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German Pages 133 [136] Year 1971
Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, der Gegenreformation und des 30jährigen Krieges
von
Prof. Dr. Fritz Härtung
3. Auflage
w DE
G Sammlung Göschen Band 3105
Walter de Gruyter & Co. Berlin 1971
© Copyright 1971 by Walter de Gruyter & C o . , vormals G. J. Göschen'schc Verlagsh a n d l u n g - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. T r ü b n e r Veit & C o m p . , Berlin 30. - Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien u n d Mikrofilmen v o m Verlag vorbehalten. - Archiv-Nr.: 7610700. Satz und Druck: Saladruck, Berlin. - Printed in Germany
Inhalt Zeittafel I. Das Zeitalter der Reformation 1519 bis 1555 1. 2. 3. 4. 5.
Deutschland um 1519 Die Anfänge der deutschen Reformation Der Bauernkrieg von 1525 Ruhe vor dem Sturm 1526 - 1546 Der Schmalkaldische Krieg und die kaiserliche Reaktion 1546 - 1551 6. Fürstenaufstand und Augsburger Religionsfriede
II. Das Zeitalter der Gegenreformation
4 7 7 13 18 25 35 39
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7. Jahre der Ruhe 1555 - 1570 8. Die Anfänge der Gegenreformation in Deutschland . . . .
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9. Das Reich und das Ausland 10. Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands bis zum Beginn des 30jährigen Krieges 11. Der deutsche Territorialstaat 12. Die unmittelbare Vorgeschichte des 30jährigen Krieges
67
III. Der dreißigjährige Krieg 13. 14. 15. 16. 17.
Der böhmisch-pfälzische Krieg Der niedersächsisch-dänische Krieg Der schwedische Krieg bis zum Prager Frieden Die europäische Phase des Krieges Der Westfälische Friede
70 80 89
95 95 99 104 119 122
Literaturverzeichnis
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Namen- und Sachverzeichnis
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Zeittafel 1517 (Oktober 31) Luthers Thesenanschlag. - 1519 Maximilian I. f , Karl V. (geb. 1500), bisher Herzog von Burgund und König von Spanien, erbt die habsburgischen Lande und wird zum Kaiser gewählt. - 1520 Luthers große Reformschriften, Verbrennung der Bannbulle. - 1521 Reichstag zu Worms, Wormser Edikt. - 1522 Unruhen zu Wittenberg. Abtretung der deutschen Erblande durch Karl V. an seinen Bruder Ferdinand (geb. 1502). - 1522-1526 Erster Krieg zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich. - 1523 Ritterschaftsbewegung, Sickingen und Hutten f- - 1525 Schlacht von Pavia. Friedrich der Weise von Sachsen f» Bauernkrieg. Das Deutschordensland Preußen wird unter polnischer Lehnshoheit weltliches Herzogtum. - 1526 Friede zu Madrid. Liga gegen Karl V. Reichsabschied zu Speyer. Schlacht von Mohacs. - 1527-1529 Zweiter Krieg zwischen Karl V. und Franz I. - 1527 Sacco di Roma. Kirchenvisitation in Kursachsen, Beginn der Landeskirchen. - 1529 Protestation in Speyer (April 25). Friede zu Cambrai. Die Türken zum erstenmal vor Wien. Marburger Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli. - 1530 Letzte Kaiserkrönung durch den Papst zu Bologna. Augsburger Reichstag. Augsburger Konfession. - 1531 Ferdinand römischer König. Schmalkaldischer Bund. Zwingli f . 1532 Religionsfriede zu Nürnberg. Johann Friedrich Kurfürst von Sachsen (bis 1547, f 1554). - 1533-1536 Krieg Lübecks unter J. Wullenweber gegen Dänemark. - 1534 Befreiung Württembergs. - 1535 Ende des Wiedertäuferreichs in Münster. - 1536-1538 Dritter Krieg zwischen Karl V. und Franz I. - 1539 Brandenburg und das albertinische Sachsen protestantisch. Frankfurter Anstand. - 1540 Bestätigung des Jesuitenordens durch den Papst. Religionsgespräch zu Hagenau und Worms. - 1541-1553 Moritz Herzog (seit 1548 Kurfürst) von Sachsen. - 1541 Ofen von den Türken erobert. Religionsgespräch zu Regensburg. - 1542-1544 Vierter Krieg zwischen Karl V. und Franz I. - 1545-1563 (mit Unterbrechungen) Konzil zu Trient. - 1546 Luther f . Religionsgespräch zu Regensburg. Beginn des Schmalkaldischen Krieges. - 1547 (April 24) Schlacht bei Mühlberg. - 1547-1548 „Geharnischter" Reichstag zu Augsburg, Interim. - 1550-1551 Belagerung Magdeburgs. - 1550-1579 Herzog Albrecht V. von Bayern. - 1522 Vertrag zu Chambord zwischen Heinrich II. von Frankreich und Moritz von Sachsen. Krieg Moritz' gegen Karl V., Vertrag zu Passau. Karls Niederlage vor Metz. - 1553-1586
Zeittafel
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Kurfürst August I. von Sachsen. - 1555 Augsburger Religionsfriede. - 1556 Abdankung Karls V., Ignaz von Loyola f . - 1557 Letztes Religionsgespräch zu Worms. - 1558 Karl V. f , Ferdinand I. Kaiser (bis 1564). - 1559-1576 Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz. - 1560 Melanchton t · - 1563-1570 Krieg um die Ostseeherrschaft. - 1564-1576 Kaiser Maximilian II. - 1564 Calvin f . - 1567 Ende der Grumbachschen Händel. Philipp von Hessen f - 1568 Beginn des Aufstands der Niederlande. - 1570 Gegenreformation in Fulda. 1576-1612 Kaiser Rudolf II. - 1580 Konkordienbuch der Lutheraner. - 1582 Reichstag zu Augsburg. Kalenderreform Gregors XIII. 1583-1585 Kölner Krieg. - 1583 Wallenstein geb. - 1594 Gustav Adolf geb. - 1597 Schließung des Stahlhofs in London. 1597-1651 Herzog (seit 1623 Kurfürst) Maximilian I. von Bayern. - 1607 Achtvollstreckung gegen Donauwörth. - 1608 Reichstag zu Regensburg. Begründung der Union. - 1609 Begründung der Liga. - Waffenstillstand zwischen Spanien und den Niederlanden. Beginn des JülichClevischen Erbfolgestreits. Majestätsbrief in Böhmen. - 1610 Heinrich IV. von Frankreich ermordet. - 1612-1619 Kaiser Matthias. 1613 Reichstag zu Regensburg. - 1614 Vertrag zu Xanten, vorläufige Beilegung des Jülich-Clevischen Erbstreits. - 1617 Prager Vertrag zwischen Spanien und Ferdinand (II.) von Steiermark. - 1618 Beginn des 30jährigen Krieges. Preußen fällt an Brandenburg. - 1619-1637 Kaiser Ferdinand II. - 1619 Friedrich V. von der Pfalz zum König von Böhmen gewählt. - 1620 (November 8) Schlacht am Weißen Berge bei Prag. - 1621 Auflösung der Union. - 1623 Sieg Tillys bei Stadtlohn (westl. Westfalen) über Christian von Halberstadt. - 1625 Eingreifen Dänemarks in den Krieg. Wallenstein General des Kaisers. - 1626 Aufstand in Oberösterreich niedergeworfen. Siege Wallensteins bei Dessau und Tillys bei Lutter am Barenberg. - 1627 Neue Landesordnung für Böhmen. - 1628 Wallenstein Herzog von Mecklenburg. Belagerung von Stralsund. - 1629 Restitutionsedikt (März 6). Friede von Lübeck (Mai 22). Waffenstillstand zwischen Polen und Schweden. - 1630 Landung Gustav Adolfs in Pommern. Kurfürstentag zu Regensburg, Entlassung Wallensteins. - 1631 Subsidienvertrag zwischen Frankreich und Schweden. Leipziger Konvent der Protestanten. Magdeburg von Tilly erobert (Mai 20). Sieg Gustav Adolfs bei Breitenfeld (September 17). 1632 Gustav Adolf fällt bei Lützen (November 16). - 1633 Heilbronner Bündnis der oberdeutschen Kreise mit Schweden. Bernhard von Weimar erobert Regensburg (November 14). - 1634 Wallenstein ermordet (Februar 25). Niederlage der Schweden bei Nördlingen (September 6). - 1635 (Mai 30) Prager Friede. - 1637-1657 Kaiser Ferdi-
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Zeittafel
nand III. - 1638 Bündnis zwischen Frankreich und Schweden. 1640-1688 Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. - 1640 Reichstag zu Regensburg. - 1641 Hamburger Abkommen über die Einleitung von Friedensverhandlungen. - 1644 Beginn der Verhandlungen zu Münster und Osnabrück. - 1646 Leibniz geb. - 1648 "Westfälischer Friede (Oktober 24).
I. Das Zeitalter der Reformation 1519 bis 1555 1. Deutschland um 1519 Wenn hier als Ausgangspunkt für die Darstellung der neueren deutschen Geschichte das Jahr 1519 gewählt wird, so dient dies lediglich dem Anschluß an das 1077. Bändchen dieser Sammlung, in dem J. Haller die deutsche Geschichte des Mittelalters bis zu diesem Jahre geführt hat, es soll aber damit nicht etwa 1519 als ein Jahr von epochemachender Bedeutung bezeichnet werden. Von wenigen Ereignissen im Verlauf der Geschichte kann mit Goethes Worten gesagt werden: „Von hier aus und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus"; und schwerlich kann man den Tod Maximilians I. und die ihm nach wenigen Monaten folgende Wahl seines Enkels Karl V. zum deutschen Kaiser zu diesen Ereignissen rechnen. Eher kommt dem Jahr 1517, in dem Martin Luther durch seinen Thesenanschlag den entscheidenden Bruch in die geistige Entwicklung Europas hineintrug, eine epochemachende Bedeutung zu. Aber die Jahreszahl, die der Historiker im Interesse der äußeren Übersicht über den Geschichtsverlauf nicht entbehren kann und die deswegen lange Zeit im Schulunterricht eine große Rolle gespielt hat, ist gerade für die Zeit um 1500 nebensächlich. Denn damals befand sich Deutschland, ja die ganze abendländische Christenheit in einer großen Wende der Zeiten, das Mittelalter versank, eine neue Zeit, die wir auch heute noch als „Neuzeit" zu bezeichnen gewohnt sind, kam herauf. Auf allen Gebieten des Lebens läßt sich das Absterben alter Formen, das Aufkommen neuer Gedanken und Kräfte feststellen. Erinnert sei an die Erweiterung des Weltbilds durch die großen Entdeckungen, an den Aufschwung der Wirtschaft durch den Frühkapitalismus, an die politische Umgestaltung der Welt durch die Kämpfe der großen Mächte, an die geistige Bewegung der Renaissance und des Humanismus.
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Das Zeitalter der Reformation
An all diesem Neuen hat auch Deutschland tätigen Anteil genommen. Zwar hat es bei den Entdeckungsfahrten des ausgehenden 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts nicht an vorderster Stelle gestanden, deshalb ist auch kein deutscher Name ebenbürtig neben Columbus, Vasco da Gama und Magalhaes zu nennen. Wohl aber hat Deutschland im Wirtschaftsleben des Frühkapitalismus eine führende Rolle gespielt. Das beweist der Aufstieg der Fugger und Welser, die als die hervorragendsten Kräfte der deutschen Wirtschaft dem Zeitalter sogar den Namen gegeben haben. Die Fugger verdanken ihren Reichtum nicht erst den Entdeckungen, sondern haben sich im Lauf des 15. Jahrhunderts als Handwerker, dann als Kaufleute allmählich in die Höhe gearbeitet und es gegen Ende des Jahrhunderts durch geschickte Anlage ihrer Gelder im Bergbau, der durch verbesserte, freilich mit erheblichem Kapitalaufwand verbundene Methoden gesteigerte Erträge und Gewinne abwarf, bis zur führenden Stellung gebracht. So waren sie in der Lage, in Verbindung mit anderen Firmen geradezu ein Monopol für den Kupferhandel zu erwerben. Ebenso war es ihnen ein Leichtes, sich an der Verwertung der auf den neu entdeckten Wegen nach Europa gelangenden viel begehrten Kolonialwaren zu beteiligen und auch hier märchenhafte Gewinne einzustreichen. Die Welser haben eine Zeit lang sogar eine Art Kolonie in Venezuela eingerichtet. Jedenfalls ist es nicht richtig, daß die Verlagerung der Handelsstraßen, die durch die Entdeckungen herbeigeführt wurde, von Anfang an und gleichsam mit Naturnotwendigkeit Deutschland vom Welthandel abgeschnitten und seine Wirtschaft zum Stillstand, ja zum Rückgang gezwungen hätte. Es wäre aber verfehlt, wenn wir die Lebenshaltung des deutschen Volkes lediglich nach diesen „Spitzenerscheinungen" beurteilen wollten. Die breite Masse der städtischen Bevölkerung - von Ritterschaft und Bauern wird später noch die Rede sein - lebte zu Beginn der Neuzeit noch durchaus in bürgerlich-
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handwerklichen Verhältnissen. Daß die durchschnittliche Lebenshaltung behaglich war, daß das Handwerk noch einen goldenen Boden besaß, ist aus den literarischen Zeugnissen wie aus den Denkmälern der Kunst ohne weiteres ersichtlich. Aber wo viel Licht ist, pflegt viel Schatten zu sein. Das zeigt auch das bürgerliche Leben Deutschlands um jene Zeit. Selbst wenn wir uns bewußt bleiben, daß die ältere Generation stets geneigt gewesen ist, die Zustände ihrer Jugend, die „gute alte Zeit", zu idealisieren und alles Neue als schlecht und verderblich abzulehnen, können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, daß sich durch das Aufkommen des Frühkapitalismus die sozialen Spannungen, an denen es in keiner sich lebendig entwickelnden Wirtschaft fehlt, allmählich verschärften. Wie im Bergbau das Kapitalbedürfnis der sich umgestaltenden Technik den Kapitalbesitzern die entscheidende Macht in die Hand gab und den Bergarbeiter, der bisher als „Gewerke" Mitinhaber des Bergwerks gewesen war, immer mehr in die Stellung eines Lohnarbeiters herabdrückte, so trat auch in vielen Handwerken eine Scheidung zwischen wohlhabenden, zu Unternehmern aufsteigenden Meistern und einer verarmenden Schicht ein, die von jenen „verlegt" wurde, d. h. das Geld zur Beschaffung der für den Betrieb erforderlichen Rohstoffe oder diese selbst in natura vorgestreckt erhielt, meist auch die fertige Ware an den „Verleger" verkaufte, dadurch aber bei Fortdauer der rechtlichen Selbständigkeit in wirtschaftliche Abhängigkeit geriet. Es ist verständlich, daß diese zurückgehenden Elemente, ja überhaupt das ganze Kleinbürgertum, mit wachsender Erbitterung das Aufkommen der großen Vermögen, den sich rasch entfaltenden Luxus und die Kehrseite der Medaille, das Steigen der Preise auch für die Lebensbedürfnisse des kleinen Mannes, betrachteten und gesetzliche Maßnahmen gegen die „Monopolisten" und gegen die „Fuckerei" forderten. Das hinderte sie freilich nicht, sich selbst an solchen monopolistischen Spekulationen zu beteiligen; als die Augsburger Firma Höchstetter
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Das Zeitalter der Reformation
sich bereit erklärte, auch kleine und kleinste Geldbeträge in ihren Unternehmungen anzulegen, da haben, wie ein Chronist berichtet, Bürger, Bauern, Dienstknechte und Dienstmägde in großer Zahl davon Gebrauch gemacht, zuletzt aber durch den Zusammenbruch der Firma ihr mühsam erarbeitetes Geld verloren. Das mag eine vereinzelte Ubertreibung des Spekulationsgeistes gewesen sein. Aber daß der Geist des Kapitalismus - den Jakob Fugger wohl am kürzesten charakterisiert hat, als er auf den Rat, sich angesichts der bereits erzielten großen Gewinne vom Geschäft zurückzuziehen, antwortete: er habe einen ganz andern Sinn, er wolle gewinnen, solange er lebe daß dieser Geist das deutsche Wirtschaftsleben immer stärker erfaßte, ist unbestreitbar. Wohl hat der deutsche Reichstag, auf dem die mittleren und kleineren Landesfürsten den Ausschlag gaben, zweimal (1512, 1524) scharfe Bestimmungen gegen die großen Kaufmannsgesellschaften und ihre Monopolbestrebungen erlassen, aber er konnte damit das Rad der wirtschaftlichen Entwicklung nicht aufhaken, geschweige denn zurückdrehen. Denn die großen Mächte, und zu ihnen gehörte in Deutschland das Haus Habsburg, waren zur Durchführung ihrer politischen Pläne auf die finanzielle Unterstützung durch das Großkapital angewiesen. Mit dürren Worten hat Jakob Fugger einmal Kaiser Karl V. an die bekannte Tatsache erinnert, daß er die Kaiserkrone nur den Fuggerschen Geldern zu verdanken habe. Und darum blieben die gegen den Kapitalismus gerichteten Beschlüsse des deutschen Reichstages ohne alle Wirkung. So hinterläßt die Betrachtung der wirtschaftlichen Zustände Deutschlands einen zwiespältigen Eindruck: neben einem starken Aufschwung stehen Härten, Spannungen, Rückgang und Verarmung. Wenden wir uns nun der politischen Verfassung des Reichs zu, so wird das Bild ganz düster. Wohl galt das Heilige Römische Reich — das war der amtliche Titel, dem allmählich der Zusatz „Deutscher Nation" hinzugefügt wurde, um die seit dem Interregnum erfolgte und nun unwiderruflich
Deutschland um 1519
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gewordene Beschränkung des Reichs auf seine deutschen Gebiete anzudeuten - noch immer als das erste Reich der abendländischen Christenheit, und die Kaiserwürde gab seinem Herrscher den vornehmsten Rang unter den europäischen Fürsten. Aber die Wirklichkeit entsprach weder diesen Rangverhältnissen noch dem Idealbild, das gerade um diese Zeit die deutschen Humanisten auszumalen liebten (vgl. Bd. 1077, S. 105 f.). Nicht nur nach außen hatte das Reich seit dem Interregnum wesentliche Einbußen sowohl im Westen wie im Osten erlitten, auch seine innere Verfassung entsprach den Bedürfnissen der Zeit nicht mehr. Schon während der langen Regierung Friedrichs III. war darum die Forderung nach einer Reform des Reiches laut geworden (vgl. Bd. 1077, S. 95), und der Wormser Reichstag von 1495 hatte einige Fortschritte gebracht, vor allem den ewigen Landfrieden, der das Fehderecht endgültig aufhob, und die Errichtung eines vom Kaiser unabhängigen Reichskammergerichts. Aber damit waren nur Symptome, nicht die eigentlichen Gebrechen berührt worden. Vor allem fehlte es der Reichsgewalt, sowohl dem Kaiser wie dem Reichsregiment, das für kurze Zeit auf Wunsch der Reichsstände die Leitung der inneren Politik des Reiches in die Hand genommen hatte, an geeigneten Organen, um die neuen Gesetze auch auszuführen. Sie war auf den guten Willen der Landesherrn angewiesen. Unter diesen gab es gewiß manchen tüchtigen Regenten, der sich bemühte, in seinem Lande Ordnung zu schaffen und f ü r Frieden und Recht zu sorgen, aber es gab auch andere, die sich wenig um die Verwaltung kümmerten, und in den kleinstaatlich zersplitterten Gebieten Deutschlands fehlte es an Landesherrn, denen die zur Wahrung von Frieden und Recht nötige Macht zur Verfügung gestanden hätte. Infolgedessen haben die Wormser Reformgesetze praktisch kaum etwas an den Zuständen gebessert, und das Scheitern der zunächst hoffnungsvoll begrüßten Reform hat das Gefühl der Unhaltbarkeit der deutschen Zustände gesteigert.
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Das Zeitalter der Reformation
Der entscheidende Anstoß, der das Leben des deutschen Volkes zu Beginn der Neuzeit in Bewegung setzt und die Trennung, ja den Bruch mit dem Mittelalter vollzieht, kommt vom kirchlich-religiöse Gebiet. Die kirchliche Reformbewegung, die sich in manchem mit den Reformbestrebungen in der weltlichen Sphäre berührt, ist allerdings wesentlich älter und keineswegs auf Deutschland beschränkt gewesen; es sei nur an die Reformkonzilien erinnert (vgl. Bd. 1077, S. 57 f.). Einen rechten Erfolg hat sie freilich nicht gehabt, die viel beklagte Verweltlichung der Kirche nahm gerade im 15. Jahrhundert stark zu und erreichte mit Päpsten wie Alexander VI. und Julius II. einen kaum mehr zu überbietenden Grad. Darüber, insbesondere über die damit zusammenhängenden Geldforderungen der Kurie wurde auf vielen deutschen Reichstagen geklagt, die Beschwerden der deutschen Nation über die Kurie in Rom wurden lebhaft besprochen. Aber das alles bedeutete keineswegs einen Angriff gegen das "Wesen der Kirche selbst. Ebensowenig stand die neue geistige Bewegung der Renaissance in einem bewußten Gegensatz gegen die Kirche. Sie hat auf deutschem Boden eine besondere Ausprägung im Humanismus erfahren (vgl. Bd. 1077, S. 105). Er ist eine vor allem wissenschaftliche Richtung, die sich von der mittelalterlichscholastischen Methode freimacht und, ohne die kirchliche Autorität unmittelbar zu bekämpfen, durch das Zurückgehen auf die Antike ihr doch eine weitere unantastbare Autorität zur Seite stellt. Die breite Masse des Volkes blieb von alle dem unberührt. Sie hatte wohl auch manche Klagen über die Kirche, die übergroße Zahl der Personen geistlichen Standes, die auf Kosten der Laien lebten, das unwürdige Verhalten vieler durch den Cölibat zur Ehelosigkeit verurteilten Geistlichen, aber die Kirche als unentbehrliche Anstalt, als Voraussetzung des Seelenheils blieb unangetastet, ja all die Kritik ist im tiefsten Grunde nur Ausdruck einer lebendigen Religiosität, die freilich in den Formen der bestehenden Kirche nicht mehr ihre volle Befriedigung findet.
Das Zeitalter der Reformation
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2. Die Anfänge der deutschen Reformation In diese Welt voller Kraft, voller Unruhe, voller Gärung trat am 31. Oktober 1517 Martin Luther mit seinem Thesenanschlag an der Schloßkirche zu Wittenberg. Wenn aus diesen 95 Thesen, die zunächst nichts anderes zu sein schienen als ein alltägliches Mönchsgezänk, bald eine große allgemeine Volksbewegung erwuchs, die ganz Deutschland erfaßte und weltgeschichtliche Bedeutung erlangte, so ist darauf gewiß die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Praxis der kirchlichen Behörden von Einfluß gewesen. Aber zum Durchbruch kam sie durch die Persönlichkeit Luthers (1483-1546). Es ist nicht möglich, Wesen und Werk Luthers auf dem knappen Raum, der hier zur Verfügung steht, zu würdigen, zumal da es sich dabei um viel umstrittene Fragen handelt, die eine vielseitige Beleuchtung erforderlich machen. Immerhin hat sich in der neueren Zeit eine gewisse Annäherung zwischen protestantischen (G. Ritter) und katholischen (J. Lortz) Forschern vollzogen, die es erlaubt, die Hauptzüge von Luthers Bild mit wenigen Strichen zu zeichnen. Er wurzelt ganz in der spätmittelalterlichen Kirche, deren Lehre er als Student der Universität Erfurt und dann im Kloster in sich aufgenommen hat. Aber weder die gründliche Beschäftigung mit der kirchlichen Dogmatik noch die strenge und gewissenhafte Befolgung der Klosterregeln hat ihm das geben können, was das tiefste Bedürfnis seiner Seele gewesen ist, die Gewißheit des Heils. Um so schmerzlicher empfand er die Leichtfertigkeit, mit der die Ablaßpraxis die Fragen der Sünde, Schuld und Buße behandelte, und aus der Sorge für seine Beichtkinder heraus hat er seine Thesen gegen den Dominikaner Tetzel geschrieben, der Ablaßbriefe vertrieb, um die Schulden des die Erzbistümer Mainz und Magdeburg sowie das Bistum Halberstadt in seiner Hand vereinigenden Kardinals Albrecht aus dem Hause Brandenburg zu decken. Der vollen Tragweite seines Schrittes ist er sich dabei keineswegs bewußt gewesen. Aber auch als er die
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Das Zeitalter der Reformation
Folgen übersah, wurde er nicht unsicher, vielmehr trieb ihn die kompromißlose Unbedingtheit seines Wesens weiter und brachte alle Ausgleichsbemühungen der Jahre 1518 und 1519 zum Scheitern. Die ungeheuren Konsequenzen des Thesenanschlags hat Luther in den drei großen Reformschriften des Jahres 1520 gezogen, unter denen die Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" an erster Stelle steht. Es sind Schriften leidenschaftlichen Kampfes gegen das bisherige kirchliche System des Mittelalters, das durch seine Lehre von den Sakramenten und von der besonderen Weihe des Priesterstandes die Weltlichkeit in einer „babylonischen Gefangenschaft" gehalten habe, zugleich aber enthalten sie ein Programm für eine neue Ordnung des Lebens, die sich aufbaut auf der „Freiheit eines Christenmenschen", sich ohne die Vermittlung der Kirche und ihrer Priester und ohne die mit Geringschätzung der irdischen Berufsarbeit verbundene Werkheiligkeit allein durch Aneignung des in der Bibel geoffenbarten wahren Glaubens den Weg zur Seligkeit zu eröffnen. Die unvermeidliche Folge dieser Schriften war, daß Luther durch den Papst gebannt wurde. Indem er die Bannbulle öffentlich verbrannte, vollzog er auch äußerlich den Bruch mit der Kirche. In den weitesten Kreisen des Volkes fanden die Schriften stürmische Zustimmung. Z u m ersten Mal trat die Bedeutung des Buchdrucks f ü r das öffentliche Leben klar und drohend in Erscheinung, er bot das technische Mittel zur raschen Verbreitung neuer Lehren; vor allem das Flugblatt mit seiner auch den des Lesens unkundigen Betrachter packenden bildlichen Darstellung tat seine Wirkung. Und doch hätte diese nicht so groß sein können, wenn nicht schon längst in der mit Spannung geladenen Atmosphäre des deutschen Lebens eine besondere Aufnahmebereitschaft für Luthers Forderungen bestanden, wenn nicht gerade die breite Masse des Volkes in ihnen die Abhilfe ihrer Nöte, die Erfüllung ihrer Wünsche erblickt hätte.
Die Anfänge der deutschen Reformation
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So konnte aus diesen Schriften „weitaus die tiefste Erschütterung, welche die Gesellschaft des Abendlandes jemals erfahren hat" (G. Ritter), erwachsen. Von entscheidender Bedeutung für den gesamten weiteren Verlauf der deutschen Geschichte mußte die Stellung werden, die die weltlichen Gewalten, an erster Stelle der Kaiser, zu der Volksbewegung und zu Luthers Programm einnahmen. Sie vor allem, nicht der Kleinadel, wie man angesichts der Beziehungen zwischen Luther und Hutten und anderen Rittern annehmen könnte, waren der „christliche Adel deutscher Nation", an den Luther seine Reformschrift gerichtet hatte; Karl V., „das junge deutsche edle Blut", hatte er unmittelbar angesprochen. Aber in dieser Schicksalsstunde der deutschen Geschichte stand an der Spitze des Reichs ein M a n n , der kein Deutscher war und es nie geworden ist, ja, so darf man sagen, es auch nicht werden konnte. Wohl war Karl V. als ältester Enkel des in Deutschland besonders volkstümlichen Kaisers Maximilian I. Erbe des gesamten Besitzes des Hauses Habsburg geworden, aber da er damit das Erbe des halb aus französischer, halb aus niederdeutscher Wurzel zusammengewachsenen burgundischen Staatswesens verband, war er in der durchaus französischen Kultur, die am burgundischen H o f e vorherrschte, erzogen worden; die deutsche Sprache hat er stets nur gebrochen zu sprechen vermocht. Mit diesen beiden Machtkomplexen vereinigte er seit dem Tode seines Großvaters mütterlicherseits, Ferdinands des Katholischen von Aragonien (vgl. Bd. 1077 S. 100), das gesamte spanische Reich sowohl in Europa wie den bereits großen und sich rasch erweiternden Kolonialbesitz in der neuen Welt. M a n könnte meinen, daß das deutsche Reich unter einem Kaiser, der eine so ungeheure Macht in seiner H a n d zusammenfaßte, wieder in den Mittelpunkt der großen Politik getreten wäre, aus dem es seit dem Zusammenbruch des mittelalterlichen Kaisertums infolge seiner inneren Schwäche ausgeschaltet worden war. Tatsächlich aber zog die Machtzusammenballung des Hauses Habsburg das Reich nur in alle
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Das Zeitalter der Reformation
Gegensätze der Großmächte hinein, ohne daß es seine eigenen Interessen zur Geltung bringen konnte. Darüber hatten sich die deutschen Kurfürsten schon bei der Wahl Karls V. keinen Illusionen hingegeben. Aber da angesichts der Schwäche der Reichsgewalt nur ein Fürst mit einer großen Hausmacht die Kaiserwürde auf sich nehmen konnte - Friedrich der Weise von Sachsen lehnte die ihm zugedachte Ehre aus guten Gründen ab - , blieb ihnen, wenn sie nicht Franz I. von Frankreich wählen wollten, nur die Kandidatur Karls. In den mühsam ausgeklügelten Bestimmungen der Karl auferlegten Wahlkapitulation haben sie versucht zu verhindern, daß Karl seine außerdeutschen Machtmittel, zumal seine spanischen Soldaten, zur Unterdrückung der deutschen Freiheit verwende und daß er die Kräfte des Reichs im Interesse seiner fremden Besitzungen ausnutze, vor allem daß er das Reich in seine Kriege hineinziehe. Aber selbst wenn sich Karl an diese Bedingungen hätte binden wollen, das war ganz ausgeschlossen, daß man den Herrn der spanisch-burgundisch-habsburgischen Großmacht zu einer rein deutschen Politik gewinnen konnte. Im Frühjahr 1521 trat der deutsche Reichstag in Worms zum ersten Mal unter Karl V. zusammen. Seine Hauptaufgabe sollte es sein, die 1486 eingeleitete Reichsreform, die unter Maximilian an den inneren Gegensätzen zwischen dem Kaiser und den Reichsfürsten gescheitert war, zu deren Durchführung sich Karl aber in der Wahlkapitulation hatte verpflichten müssen, endlich zur T a t werden zu lassen. Aber nur sehr äußerlich hat er diese Aufgabe erfüllt, indem er die alten Ordnungen von 1495 (vgl. Bd. 1077, S. 96) erneuerte; für die praktische Durchführung geschah so gut wie nichts, denn das Reichsregiment, das für die Dauer der Abwesenheit Karls die Regierung im Reich leiten sollte, entbehrte wie das Regiment von 1500 jeder Handhabe, um seinen Beschlüssen gegen Widerstrebende Geltung zu verschaffen. Das Verhör Luthers, das in den Augen der Nachwelt diesem Reichstag seine Bedeutung gibt, ist für die Zeitgenossen, wie wir aus den Berichten der Anwesenden
Die Anfänge der deutschen Reformation
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wissen, nur eine Episode gewesen. Ähnlich wie Hus auf dem Konstanzer Konzil 1415 (vgl. Bd. 1077, S. 60) ist der gebannte Luther mit kaiserlichem Geleit auf dem Wormser Reichstag erschienen und am 17. und 18. April vor dem Kaiser und den Reichsständen verhört worden. Hier lehnte er es ab, seine Schriften zu widerrufen, es sei denn, daß er durch die Bibel oder Vernunftgründe des Irrtums überführt würde; Papst und Konzilien könne er nicht als Autoritäten anerkennen, da sie dem Irrtum unterworfen seien1. Damit hatte sich Luther öffentlich als Ketzer bekannt, und es war die Pflicht der weltlichen Obrigkeiten, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Es ist ein Zeichen für den seit 1415 eingetretenen Wandel der Zeit, daß nicht einmal Karl V., so schroff er Luthers Persönlichkeit ablehnte, es wagte, Luther das Geleit für die Rückreise zu versagen. Auf dieser sorgten die Räte des Kurfürsten von Sachsen, des Landesherrn der Universität Wittenberg, daß Luther eine Zuflucht auf der Wartburg fand und für einige Monate, die für ihn durch den Beginn der Bibelübersetzung fruchtbar wurden, dem Zugriff der Ketzerverfolgung entzogen wurde. Inzwischen hatte Karl V. längst seine Entscheidung bekannt gegeben. Eine Aufzeichnung, die er unter dem unmittelbaren Eindruck des Auftretens Luthers niedergeschrieben hat, bekundete den festen Entschluß, alles, Staaten, Freunde und sein eigenes Leben einzusetzen für seine Religion; und diesem Entschluß ist er bis zum Tode treugeblieben. Die erste Maßnahme in dieser Richtung war das Wormser Edikt vom 8. Mai 15212, das Luther in die Reichsacht erklärte, die Vernichtung aller seiner Schriften anordnete, für die Zukunft eine Zensur für alle Schriften religiösen Inhalts einführte und strenge Maßnahmen gegen seine Anhänger androhte. 1 Die viel angeführten Schlußworte: „Hier stehe ich, idi kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen" haben nach den unmittelbaren Zeugnissen nur gelautet: „Gott helfe mir, Amen." ' D i e von protestantischer Seite aufgebrachte Behauptung, das Edikt sei eine Fälschung, läßt sich nicht aufrechterhalten. Wohl aber ist es zurückdatiert, um den Anschein zu erwecken, als sei es vom ganzen Reichstag gebilligt worden.
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Härtung, Deutsche Geschichte
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Karl w a r allerdings nicht in der L a g e , sich u m die Befolgung seines
Befehls
zu
kümmern.
Denn
unmittelbar
nach
dem
Schluß des Reichstags m u ß t e er sich nach Spanien begeben, um dort einen ausgebrochenen Aufstand niederzuwerfen und den K a m p f gegen F r a n z I. von Frankreich zu organisieren. So w a r Deutschland fast ein J a h r z e h n t sich selbst überlassen. Das bedeutete, d a ß das W o r m s e r Edikt fast überall auf dem Papier stehen blieb. W e n n schon in n o r m a l e n Zeiten die Ausführung
kaiserlicher
Anordnungen
vom
guten
Willen
der
Reichsstände abhing, so zeigte sich jetzt, daß k a u m ein F ü r s t es wagte, sich der Volksbewegung entgegenzustemmen und die Verbreitung von Luthers Schriften zu verhindern. Schon gann sich in vielen Gegenden Deutschlands die Organisation
aufzulösen.
Gleichzeitig
regten
be-
altkirchliche
sich unter
den
Anhängern Luthers radikale T e n d e n z e n , die sich nicht damit begnügten, das zu beseitigen, w a s nach Luthers Ansicht Bibel widersprach,
der
sondern darüber hinaus gegen alles v o r -
gingen, w a s sich nicht unmittelbar aus der Bibel beweisen ließ. L u t h e r t r a t diesen Schwarmgeistern mit Energie entgegen, verließ t r o t z der d a m i t verbundenen
Gefahr sein Asyl auf der
W a r t b u r g , konnte aber die Unruhe nicht bannen. W i e die Sorge vor einem gewaltsamen
Ausbruch w a r ,
groß
zeigt
der
Beschluß des N ü r n b e r g e r Reichstags v o m Frühjahr 1 5 2 4 , zur Herstellung einer vorläufigen O r d n u n g in den Glaubensfragen eine N a t i o n a l v e r s a m m l u n g abzuhalten.
3 . D e r Bauernkrieg v o n 1 5 2 5 Zur
unmittelbaren
Gefahr w u r d e
die religiöse
Bewegung
durch ihre Verbindung mit den sozialen Mißständen.
Zuerst
erhob sich die Ritterschaft zum Verzweiflungskampf. Sie w a r durch die m o d e r n e Entwicklung auf dem staatlichen wie auf dem
wirtschaftlichen
Gebiet
ins
Hintertreffen
geraten.
Nur
wenige ihrer Mitglieder verstanden es, sich in die veränderte
Der Bauernkrieg von 1525
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Zeit zu schicken, sich durch gelehrtes Studium für den Beamtendienst im Territorialstaat brauchbar zu machen oder in der neuen Form des Landsknechtswesens Kriegsdient zu tun oder endlich - ein Mittel, das freilich durch die Agrarverfassung nur im östlichen Deutschland möglich war - durch unmittelbare Betätigung im landwirtschaftlichen Betrieb sich eine neue, eng mit dem Kapitalismus verbundene Daseinsform zu schaffen. Nur allzu viele versteiften sich auf die althergebrachte ritterliche Lebensweise, in der sie die Gewähr ihrer Freiheit erblickten, und versuchten, die Mittel für die sich immer mehr verteuernde Lebensführung durch Druck auf die hörigen Bauern oder auch durch Straßenraub zu erwerben. Die poetische Verklärung, die das Rittertum dieser Zeit in Goethes Götz von Berlichingen gefunden hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei dem Kleinadel um einen untergehenden Stand handelte, der den Anschluß an die neue Zeit nicht gefunden hatte und vielfach auch gar nicht finden wollte. Die durch die religiöse Bewegung entstandene Erschütterung der kirchlichen Ordnung ließ in manchen Köpfen die Hoffnung wach werden, auf Kosten des reichen Kirchenguts die eigene Lage zu verbessern. In Franz von Sickingen als dem militärischen, in Ulrich von Hutten als dem literarischen Vorkämpfer findet dieses Rittertum seine letzte Verkörperung. Als Sickingen 1523 gegen den Erzbischof von Trier losschlug, traten ihm die Landesherren der Nachbarschaft entgegen, so daß das Unternehmen kläglich scheiterte; er selbst fand bei der Eroberung seines Schlosses den Tod. Hutten flüchtete nach der Schweiz, wo er bald darauf starb. Eine Ergänzung fand der Kampf gegen Sickingen durch einen kriegerisches Vorgehen des Schwäbischen Bundes gegen die unruhige Ritterschaft in Franken. Damit war die Rolle der Reichsritterschaft endgültig ausgespielt, wenn sie sich auch noch bis 1803 in ihrer unfruchtbaren Reichsunmittelbarkeit behauptete. Von weit größerer Bedeutung sollte die Erhebung der Bauern werden. Es handelt sich dabei um ein viel umstrittenes 2*
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Problem, bei dessen Beurteilung Protestanten und Katholiken, Sozialisten und Nichtsozialisten oft entgegengesetzte Urteile gefällt haben. V o r zu schroffer Einseitigkeit sollte schon die T a t sache warnen, daß der Bauernkrieg bei weitem nicht ganz Deutschland erfaßt hat; unberührt blieb nicht nur -
das ist
leicht zu verstehen - Niedersachsen als das Land mit der gesündesten bäuerlichen Verfassung, sondern auch das menschenarme ostelbische Kolonialland, in dem die Lage der Bauern besonders schlecht war und sich seit dem Eindringen des kapitalistischen Geistes in die gutsherrlichen Betriebe noch mehr verschlechterte. Deshalb kann der Bauernkrieg nicht einfach als die verzweifelte Erhebung eines gedrückten
Proletariats
erklärt werden. Ebenso wenig kann die Ursache allein in der mißverstandenen Lehre Luthers von der Freiheit des Christenmenschen erblickt werden, dagegen spricht die Tatsache, daß bereits in der englischen Bewegung von Wiclef und in der böhmischen von Hus Auflehnung gegen die kirchliche Autorität und gegen die soziale Ordnung auf dem Lande H a n d in Hand gegangen sind und daß der deutsche Bauernkrieg von 1525 eine lange, bis tief ins 15. Jahrhundert zurückreichende Vorgeschichte hat. In dem Rahmen, der für diese Darstellung gegeben ist, läßt sich natürlich ein ausreichendes Bild der bäuerlichen Verhältnisse nicht einmal in der Beschränkung auf die vom Aufstand ergriffenen Gebiete zeichnen. D a ß die Lage der Bauern örtliche Verschiedenheiten aufwies, daß es hartherzige und menschlich empfindende Grundherren gab, das versteht sich von selbst und kann durch zahlreiche Quellen belegt werden. Durch die neueren Forschungen ist eine ziemlich weitgehende Übereinstimmung darüber erzielt worden, daß die Bauern seit langem (vgl. Bd. 1077, S. 103) ihre Lage als drückend empfanden, daß ihre Unzufriedenheit aber nicht so sehr aus materieller N o t erwuchs, sondern eher im Gegenteil aus dem
Widerspruch
zwischen der behaglichen, wirtschaftlich gesicherten
Existenz
und der Unklarheit und Gedrücktheit ihrer rechtlichen Stellung.
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Auf der einen Seite hatten die alten Abgaben und Pflichten, die dem unfreien Bauern oblagen, ihren Sinn und damit in den Augen der Bauern ihre Berechtigung verloren, auf der anderen Seite versuchten viele Grundherren, ihre durch das Eindringen des Kapitalismus, die damit verbundene Preissteigerung und den aufreizenden Luxus der Städter beengte wirtschaftliche Lage durch schärfere, manchmal geradezu schikanöse Ausnutzung ihrer alten und veralteten Herrschaftsrechte auf Kosten der Bauern aufzubessern. Dazu kamen als etwas Neues die wachsenden Steuerforderungen des sich gerade um 1500 kräftig entfaltenden Territorialstaats. Fast in alle Bauernunruhen schon des 15. Jahrhunderts spielt ein religiöses Moment hinein. Die Bauern empfanden den Gegensatz zwischen der Leibeigenschaft und der kirchlichen Lehre, daß Christus alle Menschen erlöst habe; und so zündete Luthers Lehre von der Freiheit des Christen ganz besonders bei den unfreien Bauern und wurde von ihnen sehr handfest auf die eigene soziale Lage bezogen. Bei der längst bestehenden Spannung bedurfte es nur unbedeutender Anlässe - ein adliger Herr soll ζ. B. mitten in der Ernte von seinen Bauern verlangt haben, daß sie für die gnädige Frau Schneckenhäuschen zum Aufwinden des Garns sammelten - , um seit dem Spätsommer 1524 in manchen Gegenden Südwestdeutschlands Bauernunruhen hervorzurufen, die im Frühjahr 1525 zum großen „Bauernkrieg" zusammenwuchsen. Zu einem einheitlich geführten Krieg haben es die Bauern allerdings nicht gebracht, vielmehr sind die einzelnen Kriegsschauplätze, der obere Schwarzwald, das Elsaß, das Allgäu, Franken und Thüringen von einander völlig getrennt geblieben. Wohl aber haben die Bauern ein gemeinsames Programm gehabt, die „gründlichen und rechten Hauptartikel aller Bauernschaft", kurz bezeichnet als die 12 Artikel. Sie stellen eine bunte Mischung von wirtschaftlich-sozialen und religiösen, von großen und kleinen Forderungen dar, beginnen mit dem an Luther anklingenden Satz, daß die Gemeinden das Recht haben
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sollen, ihre Pfarrer selbst zu wählen und d a ß die Pfarrer das Evangelium lauter und klar ohne allen menschlichen
Zusatz
predigen sollen. Sie lehnen die Leibeigenschaft mit Berufung auf die Erlösung durch Christus ab und verlangen die Aufhebung des
der
damit
besonders
verbundenen
lästigen
Verpflichtungen,
„Todfalls",
einer
vor
allem
Vermögensabgabe
beim T o d e eines Leibeigenen. Im Ganzen betrachtet kann das P r o g r a m m als durchaus gemäßigt gelten; wie wenig revolutionär die Bauern w a r e n , zeigt insbesondere der Schlußartikel, der die Bereitschaft ausspricht, diejenigen Forderungen fallen
zu
lassen, die nachweislich d e m W o r t e Gottes nicht g e m ä ß seien. So w a r es durchaus berechtigt, wenn Luther eine
„Ermah-
nung zum F r i e d e n " hinausgehen ließ, in der er beiden Parteien gut zuredete, sich friedlich und christlich zu einigen. Aber die Leidenschaften w a r e n auf beiden Seiten schon zu g r o ß geworden, als d a ß seine W o r t e noch Eindruck hätten machen können. V o r allem die Fürsten w a r e n keineswegs bereit, sich mit aufständischen
Untertanen
vornherein
entschlossen,
gütlich
Empörung
niederzuschlagen.
zu
vertragen,
ein E x e m p e l Es
sondern
von
zu statuieren und
vergingen
freilich
ein
die paar
W o c h e n , bis sie ausreichend gerüstet w a r e n . Deshalb konnten die Bauern zunächst m a n c h e n Erfolg erzielen. D a ß sie in der Hitze des Kampfes
sich zu Gewalttaten,
Plünderungen
und
Verwüstungen hinreißen ließen, die wenig zu ihrem maßvollen P r o g r a m m paßten, w a r unvermeidlich. Auch k a m e n wie bei allen Revolutionen radikale Strömungen auf, ihr bekanntester W o r t f ü h r e r w a r T h o m a s M ü n t z e r . E r ließ keine andere A u t o rität m e h r gelten als die Vernunft, v e r w a r f also auch die Bibel, die für L u t h e r die u n a n t a s t b a r e Grundlage der religiösen wie der weltlichen O r d n u n g w a r , und verlangte die Verwirklichung des Reiches Gottes schon auf Erden in der F o r m einer klassenlosen Gesellschaft, die er sich primitiv aber wirkungsvoll
so
vorstellte, d a ß die A r m e n reich und die Reichen a r m werden sollten.
Dieser
Verzerrung
Radikalismus
mußte
seiner eigenen Lehre,
Luther
als eine
völlige
als eine Gefährdung
aller
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christlichen Ordnung erscheineil, und so trat er ihm mit dem gleichen leidenschaftlichen Ungestüm, das seine Kampfschriften gegen das Papsttum kennzeichnet, in dem erbarmungslosen Büchlein „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" entgegen, in dem er die Fürsten aufforderte, die aufständischen Bauern wie tolle H u n d e totzuschlagen. Solcher Ermahnungen bedurften die Fürsten gar nicht erst. Nachdem sie die erforderlichen Streitkräfte gesammelt hatten, gingen sie zum Angriff vor, und nirgends waren die schlecht organisierten und schlecht disziplinierten Haufen der Bauern ihnen gewachsen. So wurde der Aufstand allenthalben niedergeworfen, im April in Schwaben, im Mai im Elsaß und in Thüringen, zuletzt in Franken. Uberall wurde ein furchtbares Strafgericht verhängt, nicht nur die Rädelsführer wie Th. Müntzer wurden hingerichtet, auch von den einfachen Bauern wurden Tausende umgebracht. Auffallend ist, daß die Reichsgewalt, repräsentiert durch das 1521 eingesetzte Reichsregiment, an dessen Spitze jetzt der Bruder des noch immer in Spanien weilenden Kaisers, Erzherzog Ferdinand, stand, sich bei all diesen Erschütterungen des deutschen Lebens, sowohl bei der ritterschaftlichen Bewegung wie bei dem weit bedrohlicheren Bauernkrieg, völlig passiv verhalten hat. Sie überließ nicht nur das militärische Vorgehen gegen die Aufstände den territorialen Gewalten, sondern auch die Neuordnung. Der Speyerer Reichstag von 1526 ermächtigte diese, ihre Untertanen, die sich unterworfen hatten, „nach Gelegenheit und ihrem Gefallen" zu behandeln und begnügte sich mit der Empfehlung, dabei „mehr Gnad und Gütigkeit dann Schärfe und Ungnade" anzuwenden. Von irgend welchen Versuchen, die wirtschaftlichen und sozialen Nöte, aus denen die Unruhen erwachsen waren, zu heilen, war überhaupt nicht die Rede. Es ist infolgedessen nicht möglich, das Schicksal der Bauern nach dem Zusammenbruch ihres Aufstands auf eine einheitliche Formel zu bringen. Immerhin kann man sagen, daß es nicht
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ganz so schlimm wurde, wie man nach den Grausamkeiten bei der Unterwerfung hätte annehmen müssen. Der Durst nach Rache war bald gestillt, und wo das menschliche Empfinden nicht ausreichte, den Bauern eine angemessene Behandlung zu gewähren, da half wohl der gesunde Menschenverstand, das wirtschaftliche Interesse, wie es naiv aus dem Munde eines Fürsten sprach: Sollten die Bauern alle erstochen werden, wo nehmen wir andere her, die uns nähren? So hat die Niederlage nicht zu einer Verschlechterung der Lage der Bauern geführt. Allerdings auch nicht zu einer Abstellung der Beschwerden, und so ist es zu verstehen, daß an die Stelle der freudigen Empfänglichkeit, mit der die Bauern von Luthers Auftreten eine Befreiung aus ihrer geistigen und sozialen Abhängigkeit erhofft hatten, nun ein dumpfes Gefühl der Aussichtslosigkeit aller Anstrengungen tritt, der Bauer für Jahrhunderte der gemeine arme Mann wird, mit dem man allenfalls Mitleid hat, der aber von der unmittelbaren Berührung mit dem allgemeinen Leben ausgeschlossen ist. Heutzutage ist die Neigung der sozialistisch gesinnten Geschichtsschreibung groß, die Möglichkeiten, die in der Bauernbewegung gesteckt haben, sehr hoch einzuschätzen und demgemäß die Niederlage als ein entscheidendes Ereignis für den gesamten weiteren Verlauf der deutschen Geschichte zu betrachten. Dabei wird aber übersehen, daß die Bauern nirgends im damaligen Europa eine entscheidende Rolle gespielt haben, weder in Frankreich noch in England, um nur diese für jene Zeit besonders fortschrittlichen Staaten anzuführen. Auch bleibt zu beachten, daß die Länder des Bauernkriegs doch nur etwa ein Drittel Deutschlands ausmachen. Daran ist allerdings kein Zweifel: Die Katastrophe des Jahres 1525 hat nicht nur die Bauern aus der aktiven Beteiligung am deutschen Leben ausgeschaltet, sondern allgemein den Schwung, der die Jahre 1517 bis 1525 erfüllt hatte, gelähmt. Die Bewegung im Volke kommt zum Stillstand, das Schicksal der Reformation wird von nun an lediglich bestimmt
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durch die politischen Gewalten, das Volk nimmt auch in seinen führenden Schichten, dem Adel und dem städtischen Bürgertum, die sowohl in England wie in Frankreich während der Hugenottenkriege, vor allem aber im Freiheitskampf der Niederlande die aktiven Träger des Widerstands gegen religiöse Vergewaltigung gewesen sind, kaum noch Anteil daran, so daß selbst die kriegerischen Auseinandersetzungen in den Jahren 1546/47 und 1552/53 fast allein durch den Kaiser und die Fürsten bestimmt worden sind.
4. Ruhe vor dem Sturm 1526-1546 Wie das Reich gegenüber Ritterschaft und Bauernkrieg versagt hatte, so erwies es sich auch als unfähig, mit der religiösen Bewegung fertig zu werden. Die 1524 beschlossene Nationalversammlung war nicht zustande gekommen, weil der Kaiser ihre Abhaltung verboten hatte. Aber die Durchführung des Wormser Edikts, d. h. die Unterdrückung der Lehre Luthers war ebensowenig gelungen. Der Speyerer Reichstag von 1526 wagte nicht, dem Befehl des Kaisers auf Einhaltung des Edikts offen zu widersprechen, noch weniger hielt er es für denkbar, alle Reichsstände zum Gehorsam gegen diesen Befehl zu zwingen; so einigte er sich auf den unklaren Beschluß, daß die Reichsstände bis zu der von einem Konzil zu erhoffenden Beilegung des Glaubensstreits in Sachen des Wormser Edikts sich so verhalten sollten, wie ein jeder es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne. Dieser Reichsabschied enthält gewiß noch nicht, wie selbst Ranke gemeint hat, eine rechtliche Grundlage für die Ausbildung der evangelischen Landeskirchen; das ist sowohl durch die Entstehungsgeschichte wie durch den ausdrücklichen Hinweis auf die Verantwortung gegen den Kaiser ausgeschlossen. Aber zahlreiche lutherisch gesinnte Reichsstände, Fürsten und Reichsstädte, benutzten die ihnen damit eröffnete Möglichkeit,
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um in ihren Gebieten die durch den Abfall des Volkes vom alten Glauben völlig zerstörte Ordnung der kirchlichen Verhältnisse wiederherzustellen. Das Werk begann in der Regel mit einer Visitation, einer Bestandsaufnahme des Wenigen, was von der alten Organisation noch übrig war. Sie ergab das dringende Bedürfnis nach dem Eingreifen der weltlichen Obrigkeiten. So folgte den Visitationen bald der Erlaß neuer Ordnungen für die Kirche, Bestimmungen über die Besetzung und Besoldung der Pfarreien, über die Aufsicht, die örtlich über die Lehre und den Wandel der Geistlichen auszuüben war durch Superattendenten, in letzter Instanz dem Landesherrn und in seiner Vertretung dem von ihm ernannten, aus Geistlichen und aus weltlichen Juristen zusammengesetzten Konsistorium zustand. Aber auch die Lehre wurde von der weltlichen Obrigkeit festgesetzt. Abweichung von dieser staatlichen Anordnung wurde nicht geduldet; wer sie nicht anerkennen wollte, mußte auswandern. Luther ist nicht von Anfang an der Meinung gewesen, daß die Leitung der Kirche, die mit der Bestimmung der rechten Lehre tief in das innerkirchliche Leben eingriff, ohne weiteres dem Landesherrn und seinen Beamten zukomme. Noch 1527 stand er auf dem Standpunkt, daß die weltliche Obrigkeit mit dem geistlichen Regiment und der Lehre nichts zu tun habe; angesichts der Zerrüttung des kirchlichen Lebens fand er sich aber damit ab, daß die evangelischen Obrigkeiten, Fürsten wie Stadtmagistrate, sich gleichsam aus Not und christlicher Liebe der Aufgabe unterzögen, die eigentlich der kirchlichen Obrigkeit, den Bischöfen, oblag. Aber die weltlichen Gewalten haben sich an die mit dieser Theorie gegebenen Grenzen ihrer kirchlichen Aufsichtsrechte um so weniger gehalten, als sie bereits im 15. Jahrhundert (vgl. Bd. 1077, S. 83) Ansprüche auf Regelung des kirchlichen Lebens erhoben hatten. Es war im Grunde nichts Neues, sondern nur eine der allgemeinen Ausgestaltung des Territorialstaats während des 16. Jahrhunderts entsprechende Erweiterung längst geübter Befugnisse, wenn die
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evangelischen Landesherrn mit der weltlichen Regierung auch das Kirchenregiment verbanden, wenn sie diejenigen, die sich der vorgeschriebenen Lehre nicht fügen wollten, nicht auf Grund eines kirchlichen Gebotes als Ketzer, sondern kraft landesherrlichen Befehls als Störer der bürgerlichen Ordnung des Landes verwiesen. Auch das Kirchengut wurde mit wenigen Ausnahmen, ζ. B. in Württemberg, w o ein besonderer für Kirchen und Schulen bestimmter Kirchenkasten geschaffen wurde, mit dem weltlichen Besitz der Fürsten vereinigt und zur Deckung des staatlichen Bedarfs mitverwendet. So schufen sich die evangelischen Obrigkeiten ihre eigenen Landeskirchen. Auch bei den katholischen Fürsten finden wir ähnliche Bemühungen, ihre Befugnisse über die geistlichen Anstalten und die Kirchengüter zu erweitern, nur daß hier Eingriffe in die Lehre selbstverständlich unterblieben. Es läßt sich kaum leugnen, daß die staatliche Leitung der Landeskirchen, der starke Einfluß, den das weltliche juristische Beamtentum in den Konsistorien darauf hatte, mit den Ansichten Luthers nicht ganz übereinstimmte; er hat ja auch seinem Unmut über diese Entwicklung unverblümt Ausdruck verliehen. Aber er konnte sie nicht rückgängig machen, er wollte es auch nicht. Dazu war der Eindruck, den die in den Jahren nach 1520 eingerissene Anarchie und die Empörung von 1525 auf ihn gemacht hatten, zu tief und nachhaltig. Allein auf die Freiheit des Christen und das allgemeine Priestertum ließ sich die Kirche nicht wieder aufbauen, sie bedurfte der stützenden Macht des Staates. Die Errichtung der Landeskirchen auf evangelischem Boden hat bis zum Zusammenbruch des monarchischen Staates in Deutschland nachgewirkt. Es ist begreiflich, daß die heutige Zeit, die angesichts der fast widerstandslosen Unterwürfigkeit der breiten Volksmassen gegenüber dem Nationalsozialismus die Ursache dieser Schwäche ergründen möchte, auch die Form der Kirchenverfassung kritisiert, zumal da diese in bezeichnendem Gegensatz zu der von unten sich aufbauenden Organi-
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sation der calvinistischen Gemeinden Westeuropas und vor allem zu dem kämpferischen Mut des Calvinismus in den Hugenottenkriegen und während des niederländischen Aufstands steht. Aber einer vorschnellen Verurteilung des Luthertums als einer Kirche des leidenden Gehorsams ist entgegenzuhalten, daß gerade die kirchlichen Kreise, in denen der Geist der Reformationszeit noch lebendig geblieben war, sich dem Nationalsozialismus nicht gebeugt, sondern Widerstand geleistet haben. Ferner ist zu bedenken, daß die feste obrigkeitliche Organisation der Kirche, wie sie sich seit 1526 allmählich in den evangelischen Territorien ausgebildet hat, ihre unmittelbare Aufgabe gut gelöst hat und nicht ohne weiteres mit der Schuld an der im Vergleich zu anderen Völkern, etwa Engländern oder Franzosen, tatsächlich geringeren politischen Kraft des deutschen Volkes belastet werden darf. Sie hat die äußeren Formen geschaffen, die dem durch Luther neu erweckten religiösen Bedürfnis der breiten Volksschichten Genüge taten, sie hat die Ausbildung, Bestellung und Besoldung der Pfarrer besorgt, auch die Armenpflege in die Hand genommen und darüber hinaus in wachsendem Umfang auch ein weltliches Schul- und Bildungswesen aufgebaut. So ist es gelungen, nach den stürmischen Bewegungen der Jahre 1517 bis 1525 verhältnismäßig rasch geordnete Zustände herbeizuführen und die radikale Schwarmgeisterei zu unterdrücken. Diese fand ihren letzten Mittelpunkt in dem „Reich der Freiheit" der Wiedertäufer in Münster 1 5 3 3 - 1 5 3 5 . Die Führung dabei hatten Männer wie Jan Mathys und Johann von Leiden, die sich der strengen Ketzerverfolgung in den Niederlanden durch die Flucht nach Deutschland entzogen und nun versuchten, das Reich Gottes, dessen baldige Wiederkunft sie auf Grund apokalyptischer Verheißungen und innerer Gesichte bald erwarteten, schon auf Erden zu verwirklichen. Sehr schnell entartete aber die Theokratie zu einer zügellosen Gewaltherrschaft, die sich über alle Schranken christlicher Gesittung hinwegsetzte. Es bedurfte großer Anstrengungen der benachbarten Fürsten und einer langwierigen Belagerung, bis Münster im Sommer 1535 zurückerobert werden konnte. Die Rädelsführer wurden mit der ganzen Grausamkeit der Zeit hingerichtet.
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Im allgemeinen aber blieb in Deutschland die Ruhe seit 1525 ungestört, und die evangelische Lehre konnte sich fast ungehindert ausbreiten. Karl V. war freilich von Anfang an entschlossen, diese Entwicklung nicht zu dulden. Notgedrungen hatte er das Reich 1521 verlassen, um seine Herrschaft in Spanien zu befestigen. Fast über Erwarten gelang ihm das. Nicht nur der Aufstand in Spanien wurde niedergeworfen, sondern vor allem wurde Franz I. von Frankreich, der dem Kaiser den Besitz Italiens und eines Teils des burgundischen Erbes streitig machte, 1525 bei Pavia völlig besiegt und geriet in Gefangenschaft. Aber die übermäßige Ausnutzung dieses Sieges im Frieden von Madrid (1526), der Frankreich neben dem Verzicht auf alle italienischen Ansprüche auch die Abtretung der Grafschaft Artois und des Herzogtums Bourgogne auferlegte, schuf neue Schwierigkeiten. Franz I. sagte sich gleich nach seiner Freilassung von allen Zusagen los und fand Bundesgenossen in England und im Papst, die der drohenden Gefahr eines erdrückenden Übergewichts der habsburgischen Macht entgegentreten wollten. Auch Venedig und Mailand schlossen sich dieser sog. Liga von Cognac an. Doch Karl wurde auch dieser Gegner Herr. Das bekannteste Ereignis des 1527 ausbrechenden Krieges wurde die Erstürmung Roms und die sich anschließende Plünderung durch kaiserliche Truppen, an der neben deutschen Landsknechten auch italienische und spanische Soldaten beteiligt gewesen sind. Noch mehr als zwei Jahre vergingen, bis der sog. Damenfrieden von Cambrai (1529), den Karls Tante Margarethe und Franz' I. Mutter Luise vermittelten, einen Ausgleich schuf, bei dem Frankreich zwar die altfranzösische Landschaft Bourgogne behielt, aber Italien endgültig aufgeben mußte. Schon kurz vorher hatte Karl in sicherer Erwartung des siegreichen Friedens sein Augenmerk wieder den deutschen Verhältnissen zugewendet und den Reichsabschied von 1526 aufgehoben. Die katholische Mehrheit der auf dem zweiten Speyerer Reichstag 1529 versammelten Stände nahm diesen
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eigenmächtigen, dem Reichsrechtrat nicht entsprechenden Schritt des Kaisers hin. Aber eine Reihe evangelischer Fürsten und Reichsstädte protestierte förmlich dagegen, daß der Kaiser einseitig einen zwischen ihm oder seinem Bevollmächtigten und dem Reichstag vereinbarten und in Vertragsform ausgefertigten Reichsabschied für ungültig erklärte. Seit dieser Zeit ist der N a m e der Protestanten für die Anhänger Luthers üblich geworden. Im folgenden Jahr 1530 erschien Karl persönlich in Deutschland, nachdem er sich mit dem Papst (Clemens VII. aus dem Haus Medici), einem der Gegner von 1527, vertragen und von ihm als letzer deutscher Kaiser feierlich die Krone erhalten hatte. Er fühlte sich aber noch nicht stark genug, um der Ketzerei im Reiche ein gewaltsames Ende zu bereiten; allzu groß waren die Bedrängnisse des habsburgischen Besitzes im Osten, nachdem die Türken 1526 das Königreich Ungarn zum größten Teil erobert hatten und 1529 bis vor Wien gerückt waren. Die dringende Notwendigkeit einer auch von den evangelischen Ständen zu leistenden namhaften Türkenhilfe, die den als Inhaber der deutsch-österreichischen Länder und als Erben Ungarns besonders bedrohten König Ferdinand 1526 zum Eingehen auf den ersten Speyerer Reichsabschied bestimmt hatte, ließ es auch jetzt ratsam erscheinen, die Protestanten nicht erneut vor den Kopf zu stoßen, sondern einen Ausgleich zu versuchen. Diesem Ziele diente der Augsburger Reichstag von 1530. Als Grundlage für die Verhandlungen über die Religion stellten die Protestanten ihre Lehre in der bekannten Augsburger Konfession zusammen. Obwohl sie in jüngster Zeit als Grundlage der „bekennenden Kirche" noch einmal an Bedeutung gewonnen hat, wäre es ein Irrtum anzunehmen, daß sie den Inbegriff der Lehre Luthers in voller Klarheit enthielte. Vielmehr hat sich Melanchton, der Hauptbeteiligte bei der Abfassung, besonders bemüht, die Gegensätze zum Katholizismus abzuschwächen. So enthält die Konfession weder etwas über das
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allgemeine Priestertum noch lehnt sie die päpstliche Hierarchie ausdrücklich ab; dagegen betont sie die von Luther auf dem M a r b u r g e r Religionsgespräch 1529 gegenüber Zwingli und seinen A n h ä n g e r n gezogene Grenze in der Abendmahlslehre sehr scharf. Aber alle Liebesmüh w a r umsonst, die Ausgleichsverhandlungen scheiterten, die Religionsparteien hatten sich schon zu weit auseinandergelebt. M i t Unterstützung der katholischen M e h r h e i t des Reichstags setzte der Kaiser einen ganz im katholischen Sinne gehaltenen Reichsabschied durch. Darin w u r d e zwar angekündigt, d a ß ein Konzil zur Beilegung des Streites über die Religion einberufen werden sollte, bis dahin aber strikte Einhaltung des W o r m s e r Edikts, Rückgabe des entfremdeten Kirchenguts u n d Verzicht auf jede N e u e r u n g gefordert. Diejenigen, die sich nicht nach diesen Bestimmungen richten sollten, w u r d e n mit gerichtlichem Verfahren beim Reichskammergericht bedroht. Aber auch jetzt hatte Karl die H ä n d e nicht frei zu dem geplanten Vorgehen gegen die Protestanten, wieder forderten die Aufgaben seines Weltreichs seine ganze Aufmerksamkeit. Die Sorge f ü r das Reich überließ er seinem Bruder Ferdinand, dem er 1522 g e m ä ß dem im H a u s e H a b s b u r g damals noch gültigen Teilungsprinzip die österreichischen Erblande überlassen hatte u n d der d a m i t 1526 sowohl das Königreich Böhmen wie die von den T ü r k e n noch nicht eroberten Teile Ungarns vereinigt hatte. A n f a n g 1531 w u r d e Ferdinand auf Betreiben Karls zum römischen König gewählt, damit erlangte er zugleich den Anspruch auf die Nachfolge Karls im Reich. Der Kurfürst von Sachsen freilich verweigerte seine Stimme f ü r diese W a h l . Die Protestanten fühlten die ihnen von Karl V. drohende Gefahr. So traten die n a m h a f t e s t e n Fürsten, Kurfürst J o h a n n von Sachsen, Landgraf Philipp von Hessen, zwei weifische Herzöge, die Grafen von Mansfeld u n d Anhalt, mit zehn Reichsstädten, unter ihnen M a g d e b u r g , Straßburg u n d Ulm, zu einem Bündnis, dem nach dem O r t der Z u s a m m e n k u n f t sog. Schmalkaldischen Bund zusammen. Der unmittelbare Zweck w a r eine
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gemeinsame Vertretung für den Fall, daß das Reichskammergericht gegen einen oder einige von ihnen wegen Nichtausführung des Wormser Edikts vorgehen werde. Daß daraus ein Kampf mit den Waffen erwachsen könne, damit rechneten die Verbündeten von Anfang an. In ausführlichen Denkschriften behandelten sie, allen voran Philipp von Hessen, der politisch führende Kopf der deutschen Protestanten jener Jahre, die Frage, ob sie zum bewaffneten Widerstand gegen den Kaiser berechtigt seien. Gerade in dieser Frage zeigte sich die Nachwirkung des fürstlichen Sieges über die Bauern, zeigt sich wohl überhaupt ein Unterschied in der politischen Haltung des deutschen Volkes von der des französischen, niederländischen und englischen. Bei diesen kommt es zu leidenschaftlichen öffentlichen Auseinandersetzungen über das Recht zum Widerstand gegen eine die Gewissen vergewaltigende Obrigkeit, und aus ihnen entstehen harte Kämpfe, an denen Adel wie Bürgertum Anteil nehmen. In Deutschland beschränkt sich die Erörterung auf den engen Kreis der Fürsten und ihrer politischen und geistlichen Ratgeber, und erstreckt sich nur auf das Recht des Widerstands der Reichsstände gegen den Kaiser; die Volksmassen werden ängstlich ferngehalten. Die Berechtigung zum Widerstand, zugleich aber auch die Schranke, die ein Überspringen der gefährlichen Theorie auf die Kreise der fürstlichen und städtischen Untertanen verhüten sollte, wurde darin gefunden, daß der Kaiser nicht Obrigkeit im biblischen Sinne sei, der man Untertan zu sein habe, sondern seine Stellung der Wahl durch die Kurfürsten verdanke und nur unter den in der Wahlkapitulation verzeichneten Bedingungen erlangt habe; auf der andern Seite seien die Landesherrn und die Magistrate der Reichsstädte nicht einfache Untertanen des Kaisers, sondern zugleich Obrigkeiten und als solche verpflichtet, ihre Untertanen gegen einen der wahren Lehre des Evangeliums widersprechenden Z w a n g zu schützen. In diesen Grenzen hat auch Luther, wenngleich schweren Herzens, das Recht des Widerstandes gegen den Kaiser anerkannt.
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Zur praktischen Anwendung dieser Grundsätze war lange Jahre hindurch kein Anlaß, denn die katholischen Reichsstände waren nicht in der Lage, zum guten Teil auch gar nicht gewillt, dem Schmalkaldischen Bund eine ähnliche Organisation entgegenzustellen; kaum einer von ihnen hatte Lust, dem Kaiser durch Unterdrückung der protestantischen Opposition zu einer überragenden Gewalt im Reiche zu verhelfen, ja die Bayern blieben sogar trotz aller Abneigung gegen den Protestantismus ihrer alten Politik der Eifersucht auf das vom Glück mehr begünstigte Haus Habsburg treu und nahmen sowohl mit den Schmalkaldenern wie mit Franz I. Beziehungen auf. Infolgedessen steht auch die Zeit von 1531 bis etwa 1542 im Zeichen einer kaum gehinderten Ausbreitung der evangelischen Lehre. Der Augsburger Reichsabschied blieb auf dem Papier, 1532 mußte der Kaiser sogar wegen eines drohenden Angriffs der Türken mit dem Schmalkaldischen Bund wie mit einer gleichberechtigten Macht verhandeln und ihm einen Religionsfrieden bewilligen, der die Prozesse am Kammergericht zum Stillstand brachte. Zwei Jahre später konnte Philipp von Hessen einen bewaffneten Vorstoß gegen das seit 1519 von den Habsburgern besetzte Württemberg unternehmen und den vertriebenen Herzog Ulrich zurückführen; unmittelbar darauf wurde das Land evangelisch, womit der Protestantismus eine feste Stellung in Oberdeutschland gewann. Bald danach verloren die Katholiken ihre besten Stützen in Norddeutschland durch den Tod des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg (t 1535) und des Herzogs Georg von Sachsen (f 1539). Die Nachfolger schlossen sich bald der evangelischen Lehre an. Unterdessen widmete sich Karl V. den dringendsten Aufgaben seines Weltreichs, der Abwehr der Ungläubigen sowohl an der Ostgrenze des Reichs wie im Mittelmeer und dem Kampf gegen Franz I. von Frankreich, der noch immer nicht bereit war, die Ubermacht des Hauses Habsburg anzuerkennen und seine Ansprüche auf Italien aufzugeben. Ein durchschla3
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gender Erfolg blieb dem Kaiser lange versagt, 1541 gelang es den Türken sogar, sich Ofens zu bemächtigen, und selbst die reichlich gewährte Hilfe des Reichs war nicht imstande, es ihnen wieder zu entreißen. Fast anderthalb Jahrhunderte hindurch behaupteten die Türken diese Stellung und bedrohten von hier aus Wien. Es war ein Glück für Karl, daß die Schmalkaldener seine Bedrängnis nicht ausnutzten, sondern sich durch vorübergehende „Anstände" und Religionsgespräche hinhalten ließen, statt den Kaiser zu dauernden und entscheidenden Zugeständnissen zu zwingen. Seit 1540 fiel ihr politischer Führer Philipp von Hessen als aktive Kraft aus. Er hatte einen ärgerlichen Liebeshandel durch eine Doppelehe aus der Welt zu schaffen versucht, damit aber, wenn auch vielleicht, wie die Theologen, darunter Luther, zugaben, nicht gegen eine ausdrückliche Vorschrift der Bibel, so doch gegen das weltliche Recht verstoßen, und diese Situation gab der kaiserlichen Diplomatie Gelegenheit, gegen die Unterlassung einer förmlichen Anklage sein politisches Wohlverhalten einzuhandeln. Das kam Karl zum erstenmal zugute, als er 1543 den Herzog von Cleve aus dem ihm 1538 zugefallenen Erbe von Geldern vertrieb. Damit befestigte er nicht nur seine Herrschaft in den Niederlanden, sondern trug auch dazu bei, die lutherische Bewegung, die bereits Jülich und Cleve erfaßt hatte und auf Köln überzugreifen drohte, am ganzen Niederrhein zum Stillstand zu bringen. Im folgenden Jahre 1544 fand Karl gegen das übliche Versprechen, bis zum christlichen Ausgleich auf einem Konzil oder Reichstag keine Prozesse einzuleiten, sogar die Unterstützung der gesamten Protestanten zum Krieg gegen Franz I. und konnte diesen mit solchem Erfolg führen, daß Franz bis zum Ende seiner Regierung (f 1547) sich ruhig verhielt.
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5. Der Schmalkaldische Krieg und die kaiserliche Reaktion 1546-1551 Der Friede von Crépy, der diesen vierten Krieg Karls gegen Frankreich abschloß, nahm bereits Bezug auf die bevorstehende Abrechnung mit den Schmalkaldenern. Daß sie nur durch einen Krieg zum gewünschten Ergebnis gebracht werden könne, damit hatte Karl wohl seit langen Jahren gerechnet. Aber bevor er zu diesem äußersten Mittel schritt, wollte er den Weg der Verhandlungen bis zum Ende gehen. Von Anfang an hatten sich Luther und seine Anhänger bereit erklärt, ihre Sache einem freien Konzil auf deutschem Boden anheimzustellen; wiederholt hatte der Reichstag ein solches Konzil gefordert, auch Karl V. war dafür eingetreten. Bisher hatte der Papst, seit 1534 Paul III. aus dem Hause Farnese, davon nichts wissen wollen, denn er mußte nach den Erfahrungen mit den früheren Reformkonzilien wenn nicht eine Schwächung seiner Macht, so doch zum mindesten peinliche Erörterungen über das Verhalten der Päpste erwarten. Aber nachdem sich der Kaiser mit Frankreich geeinigt hatte, blieb Paul III. keine andere Wahl, als sich zu fügen und das Konzil zum Frühjahr 1545 einzuberufen; als Ort wurde Trient bestimmt, das gerade noch innerhalb der deutschen Reichsgrenze lag. Damit waren die Protestanten vor eine schwere Entscheidung gestellt. Alle ihnen vom Kaiser bisher gemachten Zugeständnisse galten nur bis zum Konzil; ihr weiteres Schicksal hing von dessen Beschlüssen ab. Aber seitdem sie an ein freies Konzil appelliert hatten, hatte sich die Welt verändert. Sie selbst waren weit stärker aus der alten Kirche herausgewachsen, als sie damals geahnt hatten, sie hatten sich in eigenen Landeskirchen organisiert und konnten von einem Konzil, das vom Papst berufen und von seinen Legaten geleitet wurde, keine befriedigende Lösung erwarten. Auch die verschiedenen Religionsgespräche dieser Jahre, auf denen man durch Diskussion zu einer „christlichen und freundlichen Vergleichung" zu kommen 3·
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hoffte, waren darum ohne Ergebnis geblieben. Deshalb lehnten die Protestanten die Beteiligung an dem Konzil zu Trient ab. Seither war Karl entschlossen, ihre Opposition mit Gewalt niederzuwerfen. Sorgfältig bereitete er sich auf den Krieg vor. Der Papst versprach ihn mit Truppen zu unterstützen und bewilligte ihm die Besteuerung des kirchlichen Besitzes in Spanien; damit gewann der Kaiser die Geldmittel, um seine spanischen Kerntruppen im Kriege gegen seine deutschen Gegner zu verwenden. Über das Verbot der Wahlkapitulation setzte er sich unbedenklich hinweg. Ferner konnte der Kaiser das gut katholische, politisch freilich sehr zweideutige bayrische Herzogshaus auf seine Seite ziehen, in dem er der Vermählung des bayrischen Erbprinzen mit einer Tochter König Ferdinands zustimmte. Sogar protestantische Fürsten traten, getäuscht durch das Vorgeben, der Krieg richte sich nicht gegen den evangelischen Glauben, sondern nur gegen den Ungehorsam der Schmalkaldener, auf die Seite des Kaisers, der bedeutendste unter ihnen war sowohl an äußerer Macht wie durch das Gewicht seiner Persönlichkeit Herzog Moritz von Sachsen. Demgegenüber waren die Schmalkaldener auf ihre eigenen Kräfte angewiesen. Die viel behandelte Frage, ob der Schmalkaldische Krieg ein Religionskrieg gewesen sei oder nicht, ist falsch gestellt, denn Religion und Politik lassen sich in der ganzen Zeit der Reformation und Gegenreformation nicht voneinander trennen. So kam es Karl V. gewiß in gleichem M a ß e auf die Niederwerfung der Ketzerei wie auf die Unterdrückung der politischen Opposition im Reiche an, und die Schmalkaldener waren trotz ihrer Bereitschaft, in weltlichen Dingen dem Kaiser Gehorsam zu leisten, schon durch ihre bündische Organisation ein politischer Faktor, ein Staat im Staate.
Der Schmalkaldische Krieg zerfällt in zwei zeitlich und räumlich getrennte Abschnitte. Im Spätsommer 1546 wurde an der oberen Donau lange Zeit ohne rechte Entscheidung gekämpft, zuletzt aber räumten die Schmalkaldener das Feld, so daß Karl V. Oberdeutschland unterwerfen und in vielen Reichsstädten den Katholizismus wiederherstellen konnte. Im Feld-
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zug gegen Sachsen fiel die Entscheidung am 24. April 1547 bei Mühlberg (nahe Torgau) durch die vollständige Niederlage der Schmalkaldener. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen geriet in Gefangenschaft und mußte auf einen Teil seiner Lande (darunter Wittenberg) und die Kurwürde verzichten, ohne damit seine persönliche Freiheit wiederzuerlangen. Die abgetretenen Gebiete mit der Kurwürde bekam als Lohn für seinen Abfall von den Glaubensgenossen Moritz von Sachsen. Die politische Rolle der Ernestinischen Wettiner war damit ausgespielt. Auch Philipp von Hessen mußte sich dem Kaiser unterwerfen und wurde für lange Zeit in H a f t behalten. Karl V. stand auf der H ö h e seiner Macht, aber wie er schon nach der Schlacht bei Pavia gezeigt hatte, war er nicht der Mann, Erfolge maßvoll zu benutzen. So suchte er auch jetzt ganze Arbeit zu machen und noch vor dem in Aussicht genommenen Reichstag zu Augsburg der weltlich-politischen Opposition, die er bisher bei den Reichsständen gefunden hatte, die H ä n d e zu binden. Dazu waren diese freilich bereits zu stark, als daß Karl sich von ihnen ebenso hätte emanzipieren können wie es ihm in Spanien und dem König von Frankreich gelungen war. Deshalb schlug er die Gründung eines Bundes vor, dessen Mitglieder sich ihm besonders verpflichten und ihm ohne die Umständlichkeiten der Reichstagsverhandlungen Geld und Soldaten zur Verfügung stellen sollten. Damit hatte er freilich keinen Erfolg; gerade die katholischen Bundesgenossen des Kaisers verspürten keine Lust, sich ganz unter das kaiserliche Joch zu beugen. So konnte Karl V. auf dem wegen der Anwesenheit spanischer Truppen sogenannten „geharnischten" Reichstag von Augsburg 1547 bis 1548 wohl einmalige Erfolge erreichen, wie sie bisher weder er noch einer seiner Vorgänger davon getragen hatte, er konnte das ganze Reichskammergericht, nicht nur die Stelle des Präsidenten mit Männern seiner Wahl besetzen, es wurde ihm eine einmalige Zahlung als „Vorrat", als eine Art Reichskriegskasse, bewilligt, aber an dem Wesen, man könnte auch sagen: an dem Grundgebrechen dei
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deutschen Verfassung, die den Kaiser zwang, über alle Maßnahmen, die er ins Werk setzen, über alle Geldmittel, die er aus dem Reiche schöpfen wollte, mühsam mit den Reichsständen verhandeln, wurde nichts geändert. Ebensowenig konnte Karl das große Ziel erreichen, das ihm seit dem Beginn seiner Regierung im Reiche vorgeschwebt hatte, die Unterdrückung der Ketzerei. Bei der Durchführung seines Planes, die unleugbaren Gebrechen innerhalb der Kirche durch eine Reformation im Sinne der Reformkonzilien zu beseitigen und damit der lutherischen Bewegung den äußeren Schein der Berechtigung zu nehmen, ließ ihn schon der Papst im Stich, der aus sehr weltlich-politischen Rücksichten dem Kaiser den vollen Sieg mißgönnte. Daß er das Konzil, das sich bisher vor allem mit dogmatischen Fragen befaßt und sie alle in schroffen Gegensatz gegen das Luthertum entschieden hatte, von Trient nach Bologna, also in den unmittelbaren päpstlichen Machtbereich verlegte, war ein bewußt feindseliger Akt gegen die Politik, die Karl V. in der Religionsfrage einschlagen wollte. Da mit einer für die Protestanten annehmbaren Entscheidung des Konzils zunächst nicht zu rechnen war, entschloß sich Karl, auf dem Reichstag eine vorläufige Ordnung der strittigen Fragen zu erlassen. Dieses sogenannte Interim stand in allen wesentlichen Dingen unbedingt auf katholischem Boden; die einzigen Zugeständnisse, die es den Protestanten machte, waren die Duldung der Priesterehe und die Gewährung des Kelchs beim Abendmahl an die Laien. Trotzdem gelang es nicht, die Zustimmung der katholischen Stände zu gewinnen, das Interim galt deshalb nur für die evangelischen Gebiete. Aber mochten sich auch die meisten protestantischen Fürsten und Stadtmagistrate dem Kaiser unterwerfen, das evangelische Volk ließ sich unter der Führung seiner Geistlichen seinen Glauben nicht mehr nehmen. Der revolutionäre Schwung der ersten Jahre war wohl seit 1525 erloschen, und das landesherrliche Kirchenregiment war, solange es sich im Rahmen der lutherischen Lehre gehalten hatte, ruhig hingenommen worden.
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Aber so weit reichte der Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit nun doch nicht, daß man sich ihr auch in den Fragen, die das Gewissen und die Seligkeit des einzelnen berührten, widerstandslos gefügt hätte. Zumal in Mittel- und Norddeutschland erwies sich das Interim als undurchführbar. Mittelpunkt des "Widerstands wurde die Stadt Magdeburg, die, im Schmalkaldischen Kriege nicht unterworfen, sowohl der Reichsacht wie der gegen sie ausgeschickten Belagerungsarmee mannhaft trotzte. Karl V. glaubte demungeachtet an seinen großen Weltherrschaftsplänen festhalten zu sollen, ja er steigerte sie noch, indem er versuchte, die Schwächung der Habsburgischen Hausmacht, die durch die Landesteilung von 1522 eingeleitet worden war und beim Tode Karls und dem Ubergang der Kaiserkrone an Ferdinand noch fühlbarer werden mußte, als hin und wieder bereits der Fall gewesen war, dadurch wieder aufzuheben, daß zwar nach dem Tode Karls Ferdinand Kaiser werden, diesem aber Karls Sohn Philipp als römischer König mit dem Recht der Nachfolge beigeordnet werden sollte. Die deutschen Fürsten waren einhellig gegen diesen Plan; Philipp, der zur Vorbereitung seiner Wahl persönlich in Deutschland erschien, machte mit seinem finsteren und hochmütigen Wesen einen sehr ungünstigen Eindruck auf sie, aber auch abgesehen von dem Persönlichen sahen sie in dem ganzen Projekt nichts anderes als die Verewigung der „spanischen Servitut", unter der sie seit dem Siege des Kaisers schon genug zu leiden hatten. Auch König Ferdinand und sein ältester Sohn und Erbe Maximilian waren trotz allen Familienbeziehungen, die durch die Vermählung Maximilians mit der Tochter Karls besonders unterstrichen worden waren, keineswegs erbaut von dem Plan, der ihre eigenen Aussichten gefährdete. 6. Fürstenaufstand und Augsburger Religionsfriede Aktiver Träger all der Mißstimmung, die sich in den Jahren nach 1548 in Deutschland wieder bildete, wurde Kurfürst
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Moritz von Sachsen. Seine Persönlichkeit ist in der Geschichtsschreibung viel umstritten gewesen, manche haben ihn als treulosen Verräter, als „Judas von Meißen" gebrandmarkt, weil er sowohl seine Glaubensgenossen im Schmalkaldischen Kriege wie Karl V., der diesen Dienst mit der Kurwürde belohnt hatte, verraten hat. Andere dagegen haben gerade aus der Skrupellosigkeit seines Handelns heraus ihn als Politiker modernen Schlages, als einen wenn auch unbewußten Vertreter machiavellistischer Ideen und als den politischen Führer und Retter des deutschen Protestantismus gefeiert. Die neuere unbefangene, auf gründlichem Studium vor allem seiner politischen Korrespondenz aufgebaute Forschung hält zwischen verdammender Kritik und verherrlichendem Lob einen nüchternen Mittelweg ein und zeigt, daß Moritz in seinen Anfängen keineswegs ein klarer und zielbewußter Politiker gewesen ist. Die Frage, ob er überhaupt das Zeug zum Staatsmann großen Stils, der Dauerndes zu leisten vermag, gehabt habe, wird sich kaum endgültig beantworten lassen, denn Moritz ist im Alter von 32 Jahren gefallen, und wir können nicht mit Sicherheit sagen, welche Absichten er verfolgt, ob er mehr erstrebt hat als bloße Abwehr des kaiserlichen Absolutismus, die Sicherung der deutschen „Libertät", d. h. der das Reich als Ganzes schädigenden Selbstherrlichkeit der Landesherren. So viel aber ist deutlich, daß er unter den damaligen deutschen Fürsten die stärkste politische Kraft gewesen ist, einer der wenigen, die aus den Erfahrungen der Jahre 1546 bis 1551 zu lernen und im Interesse des Protestantismus die nötigen Konsequenzen zu ziehen verstanden haben. Recht im Gegensatz zu der älteren Generation der protestantischen Fürsten, die zwar bereit gewesen war, sich gegen den Kaiser zu verteidigen, aber von einer Offensive aus Gewissensbedenken nichts hatte wissen wollen, war Moritz nicht nur entschlossen, den Kaiser anzugreifen, sondern auch sich die dazu erforderliche Macht durch ein Bündnis mit Frankreich zu sichern. Heinrich II. war gern bereit, die Politik seines Vaters
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Franz I. wieder aufzunehmen und Truppen und Geld zur Bekämpfung seines gefährlichen Rivalen Karl V. zur Verfügung zu stellen. Als Lohn forderte er die im französischen Sprachgebiet liegenden, aber seit Alters zum Reich gehörenden Bischofsstädte Metz, Toul und Verdun. Moritz und die sich ihm anschließenden Fürsten, darunter der Sohn des noch immer gefangen gehaltenen Landgrafen Philipp, trugen kein Bedenken, dieses Opfer zu bringen, das mit der Formel, Heinrich übernehme die Städte als Reichsvikar, nur sehr notdürftig verhüllt wurde. Sie versuchten ihre Haltung moralisch zu rechtfertigen mit dem Hinweis auf die dem evangelischen Glauben drohende Vernichtung und auf die „viehische Servitut", die der Kaiser über Deutschland zu verhängen im Begriff sei. Aber das alles ändert nichts an der Tatsache, daß mit diesem Bündnis den Franzosen der Weg an den Rhein freigegeben worden ist. Im Vertrauen auf diese Hilfe schlug Moritz im Frühjahr 1552 los und errang gegen den völlig überraschten und zunächst gänzlich ungerüsteten Kaiser um so größere Erfolge, als niemand ihm zu Hilfe kam; auch der Bruder, durch den spanischen Nachfolgeplan schwer gekränkt, hielt sich zurück. Die Flucht von Innsbruck nach Villach war wohl die tiefste Demütigung, die Karl hat erleben müssen. Nach langen Verhandlungen führte die Vermittlung König Ferdinands und der neutral gebliebenen Fürsten am 2. August 1552 zum Passauer Vertrag. Er beendete den Krieg zwischen Moritz und dem Kaiser, gab, nachdem Karl gleich nach dem Beginn des Feldzugs den ehemaligen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen aus der Gefangenschaft entlassen hatte, um ihn bei Gelegenheit gegen Moritz auszuspielen, auch dem Landgrafen Philipp die Freiheit wieder, hob das Interim auf und verpflichtete beide Religionsparteien, mit einander in Frieden zu leben und den Besitzstand gegenseitig anzuerkennen. Die endgültige Ordnung der religiösen Frage wurde ebenso wie die Erledigung der politischen Beschwerden einem künftigen Reichstag zugewiesen. Alle in Passau anwesenden
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Fürsten einigten sich dahin, daß der vereinbarte Religionsfriede auch dann Bestand haben sollte, wenn es nicht zum Ausgleich in der Glaubensfrage käme. Karl V. hat sich beharrlich geweigert, dieses Zugeständnis zu machen. Er setzte seine Hoffnung auf eine Wende des Kriegsglücks. Während der sich lange hinziehenden Verhandlungen in Passau hatte er sich zum Kriege gerüstet. Er ging nicht unmittelbar gegen die deutschen Rebellen vor, sondern griff zunächst die Franzosen an und versuchte Metz wieder in seine Hand zu bringen. D a ß ihm dieser Feldzug mißlang, daß er geschlagen vor Metz den Rückzug antreten mußte, hat die Niederlage, die ihm Moritz beigebracht hatte, unwiderruflich gemacht und seine Willenskraft endgültig gebrochen. Er ging in die Niederlande und fand hier in der Vermählung seines Sohnes mit der englischen Königin Maria einen gewissen Ersatz für den Zusammenbruch der kontinentalen Hoffnungen. Um das Deutsche Reich hat er sich seither kaum noch gekümmert. Das bedeutete für ihn auch den Verzicht auf die anfangs geplante Zurücknahme der Passauer Zugeständnisse. Trotzdem war der Friede im Reich noch nicht gesichert. Hauptruhestörer war Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach. Er gehört zu den vielen Kleinfürsten, die sich nicht in die bescheidene Rolle eines biederen Landesvaters ihrer ererbten Untertanen finden und noch weniger mit den beschränkten finanziellen Mitteln ihres Territoriums auskommen konnten, sondern sich in rast- und meist auch erfolgloser Geschäftigkeit verzehrten. Um die Regierung seines Ländchens hat er sich kaum je gekümmert, er hat 1544 dem Kaiser gegen die Franzosen, 1546/47 gegen die eigenen Glaubensgenossen als Söldner gedient, 1552 Schloß er sich Moritz an, führte den Krieg aber hauptsächlich auf eigene Faust, um sich am Pfaffengut der Bistümer Bamberg und Würzburg und an den Schätzen der Reichsstadt Nürnberg zu bereichern. Sie alle zwang er zu Gebietsabtretungen und hohen Geldzahlungen. Nachdem der
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Passauer Vertrag den Krieg im Reiche beendet hatte, trat er gegen Anerkennung der zuerst vom Kaiser kassierten erpresserischen Verträge in kaiserlichen Dienst und nahm an der Belagerung von Metz teil. Nach deren Aufhebung kam er nach Franken zurück, um die Ausführung seiner Verträge zu erzwingen. Diese Markgrafenfehde, die Deutschland ein Jahr lang in Unruhe hielt, hat für die deutsche Geschichte nur insofern Bedeutung, als sie zeigt, wie ohnmächtig das Reich als Ganzes war und wie wenig es auch die großen Territorien verstanden, den Landfrieden aufrecht zu erhalten. Nur wenige Fürsten kamen den angegriffenen fränkischen Ständen zu Hilfe, darunter Moritz von Sachsen, der im Markgrafen wohl vor allem den Parteigänger des Kaisers bekämpfte, um damit zugleich den Erfolg seines Feldzuges von 1552 zu verteidigen. Der Krieg zog sich ohne nennenswerte Waffentaten lange hin, auch die Schlacht von Sievershausen (7. Juli 1553) verdient nur darum Erwähnung, weil in ihr Kurfürst Moritz die Todeswunde empfing. Sein Bruder und Nachfolger August hatte keinen höheren Ehrgeiz, als sein Land gut und sparsam zu verwalten und verzichtete auf die führende politische Rolle, die Moritz zu spielen versucht hatte. Erst nachdem der Markgraf im Sommer 1554 völlig geschlagen und zur Flucht nach Frankreich gezwungen worden war, konnte der Reichstag, dem der Passauer Vertrag die endgültige Befriedung des Reichs übertragen hatte, einberufen werden. Er hat vom Februar bis zum September 1555 in Augsburg getagt. Um zwei Hauptfragen haben König Ferdinand und die Reichsstände hier vor allem gerungen, um die Festsetzung eines beständigen Friedens zwischen den Religionsparteien und um die Gewährleistung des weltlichen und kirchlichen Friedens durch ein geeignetes Exekutionsverfahren. Die Hoffnung, daß durch das Konzil, dessen 1551 eröffnete zweite Session zwar von den Protestanten besucht, aber ebenso ergebnislos wie die erste verlaufen und durch den Angriff der deutschen Fürsten auf Tirol 1552 gesprengt worden war, oder durch ein Reli-
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gionsgespräch die Wiedervereinigung der Konfessionen erreicht werden könne, war zwar noch nicht förmlich aufgegeben, aber an einen Erfolg glaubte niemand mehr. Wenigstens waren sich auf dem Reichstag alle Stände darüber einig, daß Protestanten und Katholiken auch dann friedlich nebeneinander wohnen sollten, wenn eine solche Einigung nicht zustande käme. Schon in Passau hatte man sich darüber verständigt, nur Karl V. hatte sich damals noch widersetzt. Er konnte sich auch jetzt noch nicht zu diesem Zugeständnis entschließen, aber da er es nicht verhindern konnte, hat er sich von den Beratungen ferngehalten und die Verantwortung seinem Bruder Ferdinand überlassen, in dessen Namen dann auch der Reichsabschied ausgefertigt worden ist. Mit dem Grundsatz, daß keiner den andern wegen der Religion bekämpfen dürfe, war aber keineswegs eine völlige Freiheit des Bekenntnisses oder gar der Ausübung des Glaubens verbunden. Er galt zunächst nur für die Katholiken und diejenigen, die der Augsburger Konfession „verwandt" waren; mit diesem etwas unbestimmten Ausdruck waren zwar alle Sekten ausgeschlossen, aber es blieb zweifelhaft, ob die Calvinisten als „Verwandte" gelten könnten. Vor allem aber erhielten nur die Reichsstände damit die Freiheit, ihr Bekenntnis zu wählen; zu ihnen wurde die unmittelbare Reichsritterschaft gezählt, während für die Reichsstädte besondere, die Minderheiten schützende Bestimmungen getroffen wurden. Die große Masse der Untertanen hatte sich in ihrem Bekenntnis nach dem Landesherrn zu richten; die Protestanten haben wohl den Versuch gemacht, für ihre Anhänger in katholischen Gebieten die Religionsfreiheit durchzusetzen, drangen aber damit um so weniger durch, als sie keineswegs bereit waren, umgekehrt in ihren Territorien die Ausübung der katholischen Religion zu dulden. Noch war die Zeit für den Gedanken der Toleranz nicht reif, auch entsprach es der sich immer mehr durchsetzenden und durch die Errichtung evangelischer Landeskirchen verstärkten Neigung obrigkeitlich zu regeln, wenn der Satz: cuius
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regio eius religio, der zwar nicht im Religionsfrieden steht, aber dessen Sinn richtig wiedergibt, zur allgemeinen Norm wurde. Wer sich ihr nicht fügen wollte, bekam wenigstens das Recht, auszuwandern. Der Besitzstand der Konfessionen, der dem Schutz des Friedens unterstellt wurde, wurde nach einigen Diskussionen, bei denen jede Partei für sich eine vorteilhaftere Abgrenzung erreichen wollte, nach dem Zeitpunkt des Passauer Vertrages festgelegt. Sehr viel schwieriger als diese Anerkennung dessen, was einmal geschehen war und ohne neuen gefährlichen und im Ergebnis unsicheren Kampf nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, war es, für die künftige Entwicklung Richtlinien zu ziehen, die beiden Konfessionen annehmbar waren. Daß weltliche Fürsten auch in Zukunft das Recht haben sollten, ihren Glauben und damit zugleich den ihrer Länder nach eigener Überzeugung zu bestimmen, damit fanden sich die katholischen Stände ab; es wurde zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber auch nicht untersagt. Dagegen weigerten sie sich, unterstützt von König Ferdinand, so beharrlich gegen eine ähnliche Freistellung für die geistlichen Fürsten, daß das ganze Friedenswerk in Gefahr geriet. Handelte es sich doch dabei um das künftige Schicksal der geistlichen Territorien des Reichs, um das Gleichgewicht der Konfessionen im Kurfürstenkollegium, das schon die nur durch den Schmalkaldischen Krieg verhinderten Reformationspläne des Kurfürsten Hermann von Wied in Köln bedroht hatten. Die Protestanten konnten sich nicht entschließen, eine Bestimmung anzunehmen, die ihnen für alle Zeit die Aussicht auf Umwandlung der katholischen geistlichen Staaten in protestantische weltliche Fürstentümer versperrte, wagten aber auch nicht, den Frieden an dieser Frage scheitern zu lassen. So kam als Kompromiß der „geistliche Vorbehalt" zustande, indem König Ferdinand auf Grund eigener Machtvollkommenheit anordnete, daß ein geistlicher Fürst, der zum evangelischen Glauben übertrete, sowohl auf sein geistliches
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Amt wie auf die damit verbundene weltliche Regierung zu verzichten habe. Die Protestanten haben diesem Vorbehalt ausdrücklich widersprochen, zuletzt aber doch den Reichsabschied, der ihn enthielt, ohne Protest hingenommen. Es genügte aber nicht, daß der Religionsfriede auf dem Papier festgesetzt wurde, es mußte auch dafür gesorgt werden, daß er von den Gliedern des Reichs eingehalten würde. Bei allen großen Bewegungen des letzten Menschenalters hatte sich beschämend gezeigt, wie wehrlos das Reich war; die Fehde Sickingens und der Bauernkrieg waren nur durch das Eingreifen der interessierten Fürsten niedergeworfen worden, und selbst ein Abenteurer wie Markgraf Albrecht Alcibiades hatte eben erst mit Söldnerbanden, die durch Hoffnung auf Beute leicht zusammenzubringen waren, das Reich über ein Jahr lang in Atem gehalten. Daß hier Abhilfe nottat, daß für eine bewaffnete Macht gesorgt werden mußte, die allen Unruhen rasch entgegentreten konnte, darüber war man sich bald einig, auch darüber, daß diese Aufgabe zunächst den unter Maximilian geschaffenen (vgl. Bd. 1077 S. 96), bisher noch kaum in Wirksamkeit getretenen Kreisen zu übertragen sei. Aber wer sollte das Recht haben, bei schwerem Landfriedensbruch, der nur von mehreren Kreisen gemeinsam zur Ruhe gebracht werden konnte, die Truppen aufzubieten und zu befehligen? Dem Kaiser eine solche Macht anzuvertrauen war um so bedenklicher, als er sie leicht im Interesse seiner Hausmacht ausnutzen und das Reich in Krieg mit fremden Staaten verwickeln konnte. Deshalb wurde für solche Fälle der Kurfürst von Mainz ermächtigt, eine Reichsdeputation einzuberufen und mit ihr die geeigneten Maßnahmen zu beschließen. So hatten auch auf diesem Gebiet die Reichsstände über den Kaiser gesiegt. Am 25. September 1555 konnte endlich der Reichsabschied von König Ferdinand, den wenigen Fürsten, die dem Reichstag persönlich beigewohnt hatten, und den Vertretern der anderen Reichsstände unterzeichnet werden. Sein gewichtigster Teil ist der sogenannte Augsburger Religionsfriede. Er ist ein Friede,
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der nicht einem Siege, sondern der Ermüdung seine Entstehung verdankt, geschlossen nicht von denen, die seit Beginn des Kampfes um den wahren Glauben in der vordersten Reihe der Kämpfer gestanden und mit leidenschaftlichem Anteil für oder gegen die neue Lehre gerungen hatten. Luther war bereits kurz vor dem Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges gestorben (18. Februar 1546), Karl V. war gerade in den Tagen, als in Augsburg seine Niederlage besiegelt wurde, damit beschäftigt, die Regierung seines Weltreichs in die Hände seines Sohnes zu legen und sich in die Einsamkeit des Klosters San Yuste zurückzuziehen. So wurde der Friede geschlossen von den schwächeren Naturen, denen es weniger auf Grundsätze als auf eine geschickte Überbrückung der Differenzen durch klug ausgetüftelte Kompromißformeln ankam; daraus erklären sich die unleugbaren Schwächen des Vertragswerks, aus denen unter veränderten Verhältnissen ein neuer Krieg um die Religion entbrennen sollte. Es wäre aber ungerecht, nur die Mängel des Religionsfriedens zu betrachten. Es war ein großer und bedeutsamer Fortschritt, daß die Katholiken endgültig darauf verzichteten, die Protestanten als Ketzer zu vernichten und sich ohne Vorbehalt bereit erklärten, mit ihnen in einem „beständigen, beharrlichen, unbedingten, für und für ewig währenden Frieden" zu leben. Gewiß war man auf beiden Seiten noch weit von echter Toleranz entfernt, aber indem man versprach, die Gegenpartei in Frieden zu lassen, tat man einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zur Anerkennung der Gleichberechtigung mehrerer geistiger Richtungen und damit zur Freiheit des Geistes überhaupt. Für die Protestanten aber, soweit sie sich zu den „Verwandten" der Augsburger Konfession rechnen durften, war der Friede die erste unbefristete Anerkennung und damit die unanfechtbare rechtliche Grundlage ihrer Landeskirchen und ein sicherer Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung. Und für
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beide Teile war der Friede das Eingangstor in eine lange Friedensperiode. Freilich war damit eine Spaltung in das Reich hineingetragen worden. Aber wenn die Reformation sie auch gewiß vertieft und unüberbrückbar gemacht hat, so hat sie sie doch nicht geschaffen. Die Wurzel des Übels, der Partikularismus der Territorien, war älter, an ihm war bereits die erste Reichsreform unter Maximilian I. gescheitert.
II. Das Zeitalter der Gegenreformation Vom Standpunkt der allgemeinen Geschichte aus betrachtet, bietet die deutsche Geschichte nach 1555 wenig Interessantes. Während in Westeuropa in gewaltigen geistigen und politischen Auseinandersetzungen das Schicksal der abendländischen Christenheit, der romanischen und germanischen Völker, auf deren Zusammenwirken nach Ranke die ganze neuere Geschichte beruht, entschieden wurde, stand Deutschland, längst schon aus dem Mittelpunkt des Weltgeschehens durch seine politische Schwäche verdrängt und nunmehr durch die religiöse Spaltung endgültig zur Ohnmacht verurteilt, tatenlos abseits. Aber auch wenn man die deutsche Geschichte für sich allein betrachtet, bietet sie in den beiden Menschenaltern von 1555 bis 1618 wenig Erfreuliches. Es ist, als ob der große Kraftverbrauch der ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts alle lebendigen Energien verzehrt hätte. Müde und matt schleppt sich das Leben hin, an führenden Persönlichkeiten herrscht überall, auch und besonders im deutschen Fürstenstand, ein erschrekkender Mangel. Gewiß hatte das Dasein noch immer einen behäbigen Anstrich, man lebte und aß gut und reichlich. Aber man zehrte vom Kapital, die schöpferische Initiative, die den führenden Köpfen der großen Kaufmannsgeschlechter zu Beginn des Jahrhunderts zu eigen gewesen, ja bis zur Ubertreibung geführt worden war, ist erlahmt. Nicht einmal das
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religiöse Leben zeigt ein erfreulicheres Bild. Das Luthertum ist in trockener Orthodoxie erstarrt und verbraucht seine letzte Kraft in engherzigem Streit um die wahre Lehre, in kleinlicher Verfolgung aller derer, die nicht vergessen wollten, daß Luther einst die Freiheit des Christenmenschen proklamiert hatte. Der Calvinismus, der nach 1555 in Teilen Westdeutschlands mit der Kurpfalz als Mittelpunkt Boden gewann, ist wohl in seinem ganzen Wesen und seinem durch die Gemeinde, nicht das landesherrliche Kirchenregiment bestimmten Aufbau aktiver gewesen, er empfing ja auch die Impulse von dem heldenhaften Ringen seiner Glaubensgenossen in Frankreich und den Niederlanden, aber schon deswegen wurde er von dem ruheseligen Luthertum in Deutschland mißtrauisch betrachtet, und in dem Elend der deutschen Kleinstaaterei verpuffte auch seine politische Energie als unruhige und erfolglose Vielgeschäftigkeit. Vor allem auf politischem Gebiet macht sich die Ermüdung und Ermattung lange Zeit hindurch geltend. Der Augsburger Religionsfriede hatte wohl den militärischen Auseinandersetzungen, die Deutschland seit 1546 nicht mehr zur Ruhe hatten kommen lassen, ein Ende bereitet, aber er beruhte weder auf einem entscheidenden Sieg der einen oder der andern Partei noch auf der klaren Erkenntnis der Kämpfer, daß sie mit einander in Frieden zu leben hätten. Er war vielmehr ein Produkt der Schwäche, und im tiefsten Grund glaubte keiner an seine Dauer. Dieses Mißtrauen, das schon während der Augsburger Verhandlungen immer wieder zum Ausdruck gekommen war, machte jede politische Aktion unmöglich. So klar auch, wie zuletzt noch die Bestimmungen der Exekutionsordnung gezeigt hatten, der Sieg der Stände über den Kaiser gewesen war, an einen Ausbau der ständischen Verfassung und eine sich darauf aufbauende Stärkung des Reichs, wie sie Berthold von Henneberg erträumt hatte, konnte jetzt niemand mehr denken, denn jeder mußte fürchten, daß eine kraftvolle Reichsinstitution sich zu Gunsten der konfessionellen Gegenpartei auswirken könne, 4
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und so wird für fast alle Reichsstände, zumal die größeren, auf die es allein ankommen konnte, nicht die Stärkung des Ganzen, sondern die Sicherung der eigenen Unabhängigkeit, der „Libertät" zum Hauptziel. Daß die innenpolitische Schwäche sich auch nach außen auswirkte, war unvermeidlich. An den großen Entscheidungen, die Deutschland mindestens mittelbar berührten wie der Kampf um die Ostsee oder der Aufstand der Niederlande, war Deutschland nur passiv beteiligt; allenfalls durfte es seine militärischen Kräfte als Söldner den ausländischen Mächten zur Verfügung stellen, gelegentlich auch fremden Heeren "Winterquartiere darbieten, aber über seine Interessen gingen die großen Mächte kühl hinweg. Mit aller Ängstlichkeit und Ruheseligkeit konnten die Reichsstände doch nicht verhindern, daß die Gegenreformation mit ihrer sehr aktiven Energie eines Tages auch bei ihnen Einzug hielt, dem Vordringen des Protestantismus entgegentrat und die Unklarheiten und Halbheiten des Religionsfriedens zugunsten des Katholizismus ausnutzte. Auch dann bemühte man sich noch lange Zeit, an dem alten System der ausweichenden Kompromisse festzuhalten, zuletzt aber ließ sich die große Entscheidung nicht mehr umgehen, nach einer fast ununterbrochenen Friedenszeit von 63 Jahren mündet das Zeitalter in den Krieg ein, der die deutschen und die europäischen Streitfragen in 30jährigem harten und zerstörenden Ringen wenigstens zu einer vorübergehenden Lösung führte.
7. Jahre der Ruhe 1555-1570 Mit dem Augsburger Religionsfrieden hat, wie schon kurz erwähnt, auch die Regierung Karls V. über das Reich aufgehört, mochte sich auch der formelle Übergang der Kaiserwürde an Ferdinand I. noch bis in den Anfang des Jahres 1558 verzögern. Damit war die Trennung der beiden Linien des Hauses Habsburg endgültig vollzogen. Wohl hatte Ferdinand schon
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früher aus Rücksicht auf seine durch die Türken bedrohten und auf die Unterstützung des Reichs angewiesenen Besitzungen im Osten, zweitweilig auch aus Verstimmung über den gegen ihn und seinen Sohn gerichteten Successionsplan Karls V. (s. oben S. 39) selbständige Politik getrieben. Aber Karl war doch immer in der Lage gewesen, die gesamten Mittel seines Weltreichs, vor allem die ausgezeichnete spanische Infanterie, auch im Reiche einzusetzen. Damit war es nun endgültig vorbei. Allerdings haben die Interessen des Gesamthauses auch weiterhin die Haltung der deutschen Habsburger beeinflußt. Zahlreiche Vetternehen sind geschlossen worden, um die beiderseitigen Erbansprüche aufrechtzuerhalten; sie haben freilich zugleich die Degeneration zumal in der spanischen Linie sehr beschleunigt. Aber in den ersten Jahrzehnten nach 1555 ist es zu einer aktiven politischen Zusammenarbeit nicht gekommen. Während Philipp II. von Spanien seine große katholische Politik trieb, hielt sich die deutsche Linie vorsichtig zurück und widmete sich vor allem der Sorge um die Erblande. Getreu der habsburgischen Familientradition, durch die er selbst einst die Ausstattung mit selbständigem Landbesitz durchgesetzt hatte, aber entgegen dem sich fast in allen Großstaaten, ja auch schon in den deutschen Territorien einbürgernden Brauch hat Ferdinand I. seine Erblande in seinem Testament unter seine drei Söhne geteilt. Die beiden jüngeren bekamen Tirol und Steiermark, den gesamten übrigen Besitz erhielt mit der Nachfolge im Reich der älteste, Maximilian II.
Maximilian II. (1564—1576) paßt gut hinein in jene tastende Unsicherheit, die die ersten Jahre der deutschen Geschichte nach 1555 charakterisiert. Schon seine Zeitgenossen haben sich über seine religiöse Haltung den Kopf zerbrochen, aber auch die spätere Geschichtsschreibung hat lange in ihrem Urteil geschwankt und ihn bald als Heuchler, bald als Schwächling gebrandmarkt. Nach neueren, auf ausgedehnte Kenntnis seines Briefwechsels gestützten Forschungen kann es kaum einem Zweifel unterliegen, daß Maximilian dem Luthertum seit seiner Jugend innerlich sehr nahe gestanden hat. Daran hat weder ein Aufenthalt in Spanien 1548/50 noch die glückliche, mit Kindern reich gesegnete Ehe mit Maria, der Schwester 4·
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seines Vetters Philipp von Spanien, des schroffsten Vorkämpfers des Katholizismus, etwas ändern können. Noch auf dem Sterbebett hat er sich geweigert, sich den katholischen Bräuchen zu unterwerfen und die Sterbesakramente zu empfangen. Es sieht so aus, als ob er zeitweilig geneigt gewesen sei, offen zum Protestantismus überzutreten; wenigstens hat er bei einigen protestantischen Fürsten angefragt, ob er bei ihnen Zuflucht finde, falls er wegen des Übertritts aus Österreich fliehen müsse. Nur einer war dazu bereit, Friedrich III. von der Pfalz, aber er war Calvinist, und diese Richtung lehnte Maximilian so entschieden ab, daß er von diesem Asyl keinen Gebrauch machen wollte. Die ihm innerlich näher stehenden lutherischen Fürsten, darunter sein Jugendfreund August von Sachsen und Christoph von Württemberg, antworteten so ausweichend, d a ß Maximilian, der nun einmal nicht zum Kämpfer, geschweige denn zum Märtyrer geboren war, es vorzog, äußerlich dem katholischen Glauben treu zu bleiben und sich nicht der Gefahr einer Enterbung auszusetzen. Denn zu dem Erbe gehörte, solange Philipp II. keinen regierungsfähigen Sohn besaß, auch die Aussicht auf das spanische Weltreich. Diese pflegte Maximilian unbekümmert um seine religiösen Neigungen mit besonderem Nachdruck. Zwei seiner Söhne, darunter den ältesten, den späteren Kaiser Rudolf II., ließ er Jahre lang in Spanien erziehen, und seine Tochter Maria wurde die vierte Gemahlin Philipps II., der auf diese Weise zugleich der Schwiegersohn seines Vetters und Schwagers Maximilian wurde. Das hätte nicht geschehen können, wenn er offen mit der alten Kirche gebrochen hätte. Aber mehr als den Schein der Zugehörigkeit wahrte er nicht, jeder Gewaltpolitik in Religionsfragen, wie sie Philipp aus innerster Überzeugung mit rücksichtsloser Konsequenz betrieb, war er aus tiefstem Herzen abhold, und demgemäß führte er die Politik im Reich wie in seinen Erblanden. So steht die Reichsgeschichte nach 1555 zunächst im Zeichen des Friedens. Der Besitzstand der Konfessionen war durch den Religionsfrieden festgelegt. Dabei waren die Katholiken gut
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Jahre der Ruhe 1555-1570
weggekommen, denn sie besaßen auf dem Reichstag durch die große Zahl der geistlichen Stände ein deutliches Übergewicht, während sie in der Bevölkerung nur eine Minderheit darstellten, nach dem Urteil eines venezianischen Gesandten aus dem Jahre 1 5 5 7 nur ein Zehntel. Es überrascht deshalb nicht, daß die Protestanten sich nicht streng an die Bestimmungen des Friedens und den von ihnen nicht gebilligten geistlichen Vorbehalt hielten, sondern ihren Machtbereich
ausdehnten,
Ruhe vermochten.
soweit sie es ohne
Die Mehrzahl
Störung
der norddeutschen
der
Stifter
fiel in ihre Hand, nicht nur die sächsischen und brandenburgischen Landesbistümer, die es niemals zu einer unbestrittenen Reichsstandschaft gebracht hatten, sondern auch altanerkannte Reichsstände wie die Erzbistümer
Magdeburg
und
oder die Bistümer Verden, Halberstadt u. a. Das
Bremen
Verfahren
war in der Regel sehr einfach: die Domkapitel, die meist schon evangelische
Mitglieder
hatten, wählten,
häufig
unter
dem
Druck der Nachbarfürsten, die längst die Bistümer als geeignete Versorgungsstellen für die jüngeren Söhne und als indirekte Erweiterung des eigenen Machtbereichs
anzusehen
gewohnt
waren, einen evangelischen Prinzen zum Bischof. Der geistliche Vorbehalt, der nur vom Übertritt eines katholischen Kirchenfürsten zum Protestantismus handelte, traf auf solche Fälle nicht zu. An eine Bestätigung durch den Papst und an eine Bischofsweihe war natürlich nicht zu denken; aber mit dem in der Regel erteilten Lehnsindult durch den Kaiser konnte der Gewählte als Administrator die weltlichen Hoheitsrechte ungestört ausüben. Auch Klöster gingen auf diese Weise in den Besitz weltlicher Herren über. Einen dauernden politischen Vorteil aus der Gunst der Lage zu ziehen verstanden die protestantischen Fürsten freilich nicht. Gerade auf ihrer Seite macht sich der erwähnte Mangel an führenden
Persönlichkeiten
auffallend
bemerkbar.
Kurfürst
August von Sachsen, der vornehmste und mächtigste protestantische Fürst, war wohl ein ausgezeichneter Verwaltungsmann,
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Das Zeitalter der Gegenreformation
der für den inneren Ausbau seines Landes Gutes geleistet hat, aber politische Begabung ging ihm ab. Auch wurde seine Bewegungsfreiheit gehemmt durch die grollende Haltung der ernestinischen Vettern, die es nicht verschmerzen konnten, daß die jüngere albertinische Linie sie um die Kurwürde und um große Gebietsteile gebracht hatte. Deshalb war er in seiner Politik ängstlich bemüht, beim Kaiser keinen Anstoß zu erregen. Unter den übrigen evangelischen Fürsten war keiner, der besser als er zur Führerrolle geeignet gewesen wäre, weder Joachim II. von Brandenburg noch Christoph von Württemberg. Allenfalls hätte Friedrich III. von der Pfalz die Rolle übernehmen können, aber er war als Calvanist den Lutheranern verdächtig. Dies ist ein weiteres Kennzeichen der Lage des deutschen Protestantismus, die innere Uneinigkeit. Was sich in der Reformationszeit in dem Auseinandergehen von Luther und Zwingli angebahnt hatte, wurde unter den Epigonen zum Dauerzustand. Nicht am Gegensatz zwischen Katholiken und Protestanten, sondern an Meinungsverschiedenheiten der evangelischen Theologen ist 1557 das Wormser Religionsgespräch, das noch einmal einen Ausgleich der Glaubensspaltung hatte herbeiführen sollen, gescheitert. Die Zerfahrenheit der Zustände und die Ohnmacht des Reiches selbst in den friedlichen Jahren nach 1555 wird grell beleuchtet durch die sog. Grumbachschen Händel. Wilhelm von Grumbach war eines der Mitglieder der fränkischen Ritterschaft, die aus der Niederlage von 1523 nichts gelernt hatten und nichts lernen wollten, sondern immer noch lieber von Gewalttaten als von solider Arbeit leben mochten. Er war einst Parteigänger des Markgrafen Albrecht Alcibiades gewesen, der ja auch nichts Besseres gewesen war als ein Raubritter, dann stritt er sich mit dem Bischof von Würzburg um seine Güter. An dem Überfall, dem der Bischof 1558 zum Opfer fiel, ist er nach seinem eigenen Geständnis beteiligt gewesen. Trotzdem geschah nichts gegen ihn. So konnte er 1563 erneut wagen, durch offene Gewalt zu seinem vermeintlichen Recht zu kom-
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men. Rückhalt fand er bei dem Ernestiner Johann Friedrich, der sich auch nicht in sein Schicksal fügen mochte. Die katholischen Stände hatten sich zwar unter dem Eindruck des Markgrafenkrieges von 1552/54 im sog. Landsberger Bund eine politische Organisation zur Aufrechterhaltung des Friedens im Reiche geschaffen, aber sie fühlten sich nicht stark genug, um gegen Grumbach vorzugehen. Es bedurfte erst des ganzen umständlichen Apparates der Exekutionsordnung von 1555 und der Einberufung eines Deputationstags, um eine Exekution gegen den inzwischen in die Acht erklärten Grumbach und seinen Helfer Johann Friedrich zusammenzubringen. Selbst daraus wäre schwerlich etwas Rechtes geworden, wenn nicht August von Sachsen es für ratsam gehalten hätte, den Umtrieben des Ernestiners ein Ende zu machen und seine Festung Grimmenstein (oberhalb Gotha) gründlich zu zerstören. Bis 1567 hat diese an sich sehr unbedeutende Sache das Reich in Atem gehalten.
8. Die Anfänge der Gegenreformation in Deutschland Seit dem Beginn der 70er Jahre macht sich die innere Umwandlung des Katholizismus, die man mit dem Namen der Gegenreformation bezeichnet, auch in Deutschland bemerkbar. Das Wort, vor allem die Zusammenfassung der Jahre von 1555 bis 1618 oder 1648 als „Zeitalter der Gegenreformation" ist in der Hauptsache auf die deutsche Geschichtsschreibung beschränkt. In Westeuropa spricht man in der Regel vom Zeitalter der Religionskriege; dabei kommt aber der geistige Gehalt des Zeitalters nicht genügend zum Ausdruck, am wenigsten für Deutschland, wo der große Religionskrieg erst 1618 begonnen hat. Man hat das Wort Gegenreformation etwa so zu verstehen, wie es der französische Publizist de Maistre von der Gegenrevolution gemeint hat, nicht contre-révolution, sondern le contraire de la révolution. Demnach ist die Gegenre-
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Das Zeitalter der Gegenreformation
formation nicht einfach die Negation des Protestantismus, die Bekämpfung seiner Lehre und politischen Erscheinungsformen, sondern sie ist eine positive Neugestaltung der im Katholizismus vorhandenen religiösen Kräfte. Der Ausgangspunkt dieser Belebung und Steigerung der katholischen Kirche liegt in Spanien, das sich in seinem langen, erst 1492 mit der Eroberung Granadas beendeten Kampf gegen den Islam ein besonders intensives religiöses Leben bewahrt hatte und damals in Ignatius von Loyola (1491-1556) einen M a n n fand, der die kämpferische Kreuzzugstimmung des spanischen Rittertums mit einer bis zur mystischen Verzückung sich steigernden religiösen Inbrunst nicht nur in sich zu vereinigen, sondern auch auf seine Gefolgschaft von Jüngern zu übertragen vermochte. Sein Werk ist die Gründung des neuen Ordens der Jesuiten. Dessen Aufbau, die eigentümliche Verbindung von militärischem Drill und geistiger Hingabe in den Exercitia spiritualia ist hier ebenso wenig auseinanderzusetzen wie die viel umstrittene Morallehre; hervorgehoben sei nur noch, daß die auch in den älteren Orden übliche Gehorsamspflicht hier bis zur unbedingten Unterwerfung unter den Befehl des Oberen, des Ordensgenerals und in letzter Instanz des Papstes, geführt wird. Z u m Unterschied von den andern Orden haben die Jesuiten ihre Aufgabe nie darin gesehen, in klösterlicher Gemeinschaft sich von der Welt abzusperren; vielmehr hat der Orden stets seine Mitglieder in die Welt geschickt, damit sie hier durch Predigt, durch Wirksamkeit im Beichtstuhl, die hauptsächlich und mit großem Erfolg an den Höfen der Fürsten gesucht wurde, durch Arbeit in den Schulen, aber auch durch Missionstätigkeit unter den Heiden für die Kirche arbeiteten und für gründliche Ausbildung, sittlichen Lebenswandel und straffe Disziplin unter dem Weltklerus sorgten. Das Ziel, das sich Loyola gesteckt hatte, war die sittliche Erneuerung der Kirche; er hat von Anfang an sich bemüht, seine Pläne nicht gegen den Papst, sondern in engster Fühlung mit ihm durchzusetzen.
Die Anfänge der Gegenreformation in Deutschland
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Es war nicht von vornherein deutlich, daß sich das Ziel auf diesem Wege erreichen lasse. Denn das Papsttum war, wie schon bei der Geschichte Karls V. gelegentlich zu erwähnen war, lange Zeit in dem weltlich-politischen Fahrwasser der Renaissance geblieben, so Clemens VII. (1523 bis 1534), dessen lediglich politisch bedingte, gegen die Umklammerung des Kirchenstaats durch Spanien gerichtete Verbindung mit Franz I. von Frankreich den Sacco die Roma 1527 heraufbeschworen hat und der auch hinterher mehr mediceische Familien- als universale Kirchenpolitik gemacht hat, so Paul III. aus dem Hause Farnese (1534 bis 1549), der sich in erster Linie um die Versorgung seines Sohnes und seiner Enkel mit dem Herzogtum Parma gekümmert, aber auch in der Kirchenpolitik mehr an den herkömmlichen Gegensatz zwischen Papsttum und Kaisertum als an die gemeinsame Aufgabe der Unterwerfung der protestantischen Ketzerei gedacht und sich nicht einmal gescheut hat, Karl V. in und nach dem Schmalkaldischen Kriege allerhand Steine in den Weg zu legen (vgl. oben S. 38). Ja, selbst Paul IV. (1555-1559), der persönlich bereits stark vom neuen Geist der Gegenreformation berührt war, hat als geborener Neapolitaner sich nicht enthalten können, den politischen Kampf gegen Spanien im Bunde mit Frankreich fast im Stile Clemens' VII. zu führen, und nicht ihm, sondern nur der frommen Scheu Albas war es zu danken, daß es 1558 nicht zu einem erneuten Sturm auf Rom kam. Es waren die letzten Zuckungen des weltlich-politischen Machtgedankens beim Papsttum. Bald darauf sollte die letzte Session des Trienter Konzils (1562-1563) zeigen, wie sehr sich die Gegenreformation bereits in der katholischen Hierarchie durchgesetzt hatte. An ihr haben die Protestanten nicht mehr teilgenommen, denn von einer „Fortsetzung" der früheren Sessionen, die an deren ganz im kurialen Sinne gefaßte Beschlüsse gebunden sein sollte, hatten sie keinen Ausgleich der Gegensätze zu erwarten. Aber selbst wenn man ihnen zugestanden hätte, daß die Diskussion über die bereits verhandel-
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Das Zeitalter der Gegenreformation
ten Streitfragen noch einmal aufgenommen werden solle, wäre eine Einigung ausgeschlossen gewesen. Denn das Konzil war in diesem seinem letzten Tagungsabschnitt ganz von dem kämpferischen Geiste der Jesuiten beherrscht, während die deutschen Bischöfe, von denen vielleicht eine Berücksichtigung der besonderen deutschen Bedürfnisse hätte erwartet werden können, überhaupt nicht vertreten waren. So wurde jedes Zugeständnis an die Protestanten, etwa die Gewährung des Laienkelchs beim Abendmahl oder die Zulassung der Priesterehe, für die gut katholische deutsche Fürsten wie Kaiser Ferdinand und Albrecht V. von Bayern eintraten, unbedingt abgelehnt. Vielmehr nahm das Konzil nach M. Ritter „unbekümmert um die Gegenvorstellungen des Kaisers und Frankreichs... eine dogmatische Bestimmung sämtlicher streitig gewordenen Lehren vor, welche in ihrer Klarheit und ihrem großartigen Zusammenhang die Höhe der mittelalterlichen T h e o l o g i e . . . bezeichnete, aber sich fortan auch eng um den Geist der Gläubigen Schloß und mit unbedingter Feindseligkeit die protestantischen Anschauungen abstieß". Die „Professio fidei Tridentina", das Trienter Glaubensbekenntnis, faßte die für die katholische Kirche maßgebenden Lehren neu zusammen unter ausdrücklicher Verwerfung der lutherischen Lehren, insbesondere der Rechtfertigung durch den Glauben und des allgemeinen Priestertums. Dem Anspruch der Lutheraner, die kirchlichen Dogmen an Hand der Bibel zu prüfen, wurde das ausschließliche Recht der Kirche zur Interpretation der Bibel entgegengestellt und die Bedeutung der Tradition neben der Bibel energisch betont. Zur Sicherung der Gläubigen gegen Irrlehren wurde eine strenge Zensur aller neu erscheinenden Bücher eingeführt, alle verbotenen Schriften in dem Index librorum prohibitorum verzeichnet, alle Geistlichen und Universitätslehrer auf das neue Bekenntnis verpflichtet. Damit diese Bestimmungen nicht bloß auf dem Papier blieben, wurde gleichzeitig die Kirchenzucht wiederhergestellt. Eine
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Reihe von Mißbräuchen, über die schon lange vor Luther geklagt worden war, so die Vernachlässigung der Residenzpflicht durch Inhaber kirchlicher Ämter sowie die damit eng verbundene Vereinigung mehrerer Ämter in einer Hand, sollte beseitigt werden. Das betraf vor allem die hohen geistlichen Stellen. Mindestens ebenso wichtig war die Fürsorge für den niederen Klerus und seinen Bildungsstand. Durch Anlegung von Priesterseminaren sollte dem Nachwuchs der Geistlichen in jeder Diözese Gelegenheit zu einer ausreichenden Ausbildung geboten werden. Uber die Stellung des Papstes wurde auf dem Konzil nichts festgesetzt. Schon darin lag, zumal im Hinblick auf die konziliare Bewegung des 15. Jahrhunderts mit ihren auch in Trient noch nicht ganz erloschenen Tendenzen, die Überordnung des Konzils über den Papst zu erklären, ein Erfolg des Papstes. Seine Autorität ging unerschüttert und damit gestärkt aus dem Konzil, ja aus der großen Krisis, die Luthers Angriff für die gesamte katholische Kirche, besonders aber für das Papsttum bedeutet hatte, hervor. Was Trient damit geschaffen hatte, fand seinen Abschluß, als das vatikanische Konzil 1870 die Unfehlbarkeit des Papstes aussprach. Als Ganzes betrachtet ist das Konzil ein Sieg des romanischen Geistes über den germanischen, wie er in Luthers Werk zum Durchbruch gekommen war. Dieser Sieg bildet eine Parallele zu der politischen Entwicklung Europas, in der auch für mehr als 2 0 0 Jahre die romanischen Mächte, zuerst Spanien, dann Frankreich, die führende Rolle spielen sollten. In Deutschland traten die ersten Jesuiten gegen Ende der 40er Jahre auf. 1551 wurden sie in Wien zugelassen, 1556 in Ingolstadt, 1563 in Dillingen, der Universitätsstadt des Bistums Augsburg. Auch am Rhein faßten sie Fuß (Köln 1556, Mainz 1561). Uberall drangen sie von ihren Kollegien aus auch in den Lehrkörper der Universitäten ein, und es gelang ihnen, in wenigen Jahren einen geistlichen Nachwuchs heranzubilden, der befähigt und gewillt war, die schwere Aufgabe der Wiederherstellung der kirchlichen Organisation in den katholischen Gebieten in seine Hand zu nehmen.
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Das Zeitalter der Gegenreformation
Es ist eine auffallende Tatsache, daß dieser Wiederaufbau in den weltlichen Ländern früher begann als in den geistlichen. Das erste Territorium, das sich unter der Führung seines Fürsten der Gegenreformation erschloß, war Bayern. Seine Herzöge, in der entscheidenden Zeit Albrecht V. (1550-1579), waren stets unbeirrt dem alten Glauben zugetan gewesen, hatten allerdings das Eindringen der lutherischen Lehre nicht hindern können; wie geringen Rückhalt der Katholizismus in Bayern besaß, hatte der Feldzug Moritz' von Sachsen 1552 bewiesen. Deutlicher noch sprach vielleicht die Tatsache, daß auf den Landtagen sowohl der Adel wie die Städte Zugeständnisse religiöser Art, insbesondere Laienkelch, Priesterehe und Aufhebung der Fastengebote, ja sogar eine Reinigung der Kirchenlehre verlangten und daß Albrecht es für geraten hielt, wenigstens in Bezug auf den Laienkelch und die Fastengebote entgegenzukommen. Aber als 1563 der Graf von Ortenburg, einem kleinen reichsunmittelbaren Ländchen nahe Passau, offen zum Protestantismus übertrat und evangelische Prediger berief, wozu er auf Grund des Religionsfriedens völlig befugt war, schritt Albrecht dagegen ein, weil er nicht in nächster Nähe seines Landes einen Mittelpunkt antikatholischer Propaganda dulden wollte. Unter allerhand Vorwänden ließ er die Grafschaft besetzen und die Prediger verhaften. Er benutzte die Gelegenheit, auch gegen seinen Adel, der zum Teil mit dem Grafen in Verbindung gestanden hatte, vorzugehen. Der Adel fühlte sich nicht stark genug, seine religiöse und politische Freiheit zu verteidigen und unterwarf sich. Damit war der ganzen protestantisch-ständischen Bewegung in Bayern das Rückgrat gebrochen. Unmittelbar darauf folgte der kirchliche Wiederaufbau in Bayern. Er lag durchaus in den Händen der staatlichen Gewalt und entspricht in vielem dem, was die evangelischen Fürsten nach 1526 für ihre Landeskirchen getan hatten, nur daß der katholische Landesherr sich selbstverständlich jedes Eingriffs in die Lehre enthielt und die Gerichtsbarkeit der Bischöfe nicht antastete. Aber staatliche Behörden
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übernahmen die Aufsicht über die Durchführung der zur Pflege des kirchlichen Lebens erlassenen Vorschriften, auch das Schulwesen wurde durch die Schulordnung von 1569 in staatliche Obhut genommen. Der zweite Vorstoß der Gegenreformation erfolgte in der Abtei Fulda. Das Land war fast ganz protestantisch geworden. Aber der 1570 neu gewählte Abt Balthasar von Dernbach setzte sich seine Zurückführung zum Katholizismus zum Ziel und berief Jesuiten, die 1573 ein Kollegium in Fulda einrichteten. Gegenüber den Versuchen, den protestantischen Gottesdienst in den Städten und auf den adligen Gütern zu verhindern, beriefen sich die Protestanten auf die Declarado Ferdinandea, in der König Ferdinand 1555 den Protestanten als Gegengabe für die Aufnahme des geistlichen Vorbehalts in den Religionsfrieden die ungestörte Religionsübung für Adel und Städte in geistlichen Territorien zugesichert hatte. Die Katholiken weigerten sich, diese ihnen unbekannte Deklaration anzuerkennen, zumal da der Religionsfriede mit ausdrücklichen Worten jede gegen den Wortlaut verstoßende „Declaration oder etwas anders, so denselbigen verhindern oder verändern möchte", für ungültig erklärte. Die Frage tauchte erneut auf, als Erzbischof Daniel von Mainz 1574 mit der Durchführung der Gegenreformation auf dem Eichsfeld begann. In dieser gespannten Lage trat Maximilian II. 1575 an die Kurfürsten mit dem Wunsche heran, sie möchten seinen ältesten Sohn Rudolf zum römischen König mit dem Recht der Nachfolge wählen. Daß sich der Thronwechsel, mit dem bei dem schlechten Gesundheitszustand des noch nicht 50jährigen Kaisers bald gerechnet werden mußte, ohne Interregnum vollziehe, lag ganz besonders im Interesse des Katholizismus, denn die beiden Reichsvikare, denen im Falle eines Interregnums die einstweilige Reichsregierung zufallen mußte, die Kurfürsten von Sachsen und der Pfalz, waren protestantisch. Gerade darum wollte der Pfälzer Friedrich III., als Calvinist ohnehin dem politischen Aktivismus mehr geneigt als die Lutheraner, es
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darauf ankommen lassen; zum mindesten verlangte er als Lohn für die Wahl Rudolfs die „Freistellung", d. h. den Verzicht der Katholiken auf den geistlichen Vorbehalt und für die Untertanen katholischer Reichsstände den Recht auf fast uneingeschränkte Ausübung des evangelischen Glaubens, ohne daß etwa den Katholiken in evangelischen Gebieten entsprechende Freiheiten eingeräumt werden sollten. Damit drang Friedrich aber nicht einmal bei seinen protestantischen Mitkurfürsten durch. Sogar ihre ursprüngliche Forderung nach Anerkennung der Deklaration Ferdinands wagten sie nicht aufrechtzuerhalten, vielmehr begnügten sie sich mit der Zusage, daß darüber auf dem nächsten Reichstag verhandelt werden solle. Daraufhin wurde Rudolf im Oktober 1575 gewählt. Der Reichstag, der im folgenden Jahre in Regensburg tagte, war natürlich erst recht nicht imstande die Streitfragen zu schlichten, die noch aus der friedlicheren Stimmung des Jahres 1555 stammten. Trotzdem brachte er dem Kaiser eine namhafte Türkenhilfe ein; der Vorschlag der Pfalz, die Bewilligung von Zugeständnissen in religiösen Dingen abhängig zu machen, wurde von den andern protestantischen Kurfürsten getreu ihrer Haltung bei der Wahl Rudolfs abgelehnt. Unmittelbar nach dem Schluß des Reichstags ist Maximilian II. gestorben. Mit seinem Nachfolger Rudolf II. zog die Gegenreformation auch am Kaiserhof ein. 1552 geboren war er sechs Jahre lang, 1564 bis 1570, am spanischen Hof ganz in jesuitischem Geist erzogen worden; aber auch sein persönliches Wesen unterschied sich sehr von dem offenen lebensfrohen und genußfreudigen Vater, er war finster und menschenscheu und wurde im Lauf der Jahre immer mehr zum krankhaften Sonderling, den Astrologie und Alchemie weit mehr fesselten als die Regierungsgeschäfte. Trotz der Stärkung, die der Gegenreformation durch den unbedingt katholischen Kurs des Kaisers erwuchs, schwächte sich der Protestantismus durch innere Gegensätze noch weiter. Sie gab es nicht nur zwischen Lutheranern und Calvinisten,
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auch unter den Lutheranern standen sich eine strenge Richtung und die sogenannten Kryptocalvinisten gegenüber. Hauptsitz der lutherischen Orthodoxie war die ernestinische Universität Jena, während August von Sachsen im Interesse seiner Universität Wittenberg, an der Melanchthon die sanftere, schon in der 1540 veranstalteten neuen Ausgabe der Augsburger Konfession, der „Variata", zum Ausdruck gekommene Richtung namentlich in der Abendmahlslehre vertreten hatte, den „Philippisten" lange Zeit Unterstützung gewährte. Um die Mitte der 70er Jahre aber änderte er seine Haltung und ließ die angeblichen Kryptocalvinisten, zu denen auch sein Hofprediger gehörte, streng verfolgen. Um allen Zweifeln und Schwankungen ein Ende zu machen, trat Kursachsen mit einigen lutherischen Fürsten zur Feststellung der wahren Lehre in Verbindung. Das Ergebnis der Beratungen, an denen auch württembergische und braunschweigische Theologen teilgenommen haben, war die Konkordienformel von 1580. Sie war von nun an die feste Grundlage, auf der alle lutherischen Geistlichen zu stehen hatten, freilich auch eine Schranke, die die lutherische Theologie von der lebendigen Welt absperrte. Für ihre Annahme durch den deutschen Protestantismus war es von Vorteil, daß dem Calvinisten Friedrich III. von der Pfalz 1576 sein streng lutherischer Sohn Ludwig gefolgt war und dieser sich der Formel anschloß. Aber zahlreiche Lutheraner lehnten sie ab, darunter Hessen, von den Reichsstädten gerade die bedeutendsten wie Nürnberg, Straßburg und Frankfurt. Da auch der Calvinismus seine Selbständigkeit behauptete und nach dem frühen Tode des Kurfürsten Ludwig in dem zur Regentschaft für dessen unmündigen Sohn berufenen Pfalzgrafen Johann Kasimir einen besonders rührigen Verfechter fand, standen die Evangelischen in drei getrennten Gruppen neben - , ja zum Teil sogar gegeneinander. Unter diesen wenig günstigen Vorzeichen hatte der Protestantismus zu Beginn der 80er Jahre die ersten großen Angriffe des erstarkten Katholizismus auszuhalten. Auf dem
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Das Zeitalter der Gegenreformation
Reichstag zu Augsburg 1582 weigerten sich die katholischen Fürsten, dem brandenburgischen Markgrafen Joachim Friedrich, dem der Kaiser wie üblich (vgl. oben S. 53) den Lehnsindult für die Verwaltung des Erzstifts Magdeburg erteilt hatte, den von ihm beanspruchten Sitz auf der geistlichen Fürstenbank des Reichstags einzuräumen, und drohten, eher den Reichstag zu verlassen und damit zur Unfruchtbarkeit zu verurteilen. Darauf wollten es die Protestanten nicht ankommen lassen, und so mußte Joachim Friedrich abziehen. Auch unter den Reichsstädten entstand ein konfessioneller Streit. In Aachen, das 1555 noch eine ganz katholische Stadt gewesen war, hatten die Protestanten solche Fortschritte gemacht, daß sie 1580 freie Religionsausübung forderten. Die Nähe der aufständischen Niederlande gab der Stadt strategische Bedeutung, der Kaiser schickte einen Kommissar, der Herzog von Jülich sperrte ihr 1581 den Verkehr, so rief der Rat die Reichsstädte um Hilfe an. Diese brachten die Angelegenheit vor den Reichstag, forderten für Aachen das jedem Reichsstand zukommende Recht zur Reformation und weigerten sich, ohne Abstellung ihrer Beschwerden eine Türkenhilfe zu bewilligen. Die protestantischen Kurfürsten waren auch in diesem Fall sehr lau, aber der energische Pfalzgraf Johann Kasimir brachte wenigstens ein Kompromiß zustande, das einer paritätisch zusammengesetzten Kommission die Untersuchung der Streitfrage übertrug. Damit war die Sache auf die lange Bank geschoben, und die Reichsstädte bewilligten die Türkenhilfe. Gleich darauf entstand im Kurfürstentum Köln ein Konflikt, der zur grundsätzlichen Auseinandersetzung über den geistlichen Vorbehalt und zugleich zum Kampf um eine entscheidende Stellung am Niederrhein zwang. Schon einmal, um die Mitte der 40er Jahre, hatte ein Kölner Kurfürst, Hermann von Wied, protestantische Neigungen verraten; aber Karl V. hatte ihn gleich nach den ersten Erfolgen des Schmalkaldischen Krieges zur Abdankung gezwungen, da er weder im Kurfürstenkollegium noch in der Nachbarschaft der Nieder-
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lande einen evangelischen Kurfürsten von Köln brauchen konnte. Um 1580 schien sich diese Gefahr zu erneuern. Gebhard Truchseß von Waldburg, der 1577 zum Erzbischof von Köln gewählt und, da er den kirchlichen Ansprüchen genügte, auch die Priesterweihe auf sich nahm, vom Papst bestätigt worden war, ließ die Absicht erkennen, Protestant zu werden und zu heiraten. Er war anfangs bereit, auf sein Erzstift zu verzichten, ließ sich aber 1582 zu dem Versuch bestimmen, sein Amt beizubehalten. Das war eine offene Verletzung des geistlichen Vorbehalts, demgemäß wurde Gebhard vom Papst abgesetzt, zu seinem Nachfolger wurde Prinz Ernst von Bayern, der bereits Bischof von Freising, Hildesheim und Lüttich war, gewählt. Die Protestanten wagten es nicht, Gebhard zu unterstützen, stellten sich vielmehr auf den Standpunkt, daß der geistliche Vorbehalt von ihnen zwar nicht angenommen, aber darum nicht ungültig sei und daß es vor allem darauf ankomme, den Frieden im Reich zu erhalten. Im Lande besaß Gebhard nicht viele Anhänger, so konnte der neue Kurfürst Ernst ihn ohne viel Mühe mit bayrischer Hilfe vertreiben und das Erzbistum in Besitz nehmen. Auch die Anerkennung als Kurfürst erlangte er binnen kurzer Frist, selbst von den protestantischen Kurfürsten Sachsen und Brandenburg. Die Bedeutung dieses sogenannten Kölner Krieges von 1583 liegt nicht in den kaum erwähnenswerten Kriegstaten, sondern in der Tatsache, daß die Katholiken den geistlichen Vorbehalt praktisch durchgeführt haben, ohne daß die Protestanten gewagt hätten, sich dagegen zu wehren. Diese haben damit nicht nur die Aussicht auf Köln verscherzt, sondern ihre bisher erfolgreiche Politik des Eindringens in Bistümer für die Zukunft zum Scheitern verurteilt. Als Kurfürst Johann Georg von Brandenburg zur Versorgung seines gleichnamigen Enkels 1592 nach Straßburg übergriff, stieß er auf so starken Widerstand der katholischen Partei des Domkapitels, daß der Versuch nach langen Wirren 1604 endgültig aufgegeben werden mußte. Dagegen machte die Gegenreformation in vielen Territorien, 5
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geistlichen wie weltlichen, die bereits fast als sichere Beute des Protestantismus hatten angesehen werden können, energische Fortschritte. Infolgedessen wuchs die Spannung zwischen den Konfessionen im Reich immer mehr an und führte allmählich zur vollen Lähmung der Reichsinstitutionen. Die Reichsgerichte wurden durch die katholische Mehrheit der Reichsstände beherrscht, denn sie besetzte die meisten Stellen am Reichskammergericht, und der Reichshofrat ließ überhaupt nur katholische Räte zu. Da die Protestanten dagegen machtlos waren, legten sie die Rechtsprechung wenigstens des Kammergerichts lahm, indem sie an den Deputationen, die das Gericht zu visitieren und die gegen Urteile eingelegten Revisionen zu bearbeiten hatten, nicht mehr teilnahmen. Ein Kennzeichen für die das ganze Reich auch in den alltäglichen und gewiß nicht den Glauben berührenden Fragen durchziehende Spaltung ist der Kalenderstreit, der aus der Weigerung der Protestanten, die 1582 von Papst Gregor XIII. angeordnete Verbesserung des julianischen Kalenders anzunehmen, entstand und bis 1700 die Konfessionen auch in der Datierung auseinandergehen ließ. Auch sonst scheiterten selbst vernünftige Dinge an dem Eigensinn der Religionsparteien, ζ. B. mußte der Entwurf einer verbesserten Kammergerichtsordnung liegen bleiben, weil die Protestanten überhaupt das Gericht nicht mehr anerkannten; nur als Privatarbeit konnte er benutzt werden. Und doch vermied jede Partei das Äußerste. So unbedingt katholisch Rudolf II. auch war, er legte zugleich auch großen Wert auf die Türkenhilfe des Reichs, die ohne die Protestanten nicht zu haben war, und ließ viele Dinge in der Schwebe, nur um die Protestanten nicht in offene Opposition zu treiben. Diese aber fürchteten die große Macht der Gegenreformation, hinter der in allen Krisen, auch während des Kölner Kriegs, die spanischen Truppen standen, sie fürchteten die unberechenbaren Folgen, die eine Zerschlagung des Reichs haben konnte. Ihren Standpunkt hat Johann Georg von Brandenburg mit den
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Worten charakterisiert, man solle „das alte bruchfällige Reichsgebeu lieber stützen als vollends brechen". Diese ängstliche, klaren Entscheidungen ausweichende Haltung ist den lutherischen Fürsten oft als Vogel-Strauß-Politik vorgeworfen worden, vor allem auf Grund der Tatsache, daß sie damit die große kriegerische Entscheidung doch nicht haben umgehen können. Daran ist gewiß viel Richtiges, vor allem, daß die damaligen Fürsten ihrer politischen Aufgabe allesamt nicht gewachsen gewesen sind. Es ist ein Geschlecht von erstaunlicher Mittelmäßigkeit, auch von erstaunlicher Einförmigkeit, das sich im Besitz des wahren Glaubens sicher wähnt und sich den Genüssen der Tafel, vor allem dem deutschen Laster des Trunkes mit solcher Leidenschaft hingibt, daß die Tatkraft gelähmt wird und mancher in jungen Jahren stirbt. Auch das ist richtig, daß die Politik der Nachgiebigkeit nicht einer überlegenen Einsicht in die Notwendigkeit eines friedlichen Ausgleichs zwischen den Konfessionen erwuchs, sondern der Schwäche und Tatenscheu. Aber ein Beweis dafür, daß ein energisches Auftreten die kriegerische Auseinandersetzung mit dem Katholizismus hätte verhindern können oder daß der Krieg, wenn er früher, etwa 1583, ausgebrochen wäre, weniger verhängnisvoll geworden wäre, daß die Einmischung des Auslands, die so viel zur Verlängerung des 30jährigen Kriegs beigetragen hat, sich hätte vermeiden lassen, wird kaum erbracht werden können. Daran ist allerdings kein Zweifel, daß der Gegensatz der Konfessionen auf die Dauer das Reich empfindlich schwächte und seine Stellung zum Ausland nachteilig beeinflußte.
9. Das Reich und das Ausland Von einer auswärtigen Politik des Reiches kann streng genommen nicht die Rede sein. An der großen Politik war allenfalls der Kaiser beteiligt; deutsche Fürsten traten wohl hin und 5*
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wieder in den Kriegen der fremden Mächte in Erscheinung, aber nicht als politische Faktoren, sondern lediglich als bezahlte Söldnerführer. Nicht einmal der Kaiser spielte in den Jahrzehnten nach 1555 in der europäischen Politik aktiv mit. Viel zu schwer lastete die Türkengefahr auf der deutschen Linie der Habsburger, als daß sie sich an den Welthändeln hätte beteiligen und Kräfte zur Unterstützung des spanischen Vetters hätte einsetzen können. Nach dem erfolglosen Reichskrieg gegen die Türken 1542 (oben S. 34) war es zu einem Waffenstillstand gekommen, den sich König Ferdinand allerdings mit einer kaum verhüllten Tributzahlung an den Sultan hatte erkaufen müssen. Nur ein schmaler Streifen ungarischen Landes war ihm dabei verblieben, den Hauptteil hatten die Türken inne, während Siebenbürgen einem einheimischen Fürsten unter türkischer Oberhoheit gehörte, der den Habsburgern mit dem Anspruch auf die Krone Ungarns dauernd Schwierigkeiten bereitete. Nachdem die 50er Jahre ziemlich ruhig verlaufen waren und nur kleinere Grenzkämpfe, zum Teil im Zusammmenhang mit den spanischen Kämpfen gegen die Türken im Mittelmeer, stattgefunden hatten, entstand nach dem Tode Ferdinands aus diesem siebenbürgischen Anspruch ein neuer Krieg, der 1567 zu einem großen Vorstoß der Türken führte; er ist durch Zrinyis tapfere Verteidigung von Szigeth bekannt geworden. Der deutsche Reichstag hatte 1566 eine auf dem Papier stattliche Türkenhilfe bewilligt, aber die militärischen Leistungen der Deutschen blieben gering, Szigeth ging verloren, und nur dem Tode Suleimans II. und der Schwäche seines Nachfolgers hatte es Kaiser Maximilian zu danken, daß er fast ohne Gebietsverlust zu einem Frieden kam, der freilich wieder mit einer Tributzahlung verknüpft war. Noch weniger konnte das Reich bei den gleichzeitigen Kämppfen um die Ostsee leisten. Sie berührten seinen Bestand zwar nicht unmittelbar, aber bis ins 16. Jahrhundert hatte die Ostsee zum deutschen Machtbereich gehört, und die Hanse hatte den gesamten Handel der Küstenländer in ihrer Hand gehabt.
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Allmählich begannen die Ostseestaaten, sich gegen dieses wirtschaftliche Ubergewicht aufzulehnen. Ein erster Rückschlag war es gewesen, daß Rußland 1494 das hansische Kontor in Nowgorod schloß. Bald danach versuchte Christian II., der letzte König, der zugleich Dänemark, Norwegen und Schweden beherrscht hat, seinen Staat fest zusammenzuschließen und der Hanse entgegenzutreten. Freilich sollte er dieses Ziel nicht ganz erreichen. Schweden machte sich unter Gustav Wasa mit Hilfe Lübecks von Dänemark unabhängig, und in Dänemark führte das strenge Regiment Christians zu einer Gegenbewegung, die seinen Neffen Friedrich gegen ihn auf den Thron hob. Aber die Hanse hatte von all dem keinen Gewinn. Denn Gustav Wasa sowohl wie Friedrich blieben bemüht, den hansischen Handel einzudämmen und gegen ihn die niederländische Konkurrenz auszuspielen. Unter Führung Jürgen Wullenwebers machte Lübeck 1533 bis 1536 noch einen Versuch, die nach dem Tod des Dänenkönigs Friedrich entstandene Krisis des dänischen Staates für die Hanse auszunutzen und im Stil des 14. Jahrhunderts (vgl. Bd. 1077, S. 77) den nordischen Reichen Könige aufzuzwingen. Aber die Kraft Lübecks reichte gegenüber den seither gewachsenen Kräften der nordischen Staaten nicht aus, und Wullenwebers Unternehmen mißlang, er selbst büßte es mit dem Tode. Seither wurde die Lage in der Ostsee durch Dänemark-Norwegen und Schweden bestimmt. 1558 meldete sich zum ersten Mal ein neuer Bewerber um die Beherrschung der Ostsee, das Dominium maris Baltici, an, Rußland. Unter Iwan IV., den das Abendland unter dem Beinamen der Schreckliche kennt, trat Rußland, das lange durch die tatarische Herrschaft in seiner Entwicklung gehemmt worden war, zum ersten Mal in den Gesichtskreis der westlichen Welt. Wie fremdartig es auf diese wirkte, das zeigen nicht allein Berichte von westeuropäischen Reisenden aus Rußland, sondern auch die Berichte über das Erscheinen der ersten russischen Gesandtschaft auf einem deutschen Reichstag 1576. Daß
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der Schwertorden, der nach der Umwandlung des Deutschen Ritterordens in ein weltliches Herzogtum Preußen 1525 sich in Estland, Livland und Kurland behauptet hatte, dem Ansturm der russischen Macht nicht gewachsen war, wäre auch dann leicht zu verstehen, wenn er nicht längst durch innere Parteiungen zerrüttet gewesen wäre. Da das Deutsche Reich ihm nicht zu Hilfe kommen konnte, unterwarf er sich, um seine Existenz zu retten, den Polen. Daraus entstand, als auch Dänemark und Schweden eingriffen, ein allgemeiner Krieg um die baltischen Lande, der erst 1570 ein vorläufiges Ende fand. Mit dem Schwertorden verschwand der letzte deutsche Posten in der östlichen Ostsee; sein Gebiet wurde zwischen Schweden, Dänemark und Polen aufgeteilt, während Rußland auf die Dauer nur ein kleines Stück an der Mündung der Narwa behaupten konnte. Auch im Westen wurden deutsche Interessen empfindlich in Mitleidenschaft gezogen, als sich die Niederlande gegen Spanien erhoben. Zwar hatten sie längst nur noch in sehr lockerem Verband mit dem Reich gestanden, und Karl V. hatte sie auf dem Höhepunkt seiner Macht 1548 durch einen Vertrag mit dem burgundischen Reichskreis so gut wie völlig aus dem Reichsverband herausgelöst. Aber die Kämpfe, die 1568 entbrannten und lange wechselvolle Jahre erfüllten, berührten die deutschen Nachbargebiete sehr empfindlich. Katholische wie protestantische Reichsstände bemühten sich immer wieder um ein Eingreifen des Reichs, das ihren Glaubensgenossen zugute kommen sollte. Daran war im Ernst nicht zu denken. Es gelang ja nicht einmal, Übergriffe der in den Niederlanden kämpfenden Truppen auf deutsches Gebiet zu verhindern. 10. Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands bis zum Beginn des 30jährigen Krieges Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in der Zeit von 1555-1618 steht unter den gleichen Vorzeichen wie die
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politische. Auf der einen Seite bedeutet die Lähmung des Reichs auch den Verzicht auf jede Unterstützung der deutschen Wirtschaft, auf der andern Seite macht sich die Ermattung, die sowohl im politischen wie im geistigen Leben zu spüren ist, auch in der wirtschaftlichen Betätigung bemerkbar; das Gesamtbild zeigt Stillstand, ja unverkennbaren Rückgang, so daß die deutsche Wirtschaft, die zu Beginn des Jahrhunderts führend in der Entwicklung des Frühkapitalismus gewesen war, mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Es ist lange Zeit üblich gewesen, die Hauptursache in der durch die Entdeckungen um 1500 herbeigeführten Verlagerung der Welthandelsstraßen zu sehen. Dagegen hat namentlich D. Schäfer eingewendet, daß nicht diese Verlagerung, sondern die mangelnde Unterstützung durch Kaiser und Reich den Rückgang, man kann sogar sagen: den Untergang des deutschen Überseehandels verschuldet habe. Auch wenn man bedenkt, daß Schäfer zu den entschiedensten Vorkämpfern des deutschen Flottenbaus um 1900 gehört und das machtpolitische Moment allzu stark betont hat, wird man seine Betrachtungen, die auf gründlichen, seit den 70er Jahren, also lange vor den Flottenplänen Wilhelms II. betriebenen Studien beruhen, nicht ganz von der Hand weisen dürfen. Vor allem ist beachtenswert, daß nicht die Gunst oder Ungunst der geographischen Lage für den Welthandel entscheidend ist, sondern die Energie eines Volkes; das zeigt gerade in jener Zeit der Vorrang, den die Holländer, später die Engländer über die Portugiesen und Spanier gewonnen haben, obwohl diese sowohl für die Indienfahrt wie für die Fahrt zu den reichen Gebieten Amerikas weit günstiger gelegen waren und schon als Entdecker den ersten Anspruch auf die wirtschaftliche Nutzung dieser Länder gehabt haben. Auch die deutschen Unternehmer haben es noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts verstanden, sich einen Anteil an den neuen Entdeckungen zu sichern, die Fugger haben den Gewürzhandel der Molukken zeitweilig in ihrer Hand gehabt, die Welser haben in Venezuela eine Art deutscher Kolonie
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gegründet. Überdies darf nach den Forschungen Schäfers die Bedeutung des überseeischen Handels für jene Zeit nicht überschätzt werden. Er beschränkte sich auf bescheidene Mengen von allerdings sehr hochwertigen Waren. Aber der Schwerpunkt des Warenaustauschs lag für die europäischen Länder noch im Binnenhandel, und die Zahl der in der Nord- und Ostseeschiffahrt beschäftigten Schiffe überstieg die der Überseeschiffe um ein Vielfaches. Aber gerade in diesem für die deutschen Hansestädte lange Zeit so ergiebigen Handel hat die fremde Konkurrenz sich nach 1555 auf Kosten Deutschlands erheblich ausgedehnt. Denn die Wirkung des erwähnten Erlahmens der wirtschaftlichen Tatkraft der Deutschen wurde dadurch verschärft, daß gerade die Länder, die bis dahin dem deutschen Kaufmann die größten Möglichkeiten geboten hatten, erstarkten; sie fingen an, ihre eigene Wirtschaft mit allen Mitteln, zu denen auch die Erschwerung der Betätigung der Fremden gehörte, zu fördern, Maßnahmen, zu denen sich das Deutsche Reich infolge seiner Uneinigkeit nie rechtzeitig aufzuraffen vermochte. Besonders fühlbar ist dieser Umschwung der deutschen Hanse geworden. Ihre große Zeit war das 14. und 15. Jahrhundert gewesen, damals hatte sie den Austausch zwischen den Erzeugnissen der nord- und nordosteuropäischen Länder und denen Mittel- und Westeuropas in ihrer Hand gehabt und großen Gewinn daraus gezogen. Aber von zwei Seiten her wurde ihre Stellung untergraben. Die Staaten des Ostseegebietes suchten sich des Übergewichts der Hanse, das sie nicht nur wirtschaftlich sondern auch politisch zu spüren hatten, zu erwehren, und Holländer und Engländer fanden es überflüssig, sich der Vermittlung der deutschen Kaufleute zu bedienen und bemühten sich um unmittelbare Verbindungen mit Osteuropa. Es ist schon erwähnt worden (oben S. 68), daß der russische Zar 1494 das Kontor in Nowgorod gesperrt hat und daß in den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts die
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Hanse einen großen Teil ihrer Stellung in der Ostsee eingebüßt hat. So nimmt es nicht Wunder, daß sie sich im Nordseehandel erst recht nicht zu behaupten wußte. Gerade hier ist die Einwirkung der machtpolitischen Verhältnisse deutlich zu spüren. Der Aufstand der Niederlande gegen Spanien unterbrach die alten Beziehungen zwischen der Hanse und Südeuropa, denn die Holländer schnitten den Verkehr mit ihren Feinden rücksichtslos ab. Noch schlimmer wirkte sich der Aufstieg Englands im Zeitalter der Elisabeth auf die Hanse aus. Lange Zeit hatten die deutschen Kaufleute eine bevorzugte Stellung in England innegehabt, denn sie halfen den Königen, ihre Kriege auf dem Festland zu finanzieren. Aber das Selbstbewußtsein der Engländer ertrug es auf die Dauer nicht, daß die Fremden besser gestellt waren als sie selbst. So gingen die hansischen Privilegien verloren. Der Kampf, den die Hanse um sie führte und zu dem sie alle ihre Mitglieder zu zwingen versuchte, war von vornherein hoffnungslos. Er ignorierte die starke Stellung, die England jetzt auch wirtschaftlich besaß, versteifte sich darauf, daß England die Waren und Schiffe der Hanse nicht entbehren könne, argumentierte wohl auch mit sentimentalen Erwägungen wie mit der Hoffnung auf die Königin und „die Blödigkeit ihres Geschlechts", die es nicht zum offenen Konflikt kommen lassen werde, während man bei einem „martialischen König" schon eher damit rechnen müsse. Aber auch die klare Einsicht findet sich in den hansischen Akten, daß Nachgiebigkeit in einzelnen Punkten nichts helfe, denn es sei „der englischen Nation Natur und Eigenschaft, daß sie, je mehr man ihnen einräumt und nachgibt, stets um so mehr begehren und haben wolle". In der Tat begnügte sich England bald nicht mehr mit der Aufhebung der hansischen Vorrechte, sondern verlangte auch Freiheit für die englischen Kaufleute in den deutschen Städten. Gegen diesen Anspruch versuchte die Hanse Kaiser und Reich mobil zu machen. Der Reichstag von 1582 beriet lange über die „Erhaltung gemeiner Commerden und Hantierungen
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im Reiche, welche fast allenthalben in Abfall geraten und durch ctliche ausländische Potentaten zum merklichen Nachteil und zur Verteuerung aller Waren und Lebensmittel gesperrt worden", aber es kam dabei nichts heraus, denn auf dem Reichstag gaben die Fürsten den T o n an, und ihnen war der noch immer stattliche Wohlstand der Städte längst ein Dorn im Auge, sie fühlten sich keineswegs verpflichtet, f ü r die Interessen der Städte einzutreten, im Gegenteil, wer dazu in der Lage war, nutzte die Zwistigkeiten zwischen den Hansestädten und den fremden Mächten f ü r sich aus, so die Grafen von Ostfriesland, die Emden, und die Weifen, die mit geringerem Erfolg Stade zum Einfallstor des Handels der Fremden machten. Als der Kaiser sich 1597 zu einem energischen Schritt aufraffte und den englischen Kaufleuten den Aufenthalt im Reich verbot, war das erst recht verhängnisvoll für die Hanse. Denn England beantwortete dieses Verbot mit der Schließung der hansischen Niederlassung in London, des Stalhofs. Dagegen etwas zu unternehmen war das Reich zu schwach und zu uneinig, selbst das kaiserliche Verbot konnte nicht durchgeführt werden. Mit dieser Schließung des Stalhofs endet, wenn auch nicht formell, die Geschichte der Hanse; im Osten und im Westen hat sie ihre Stellung verloren. Nicht einmal dazu fanden die hansischen Kaufleute Kraft und M u t , im eigenen Lande die Konkurrenz mit den Fremden aufzunehmen. Resignation und Wehleidigkeit kennzeichnet von nun an die Sprache des einst königlichen Kaufmanns, so wie es im Bericht über die Schliessung des Stalhofs heißt: „Da sind wir mit Betrübnis unseres Gemüts, der Aldermann voran und wir andre hernacher zur Pforte hinausgegangen, und ist die Pforte nach uns zugeschlossen worden, haben auch die Nacht nicht drinnen wohnen mögen. Gott erbarm es!" Es ist die gleiche müde Friedensseligkeit, wie wir sie auch auf den deutschen Reichstagen immer wieder finden; sie nannte sich Gottvertrauen und war doch nichts anderes als Schwäche und Feigheit.
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Von dem allgemeinen Rückgang des hansischen Handels blieb nur eine Stadt verschont, Hamburg. Hier hat man den Wandel der Verhältnisse rechtzeitig erkannt und schon 1508 den Standpunkt vertreten, daß man lieber die Hanse entbehren wolle als die Engländer. Denn, so stellte man den Lübeckern vor, es habe mit England und andern Königreichen jetzt eine ganz andere Gestalt als vor 200 bis 300 Jahren, man dürfe die Fremden nicht mehr ausschließen, den an unsere Tür klopfenden Wohlstand nicht fernhalten. Je aussichtsloser das Ringen der Hanse wurde, desto kühler verhielt sich Hamburg, bis es 1611 endgültig die englischen Kaufleute zum freien Handel zuließ. So konnte sich Hamburg weiterhin günstig entwickeln, aber sein Wohlstand beruhte vor allem auf dem Gewinn, den seine Kaufleute aus dem Vertrieb englischer Waren zogen. Aber nicht nur im Gebiet der Hanse, auch im übrigen Deutschland bemächtigten sich die Fremden des Handels. Schon 1572 war es in Nürnberg so weit, daß sich der Rat nicht mehr getraute, zum Schutz des einheimischen Handels die ausländischen, vor allem italienischen Kaufleute mit Zoll zu belegen; denn wenn sie ihre Warenlager fortverlegten, entstünde großer Schaden für das Nürnberger Wirtschaftsleben. Ähnlich lagen die Dinge in Frankfurt am Main. Aber wenn die Ausfuhr eigener Erzeugnisse stockt und der Handel in die Hände des Auslands fällt, ist eine passive Handelsbilanz unvermeidlich. Sie trat vor allem in einer starken Ausfuhr von Edelmetallen, über die allgemein geklagt wurde, in Erscheinung; verschärfend kam das Erliegen der durch Raubbau erschöpften Bergwerke hinzu, deren Aufschwung gegen Ende des 15. Jahrhunderts dem Frühkapitalismus einen starken Auftrieb gegeben hatte. Trotzdem ist es übertrieben, wenn aus den zahlreichen Klagen über den Mangel an barem Geld und aus den Finanznöten der deutschen Landesfürsten auf eine naturalwirtschaftliche Reaktion im deutschen Wirtschaftsleben des ausgehenden 16. Jahrhunderts geschlossen worden ist. Es ist wohl richtig, daß sich in der Finanzverwaltung der Territorialstaaten damals
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noch viele naturalwirtschaftliche Reste finden, etwa indem die fürstliche Hofhaltung zum guten Teil auf den Ablieferungen der Domänen beruht oder die Beamten einen Teil ihres Gehalts nicht bar, sondern in Naturalien beziehen; aber das war auch früher nicht anders gewesen. Auch darf man die Klagen über den Mangel an Geld nicht allzu wörtlich nehmen; wenn es sich darum handelte, neue Steuern zu bewilligen, war natürlich kein Geld vorhanden, aber wenn ein Landesfürst Anleihen gegen ausreichende Sicherheiten aufnehmen wollte, fand er immer Geld, auch bei seinen Landeskindern. Auch sind alle Steuern stets als Geld-, nicht als Naturalabgaben durchgeführt worden. Unbestreitbar allerdings ist, daß der Wohlstand, der in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts aufreizend schnell gewachsen war, infolge des Rückgangs von Handel und Wandel sank. Das zeigen am deutlichsten die oberdeutschen Städte, die einst die Heimat der großen Vermögen gewesen waren. Sowohl die Fugger wie die Welser erlitten nach 1555 schwere Verluste, die Fugger durch die spanischen Staatsbankrotte, die Welser durch den Zusammenbruch ihres Venezuelaunternehmens. Die bleibende Wirkung dieser Verluste war die Lähmung der der Unternehmungslust. Der frische Wagemut, die robuste Kraft, wie sie etwa aus Jakob Fuggers Wort (s. oben S. 10), er wolle gewinnen, solange er lebe, sprechen, sind der jüngeren Generation abhanden gekommen. Sehr bezeichnend ist der Stoßseufzer eines Neffen von Jakob Fugger über die seinen Schlaf vertreibenden Sorgen des Geschäfts, während der Oheim mit dem Hemde alle Sorgen und Anfechtungen des Schlafs von sich getan habe. Aus dieser Stimmung heraus retten die späteren Fugger den immer noch sehr ansehnlichen Rest ihres Vermögens durch Anlage in Landbesitz, werden zu Grafen, zuletzt Fürsten; auch unter den Nürnberger Kaufmannsgeschlechtern haben viele mehr und mehr der Betätigung in Handel und Gewerbe den Erwerb von ländlichem Grundbesitz vorgezogen.
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Worauf dieser Wandel in der Wirtschaftsgesinnung des deutschen Bürgertums zurückzuführen ist, läßt sich nicht mit Sicherheit angeben. Fast in allen großen Familien ist nach dem Ausscheiden der ersten und zweiten Generation, die das Vermögen geschaffen haben, das Aufkommen einer Neigung zu ruhigem, risikofreien Genuß, zum Rentnerdasein festzustellen. Aber im deutschen Bürgertum des ausgehenden 16. Jahrhunderts scheint sie besonders stark ausgeprägt gewesen zu sein. Vielleicht hat die übertriebene Eß- und Trinklust, die auch dem deutschen Fürstenstand verhängnisvoll geworden ist, zur Lähmung der Energie des Bürgertums beigetragen; vielleicht ist sie aber auch weniger die Ursache als die Wirkung einer lediglich auf das Behagen und Genießen eingestellten Gesinnung gewesen. Unter der Ängstlichkeit, Umständlichkeit und Schwerfälligkeit des deutschen Bürgers hat auch das Gewerbe zu leiden gehabt. Das Kunsthandwerk, vor allem die hochentwickelte Waffentechnik vermochten sich wohl noch lange Zeit auf der Höhe zu halten, aber in vielen Zweigen machte sich der ausländische Wettbewerb stark bemerkbar, die englische Tucheinfuhr tat dem deutschen Handwerk schon schweren Abbruch. Ein Rückgang des Wohlstands ist äußerlich noch kaum in Erscheinung getreten; noch war viel Kapital da, so daß ζ. B. in Augsburg gerade in dieser Zeit die großen Bauten entstanden sind, die das Stadtbild bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg beherrscht haben. Aber wir wissen überhaupt sehr wenig über die allgemeine Lebenshaltung. Klagen über die zunehmende Teuerung, über die entschwundene gute alte Zeit und dgl. beweisen natürlich gar nichts. Eine halbwegs brauchbare Verbrauchsstatistik hat es damals nicht gegeben. Aber die Zahlen über die indirekten Steuern in Nürnberg zeigen eine Abnahme des Verbrauchs, die wirtschaftliche Ursachen haben muß, ζ. B. beim Wein. Deutlicher noch sind die Erscheinungen der sogenannten Preisrevolution des 16. Jahrhunderts. Diese ist die natürliche Folge der Vermehrung des Edelmetallbestandes, wie sie die Steigerung der deutschen Silberproduktion, dann die
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Einfuhr des amerikanischen Silbers mit sich gebracht haben. Sie führten zu einer Vermehrung der Zahlungsmittel mit den unvermeidlichen, der älteren Generation unter uns noch sattsam bekannten Folgen der Inflation. Genaue Zahlenangaben darüber beizubringen, ist auf dem hier zur Verfügung stehenden Raum nicht möglich. Selbst für unsere Zeit ist die Frage nach einem einwandfreien Lebenshaltungsindex noch nicht restlos beantwortet. Für die damalige Zeit wäre es ein hoffnungsloses Unterfangen, etwas derartiges zu versuchen. Man kann allenfalls feststellen, wieviel Brot man jeweils für ein Gramm Silber kaufen konnte; aber was dieser Betrag im Verhältnis zu den gesamten Kosten der Lebenshaltung ausmachte, ist kaum zu berechnen, zumal da weite Kreise der Bevölkerung neben ihren Geldeinnahmen auch noch Naturalbezüge hatten. Immerhin lassen sich einige allgemeine Angaben machen. Danach sind die Preise etwa seit 1520 in langsamem Steigen gewesen, seit den 50er Jahren wird das Tempo schneller, so daß um 1580 die Preise für Getreide und Vieh und damit für Brot und Fleisch auf etwa das Dreifache gestiegen waren. Sehr sprunghaft ist die Preisentwicklung bei den Gewürzen gewesen, hier hat offenbar die Spekulation stark mitgespielt. Daß die Löhne, auch wenn wir bedenken, daß reine Geldlöhne damals selten waren, mit dem Steigen der Preise nicht gleichen Schritt gehalten haben, lassen unsere Quellen deutlich erkennen. Das Reich hat sich um das Wirtschaftsleben nur gelegentlich gekümmert. In der Zeit der Reichsreform finden sich wohl Ansätze, die aber mehr von gutem Herzen als von wirtschaftlicher Einsicht zeugen wie die wiederholten Verbote der großen Kaufmannsgesellschaften; daneben findet sich 1522/23 das Projekt eines Reichsgrenzzolls, dessen Ziel weniger der Schutz der Produktion als des Konsumenten war; der arme gemeine Mann sollte nicht durch hohe Preise belastet werden, deshalb sah der Entwurf vor allem Erschwerungen der Ausfuhr vor. Aber die Reichsstädte, deren kapitalkräftige Bürger Karl V. nicht entbehren konnte, hintertrieben den ganzen Plan durch
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eine eigene Gesandtschaft zum Kaiser. D a ß ihre Haltung lediglich von egoistischen städtischen Interessen bestimmt war, ist klar. Nicht anders verhielten sich die Territorialfürsten, auch sie dachten nur an sich, nie an das Ganze, beuteten ζ. B. ihre territorialen Zölle, Geleite und was sie sonst noch an Abgaben auf den Warenverkehr legen konnten, lediglich im eigenen Interesse aus. Sie waren es, die auf den Reichstagen auch in wirtschaftlichen Fragen den Ton angaben; er ist auffallend verständnislos gegenüber der Bedeutung eines starken Wirtschaftslebens, kleinstaatlich, weit- und seeabgewandt wie die ganze Reichsgeschichte; bezeichnend dafür ist, daß bald niemand mehr wußte, was das Wort Hanse bedeutete und daß die Reichstagsakten von den See- und An-See-Städten sprechen. Dieses Urteil wird durch die Bemühungen des Pfalzgrafen Georg H a n s von Veldenz (Hunsrück) um die Errichtung einer Reichsadmiralschaft 1570 nicht aufgehoben, eher unterstrichen. Deshalb kam auf den Reichstagen kaum etwas zustande, was der Wirtschaft hätte helfen können, und wenn etwas beschlossen wurde, etwa ein Verbot der Wollausfuhr im Interesse der Tuchindustrie, war die Durchführung vom guten Willen der Landesfürsten abhängig und unterblieb nur allzu oft. Das einzige, was das Reich wirklich fertig gebracht hat, ist die nach langen Vorberatungen 1559 erlassene Reichsmünzordnung. Sie setzte als Reichsmünze den Gulden zu 60 Kreuzern fest und bestimmte den Gold- oder Silbergehalt, in dem er ausgeprägt werden sollte; daneben duldete sie Scheidemünzen und eine Reihe von alten Münzen, ζ. B. Taler, deren Verhältnis zum Gulden festgelegt wurde. Die Ausprägung anderer Münzen und der Umlauf ausländischer Münzen wurde verboten, ebenso die Ausfuhr von Reichsmünzen; wer ausländische Waren kaufen wollte, hatte sich ausländisches Geld zu beschaffen. Die Kontrolle über die Handhabung dieser Ordnung wurde den Reichskreisen übertragen. Dies war die erste Schwäche, denn die Kreisverfassung war noch nicht lebendig genug, um
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diese Kontrolle wirksam auszuüben; sie gelangte überhaupt nur in den Gebieten der Kleinstaaterei zu Bedeutung. Und überall gab es einzelne Stände, die es vorteilhaft fanden, durch Ausprägung unterwertiger Münzen sich einen Sondernutzen zu verschaffen. Hinzu kam als weitere Schwäche, daß das Silber im Preis bald höher stieg, als die Münzordnung vorausgesehen hatte, es also dem ehrlichen Münzherrn nicht mehr möglich war, ohne Verlust Münzen zu schlagen. Das konnte niemand zugemutet werden, um so weniger, als damit zu rechnen war, daß die vollwichtigen und damit überwertigen Münzen ausgeführt würden. Die ungünstige Handelsbilanz trug auch dazu bei, die Münzordnung zu untergraben. Das Gesamtergebnis war eine unheilvolle Zersplitterung des deutschen Münzwesens.
11. Der deutsche Territorialstaat Da das Reich auf fast allen Gebieten versagte, fiel die Aufgabe, die inneren Kräfte zu entwickeln und die Leistungen zu vollbringen, die anderswo die Gesamtheit auf sich nahm, den Territorien zu. Sie haben, soweit der beschränkte Raum ihnen dazu die Möglichkeit ließ, - Zwergstaaten, von denen mancher, wie spöttisch gesagt wurde, 12 Einwohner und 1 Juden zählte, mußten selbst beim besten Willen versagen und bleiben deshalb hier unberücksichtigt - sich dieser Aufgabe mit Ernst und Eifer unterzogen. Gewiß zeigt auch auf diesem Gebiet das deutsche Fürstentum jener Zeit keine hervorragende Persönlichkeit, aber es gibt guten Durchschnitt, gerade in der Verwaltung, gewissenhafte Landesväter wie August von Sachsen oder Hans von Brandenburg-Küstrin. An menschlichen Schwächen fehlt es freilich nicht, und Treitschkes ingrimmiger Stoßseufzer über die lutherischen Sauf- und Betfürsten ist durchaus berechtigt. "Wohl spielt die Sorge für die Religion eine entscheidende Rolle nicht nur im persönlichen Leben, sondern
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auch in der Regententätigkeit, aber sie schließt ein derbes Genußleben, zumal eine Hingabe an die Tafelfreuden nicht aus. Aber das Gefühl der Verantwortung für die von Gott anvertrauten Untertanen wirkt sich in einer ausgedehnten und allmählich durch den Ausbau einer geordneten Landesverwaltung in feste Bahnen gelenkten Regierungsarbeit aus. Das trifft sowohl für die evangelischen wie für die katholischen Fürsten zu. Als allgemeine Regel gilt, daß sich der Fürst gemeinsam mit seinen Räten um die Regierungsgeschäfte, zu denen auch die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten gehört, bekümmere. In der Praxis haben sich freilich viele Fürsten damit begnügt, sich die wichtigsten Sachen durch einen vertrauten Beamten, der vielfach als Kammersekretär bezeichnet wird, in ihrem „Gemach" oder „Kabinett" vortragen zu lassen und diesem ihre Entscheidungen mitzuteilen. Aber auch da, wo der Fürst unmittelbaren Anteil an der Regierung zu nehmen pflegte, war die Masse der Geschäfte so groß, daß zu ihrer Bewältigung eine regelmäßig tagende Behörde mit festem Amtssitz unabhängig vom jeweiligen Aufenthalt des Fürsten erforderlich war. In größeren Territorien tritt seit der Mitte des Jahrhunderts bereits eine Teilung dieser „Ratsstube" in mehrere Ressorts ein, indem sich etwa ein besonderes Hof- oder Kammergericht und eine meist als Amts- oder Rentkammer bezeichnete Finanzbehörde aus dem Rat ausgliedern. Für die kirchlichen Angelegenheiten bestehen daneben Konsistorien. Die Fragen der Außenpolitik, zu denen vor allem die Angelegenheiten der Dynastie, die Versorgung der jüngeren Söhne und die Verheiratung der Prinzessinnen gehören, werden im Interesse der Geheimhaltung oft in einem besonders vertrauten Kreise von Geheimen Räten behandelt. Zu den Aufgaben der Behörden gehörte neben der Erledigung der laufenden Geschäfte auch der Erlaß neuer Gesetze. Nach den gewaltigen Umwälzungen, die die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit auf den meisten Gebieten des Lebens ge6
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bracht hatte, war nun die Zeit gekommen, neue feste Ordnungen zu schaffen. Nicht nur das kirchliche Leben bedurfte nach den Erschütterungen durch die Reformation dringend einer Regelung für Lehre und Gottesdienst. Auch die Rechtspflege machte vielfach neue Satzungen erforderlich, um die Kluft zu überbrücken, die zwischen dem von oben her eindringenden römischen Recht und dem alten Gewohnheitsrecht, zwischen den neuen Lebensformen und dem alten Brauchtum klaffte. Darüber hinaus empfand der Staat das Bedürfnis, das ganze alltägliche Leben in großen Landes- und Polizeiordnungen zu regulieren. Es ist das weite Gebiet der Polizei als obrigkeitlicher Wohlfahrtspflege, das, bisher wohl schon in den großen Städten berücksichtigt, nun auch vom Territorialstaat als weltliche Ergänzung seiner Kirchenpolitik in seinen Bereich gezogen wird. Als Rechtfertigung für das Eingreifen in die private Sphäre des Lebens führte der weltliche Staat die Unvernunft des gemeinen Mannes an, der allein nicht verstehe, die Sünde zu vermeiden. So schrieb man ihm nicht nur vor, welchen Glauben er zu bekennen, welche kirchlichen Pflichten er zu erfüllen habe, um zur Seligkeit zu gelangen, sondern auch wie er sein diesseitiges Leben einrichten solle. Die Tendenz all dieser Vorschriften ist, die bestehende Ordnung zu erhalten und gegen das Eindringen moderner, der guten alten Zeit vermeintlich noch unbekannter Laster zu schützen. Die Kleiderordnungen wollen den Unterschied der Stände auch weiterhin äußerlich in Erscheinung treten lassen, der Hoffart der unteren Stände und ihrem verderblichen Luxus steuern. Unsittliche Tänze, Trunksucht, Wucher, Verfälschung von Lebensmitteln werden verboten. Nicht einmal die schwäbischen Fastnachtsküchlein entgehen der Aufmerksamkeit der um das Wohl und Wehe ihrer Untertanen besorgten Obrigkeit. In ähnlichen Bahnen bewegt sich die Wirtschaftspolitik des Territorialstaats der Zeit. Für den Lebensmittelhandel werden genaue Vorschriften erlassen, um unberechtigte Preissteigerungen zu verhüten; steigen die Preise trotzdem, so ist der Staat
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sofort bei der Hand, die Ausfuhr zu verbieten. Auch das Handwerk untersteht mehr und mehr der staatlichen Aufsicht, die das Zunftwesen kontrolliert, damit keine Verabredungen zur Hochhaltung der Preise getroffen werden. Um den Klagen übet die Höhe der Arbeitslöhne und über den Mangel an Arbeitskräften, dem freilich auf manchen Gebieten bereits ein Uberangebot gegenübersteht, abzuhelfen, wird das Faulenzen bestraft, Müßiggänger werden zur Arbeit angehalten, die Löhne und die Ansprüche auf Verpflegung von Amts wegen reguliert. Viel Erfolg hat der Territorialstaat mit seinen gutgemeinten Bemühungen nicht gehabt. Um der Konkurrenz der großen Wirtschaftsmächte der Zeit zu begegnen, war der Raum, den er erfaßte, selbst in den großen Territorien wie Sachsen, Bayern, Brandenburg eben doch zu klein; da hätte nur das Reich helfen können. Aber auch die Einstellung des Territorialstaats zum Wirtschaftsleben bedingte den Mißerfolg. Wohl wurde in der Theorie anerkannt, daß die Wirtschaft der nervus rerum gerendarum sei, und der primitive Fiskalismus, der die Henne schlachtete, die die goldenen Eier legen sollte, der durch Zölle und Abgaben den Durchgangshandel so lange schröpfte, bis er andere Wege einschlug, ist in der Regel bereits überwunden. Aber die gesamte Wirtschaftspolitik denkt doch nicht in den Kategorien, die der Zeit des Frühkapitalismus angemessen gewesen wären, sondern lebt noch in vorkapitalistischen Vorstellungen moralischer nicht wirtschaftlicher Natur. Nicht die Steigerung der Produktion und damit des allgemeinen Wohlstands ist das Ziel, das sie sich setzt, sondern die Festhaltung des Wirtschaftslebens in den Formen, die es in der guten alten Zeit gehabt hatte, bevor der Erwerbstrieb die Menschen erfaßte und die hergebrachte Ordnung bedrohte. Auf der „Erhaltung eines jeden Standes Gebühr, Herkommen, Nahrung und Notdurft", auf dem Behagen des Konsumenten, der alles, was er braucht, zu einem gerechten aber wohlfeilen Preis bekommen soll, auf dem armen Mann, der nicht übervorteilt werden soll, liegt das Hauptgewicht dieser Politik. Kein Wunder, daß sie 6*
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versagte, daß die Landtagsakten der Zeit erfüllt sind von Klagen über den Rückgang der Wirtschaft, und daß gerade der arme Mann, zumal der Bauer auf dem Lande die Hauptlast zu tragen hatte, während der Adel da, wo er sich wie im Osten auf den landwirtschaftlichen Betrieb verlegte und Unternehmer wurde, es wohl verstand, die Möglichkeiten der neuen Zeit für sich auszunutzen und seinen Einfluß auf die landesherrliche Politik zu verwenden, um sich die Freiheit der Ausfuhr des in seinem Betrieb gewachsenen Getreides zu sichern. Der Rückgang des Wirtschaftslebens wirkte natürlich auch auf die Finanzlage der Territorien ein. Als allgemeine Erscheinung kann man feststellen, daß zwischen den regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben eine mit den Jahren wachsende Kluft lag, obwohl die Jahre von 1555 bis 1618 fast ungestörten Frieden brachten und kostspielige Machtpolitik den damaligen deutschen Fürsten völlig fern lag. Nur zum geringsten Teil ist die Finanznot auf allzu üppige Hofhaltung oder auf übertriebene Baulust zurückzuführen. Es hat gewiß Fürsten gegeben, die mit den Mitteln ihres Landes vor allem ihren Liebhabereien frönten und dadurch sich und ihr Land in Schulden stürzten. Und doch haben sie mit ihren prunkvollen Bauten bleibende Werte geschaffen, die bis zu ihrer Zerstörung während des letzten Krieges sogar wirtschaftlichen Nutzen abwarfen. Wie bescheiden sind ζ. B. die 16 000 Taler, die Joachim II. von Brandenburg, wie sich aus dem nach seinem Tode angestrengten Prozeß ergab, von 1556 bis 1571 für seine Geliebte und ihre Tochter ausgegeben hat. Den entscheidenden Einfluß für die Verschlechterung der Finanzen hat vielmehr das Wachsen des staatlichen Aufwands gehabt, der Ausbau der Behördenorganisation, der in der gesteigerten Wirksamkeit des Staates in Rechtsprechung und Verwaltung begründet war. Demgegenüber blieben die Einnahmen, die in der Hauptsache in den Erträgen der Domänen und der Zölle und andern Regalien bestanden, zurück. Die Vermehrung des Domänenbesitzes, die die Einziehung der Kirchengüter den protestanti-
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sehen Fürsten brachte, konnte die Lücke um so weniger auf die Dauer ausfüllen, als damit auch neue Ausgaben für die Kirchen, Schulen und Universitäten verbunden waren. Das Defizit im Haushalt wurde, da Steuern als regelmäßige Einrichtung noch unentwickelt waren, durch Schuldenaufnahme zugestopft. Sie war freilich meist nur gegen Sicherstellung, etwa Verpfändung von Domänen, möglich. Die Nachteile dieses primitiven Verfahrens hat Philipp von Hessen in seinem Testament zur Warnung für seine Söhne anschaulich geschildert: „Wann man aus einem Garten Äpfel, Biern vergibt, das wächset wieder; so man aber die Bäume vergibt, so hat man dann nichts weiter, das man nutzen und vergeben kann." Fast alle Fürsten mußten eines Tages feststellen, daß sie alles verpfändet hatten, was zu verpfänden war; spätestens nach ihrem Tode fand der Erbe eine leere Kasse vor. In solchen Fällen blieb nichts anderes übrig, als die Hilfe des Landes zu erbitten. Als Wortführer des Landes erscheint überall ein Landtag, den die wichtigsten Stände des Landes, Ritterschaft, Prälaten, die in den protestantischen Ländern seit der Reformation entweder ganz verschwinden oder ihre politische Unabhängigkeit gegenüber dem Fürsten einbüßen, und Städte bilden. Die Landstände, vor allem die Ritterschaft als der vornehmste und wirtschaftlich stärkste Stand, beantworten die Mitteilungen der fürstlichen Beamten über die trostlose Finanzlage und die Dringlichkeit der Hilfe zunächst mit dem Vortrag ihrer „Gravamina", der Beschwerden, über die sie im Namen des Landes zu klagen hatten. Dabei wurde kein Blatt vor den Mund genommen, nicht einmal die Person des Fürsten wurde verschont; von der Unterwürfigkeit späterer Zeiten ist man damals noch weit entfernt gewesen. Auch an den Beamten der Fürsten wurde scharfe Kritik geübt, in einzelnen Fällen, namentlich wenn es sich um Ausländer handelte, die Entlassung gefordert und erreicht. Seine Hilfe in der Finanznot konnte der Landtag freilich in der Regel nicht versagen, zumal da sehr oft Landeskinder, auch Mitglieder der Ritterschaft sich
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unter den Gläubigern befanden. So wurde ein Schuldentilgungsplan aufgestellt und dem Fürsten die zur Durchführung erforderliche Steuer bewilligt. Nach ein paar Jahren kam dann meist heraus, daß der Plan nicht eingehalten und die Steuern statt zur Schuldentilgung zur Deckung laufender Ausgaben verwendet worden waren. So gingen in vielen Territorien die Landstände noch einen Schritt weiter und übernahmen die Schulden sowie die zur Tilgung bestimmten Steuern in eigene Verwaltung. Bei der Ausgestaltung der Steuern hat es der Adel als der mächtigste Stand in der Regel verstanden, einen unverhältnismäßig großen Anteil auf die Städte abzuwälzen, die ihn dann teils mit direkten Steuern, teils mit indirekten Abgaben ζ. B. vom Bier aufbrachten. Aber auch von den Steuern, die auf das platte Land entfielen, wußte der Adel sich fast überall freizuhalten, so daß die ganze Last dem mit grundherrlichen Abgaben und Dienstverpflichtungen schon genügend bepackten Bauernstand aufgebürdet wurde. Die politischen Zugeständnisse, mit denen die Fürsten die finanzielle Unterstützung ihrer Landstände erkaufen mußten, kamen vor allem dem Adel zugute. Man muß sich allerdings hüten, aus allgemeinen Zusicherungen wie der wiederholt begegnenden Zusage, daß in wichtigen Fragen, „daran der Lande Gedeihen oder Verderb gelegen" sei, der Landesherr nur mit Rat und Zustimmung der Landstände handeln dürfe, zu viel herauszulesen. Sie blieben meist auf dem Papier stehen, schon weil die adligen Herren selten Lust, häufig auch kein Talent hatten, sich dauernd um die Landesregierung zu kümmern. Sehr viel wirksamer waren die wirtschaftlichen Vorteile, die der Adel für sich herausschlug; sie haben vor allem in Nordostdeutschland viel zur Verschlechterung der rechtlichen und wirtschaftlichen Lage des Bauernstandes und zur Ausdehnung der adligen Gutswirtschaft beigetragen. Die deutschen Fürsten der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts haben nicht versucht, sich dieser ständischen Reaktion zu widersetzen. Die Politik des Absolutismus, wie sie damals
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Philipp II. von Spanien unverhüllt, seine große Gegnerin Elisabeth von England mit leichter parlamentarischer Verhüllung betrieben, den Grundsatz „sie volo, sic jubeo", und die Formel „il nous plaît ainsi, als wil ichs haben, also gefeit es uns", haben sie, wenn wir Johann Kasimir von der Pfalz glauben dürfen, damals noch weit von sich gewiesen. Sie regieren nicht zu ihrem Pläsir, sondern weil die Regierung ihnen von Gott aufgetragen ist. Diesen Auftrag suchen sie in einem patriarchalisch wohlwollenden und friedlichen Regiment zu erfüllen, sie wollen mit ihren Untertanen ein stilles und ruhiges Leben in Gottseligkeit und Ehrbarkeit führen. Von einem Kampf mit den Landständen erwarten sie nichts, als daß nach vieler M ü h e und Verbitterung Herren und Untertanen doch im gleichen Lande bleiben müssen, „welches viel besser mit Liebe und Güte denn mit H a ß und Widerwillen geschieht". Wenn man diese Worte aus dem Testament des Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg aus dem Jahre 1573 liest, möchte es leidlich scheinen. Es steht aber doch schief darum, denn die Friedlichkeit der Verhältnisse wurde erkauft durch inneren Stillstand, der wohl noch lange Zeit vom ererbten Gut behaglich leben konnte, aber unverkennbaren Rückgang bedeutete. Insofern entspricht die innere Politik der deutschen Fürsten dem Bilde, das von ihrer Reichspolitik zu zeichnen war. N u r zwei Länder machen Ausnahmen von der Regel des friedlichen Zusammenlebens von Fürsten und Untertanen, Bayern und Österreich. Hier verknüpfte sich ähnlich wie im gleichzeitigen Frankreich, wenn auch in kleinerem Rahmen, die ständische Reaktion mit der religiösen Bewegung, indem sich der landständische Adel im Gegensatz zum Landesfürsten zum Wortführer des evangelischen Bekenntnisses aufwarf; auf diesem Gebiet aber kannten die Fürsten jener Zeit keine Nachgiebigkeit. Es ist bereits (vgl. oben S. 60 f.) erzählt worden, daß Herzog Albrecht V. von Bayern die protestantischen und die ständisch-politischen Neigungen seines Adels unterdrückt hat. Z u r weiteren Befestigung des Katholizismus hat dann nament-
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lieh Maximilian I. (1597 bis 1651) beigetragen, indem er seine Regierungstätigkeit ebenso wie seine protestantischen Standesgenossen ganz in den Dienst der Religion stellte und auch mit staatlich-polizeilichen Mitteln für die Erhaltung und Ausbreitung der Lehre und für die Erfüllung der kirchlichen Pflichten durch die Untertanen sorgte. Sehr viel schwieriger und langwieriger waren die Kämpfe in den habsburgischen Ländern. Hier hatten die Landstände überall eine starke Stellung, teils in Nachwirkung der lässigen Regierungsweise des 15. Jahrhunderts, teils wegen der besonderen Bedingungen, die sie 1526/27 für die Anerkennung der habsburgischen Erbfolge auf den durch Ludwigs II. Tod verwaisten Thronen von Böhmen und Ungarn hatten stellen können. Dazu gehörte u. a., daß beide Länder eigene Behörden behalten und daß diese außer auf den König auch auf die Landstände verpflichtet würden. In allen habsburgischen Ländern hatte der Protestantismus Anhänger gefunden, zumal unter dem Adel. Maximilian II. erteilte 1568 den Ständen der ihm zugefallenen Länder gegen Übernahme seiner Schulden das Recht, auf den adligen Gütern sich an die Augsburger Konfession zu halten. Aber gegen Ende des Jahrhunderts begann auch hier die Offensive der Gegenreformation. Ihre Hauptstütze war die 1564 mit der Steiermark ausgestattete Nebenlinie, aber auch im eigentlichen Österreich verschärfte sich unter Rudolf II. der Druck gegen den Protestantismus. Doch konnten hier die Stände unter Ausnutzung der Zwistigkeiten, die zwischen dem Sonderling Rudolf und seinen Brüdern ausgebrochen waren, noch Erfolge erringen; sie erzwangen 1608 eine allerdings sehr verklausulierte Duldung für den Adel und die Städte. Noch weiter kamen die böhmischen Stände; ihnen mußte Rudolf im Majestätsbrief von 1609 Religionsfreiheit für den Herrenstand, die Ritterschaft und die königlichen Städte zugestehen. Zur Sicherung dieser Rechte durften die Protestanten besondere Defensoren wählen,
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die wie einst die Volkstribunen im alten Rom befugt waren, den landesherrlichen Beamten entgegenzutreten. 12. Die unmittelbare Vorgeschichte des 30jährigen Krieges Die allgemeine Geschichte des Deutschen Reiches ist oben (S. 66) bis etwa an die Jahrhundertwende herangeführt worden. Sie ist gekennzeichnet durch die langsam aber unaufhaltsam anwachsende Spannung zwischen den Konfessionen, durch immer deutlichere Erfolge des Katholizismus, der vor allem durch die Beherrschung der Reichsgerichte den Protestantismus bereits ganz in die Defensive gedrängt hat. In ein neues kämpferisches Stadium tritt die Gegenreformation 1607 mit dem Streit um Donauwörth. Es handelt sich um eine kleine schwäbische, hart an der bayerischen Grenze gelegene Reichsstadt mit etwa 4000 meist protestantischen Einwohnern; aber der Katholizismus hatte ein Kloster behauptet, das der Rat wegen der für die Reichsstädte getroffenen besonderen Bestimmungen des Religionsfriedens nicht einziehen durfte. Jahrelang hatten Stadt und Kloster friedlich nebeneinander gelebt. Seit Beginn des neuen Jahrhunderts macht sich der neue Geist des Katholizismus auch im Kloster bemerkbar, seit 1603 veranstaltet es wieder öffentliche Prozessionen am Fronleichnamstag. Um die Frage, ob dabei auch entrollte Fahnen getragen werden dürfen, kommt es zum Streit zwischen Magistrat und Kloster, zum Prozeß am Reichshofrat, der natürlich zugunsten des Klosters entscheidet, zum Krawall in der Stadt, deren Bevölkerung die Prozessionen mit ihren Fahnen als Herausforderung empfindet. Der Kaiser greift ein, verhängt die Acht über die Stadt wegen Landfriedensbruchs, beauftragt Maximilian von Bayern, der zwar nicht der zuständige, zweifellos aber der für den Katholizismus zuverlässigste Nachbarfürst war, mit der Exekution, dieser unterwirft die Stadt, führt sie zur katholischen Kirche zurück und verleibt sie dem Herzogtum Bayern ein.
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Unter dem Eindruck dieser Vorgänge stand der Reichstag, der von Kaiser Rudolf zur Erlangung einer Türkenhilfe 1608 nach Regensburg einberufen worden war. Die Protestanten machten in seltener Einmütigkeit, an der sich auch das sonst so ängstliche Kursachsen beteiligte, die Bestätigung des Religionsfriedens zur Vorbedingung. Die Katholiken erklärten sich dazu bereit, falls alles seit 1555 entgegen dem Religionsfrieden entfremdete Kirchengut zurückgegeben werden. Darauf ließen sich die Protestanten natürlich nicht ein. Vermittlungsversuche, die sowohl der um die Türkenhilfe besorgte Kaiser wie Kursachsen betrieben, führten zu keinem Ergebnis, denn Kurpfalz, stets der Wortführer einer energischen Tonart unter den Protestanten, weigerte sich, darauf einzugehen, und ihm Schloß sich eine Reihe protestantischer Fürsten wie Anhalt, Baden, Hessen u. a. an. Es waren zwar nicht die bedeutendsten deutschen Stände, aber ihre Abreise genügte, um den Reichstag an der Beschlußfassung zu verhindern. So endete er ohne Reichsabschied: „auch das war symbolisch", sagt Brandi, „wie wenn zwischen zwei Menschen der gewohnte Abendgruß aufhört". Noch schroffer trat der Zwiespalt im Reich in Erscheinung, als wenige Wochen später sich protestantische Fürsten zu einem Verteidigungsbund, der Union, zusammenschlossen. Sie war gleichsam eine Wiederholung des Schmalkaldischen Bundes; allerdings waren es zunächst nur die mindermächtigen Stände unter Führung von Kurpfalz, Sachsen blieb der Union dauernd fern. Sie sollte zwar nur der Verteidigung gegen widerrechtliche und gewalttätige Angriffe dienen, doch folgte sie dem Beispiel der Schmalkaldener auch darin, daß sie sofort Verhandlungen mit Frankreich aufnahm. Die Antwort der Katholiken ließ nicht lange auf sich warten, 1609 traten der Herzog von Bayern und die Bischöfe von Würzburg und Augsburg, denen sich bald die drei geistlichen Kurfürsten anschlossen, zu einer Liga zusammen; auch sie suchte und fand Anlehnung beim Ausland, Spanien war ihr natürlicher Rückhalt.
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Zur Kraftprobe zwischen beiden Bünden und ihren ausländischen Gönnern schien es zu kommen, als durch den T o d des Herzogs Johann Wilhelm von Jülich, Cleve und Berg ( 2 5 . 3 . 1 6 0 9 ) die längst strittige Frage seiner Erbschaft akut wurde. Da mit ihm der Mannesstamm seines Hauses erlosch, ging das Erbrecht gemäß einem Privileg von 1546 auf die Töchter des 1592 verstorbenen Herzogs Wilhelm IV. über. Von diesen war die älteste, Marie Eleonore, mit Albrecht Friedrich von Preußen vermählt worden; aus der Ehe waren nur Töchter hervorgegangen, deren älteste den Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg geheiratet hatte und nun die Erbschaft beanspruchte. Ihr Recht wurde aber von der jüngeren Schwester Marie Eleonores, Anna, der Gemahlin eines Pfalzgrafen von Neuburg, bestritten; ihr Sohn Wolfgang Wilhelm behauptete ein näheres Anrecht auf das Erbe zu haben als die Tochter Marie Eleonores, obwohl Anna bei ihrer Heirat auf die Erbschaft verzichtet hatte. Auf die andern mehr oder weniger gut begründeten Ansprüche, ζ. B. der albertinischen wie der ernestinischen Sachsen braucht hier nicht eingegangen zu werden, denn in der ganzen Angelegenheit handelte es sich nicht so sehr um das Recht wie um die Macht. Die Erbmasse bildete einen wenn auch nicht zusammenhängenden, so doch bedeutenden Machtkomplex zu beiden Seiten des Niederrheins und bot den Protestanten die Gelegenheit, die durch ihre Schwäche im Kölner Krieg 1582/83 preisgegebene Stellung wiederzugewinnen. Zugleich gab der Besitz des linksrheinischen Herzogtums Jülich die Möglichkeit, auf den Kampf zwischen Spanien und den aufständischen Niederlanden Einfluß zu gewinnen. Gerade darum war der kaiserliche Hof, bei dem die letzte Entscheidung über das Schicksal der Erbschaft lag, keineswegs geneigt, einen protestantischen Fürsten einzusetzen, vielmehr verbot zwei Monate nach dem Tode des letzten Herzogs ein kaiserlicher Kommissar jede Besitzergreifung und lud alle Praetendenten zur Verhandlung über ihre Ansprüche vor den Kaiser.
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So lange hatten freilich die beiden Haupterben, Johann Sigismund und Wolfgang Wilhelm, nicht gewartet, jeder hatte von Teilen der Erbschaft Besitz ergriffen, und angesichts der Gefahr einer kaiserlichen Beschlagnahmung einigten sie sich, zumal da sie beide Protestanten waren, ihren Streit einstweilen ruhen zu lassen und die Erbschaft gemeinsam zu verwalten. Der Kaiser erklärte freilich diese Vereinbarung für ungültig und ließ, um seiner Anordnung Nachdruck zu verleihen, die Stadt Jülich durch Truppen besetzen, hinter denen die spanischen Soldaten in den Niederlanden standen. Die Gefahr, daß am Niederrhein die habsburgische Macht sich verstärkte, rief Frankreich auf den Plan. Aber bevor der Krieg ausbrach, wurde König Heinrich IV. von Frankreich ermordet, sein Nachfolger Ludwig XIII. war ein unmündiges Kind, so war Frankreich nicht in der Lage, zur großen Auseinandersetzung mit dem Hause Habsburg anzutreten. Dieses konnte die Schwäche Frankreichs nicht ausnutzen, denn die Kräfte Spanien waren so gesunken, daß es 1609 einen Waffenstillstand mit den Niederlanden hatte schließen müssen und eine längere Atempause brauchte. Ohne Spanien wagte aber der Kaiser nicht, den begonnenen Kampf um das JülichClevische Erbe weiterzuführen. Auch die protestantische Union, die zunächst bereit gewesen war, an der Seite Frankreichs einzugreifen, war zufrieden, daß ihr die Kraftprobe noch einmal erspart wurde. So blieben die beiden „possidierenden" Praetendenten allein. Ihre Einigkeit hielt nicht lange stand, der gemeinsame Besitz wurde zu einer Quelle von Reibungen, in deren Verlauf Wolfgang Wilhelm zum Katholizismus, Johann Sigismund zum Calvinismus übertraten. Erneut kam es darüber 1614 zur Gefahr eines Krieges. Aber keine der großen Mächte, die interessiert waren, weder Spanien noch die Niederlande noch England noch Frankreich wünschte den Krieg, so einigten sich die Praetendenten im Xantener Vertrag 1614 auf eine zunächst provisorisch gedachte, aber endgültig beibehaltene
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Teilung der Erbschaft; Pfalz-Neuburg bekam Jülich und Berg, Brandenburg Cleve, Mark und Ravensberg. Wenn der kaiserliche Hof, der 1609 einen so energischen Versuch gemacht hatte, die Entscheidung des Erbstreits an sich zu ziehen, bei diesen letzten Verhandlungen nicht mehr hervortritt, so ist der Grund in den inneren Schwierigkeiten zu sehen, in die das Haus Habsburg geraten war. Rudolf II. war stets ein Sonderling gewesen; mit den Jahren hatte sich seine Menschenscheu gesteigert, er vermied es, mit Männern von Rang und Ansehen zu verhandeln und umgab sich mit zweifelhaften Menschen niederer Herkunft, so daß man von einem Kammerdienerregiment sprach. Besonderes Mißtrauen zeigte er gegen seine Brüder und Erben, deshalb duldete er auch nicht, daß über die Frage seiner Nachfolge verhandelt würde. Seit etwa 1605 bestand ein offener Konflikt zwischen ihm und seinen Brüdern, 1608 zwang ihn der älteste von ihnen, Matthias, ihm die Regierung über Österreich, Ungarn und Mähren abzutreten. Um sich in Böhmen einen Rückhalt zu schaffen, gewährte Rudolf 1609 den bereits erwähnten Majestätsbrief, allerdings suchte er bald von den darin gemachten Zugeständnissen wieder loszukommen. 1611 wurde er zur Abdankung gezwungen, im folgenden Jahr starb er. Nachfolger in den Erbländern und nach kurzem Interregnum auch im Reich wurde Matthias. Sein Hauptratgeber war Melchior Khlesl, seit 1602 Bischof von Wien, 1616 Kardinal. Er war ein Mann weniger des Kampfes als der Vermittlung, auch in der religiösen Frage. Er konnte sich damit freilich nicht recht durchsetzen, da er mit déni steigenden Einfluß der steirischen Linie zu kämpfen hatte. Die merkwürdige Tatsache, daß von den fünf Söhnen, die Maximilian II. hinterlassen hatte, keiner einen Sohn besaß, machte die von Maximilians Bruder Karl abstammende, in Graz residierende Linie mit Ferdinand zum nächsten Erben. Sein Erbrecht wurde freilich von der spanischen Linie bestritten, Philipp III. glaubte als Sohn von Maximilians Tochter nähere Ansprüche zu haben. Ferdinand
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erkaufte die Anerkennung seiner Erbfolge in dem Prager Vertrag von 1617 mit der Abtretung der habsburgischen Besitzungen im Elsaß an Spanien. Seither wurde die österreichische Politik durch Ferdinand II., wie er als Kaiser seit 1619 hieß, bestimmt. Seine Persönlichkeit ist je nach dem konfessionellen Standpunkt der Geschichtsschreiber sehr verschieden, von den Protestanten meist sehr ungünstig beurteilt worden. Daran kann kein Zweifel sein, daß er durch seine jesuitische Erziehung zum strengen Katholiken geworden ist und stets stark unter dem Einfluß seines Beichtvaters gestanden hat. In der Erfüllung seiner kirchlichen Pflichten war er gewissenhaft bis zum Ubermaß. Auch seine politische Haltung ist ganz durch die leidenschaftliche Hingabe an die Kirche bestimmt worden. Es gibt von ihm eine Äußerung, in der er sich ähnlich wie Philipp II. von Spanien zum rücksichtslosen Kampf f ü r die Kirche bekannte: Lieber würde er Land und Leute fahren lassen und im bloßen Hemde davonziehen als Bewilligungen machen, die der Religion nachteilig werden könnten. Und doch war er im Kern seines Wesens kein Kämpfer, eher weich und gutmütig, freilich auch abhängig von seinen Ratgebern. Immerhin hat er, worauf Brandi mit Recht aufmerksam gemacht hat, die letzten Entscheidungen immer selbst gegeben. Auch wer seine geistige Selbständigkeit gering einschätzt, kann nicht bestreiten, daß sein Regierungsantritt Epoche macht, in der Geschichte der Erblande wie in der deutschen und europäischen Geschichte. Da es Matthias nicht gelang, die religiösen Kämpfe in Böhmen, die sich aus dem Majestätsbrief ergaben, beizulegen, übertrug er 1617 die Regierung an Ferdinand. Die Stände Böhmens, die noch das Recht der Königswahl besaßen, ließen sich diesen Schritt gefallen und sprachen die „Annahme" Ferdinands aus. Sofort begannen scharfe Maßnahmen gegen den Protestantismus, zu denen der Bau von neuen protestantischen Kirchen Anlaß gab. Die durch den Majestätsbrief geschaffenen „Defensoren" der Landesrechte beschwerten sich
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darüber beim Kaiser, wurden aber abgewiesen. Zum Zeichen des Protestes drangen die Führer der böhmischen Protestanten am 23. Mai 1618 in das Prager Schloß ein und warfen die kaiserlichen Statthalter, denen man die Abweisung zur Last legte, zum Fenster hinaus. Dieser Fenstersturz gilt als der Beginn des Dreißigjährigen Krieges.
III. Der Dreißigjährige Krieg 13. Der böhmisch-pfälzische Krieg Die Zusammenfassung der Jahre 1618 bis 1648 als „30jähriger Krieg" ist vielleicht nicht ganz korrekt, denn abgesehen davon, daß zumal in den ersten Jahren jeweils nur begrenzte Gebiete vom Krieg erfaßt worden sind, haben auch zwei Friedensschlüsse, zu Lübeck 1629 und zu Prag 1635, eine Unterbrechung herbeigeführt. Aber ganz zum Stillstand hat keiner von ihnen die Kriegshandlungen bringen können, und wenigstens der Kaiser hat die ganze Zeit hindurch, wenn auch gegen wechselnde Gegner, Pfalz, Dänemark, Schweden, Frankreich kämpfen müssen. Nicht ganz einheitlich ist der Charakter des Krieges gewesen. Er beginnt als Religionskrieg, die vordringende Gegenreformation führt in Böhmen den Ausbruch herbei, und bis zum Restitutionsedikt bleibt der religiöse Grundzug unverkennbar vorherrschend. Er verschwindet auch im späteren Verlauf des Krieges nie ganz, aber das Politische setzt sich daneben immer stärker durch, und der letzte Abschnitt ist nur noch ein Stück der langen Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Habsburg, bei der die Religion wenigstens für Frankreich wie in den Zeiten, als Franz I. und Heinrich II. gegen Karl V. kämpften, ganz im Hintergrund bleibt. So gehört der Krieg zugleich hinein in das Ringen der großen Mächte um die Vormacht in Europa und leitet hinüber in die Zeit, die eine dauernde Ord-
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nung Europas auf der Grundlage nicht mehr der Vorherrschaft eines Einzelnen, sondern des Gleichgewichts aller erstrebt. Der Westfälische Friede ist darum nicht nur der Abschluß der Religionskriege für Deutschland und Europa, sondern hat auch Bedeutung für eine völkerrechtliche Neuordnung der Welt. Mit dem Prager Fenstersturz beginnt die seit langem drohende, aber infolge der mangelnden Entschlossenheit der Parteien immer wieder aufgeschobene kriegerische Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland. Ferdinand als tatsächlicher, wenn auch noch nicht rechtlicher Inhaber der habsburgischen Erblande und der damit bereits verknüpften kaiserlichen Gewalt läßt nun alle Rücksichten beiseite und beschließt, energisch gegen die böhmischen Rebellen vorzugehen. Den versöhnungsbereiten Ratgeber des Kaisers Khlesl läßt er verhaften, und nur der Mangel an Geld verhindert ihn, sofort Böhmen anzugreifen. Im März 1619 starb Kaiser Matthias, ohne daß ein Nachfolger bereits gewählt worden war. Aber der Protestantismus war politisch so geschwächt, so arm an führenden Persönlichkeiten, daß er die Lage nicht ausnutzen konnte. Nicht einmal einen Gegenkandidaten gegen Ferdinand vermochte er aufzustellen, und selbst der Kurfürst von der Pfalz wußte nur den streng katholischen Maximilian von Bayern vorzuschlagen, der aber ablehnte. So wurde Ferdinand im August 1619 gewählt. Er wurde auch in den Erblanden von den Ständen anerkannt, obwohl er bei der herkömmlichen Erneuerung der Privilegien die Bestätigung der Religionsfreiheiten verweigerte. Nur die böhmischen Stände zogen aus ihrer mit dem Fenstersturz eingeleiteten Politik der aktiven Gegenwehr die Konsequenz, Ferdinand als König abzulehnen, erklärten, daß die 1617 erfolgte Annahme keine gültige Wahl darstelle, und veranstalteten eine neue Wahl. Sie fiel auf Friedrich V. von der Pfalz, der als Inhaber der Oberpfalz Nachbar Böhmens war und als Schwiegersohn des Königs Jacob I. von England auch einen machtvollen Rückhalt zu besitzen schien. Diese Berechnung
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entbehrte freilich jeder Grundlage; die beginnenden inneren Schwierigkeiten haben Englands Außenpolitik während des ganzen Krieges gelähmt, so daß weder Jacob I. noch sein Sohn Karl I. das mindeste zur Unterstützung des Pfälzers leisten konnte. Auch die deutschen Lutheraner brachten es nicht über sich, dem calvinistischen Pfälzer bei seinem für den ganzen Protestantismus entscheidenden Unternehmen beizustehen; die Union lag bereits in den letzten Zügen. Nur Bethlen Gabor von Siebenbürgen war als geschworener Feind der Habsburger zu aktiver Hilfe bereit, aber er war weder mächtig noch zuverlässig genug, um Friedrich wirksam zu entlasten; er machte kleine Vorstöße gegen Österreich sowohl 1619 wie 1621, aber er ließ sich vom Kaiser mit kleinen Vorteilen abfinden. So war Friedrich auf die eigenen Kräfte angewiesen. Daß sie zum Kampf gegen Habsburg nicht ausreichen würden, war von vornherein klar. Zum Uberfluß gingen die Pfälzer, die Friedrich nach Böhmen mitbrachte, auch noch sehr ungeschickt vor und entfremdeten sich durch einen calvinistischen Bildersturm die Sympathien der böhmischen Protestanten. Auch mit der tschechischen Bevölkerung verstanden sie sich nicht. Um so größer waren die Rüstungen der katholischen Mächte. Der Kaiser fand beim Papst finanzielle Hilfe, auch Spanien war, wenn auch nicht eigentlich kriegslustig, so doch zur Unterstützung bereit. Am fühlbarsten wurde für Ferdinand die Mitwirkung Maximilians von Bayern und der Liga an der Bekämpfung des böhmischen Aufstands. Das bedeutete keine Preisgabe der nachbarlichen Rivalität Bayerns gegen die Habsburger, wie sie seit Beginn des 14. Jahrhunderts, auch in der Zeit Karls V. bestanden hatte. Bei allem brennenden Eifer für die katholische Religion wahrte Maximilian seine eigenen Interessen mit großer Umsicht. So forderte er die pfälzische Kurwürde für sein Haus und den Ersatz der aufzuwendenden Kriegskosten; als Pfand dafür sollte ihm Oberösterreich überantwortet werden. Selbst ein protestantischer Staat stellte sich 7
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dem Kaiser zum Kampf gegen Friedrich zur Verfügung, Kursachsen; sein Lohn sollte in den Lausitzen bestehen. Diesem Aufgebot war Friedrich, dem auch alle Eigenschaften des Herrschers oder des Feldherrn abgingen, nicht gewachsen. Am 8. November 1620 zerschlug der Feldherr der Liga Tilly am Weißen Berge bei Prag die Herrlichkeit des „Winterkönigs". Dieser konnte sich durch die Flucht retten; nach langem Exil ist er 1632 gestorben. Während die Sachsen die Lausitzen und Schlesien besetzten und verwalteten, nahm Ferdinand Böhmen als die Keimzelle der Empörung in strenge Zucht. Kirchlich und politisch herrschte unbedingte Reaktion. Der Katholizismus wurde die einzige in Böhmen erlaubte Religion. Über alle die, die am Aufstand teilgenommen hatten, wurde ein strenges Strafgericht verhängt, ihre Güter wurden konfisziert. Der alteingesessene tschechische Adel wurde dadurch ruiniert, an seine Stelle traten Emporkömmlinge, die als Anhänger des Kaisers mit Gütern beschenkt wurden oder eingezogene Güter billig aufkauften; so bekam Böhmen einen neuen, zum Teil reich begüterten Adel vorwiegend deutscher Herkunft, der erst im 19. Jahrhundert allmählich tschechisiert worden ist. Die alten Landesfreiheiten wurden aufgehoben und 1627 durch eine „erneuerte Landesordnung" ersetzt, die die ständische Verfassung der Form nach beibehielt, in der Tat aber den Landesherrn zum absoluten Herrscher machte. Das Recht der Königswahl wurde ganz beseitigt, die Krone wurde erblich. Die Gesetzgebung wurde ausschließlich dem Monarchen übertragen. Die Steuerbewilligung verblieb dem Landtag, es wurde ihm aber untersagt, sie mit politischen Bedingungen zu verknüpfen. Die Vereidigung der Beamten auf die Landesfreiheiten unterblieb von nun an, sie sollten lediglich Organe des Königs sein. Damit er in ihrer Auswahl freie Hand bekäme, erhielt er das Recht, das Indigenat, das Voraussetzung der Anstellung war, ohne Zuziehung der Stände zu verleihen.
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Während dieser Neuordnung Böhmens war der Krieg weitergegangen. Zunächst wurde die Oberpfalz erobert, dann kam die Unterpfalz an die Reihe. Hier griffen die Spanier, die an einer möglichst ununterbrochenen Landverbindung nach den Niederlanden interessiert waren, mit Truppen ein, doch wahrte Maximilian von Bayern die wittelsbachischen Interessen und sorgte dafür, daß auch Tilly mit seiner Armee an den Rhein marschierte. Die Protestanten brachten es nicht zu einer geschlossenen Abwehr, die Union löste sich 1621 endgültig auf. Nur einzelne Fürsten und Heerführer setzten sich für die Verteidigung des pfälzischen Besitzes ein, teils aus religiösem Eifer, teils aus Abenteuerlust, so Markgraf Georg Friedrich von Baden, Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbütte], der zugleich Administrator des Bistums Halberstadt war, und Graf Ernst von Mansfeld. Keiner von ihnen vermochte den Siegeszug des katholischen Heeres aufzuhalten. So fiel die Oberpfalz in die Hand Maximilians, der sogleich für ihre Zurückführung zum Katholizismus sorgte und sich hier häuslich niederließ. Auch in der rheinischen Pfalz setzte er sich fest. Allbekannt ist, daß er die Bibliothek der Universität Heidelberg, die sogenannte Palatina, dem Papst schenkte. Frankenthal dagegen bekam spanische Besatzung. Die pfälzische Kurwürde wurde 1621, wenn auch zunächst nur insgeheim, an Maximilian übertragen, erst 1624 gaben die Kurfürsten ihre Zustimmung dazu wenigstens für die Lebenszeit Maximilians.
14. Der niedersächsisch-dänische Krieg Mit der völligen Besetzung der pfälzischen Erblande war der Krieg noch keineswegs beendet. Tilly griff den Machtbereich des Halberstädters an, um ihn unschädlich zu machen, und trug damit den Krieg nach Norddeutschland. Die daraus zu erwartende Gefährdung des Hauptgebiets des deutschen
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Protestantismus rief Christian IV. von Dänemark auf den Plan, der als Herzog von Holstein zugleich deutscher Reichsfürst war und im niedersächsischen Kreise das Amt des Kreisobersten bekleidete. Damit beginnt der Krieg bereits über den engeren Bereich des deutschen Reiches hinauszugreifen. Wenn Christian sich in den Krieg einmischte, so tat er das gewiß im Interesse des Protestantismus, aber er verfolgte dabei auch sehr eigennützige Pläne in bezug auf die Stifter Bremen und Verden. Er fand für sein Vorgehen diplomatische Unterstützung bei England und Frankreich, die beide ein Übergewicht des Hauses Habsburg zu vermeiden wünschten, freilich weder den Willen noch die Mittel besaßen, aktiv in den Krieg einzugreifen. Vielleicht wäre es damals noch möglich gewesen, den Krieg zu beenden, wenn sich die Katholiken mit den bereits errungenen Erfolgen begnügt und auf die Einmischung in Norddeutschland verzichtet hätten. Aber zu einer solchen Selbstbescheidung war weder die durch Maximilian von Bayern geführte Liga, deren Heer bisher die Last des Krieges fast allein getragen hatte, noch auch der Kaiser zu haben. Vielmehr entschloß sich dieser gerade jetzt, seinen Anteil am Kriege und damit seinen Anspruch auf Kriegsbeute durch die Aufstellung eines eigenen Heeres unter der Führung Wallensteins zu verstärken. Damit tritt eine in Geschichte und Poesie vielumstrittene Persönlichkeit, von der auch heute noch Schillers Wort gilt: „Von der Parteien Gunst und H a ß verwirrt schwankt sein Charakterbild in der Geschichte", in den Vordergrund der Ereignisse. Albrecht von Wallenstein (1583 geb.) stammte aus dem tschechischen Adel, war zuerst Protestant, seit etwa 1606 Katholik, stand während des böhmischen Aufstands auf der Seite Ferdinands II. und konnte in den folgenden Jahren seine durch zwei reiche Heiraten erworbenen Mittel durch Beteiligung am Ankauf der konfiszierten Güter, wohl auch durch Münzspekulationen gewaltig vermehren und sich einen großen Komplex von Gütern aneignen, der als
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Fürstentum, später Herzogtum Friedland zusammengefaßt wurde. In der Verwaltung dieser Güter bewährte er sich als geschickter Wirtschafter. Auch seine militärische Betätigung ist stark durch das wirtschaftlich-finanzielle Moment bestimmt worden. Er ist weit mehr Organisator und Unternehmer als Feldherr gewesen; man findet in seiner Kriegführung bereits Ansätze zu der im 18. Jahrhundert zur Blüte gelangten methodischen Kriegführung, die das kostspielige und nach Verlusten nur schwer wiederherzustellende Instrument des Heeres zu schonen und den Feind unter Vermeidung der Schlacht durch Manöver mattzusetzen bemüht gewesen ist. Das Heerwesen war bisher aufgebaut gewesen auf den Zahlungen dessen, der das Heer für sich aufstellen ließ, des sogenannten Obersten Kriegsherrn. Er zahlte den Sold für die ausbedungene Zahl von Soldaten an die Obersten, die es unternahmen, die erforderliche Zahl aufzubringen; für den Sold hatte der Soldat sich auszurüsten und zu verpflegen. Dieses System hat niemals reibungslos funktioniert, der Kriegsherr konnte oft das Geld nicht rechtzeitig beschaffen, dann mußte der Soldat sich das, was er zum Leben brauchte, selbst besorgen; daß er dabei häufig mehr forderte, als ihm zukam, und daß er, selbst wenn der Sold pünktlich gezahlt wurde, es lieber ohne Bezahlung nahm, ist ohne weiteres verständlich. Schon in den ersten Jahren des 30jährigen Krieges ist dieses System zusammengebrochen. Das Geld für die Truppen war einfach nicht mehr aufzubringen, so hatte sich schon Tilly genötigt gesehen, den Bedarf des Heeres an Brot, Fleisch usw. auf die ihm gerade zur Verfügung stehenden Länder in natura umzulegen. Die betroffenen Landschaften mußten sich fügen; was sie nicht freiwillig lieferten, wurde ihnen gewaltsam weggenommen nach dem Grundsatz, daß der Krieg den Krieg ernährte. Was Tilly notgedrungen improvisiert hatte, machte Wallenstein zum System. Es wird behauptet, er habe auf die Auffor-
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derung, ein Heer von 20 000 Mann aufzubringen, geantwortet, 20 000 könne er nicht ernähren, wohl aber 50 000. Ranke hat festgestellt, daß diese Anekdote erfunden ist, aber sie trifft den Kern. Wallenstein stellt sein Heer grundsätzlich auf Kosten des Landes auf, in dem es sich aufhält, unbekümmert, ob es Freundes- oder Feindesland ist, er schreibt hohe Kontributionen aus sowohl an Geld wie an Naturalien, die Aufbringung ist Sache der Landesbehörden. Damit diese sich anstrengen, bedarf es eines starken Drucks der Soldateska; deshalb muß diese eine ausreichende Stärke haben. Daß auch bei diesem organisierten Kontributionssystem zusätzliche Forderungen von den Offizieren und Mannschaften erhoben wurden, bedarf kaum der Erwähnung. Deshalb war selbst ein friedliches Winterquartier einer Armee eine schwer erträgliche Landplage. Der Verlauf des Krieges soll nur in ganz großen Zügen beschrieben werden. Die Hoffnung der Protestanten, daß es 1626 möglich sein werde, den Kaiser von mehreren Seiten her anzugreifen, erwies sich sehr bald als Illusion; der Bauernaufstand in Oberösterreich, das letzte Aufflackern evangelischen Widerstands in den Habsburgischen Landen, wurde niedergeschlagen, Bethlen Gabor von Siebenbürgen ließ sich wie zu Beginn des Krieges leicht zum Frieden bewegen, so fiel die Hauptlast auf das niedersächsische Gebiet. Hier gingen Tilly und Wallenstein in den Jahren 1626-28 teils gemeinsam operierend, teils einander mißtrauisch beobachtend, aber immer erfolgreich gegen Christian von Dänemark und die protestantischen Fürsten vor, eroberten die feindlichen Gebiete, besetzten aber auch Territorien, die wie Brandenburg neutral bleiben wollten, vertrieben die protestantischen Bistumsadministratoren; auch die Herzöge von Mecklenburg verloren ihr Land, das Wallenstein übertragen wurde. Die erstaunlichen Erfolge des kaiserlichen Heeres, das damit die Ostsee erreichte und selbst Jütland besetzte, weckten kühne Pläne, wie sie schon der neue Titel Wallensteins andeutet: General des ozeanischen und baltischen Meeres. Den Hansestädten wurde der Vorschlag gemacht, unter
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kaiserlichem Schutz eine Gesellschaft zur Förderung des Handels mit Spanien zu gründen, die freilich nur mit Spanien Handel treiben und die andern Nationen davon ausschließen sollte. Besonders gegen die Niederländer, die seit 1621 wieder im Krieg gegen Spanien lagen, war der Plan gerichtet; um ihren Handel aus der Ostsee zu vertreiben, sollte eine Flotte gebaut werden. Aus all dem ist nichts geworden, denn an der Ostseeküste kam Wallensteins Siegeslaufbahn zum Stehen. Es gelang ihm nicht, die Stadt Stralsund einzunehmen, da sie von Dänemark wie von Schweden her unterstützt wurde und Wallenstein ohne Flotte ihr diese Unterstützung nicht abschneiden konnte. Aber auch ohne Stralsund war die Machtstellung, die der Kaiser errungen hatte, größer als je zuvor, sie übertraf weit den Erfolg, den Karl V. mit der Schlacht bei Mühlberg davongetragen hatte. Die äußere Anerkennung fand sie in dem Frieden von Lübeck (22. Mai 1629). Christian behielt zwar alle seine Erblande, auch das deutsche Holstein, ohne Einbuße, mußte aber seine Bundesgenossen fallen lassen und auf jede Einmischung in das Reich verzichten. Er hätte vielleicht - darauf deutet der gemeinsame Erfolg vor Stralsund - den Krieg in Verbindung mit Schweden weiterführen können, aber die alte Rivalität um die Vorherrschaft in der Ostsee ließ es auch jetzt nicht dazu kommen, als nicht nur der habsburgische Wettbewerb um die Ostsee sich anmeldete, sondern auch die Gefährdung des Protestantismus aufs höchste stieg. Denn schon vor dem Lübecker Frieden, am 6. März 1629, hatte Ferdinand II. das Restitutionsedikt erlassen, das zwar den Religionsfrieden von 1555 in Kraft ließ, aber alle aus ihm erwachsenen Streitfragen durch kaiserlichen Machtspruch ganz in katholischem Sinn entschied. Der geistliche Vorbehalt hatte unbedingte Gültigkeit, die Deklaration Ferdinands I., die eine bescheidene Entschädigung für die Duldung des Vorbehalts gewesen war, wurde ignoriert und aus alledem die Forderung abgeleitet, daß alles Kirchengut, das seit 1555 der
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katholischen Kirche entzogen worden war, ihr zurückgegeben werde. Die Durchführung dieser Restitution wurde kaiserlichen Kommissaren übertragen, deren Entscheidungen Tilly mit seiner Armee zu vollziehen hatte. Es war dabei nicht nur an die Wiederherstellung der katholisch-kirchlichen Organisation gedacht, ein wesentlicher Zweck der Restitution war die Steigerung der habsburgischen Macht. So wurde der jüngere Sohn des Kaisers, Erzherzog Leopold Wilhelm, der bereits Bischof von Passau und Straßburg war, noch mit dem Bistum Halberstadt und den Erzbistümern Bremen und Magdeburg ausgestattet. Durch das Edikt wurde, so hat Ranke seine Tragweite gekennzeichnet, „die Axt an die Wurzeln der Reformation gelegt. Es war die ganze Form des norddeutschen Glaubens, Denkens und Lebens, der man den Krieg ankündigte". Und doch war es, wie Karls V. Vorgehen nach der Schlacht von Mühlberg, eine Überspannung der kaiserlichen Macht, es bedeutete wohl den Höhe-, aber auch den Wendepunkt der Erfolge des Kaisers und des Katholizismus.
15. Der Schwedische Krieg bis zum Prager Frieden Schon während des siegreichen Vordringens von Wallenstein waren im Reiche Anzeichen einer politischen Gegenbewegung bemerkbar geworden. Diese ging merkwürdigerweise nicht von den noch unerschütterten protestantischen Kurfürstentümern aus. Bis zum Restitutionsedikt ist Kursachsen der Verbindung mit dem Kaiser unbedingt treu geblieben. Weniger klar und eindeutig war die Haltung Brandenburgs. Kurfürst Georg Wilhelm unterhielt Beziehungen nicht nur zu Christian von Dänemark, sondern auch zu Bethlen Gabor, dem er 1625 seine Schwester Katharina zur Frau gab, aber zu aktiver Anteilnahme am Kriege ließ er sich nicht bringen, nicht einmal als die kaiserlichen Truppen 1626/27 eigenmächtig
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Winterquartiere in der M a r k nahmen. Und als 1627 die M a r k sogar Kriegsschauplatz wurde, entzog er sich allen Entscheidungen durch die Abreise nach Preußen. Kaiserliche Truppen besetzten die märkischen Festungen. Träger der Oppositon gegen den Kaiser waren vielmehr die katholischen Fürsten, an ihrer Spitze Maximilian von Bayern. Das gemeinsame katholische Interesse, das die Häuser Habsburg und Wittelsbach verband und in mehreren Ehen bereits Ausdruck gefunden hatte, ist, wie oben erwähnt (S. 97), nicht stark genug gewesen, um Maximilian zum vorbehaltlosen Gefolgsmann zu machen. Im Gegenteil, er hat beim Eintritt in den Krieg vorsichtig seine Bedingungen gestellt, er hat dann die Festsetzung der Spanier in der Unterpfalz mit Mißtrauen betrachtet und schon 1622 mit der Wiederanknüpfung der alten Beziehungen zu Frankreich beantwortet. Noch stärker wurde das Mißtrauen, als der Kaiser mit eigenem Heer sich von der Liga und damit von Maximilian in der Kriegführung unabhängig machte. Zum offenen Austrag kam die Spannung auf dem Kurfürstentag zu Regensburg im Sommer 1630. Ferdinand II. hatte ihn vor allem einberufen, um die Wahl seines gleichnamigen Sohnes zum römischen König durchzusetzen und der Gefahr eines Interregnums vorzubeugen. Die katholischen Kurfürsten waren sämtlich persönlich erschienen, dagegen hatten die durch das Restitutionsedikt verärgerten Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg nur Gesandte geschickt. Außerdem erschien in Regensburg als Vertreter Frankreichs Pater Joseph, der bekannte vertraute Ratgeber Richelieus. Seine Anwesenheit wurde amtlich damit begründet, daß er über die Beilegung der zwischen dem Kaiser und Frankreich in Italien entstandenen Differenzen verhandeln solle; mindestens ebenso wichtig aber war für ihn der Gedankenaustausch mit Bayern. Zur Königswahl ist es in Regensburg gar nicht erst gekommen. Vielmehr erfüllten die Kurfürsten die Beratungen mit Beschwerden über die Quartierlasten, die ihnen das Heer Wal-
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lensteins auferlegte, und über die Ausschreitungen der Soldaten. Sie beschränkten sich aber nicht auf Einzelheiten, sondern wendeten sich ganz allgemein gegen die Machtsteigerung, die dem Kaiser durch den siegreichen Krieg zugewachsen war. Der Eindruck war weit verbreitet, er wird auch in einer venetianischen Relation von 1630 ausgesprochen, daß der Kaiser absolut regieren wolle und zu diesem Zweck die Uneinigkeit unter den Fürsten aufrechterhalte; auch daß er seine Untertanen wie Wallenstein u. a. zu Reichsfürsten mache, wurde zum Beweis angeführt. Demgegenüber betonten die Kurfürsten, daß die kaiserliche Würde von ihnen herrühre, verlangten, daß ihr Ansehen von den Offizieren des Kaisers geachtet und daß überhaupt eine bessere Ordnung im Heere gemacht werde. Auch die Ausnutzung des Restitutionsedikts zugunsten der habsburgischen Hausmacht wurde kritisiert. In diesem Punkte blieb freilich der Kaiser fest. Dagegen ließ er Wallenstein fallen. Darin ist nicht nur der „Dank vom Haus Österreich" zu erblicken, der geradezu zum geflügelten Wort geworden ist, sondern auch eine Folge der Tatsache, daß sich Wallenstein durch viele Eigenmächtigkeiten, vor allem auch durch seine Gleichgültigkeit in konfessionellen Fragen, die Duldung von Protestanten sogar unter höheren Offizieren, am kaiserlichen Hofe viele Gegner gemacht hatte. Trotzdem erscheint Wallensteins Entlassung unbegreiflich. Denn als sie erfolgte, war in Regensburg bereits bekannt, daß Gustav Adolf von Schweden in Pommern gelandet war, um dem Protestantismus in Deutschland zu Hilfe zu kommen. Offenbar ist diese Gefahr nicht ernst genug genommen worden. Soll doch der Reichsvizekanzler, der wichtigste Ratgeber des Kaisers in der deutschen Politik, gesagt haben, der König möge nur weiter kommen und Anhänger finden, das werde dem Kaiser Gelegenheit zu neuen Konfiskationen geben. So günstig war freilich die Lage für den Kaiser keineswegs. Denn seine machtvolle Stellung begann gerade damals eine Reaktion Europas auszulösen, wie sie auch Karl V. auf der
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Höhe des Sieges über die Schmalkaldener erlebt hatte. Ihr Hauptträger war Frankreich, das nach dem jähen Tode Heinrichs IV. für mehr als ein Jahrzehnt als aktiver Faktor der großen Politik fast ausgefallen war, jetzt aber, nachdem Richelieu 1624 die Leitung der Politik endgültig an sich gebracht hatte, den traditionellen Kampf gegen Habsburg wieder aufnahm. Den ersten Anlaß bot das Aussterben der Gonzagas, die Mantua und Montferrat in Oberitalien bis 1629 beherrscht hatten. Zwei Prätendenten erhoben Ansprüche auf dieses Erbe, ein französischer Fürst und Spanien. Um Spanien, hinter dem der Kaiser stand, an der damit zu erreichenden Verstärkung seiner Stellung in Oberitalien zu verhindern, rückten französische Truppen 1629 in Oberitalien ein und besetzten die zu Piémont gehörende Festung Pinerolo. Da der Kaiser einen offenen Krieg mit Frankreich vermeiden wollte und die Kurfürsten auf dem Regensburger Tag sich für eine friedliche Lösung einsetzten, kam es 1631 zum Frieden von Chierasco, in dem die mantuanische Erbschaft dem französischen Kandidaten zufiel, Frankreich aber zur Räumung Italiens verpflichtet wurde. Daß Frankreich diese Verpflichtung nicht erfüllte, vielmehr Pinerolo, das den Übergang über die Alpen sicherte, weiter besetzt hielt, war ein unverkennbares Warnungszeichen. Immerhin war der Ausbruch offener Feindseligkeiten vermieden worden. Inzwischen hatte sie die Lage in Deutschland durch das Eingreifen Gustav Adolfs von Schweden völlig verändert. Er ist neben Maximilian von Bayern und Wallenstein die dritte große Gestalt des 30jährigen Krieges, menschlich wohl die größte unter ihnen. 1594 geboren, hatte er schon 1611 unter schwierigen Umständen die Regierung Schwedens übernommen, unter Opfern Frieden mit Dänemark geschlossen und sich dann neben der Verbesserung der inneren Ordnung seines Landes, bei der sein Kanzler A. Oxenstjerna hervorragenden Anteil genommen hat, vor allem der Sicherung der schwedischen Macht im Osten gewidmet, wo in dem von der katho-
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lisch gewordenen älteren Linie der Wasa regierten Polen ein auch dynastisch gefährlicher Rivale lag. Doch hat er darüber nie den Blick für die allgemeinen Zusammenhänge der Politik verloren. Schon früh ist er zu der Einsicht gelangt, daß alle Kriege, die in Europa geführt würden, miteinander vermengt und zu einem geworden seien. Trotzdem hatte er sich nicht entschließen können, Christian IV. von Dänemark in seinem Krieg gegen den Kaiser zu unterstützen. Vielmehr kämpfte er 1626-29 vor allem gegen Polen, eroberte Livland und erwarb an der preußischen Ostseeküste einige Stützpunkte. Aber als mit der Belagerung Stralsunds die Gefahr akut wurde, daß sich die Habsburger an der Ostsee festsetzen würden, hatte er keinen Augenblick gezögert, die Stadt in ihrer Abwehr zu unterstützen. Wallenstein antwortete darauf mit der Entsendung eines Hilfskorps zu den Polen. Frankreich aber, das sich von der unmittelbaren Beteiligung am deutschen Krieg fernhalten wollte, sah nach dem Frieden von Lübeck in Gustav Adolf das geeignete Werkzeug, um dem Kaiser Widerstand zu leisten. Dazu mußte freilich Gustav Adolf in Polen freigemacht werden. Unter französischer Vermittlung kam es (16. September 1629) zu einem Waffenstillstand, in dem Schweden neben Livland auch seine Stützpunkte in Preußen mit dem finanziell wichtigen Recht der Zollerhebung behielt. Nunmehr entschloß sich Gustav Adolf zum Eingreifen in Deutschland. Uber die Beweggründe, die ihn bestimmt haben, ist viel diskutiert worden. Hat die ältere protestantische Geschichtsschreibung ihn lange Zeit als den idealen Glaubenskämpfer gefeiert, der sich uneigennützig für die Rettung des evangelischen Deutschland geopfert habe, so haben nicht nur katholische Historiker, sondern in neuerer Zeit auch Protestanten die Echtheit der religiösen Motive angezweifelt und als das eigentliche Ziel Landerwerb auf deutschem Boden und wirtschaftliche Vorteile für Schweden bezeichnet. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Das religiöse und politische Moment
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lassen sich, wie jüngst noch G. Ritter 1 mit Recht bemerkt hat, im Zeitalter der Gegenreformation und der Religionskriege gar nicht voneinander trennen. Ein Sieg des Kaisers bedrohte nicht nur den deutschen und damit zugleich den schwedischen Protestantismus, sondern auch wegen der unvermeidlichen Rückwirkung auf Polen die Dynastie der Wasa und damit die politische Selbständigkeit Schwedens, er bedeutete gleichzeitig die Gefahr einer wirtschaftlichen Abhängigkeit Schwedens, wenn etwa die habsburgischen Handelspläne in der Ostsee verwirklicht wurden. Das alles war Grund genug für Gustav Adolf, den Kampf gegen den Kaiser aufzunehmen und damit den Krieg von neuem zu entfachen. Daß er dabei von vornherein entschlossen war, für die Opfer, die er Schweden auferlegen mußte, auch eine Entschädigung zu verlangen, ist selbstverständlich. Im Sommer 1630 landete Gustav Adolf auf Rügen und besetzte Stettin. Durch ein Abkommen mit dem Herzog von Pommern, dem letzten seines Stammes, sicherte er sich hier einen Brückenkopf, der auch nach dem Tode des alten Herzogs (1637) in schwedischer Hand bleiben sollte. Die Frage der Erbschaft, die rechtlich keine Frage war, da der brandenburgische Anspruch unanfechtbar war, sollte später geregelt werden.
Obwohl die deutschen Protestanten angesichts der fortschreitenden Durchführung des Restitutionsedikts über die ihnen drohende Gefahr nicht im unklaren sein konnten, haben sie den Schwedenkönig keineswegs freudig als ihren Retter begrüßt. Das gilt nicht nur von dem Kurfürsten von Brandenburg, der zwar seit 1620 durch seine Schwester mit ihm verschwägert, aber nicht ohne Grund wegen Pommerns besorgt war, sondern auch von Kursachsen. Nur die Stadt Magdeburg, wo die Gegenreformation schon eingesetzt hatte, ergriff die Gelegenheit, ihren Glauben und ihre Selbständigkeit zu verteidigen, und schloß ein Bündnis mit Gustav Adolf. Um sie zum Gehorsam zu zwingen, marschierte im Herbst 1630 Tilly mit seiner Armee zur Belagerung vor die Stadt. ') G. Ritter, Die Weltwirkung der Reformation S. 159 ff.
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Gustav Adolf war nicht stark genug, sofort den Entsatz zu versuchen. Er befestigte zunächst seine Basis, militärisch durch die Vertreibung der kaiserlichen Truppen aus Pommern und Mecklenburg, das mit Wallenstein wieder verlorenging, diplomatisch durch ein im Januar 1631 abgeschlossenes Bündnis mit Frankreich. Dieses übernahm darin die Verpflichtung, Subsidien zu zahlen, dafür versprach Gustav Adolf den Krieg bis zur Wiedereinsetzung der vertriebenen Reichsstände zu führen, ohne dabei die katholische Religion zu beeinträchtigen. Unterdessen suchten sich die deutschen Protestanten durch Zusammenschluß gegen die Hineinziehung in den neuen Krieg zu schützen und als neutrale dritte Partei zu organisieren. Immerhin hatten sie schon so viel aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt, daß sie bereit waren, sich zur Verteidigung der Neutralität „in Verfassung zu setzen", d. h. ein Heer aufzustellen. Auf einem Konvent zu Leipzig Anfang 1631 faßten sie ihre Beschlüsse; sie rechtfertigten ihre geplanten Rüstungen mit Beschwerden über die Politik des Kaisers und vor allem über die Ubergriffe seines Heeres. In seltsamer Verkennung des Ernstes seiner Lage verbot der Kaiser den Protestanten ihre Rüstungen und beauftragte Tilly, sie unter Umständen mit Gewalt daran zu verhindern. Während Gustav Adolf mit Brandenburg und Sachsen wegen ihres Anschlusses verhandelte, ging Magdeburg am 20. Mai 1631 verloren. Bei dem Sturm der Pappenheimischen Soldaten ist die Stadt in Flammen aufgegangen. Von protestantischer Seite ist gleich damals die Behauptung aufgebracht worden, daß Tilly die Verantwortung für den Brand trage, doch ist auch die gegenteilige Behauptung mit viel Scharfsinn verteidigt worden, daß der mit der Leitung der Verteidigung beauftragte schwedische Oberst sie habe anzünden lassen, damit sie für den Gegner keinen Stützpunkt abgeben könne. „Ein früheres Moskau", so hat Ranke seine Ansicht zusammengefaßt, und dieser Vergleich trifft insofern zu, als auch über den Urheber des Brandes von 1812 keine restlose Klarheit erzielt worden ist. Mit der Möglichkeit, daß das Feuer nicht bewußt angelegt worden, sondern
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während des Kampfes zufällig entstanden ist, muß in beiden Fällen gerechnet werden.
Unter dem Eindruck des Verlustes von Magdeburg entschloß sich Gustav Adolf, sich nicht länger von den Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen hinhalten zu lassen, sondern Ernst zu machen. Der brandenburgische Schwager wurde durch den Druck der gegen Berlin vorgerückten Schweden gezwungen, ihnen Spandau auszuliefern und sich an den Kriegskosten zu beteiligen. Gleichsam als Entschädigung, auch für Pommern, das Gustav Adolf nicht wieder herauszugeben entschlossen war, wurde die Vermählung des 11jährigen Kurprinzen mit Christine, der Tochter Gustav Adolfs, in Aussicht gestellt; daß sie die Erbin des erst 36jährigen Königs sein würde, war damals freilich noch nicht zu erwarten. Was in Brandenburg der Druck der schwedischen Armee bewirkt hatte, besorgte in Sachsen Tilly. Als dieser in Kursachsen einrückte, um das Restitutionsedikt durchzuführen, entschloß sich Kurfürst Johann Georg I. zum Bündnis mit Schweden. Daraufhin begann Gustav Adolf den Feldzug gegen Tilly und leitete ihn mit dem glänzenden Siege von Breitenfeld (nahe Leipzig) am 17. September 1631 verheißungsvoll ein.„Alles, was seit einem Jahrzehnt geschehen, war die Wirkung der Schlacht am Weißen Berge. Breitenfeld war, wenn wir so sagen dürfen, die Antwort darauf" (Ranke). Den sächsischen Bundesgenossen beauftragte Gustav Adolf nach dem Siege mit dem Angriff auf Böhmen. Er selbst wendete sich gegen die Pfaffengasse des Reichs, eroberte Würzburg, dessen Bibliothek ein ähnliches Schicksal erfuhr wie die Heidelberger und nach Upsala verschleppt wurde, zog dann mainabwärts bis nach Mainz, wo er den Winter über blieb. Überall schlossen sich ihm die protestantischen Fürsten an, aber sie mußten ihm die Leitung des Krieges unumschränkt anvertrauen. Uber die politische Zukunft Schwedens und Deutschlands ist es begreiflicherweise noch nicht zu festen Abmachungen gekommen. Aber zwei Hauptforderungen treten schon in
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dieser Zeit beherrschend in den Vordergrund, Satisfaktion und Assecuration. Die Satisfaktion bedeutet die Entschädigung Schwedens für die gebrachten Opfer; daß Gustav Adolf nicht mehr mit Pommern allein zufrieden war, sondern die ganze deutsche Ostseeküste zu seiner Verfügung haben wollte, ist deutlich zu erkennen. Unter der Assecuration verstand er den Zusammenschluß der deutschen Protestanten zu einer festen politischen Körperschaft im Reiche, die zugleich mit Schweden im Bündnis sein und die errungenen Erfolge sichern sollte. Ob das Kaisertum weiter bestehen, ob er selbst etwa die Krone für sich beanspruchen solle, darüber war er sich selbst wohl nicht ganz klar; das mußte ja auch von dem weiteren Verlauf des Krieges abhängen. Im Frühjahr 1632 begannen die militärischen Aktionen wieder. Zuerst sah es so aus, als ob Gustav Adolf seinen Siegeszug ungehemmt fortsetzen werde. Er wendete sich nach Süden, überschritt die Donau und schlug Tilly am Lech vernichtend (15. April); an den in dieser Schlacht empfangenen Wunden ist Tilly bald danach gestorben. Nach dem Siege rückte Gustav Adolf in Bayern ein. Hier freilich kam sein Vormarsch zum Stehen. Denn inzwischen war Wallenstein wieder auf der Bühne erschienen. Grollend hatte er sich im Sommer 1630 auf seine böhmischen Güter zurückgezogen. Daß er sich nicht damit begnügen wollte, seinen Kohl in Ruhe zu pflanzen, darauf deuten die Beziehungen, die er bald nach seiner Entlassung zu den böhmischen Emigranten aufnahm. Auch mit den Schweden ist er 1631 in Verbindung getreten; er war bereit, den Kaiser anzugreifen, verlangte aber die Mitwirkung eines schwedischen Korps. Beiderseitiges Mißtrauen verhinderte den Abschluß. In der Bedrängnis, in die die Schlacht von Breitenfeld den Kaiser versetzte, hat dieser im Spätherbst 1631 mit Wallenstein Verhandlungen aufnehmen lassen, die im Dezember damit endeten, daß sich Wallenstein zur Übernahme des Oberbefehls über eine neu aufzustellende Armee bereit erklärte. Die Be-
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dingungen, die er dafür stellte, sind im Wortlaut nicht bekannt, vielleicht überhaupt nicht schriftlich festgelegt worden. Daß Wallenstein sich auf militärischem Gebiet weitgehende Unabhängigkeit gesichert und ζ. B. die Mitwirkung des bereits zum König von Ungarn gekrönten Sohnes des Kaisers, des späteren Ferdinand III., verbeten hat, steht fest. Zweifelhaft ist, wie weit er sich auch politisch freie Hand ausbedungen hat. Gegen Ende des Frühjahrs 1632 war das neue Heer Wallensteins marschbereit. Er griff mit ihm zuerst die in Böhmen stehenden Sachsen an und vertrieb sie aus Prag, verfolgte sie aber nicht über die Landesgrenze hinaus, sondern zog von Eger aus Maximilian von Bayern zu Hilfe. Gustav Adolf fühlte sich nicht stark genug, um die vereinigten Gegner anzugreifen und nahm bei Nürnberg eine verschanzte Stellung ein. Da Wallenstein trotz seiner Ubermacht auch keinen Angriff wagte, kam es hier zu einem wochenlangen Stellungskrieg. Als Gustav Adolf Anfang September unter dem Druck von Verpflegungsschwierigkeiten das feindliche Lager zu stürmen versuchte, erlitt er eine Niederlage, die ihn zum Rückzug nach Süden zwang. Wallenstein folgte ihm nicht, sondern ging gegen Sachsen vor. Um diesen Bundesgenossen nicht zu verlieren, rückte Gustav Adolf dem Gegner nach und traf ihn bei Lützen (nahe Leipzig). Hier kam es am 16. November zur Schlacht: sie war militärisch ein Erfolg der Schweden, aber er war allzu teuer erkauft mit dem Tod des noch nicht 38jährigen Königs. Einer der Räte des Kaisers hat damals die Ansicht vertreten, daß es an der Zeit sei, den Krieg unter Verzicht auf alle Eroberungsziele zu beenden, denn Frankreich werde einen vollen Sieg des Kaisers auf keinen Fall dulden, habe aber kein Interesse an einem durchschlagenden Sieg der Schweden, der notwendig Rückwirkungen auf die französischen Hugenotten haben werde. An Ferdinand II. ist diese Denkschrift wohl überhaupt nicht gelangt. Daß er und die ihn beeinflussenden Geistlichen diese politischen, den Konfessionalismus überwindenden Gedanken sich angeeignet haben würden, ist wenig wahrscheinlich. Aber ebenso zweifelhaft ist, ob die Protestanten schon zu einem Ausgleich bereit waren. 8
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Die Leitung der schwedischen Politik übernahm, da Königin Christine noch minderjährig war, der Reichskanzler A. Oxenstjerna, der mit den Gedanken Gustav Adolfs voll vertraut war. Aber die Autorität, die dieser nicht nur als König, sondern auch als Feldherr besessen hatte, hatte er nicht, weder gegenüber den schwedischen Generalen, unter denen sich auch deutsche Reichsfürsten wie Bernhard von Weimar und Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg befanden, noch gar gegenüber den deutschen Bundesgenossen, von denen Sachsen und Brandenburg immer mehr ihre eigenen Wege gingen. Nur mit den vier oberdeutschen Reichskreisen, dem kurrheinischen, dem oberrheinischen, dem schwäbischen und dem fränkischen, kam es im April 1633 in Heilbronn zu einem festen Bündnis, in dem diese sich mit Schweden zum gemeinsamen Kampf für die Wiederherstellung der deutschen Libertät und der Reichsverfassung, für die Restitution der evangelischen Stände, für die Sicherung des Friedens und für eine Entschädigung Schwedens verpflichteten. Die Leitung des Bundes übernahm Oxenstjerna, dem ein Kriegsrat aus den deutschen Ständen beigeordnet wurde. Bis die Hilfe der süddeutschen Kreise, die zum Teil Kriegsschauplatz waren, wirksam werden konnte, blieb die militärische Aktionskraft Schwedens gelähmt; Zwistigkeiten unter den Generalen und Meutereien im Heer, das längst nicht mehr das dem König und dem evangelischen Glauben ergebene Aufgebot der schwedischen Bauern war, sondern wie die anderen Heere der Zeit mehr und mehr aus Söldnern bestand, trugen noch mehr zur vorsichtigen Zurückhaltung des schwedischen Heeres im Sommer 1633 bei. So konnte eine spanische Armee von Italien aus durch die Schweiz bis zum Oberrhein vorstoßen. Dagegen hielt sich Wallenstein mit seiner Armee merkwürdig zurück. Nachdem er sich nach der Schlacht von Lützen in Winterquartieren in Böhmen aufgefrischt hatte, nahm er 1633 den Kampf gegen die von seinem früheren General v. Arnim geführten Sachsen
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wieder auf. Aber wiederholt unterbrach er die militärischen Aktionen durch Verhandlungen. Erst gegen das Ende des Sommers griff er in Schlesien energisch ein, zwang ein sächsisch-schwedisches Korps bei Steinau zur Kapitulation und ließ seine Truppen bis Frankfurt a. O. vorrücken. Unterdessen machte sich Bernhard von Weimar die weite Entfernung der beiden katholischen Hauptarmeen zunutze, stieß gegen Bayern vor und eroberte Regensburg. Als Maximilian von Bayern Wallenstein um Hilfe rief, setzte sich dieser wohl in Marsch, aber so langsam, daß er zu spät kam, um Regensburg zu retten. Darauf begab er sich wieder auf böhmisches Gebiet, um seinen Truppen die übliche Winterruhe nicht zu verkürzen. Dieses Verhalten sollte den Anstoß zu der bekannten Katastrophe Wallensteins geben. Auf die vielen kritischen Fragen, die die Forschung über das Wallenstein-Problem aufgeworfen hat, kann hier nicht eingegangen werden. Nur die Hauptprobleme seien kurz angedeutet. Es handelt sich dabei einmal um das Ausmaß seiner Verhandlungen mit den Gegnern des Kaisers, dann aber vor allem um die Deutung seiner Motive. Verhältnismäßig gut sind wir über die Verhandlungen unterrichtet, die Wallenstein während seines zweiten Generalrats nach den verschiedensten Seiten geführt hat oder hat führen lassen. Gleich zu Anfang hat er sich Sachsen genähert, wo Arnim der geeignete Vermittler war; als sein Ziel deutete er einen Ausgleich zwischen den Konfessionen an, der „ohne Respekt einiger Person" - das konnte sich nur auf den Kaiser beziehen - gegen Schweden, Frankreich und Spanien gerichtet sein sollte. Verhandlungen mit den Schweden gediehen bei dem Mißtrauen Oxenstjernas nicht zu einer Annäherung. Auch mit den böhmischen Emigranten hatte er durch einen Mittelsmann Verbindung; sie boten ihm die böhmische Königskrone an. Uber diese Möglichkeiten wurde auch mit den Franzosen verhandelt, ohne daß mit Sicherheit gesagt werden könnte, wie weit Wallenstein selbst dabei beteiligt gewesen ist. Er liebte 8·
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es, alle Möglichkeiten zu erwägen, persönlich aber im Hintergrund zu bleiben und eine unwiderrufliche Bindung zu vermeiden. D a es nach keiner Seite hin zu einem festen Abschluß gekommen ist, läßt sich auch die Frage nach den eigentlichen Absichten Wallensteins nicht mit Sicherheit beantworten. Wollte er mit diesen Verhandlungen, die alle mit dem Abfall vom Kaiser rechneten, nur seiner persönlichen Rachsucht gegen die Männer, denen er seinen Sturz von 1630 zur Last legte, frönen - das ist die Ansicht, die zuletzt der tschechische Historiker Pekar in seiner auch in deutscher Sprache veröffentlichten Biographie vertreten hat - oder verband er damit zugleich tschechisch-nationale Pläne einer Wiederherstellung eines selbständigen Königtums in Böhmen oder erfüllte ihn, wie Ranke auf Grund der Besprechungen mit Arnim annehmen zu dürfen meinte, „ein ideales, auf die Befriedigung des größten Anliegens der deutschen Nation gerichtetes Bestreben", die Erringung eines dauerhaften Friedens im Reich? Die neuere Forschung hält sich von einer solchen Idealisierung Wallensteins frei, ist aber auch nicht geneigt, Pekar zu folgen und nur niedrige persönliche Motive anzunehmen, glaubt vielmehr, daß Wallenstein ehrlich den Frieden gewünscht, aber doch nicht die Kraft gehabt habe, dieses Ziel konsequent zu verfolgen.
D a ß diese Verhandlungen, deren Inhalt wohl geheim blieb, deren Stattfinden aber weder geheim bleiben konnte noch nach Wallensteins Absicht geheim bleiben sollte, in Verbindung mit der zaudernden und hinhaltenden Kriegführung Wallensteins Verdacht beim kaiserlichen Hof weckten, wo die alten Gegner von 1630 noch lebten, ist verständlich. Wallenstein war sich darüber klar, daß er sich durch Hinterhältigkeit und Zweideutigkeit in eine gefährliche Lage hineinmanövriert hatte. Deshalb versuchte er zu Anfang 1634 seine Offiziere durch den sogenannten Pilsener Revers zu unbedingter Treue zu verpflichten. Gerade damit beschwor er das Verhängnis herauf. Denn ein Teil der hohen Offiziere, Piccolomini, Gallas, Aldringen, stand auf der Seite des Kaisers, nicht nur aus persönlichem
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Ehrgeiz, der nach dem Sturz Wallensteins mit dem Aufstieg zur höchsten Kommandostelle rechnen durfte, sondern aus innerer Uberzeugung. Die Zeit der Condottieri, die mit den von ihnen aufgebrachten Armeen eigene Politik trieben und sich damit Fürstentümer eroberten, war vorüber. Dieses Condottieretum hatte seinen Nährboden ja auch nur in der aufgewühlten Welt der italienischen Kleinstaaterei der Renaissance gefunden. In den großen Staaten mit ihrer gefestigten monarchischen und staatlichen Tradition war ihm kein Erfolg beschieden; Karl von Bourbon war mit seinem Abfall von Franz I. von Frankreich ebenso gescheitert, wie Ludwig Condé und Turenne in der Frondezeit scheiterten. So ist auch Wallenstein daran zugrunde gegangen, daß im Offizierskorps nicht bloß Gewinnsucht und Abenteuerlust lebten, sondern zugleich ein moralisches Element, das sich vielleicht noch nicht aus der Hingabe an ein Vaterland oder an die Konfession nährte, wohl aber aus dem Gefühl der Treue gegenüber dem Kriegsherrn, dessen Dienst es sich verpflichtet hatte. So sicher fühlte sich der Kaiser seines Heeres freilich nicht, daß er offen im Wege des Prozesses gegen Wallenstein vorzugehen gewagt hätte. Vielmehr setzte ein kaiserliches Patent vom 24. Januar 1634 Wallenstein insgeheim ab, ihm folgte am 18. Februar das sogenannte Proskriptionspatent, das Wallenstein als Hochverräter bezeichnete, den Pilsener Revers kassierte und Offiziere und Mannschaften des Gehorsams gegen ihn entband. Nun rächte es sich, daß Wallenstein allzulange mit dem Gedanken des Verrats gespielt, aber keines der vielen Eisen, die er ins Feuer gelegt hatte, geschmiedet hatte. Als die meisten Regimenter von ihm abfielen, hatte er nirgends einen Rückhalt, weder bei den Sachsen noch bei den Schweden. Am 25. Feburar wurde er von Offizieren seines eigenen Heeres ermordet. Diese Tat hat ein ungeheures Aufsehen in der Welt hervorgerufen, denn sie war ein unbestreitbarer Mord, begangen auf Anstiften des kaiserlichen Hofes, ohne Verfahren, das den An-
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geklagten verhört und seine Schuld nachgewiesen hätte. Sie war eine Auswirkung der Theorie von der Mordbefugnis der Obrigkeit, wie sie in Übereinstimmung mit den Lehren Machiavellis in den leidenschaftlich erregten Zeiten der religiösen Kämpfe zumal in den romanischen Ländern vertreten und gelegentlich auch, etwa in dem Attentat auf Coligny, das 1572 die Bartholomäusnacht in Paris einleitete, in der Ermordung Wilhelms I. von Oranien und Heinrich Guises verwirklicht worden ist. Der kaiserliche Hof fand es darum angebracht, in mehreren Flugschriften sein Verhalten zu rechtfertigen und die Schuld Wallensteins möglichst schwarz darzustellen. D a ß dabei Übertreibungen mit unterlaufen sind, ist selbstverständlich; aber es war ebenso übertrieben, wenn im 19. Jahrhundert versucht worden ist, Wallenstein vom Vorwurf des Verrats reinzuwaschen. Für die Kriegführung des Kaisers brachte die Beseitigung Wallensteins einen Aufschwung. Unter der Führung des Königs Ferdinand von Ungarn, des späteren Kaisers Ferdinand III., und des Generals Gallas wurde im Sommer 1634 Regensburg zurückerobert und am 5. und 6. September bei Nördlingen dem schwedischen Heer eine vernichtende Niederlage beigebracht. Damit fiel fast ganz Süddeutschland wieder in die Hand des Kaisers. Noch wichtiger war, daß Kursachsen, das immer nur mit halbem Herzen beim Bündnis mit Schweden gewesen war, nun offen abfiel und am 30. Mai 1635 zu Prag mit dem Kaiser Frieden Schloß. Darin verzichtete der Kaiser auf die weitere Durchführung des Restitutionsedikts und beließ den Augsburger Konfessionsverwandten, wie zur Ausschließung der Calvinisten ganz im Stile des Religionsfriedens von 1555 gesagt wurde, den Besitzstand, wie sie ihn am 12. November 1627 gehabt hatten, auf 4 0 Jahre, die zur Herstellung eines dauernden Ausgleichs benutzt werden sollten. Ferner erhielt Sachsen die im Kampf gegen den Winterkönig eroberten Lausitzen endgültig; Prinz August durfte auf Lebenszeit das Erzstift Magdeburg behalten. Von vornherein wurde in Aussicht genommen, alle Reichsstände in diesen Frieden aufzunehmen, soweit sie nicht, wie z. B. die Pfälzer, als Rebellen galten. W e r sich dem Frieden wider-
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setzte, sollte zur Annahme gezwungen werden. Diese Aufgabe war einer Reichsarmee unter dem Oberbefehl des Kaisers zugedacht. Den Reichsständen wurde das Recht, eigene Truppen aufzustellen, ausdrücklich verweigert, auch ihr Bündnisrecht nicht anerkannt, demgemäß sollten alle bestehenden Bünde, selbst die katholische Liga, aufgelöst werden.
Dieser Prager Friede enthält zwar gewisse Verzichte des Kaisers, neben der endgültigen Abtretung der Lausitzen vor allem die Preisgabe des Restitutionsedikts. Aber als Ganzes betrachtet war er ein großer Erfolg des Kaisers, der dadurch gekrönt wurde, daß es 1636 gelang, die 1630 vereitelte Wahl Ferdinands zum römischen König durchzusetzen; wenige Wochen später folgte er als Ferdinand III. seinem Vater als Kaiser. Fast alle Reichsstände nahmen den Prager Frieden an, so daß der Kaiser noch einmal der alleinige Repräsentant des Reiches wurde; nur die Kurfürsten von Sachsen und Bayern durften unter seinem Oberbefehl selbständig einen Teil der Reichsarmee führen.
16. Die europäische Phase des Krieges Durch den Zusammenschluß fast des ganzen Reiches unter der kaiserlichen Führung geriet Schweden in ernste Bedrängnis. Der Heilbronner Bund löste sich auf, an Bundesgenossen verblieben ihm fast nur noch diejenigen deutschen Fürsten, die der Kaiser von der Amnestie ausgeschlossen hatte; auch der Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel blieb der protestantischschwedischen Sache treu. So ist es zu verstehen, daß zeitweilig bei den Schweden die Neigung aufkam, unter Verzicht auf Landgewinn lediglich gegen eine Geldentschädigung Frieden zu schließen. Aber noch sollte Deutschland der Friede nicht beschieden sein. Je mehr sich die Waage zugunsten des Kaisers zu neigen schien, desto stärker wurde die Gegenwirkung Frankreichs, das schon lange einen verdeckten oder, wie man wohl spottete,
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„metaphysischen"
Krieg
gegen
das
Haus
Habsburg
führte und sich darin immer offener betätigte. Uber die Frage, wie weit dieses Eingreifen durch Eroberungsabsichten hervorgerufen worden ist, ist wiederholt auch in der deutschen Geschichtswissenschaft diskutiert worden, zuletzt unter dem Druck der 1919 aufgeworfenen „Schuldfrage". Daß Frankreich sich durch die Klammern, die das Haus Habsburg um sein Gebiet gelegt hatte, bedroht fühlen konnte, ist ohne weiteres deutlich; der Prager Vertrag von 1617 (oben S. 94) hatte die Stellung zwar nicht des Gesamthauses, wohl aber die des eigentlichen Rivalen Spanien am Oberrhein wesentlich verstärkt, die Besetzung des pfälzischen Frankenthal setzte die Reihe der spanischen Positionen fort. Aber ebensowenig kann ein Zweifel daran sein, daß Richelieu nicht bei der bloßen Defensive stehenbleiben, sondern durch Eroberungen die Bedrohung endgültig beseitigen wollte. Schon 1629 hatte er als sein Programm bezeichnet, Pforten sich zu öffnen, um in die Nachbarstaaten eintreten zu können; sein Blick ging damals schon bis Straßburg. 1635 sprach er bereits von einer Ausdehnung Frankreichs bis zum Rhein und bereitete sie durch die Besetzung Lothringens, Mömpelgards und vor allem der habsburgischen Besitzungen im Elsaß vor. 1634 Schloß er mit den Niederlanden ein Bündnis, um sie in ihrem Kampf gegen Spanien zu unterstützen, Verträge mit italienischen Staaten wie Savoyen, Mantua, Parma sowie die Entsendung des Herzogs Rohan nach Graubünden ergänzten diese antispanische Haltung; auch in Deutschland sicherte sich Richelieu zahlreiche Bundesgenossen. Zuletzt wurde 1638 auch mit Schweden ein förmliches Bündnis geschlossen. Der militärische Verlauf des Krieges während der letzten Jahre, etwa seit der Schlacht von Nördlingen, läßt sich nur schwer in übersichtlicher Weise darstellen, denn große entscheidungsuchende strategische Pläne sind kaum zu erkennen. Die Schuld daran trägt wohl weniger die mangelnde Begabung der Feldherrn, von denen manche wie Bernhard von Weimar (t
1639), Banér
(f
1641),
Torstenson,
Piccolomini,
Condé
und Turenne sich einen guten Namen gemacht haben, als die zunehmende Erschöpfung des deutschen Landes, die eine Z u sammenziehung
größerer
Truppenmassen
für
längere
Zeit
nicht mehr erlaubte. So löst sich der Krieg in einzelne Vorstöße auf, die zu verfolgen kaum lohnt. Als Gesamtergebnis
Die europäische Phase des Krieges
121
zeigt sich allmählich ein Übergewicht der Franzosen und Schweden. Es wurde für den Kaiser besonders fühlbar angesichts des unaufhaltsamen und unverkennbaren Rückgangs der spanischen Macht, der 1640 mit dem Abfall Portugals und dem Aufstand Kataloniens eingeleitet wurde und den Franzosen die Eroberung des spanischen Besitzes nördlich der Pyrenäen ermöglichte. Die Wirkung dieser Ereignisse war auch in Deutschland zu spüren, vor allem in fortschreitendem Abfall der Reichsstände vom Prager Frieden und damit vom Kaiser. Den Anfang machte Brandenburg, das seit der Annahme des Prager Friedens von den Schweden als Feind behandelt wurde und wegen seiner geographischen Lage besonders schwer zu leiden hatte. Kurfürst Georg Wilhelm entzog sich wie 1627 allen Unannehmlichkeiten durch die Übersiedlung nach Preußen. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm, der spätere „Große Kurfürst", trennte sich bald nach seinem Regierungsantritt (1640) von dem bisher leitenden Minister Grafen Schwartzenberg und kehrte zu der beliebten Neutralitätspolitik der deutschen Kleinfürsten zurück, indem er einen Waffenstillstand mit Schweden Schloß; sehr bald sah er sich gezwungen, zum Schutz seiner Neutralität Rüstungen zu verantstalten, ohne daß der Kaiser in der Lage gewesen wäre, ihn darin zu hindern. Als sich 1645 die Macht Schwedens durch einen Sieg über Dänemark erneut verstärkt hatte, so daß mit einem Sieg über Dänemark erneut gerechnet werden konnte, gab auch Kursachsen das Bündnis mit ihm auf. Schließlich trennte sich auch Kurbayern, das 1640 bereits heimlich die Fühlung mit Frankreich aufgenommen hatte, unter dem Eindruck der verheerenden Vorstöße der Franzosen und Schweden 1646 und 1647 vom Kaiser und Schloß einen Waffenstillstand, dem Kurmainz, Kurtrier und Hessen-Darmstadt beitraten. Daß sich Maximilian von Bayern dann doch noch einmal auf die habsburgische Seite schlug, führte 1648 zu den letzten Kriegshandlungen, einem französisch-schwedischen Angriff gegen Süddeutschland, der bis
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Der Dreißigjährige Krieg
zum Inn führte, und einem schwedischen Unternehmen gegen Böhmen, das bis Prag gelangte.
17. Der Westfälische Friede Während sich der Krieg ohne große militärische Ereignisse, aber mit vielen Verwüstungen und namenlosem Elend der betroffenen Länder hinschleppte, waren längst Friedensverhandlungen in Gang gekommen. Der deutsche Reichstag, der 1640 nach langer Pause (seit 1613) wieder in Regensburg zusammengekommen war, hatte sich ernstlich darum bemüht, 1641 gelang es die kriegführenden Mächte dahin zu bringen, daß sie sich bereit erklärten, im folgenden Frühjahr zu Münster und Osnabrück zu Verhandlungen zusammenzutreten, aber erst gegen Ende des Jahres 1644 konnte der Friedenskongreß wirklich eröffnet werden. Wenn die Verhandlungen auch dann noch fast vier Jahre in Anspruch nahmen, so liegt das zum Teil wohl an der übertriebenen Wertschätzung, die jene Zeit allen Fragen der Rangordnung und des Zeremoniells beilegte, auch an der Trennung der Beratungen, indem in Münster die Franzosen und die katholischen Reichsstände und in Osnabrück die Schweden und Protestanten tagten. Aber entscheidend ist doch die Größe der Aufgabe, zwischen den Großmächten und zwischen den Konfessionen die Gegensätze auszugleichen. Daß der Krieg daneben noch weiterging, daß je nach seinen Wechselfällen bald die eine, bald die andere Seite hoffen durfte, doch noch mehr zu erreichen und bereits gemachte Zugeständnisse zurücknehmen zu können, hat natürlich auf die Langsamkeit der Verhandlungen auch eingewirkt. Das erste positive Ergebnis, das am 30. Januar 1648 zu Münster erzielt wurde, betraf gar nicht unmittelbar die deutsche Frage, sondern war ein Sonderfriede zwischen Spanien und der Republik der Vereinigten Niederlande, die als freier
Der Westfälische Friede
123
und souveräner Staat anerkannt wurde und damit auch förmlich aus dem für sie längst bedeutungslos gewordenen Reichsverband ausschied. Sie behielt die von ihr gemachten Eroberungen, darunter die militärisch wichtige Festung Maastricht, und setzte die Aufrechterhaltung der Sperre der Scheidemündung durch, womit Antwerpen weiterhin vom Seeverkehr abgeschnitten blieb. Frankreich Schloß sich diesem Frieden nicht an, sondern führte den Krieg gegen Spanien noch bis 1659 weiter. Der Friede für Deutschland wurde am 24. Oktober 1648 abgeschlossen. Er liegt in zwei Urkunden vor, von denen die in Münster unterzeichnete neben den allgemeinen Bestimmungen für Deutschland die Frankreich allein betreffenden Abmachungen aufführt, während das Osnabrücker Instrument außer der Wiederholung der allgemeinen Bestimmungen die nur für Schweden gültigen Artikel enthält. Der Friede regelt zunächst die Amnestie und die Restitution. Grundsätzlich sollten alle, die am Kriege teilgenommen hatten, amnestiert und wieder in den Besitzstand, den sie 1618 gehabt hatten, eingesetzt werden. Maximilian von Bayern war freilich nicht bereit, auf die Kurwürde zu verzichten und konnte, wenn er die Oberpfalz herausgeben mußte, vom Kaiser den Ersatz der Kriegskosten von 1620, allenfalls den Pfandbesitz von Oberösterreich verlangen. Deshalb mußte Karl Ludwig, der Sohn des Winterkönigs Friedrich V., sich mit der Rückgabe der Unterpfalz und mit einer neuen für ihn eingerichteten Kurwürde begnügen. Als Entschädigung für ihre im Krieg gebrachten Opfer erhielt die Landgrafschaft Hessen-Kassel, die bis zuletzt tapfer auf der schwedischen Seite gekämpft hatte, die Abtei Hersfeld. Ein merkwürdiger Kompromiß wurde für das Bistum Osnabrück geschaffen. Hier sollte abwechselnd ein Katholik und ein Prinz aus dem Weifenhause die Bischofswürde bekleiden. Zur Beilegung der religiösen Streitigkeiten wurde bestimmt, daß der Augsburger Religionsfriede von 1555 weiterhin gültig sein und auf die Reformierten ausgedehnt werden solle. Der
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Der Dreißigjährige Krieg
Besitzstand der Konfessionen wurde nach dem Stande des Jahres 1624, das als Normaljahr gelten sollte, festgelegt. Das betraf nicht nur die Reichsstände, so daß die Protestanten alle 1624 innegehabten geistlichen Besitzungen behielten, sondern kam auch den Untertanen zugute. Der mit der Formel: cuius regio, eius religio bezeichnete Grundsatz, daß der Landesherr jeweils nach seinem Belieben die Konfession seiner Untertanen bestimmen konnte, war damit beseitigt, jeder Ort blieb bei der Konfession, die für ihn im Normaljahr rechtens gewesen war. Für die Zukunft sollte neuer Streit dadurch vermieden werden, daß Beschlüsse in Religionsangelegenheiten nicht mehr durch Stimmenmehrheit gefaßt werden, vielmehr in solchen Fällen die beiden Konfessionen als geschlossene Corpora auftreten und nur friedliche Vereinbarungen zulässig sein sollten; das galt sowohl für die Reichstage wie für die andern Reichsorgane, insbesondere für das Reichskammergericht. Es war gewiß ein Fortschritt, daß der gehässige Kampf, der sich auf den Reichstagen abgespielt hatte, damit verhütet wurde; aber diese „itio in partes", das Auseinandergehen in Parteien, war zugleich die Anerkennung der unheilbaren Spaltung des Reichs. Von diesen Bestimmungen waren die deutschen Teile der habsburgischen Erblande sämtlich ausgenommen; es bedeutete für sie die geistige Abschließung von Deutschland für fast anderthalb Jahrhunderte. Während auf dem konfessionellen Gebiet der Zwiespalt zwischen dem katholischen Frankreich und dem evangelischen Schweden einen vollen Sieg der Gegner des Kaisers verhinderte, standen in den Fragen der weltlichen Verfassung nicht nur die beiden Großmächte, sondern auch alle Reichsstände einmütig gegen ihn. Und so brachte der Friede den vollen Sieg dessen, was die Fürsten die deutsche Libertät nannten und was im Grunde nur die Gewährleistung der Ohnmacht des Reiches war. Die Rechte, die der Kaiser während des Krieges infolge der großen Siege seiner Waffen wieder in Anspruch genommen hatte, wurden ihm entzogen, und er wurde in allen wichtigen
Der Westfälische Friede
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Angelegenheiten der Politik, nicht nur in der Gesetzgebung und der Steuererhebung, sondern auch in der Aufstellung von Truppen und in der Leitung der auswärtigen Politik, im Eingehen von Bündnissen, in Erklärung von Kriegen und im Abschluß von Friedensverträgen an die Zustimmung des Reichstags gebunden. Von seiner kaiserlichen Gewalt war, wenigstens nach dem Wortlaut des Westfälischen Friedens, kaum etwas übriggeblieben. Deshalb war es nicht unberechtigt, wenn die deutsche Staatsrechtslehre seither die wenigen Befugnisse, die von der alten Vollgewalt des Kaisers noch übrig waren, als Reservatrechte bezeichnete. Im Gegensatz dazu wurden den Reichsständen ihre alten Rechte in vollem Umfang bestätigt. Das galt einmal nach unten, in bezug auf ihre Befugnisse gegenüber ihren Untertanen. Noch war es allerdings nicht gelungen, ihnen die volle Souveränität zuzuerkennen, aber die Landeshoheit wurde unumschränkt anerkannt, und das bot den Fürsten Gelegenheit, die absolute Gewalt, die sich in Frankreich durchgesetzt hatte, auch für sich in Anspruch zu nehmen. Auch nach außen erlangten sie volle Freiheit, vor allem das ihnen während des Krieges vom Kaiser bestrittene Recht, untereinander und mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen. Allerdings wurde hier die Klausel hinzugefügt, daß Bündnisse nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet werden dürften; eine wirksame Schranke sollte sie aber nicht werden. Ein besonders schwieriges und für Deutschland schmerzliches Kapitel waren die Entschädigungen, die die beiden fremden Großmächte für ihre Unterstützung des Protestantismus und der antihabsburgischen Opposition für sich beanspruchten. Schweden behielt von dem durch das Aussterben des Herzogshauses seit 1637 erledigten Herzogtum Pommern den wertvolleren Teil, Vorpommern und Stettin mit der Odermündung sowie Rügen. Kurbrandenburg, dessen Erbanspruch auf ganz Pommern unbestreitbar war, mußte sich mit Hinterpommern, dessen hafenarme Küste die Schweden leicht entbehren konn-
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ten, begnügen und als Ersatz für Vorpommern die Bistümer Kammin, Halberstadt und Minden annehmen; ferner bekam es, zunächst als Anwartschaft, das 1635 dem sächsischen Prinzen August zugesprochene Erzstift Magdeburg. Schweden erhielt außerdem die Stadt "Wismar, für die Mecklenburg sich die Bistümer Schwerin und Ratzeburg einverleiben durfte, und westlich der Elbe das Erzstift Bremen und das Bistum Verden. Dazu kam noch eine Geldzahlung von 5 Millionen Talern, die zur Abfindung für die zu entlassenden Soldaten bestimmt war; sie war von den deutschen Reichsständen aufzubringen. Folgenschwer waren die Bestimmungen, die die Entschädigung für Frankreich regelten. D a ß das Reich auf die Bistümer Metz, Toul und Verdun völlig und endgültig verzichten mußte, bestätigte allerdings nur, was schon 1552 geschehen war und jetzt nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Aber die Übertragung der habsburgischen Rechte im Elsaß bedeutete, wenn sie auch die Antwort auf den Prager Vertrag von 1617 (oben S. 94) war, einen ersten schweren Einbruch Frankreichs in unbestreitbar deutsches Gebiet und beschwor durch die bewußt unklare Fassung der Paragraphen unabsehbare Weiterungen herauf. Darüber konnte schon 1648, obwohl Frankreich im Augenblick des Friedensschlusses durch ernste innere Wirren, den letzten Aufstand gegen den Absolutismus des Königs, in seiner Aktionskraft gelähmt war, kein Zweifel bestehen. Denn indem es sich auf dem rechten Rheinufer die Stadt Breisach und in Philippsburg wenigstens ein Besatzungsrecht einräumen ließ, schuf es sich Brückenköpfe, um seine bisherige Politik gegen das Haus Habsburg unter günstigeren Verhältnissen wieder aufnehmen zu können. Außer diesen Verlusten hatte das Reich auch den endgültigen Verzicht auf die Niederlande und die Schweiz auszusprechen.
Unter dem Eindruck all dieser Opfer, die das deutsche Volk nach 3 0 schweren Kriegsjahren auf sich nehmen mußte, ist die deutsche Geschichtsschreibung ziemlich einhellig in dem Urteil, daß der Westfälische Friede den tiefsten Punkt in der deutschen
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Geschichte bedeute. So hat sich ζ. B. der sozialistische Historiker F. Mehring ausgesprochen: „Eine ähnliche Zerstörung hat ein großes Kulturvolk niemals zu erdulden gehabt. Um 200 Jahre wurde Deutschland in seiner Entwicklung zurückgeworfen, 200 Jahre hat es gebraucht, bis es wieder auf die ökonomische Höhe gelangte, die es bei Beginn des 30jährigen Krieges behauptete." Auch nach 1919 bestand dieses Urteil zu Recht. Erst das Schicksal, das 1945 über Deutschland hereingebrochen ist, übertrifft auf allen Gebieten des Lebens das Unglück von 1648. Es sind nicht allein die materiellen Verluste während des langen Krieges, der Rückgang der Bevölkerung, der auch nach vorsichtigen neueren Forschungen auf mindestens ein Drittel berechnet wird, die Vernichtung von Volksvermögen, die die deutsche Lebenskraft belasteten, es sind vor allem die für die Zukunft wirksamen Erschwerungen des Lebens, die den Frieden charakterisieren. Alle deutschen Flußmündungen befanden sich von nun an in fremder Hand oder wenigstens unter fremder Kontrolle; damit war dem Reich für das nun anhebende Zeitalter des Merkantilismus eine erfolgreiche Handelspolitik von vornherein verbaut. Auch politisch war der Wiederaufstieg erschwert und der Einwirkung der fremden Mächte unterworfen, von denen Frankreich als Garant des Friedens und Schweden als Reichsstand (für Pommern usw.) jederzeit in der Lage waren, sich einzumischen. Es wäre freilich ungerecht, wenn wir alle Nachteile des Westfälischen Friedens lediglich der Begehrlichkeit der Großen Mächte beimessen wollten. Im Krieg und in den die Anarchie des deutschen Staatslebens bestätigenden Bestimmungen des Friedens haben sich auch die Sünden unserer Vergangenheit gerächt, die fortschreitende Aushöhlung der Reichsgewalt seit dem Interregnum, die Ubertreibung der Libertät, die niemals wahre Freiheit sondern stets nur die Willkür des Partikularismus gewesen ist. Dieser ist es gewesen, der den Franzosen 1552 den Weg ins Reichsgebiet geöffnet hat. Und die schon lange
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vor 1618 fühlbare Lähmung der deutschen Wirtschaft hat darin eine wesentliche Ursache, daß nicht nur die Fürsten, sondern auch die großen Reichsstädte stets nur an ihre Augenblicksvorteile dachten, aber nie bereit waren, der Zukunft des Ganzen Opfer zu bringen. Bei aller Kritik aber, die wir am Westfälischen Frieden mit Recht üben, soll das Eine nicht vergessen werden: Er hat Deutschand das Ende der Religionskriege gebracht, und wenn er auch ein Tiefpunkt in der deutschen Geschichte ist, so ist er doch zugleich der Wende- und damit der Ausgangspunkt für eine neue Entwicklung, die in harter und mühseliger Arbeit wieder aufwärts führte.
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Namen- und Sachverzeichnis A a c h e n , Reichsstadt 64 Absolutismus 86, 9 8 , 106, 125 Adel 2 5 , 84 (s. auch unter Reichsritterschaft) Albrecht V . , Herzog von Bayern, 5 7 , 60, 87 - Kurfürst von M a i n z 13 - Alcibiades, M a r k g r a f von Brandenburg-Kulmbach 4 2 f . , 46, 5 4 Arnim, Hans Georg, sächsischer General 115 Augsburg, Bistum 59, 90 - Reichsstadt 77 f. (s. auch unter Reichstag und Religionsfrieden Augsburger Konfession 30, 44, 88, 118 August, Kurfürst von Sachsen 43, 53 f . , 63, 80 Bauernkrieg 19 ff., 4 6 Bauernstand 8, 19 ff., 23, 84, 86 Bayern, Herzogtum, seit 1623 Kurfürstentum 33, 36, 60 f., 83, 87, 89 f . , 97 f . , 113, 121 Bergbau 8 f., 75 Bernhard, Herzog von Weimar 114 f . , 120 Berthold von Henneberg, Kurfürst von M a i n z 49 Bethlen G a b o r 97, 102, 103, 104 B ö h m e n 31, 88, 93. 9 6 f f . , 111, 116 Brandenburg, Kurfürstentum 33, 93, 102, 105, 109, 114, 126 Breisach, Stadt 126 Breitenfeld (bei Leipzig), Schlacht 111 Bremen, Erzbistum 33, 53, 100, 104, 126 Bürgertum 8, 25, 77
Bund, Schmalkaldischer 3 3 f f . , 3 5 f f . , 90 - Schwäbischer 19 Calvinismus 28, 44, 49 f . , 62 f . , 118 Christian von Braunschweig, Administrator von Halberstadt 99 Christian II., König von D ä n e m a r k 69 - I V . , König von Dänem a r k , 100, 102 ff., 108 Christine, Königin von Schweden 111, 114 Christoph, Herzog von Württemberg 52, 5 4 Cleve, Herzogtum (s. auch unter Jülich) 34 D ä n e m a r k , Königreich 69 f . , 103, 108 Declaratio Ferdinandea 62 f . , 103 D o n a u w ö r t h 89 Elisabeth, Königin von England 73, 87 Elsaß 94, 120, 126 England, Königreich 2 4 f . , 29, 73 , 92, 96, 9 7 f . , Ferdinand I . , Kaiser 23, 3 0 f., 36, 39, 41, 43, 45 f . , 50, 5 8 , 61, 68 - II., Kaiser 9 4 f . , 9 6 f . , 103, 105, 113 - III., Kaiser 106, 113, 118 f. Frankenthal, O r t in der Rheinpfalz 120 Frankreich, 2 4 f . , 40, 49, 59, 90, 94, 101, 1 0 5 f f . , 110, 120, 123 Franz I . , König von Frankreich 16, 18, 20, 33 f . , 57, 95, 118 Friedensschluß zu Cambrai 1529 29 - Chierasco 1631 107
- Crépv 1544 35 - Lübeck 1629 9 5 , 103, 108 - Madrid 1526 29 - Prag 1635 95, 118, 121 - M ü n s t e r u. Osnabrück 123 ff. Friedrich III., Kaiser 11 - III., Kurfürst von der Pfalz 52, 54, 61, 63 - V . , Kurfürst von der Pfalz (der Winterkönig) 9 6 ff., 118, 123 - der Weise, Kurfürst von Sachsen 15 - Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg U l f . , 121 Früh-Kapitalismus 7 f f . , 21, 71, 75, 83 Fugger, Geschlecht 8, 71, 76 - J a k o b 10, 76 Fulda, Abtei 61 Gallas, M a t t h i a s , Kaiserlicher General 116 f. Gegenreformation 5 0 , 55, 57, 61, 62, 65, 88, 95, 109 Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 104, 109 f. Grumbach, Wilhelm von, fränkischer Ritter 55 f. Gustav Adolf, König von Schweden 106 ff. Habsburg, Geschlecht 10, 15, 31, 33, 39, 5 0 f . , 68, 93, 95, 97, 104, 120, 124 Halberstadt, Bistum 13, 5 3 , 99 f . , 104, 125 Hamburg, freie u. Hansestadt 75 f. H a n d w e r k 9, 77, 83 Hanse 69 ff., 72, 79 Heilbronner Bund 114, 119
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Namen- und Sachverzeichnis
Heinrich I I . , König von Frankreich 40, 9 5 - I V . , König von Frankreich 92, 107 Hessen, Landgrafschaft 63, 90, 119, 123 Humanismus 7 , 12 Hus, J o h a n n e s 17, 20 Hutten, Ulrich von 1 J , 19 Interim 39, 41 Jesuiten 5 8 , 62 J o a c h i m I I . , Kurfürst von Brandenburg 5 4 , 84 J o a c h i m Friedrich, Kurfürst von Brandenburg 5 4 J o h a n n , M a r k g r a f von Brandenburg-Küstrin 80 - der Beständige, Kurfürst von Sachsen 31 - Albrecht, Herzog von Mecklenburg 87 - Friedrich der G r o ß mütige, Kurfürst von Sachsen 37, 4 1 der Mittlere, Sohn des vorigen, Herzog von Sachsen 55 f. - Georg, Kurfürst von Brandenburg 65 f. - Kasimir Pfalzgraf 64, 87 - Sigismund, Kurfürst von Brandenburg 9 2 J o s e p h , Kapuzinerpater, R a t g e b e r Richelieus 105 f. Jülich, Herzogtum 34 Jülich-Clevischer Erbfolgcstreit 9 1 f. Karl V . , Kaiser 7, 10, 15ff., 29ff., 3 5 f f . , 3 9 f . , 44, 47, 5 1 f . , 5 7 , 64, 70, 78, 95, 97, 104, 106 Khlesl, Melchior, österreichischer Staatsmann, Kardinal 93, 9 6 Kirchengut 31, 9 0 , 103 Köln, Kurfürstentum 34, 45, 65 Kölner Krieg 64 f . , 9 1 Konzil, allgemein 12, 17, 25, 31, 35, 38, 59
- zu Konstanz 17 - zu T r i e n t 36, 38, 59 Kreisverfassung 46, 79 Krieg, 30jähriger 50, 67, 95 ff. Kurfürsten, allgemein 16, 32, 45, 99, 105 Landeskirchen 26, 35, 38, 44, 49, 60 Landfriede 11, 43, 4 6 Lausitz 98, 118 Libertät 16, 40, 5 0 , 127 Liga von 1609 90, 97, 100, 105, 119 Livland 70, 108 Lothringen 121 L o y o l a , Ignatius von 5 6 Ludwig X I I I . , König von Frankreich 9 2 Lübeck, freie u. Hansestadt 69, 75 s. auch unter Friede Lützen (bei Leipzig) Schlacht 113 Luther, Martin 7 , 13 ff., 17, 20, 22, 24, 26, 3 1 , 3 4 f f . , 4 7 f . , 54, 59 f. Luthertum 49, 51, 63 Magdeburg, Erzbistum 13, 53, 64, 110, 118, 126 - Stadt 31, 39, 109 M a i n z , Kurfürstentum 13, 46 Majestätsbrief, böhmischer 88, 94 f. Matthias, Kaiser 93 f., 96 M a x i m i l i a n I . , Kaiser 7, 15, 46 ff. Maximilian I L , Kaiser 39, 51 f . , 61 f., 68, 88, 93 M a x i m i l i a n I . , Kurfürst von Bayern 88, 89, 96, 100, 105 ff., 121 Mecklenburg, Herzogtum 102, 110, 126 Melanchton, Philipp 34, 63 Metz, Bistum u. Stadt 41 f., 126
M o r i t z , Herzog, später Kurfürst von Sachsen 3 6 f . , 4 0 ff., 60 Mühlberg, S c h l a d « 37, 103 Münster, Stadt 28, 122 Müntzer, T h o m a s 22 f. Münzwesen 79 Niederlande 25, 28, 34, 50, 65, 70, 92, 103, 123, 126 Nördlingen 118, 120 N o w g o r o d 69, 72 Nürnberg 42, 7 5 f f . , 113 Österreich 87, 93, 124 (s. auch unter Habsburg) Osnabrück 122 f. Ostfriesland 74 Ostsee 68 ff., 72, 1 0 3 f . , 109 O x e n s t j e r n a , Α . , Schwedisdier Reichskanzler 107, 114 f. Papsttum, allgemein: 12, 29, 38, 5 7 , 97 Einzelne Päpste: Alexander V I . 12 Clemens VII. 30, 36 f. Gregor X I I I . 6 6 Julius II. 12 Paul III. 35, 57 Paul I V . 57 Passau, Vertrag von 41 ff. Pavia, Schlacht 29, 37 Pfalz, Kurfürstentum 91, 9 6 , 99 f. Philipp, Landgraf von Hessen 31 f . , 34, 3 7 , 41, 85 Philipp I I . , König von Spanien 39, 5 1 f., 87, 98 - III., König von Spanien 93 Philippsburg, Festung am Oberrhein 126 Piccolomini, Octavio, Kaiserl. General 116, 120 Polen, Königreich 70,
108 f.
Namen- und Sachverzeichnis Pommern, Herzogtum 109 f., I l l , 125 Prag, Fenstersturz 95 (. - Vertrag von 1617 94, 126 s. auch unter Friede Preußen, Herzogtum 70, 105, 108 Preisentwicklung 21, 77, 83 Priesterehc 38, 58, 60 Protestanten 30, 33, 35, 43 , 53, 62, 64, 88, 110 Regensburg, Reichsstadt 115, 118 - Kurfürstentag 1630: 105 s. auch Reichstag Reichshofrat 66 Reichskammergericht 11, 3 2 f . , 37, 66, 124 Reichsreform 11, 12, 16, 48, 78 Reichsregiment 11, 16, 23 Reichsrittcrschaft 15, 19, 54 Reichsstädte 44, 75, 78 Reichsstände 18, 26, 43, 64 Reichstag, aligemein 10, 37, 53, 79, 122 - zu Augsburg 1530 30, 33 1547/48 37 1555 43 f. 1582 64 - - Nürnberg 1524 18 - - Regensburg 1576 62, 69 1608 90 1640 122 - - Speyer 1526 23, 25, 30 1529 29 - - Worms 1495 11, 16 1521 16
Reichsverfassung 10, 37, 49, 124 Religionsfriede, allgemein 33, 42 - zu Augsburg 1555 47, 49 f., 61, 91, 103, 118, 124 Religionsgespräche 34 f. - zu Marburg 1529 31 - - Worms 1557 54 Renaissance 7, 12, 57 Restitutionsedikt 95, 103 ff., 109 f., 119 Richelieu 107, 120 Rom, Erstürmung 1527 29, 60 Rudolf II., Kaiser 52, 62 f., 66, 90, 93 Rußland 69 ff. Sachsen (Land) 33, 61, 83, 90, 98, 105, 110, 113, 117, 121 Schlesien, Herzogtum 98, 115 Schweden, Königreich 7 0 f . , 95, 103 f., 108, 112, 119, 124 Sickingen, Franz von 19, 46 Spanien 13, 29, 56, 59, 90 ff., 97, 103, 107, 123 Stralsund 103, 108 Straßburg, Bistum und Stadt 63 , 65, 120 Territorialstaat 26, 75, 80 ff. Tetzel, Dominikanermönch 13 Tilly, Jos., bayerischer Feldherr 98 ff., 101 f., 109 ff.
133
Toleranz 44, 47 Türkei 30, 33 f., 51, 68 ff. Türkenhilfe 62, 64, 66, 68, 90 Ungarn, Königreich 3 0 f . , 68, 88, 93 Union, protestantische von 1608 90, 92, 97, 99 Verden, Bistum 53, 100, 126 Verdun, Bistum 41 Vorbehalt, geistlicher 45, 53 f., 65, 103 Wallenstein 100 f., 105, 106, 110, 112 ff. Wasa, schwedisches Königsgeschlecht 6 9 , 1 0 8 Weißer Berg bei Prag, Schlacht 98, 111 Weifen, Fürstengeschlecht 74 Welser, Familie 8, 71, 76 Wiedertäufer 28 Wien 30, 34 Wirtschaftsleben 8, 70ff., 82 f. Wittenberg 17, 37, 63 Wormser Edikt 17 f., 25, 31 f. Württemberg, Herzogtum 27, 33 Würzburg, Bistum 42, 54, 111 Wullenweber, Bürgermeister von Lübeck 69 Zwingli 31, 54
Weitere Bände aus der Sammlung Göschen Geschichte Einführung in die Geschichtswissenschaft v o n P. Kirn. erg. Aufl. von J. Leuschner. 134 S. 1968. (270)
5., bearb. u.
Einführung in die Zeitgeschichte von B. Scheurig. 103 S. 1970. (1204) Zeitrechnung der römischen Kaiserzeit, des Mittelalters und der Neuzeit für die Jahre 1—2000 n. Chr. v o n H. Lietzmann f3. Aufl., durchges. von K. Aland. 130 S. 1956. (1085) Kultur der Urzeit v o n F. Behn. 3 Bde. 4. Aufl. der Kultur der Urzeit Bd. 1—3 von M. Hoernes. I : Die vormetallischen Kulturen. (Die Steinzeiten Europas. Gleichartige K u l t u r e n in anderen Erdteilen.) 172 S., 48 Abb. 1950. (564) I I : Die älteren Metallkulturen. (Der Beginn der Metallbenutzung, K u p f e r - und Bronzezeit in Europa, im Orient und in Amerika.) 160 S., 67 Abb. 1950. (565) I I I : Die jüngeren Metallkulturen. (Das Eisen als Kulturmetall, Hallstatt-Latène-Kultur in Europa. Das erste Auftreten des Eisens in den anderen Weltteilen.) 149 S., 60 Abb. 1950. (566) Vorgeschichte Europas v o n F. Behn. Neuaufl. In Vorb. (42) Der Eintritt der Germanen in die Geschichte von ]. Haller f . 4. Aufl., durchges. von H. Dannenbauer. 132 S., 6 Kartensk. (1117) Von den Karolingern zu den Staufern. Die altdeutsche Kaiserzeit (900—1250) von J. Haller f . 5., durchges. Aufl. von H. Dannenbauer. 154 S., 4 Ktn. (1065) Von den Staufern zu den Habsburgern. Auflösung des Reichs und E m p o r k o m m e n der Landesstaaten (1250—1519) v o n ]. Haller f 3. Aufl. von H. Dannenbauer. 129 S., 6 Kartensk. 1970. (1077) Deutsdie Geschichte im Zeitalter der Reformation, der Gegenreformation und des dreißigjährigen Krieges von F. Härtung, 3. Aufl. 133 S. 1971. (3105) Deutsche Geschichte von 1648—1740. Politischer u n d geistiger Wied e r a u f b a u v o n W. Treue. 120 S. 1956. (35) Deutsdie Geschichte von 1713—1806. Von der Schaffung des europäischen Gleichgewichts bis zu N a p o l e o n s Herrschaft von W. Treue. 168 S. 1957. (39) Deutsdie Geschichte von 1806—1890. V o m E n d e des alten bis zur H ö h e des neuen Reiches v o n W. Treue. 128 S. 1961. (893)
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Quellenkunde der Deutschen Geschichte im Mittelalter (bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts) von K. Jacob f . 3 Bde. I: Einleitung. Allgemeiner Teil. Die Zeit der Karolinger. 6. Aufl., bearb. von H. Hohenleutner. 127 S. 1959. (279) II: Die Kaiserzeit (911—1250). 6. Aufl. von H. Hohenleutner. 141 S. 1968. (280) III: Das Spätmittelalter (vom Interregnum bis 1500). Hrsg. von F. Weden. 2. Aufl. In Vorb. (284) Geschichte Englands von H. Preller. 2 Bde. I: bis 1815. 4., erw. Aufl. 128 S., 7 Stammtaf., 1 Kte. 1967. (375) II: Von 1815—1910. 2., voll, umgearb. Aufl. 118 S., 1 Stammtaf., 7 Ktn. 1954. (1088) Römische Geschichte von F. Altheim. 4 Bde. 2., verb. Aufl. I: Bis zur Schlacht bei Pydna (168 v. Chr.). 124 S. 1956. (19) II: Bis zur Schlacht bei Actium (31 v. Chr.). 129 S. 1956. (677) III: Bis zur Schlacht an der Milvischen Brücke (312 n. Chr.). 148 S. 1958. (679) Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika von O. Graf zu Stolberg-Wernigerode. 192 S., 10 Ktn. 1956. (1051/1051 a) Soziologie Sozialpsychologie von P. R. Hofstätter. 3. Aufl. 191 S., 18 Abb. 1967. (104/104 a) Soziologie. Geschichte und Hauptprobleme von L. von Wiese. 9. Aufl. Ca. 150 S. 1971. (3101) Ideengeschichte der sozialen Bewegung des 19. und 20. Jh. von W. Hofmann. 3., neubearb. u. erg. Aufl. unt. Mitw. von W. Abendroth. 297 S. 1970. (1205/1205 a) Methoden der empirischen Sozialforschung von P. Atteslander. Unt. Mitarb. von K. Baumgartner, F. Haag, J. Ötterli, R. Steiner. 313 S. 1969. (1229/1229 a) Religionssoziologie von G. Kehrer. 158 S. 1968. (1228) Wirtschaftssoziologie von F. Fürstenberg. 2., neubearb. u. erg. Aufl. 141 S. 1970. (1193) Industrie- und Betriebssoziologie von W. Burisch. 6., neubearb. u. erw. Aufl. der bisher. Darstellung von R. Dahrendorf. Ca. 180 S. 1971. (3103) Einführung in die Sozialethik von H.-D. Wendland. Ca. 130 S. 1971. (3203)
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Philosophie Einführung in die Philosophie von H. Leisegang j\ 7. Aufl. 146 S. 1969. (281) Hauptprobleme der Philosophie von G. Simmel Aufl. 177 S. 1964. (500)
f - 8., unveränd.
Geschichte der Philosophie. Die griechische Philosophie von W. Capelle, I: Von Thaies bis zum Tode Piatons. 3., stark erw. Aufl. Etwa 280 S. In Vorb. (857/857 a) I I : Vom Tode Piatons bis zum Eklektizismus im 1. Jh. v. Chr. 3., stark erw. Aufl. Etwa 270 S. In Vorb. (858/858 a) Die Philosophie des Mittelalters von ]. Koch. In Vorb. (826) Von der Renaissance bis Kant von K. Schilling. 234 S. 1954. (394/394 a) Immanuel Kant von F. Kaulbach. 345 S. 1969. (536) Die Philosophie des 19. Jahrhunderts von G. Lehmann. 151 S. 1953. (571)
1. Tl.
Die Philosophie des 19. Jahrhunderts von G. Lehmann. 2. Tl. 168 S. 1953. (709) Die Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts 1. Tl. von G. Lehmann. 128 S. 1957. (845) Die Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts 2. Tl. von G. Lehmann. 114 S. 1960. (850) Die geistige Situation der Zeit (1931) von K. Jaspers. 7. Abdr. der im Sommer 1932 bearb. 5. Aufl. 194 S. 1971. (3000) Formale Logik Philosophisches von P. Ludz. Philosophische schichte und Aufl. 222 S.
von P. Lorenzen. 4. Aufl. 184 S. 1969. (1176/1176a) Wörterbudi von M. Apel 5., voll, neu bearb. Aufl. 315 S. 1958. (1031/1031 a) Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in GeGegenwart von M. Landmann. 3., Überarb. u. erw. 1969. (156/156 a)
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