilung, Zusammensetzung . . . . Der Bedeutungswandel Entlehnung: Fremdwort, Lehnwort, Fremdworters atz Soziologie: Mundart-, Hoch-, Umgangs-, Fach-, Sondersprache 8. Mode-, Schlagwörter, Geflügelte W o r t e ; Namenmoden .
Das Erbe der Vorzeit § 9. Die indogermanische Urzeit . . § 10. Die germanische Gemeinschaft
6 8 12 14 21 25 33 38
40 .
.
40 46
Der Kultureinfluß der Mittelmeerländer
51
§ 11. Die Kultur der Römer § 12. Das älteste gemanisdie Christentum
51 57
.
Die altdeutsche Zeit
59
§ 13. Das Erbgut im Wortschatz § 14. Christenglaube und Geistesleben in althochdeutscher und altsächsischer Zeit
Die Sprache des hohen Mittelalters
Humanismus, Renaissance, Reformation
Das Barockzeitalter und die alamodische Sprache . . . § 20. Der Wortschatz der Musik § 21. Die Heeressprache § 22. Rotwelsch und Feldsprache
63
69
§ 15. Die Sprache des Rittertums und der höfischen Dichtung § 16. Die Sprache der Bürger § 17. Kirche und lateinische Gelehrsamkeit im späteren Mittelalter
§ 18. Die lateinische Hochflut des Humanismus § 19. Martin Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache
59
69 74 80
83 .
83 90
94 94 96 98
4
Inhalt § 23. Der alamodische Fremdwortunfug und die schaften § 24. Die Dichtersprache der Barockzeit •
Sprachgesell-
Die Sprache des klassischen Zeitalters
100 105
107
§ 25. Die Sprache der klassischen Dichtung des 18. J a h r h u n d e r t s 1 0 7 § 26. Die Französische Revolution und die Ausbildung der politischen Fadisprache . . . . 113
Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart § § § § §
27. 28. 29. 30. 31.
Der Wortschatz der Romantik Neue. Erfindungen und Wissenschaften . . . . Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz Die Revolution von 1848 und der Sozialismus . . . . Die Sprache von Kunst und Dichtung vom J u n g e n Deutschland bis zur Gegenwart . § 32. Der Wortschatz der jüngsten Vergangenheit . . . . § 33. Ausblick in die Zukunft
Sachverzeichnis
115 115 118 120 123 124 126 131
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Abkürzungen ahd. arab. Aufl. Bd. Bde. Bedtg. dt. Diss. DWb.
— althochdeutsch s arabisch = Auflage — Band = Bände = Bedeutung — deutsch = Dissertation = Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm (vgl. § 2) eigtl. = eigentlich engl. englisch = franz. = französisch germ. = germanisch qriech. = griechisch hd. = hochdeutsch holl. = holländisch idg. = indogermanisch ind. = indisch ital. = italienisch
Jahrh. kelt. lat. md. mhd. mlat. mnd. nd. nhd. obd. poln. russ. slaw. span. ungar. urgerm. urspr. vql. Wb. ZfdW.
Jahrhundert keltisch lateinisch mitteldeutsch mittelhochdeutsdi mittellateinisch mittelniederdeutsch niederdeutsch neuhochdeutsch oberdeutsch polnisch russisch slawisch spanisch ungarisch urgermanisch ursprünglich vergleiche Wörterbuch Zeitschrift für deutsche Wortforschung (vgl. § 2)
Einleitung § 1. Wortforschung Wortforschung nennt man denjenigen Zweig der sprachgeschichtlichen Forschung, der die Herkunft und die Bedeutungsentwicklung der Wörter einer Sprache von den ältesten in Schriftdenkmälern erreichbaren oder über Lautgesetze u. dgl. rekonstruierten Anfängen bis zur Gegenwart untersucht. Wird der Hauptnachdruck dabei auf die Feststellung der Herkunft eines Wortes, auch über die ältesten urkundlich bezeugten Formen rückwärts, und auf die Verwandtschaft mit Wörtern anderer Sprachen gelegt, so spricht man von Etymologie (Lehre vom Ursprung der Wörter, zu dem mit dem dt. ,ist' urverwandten griech. étymos ,wahr' und lògos .Wort', légo ,lese'). Wie mit dem Wort ein Ding oder ein Begriff bezeichnet wird, stellt die Bezeichnungslehre (Onomasiologie, von griech. ónoma ,Name') dar. Weiteres vgl. § 3. Beschäftigt man sich mehr mit der Entwicklung und Veränderung der Wortbedeutung in geschichtlich bezeugter Zeit, so gebraucht man den Ausdruck Semasiologie (Bedeutungslehre, zu griech. sema .Kennzeichen'). Die inhaltsbezogene Wortforschung wertet das Wort innerhalb eines Sinngefüges (§ 5). Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen legt die Wortforschung herkömmlicherweise (seit der Spätantike) in alphabetisch geordneten Wörterbüchern vor, einer für das Nachschlagen zwar bequemen, aber für die Aufhellung der allgemeinen Zusammenhänge unübersichtlichen Form. Deshalb hat man in neuerer Zeit vielfach eine Darstellung der wortkundlichen Forschungsergebnisse in sachlicher Gliederung gewählt, und zwar begegnet man (neben der un-
Wortforschung
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geschichtlichen logischen Gliederung, wie sie die sog. Synonymenwörterbücher, die Zusammenstellungen sinnverwandter Wörter, wählen) am häufigsten der Darstellung des Wortschatzes nach geschichtlichen Grundsätzen. Diese Anordnung ist auch der vorliegenden Darstellung des deutschen Wortschatzes zugrunde gelegt, und zwar verbindet sie die sprachgeschichtliche Darstellung mit einer kulturgeschichtlichen Betrachtung. Sie geht von der Erwägung aus, daß ein Wort nie etwas für sich allein Bestehendes sein kann, vielmehr stets an das Vorhandensein einer bestimmten Sachvorstellung oder eines Begriffsfeldes gebunden ist. Es soll der Zusammenhang zwischen Kulturentwicklung und Wortschatzveränderung in geschichtlichem Ablauf dargelegt werden. Unter Kultur sollen dabei alle ideellen und materiellen Äußerungsformen des menschlichen Schaffens im weitesten Sinne, also Religion, Wissenschaft, Kunst, Recht, Staats- und Gesellschaftsleben, Wirtschaft, Technik usw. verstanden werden. Es soll gezeigt werden, wie sich das Auftreten neuer Erscheinungen der Sachwelt oder neuer Anschauungs- und Betätigungsformen des menschlichen Geistes im Wortschatz widerspiegelt, sei es durch die Schöpfung gänzlich neuer Wörter, sei es durch die Entlehnung bis dahin ungebräuchlicher Fremdwörter, sei es durch die Ausstattung bereits vorhandener Wörter mit neuem Bedeutungsinhalt. Nun ist es für die Vergangenheit, die wir in ihrem sprachlichen Schaffen nicht unmittelbar miterleben, nur an Hand der zufällig erhaltenen schriftlichen Zeugnisse lückenhaft nachgestalten können, nicht immer möglich, jede Wandlung des Wortschatzes vollständig, sicher und der Zeit nach festzustellen. Doch ergibt sich eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der Entwicklung der Kultur und der des Wortschatzes. „Wie die Zeiten sind, so sind die Wort, und hinwiederumb wie die Wort, so sind auch die Zeiten", die-
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Einleitung
ser Satz des „Unartig Teutsdien Sprachverderbers" (1643), der zugleidi die kulturbildende Rüdewirkung der Sprache auf die Volksgemeinschaft betont, soll dabei das Leitwort unserer Darlegungen sein. In diesem Sinne ist die Woitkunde ein Teilgebiet der Kulturgeschichte. § 2. Zur Wortgeschichte „Kulturgeschichtliche Erörterungen auf sprachlicher Grundlage" geben die Bücher von O. WEISE, Die deutsche Sprache als Spiegel deutscher Kultur" (Jena 1923) und „Wanderungen auf dem Gebiete der deutschen Sprachgeschichte und Wortbedeutung" (Jena 1925). F. SEILERS Entwicklung der deutschen Kultur inj Spiegel des deutschen Lehnworts" (8 Bde., 1913—1924) gibt eine Darstellung der kulturellen Einflüsse, die zur Übernahme der zahlreichen Lehn- und Fremdwörter ins Deutsche geführt haben. F. KIUGES „Deutsche Sprachgeschichte" (Leipzig, 2. Aufl. 1925) schließt namentlich für die ältere Zeit eingehende Ausführungen über die Entwicklung des Wortschatzes ein. Für die neuere Zeit wird dieses Werk ergänzt durch desselben Verfassers Aufsatzsammlungen „Von Luther bis Lessing" (19182), und „Wortforschung und Wortgeschichte" (Leipzig 1912). H. HIRTS „Etymologie der neuhochdeutschen Sprache" (1921, Neudrude 1968) stellt den deutschen Wortschatz nach sprachgeschichtlichen Gesichtspunkten dar. Die umfassendste von der indogermanischen und germanischen Vorzeit bis zum heutigen Tag ausgreifende Darstellung des deutschen Wortschatzes ist die aus den Beiträgen von Mitarbeitern zusammengefaßte „Deutsche Wortgeschichte", h e r a u s g e g e b e n v o n F. MAURER u n d F. STROH, 1943 als Fest-
schrift für Alfred Götze erschienen, in der 2., in manchen Stücken neubearbeiteten, den letzten Stand der Forschung bietenden Auflage 1959 (3 Bände). Diese 15 Aufsätze
Zur Wortgeschichte
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nennen das grundlegende und vorausgehende Schrifttum ausgiebig; sie behandeln die indogermanischen Ursprünge, Germanentum, Deutsche Frühzeit, Lehnwörter und Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen, Höfisches Rittertum, Spätes Mittelalter, Romanischer Einfluß auf das Deutsche bis zum Ausgang des Mittelalters, Humanistische Strömungen, Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache, Barode, Wortschatz des 18. Jahrhunderts, das 19. Jahrhundert, Neuere und neueste Zeit, Stämme und Landschaften in deutscher Wortgeographie. Die Verfasser nennen wir zur Darstellung der einzelnen Zeiträume § 9 f. Den Wortschatz des deutschen Schrifttums seit Beginn des Druckes sammelt und verarbeitet das große „Deutsche W ö r t e r b u c h " v o n JAKOB GRIMM u n d WILHELM GRIMM (1854
bis 1961). Nach ausgiebiger Bearbeitung der von den Brüdern Grimm nicht mehr behandelten Buchstaben D bis Z durch führende Wortforscher ist dies wortgeschichtliche Nationalwerk abgeschlossen. Nunmehr ist mit der Neufassung der ersten zehn Bände begonnen worden. Es umfaßt rund 110 000 Wortstämme, was mit den mehr oder weniger gelegentlich vorkommenden Zusammensetzungen über eine halbe Million neuhochdeutscher Wörter ergibt. Der Wortschatz der deutschen Mundarten der Gegenwart ist in landschaftlichen Wörterbüchern gesammelt, dazu sind zuletzt solche für das Schwäbische (H. Fischer), SchleswigHolsteinische (O. Mensing), Schiesische (Mitzka) und Tirolische (Schatz, Finsterwalder) erschienen. Im Druck vorangekommen sind das Schweizerdeutsche (gegenwärtig Wanner), Mecklenburgische (Teuchert), Hessen-Nassauische (Luise Berthold), Rheinische (J. Müller, Meisen), Badische (F. Ochs), Niedersächsische (H. Wesche), SiebenbürgischSächsische (Verlag de Gruyter), Luxemburgische (Bruch, Hoffmann). Mit dem Erscheinen beginnt das Wörterbuch der bairischen Mundart in Österreich (E. Kranzmayer),
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Einleitung
Berlinisch-Brandenburgische (Anneliese Bretschneider), Südhessisdie (Maurer, Stroh, Mulch), Pfälzer (Christmann, Krämer). Mit der Wortsammlung vorbereitet sind das Preußische Wörterbuch (Ost- u. Westpr., Riemann), das Sudetendeutsche (Beranek), das Bayerische (Reiffenstein). Eine Übersicht über die mundartlichen Wörterbuchsammlungen innerhalb der deutschen Sprachfläche vom Stande von 1937 bietet eine Karte in der Zs. f. Mundartforschung 13, 91. — W. FOERSTE, W. MITZKA, in: „Deutsche Philologie im Aufriß" III 2 hg. W. Stammler. Das von den Brüdern Grimm begründete große „Deutsche Wörterbuch" ist ein stolzer Ruhmestitel der deutschen Sprachwissenschaft, wurde aber nicht das Hausbuch, als das es zunächst gedacht war. Daran denkt eher „Trübners Deutsches Wörterbuch",
von
ALFRED GÖTZE 1 9 3 6 — 1 9 5 7
in
8 Bänden, die letzten vier von W. MITZKA besorgt. Es bringt eine Auswahl des deutschen Wortschatzes in philologisch gesicherten Wortgeschichten, die sprach- und kulturgeschichtlich bedeutsam sind. Die Herkunft und die Verwandtschaft innerhalb der idg. Sprachfamilie bietet auf Grund der manchmal entlegenen alten und jungen Quellen, des Schrifttums und eigener Forschung F. KLUGES „Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache", zuerst 1883 erschienen, in 11.—16. Auflage durch A. GÖTZE auf die Höhe der modernen Philologie gebracht. Die letzten Auflagen bearbeitete W. MITZKA. H. PAUL, „Deutsches Wörterb u c h " ( b e a r b . v o n K . EULING, 1 9 3 5 ) , 5 . A u f l a g e v o n A . SCHIR-
MER, Halle 1956 f., von W. BETZ, Tübingen 1958 f., konzentriert sich auf die Bedeutungsentwicklung. Ohne Angabe von Quellen und Schrifttum: Duden. Etymologie, Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet von der Dudenredaktion unter Leitung von P. GREBE 1963. Literaturangaben von Heynatz 1795 „Versuch eines möglichst vollständigen synonymischen Wörterbuchs" bietet am Schluß:
Zur Wortgesdiichte
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Duden, Vergleichendes Synonymwörterbuch. Sinnverwandte Wörter u. Wendungen, bearb. v. P . GREBE U. W. MÜLLER. WEHRLE-EGGERS, Dt. Wegweiser zum treffenden Ausdruck 1961. Den Bestand der deutschen Sprache an Fremdwörtern untersucht in strenger wortgeschichtlicher Methodik und mit vielen kulturgeschichtlichen Hinweisen das „Deutsche Fremdwörterbuch" von H. Schulz (1. Bd. A—K, Straßburg 1913, fortgesetzt von O. Basler, 2. Bd. I—P, Berlin 1942). In sachlicher Anordnung stellt den Wortschatz F. DORNSEIFF, „Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen" (Berlin, 6. Aufl. 1965) zusammen, ein auch durch seine Einleitung und die ausführlichen Literaturhinweise wichtiges Buch. — Auch Fremdwörter, „österreichische, schweizerische und landschaftliche Besonderheiten" bietet „Das Große Deutsche Wörterbuch (Gütersloh 1966) in einem Bande, von G. Wahrig. Zur Wortforschung, vor allem zur Geschichte einzelner Wörter, nennen jeweils das Schrifttum des In- und Auslandes die „Jahresberichte über die Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen Philologie", 1879 f.; Bibliographie Linguistique, 1939 f.; Germanistik, 1960 f. Zur Wortgeographie bietet den Nachweis kartenmäßiger Darstellung E m SIEGEL bis 1962: in „Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen" IV hg. L. E. Schmitt; diese Bibliographie der immer zahlreicher erscheinenden Wortkarten wird am Dt. Sprachatlas in Marburg fortgesetzt. Wortgeographie der deutschen Sprachfläche (von 1939) stellt der Deutsche Wortatlas, Bd. 1—4 von W. M I T Z K A , 5 f. mit L. E. SCHMITT dar: dort werden die Publikationen dazu aufgeführt. Dazu P . VON POLENZ, in Dt. Wortforschung II 525—548. Diese Reihe „Dt. Wortforschung" hat den Untertitel „Untersuchungen zum Dt. Wortatlas" und behandelt seit 1958 das deutsche Wort mit übernationalen Gesichtspunkten raumstrukturell. Für Böhmen-Mähren: E. SCHWARZ,
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Einleitung
Sudetendt. Wortatlas I—III 1 8 5 4 — 1 8 5 8 . Der Schweizerdeutsche Sprachatlas wird von R . HOTZENKÖCHERLE herausgegeben. — M I T Z K A , Wortgeographie u. Gesellschaft, 1 9 6 8 . Darin u. a. G. DE S M E T , Alte Lexikographie und moderne Wortgeographie. § 3. Wortform und Wortbedeutung An W. v. H U M B O L D T schließt L. W E I S G E R B E R seine Lehre von der Leistung des Wortes im Sinngefüge einer Nationalsprache in seinen Schriften an, so „Weltbild der deutschen Sprache" II 1953. In ihren Grammatiken zur Gegenwartssprache gehen vom Wort, seinem Bau und seiner Gliederung, Inhalt und Funktion im Satze, Wortart, aus: JOHANNES ERBEN, Abriß der deutschen Grammatik, Berlin 1966 (S. 5 „phonologische Wortstruktur") und P. G R E B E , Duden, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Mannheim 1959 (S. 396 f. H. G I P P E R , Das Wort . . . , S. 400 „Die inhaltsbezogene Betrachtung"). Alle Sprachen behandeln H. G I P P E R U. H A N S SCHWARZ, Bibliographisches Handbuch zur Sprachinhaltsforschung. Teil I alphabetisch nach Verfassern, 1961 f. mit ausgiebiger Kritik und dem Augenmerk auf die muttersprachliche Zwischenschicht, womit sie über Bezeichnungslehre und Bedeutungslehre hinausgehen will; dem Wort gilt in diesem Kreis die methodisch und stilistisch klare Darstellung von H. BRINKMANN, D. deutsche Sprache, Gestalt und Leistung 1962. Das Wort als Hörgebilde läßt sich klanglich zerlegen in Laute, das ist die Aufgabe der Phonetik, gesteuert durch die Phonologie („Strukturlehre" vgl. §2), als Lehre von den Einheiten des Lautsystems (Phonemen) bis zum Wort in ihren gegensätzlichen Funktionen in der gesprochenen Sprache (vgl. Braune-Mitzka, Althochdeutsche Grammatik 196712 § 8 a, Paul-Mitzka, Mittelhochdeutsche Grammatik 196619 §11); grammatisch (wenigstens in den indo-
Wortform und Wortbedeutung
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germanischen Sprachen) in Wortstamm und Endungen (unter Umständen auch Vor- und Nachsilben). Diese Aufgabe der Grammatik geht insbesondere die Wortbildungslehre an. Durch die Sprachform des Satzes werden die durch die Wörter vermittelten Einzelvorstellungen verbunden zu einer Gesamtvorstellung (Aufgabe der Syntax oder Satzlehre). Im Leben der Sprache tritt das Wort nicht vereinzelt auf, sondern nur im Satzzusammenhang, auch wenn nur ein einzelnes Wort gesprochen oder geschrieben ist; denn da ist ein Satz wenigstens gedacht. Auch im Wörterbuch ist jedes Stichwort {Lemma, zu lat. legö ,Iese') eingeordnet in den durchgehend vorausgesetzten Satz „Was bedeutet dies Wort"? Im Etymologischen Wörterbuch dazu: „Woraus ist es abzuleiten, welches ist seine Verwandtschaft"? Wenn wir es für sprachgeschichtlidie Betrachtungen vereinzeln, so ist dies erst eine Handlung des sprachwissenschaftlichen Nachdenkens. Oft kommt es bei der Wortwahl auf den Kontext an und auf die Sprachschicht: Hoch-, Umgangssprache oder Mundart. Die Gestalt der Wörter unterliegt im Laufe der sprachlichen Entwicklung gewissen Veränderungen. Diese untersucht die Lautgeschichte. Ein Wort kann sich im Laufe der Jahrhunderte hinsichtlich seiner Form beträchtlich wandeln, ohne daß sich seine Bedeutung verändert. So bedeutet das Wort aibeolaosa des Hildebrandliedes trotz bedeutender Formänderung heute noch genau wie vor über tausend Jahren „erblos", wozu es lautgesetzlich geworden ist. Unabhängig von der Änderung der äußeren Form eines Wortes kann sich aber auch seine Bedeutung, der durch das Wort bezeichnete und gemeinte Bedeutungsgehalt, der Wortinhalt wandeln (innere Form). So bezeichnet Milde heute etwas ganz anderes als das gleichlautende mhd. milte, milde, das „Freigebigkeit" bedeutet, oder edel; das sich in alter Zeit nur auf die adlige, vornehme Abstammung
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Einleitung
bezog, heute aber vorzugsweise die sittliche Vornehmheit bezeichnet. Zumeist freilich unterliegt ein Wort im Laufe der Geschichte sowohl Änderungen der äußeren Form wie der inneren Bedeutung. So lautet unser nhd. albern ahd. alawäri, mhd. alwsere und zeigt die Bedeutungsentwicklung: „ganz wahrhaftig", „aufrichtig, freundlich", „einfältig". Da-, bei bestehen zwischen der Wandlung der Lautform und der Bedeutung nur ausnahmsweise Zusammenhänge, so etwa wenn man älteres Klausel, das ursprünglich ein topfartiges Kinderspielzeug bedeutete (zu Krause „Krug"), mit Kreis, kreisen in Verbindung bringt und nun Kreisel schreibt und spricht, oder wenn mhd. vrithoi „eingehegtes Grundstück, besonders um eine Kirche" (zu ahd. inten „hegen") entgegen der sonstigen Lautentwicklung von mhd. I zu nhd. ei nicht zu Freithol (so nur mundartlich bairisch) geworden ist, weil man seine Bedeutung irrigerweise mit Friede in Verbindung gebracht hat (vgl. Wortfeld § 5 Schluß und den Absatz Volksetymologie in § 6). § 4. Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung W. W U N D T , Völkerpsychologie I : Die Sprache, 2 Bde. (19113). H. PAUL, Prinzipien der Sprachgeschichte (i960 6 ). O . JESPERSEN, Die Sprache, ihre Natur, Entwicklung und Entstehung (1925). W. v. W A R T B U R G , Einführung in Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft (1943). W. HENZEN, Deutsche Wortbildung (1957 2 ). H. BRINKMANN vgl. § 3 . P . v. POLENZ, Ableitungsstrukturen dt. Verben, Zs. f. dt. Spr. 1968; ders., Strukturelle Wortbildungslehre, in Mitzka, Wortgeogr. u. Gesellschaft 1968. des Wortes herrscht noch keine über die Entstehung Klarheit. Die herkömmliche Erklärung (W. Wundt) ist die, daß die Wörter ihren Ursprung in Lautgebärden haben, die wiederum einen Teil der verschiedenen Ausdrucks-
Wortschöpfung, Ableitung, Z u s a m m e n s e t z u n g
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g e b ä r d e n des Menschen (und der höheren Tiere) ausmachen. A u s d r u c k s g e b ä r d e n noch nicht sprachlicher Art sind z. B. Kopfnicken und -schütteln als Zeichen für „ j a " und „nein", L a u t g e b ä r d e n (aber noch keine artikulierte Sprache) sind d a s Bellen des Hundes, d a s Schnurren der Katze, d a s Schreien des S ä u g l i n g s . Ein Hund k a n n durch die L a u t g e b ä r d e des Knurrens die G e s a m t v o r s t e l l u n g „ich bin zornig" ausdrücken, er kann s i e aber nicht in die Einzelvorstellungen „ich" und „zornig sein" zerlegen. Reste solcher urtümlicher A u s d r u c k s w e i s e n h a b e n sich namentlich in den Ausrufen bis in die h e u t i g e Sprache erhalten; wenn wir z. B. pst! s a g e n und damit der Sachlage entsprechend „Seid ruhig!" meinen, so ist d a s offenbar eine den sprachlichen A n f ä n g e n nahestehende A u s d r u d e s w e i s e für eine Gesamtvorstellung. W i e die einzelnen L a u t g e b ä r d e n zu Bezeichnungen für bestimmte Einzelvorstellungen und damit zu Wörtern geworden sind, entzieht sich g e n a u e r Kenntnis. Früher schrieb man der Nachahmung v o n Naturlauten eine große Rolle zu und führte demgemäß die Entstehung einer großen An(Onomatopöie, zahl v o n Wörtern auf Schallnachahmung aus griech. önorna ,Name', poiein ,schaffen') zurück. So sind Tiernamen vielfach offenbar aus der annähernden W i e d e r g a b e der v o n den Tieren gebrauchten Laute entstanden: Kuckuck, Kiebitz, Fink, Glucke, Uhu. Auch Geräuschbezeichnungen wie blöken, klappern, quäken usw. v e r d a n k e n solcher Schallnachahmung ihren Ursprung. Diese Art der Urschöpiung ist bis heute in Kraft, so wenn man den K r a f t w a g e n (zuerst in Frankreich) nach dem Auspuffgeräusch Töfitöfi, ein Motorboot Muckepicke oder ein lärmv o l l e s M u s i k k a f f e e Tingeltangel benannt hat. Eine große Rolle spielt die Schallnachahmung in der Kindersprache oder Ammensprache, denn nicht nur die Kinder haben solche Wortschöpfungen, z. B. Muhmuh oder Muschekuh
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Einleitung
für die ,Kuh'r der Wauwau für den ,Hund', die Ticktack für die ,Uhr". Immerhin ist bei der Erklärung heutiger Wörter aus Schallnachahmung Vorsicht geboten, denn manche Wörter, die heute lautmalend klingen, haben in früherer Zeit beträchtlich anders gelautet, andererseits sind zahlreiche lautmalende Wörter auffällig jung und lassen sich in der Sprachgeschichte nicht weit zurückverfolgen, z. B. klirren, zirpen. Wenn es auch möglich ist, daß eine große Anzahl von Wörtern im Laufe der jahrtausendealten Entwicklung der Sprache (von der wir übrigens an Hand der schriftlichen Uberlieferung kaum mehr als zwei bis drei Jahrtausende tatsächlich beobachten können) ihre Form so stark verändert haben, daß wir ihren schallnachahmenden Ursprung heute nicht mehr erkennen, so können doch unmöglich alle Wörter einer Sprache auf diese Weise entstanden sein. Namentlich die Bezeichnungen für seelische Vorgänge geben ja zudem keinerlei Anlaß, sie mit irgendwelchen Naturlauten in Verbindung zu setzen. Ob nun bei der Urschöpfung der Wörter auch andere Beziehungen zwischen Klang und Vorstellung mitgespielt haben, wie z. B. W U N D T für manche Wörter eine Beziehung zwischen der Bedeutung des Wortes und dem das Wort hervorbringenden Sprachwerkzeug annimmt (z. B. blasen, Mund, Zunge mit ihren Vordermundlauten) oder eine „durch den Gefühlston des Lautes vermittelte Beziehung" zwischen Wortform und Bedeutung vermutet (sog. Lautmetapher), ist an unseren heutigen, durch viele lautliche Veränderungen hindurchgegangenen Wortgebilden nicht zu beweisen. Wenn auch vor allem unsere Dichter die Lautsymbolik vieler Wörter deutlich empfinden, so muß sich die wissenschaftliche Wortdeutung zumeist doch auf die Anführung der ältesten geschichtlich bezeugten Vorstufen des einzelnen Wortes beschränken. Als früheste Ausgangsformen der einzelnen
Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung
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Wortsippen lassen sich bestenfalls Wortstämme (aus denen nach Wegnahme der Endung u. dgl. sog. Wurzeln konstruiert werden) erschließen, die eine Zusammenfassung der Lautmerkmale der als von ihnen abstammend angenommenen Wörter darstellen, ohne daß damit bewiesen wird, daß die Wurzel in der erschlossenen Form wirklich jemals irgendwo gesprochen worden ist. Stoßen wir in der Wortbildungslehre zur Wortschöpfung immer wieder auf die Grenzen der Erkenntnis, so bleibt doch die Leistung der kritischen Sprachwissenschaft seit Anfang des 19. Jahrhunderts für das Deutsche im Kreise der vorher nie geahnten indogermanischen Sprachfamilie ein stolzer Ruhmestitel der Sprachwissenschaft. Was die Hessen Jakob Grimm und Bopp, der Däne Rask mit der Entdeckung der Lautgesetze an Konstruktionen der ursprachlichen Wörter vom Germanischen bis zum Indischen ermöglichten, fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine überraschende Bestätigung im Hethitischen Kleinasiens des 2. Jahrtausends vor Chr. Geb.: z. B. germ. watar, im Niederdeutschen, Niederländischen, Englischen bis heute erhaltenes water tauchte da in Keilschrift als watar auf, ähnlich ist es bei Feuer (Kluge-Mitzka, Etymolog. Wb.) Und eine deutsche Expedition brachte vor dem 1. Weltkrieg aus der Wüste Gobi die Wörter einer unbekannten indogermanischen Schwestersprache mit, das Tocharische der Völkerwanderungszeit. Eine gewisse Anzahl der heutigen Wörter geht auf frühere Eigennamen zurück, ohne daß wir mit dieser Ableitung etwas über die Entstehung der zugrunde liegenden Namen aussagen könnten. Bei einer ganzen Reihe von Wörtern aus jüngerer Zeit, wie boykottieren (nach dem engl. Gutsverwalter Charles Boykott, über den die irische Landliga 1880 den Bann verhängte), Grog (urspr. Spitzname des engl. Admirals Vernon, der den Rum der Matrosen mit Wasser Schirmer, Deutsche Wortkunde
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Einleitung
verdünnen ließ), Gobelin (Name eines Pariser Wollfärbers), Tüll (urspr. Gewebe aus Tülle in Frankreich), röntgen, einwecken, dem von Berlin ausgegangenen Ausruf (Adverb) knorke usw. können wir nachweisen, daß sie aus Personenoder Ortsnamen hervorgegangen sind. Was wir hier in verhältnismäßig junger Zeit im vollen Lichte der sprachlichen Erkenntnis vor sich gehen sehen, die Entwicklung eines Individualnamens zu einer Gattungsbezeichnung, kann in Urzeiten in großem Umfang stattgefunden haben. Zahlreiche Wörter sind ursprünglich Namen für Einzelwesen, Bezeichnungen für einen einzelnen Vorgang gewesen und erst allmählich durch Erweiterung ihres Bedeutungsumfanges zu Gattungsbezeichnungen geworden. Die heutige Fülle des Wortschatzes ist für urzeitliche Sprachstufen dadurch vereinfacht, daß die meisten heutigen Wörter Ableitungen, Weiterbildungen, Zusammensetzungen aus einfachen Grundwörtern sind. Jeder erkennt j a den Zusammenhang von stehen, Stand, Ständer, Zustand, ständig, bestehen, Bestand, beständig, gestehen, Geständnis, stetig, stets, unstet usw. Daß auch Stelle, still, Statt, Stadt, Stuhl, Stall, Stollen, Stulle, Stadel, Stunde, Stamm, Steven, Stute usw. Ableitungen aus demselben Grundwort sind, ist für den sprachgeschichtlich nicht Geschulten schon weniger leicht erkennbar. Aus einem einzigen Grundwort können unter Umständen Hunderte von Wörtern abgeleitet sein, die heute nach Form und Bedeutung nur wenig gemeinsam haben. Da es nun unwahrscheinlich ist, daß jemals eine Sprache nur aus einfachen Grundwörtern bestanden hat, so zeigt ein einfaches Rechenexempel, daß eine Ursprache von nur wenigen Hunderten von Grundwörtern und einigen Dutzend Ableitungssilben (Vor- und Nachsilben) imstande war, durch Ableitung und Zusammensetzung einen in die Tausende gehenden Wortschatz herzustellen, der allen Bedürfnissen genügte. Auf diese Weise deckt auch die
Wortschöpfung, Ableitung, Zusammensetzung
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heutige Sprache im allgemeinen den Bedarf an neuen Bezeichnungen. Wenn wir den mehrere Hunderttausende von Wörtern umfassenden Wortschatz etwa in Grimms Deutschem Wörterbuch mustern, so entdecken wir, daß weitaus die Mehrzahl aus Ableitungen oder Zusammensetzungen besteht. Gerade die deutsche Sprache zeigt auf diesem Gebiet eine ungemeine Fähigkeit zur Weiterbildung. Wenn das DWb. 257 Zusammensetzungen mit Liebesais erstem Glied bucht und ein nachtragender Sammler diese Zusammenstellung um etwa 675 Zusammensetzungen mit Liebes-, Liebe-, Lieb-, die alle bei Dichtern wirklich vorkommen, vermehrt hat, so sehen wir, welche Entwicklungsmöglichkeiten des Wortschatzes durch solche Weiterbildungen gegeben sind. Obschon es uns nun in der durch schriftliche Zeugnisse erhellten Zeit (und mit dieser soll sich unsere Darstellung vorwiegend befassen) vielfach möglich ist, den Zeitpunkt der Neuprägung eines Wortes, ja bisweilen sogar den Namen des Schöpfers zu bestimmen, so müssen wir uns dabei doch stets bewußt bleiben, daß wir gewöhnlich nur die früheste literarische Verwendung eines Wortes feststellen können. Manche Wortschöpfung für die Chemie verdanken wir dem Begründer der chemischen Therapie in der Medizin, Paracelsus, wie Gnom (vgl. Kluge-Mitzka, Etym. Wörterbuch), durch Ableitung oder Zusammensetzung neu gebildet z. B. Badewasser, Brandsalbe, Eiweiß, Geist(es)krankheit, Niespulver, Scheidewasser, Weingeist, aber unter vielen anderen auch malerisch, schöpferisch (vgl. K.-H. Weimann in Zs. f. Mundartforschung 1952, 65). Meist klafft aber, wie uns Beobachtungen an der Sprache der Gegenwart zeigen, eine beträchtliche zeitliche Spanne zwischen dem ersten Auftreten eines Wortes in der gesprochenen Sprache und dem Beginn seiner Schriftfähigkeit (namentlich bei Ausdrücken des Alltagslebens). Daher 2'
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Einleitung
müssen wir alle Altersangaben mit Vorbehalt geben: sie können durch weitere Beobachtung überholt werden. Die in der Gegenwart sehr beliebte Neubildung von Wörtern durch Aneinanderreihung der Anfangssilben oder Anfangsbuchstaben längerer Verbindungen (sog. AküSpiache = Abkürzungssprache, z. B. das Din-Format (Deutsche Industrie-Normen), D-Zug, U-Boot, dürfte in älterer Zeit kaum eine Rolle gespielt haben, da es sich hierbei im wesentlichen um einen auf der geschriebenen Sprache beruhenden Vorgang handelt. Auch Wortküizungen, z. B. Auto statt Automobil, Piano statt Pianoforte, Cello statt Violoncello, Photo statt Photographie, Bus statt Omnibus, gehören in die Gegenwart, wie zuletzt Asta = Allgemeiner Studentenausschuß, nur mit Anfangsbuchstaben AEG, BGB = Bürgerliches Gesetzbuch, UKW = Ultrakurzwelle (vgl. § 33)Neben dem Neuaufkommen von Wörtern spielt auch das Absterben der Wörter sprach- und kulturgeschichtlich eine wichtige Rolle. Meist handelt es sich dabei darum, daß von zwei oder mehreren sinnverwandten Ausdrücken für einen bestimmten Begriff der eine den anderen zurückdrängt, wobei vor allem der Wettbewerb zwischen verschiedenen sozialen Schichten der Sprache (Volkssprache, Sprache der gehobenen Gesellschaft, Kunstsprache der Dichtung) oder auch zwischen Ausdrücken verschiedener landschaftlicher Prägung ausschlaggebend wirkt. Soweit solche Vorgänge kulturgeschichtliche Rückschlüsse zulassen, ist in unserer Darstellung darauf hingewiesen (vgl. z.B. §§ 13, 15, 19). Die Wiederbelebung veralteter Wörter durch Neuanwendung in der Dichtersprache kommt vor allem seit der Romantik auf (§ 27). Gelühlsbetonte Wörter, wie die in der Umgangssprache und in der Mundart gern gebrauchten Ausdrücke für ,sich beeilen' oder für .schelten', können rasch von neuen abgelöst werden (P. Seidensticker in Zs. f. Mundartforschung 1956, 160).
Bedeutungswandel
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§ 5. Bedeutungswandel Zur Bedeutungslehre ist an jüngstem, grundlegendem Schrifttum, das wiederum Vorgänger zitiert, zu nennen H. KRONASSER, Handbuch der Semasiologie, Heidelberg 1952. Uber Bezeichnungslehre (wie benennt die Sprache die Dinge oder Begriffe?) handelt H. Q U A D R I , Aufgaben und Methoden der onomasiologischen Forschung, Bern 1952. Uber beide Methoden will die „inhaltsbezogene Betrachtung" hinaus zur Erkenntnis der Leistung der Sprache im Zusammenfassen gleicher oder ähnlicher Erscheinungen führen. Die Inhalte seien nicht den Individuen überlassen, sondern bezögen ihre Wertung aus dem überindividuellen Sprachgefüge. Dazu L. W E I S G E R B E R , Die Muttersprache im Aufbau unserer Kultur 1950, und Schrifttum zu § 3. Neben der formalen Erweiterung des Wortschatzes durch Urschöpfung, Ableitung und Zusammensetzung gehen einher die Veränderungen, die die Bedeutung der Wörter durch den Bedeutungswandel erfährt. Der Begriff der Bedeutung eines Wortes wird auf verschiedenen Wegen gesucht. Die Logik umschreibt ihn mit Inhalt und Umfang. Mit Bedeutungsinhalt bezeichnet sie die Summe der Merkmale, die zu dem durch ein Wort ausgedrückten Begriff gehören, z. B. Tier: organisches Wesen, Empfindung, freie Bewegung. Mit Bedeutungsumfang wird die Summe der einzelnen Individuen bezeichnet, die zu der durch das Wort bezeichneten Gattung gehören, bei Tier z. B. Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien usw. Die Psychologie betont, daß neben dieser logischen Bestimmung der Bedeutung, die nur die durch das betreffende Wort ausgedrückte Hauptvorstellung erfaßt, die zumeist gleichzeitig ausgelösten Nebenvorstellungen, der Gefühlston usw. eine wichtige Rolle spielen und daß gerade diese es sind, die für den (zumeist wohl beim Ubergang von Generation zu
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Generation auftretenden) Wandel der Bedeutung ausschlaggebend wirken. Ohne auf die noch nicht genügend erforschten Ursachen des Bedeutungswandels einzugehen, läßt sich oft beobachten, daß der Bedeutungsinhalt eines Wortes sich vergrößert oder verkleinert und der Bedeutungsumfang der durch das betreffende Wort bezeichneten Erscheinungen sich entsprechend verengt oder erweitert (sog. Bedeutungsverengung und Bedeutungserweiterung). Für die Verengung der Bedeutung (Spezialisierung) nennen wir z. B. das Wort Dirne, das früher (wie heute noch vom Böhmerwald bis München über Salzburg bis in die Steiermark als Deandl, Diandl u. ä., vgl. Deutscher Wortatlas Bd. IV, vgl. allgemein neuhochdeutsch Dirndlkleid) einfach „junges Mädchen" bedeutet, in der Schriftsprache aber (durch Hinzufügung des Bedeutungsmerkmals „sittliche Verworfenheit") die Bedeutung „Hure" erlangt hat. Andere Beispiele sind: Getreide, ahd. gitregidi „Erträgnis", heute „Körnerfrucht" (dazu H. HÖING, Deutsche Getreidebezeichnungen in europäischen Bezügen, semasiologisch und onomasiologisch untersucht 1958, mit Karten); Gilt, eigtl. „Gabe", vgl. engl, gilt, nhd. Mitgiit, heute „tödliche Droge". Als Beispiele für die Erweiterung der Bedeutung (Generalisierung) seien angeführt hübsch, eigtl. „höfisch", heute „anmutig von Aussehen oder sonst im Eindruck": fertig, eigtl. „fahrtbereit", heute allgemein „bereit, zu Ende gebracht". Natürlich können auch die beiden Vorgänge der Bedeutungserweiterung und -Verengung im geschichtlichen Ablauf bei dem gleichen Wort aufeinanderfolgen; so bedeutet das bereits angeführte Wort Dirne in altgermanischer Zeit offenbar „Dienerin" (zusammenhängend mit dienen und Demut), hat somit, indem es die Bedeutung „junges Mädchen" erlangte, schon einmal eine Bedeutungserweiterung durchgemacht. Mit der Bedeutungsverengung geht häufig eine Verschlechterung der
Bedeutungswandel
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Bedeutung Hand in Hand, vgl. oben Dirne, Gift, ferner Pfatie, im Mittelalter allgemein „Geistlicher", Mähre, ursprünglich „Pferd, Stute" ohne verächtlichen Nebensinn. Auch Bedeutungsverbesserungen kann der Bedeutungswandel zur Folge haben, so in Marschall, das ursprünglich „Pferdeknecht" bedeutet hat. Zur politisch gelenkten Aboder Aufwertung s. § 52. Eine weitere häufige Art des Bedeutungswandels bezeichnet die Logik als Übertragung (Metapher), so wenn im „Deutschen Wortatlas II" z. B. das Insekt Libelle im Ostpreußischen Scherenschleifer, im Westfälischen Düwels Naihnadel, im Sdiwarzwald Deiielsnodle, im Bairischen und sonst Wasserjungfer, überhaupt mit Teichhüter, Wasserschandarm, Schlangenhüter, Gottespierd hundertfache Metaphorik zeigt. Die Zoologie hat das mit waagerechten Flügeln schwirrende Insekt als Verkleinerung libella (zu lat. libra .Wasserwaage') benannt, der deutsche Maurer oder Zimmermann nennt seine Wasserwaage .Libelle'. Dabei wird die Bedeutung eines Wortes in ein anderes Begriffsgebiet verschoben, wobei die äußere Ähnlichkeit oder die Ähnlichkeit der Verwendung zweier Dinge eine besonders wichtige Rolle spielt. Übertragungen dieser Art sind z. B. der Bedeutungsübergang von Linse „Hülsenfrucht" auf die Linse im Auge und die Glaslinse in optischen Geräten, von Feder „Vogelfeder" auf den Gänsekiel zum Schreiben, dann auf das stählerne Schreibwerkzeug oder auf die elastische Feder in der Technik, von Strom „Wasserlauf" auf das „Strömen" der Elektrizität. Der gesamte Wortschatz der Sprache ist von solchen Bildern durchsetzt, besonders die Umgangssprache des Volkes und die Sondersprachen (vgl. § 7) neigen dazu. Die Ausdrücke für geistige Vorgänge sind fast durchweg aus Wörtern mit ursprünglich sinnlichanschaulicher Bedeutung übertragen, z. B. begreifen, ursprünglich „angreifen, betasten", etwas nicht fassen kön-
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nen, eigentlich „anfassen", erfahren, ursprünglich „etwas durch Fahren erkunden" (vgl. bewandert „erfahren"). Auch die Übertragung von Wörtern, die zunächst nur für belebte und beseelte Wesen gelten, auf seelenlose Geräte, Werkzeuge und Maschinen ist sehr häufig, vgl. Hund „Förderwagen im Bergwerk", Ramme, eigtl. „Widder" (engl, ram), Bär „Rammklotz", Kran (Kranich), Schraubenmutter usw. (sog. Animismus, Beseelung des Seelenlosen). Der Übertragung verwandt ist die Verschiebung (Metonymie), bei der der tatsächliche Zusammenhang, die räumliche, zeitliche oder ursächliche Abhängigkeit zweier Begriffe ausschlaggebend sind. Dahin gehört Messe, ursprünglich „kirchliche Feier", dann der damit zusammenhängende Markt; Hasenpfeffer, „ein mit Pfeffer zubereitetes Gericht von Hasenfleisch"; Ekel, zunächst „Brechreiz", dann „widrige Empfindung", ferner „widriger Mensch". Besonders häufig ist dabei die Verschiebung der Bedeutung von einem Teil auf das Ganze (sog. pars pro toto); vgl. Maske, ursprünglich „Gesichtslarve" dann „verkleidete Person", ferner Schlafmütze für eine schläfrige Person, Blaujacke für einen Seemann. Eine Bedeutungsverschiebung liegt auch vor, wenn die Namen von Orten oder Personen auf Gegenstände oder Tätigkeiten übertragen werden, die von ihnen stammen oder ausgehen: Achat (nach dem Flusse Achates in Sizilien), Champagner (von der franz. Provinz Champagne), Batist (nach dem flandrischen Leineweber Baptiste in Cambrai), Vertiko (nach dem Berliner Tischler Vertikow), verbalhornen (nach dem Buchdrucker Johann Balhorn in Lübeck, der angeblich ein ABC-Buch verschlimmbesserte). Gattungsnamen aus Eigennamen vgl. § 4. Weitere Formen des Bedeutungswandels sind Übertreibung, Verkleinerung, Verhüllung, d. i. Euphemismus, zu griech. eu ,wohl', phemi ,ich spreche', z. B. vollschlank für ,dick'. Veränderungen der Wortinhalte erstrecken sich
Fremdwort, Lehnwort, Fremdwortersatz
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auf ganze Wortbezirke (sog. WorUeldforschung vgl. J. Trier, L. Weisgerber, §3). Weltweite Spaltung der Bedeutung geht von der Geographie politischer Ideologien aus, z. B. in den Definitionen von Freiheit oder Demokratie auf deutscher Sprachfläche. § 6. Entlehnung: Fremdwort, Lehnwort, Fremdwortersatz H . H I R T , Etymologie (Kap. 7, 8, 15), H . P A U L , Prinzipien (Kap. 22), das Fremdwörterbuch von SCHULZ-BASLER und die Vorreden und Einleitungen zu Seiler (genaue Titel s. § 2). Grundlegend: J. WEISWEILER, W. BETZ, E. Ö H M A N N , H . - F R . ROSENFELD in Deutsche Wortgeschichte I 2 (1959). Weiteres Schrifttum: KLUGE Wb.; O. STEUERNAGEL, Die Einwirkungen des Deutschen Sprachvereins auf die deutsche Sprache = Wiss. Beiheft 41 zur Zeitschrift des Dt. Sprachvereins; O. SARAZIN, Verdeutschungswörterbuch 19063; EDUARD ENGEL, Verdeutschungswörterbuch 1917; Neubearbeitet von L. MACKENSEN 1955; H . P. ALTHAUS, LehnWortgeographie Zs. f. Mundartforschung 1967. Eine wichtige Möglichkeit der Erweiterung des Wortschatzes einer Sprache ist die Entlehnung von Wörtern aus fremden Sprachen. Keine Sprache ist völlig frei von solchen Entlehnungen; verschieden ist nur die Menge des aufgenommenen Lehngutes und der Grad der formalen Anpassung der fremden Wörter an die heimische Lautgebung. Im Deutschen ist die Aufnahme fremden Wortgutes bekanntlich der Menge nach sehr groß; die Kraft der deutschen Sprache, die Fremdlinge dem heimischen Lautstand anzupassen, ist in älterer Zeit beträchtlich größer gewesen als in der Gegenwart, wo die weitverbreitete Kenntnis der fremden Ausgangssprachen der lautlichen Angleichung oft hemmend entgegenwirkt. Mehrfache Entlehnung ins Deutsche hat z. B. das vom Kaisersitz des Augustus auf dem
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Palatin in Rom abgeleitete palatium erfahren: die althochdeutsche Lautverschiebung um 600 hat Plalz mitgemacht, ist also vorher übernommen worden; in mittelhochdeutscher Zeit vor 1200 wird es erneut als palas(t) eingeführt, seit 1669 tritt vom Französischen her Palais als Fremdwort im Deutschen auf. Zum ersten Male stellt eine Arbeitsgruppe von Germanisten das Geben und Nehmen von Lehngut ringsum, also den allseitigen Lehnwortaustausch dar bei W. M I T Z K A , Wortgeographie und Gesellschaft 1968: B. K R A T Z , Deutsdifrz.J KÜHEBACHER, Dt.-ital.; STANFORTH, Dt.-engl.; PONTEN, Dt.-niederl.; JOHANNISSON, Dt.-nordisch; PETERS, Dt.-slaw.; H U T T E R E R , Dt.-ungar.; SCHÖNFELDT, Baltikum. Der Fremdwortschatz des Deutschen ist für die vorliegende Darstellung besonders aufschlußreich, weil der Übernahme fremden Wortgutes fast immer auch sachliche Lehnbeziehungen zugrunde liegen. Die Ursache für die Entlehnung von Wörtern aus einer fremden Sprache kann einmal sein, daß ein Volk ihm bisher unbekannte Gegenstände oder Vorgänge mit fremden Namen bezeichnet, weil in der eigenen Sprache ein entsprechender Ausdruck dafür fehlt. In dieser Weise werden besonders die als Kulturwörter bezeichneten Fremdausdrücke für ausländische Bodenerzeugnisse, Tiere, Handelswaren, ferner die Bezeichnungen für staatliche und wirtschaftliche Einrichtungen und kulturelle Neuerungen übernommen; dahin gehören die aus fremden Sprachen ins Deutsche entlehnten Wörter Pleiter, Kartofiei, Orange, Ananas, Kafiee, Löwe, Tiger, Seide, Atlas, Vogt, Pacht, Finanzen, Turnier. Namentlich wo ein in seiner Lebenshaltung tiefer stehendes Volk mit einer hochentwickelten fremden Kultur in Berührung kommt, treten ganze Gruppen von Ausdrücken des betreffenden Sachgebietes über (vgl. als Beispiele den Einfluß der römischen Umwelt auf das Germanentum § 11 oder den
Fremdwort, Lehnwort, Fremdwortersatz
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der französischen Kultur auf das höfische Rittertum des Mittelalters § 15 und auf die modische Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts § 23). Bei starker politischer oder kultureller Abhängigkeit greifen diese Lehnbezeichnungen auch auf Gebiete des Wortschatzes über, für die die entlehnende Sprache heimische Bezeichnungen durchaus besitzt oder leicht aus vorhandenen Wortstämmen entwickeln könnte. So hat der Einfluß der antiken Wissenschaften eine Unmenge gelehrter Fremdwörter ins Deutsche gebracht, für die heimische Bezeichnungen wohl denkbar gewesen wären (das beweist das Holländische, das zahlreiche uns unentbehrlich scheinende Fremdwörter nicht kennt, z. B. Theater, holl. schouwbuig, Idee, holl. denkbeeid, oder das Isländische, das nahezu völlig fremdwortfrei ist). Im Deutschen aber hat z.B. im Barockzeitalter der Einfluß der als überlegen angesehenen französischen Kultur zur Verwendung französischer Wörter sogar für Dinge geführt, für die heimische Bezeichnungen längst vorhanden waren (Papa, Mama, Onkei, Tante, Adieu). Schließlich spielen auch psychologische und soziale Gründe bei solchen Entlehnungen mit: das Bedürfnis namentlich der höheren Gesellschaftsschichten, in Unterhaltung und Dichtung (Konversation und Literatur) feinere Bedeutungsabschattungen wiederzugeben (z. B. Mut — Courage, Tapferkeit — Bravour, Unglück — Malheur), oder die Mode, sich gewählt auszudrücken, „sich en parlant von der Canaille zu distinguieren" (französierende Ausdrucksweise der Alamodezeit § 23, antike Ausdrücke der Gelehrtenwelt §18, englische Sportausdrücke, Tanzarten u. a. § 29, noch heute). Hieraus ergibt sich also, daß man nicht in allen Fällen aus der Übernahme von Fremdwörtern auf sachliche Lehnvorgänge schließen darf (wie es bei dem Lehrsatze „Die
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Wörter wandern mit den Waren" im allgemeinen zutrifft), sondern daß man bei Rückschlüssen von sprachlichen Entlehnungen auf sachliche immer vorsichtig prüfen muß, ob für die gleiche Sache etwa vorher ein heimischer Ausdruck üblich war. Sowenig die Übernahme von Ausdrücken wie Onkel, Tante, Cousin, Cousine im 17. Jahrhundert den Schluß zuläßt, daß die Deutschen diese Verwandtschaftsgrade (vorher Oheim, Muhme, Vetter, Base) nicht gekannt hätten, ebensowenig läßt etwa die Entstehung des Wortes Pferd aus dem Volkslatein des merowingischen Zeitalters den Schluß zu, daß den Germanen das Pferd nicht bekannt gewesen wäre. Hier ist allerdings eine besondere Pferderasse, die als Zugtier vor dem Räderwagen geeignet war — sonst war es ein Reittier — eingeführt worden: griech. parä ,bei' und spätlat. veredus .Postpferd' zu keltischem reda .vierrädriger Reisewagen' ergibt vom 6. Jahrhundert an zuletzt nhd. .Pferd' (Kluge, Etymolog. Wb.). Das alte, heute in der Dichtersprache in alter Würde bewahrte Roß gilt im Volksmund für .Pferd' ohne besondere Wertung im weiten Südosten, in der Mitte des deutschen Westens ist Gaul, dort ohne abschätzigen Gefühlswert, aufgekommen, es war zunächst das junge Haustier überhaupt damit gemeint. Aus den angeführten Entlehnungen läßt sich nur folgern, daß man im 17. Jahrhundert eine Vorliebe für französisches Wesen hatte und daß das Pferd den Germanen auch im romanisierten Gallien begegnete. Die herkömmliche Scheidung der fremden Bestandteile des deutschen Wortschatzes in Lehnwörter und Fremdwörter ist mit voller Strenge nicht durchführbar. Als Kennzeichen des Lehnwortes gegenüber dem Fremdwort sieht man meist seine Anpassung an deutsche Sprachgewohnheiten hinsichtlich Lautgebung, Betonung und Beugung, daneben sein Eindringen in die allgemeine Umgangssprache
Fremdwort, Lehnwort, Fremdwortersatz
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an. Wenigstens ist das der zweckmäßigste Standpunkt; denn es geht nicht an, etwa alle in althochdeutscher und mittelhochdeutscher Zeit aufgenommenen Fremdlinge als Lehnwörter, die nach 1500 eingedrungenen aber als Fremdwörter zu bezeichnen. Wir werden also Wörter fremden Ursprungs, die sich nach Schreibung (z. B. Tanz, Möbel, Leutnant), Aussprache (z.B. Wein, Mauer, Sport), Betonung (z. B. Fenster, Banner, Kaffee) und Beugung (z. B. Schecke, Leutnante, Streike) deutscher Gewohnheiten gefügt haben, als Lehnwörter bezeichnen. Es macht dabei wenig aus, ob diese Wörter seit Jahrhunderten in die deutsche Sprache eingedrungen sind (wie Fenster, Wein, Mauer in germanischer Zeit aus dem Lateinischen, Banner und Tanz um 1200 aus dem Französischen) oder ob sie erst in neuerer Zeit (wie Leutnant, Möbel, Kaffee) oder gar neuester Zeit (wie Sport, Scheck, Streik) aufgenommen worden sind. Freilich ist der Grad der lautlichen Anpassung nicht immer entscheidend für die Beurteilung, ob ein Fremdwort wirklich eingebürgert ist. Denn es gibt Fremdwörter, die seit Jahrhunderten im Deutschen üblich sind, ihre Lautform aber kaum geändert haben (z. B. Evangelium, katholisch, Kompanie), und andere, die trotz fremder Schreibung, Aussprache und Betonung (z. B. Hotel, Bassin, Courage, Restaurant, Cognac, Photographie) selbst der Volkssprache und den Mundarten ganz geläufig sind. Auch die Tatsache, daß eingebürgerte Lehnwörter meist Ableitungen entwickeln (vgl. mauern, Maurer, ummauern usw. von Mauer), Fremdwörter dagegen nicht (von Bassin, Restaurant gibt es keine Weiterbildungen), ist kein strenger Unterscheidungsgrund; denn Lehnwörter wie Ampel, Estrich und Söller haben auch keine Weiterbildungen entwickelt, das Fremdwort Friseur aber zeigt solche (wenn auch wohl aus der fremden Sprache mitgebrachte, vgl. Friseuse oder Friseurin, Frisur, irisieren). Aus deutschem Sprachstoff bestehen die Lehnprägungen
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(W. Betz a . a . O . ; Wasserzieher-Betz, Woher), als Lehnübertragungen (vergangen zu praeteritus); Lehnübersetzung {Freitag zu Veneris dies, Großvater zu frz. grand-pere-, Herzog zu griech. stratelates; Rücksicht zu respectus); Lehnbedeutung (Beschwerden nach gravamina). Wichtig ist die Scheidung in Lehn- und Fremdwörter nur für die Frage der bewußten Verdrängung und Ersetzung der Fremdwörter. Denn die auf die Reinigung unserer Sprache von fremden Bestandteilen gerichtete Bewegung will, soweit sie nicht über das Ziel hinausschießt, nur die nicht heimisch gewordenen, entbehrlichen Fremdwörter, nicht aber die wirklich in den Sprachgebrauch der Allgemeinheit übernommenen Lehnwörter ersetzen. In früheren Zeitaltern spielte diese Angelegenheit eine geringe Rolle, da wirklich unentbehrliche Fremdwörter von den Sprechenden selbst lautgerecht umgestaltet und dadurch zu Lehnwörtern gemacht wurden, so daß eine bewußte, planmäßige Ausscheidung von Fremdwörtern kaum nötig war. Auch heute läßt sich von der Sprache des Volkes sagen, daß sich das Volk nie bewußt sprachreinigend betätigt, sondern nur unbewußt. Es paßt die Fremdwörter lautlich der heimischen Sprachform an, vgl. volkstümliche Betonungen wie Bü'ro, Ko'n-sum, die süddeutsche Aussprache von Pension ohne Hintergaumen-n und mit klarem -e-, die Schreibungen Sehet und Schofför. Weit seltener bietet es deutsche Ersatzwörter von sich aus an (bayrisch Schnaulerl für Automobil, obersächsisch Stöckelklemmer für Lorgnette). Bei der lautlichen Anpassung der Fremdwörter tritt dabei von jeher die Angleichung an bekannte heimische Wortstämme auf, indem man dem fremden, unverständlichen Wort eine sinnvolle Deutung zu geben sucht (sog. Volksetymologie), vgl. z.B. franz. valise zu Felleisen, mlat. ar(cu)ballista, altfranz. arbaleste zu Armbrust, mlat. contrapunetum zu kunterbunt, ein Vorgang, der übrigens auch heimische Wörter ergreift,
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deren Herkunft nicht mehr verstanden wird, z. B. Sündilut, eigtl. sin[t]Huot „allgemeine Überflutung", Maulwurf, eigtl. moltweri „Erdwerfer", Wetterleuchten, früher weterleichen „Wetterspiel", Pickelhaube aus älterem Beckenhaube. Soweit in älterer Zeit eine bewußte Ersetzung des Fremdwortes vorkommt, geschieht es meist in der Weise, daß man den Sinn des fremden Wortes durch heimische Sprachstämme wörtlich übersetzt. Solche Übersetzungslehnwörter spielen bei der Entstehung des deutschen Wortschatzes eine größere Rolle, als man zumeist annimmt. Schon die kirchlichen Ubersetzer der althochdeutschen Zeit verfuhren ganz allgemein so, etwa wenn sie nach lat. conscientia Gewissen, nach misericors ahd. armaherzi (heute barmherzig), nach coniessio bijiht (heute Beichte), nach compater Gevatter bildeten. Ein sehr großer Teil der deutschen Ausdrücke für religiöse, staatliche, wissenschaftliche Begriffe ist in dieser Weise nach dem Muster namentlich des Lateinischen gebildet. Auch in jüngster Zeit und bis in die Gegenwart nehmen die Übersetzungslehnwörter breiten Raum ein, z.B. in der Sprache der Politik (vgl. §26), der Technik und in anderen Fachsprachen. Manchmal kommt es nicht zur Bildung völlig neuer deutscher Wörter durch dies Verfahren, sondern bereits vorhandene heimische Wörter werden unter dem Einfluß fremder Wörter mit neuer Bedeutung erfüllt. So nimmt das deutsche Wort Rechnung in der Kaufmannssprache unter dem Einfluß des ital. conto im 15. und 16. Jahrhundert vielfach dessen Bedeutung an (vgl. laufende Rechnung nach conto corrente, aui neue Rechnung übertragen), das deutsche Wort Fluß „fließendes Wasser" wird zum Krankheitsnamen durch lat. iluor, griech. rheuma, Fall als grammatische Bezeichnung stammt von lat. casus, jemanden schneiden „ihn geflissentlich übersehen" geht auf engl, to cut zurück, überholen „gründlich nachsehen" auf
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engl, to overhaul, Ring hat erst in jüngster Zeit die Bedeutung des amerikanischen ring „Preisübereinkunft" angenommen (Bedeutungsentlehnung). Eine planmäßige Verdrängung der Fremdwörter setzt erst im 17. Jahrhundert ein, wo die Mitglieder der Sprachgesellschatten (z. B. Zesen, Harsdörffer, Schottel, vgl. § 23) manche brauchbare Verdeutschung bewußt geschaffen haben, der heute niemand mehr ihren künstlichen Ursprung ansieht (z. B. Oberfläche für lat. superficies, Rechtschreibung für Orthographie, Brieiwechsel für Korrespondenz, Feldmesser für Geometer, Mitlaut und Selbstlaut für Konsonant und Vokal). Um 1800 ist vor allem die Tätigkeit des feinfühligen Verdeutschers J. H. C A M P E („Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke" 1801, Neudruck 1968, vgl. § 25) wichtig, von dem so kühne, aber doch eingebürgerte Verdeutschungen stammen wie Feingefühl für Takt, Stelldichein für Rendesvous, Bittsteller für Supplikant, Festland für Kontinent, Kerbtier für Insekt, Lehrgang für Kursus, Tageblatt für Journal. Für die Fachausdrücke des Postwesens hat der General-Postmeister Stephan seit 1874 planmäßig deutsche Wörter geschaffen (einschreiben statt rekommandieren, postlagernd statt poste restante, Postanweisung statt Mandat, Postkarte statt Correspondenzkarte, Fernsprecher statt Telephon); ihr schlössen sich bald die Eisenbahnverwaltung (Bahnsteig statt Perron, Abteil statt Coupé, Rücklahrkarte statt Retourbillet) und andere Behörden an. Seit 1885 wirkt der Deutsche Sprachverein erfolgreich für die Reinigung unserer Sprache, indem er durch seine Zeitschrift („Muttersprache") und seine Verdeutschungshefte den Sinn für entbehrliche Fremdwörter in weiteste Kreise trägt. Die Sprache des Flugwesens hat von vornherein den Wortschatz aus deutschem Wortvorrat geholt: z. B. Flugzeug, landen, wassern.
Mundart-, Hoch-, Umgangs-, Fach-, Sondersprache
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§ 7. Soziologie: Mundart-, Hoch-, Umgangs-, Fach-, Sondersprache P. KRETSCHMER, Wortgeographie der hochdeutschen Umgangssprache (Göttingen 1918). — A. SCHIRMER, Die Erforschung der deutschen Sondersprachen (Germ.-Roman. Monatsschr. V 1 ff.). — H. HIRT, Etymologie (Kap. 11, 12). Zu den voneinander nicht in jedem Wort einheitlich und scharf zu trennenden Sprachschichten vgl. W. PORZIG, Das Wunder der Sprache, 2. Auflage 1957; R U T H KLAPPENBACH und W. STEINITZ, Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache 1961 f. (bucht die deutsche Sprache der bildungstragenden Schicht der Gegenwart, Wissenschaft und Kunst, Technik, Wirtschaft, Verwaltung, gesellschaftliche Organisation und Politik). — W. HENZEN, Schriftsprache und Mundarten, ein Uberblick über die Verhältnisse und ihre Zwischenstufen im Deutschen, 2. Auflage Bern 1954. Beide nennen ausgiebig vorausgehendes Schrifttum. — L. GÜNTHER, Das Rotwelsch des deutschen Gauners, 1905. Deis., Beiträge zur Systematik und Psychologie des Rotwelsch und der ihm verwandten deutschen Geheimsprachen. In: H. Gross Archiv f. Kriminalistik, Bd. 33 ff. — SIEGMUND A. W O L F , Wörterbuch des Rotwelschen. Deutsche Gaunersprache. 1956 [mit Literatur]. — S. § 22. H . KÜPPER, Wörterbuch der deutschen Umgangssprache I—III 19562 f.; — W. M I T Z K A , Stämme und Landschaften in deutscher Wortgeographie, in Dt. Wortgeschichte II2; ders., Wortgeographie und Gesellschaft 1968 (vgl. § 2 Schluß) S. 170 Worträume und Wortschichten: R. FREUDENBERG, Alemannisch; H . FRIEBERTSHÄUSER, Westmitteldeutsch; M I T Z K A , Niederdeutsch, Ostmitteldeutsch, Bairisch; S. 315 Fachsprachen: D. MÖHN, Fach- und Gemeinsprache; H . H . MUNSKE, Rechtswortgeographie; H . GRÜNERT, Sprache und Politik; H . W O L F , Bergmannssprache. — H A N S PETER ALTHAUS, Die jiddische Sprache. Eine Einf. I/II. 1966—68. Schirmer, Deutsche W o r t k u n d e
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Die deutsche Sprache tritt uns zu Anfang nur in Mundarten entgegen. Die Kunstsprache der höfisch-ritterlichen Dichtung zeigt Ansätze zu einer Gemeinsprache durch Vermeidung des grob Mundartlichen. Erst vom Zeitalter des Humanismus und der Reformation an breitet sich, zunächst f ü r den schriftlichen Verkehr, die Verwendung einer Gemeinsprache, der hochdeutschen Schriftsprache (vgl. § 19) aus, die durch die überragende Bedeutung unserer klassischen Dichter im 18. Jahrhundert schließlich auch im mündlichen Verkehr durchdringt, ohne daß freilich landschaftliche Eigentümlichkeiten des Sprachgebrauchs bis heute gänzlich verschwunden wären. So kommen auch heute, trotz anerkannter Herrschaft der Hochsprache, im Wortschatz süddeutscher, schweizerischer oder niederdeutscher Dichter noch Landschaitswörter vor (z.B. Pecher „Pechsucher", rauschig „berauscht", handsam „handlich, bequem, umgänglich" bei Peter Rosegger, äufnen „in die Höhe bringen, fördern", zutun „anschaffen", Gegenschwäher bei Gottfried Keller, sipp (bei den Deutschbalten z/pp) „zimperlich" und plieren „tränen" bei dem Niederdeutschen Gustav Frenssen). Noch stärker als in der Schriftsprache sind bis heute die landschaftlichen Abweichungen im Wortschatz der gesprochenen Umgangssprache. Für manche Begriffe des Alltagslebens hat sich ein gemeinsamer hochdeutscher Ausdruck überhaupt noch nicht herausgebildet. So gelten im W e s t e n Saterstag (Tag des Planeten-Gottes Saturn, vgl. § 13), vom Rhein in den Süden Samstag (Sabbatstag), sonst Sonnabend. Auf solchen weiten Flächen stehen sich Fleischer, Metzger, Schlächter, Selcher gegenüber, Tischler und Schreiner; Töpier und Hainer, Klempner und Spengler; Treppe und Stiege; legen und kehren. Auf den Karten des Wortatlas können Synonyme zu Hunderten erscheinen. Daran erkennen wir die von keiner gestren-
Mundart-, Hoch-, Umgangs-, Fach-, Sondersprache
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gen Einheitssprachregelung gestörten Freude der Deutschen an landschaftlicher Wortschöpfung. In andern Nationalsprachen ist Wortwahl bestimmt durch die Hauptstadt, die Akademie! Druck, Bearbeiter(in) der Wortatlaskarten nennt P. v. Polenz, in „Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen" II hg. L. E. Schmitt: zu Ahorn, Ameise, Anemone, Augenbraue, Augenlid, Wimper, auswringen, Backenzahn, Backtrog, Bauchweh, sich beeilen, Begräbnis, Bettlaken, Beule, blitzen, Böttcher, brauchen, Bremse (Viehbremse), Brennessel, Brombeere, Brotscheibe, bügeln, Deichsel, dengeln, dies Jahr, Distel, Docht, Eichelhäher, Eigelb, Elster, Engerling, Ente, Erdbeere, sich erkälten, ernten, Euter, legen, Ferkel, Fledermaus, Fleischer, Fliege, Frosch, Frühling, Gabeldeichsel, gackern, gähnen, Gans, gehorchen, Genick, Gießkanne, Glühwürmchen, Grasschwade, Großmutter, Großvater, Grummet, Gurke, Hagebutte, hageln, Hahn, halt (den Mund), häufeln (Kartoffeln), Hebamme, Heckenrose usw. bis wiederkäuen, Zahnschmerzen, Zaunkönig, Ziege, zu der die Kornblume thüringisch-schlesisches Ziegenbein bietet, in der Heimat der Siedelzeit vor 700 Jahren noch heute Geißbein (nach dem dürren, winkligen Stengel). Da kamen hessische Bauernsiedler auf dem Weg nach Osten ins Wortgebiet Ziege, nannten nun danach die Cyane (Schillers). Solche Geschichten zu Etymologie, Benennungsmotiven, Siedlungsgeschichte könnten wir zu unsern Bauern- und Kinderwörtern des Wortatlas in langer Reihe erzählen. Den Germanisten und den Historiker lehrt die Quecke-Wortgeschichte der Zeit vor Karl d. Gr.: nur mittelfränkisch mögliches Quette 'Quecke' bringen die Siedler von der Mosel zum Main und an die Tauber. Dazu nennen wir Bonifatius. Keine Urkunde oder Chronik melden etwas von dieser Bauernwanderung vor 12 Jahrhunderten, es ist aber die Wortgestalt im Munde noch heutiger Mutterschicht des Volkes, also in deutscher Mundart. 3*
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Nicht nur landschaftlich ist der Wortschatz gegliedert, auch nach Geschlecht, Altersstufe, Bildungsgrad, Stand und Berui bestehen Abweidlungen im Wortschatz (sog. Gruppen-, Fach-, Sondersprachen). Zwar gibt es im Deutschen keine ausdrückliche Weibersprache (wie etwa bei den Kariben), aber gewisse Wörter gelten doch als kennzeichnend für das weibliche Geschlecht, besonders im Backfischalter (vgl. z. B. Steigerungswörter wie rasend, wahnsinnig, phantastisch), während die gleiche Altersstufe männlichen Geschlechts dafür kräftigere Ausdrücke (etwa pfundig, zackig, ganz groß) bevorzugt. Daß es Lieblingsausdrücke der Jugend ebenso wie des Alters gibt, ist sowohl an der gesprochenen Sprache wie der unserer Dichter (z. B. Goethe) schon oft beobachtet worden. Daß ferner zwischen dem Wortschatz eines gelehrt Gebildeten und dem eines nur mit Volksschulbildung ausgestatteten Menschen ein Unterschied besteht, ist eine Tatsache, die leider in der Vergangenheit oft genug das gegenseitige Verständnis der einzelnen Volksteile erschwert hat. Vor allem die durch die gelehrte Schulbildung verbreiteten Fremdwörter haben in den deutschen Wortschatz vielfach eine gemeinschaftshemmende Spaltung gebracht. Irrig ist jedoch die Ansicht, daß der Wortschatz eines geistigen Arbeiters ohne weiteres viel umfangreicher sein müsse als der eines Handarbeiters, wie man früher oft behauptet hat. Vielmehr haben neuere Beobachtungen ergeben, daß z. B. der Wortschatz eines Bauern oder eines Handwerkers nicht selten eine erstaunliche Mannigfaltigkeit der Ausdrucksweise, auch abgesehen von den Fachwörtern des Beruflebens, aufweist, z. B. für das Gefühls- und Liebesleben, besonders für Sdierz, Schimpf und Spott. Von solchen zählt das Schlesische Wörterbuch (I 339, II 843) für den Mann 165, für die Frau 190 Ausdrücke auf. Daß die Sonder- oder die Fachsprachen der verschiedenen Stände und Berufe den Reichtum ihres Wort-
' Mundart-, Hoch-, Umgangs-, Fach-, Sondersprache
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schatzes nicht einfach auf ihre besondere, dem Außenstehenden unbekannte Begriffswelt gründen, sondern daß vielfach auch für ganz allgemein geläufige Vorstellungen in einem bestimmten Stande besondere Bezeichnungen entwickelt werden, zeigt z. B. die Weidmannssprache, die auch dem Laien bekannte Dinge und Vorgänge mit: nur ihr eigentümlichen Wörtern benennt (z. B. die Körperteile oder die Bewegungen der einzelnen Wildarten). Das Rotwelsch (von Rot = „Bettler" + welsch = „fremdländisch") oder die Gaunersprache hat für allgemeinverständliche Begriffe so abweichende Bezeichnungen, daß es das Wesen einer Geheimsprache annimmt. Seine Kenntnis ist im allgemeinen auf Vagabunden- und Verbrecherkreise beschränkt, doch ist vieles aus ihr in andere Standessprachen (z. B. Studentenund Pennälersprache, Kaufmannsprache) und die niedere Umgangssprache übergegangen. Der Wortschatz der Gaunersprache besteht zu einem Teil aus Lehnwörtern, vorwiegend aus dem Jiddischen wie acheln „essen", Baldobel „Auskundschafter", Dalles, kapores, Massematten „Handel, Diebstahl", Massel „Glück", Schmiere stehen und aus der Zigeunersprache wie Zaster und Kaschemme (zum Wortschatz der Zigeunersprache SIEGMUND A. W O L F , Großes Wörterbuch der Zigeunersprache. Mannheim 1960). Dazu kommen Wortentstellungen (Lauteinschübe, Verkürzungen, Umsetzungen von Buchstaben und Silben) wie z. B. stibitzen, Mokkum Kul ( = Stadt K) „Kassel". Viele rotwelsche Wörter sind deutsche Umschreibungen mit geheimsprachlichen Zweck, z. B. Windiang „Mantel", Obermann „Hut", Blech „Geld", Breitiuß, Plattfuß „Gans". Typisch rotwelsch sind die Endungen -hart (-ert), -(e)rich und -ling (-ing), -linger (-inger), angehängt an deutsche Stämme wie Breithart „Weide, Wiese", Blankert „Milch, Wein", Härterich „Messer", Rundling „Kugel", Trittling „Schuh, Fuß". Aus dem Rotwelsch ist in den Städten der Gegenwart mancher
Einleitung
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Ausdruck in die allgemeine Umgangssprache übergegangen, z.B. berappen oder blechen „bezahlen", Ganove „Dieb, Betrüger", mies „schlecht", Kies „Geld", Kittchen „Gefängnis" (vgl. auch § 22). Dagegen stammen die jiddischen Lehnwörter in den Mundarten vielfach aus der Umgangssprache der ansässigen Juden, besonders in Hessen und der Rheinpfalz (dazu H. P. ALTHAUS, Jüdisch-hessische Sprachbeziehungen, in: Zs. f. Mundartforschung 30 (1963/64). Ders., Zum jiddischen Lehnwortschatz im Deutschen, in Zs. f. deutsche Sprache 21 (1965). Ähnlich geheimsprachlichen Charakter wie das Rotwelsch hat die Sprache der Studenten und der Schüler (Pennäler). Bei vielen Berufssprachen, wie denen der Buchdrucker, der Kaulleute, der Seeleute, der Techniker usw., beruhen die Abweichungen im Wortschatz allerdings darauf, daß die betreffenden Berufe für zahlreiche Einzeldinge, deren Kenntnis der Allgemeinheit fernliegt, genaue Fachbezeichnungen entwickelt haben, die für eine klare und irrtumsfreie Verständigung notwendig sind. In der vorliegenden Darstellung werden sondersprachliche Ausdrücke nur insoweit behandelt werden, als sie weiteren Kreisen geläufig sind. Andererseits können wir die Sondersprachen (Fachsprachen) nicht außer acht lassen, da gerade ihr Wortschatz vielfach wichtige kulturgeschichtliche Vorgänge bezeugt. Der Wortschatz der deutschen Mundarten und der landschaftlich gefärbten Umgangssprache weist eine erstaunlich lebhafte Freude an der Fülle landschaftlicher Ausdrücke auf (vgl. § 2 Deutscher Wortatlas). § 8. Mode-, Schlagwörter, Geflügelte Worte; Namenmoden O. LADENDORF, Historisches Schlagwb. (Straßburg u. Berlin 1906).
—
H.
HIRT,
Etymologie
(§ 1 6 6
und
K a p . 16).
—
M. GOTTSCHALD, Deutsche Namenkunde (3., vermehrte Auflage von E. BRODFÜHRER, Berlin 1954); derselbe, Die deut-
Mode, Schlagwörter, geflügelte Worte
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sehen Personennamen (Sammlung Göschen Bd. 422). — A. H E L B O K , Die Ortsnamen im Deutschen (Sammlung Göschen, Bd. 573). — A. B A C H , Deutsche Namenkunde I—III Heidelberg 1952—56. — E. S C H W A R Z , Deutsche Namenforschung, Bd. I Ruf- und Familiennamen, Göttingen 1949, Bd. II Orts- und Flurnamen 1950; Orts- und Personennamen, in: Deutsche Philologie im Aufriß I2 hg. W. S T A M M L E R . — G. B Ü C H M A N N , Geflügelte Worte, Fischer-Bücherei 1957. — vgl. § 19. Fast in jedem Zeitalter gibt es Wörter und Wendungen, die von bestimmten Kreisen, seltener von der ganzen Sprachgemeinschaft eine Zeitlang mit besonderer Vorliebe gebraucht werden und die man deshalb als Modewörter bezeichnet hat. Für die Gegenwart drängen sich Beispiele auf wie etwa restlos, (ein Mann) von Format, ganz groß, „Ausgeschlossen!" (als starke Verneinung), „Allerhand!" oder „Meine Herren!" (als Ausrufe des Staunens). Während für die Gegenwart die Feststellung solcher Modewörter ziemlich leicht ist, können wir für weiter zurückliegende Sprachzeitalter solche Lieblings- und Modewörter zumeist nur durch umfangreiche Häufigkeitsbeobachtungen (bisweilen auch durch unmittelbare Zeugnisse) nachweisen. Doch sind gerade sie für unsere Betrachtung sehr wichtig, da sie zumeist wertvolle kultur- und sittengeschichtlidie Rückschlüsse zulassen (vgl. etwa die Ausdrucksweise des höfischen Rittertums im 13. Jahrhundert § 15, die der höheren Gesellschaftsschichten in der Alamodezeit § 23, die Kraftausdrücke des Geniezeitalters § 25). Allerdings ist es auf Grund der schriftlichen Überlieferung nicht immer leicht, zwischen Lieblingsausdrücken eines einzelnen Schriftstellers und denen eines ganzen Zeitalters zu scheiden. Eine ähnliche Rolle spielen die Schlagwörter, Ausdrücke die durch den Beiklang eines bestimmten Gefühlstones mehr bedeuten als die bloße durch sie bezeichnete Vor-
Das Erbe der Vorzeit
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Stellung. So sind etwa völkisch, Goldwert oder Neutöner solche Schlagwörter aus neuerer Zeit, weil sie ganz bestimmte politische, wirtschaftliche oder künstlerische Nebenvorstellungen auslösen. Für frühere Zeiten setzt der Nachweis solcher Schlagwörter (auch iaibige Wörter genannt) ein sorgsames Einfühlen in den Wortgebrauch der betreffenden Zeitalter voraus, soweit uns nicht sog. redende Belege (z.B. „Wir lesen in neuester Zeit so gar viel von Fortschritten und Emanzipationen", Griesinger 1840) oder Mittel des Druckes wie Sperrung oder Anführungszeichen Hinweise geben. — Modewörter der Gegenwart s. § 33. Die Geflügelten Worte gehen uns in dieser Darstellung weniger an: sie sind Zitate von Wörtern, häufiger ganzen Wendungen, Sätzen oder Versen von Dichtern, Schriftstellern und Rednern. Am vollständigsten gesammelt hat si« G. Büchmann in seinen „Geflügelten Worten". Die Behandlung der Eigennamen (Vor- und Familiennamen, Ortsnamen, Völkernamen, Hausnamen) muß in dieser Darstellung auf gelegentliche Andeutungen (vgl. §§ 10, 16, 18, 19, 29) beschränkt bleiben. Sie tragen viele kulturgeschichtliche Erinnerungen durch die Zeiten weiter. Hierzu, wie zu den Namen von Gewässern, Bergen und Burgen: EDW. SCHRÖDER, Deutsche Namenkunde 19442. — Namenmoden: F. DEBUS, Soziologische Namengeographie, in Mitzka, Wortgeographie u. Gesellschaft 1968.
Das Erbe der Vorzeit § 9. Die indogermanische Urzeit H. KRÄHE, Idg. Sprachwissenschaft (Sammlung Göschen Bd. 5 9 u. 64). —
O . SCHRÄDER u n d H . KRÄHE, D i e
manen
1935). —
(Leipzig
O.
SCHRÄDER
und
A.
IndogerNEHRING,
Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde (Berlin,
Die indogermanische Urzeit
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2. Aufl. 1917—29). — J. POKORNY, Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, (Bern; I 1951—1959; II Einleitung, Register). — F . STROH, Indogermanische Ursprünge (Deutsche Wortgeschichte I, 2. Auflage 1959 besorgt von H. R U P P ) . Die deutsche Sprache gehört als Glied der germanischen Sprachgruppe zu der großen Indogermanischen Sprachfamilie. Diese indogermanische Ursprache ist eine wissenschaftliche Konstruktion; geschichtlich bezeugt oder schriftlich überliefert ist sie nicht. Wir können lediglich den Lautstand, das Formensystem und den Wortschatz der Ursprache mit annähernder Sicherheit aus den Gemeinsamkeiten der verschiedenen, aus dem Indogermanischen abgeleiteten und schriftlich überlieferten Sprachen erschließen (Vergleichende Sprachwissenschaft). Wann, wo und von wem diese indogermanische Ursprache gesprochen worden ist, darüber sind nur ziemlich allgemeine Angaben möglich. Immerhin läßt sich mit großer Sicherheit so viel sagen, daß das indogermanische Urvolk, der Träger dieser Sprache, etwa bis ins 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung in Mittel- und Nordeuropa (nach anderer Ansicht in Westasien) gewohnt hat. Die Kulturstufe dieses Urvolkes ist als die der jüngeren Steinzeit, zur Zeit der Auflösung in Einzelstämme als die des Ubergangs von der jüngeren Steinzeit zur älteren Bronzezeit anzusprechen. Wahrscheinlich ist es das gleiche Volk, das die Vorgeschichtsforschung auf Grund der Bodenfunde als Schnurkeramiker und als Streitaxtleute bezeichnet. Von den Lebensgewohnheiten des indogermanischen Urvolkes wissen wir nicht viel. Zwar hat die vergleichende Sprachwissenschaft schon seit fast einem Jahrhundert eine Rekonstruktion der indogermanischen Kulturverhältnisse versucht, indem sie von der Voraussetzung ausging, daß diejenigen Dinge, für die sich in allen oder wenigstens mehreren indogermanischen Sprachgruppen miteinander
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Das Erbe der Vorzeit
verwandte Bezeichnungen finden, schon dem Urvolk bekannt gewesen sein müssen, während das Fehlen solcher „Wortgleichungen" auf das Fehlen auch der Sache zu schließen gestatte. Aber es kann bei der vielfach lückenhaften Überlieferung namentlich der älteren Entwicklungsstufen der indogermanischen Sprachen das Fehlen eines Wortes in einer bestimmten Sprache zufällig sein, andererseits sind uns die Lehnbeziehungen innerhalb der Glieder der indogermanischen Sprachfamilie (und noch mehr die Lehnbeziehungen der indogermanischen Ursprache zu anderen nichtindogermanischen Sprachfamilien) so wenig bekannt, daß viele unserer Rückschlüsse auf sehr unsicherer Grundlage stehen. Zudem kann bei Erhaltung eines Wortstammes in allen indogermanischen Sprachen zwar die Form die gleiche geblieben sein, die Bedeutung jedoch allgemein eine durch die gesamte Kulturentwicklung bedingte Wandlung durchgemacht haben, die uns jeden Ansatz einer ursprachlichen Bedeutung unmöglich macht. Wir werden also kulturgeschichtliche Schlüsse mit Vorsicht aufnehmen und ihnen nur insoweit Bedeutung beimessen, als sie durch die Wissenschaft des ausgrabenden Spatens und durch völkerkundliche Vergleichung einigermaßen gestützt sind. Und da ergibt sich das Folgende. Das indogermanische TJivoik bestand — entgegen früherer Annahme — nur zum Teil aus viehzüchtenden Hirten (Nomaden); im wesentlichen war es, zumindest in seinen europäischen Wohnsitzen, ein Volk von seßhaften Ackerbauern, die einfache Formen der Feldbestellung mit dem Hakenpflug, später wohl auch höhere Formen des Ackerbaues kannten. Hauptgetreide war die Gerste; vielleicht war auch die Hirse bekannt. Obst- und Gemüsebau wurde noch nicht betrieben. Die Indogermanen verstanden sich auf die Zähmung von Haustieren. Die wichtigsten Haustiere waren das Schaf, dessen Wolle man benutzte, die Ziege, die
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ihrer Milch wegen gehalten wurde, und das Rind, das als Zugtier bei der Feldbestellung diente. Auch Pferd, Hund, Schwein waren bekannt, nicht dagegen Esel, Maultier, Katze und Huhn (das mitsamt dem Hahn Homer noch nicht kennt). Der Wald mit seinen Bäumen und Tieren war den Indogermanen wohlvertraut, und zwar sind es vor allem die Bäume des mittel- und nordeuropäischen Waldes, die uns der gemeinsame Wortschatz bezeugt (Buche, Birke, Fichte, Föhre), dazu Waldtiere wie Wolf, Fuchs, Elch, Hirsch, Hase, ferner Vögel wie Ente, Gans, Adler, Kranich und Star. Fischnamen indogermanischen Ursprungs sind nur wenige bezeugt. Der Lachs ist nur den Westindogermanen bekannt, doch die Römer lernen ihn (fehlt im Mittelmeer und seinen Zuflüssen) erst bei den Galliern kennen. Die Tocharen nehmen aus Europa das Wort nach Ostturkistan mit, finden dort aber diesen Fisch nicht und übertragen den Namen auf den Fisch überhaupt. Die Wohnstätten der Indogermanen bestanden aus hölzernen viereckigen Häusern, deren Wände auch aus Flechtwerk (Wand ist von winden abgeleitet) hergestellt waren. Das gezähmte Pferd war vor allem Reittier, der Zugochse zog einen (anfangs zweirädrigen, später vierrädrigen) Wagen. Kahn und Ruder besaßen die Indogermanen, ein Seefahrervolk waren sie aber nicht. Vielleicht kannten das Meer überhaupt nur Teile des Urvolkes. Von den Metallen war sicher nur das Kupfer (Erz) bekannt; noch nicht vertraut war man mit dem Eisen und dem Schmiedehandwerk. Aus Honig und Gerste wurde ein Rauschtrank (Met) hergestellt. Die idg. Verwandtschaft wird durch altind. madhu „Honigtrank" gesichert. Als Wertmesser des Besitzes galt das Vieh. Die Familiengemeinschaft war eine patriarchalische Großfamilie; das Verwandtschaftsgefühl war voll ausgebildet, wie uns die zahlreichen in indogermanischer Zeit zurückreichenden Verwandtschaftsbezeichnungen beweisen. Das Sippen- und
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Das Erbe der Vorzeit
Stammesgefühl waren kräftig entwickelt. Das Rechtsverhältnis der Ehe bestand, doch war die Stellung der Frau, der vor allem die Besorgung der Feldarbeit oblag, wohl noch unfrei. Im Rechtsleben spielten Eid, Gastfreundschaft, Blutrache und Wergeid wichtige Rollen. Religiöse Vorstellungen hatten die Indogermanen, von den Götternamen geht aber nur der des Himmelsgottes (Zeus, Jupiter, Ziu) in indogermanische Urzeit zurück. Den Göttern wurden Opfer gebracht. Die Toten wurden begraben, die Ahnen hoch verehrt. Die Himmelserscheinungen, wie Sonne, Mond und Sterne, Blitz und Donner, beachtete man; bekannt waren den Indogermanen die Jahreszeiten Sommer und Winter, dazu die Naturerscheinung des Schneiens (was zugleich auf nördliche Wohnsitze des Urvolkes hinweist). Das Wort .Schnee' ist bis nach Indien (altind. sneha-) bekannt. Der hohe Kulturstand der Indogermanen, der sich aus dem Angeführten ergibt, wird auch dadurch erwiesen, daß die Zahlwörter von eins bis hundert geläufig waren, während es heute noch urtümliche Völker gibt, die kaum über drei hinaus zählen können. Mit der Zehnerrechnung, die die Grundform der indogermanischen Zählung ist, kreuzen sich hier und da andere Rechnungsformen, namentlich Spuren der Zwölferrechnung. Von unserem heutigen Wortschatz an Erbwörtern mag ein knappes Viertel der Grundwörter seinem Ursprung nach bis in die indogermanische Urzeit zurückreichen, und zwar handelt es sich dabei zum größten Teil gerade um solche Wörter, die später in der Entwicklung von Ableitungen und Zusammensetzungen besonders fruchtbar gewesen sind, so daß sich ein recht bedeutender Teil unseres heutigen Wortschatzes (mehr als die Hälfte) auf jener alten Grundlage aufbaut. Einige der wichtigsten aus jener Urzeit stammenden Wörter seien hier aufgezählt, wobei wir aber manches wichtige Wort indogermanischer Abkunft, das in althoch-
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deutscher Zeit noch vorhanden war, wie ehu „Pferd", nur im Emsland für das einjährige Pferd, vgl. lat. equus = griech. hippos (in Philipp .Pferdefreund', Hippodrom), gomo „Mann" (erhalten in Bräutigam), quena „Weib" (vgl. engl. queen), ou „Schaf" (mundartl. Au, Aue „Mutterschaf") auslassen müssen: Hauptwörter: Aar, Aas, Achse, Achsel, Acker, Ader, Ahle, Ahorn, Ähre, Angel, Arm, Asche, Ast, Atem, Auge, Balken, Bann, Bär, Barsch, Bart, Bauch, Beil, Berg, Biber, Birke, Blatt, Blitz, Blume, Bock, Braue, Brei, (Vieh-)Bremse, Bruder, Suche, Bude, Bug, Dach, Dachs, Dämmer, Darm, Daumen, Deichsel, Diele, Donner, Dorn, Drohne, Drossel, Düne, Dunst, Eber, Egge, Ehe, Ehre, Ei, Eibe, Eiche, Eis, Elch, Elle, Ende, Enkel, Ente, Erbse, Erle, Esche, Espe, Euter, Faden, Falter, Farn, Faust, Feder, Feind, Feld, Fell, Felsen, Ferkel, Ferse, Feuer, Fichte, Fisch, Flachs, Fladen, Flur, Flut, Fohlen, Föhre, Frau, Freund, Fuchs, Furche, Fuß, Futter, Galle, Gans, Garn, Gast, Gaumen, Geier, Geiß, Ger, Gerste, Gras, Hachse, Halm, Hals, Hase, Haupt, Haut, Herz, Hirn, Hirsch, Holz, Honig, Horn, Hui, Hund, Igel, Imme, Joch, Kalb, Kehle, Kind, Kinn, Knie, Kranich, Kuh, Leder, Leib, Lende, Leute, Licht, Linde, Lippe, Lohe, Luchs, Lust, Magd, Mähne, Mark, Maul, Maus, Meer, Met, Milch, Minne, Mist, Mitte, Mond, Mord, Mund, Mutter, Nabe, Nabel, Nacht, Nagel, Name, Nase, Nebel, Neffe, Nest, Nestel, Niere, Ochse, Ohr, Osten, Otter, Rad, Rat, Raub, Rechen, Riese, Rind, Rinde, Rücken, Ruder, Ruhm, Salbe, Salz, Sau, Schar (Menge), (Pflug-)Schar, Schein, Schnabel, Sdinee, Schwäher, Schwan, Schwester, Sehne, Seil, Sieg, Sippe, Sommer, Sonne, Spedit, Sperling, Star, Stern, Stier, Stirn, Strang, Strom, Tag, Tanne, Tau, Teig, Tochter, Tor, Torf, Tür, Ufer, Unke, Vater, Vieh, Wabe, Wachs, Wasser, Wechsel, Weg, Welle, Werk, Widder, Wind, Wolf, Wolle, Zahn, Zähre, Zange, Zunge.
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Das Erbe der Vorzeit
Eigenschaftswörter: arm, barsch, dünn, ehern, eigen, eng, talb, iaul, teil, fem, frei, gelb, hart, jung, kalt, lang, lieb, minder, mitten, mürbe, nackt, neu, queck (vgl. Quecke), roh, rot, süß, stark, still, toll, weiß, weit. Zeitwörter: bauen, beißen, bieten, binden, bohren, dulden, essen, fahren, ¡alten, fechten, flechten, fragen, frieren, fühlen, gären, gehen, hehlen, heischen, hinken, husten, kiesen, kommen, können, leihen, liegen, mahlen, mahnen, säen, sagen, schauen, scheren, schieben, schneien, schweben, schwellen, schwirren, schwitzen, sehen, seihen, sein, sitzen, spähen, springen, stauen, stehen, steigen, sterben, stöhnen, tun, wachen, weben, wehen, wehren, weichen, werden, wissen, wollen, zähmen, zehren, zeihen, ziemen. Fürwörter: der, dich, du, er, ich, mich, sich, sie, uns, wer, wir. Zahlwörter: eins bis zehn, hundert, viel. § 10. Die germanische Gemeinschaft V g l . A . TORP u n d H . FALK, W o r t s c h a t z d e r
germanischen
Spracheinheit (Göttingen 1909). — J . HOOPS, Reallexikon der germanischen Altertumskunde (4 Bde., Straßburg 1911 bis 1919). — T. E. KARSTEN, Die Germanen. Eine Einführung in die Geschichte ihrer Sprache und Kultur (Berlin und Leipzig 1928). — H. GÜNTERT, Der Ursprung der Germanen (Heidelberg 1934). — H. KRÄHE, Germanische Sprachwissenschaft (Sammlung Göschen Bd. 238, 780). — TH. STECHE, Deutsche Stammeskunde (Berlin 1942; Sammlung Göschen Bd. 126). — F. STROH, Germanentum (Deutsche Wortgeschichte I 2 , ergänzt und um Hinweise auf neues Schriftt u m e r w e i t e r t v o n HANS RUPP) .
Zu der Zeit, wo uns die Germanen zum ersten Male in den Berichten der antiken Völker entgegentreten, sind sie als Volks- und Spracheinheit schon lange aus dem indo-
Die germanische Gemeinschaft
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germanischen Urvolk ausgegliedert. Die hervorstechendsten Kennzeichen der germanischen Sprachen, die Verschiebung der Verschlußlaute (sog. 1. oder germanische Lautverschiebung) und die Zurückziehung des frei beweglichen Worttones auf die Stammsilbe, sind in den frühesten germanischen Wörtern und Namen bereits ausgebildet. Wie die Germanen vom Beginn ihres Eintretens in die Geschichte in Stämmen erscheinen, so begegnen uns auch die frühesten literarischen Denkmäler der germanischen Völker in mundartlicher Vielfalt. Außer einigen Namen und Wörtern, die uns die klassischen Schriftsteller überliefert haben, kennen wir keine Wortform aus der Zeit der germanischen Gemeinschaft. Manche Runeninschriften auf Geräten und Waffen ragen eben noch in die gemeinsame Ursprache zurück. Das Germanenvolk hat nach Ausweis der Bodenfunde wohl seit jeher von Südskandinavien und den Gestaden der Nord- und Ostsee bis an die Südgrenzen der norddeutschen Tiefebene gewohnt und sich später bis südlich des Mains und der Donau ausgebreitet, wo vorher Kelten saßen, sonst kommen noch Illyrer in Betracht. Die Germanen haben aus älterer Nachbarschaft mit den später nach Süden abgezogenen Italikern das Wort für die Bronze gemeinsam. Es ist in unserem ehern ( K L U G E Wb.) erhalten. Jünger ist die Nachbarschaft mit den Kelten; das Wort für Eisen haben beide gemeinsam. Es ist wohl aus dem Illyrischen entlehnt. Ihr Kulturzustand, ursprünglich bronzezeitlich, war zur Zeit der Berührung mit den Römern der der Eisenverwendung. Im Wortschatz zeigt das Germanische, neben dem Verlust manches indogermanischen Stammes (wie pö „trinken", dö „geben"), wichtige Neuerungen, die sich namentlich in der reichen Ausbildung von Wörtern für die fortgeschrittene Wirtschaftsform, für Begriffe aus dem Bereich des Kriegswesens und für sittliche und religiöse Vorstellungen äußern.
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Das Erbe der Vorzeil
Man hat den in germanischer Zeit erfolgten Wortzuwachs etwa auf ein Viertel des gesamten heutigèn deutschen Wortschatzes veranschlagt. Den Wirtschaftszustand der Germanen, der sich wesentlich auf Getreidebau und Viehzucht aufbaute, verdeutlichen etwa die folgenden germanischen Prägungen: Beere, Bohne, braten, Brot, dengein, Distel, Dotter, Dung, Fleisch, hacken, Harke, Hechel, Hede, Hengst, Herd, Kalb, Krippe, Lamm, Leder, Mähre, Roß, rösten, Schal, Schinken, sieden, Speck, Speiche, Talg, Wachs, weiden. Man kannte Geilügel als Haustiere, wie Hahn, Huhn, Henne, Taube, ferner Ente und Gans, die als Wildvögel schon in vorgermanischer Zeit bekannt waren. Zahlreiche Tiere und Vögel des Waldes treten mit gemeingermanischen Namen auf: Iltis, Marder, Rabe, Reh, Wiesel, Wisent, Ur (Auerochs), Habicht, Häher, Reiher und Stordì. Für das Wohnungswesen, für das ein neuer, reicher Wortschatz auftritt (z.B. Bank, Bett, Bohle, Brett, Esse, Fach, First, Flett, Halle, Hof, Koten, Laube, Saal, Sparren, Span, Wand) ist kennzeichnend, daß Ausdrücke für den Steinbau noch völlig fehlen (die Esse und das Flett, die Tenne waren aus Lehm); die hölzerne Bauweise war die übliche. Das Fachwerk, als Balkengerüst mit Lehmstrohfüllung, ist von den Altsachsen in der Völkerwanderungszeit geschaffen worden. Kämpierische Verwicklungen unserer Vorfahren spiegeln sich in Neubildungen wie Waffe, Spieß, Schwert, Schild, Helm, Bogen, Schleuder, Strauß, Fehde, Friede, raufen, ringen, folgen, fliehen, zwingen, (auf-)spüren, feige (zunächst „todwund"). Hier sei auch ein Hinweis auf die germanischen Personennamen gebracht, deren (aus indogermanischer Zeit stammende) zweigliedrige Bildungsart vielfach Grundwörter wie Kampf, Sieg, Heer, Ruhm verwendet: Günter (= Gundahari „Kampf" und „Heer"), Segimerus „siegberühmt", Hildebrand und Hadubrand
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Die germanische Gemeinschaft
„Kampfschwert", Ludwig „kampfberühmt", Gernot „Speergenosse" (nd.) und Notgei „Speerschwung". Auch Frauennamen entstammen der gleichen Vorstellungswelt, allerdings oft von Männernamen abgeleitet: Brünhild ( = „Brünne" und „Kampf"), Kriemhild ( = „Helm" und „Kampf"), Hedwig ( = „Kampf" und „Kampf"), Hildegund (dasselbe). Da sind jene Glieder des zweiteiligen Namens, wie auch in männlichen Namen, in der Folge der Generationen von Namen älterer Verwandter (Großeltern usw.) für die Kinder zusammengestellt worden. Das ausgebildete Rechtsleben der Germanen beweisen Neubildungen wie Adel, Bann, Dieb, dienen, Ding (ursprünglich Gerichtsverhandlung), rügen, Sache (ursprünglich Rechtshandel, -streit), schwören, sühnen, Volk, Wirt. Im alten Frankenlande kommen urkund = Zeuge, Zeugnis, urteil als Rechtswörter auf. Ausdrücke der ständischen Gliederung treten früh auf: König, Graf, Herr, Herzog. Mannigfach sind die Neuprägungen für sittliche und religiöse Vorstellungen, die einen Zug der Sprache vom sinnlich Wahrnehmbaren zum Begrifflichen zeigen: arg, besser, blöde, Ernst, /rech, Furcht, Geist, Gott, Grimm, gut, Haß, hehr, Himmel, hold, Hölle, Neid, Ruf, Ruhm, Seele, Spuk, träge, trauern, Treue, Wunder, Zauber. Gemeingermanische Götternamen sind Ziu (Beiname Thingsus = Gott des Things, des Rechts, daher unser Dienstag, der in Schwaben noch Ziestag = Tag des Ziu heißt), Donar (Gott der Bauern), während Wodan (Gott der Dichter und Krieger, zu ,Wut', vgl. die heilige Wut im griechischen Dionysoskult) und Nerthus zunächst nur Stammesgottheiten waren. Zeigte schon die Bildungsweise der Personennamen vielfach einen Zug ins Dichterische, so treten jetzt auch Wörter wie Lied und singen auf. Kennzeichnend für den germanischen Wortschatz sind ferner zahlreiche Neubildungen, die sich auf Seefahrt und Sdiirmer, Deutsche Wortkunde
A
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Das Erbe der Vorzeit
Fischfang beziehen, z. B. Aal, Dorsch, Ebbe, Fock, Haien, Haff, hissen, Jolle, Kahn, Kiel, Klippe, leck, Lee, Luke, Möwe, Nachen, Netz, retten, Reede, Reuse, Rogen, Schifi, schwimmen, See, Segel, Spiere, Stange, Steuer, Stint, Strand, Sturm, Takel, Tran, Wrack. Auch die Namen für die Himmelsrichtungen sind erst von den seefahrenden Germanen gebildet (Nord, Ost, Süd, West, vgl. K L U G E , Etymol. Wörterbuch). Das begrenzte indogermanische Zahlensystem wird bereichert um den Begriff des Tausends (urspr. = Vielhundert). In der Zeitrechnung spielt die Zählung nach Nächten eine größere Rolle als die nach Tagen (vgl. neuengl. iortnight „14 Tage", deutschmundartlich heint = (heute nacht) „heute", Fastnacht, Weihnacht); die Einteilung des Jahres in Monate ( = Monde) war schon aus indogermanischer Zeit geläufig, doch fehlen urgermanische Monatsnamen. ü b e r die sprachlichen Lehnverhältnisse der Germanen läßt sich Genaueres aussagen als über die der Vorzeit, in der schon manche Entlehnungen stattgefunden haben. So scheinen die Wörter Erz, Silber, Hanf, Linse, Rübe, Affe, Krug, Lehnwörter aus nichtindogermanischen Sprachen zu sein. Das für die Bronze unentbehrliche Kupfer ist nach der Insel Zypern (griech. kypros) benannt. Die Germanen ihrerseits haben in der Urzeit an die Finnen eine große Zahl von urgermanischen Lehnwörtern abgegeben; Gegenbeziehungen durch Entlehnung finnischer Wörter ins Germanische sind aber nicht nachweisbar. Eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die der germanische Wortschatz mit dem Keltischen aufweist, dürfte zum Teil auf den engen nachbarlichen Beziehungen dieser beiden Völkergruppen beruhen (Eid, Erbe, frei, Geisel, Rune, Lot „Blei", Mähre „Pferd"), zum Teil handelt es sich dabei um Entlehnungen aus dem Keltischen (Amt, Reich, wohl auch Eisen, letzteres ein Zeuge für die bei den Kelten frühzeitig entwickelte Eisentechnik).'
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Die Kultur der Römer
Auch welsch, ursprünglich „keltisch" (dazu Walnuß = welsche Nuß) ist keltischen Ursprungs (gallische Völkerschaft der Volcae). Aus dem Westgermanischen ist in den Jahrhunderten der Völkerwanderung eine große Zahl von Wörtern, die sich namentlich auf Heerwesen, Hausbau und tägliches Leben beziehen, in die romanische Volkssprache der Römerprovinzen gedrungen und seitdem fest zum Wortschatz der romanischen Sprachen gehörig, vgl. auch italienische Namen aus dem Germanischen wie Alighieri (alh Heiligtum, gei); Garibaldi (zu ,Ger' und bald ,kühn'), spanische wie Alfons (aus adel ,edel' und iuns .ruhmbegierig').
Der Kultureinfluß der Mittelmeerländer § 11. Die Kultur der Römer in Pauls Grundriß der germanischen Philologie (Straßburg, 2. Aufl. 1 9 0 1 ) I, S. 3 2 7 — 3 5 4 . — TH. FRINGS, Germania Romana ( 1 9 3 2 , 1 9 6 7 2 ) . — F. SEILER (Titel s. § 2 ) , I. Teil. — W. BETZ in Dt. Wortgeschichte I 127. Ehe uns die deutsche Sprache von der Zeit Karls des Großen an im Lichte der erhaltenen althochdeutschen Literaturdenkmäler entgegentritt, hatte sie in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung zwei durchgehende Einflüsse erfahren, die ihre Spuren im Wortschatz bis heute deutlich zeigen: den der römischen Kulturwelt und den des Christentums. Die Berührung des Germanentums mit der antiken Kultur, im besonderen der der Römer, beginnt etwa zur Zeit Casars und der ersten Kaiser und führt nach schwankenden Kämpfen zwischen Donau, Rhein und Elbe zu einer engen technischen und wirtschaftlichen, überhaupt kulturellen Nachbarschaft. Schon seit dem Anfang des 3. Jahrhunderts F. KIUGE
4*
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Der Kultureinfluß der Mittelmeerländer
dringen dann germanische Stämme, geballt in den neuen Großstämmen der Franken (der „Freien") und der Alemannen („alle junge Männer"), über Rhein und Donau in die Provinzen des Römischen Reiches ein und treten das Erbe der antiken Kultur an. Wir wissen aus zahlreichen geschichtlichen Zeugnissen, wie stark römische Lebensgewohnheiten in germanische Kreise übernommen wurden: verstand doch selbst der Befreier des Germanentums als ehemaliger römischer Offizier und Bürger die lateinische Sprache, dienten doch zahllose Germanen im römischen Heer, wo sie vielfach sogar römische Namen annahmen, ja im Zeitalter Trajans konnte die Rechtspflege in den germanischen Provinzen des Römischen Reichs teilweise ohne Zuhilfenahme von Dolmetschern in lateinischer Sprache erfolgen. Eine so innige kulturelle Berührung mußte ihre Spuren in der Sprache hinterlassen. Da die Überlegenheit der römischen Kultur vor allem die Gebiete der Militärorganisation, der Verwaltung und Rechtspflege, des Handels und der häuslichen Lebenshaltung betraf, so sind auch diese Bereiche des deutschen Wortschatzes vor allem durch lateinische Lehnwörter bestimmt worden. Daß der Kulturstand der Römer in wissenschaftlicher und künstlerischer Hinsicht auf die Germanen fast gar nicht abgefärbt hat, liegt wohl daran, daß die Vermittler dieser Entlehnungen, die Soldaten der römischen Grenzgarnisonen und ihr Gefolge, in sozialer und kultureller Hinsicht wenig hoch standen, und daß ein Volk von der Urtümlichkeit des germanischen für fremde Geistesbildung zunächst wenig aufgeschlossen war. Vor allem die bis in die Schweiz, jahrhundertelang als Siedler in Rodeland oder höhergelegene Bergwelt, vorrückenden Alemannen sind in der Masse Bauern gewesen, was auch wesentlich für die Franken gilt, deren Führer aber Erben römischer Herrschaft wurden.
Die Kultur der Römer
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Der Ausgangspunkt für die Übernahme der lateinischen Lehnwörter nach Deutschland ist nur in wenigen Fällen Oberitalien und der W e g über die Alpen gewesen. Die große Masse der Lehnwörter ist an Mittel- und Niederrhein aus dem romanisierten Gallien ins Germanische übernommen worden, wobei Mosel und Maas als Hauptanmarschwege und die Kaiserstadt Trier als wichtigster Ausstrahlungspunkt in Betracht kommen. Der Umfang, in dem das Lateinische auf das Germanische gewirkt hat, geht daraus hervor, daß man gegen 600 ins Germanische gedrungene römische Lehnwörter nachweisen kann und daß sich diese Wörter fast durchweg so stark im Deutschen eingebürgert haben, daß sie heute nicht mehr als Fremdlinge empfunden werden, wie auch vielfach ihre Fähigkeit zur Bildung von Ableitungen beweist. Der Zeitpunkt ihres Eindringens wird dadurch gekennzeichnet, daß sie die zweite oder althochdeutsche Lautverschiebung seit dem 6. Jahrhundert zumeist mitgemacht haben, in ihrem Lautstand zum Teil noch nicht die Kennzeichen des späteren Volkslateins zeigen und daß sich diese Lehnbeziehungen nicht nur auf die deutschen Stämme, sondern auch auf die Angelsachsen (zum Teil sogar die Nordgermanen) erstrecken. So ergibt sich also die Zeit vom 1. bis 5. Jahrhundert als Zeitraum für die Aufnahme der meisten dieser Lehnwörter. Eine Gliederung der wichtigsten römischen Lehnwörter zeigt uns, welche ganz neue Gebiete der Zivilisation den Germanen durch die Römer erschlossen worden sind. Die Kämpfe mit dem römischen Heere und der spätere Dienst in seinen Legionen brachten die Bekanntschaft mit der römischen Militärorganisation: Pfeil (lat. pilum), Drache (lat. draco, als Kohortenzeichen), Wall, (Schanz-) Piahl, Kastell (in Ortsnamen wie Kastel bei Mainz, Bernkastel), Straße, Meile. Sogar ein so allgemeines
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Wort wie Kampf (von lat. campus) ist entlehnt; doch sind die Entlehnungen gerade auf diesem Gebiete wenig zahlreich, ein Beweis dafür, daß die kriegserfahrenen Germanen hier von den Fremden nicht eben viel zu lernen hatten. Römische Verwaltung und Rechtsprechung spiegeln sich in den Gebieten an Rhein und Donau wider in: Kaiser (lat. Caesar, das älteste römische Lehnwort), Zoll, Zöllner, Kerker, Kette, sicher(n), kosen (urspr. juristisch „einen Rechtshandel führen", lat. causari), Pacht, pachten, Pfand. An die römische Flußschiffahrt auf Rhein und Donau erinnern Wörter wie Anker, Riemen „Ruder" (lat. remus) und Naue „Boot" (noch in Schillers Teil: „Zieh die Naue ein"). Römische Hausierhändler und Heeresmarketender vermitteln den Germanen, die bei ihrer Naturalwirtschaft höchstens einen beschränkten Tauschhandel kannten, die Grundbegriffe der deutschen Kaufmannssprache, wie kaufen und Kaufmann (von lat. caupo „Schenkwirt, Händler"), Markt, Speicher, Kiste, Korb, Münze, Pfund, Sack, Unze, später Zins, ferner die Ausdrücke des Weinhandels, wohl noch ehe der Weinbau in den römischen Garnisonen Germaniens üblich wurde: Wein, mischen, eichen (lat. aequare), Eimer (aus griech.-lat. amphora zu ein gestellt; zweihenklig: Zuber, vgl. Bahre), Kelch, Becher. Zu den Wörtern des Weinbaus: E. SCHWARZ, Goten, Norgermanen, Angelsachsen 22: Keltisch-gotisch-lateinischer Weg; Alaane, Die deutsche Weinbauterminologie 1950 (KLUGE Wb.). Auch die Namen von Transporttieren, wie Esel, Maultier, Saumtier, gelangten in dieser Zeit aus dem Lateinischen nach Deutschland. Die in Holz- (Block-, Fachwerk-, Flechtwand-) Häusern wohnenden Germanen sahen in den römischen Grenzgarnisonen die Technik des Steinbaues (Mauer aus lat. murus),
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die sie, unter Benutzung der römischen Fachausdrücke, bald nachahmten: Ziegel (aus lat. tegula, das nach der Lautverschiebung noch einmal, nun zu Tiegel entlehnt wurde), Kalk, mauern, Söller, Estrich, Pflaster, Kammer, Kachel, Keller, Piorte, Pieiler, Fenster, Speicher, tünchen, dann auch Zugehöriges Schindel. wie Ptosten, Unter den Neuerungen der Bodenkultur nimmt der Weinbau, den man den Römern an Rhein, Donau und Main absah, die wichtigste Rolle ein. Fast alle seine Bezeichnungen, vom Namen des Weins (s. oben) selber an, sind lateinische Lehnwörter: Winzer, Most, Kelter, Presse, Trichter, Spund, Bottich (davon später Böttcher), Ohm, Kufe (davon Külner), Flasche, Pech, Essig, mischen, Sexter (Hohlmaß), Lägel, Kelch, Becher, Eimer, Kübel (dazu noch zahlreiche mundartliche Ausdrücke). Auch der Ackerbau erhält neue Anregungen: Wicke, Forke, Kolter „Messer vor der Pflugschar", Miete „Fruchtgrube", (Dresch-)Flegel, Wanne „Getreideschwinge", Stiel, Stoppel, Sichel, Frucht, Kicher(erbse). Ganz auf römischen Einfluß geht der Anbau von Gartengemüse und Obst zurück: Kohl (lat. caulis, die Urheimat unserer Kohlarten ist das Mittelmeergebiet), in der Sprache des Deutschen Ordens ostpreuß. Kumst „Kohl" (aus lat. compositum, seit dem Ahd. Kompost „Dünger", aus dem Französischen als Kompott mit anderer Bedeutung entlehnt), rhein.-hess. Kappes (aus lat. caputea) „Kohlkopf", Beete „rote Rübe", Rettich, Minze, Kümmel, Seni, Fenchel, Kerbel, Lorbeer, Kirsche, Pflaume, Quitte, Pfirsich, Maulbeere, Mispel, Kastanie, Feige, Mandel, Kürbis, dazu die gärtnerischen Ausdrücke pfropfen, impfen, bair. pelzen aus lat. propagare „vorantreiben", imputare „einschneiden", impeltare „ein Schild-
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dien einlegen", für veredeln (diese Wortgeographie bietet Pflanze, eine Karte in Zs. f. Mundartforschung 1951), pflücken. Die Geflügelzucht verfeinert sich (Pfau, Fasan), vor allem aber die Ausnutzung der als Handelsware von den Römern geschätzten Federn: Flaum, Pfühl, Kissen, mausern sind Lehnwörter. Das germanische Roß erhält den neuen Namen Pferd (galloroman. paraveredus), der auf seine Verwendung als Postpferd hindeutet. Die Kochkunst entwickelt sich unter römischem Einfluß: außer Topf, Napf, Sieb, Quirl, Messer, Löffel, braten und sieden, die germanischen Ursprungs sind, ist in der Küche fast alles römischen Ursprungs und durch die Römer in der hier geschilderten Zeit oder später durch die antik beeinflußte Kultur der Klöster zu uns gelangt. Als frühe Entlehnungen seien Küche und kochen, ferner Becken, Planne, Kessel, Schüssel, Tisch (zunächst im griech. diskos, vgl. im Sport Diskus, ,runde Scheibe, Schüssel'), Semmel (aus lat. simila ,feines Weizenmehl'), Mühle genannt. Auch die Lebenshaltung in Hausgerät und Kleidung empfing von den Römern mannigfache Anregung. Auf eine Verbesserung der Wohnverhältnisse deuten die schon angeführten Ausdrücke der Steinbautechnik; weiter sind lateinische Lehnwörter: Schemel, Fackel, Kerze, Spiegel; Schürze, ferner verfeinerte sich die Kleidung: Socke, Sohle, stopfen, Strippe, Kunkel, Karde. An allgemeinen Kulturausdrücken seien Pfeife und Fiedel, Arzt, Fieber, Pflaster (mediz.), Büchse genannt. Man sieht, daß sich diese Ausdrücke fast durchweg auf sinnlich wahrnehmbare Dinge, auf Gegenstände des materiellen Lebens beziehen; abstrakte Begriffe, Ausdrücke geistigen oder ethischen Gehalts sind kaum darunter. Audi die dem Lateinischen nachgebildeten Namen der Wochentage sind als antikes Erbe wieder zu nennen. Aber die
Das älteste germanische Christentum
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antike Schreibkultur spiegelt sich in den Lehnwörtern schreiben (lat. scribere), dichten (lat. dictare, enger angeschlossen bleibt die neue Entlehnung diktieren), Tinte (lat. tincta .Farbe'; vgl. weiteres § 14). § 12. Das älteste germanische Christentum F. SEILER (Titel siehe § 2), Teil I, Kap. Iii Teil III, Kap. 1. — F. KLUGE, Wortforschung und Wortgeschichte (Leipzig 1912), S . 134ff.: Unser ältestes Christentum. — W. BRAUNE, Althochdeutsch und Angelsächsisch (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 43, 361 ff.). — TH. FRINGS (vgl. §11). Deutsche Wortgeschichte I2 (1959): I. WEISWEILER Deutsche Frühzeit, W. BETZ, Nachtrag dazu: W. BETZ, Lehnwörter und Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen. — Kluge — Mitzka, Etymologisches Wörterbuch 1967. Nur wenige Zeit später als der Einfluß der römischen Kultur setzte die Einwirkung des von den antiken Völkern weiterverbreiteten Christentums auf die Germanenwelt ein. Das erste germanische Volk, das sich zum Christentum bekehrte, waren die Westgoten, denen ihr Bischof Wulfila (gest. 383) schon im 4. Jahrhundert die Bibel aus dem Griechischen in ihre heimische Sprache übersetzte. Auch zu einigen westgermanischen Stämmen drang das Christentum schon früh; die Hauptmasse der deutschen Stämme ist jedoch erst später, im wesentlichen im 7. und 8. Jahrhundert, durch irische und angelsächsische Missionare christianisiert worden. Spuren des früheren gotisch-arianischen Christentums scheinen jedoch schon vorher den Weg ins Leben und zugleich in die Sprache der im heutigen Deutschland lebenden Germanenstämme, besonders der im Donauraum, gefunden zu haben. Denn innerhalb des Wortschatzes der christlichen
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Kirche im Deutschen findet sich eine Anzahl von Ausdrücken, die ihrer Lautform nach sehr früh aufgenommen sein müssen und die das Deutsche mit der gotischen Kirchensprache teilt. Zu dieser ältesten Schicht christlicher Lehnwörter griechischen Ursprungs, die offenbar durch arianische Goten von Süden her nach Südosten als Fachausdrücke der oströmischen Kirche zu den deutschen Stämmen, insbesondere den Baiern, gebracht worden sind, rechnet man: Christ (in althochdeutscher Schreibung Kr ist), Platte (von griech. papäs), Pfarre (von griech.-lat. parochia), Engel (von griech. úngelos), Teulel (von griech. diábolos), Pfingsten (von griech. pentekoste, ,der 50. Tag'), Samstag (von griech. sábbaton, vulgärgriech. sámbaton) sowie die Übersetzungslehnwörter lasten, taufen, vielleicht auch Heide. Daneben stehen einige wenige christliche Lehnwörter, die auf das frühe romanische Christentum der rheinischrömischen Provinzen zurückgehen. Hierzu gehören wohl Kirche (ursp. griech. kyri[a]kón, zu kyrios der ,Herr'), Bischol (urspr. griech. episkopos, .Aufseher'), Almosen. Die oberdeutsche Missionssprache, die durch heimische Ausdrücke wie dulden, sich treuen, klagen, trauern, zeigen, zweitein, Trost, erbarmen, barmherzig, Gnade, Demut gekennzeichnet war, drang donauaufwärts und rheinabwärts vor und traf an Mittel- und Niederrhein auf die fränkischrheinische Kirchensprache, die lateinischen Lehnwörter wie Propst (vulgärlat. propösitus), Priester (griech.-lat. presbyter), Pfründe (lat. praebenda), Kloster (lat. claustrum, aber jung Klausur), Mönch (griech.-lat. monachus, vgl. München, mfränk. Mönchen[-GladbachJ), Münster griech.-lat. monasterium), Glocke (mlat. clocca, aus dem Keltischen), segnen (lat. signare) kannte. Die angelsächsische Mission setzte die Wendung der Heilige Geist gegenüber den von der oberdeutschen Kirchensprache geprägten Ausdrücken
Das Erbgut im Wortschatz
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wih „heilig" (noch erhalten in Weihnacht „heilige Nacht") und ätum „Hauch" (als Übersetzung von lat. spiritus) durch und brachte als Entlehnung aus dem Angelsächsischen das Wort Heiland (Übersetzungslehnwort nach lat. salvator, griech. söter). So ist die f r ü h e deutsche Kirchensprache aus der Vereinigung mehrerer Missionsströmungen entstanden, ohne daß sich im einzelnen für die Herkunft jedes Wortes letzte Klarheit erzielen ließe. Ihre endgültige Gestaltung findet die Kirchensprache erst in althochdeutscher Zeit, die bis ins 11. Jahrhundert reicht (vgl. § 14). D i e altdeutsche Zeit § 13. Das Erbgut im Wortschatz F.
Deutsche Sprachgeschichte §§ 24, 26, 30. — E. G . G R A F F , Althochdeutscher Sprachschatz oder Wörterbuch der althochdeutschen Sprache (6 Bde., Berlin 1834 bis 1846). — ELISABETH K A R G - G A S T E R S T Ä D T und T H . FRINGS, Althochdeutsches Wörterbuch 1952 f. — H. W E S C H E , Der althochdeutsche Wortschatz im Gebiete des Zaubers und der Weissagung (Halle 1940). •— J. WEISWEILER und W. BETZ in „Deutsche Wortgeschichte" I2, S. 51 f. — F . HOLTHAUSEN, Altsächsisches Wörterbuch 1954. R. SCHÜTZEICHEL, Althochdeutsches Wörterbuch 1969. W e n n auch aus vorkarolingischer Zeit kaum sprachliche Denkmäler überliefert sind, so können wir aus der ausgebildeten Dichtersprache, wie sie uns vom 8. Jahrhundert an nicht nur auf deutschem Boden, sondern allenthalben bei den Westgermanen (Angelsachsen, Altsachsen) entgegentritt, schließen, daß bereits in den Zeiten der westgermanischen Gemeinschaft, ehe Angeln und Sachsen nach England abwanderten (um 450), und bevor die 2. Lautverschiebung KLUGE,
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(6. Jahrhundert) Hoch- und Niederdeutsche trennte, ein ausgebildeter westgermanischer Wortschatz für die Heldendichtung vorhanden gewesen sein muß. Die gewaltigen Erlebnisse der Völkerwanderungszeit wirken in Heldendichtungen weiter; der dafür verwendete Sprachschatz zeigt reiche Ausdrucksmöglichkeiten namentlich für die Begriffe Kampf und Sieg, Fürst und Gefolge, Fest und Gelage. Für die deutsche Heimat ist uns freilich von alledem nicht viel überliefert; aber aus den gemeinsamen Stilmitteln von Dichtungen wie dem angelsächsischen Beowulf und dem altsächsischen Heliand können wir entnehmen, daß poetische Ausdrücke, dichterische Umschreibungen, regelmäßig verwendete Formeln für die genannten Sachgebiete auch bei uns bekannt gewesen sind. Eine dichterische Umschreibung (so Ringgeber oder Goldspender für „Fürst" oder Waffenträger für „Krieger") war vielleicht ursprünglich; Leichnam, aus ahd. iihhamo, wörtlich „Leibeshülle". Beliebt war auch die Namengebung für Waffen (vgl. Siegfrieds Schwert Balmung, ferner Miming, Eckesachs; dazu § 5: Animismus). Von der eigentlichen deutschen Sprache läßt sich erst vom 8. Jahrhundert an reden, denn um diese Zeit entwickelt sich bei denjenigen Germanenstämmen, die, soweit sie nicht von alters her eingesessen waren, im Verlaufe der Völkerwanderung auf dem Boden des heutigen Deutschlands seßhaft geworden sind (mit Ausnahme des den Slawen überlassenen Gebietes östlich von Saale und Elbe), der Begriff der gemeinsamen Deutschheit. Auch die 2. (hochdeutsche) Lautverschiebung, die dies Gebiet in die beiden Sprachgebiete des Hoch- und des Niederdeutschen gliederte, hat die Volkszusammengehörigkeit (abgesehen von der späteren Lostrennung des Niederländischen) nicht zu erschüttern vermocht. In dieser Zeit tritt auch der Name für das Deutschtum auf: ahd. diutisc für den Namen der im
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Reiche Karls d. Gr. nicht romanisch sprechenden Deutschen (von diot „Volk", heute noch erhalten in Namen wie Dietmar, Dieflieb, Detmold), ursprünglich in lat. Form theodisce „in der Volkssprache" (786), in der lingua vulgaris, mit Lehnübertragung theodisca lingua (788) im Gegensatz zum gelehrten, kirchlichen Latein, der lingua Romana bezeugt (W. BETZ, in „Deutsche Wortgeschichte" I 2 122). Der Wortschatz, den dies deutsche Volk aus der Zeit der germanischen Gemeinschaft (vgl. § 10), bereichert durch Lehngut aus dem Erbe der Antike (§§ 11, 12), geerbt hatte, zeigt die Wesensart eines kämpferischen, tätigen Volkes, dem aber auch feinere seelische Regungen, freilich in sinnlich-anschaulicher Ausdrucksform, fern von abstrakter Blässe durchaus nicht fremd sind. Mancherlei altheidnische Kulturüberreste wurzeln von dieser Zeit her bis heute fest in der deutschen Sprache. So spiegeln alten Heidenglauben wider die Wörter: Gott (der Form nach ursprünglich sächlich, wohl „das angerufene Wesen"), Himmel (ursprünglich vielleicht „Decke der Erde"), Hölle (ursprünglich Name des Aufenthaltsortes der Toten; vgl. die altnord. Totengöttin Hei), Ostern (ursprünglich Name eines vorchristlichen Frühlingsfestes ! beide Wörter bewußt von den Missionaren auf (urchristliche Einrichtungen übertragen), Weihnachten sprünglich die den Germanen heiligen Zwölfnächte der Wintersonnenwende), weihen „heiligen" (vgl. auch Ortsnamen wie Weihenstephan „Heiliger Stephan"); Alb (amtlich: Alp), der Name eines gespenstischen Wesens, Druckgeistes, aus dem Englischen im 18. Jahrhundert als Elle ,Waldfee' übernommen, Donnerkeil (eigentlich von Donar geschleuderter Blitzstein), Kobold (ein Hausgeist), Zwerg, Drude, Riese, Werwolt (ein Mensch in Wolfsgestalt), Wicht (eigentlich Wesen, Dämon), Wichtelmännchen. Auch die Namen unserer Wochentage bewahren, obwohl sie dem Lateinischen nachgebildet sind (Solis Dies, Lunae Dies,
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Martis Dies usw.) noch heidnische Götternamen, z. B. Sonntag (eine Göttin Sünna kommt im zweiten Merseburger Zauberspruch vor), Dienstag (nach dem Beinamen Thingsus „Schützer des Dinges", des alten Kriegsgottes Ziu), Donnerstag (Donar), Freitag (Frija). Die Mission ersetzt den Mercurii dies = Wodanstag (so noch im Niederl. u. Engl.) durch Mittwoch (vgl. Godesberg). Zum alem. Ziestag s. § 10. Donauaufwärts brachten Goten den Namen des griechischen Kriegsgottes ins Bair.-Österreichische mit: Er tag, Erchtag u. ä. nach Ares. Ihre Missionare ersetzten dort Donnerstag durch den 5. Wochentag: Pfinztag (vgl. §10 Pfingsten). Im Bistum Augsburg wich die Kirche mit Aitermontag aus. Die Mission bestimmt das Nebeneinander von Satertag, Samstag, Sonnabend (§ 12). Deutsche Runen werden inschriftlich bis ins 7. Jahrhundert geritzt. An sie erinnern die heutigen Wörter Rune, raunen (die Runen waren ursprünglich geheimnisvolle Zauberzeichen), Alraune, Zauber (eigentlich rote Farbe der Runenschrift), Buchstabe (Zeichen für die Buchschrift; fast jede Rune hat einen senkrechten Stab), lesen (eigentlich die Runenstäbchen deutend zusammenlesen; vgl. Tacitus, Germania 10) raten (eigentlich die Runen deuten; vgl. engl, to read). Auch reißen in Reißbrett, Reißzeug, Riß (Grundriß, Bauriß, Abriß) gehört hierher, denn es ist das altgermanische Wort für schreiben (vgl. engl, to write), da die Runen eingeritzt wurden; schreiben ebenso wie Brief ist aus dem Lateinischen entlehnt worden, als die Klöster das Schreiben auf Pergament nach antikem Vorbild aufbrachten. Vieles aus dem germanisch-altdeutschen Wortschatz ist unserer heutigen Sprache verlorengegangen. Immerhin ist in Zusammensetzungen und Namen noch manches wichtige altdeutsche Wort erhalten. So steckt in den Endungen von Flieder, Holunder, Heister, Rüster, Maßholder, Wacholder und in den Ortsnamen Aifolter, Affalter das altdeutsche
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Wort für Baum (vgl. engl, tree) (also Aliolter = Apfelbaum). Ein Flußname wie Salzach bewahrt das altdt. acha „Wasser", in den Alpen gibt es manche Ache, von Norden her reicht bis in die Rhön die andersentwickelte Lautform a, z. B. in Wisera ,Weser', dasselbe Wort mit besonderer Lautentwicklung ist Werra; (verwandt mit lat. aqua, nd. ap, hochdt. aii, vgl. niederrhein. Lennep, Honnef, Aschaffenburg (,Esche'), Laasphe (,Lachs'). Audi ein großer Teil unserer ererbten Vornamen (vgl. § 10) bewahrt ausgestorbene Wörter, z.B. Hed-, Had- „Kampf", -bald, -bold „kühn", Mein- „Kraft", so auch die zuletzt aus dem Norden entlehnten Ingrid (Ingvi = nord. Göttername und frid ,schön'); dies auch in Sigrid. Zu Beichte, Seele vgl. § 14. § 14. Christenglaube und Geistesleben in althochdeutscher und altsächsischer Zeit Vgl. R . v. R A U M E R , Die Einwirkung des Christentums auf die althochdeutsche Sprache (Stuttgart 1845). — F. SEILER, (Titel s. §2), II. Teil. — W. BETZ, Der Einfluß des Lateinischen auf den althochdeutschen Sprachschatz I. II. (Heidelberg 1936/47). — J. T R I E R , Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes (Heidelberg 1931). — P. WAHM A N N , Der althochdeutsche Wortschatz im Bereich der Gnade, Gunst und Liebe (Berlin 1937). — J. W E I S W E I L E R , Buße (Halle 1930). Deutsches Rechtswörterbuch, herausgegeben von der Preuß. Akad. d. Wiss. (Weimar 1914 ff.). — J. W E I S W E I L E R , W . BETZ in „Deutsche Wortgeschichte" I2. Die altdeutsche (althochdeutsche und altsächsische) Zeit (vom 8. bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts) wird im Wortschatz dadurch gekennzeichnet, daß sich in ihr die Ausbildung der sprachlichen Bezeichnungen für geistige und seelische Vorgänge vollzieht. Den Anlaß dazu hat die Bekehrung der Deutschen zum Christentum gegeben, die in
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der Zeit Karls des Großen mit der Zwangsbekehrung der Sachsen ihren äußeren Abschluß gefunden hat. Die Ausbildung des großenteils auf geistige Vorgänge, auf das Innenleben eingestellten Wortschatzes des Christentums erfolgt unter ständiger Einwirkung des Lateinischen, der Sprache des Gottesdienstes der Kirche, der herrschenden Amts- und Gelehrtensprache des deutschen Mittelalters. Durch diese Bereicherung und Veränderung des Wortschatzes wird, wie sich das äußere Antlitz der deutschen Landschaft durch den Bau von Kirchen, Klöstern und Kapellen ändert, auch der sprachliche Ausdrude des Deutschen vom Reckenhaften des germanischen Heidentums (mit der Ethik des trotzigen Bestehens des Schicksals, mit seiner durchaus tragischen Lebensanschauung) ins Weiche, Seelenvolle (mit der Ethik der reinen Liebe) umgebogen. Es bleiben genug Spuren des alten Kämpfertums auch in der Sprache weiterbestehen. Die Seelenregungen dieser Zeit zeigen sich namentlich in der Bildung zahlreicher neuer Zeit- und Eigenschaftswörter. In dieser Zeit entstehen wenige konkrete Hauptwörter, eher abstrakte von Zeitwörtern abgeleitete Hauptwörter. Die Christenlehre bringt zunächst eine Menge lateinischer Lehnwörter: katholisch (¡¡des catholica, ursprünglich griech. ,in der ganzen Welt'), Marter (martyrum), martern, Kapelle (daneben mit deutscher Betonung Kappel in Ortsnamen), Dom, Münster, Altar, Messe (entstanden aus der Schlußformel: „Ite, missa est (contio)", die Gemeinde ist entlassen, erst später vom Gottesdienst auf den an Feiertagen im Anschluß an die kirchliche Messe oft stattfindenden Markt übertragen), predigen (lat. praedicare), Predigt, Mette (lat. matutina), Vesper, firmen (lat. firmare), Firmung, Arche (lat. arca), Kreuz, kreuzigen, Psalm, Psalter, Evangelium, Satan, Beelzebub (die letzteren ursprünglich griechisch bzw. hebräisch).
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Entlehnt sind vor allem die Bezeichnungen für die äußeren Einrichtungen der Kirche, also die Titel, Ämter, Gerätschaften, Gebräuche, und für das Klosterwesen: Bischoi (s. § 12), Dechant, Kaplan, Sigrist, Küster, Mesner, Abt, Äbtissin, Nonne, Prälat, Papst usw.; Kloster, Klause, Regel, Orden, Zelle; Mette, None, Vesper, keusch (zunächst ,was sich ziemt', von lat. conscius); Regel „Ordensregel", spenden, Spende; Kruzifix, Kanzel, Lettner, Lampe, Ampel, Orgel, Feier, Legende, Text, Patron, Pilger, Pilgrim. Die inneren Vorgänge, die eigentliche Lehre, soweit sie das lateinunkundige Volk selbst anging, wurden dagegen im allgemeinen mit deutschen Ausdrücken bezeichnet, bei deren Bildung allerdings sehr oft die lateinisdien Grundwörter mit deutschen Wortstämmen getreu nachgeahmt wurden (Übersetzungslehnwörter). Dem Lateinischen nachgebildet sind Wörter wie Gewissen (nach conscientia), Gevatter (nach compater), Mittler (mediator), Gemeinde (communio), Gotteshaus (domus Dei), auferstehen (exsurgere). Auch deutsche Wörter wie Jünger, Weissagung, bekehren, Fegefeuer sind eigens zum Zweck der Wiedergabe von lateinischen Kirchenausdrücken gewählt. Leider hat sich manche schöne althochdeutsche Verdeutschung, wie Zwölfbote für Apostel, Heiltum für Sakrament, gotspel „Gotteskunde" für Evangelium, forasago oder wlssago für Prophet, nicht erhalten. Ältere Ausdrücke heimischen Ursprungs werden durch das Christentum mit neuem Sinn erfüllt: Hölle und Ostern (s. § 13), Glaube, Gnade, Güte, Huld, Milde, Buße, Heil, Sünde, Schuld, Reue, Taufe, Schöpfer, Gebet, beten. An weiteren deutschen Neuprägungen und Ableitungen für christliche Begriffe seien aus dieser Zeit genannt: christlich, Christenheit, Gottesmutter, die Heiligen, Bethaus, Feiertag, Gottesdienst, Täufer, die Heilige Schrift, Gottes Wort, Sintflut, Gottheit, göttlich, Herr, der Vater, Sdiirmer, Deutsche Wortkunde
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erlösen, Sühne, sühnen, •weltlich, Feind, Altfeind, Hauptsünde, sündig, Sünder, gläubig, Unglaube, büßen, gute Werke, dienen, der Jüngste Tag, ewiges Leben. Zu Pate, Pletter nach lat. päter spiritualis „geistlicher Vater", danach Patin, dazu weithin geltende Koseformen wie Gote, Gotel, Dode vgl. Wortatlas IV (1955). — Nicht entlehnt ist Beichte, es ist ahd. bijiht zu bijehan bekennen, vor Gericht aussagen. — Seele ist eigentlich ,die vom See stammende'; den Germanen galten manche Seen als Aufenthaltsort der Seelen vor der Geburt und nach dem Tode. Die Betrachtung der deutschen Ausdrücke, die das Christentum in althochdeutscher Zeit neu geprägt oder mit neuer Bedeutung erfüllt hat, zeigt, daß es sich hier um wesentliche Bestandteile des heutigen Wortschatzes handelt. Sie beweisen durch die Fähigkeit, sich in Ableitungen und Zusammensetzungen weiterzuentwickeln, eine besonders innige Geltung unter den Wörtern des Gefühlslebens. Dazu kommt, daß der Wortschatz der althochdeutschen Christensprache noch zahlreiche Ausdrücke umfaßt hat, die sich nicht bis heute haben behaupten können, so daß der neue Glaube der deutschen Sprache tatsächlich einen größeren Zuwachs an Wörtern gebracht hat. Dieser Zustrom verteilt sich auf mehrere Jahrhunderte, manche Lehnwörter sind erst später aufgenommen worden (Papst ist erst um 1000 bezeugt), viele deutsche Ausdrücke gehen auf die feinfühlige Ubersetzertätigkeit der Klosterlehrer des 9. und 10. Jahrhunderts zurück. Vor allem Notker III. von St. Gallen, mit dem Beinamen .der Deutsche" (gest. 1022), ist hier als Schöpfer einer theologisch-philosophischen Fachsprache zu nennen, die für ihre Zeit einzigartig dasteht, leider aber später wieder in Vergessenheit geraten ist. — Im Sinnbezirk des Leidens wird altes Erbgut im Zuge der Christianisierung vergeistigt. Von körperlichem Schmerz zum seelischen führte die Wortgeographie von dulden aus dem
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irisdien Missionsbereidi vom Bodensee in die weiteste Nachbarschaft. Mit dem Eindringen des Christentums und der Ausbreitung der Klöster geht eine starke Hebung der Volksbildung Hand in Hand. Da der Lehrstoff der Klöster, vor allem soweit er nicht rein christlich-theologisch war, durchaus auf dem Geisteserbe der Antike beruhte, da auch sonst in dieser Zeit bewußte Anknüpfungen an Bildung und Kultur des Altertums häufig waren (Karolinger, Ottonen), so darf es uns nicht wundernehmen, daß die wichtigsten Fachausdrücke dieses Bildungswesens lateinische Lehnwörter sind: Laie, schreiben, Schrift, Schule, Schüler, Meister (lat. magister), Latein, Tinte, (mlat. tincta), Pergament, Bimsstein (zum Abreiben des Pergamentes gebraucht), Tafel, Griffel, Linie, Kapitel, Pult, dichten (von lat. dictare, nordgermanisch dafür yrkja, unser wirken), trachten (lat. tractare), Vers, Siegel, Zettel, Brief (lat. breve „kurze Urkunde", die alte Bedeutung noch in Frachtbrief). Die kulturfördemde Wirkung des Klosterwesens betraf auch äußere, materielle Dinge, so Einführung und zweckmäßige Kultur des feineren Obst- und Gartenbaus: Birne (das übrige Obst war schon früher durch die Römer bekannt geworden und in lateinischen Namen entlehnt worden, der Name des Apfels ist nicht indogermanisch (Kluge-Mitzka, Etymolog. Wb.), Weichsel, Ammer, Pappel, Rose, Lilie, Akelei, Veilchen (aber ein Erbwort ist Nelke, eigentl. ,Nägelchen'), mit deutschem zwie(fach) = ,vielhäutig' umgestaltet Zwiebel, Petersilie, Lattich, Eibisch, Kamille, Baldrian, Gamander, Liebstöckel (Volksetymologie aus lat. ligusticum „ligurische Pflanze"), Raute, Radieschen, Salbei, Schellkraut, Thymian, Lavendel, Polei, Anis, duftende und heilkräftige Kinder des Klostergartens. Die Entlehnung von Butter, Brezel, Lebkuchen, Barbe, Muschel, Kapaun, Mörser, Tiegel (§ 11), Mulde erinnert uns 5*
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an die Vortrefflidikeit der klösterlichen Kochkunst. Das Bauwesen macht, von kunstverständigen Mönchen gefördert weitere Fortschritte, indem es sich von den schlichten Basiliken der Frühzeit zur hohen Schönheit der romanischen Dome weiterentwickelt; davon zeugen Lehnwörter wie Turm, Portal, Gruft (zu graben, unter Bedeutungsanlehnung an griech.-lat. crypta), Mörtel, Gips, Zement, Grad, Marmelstein (wie man damals statt Marmor sagte, heute sprechen die Kinder noch von Murmeln), Granit, Tuffstein, Quader, Erker, Kamin, Model (wie man altdeutsch statt des späteren Modell sagte) usw. Das Handwerk, oft in Verbindung mit klösterlichen Ansiedlungen, bald aber vor allem in den neugegründeten Städten ausgeübt, zeigt neue Benennungen in Schuster, Metzger, Masse, Messing, Pinsel, Mennig, Zinnober, Mergel, Alaun, Ocker, Grünspan, Kreide usw. Die Bekleidung, geistliche wie weltliche, verrät ihre neue Gestalt, die von der altgermanischen völlig abweicht, in Wörtern wie Albe, Kugel (lat. cuculla), Kutte, Zwillich, Drillich (beide nach dem Lateinischen gebildet: bilix, trilix, zwei-, dreifädig'), Kappe, Mantel, Pelz, bunt (ursprünglich nur vom Pelzwerk, von lat. punctus), Matte, Teppich, Seide, Perle. In Regierung und Verwaltung kommen gegen das Ende der althochdeutschen Zeit wichtige lateinische Fachausdrücke auf, denn die Amts- und Kanzleisprache ist bis etwa 1300 nur Latein. Es seien Wörter genannt wie Meier „Verwalter" (von lat. maior), Bezirk, Rente, Kanzlei, Kanzler, Vogt (mlat. vocatus), Titel, falsch, Glosse, Bulle, regieren. Die Ausdrucksweise des Rechtslebens dagegen, das durchaus in heimisch-germanischen Vorstellungen wurzelt (vgl. §10), bleibt deutsch; zahlreiche volkstümliche Wendungen daraus haben sich bis heute erhalten (z. B. Ding, eigentlich „Gerichtsverhandlung", dazu dingfest machen, dingliches Recht, verteidigen, eigentlich „auf dem Tageding ver-
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treten"), Sache „Streitsache", Sachwalter, Rede stehen, vermählen (eigentlich „feierlich zusammensprechen"), Umstände (eigentlich „Zuhörer bei der Gerichtsversammlung"), widmen (eigentlich „mit dem Wittum ausstatten"), auf den Schild erheben, für vogelfrei erklären, in die Acht tun, handhaft (so, daß man etwas in der Hand hat; handgreiflich), einen überführen (wohl ursprünglich durch Vorführung von Zeugen), überzeugen (eigentlich „durch Zeugen überführen"), etwas wettmachen (zu ahd. wetti „Ersatz"), ersessene Rechte usw. (vgl. auch § 18).
Die Sprache des hohen Mittelalters § 15. Die Sprache des Rittertums und der höfischen Dichtung Vgl.
KLUGE, Deutsche Sprachgeschichte §§ 38, 39. — (Titel s. § 2), II. Teil, Kap. 2. — H. PALANDERSUOLAHTI. Der französische Einfluß auf die deutsche Sprache im 12. und 13. Jahrh. Mem. Soc. Neo-Phil. Helsingfors III (1901), VIII (1929), X (1933). — BENECKE-MÜLLER-ZARNCKE, Mittelhochdeutsches Wörterbuch (4 Bde., Leipzig 1854 bis 1861). — M. LEXER, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch (3 Bde., Leipzig 1872—1878). — E. WIESSNER, Höfisches Rittertum, in: Deutsche Wortgeschichte I2. — E. Ö H M A N N , Der romanische Einfluß auf das Deutsche bis zum Ausgang des Mittelalters ebda. I2. Die geistlich-klösterliche Kultur der althochdeutschen Zeit wurde gegen Ende des 11. Jahrhunderts abgelöst von der des Rittertums. Dies Rittertum bringt unter französischem Einfluß im Zeitalter der Kreuzzüge eine klassische Blüte der deutschen Dichtung in Minnesang und höfischem Epos hervor. Es erlebt unter kirchlichem Einfluß zugleich der romanische Stil in Deutschland seine reifste Blüte in Baukunst und Plastik und prägt einen eigenen Wortschatz. Er F.
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hat zwar aus altgermanischem Reckentum und altdeutscher Frömmigkeit noch manches bewahrt, entwickelt andererseits aber unter französischem Einfluß eine Gesellschaftsund Literatursprache mit tiefer Durchgeistigung und Beseelung. Die Mannigfaltigkeit des mündlichen Wortschatzes bleibt für die Volkssprache bestehen. Das Rittertum bestätigt sein Ideal der „Maße" (des Maßhaltens) auch im Wortschatz. Es meidet grob mundartliche, bäurische und altertümliche Wörter und stellt einen festen Kanon der höfischen Ausdrucksweise auf. Der althergebrachte Wortschatz des germanischen Heldensangs wird vom höfischen Rittertum als altfränkisch empfunden, nur das Volksepos und die Spielmannsdichtung kennen ihn zum Teil noch. Wörter, die im volkstümlichen Nibelungenlied noch eine wichtige Rolle spielen, wie Redte, Held, Degen „Held", Ger, michel „groß", balt „kühn", gemeit „fröhlich", eilen „Kampfeifer", wigant „Kämpfer", bouc „Armring", Hagen der grimme, breite Schwerter, sturmkühne Helden, steinharte Helme, stahlharte Spangen usw., kommen in der Sprache der ritterlichen Dichtung ab. Dafür entwickelt die höfische Dichtung einen umfangreichen Wortschatz, der an Stelle des Kampfes die feinsten Regungen des Liebeslebens, die höfische Sitte, die Feste und Gebräuche des Ritterlebens wiedergibt. Vrouwe „Frau", riuwe „Kummer", höchgezit „hohes Fest, höchste Freude", tugent, milte „Güte", edel, tump „töricht", kiusche „Keuschheit", kranc „schwach", mäze „Selbstbeherrschung", Staate „Beständigkeit", vuoge oder vuoc „Schicklichkeit", Zucht, Minne, schoene „Schönheit", saelde „Glück", hövesch (daraus das nhd. hübsch), klar, fein, stolz, fehlen, prüfen (die letzten fünf Entlehnungen aus dem Französischen sind seine Kennwörter). Eine Fülle von Neuprägungen, besonders von Zusammensetzungen, auch Umprägung des Bedeutungsgehaltes älterer Wörter (z.B. edel ursprünglich nur vom
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Geburtsadel, erst seit Gottfried von Straßburg auch vom Seelenadel) kennzeichnet die Sprache der ritterlichen Dichtung. Welchen Grad der Ausdrucksfähigkeit für seelische Vorgänge diese Sprache erreicht, geht z. B. daraus hervor, daß ein mittelhochdeutsches Wörterbuch nicht weniger als 90 Zusammensetzungen mit Minne als erstem Glied aufzählt. Entsprechend der französischen Beeinflussung des Rittertums und seiner Dichtung ist dieser neue Wortschatz stark mit Fremdwörtern von dorther durchsetzt. Der Anschluß an jenen Westen ist dabei vorzugsweise über Flandern und den Niederrhein erfolgt. In diesen Gebieten lassen sich die neuen Modewörter zumeist am frühesten nachweisen, wie auch das vlaemen mit der rede, die vlaemische höveschheit besonders beliebt waren. Deshalb werden auch Wörter mit flämisch-niederdeutschem Lautstand gern gebraucht, z. B. gebürekin „Bäuerlein", soete kindekin „süßes Kind", schapellekin „Kränzlein", ors (statt Roß), Ritter (statt riter „Reiter"), Wappen (wäpen statt Waffen), bilde „froh" usw. Bezeichnend ist, daß der Schimpfname für den Bauern dörpgere, eine Ubersetzung des altfranz. vilain, nhd. zu Tölpel geworden, bis heute das p des niederdeutschen Lautstandes bewahrt. Wie sehr das Französische in der ritterlichen Dichtung vorübergehend geworden ist, ersehen wir daraus, daß der Dichter Tannhäuser (um 1250) dieses Welschen parodierend verspottet: Ein riviere ich da gesach, durch ein fores gieng ein bach zetal über ein pläniure. Unter den Epikern ist am stärksten Wolfram von Eschenbach dieser Mode verfallen, er mischt ganze französische Zeilen in seine Werke ein (z.B. Bien sei venüz, beäs sir!). Auch der gelehrte Meister Gottfried von Straßburg bedient
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sich gern französischer Wendungen; selbst das sonst ganz deutsche Nibelungenlied kennt Fremdwörter wie bühurt, garzün, puneiz, tjoste, trunzün. Nur der Minnesang, insbesondere Walther von der Vogelweide, hält sich von solcher Entlehnung frei. Die Abhängigkeit vom Französischen zeigt sidi auch darin, daß in jener Zeit sogar einige französische Bildungssilben ins Deutsche gedrungen sind. Die Endung -le (heute -ei), ursprünglich nur in Fremdwörtern wie partie, villanie gebraucht, wird bald auch an deutsche Wortstämme angehängt: vischerie, dör perle, jegeiïe, zouberle, und wird heute in Wörtern wie Bäckerei, Fleischerei als heimisch empfunden (obwohl sie nach fremder Art den Wortton trägt). So steht es auch mit der Endung -ieren, z. B. in parlieren, dann in deutschen Wörtern: stolzieren, hausieren, halbieren; mit der Endung -lei (altfranz. lei = neufranz. loi „Gesetz, Art") in mancherlei, vielerlei, allerlei. Neben der Übernahme der fremden Wörter selber spielen auch Übersetzungslehnwörter und Bedeutungsentlehnungen eine wichtige Rolle; so übersetzt hövesch das franz. courtois, hövescheit franz. courtoisie, knappe = garçon, vriedel = ami, ritter = chevalier usw. Auch das Ihrzen in der höfischen Anrede an Stelle des altheimischen Duzens, das weithin und lange Zeit, bis in heutige Bauernmundarten hinein volkstümlich bleibt, wird durch das französische Vorbild gefördert. Von da stammen auch Höflichkeitswörter wie adê (franz. adieu) und merzi (franz. merci). Von den zahlreichen Fremdwörtern aus jenem Westen, die das Rittertum übernommen hat, hat sich nur ein geringer Teil bis heute in der deutschen Sprache halten können. Die Mehrzahl ist mit dem Untergang des Rittertums v o n der Sprache wieder aufgegeben worden. Wir wollen deshalb von dem Schwall dieser Modewörter, von denen •als erste etwa Palast, Tanz und Turm um 1130 im Rolands-
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lied bezeugt sind, im allgemeinen nur diejenigen mustern, die sich bis heute gehalten haben. Am stärksten unter französischem Einfluß steht der ritterliche Sport des Turniers. Von seinen zahlreichen Fachausdrücken (z. B. hurt „Anprall" [davon hurtig], hurten, bühurt, tjoste, tjostieren, pungieren, garzün, buckel, puneiz, leisiere, trunzün) haben sich eigentlich nur Turnier, turnieren, Lanze, Harnisch, Panzer, Koller, Panier, Wimpel, Plan bis heute erhalten. Beachtenswert ist auch, daß das Ritterwesen eine Anzahl bildlicher Wendungen, die namentlich vom Turnierwesen ausgehen, dem allgemeinen Wortschatz zugeführt hat, z. B. in die Schranken treten, den Fehdehandschuh hinwerfen, die Spitze bieten, eine Lanze brechen, aus dem Sattel heben, auf den Sand setzen, unter die Arme greifen (eigentlich dem geworfenen Turnierkämpfer), jem. einen Korb geben (man ließ den abholden Verehrer, der sich in einem Korb zur Burg hochwinden lassen wollte, wirklich durch einen Korb mit auslösbarem Boden fallen). Die Sitten der ritterlichen Geselligkeit, die sich in mittelhochdeutscher Zeit in Wörtern wie condwieren, salwieren, äventiure widerspiegeln, haben der deutschen Sprache an dauernden Erwerbungen gebracht: Tanz, tanzen, Manier, fein, klar, falsch, stolz, fehlen, prüfen, Platz, Preis, Kompanie, Kumpan, Schach, matt (beide ursprünglich persisch), Abenteuer, Fabel, Tafelrunde (nach der table ronde des Königs Artus). Ausdrücke der verfeinerten Wohnungs- und Lebensweise sind: Palast, Turm (damals turn), Pavillon, logieren, Panel, Habit, Sauce (damals saJse, zunächst .gesalzene Brühe'), Teller. Zahlreiche Luxuswaren des französischen Handels bürgern sich ein: Samt, Scharlach, Litze, Korduan, Achat, Granat, Jaspis, Alabaster, Kristall, Rubin, Smaragd, Zinnober usw.; die Modefarbe ist blond, was vorher im germanischen Sprachkreis mit bleich bezeichnet wurde. Französische Namen tragen auch die beliebtesten
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Die Sprache des hohen Mittelalters
Instrumente: Flöte, Schalmei, Posaune. Audi das Handwerk, das ja für die Ritterhöfe arbeitet, nimmt vorübergehend an der ritterlichen Welsdierei teil; geblieben sind davon die Wörter Firnis, Franse, Polier, Juwel, Juwelier, Konteriei. Ganz und gar französisch durchsetzt ist im Zeitalter des Rittertums die Sprache des Weidwerks: pirschen, Koppel, koppeln, Pansen, Ziemer-. Die Masse der damaligen französischen Jagdausdrücke hat die deutsche Weidmannssprache nicht beibehalten, vielmehr ist sie heute ihrer Wesensart nach durchaus deutsch (vgl. F . KLUGE, Unser Deutsch, Leipzig, 3 . Aufl. 1914; E . v. DOMBROWSKI, Deutsche Waidmannssprache, Neudamm, 2. Aufl. 1897). Sie hat mancherlei alte germanische Ausdrücke bis in die Gegenwart gerettet, z. B. Fähe („Hunde-) Weibchen", Schweiß „Blut des Wildes", Weif, Welpe „junger Hund", und die Ausdrucksweise für die Eigenschaften und Tätigkeiten der einzelnen Wildarten genau gegliedert (z. B. Löffel, Schüssel, Lauscher, Gehör oder Lauf, Pranke, Arm, Ständer für Stelzvögel wie den Reiher, Fang, Tritt, Ruder für Schwimmvögel wie die Wildente). Manche Jagdausdrücke sind in die Gemeinsprache übergegangen, z. B. bärbeißig, vorlaut, unbändig, naseweis („mit der Nase weisend", alle ursprünglich nur vom Jagdhunde), wittern, stöbern, (auf)spüren, berücken, Fallstrick, nachstehen, umgarnen, ins Garn gehen, zur Strecke bringen, ins Gehege kommen, auf falscher Fährte sein, durch die Lappen gehen, auf den Busch klopfen, Wildfang (eigtl. „wild gefangener Falke") usw. § 16. Die Sprache der Bürger Vgl. F. SEILER (Titel s. § 2 ) , II. Teil, Kap. 3 ; W. M I T Z K A , Bauern- und Bürgersprache im Ausbau des deutschen Volksbodens, in: „Von deutscher Art in Sprache und Dichtung" I ( 1 9 4 2 ) hg. Fr. Maurer. — A. SCHIRMER, Wörterbuch
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der deutschen Kaufmannssprache (Straßburg 1911); Vom Werden der deutschen Kaufmannssprache (Leipzig 1825). — F. KLUGE, Seemannssprache (Halle 1911). — K. LÖKOTSCH, Etymologisches Wörterbuch der europäischen Wörter orientalischen Ursprungs (Heidelberg 1927). — P H . M . PALMER, Neuweltwörter im Deutschen, Heidelberg 1939. — B. MARTIN, Die Namengebung aus Amerika eingeführter Kulturpflanzen, in „Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen" hrsg. v. L. E. Schmitt II (1960). — H. V E I T H , Deutsches Bergwörterbuch (Breslau 1871). — HERBERT W O L F , Studien zur deutschen Bergmannssprache (nach Bergmannsliedem) 1958. — P H . W I C K , Die slawischen Lehnwörter in der neuhochdeutschen Schriftsprache (Diss. Marburg 1939). B. PETERS, Deutsch-slawischer Lehnwortaustausch, s. § 7. Das Rittertum, das seine höchste Blüte im Zeitalter der Kreuzzüge und der Staufenkaiser, etwa zwischen 1150 und 1250, erreicht hatte, mußte vom Ausgang des 13. Jahrhunderts an seine gesellschaftliche und kulturelle Führerrolle an das Bürgertum abgeben, das in Gewerbe und Handel mächtig erstarkte und ein stolzes Standesgefühl entwickelte. Das Absinken zu rohem Raubrittertum zeigen Ausdrücke wie brandschatzen und Brandschatzung (um 1350), Brandbrief, Buschklepper, Schnapphahn, Strauchritter, Heckenreiter, sengen, dem (Land)irieden nicht trauen, sich durch die Welt stillagen (= kämpfend durch die Lande ziehen). Das Selbstbewußtsein des Bürgertums dagegen, das sich in Gilden, Innungen und Züniten zusammenschließt, zeigt sich auch darin, daß die in den Städten zu größerer Bevölkerungszahl angesammelten Bürger nach dem Muster des Adels einen zweiten Namen annehmen, der, erblich geworden, zum Familiennamen wird. Unter den Sprachen der Gewerbe sei als kennzeichnendstes Beispiel der Wortschatz des Kaufmannshandels hervorgehoben. Während die germanische Urzeit nur wenige
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allgemeine Handelsausdrücke kannte, entwickelte sich eine kaufmännische Fachsprache erst, als sich in den Städten ein festorganisierter Handelsstand ausbildete. Dessen Sprache war im Schriftverkehr zunächst das weltweite Latein; für den mündlichen Geschäftsverkehr aber entwickelte sich eine deutsche Kaufmannssprache auf oberdeutscher Grundlage in den handelswichtigen Städten Süddeutschlands, daneben eine weit über die Grenzen des deutschen Sprachgebiets hinausreichende niederdeutsche im Handelsbereich der Hanse. Während die hansische Kaufmannssprache mit dem Untergang der Hanse wieder erloschen ist (nur einige Wörter niederdeutschen Ursprungs [Hansesprache] wie Makler, Stapel, Fracht, Bodmerei erinnern noch an sie), hat die Sprache des oberdeutschen Handels sich vom Mittelalter bis heute weiterentwickelt. Zur Kennzeichnung der weitgehenden Fachgliederung dieser mittelalterlichen Handelssprache mögen Wörter dienen wie: Gesellschait „Handelsgesellschaft", Geleite, Geleitsbriei, gestehen . „kosten", Gewölbe oder Gadern „Kaufladen", Gewandhaus, Gewandschneider „Tuchhändler", Handgeld, Höker „Kleinhändler", Kaufmannschaft, Kaufhaus, Kaufherr, Pfandbrief, Schuld, Schuldner, Schuldbrief, Unterpfand, Wechsel (zunächst = Tauschhandel, dann = Wechselgeschäft), Wechselbrief, verrechnen, Ziel. Aus der lateinischen Amtssprache, die j a allgemein die Urkundensprache war, sind in die Kaufmannssprache (und damit in weitere Kreise) Wörter wie quitt, Rente, Datum, Register, Summe, Fazit, Nota, Kopie, kopieren, Privileg gelangt. Vor allem aber brachten die lebhaften Geschäftsbeziehungen der süddeutschen Handelsstädte zu den norditalienischen Häfen jene Fülle italienischer Kaufmannswörter in die deutsche Kaufmannssprache, die ihr noch heute ihr Gepräge geben. Zu den ältesten gehören Lombard, ursprünglich „Geldwechsler", später „Beleihung"
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(nach dem Namen der Lombarden), Gant „Versteigerung" (heute nur noch süddtsdi. = „Konkurs", von ital. incanto, lat. in quantum? „wie hoch?"), Tara (über das Italienische aus dem Arabischen). Von etwa 1400 an strömen dann die italienischen Kaufmannswörter in breiter Flut ins Deutsche: Bank (Bedeutungslehnwort nach ital. banco), Bankerott, brutto, ditto, Faktor, Kassa, Kassierer, Kollo, Muster (aus ital. mostra), netto, Posten (ital. postä), Primo, Medio, Ultimo, Porto, Risiko, Skonto, Tratte, Vista usw. Mit der gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Venedig aus bekannt gewordenen „italienischen Buchhaltung" dringen Wörter ein wie Debet und Kredit (ursprünglich ital. Debito und Credito), Konto, Kontokorrent, Journal (ursprünglich in italienischer Form Giornale), Skonto, Strazze, Bilanz. Wenn manche dieser Wörter heute die italienische Lautform mit der französischen vertauscht haben, so liegt das an der Vorliebe des Barockzeitalters für französische Fremdwörter, die sich auch in der reichlichen Aufnahme französischer Kaufmannswörter im 17. und 18. Jahrhundert verrät (z.B. Adresse, Emballage, Fonds, retournieren, reell). Weiterhin hat der deutsche Handel im 17. Jahrhundert einige sprachliche Anleihen bei dem blühenden Ubersee- und Kolonialhandel der Holländer gemacht: Aktie, Dividende, Leckage, Reiaktie „Preisnachlaß für beschädigte Ware", Lotterie, Niete, piekfein (von holl. puik „ausgezeichnet"), Preiskurant (nach holl. prijs courant „laufender Preis"). Vom Ausgang des 18. Jahrhunderts an kommt zu dieser Fremdwörtmischung der Kaufmannssprache dann noch ein starker englischer Zustrom (z. B. Jobber, Stock, Banknote, Partner, Scheck, Konsols, Limit), der namentlich im Exporthandel bis in neueste Zeit angedauert hat. In der Gegenwart bemüht sich die Kaufmannssprache allerdings, die fremdländischen Lehnwörter durch zweckmäßige Verdeutschungen zu ersetzen. In die Gemeinsprache übergegangen sind Kauf-
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mannswörter wie Ausbund (ursprünglich „Schaumuster, das auf die Außenseite einer Packung gebunden war"), Kerbholz, Mißkredit; von jenen Lehnwörtern (Schuld-)Konto, Manko, dito usw. Der Levantehandel brachte im Ausgang des Mittelalters zahlreiche Warenbezeichnungen romanischen und orientalischen Ursprungs (letztere durch romanische Vermittlung) ins Deutsche: Kordel, Stiefel, Kotier, Spezerei, Konfekt, Schachtel, Marzipan, Olive, Zibebe, Rosine, Ingwer, Muskat, Zimt, Korinthe, Kaper, Spinat, Wirsing, Mostrich, Zwetschge, Zitrone, Limone, Pomeranze, Orange, Apfelsine, Papier, Zucker, Sirup, Safran, Kattun, Mull, Atlas, Damast, Bardient, Scharlach, Kork, Borax, Salpeter usw. Die Berührung mit den östlichen Völkern Europas durch den Handel und durch die deutsche Ostsiedlung brachte seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters eine Anzahl Wörter slawischen Ursprungs ins Deutsche; ihre Zahl ist aber nicht eben groß, da die deutschen Bauern und Bürger vielmehr die eigene Sprache ostwärts ausbreiteten. Schon vor dem 11. Jahrhundert ist das Wort Zobel (Handelsausdruck!) aus dem Russischen entlehnt; auch Kürschner geht wohl auf ein slawisches Grundwort zurück. Spätere Entlehnungen östlichen Ursprungs sind Dolmetsch (gegen 1300), Kummet, Grenze, Horde (tartarisch); Kutsche (nach dem ungarischen Dorfe Kocs bei Raab), Heiduck, Petschaft, Kretscham, Halunke, Jauche, Schöps, Graupe, Quark, Gurke, Peitsche, Säbel usw. Auch die Sprache der Seefahrt entwickelt sich in den Jahrhunderten des ausgehenden Mittelalters zu einer wirklichen Fachsprache. Ihre Grundlage ist gemeingermanisch (vgl. §10), z.B. Schiff, Nachen, Mast, Segel, Ruder, Bug, Steven. Im Mittelalter kommen zahlreiche Lehnwörter
Die Sprache der Bürger
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südeuropäischer Herkunft dazu, die von Jahrhundert zu Jahrhundert zunehmen: Aviso, Bai, Barke, Besan, Boje, entern, Flotte, Fregatte, Goli, Harpune, Havarie (arab.), Kai, Kajüte, kalfatern (arab.), Kap, Kapitän, Kastell (Schiffsaufbau), Kompaß, Korvette, Kurs, Marine, Mole, Pinasse, Port. Die Zufuhr dieser romanischen Lehnwörter geht zurück, als mit dem Niedergang des Mittelmeerhandels und dem Aufkommen der Seefahrt auf dem Atlantischen Ozean die Entlehnungen aus der den niederdeutschen Seefahrern vertrauten niederländischen Seemannssprache einsetzen: Matrose (holl. matroos, über das Altfranzösische auf alt-1 uord. mptunautr „Mahlgenosse in einer Schiffsmannschaft" zurückgehend), Maat (mnd. mate „Tischgenosse"), Büse, Kombüse, Düne, Klüver, Jacht, Fock usw. Aus dieser niederdeutsch-holländischen Seemannssprache, die in neuerer Zeit auch aus dem Englischen eine ganze Reihe von Entlehnungen aufgenommen hat (Boot, Brise, Log, Lotse, wohl auch Flagge) stammt im wesentlichen die heutige Seemannssprache, die jedoch von den italienisch-romanischen Anfängen der deutschen Handelsschiffahrt im Mittelalter noch manche sprachliche Erinnerung bewahrt. Von Seemannsausdrücken, die in die Gemeinsprache übergegangen sind, seien genannt: Abstecher, Ballast, Flagge, flau, ilott, scheitern. Fast völlig rein von fremden Bestandteilen ist die Bergmannssprache (nur Kux ist tschechisches Lehnwort, um 1300 am Südhang des Erzgebirges übernommen). Sie scheint in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters als Fachsprache entstanden zu sein und tritt uns vom 16. Jahrhundert an in geordneten Zusammenstellungen entgegen. Ihr Wortschatz bewahrt viel altes deutsches Sprachgut, z. B. Haspel, Klafter, Lachtet, Bulge, Schacht, Schicht, muten, Stollen, Zeche; einige bergmännische Fachausdrücke sind in die allgemeine Sprache übergegangen: Ausbeute, Fundgrube, zutage för-
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Die Sprache des hohen Mittelalters
dem, reichhaltig (eigtl. an Erz), Stichprobe aus dem Schmelzofen").
(eigtl. „Probe
§ 17. Kirche und lateinische Gelehrsamkeit im späteren Mittelalter Vgl. F. SEILER (Titel s. § 2), Teil III. — P. MÖLLER, Fremdwörter aus dem Lateinischen im späteren Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen (Diss. Gießen 1915). — G. LÜERS, Die Sprache der deutschen Mystik des Mittelalters (München 1926). — O. ZIRKER, Die Bereicherung des deutschen Wortschatzes durch die spätmittelalterliche Mystijc (Jena 1923). — R. FAHRNER, Wortsinn und Wortschöpfung bei Meister Eckehard (Marburg a. L. 1929). — TH. SCHNEIDER, Der intellektuelle Wortschatz Meister Eckeharts (Berlin 1935). — H. KUNISCH, Spätes Mittelalter, in „Deutsche Wortgeschichte" I2. Für den amtlichen Gebrauch der Kirche galt durch das ganze Mittelalter hindurch die lateinische Sprache als allein zulässig. Verbot doch Karl IV. im Jahre 1369 geistliche Schriften in deutscher Sprache und noch 1486 der Erzbischof von Mainz den Druck deutscher Bibelübersetzungen. So kann es uns nicht wundernehmen, daß zahlreiche kirchliche Ausdrücke während des Mittelalters aus dem Lateinischen ins Deutsche übergegangen sind. Es seien hier genannt (vgl. § 1 4 ) : Absolution, absolvieren, Anathema, Chor, Exkommunikation, exkommunizieren, Glorie, Habit, inquirieren, Inquisition, Interdikt, Kalender, Kollekte, Konklave, Konzil, Litanei, Pastor, Mirakel, Reliquien, Sakrament (das in der Volkssprache zu dem Ausruf Sapperment geworden ist) Passion, Prozession, Kanon, Klerisei, Tonsur, Eremit, Talar, Kathedrale, Zeremonie, Brevier, Hostie, Monstranz, Konfession, Testament, Bulle, investieren, Investitur, Kapitel,
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Kurie, Lektion, Mandat, Paternoster, Sekte, Simonie, Diakon, Archidiakon, Kantor, Novize, Organist, Oblate, Ornament, Sakristei, Ornat, Stola, Hymnus, Requiem, Sequenz usw. Neben dem Latein der kirchlichen Messe entwickelte sich seit dem Auftreten der Bettelmönche (Dominikaner und Franziskaner) die deutsche Predigt, die namentlich durch Berthold von Regensburg (um 1250) mächtig gefördert wurde. Von allem aber brachten die Schriften der Mystiker (Meister Eckehart, Seuse, Tauler) eine deutsche Ausdrucksweise für Glaubensangelegenheiten, überhaupt für Begriffe des Seelenlebens, in Gebrauch. Zu den für die mystische Gottesversenkung kennzeichnenden Ausdrücken gehören: Vereinigung, Gleichheit, Gemeinsamkeit, Gegenwärtigkeit, Empfänglichkeit, Läuterung, Verwandlung, Erleuchtung, Unendlichkeit, Erhabenheit, Eindruck, EMail, Einfluß, Einkehr, Ganzheit, Geistigkeit, Unwesen, übergöttlich, übermenschlich, übernatürlich, geistig, wesentlich, sachlich, innerlich, beschaulich, unaussprechlich, gelassen, innig, einwirken, entzücken, sich ergeben usw. Wenig zahlreich sind die Fremdwörter (Vision, Substanz, stubtil, spekulieren, kontemplieren), es kommen kühne Verdeutschungen vor: vürwurf oder gegenwurl für Objekt, underwuri für Subjekt, üzvluz für Emanation. Die Sprache der Mystik schafft eine sichere deutsche Ausdrucksweise für abstrakte Begriffe, wobei sie Hauptwörter auf -heit und -ung sowie substantivierte Infinitive bevorzugt (Dreiheit, Vielheit, Wesenheit, Erneuerung, Berührung, Vermengung; das Sein) und schafft die Grundlage für eine deutsche Sprache der Philosophie (begreifen, einleuchten, einsehen, wirklich, Eigenschaft, eigentlich, Verständnis, unverständlich, Zufall). Ein Zug zur Vergeistigung der sinnlich-anschaulichen Sprache der vorhergehenden Jahrhunderte ist diesem Wortschatz eigen. Sdiirmer, Deutsche W o r t k u n d e
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Die Sprache des hohen Mittelalters
Aus der lateinischen Ausdrucksweise der Kirche bildet sich die Gelehrtensprache, da die Wissenschaft des Mittelalters als Dienerin der Kirche durchaus das Latein benutzt. Zahlreiche zunächst theologische Ausdrücke gehen in den allgemeinen Gebrauch über, z. B. disputieren, Disputation, exponieren, Glosse, Text, Traktat. Die lateinischen Fachausdrucke der schulmäßigen Philosophie werden auch im Deutschen geläufig: Philosoph, Philosophie, Argument, definieren, Definition, Logik, Materie, Metaphysik. Reich an lateinischen Fremdwörtern ist die Sprache der Mathematik und der Naturwissenschaften: addieren, dividieren, duplieren, Exempel, Geometrie, Grad, Minute, multiplizieren, Produkt, Quadrat, subtrahieren, Triangel, Zentrum, Zirkel (erst in späteren Jahrhunderten bietet man dafür Verdeutschungen, so Dürer, Kepler und Chr. Wolff); Astronomie, Astrologie, Firmament, Komet, Magnet, Orient, Okzident, Planet usw. Die lateinischen Monatsnamen drängen die alten deutschen, für deren Geltung sich Karl der Große eingesetzt hatte, immer mehr zurück (nur Hornung hält sich länger); einige werden wenigstens eingedeutscht (März, Mai, süddeutsch Jänner, Feber). Auf lateinischer Grundlage beruhen auch die Fachausdrücke der Alchimie: Elixier, Essenz, Extrakt, destillieren, Element, Filter (mlat. £iltrum von germ. filt „Filz"), fixieren), hermetisch, Mixtur, Tinktur, die dem Grundstock für die Fachsprache der modernen Chemie abgegeben haben. Die Sprache der Medizin ist im wesentlichen auf lateinischen Fremdwörtern aufgebaut, wenn auch die volkstümlichen Namen der Krankheiten deutsch sind (z.B. Hexenschuß [Rest alten Heidenglaubens], fallende Sucht, Veitstanz, Schlagfluß, usw.); angeführt seien etwa Apotheke, Arterie, Embryo, Fistel (lat. fistula), Karbunkel, Klistier, Kolik, kurieren, Medikament, Medizin, Pestilenz, Pille,
Die lateinische Hochflut des Humanismus
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Podagra, Puls, Pulver, Rezept. Auch in der Sprache der kunstmäßigen Musik, die ja im Mittelalter im wesentlichen kirchliche Musik ist, überwiegen die lateinischen Fachausdrücke: Diskant, Dissonanz, Harmonie, intonieren, komponieren, Melodie, Note, Oktave, Pause, Quarte, Quinte, Resonanz, Symphonie, Takt, Tenor, Terz; doch erhält die musikalische Fachsprache ihr eigentliches Geprägte erst im 17. Jahrhundert durch den Einfluß der italienischen Opernmusik (vgl. § 20).
Humanismus, Renaissance, Reformation § 18. Die lateinische Hochflut des Humanismus F. SEILER (Titel s. § 2), III. Teil. — A. GÖTZE, Akademische Fachsprache (Heidelberg 1929). — H. KLENZ, Die deutsche Druckersprache (Straßburg 1900). — F. KLUGE, Deutsche Studentensprache
(Straßburg
1895).
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H.-FR.
ROSENFELD,
Humanistische Strömungen, in „Deutsche Wortgeschichte" I2, 329; dazu ein umfassendes Schriftenverzeichnis. Hat es der deutschen Sprache schon während des ganzen Mittelalters nicht an Fremdwörtern lateinischer Herkunft gefehlt, so nimmt diese Durchsetzung mit klassischem Sprachgut unter dem Einfluß des Humanismus, des Wiederauflebens antiken Geistes, namentlich in den gebildeten Kreisen so stark zu, daß das deutsche Volkstum durch die fremde Beeinflussung von Wortschatz und Stil zeitweilig gefährdet erscheint. Die Gelehrten reden in dieser Zeit über wissenschaftliche Fragen überhaupt kaum mehr deutsch; ihre Schriften sind durchaus in klassischem Latein abgefaßt (ein einziger Humanist, Ulrich von Hutten, wagt es, in der Muttersprache zu schreiben, und rühmt sich dieses Unterfangens als einer Kühnheit). Sagt doch eine theologische Streitschrift vom Jahre 1520, die in einem besonderen Kapitel gegen die Verwendung der Volkssprache in 6*
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Humanismus, Renaissance, Reformation
der Messe kämpft, ausdrücklich: „So nun drü Haupt- und reguliret Sprachen zu dem Dienst Gottes verordnet sein — hebräisch, kriechisch, latinisch — und wir Latiner seind, sollen wir billich die latinische Sprach zu der Messen brachen." Die gelehrte Humanisten weit kennt als Bildungssprache nur Latein. Es wird Mode weiter Kreise, soweit sie auf Bildung Anspruch erheben, zumindest zahllose lateinische Fremdwörter in ihre Rede einzuflechten. Dazu tritt ein Neues. Während das ganze Mittelalter hindurch das Griechische kaum je unmittelbar auf das Deutsche gewirkt hatte (vgl. jedoch § 12), nimmt jetzt das Studium der griechischen Sprache, von Reuchlin und im Dienste der Reformation von Melanchthon lebhaft gefördert, weiten Umfang an. So kommt es, daß auch griechische Wörter in größerer Menge als vorher durch die zweite Hand des Lateins ins Deutsche, namentlich die Gelehrtensprache übergehen. Wie stark der Einfluß der antiken Sprachen auf das Deutsche in dieser Zeit wird, ersieht man daraus, daß sogar manche Familiennamen ins Lateinische und Griechische übersetzt oder doch mit lateinischer Endung versehen werden, z. B. Agricola, Avenarius, Faber, Mercaior, Pistorius, Textor; Melanchthon, Neander, Oecolampadius; Schulerus, Scultetus, Hotlmanius. Antike Bildungssilben werden in freiester Weise mit Stämmen lateinischen oder griechischen Ursprungs verbunden, z. B. -os, -enz, -tor, -ian, -al, -aticus, -a, sogar mit Wörtern deutschen Ursprungs verkoppelt, namentlich in der Gelehrten- und Kanzlistensprache, z. B. Grobian, Schlendrian, morganatisch (von Morgengabe). Wie zahlreich die Übernahme antiker Fremdwörter in dieser Zeit war, beweist das erste Fremdwörterbuch, das am Ende dieser Periode erschien, das von S I M O N R O T H (1571): es zählt gegen 200 meist lateinische Fremdwörter auf. Und noch heute enthalten die umfangreichen Fremd-
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Wörterbücher unter ihren langen Wortlisten zu etwa drei Vierteln aus dem Latein und dem Griechischen stammende Wörter der gelehrten Bildung. Dazu hat das Zeitalter des Humanismus im wesentlichen den Grund gelegt. Spätere Zeiten (bis herab zur Gegenwart) fügen in Fachsprachen der Wissenschaft, allen voran der Chemie, dann der Medizin, Biologie, Fremdwörter hinzu. Es sind jetzt der Form nach zumeist fremde Wörter, die in jenen naturwissenschaftlichen Bereichen international einheitlich sein wollen. An lateinisch-griechischen Fremdwörtern des gelehrten Unterrichts, deren Fortbestand bis heute dadurch gefördert worden ist, daß die Gelehrtenschulen und Universitäten bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts im wesentlichen das Latein als Unterrichtssprache beibehielten, nennen wir: Abitur(ium), Abiturient, Akademie, Aktus, Antiquität, Auditorium, Aula, Autor, Autorität, Bibliothek (daneben älter Liberey), Botanik, deklamieren, demonstrieren, diktieren, Examen, Exkursion, Fakultät, Famulus, Ferien, Fauna, Flora, Geographie, Glossar, Grammatik, Gymnasium, Humanität, interpretieren, Karzer, Katheder, Klasse, Kollege, Kommentar, Kompendium, Korrektur, korrigieren, Lektion, Lineal, Lyzeum, Magister, memorieren, Opus, Pädagog, Pensum, Prädikat, präparieren, Professor, Rektor, repetieren, rezitieren, Scholar, Sexta bis Prima (als Bezeichnungen der Klassenstufen), Stilistik, Student, studieren, Studium, Universität, Vokabel, Vokabularium, Zensur. Fast alle diese Wörter werden mit voller lateinischer Endung ins Deutsche übernommen, ja sie werden im deutschen Text streng nach den lateinischen oder griechischen Regeln abgewandelt, so Mehrzahlbildungen wie Examina und Themata, Tempora und Kommata oder in den Fallendungen von Jesus Christus (z. B. Jesu Christo), bis heute. Aus dem gelehrten Latein der humanistischen Wissenschaft erwächst der Grundstode der Studentensprache: fidel,
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Kommers, Moneten, Prosit, Vivat, Pereat, Silentium, Sinesine, in die Allgemeinsprache ist Pros(i)t eingegangen. Scherzhafte deutsdx-lateinische Zwitterworte, sog. „makkaronisches" Latein sind: Pfiffikus, Schwachmatikus, Schwulität, Paukant, Exkneipe, Konkneipant. Da wird die griechische Adverbialendung -ikos beliebt; burschikos ist ein Rest davon. Die eigentliche „Burschensprache" bildet sich aber erst im 17. und 18. Jahrhundert aus, namentlich ah den Universitäten Jena, Halle, Gießen. Sie zeigt neben deutschen Ausdrücken, wie Fuchs, Frosch, Affe, Kater, foppen, pumpen, Moos „Geld" (einiges davon stammt aus dem Rotwelschen), auch mancherlei französische Anklänge des „galanten" Zeitalters: Blamage, Renommage, renommieren, Kontrahage, Kneipier, trist. Die Kanzleien jener Zeit sind in lateinischen Wörtern und Wendungen schwer zu verstehen, jedenfalls für das breite Volk rätselhaft: Akten, Aktuar, antizipieren, Archiv, Audienz, Auktion, authentisch, cito „schnell", Deputat, dispensieren, disponieren, Disposition, Distrikt, Exekution, Faktum, Familie, fingieren, Fiskus, general, gratis, inklusiv, insignieren, instruieren, Instruktion, Inventar, kassieren, Kautel, Klausel, Kommission, Konferenz, konform, Kontrakt, Konzept, Motiv, Nation, Residenz, Skrupel. Die Titel werden seit der Zeit Karls V. im amtlichen Stil stets lateinisch angeführt, z. B. Majestät (vorher hatte es deutsch Hoheit oder Gnaden geheißen), Monarch, Potentat, Regent, Exzellenz. Das römische Recht, dessen Vordringen im Kampfe gegen die volkstümlichen deutschen Rechtsanschauungen (vgl. § 14) uns Goethes Götz von Berlichingen (I. Akt) anschaulich schildert, brachte jene Flut des Juristenlateins, das erst in jüngster Zeit wieder durch eine allgemeinverständliche deutsche Rechtssprache abgelöst worden ist. Mit der Kam-
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mergerichtsordnung vom Jahre 1495 tritt das Corpus Juris in deutsches Rechtsleben ein. Von da an gelten in der deutschen Rechtssprache lateinische Fremdwörter wie: adoptieren, Advokat, Agnaten, Alimente, Amnestie, annullieren, appelieren, Appellation, Arrest, attestieren, Assessor, Delinquent, Exzeß, Hypothek, Injurie, inquirieren, insinuieren, Jura, Justiz, Kaution, Kodizill, konfiszieren, konfrontieren, legal, Legalität, protestieren, Prozeß. Nur die volkstümlichen Ausdrücke des Strafvollzugs bleiben deutsch: über einen den Stab brechen (alter Rechtsbraudi), brandmarken, Steckbriei, Henkersmahlzeit, Feuerprobe, radebrechen „die Glieder auf dem Rade brechen", sich wie gerädert fühlen. Daumschrauben ansetzen, und wie dies heute fast durchweg bildlich angewandten Wendungen lauten. Als man im 18. Jahrhundert immer stärker bis heute Rechtsverordnungen auch dem einfachen Volke verständlich abzufassen begann, suchte man nach gutem deutschen Wortschatz in den Mundarten. So kamen die ersten Mundartwörterbücher auf. Es sind Juristen, die in der Gegenwart auf klare deutsche Ausdrucksweise dringen und z. B. in solchen Bestrebungen des „Allgemeinen deutschen Sprachvereins" sich in die vorderste Reihe stellten. Aber die Sprache der Medizin soll nach dem Willen der Fachleute gerade nicht allgemeinverständlich sein, was dem Kranken schaden könnte. Von den Berufssprachen ist die der Buchdrucker, die ja der gelehrten Welt nahestehen (die ersten Druckergesellen waren oft verbummelte Studenten), durch die humanistische Fremdwörterflut entscheidend beeinflußt worden. Zwar ist das Grundwort der von Gutenberg um die Mitte des 15. Jahrhunderts aufgebrachten Kunst deutsch: drucken; kennzeichnend ist, daß dieser Fachausdruck bis heute seine oberdeutsche Lautform (drucken statt drücken) bewahrt hat. Die Druckerkunst ist in Süddeutschland erfunden und zu-
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erst ausgebreitet worden. Deutsche Fachausdrücke sind noch: Buchdrucker und Buchbinder (seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts), Buchhändler (dafür anfangs Buchiührer), verlegen, Verleger und Verlag (verlegen, ursprünglich die Kosten für den Druck eines Buches vorschußweise auslegen); setzen und Setzer, Schweizerdegen „Setzer, der auch drucken kann"; sowie einige Handwerksbezeichnungen für Satzfehler wie Hochzeit (doppelt gesetztes Wort), Leiche (fehlendes Wort), Zwiebelfisch (durcheinandergeratene Buchstaben), Fliegenkopl (verkehrt stehender Buchstabe), Spieß (mitgedruckter Ausschluß), Speck (leerer Raum im Satz). Sonst aber spricht der Drucker lateinische Fachsprache: Abbreviatur „Abkürzung", Alinea „Absatz", Autor, Divis „Teilungszeichen", Divisorium „Halteklammer", Exemplar, Faksimile, Format, illustrieren, Imprimatur „Druckerlaubnis", Initialen, Kolumne, korrigieren, Korrektor, Korrektur, Manuskript, Makulatur, Noten „Anmerkungen", Pagina, paginieren, Presse, Revision, Spatium, Tenakel „Manuskripthalter", Type; ferner die Namen der Formate, wie Folio, Quart, Oktav, Duodez, und der Letterngrade, wie Cicero, Corpus (zu denen allerdings später, durch das Übergewicht der Pariser Schriftgießereien, ein paar französische Bezeichnungen kamen, wie Colonel, Petit und Nonpareille). Die Handwerke erreichen im Zeitalter der Renaissance hohe Blüte auf künstlerischem und kunstgewerblichem Gebiet. Sie decken ihren Wortbedarf im wesentlichen mit heimischen Ausdrücken. Die Baukunst kennt zwar seit den Dombauten des Mittelalters eine Anzahl meist aus dem Latein stammender Fremdwörter, wie Abseite „Nebenraum der Kirche" (aus griech.-lat. absida), Erker (aus nordfranz. arquiere „Schießscharte"), Kapitell, zu denen im 16. Jahrhundert etwa noch Architekt, Architektur, Architrav, Fries usw. treten. Malerei, Schnitzerei, Erzgießerei und Gold-
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schmiedekunst aber kommen, wie die übrigen deutschen Handwerksspradien, großenteils mit muttersprachlichen Wörtern aus. Mancher gute Ausdrude ist damals üblich, der heute nicht mehr gebraucht wird, so wenn Albrecht Dürer von einer Tafel (Gemälde) oder einer Schilderei spricht. Die neu ausgebildete Lehre der Perspektive wird mit einem Fremdwort bezeichnet. Die Fremdwörter der italienischen Renaissancekunst aber dringen (am stärksten in der neuen Kunst der Opernmusik, vgl. §20) erst im 17. Jahrhundert in größerem Umfange ein. Die deutsche Dichtung, die sich in diesem grobianischen Zeitalter vielfach auf derbe Schwanke, bürgerliche Unterhaltung und politisch-religiöse Kampfliteratur beschränkt, kommt im allgemeinen mit heimischen Ausdrücken aus, erst gegen das Ende des 16. Jahrhunderts mehrt sich die Vorliebe für klassische Fremdwörter und, in immer zunehmendem Maße, für Ausdrücke französischer Herkunft. Wie stark die sprachschöpferische Kraft jenes Zeitalters noch immer war, ersieht man aus dem Wortschatz Fischarts, der das Deutsche in Wortspielen, Witzen und kühnen Neubildungen virtuos handhabt. Volksetymologien für die neumodischen Fremdwörter spielen dabei keine geringe Rolle, so wenn er maulhenkolisch für melancholisch, Piotengram für Podagra, Brotirission für Profession, affentheuerlich für abenteuerlich (dies selber schon volksetymologisierend aus franz. avenlure) bildet. Die Entdeckung der Neuen Welt und des Seeweges nach Indien bringt durch die damit zusammenhängende Bekanntschaft mit fremden Waren und Tieren manchen überseeischen Fremdausdruck ins Deutsche, z. B. Mais (um 1500 aus Haiti), Kaffee (1582, arabisch), Kakao (um 1550, mexikanisch), Ananas, Kanarienvogel, Kannibale, Orkan (beide ursprünglich karibisch), Bambus (malaiisch), Tabak.
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§ 19. Martin Luther und die neuhodideutsche Schriftsprache F. KLUGE, Von Luther bis Lessing (5. Aufl., Leipzig 1918). — K. v. BAHDER, Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache (Heidelberg 1925). — A. GÖTZE, Frühneuhochdeutsches Glossar (6. Aufl. Berlin 1960). — P H . DIETZ, Wb. zu Luthers deutschen Schriften. I. Bd. (A—F), 1870. — B. LINDMEYR, Der Wortschatz in Luthers, Emsers und Ecks Ubersetzung des Neuen Testamentes, 1899. — D. H. MALHERBE, Das Fremdwort im Reformationszeitalter (Diss. Freiburg i. B. 1906). — F R . LEPP, Schlagwörter des Reformationszeitalters, 1908. — C . FRANKE, Grundzüge der Schriftsprache Luthers, II. Luthers Wortlehre, 19142. — J. ERBEN, Luther und die Schriftsprache, in: „Dt. Wortgeschichte" I2,- SCHIROKAUER-STAMMLER, Frühneuhochdeutsch: Deutsche Philologie im Aufriß I2. Vor Luther: L. E, SCHMIDT, Entstehung und Struktur der „neuhochdeutschen Schriftsprache" I 1966. Als wichtigstes sprachliches Ergebnis der lutherischen Reformation muß im Zusammenhang dieser Schrift der Sieg des Deutschen über das Lateinische in der Kirchenund Büchersprache genannt werden. Die Wirkung Luthers kann dabei nicht hoch genug angeschlagen werden. „Niemand, der weiß, was eine Sprache ist, erscheine ohne Ehrerbietung vor Luther. Unter keinem Volke hat ein Mann so viel an seiner Sprache gebildet", sagt mit Recht Klopstock. Zwar ist Luther nicht, wie man früher angenommen hat, der Schöpfer der neuhochdeutschen Schriitsprache. Diese ist vielmehr hervorgegangen aus der Verkehrssprache der Siedler des dem Deutschtum neuerschlossenen ostmitteldeutschen Raumes. Als Sprache der kursächsischen Kanzlei hat Luther (Wittenberg I) die seiner Bibelübersetzung gewertet und ihr durch die weithin reichende Wucht seines Reformationswerkes entscheidende Förderung verliehen. Mitten in einer lateinsprachigen Zeit, mitten
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in dem Fremdwörterschwall der Humanistenwelt hat Luther diese neue deutsche Volkssprache literaturfähig gemacht. Schon ein Blick auf die Büchererzeugung jenes Zeitalters lehrt uns das. Während bis 1518 kaum mehr als 100 Bücher in deutscher Sprache jährlich in Deutschland erschienen, dagegen 90. v. H. aller gedruckten Bücher lateinisch waren, stieg ihre Zahl vom Jahre 1519 an, wo sie infolge von Luthers Auftreten schon 260 betrug, in der Mitte der 20er Jahre an 1000 heran. Freilich betrug im Jahre 1570 die Zahl der lateinisch abgefaßten Druckschriften immer noch etwa 70 v. H. der Gesamtheit; erst im Beginn des 18. Jahrhunderts sank sie auf 30 v. H., Ende des 18. Jahrhunderts auf 5 v. H. Im Jahre 1681 überwogen zum erstenmal die deutschen Bücher an Zahl die lateinischen. Dieser Sieg des Deutschen über das Latein zeigt sich auch darin, daß das Wort Muttersprache im Lutherzeitalter Geltung gewinnt und daß vom Ende des 16. Jahrhunderts an unsere Spräche vielfach den Ehrennamen „Haupt- und Heldensprache" erhält. Vgl. § 24 HENNE.
Was nun die sprachliche Auswirkung des theologischen Bereiches auf dem Gebiete des Wortschatzes betrifft, so ergibt sich, daß eine ganze Anzahl protestantischer Fachausdrücke in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind: Protestant und protestantisch selber sind freilich erst später allgemein üblich geworden (nach dem Reichstag zu Speyer 1529); der anfängliche Ausdruck war lutherisch. Evangelisch tritt seit 1520 als Schlag- und Parteiwort auf (zuerst evangelische Lehre). Ferner nehmen ihre heutige Verwendung an: Konfession (besonders seit der „Augsburgischen Konfession" 1530), Reformation und reformieren (die freilich auch im 15. Jahrhundert, dem Zeitalter der Reformkonzilien, schon viel gebraucht wurden), Kommunion, konfirmieren, Dissident, Kantor, Kultus, Konsistorium, Pastor, Superintendent usw. Meist sind es ältere kirchliche
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Fachausdrücke, die unter neuer Bedeutung und mit neuem Gefühlsgehalt volkstümlich werden. Daneben prägt das Zeitalter des Kirchenkampfes zahlreiche neue Schlagwörter, von denen allerdings heute nur noch ein Teil lebendig ist. Als Beispiele seien genannt: Martinisch, Eckisch, Freiheit, Evangelium, Ketzer, Bilderstürmer, Schwärmer, Schwarmgeist, Rottengeist, Antichrist, Papist, Romanist, Lutherischer (später Lutheraner), Zwinglianer. Auf Luther selber gehen Wortschöpfungen wie Feuereifer, Bubenstück, Lästermaul, Mördergrube, Wehklage, Wehmut zurück. Zahlreiche biblische Wendungen und Redensarten dringen durch die volkstümliche Bibelübersetzung Luthers, der bei der Wahl seiner Ausdrucksweise nicht die fremden Buchstaben, sondern die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt befragt hatte, in den allgemeinen Sprachschatz ein: jemand die Leviten lesen, Hiobspost, der ungerechte Mammon, Zeichen der Zeit, Stein des Anstoßes, mit Blindheit geschlagen, Krethi und Plethi, ein Dorn im Auge, Splitterrichter, mit fremdem Kalbe pflügen, im Schweiße seines Angesichts, ein Kind des Todes, Linsengericht, sein Licht unter den Scheffel stellen, sein Scherflein beitragen, mit seinem Pfunde wuchern, durch die Finger sehen, herrlich und in Freuden leben. Der kirchliche Zug der Zeit spiegelt sich in der Wahl der Vornamen. Während zunächst biblische und antike Namen bevorzugt werden z. B. Johannes, Martin, Thomas, Desiderius, Philipp, Sebastian, kommen in den folgenden Jahrhunderten (namentlich im 18.) religiöse Namen deutscher Bildung in Gebrauch: Fürchtegott, Ehregott, Traugott, Gotthold, Gottfried, Gottlieb. Erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts werden weltliche Vornamen wieder häufiger. Der „grobianische Geist", der dem Lutherzeitalter eigen ist und den auch Luther, ein Virtuose im Schimpfen, schätzt, greift zu derben Wortverdrehungen wie Dreck statt Dr. Eck,
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dagegen Luder statt Luther, Dreckental statt Dekretal, Jesuwider statt Jesuiter, in Schimpfwörtern wie Babylonische Hure, Teuielsmäuier, Teufelskinder, Teufelsgeschmeiß, Schlangenbrut, pestilenzisch Übel. Gegenüber der übermächtigen Fremdwörterherrschaft seiner Zeit verhält sich Luther gemäßigt. In seiner Prosa verschmäht er das Fremdwort nicht völlig; so kommen bei ihm etwa Majestät, Glorie, Pestilenz, Finanzen, Lektion, disputieren, Element, Exempel, fanatisieren, Artikel, Kapitel, Person häufig vor. Die Bibelübersetzung Luthers aber macht sich von den Fremdwörtern fast völlig frei. Während die Ubersetzung seines Gegners Eck noch die Fremdwörter prophetisieren, Fundament, Orient, Glorie, Ampel, Regent kennt, schreibt Luther dafür weissagen, Grund, Morgen, Herrlichkeit, Fackel, Herr. Auch Zwingli ist in seiner Sprache fast völlig fremdwortfrei. Die sprachliche Hauptbedeutung der Bibelübersetzung Luthers besteht darin, daß eine Anzahl ursprünglich mitteldeutscher Landschaftswörter, von denen einige erst aus dem Niederdeutschen ins Ostmitteldeutsche übernommen sind, in die Schriftsprache eingeführt werden und die entsprechenden oberdeutschen dadurch verdrängt haben. So sind Wörter mitteldeutschen Ursprungs: Götze (obd. dafür Abgott), Grenze (obd. Mark), beben (obd. bidmen), Pflaster (obd. Estrich), Lippe (obd. Lefze), harren (obd. warten), fühlen (obd. empfinden oder spüren), bunt (obd. gesprenkelt), fett (obd. feist), Pfuhl (obd. Teich), Ufer (obd. Gestad), Kahn (obd. Nachen), Hügel (obd. Bühel), Ziege (obd. Geiß), Splitter (obd. Spreiß), täuschen (obd. trügen), empören, ernten, freien, gehorchen, albern, lüstern, schüchtern, wichtig, Heuchler, Stachel, tadeln usw. Beruf in der Bedeutung „Amt, Stand" (vorher = Berufung) und Grund in der Bedeutung „Ursache" (vorher = Unterstes, Unterlage) gehen ebenfalls auf Luthers Sprachgebrauch zurück. Im Anfang
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Das Barockzeitalter und die alamodisdie Sprache
von Luthers Bibelübersetzung werden oberdeutsche Drucke vielfach mit einem Wortverzeichnis versehen. Es übersetzt die ungewohnten neuen Ausdrücke den süddeutschen Landsleuten in ihr heimisches Deutsch. Mit der Zeit sind die durch Luther eingeführten Wörter doch so allgemein üblich geworden, daß die Schweizer um 1600 sich anschließen. In manchen Teilen des deutschen Sprachgebietes hat es freilich noch lange gedauert, ehe der neue Wortgebrauch völlig durchdrang. Namentlich Niederdeutschland hat sich lange dagegen gesträubt. Zum rechten Sieg kam die Luthersprache erst, als die klassischen Dichter des 18. Jahrhunderts der auf Luthers Bibel zurückgehenden Literatursprache auch die künstlerische Weihe gaben. Eine völlige Vereinheitlichung des Wortschatzes ist allerdings im deutschen Sprachgebiet bis heute nicht eingetreten. Die Alltagsrede kennt zahlreiche landschaftliche Verschiedenheiten, so in den Berufsbezeichnungen der Handwerker, wie Fleischer, Metzger, Schlächter, Selchet oder Tischler — Schreiner, Klempner — Spengler, oder in Doppelungen wie Sonnabend—Samstag, Sahne—Rahm, Kohl—Kraut. Die landschaftliche Verteilung zeigen nunmehr Karten des Dt. Wortatlasses. Audi im Wortgebrauch der Dichtung, wo man etwa bei Dichtern österreichischer, schweizerischer oder niederdeutscher Herkunft landschaftliche Sonderheiten selbst in völlig mundartfreier Darstellung immer noch durchspürt (vgl. § 7). Und solche landsmännische Wortwahl kann sehr wohl gefallen.
Das Barockzeitaltei und die alamodisdie Sprache § 20. Der Wortschatz der Musik (Titel s. § 2) III, Kap. VI, 6. — W. F I E M M I N G in „Deutsche Wortgeschichte" II2 S. 1 f.; mit Angaben weiteren Schrifttums. F . SEILER
Der Wortschatz der Musik
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Im Mittelalter und bis ins 16. Jahrhundert hinein bestand ein ausgebildeter Fachwortschatz im allgemeinen nur für kirchliche Musik und kirchlichen Gesang (abgesehen von der wieder untergegangenen Ausdrudesweise des Meistergesangs). Die musikalischen Fachausdrücke stammen im wesentlichen aus dem Latein der katholischen Kirche (vgl. § 17). Eine eigentliche musikalische Fachsprache kommt erst um 1600 aus Italien, wo seit dem Ende des 16. Jahrhunderts die Oratorien- und Opernmusik aufblühte, ins Deutsche. Zahlreiche lateinische Lehnwörter der alten Kirchenmusik blieben bis in die heutige Musiksprache erhalten, z. B. Alt, Baß, Diskant, Tenor, Musik, Choral, Note, Harmonie, Rhythmus, Takt, Komposition, Komponist, Instrument, Orgel, Melodie, Kontrapunkt (aus diesem das Volkswort kunterbunt, ursprünglich vielstimmig). Die heutige Ausdrucksweise der musikalischen Kunst geht auf die italienischen Fremdwörter zurück. In voller Reichhaltigkeit hat das 17. Jahrhundert, ja zum Teil erst das 18., solche übernommen. Nur die einfachsten volkstümlichen Grundwörter der Musik sind von jeher deutsch: singen, spielen, blasen, Stimme. Selbst so volkstümliche Instrumente wie Leier, Laute, Fiedel, Harle, Geige tragen Namen, die (bereits im Mittelalter) aus dem Romanischen entlehnt sind. Die eigentlich technischen Fachbezeichnungen aber sind durchweg aus dem Italienischen übernommen. Als älteste Schicht italienischer Musikwörter, bereits im 16. Jahrhundert entlehnt, sind zu nennen: Kapelle, Sonate, Motette. Gegen 1600 setzt der italienische Zustrom, voll ein: Adagio, Allegro, Arie, Bariton, Bombardon, Bratsche, Finale, lorte, Fuge, Konzert, Oper. Im Anfang des 18. Jahrhunderts treten etwa noch dazu: Mandoline, Duett, Operette, Solo, Sopran, Violine, Violincello (später zu Cello verkürzt) und die zahlreichen Vortragsbezeichnungen wie accelerando, andante, piano, pianissimo, fortissimo, decrescendo. Neben
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den italienischen Ausdrücken wirken französische Fachausdrücke weiter: Fagott und Flöte (um 1600 aus dem Französischen), Hoboe (um 1700 aus Hautbois). Jüngeren Ursprungs sind Musikausdrücke wie Klavier, Taste (18. Jahrhundert), Pianoiorte und Piano (19. Jahrhundert). § 21. Die Heeressprache P. HORN, Die deutsche Soldatensprache (Gießen, 2. Aufl. 1905). — O. MAUSSER, Deutsche Soldatensprache (Straßburg 1917). •—• W. TRANSFELD Wort urid Brauch im deutschen Heer (Hamburg 1942). Eine eigentliche Fachsprache des Heerwesens hatte das Mittelalter noch nicht gekannt. Kampf und Kriegführung waren so sehr Sache der Allgemeinheit, daß die Ausdrücke dafür, wie Krieg, kämpien, Heer, Schlacht, Sieg, Wörter des allgemeinen Wortschatzes waren, soweit nicht das Rittertum französische Fachausdrücke dafür entlehnt hatte (vgl. §15). Mit dem Aufkommen der Söldnertruppen als Berufsheere im Ausgang des Mittelalters kommt nun eine wirkliche Fachsprache für alles Militärische, das dem früheren Kriegerischen gegenübersteht, auf, und ihre Ausdrücke sind zunächst meist französische Entlehnungen. So stammen Sold, Söldner, Rotte, Standarte (alle schon mittelhochdeutsch) aus dem Französischen, Kartaune (um 1475) und Soldat (nach 1500) aus dem Italienischen. Immerhin werden ältere heimische Ausdrücke neben den Fremdwörtern weiterbenutzt, z. B. Fähnrich, Hauptmann, oder neue gebildet, z. B. Feldwebel, Feldherr, Feldscher, Feldzeichen, Feldzeugmeister, Feldzug, Kriegsknecht, Landsknecht, Oberst, Wachtmeister, Zeughaus (alles Ausdrücke des 16. Jahrhunderts). Gefreiter, eine Lehnübersetzung von lat. exemptus „(vom Wachtdienst) befreit", kommt gleichfalls gegen Ende des 16. Jahrhunderts auf.
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Die Heeressprache
Neben diesen heimischen Ausdrücken gelangt seit dem 16. Jahrhundert und in noch zunehmendem Maße im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges eine bunte Masse fremder Militärfachwörter aus fast allen Sprachen Europas, entsprechend der bunt durcheinandergewürfelten Herkunft der Söldnerscharen jener Zeit, in die deutsche Heeressprache. Nicht immer sind diese Fremdwörter ihrer Herkunft nach auf eine bestimmte Sprache zurückzuführen. Es treten oft verschiedene romanische Sprachen in Wettbewerb. Neben das Französische treten als Ursprungssprachen vor allem das Spanische und das Italienische, wie denn spanischer Ursprung für einige Wörter selbst an der Lautform nachzuweisen ist (z. B. Brigade, Infanterie). Romanischen Ursprungs sind die folgenden Fachausdrücke der Heeressprache: Adjutant, Alarm (eigentlich der italienische Ruf all'arme „zu den Waffen", daneben die ältere Form Lerman, die zu Lärm eingedeutscht wird), Armee, Arsenal (ursprünglich arabisch, über Venedig ins Deutsche gedrungen), Artillerie, Bagage, Bajonett (nach der französischen Stadt Bayonne), Bande, Bataille, Bataillon, Batterie, blockieren, bombardieren, Bombe, Bresche, Brigade, Chef, Defensive, defilieren, Deserteur, desertieren, Division, Dragoner, Epaulette, Eskadron, Etappe, exerzieren, Flanke, Fort, Front, Furage, furagieren, Füsilier, Galopp, galoppieren, Gamasche, Garde, Garnison, General, Granate, Grenadier, Gros, Infanterie, Ingenieur (ursprünglich „Festungsbaumeister"), Kaliber, Kamerad, Kanone, Karabiner, Karree, Kartusche, Kasematte, Kaserne, Kavallerie, Kommandant, kommandieren, Kommando, Kommiß, Kompanie, Kornett, Korporal, Korps, Küraß, Kürassier, Leutnant, Major, Marketender, Munition, Offizier, Palisade, Parade, Pardon, Parole, Patrone, Patrouille, Pionier, Ronde, Sergeant, Spion, Train, Truppe u. a. Sdiirmer, Deutsche Wortkunde
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Neben diesen Wörtern romanischer Herkunft kommt aber durch die Türkenkriege und durch die Teilnahme östlicher Völkerschaften am Dreißigjährigen Krieg auch eine Anzahl slawischer und orientalischer Ausdrücke in die deutsche Heeressprache, so etwa: Attila „Husarenjacke" (ungarisch), Dolman „Husarenpelz" (türkisch), Haubitze (tschechisch, seit den Hussitenkriegen), Horde (türkisch), Husar (ungarisch, über das Slaw. aus got. hansa .Gefolgschaft', s. KLUGE Wb.), Kaipak „Husarenpelzmütze", Litewka (polnisch), Pallasch (türkisch), Pandur, Pekesche (polnisch), Säbel (ungarisch oder polnisch), Schabracke (türkisch), Tschako (ungarisch), Ulan (polnisch). Wahrscheinlich aus dem Schwedischen ist im Dreißigjährigen Krieg Flinte (schwedisch flinta „Feuerstein") entlehnt worden. Dies Übermaß an Fremdwörtern, das schon im 17. Jahrhundert bewegliche Klagen deutschgesinnter Sprachfreunde hervorgerufen hat, ist trotz aller Änderungsversuche großenteils bis in die Heeressprache der Gegenwart erhalten geblieben. Erst in jüngster Zeit sind erfolgreiche Verdeutschungen eingeführt worden, so Oberleutnant statt Premierleutnant, Fahnenjunker statt Avantageur, Gelände statt Terrain, Wecken statt Reveille, Spähtrupp statt Patrouille. Die amtliche Fachsprache des Heeres hat ältere deutsche Ausdrücke neu belebt (Schützengraben, Unterstand, Verhau, Stellung) oder neue Dinge mit heimischen Namen benannt (Kampi- oder Panzer[wagen] statt des englischen Tank, Kamplilieger, Abwehrschlacht). § 22. Rotwelsch und Feldsprache F. KLUGE, Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen. I. Rotwelsches Quellenbuch. Straßburg 1901 [mehr nicht erschienen]. AVE-LALLEMANT, Das Deutsche Gaunerthum in seiner social-
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Rotwelsdi und Feldsprache
politischen, literarischen und linguistischen Ausbildung zu seinem heutigen Bestände. Bd. 1—4. Leipzig 1858—62. — H. P. A i t H A U s , Landsknechtssprache und Rotwelsch in Schlesien in: Jb. f. ostdt. Volkskunde 7 (1962/63), 66 ff. — Weiteres s. § 7. Neben der Heeressprache, der sachlichen Benennung militärischer Fachbegriffe (vgl. § 21), entwickelte das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges auch eine Soldatensprache als Sonder- und Geheimsprache. Sie gibt militärische, auch Alltagsbegriffe mit Sonderausdrücken wieder. Diese „Feldsprache" trägt stark rotwelsche Züge (vgl. §7). Zwischen Landsknechten und fahrenden Leuten gab es wenig Unterschied. Vielfach wurden Rotwelsch und Feldsprache synonym gesetzt, so von dem Schlesier Wencel Scherffer (Geist- und Weltlicher Gedichte Erster Teil, Brieg 1652, 420) : Teutsche Ordonantz vermischt mit gewöhnlicher Feld- oder Rotwälschen Spraache. Mit dem Bettlerkapitel in Brants Narrenschiff (1494) zieht das Rotwelsch in die deutsche Literatur ein. Daneben erscheinen seit 1510 unter dem Titel Uber Vagatorum „Buch der Fahrenden" verschiedene Ausgaben eines Ratgebers für den Umgang mit Bettlern und anderem Gesindel, die jeweils ein Glossar rotwelscher Ausdrücke enthalten. Mit solcher Tendenz hat Luther 1528 das Büchlein unter dem Titel Von der falschen Betler buberey neu herausgegeben (Weim. Ausg. I, Bd. 26 [1909] 634). Mit dem Rotwelsch und der Feldsprache beschäftigen sich dann u. a. Gengenbach und Moscherosch. Als Philologe gibt sich Hoffmann von Fallersleben damit ab. Trotz der reichhaltigen Uberlieferung in literarischen Zeugnissen hat sich davon kaum etwas bis in die Soldatensprache der Gegenwart gehalten. Diese ist vielmehr eine Neuschöpfung des Zeitalters der allgemeinen Wehrpflicht und beruht in ihrer bilderreichen, oft humorvoll gefärbten Mannigfaltigkeit auf der allgemeinen Umgangssprache, zum Teil auch T
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auf mundartlichem Wortschatz. Immerhin haben sich einige aus der Feldsprache stammende Wörter und Redensarten wie abgebrannt (= ohne Geld), hellei Hauien, Vorteil (eigentlich vorweggenommener Beuteanteil), Spießruten laufen, Fersengeld geben, unsicherer Kantonist, aufs Korn nehmen als bildliche Wendungen in die Gemeinsprache gerettet. Aus Moscheroschs Glossar ist nur noch Moos „Geld" und foppen „necken" bekannt, aus älterem Rotwelsch weiterhin Ranzen, schäkern (wie foppen ursprünglich „lügen, betrügen"), schwänzen, Stromer. § 23. Der alamodisdie Fremdwortunfug und die Sprachgesellschaften F. SEILER (Titel s. §2) Bd. III, IV. — K. HECHTENBERG, Fremdwörterbuch des 1 7 . Jahrhunderts (Berlin 1 9 0 4 ) . — F. SCHRAMM, Schlagworte der Alamodezeit (Straßburg 1 9 1 4 , ZfdW. XV, Beiheft). — P . SCHEID, Studien zum spanischen Sprachgut im Deutschen (Greifswald 1 9 3 4 ) . — E . ENGEL, Deutsche Sprachschöpfer (Leipzig 1 9 1 9 ) . — H. HARBRECHT (Zesen) in der ZfdW. XIV 7 1 . — P . P I U R , Studien zur sprachlichen Würdigung CHRISTIAN W O L F F S (Halle 1 9 0 3 ) . — W. FLEMMING, Barock „Deutsche Wortgeschichte" II2, vgl. §20.
Die alamodische Zeit ist, wie das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, in der Kulturgeschichte nach seiner Bevorzugung der „welschen" Moden benannt. Es setzt die Fremdwörtereinfuhr des Humanistenzeitalters fort. Nur sind es jetzt weniger lateinische Ausdrücke, obgleich auch die Vorliebe für diese kaum wesentlich zurückgeht. Es sind vor allem Wörter romanischen, namentlich französischen Ursprungs. Diesmal sind es nicht die gelehrten, sondern die höfisch-gesellschaftlichen Kreise, die in ausgedehntem Maße französisch (daneben auch italienisch oder, wie in Wien,
Der alamodisdie Fremdwortunfug
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spanisch) reden und die deutsche Sprache, soweit sie diese überhaupt noch handhaben, mit fremdsprachigen Wörtern durchsetzen. Es ist aber nicht richtig, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, wo dies Unwesen wucherte, allein dafür verantwortlich zu machen. Vielmehr setzt die Überflutung mit romanischen Fremdwörtern schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts ein. Was in jener Zeit an solcher Wortmode in der Sprache üblich und möglich war, zeigt etwa ein Brief Wallensteins über seine Abweisung von Gustav Adolfs Angriff bei Nürnberg: „Das combat hat von frühe angefangen und den ganzen Tag caldissimanente (ital. = hitzig) gewährt. Alle Soldaten Ew. Kaiserl. Armee haben sich so tapfer gehalten, als idis in einer occasion mein Leben lang gesehen, und niemand hat einen fallo (ital. = Fehl) in valor (ital. = Tapferkeit) gezeigt. Der König hat sein Volk über die Maßen discoiagiit (entmutigt), daß er sie hazardosamente (span. = auf gut Glück) angeführt, daß sie in vorfallenden Occasionen ihm desto weniger trauen werden. Ew. Majestät Armee aber, indem sie gesehen, wie der König repussirt (franz. = zurückgewiesen) wurde, ist mehr denn je assekurirt (sicher gemacht) worden". Es sei als Zeugnis für alamodisdie Ausdrucksweise noch der Anfang eines Liebesbriefes wiedergegeben, wie ihn Rist in der „Rettung der Edlen teutschen Hauptsprache" (1642) abdruckt: A Tresnoble Damoiselle Adelheit von Ehrenberg, ma treschere maitresse. Meine allerliebste Dame, die große periection, womit der Himmel selber euwre glorificirte Sehle hat erfüllet, zwinget alle amoureuse Cavailiers, daß sie sich für euwrer hochwürdigen grandesse humliijren und alß unterthänigste gehorsamste Schlaven zu den ScabeUen (= Schemeln) euwrer prächtigen Füeße nieder legen. Sie perdonnire mir, allerschönste Dame, daß ich die hardiesse (= Kühnheit) gebrauche, mich jren allerunterthänigsten
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Das Barockzeitalter und die alamodisdie Sprache
Serviteur zu nennen: Der grimmige Amor, welchem zu resistiren keine einzige Cieatui bastandt ( = fähig) ist, hat mich mit einem solchen TituI und Nahmen schon lengst piivilegiiet, deme sich zu opponiien ich mich viel zu schlecht und gering erkenne." Die Anrede wird also in jener Zeit durchaus französisch (Monsieur, Madame, Mademoiselle [daraus gekürzt Mamsell], Baron, Baronesse usw.). Komplimente macht man sich auf französisch, und wenn der modische Kavalier flucht, so wählt er sogar dafür diese Sprache. Selbst die alltäglichen Verwandschaftsnamen Vater, Mutter, Oheim, Muhme, Vetter, Base werden in dieser Zeit durch die französischen Bezeichnungen Papa, Mama, Onkel, Tante, Cousin, Cousine ersetzt, ein Gebrauch, der bis heute weiterlebt. Besonders häufig verwendet werden Wörter, die geradezu Schlagwortcharakter annehmen: Mode, nach der Mode oder meist ä la mode, alamodisch, Alamodist, brav, exzellent, nett, nobel, Dame, Demoiselle, Kavalier, Galan (aus dem Spanischen), galant, Favor, Courtoisie, Pläsir, karessieren, Kompliment, Mätresse „Geliebte", Reputation, Splendeur, Estime. Der Ausdruck Pöbel, schon im Mittelalter in der Bedeutung „Volksmenge" (vgl. engl, people .Volk') aus dem franz. peuple übernommen, wird von diesem Zeitalter an nur noch in geringschätzigem Sinne gebraucht. Man könnte im übrigen ein ganzes Wörterbuch zusammenstellen, wenn man die in jener Zeit in das Deutsche überflutenden Fremdwörter aufzählen wollte. Vieles hat davon nur vorübergehende Bedeutung gehabt. Es hat sich beinahe die Hälfte der damals aufgenommenen Fremdwörter bis heute gehalten. Ein paar Übersichten mögen die Gebiete des Gesellschaftslebens zeigen, die sich besonders ans Französische anschlössen. Wohnungswesen und Garten: Galerie, Loge, Fassade, Balkon, Nische, Kuppel, Terrasse,
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Stuck, Korridor, Garderobe, Kabinett, Salon, Etage, Alkoven, Hotel, Palais, Möbel, Sofa, Schatulle, Bülett, Tasse, Karatte, Gardine, Allee, Boskett, Rondell, Fontäne, Bassin, Grotte, Spalier, Rabatte (und wie die Fachausdrücke für die Ziergärten im Lenötregeschmack alle heißen). Tracht und äußeres Aussehen: Mode, Kostüm, Taille, Robe, Weste, Korsett, garnieren, Agraffe, Perücke, Puder, pudern, Pomade, frisieren, Frisur, Toupet, Parfüm, Teint. Bis heute sind infolgedessen die Fachausdrucke des Bekleidungsgewerbes und der Schönheitspflege im wesentlichen französisch. Im 19. Jahrhundert ist für die Männerkleidung der Einfluß Englands dazugekommen (vgl. § 29). Mahlzeiten, Essen und Trinken: tranchieren, servieren, Serviette, Service, Kuvert, delikat, Delikatesse (in diesem Sinne unfranzösisch), Frikassee, Ragout, Kotelette, Karbonade, Omelette, Sauce (älter Salze), marinieren, Poularde, Prünelle, Bouillon, Gelee, Kompott, Konfitüre, Marmelade, Torte, Biskuit, kandieren, Limonade usw. In der Kochkunst hat der französische Einfluß besonders nachhaltig gewirkt. Die Speisekarte der vornehmen Küche ist bis in die Gegenwart großenteils französisch geblieben. Andere Länder haben nur wenig beigesteuert (Italien etwa Salami, Makkaroni, Cervelatwurst, Mortadella; England: Roastbeef, Beefsteak, Rumpsteak und Pudding), deutsch blieben die einfachsten Grundwörter. In letzter Zeit ist die deutsche Speisekarte weiterhin wieder deutschsprachig geworden. Die Ausdrücke für die Vergnügungen und Lustbarkeiten der höfischen Gesellschaft sind durchweg französisch oder italienisch: Pläsir, amüsieren, Ballet, Ball, Menuett, Quadrille, Maske, maskieren, Maskerade, Redoute, Illumination, Karussell,
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Promenade, Kavalkade, galoppieren, Parforcejagd, Meute, dressieren, apportieren, Hasard, basta (ital. Ausdruck des Spiels), Pikett, Solo, Lomber, Atout, Billard, Scharade usw. Französisch, (oder lateinisch) sind die Ausdrücke der Fechtkunst Florett, Prime, Sekunde, Terz, Finte, parieren, Duell, duellieren, Sekundant, sekundieren, ferner viele Ausdrücke des gesellschaitlichen Reisens und Kunstsammelns, da ja jeder junge Mann von Stand seine „Kavalierstour" durch die Residenzen Europas machte: Kuriositäten, Raritäten, inkognito, Hotel, Chaise, Equipage, Route, Tour, retour. Namentlich aber sind die Fachwörter derjenigen Künste und Handwerke, die für die galante Gesellschaft arbeiten, französisch oder italienisch: Tapezierer, Gobelin, Karton, Barock, Rokoko, Kolorit, Skizze, Prospekt, Profil, Kontur, Porträt, Fresko, tuschen, Palette, Draperie, Statue, furnieren, lackieren, Porzellan, Fayence, Email, Bronze, Facette, ziselieren, gravieren, Plüsch, Brokat usw. Hierher gehören auch die Fachausdrücke der Musik (vgl. § 20). Besonders stark werden Fremdwörter weiterhin im Bereich des Theaters und der Oper, der Reitkunst, der Diplomatie beibehalten. Mit dem neu erwachenden Gefühl für eigenes Volkstum und deutsche Kultur treten Gegner solcher Überfremdung des Wortschatzes auf den Plan. Johann Lauremberg verspottet im dritten seiner plattdeutsch abgefaßten „Veer Schertz Gedichte" (1652) die alamodischen Ausdrücke und Titel. Der Schlesier Friedrich von Logau greift in scharfen Sinngedichten die Sprachverderber an. Für die Reinigung der Muttersprache kämpfen nun die Sprachgesellschaften, von deren Mitgliedern Harsdörffer, Zesen und Schottel eine besondere Erwähnung verdienen. Sie haben unserer Sprache manche treffliche Verdeutschung geschenkt. So stammen von H A R S D Ö R F F E R : Aufzug statt Akt (im Drama),
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beobachten statt observieren, Briefwechsel statt Korrespondenz, Fernglas statt Teleskop, Irrgarten statt Labyrinth, Lehrart statt Methode; von ZESEN: Anschrift statt Adresse, Augenblick statt Moment, Blutzeuge statt Märtyrer, Bollwerk statt Bastion, Bücherei statt Bibliothek, Feldmesser statt Geometer, Gesichtskreis statt Horizont, Grundstein statt Fundament, Jahrbücher statt Annalen, lustwandeln statt spazieren, Nachruf statt Nekrolog, Sinngedicht statt Epigramm, Statthalter statt Gouverneur, Vollmacht statt Pienipotenz und zahlreiche andere. Auf SCHOTTEL, der einige treffliche grammatische und lexikalische Werke geschaffen hat (vor allem die „Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubt-Sprache" , 1 6 6 3 ) gehen namentlich wohlgelungene Verdeutschungen der sprachwissenschaftlichen Fachausdrücke zurück, wie Mundart, Sprachlehre, Wörterbuch, Wortforschung, Geschlechtswort, Hauptwort, Zahlwort, Zeitwort, Strichpunkt (statt Semikolon), dazu Tunke statt Sauce, Lustspiel und Trauerspiel für Komödie und Tragödie, Jahrhundert statt Säkulum usw. Auch der Philosoph LEIBNIZ trat in seinen „Unvorgreiflichen Gedanken" ( 1 6 9 7 ) nachdrücklich für die Reinigung der deutschen Sprache ein. Das Deutsche löste unter dem Einfluß von Männern wie CHRISTIAN THOMASIUS und CHRISTIAN W O L F F das Lateinische als Sprache der Wissenschaft allmählich ab. Die deutsche Fachsprache der Philosophie geht im wesentlichen auf Wolff zurück, der Ausdrücken wie Aufmerksamkeit, Bedeutung, Bewußtsein, Verständnis ihren heutigen Sinn gab. § 24. Die Dichtersprache der Barockzeit Vgl. H. SPERBER, Die Sprache der Barockzeit (Zschr. f. Dtschkunde 1 9 2 9 , 6 7 0 ) . K . BROSSMANN, Hofmann von Hofmannswaldau, eine Studie über die schwülstige Schreibart ( 1 9 0 0 ) . W. FLEMMING, in: „Deutsche Wortgeschichte" I I 2 .
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Das Barockzeitalter und die alamodische Sprache
A. LANGEN, in: „Deutsche Philologie im Aufriß" I 2 . H . HENNE, D. Problem d. Meißnischen Dt. i. 18. Jh., ZMafg. 1968 S. 96; ders., Dt. Lexikographie u. Sprachnorm i. 17. u. 18. Jh., in M I T Z K A , Wortgeographie u. Gesellschaft 1968. Die Dichtung dieses Zeitalters ist nicht derartig stark von Fremdwörtern durchsetzt wie die Sprache der alamodischen Gesellschaft. In der Lyrik, der ein gutes Teil der Dichtung (namentlich der aus M A R T I N OPITZENS Schule) galt, verbot sich die übertriebene Anwendung von Fremdwörtern aus künstlerischen Gründen; zudem stehen manche Dichter (Opitz, Logau, Gryphius) der sprachreinigenden Bewegung der Sprachgesellschaften nahe. Zesen beweist den „Glanz der Haupt- und Heldensprache" durch die Verwendung kühner Neubildungen in seinen Romanen. Dagegen zeigen viele Dichter dieses Zeitalters, namentlich die der sog. zweiten Schlesischen Schule, sprachliche Unnatur durch den prunkvoll überladenen Wortgebrauch des sog. Schwulstes, so wenn statt „Mond" gesagt wird „der Sonne Kammermagd", statt „Ochse": „der Kühe lieber Mann", statt „Brust": „das Zeughaus süßer Lust", statt „Purpur": „Schneckenblut", statt „Perle": „Muschelkind". Man bevorzugt ungewöhnliche Beiwörter, z.B. „gläserne Gewässer", „gesalzene Zähren", „schwarze Sterne". Gern verwendet v/erden Namen für starke Duftstoffe, z. B. Ambra, Bisam, Aloe, Zibet, Myrrhe, Balsam; ferner sind Lieblingswörter: Alabaster, Kristall, Marmor, Koralle, Granat, Rubin, Purpur, Nektar, Honig, Koloquinte, Salran, Manna, Jasmin, Palme, Löwe, Rose und Dorn, die zu zahlreichen kühnen Bildern und spitzfindigen Vergleichen herhalten müssen. Wörter des religiösen Begriffskreises wie göttlich, Opfer, (aui)oplern werden auf Weltliches übertragen. In der Anrede von Höhergestellten liebt diese titelsüchtige und komplimentierfreudige Zeit Beiwörter wie höchstgeneigt, hochberühmt, hochwert, nennt einen Dichter freigebig „unseren
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Phöbus", einen Redner „unseren Cicero", während der Schreiber selbst seine Persönlichkeit hinter der Formel „meine Wenigkeit" versteckt. Ungewöhnliche Wortbildungen und Zusammensetzungen werden gewagt: Nektarlippen, Lilienbrüste, Zinnobermund, Gunstmagnet, Augenstrahl, Wollustgluten, jammerreich, goldgekämmtes Haar, loderndhell, schimmerndlicht, hochmäditiggroß, schneegebirgt. Die verstandesmäßig klügelnde Art dieser Dichtungen liebt abstrakte Hauptwörter auf -ung: Danksagung, Verfinsterung, Voraugenstellung, Herzunahung; auf -nis: Bildnis, Verwundet nis, Gleichnis; auf -heit und -keit: Dienstbarkeit, Dienstwilligkeit, Zärtlichkeit. Wenn auch viele von den Neubildungen dieser Dichtersprache heute wieder untergegangen sind (z. B. Wortungeheuer wie Allengefallenheit, Lasterlleckmal), so ist ein wesentlicher Zweck doch erreicht worden: das deutsche Wort hatte die Kraft für die hohen Leistungen der hernach aufblühenden klassischen Dichtung und Wissenschaft gewonnen. Aus der volksnahen Sprache des 16. Jahrhunderts ist im Barockzeitalter unter der Einwirkung der romanischen Renaissancedichtung, dann aber der Sprache des Herzens im Pietismus das Sprachwunder für die gefühlsmäßige Dichtung Klopstocks, die kristallklare Prosa Lessings, der Zauber der Lyrik Goethes, die dramatische Sprachgewalt Schillers geboren worden.
Die Sprache des klassisdien Zeitalters § 25. Die Sprache der klassisdien Dichtung des 18. Jahrhunderts P. FISCHER, Goethe-Wortschatz 1929; ein Goethe-Wörterbuch wird bei der Deutschen Akademie in Berlin vorbereitet. Älteres und neues Schrifttum nennen zur Sprache von Gottsched, Bodmer, Breitinger, Klopstock, Leibniz, Moser;
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Brockes, Bürger, Geliert, Gleim, Hagedorn, Haller; Wieland, Lessing, Herder, Goethe (der junge, der alte), Schiller, Kant u.a.: F. KAINZ, Klassik und Romantik. — A. LANGEN, der Wortschatz des 18. Jahrhunderts; beides in „Deutsche Wortgeschichte" II2; in: „Deutsche Philologie im Aufriß I2. Das Zeitalter der Aufklärung, das den geistigen Nährboden für das Aufblühen der Dichtung des 18. Jahrhunderts schafft, entwickelt eine scharfgeschliffene Ausdrucksweise für die Begriffe der Weltanschauung und Kunstlehie. Selbständig beurteiltes Vorbild bleibt das Französische, wie ja das Schrifttum Frankreichs das der deutschen Aufklärung vielfach beeinflußt hat. Antike Entlehnungen bezeugen die Weitherzigkeit freier Wortwahl. Von vortrefflichen deutschen Fachwörtern erlangen viele weitreichende schlagwortartige Bedeutung. Dazu gehören: Aufklärung, aufgeklärt, vernünftig, voraussetzen, wahrscheinlich, Weltbürger, Weltgeist, Freidenker, Freigeist, Denkfreiheit, Menschenliebe, empfinden, Empfindung, Geschmack (im bildlichen Sinne von Kunstdingen erst seit Winckelmann), Schöngeist usw. Wichtige von gemeinsamer abendländischer Kultur zeugende Fremdwörter dieses Zeitalters sind z. B. Toleranz, Humanität, Esprit, Grazie, Ideal, idealisieren, Publikum, Stil, Stilist. Die Literaturwissenschaft bildet eine vielseitige Fremdsprache aus (z. B. Ballade, Epos, Elegie, Idylle, Hymne, Lyrik). Die Kunstgeschichte führt Fremdwörter wie Gemme, Genre, Antike, Dillettant ein. Das Theater entwickelt eine geschlossene Berufssprache (Akteur, Regie, Regisseur, soufflieren, Kulisse, Statist usw.). In der Dichtung trat GOTTSCHED, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts das deutsche Kunstleben beherrschte, gegen den Schwulst und Fremdwörterüberfluß des vorhergegangenen Jahrhunderts auf („Grundlegung einer deutschen Spradikunst" 1752) und prägte dafür das Schlagwort Bombast. Indem er Deutlichkeit und Klarheit als Ideal der
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Sprache hinstellte, half er die Sprache unseren Klassikern bereitzustellen. Zu seinen Lieblingswörtern zählen Anmut, anmutig, Art und artig-, daneben prägt er eine große Menge von Neubildungen (allerdings meist Zusammensetzungen bekannter Wörter, z. B. letzte Hand, Lehrerstand), erneuert auch eine Anzahl älterer Ausdrücke. Durch die Schweizer Dichter, besonders HALLER, werden einige ursprünglich schweizerische Mundartwörter literaturfähig, z. B. Abbild, Abhang, Schutz- und Trutzbündnis, staunen, Unbill. Weitere Schweizer Wörter haben W I E L A N D (Z. B. abschätzig, Augenschein, entsprechen, Heimweh) und vor allem SCHILLER im „Teil" (z. B. Ammonshorn, anstellig, Fluh, Föhn, Lawine, tagen, Wildheuer) in die deutsche Allgemeinsprache eingeführt. Besonders stark war KLOPSTOCKS Einwirkung auf den Wortschatz. Schon Herder hat die „Schöpfermacht" Klopstocks betont, der „die Sprache seiner Zeit notwendig für sich zu eng finden mußte" und mit dem „auch in der Sprache eine neue Zeit anfängt". Der Klopstocksche Wortschatz ist erstaunlich reich und von bewundernswerter Bildsamkeit. Klopstodc wählt sorgfältig die edelsten und nachdrücklichsten Wörter, sog. „starke" Wörter, wie er sie in Ubereinstimmung mit dem Schweizer Breitinger nennt. Er sucht also den Wörtern die volle Kraft ihrer Bedeutung zu geben. Deswegen schöpft er, wenn ihm der Wortgebrauch seiner Zeit den treffenden Ausdrude nicht gibt, aus dem Sprachschatz vergangener Jahrhunderte (bis in die altdeutsche Dichtung zurück, die er kennt). Aus dem gleichen Grunde bekämpft er die Fremdwörter, will aber auch die landschaftlichen Ausdrücke aus der Poesie verbannt wissen. Vor kühnen Neuerungen schreckt er nicht zurück. Ein Lieblingswort seiner Jugend ist ätherisch, ferner strömen, das er seit dem Beginn der 50er Jahre in allen möglichen Zusammensetzungen (be-, durch-, ent-, ver- usw.) gebraucht. Weiter
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liebt er die Wörter brünstig, zärtlich, donnern, eisern (Beiwort für alles, was mit Krieg zusammenhängt), seraphisch, jauchzen, jubilieren, Myriade, Deutschheit, wandeln, schauen, den Ruf Heil! Die Ausdrucksweise des Gefühls und der Empfindung ist durch Klopstock wesentlich bereichert worden, z. B. empfindungsvoll, entzückungsvoll, seelenvoll, Wehmut, wehmütig, weinen (mit zahlreichen Zusammensetzungen). Klopstock wählt gern das einfache Zeitwort statt des zusammengesetzten, um der Rede Kraft zu geben: schrecken, decken (statt bedecken), schatten (statt umschatten), dorren, fertigen-, er schafft eigene Zeitwortbildungen, wie äugeln, kleinein, kunstwörteln, die zusammengebirgten Gestade. Kurze weibliche Hauptwörter auf -e zieht er denen auf -heit vor: Bläue, Frische, Frühe, Irre, Süße, Schöne, Weiße, Röte. Wörter auf -ung jedoch treten recht häufig bei ihm auf (Ähnlichung, Einung). Männliche Hauptwörter auf -er, die er wegen ihres tätigen Ausdrucks sehr liebt, bildet er in großer Zahl neu, z. B. Allvollender, Donnerer, Krittler, Zukunitswisser. Ungewöhnliche Zusammensetzungen wendet er an, namentlich mit Partizipien, z. B. flammenverkündend, schnellherschmetternd, blütenumduitet, bangzerrungen, wahnsinnstrunken, weisheitsverlassen. Besonders zahlreich sind seine Zusammensetzungen mit -gesang, -lied, und Todes-. Auch dreifache Zusammensetzungen wagt er: Bardenliedertanz, Sphärengesangeston. Unter den Schöpfern der neuen Dichtersprache, dazu aber auch der wissenschaftlichen, kritischen Prosa ist auch L E S S I N G zu nennen. Er hat sich vielfach kritisch mit den Mitteln der Sprache beschäftigt, auf gute alte Wörter hingewiesen, die der Vergangenheit entrissen zu werden verdienten, und zu Logaus Dichtungen, aus denen er Wörter wie Besonnenheit, herzlich, Unzahl, Wegelagerer empfiehlt, ein kurzes Wörterbuch zusammengestellt. Als neue Wörter seiner Zeit empfindet und gebraucht Lessing: aufklären,
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Aulklärung, bemitleiden, Bildung, empfindsam, gemeinsam, Kultur, Liebchen, Maßregel, rührend, staunen, Tatsache, weinerlich, zerstreut. W I E L A N D , der anfangs einer Fremdwörtervorliebe huldigte, schätzte später eine bewußte Fremdwortverdeutschung, bei der er sich an die oft etwas engstirnigen, aber durch ihre Folgerichtigkeit schließlich doch erfolgreichen Schriften und Wörterbücher des Sprachreinigers J. H. C A M P E (vgl. § 6) anschloß. Wieland verdanken wir den Sieg von Verdeutschungen wie entziffern statt dechiffrieren, Freistaat, Staatsbürger, Trugschluß, Weltall; Campes im Anfang viel verspottete Verdeutschungen gehen in die Hunderte, als besonders glücklich seien genannt: Zerrbild (Karikatur), Beweggrund (Motiv), Zartgefühl (Delikatesse), gegenständlich (objektiv), Bannware (Konterbande), Eilbote (Kurier), Stelldichein (Rendezvous), Sternwarte, Fallbeil, Festland, Dienstalter. Auf H E R D E R gehen Ausdrücke wie Volksseele, Volkslied, das Selbst, Humanität, Heldenstolz, traumhaft, Verhimmelung, Richtlinie, abschatten, Anschauüchmachung, Befremdnis zurück. Zahlreiche neue Zusammensetzungen (besonders mit All-, un-, Wort-) führt er in die Sprache ein. Die Anakreontiker schwärmen mit Ausdrücken wie Elysium, Grazien, Charitinnen, munter, Wollust, zärtlich, Zephir, Weihrauch, süß, gaukeln, wiegen, Triebe. Die Stürmer und Dränger der 70er Jahre greifen zu Kraftwörtern wie Genie, Originalgenie, Kraftgenie, genial, original, originell, dämonisch, schöpferisch, hochsinnig, Vollkraft. GOETHE hat den deutschen Wortschatz aufs nachdrücklichste beeinflußt. In seinen frühesten Dichtungen schätzt er die Lieblingswörter der Anakreontik, z. B. munter, Lust, Trieb, zärtlich, seufzen, küssen, Tal, Hain, Bach, Busen, Zephir, Weihrauch, gaukeln, rosenfarben; dann schätzt und bereichert er den Wortschatz des Sturmes und Dranges. Ein Lieblingswort des jungen Goethe ist dumpf (und Dumpf-
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heit; Gegensatz: Klarheit), daneben Dust. Weitere von Goethe bevorzugte Ausdrücke sind: Behagen, behaglich, bedeutend, heiter, rein und reinlich, stetig und Stetigkeit, Gegenwart, Freiheit, die Menge, der Kreis, das Stille, verrucht, Zustand, Wesen, beschränken, bedingen, begrenzen, streben, steigen, Vollendung, Typus, vorzüglich, außerordentlich, würdig, tüchtig, trefflich, absurd, problematisch, widerwärtig, Forderung, leidenschaftlich. Die Verinnerlichung der deutschen Dichtersprache der Klassikerzeit gewinnt höchsten Rang. Von Wörtern, die Goethe durch seinen Gebrauch durchgesetzt hat, seien genannt: Aar (Wiederbelebung eines älteren Wortes), ähneln, ahnen, banal, Belletrist, Christbaum (im Werther), Christkindchen, Degen, Frack, Katzenjammer, Rätsel, Wahlverwandtschait, 'Weltkind, Weltliteratur (1827). Auch Thüringer Mundartwörter wie gütlich „ziemlich groß" und kauzen „kauern", nimmt er gelegentlich auf. SCHILLER gebraucht an Wörtern, die vor seiner Zeit kaum üblich waren: Aar, Blaustrumpf (Übersetzung von engl. bluestocking, franz. bas bleu), entgöttern, Gaukelbild (statt Phantom), Gedankenfreiheit, verhängnisvoll und die weiter oben genannten Schweizer Wörter aus dem „Teil". Der Einfluß der Homerübersetzung durch Voss zeigt sich in der Vorliebe für zusammengesetzte Beiwörter, wie löwenherzige Jungfrau, tränenvoller Krieg (auch bei Goethe: mannet tötende Schlacht, erdgeborene Menschen). J E A N PAUL, der in Neubildungen, freilich oft sonderbarer Art, sehr fruchtbar ist, hat unsere Sprache um die Ausdrücke Doppelgänger, Ehehälfte, Flegeljahre, Krähwinkel, neureich und Weltschmerz bereichert. Auch die unschön klingende und entbehrliche Neubildung Jetztzeit (statt Gegenwart) geht auf ihn zurück. Die Klassikerzeit hat den deutschen Wortschatz in umfassenden Wörterbüchern gesammelt, die den „guten Ge-
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brauch" regeln und herrschende Mißstände kritisch erörtern wollten. ADELUNGS großes Wörterbuch (1784 ff., Neudruck 1969) zeichnet in fünf Bänden den Sprachgebrauch der oberen Stände (Obersachsens) auf und hat, da es von zahlreichen Schriftstellern als Richtschnur benutzt wurde, entscheidend auf die Ausbildung des Wortschatzes zurückgewirkt. Adelung bekämpft freilich auch viele Wörter als „veraltet" oder „provinziell", die trotz seinem Verdammungsurteil erhalten blieben. So kennzeichnet er als veraltet die heute noch ganz allgemein gebrauchten Wörter abhold, Absage, Fehde, Gau, Hader, Schlacht; so verdammt er als „Provinzialismen" Ärger, beschwichtigen, blank, Budit, dicht, düster. Hau, flink, hastig, verblüffen (alle angeblich nur niederdeutsch), abhanden, behelligen, behende, deuten, dumpf, gemeinsam, kosen, lugen, unbefangen, Unbild, weitschiditig (alle als oberdeutsch gekennzeichnet). Noch weniger als Adelungs Kritik hat sich im allgemeinen die des oft recht eigenwilligen J. H. CAMPE („Wörterbuch der deutschen Sprache" 1807—1811 bewährt; von den zahlreichen Verdeutschungen jedoch, die er vorgeschlagen hat, haben sich immerhin mehr durchgesetzt, als seine Gegner erwartet haben (vgl. oben und § 6). § 26. Die Französische Revolution und die Ausbildung der politischen Fachsprache W. FELDMANN, Die Große Revolution in unserer Sprache (ZfdW. 13, 245). — O. LADENDORF, Historisches Schlagwörterbuch (Straßburg 1 9 0 6 ) . — A LANGEN, vgl. § 25. Die starke Beachtung, die die Französische Revolution in Deutschland fand, äußerte sich sprachlich darin, daß die Schlagwörter der Revolutionsbewegung als französische Fremdwörter oder als Übersetzungslehnwörter auch in Deutschland rasch geläufig wurden. Der Ausdruck MenSdiirmer, Deutsche W o r t k u n d e
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schenredite war schon 1776 von Nordamerika her eingedrungen, Freiheit und Gleichheit, Brüderlichkeit, Vernunit, Philanthropie, Aristokrat, Menschenliebe drangen 1789 nach Deutschland vor. Weitere politische Schlagwörter jener Tage sind: Revolution, revolutionär, liberal, Reaktion, Royalist, Monarchist, Propaganda, Terrorismus, Marseillaise, öffentliche Meinung, Fortschritt, fraternisieren, Guillotine, Initiative (zunächst in politischem Sinne), Agitator, Anarchist, Sanskulotte, Jakobiner, Bürokratie, Defizit, Insurgent, Kokarde, Komitee, Demokrat, Emigrant, Klub, Konstitution, Organisation, Koalition. Vor allem aber entstand unter dem politischen Einflüsse Frankreichs ein deutscher Fachwortschatz für die Vorgänge der Politik und des Parlamentarismus. Während England schon im 17. Jahrhundert eine festgefügte politische und parlamentarische Ausdrucksweise gebrauchte und Frankreich die seine im Aufklärungszeitalter (vielfach nach englischem Muster) ausbildete, setzte sich eine deutsche Parlamentssprache erst gegen Anfang des 19. Jahrhunderts durch. Vorher waren nur wenige allgemeine Ausdrücke wie Redner, tagen, Tagung (ursprünglich schweizerisch), Session, Opposition, Präsident, votieren „stimmen" geläufig. Das Zeitalter der Aufklärung hatte immerhin die Bekanntschaft mit den Einrichtungen des englischen Parlamentswesens, zugleich mit den englischen Fachausdrücken, vermittelt: Bill (seit etwa 1700), Adresse, Debatte, Kommission, Parlament. Vielfach wird dabei die wörtliche Übersetzung ins Deutsche angewandt: Sprecher (nach engl. Speaker), eine Gesetzvorlage lesen (to read a bill), Lesung, ein Gesetz einbringen (to introduce a bill), zur Ordnung rufen (to call to order), zur Sache! (the questionl), Parlamentsmitglied (member of Parliament). Im Anfang des 19. Jahrhunderts mehren sich dann Menge und Gebrauch dieser Ausdrücke; es kommen hinzu: Hört! hört! (hear, hear!), Thronrede
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(speech irom the throne), Jungfernrede (maiden-speech) usw. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts sind Ausdrücke aufgekommen wie Herrenhaus (nach engl. House oi Lords), Tisch des Hauses, Meeting, alles nach englischem Vorbild. Die Einrichtungen des französischen Revolutionsparlaments regten folgende parlamentarische Wörter an in Deutschland: Abgeordneter, einstimmig, Wahlmann, Stimmenmehrheit, Nationalversammlung, Tagesordnung (nach franz. ordre de jour), Fraktion, Linke — Rechte, abstimmen, Geschäftsordnung, Kandidat, Majorität — Minorität, legislativ, Veto. Seitdem dieser politisch-parlamentarische Wortschatz dann mit dem Beginn des deutschen Verfassungslebens praktisch erprobt worden war, hat er sich bald erweitert; zahlreichen jüngeren Zuwachs brachte ihm namentlich die Revolution von 1848 (vgl. § 30).
Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart § 27. Der Wortschatz der Romantik Vgl. F. MÜHLENPFORDT, Einfluß der Minnesinger auf die Dichter des Göttinger Hains (Diss. Leipzig 1 8 9 9 ) . — H. PETRICH, Drei Kapitel vom romantischen Stil (Leipzig 1 8 7 8 ) . — W. KUHBERG, Verschollenes Sprachgut und seine Wiederbelebung in neuhochdeutscher Zeit (Frankfurt am Main 1 9 3 3 ) . — J . ZEIDLER, Die deutsche Turnsprache bis 1 8 1 9 (Halle 1 9 4 2 ) . E. MEHL, in „Deutsches Turnen" 1 9 5 3 Nr. 14, 18; Zus Fachsprache der Leibesübungen, in: „Muttersprache" 1 9 5 4 H. 7 ; 1 9 5 6 H . l l . — F. KAINZ, Klassik und Romantik; A . LANGEN, beide in „Deutsche Wortgeschichte" II2, auch hierzu mit Verweis auf das reichhaltige Schrifttum. Der Wortschatz der Romantiker ist entsprechend der romantischen Vorliebe für Dichtung und Kunst des deutschen Altertums gekennzeichnet durch die Wiederbelebung 8'
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Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart
zahlreicher mittelalterlicher Wörter. Dieser sprachliche Vorgang ist nicht durch die Romantik allein und zuerst veranlaßt. Schon frühere Dichter und Schriftsteller hatten auf treffende Wörter bei älteren Dichtern hingewiesen; so hatte Leibniz (vgl. § 23) „die Wiederbringung alter verlegter Worte, so von besonderer Güte" angeraten, Lessing hatte Logaus Wortschatz empfehlend gemustert (§ 25), Goethe und Schiller hatten aus dem Wortschatz der Lutherbibel reiche Anregung geschöpft. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wirkte in steigendem Maße die durch die Schweizer Bodmer und Breitinger vermittelte Bekanntschaft mit den Dichtungen der Blütezeit der mittelhochdeutschen Dichtung. Die Sprache der Minnesinger beeinflußte die Dichter des Göttinger Hains, namentlich Bürger, Voss, Hölty. Wörter wie Minne, Minnelied, Minnesang wurden neu belebt (um 1500 galt Minne für ein unanständiges Wort, dann wurde es ganz vergessen). Altdeutsche Ausdrücke, wie Fehde, Gau, Hain, Halle, Hort, Kämpe, lobesam, ferner hehr, minnewund, preislich, vielgetreu, wonniglich, sogar die Seide, die Schöne (= Schönheit), werden in dem allerdings manchmal gesucht klingenden Stil der Haindichter wieder hervorgeholt. Andere Dichter beleben altertümliche Bildungen, wie allzumal, einträchtiglich, eitel, gen, Herzeleid, sintemal; Klopstock verwendet das durch Tacitus bezeugte, aber nicht germanische Bardiet im Sinne von „Bardengesang". Allgemein verwendetes Stilmittel wird diese Wiederbelebung älteren Sprachgutes aber erst in der romantischen Dichtung, namentlich bei den jüngeren Romantikern, wie Uhland, Rückert, den Brüdern Grimm. So gebraucht UHLAND, um mittelalterliche Stimmung zu wecken, die Wörter Gauch „Narr", Ger „Speer", stäte „beharrlich", Brünne, Turnei, Ferge „Fährmann", Buhle, das Gemahl, das Waiien, Wat „Kleidung", gesippt „verwandt", lustsam,
Der Wortschatz der Romantik
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zutal, allstund, fromm (im Sinne von tüditig), Elend — „Fremde", wundermild, Tartsdie, Marschalk. RÜCKERT verwendet Gaden „Zimmer", Wind = Windhund, Kunft (= Kommen), Dürft, sehren, Fahr, Ruch, Schmach. Nur ein Teil dieser Wörter hat sich dauernd dem Sprachgebrauch wieder einverleiben lassen. Der Turnvater J A H N belebt altdeutsche Wörter, indem er ihnen in seiner Turnsprache neue Bedeutung gibt, z. B. turnen, Barren, Kürturnen, Riege, Wippe, andere holt er aus seinem heimatlichen Niederdeutsch, wie Reek, was dort der Querbalken des Viehzaunes ist. Ein später Nachfahr der Romantiker auf diesem Gebiet ist RICHARD W A G N E R , der seinen Dichtungen durch Wörter und Wendungen wie Minne, Brünne, Sippe, Fahr und Sehr, Glast, treislich, sehrende Not eine altdeutsche Färbung zu geben versuchte, wobei es allerdings nicht ohne Ubertreibungen und Unverständlichkeiten abging. Bei einem Vergleich des heutigen Sprachgebrauchs mit den Angaben der Wörterbücher des 18. Jahrhunderts stoßen wir auf die Wörter, die durch die erneuernde Wortwahl der Romantiker und ihrer sprachlichen Vorläufer neues Leben erhalten haben. So bezeichnen die Wörterbücher (besonders Adelung) als veraltet die heute durchaus lebendigen Wörter Aar, Absage, Ahn, Aue, befehden, Elfe, eitel ( = „lauter"), Fee, Fehde, Feme, frommen, fürlieb, Gau, Ger, Hain, Halle, hehr, Heim, Hort, Imbiß, Knappe, kosen, künden, lugen, munden, raunen, rügen, samt, Satzung, Seher, Sippe, Söller, sühnen, Tafelrunde, tagen, Ungetüm, wallen, Wehrmann, Weidwerk, weidlich, Windsbraut, Wonne, wundersam, zag, zeihen. Eine weitere Eigenart des romantischen Wortgebrauches ist die Vorliebe für geheimnisvoll-mystische Ausdrücke. Deshalb sind Wörter wie Geheimnis, Rätsel, Seltsamkeit, Wunder, Zauber, Schicksal, Verhängnis, fatal, Vorsehung, seltsam, sonderbar, unbeschreiblich, verzaubert, wunderbar,
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wundervoll, geheimnisvoll, geisterhaft, feenhaft, gespensterhalt, sonderlich, Waldeinsamkeit, Waldesdunkel, Waldesnacht, Waldesgrün sehr beliebt. Viele neue Zusammensetzungen mit Wunder- werden gebildet (von Tieck und Novalis allein gegen 60); bevorzugt werden auch die Eigenschaftswörter auf -lieh (bedächtiglich, herzinniglich). Als Schlagwörter spielen die Ausdrücke blaue Blume, das Losungswort der Romantiker (Novalis 1802), Universum, objektiv und subjektiv, echtdeutsch, reindeutsch usw. eine Rolle. Die Ausdrücke Romantik und romantisch selber erhalten ihren besonderen Sinn (etymologisch stammen sie von Roman, ursprünglich „Dichtung in romanischer Sprache"). Das Zeitalter der Befreiungskriege bringt, neben gesteigerter Vorliebe für altdeutsche Ausdrücke (Jahn), Wörter wie Gamaschendienst (1807), Landwehr, Landsturm (neubelebte ältere Ausdrücke), Wehrmann, Wehrpflicht, Alldeutschland (Arndt), teutonisch (Jahn), Volkstum (Jahn 1809), Völkerschlacht, Kleinstaaterei (Jahn 1814), Legitimität (1814), Guerillakrieg (nach dem Kampf der spanischen Freischaren, guerillas, 1807—1814). Aus der HEGELSchen Philosophie entstammen Ausdrücke wie absolut, Idee, Weltseele. § 28. Neue Erfindungen und Wissenschaften K. WAGNER, Das 19. Jahrhundert, in „Deutsche Wortgeschichte" II2 (1959) mit Schriftenverzeichnis zu Wörterbüchern, Lehn- und Fremdwörtern, Ersatzwörtern, wiederbelebten Wörtern, Mode- und Schlagwörtern. Das 19. Jahrhundert ist dann keineswegs ein romantisches geworden, sondern ein recht praktisches, technischmaterielles. Seine Leistungen in Naturwissenschalt und Technik drücken sich in mancherlei Neuerungen des Wortschatzes aus. Manches davon geht auf das 18. Jahrhundert
Neue Erfindungen und Wissenschaften
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zurück. So finden sich schon im 18. Jahrhundert die Wörter: Elektrizität, elektrisch, elektrisieren (alle im Anfang des 18. Jahrhunderts), Chemie (um 1775, älter Chymie), Gas (gegen 1784, aber als gelehrtes Fachwort nach griedi. chaos schon im Anfang des 17. Jahrhunderts von dem Brüsseler Chemiker Helmont gebildet); um 1800 treten auf: Galvanismus, galvanisch (1796 in Italien von dem Physiker Volta zu Ehren Luigi Galvanis gebildet), Telegraph, explodieren. Die Dampfmaschine, zuerst Feuermaschine genannt, kommt um dieselbe Zeit auf. Gegen 1830 bürgert sich von Frankreich her der Ausdruck industriell (dazu Industrialismus, beide 1817 von Saint-Simon gebildet) ein. Der Wortschatz des Eisenbahnwesens kommt seit etwa 1830 auf: Eisenbahn (1825), Lokomotive (1838); dabei geht es entsprechend dem Ursprung der neuen Erfindung nicht ohne englische Entlehnungen ab: Puffer (engl, buffer), Tender, Tunnel, Lori, Waggon. Ausdrücke für die Luftschiffahrt kommen schon im Ausgang des 18. Jahrhunderts (Montgolfiere!) in Gebrauch: Aeronaut (1784), Luftballon (1784) usw. Im Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt namentlich die Chemie ihren Wortreichtum: Kohlensäure, Kohlenstoff (um 1800) Leuchtgas (etwa 1820), den sie bald durch kühne Bildung völlig neuer Fachausdrücke aus altsprachlichen Wortstämmen (Oxyd, Karbol, Azetylen) ins Ungemessene vermehrt und täglich weitere benötigt. Audi die Medizin mit ihren vielen Krankheitsbezeichnungen auf -itis, -om und -ose und in ihrem Gefolge die Heilmittelindustrie (Aspirin, Bromural, Vasenol) machen diese neuklassizistische Namenschöpfung in stetig wachsendem Maße mit. Bis zu welchen Absonderlichkeiten manchmal die anekdotische Wortschöpfung dabei geht, zeigt der Name des Schlafmittels Veronal. Die Verhandlungen über die Namengebung soll der Erfinder des Mittels, Emil Fischer, mit den Worten beendet haben: „In einer halben Stunde geht mein Zug; ich habe schon in
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Verona Nachtquartier bestellt", worauf man sich auf Veronal geeinigt hätte. Aber andere meinen, das Wort wäre anders entstanden. Die Schnulze ist ein in Text oder Musik rührseliger Kitsch in Film und Literatur. Das Wort entstand 1948, als in einer Programmbesprechung der Leiter der Musikabteilung H. H. Spitz im Nordwestdeutschen Rundfunk nach einem Wort für minderwertige Schlager suchte, er hatte „Schmalz" ( = .sentimentales Zeug', Gaunersprache) und „Schmachtfetzen" auf der Zunge, und es kam Schnulze heraus (Kluge-Mitzka, Etymolog. Wb.). Ähnliches wird von dem Modewort Knüller .fesselnd geschriebener Zeitungsartikel (Lied, Opernszene, Film)' behauptet; es sei um 1920 von einem Journalisten geschaffen (ZfdWortfg. 1961, 122); sonst wird es für jiddisch gehalten. Die neuen naturwissenschaftlichen Anschauungen des 19. Jahrhunderts äußern sich in Wörtern wie Biologie (1802), Eiszeit (1837), Darwinismus, Kampf ums Dasein (englisch 1859, deutsch seit etwa 1870), Abstammung, Zuchtwahl, Auslese, Bazillus (1885), Reinkultur, Hygiene (Schlagwort seit 1879), Welträtsel (seit 1880). Zahlreiche dieser zunächst wissenschaftlichen Fachausdrücke dringen, auch in bildlicher Verwendung, in den allgemeinen Gebrauch. Der technische Geist des Jahrhunderts zeigt sich auch darin, daß viele Wörter und Wendungen der technischen Fachsprache zu Bildern und Vergleichen der Gemeinsprache aufsteigen, z. B. auslösen (seit 1882), ausschalten, Spannung, Entspannung, Belastungsprobe, Entgleisung, Dampf hinter etwas machen, mit Volldampf, unter Hochdruck, Schwungkraft, toter Punkt, Sicherheitsventil. § 29. Der Einflufi des Englischen auf den deutschen Wortschatz Vgl. H. DUNGER, Engländerei in der deutschen Sprache (Berlin 1909). — A. B. STIVEN, Englands Einfluß auf den
Einfluß d. Englischen auf den deutschen Wortschatz 121 deutschen Wortschatz (Diss. Marburg 1936); — W. FISCHER, Englische Einflüsse (Götze-Festschrift II 356). — PETER F. G A N Z , Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz 1640—1815 (Berlin 1957). Vgl. §6 Stanforth, Lehnwortaustausch. So viele fremde Sprachen auf den deutschen Wortschatz im Laufe der Jahrhunderte eingewirkt haben, das Englische hat in früheren Zeiten als Quelle für Entlehnungen doch nur geringe Bedeutung gehabt. Freilich die Beschäftigung mit englischem Geistesleben und englischer Dichtung im Aufklärungszeitalter, später die Bekanntschaft mit den Einrichtungen des englischen Parlamentarismus (vgl. § 26) haben schon im 18. Jahrhundert manchen englischen Ausdrude ins Deutsche gebracht. Zu den ältesten englischen Fremdwörtern des Deutschen gehören: Dogge (16. Jahrhundert), Elie (Bodmer 1742), Humor (1760), Spleen (um 1770), Bowle (1773), boxen (1774), Gentleman (1777), Jobber (1778, dazu andere Kaufmannswörter, wie Banknote und Stock), Jockei (1787), Jury (1806), fashionable (1809, daraus wienerisch iesch), Budget (1812), Grog (1821), Sport (1828). Auch Wörter wie Ballade und Sekt (nach Shakespeare) gehen auf englischen Einfluß zurück; Ubersetzungslehnwörter sind z. B. Blaustrumpf, Gardinenpredigt, Heißsporn, Kronzeuge, Schwindler. Vielfältiger werden die deutsch-englischen Lehnbeziehungen im 19. Jahrhundert, ja auf einigen Gebieten (Sport, Handel, Mode) dauern sie bis heute an. Die Seemannssprache hatte schon früh englische Fachausdrücke entlehnt, z. B. Boot, Kutter, Schoner, Lotse, loggen (vgl. § 16); neueren Datums sind die Wörter Bunker, chartern, Gig, Hulk, Messe, Pantry, Pier, Steward, Tank, Topp, trimmen. Handel und Gewerbe übernehmen Ausdrücke wie Partner, Export, Import, Bonds, Clearing, Scheck, Humbug, Trust, Konzern. Sehr zahlreich sind die Sportausdrücke englischen Ur-
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sprungs, die namentlich seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts in steigender Menge ins Deutsche eindringen; dem älteren boxen und Jockei folgt die bunte Schar der Fachausdrücke des Rennsports: Tatteisall, Start, Trainer, Totalisator, Outsider (übersetzt zu Außenseiter), Derby, Finish, Handikap, Spurt, Turf, Pace, Kanter, Favorit, Tip, Buchmacher (Übersetzungslehnwort nach engl, bookmaker). Andere Sportarten bringen die Ausdrücke Tennis, Sportsmann, Match, Champion, Rekord, Fußball (Übersetzungslehnwort nach engl, football), Kricket, Hockey, Polo, Golf, Bobsleigh. Auch die Speisekarte erfährt durch das Englische einige Veränderungen ihres bis vor kurzem fast ausschließlich französischen Gewandes (vgl. § 23) : Pudding, Beeisteak, Roastbeef, Rumpsteak, Toast, Keks, Drink usw. Die Mode, bisher gleichfalls unumstrittenes Reich des Französischen, muß namentlich auf dem Gebiet der Herrenkleidung dem Englischen Zugeständnisse machen: Frack (schon 1774 bei Goethe, nach engl, frock), Havelock, Ulster, Raglan, Smoking, Cutaway, Plaid, Schal, Cape, Boxkalf, Moleskin, Mule, Schirting, Twist. Auch das Geseilschaftsleben nimmt hier und da englische Formen an: Flirt, flirten (um 1890), Komfort, Weekend (übersetzt zu Wochenend). Zirkus und Varieté machen sich mit englischen Wörtern interessant (Clown, Artist, Attraktion, Manager, Sketch, Exzentrik, Girl). Man geht sogar dazu über, nicht nur deutsche Gasthöfe und Modehäuser mit englischen Namen zu benennen (Atlantik, Astoria, Prince of Wales) sondern auch deutsche Kinder mit englischen Vornamen zu taufen (Harry, Ellen, Fanny, Liddy). Einige neuere englische Ausdrücke stammen übrigens aus Amerika, z. B. Dumping, smart, Knickerbocker, Jazz. S. weiter § 32. Die englischen Lehnwörter bezeichnen — ähnlich wie die römischen Lehnwörter im Germanischen (vgl. § 11) — im wesentlichen Dinge des materiellen Lebens.
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§ 30. Die Revolution von 1848 und der Sozialismus Vgl. O. L A D E N D O R F Historisches Schlagwörterbuch (Straßburg 1906). Das „tolle Jahr", wie das Revolutionsjahr 1848 im Schlagwort weiterlebte, hat eine ganze Anzahl sprachlicher Neubildungen gebracht. Es bildete den politischen und parlamentarischen 'Wortschatz (vgl. § 26) weiter aus und brachte ihn zu allgemeiner Geltung. Entstammen der vorhergehenden Zeit der Metternichschen Reaktion Ausdrücke und Schlagwörter wie Rechtsstaat, Polizeistaat, Junkertum, gesinnungstüchtig, Kamarilla, Kastengeist, Finsterling, Preßfreiheit, Krawall (1830), so gewannen jetzt vor allem die folgenden Schlagwörter weitreichende Bedeutung (gebildet sind sie z. T. schon in der der Revolution vorhergehenden literarischen Bewegung): Fortschritt, Freisein, freisinnig, Kladderadatsch, Putsch (ursprünglich ein Schweizerwort), Attentäter, Errungenschaft, niederkartätschen, Rechtsboden, Wucher (seit 1847 als Schlagwort), maßregeln, großdeutsch, kleindeutsch, ruhiger Bürger, Säbelregiment, Brandredner, Bundesstatt, überzeugungstreue, Richtung (von einer Partei), Streber (politisch, 1855), Wühler. Der Ausdruck Biedermeier kommt nach 1855 auf. Der Sozialismus (dieser Ausdruck seit dem Ende der 30er Jahre aus Frankreich, Sozialdemokrat um 1850) bringt Schlagwörter wie Kommunist (1841), Kommunismus (1841), Proletariat, Proletarier, Bourgeois (um 1840), Bourgeoisie (1847), Massen, arbeitende Klassen, weiße Sklaven, Klassenkampf (Karl Marx 1847), Invalid der Arbeit, Streik (aus dem Englischen um 1854, dazu Generalstreik 1878), Internationale, Konsumverein, Arbeiterbataillone, Aussperrung (Lehnübersetzung von engl, lockout, 1875), Dividendenschlucker (1861), soziale Frage, Klassenstaat, Recht auf Arbeit, Völkerfrühling, Völkerv er söhnung, Zukunftsstaat,
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Solidarität, Gewerkschaft (aus dem Bergbau, politisch seit 1868), Genosse (als Anrede seit 1879, Franz Mehring), Boykott (1880, aus dem Englischen), Streikbrecher, Umsturz, Umstürzler, fortwursteln (gegen 1895), Arbeitswilliger (1897). Andere politische Schlagwörter der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind: Zivilcourage (Bismarck 1864), Byzantinismus (1866), Militarismus (1869), Nihilist (um 1870 aus dem Russischen), Liebesgabe (1870), Chauvinismus (1870), ultramontan (1870), Kulturkampf (1873), Agrarier (1874), Gründer (1872), Krach (1873), Antisemit (1879), alldeutsch (1891), Scharfmacher (1895), Ostelbien (1897), Kuhhandel (1897). § 31. Die Sprache von Kunst und Dichtung vom Jungen Deutschland bis zur Gegenwart A. LANGEN, in: „Deutsche Philologie im Aufriß" I 2 hg. Stammler; zur Sprache von Grahbe, Büchner, Hebbel, R. Wagner, Mörike, Droste-Hülshoff, O. Ludwig, Stifter, C. F. Meyer, Fontane; Naturalismus, Impressionismus, Expressionismus, Carossa, Th. Mann, H. Hesse; mit ausgiebigem Schrifttum; — H U G O M O S E R , Neuere und neueste Zeit, in „Deutsche Wortgeschichte" II2 (1959) zu Technik, Verkehrswesen, Funk und Fernsehen, Politik, Außendeutschtum; landschaftliche Hochsprache (Österreich, Schweiz, Luxemburg u.a.); mit Schrifttum; zur dt. Sprache im Ausland: THIERFELDER, in: Dt. Wortgeschichte I2. — Wörterbuch der Gegenwartssprache s. § 7. Die literarische Bewegung des 19. Jahrhunderts spiegelt sich in zahlreichen Schlagwörtern wieder. Das „Junge Deutschland" (1833) brachte z. B. folgende Ausdrücke in Gebrauch: Charakter! Leben! Individuum! (um 1832), Zerrissenheit (H. Heine), Ton, Schule, Manier, Kunstkenner, taufrisch (Wienbarg 1834), ästhetische Teeabende, zeitgemäß, Schöngeist, europamüde (1828), Stimmung, Hinter-
Die Sprache von Kunst und Dichtung
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wäldler (1833). Nervös nimmt seit etwa 1830 seine heutige Bedeutung an. Durch Schopenhauer wurde das an sich ältere Wort Pessimismus allgemein üblich. Die Bezeichnung Epigonen wurde namentlich durch Immermanns gleichnamigen Roman (1836) eingeführt. Der Realismus brachte Ausdrücke auf wie realistische Kunst und Wirklichkeitskunst, Aus Frankreich kamen die literarischen Fremdwörter Boheme (1851 französisch, seit 1864 im Deutschen), Milieu (seit den 70er Jahren, nach Taine und Zola). Gustav Freytag schuf 1853 die Bezeichnung Schmock für einen charakterlosen Journalisten (Schlesisches Wörterbuch). Seit den 80er Jahren prägte die naturalistische Kunstrichtung (Naturalismus bei Zola 1876, im Deutschen seit 1885) Schlagwörter wie Suggestion, suggestiv, hochmodern, die Moderne, Dekadenz, dekadent, Symbolismus (1885), Fin de Siècle, Heimatkunst (F. Lienhard 1896), Jugendstil (1897), Sezession, Impressionismus, Schlager, Kitsch (1881), Kabarett, Brettl, Überbrettl, Couplet, Chanson. Frankreich ist, wie schon die Form vieler dieser Ausdrücke zeigt, meist der künstlerische und sprachliche Ausgangspunkt dieser Bewegung gewesen. Als starker Neuschöpfer von Wörtern und Wendungen erwies sich NIETZSCHE; auf ihn gehen Ausdrücke wie Übermensch (das Wort ist an sich älter, kommt z.B. in GOETHES „Faust" vor), Herrenmensch, Herdentier, Bildungsphilister, Umwertung aller Werte, blonde Bestie zurück. RICHARD W A G N E R (vgl. § 2 7 ) übernahm Schlagwörter Leitmotiv, Musikdrama und Zukunftsmusik aus dem zeitgenössischen Streit um sein Werk. Modewörter der Literatur um 1900 waren: auslösen, sich auswirken, aufzeigen, entfesselt, kolossal, sozial, kosmisch, Gebärde, Geste, Lebensgefühl, Zeitgeist, Sensation, Subjektivität, und zahlreiche Fremdbildungen auf -ismus Die Dichtung um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, für die der Ausdruck Expressionismus
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Mode war, bevorzugte (Klopstock nicht unähnlich, vgl. § 25) Wörter von großer Prägnanz und kraftvoller Knappheit. Literarische Schlagwörter dieses Zeitalters sind z. B. Ausdruckskunst, Ichkultur, Plakatstil, Dadaismus, Futurismus, Kubismus. In der expressionistischen Dichtung waren beliebt die Ausdrücke steil (dazu sich auf steilen), ballen (z.B. geballte Finsternis), Ballung, wuchten, Wucht, schreien, Schrei, jäh, dumpf (wie beim jungen Goethe), Flamme, Verzückung, verzückt, besessen, Dämon, dämonisch, Aufbruch, Sturm, Ekstase, ekstatisch, Dynamik, dynamisch. Hatte der Stil des Realismus und Naturalismus mit seinen technisch genauen Beschreibungen das Eigenschaftswort vorgezogen, so liebte diese Kunstrichtung das Zeitwort, namentlich das unzusammengesetzte (z. B. inseln, Schluchten, bäumen), während das zusammengesetzte gern ungetrennt gebraucht wurde (z. B. „Ausbleibt Antwort"). Die Dichtung der Zeit hernach verzichtet auf effekthascherische Wortkünsteleien und bemüht sich — ähnlich dem Streben nach „neuer Sachlichkeit" (1925) in der bildenden Kunst — durch kurze, schlichte Wörter, besonders Hauptwörter, volle stilistische Wirkung zu erreichen. Dabei werden gern, namentlich in der Erzählung, auch landschaftlich gefärbte oder älteren Sprachzeiträumen entstammende Wörter gewählt. § 32. Der Wortschatz der jüngsten Vergangenheit Vgl. R. ROTHEIT, Kernworte des Weltkrieges (Berlin 1916). M. DIETZ, Der Wortschatz der neueren Leibesübungen (Diss. Heidelberg 1935). M. BUES, Die Versportung der deutschen Sprache im 29. Jahrhundert (Greifswald 1937). H U G O M O S E R , vgl. § 31; ders. .Sprachliche Folgen der politischen Teilung Deutschlands 1962; W. BETZ, in: Spätzeiten und Spätzeitlichkeit 1962, 139; DUDEN, Rechtschreibung Leipzig 1951 f., Mannheim 1954 f.
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Der Weltkrieg von 1914 bis 1918 und die ihm folgende Umwälzung des politischen, wirtschaftlichen und geistigen Lebens sind am deutschen Wortschatz nicht spurlos vorbeigegangen. Die dem Weltkrieg vorausgehende Zeitspänne wird gekennzeichnet durch politisch Schlag- und Kampfwörter wie Imperialismus und Nationalismus (beide an sich älter, aber Schlagwörter seit der Jahrhundertwende), Expansionspolitik, Hurrapatriotismus (um 1900), Rüstungsfieber (1913), Einkreisung. Der Weltkrieg selbst brachte in sprachlicher Hinsicht zunächst einen verschärften Kampf gegen das Fremdwort, der sich freilich nicht selten in Äußerlichkeiten verlor und dessen Erfolge nicht auf allen Gebieten von Dauer waren. Denn zahlreiche Fremdwörter der Mode, des Sports, der Speisekarte, die während der Kriegsjahre verpönt waren, kehrten bald nach Kriegsende in den Sprachgebrauch zurück, ebenso wie die fremdsprachigen Gasthaus- und Ladenschilder wieder auftauchten. Ja, auf manchen Gebieten nahm der Zustrom von Fremdwörtern, namentlich solcher aus dem Englisch-Amerikanischen (Jazzband, Foxtrott, Couch), nach 1918 noch zu. Dem steht gegenüber, daß durch planvolle Verdeutschungsarbeit in Verwaltung und Gesetzgebung viele früher für unentbehrlich angesehene Fremdwörter beseitigt worden sind. Der Wortschatz der Heeressprache (vgl. § 21) wurde durch die letzten Kriege in weite Kreise getragen. Zum älteren Bestand kamen hinzu: im ersten Weltkrieg vor allem die Ausdrücke des Stellungskrieges (an sich meist älter, z. B. Schützengraben, Drahtverhau, Sappe, Unterstand, zum Teil aber auch neugebildet, z. B. Bunker, Trommelfeuer) und des Feldflugwesens (Flieger, Flugzeug, Bomber usw.). Der Krieg von 1939—1945 erweiterte den Wortschatz auf dem Gebiet der motorisierten und gepanzerten Truppen und vor allem des Luftkrieges und des damit zusammen-
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hängenden zivilen Luftschutzes (Luitschutzkeller, Sirene, Fliegeralarm, entrümpeln, verdunkeln, entdunkeln, warnen, entwarnen). Auch die Soldatensprache (§ 21) wurde in der breiten Öffentlichkeit bekannt, doch entsprachen die zahlreichen Scherzausdrücke, die in Kriegsberichten gern gebraucht wurden (z. B. Heldeniett, Armeebutter, Kommißbrotschminke für Marmelade) durchaus nicht immer der wirklichen Ausdrucksweise der Frontsoldaten (nur die Heimat nannte sie „Feldgraue"). Die wirtschaitlichen Nöte und Erschütterungen, die Deutschland in den Kriegs- und Nachkriegsjahren durchmachte, spiegeln sich in zahlreichen Neuwörtern wieder: Aushungerung, (Hunger-)Blockade, durchhalten, Brotkarte (1915), nach Lebensmitteln anstehen, Schlange stehen, Butterpolonäse, hamstern, Hamsterer, Schleichhandel, Schwarzschlachtung, hintenrum kauien, schieben, Schiebung, Schieber, strecken, Streckmittel, Ersatz, Kunsthonig, Planwirtschait, Rationierung, Höchstpreise, Kriegsgewinnler, Schwerarbeiter, Preisabbau usw. Selbst reine Fachausdrücke der Wirtschaftssprache, wie Devisen, Valuta, Index, Inilation, Dumping, Kontingent, Hortung, Golddeckung, Preisstopp, Stabilisierung, wurden allgemein geläufig. Auch die politische Umwälzung brachte zahlreiche Neuwörter auf (oder machte ältere Fachausdrucke allgemein bekannt): Selbstbestimmungsrecht, Reparationen, Nationalversammlung, Verhältniswahl, Volksentscheid (1919 statt Referendum), Sozialisierung, Pazifismus (verkürzt aus Pazifizismus), Volksbeauitragter, Aktionsausschuß usw. Dem Russischen entstammen Wörter wie Bolschewismus, Bolschewik (daneben das unrussische Bolschewist), Sowjet, Komintern. In Ausdrücken wie Arbeiter- und Soldatenrat, Räteregierung hatte das Wort Rat die Bedeutung des russischen Sowjet übernommen.
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Um 1922 kamen aus Italien die Fremdwörter Faschismus und Faschist (dort iascio „Kampfbund" seit etwa 1915); als Gegenbildung wurde Antifaschist geprägt. Nationalsozialismus und Nationalsozialist kamen 1919 auf (national-sozial war, freilich in anderem Sinne schon 1896 von Friedrich Naumann verwendet worden), dazu die Verkürzungen Nazi, Nazismus und nazistisch. Das Wort wird in Diktaturen Werkzeug politischer Werbung, die gelenkte Sprache ist Kampfmittel des totalitären Systems. Ausrichtung, Einsatz, Bewegung (mit vielen Zusammensetzungen und Ableitungen) brachte der Nationalsozialismus auf, sie kehren nach 1945 im Kommunismus wieder. Es geht im Streit zwischen Weltanschauungen, politischen Ideologien vor allem um die Bedeutung. So werden nunmehr die Wörter Freiheit, Friede, Demokratie, Koexistenz in solcher Blickrichtung in den Wörterbüchern der deutschen Gegenwart erklärt. Fanatismus, fanatisch wurden vom Negativen zum Positiven aufgewertet. Politische Wörter waren: Ahnenpaß, Arbeitsdienst, arteigen, entartet, Gau, Gleichschaltung. Politische Wörter sind Bundesversammlung; Volkskammer; Grenzschutz; demokratische Volkspolizei; Luitbrücke; Republikflucht. Das neue Wort Einzelbauer wertet ab gegen den Genossenschaftsbauern, noch mehr den Kollektivbauern. Eigentum kann „kapitalistische Aneignung fremder Lohnarbeit" sein, andererseits mit der Eigentumsbildung hohes politisches Ziel. Objektivismus kann verhaßt oder hochgeschätzt sein. Die heutige Spaltung Deutschlands führt zu einer sprachlichen Sonderung, droht zu einer Spaltung in Wort und seinem Sinn zu werden. Die lebhafte Entwicklung der Leibesübungen und des Sportes hatte zur Folge, daß deren Wortschatz allen Volkskreisen geläufig wird. Der frühere Fremdwortreichtum der Sportsprache, der sich z. B. beim Tennissport bis zum Zählen in englischer Sprache erstreckt hatte, ging infolge Sdiirmer, Deutsche Wortkunde
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planmäßiger Verdeutschung stark zurück (z. B. Schlägel statt Racket, Aufschlag statt Service, bisweilen aucil Einbürgerung zu Lehnwörtern wie Ski zu Schi, to ciawl zu kraulen). Vielfach kann man eine „Versportung" der Sprache auch außerhalb des Fachbereichs feststellen, so wenn Sportausdrücke wie iaii, Rekord, Sport (z. B. Denksport), starten, Start, spurten, stoppen, Training, Außenseiter, Schrittmacher, in Form sein in der Gemeinsprache bildlich verwendet werden. Der Wortschatz der Technik (vgl. § 28) entwickelte sich weiter, besonders auf den Gebieten der Elektrizitätsversorgung (Dynamo 1882), Kraftwerk, Umformer, Hochspannung usw.) und des Verkehrswesens (Automobil 1893), Kraftwagen 1900, Motorrad, tanken, parken, Flugzeug, Eindecker, Doppeldecker usw.). Ein ganz neues Wortfeld erwuchs durch die Erfindung der Schreibmaschine (Anschlag, Taste, Farbband, Durchschlag, tippen). Die Chemie machte zahlreiche neue Werkstoffe bekannt (Kunstseide, Glanzstoff, Zellwolle, zum Teil undurchsichtige Neuwortbildungen: Vistra, Buna, Bakelit). Das Filmwesen, zurückgehend auf die schon 1839 erfundene Photographie, entstand im Ausgang des 19. Jahrhunderts und trat zuerst mit Bezeichnungen wie „lebende Bilder" (1896) und Kinematograph (1896, bald zu Kino oder volkstümlich Kintopp verkürzt) an die Öffentlichkeit. Heute weist es einen umfangreichen Wortschatz auf, der sich vor allem um die Ausdrücke Film (filmen, filmisch, Verfilmung, Filmkunst, Filmtheater, Stummfilm, Tonfilm), Licht (Lichtspiel), drehen (Drehbuch) gruppiert, daneben aber eine Anzahl Fremdwörter aufweist (Diva, Star, Prominenter, Komparse); im Film Gag (aus dem amerikanischen Englisch: ,Witz in einem Filmlustspiel'). Einen völlig neuen Fachwortschatz entwickelte schließlich der im Jahre 1924 in Deutschland eingeführte Rundfunk (so bald allgemein statt
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Ausblick in die Zukunft
des anfänglich gebrauchten Radiotelegraphie bzw. Radiotelephonie gekürzten Fremdwortes Radio), zuletzt des Fernsehens, z.B. Fernseh-Inteiview). Im Anfang waren technische Fachausdrücke fremden Ursprungs üblich, z. B. Antenne, Detektor, Fading, Mikrophon; bald aber kamen zweckmäßige deutsche Neubildungen auf, die sich heute allgemein eingeführt haben, z. B. Empfang, Empfänger, Senden, Sender, Sendung, erden, Welle(nlänge), Röhre, Lautsprecher, Verstärker, Rückkopplung, Ansager, Hörspiel, Nachrichtendienst und der Gruß Aul Wiederhören. Aus den USA sind jetzt z. B. Feature .Hörfolge beim Rundfunk aus Momentaufnahmen', Musical, Quiz .Fragespiel', wohl aus in-quisitive. Uberhaupt stammt von dorther manches neue Fremdwort wie Bestseller, Lobbyist ,der Parlamentarier für sich gewinnen will' (zu lobby .Vorzimmer'), Slogan ,Reklamevers", Teenager (deren Kleidermode eben wieder vergeht, vielleicht bald mit dem Wort) für .Backfisch', Party, Trend /Tendenz', Slang .niedere englische Umgangssprache', Jeep, Come-back, Team, fit, mixen, Manager(krankheit), Job, Make-up, Hobby, Camping{ausrüstung), Festival(stadt), Fan .Liebhaber von Musik, Sport', Bestseller, Twist; zuletzt Minirock. § 33. Ausblick in die Zukunft Mit der Sache kommt auch das Wort dazu ab. Das zeigt der Weg der Beleuchtungsart vom Kienspan über die Rüböllampe aus Eisen oder Zinn bis zur Glühbirne, oder der Wandel bis zum Umsturz in der Politik. Auf- oder Abwertung von Sache, Begriff und Wort, Neuschöpfung und Schwund halten den Wortschatz auch in Zukunft in dauerndem Wandel und in der immer wieder neuen Deutung des Weltbildes von Generation zu Generation. Wenn sich auch über den Gang dieser Entwicklung sichere Voraussagen 9*
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kaum geben lassen, so können wir doch vielleicht einige Entwicklungslinien andeuten, die für den Gang der Weiterentwicklung des deutschen Wortschatzes vermutlich bestimmend sein werden: Eine Erweiterung des Wortschatzes durch Urschöpiung (vgl. § 4) wird nur in sehr begrenztem Umfang vorkommen. Immerhin können die heute so beliebten Abkürzungen aus den Anfangsbuchstaben oder -silben längerer Zusammensetzungen (sogenannte Akü-Spiache, vgl. § 4) neue Wortstämme liefern, wie das z. B. bei Talmi (aus Tallois mi-or „Talloissches Halbgold"), Flak „Fliegerabwehrkanone", Krad „Kraftrad" schon heute der Fall ist. Audi aus Eigennamen können in Zukunft völlig neue Wortstämme entstehen, so wie bisher schon röntgen und einwecken. Der weitaus üblichere Weg zur Deckung neuen Wortbedarfs wird jedoch, wie in den Jahrhunderten der geschichtlich erhellten Vergangenheit der deutschen Sprache, die Bildung aus bereits vorvon Ableitungen und Zusammensetzungen handenen Wortstämmen sein, und dieser Weg läßt gerade in der deutschen Sprache noch reiche Bildungsmöglichkeiten offen, wie die Fülle derartiger Neubildungen in jüngster Zeit beweist. Verschiedentlich hat man versucht, diese Neuwortbildung planmäßig zu regeln. Daß derartige absichtliche Eingriffe in die Entwicklung der Sprache möglich sind, zeigt z B. das Wort Auskunftei, das der Germanist H. v. Pfister 1889 planmäßig nach dem Muster von Kauttahrtei, Hausvogtei usw. gebildet hat und das heute nicht nur allgemein durchgedrungen ist, sondern weitere ähnliche Bildungen erzeugt hat (Kartei, Detektei usw.). Gestützt auf solche Erfahrungen, hat man deshalb in neuerer Zeit namentlich für die Erweiterung des Fachwortschatzes in Wissenschaft, Wirtschaft und Technik feste Bildungsregeln für die Prägung von Neuwörtern vorgeschlagen, indem bestimmte Endungen, Vor- und Nachsilben ein für allemal bestimmten
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B e d e u t u n g s g r u p p e n zugeordnet sein sollen. So soll z. B. der eine Handlung beruflich A u s ü b e n d e stets durch die Endung -ner gekennzeichnet werden (Bankner „Bankier", Drogner „Drogist", Kaßner „ K a s s i e r e r " , Auslagner „Schaufensterdekorateur"), während die Endung -el d a s W e r k z e u g oder den Werkstoff bezeichnet ( H ä r t e l „Beton", Wendel „Spiraldraht", Schreibel „Schreibgerät"). W e n n auch die oft gew a l t s a m e n N e u b i l d u n g e n solcher Wortschmiede dem allgemeinen Sprachempfinden bisweilen G e w a l t antun, so ist doch festzustellen, daß derartige planmäßige N e u p r ä g u n g e n in den Fachsprachen (und v o n da a u s zum Teil in der Gemeinsprache) bereits Eingang g e f u n d e n haben, z. B. normen, Normung, hälfteln, verkraiten, Regler (statt Regulator), lacken (statt lackieren). Auch durch die Bildung v o n Gegensatzwörtern zu bereits vorhandenen wird der Wortschatz heute bisweilen planmäßig erweitert, z. B. ertauben zu erblinden, verstädtern zu verbauern. Es ist anzunehmen, daß d i e s e W e g e planmäßiger Neuwortbildung auch in Zukunft beschritten werden. 2. Die landschaftlichen Besonderheiten, die dem deutschen Wortschatz heute noch eigen sind (vgl. §§ 7 und 19), sind zweifellos im Rückgang, da Wirtschaft und Verkehr, P r e s s e und Rundfunk die sprachliche Vereinheitlichung immer stärker fördern. A b e r doch gehen noch immer landschaftliche Sonderwörter in die Gemeinsprache über (z. B. nd. stur „eigensinnig, hartnäckig", Trecker „Zugmaschine", oberbayerisch rodeln, schweizerisch Stumpen „Zigarillo"). Doch vereinzelter ist die Bereicherung des Wortschatzes durch die W i e d e r b e l e b u n g älteren Sprachgutes ( horten als Wirtschaftsausdruck, Kür im Sport, tarnen in der Heeressprache). 3. Die Entlehnung fremder Wörter wird bei den engen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der europäischen V ö l k e r auch weiterhin eine wichtige Rolle
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Das 19. Jahrhundert und die Gegenwart
spielen. Neue Erfindungen, Wissenschaften, Lebensformen u. dgl. werden aus dem Ausland auch weiterhin zunächst unter ihren fremden Bezeichnungen bei uns bekannt werden. Daß es aber möglich ist, diese Fremdwörter durch planmäßige Verdeutschung wieder zu ersetzen, hat unsere Darlegung an manchen Beispielen (vgl. §§ 6, 21, 23, 25) nachgewiesen. Jeder Vergleich etwa eines vor hundert Jahren veröffentlichten Fremdwörterbuchs mit einem heutigen zeigt deutlich, daß sich das Fremdwort in der deutschen Sprache auf dem Rückzug befindet. Der zweckmäßigste Weg der Verdeutschung entbehrlicher Fremdwörter (soweit nicht eine Einbürgerung zu Lehnwörtern möglich ist, wie etwa bei Film, filmen, kraulen) ist allem Anschein nach die Bildung von Übersetzungslehnwörtern (vgl. § 6), weil diese in der Ubergangszeit das zu ersetzende Fremdwort und seine Bedeutung noch durchschimmern lassen. Es werden wieder Truhen angefertigt, jetzt ist es sogar die Industrie, die Musiktruhen und Tieikühltruhen anbietet, für die Beleuchtung in Stube und auf der Straße Ampeln, baut zuletzt Atommeiler, wovon die Köhler vor ihren Meilern nichts ahnten. Solche W e g e werden auch in Zukunft gewiß mit gutem Erfolg in der Wortschöpfung und Wortwahl gefunden werden. Es wird der deutschen Sprache auch in Zukunft nicht an Möglichkeiten fehlen, für alle neu auftretenden Begriffe angemessene Ausdrucksformen zu schaffen und damit ihre Aufgabe als wichtigstes Mittel der Verständigung und Bindung innerhalb des Volkes zu erfüllen. Affektgeladene neue Wörter nutzen sich leicht ab. So hört und schreibt man nicht mehr so oft von gammeln und den Gammlern, dabei sind sie durchaus noch da. Man kennt sie in allen Schichten, wie auch die Erlösung aus Arbeitslosigkeit, den Job. Aber die Leute oben haben ihn, es sind Manager, kennen Lobby und Hobby und wissen, was in der
Ausblick in die Zukunft
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Wirtschaft ein Trend ist; allerdings nicht, daß es mit deutschem trennen (.unterscheiden, dazu eine bestimmte Richtung einschlagen') urverwandt ist. Vgl. wie zu den vorigen Kluge-Mitzka, Etym. Wörterbuch 1967. Die Begegnung des deutschen Westens mit der angelsächsischen Sprachwelt, des deutschen Ostens mit Rußland hat jeweils manches Lehnwort, noch mehr Entlehnung von Wortinhalt in vorhandenes Wortgut gezeitigt: attraktiv für ,gut aussehend', kontrollieren (Industrieunternehmungen, Banken)) beherrschen' (mit Aktienmehrheit) statt bisher .inspizieren'; weltweit; bügelfrei (no iron); Kolchosbauer, volkseigen, Plansoll, Brigade. Sehr groß ist die Zahl der Abkürzungswörter CDU/CSU, SPD, FDP; SED, FDJ, HO. — Besonders die Naturwissenschaften und die Technik erzeugen ineinemfort neue Wörter. Sie werden von den Theoretikern und den Praktikern dieser Lebensbereiche nach überkommenen oder aus fremdsprachlichen Sprachstoff geschaffen oder gedeutet. Auch müssen sie oft mit mathematischer, physikalischer, chemischer Zeichensprache auskommen. Unabhängig von diesem Sprachschaffen der neuen Industriegesellschaft ist die Bedeutung, der Wortinhalt des vorhandenen Wortschatzes in fortwährendem Wandel, Einschränkung des Sinnkreises, Ausweitung, (soziale, negative, ironische, positive) Umwertung, Grad der Häufigkeit bis zum völligen Schwund; Sprachmode; dazu auch politischer Sprachlenkung begriffen: dies alles in schriftlicher und mündlicher Hochsprache, in der launischen und launigen Umgangssprache. In der Hochsprache haben seither und heutzutage wieder Dichter, überhaupt die Wortkünstler das Wort.
Sachverzeichnis Ableitung 17, 132 Absterben der Wörter 20, 62, 135 Ackerbau 40, 55 Adelung 113 Akü-Sprache 20, 122, 135 Alamodezeit 100, 104 Aldiimie s. Chemie Amerikanisches 32, 89, 114, 122 Animismus 24 Antike 27, 51 83 Arianismus 57 Ausrufe 15 Baltikum 26, 34 Barock 98, 100, 105 Bauwesen 43, 54, 68 Bedeutung 7, 12, 21, 32, 134 Befreiungskriege 118 Bergmannssprache 79 Berlin 9 Bibel 93 Buchdruck 38, 83 Bürgersprache 74
Fadisprache 33, 68, 77, 79, 82, 88, 91, 95, 96, 113, s. Kaufmannssprache Familiennamen s. Eigennamen Feditkunst 100, 104 Feldsprache 98 Film 120, 130 Fischart 89 Fischfang 43, 50 Flandern 71 Französisch 26, 29, 72, 77, 96, 101, 113 Fremdwort 30, 52, 71, 82, 84, 93, 109, 127, 130 Fremdwortersatz 30, 32, 98, 104, 127
Gartenbau 55, 67, 102 Gaunersprache 34, 37, 98 Geflügelte Worte 40 Gelehrsamkeit 80, 82 Germanen 46 Gesellschaft 12, 26, 33, 36, 70, 73, 100, 122 Getreidebau 42 Goethe 107, 111 Götternamen 44, 49, 62 Goten 54, 57 Campe 32, 111, 113 Gottsched 108 Chemie 48, 82 Christentum 51, 57, 63, Griechisch 31, 84 Grimm, J . u. W . 9, 116 80, 90 Grobianismus 89, 92 Dichtung 59, 70, 89, 105, Gruppenspradie 36 Gryphius 106 107, 110, 124 Diplomatie 104 Dürer 89 Hainbund 106, 116 Haller 108 Handel 76, 112, 121, s. Eck 90, 93 Kaufmannssprache, Eigennamen 17, 24, 40, Italienisch 48, 51, 84, 92 Handwerk 54, 75, 88 Englisch 74, 120, 127 Harsdörffer 100, 104 Erbwort 44, 59 H a u s b a u 43, 48, 59, 64 Etymologie 6, 134 Hausgerät 56 Euphemismus 24 Haustiere 43, 48 Expressionismus 125
Heeressprache 96, 127, 133, s. Soldatensprache Hegel 118 Heidentum 63 Herder 108, 111 Humanismus 89 Impressionismus 125 Indogermanen 40 Italienisch 31, 77, 95, 97, 129 Jagd 74, 104 J a h n 117, 118, J e a n Paul 112 jiddisch 31, 37 Junges Deutschland 124 Kanzleien 68, 86, 84 Kaufmannssprache 31, 38, 54, 75, 77 Keltisch 47, 50, 54 Kindersprache 15 Kirche 57, 58, 65, 80, 83, 91 Kleidung 56, 103, 122 Klopstock 107, 109 Kochkunst 56, 68, 94, 103, 122 Krankheitsnamen 87 Kriegswesen 48, 96, 127 Kulturwörter 26, 58 Kunst 96, 105, 108, 126, s. Dichtung, Literatursprache, Musik Kurzwörter 20, 134 Landschaftswörter s. Wortgeographie Lauremberg 104 Lautgebärde 14 Lautmetapher 16 Lautwandel 12 Lehnwort 25, 30, 53, 58, 121, 133 Leibesübungen 53, 129, s. Turnen
Sachverzeichnis Reitkunst 28, 63, 104, Leibniz 105, 110, 116 122 Lessing 107, 116 Literatursprache 69, 108 Revolution 115, 123 Logau 104, 110 Rittertum 69, 75 Luther 90, 93 Römer 51 Luxemburg 9 Romantik 115 Rotwelsch 33, 37, 98 Mahlzeiten 93, 103, 122 Rückert 116 Rundtunk 131, 133 Mathematik 82 Runen 47, 50, 62 Medizin 82, 119 Metalle 43, 47, 50 Schallwort 15 Metapher 16, 23 Schiffahrt 43, 54 Metonymie 24 Schiller 108, 112 Militärisches 52, 97 s. Schlagwort 39, 91, 92, Heeresspradie, 122, 125 Kriegswesen Mode 39, 72, 84, 102, 121 Sdilesisdie Schule 106 Monate 39, 50, 72, 84, 93 Schopenhauer 125 Mundarten 33, 72, 82, 93, Schottel 32, 100, 104 104, 105, 113, s. Wort- Schriftsprache 39, 90 Schule 66, 85 geographie Schweizerisch 11, 34, 49, Musik 83, 94, 104 Mystik 80 94, 109, 116 Schwulst 106 Seemannssprache 38, 50, Namenmoden 40 78, 121 Naturalismus 124 Semasiologie 6, 21 Naturwissenschaft 82, Siebenbürgen 9 118, 1 2 0 Sitte 72 Nietzsche 125 Skandinavisch 26 Niederländisch 26 Slawisch 26 Notker 66 Soldatensprache 97, 126, s. Heeressprache Obstbau 42, 55, 67 Sondersprache s. FachOnomasiologie 6, 21 sprache Oper 89, 104 Sozialismus 123 Opitz 106 Soziologie 33 Ortsnamen 18, 62 Spanisch 97, 101 Ostpreußen 9 Sport 105, 122, 129, 133 Sprachgesellschaft 32, Paracelsus 19 100 Parlamentarismus 114, Sprachschicht 20, 135, s. 121 Gesellschaft Pars pro toto 24 Sprachverein, Deutscher Personennamen s. 32 Eigennamen Philosophie 66, 82, 105, Stephan 32 Strukturlehre 11, 12, 13 118 Studentensprache 38, 85 Phonetik 12 Sturm und Drang 101 Phonologie 12 Sudetendeutsch 11 Politik 23, 29, 31, 113, Synonyme 10, s. Wort123, 125, 135 geographie Postwesen 28, 32 Syntax 12 Protestantismus 90 Realismus 125 Recht 49, 52, 54, 68, 87 Regierung 68
Technik 38, 118, 130 Theater 108, 125 Thomasius 105
137 Titel 68, 86, 101 T u m e n 27, s. J a h n Turnierwesen 73 Übertragung 24 Uhland 116 Umgangssprache 33 Ungarisch 24, 26, 98 Urgermanisda 46 Urschöpfung 14, 132 Verdeutschung s. Fremdwortersatz Vergnügen 103, 122 Vorgeschichte und Sprache 20 Verwaltung 54, 68 Viehzucht 54 Volksetymologie 30, 92 Vornamen 49, 92, s. Eigennamen Voß 112, 116 W a f f e n 49, 97, 127 W a g n e r 117, 125 Weidmannssprache 37 W e i n b a u 55 Weltkrieg 126 Wiederbeleben älterer Wörter 28, 116, 133 Wieland 109, 111 Wild 37, 43, 48, s. J a g d Wirtschaft 48, 102 Wochentage 26, 34, 49, 62, 75, 98, 102, 128 W o h n u n g 43, 48, 102 Wolff, Chr. 105 Wortbildung 12, 17, 107, 126, 135 Wortfeld 25 Wortform 12 Wortgeographie 11, 25, 35, 66, 94 Wortkürzung 20, 135, s. Akü-Sprache Wortschöpfung 13, 19, 110, 132 Wulfila 57 Wurzel 17 Zahlen 50 Zeitrechnung 50 Zesen 32, 100, 104 Zigeunersprache 37 Zirkus 122 Zusammensetzung 18, 129, s. Wortbildung Zwingli 92, 93
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache Von FRIEDRICH K L U G E . 2 0 . Auflage, bearbeitet von W A L THER M I T Z K A . Lexikon-Oktav. XVI, 915 S. 1967. Lw. D M 35,— Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen Von FRANZ DORNSEIFF. 6. Auflage mit alphabetischem Generalregister. Groß-Oktav. IV, 922 S. 1965. Lw. DM
38,—
Die griechischen Von FRANZ
Wörter
im
DORNSEIFF.
Deutschen Oktav. 1 5 7
S. 1950.
Lw.
DM6,50
Deutsche Wortgeschichte Von FRIEDRICH M A U R E R und FRIEDRICH S T R O H . 2., neubearbeitete Auflage. 3 Bände mit Register. X X , 1297 S. 1959/1960. Lw. DM 97,— Lexicon oi the Mediaeval German Hunt A lexicon of Middle High German terms (1050—1500), associated with the chase, hunting with bows, falconry, trapping and fowling. Von D A V I D DALBY. Groß-Oktav. VIII, LXII, 323 S. 1965. Lw. DM 1 2 0 — Frühneuhochdeutsches Glossar Von A L F R E D G Ö T Z E . 7 . Auflage. Oktav. X I I , 2 4 0 S . 1 9 6 7 . DM 9,80 (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 101) Bibeltexten 1200 Jahre deutsche Sprache in synoptischen Ein Lese- und ein Arbeitsbuch herausgegeben von F R I T Z TSCHIRCH. 2 . , durchgesehene Auflage. Groß-Oktav. XXIV,
127 S. 1969. D M
14,—
Wortgeographie und Gesellschaft Herausgegeben von W A L T H E R M I T Z K A . (Festgabe für L U D W I G E R I C H SCHMITT zum 60. Geburtstag am 10.2. 1968). Groß-Oktav. VIII, 684S. 1968. Lw. DM 120 —
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