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German Pages 361 [364] Year 1997
STUDIEN ZUR DEUTSCHEN LITERATUR
Band
Herausgegeben von Wilfried Barner, Richard Brinkmann und Conrad Wiedemann
Wolfgang Struck
Konfigurationen der Vergangenheit Deutsche Geschichtsdramen im Zeitalter der Restauration
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1997
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
D 21 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Struck, Wolfgang: Konfigurationen der Vergangenheit: Deutsche Geschichtsdramen im Zeitalter der Restauration / Wolfgang Struck. - Tübingen : Niemeyer, 1997 (Studien zur deutschen Literatur ; Bd. 143) NE: GT ISBN 3-484-18143-5
ISSN 0081-7236
© Max Niemeyer Verlag G m b H & Co. KG, Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen Buchbinder: Heinr. Koch, Tübingen
Inhalt
Einleitung Geschichte als kulturpolitisches Programm: Karl Immermanns zeitkritische Modelle Vorspiele in Halle und Ronceval
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Karl Immermann: Das Tal von Ronceval
Der Dämon des Verstandes und der Aufklärung: >Alexis
Napoleon oder die hundert Tage
Toten nicht ihre Toten begrabenGedächtnis< als Reservoir sozialen Wissens mit einer doppelten Dynamik konfrontiert: durch eine historiographische Forschung, die nicht nur mit lawinenartig anwachsenden Wissensbeständen die Kapazität des Gedächtnis-Speichers zu sprengen droht, sondern auch das einmal gewonnene Wissen in ständig verfeinerten Prüfverfahren immer wieder >verflüssigtnatürlicher< Erfahrung verwechselt werden: als inszenierte Gegenwart wird sie Teil einer »wahren Kunstwelt«. 6 Ihre Dynamik ist vermittelt mit einem System poetischer Symbole und präsentiert sich daher nicht als reine, >rastloseZeit-Raum< der dramatischen Kunstwelt wird die Bewegung selbst - in Schillers Terminologie - symbolisch; damit aber wird sie auch potentiell Teil des synchronen Systems kultureller Symbole, in denen Gesellschaften ihre gemeinsamen Überzeugungen formulieren und Erfahrungen modellieren.7 Der Status einzelner Elemente in diesem System bestimmt sich wesentlich in ihrer Anschlußfähigkeit an andere, als besonders relevant ausgezeichnete - was der Raumersche Traum ebenso bestätigt wie die Marxsche Ideologiekritik. Damit ist der Gegenstand dieser Arbeit in groben Zügen umschrieben. Intendiert ist keine Gattungsgeschichte und auch keine Theorie oder Poetik des Geschichtsdramas, sondern die Annäherung an kulturwissenschaftliche Fragestellungen, die sich auf das historisch zu spezifizierende Ensemble symbolischer Ausdrucksformen in seiner gesellschafts- und bewußtseinsformierenden Funktion richten. Die angedeuteten poetologischen Überlegungen werden dabei nur anhand der Diskussionen weiterverfolgt, die im frühen 19. Jahrhundert selbst geführt wurden, und in denen sich ein Spektrum des Geschichtsbegriffs
ebenen im modernen deutschen Geschichtsdrama, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, N F 28, 1 9 8 7 , 2 1 1 - 2 2 6 . 6 Der Briefwechsel..., 529. 7 Eines der besten Beispiele dafür bietet das >Wallenstein-ParadigmaMaterial< rekonstruieren möchte: einen Begriff von Geschichte. 10 Als ein Medium der 8
Das zu entwickeln ist vor allem die Aufgabe von zwei Exkursen, die in historiographiegeschichtlicher und in gattungspoetologischer Perspektive den verschiedenen Versuchen gewidmet sind, Geschichte als bestimmtes Zusammenspiel von >Vergessen und Erinnern< zu konzeptualisieren. Festgehalten wird dabei an dem historischen Rahmen der Untersuchung, und auch innerhalb dieses Rahmens werden nicht die jeweils avanciertesten Paradigmen - beispielsweise Hegel oder Droysen - in den Vordergrund gerückt. Das hat eine gewisse theoretische Unterbestimmtheit des Geschichtsbegriffs zur Folge, die aber notwendig erscheint, um die konkurrierenden Konzeptualisierungen nicht zu überdecken, und die vor allem auch in gegenwärtigen geschichtstheoretischen und insbesondere historiographiegeschichtlichen Debatten ihre Bestätigung findet. Vgl. etwa Pietro Rossi (Hg.), Theorie der modernen Geschichtsschreibung, Frankfurt/M. 1989 und Hartmut Eggert/Ulrich Profitlich/Klaus R. Scherpe (Hg.), Geschichte als Literatur, Stuttgart 1990. 9 Herbert Lindenberger, Historical Drama. The Relation of Literature and Reality, Chicago and London 1975, 5. Ich verdanke Lindenbergers grundlegenden Arbeiten wichtige Anregungen. 10 Ein Problem vieler gattungstheoretischer oder -historischer Bestimmungsversuche von >Geschichtsdrama< scheint mir genau darin zu bestehen, daß sie normativ voraussetzen, was sie dann als vermeintliches Ergebnis einer historischen Analyse präsentieren. Das gilt beispielsweise für Elfriede Neubuhrs kategoriale Unterscheidung von »historischem Drama« und »Geschichtsdrama« im eigentlichen Sinn, die, so prägnant sie sich präsentiert, mit weitgehend ungeklärten Parametern arbeitet: während das >Stoffgehaltsorientierte< Definition zur Zirkularität, da sie eine »Geschichtsdeutung« als »Zweck« voraussetzt, die sie doch in der Analyse erst aufzeigen müßte (Elfriede Neubuhr (Hg.), Geschichtsdrama, Darmstadt 1980, Einleitung). Ähnliches gilt für Ulrike Paul, die gegen das »bloße Stoffkriterium für eine Bestimmung des historischen Momentes in der Dichtung« (13) eine »Strukturformel« von Geschichte ausspielt, die sie letztlich aus Schillers >Wallenstein< selbst gewinnt - was zu dem Paradox einer Gattung führt, die sich in einem einzigen Paradigma realisiert, um dann in das Stadium ihrer Dauerkrise einzutreten (Ulrike Paul, Vom Geschichtsdrama zur politischen Diskussion. Uber die Desintegration von Individuum und Geschichte bei Georg Büchner und Peter Weiss, München 1974). - Um die Dimensionen des objektsprachlichen Begriffs von Geschichte nicht zu sehr einzuengen, scheint mir ein vorsichtiger Umgang mit dem Begriff auf der Ebene der Metasprache angebracht, auch wenn damit ein klares Kriteri4
sich nach 1800 etablierenden >Geschichtskulturmodernen LeitbegriffErfahrung in Sinn zu verwandelnGeschichteDas historische DramaGötz< bis Heiner Müllers >GermaniaAlexis< den aufklärerischen Bruch mit Tradition und Brauchtum als Sinn- und Identitätsverlust entwickelt, sucht das >Andreas-HoferEinschreibensKatastrophe< des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation als Störung im Gedächtnis erscheint und der Befreiungskrieg als kompensatorische Erinnerungsarbeit, die auch gegen ein weniger signifikantes, aber um so nachhaltigeres >Vergessen< aufgeboten wird, das sich in den umfassenden sozialen und ökonomischen Umstrukturierungen ereignet. Historische Vereine und studentische Verbindungen, engagierte Lehrer, enthusiastische Dilettanten und professionelle Forscher sind darin ebenso involviert wie Staatskundler, Juristen und Bildungspolitiker, und ihre Medien sind wissenschaftliche und populäre Bücher und Zeitschriften, Kalender, Schulbücher, Denkmäler, Museen, Feste und Umzüge, bildende Kunst und Literatur, Theater und Dramen. Tradition und Traditionsbruch, Vergessen und Erinnern sind auf verschiedenen Ebenen miteinander verbunden. Politische und symbolische Momente in der Konfiguration nationaler Identität verfolge ich an der Figur des germanischen Kriegers Arminius, dem die historische Überlieferung nicht einmal seinen Namen gelassen hat, und den erst eine gezielte nationale Erinnerungsauch Heinz-Dieter Weber, Heiner Müllers Geschichtsdrama. Die Beendigung einer literarischen Gattung, in: Der Deutschunterricht,!991, H.4, 4 3 - 5 6 .
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arbeit wieder unter seinem >teutschen< Namen ins - nationale - Gedächtnis zurückruft. Dort verschmilzt er mit anderen Kriegern, etwa dem »Befreiungskämpfen Theodor Körner, zu einem ideologisch brisanten Modell. Das Schicksal Körners als Autor und Held historischer Dramen läßt erkennen, wie der Krieg neue Formen der Individualität, geprägt durch spontane Emphase und augenblicksorientierte Leidenschaftlichkeit, zugleich entbindet und diszipliniert. Die >Schlacht< wird so zum nationalen Mythos und zum Modell einer Gesellschaft, die soziale Bindungen in größerem Maße auflöst als sie Möglichkeiten individueller Entfaltung anbieten kann oder will, sei es in der Offenheit von Lebensplänen oder in politischer Partizipation. Der Zusammenhang von politischer Katastrophe und Suche nach kultureller Identität findet so sein Korrelat in der Problematik emanzipatorischer Auflösung von Identitäten, die im letzten Kapitel in den Blick kommen soll. Beide Geschichten, die Hermanns und die der Befreiungskriege, finden ihre Fortsetzung im Werk Christian Dietrich Grabbes, das darüberhinaus in relativ wenigen Texten ein breites thematisches und formales Spektrum umfaßt und sich daher anbietet als strukturierendes Prinzip für eine erweiterte Konfiguration der Vergangenheit, die nicht mehr allein an Identitätsbildung interessiert ist. Die neuen Figuren, die dabei ins Spiel kommen, suchen beispielsweise nach den Spuren, die von einem Fortschritt der Weltgeschichte, von zunehmender Zivilisiertheit und Emanzipation zeugen oder von deren Gefahren und Gefährdungen. Auf der Bühne einer ambivalenten Modernisierung inszenieren sie das Drama von Individualität und sozialer Dynamik zwischen >alter< und >neuer< Welt. Sie inszenieren es in ausgeprägten Genre-Strukturen, die aber gerade in den Werken Grabbes immer wieder transparent werden für die Aporien einer »Emanzipation durch Bildung«: die Möglichkeit sozialen Aufstiegs, die durch >Bildungspatente< prinzipiell eröffnet wird, kollidiert nicht nur mit nach wie vor bestehenden institutionellen Schranken, sondern auch mit den vermittelten Bildungsinhalten, in denen soziale Dynamik häufig nur destruktiv formulierbar wird. Eine sich hier abzeichnende Sozialgeschichte des Bildungsbürgertum bildet eine mögliche >Anschlußstelle< meiner Arbeit, ihr Gegenstand ist sie jedoch nicht. Es sind vielmehr die semantischen Strukturen im Rahmen kultureller Vermittlungen, die in ihrer relativen Autonomie nachgezeichnet werden sollen. Die Metaphorik vom sozialen Gedächtnis, von Erinnern und Vergessen als Generatoren kollektiven Sinns macht Anleihen bei einer Theorie der Intertextualität, die literarische Vermittlung im engeren Sinn - die Situiertheit eines Textes innerhalb einer diachronen Reihe und eines synchronen Systems anderer Texte - beschreibbar macht, die aber auch als »Kultursemiotik« den an literarischen Werken explizierten Status »sekundär modellbildender Systeme« auf kulturelle Systeme in ihrer Totalität überträgt 21 oder die die »Poetics of Culture« aus 21
Vgl. J. M. Lotman/B. A . Uspenskij, Zum semiotischen Mechanismus der Kultur, in:
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einem Textuniversum zu rekonstruieren sucht, in dem sie die Zirkulation »sozialer und ästhetischer Energien« beobachtet.22 Grundlegend ist dabei die Vorstellung von einer gewissen Systematizität und zugleich Arbitrarität in den Prozessen der Selektion und Kombination, die aus einem heterogenen Kontinuum von >Daten< sozialen >Sinn< entstehen läßt. Die für den >New Historicism< programmatische Formel von der Geschichtlichkeit der Texte und der Textualität der Geschichteeinschreibt< und damit objektive Bedingungen soziale oder ökonomische Strukturen ebenso wie ein >Erkenntnisfortschritt< oder subjektive Gründe - etwa eine >Aussageintention< - >überschreibtGeschichte< in der semantischen Bewegung von Texten und zwischen Texten nachzeichnet.
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Semiotica Sovietica, hg.v. K. Eimermacher, Aachen 1986, Bd. 2, S. 853-880. Renate Lachmann, Gedächtnis und Literatur, Frankfurt/M. 1990: Intertextualität bildet das Paradigma für das »Immer-Wieder-Sich-Neu- und Umschreiben einer Kultur« (36). Stephen Greenblatt, Towards a Poetics of Culture, in: Harold Veeser (Hg.), The N e w Historicism, N e w York (N.Y.) 1989. Ders., Shakespearean Negotiations, Berkeley and Los Angeles 1988. Vgl. auch Wolfgang Struck, Soziale Funktion und kultureller Status literarischer Texte oder: Autonomie als Heteronomie, in: Miltos Pechlivanos u.a. (Hg.), Einführung in die Literaturwissenschaft, Stuttgart/Weimar 1995. Louis A. Montrose (Professing the Renaissance: The Poetics and Politics of Culture, in: Veeser, The N e w Historicism) hat das Interesse einer derartigen Kulturpoetik beschrieben »as a reciprocal concern with the historicity of texts and the textuality of history« (20). Vgl. Jurij Lotman, Die Struktur literarischer Texte, München 2 i986. In einem Verhältnis der Arbeitsteilung, nicht in einem der Konkurrenz steht also die so kulturwissenschaftlich orientierte Literaturwissenschaft zu anderen Gesellschaftswissenschaften, etwa der Sozialgeschichte. Einen theoretischen Rahmen für eine solche Arbeitsteilung hat Jürgen Habermas entworfen, der die relative Autonomie der Kultur betont - und als eigenes Forschungsgebiet konzeptualisiert - und zugleich vor den >Fiktionen< einer >kulturalistischen Verkürzung< der Gesellschaftstheorie warnt. Vgl. beispielsweise: Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, Frankfurt/M. '1985, 223ff. Zur Problematik der Vermittlung von Literatur- und Sozialgeschichte vgl. grundsätzlich: Michael Voges, Aufklärung und Geheimnis, Tübingen 1987. Vgl. auch Shankar Raman/Wolfgang Struck, Ideologie und ihre Kritiker, in: Pechlivanos.
Wenn sich dabei wechselseitig die »Referenzillusion« historiographischer Texte als Ergebnis spezifischer literarischer bzw. semiotischer Techniken darstellt 26 oder der Autonomieanspruch ästhetischer Literatur durch die Effekte sozialen Wissens unterlaufen wird, dann gerät die diskursive Normierung gesellschaftlicher Kommunikation in den Blick. E s geht dabei natürlich nicht darum, die Grenzen zwischen >Textsorten< aufzulösen und alle symbolischen Äußerungen undifferenziert im >Hypertext< der Kultur zirkulieren zu lassen. N e b e n der normierenden, ideologischen Funktion literarischer - und außerliterarischer Texte soll eine virtuell ideologiekritische Dimension hervorgehoben werden, für die in erster Linie in der je spezifischen Rationalität der Texte und Textsorten Anhaltspunkte zu finden sind. 27 Methodologischer Bezugspunkt dafür bleibt eine kritische Hermeneutik, die der möglichen Komplexität des literarischen Diskurses Rechnung trägt, das heißt auch, dem spezifischen Status literarischer Texte, die in einem Raum der Virtualität und betonten Konstruktivität einerseits Modelle für das kulturelle Gedächtnis zur Verfügung stellen - und diese mit bestimmten Materialien auffüllen
andererseits die strukturellen
Konsequenzen einer umfassenden Historisierung der Kultur sichtbar werden 16 27
Roland Barthes, Historie und ihr Diskurs, in: Alternative 62/63, 1968. Wenn ich das vor allem an literarischen Werken entwickle, heißt das nicht, daß ich etwa historiographischen Texten eine solche Dimension nicht zutrauen würde, sondern es dokumentiert lediglich, daß es sich hier um eine literaturwissenschaftliche Arbeit handelt. - Auch literarische Texte werden dabei unterschiedlichen Modi der Lektüre unterworfen, die unterschiedliche Aspekte hervorheben, ohne damit abschließende Urteile über die ästhetische Qualität der jeweiligen Werke zu intendieren. Die eher >polemische< Lektüre beispielsweise, die die Texte Kleists in den Kontext nationaler Ideologie rückt, will eine mögliche, nicht aber die einzige Lesart präsentieren. Sie schließt nicht aus, daß die Funktion solcher Texte eher darin bestehen könnte, scheinbar einfache Positionen zu verkomplizieren. Sie schließt ebensowenig aus, daß die Fragen, die ein Text stellt und offenläßt, brisanter sein könnten als seine Antworten, was aber nichts daran ändert, daß Stücke wie die Kleists im Sinne ihrer affirmativen Antworten verstanden werden können. Das gleiche gilt für die Texte Grabbes, für die ich einen Lektüremodus wähle, der nun gerade die Aspekte der Sinnkomplexion hervorheben soll, in der, das ist eine zentrale These meiner Arbeit, ideologische Modelle nicht durch Reflexion, sondern durch systematische Uberforderung in ihrem Geltungsanspruch unterlaufen werden. So strukturieren nicht nur zwei unterschiedliche thematische Felder meine Arbeit, sondern auch zwei unterschiedliche Umgangsweisen mit literarischem Material. (Und nicht nur mit literarischem. Eine ähnliche Doppeldeutigkeit gilt auch für die Aufarbeitung anderer Diskurse, etwa der Volkskunde und Sagenforschung, die ich nur in einer relativ >abwegigen< Variante, nicht aber auf dem Weg zu einer >seriösen< Wissenschaft präsentiere, für die beispielsweise Jacob und Wilhelm Grimm stehen könnten.) Wenn Geschichte dabei im einen Lektüremodus der Dramen zum Simulakrum gerät, zum urbildlosen Abbild, das sich dem Wechselspiel zweier semiotischer Prozesse mit Namen Geschichte und Literatur verdankt, aber keiner irgendwo greifbaren Realität, dann sollten doch die Lektüren im anderen Modus hinreichend klar gemacht haben, daß sie damit keineswegs an gesellschaftlicher Relevanz und ideologischer Brisanz eingebüßt hat.
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lassen. In den Blick kommen dabei auch die Autorinnen und Autoren als zumindest eine zentrale Instanz >hinter< den Texten - nicht als souveräne Herrscher, sondern als Schnittstellen in einem Netz anonymer Kräfte und Prozesse, denen sie ausgesetzt sind, die sie aber auch registrieren können und in die sie einzugreifen versuchen (sei es auch nur, indem sie emphatisch sich ihnen anschließen). Auch um die Frage nach dem Gelingen und - notwendigen - Scheitern solcher Versuche geht es in den folgenden Lektüren. Da ich weder sozialen noch textuellen >Umwelten< einen determinierenden Einfluß auf der Ebene einzelner Texte zuschreibe, noch Autorintentionalität oder auch ein - autorgebundenes - Unbewußtes für eine ausreichende Kategorie zur Erklärung textuellen Sinns halte, aus dieser Skepsis aber auch nicht die Konsequenz ziehen will, den einzelnen Text allein noch als »erratischen Blocks als einsames >Monument< in fremder Landschaft wahrnehmen zu können, scheint mir den >Wechselspielen< - zwischen Autorinnen oder Autoren und Texten, zwischen sozialen Welten und Texten, zwischen Texten und Texten - am ehesten ein Wechselspiel aus einer >schwachen< Hermeneutik und einer >schwachen< Intertextualität gerecht zu werden, das häufig assoziativ erscheint und methodologisch nicht völlig transparent ist. Berufen kann es sich aber auf die Tradition einer historischen Hermeneutik im besten Sinn, der - um nochmals eine Parallele zum >New Historicism< hervorzuheben - die Artefakte, denen sie sich widmet, immer zweierlei vermitteln: >Resonanz und Staunen«:.28 Auch in einer Welt der Symbole, »geteilt wie die Luft, die man atmet«,29 gibt es Randzonen, an denen die Brüchigkeit kultureller Systeme erkennbar wird, von der auch ihre Dynamik ausgeht.30 Dem stellt sich die Geschichtswissenschaft etwa mit einer Konzeption, wie sie Arlette Farge - in Anlehnung an Michel Foucault - entworfen hat. Ihre Grundlage ist das Archiv -»die Archivalie als Bruchstück, Teil eines Satzes, Fragmente des Lebens, gesammelt in diesem ausgedehnten Sanktuarium toter und gleichwohl einmal ausgesprochener Worte. Worte, die aus drei tiefen, aufeinanderfolgenden Nächten auftauchen: aus der Nacht der Zeit und des Vergessens, aus der Nacht der Unglücklichen und aus jener noch dunkleren Nacht, die unseren Verstandeskräften trotzt, der Nacht der Konstitution und des Reichs der Verfehlung.« 31 Für die Literatur-
28
Stephen Greenblatt, Resonance and Wonder, in: P. Collier/H. Geyer-Ryan (Hg.), L i terary Theory Today, Cambrige 1990. Peter Schöttler (Mentalitäten, Ideologien, D i s kurse. Z u r sozialgeschichtlichen Thematisierung der »dritten Ebenes in: Alf Lüdtke (Hg.), Alltagsgeschichte, F r a n k f u r t / M . / N e w York) spricht von einer »intuitiven Inhaltsanalyse< ( 1 1 4 ) .
19
Pierre Bourdieu/Roger Chartier/Robert Darnton, Dialog über die Kulturgeschichte, in: Freibeuter 16 (1985), 36. Vgl. Hayden White, N e w Historicism. A Comment, in: Veeser.
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12
Arlette Farge, Das brüchige Leben, Berlin 1989, 7. Vgl. auch Stefan Rieger, Memoria und Oblivio. Die Aufzeichung des Menschen, in: Pechlivanos.
Wissenschaft, die es eher mit Simulationen als mit Fragmenten des Lebens zu tun hat, zeichnet sich hier jedoch auch ein Weg ab, der zurückführt zu Marx, genauer: zu einer Ideologiekritik, die in den Inszenierungen von Geschichte das zu identifizieren versucht, was sie verschweigen müssen, was ihnen aber doch, vermittelt über ihr Material, inhärent ist - weil »nichts existiert, was nicht gesellschaftlich und geschichtlich ist«, auch nicht »im mikroskopischen Erfahrungsraum von Wörtern in einem Text oder im ekstatischen und intensiven Erleben der diversen Privatreligionen«. 32
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Fredric Jameson, Das politische Unbewußte, Stuttgart 1988, 16.
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Geschichte als kulturpolitisches Programm: Karl Immermanns zeitkritische Modelle
Vorspiele in Halle und Ronceval (0 Warum dulden wir den Druck, der uns gutzuheißen zwingt, was wir innerlich verdammen? [...] Warum sprengen wir nicht die Ketten, die ein freier, mutiger Entschluß augenblicklich zerbricht?
Mit revolutionärem Pathos beginnt der Student der Rechtswissenschaften Karl Immermann seine literarisch-publizistische Laufbahn. »Aus stiller Einsamkeit in den Strudel des Lebens geworfen«, 1 bezieht er mit der Veröffentlichung von zwei Aufsätzen Stellung in einer Affäre, die im Jahr 1817 die Universität Halle bewegt. 2 Irritierend ist nicht das Pathos selbst, das diese Texte auszeichnet, wohl aber der Zusammenhang, in dem es steht. Immermann nämlich macht sich zum Protagonisten einer Attacke gegen die Burschenschaft »Teutonia«, die zweieinhalb Jahre zuvor in Halle als erste deutsche Burschenschaft überhaupt gegründet worden war, und als Verbündete sucht er Innenministerium und König von Preußen zu gewinnen. Der Appell an die Macht also als »freier, mutiger Entschluß«? Selbst wenn man die historische Nähe der >Befreiungskriege< - mit ihrem seltsam nationalen Freiheitsbegriff - und den noch relativ starken preußischen >Beamtenliberalismus< berücksichtigt, erscheint das fragwürdig. >Kettensprengende< Emphase sollte man eher auf Seiten der Burschenschaften erwarten als in der preußischen Bürokratie oder bei deren >oberstem Dienen. Die Affäre, um die es hier geht, fällt - noch vor dem Wartburgfest, auf dem Immermanns >Streitschriften< verbrannt wurden, der Ermordung Kotzebues und den Karlsbader Beschlüssen - in die kurze Konstitutionsphase der Burschenschaftsbewegung zwischen dem Ende der Befreiungskriege und ihrer rigorosen Unterdrückung; also in die revolutionäre Phase der Jugendbewegung und zugleich eine Epoche, in der in Preußen das Pendel von liberalem Refor-
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Karl Immermann, Briefe, hg. v. Peter Hasubek, München/Wien 1 9 7 8 - 1 9 8 7 , Bd. 1, 42. >Ein Wort zur BeherzigungLetztes Wort über die Streitigkeiten der Studierenden zu Halle seit dem vierten März 181 jRadikalismus< sich eher national-chauvinistisch als liberal oder gar demokratisch äußert, zudem ihre Bedeutung innerhalb wie außerhalb der Universitäten insgesamt relativ gering bleibt, ist ihre Unterdrükkung eines der Paradigmen restaurativer Politik. Das konsequente Vorgehen gegen die politische Jugendbewegung erscheint so auch als spürbare und symbolträchtige Demonstration des zunehmenden Einflusses konservativer, von Metternich beeinflußter Politiker auf den preußischen König Friedrich Wilhelm III. Bereits Anfang 1816 endete der sogenannte »Tugendbundstreit« mit einem Verbot jeder Form von politischer Vereinigung; eine empfindliche Niederlage der >ReformparteiKarlsbader Beschlüssen zumindest an den Rand der Legalität drängte. In diesem Kontext wenden sich nun, auf Initiative Immermanns, mehrere Studenten aus Halle mit einem Hilfsgesuch an den preußischen König. Die 3
Alexander Pagenstecher, Aus den Lebenserinnerungen von Dr. med. C . H . Alexander Pagenstecher, hg. v. A . Pagenstecher, Leipzig 1 9 1 3 , in: Geschichte in Quellen. Das bürgerliche Zeitalter, 77. 4 In: Geschichte in Quellen. Das bürgerliche Zeitalter, 82. Zur Bedeutung der Burschenschaften vgl. Hagen Schulze, Der Weg zum Nationalstaat. Die deutsche Nationalbewegung vom 18. Jahrhundert bis zur Reichsgründung, München 1985. * Pagenstecher, 77.
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politische Fragwürdigkeit eines solchen Vorgehens bestätigen noch die K o m mentatoren der Werkausgabe Benno von Wieses, wenn sie Immermann zumindest »wider Willen« in der »Rolle eines Helfershelfers der Reaktion« sehen (1021). Gerade gegen diesen Verdacht aber setzt sich Immermann in seinen Rechtfertigungsschriften zur Wehr. E r und seine Kommilitonen fühlen sich von der Universitätsleitung und den örtlichen Behörden im Stich gelassen in einem Streit, in dem »Ubermut und Frechheit alle Grenzen übersteigen« (698). Immermann war darin verwickelt worden durch einen A k t der Zivilcourage, mit dem er sich selbst beträchtlichen Repressionen durch die Angehörigen der »Teutonia« ausgesetzt hatte: er hatte einen Studenten in Schutz genommen, der von diesen übel mißhandelt worden war und von der Universität vertrieben werden sollte, weil er, angewiesen auf eigenen Verdienst, Bücher eines verpönten Nachdruckers verkauft hatte. Lange schwelende Konflikte brechen nun offen aus, Freundschaften zerbrechen, wiederholt kommt es gar zu Gewalttätigkeiten zwischen Gegnern und Angehörigen der Burschenschaft. Letztere widersetzen sich jeder gütlichen Bereinigung der Angelegenheit und sehen sich in ihrem skandalösen Verhalten auch noch von den »Universitäts-Oberen« bestätigt, die - aus Unwilligkeit oder Unfähigkeit - jede Intervention verweigern. Ein aggressives Klima der Gewalttätigkeit und Heimlichkeit vergiftet das universitäre Leben und droht »unausbleiblich Liberalität in Denken und Handeln« in »Sekten- und Kastengeist« zu ersticken (707). Dies ist die Situation, die Immermann präsentiert, und die keinen anderen Ausweg läßt als den Schritt nach außen, an Öffentlichkeit und vorgesetzte Autorität: Wenn Übermut und Frechheit alle Grenzen übersteigen, dann muß man, wenn man nicht will, daß rohe Kraft gegen Kraft trete, und die Universität ein Tummelplatz der W u t werde, einen mächtigen Riegel vorschieben: das Gesetz, um diejenigen, welche meinen, sie seien die Herren der Erde, daran zu erinnern, daß es noch einen Richter über ihnen gebe« (698).
Damit ist der Vorwurf der Denunziation zurückgewiesen. Nicht Immermann ist in der Rolle des Freiheitsfeindes, sondern diejenigen, die die gegebene Freiheit pervertieren: Ein anderer Vorwurf, der uns gemacht wird, ist, daß wir alles freie akademische Leben vernichten wollen. A u s dem Gesagten geht das Gegenteil hervor, wenn man sich über die Begriffe verständigt [...]. A b e r es ist ein Unterschied zwischen Freiheit und Frechheit (709).
Warum er auf die Fähigkeit der Selbstregulierung von Konflikten im universitären Mikrokosmos nicht (mehr) vertraut, begründet Immermann in einer minutiösen Schilderung des wortspielhaft umrissenen Ubergangs von »Freiheit« zu »Frechheit«, die das untergründige Machtgeflecht bloßlegt, mit dem die Burschenschaft die Universtität durchzogen hat. Nicht vom »Gesetz« droht die Gefahr einer »schändlichen Knechtschaft«, sondern von der willkürlich 16
»usurpierten Macht«, von »Eitelkeit und Herrschsucht« einer Minderheit, der es gelungen ist, die Mehrheit unter ein »eisernes Joch« zu zwingen, und die sich anmaßt, für die ganze Gemeinschaft Regeln zu erlassen und durchzusetzen. Als »Komment«, »Sitte« und »Gemeinsinn« wird so kaschiert, was nichts anderes als die Herrschaft nackter Gewalt, »Faustrecht« und »Tyrannei der Klinge« ist. Es gehört zu den Grundüberzeugungen im staatsrechtlichen und politischen Denken der Zeit, daß eine von antagonistischen Gruppen- und Einzelinteressen zerrissene (bürgerliche) Gesellschaft durch einen höheren »Richter« domestiziert werden muß - sei es der Hegeische Machtstaat als Verkörperung absoluter Vernunft, sei es der religiös und traditional integrierte Ständestaat der politischen Romantik. Das Muster einer auf der institutionell geregelten K o n frontation von Gruppeninteressen basierenden Gesellschaft ist im politischen Diskurs der Zeit in Deutschland nicht ausgebildet. Insofern ist der Appell an »Gesetz« und »Staat« eine nicht besonders überraschende Konsequenz aus der von Immermann gegebenen Bestandaufnahme der studentischen »Gesellschaft«. Interessant ist jedoch, wie er seine Kritik formuliert; wie er sich aus einer persönlichen Erfahrung der Machtlosigkeit - genauer: der Sprachlosigkeit - mit einer ideologiekritischen Reflexion zu befreien versucht und sich dabei in immer unlösbarere Aporien verstrickt. Entscheidend für diese Argumentation ist, daß sich die burschenschaftliche Tyrannei nicht aus einer anarchischen »Freiheit« heraus entwickelt, wie es im immer wieder bemühten Beispiel von französischer Revolution und napoleonischer Diktatur vorgegeben ist, sondern daß ihre Gewaltherrschaft als »Herkommen«, »Brauch« und »Sitte« beschrieben wird. Obwohl tatsächlich noch nicht drei Jahre alt, erscheint die »Teutonia« umstandslos als Hüterin und Vollstreckerin traditionaler Werte. Sie scheint für Immermann gleichsam immer schon bestanden zu haben, so daß die Herkunft ihrer Zwangsherrschaft überraschenderweise ganz zugunsten der gegenwartsorientierten Zustandsbeschreibung ausgeblendet bleibt. Eine historische Dimension spielt nur als Instanz ideologischer Legitimation eine Rolle. Gegen sie setzt Immermann die Kraft der Aufklärung: als »eisernes Joch« und »schändliche Knechtschaft« soll entlarvt werden, was »das Interesse der herrschenden Partei von jeher sehr klüglich dem Ganzen als heiliges Gesetz aufgedrungen hatte« (696). Die historische Dimension im Habitus, im Feld des symbolischen Handelns, gehört zu den Charakteristika der Burschenschaften. Sie stellt auch Pagenstecher in das Zentrum seiner Beschreibung. Z w a r grenzt er sich ab gegen die Tradition der alten »Korp-Studenten«, den »echten Vollblutsrepräsentanten des alten Komments und der politischen Zerissenheit Deutschlands«, deren »Pauk- und Bierkomment durch neue, unsern ritterlichen, romantischen Begriffen entsprechende Bräuche und Sitten verdrängt werden« mußte. Das Neue jedoch formiert sich als das vermeintlich bessere, echtere Alte:
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Sittenreinheit, Biederkeit und Lauterkeit des Wandels wurden als Grundbedingung von allen gefordert. Aufgeputzt wurden diese unleugbar tüchtigen Elemente mit dem ganzen mittelalterlichen Modepomp der damaligen Romantik. Die ernste, kleidsame Tracht, die lang herabwallenden Locken, die alten Schwerter und Helme, die hier und da aufgetrieben wurden, die Poesien und Gesänge, die überall erklangen, trugen nicht wenig dazu bei, die Jugend anzuziehen, zu begeistern und dauernd zu fesseln. 6
Zum burschenschaftlichen »Brauchtum« gehört auch das Duell - und die Angehörigen der »Teutonia« beharren darauf, daß hier die einzige >ehrenvolle< Art der Konfliktbewältigung zu suchen ist. Jede Berufung auf Vernunft und allgemeine Gesetzgebung weisen sie demgegenüber zurück, jedes Gespräch verweigern sie, selbst Aussagen vor einem Untersuchungsgremium, das die Universitätsleitung schließlich doch einsetzt, suchen sie zu verhindern (700). So gelingt es ihnen, sich jeder Kritik zu entziehen, indem sie die Kritiker in eine aporetische Situation führen. Denn selbst in dem Fall, daß sich diese dem Kampf gewachsen zeigen würden, hätten sie doch nur das System als Ganzes bestätigt. Ein gewöhnliches Auftreten im Burschensinn würde zu nichts gefruchtet haben; man hätte sich einigemale geschlagen, und die Sache wäre beim alten geblieben ( 6 9 8 ) /
Gerade im Duell zeigt sich der eigentliche Charakter des kritisierten Systems. »Faustrecht«, »Tyrannei der Klinge« und »Selbstrache« meinen zwar auch die im konkreten Fall ausgeübte physische Gewalt, verweisen aber vor allem auf die symbolische Dimension der Herrschaft, die sich in den zentralen Werten des studentisch-burschenschaftlichen Ehrenkodex begründet (die durchgängige >Götz von BerlichingenRestauration der Staatswissenschaft< führen, die den Nachweis notwendiger Hierarchien als natürlicher Bedingungen jeglicher Vergesellschaftung erbringen möchte. Damit ist aber weder der Gleichheitsgedanke zu vereinbaren, zu dessen Verteidigung Immermann ja gerade die Autorität des Gesetzes mobilisieren möchte, noch die antitraditionalistischen Implikationen seiner >Ideologiekritiktranspersonalen< Begründungszusammenhänge in Form der mythischen bzw. symbolischen Grundlagen von Gemeinschaft in den Blick zu bekommen - und hier die Bedingungen einer glückenden Sozialisation zu erfragen. Vor allem die Geschichtsdramen, die bis in die dreißiger Jahre im Mittelpunkt von Immermanns literarischer Arbeit stehen, reflektieren an modellhaft zugespitzten Konstellationen die kulturelle Bedeutung von Geschichte und Vergangenheit. 9 Das hochgradig Konstruierte dieser Modelle unterscheidet die Dramen - in ästhetisch wie ideologisch fragwürdiger Weise - von den späteren Romanen Immermanns, denen es immer wieder gelingt, mosaikartig Beobachtungen von hohem zeitdiagnostischen Wert zu prägnanten literarischen Bildern zu verdichten. 10 Dennoch liegen auch den Prosawerken die Paradigmen historischen Denkens zugrunde, die vor allem in den Dramen entwickelt und in begleitenden Überlegungen expliziert werden. Dabei geraten in der Neubewertung des Traditionalismus-Problems und seiner Verortung im Rahmen des Systems symbolischer Reproduktion zentrale Positionen vormärzlichen Geschichtsdenkens in den Blick. A n die Erfahrung der Sprachlosigkeit knüpft Immermanns frühes Drama >Das Tal von Ronceval< (1822) an. Angesiedelt im Stoffkreis des >Rolandsliedsrealpolitischen< Erwägungen ein dem Verräter Canelon gegebenes Wort. Das erscheint zwar moralisch durchaus gerechtfertigt, manifestiert aber einen generellen Werteverfall, indem dem politischen Kalkül (»Rücksichten«) unterworfen wird, was jenseits jedes individuellen Falls Gültigkeit haben müßte (»Wert«), um überhaupt Realität zu besitzen. Und so kann ausgerechnet der Betrüger Canelon im Kontext trügerischer Rhetorik die zentrale Aussage formulieren: Im halben Unrecht ist, wer Worte braucht, U m seiner Tugend Würd' zu behaupten 11
>Das Tal von Ronceval< (1822), >Das Trauerspiel in Tirol· (1827/1834), >Kaiser Friedrich II.< (1828); >AlexisEudoxia< (1832). IO >Die Epigonen< (1836); >Münchhausen< (1838/39); >Memorabilien< (1840-43). 11 Karl Immermann, Das Tal von Ronceval, Leipzig 1822, 123. 9
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Worte können lügen, und so muß außerhalb der Sprache stehen, was wahren Wert beansprucht. Ist aber die fraglose Gültigkeit der in der Tradition begründeten Werte nicht mehr gegeben, dann wird diese Tradition selbst zum Spielball rivalisierender Interessen. Sprache und Bewußtsein können diesen Wertverlust nicht aufhalten, sie sind vielmehr gerade sein Medium. Die im lyrischen Prolog des Dramas beschworene Welt fester Traditionen versinkt im Lauf der Handlung in einem »Meer von Zweifeln« (IV/7); an die Stelle höfischen Spiels und heroischer Tugend tritt eine Kette sinnloser Zerstörungen und Grausamkeiten - bis hin zum Brudermord. Die Protagonisten selbst können auf die fundamentale Verunsicherung nur mit einer Assimilation an die Welt der Dunkelheit reagieren: »Nacht, steig herunter, / Und ende nicht« (125). Dem Text selbst liegt jedoch durchaus ein unhinterfragtes normatives Gerüst zugrunde, das sich gerade dort zur Geltung bringt, w o die positive, emanzipatorische Dimension der Auflösung von Traditionen angedeutet werden soll. In der Liebe zwischen Roland und Zoraide manifestiert sich gerade nicht, wie es zunächst scheinen könnte, die Gleichrangigkeit der Religionen und Rassen. Tatsächlich erweist sich, daß die muslimische »Mohrin« dem christlichen Helden nur deshalb gleichwertig ist, weil sie selbst von frühester Jugend an christlich >infiziert< und deshalb gar nicht dem islamischen Lager zuzurechnen ist. Die vorsichtige Auflösung anthropologischer Ungleichheiten mündet in den Triumph kultureller Überlegenheit. Damit ist ein erster Schritt getan, das abstrakte Gesetz, vor dem alle gleich sein sollen, mit der konkreten Geltung kultureller Traditionen zu vermitteln. Die Abstraktheit erweist sich zunehmend als die eigentliche, pervertierte und pervertierende, Menschenverstand und Gefühl systematisch ignorierende Gewalt, der die kulturelle Identitätsbildung als schwache, natürliche Kraft entgegentritt. Genau diese Bewegung läßt sich an der >AlexisBojaren< die Herrschaft des Gesetzes sich gegen die Anarchie egoistischer Einzel- und Gruppeninteressen zu behaupten vermag, erweist sich in den folgenden Teilen das von Peter dem Großen repräsentierte siegreiche Machtgefüge selbst als defizitär und despotisch. Wenn Immermann dreizehn Jahre nach den Erfahrungen in Halle >Das Gericht von St. Petersburg< nochmals über die Relikte einer überlebten und deformierten Poesie verhandeln läßt, siegt zwar die Prosa, aber nur um den Preis einer Rückkehr des Verdrängten in pervertierter Form. Der mythologisierende Epilog >Eudoxia< radikalisiert dieses Scheitern - ohne allerdings dem gewählten Kontext Alternativen entnehmen zu können. Die anfängliche Identifikation des »Gesetzes« mit der Vernunft bleibt dabei jedoch erhalten und reißt diese selbst mit in den Strudel des Werteverfalls. Der paradoxe Versuch, die klare Trennung von >usurpierter< und >natürlicher< Macht aufrechtzuerhalten, mündet in die Apologie der traditional stratifizierten Gesellschaft. >Aufklärung< wird dabei vom Motor der Emanzipation zum Moment der Gefährdung; zum Dämon, den es zu bannen gilt. 2
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Der Dämon des Verstandes und der Aufklärung: >Alexis< (I) Protagonist von Immermanns Trilogie aus der russischen Geschichte ist nicht der weitgehend passive Zarensohn Alexis - im ersten Teil kaum mehr als eine Hintergrundfigur, im dritten bereits nicht mehr am Leben - sondern dessen Vater Peter der Große. Im ersten der drei Dramen, >Die BojarenPhilosophie der GeschichteEpilog des Epilogs< demonstriert - die in die subkulturelle Latenz verdrängten Mächte der Tradition wieder einsetzen zu können. Der ironische Blick ist nicht mehr der Verbündete einer Aufklärung, die sich an die Stelle einer unhinterfragten Tradition setzt, sondern er sucht deren eigene Selbstsicherheit zu erschüttern. Mußte sich in der Aufklärung über die verderbte Poesie der Burschenschaft die Erinnerung, bzw. die erinnernde Tradierung alter Sitten, vor dem Gesetz der Vernunft legitimieren, so gerät jetzt das Vergessen, die Verdrängung des Alten durch die unhistorische Vernunft, unter Legitimationszwang. Damit ist die eigene frühere Position grundsätzlich revidiert. In einer Selbstdeutung hat Immermann sein »Schauspiel eines großen und ungeheuren Irrthums« 20 als eine Form der Teufelsaustreibung beschrieben: Die innre Idee ist: daß der Dämon des Verstandes und der Aufklärung, wie er Peter'n so mächtig trieb, am Ende besiegt wird, wenn er die N a t u r in ihre letzten Schlupfwinkel verfolgt, weil sich dort die auf's Äußerste Gebrachte in mythischer Riesengestalt aufrichtet und den verwegenen Feind niederschlägt. 21
Medium solchen Exorzismus' ist die »Poesie«. Insbesondere der als »tragischer Nachgesang« konzipierte Epilog transformiere den Handlungsraum der »Geschichte« in den des »Mythischmöglichen«, um die »Abnormität« und die »Anomalien« des »früherhin vorherrschenden Charakteristischen in die Schönheit aufzulösen«. Unter dem Namen der »Phantasie« wird die Eigengesetzlichkeit der Dichtung gegen einen »historischen Maaßstab« verteidigt.22 Diese >Eigengesetzlichkeit< kann sich aber in ihrem Rückgriff auf konventionelle literarische Materialien nur in einer Geste der Gewalt - der Gewalt des Racheengels Eudoxia, die die Gewalt des Schicksalsdramas ist - behaupten. Darin bestätigt sie eher den Eindruck einer in der Poesie nur zu versteckenden, nicht jedoch auszulöschenden Krise, für die »Alexis« das Modell entwirft. Nachdem ich im Herbst [ 1 8 3 0 ] eine schwere geistige Krankheit völligen Verzagens über den Druck einer unleidlichen Gegenwart überstanden hatte, ergab ich mich in die Fügungen des Geschicks, schwur mir selbst einen theuren Eid, nun auch nie in meinem Leben wieder an etwas Großes, was von den Maßen ausgehen soll, zu glau-
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Z u r Selbstdeutung des >Alexis< s. die Briefe an Michael Beer und LudwigTieck: Briefe I, 9 4 3 - 9 4 5 ; 9 6 9 - 9 7 2 ; hier: 9 7 1 . Briefe I, 944. Briefe I, 97of. »In diesem neuen vornehmen Kleide [dem historischen MaaßstabReise von München nach GenuaDas Trauerspiel in Tirol< publiziert und 1829 von Immermann in Düsseldorf inszeniert, dann - nach vehementer Kritik sowie einer »fromme[n] historisch-poetische[n] Wallfahrt« an den Ort des Geschehens 27 - 1 8 3 3 grundlegend umgearbeitet und schließlich als >Andreas Hofer - der Sandwirt von Passeier< erneut veröffentlicht, gehört das Andreas-Hofer-Drama zu den Werken, die Immermann am intensivsten beschäftigt haben.28 Intendiert ist hier, was in der >AlexisReiseBIick ins Tirols in: Immermann, Werke, Bd. 4. >Das Trauerspiel in Tirol«, in: Immermann's Werke, 17. Teil, hg. v. Robert Boxberger, Berlin o.J. (^Trauerspiel·). >Andreas Hofer, der Sandwirt von PasseierHofer>). >Das Trauerspiel in Tirols >VorredeÖffentlichkeit< Tirols (nun die ι. Hälfte des 4. Aufzugs) ist umschlossen von den Kabinetten, in denen die Entscheidungen über ihr Schicksal fallen: dem des österreichischen Kanzlers in Wien (3. Aufzug) und dem des französischen Vizekönigs in Villach (2. Hälfte des 4. Aufzugs). Die Vereinheitlichung der Tiroler Partei im >Hofer< ist erkauft mit einer Desillusionierung: sowohl ihren politischen wie auch ihren militärischen Möglichkeiten sind enge Grenzen gesetzt.44 Weder Intrige, Verrat in den eigenen Reihen, persönliches Versagen noch tragisches Geschick oder unglücklicher Zufall sind dafür verantwortlich, daß der Aufstand am Ende scheitern wird, sondern politisch-militärische Konstellationen und Entscheidungen, die in unerreichbarer Ferne angesiedelt sind. Aber die eigentliche Bedeutung dieses Aufstands liegt auch nicht auf der militärischen, sondern auf einer symbolischen Ebene. Aus französischer Perspektive formuliert der Vizekönig am deutlichsten die ideologische Brisanz eines traditional orientierten Nationalismus, dem es gelingt, die gleiche Emphase zu entbinden, wie es die Revolution auf französischer Seite getan hatte: Wodurch denn sind wir groß geworden, [...] Als daß wir gingen mit dem Sturm des Volkes? [...] Hier aber tritt uns ja dasselb' entgegen, Was uns getrieben. Dieses arme Volk, In seiner Einfalt, unter seinen Pfaffen, Ist zu derselben Mündigkeit gelangt Als wir, wir Glänzenden. [...] Das ist gewiß, wir werden sie besiegen. Gewisser ist: Hier hebt ein neu Verhängnis Für dich und mich und all' die Unsern an. Das Herz treibt sie; das Herz weiß, was es will; Wofür das Herz entbrennt, das führt's hinaus. Dies kündet eine böse Spaltung, zeigt
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Die »Inferiorität ist entscheidend: es geht nicht um politische Vertretung, sondern um >Gemeinschaftreale< Kontroverse des Jahres 1809 in den Text hinein, in der Metternich opponiert gegen die - halbherzigen - Versuche seines Vorgängers Stadion, einen österreichischen Patriotismus zu erwecken.
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gig Prosa gegenüber den sonst vorherrschenden Blankversen) und v o r allem dadurch, daß als Vorbild des »Kanzlers« unschwer Metternich identifizierbar ist, verschiebt das Kräftegefüge des Dramas grundlegend. In der Dreierkonstellation Osterreich - Tirol - Frankreich, die die binäre Opposition von >Revolution< und >Natur< ersetzt, erweist sich der Volksaufstand als Provokation sowohl der >traditionalen< als auch der >traditionsbrechenden< Politik. Insbesondere das folgende Gespräch zwischen H o f e r und dem französischen Vizekönig im 4. A u f z u g wird durch den vorangehenden >Metternich-Akt< völlig neu perspektiviert. Konnte es im >Trauerspiel< in erster Linie als Konfrontation gesehen werden, so zeigt im >Hofer< allein schon die Tatsache, daß überhaupt K o m munikation stattfindet, eine relative N ä h e von Tirolern und Franzosen an - im Vergleich zur völligen Kommunikationsverweigerung durch die Österreicher. Die Emphase, die die Anklage Hofers gegen die Franzosen trägt, 4 ® ist in der späteren Version ebenso zurückgenommen wie die Betonung einer kulturellen Identität, in der sich für den H o f er von 1 8 2 6 z.B. in der fast magischen F u n k tion von (Orts-)Namen habsburgische Herrschaft und »Tirolisch Wesen« verbunden hatten. 1 8 3 3 findet sich ein solcher Zusammenhalt nicht mehr - weder in der Realität, die sich Immermann auf seiner Reise präsentiert: Die [österreichische] Regierung gibt Pensionen an alle, die sich nur einigermaßen in jenem Kriege bemerkbar gemacht haben, auch an ihre Witwen und Waisen. Aber alle Lieder, die sich auf den Krieg beziehen, sind verboten. Einer sagte uns: »Es darf so wenig von Hof er gesungen werden, als von Buonaparte.« Dieser Kontrast zwischen materieller Anerkennung und Verleugnung des Ideellen ist sehr charakteristisch und kommt häufig im österreichischen Staate vor. Darüber Zorn und Spott zu ergießen, ist leicht. Schwerer ist, die ganz eigentümliche Position jenes Staats zu begreifen, woraus dies und mehr dergleichen sich erklären, ja rechtfertigen läßt, 49 48
»[...] Die Zeichen meines Herrn / Sah ich abreißen - wär't Ihr, Augen, doch / Erblindet! - und die neuen Zeichen pflanzen. / Den Ausruf hört ich - war ich taub gewesen! / Der unsern alten Ehrennamen tilgt / Und uns nach Flüssen wiedertauft, damit / Tirolisch Wesen, unsres Ruhms Gedächtnis, / Auf glatten, flücht'gen Wellen in das Meer / Geführet werden und sein Grab dort finde! / Gott, Gott, w o ist Dein Donner? - wilde Menschen, / Hegt Ihr nicht Scham? - Ihr stürzt uralte Mauern / Und hoffet euren Bretterwänden Dauer?« (>TrauerspielBlick ins Tirol·, 2 j6f. Wenn auch die Unterdrückung der Erinnerung die Spuren der Vergangenheit nicht völlig auslöschen konnte, so ist doch das Gedächtnis auf die Orte des Geschehens selbst beschränkt. Schon im benachbarten Bayern hatte Immermann die Beobachtung gemacht, daß der »Nationalhaß« eine gänzlich andere Bewertung der Ereignisse erzeugt. »Die Reminiszenzen des Tiroler Kriegs beginnen hier überall zu erklingen. N u r freilich auf der bayrischen Seite des Gebirges weiß und blau koloriert. Sie machen die Tiroler zu Mordbrennern, Räubern usw.« (249). Für ein nationales Gedächtnis sind die Ereignisse von Tirol also nicht fruchtbar zu machen. Schon die Entstehung des Dramas überhaupt resultiert nicht aus einer fraglosen öffentlichen >Präsenz< des Stoffes. Die Anregung erhielt Immermann durch ein eher zufälliges Ereignis: einen Liederabend in Magdeburg, auf dem zwei Tiroler >Volkssänger< auftra-
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noch in der anschließenden Neufassung des Dramas: Legationsrat·, Ihr verachtet das Volk? Kanzler. Das ist ein neuer Ausdruck, den ich nicht verstehe. Man sprach sonst von Untertanen oder Leuten. Ich drücke keinen; ich will, daß jeder sein Huhn im Topfe habe und gönne ihnen ihren Spaß. Alles andre ist vom Übel, ihnen selbst am meisten. (>HoferHoferHoferTrauerspiel< noch in dem Vermächtnis Hofers an seinen Sohn besessen: »[...] so legst D u einen Schatz / Von edlem H a ß dir an in Deiner Brust / Das ist, was D u bedarfst, geliebtes Kind. / Von diesem Schatz
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Vor allem für die völlige Vernichtung hat der Text drastische Bilder gefunden, deren literarische Qualität ihnen ein Ubergewicht über die politische Argumentation sichert. So wie Hofer noch das Sterben in der Heimat verweigert wird, so scheint die moderne Waffentechnik den Gefallenen selbst noch die jenseitige Einheit vorzuenthalten: Bärbel·. Ein böse Art Menschen jetzt. Führen Kugeln, die reißen unsre Liebsten in vierundzwanzig Stücke! Und hatt' ihn im Arm so ganz. Wo ist sein Haupt, sein fröhlich Haupt? Wo sind seine Arme, die treuen Arme, und wo die schnellen Füße? Ο Jammer! [...] Weib: [...] Nun, sei ruhig, mein Maidel, er ist bei Gott! Bärbel: Sage das nicht, Johanna, denn du redest Sünde! Es ist geschrieben worden von der Auferstehung des Fleisches. Wehe mir, wehe! Sein Fleisch ist zerstreut in alle Winde. (>HoferHoferTrauerspielHofer< die Voraussetzung. Auch eine weltgeschichtliche Funktion des Untergangs ist hier nicht mehr erkennbar: »[Hofer:] So wird der Herr auch seinen wüsten Knecht, / Wenn die Verwirrung, die er angerichtet, / Zu ihrer Reif und Zeitigung gediehen, / Mit Schimpf und Schanden aus dem Hause jagen« (»Trauerspiel·, I}9 54
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)·
>Die Jugend vor fünfundzwanzig Jahrenpoetischen< Welt Tirols ist, hat die erste Fassung des Dramas in der individuellen >Elfi-Tragödie< präfiguriert: Hof er: [...] Kind, woher? Elfi: Aus Elend, Vater. Hofer: 's ist ein weit Gebiet, So groß fast wie Tirol. Und wohin, Tochter? Elfi: Ins Unglück [...] Die Menschen sehen Ja nicht die eigne Schuld, nur die der Nächsten Sie stießen mich wie eine Schlange von sich. So irr' ich ohne Obdach in den Wäldern. Doch aber steht es wohl um meine Seele. Es zog die schönste Ruhe in mich ein, Daß Alles, was mir auch begegnen mag, Fast mich bedünket wie Vergangenheit. (>TrauerspielZur C h a rakteristik der europäischen KrisisTeutschland und die Revolution (1819), in: Joseph von Görres, Politische Schriften, hg. v. Marie Görres, Bd. 4, München 1856, 106.
ne, wo es noch möglich sei, wieder grünend zu machen«. Entscheidend dabei ist die Vorstellung einer »unbewußt« noch nicht abgerissenen Kontinuität der Bildung. Eben die bestreitet die zweite Partei und zeichnet zugleich ein anderes Bild von der Vergangenheit, das eine Rückkehr weder realistisch noch wünschenswert erscheinen läßt: ihr Schutt und ihre Trümmer, die noch in der Gesellschaft stehen geblieben, sind ihr zur Uberlast, und ihre Pergamente modern in den Archiven; was wir sehen ist Leibeigenschaft, Reich der Gewalt und des Aberglaubens, drückende Feudalität, und in finsterer Nacht des Mittelalters umwandelnd wie im Hados die Gestalten einiger großen Männer, die kein Todtenopfer heraufbeschwören wird. Z w e i ungeheure Begebenheiten, die auch der Geschichte angehören, haben durch eine unübersteigliche Kluft von ihnen uns geschieden: die Reformation und die Revolution [...]. 1
An diesem letzten Punkt zumindest hält auch Görres fest. Hinter den Traditionsbruch gibt es kein - zumindest kein naives - Zurück. Die deutschen Staaten haben im Bündnis »mit der Revolution in ihrer Kehrseite, dem unbeschränktesten Despotism« auch sich selbst dem zerstörenden Charakter des Fortschritts ausgesetzt, haben den »Teufel, aus der Bejahung vertrieben, höhnisch in die Verneinung geflüchtet«, ins Land geholt. Die Erbschaft dieser Epoche - die gerade auf dem Wiener Kongreß festgeschriebene >Mediatisierungreichsunmittelbaren< Rittertümern etwa 30 zentralisierte Staaten hervorgegangen waren - stellt eine irreversible Zerstörung dar; die Plünderung der andern Hälfte der Kirche, die noch der Reformation entgangen, die Unterdrückung und Verschlingung aller schwächern Reichs genossen, die A u f h e bung und Vernichtung aller alten Rechte, Sitten und Erinnerungen des Volkes, der Untergang der gemeinen Freiheit und die völlige Zertrümmerung der andern Idee des Mittelalters im teutschen Kaiserreiche. 3
Verloren ist damit auch die Fraglosigkeit einer Uberlieferung, die in einem selbstverständlichen Umgang mit der Vergangenheit fundiert ist. Die eigentliche Ursache dieses Geschehens sucht Görres in der Aufklärung, die das gesamte 18. Jahrhundert hindurch die substantiellen Werte zersetzt habe, für die sie selbst keinen Ersatz liefern kann. Ihr Vermächtnis, das die Revolution erst hat möglich werden lassen, ist die Zerstörung unverzichtbarer Schätze sozialen Wissens. So wie sich der feste, gesicherte (Grund-)Besitz in die unüberschaubare und unberechenbare Zirkulation des Geldes auflöst - Görres spielt v.a. auf Säkularisation und Mediatisierung an - ,
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>Europa und die Revolution ( 1 8 2 1 ) , in: Politische Schriften, Bd. 4, 354.
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Deutschland und die Revolution ( 1 8 1 9 ) , 106. 53
so hatte in der Überlieferung gleichfalls der Schatz des Wissens, der Beobachtung und Erfahrung in Gesetzen, Verwaltungsmaximen und Rechtsgrundsätzen sich gesammelt; auch diese Sammlung wurde zerstreut und dafür ein zweites Papiergeld von neuen Theorien, Grundsätzen und Abstraktionen als leitend für die Zukunft kreiert. 4 Gerade der Streit zwischen >Historikern< und > AufklärernVergangenheit nicht mehr als fragloser Wert Verbindlichkeit beanspruchen kann. In außerordentlicher Prägnanz hat Görres das als Orientierungsverlust, als Zustand allgemeiner D e s orientierung beschrieben: Den einen ist alles Historische ein Aberglaube; den andern jede Vertheidigung des guten Rechts ein revolutionärer Greuel; in toller Verwirrung treiben die Meinungen durcheinander; kein Grundsatz steht fest, kein Band hält die bunte Gedankenwelt in sich zusammen; keines knüpft, was gestern galt, an das, was morgen gelten wird; ein kurzes, stets kürzer werdendes Gedächtniß vergräbt das Vergangene in glückliche Vergessenheit. [...]. Nicht mehr wie Glieder eines Leibes wollen die verschiednen Stände sich vertragen; als seien sie verschiedene Völkerschaften, sind sie gegeneinander ausgezogen, und feinden sich gehässig an. Jeder für sich baut nach eignen Ansichten und Interessen sich seine eigne Welt und die ihm bequeme Verfassung, aber keine durchgehende Axe will das Widersprechende vereinen. Nach dem Beispiele, das die Höheren gegeben, will keiner zu einem Opfer sich willig finden; und da alle bürgerliche Ordnung ein Geben im Nehmen und Nehmen im Geben ist, so will keine solche sich gestalten, weil nur Nehmer, aber keine Geber zur Stelle sind. In Mitte der Verwirrung schwanken die Regierungen rathlos und ungewiß; zürnend haben des Himmels Sterne ihnen sich verhüllt, der irdische Compaß schwankt und trügt, die Politik ist ausgegangen, und die Tradition hat sie verlassen; was ihnen helfen kann, jagt ihnen Furcht ein, worauf sie Vertrauen haben, zergeht und zerbricht kraftlos in ihren Händen; ihre Ordnung erscheint der Zeit wie Pedanterie, und ihnen dafür jede Kraft und Willensmacht als Jacobinism. 5 Görres will hier gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung geben und ein Programm entwerfen. Gegen den gefährlichen Wahn, als der der Glaube an ein glückliches Vergessen erscheint, soll eine staatsrechtlich-politische Erinnerungsarbeit aufgeboten werden. D e r N a m e für dieses Programm: »Geschichte«. Sie soll nun zwar die auseinanderfallenden Positionen miteinander vermitteln, steht aber dabei aus naheliegenden Gründen der Partei der »Historiker« näher als deren Gegnern. Trotz seiner Skepsis gegenüber einer naiven Restitution der Mächte der Tradition will auch Görres ihre Kräfte wiederbeleben: um die Krise zu überwinden, muß sich die bürgerliche Gesellschaft in neue Stände differenzieren, die dann an die - im Unterschied zu Frankreich - noch bestehenden Relikte des alten Ständestaates anknüpfen können, so daß sich alte und 4
>Europa und die Revolution (1821), 354. - »Die wilden Geister des Wissens und der freien Ungebundenheit, die in das schwache Nervensystem des Staatskörpers hineingefahren, während zwei Milliarden baaren Geldes in seinem fiebernden Adersysteme kreisten, waren mehr, als seine sieche Lebenskraft bemeistern konnte«. 5 Deutschland und die Revolution< (1819), 148^
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neue Welt gegenseitig befruchten. Als radikale Form des Vergessens gehört die Revolution nicht in den zum Reservoir von Traditionen deklarierten Raum des Historischen, sondern steht ihm als Anti-Geschichte gegenüber (und läßt dabei auch keinen Raum für den Gedanken einer Dialektik in der Kollision von Alt und Neu, der die Geschichtsphilosophie Hegels, aber auch den Historismus Droysens bestimmt). So kann Aufklärung, deren Produkt die Revolution ist, keine Tradition begründen und nicht selbst zur Geschichte werden. Damit aber fällt die skizzierte Auseinandersetzung selbst aus der Geschichte heraus, deren Normativität die »Historiker« betonen und an die auch Görres letztendlich anknüpfen möchte. Der intendierte Weg aus der Krise läuft über eine Historisierung der Gesellschaft, die in Konkurrenz steht zu einer ahistorisch-vernunftorientierten Praxis, wie sie vermeintlich die Aufklärung konzipiert hatte. Görres formuliert hier einen für das politische Denken und die soziale Praxis im vormärzlichen Deutschland charakteristischen Gedanken. Auf dem Hintergrund des krisenhaften Verlaufes der politischen Revolution in Frankreich und der industriellen Revolution in England, die in Deutschland primär >rezeptiv< erfahren werden, gerät das aufklärerische Modell einer bürgerlichen Öffentlichkeit räsonnierender Privatleute6 in ein kritisches Licht. Funktionale Zwänge und Komplexitätserfahrungen scheinen seine Problemlösungskapazitäten zu überfordern: so gelten sowohl die revolutionäre >terreur< als auch der >Manchesterliberalismus< als Paradigmen für das Scheitern kollektiver Handlungskoordinationen, die auf der Basis vernunftgebundenen Handelns autonomer Individuen konzipiert sind. »Geschichte« ist, wie begriffsgeschichtliche und wissenschaftshistorische Untersuchungen nachhaltig herausgestellt haben, ein Konzept des 18. Jahrhunderts. Ihm verdankt sich der Kollektivsingular, dessen Implikationen über die Bündelung bis dahin nebeneinanderstehender Einzelgeschichten weit hinausreichen. Fundiert in einem Aufbrechen traditioneller (bäuerlich-handwerklicher) Lebenswelten, konstituiert sich eine neue Zeiterfahrung, die »Geschichte« zu einem politischen und sozialen Leitbegriff der Aufklärung werden läßt. »Vergangenheit und Zukunft zugleich erfassend, wurde >die Geschichte< zum regulativen Begriff für alle gemachte und noch zu machende Erfahrung«. 7 In diesem irreversiblen und universalen Prozeß der Vermittlung von Vergangenheit und Zukunft bekommt die als >Jetztzeit< ausgezeichnete Gegenwart eine besondere Erfahrungsqualität. 8 Die Konstanz eines Erfahrungsraumes, in dem tradierte Erfahrungen erwartungssteuernde und handlungsorientierende Nor6
Vgl. beispielsweise Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Darmstadt i 9 8 2 . Reinhart Koselleck, Kritik und Krise, Frankfurt/M. 1 9 7 3 . Reinhart Koselleck, Art. >Geschichte, Historie^ in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 593.
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Vgl. Hans Ulrich Gumbrecht, Art. >Modern, Modernität, Modernes in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, 9 3 - 1 3 1 .
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men vermitteln, bricht dabei mehr und mehr zusammen, während die Zukunft als utopisch geöffneter Erwartungshorizont erscheint. Meine These lautet, daß sich in der Neuzeit die Differenz zwischen Erfahrung und Erwartung zunehmend vergrößert, genauer, daß sich die Neuzeit erst als eine neue Zeit begreifen läßt, seitdem sich die Erwartungen immer mehr von allen bis dahin gemachten Erfahrungen entfernt haben. 9
Der so entfaltete Geschichtsbegriff stellt sich dar als universaler Bewegungsbegriff (Geschichte als objektiver Prozeß) und als Aktionsbegriff (Geschichte als Handlungsfeld historischer Subjekte). Nach der Wende zum 19. Jahrhundert erlebt er seinen Aufstieg zum kulturellen Leitwert, macht dabei aber entscheidende Modifikationen durch, die im Zusammenhang mit den zeitgleichen gesellschaftlich-ökonomischen Modernisierungsprozessen gesehen werden können. In dem Maße, in dem sich im Ubergang von der stratifizierten zur funktional differenzierten Gesellschaft Handlungsorientierungen aus traditionellen Zusammenhängen lösen und das Prinzip der Selektion von Handlungsalternativen die individuelle und kollektive Praxis zu dominieren beginnt,10 dringt ein Moment der Kontingenz in diese Praxis ein, das sich als Verunsicherung in den Bereichen der kulturellen Reproduktion, der sozialen Integration und der Sozialisation niederschlägt. Die Öffnung traditioneller Erfahrungsräume etabliert nicht nur utopisch besetzbare Erwartungshorizonte, sondern stimuliert auch gegenläufige Versuche, »die Zukunft als eine Quelle der Beunruhigung mit Hilfe teleologischer Geschichtkonzeptionen wieder zu verstopfen«.11 Geschichtsphilosophie und Historiographie entwerfen vor allem ein Paradigma für Vermittlung einer »erfahrungsarmen Zukunftshoffnung« und einer »erwartungslosen Vergangenheitsorientierung«: das der Entwicklung.12 Bevor dessen konkurrierenden, mit den Schlagworten Auflzlärung und Historismus verbundenen Besetzungen nachgegangen wird, soll die bei Görres angelegte Figur eines doppelten, paradoxen Zusammenhangs von Geschichte und Tradition wie von Geschichte und Katastrophe - der traumatisch erfahrene Traditionsbruch - weiter kontextualisiert werden. Eines der frühesten Zeugnisse für den Versuch, das »politische Schauspiel unserer Zeit« so zu verstehen, daß »alte und neue Welt [...] im Kampf begriffen« sind, stellt Novalis' >EuropaGeschichte< 686ff., 6 9 i f f .
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Beide sind unvertilgbare Mächte der Menschenbrust; hier die Andacht z u m Alterthum, die Anhänglichkeit an die geschichtliche Verfassung, die Liebe zu den Denkmalen der Altväter und der alten glorreichen Staatsfamilie, und Freude des Gehorsams; dort das entzückende Gefühl der Freiheit, die unbedingte Erwartung mächtiger W i r kungskreise, die Lust am Neuen und Jungen, die zwanglose Berührung mit allen Staatsgenossen, der Stolz auf menschliche Allgemeingültigkeit, die Freude am persönlichen Recht und am Eigentum des Ganzen, und das kraftvolle Bürgergefühl. 1 3
>Alt< und >Neu< werden bestimmt als einander widerstreitende Bewußtseinsformen. Der Ausgangspunkt dieses Streits ist nach Novalis die Reformation, sein vorläufiger Kulminationspunkt die französische Revolution. Seine Auflösung wird in keinem der vereinzelten Momente gesucht, sondern es wird die Notwendigkeit eines »dritten Elements« konstatiert, das als substantielles Prinzip der Vereinigung, für das das >Christentum< ein eher vages Modell bietet, den hybriden Ansprüchen und verdinglichenden Wirkungen von >Gesetz< und >Vernunft< ebenso wie der erstarrten Tradition entgegentreten könnte. Gesucht wird es im Prozeß einer Geschichte, die die im zeitgleichen Nebeneinander beharrenden Prinzipien wieder temporalisiert. »Der Zauberstab der Analogie« setzt Vergangenheit wie Gegenwart ins Recht, so daß das Vergangene nicht mehr als leblose »Ruine« in die Gegenwart hineinragt, sondern in einer Art poetischer Epiphanie ihr eigenes Leben an diese vermittelt. Entscheidende Voraussetzung allerdings ist die Demut gegenüber einer solchen Geschichte, die Gegenstand des Studiums und der gläubigen Folgsamkeit, nicht aber eingreifenden Handelns ist: O ! daß der Geist der Geister euch erfüllte, und ihr abließet von diesem thörichten Bestreben die Geschichte und die Menschheit zu modeln, und eure Richtung ihr zu geben. ( 5 1 8 )
Damit ist auch die zukunftsgerichtete Dimension von Geschichte in den Kontext eines quasi-sakralen Raums kontemplativer Anschauung einbezogen. Das »dritte Element« neigt sich stark dem traditionalen Pol der Opposition zu. Hier deutet sich die Identifikation von Geschichte und Tradition an, die in der politischen Romantik ausgebaut wird zu einer Legitimation der monarchischen Restauration. 14 Politisch bietet sich Novalis' 1799 entstandene >Rede< den Zeitgenossen an als Deutungskonzept für die Geschichte der kommenden Jahre. Im schrittweisen Niedergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis zu seinem endgültigen Zusammenbruch triumphiert die neue, antihistorische Welt über die alten Traditionen, um sich dann in einer langen 13
Novalis, >Die Christenheit oder E u r o p a s in: Novalis: Schriften, Bd. 3, hg. v. Richard Samuel, Stuttgart i960, 5 0 7 - 5 3 4 . 522.
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N e b e n dieser politischen Dimension besitzt die Bestimmung von Geschichte als G e gensatz von »Kontemplation und/oder > Wissenschaft auch eine für die poetologischen Diskussion um Geschichtsdramatik relevante Dimension, die unter »Vergessen und Erinnern II< behandelt werden soll (s.u., 1 y^ff.).
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Serie von Kriegen selbst zu zerfleischen. In der Restauration dagegen bekommt wieder die traditionale Kraft ein Übergewicht und läßt, wie Eichendorff 1818 formuliert, in Chaos und »blutigem Wahnsinn [...] die Lineamente einer neuen Bildung« sich abzeichnen und erkennen, »daß wir zu einem welthistorischen inneren Kampfe erwacht sind«. 15 So jedenfalls zeichnet sich in weiten Teilen des historisch-politischen Diskurses im Vormärz die Sequenz von Aufklärung, Revolution und Restauration retrospektiv ab, wobei die politischen und militärischen Ereignisse lange Zeit einen weniger signifikanten, aber um so umfassenderen und tiefgreifenderen sozialhistorischen Wandel verdecken. Auf dieser Grundlage läßt Friedrich Schlegel seine 1 8 2 8 - also zwei Jahre bevor Immermann sein Zarendrama in der Katastrophe enden läßt - in Wien gehaltenen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte< in eine Verdammung jeder Form politischer Aktivität münden, die nicht »auf der demütigen und darum religiösen Gesinnung« beruht, welche »das, was einmal historisch da ist, rechtlich bestehen läßt«, sondern »alles zu beurteilen und zu modeln und die Welt dem gemäß neu einzurichen sich anmaßen wollte«. 16 Die beiden letzten, dem 18. Jahrhundert gewidmeten Vorlesungen zeichen in formelhaft wiederholten Sentenzen »das Gemälde dieser Zeit« als apokalyptisches Szenario, als »Abgrund des Untergangs«, »Abgrund des Verderbens«, als Höllental, in dem die zerstörenden Dämonen zur Herrschaft gelangt sind. Der »Menschenstolz der neuern Zeit, der die Geschichte selbst machen will, statt sie demütig anzunehmen«, erscheint als hybrider Wahn, »politische Krankheit« und »epidemisches Völkerübel«, unfähig, eigene Werte zu schaffen und so in der pervertierten Verdrehung der echten, religiös fundierten Werte erstarrend. »Republik«, »Göttin der Freiheit«, »große Nation«, »Kriegsruhm«, »reine Eroberungslust« fließen im »antichristlichen Staatsgeist« zusammen als völlig isomorphe »Abgötter«: »Es ist immer der nämliche Dämon der politischen Zerstörung, der antichristliche Staatsgeist, welcher die Zeit verführt und die Welt beherrschen will« (404). Ihm verfallen auch eine ganze Reihe europäischer und speziell deutscher Monarchen, die sich »durch den Titel der Aufklärung geschmeichelt« gefühlt und - wie Friedrich II., jener »unter den Waffen und in Staatsgeschäften ergraute König« - nicht einmal die Verbindung mit den »verderbtesten Stimmführern des französischen Unglaubens« gescheut hätten. Seitdem aber hat die ernste Wendung der Dinge, in der allgemeinen Umwälzung und neuen Gestaltung der Welt, längst historisch darüber entschieden, daß nicht bloß ei-
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Joseph von Eichendorff, >Über die Folgen der Aufhebung der Landeshoheit der Bischöfe und der Klöster in Deutschland< ( 1 8 1 8 ) , in: Werke, Bd. j, 4 J jff.
16
Friedrich Schlegel, >Philosophie der Geschichte. In achtzehn Vorlesungen gehalten zu Wien im Jahre 1828«, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 9, hg. v. Jean-Jacques Anstett, München u.a. 1 9 7 1 . 4 1 5 , 389.
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ner oder der andere, sondern viele der tätigsten und einsichtsvollsten Regenten jenes Jahrhunderts den Grundsätzen des herrschenden Zeitgeistes viel zuviel eingeräumt haben und in zu rascher Eile seinem unaufhaltsam alles mit sich fortreißenden Gange gefolgt sind. (40οί.)
Erst die »Katastrophe« der französischen Revolution, die in ihrem »fanatischen Haß gegen alles Heilige« als »Religionskrieg« gezeichnet wird, habe die immanenten Tendenzen der Aufklärung so zugespitzt, daß ihr wahrer »fanatisch zerstörernde[r] Charakter« unübersehbar hervorgetreten sei: »Erst als man an dieses äußerste Ziel der gepriesenen Aufklärung gelangt war, fing das Erwachen an«. Damit bricht zugleich die Zeit der historischen Reflexion an. Die politischreligiöse Restauration der alten Ordnung erscheint quasi als - in Realität umgesetzte - Selbstreflexion der Aufklärung, die ihre »politische Abgötterei« überwindet und ihre »liberalen Grundsätze und Gesinnungen« an eine »entschieden religiöse Richtung« zurückbindet. Schlegels Argumentation ist beherrscht von einer grundlegenden Ambivalanz. Einerseits betont er die Notwendigkeit, die revolutionäre Epoche vollständig zu überwinden, um zu einem »Religionsfrieden« zurückkehren zu können - »ehe jener Abgrund des Verderbens nicht vollkommen geschlossen ist, kann auch das Haus des Herrn, wo Friede und Gerechtigkeit sich umarmen, nicht auf dem neu gereinigten Erdreich emporsteigen.« andererseits kann ein konsequent historisches Denken das 18. Jahrhundert als historische Realität, als Gewordenes nicht völlig ignorieren, wenn es nicht in den Fehler der als Ursache allen Übels angesehenen Abstraktion verfallen will. Aus dieser Ambivalenz resultiert das Programm der »Philosophie der Geschichtec es bleibt verpflichtet auf »historische Forschung [...], weil in ihr grade das wirksamste Gegengewicht und Heilmittel liegt, gegen den in der deutschen Wissenschaft und spekulativen Richtung so besonders vorherrschenden Geist des Absoluten« (421). Zweck dieser Forschung ist es, die Momente der Wahrheit in ihren historischen Verstellungen zu identifizieren, die selbst der Aufklärung nicht abzusprechen sind, aber von dieser durch »eine übereilte und leidenschaftliche Schnelligkeit im Gange des Verfahrens« pervertiert wurden. Das Grundprinzip, nach dem Schlegel Geschichte organisiert, ist das des Verfalls, der Verzerrung eines ursprünglich Guten; dementsprechend versteht sich seine Historiographie als Rekonstruktionsarbeit, die in »so mannigfach abweichenden Spuren und Bruchstücken« den gemeinsamen Bezugspunkt der »göttlichen Offenbarung« aufzeigt. Sie fragt »nach jener Grundlage von dem göttlichen Ebenbilde im Menschen und von der Wiederherstellung desselben, als dem Inhalt aller Geschichte« (151). Die Akte solcher Wiederherstellung bilden nun den »Stufengang [...] der Weltgeschichte [...], oder was wir die Menschheit und die Entwicklung und Bildung derselben nennen«. In eigentümlicher Weise überlagern sich die einzelnen Verfallsgeschichten und diese allgemeine Bildungsgeschichte, die nur in ständig gesteigerter Reflexivität sich des Ursprungs versichern kann. 59
Die identitässtiftende Bedeutung von Geschichte bestimmt von Beginn an Schlegels Tätigkeit als Historiker. In den im unmittelbaren Kontext der Revolutionskriege und der französichen Besetzung Deutschlands stehenden Vorlesungen >Uber die neuere Geschichte< ( 1 8 1 0 / 1 1 ) und >Geschichte der alten und neuen Literatur< (1812) ist sie jedoch weit stärker national als religiös orientiert. Die Literaturgeschichte erscheint dabei als eigentliche Geschichte, da ihr Gegenstand die »National-Erinnerungen« sind, in denen sich das Selbstbewußtsein einer Nation und damit ihr eigentlicher Wert manifestiert: Merkwürdige Taten, große Ereignisse und Schicksale sind allein nicht zureichend, unsere Bewunderung zu erhalten, und das Urteil der Nachwelt zu bestimmen; es muß ein Volk, wenn dieses einen Wert haben soll, auch zum klaren Bewußtsein seiner eigenen Taten und Schicksale gelangen. Dieses in betrachtenden und darstellenden Werken sich aussprechende Selbstbewußtsein einer Nation ist die Geschichte. Ein Volk, dessen Siege und Taten durch den Styl eines Livius verherrlicht, dessen Unglück und Versunkenheit von dem Griffel eines Tacitus für die Nachwelt hingestellt worden, tritt auf eine höhere Stufe, und wir können es unserm Gefühl nach nun nicht mehr ohne Ungerechtigkeit unter den großen Haufen der Völker reihen, die ohne in der G e schichte des menschlichen Geistes irgend eine Stelle einzunehmen, auf dem Schauplatz vorübergingen, eroberten, und wieder erobert wurden. 1 7
Die Vergänglichkeit der äußeren Begebenheiten wird aufgehoben in der Überlieferung einer Poesie, in der Dichtung und historiographische Forschung zusammenfließen. Das wird deutlich, wenn Schlegel in seinen Vorlesungen >Über die neuere Geschichte< solche »National-Erinnerungen« für die Deutschen bis in die frühste germanische Geschichte zurückverfolgt. Poesie und (historische) Tat fließen hier ineinander: »die Helden waren selbst die Dichter«. Zwar hat sich von dieser Dichtung aus den älteren Zeiten kaum etwas erhalten, auch verlieren sich die einzelnen historischen Ereignisse im Dunkel, so daß selbst der größte dieser Helden, Hermann der Cherusker, fast in Vergessenheit geraten konnte - »Wohl sind die Gesänge verschollen, in denen Hermann, nachdem er bei seinem Leben verkannt und mit Undank belohnt worden war, wenigstens nach dem Tode verherrlicht ward«. Aber die »Poesie« als Ganzes, die das integrierende Prinzip des germanischen Lebens war, hat sich tradiert: »was irgend gut und schön, was in einem gewissen Sinne wahr, was edel und liebenswürdig« war im nationalen und religiösen Leben des deutschen Volkes, »das hat sich in der romantischen Dichtkunst erhalten, lebt noch als Poesie fort«. Eine Poesie, an die die Zeitgenossen Schlegels »wenigstens auf der Schaubühne, obwohl nicht immer glücklich, erinnert werden.« 18 In der »europäischen Bildung« sind die Prinzipien von »Kultur« und »Verfassung« der Germanen noch präsent. Mit ihrem »uralten Recht der Selbsthül17
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>Geschichte der alten und neuen LiteraturÜber die neuere Geschichteorganisch< gewachsene, historisch-nationale Rechtsvorstellungen gegen ein rational entworfenes Recht, wie es die >Historiker< paradigmatisch verkörpert sehen im französichen >Code Civil< (bzw. Code Napoleon), dem »Fluch der Revolution«, dessen Übernahme durch die Rheinbundstaaten eines ihrer Hauptangriffsziele bildete: Die Revolution nämlich hatte zugleich mit der alten Verfassung auch einen großen Teil der bürgerlichen Rechte vernichtet, beides mehr aus blindem Trieb gegen das bestehende und in ausschweifenden, sinnlosen Erwartungen von einer unbestimmten Zukunft.2' 21 22 23
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>Über die neuere Geschichte^ Kritische Ausgabe, Bd. 7, 167. >Philosophie der GeschichteGeschichtskulturJoseph Heydrich< findet (vgl. u., 98f.). 30
Zitiert nach Günter List, Historische Theorie und nationale Geschichte zwischen Frühliberalismus und Reichsgründung, in: Bernd Faulenbach, Geschichtswissenschaft in Deutschland, München 1974, 3 5 - 5 3 . 36.
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Allgemeine Geschichte vom Anfang der historischen Kenntniß bis auf unsere Zeiten. Für denkende Geschichtsfreunde bearbeitet von Karl von Rotteck. 15. A u f l . Braunschweig 1 8 4 1 , Bd. 1, 42ff.
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E s geht in dieser Zusammenstellung nicht darum, einen Einfluß der romanischen Konzeptionen auf die politische Funktionalisierung von Geschichte aufzuweisen. Die gesellschaftlich-politische Wirkung etwa F. Schlegels dürfte relativ gering gewesen sein, die ideologischen Fundamente restaurativer Politik wurden von anderen f o r muliert (in Wien z.B. weit eher von Gentz, den Metternich nicht nur als politischen
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grenzen sich nicht nur ab gegenüber »Aufklärung« als vermeintlich ahistorischer - oder antihistorischer - Praxis, sondern auch gegenüber der historischen Wissenschaft, die am Ende des 19. Jahrhundert retrospektiv den Namen »Historismus« erhält. Innerhalb der disziplininternen Entwicklung, d.h. ab 1800 in erster Linie innerhalb des universitären Faches >GeschichteHistorismus< richten gegen eine derartige Geschichtsschreibung v.a. den Vorwurf überzogener Abstraktheit und einer damit verbundenen Unangemessenheit des analytisch-deskriptiven Instrumentariums gegenüber dem eigentlichen G e genstand historiographischer Forschung, der unter den hohen Anforderungen an intentionale Syntheseleistungen der Universalgeschichte verloren zu gehen droht. Ihr eigenes Erkenntnisinteresse, ebenfalls mit der Absicht der Identitätsbildung verknüpft, richtet sich demgegenüber auf die je spezifischen individuellen Ausprägungen einzelner Epochen und Kulturzusammenhänge (Völker, Staaten). Innerhalb dieser partikularisierten Einheiten richtet sich dann allerdings die Perspektive »aufs Ganze«, d.h. auf die >GesamttendenzIdee< u.a., die eine solche Einheit »oberhalb des Tageskampfes« einzelner Parteien bestimmt. 35 Indem der Historismus sich dem Anspruch widersetzt, aus histori-
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Publizisten, sondern auch als Berater schätzte). Schlegels Vorlesungen bieten sich jedoch als Reflexion der Situation an. Jörn Rüsen, Von der Aufklärung zum Historismus. Idealtypische Perspektiven eines Strukturwandels, in: Horst Walter Blanke/Jörn Rüsen (Hg.), Von der Aufklärung zum Historismus, Paderborn 1984. 45, 56.
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Rüsen, 47.
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Z u Leopold von Rankes vielzitierten Formulierungen des historistischen Selbstver-
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scher Erfahrung allgemeine Regeln menschlichen Verhaltens zu gewinnen, und statt dessen bevorzugt die Prozesse betrachtet, an die sich die Gegenwart kontinuierlich anschließen läßt, leistet er, so Rüsen, eine »geschichtstheoretische Rationalisierung der Orientierungsbedürfnisse«. Rationalisiert wird zugleich die Darstellung, deren Kohärenz nicht mehr Ergebnis einer vorformulierten, theoretisch reflektierten Programmatik ist, sondern an den empirisch überprüfbaren Forschungsprozeß rückgebunden wird. Die Differenz von Aufklärung und Historismus liegt also wesentlich auf der Ebene der metanarrativen Konzepte und ihrer Reflexion, während, wie vor allem Hans-Jürgen Pandel gezeigt hat, eine weitgehende Kontinuität der zentralen methodologischen - forschungsleitenden und darstellungstheoretischen Paradigmen besteht. Entgegen dem Selbstbild der Historiker des 19. Jahrhunderts sind quellenkritische, hermeneutische und narrative Verfahren bereits in der Aufklärungshistoriographie vor 1800 weitgehend entwickelt. Wenn diese Geschichte als »System« statt als »Aggregat« konzeptualisiert, ersetzt sie »Beschreiben« durch »Erzählen«, »Zustand« durch »Handlung«, »Synchronie« durch »Diachronie« und eine »abgerissene Folge« von »Begebenheiten« durch die »genetische Reihe« des »Werdens eines Zustandes«' 6 und vereinheitlicht dabei eine Vielfalt vormoderner Darstellungsformen wie Chronik, Tabelle, Brief, Katechese, Lemma, Sammlung, Tableau zugunsten von Narration. Allerdings bleibt die Dominanz der Erzählung in zweifacher Weise gebrochen: gegenüber der narrativen, diachronen Struktur des historiographisch erzeugten Wissens bleibt mit dem geschichtstheoretischen und speziell dem distributionsbezogenen Wissen eine systematisch argumentierende, synchrone Darstellungsform integraler Teil der Geschichtsschreibung, außerdem wird die Narration ergänzt durch eine Tendenz der Versinnlichung mit Hilfe z.B. von Abbildungen und Karten. 37 In den systematisch-argumentativen Teilen artikuliert sich - laut Pandel - nicht nur das jeweilige politisch-pädagogische Programm, sondern auch das Bewußtsein, daß »Erzählung« kein neutrales Medium der Datenverarbeitung darstellt, sondern selbst »selektiv« und »sinnproduktiv« ist und damit eine Eigengesetzlichkeit freisetzt, die eine metanarrative Reflexion auf die zugrundeliegenden Konstruktionsprinzipien (Erzählmuster) erforderlich macht. Eben das leisten die Historiographen der Aufklärung unter
ständnisses vgl. Rudolf Vierhaus, Ranke und die Anfänge der deutschen Geschichtswissenschaft, in: Bernd Faulenbach (Hg.), Geschichtswissenschaft in Deutschland, München 1 9 7 4 . , 2 i f . Helmut Berding, Leopold von Ranke, in: Hans Ulrich Wehler (Hg.), Deutsche Historiker, Bd. 1, Göttingen 1 9 7 3 . ioff. 36
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Hans-Jürgen Pandel, Historik und Didaktik. Das Problem der Distribution historiographisch erzeugten Wissens in der deutschen Geschichtswissenschaft von der Spätaufklärung bis zum Frühhistorismus ( 1 7 6 J - 1 8 3 0 ) , Stuttgart 1990. j 8 f f . Vgl. Pandel, 39ff.
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den Kategorien »Fortschritt«, »weltbürgerliche Absicht« und »Gegenwart«' 8 : der Fortschrittsgedanke schließt die Geschichte zu einem Kontinuum zusammen, in dem sich qualitative Veränderungen vollziehen, die vom jeweils zeitlich späteren Pol der narrativen Opposition die Kritik des Vorhergehenden erlauben; aus dieser Kritik speist sich das Selbstbewußtsein der Gegenwart, so daß in weltbürgerlicher Absicht Geschichte als Bildungsgang des Menschengeschlechts konzipiert werden kann; schließlich wird als Ausgangspunkt der Geschichtsschreibung die Interessenlage der Gegenwart, deren Verständigungsbedürfnis bestimmt. In der Kritik dieser Konzepte begründet sich - wenigstens ebensosehr wie im Oppositionsverhältnis zur Geschichtsphilosophie des Idealismus - das reflexions- und theoriefeindliche Pathos, das zu den auffälligsten Charakteristika historistischen Selbstbewußtseins zählt. Neben die gegenständliche Festlegung auf abgeschlossene, >individuelle< Einheiten tritt der Ausschluß einer systematisch argumentierenden >Moral< oder >KritikAslauga< von Friedrich Baron de la Motte-Fouque, 1808 -1809 zunächst einzeln, dann unter dem Titel >Der Held des Nordens< als Trilogie veröffentlicht.6 Das Fichte gewidmete Werk soll den »Enkeln« den »Klang / Uralten Heldenliedes, halb verweht« wachrufen, wie er »Aus deutschen Wäldern mahnend stieg«. U b e r Haiden weit Wallt ein Knab Bleich Gesicht, ärmlich G e w a n d t Irrlicht Führer Feld ihm Bette Nachtwolke sein wirthlich D a c h W o ist dein Schwert? Zerschlugs im Krieg F ü r die, so nun mir dankleer sind. W o ist dein Helm? Ist zerhau'n U m falscher Liebe Lächeln W o ließ'st du's Gold, Der Väter Gut? Verweht in schöner Worte Wind. W o der Burgen Pracht, Preis aller Zeit? Zertrümmert trauern sie am Rheinstrom. [...] Gras umweh't Seh' ich ein Grab, Ruhe wohnt dort, doch nicht der Ruhm. Die Haide schweigt U m den Hügel rings, Wollige Herden weiden drauf - (146)
Fouque zeichnet die Geschichte der Nibelungen als Untergang eines Volkes und einer Kultur; so, wie es August Wilhelm Schlegel in seinen Berliner Vorlesungen zur >Geschichte der romantischen Literatur< im Winter 1802/3 beschrieben hatte: »Diese kolossale Tragödie endigt mit dem Untergange einer Welt, es sind die letzten Dinge des Heldenzeitalters, und zwar so, daß man sich nach den Nibelungen weiter kein mythisches Epos aus diesem Zeitalter denken kann«.7 Niflung, Högnes (Hagens) Sohn und einziger Überlebender des Infernos, in dem >Sigurds Rache< endet, wandert auf öder Heide dem prophezeiten einsamen Tod entgegen. Mit ihm verwischen sich die Spuren des Volks, dessen
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Friedrich de la Motte-Fouque, D e r Held des Nordens, Wien 1 8 1 6 . August Wilhelm Schlegel, Kritische Schriften, Bd. 4, hg. v. Edgar Lohner, Stuttgart 1965, 1 1 4 . Fouque kannte die Vorlesungen Schlegels, mit dem er auch einen Briefwechsel über die >Nibelungen< führte. 75
Namen er trägt. Damit ist aber erst der zweite Teil der Trilogie an seinem Ende. Der dritte, >AslaugaSigurds Tod< aus den Flammen des Scheiterhaufens formen, auf dem Sigurd und Brynhildis verbrannt werden. Eingeführt als Allegorien auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - »Wurdur hat das Geword'ne gelenkt, / Werdandi lenkt das Werdende jetzt, / Und Skuld hat Kunde, was kommen soll« (54) - bilden sie das mythologische Prinzip, dessen säkularisierte Form in der Vorstellung von der richtenden Macht der Geschichte vorliegt: das »gewordne« Unrecht schreit nach Rache, die aber nicht die Gegenwart, »nicht reif zu greifen das Richterschwert« und als »Beute der Trau'r« »machtlos durch die Nacht hin« rauschend, sondern erst die Zukunft, »rächende Königinn« bieten kann. Sie bietet den Trost der Geschichte: Ich eile nicht, ich weile nicht. Wir geh'n Alle den steten Gang, wir seh'n Gericht erhoben und auch geschlichtet, L a u f Menschenkind, entlaufst uns nie! ( 1 7 2 )
»Beute der Trau'r« ist auch die Gegenwart Fouqes, der die Vergangenheit einen doppelten Trost zu bieten hat. Neben der Hoffnung auf die Zukunft, die die angetane Schmach rächen soll, vermittelt sie auch die Gewißheit einer heroischen Kraft der deutschen Nation, die zum Motor solcher Rache werden soll. Im Vorwort zu >AslaugaBefreiungChriemhilds Rache, Trauerspiel in drey Abtheilungen, mit dem ChorBraut von Messina< verfehle die poetische Idee des Chores in der Aufspaltung in »Partheien«, die zu große Zugeständnisse an die »Modernität« mache (IV). Als »Repräsentant der Öffentlichkeit« (VI) habe der Chor gerade die Einheit des Volkes zu demonstrieren, eine Einheit, die jedempolitischen Streit übergeordnet ist, und in der sich Dichtungund Volkspoesie verbinden. Sie liefert den Beweis, »daß auch die neue Periode ihre poetischen Elemente im Leben hat«, und bietet zugleich den Standort für die »hohe Reflexion des Dichters, wodurch er ruhig herrschend über der Handlung steht« (VI). Das ist nicht mit Überparteilichkeit zu verwechseln. Müller setzt seinen Chor gezielt als nationalpädagogisches Instrument ein, um den Rezipienten sei9
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Johann Wilhelm Müller, Chriemhilds Rache, Heidelberg 1822.
η es Dramas in jedem Augenblick klar zu machen, mit wem sie sich zu identifizieren haben, wenn im dramatischen Widerstreit der Meinungen die Übersicht verloren zu gehen droht. »Wo der C h o r die Empfindungen des zuschauenden Volkes andeutet«, äußert sich tatsächlich der unverholene Chauvinismus des Autors, der die Einheit seiner Rezipienten erzwingen möchte. Signifikanterweise steht hier nicht mehr die Katastrophe selbst im Zentrum des dramatischen Fokus, sondern das, was durch sie ausgelöscht wird: ein Germanentum, das derartig christlichdeutsch überformt ist, daß es problemlos an die Gegenwart anknüpfbar scheint. Demgegenüber betont Ernst Raupachs >Der Nibelungen=Hort< 1 0 wieder das Moment des Kampfes; eines Kampfes aber, der Überlebende kennt. A u c h hier ist - diesmal in einem Vorspiel, das die Haupthandlung parabolisch vorwegnimmt - eine Ebene eingeführt, auf der der intendierte Kontext expliziert wird. Ein Riese ist in das Land des Zwergenvolks der Nibelungen eingedrungen und hat diese unterworfen. N u n herrscht er, verwandelt in einen Drachen, als fremder, blutiger Tyrann, bis er von Siegfrid besiegt wird, der dafür vom N i belungenkönig Eugel als Befreier gefeiert wird: » U n d wir Kinder der dunkeln Erde / Werden erlöset vom schmählichen Joch« (4). Genau die Formulierung wird am Ende aufgenommen, wenn Rüdiger und Dietrich den Untergang der Burgunden in einen weitergespannten Kontext stellen: Rüdiger: Und hat ein schweres Joch von uns genommen, Und eine bess're Zeit wird leuchtend kommen, Wie dort der Morgen durch die Wolken bricht. Dietrich: Der Erde langes Unglück ist gerochen: Die Völkergeißel hat der Herr zerbrochen, Erbarmend hat er unser Volk befreit Von wilder Horden schnöder Dienstbarkeit, Erlöst von finsterm Heidenthum die Erde: Nun laßt uns handeln, daß es besser werde. (184) 1 1
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Ernst Raupach, Der Nibelungen=Hort, Hamburg 1834. Die Attribute Etzels, »Völkergeißel«, »Weltverwüster«, »grimmer Wolf«, lassen keinen Zweifel, wer mit dem »Tyrann« gemeint ist, der mit seinen Armeen Europa überschwemmt, eine ganze Reihe kleinerer Königreiche zu Vasallen macht und die übrigen bedroht. Sein »Heidentum«, das wie bei Brunhild in erster Linie Fremdheit konnotiert, ist nur ein Attribut unter andern, und es verweist eher auf das »Neue Heidentum« der französischen Revolution, dessen Erbe der »Satan« Napoleon ist, als auf ein vorchristliches. So ist Raupachs >Nibelungen-Hort< kein »Gesang auf die Macht Gottes«, wie es Birgit Fenner, Friedrich Hebbel zwischen Hegel und Freud, Stuttgart 1979, in Abgrenzung gegen Hebbels >Nibelungen< sieht; kein »christlicher Zeigefinger« (Fenner, 208) wird hochgehalten, sondern ein nationaler - Fenners Uberbetonung des Christentums, das im Vergleich zu vielen anderen Nibelungen-Dichtungen, z.B. Müllers, bei Raupach eine relativ untergeordnete Rolle spielt, scheint sich v.a. einem Lesefehler zu verdanken: kein »Engel [...], der im Personenverzeichnis als Nibelungenkönig ausgewiesen ist« (208), spricht den Anfangsmonolog, sondern tatsächlich der Nibelungenkönig, und der heißt Eugel.
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Die Aufforderung bezieht sich auf die Fehler der Burgunden. Sie haben letztlich, was auch das Vorspiel bereits deutlich herausgestellt hat, ihren Untergang selbst verschuldet, indem sie sich mit »Fremden« eingelassen haben. Bei aller sonstigen dramaturgischen Unschlüssigkeit ist diese Botschaft eindeutig. Wenn Günther gegen alle Warnungen auf der Heirat mit Brunhild besteht, dann bringt er nicht nur eine nie ganz zu integrierende Fremde - wobei deren Heidentum nur ein Aspekt unter vielen ist - als Königin in sein Reich, sondern der zugrundeliegende Verrat entfremdet ihn auch seinem engsten »Genossen« Siegfrid. Das stellt niemand deutlicher heraus als die von allen betrogene Brunhild, die dennoch den Part des >Bösewichts< zu spielen hat: »Nein, nicht des Schicksals, Eure Tücke war's: / Denn als ihr mich betrogt, betrogt Ihr Euch« (116). Günther begeht den gleichen Fehler noch einmal, als er, wieder gegen deutliche Warnungen, seine Schwester Chriemhild in der trügerischen Hoffnung auf ein Militärbündnis an Etzel, den anderen großen »Fremden«, verheiratet. Die Burgunden haben selbst den Riß verursacht, der ihren Untergang bringt, getreu der Prämisse des Vorspiels: Frei wollen die Götter des Menschen Willen; E r soll nur ernten von seiner Saat Daß selbst erkorene Last er nur trage, [...] U n d nur erliege der eigenen Tat. (30)
Das ist nicht als Handlungsfreiheit mißzuverstehen. Es verpflichet den Menschen vielmehr auf seine ihm vorbestimmte Bahn, von der abzuweichen notwendig Unglück bringt. Z u r Freude des Menschen lassen die Götter Wachsen im nächtlichen Schooße der Erde Die Zauberwurzel, das schimmernde Gold. Z u r Freude des Menschen lassen die Götter Blühen auf Erden am rosigen Lichte Die lebende Blume, das herrliche Weib. D o c h siehe! D e r Mensch, sich selbst nur wollend, Fröhnend den Lüsten, machet zu Schanden Der Götter freundlichen Willen und Rath: U n d es erwächst aus der schimmernden Wurzel, U n d es erblüht aus der lebenden Blume Verrath und Verwüstung und blutiger Mord. (29)
»Die großartige Geschichte unserer Vorzeit« dient Raupach als Material in einem Verdrängungswettbewerb: Meine Stücke [...] haben [...] in einer für die dramatische Kunst sehr gefährlichen Zeit eine Masse des Ausländischen von unsrer Bühne fern- und dadurch das Feld für einheimische Anpflanzungen freigehalten. 12
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Ernst Raupach, Die Hohenstaufen, Hamburg 1 8 3 7 , Vorrede, o.S.
Raupach spricht von den zwanziger Jahren, als die deutsche Bühne von »TagesProdukten des Auslandes«, überwiegend französischer Herkunft, erstickt zu werden drohte. Der Befreiungskrieg ist um das Theater noch einmal zu führen, denn in der »Schule der Volksbildung« droht verloren zu gehen, was auf den Schlachtfeldern bei Leipzig und anderswo so mühsam gewonnen wurde. Auf den militärischen folgt der kulturelle Kampf. Die geeignete Munition liefern »die Sagen und die Geschichte des Volks«, denn immerdar bleibt unsere eigene Vergangenheit unsere beste Lehrerin, und die Vergangenheit des Volkes ist seine Geschichte. [...] Hätten wir Deutschen unsere großartige Geschichte, die nicht wie die französische und englische im Mittelalter bloße Spezial-, sondern Weltgeschichte ist, hätten wir sie von Heinrich I. bis zum Westfälischen Frieden in 70 bis 80 Dramen auf der Bühne, so besäßen wir ein Nationaltheater, wie noch nie ein Volk besessen hat; und vielleicht wäre es ein Mittel gegen die A u s länderei, an der wir siechen. 13
Einen Grundstock dafür hat Raupach mit den 16 Teilen seines HohenstaufenZyklus (und einer ganzen Reihe anderer Mittelalter-Dramen) gelegt; mit seinem Nibelungen-Drama geht er noch über den abgesteckten historischen Rahmen hinaus, bleibt aber dem Programm der Nationaldichtung verpflichtet. Der Stoff, der in militärisch aussichtsloser Situation gerade in der Unbedingtheit des Willens zu Kampf und Untergang eine Garantie der höheren Identität vermitteln sollte, wird dabei reformuliert als Mahnung an die, die noch einmal davongekommen sind.
(2) Die Wiedervereinigung des Zerrissenen, die August Wilhelm Schlegel von den »Gesinnungen« ausgehen sah, ist nur ein Teil der Wiedererlangung nationaler Identität. Erst nachdem auch politisch und militärisch die französische Hegemonie gebrochen ist, kann Heinrich Luden das in den Vorlesungen von 1809 entworfene Programm nationaler Historiographie einlösen. Als deren entscheidender Motor stellt sich ihm retrospektiv die Verbindung von historischem Gedächtnis und nationalem Befreiungskampf dar. Seine ab 1825 erscheinende >Geschichte des teutschen VolkesVorredeAusgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit erscheinen könnte, ist jedoch gerade auf den Verlust von Tradition kritisch bezogen. Erst als Kompensation der >unerträglichen< Gegenwart gewinnt eine Vergangenheit Kontur, die zuvor unter Vorurteilen, »Gleichgültigkeit« und »Grauen« verborgen war. Die Zeit der Gleichgültigkeit, die noch vor einem Menschen=Alter gegen die G e schichte des teutschen Volkes herrschte, ist freilich vorüber. Damals stand das sogenannte Mittel=Alter vor den Augen der meisten Menschen wie eine sternlose Nacht, nur von einem blassen Nordscheine schwach erhellet: nicht ohne Grauen vermochte man in dieselbe hinein zu blicken. (V)
Die wenigen Zeugnisse blieben Gegenstand »schweigender Verwunderung«; »sie standen da wie stumme Zeugen über die Vorzeit des Vaterlandes; der Geist wurde nicht bereichert, das Herz nicht gehoben oder gestärket.« (VI) Nicht eine Phase ungebrochener Gültigkeit von Tradition geht der historischen Reflexion voraus, sondern eine Epoche des Vergessens. Das ist ein deutlicher Vorwurf an die >Aufklärungs-HistoriographieMonumenta Germaniae Historica an< - erregen zwar die gespanntesten »Erwartungen von einer künftigen Geschichte des teutschen Volkes«, vertagen ihre Erfüllung jedoch auf unabsehbare Zeit. Damit aber zeichnet sich eine neue Epoche des Vergessens ab, ausgehend von den überzogenen Methodenansprüchen einer Wissenschaft, die sich permanent am »Vor=Abende großer Resultate« wähnt, ohne je zu diesen zu gelangen. Unversehens schlägt die Selbstkritik Ludens in Skepsis und Spott gegen seine möglichen Kritiker um, deren Ansprüche in so grotesker Weise überzogen wären, daß sie keine historiographische Praxis begründen können. Was Luden dem entgegen zu setzen hat, ist die schlichte Notwendigkeit einer »Geschichte seines Vaterlandes«, sei sie noch so provisorisch, gegründet in einem »Bedürfnis des menschlichen Herzens«, das so selbstverständlich wie »natürlich« ist. Nur so ist die öffentliche Wirkung, auf die es in erster Linie ankommt, zu gewährleisten: und die Geister der Vorfahren werden immer reiner und verklärter in der Geschichte des teutschen Volkes herauf steigen aus ihrer Gruft, um den Fürsten und den Völkern die Weisheit zu verkünden, welche die Ehre begründet und das Glück sichert und mehret. ( X H I f . )
Die Totenbeschwörung sieht sich jedoch zunächst mit einem anderen Skandal konfrontiert, der tiefe Schatten auf die Ursprünge deutscher Geschichte wirft: der fehlenden Uberlieferung. Hier ergeht eine deutliche Schuldzuschreibung an die Geschichtsschreiber des Altertums. Besonders die Griechen, in ihrer Selbstfixiertheit unfähig, die Größe anderer Völker zu erkennen (6), hätten es aufgrund von Ignoranz und Unkenntnis versäumt, angemessene Nachrichten über die deutschen Vorfahren zu überliefern. Bei den Römern ist gar ein noch schwerwiegenderer Verdacht angebracht: der einer bewußten Geschichtsfälschung. Davon betroffen ist insbesondere das Ereignis, mit dem »Teutschland« mit kaum zu überbietender Theatralität seinen Platz in der Geschichte einklagt. Mitten in das »fröhliche Sieges=Getümmel«, in dem Rom die militärischen Erfolge von Tiberius und Germanicus feiert und sich auf die bevorstehende Eingliederung Germaniens freut, platzt die »Schrekkens=Botschaft« »von dem Aufstande der teutschen Völker, von der gänzlichen Vernichtung des römischen Heeres in Teutschland« (222) - ein Schockeffekt, den Luden genüßlich zelebriert. Die Begebenheit, von welcher die erste Nachricht in dieser Weise auf R o m wirkte w a r ohne allen Zweifel, wie im Ursprünge so im Ausgange, groß und gewaltig; ihre Folgen
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haben eine unendliche Wichtigkeit gehabt, nicht bloß für das teutsche Volk, sondern für die Entwickelung des Geistes überhaupt und für die ganze Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens. Unglücklicher Weise aber kennen wir dieselbe nur höchst unvollkommen. Die Ehre des teutschen Volkes und der Ruhm der einzelnen Männer, welche lenkten und leiteten und mit ihrem Geiste die Masse beherrschten, war den Römern gleichgültig; ja sie haben, um die eigene Schmach vor sich selbst und vor der Nachwelt zu verbergen, absichtlich entstellt und die Herrlichkeit der Teutschen zu schmählern und zu beflecken gesucht. Unwissenheit, Stolz, Mensch=Verachtung und eine ganz andere Ansicht vom Leben und von den Verhältnissen des Lebens, von Ehre und von Tugend haben nicht minder eingewirkt. Und über dieses Alles hat diese Zeit keinen Geschichtsschreiber, der nur einiger Maßen den Willen gehabt hätte, das Ereignis mit einiger Ausführlichkeit treu und wahr darzustellen. (223) Schon einmal also war Deutschland besetzt worden, schon einmal hatte es sich in einem heroischen A k t befreit, und schon einmal war dies alles dem Vergessen, oder schlimmer: der Entstellung, überantwortet worden. Die >HermannsschlachtHermannsschlacht< stellt, besteht darin, sie aus der fremden Überlieferung so zu rekonstruieren, daß sie zum Gegenstand der eigenen Erinnerung und Besinnung werden kann. Wie ganz anders also möchte die Begebenheit sich vor unser Auge stellen, wenn wir teutsche Berichte hätten, ausgehend von teutschem Volks=Gefühl, enthaltend der Teutschen Mißhandlung, Duldung und That, darstellend, wie Alles gewesen und gekommen. Bei dem gänzlichen Mangel an Nachrichten von dieser Seite aber liegt es dem Geschichtschreiber des teutschen Volkes ob, wie eine heilige Pflicht, aus der Lage der Dinge, aus den ewigen Forderungen der menschlichen Natur, und aus den edelsten Gefühlen in unserer Brust nach Möglichkeit zu ersetzen, was sich ersetzen lasset, mit höchster Vorsicht Alles zu betrachten, was für die Römer, mit höchstem Mißtrauen Alles, was gegen die Teutschen spricht. Es liegt ihm ob, wie eine heilige Pflicht, das, was wirklich geschehen ist, scharf und genau von der Weise zu sondern, in welcher es die römischen Schriftsteller dargestellet, von den Gründen, aus welchen sie das Geschehen erkläret, und von den Urtheilen, mit welchen sie es begleitet haben. N u r jenes ist Wahrheit; Dieses ist eitel Irrthum und Trug. (224^) Die Strategie, mit der Luden auf die Entstellung antwortet, ließe sich als eine A r t nationaler Hermeneutik< charakterisieren. Im Wissen um den Kontext als dem Wissen um einen speziellen Nationalcharakter ist die verderbte Überlieferung neu zu interpretieren und zu korrigieren. Das »Wesen unseres Geistes« wird so zum metahistorischen Prinzip, das nicht nur den Gegenstand historiographischer Erkenntnis bildet, sondern auch ihr transzendentales Prinzip. D e r Weltgeist ist hier gleichsam nationalisiert zum Telos der »teutschen« Nation, das als Schicksal, Fügung u.a. die Darstellung durchzieht. Konsequenterweise 84
entfaltet Luden zunächst die überzeitlichen Konstanten, die für das deutsche Volk bestimmend sein sollen. An erster Stelle stehen hier die geographischen Gegebenheiten des Siedlungsraums, die eng mit dem >Nationalcharakter< verknüpft werden. Mit großer Polemik versucht Luden daher alle >Wanderungstheorien< zurückzuweisen und die Kontinuität einer germanisch-deutschen Besiedlung des Landes, das er für »Teutschland« hält, herauszustellen. Genau hier, in einer wohlausgestatteten Natur, die ihre Schätze so präsentiert, daß ein permanenter Anreiz zu neuen Leistungen geboten ist, die dann auch entsprechend belohnt werden, habe sich die »hohe Bildung des Geistes in diesem Volk durch Übung und Anstrengung« entwickeln können (5). Von Beginn an kein unzugänglicher Urwald, der erst mühsam zivilisiert werden müßte - »Kein reißendes Thier schrecket, kein giftiges Gewürm drohet, kein häßliches Ungeziefer quälet« (4) - , fördert das Land selbst »Kraft«, »Zusammenhalten« und »Einigkeit« des Volkes, das sich »gegen den Neid, die Habsucht und den Ubermuth fremder Völker« behaupten muß. Zugleich programmiert es die Konzentration aufs Eigene: Endlich ist den Bewohnern dieses Landes, durch große und schöne Ströme, das Meer geöffnet und der Zugang zur Welt. A b e r das Meer dränget sich nicht so verführerisch an sie hinan oder zwischen sie hinein, daß sie verlockt und dem heimathlichen Boden entfremdet werden könnten. Vielmehr kann der edlere Mensch dem Gedanken an eine teutsche Erde und an einen teutschen Himmel nicht entgehen, und dieser Gedanke scheint in ihm die Sehnsucht erhalten zu müssen zu der Welt seiner Geburt und die Liebe zu dem Boden seines Vaterlandes. (5)
Daß die »hochgebildeten Herrn in Rom« in diesem Volk nur Tiere sehen konnten, wie Vellegius überliefert (226), disqualifiziere ihr Urteil über das, was dort geschehen sei. Die perspektivische Präsentation - schon in dem >Theatercoup< auf dem römischen Siegesfest eingesetzt mit der Luden die Inadäquatheit der römischen Sichtweise hervorhebt, ist mehr als ein rhetorischer Trick. Sie erlaubt überhaupt erst die korrigierende Darstellung. Am Vorabend der Schlacht präsentieren sich die deutschen Völker den Römern als »gebrochen, gelähmet, gefesselt (227), so daß diese darangehen können, sie ihrem Imperium einzugliedern. Zu diesem Zweck bringt der neue Statthalter, Quinctilius Varus, einen »Schwärm von Sachwaltern und G e s c h ä f t s l e u t e n aller Art« ins Land; »jedoch den Unterschied zwischen dem alten abgelebten Volke der Syrer und dem frischen, kräftig aufstrebenden Stamme der Teutschen nicht gewahrend, behandelte [er] die große Aufgabe, wie ein gewöhnliches Geschäft« (227). »Markt, Tausch und Handel«, »Ordnung und Sicherheit der Wege« sind die Charakteristika der neuen, »geräuschvollen Welt«, die sich damit in Teutschland etabliert (228). A u c h saß er, Varus, dem Prätor am Markt in R o m gleich, zu Gerichte, ließ die Angelegenheiten teutscher Männer, ihre Streitigkeiten unter einander, ihre Zwiste mit römischen Soldaten oder Kaufleuten, von gelehrten Sachwaltern in lateinischer Sprache
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führen, entschied nach fremdem, nach römischem Rechte, wie gegen Unterworfene und Sclaven, und ließ den Richter=Spruch, unbegreiflich für die Teutschen in seinen Gründen, unerhört in seinem Wesen, mit aller Strenge vollziehen. Also sah der Ternsche, was er nie gesehen hatte, den blutigen Rücken freier Männer; er sah ihn wund gegeißelt durch römische Gerichtsdiener. Auch sah er das nicht minder Unerhörte: die Köpfe teutscher Männer fielen unter römischen Beilen. (228f.) Erst jetzt läßt Luden die Perspektiven unvermittelt aufeinander prallen, wenn er die untergründige Empörung der Teutschen suggestiv schildert: Alles dieses war nicht etwa Muthwille, Härte, Grausamkeit: nein, es war das Recht, es war die Ordnung, es war der Geschäftsgang. Dem Teutschen aber mußte es ein unaussprechlicher Gräuel sein. [...] Auch fehlte es, neben diesem gesetzlichen Verfahren, gewiß nicht an Betrug, an Hohn, an Ubermuth und Mißhandlungen (229). Die Konfrontation mit der fremden Zivilisation bringt den Verlust der eigenen Identität, »und der Helden=Gesang, das Gedächtnis früherer Thaten, ein A u f reiz zu neuen, war verklungen vor dem unverständlichen Gelärm des Sclaven=Marktes« (229). In dieser Situation gibt der Aufstand eines »entfernten Volkes« den »Teutschen« das Signal, sich » wie ein einiger Mann« (234) in einem spontanen »Landsturm« zu erheben. Z u m ersten Mal zeichnet sich dabei ein einiges »Vaterland« der Deutschen ab. Armin, »seines Volkes H o r t und Heil, Retter und Gründer«, »beseelet« v o m »Feuer des Geistes« gab nun »der Masse eine Seele und führete mit eisernem Willen« (230^). Luden begibt sich mit ihm auf den Feldherrnhügel, w o er die Schlacht übersehen konnte [...]. Ein fürchterlicher Kampf! Die Römer, in düsterer Verzweiflung, stritten um das letzte Gut, um das Leben; die Teutschen, in freudiger Erwartung, um das höchste Gut, um die Freiheit [...] Auf der einen Seite Angst=Gewimmer und Klag=Geschrei; auf der anderen Seite Schlacht=Gesang und Sieges=Gejauchze; Beides verwischend, das Rauschen der Regenschauer und das Geheul des Sturmwindes! (237). Der Selbstmord Varus' und das »Sieges=Geschrei der begeisterten Krieger« beenden schließlich die Szene - und damit Ereignisse, die zum bleibenden Kulturgut der Menschheit zu rechnen sind, weil sie begründet waren in dem Wesen der menschlichen Natur, begreiflich für den menschlichen Verstand in ihrer Entwickelung, ehrenvoll für die Teutschen, ohne Schande für die römischen Männer, die mit ihrem Leben frühere Sünden gebüßet haben und als Opfer unglückseliger Verhältnisse gefallen sind. Die alten Schriftsteller aber, und besonders Vellejus und Dio Cassius haben, indem sie diese Thatsachen erzählen, denselben eine Deutung mitgegeben, welche alle menschlichen Gefühle beleidigt und alle Vorstellungen verwirrt, ohne Ehre für die Römer, voll schmählicher Anklagen gegen die Teutschen. Nach ihrer Angabe war das ganze Ereignis, mit allen Einzelnheiten, das Werk einer großen und allgemeinen Verschwörung, die ihr Urheber, Armin, mit beispielloser Kunst, Verschlagenheit und Beherrschung der Geister bis zur Vernichtung des römischen Heeres geleitet haben soll. (23 8f.)
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V o r allem, daß Varus durch einen Verrat ins Verderben gelockt worden wäre, hält Luden für eine Propaganda-Lüge der Römer. 1 5 Die » E i g e n t ü m l i c h k e i t des teutschen Volkes« ließe so etwas nämlich gar nicht zu. Deshalb können und müssen die Quellen hier korrigiert werden. Das gilt um so mehr, als sich die Fälschungsabsicht aus dem Charakter Roms, geprägt durch »eine furchtbare Geschichte, voll von M o r d , Blut, Verrath und Verschwörungen«, geradezu zwingend ergibt. Kulturelle Differenz und Differenz der Geschichtsschreibung sind direkt miteinander verbunden. Die römischen Schriftsteller haben, im verkehrten Sinn, ein verkehrtes Werk unternommen. Sie haben die Ehre der römischen Massen, die mißbrauchet wurden für Entwürfe gegen Gott und Natur, obwohl ohne Erfolg, durch Anklagen und Beschuldigungen der teutschen Völker und A r m i n s , des Retters und Gründers, zu erhalten gesuchet. Die Pflicht eines teutschen Geschichtschreibers des teutschen Volkes ist, die Ehre dieses Volkes, das sein Heiligstes vertheidigte, zu wahren, und den Gründer dieses Volkes von den Flecken zu reinigen, die nun schon seit achtzehn hundert Jahren an seinem Namen hängen (241). Daß es dabei nicht nur um Gerechtigkeit gegenüber der Vergangenheit geht, entlarvt ein langer Kommentar, den Luden hier einfügt. E r distanziert sich von der »gefährlichen Ansicht, daß gegen den Feind des Vaterlandes Alles erlaubt sei« (242). Ein Held, dem man »Treulosigkeit« und »Verschwörung« v o r w e r fen könne, sei keinesfalls als Vorbild akzeptabel: wer das annimmt, der muß mir verzeihen, daß ich ihm erkläre: ich freue mich über die Befreiung des Vaterlandes, aber über die Art, wie sie bewirket worden, kann ich mich nicht freuen, und seinen Helden kann ich wohl bewundern, aber mich nicht mit ihm befreunden. Die teutschen Völker standen in einem geordneten Verhältnisse zu den Römern, sei es als Unterworfene, sei es mit dem Namen von Bundesgenossen. Das Verhältnis war gewaltsam. Wenn die menschliche Natur sich dagegen erhoben, und wie ein Sturm alles zersprengt und zerstöret hat: so ist das erfreulich, und wer die Gewalt hat und lernen will, mag an diesem Vorgange sehen, was gerecht ist und was Sünde. Auch war es natürlich, daß der einzelne Mensch den Wunsch, das Verlangen, die Sehnsucht nach einer Veränderung, nach Vernichtung der Gewaltsamkeit in der Seele trug. Wie hätte es zur Erhebung des Volkes kommen können, wenn der Einzelne kalt und gleichgültig geblieben wäre! Aber geheime Schleicherei und Treiberei ist niemals zu rechtfertigen; und der arglistige Heuchler stoßet den edlen Menschen zurück, und wenn er auch die größten Entwürfe und die schönsten Plane verfolgte. Wenn die
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Ebenso die überlieferten Grausamkeiten der Germanen nach der Schlacht; allenfalls einzelne, spontane Ausbrüche von Zorn will Luden gelten lassen - und die seien vollkommen gerechtfertigt, zumal sie sich richteten »nicht gegen die Krieger, sondern gegen die Geschäftsleute, und vor allem gegen die Sachwalter, welche das vaterländische Recht zu verdrehen, zu verderben, zu vernichten gesucht« (244). »Einem derselben schnitt ein teutscher Krieger die Zunge aus, verschloß ihm den Mund und rief in gräßlichem Scherz: >Jetzt, Natter, höre auf zu zischen!Hermannsschlacht< zeigen wird eine drastische Warnung an die Befürworter des »Code N a p o leon« (s.u., 314).
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Frucht reif ist, so fällt sie von selbst. Die Kraft des Verstandes mag sich auf vielen Wegen versuchen und überall Bewunderung finden; die Liebe aber hat nur Derjenige, der reines Herzens bleibt unter allen Umständen. (66 j , A n m . 37)
Hier läßt sich erahnen, auf wie gefährlichem Terrain sich eine Hermannsschlacht-Geschichte auch 1825 noch bewegt. Wie ist ein Aufstand im Namen der Geschichte, des »Geistes«, zu rechtfertigen, wenn doch dieser Geist sich gerade nur in der nicht >gemachtenVerstand< >gelenkten< Geschichte manifestiert. Luden dürfte hier auch an seine aus dem Feld zurückgekehrten Studenten denken, die wieder auf einen legitimistischen Kurs verpflichtet werden müssen. Es ist weniger der - moralische - Vorwurf des Verräters, gegen den Hermann hier verteidigt werden muß, als der - moralische und politische - des Revolutionärs. Der deutsche Freiheitskämpfer ist sich seiner Untertanenschaft unter den nationalen Geist der Geschichte bewußt. Nicht als willentlicher Gestalter greift er in den Lauf der Geschichte ein, sondern nur als Vollstrecker der natürlichen Evolution. Was normativ nicht sein darf, ist aber - hier bestätigt sich wieder einmal das Prinzip »nationaler Hermeneutik< - auch faktisch nicht gewesen: Armin hat treu den Römern gedienet, so lange er in ihrer Verpflichtung stand; er ist mit ganzer Seele zu seinem Volke getreten, als dieses die Kette zerriß, an welcher auch seine Verpflichung hing, und hat sich auf die Höhe gestellet, die ihm gebührte, als die Gewalt der Umstände, die N o t h des Augenblicks die große Frage zur Entscheidung gebracht hatte: ob fortan noch ein teutsches Volk, ob noch Freiheit sein, oder ob allgemeine Knechtschaft die Welt beherrschen, und den Geist, die Tugend, alles Edle, G r o ße, Schöne ersticken solle?
Die Verkehrtheit der römischen Geschichtsschreibung ist also ebenso in einer spezifischen nationalen Kultur verankert wie die Fähigkeit der deutschen, sie zu korrigieren. Um diese Fähigkeit zu entfalten, mußte sie sich aber zunächst regenerieren, d.h. auf ihren eigenen Heroismus besinnen. Die Konfrontation verschiedener historiographischer Perspektiven läßt nun allerdings an keiner Stelle den Verdacht des Relativismus aufkommen. Die deutsche Geschichtsschreibung ist überlegen, weil sie in der überlegenen Nation verankert ist. Dessen muß sie sich nur bewußt werden. So weit die Geschichte der Menschen reicht, kann kein Volk sich einer solchen Vorzeit rühmen, wie das Teutsche, kein Volk eines solchen Mannes und solcher Thaten. (3*7f0
Sie wäre noch »viel größer, schöner und herrlicher« (328), wäre es nicht ihr Schicksal gewesen, im »feindlichen Lager« entstellt, im eigenen aber vergessen zu werden. 16 16
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Eine Erklärung für diese »Gedächtnislücke« bietet Luden nicht an. N u r zögerlich liefert er die Informationen über die weiteren Ereignisse bis zum Tod Armins, um nicht
Z u der Zeit, als Teutsche anfingen, Geschichte zu schreiben und der Nachwelt Ü b e r lieferungen aus früheren Tagen zu hinterlassen, waren N a m e n und Thaten völlig aus dem Gedächtnisse verschwunden. (328)
Erst jetzt - im Werk Ludens - ist Hermann heimgekehrt: A u s den Jahrbüchern der feindlichen Macht ist A r m i n und seine Zeit übergegangen in die Jahrbücher des teutschen Volkes. (32)
(3) Deutlich geworden ist an Ludens Argumentation, wie eine ferne >teutsche< Vergangenheit und die durch die >Befreiungskriege< geschaffene Gegenwart ineinander verschachtelt sind. Sie vollzieht damit nach, was um 1808 als Fluchtpunkt nationaler Historiographie erscheint. Damit Hermann der Cherusker nach Deutschland heimkehren konnte, mußte sich das deutsche Volk zunächst auf seine Identität besinnen, mußte Hermanns Schlacht noch einmal geschlagen werden. Die Erinnerung, die als Kompensation begonnen hatte, mußte über die Wieder-Holung der Vergangenheit zum wahren Bewußtsein gelangen. Die ferne und die nahe Schlacht fließen ineinander. Diese Überlagerung bildet ein entscheidendes Moment in dem, was man das nationale Gedächtnis des Vormärz nennen könnte. Seine Genese soll an einigen Beispielen historischer Dramatik und Historiographie weiter verfolgt werden. Es geht dabei um die Konturen eines Mythos. Spekulationen über die >tatsächliche< militärische Bedeutung der Hermannsschlacht erübrigen sich; über die >Befreiungskriege< läßt sich jedoch sagen, daß sie keineswegs durch eine spontane Volkserhebung entschieden wurden, sondern durch konventionelle Armeen in konventionellen Schlachten, und zwar erst nach der Katastrophe des Winterfeldzugs in Rußland, an dem die deutschen Armeen noch auf französischer Seite teilgenommen haben. Die Rolle der Freikorps war marginal und von einem Volksaufstand kann keine Rede sein. Nachhaltiger als die >Befreiung< haben die während der Napoleonischen Hegemonie eingeleiteten oder forcierten Prozesse die Entwicklung des modernen Deutschland beeinflußt. Das gilt auch für den Gedanken der Nation und dessen Realisierung - gleichermaßen bezogen auf >Deutschland< wie auf die sich zunächst konsolidierenden Staaten Preußen, Bayern, Würtemberg etc. Dennoch spielt der Mythos von der kriegsgeborenen Nation im kollektiven Denken eine entscheidende Rolle. Hier finden die Medien eines nationalen Gedächtnisses ihr bevorzugtes Material, und es läßt sich vermuten, daß hier auch das Fazit allzusehr zu verdunkeln. Warum die Erinnerung nur im Exil überleben konnte, läßt sich aber erahnen, wenn man die immer wieder konstruierten deutlichen Parallelen zum Befreiungskrieg betrachtet: A u c h bei den Germanen geht in einer A s similation an das Fremde die eigene Identität verloren. 89
eine der Grundlagen für den außerordentlich aggressiven Charakter, mit dem der deutsche Nationalismus sich schließlich entfaltet, zu suchen ist. Als imaginierter kultureller Gründungsakt integriert der Schlacht-Mythos - entgegen historischer Faktizität - ein Moment der Archaik, des Heroentums in das kulturelle Modell und leistet damit einer Militarisierung der zivilen Gesellschaft Vorschub. Bevor ich das Nach- oder Wiederaufleben der Hermannsschlacht als Paradigma nationaler Geschichte in verschiedenen Medien weiter verfolge, um schließlich auf die Frage nach der Medialität von Geschichte überhaupt zu kommen, möchte ich ausgehend von Theodor Körners >Zriny< einen anderen Aspekt der von den Befreiungskriegen ausgehenden Faszination hervorheben. Der Text erweist sich nur oberflächlich als patriotisches Manifest. Der hier als Bluthochzeit konzipierte, rauschhafte Opfertod entzieht sich jeder Sinnperspektive und spielt statt dessen an der Faszination einer transzendenzlosen Ekstase die problematische Integration von Phänomenen der Irrationalität in aufklärerisch-humanistische Konzepte der Lebensplanung durch. Dabei entsteht aus der Katastrophe heraus eine emotionale, affektive Kraft, die allerdings auf keinerlei Form der >Besinnung< beziehbar ist, sondern als transzendenzlose Lust am Untergang eine Augenblickserfahrung modelliert, die gerade im Festhalten - und nicht im Uberwinden - der Katastrophe ihr Ziel zu finden scheint. Gerade in der brisanten Verbindung mit einem zum nationalen Befreiungsakt stilisierten Kampf realisiert sich die hochgradige ideologische Anfälligkeit dieses Spiels, die Körner selbst zum Repräsentanten für das mythische Modell prädestiniert, zu dem die >Befreiungstat< gerinnt.
Träume vom Frieden und vom Tod. Theodor Körners >Zriny< und die Mythisierung des Autors Wie Traum des Todes kam es über mich (Theodor Körner, >Zriny Alltagsleben wird nun in verschiedenen Varianten auch auf Seiten der kroatisch-deutsch-ungarischen Partei durchgespielt, etwa im >Erziehungsprozeß< von Zrinys Tochter Helene zur »Heldenbraut«, an dessen Ende der von ihr selbst emphatisch geforderte >Liebestod< steht. Ihrer Vision v o m bevorstehenden Tod des in den Kampf ziehenden Geliebten Dort draußen lauert der Verrath auf ihn, Dort draußen ist der Liebe Tod bereitet! [...] Wie Traum des Todes kam es über mich (276) hält ihre Mutter entgegen: Du mußt das weiche Herz bezwingen lernen, Wenn Dich als eine würd'ge Heldenbraut Nach dieses Lebens raschem Kranz gelüstet. Wohl manche Freuden fühlt des Mannes Weib, Der ruhig in der wohlerworbnen Hütte Der stillen Tage gleiche Ketten wirkt. Wenn sich die Scheuern und die Schränke füllen, Wenn das Geschäft die saure Mühe lohnt, Und mit dem Kiel der Schiffe hergetragen, Das Glück auf die geschmückte Schwelle tritt: Dann freut sie sich der reichbedankten Arbeit, Und in dem Auge des zufriednen Gatten, Und auf der Kinder munterm Angesichte, die an den bunten Gaben sich ergötzen Blüht ihr das Leben still und heiter auf; Der ruhige Genuß versöhnt das Schicksal. Doch anders ist es in des Weibes Brust, Die ihrer Liebe zarte Epheuranke U m eine kühne Helden=Eiche webt. Den Augenblick, den günst'gen, muß sie fassen Muß ihn festhalten, wie ihr letztes Gut; Es schwebt ihr Leben zwischen Glück und Jammer Und Höllenqual und Himmelseligkeit. (276^) Das hier als Gegensatz des Heroentums ausgemalte Idyll in der wohlerworbnen Hütte bleibt die einzige Konkretion eines Lebens jenseits des Kampfes, die das Stück kennt. Hier am Beginn hält Helene noch an der Utopie eines solchen
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Lebens, in der sich auch ein Ideal gemeinsamen Liebesglücks realisieren soll, fest: Vergieb mir, Mutter, wenn ich Dir's gestehe: Oft träum' ich mir, es wäre doch so schön, Könnt' ich in eines stillen Thaies Frieden Der Stunden ewig gleiche Kettentänze An seiner Brust vorüberrauschen sehn. Ich soll den Muth, die Kraft an ihm nur lieben, Die sich verwegen ins Verderben stürzt? (277) Im weiteren Verlauf der Handlung muß sie jedoch nicht nur die tödlichen Spiele des Geliebten akzeptieren - »Ihr Frauen liebt ein wohlberechnet Glück, / Und ruhigen Genuß im tiefsten Frieden; / U n s Männern aber giebt des Schicksals Gunst / Den höchsten Preis, wenn es unangemeldet, / Schnell, wie ein Blitz, in unsre Seele schlägt.« (288)
sondern auch dem eigenen Opfertod
zustimmen. Nachdem sie zunächst dagegen das Recht des erst noch zu lebenden Lebens einklagt (316), ist sie es am Ende, die die Fixierung auf den A u genblick, in dem sich ekstatische Glückserfüllung und Tod durchdringen, am weitesten steigert. Verweigert sie in einem ersten Schritt - gemeinsam mit ihrer Mutter - die mögliche Rettung, um mit den Männern den heroischen Tod zu sterben Ja, laß uns sterben! Was gilt uns die Sonne? Um Thränenaugen ist 's doch ew'ge Nacht! Was Dich begeistert, soll uns nicht entzücken? Ο laß uns mit Dir sterben! - So vereint Ziehn wir der bessern Heimath freudig zu, Und tragen aus der Nacht, in der wir schweben, Die ew'ge Liebe in das ew'ge Leben! (320) so fordert sie schließlich diesen Tod vom Geliebten selbst. D e m schwarzen Hochzeitssegen durch den Vater Zriny - »Der Todesengel knüpfe Eure Hand« (326) - folgt die blutige Hochzeitsnacht: Helene·. [...] »Der Todesengel knüpfe Eure Hand!« Der Vater sprach's, willst Du sein Wort verhöhnen? Nein, Juranitsch, stoß mir den Dolch in's Herz, Und küsse mir die Seele von den Lippen! (326) [..·] Nicht so, Geliebter! nicht im wilden Sturme; Nein, ruhig, friedlich senke Deinen Dolch In meine Brust und öffne meiner Seele Den schönen Weg der lichten Heimath zu. Umarme mich! O, wie ich glücklich bin! Auf einmal wird es klar vor meinen Augen, Der Schleier reißt, das Leben seh' ich licht, Ein neuer Morgen strahlt in meinem Herzen! So tödte mich! und küsse mir die Seele 93
Mit Deinem Brautkuß von dem blassen Mund! [···] Juranitsch (küßt sie und ersticht sie zugleich.) So nimm den Kuß und bitte Gott um Segen! Helene: Dank Dir, Dank für den süßen, süßen Tod! - (328f.)
In solcher makaberen Ekstase ist der anfängliche Gegensatz von Glückserfüllung und Opfertod, von Liebe und Heldentum aufgehoben. Helene hat sich nicht nur als würdige »Heldenbraut« erwiesen, sie hat auch selbst das höhere Glück der Selbstopferung erfahren. Die tötlich-zärtliche Umarmung bleibt der einzige Akt der Zärtlichkeit, die einzige Berührung zwischen den Liebenden. In ihrer individuellen Entwicklung ist zusammengefaßt, was das Denken und Handeln der Protagonisten insgesamt beherrscht. Nicht der nicht besonders grausame oder blutrünstige Soliman bringt Tod und Zerstörung in das Idyll, er scheint vielmehr nur den willkommenen Anlaß zu bieten, den heroischen Wunsch der Selbstopferung zu erfüllen. Nicht das >AußenInnen< läßt dem »Friedenstraum« keine Chance. Znny (allein). (Er tritt an das Fenster und schaut zur Stadt hinab.) Da liegt die arme Stadt! - ein Friedenstraum Schwebt noch wehmüthig über ihren Dächern; Die Feuerschlünde sind verstummt, der lange Kampf Hat Freund und Feind ermattet. Ruhig ist's, Still auf den Straßen, wie zu alten Zeiten, Harmlos geht Jeder dem Gewerbe nach. Sie schließen ihre Thore, nicht bedenkend, Kein Morgen komme, der sie wieder öffnet. Sie ahnen's nicht, daß fürchterlich der Blitz, Der all den schönen Friedenstraum zerschmettert, Schon in gewitterschwang'rer Wolke bebt, Die Hand erwartend, die ihn niederschleudert. Und all dies heitre Glück zerstört mein Wink? (303)
Eine ausgefeilte Dramaturgie hat darauf hingearbeitet, daß es die Hand Zrinys, also des Verteidigers und nicht des Angreifers ist, die die Vernichtung der Stadt bringen soll - so wie die Geliebte vom Geliebten den Tod empfängt. In den Hintergrund gerät dabei das strategische Motiv, mit dem die Zerstörung der Stadt, die durch Übergabe zu retten wäre, begründet wird. Demgegenüber verselbständigt sich der pure Opferwunsch. Die Tugend übt sich schlecht im Glück; das Unglück, Das ist der Boden, wo das Edle reift, Das ist der Himmesstrich [sie!] für Menschengröße. Aus seinen Armen ging die Heldenschaar, Die Riesenbilder der vergang'nen Tage, Aus seiner Schule ging der Stolz der Welt. Wo es dem Menschen seinen Kampf bereitet, Da bricht die Kraft die versuchte Bahn,
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D a knüpft der Ruhm den N a m e n an die Sterne, Es dehnt sich das A t o m zum E w ' g e n aus, U n d was sonst sterblich war, das ist unsterblich. Der Augenblick ist da, der Todesweihe Freiwillig Opferfest beginnt. - ( 3 2 5 )
Was folgt, ist ein wahrer Hymnus auf das Sterben. Die Ansprache, mit der Zriny sein Volk auf den Opfertod einstimmt, verheißt eine Orgie von Blut und Gewalt, fordert Mitleidlosigkeit und Grausamkeit, wie sie auf Seiten der türkischen Feinde nicht einmal angedeutet sind, und läßt das unmittelbar darauf mit dem Abschlachten der Kriegsgefangenen auch in die Tat und in (die) Szene umsetzen (292). Auch hier verwandelt sich, was zunächst als Pflicht und als Opfer erscheint - »Zuerst muß ich die größ're Schuld bezahlen, / Mit der ich meinem Volk verfallen bin«; »Den ganzen Traum des Glückes hingeworfen, / Weil es das Wohl des Vaterlandes galt« (319) - in das eigentliche Ziel: »Ein solcher Tod ist tausend Leben werth!« (317). Mit seinem »Hochzeitsgewandt [...] bräutlich angethan«, geht Zriny in seinen letzten Kampf, will »den Tod / Mit Liebesarmen jugendlich umfassen / Und muthig drücken in die treue Brust« (322). Als gesteigerter Liebestod erscheint das kollektive Sterben vor allem als Aufhebung der Individualität - »denn wir sind Sterbende, / Und haben kein Geheimnis vor einander« (292) so daß die Hochzeit mit dem Tod zugleich einen Akt wollüstiger Intersubjektivität bedeutet. In ihm komprimieren sich nicht nur die Möglichkeiten irdischen Glücks zu einem Augenblick höchster Lebensintensität, sondern er überschreitet zugleich die normale Lebenszeit auf die Ewigkeit hin. Dies wird durchgespielt in den Wiedervereinigungsvisionen, in denen vor allem Helene von einem jenseitigen Paradies die Kompensation des entgangenen Glücks, d.h. vor allem, verweigerter Intersubjektivität, verweigerter Gemeinschaft mit dem Geliebten erwartet. Für die Kämpfer jedoch liegt die Zukunft nicht in einem solchen Jenseits, sondern im Gedächtnis der Nachgeborenen - oder, prosaischer, in deren Geschichtsbüchern. »Wer mutig für sein Vaterland gefallen, / Der baut sich selbst ein ewig Monument« (322^). Das eigentliche Ziel des Helden ist der Untergang. In ihm besiegt er die eigene Bedeutungslosigkeit und gewinnt Unsterblichkeit. Nur für diese Garantie des Überlebens scheint das »Vaterland« da zu sein; entsprechend vage ist es auch bei Zriny bestimmt, der sich je nach Situation als Kroate, als Ungar, als Deutscher, als Europäer, als Christ empfindet. Noch vager bleiben die mit diesem Vaterland verbundenen Wertvorstellungen - das einzig negative, was sich gegen die türkischen Feinde sagen läßt, ist daß sie nicht zu diesem Vaterland gehören sollen. Nach der Verabschiedung des Hirtenidylls bleibt kein Modell friedlichen Lebens, ja kein Modell des Lebens überhaupt mehr zurück. Die Frage nach dem >Wofür< ist für das heldenhafte Sterben nicht nur irrelevant, sie ist gar nicht mehr sinnvoll zu stellen. Wo Frieden nur banal erscheinen kann, ein Leben im Frieden nur bewußtloses Dahinvegetieren bedeutet und Tugend sich 95
nur im Opfertod bewährt, kann das Ziel heroischer Geschichte nur der permanente Untergang sein. Damit ist >Zriny< nicht in erster Linie das »nationale Erbauungsspiel«, als das das Drama überwiegend rezipiert worden ist. 19 Vielmehr erscheint es als Spiel mit der Lust am Untergang, als »Todesweihe«, wie es Körner mehrfach tituliert, die nicht primär politisch motiviert ist. Natürlich ist der Welteroberungsplan des »Tyrannen« Soliman auch als Napoleon-Parabel zu lesen, die patriotische Emphase dementsprechend als Aufruf zum Widerstand, aber diese Lesart ist nicht dominant. Das bis zur Unkenntlichkeit abstrahierte Ideal einer deutschen Nation bildet eher das Vehikel als das Ziel der Emphase. Die monoton beschworenen Ideale von »Freiheit«, »Ehre«, »Glauben«, »Vaterland« etc. bleiben der eigentlichen Handlung und ihrer Motivation völlig äußerlich. Das bestätigt sich auch in der erstaunlichen Nähe der Positionen von Spiel und Gegenspiel. Wie Zriny sucht auch Soliman im erfüllten Augenblick die Nähe von Tod und Unsterblichkeit. Zwar variiert die Motivation für die heroische Tat ebenso wie die Orte und die Medien des erwarteten ewigen Lebens. Dem Selbsthelfer Soliman - »Ich darf mich nicht des Glückes Liebling schelten, / Ich hab's mit Kraft dem Schicksal abgetrotzt, / Was es dem Bittenden verweigern wollte« (263) - geht es vor allem darum, unauslöschliche äußere - objektive, materielle - Spuren zu hinterlassen: Jahrhundertbauwerke wie »Tempel« und »Wasserleitung« sollen ebenso mit seinem Namen verknüpft werden wie die als weltgeschichtliche Epoche, als Basis für eine türkisch-islamische Ausbreitung in Europa geplante Eroberung Wiens. Demgegenüber wollen die Verteidiger von Sigeth mit ihrem Opfertod ihr Weiterleben im kollektiven Gedächtnis der Nation begründen. Dieser Opfertod gibt ihnen zugleich die Gewißheit, vor dem Gerichtshof der Weltgeschichte als moralische Sieger dazustehen, während der »Tyrann« Soliman allenfalls noch auf der Anklagebank einen Platz finden wird (zyyi.). Aber die hier eingespielte Weltgerichts- Argumentation ist inkonsequent durchgeführt. Das Opfer ist nämlich durchaus von strategischem Wert, während Soliman die militärisch sinnlose Erstürmung allein um seines Krieger-Ethos willen zu ihrem blutigen Ende führt, bewußt seine weiter gefaßten Pläne gefährdend. Soliman relativiert zwar anfangs die Opferbereitschaft seiner Anhänger - »Zum Siege soll't Ihr gehen und nicht zum Tode« (265) für ihn selbst jedoch ist von Beginn an beides miteinander verbunden. Wenn er statt ruhigem Genuß des Alters den glanzvollen Untergang sucht, dann gilt sein eigentlicher Kampf, wie der der Ungarn dem banalen Alltagsleben, dem langsamen Sterben vor dem Tod.
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Horst Denkler, Restauration und Revolution, München 1 9 7 3 , 74.
Thor, der D u glaubst, w e r so wie ich gelebt, Der möchte gern den letzten Hauch des Lebens Im Traum des Friedens durch die Lippen ziehn. Lebendig nenn' ich nur die That, die rüstig A u s ihrem Schlaf die müden Kräfte weckt; Die Ruhe tödtet, nur w e r handelt, lebt, U n d ich will leben, will vor'm Tod nicht sterben! ( 3 1 1 )
Leben also bedeutet Handeln, ein Handeln aber, das sich nicht zielstrebiger Rationalität fügt, sondern bewußt die Gefahr sucht, in der es der Sicherheit und Ödnis eines wohlkalkulierten Lebensplans entkommt. Die Lust am Untergang entspringt dem Spiel mit einer Irrationalität, der andere Artikulationsorte verschlossen scheinen. Mit einer gewissen Plausibilität kann man darin eine Rebellion gegen die humanistischen Erziehungsideale von Körners Vaters sehen, die gerade den als unheroisch abgelehnten Werten wie »wohlberechnet Glück« und »ruhigem Genuß« verpflichtet sind.20 Ich möchte mich hier weder in eine psychologisierende Deutung der Liebestod-Symbolik verlieren noch das humanistische Bildungskonzept als solches denunzieren, sondern nur ein Problemfeld andeuten, das im Kontext nachaufklärerischer Literatur - insbesondere auch historiographischer Literatur - eine zentrale Bedeutung besitzt: die Auseinandersetzung mit Phänomenen der Irrationalität und deren Integration in Konzepte von Lebenswelt und Lebensgestaltung. »Irrationalisierung« ist neben der »Nationalisierung« von entscheidender Bedeutung für die Geschichte der Bildungsidee im 19. Jahrhundert. Körners Drama umschreibt das Faszinierende, das von unkontrollierbaren Störungen im Ablauf des geplanten Glücks ausgehen kann, wie auch die Schwierigkeiten, diese Faszination mit vertrauten Konzepten gelingenden Lebens zu vermitteln. Deutlich ausgesprochen wird das von Juranitsch, der die Unfähigkeit thematisiert, ein diesseitiges (Lebens-)Ziel zu benennen, das über die Emphase des Augenblicks, in dem Liebes- und Opfertod verschmelzen, hinausweisen würde: Was kann uns diese Erde dann noch bieten? Hat sie noch eine Seligkeit für uns? Ich möchte untergehen wie ein Held, Im frischen Kranze meiner kühnsten Liebe, U n d was die wilde Sehnsucht hier versprach, Dort drüben von der Lust des Himmels fordern. Was bleibt denn Höh'res noch auf dieser Welt, Was ich im sel'gen Wunsche nicht gekostet? (289)
Je konkreter das Opfer selbst das Bewußtsein der Handelnden beherrscht, um so abstrakter werden die weiteren Ziele. Ein Handeln aber, dessen Ziele letztlich irrelevant sind, ist hochgradig ideologisch anfällig. 10
Vgl. die Briefe Christian Gottfried Körners an seinen Sohn; >Körner's Werke< X I XVIII.
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Schon in >ToniDie Verlobung in St. DomingoZriny< verschmelzen beide Welten. Da eine Flucht aus dem Krieg nicht mehr möglich ist, wird er selbst zum wahren »Zauberland« - auch der Liebe. Gemeinsamer Nenner ist der Tod, die Opferbereitschaft nicht mehr Liebesbeweis, sondern Liebeserfüllung. In »Joseph Heyderich, oder: Deutsche Treues der Dramatisierung einer »wahre[n] Anekdote« um einen alten Korporal, der während des 2. Koalitionskriegs sein eigenes Lebens opfert, um einen verwundeten jungen Oberlieutenant zu retten, ist dann nur noch die Liebe zum Vaterland - und dem militärischen Vorgesetzten! - als Opfer-Motivation geblieben. Schnell zu den Fahnen, wenn euch die innere Stimme treibt; laß't Vater und Mutter, Weib und Kind, Freund und Geliebte entschlossen zurück; stoß't sie von euch, wenn sie euch halten wollen - den ersten Platz im Herzen hat das Vaterland! (4$ 1). 98
In einer stufenweisen semantischen Umbesetzung wird also das OpfertodMotiv der Befreiungskriegs-Thematik angenähert. Allerdings bleibt »Vaterland« auch in >Joseph Heyderich< - einem Text, der wie eine lange Reflexion über das Sterben wirkt - ein so abstraktes Ideal, daß die Befreiung aus allen sozialen Bindungen, wie sie die Ausnahmesituation des Krieges verspricht, als das eigentlich faszinierende Motiv erscheint. Patriotische Begeisterung dient in erster Linie dazu, sich über das »Vernünfteln« der »niedrigen Seelen, die sich für klug und besonnen halten« (451), hinwegzusetzen. Was die Dramen Körners darstellen, ist weit mehr bezogen auf ein neues Verständnis des Krieges als der Nation (wobei diese beiden Aspekte jedoch miteinander verbunden sind). Im Zuge der napoleonischen Kriege findet ein grundlegender Paradigmenwechsel im militärisch-strategischen Denken statt, der vor allem zu einer Neubewertung der Affekte führt. Der ideale Soldat ist nicht mehr die seelen- und reibungslos funktionierende Maschine, sondern der leidenschaftlich beteiligte Kämpfer. Das wirft völlig neue Führungsprobleme auf. Motivationskraft und die Fähigkeit, Leidenschaften gezielt zu stimulieren und zu lenken, zeichnen den guten Vorgesetzten mehr aus als geglückte Dressurakte. Nationalismus wird sich dabei als eines der wirksamsten Mittel der Kanalisierung von Affekten erweisen. Im Drama des leidenschaftlichen Krieges wirkt nun, dies ist bei Körner gut zu beobachten, in die Kunst zurück, was eine »Philosophie des Krieges< ihr über die Kenntnis der Affekte entnommen hatte.21 Als »Drama der Leidenschaften« scheint der Krieg etwas zu bieten, das einem wohlgeordneten Lebensplan fehlt: den Ort für die Entfaltung einer nicht durchgängig rational gebändigten Persönlichkeit. Dieses Versprechen verleiht dem Krieg, wie ihn Theodor Körner imaginiert, seine ideologische Kraft. Scheinbar ist es auch ein egalitäres Versprechen: »Zum Opfertode für die Freiheit und für die Ehre seiner Nation ist Keiner zu gut« (451) sagt der Oberlieutenant in Joseph HeyderichTrinklied vor der Schlachte: »Noch perlt der Wein; [...] Brüder, schenk't ein!« eingefügt haben möchte, relativiert den Gegensatz von >gutem< und >schlechtem< Rausch nicht. Ludwig Uhland hat poetisch formuliert, worum es hier geht: »Wo je bei altem gutem Wein / Der Würtemberger zecht / Da soll der erste Trinkspruch sein: / Das alte gute Recht«. 27 ) Während unter der dünnen Decke der französischen Zivilisation »vieh'sche Rohheit« hervortritt - »Sind dieses Menschen, sind es Kannibalen? / Entehrt man bübisch ein Jahrhundert so, / Das man als aufgeklärt und weise preiset? - « (i6i.) - bewährt sich die deutsche Poesie gerade in Extremsituationen. So hat auf dem Schlachtfeld die Poetisierung der Wirklichkeit ihren realen Ort. Um sie auf der Bühne nachzustellen, ruft Schadens Text ein breites Repertoire sinnlicher Effekte auf: Die Bühne stellt einen freien Platz in einer wilden waldigten Gegend vor. Rechts im Vordergrund steht eine alte Eiche; links liegt eine lange gefällte Tanne an der Erde. Nacht. - Heftiges Gewitter. - Donner und Blitz. - Man hört nach einer Pause tiefer im Walde von vielen Männerstimmen den folgenden, von Trompeten und Hörnern begleiteten Gesang.
Gesungen wird Theodor Körners >Lützows wilde JagdErheb' dich, mächt'ger Aar!< und das »Trinklied vor der SchlachtSchwertlied< - »mit dumpfen Stimmen, unter gedämpfter Begleitung der Hörner und Posaunen« (69). Zwischendurch füllt sich immer wieder die Bühne mit fliehenden Franzosen, getrieben von »Wollustmusik«: »Körner und Rache, heißt das 27
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Uhlands Werke, hg. v. L u d w i g Fränkel, Leipzig/Wien o.J., Bd. 1, 69; vgl. auch γ ι ί .
Losungswort« (γγί.). Der >Sinnesrausch< schafft nicht nur allgemein eine >poetische< Atmosphäre, sondern er ist selbst mit semantischen Effekten aufgeladen. So werden Eiche und Tanne des Bühnenbilds explizit in ihrer allegorischen Bedeutung aufgeschlüsselt: während »Körners grüner Eiche Hut« die wahre Freiheit beschirmt und »dem Enkel Sinn für Deutschheit lehren« soll (75), repräsentiert die gefällte Tanne den gestürzten Freiheitsbaum der Franzosen, »die falsche Freiheit [...]/ Der schwindelnd einst der blinde Franke fröhnte. / N u r gar zu bald verwandelte der Freiheitshzum / In eine Schandsäul' sich der Despotie« (37). Zum inflationär gebrauchten Zeichenfundus der Befreiungskriege gehören auch die »Schwerter«, mit denen die »deutschen Ritter« allenthalben die französischen Gewehrschützen in die Flucht schlagen, sowie der Rückgriff auf »Germanen« und »Teutonen« als Vorbild und Spiegelung: »Ihr habt gekämpft wie Herrmanns Achte Söhne« (67). Historisches Gedächtnis und Poesie fließen zusammen im Vermächtnis des sterbenden Körner an seine Kameraden. Der Tag bricht an, das Licht der Freiheit leuchtet Hell sieht mein A u g ' die Söhne meines Volk's, Wie einem Erdenballe sie gebieten;
Ja, Friedrichs Geist - er ist zurückgekehrt, Die alte deutsche Kraft, - sie ist erwacht! Und bess're Zeiten - bess're Sitten nahen Das große Ziel, - bald ist es erreicht. Ja, alles Große kommt Euch wieder, Und alles Schöne kehrt zurück. (57)
Diese Worte sollen dem Gedächtnis kommender Generationen eingeschrieben werden. Die Schlußapotheose läßt Körner - »Verklärter Heiliger in hohen Himmelsschaaren / Erscheinet dieser deutsche Jüngling mir« (49) - in den symbolischen Raum des Dramas - und der Nation - übergehen. Ο geuß in jedes braven Deutschen Brust Den Sinn, der feurig Dich belebte; Erhalte unsre heiße Kampfeslust, Vor der der Feind erschrocken bebte. Den Platz, wo Deine freie Asche ruht, Wird jeder deutsche Mann verehren;
Und unter Körners grüner Eiche Hut Dem Enkel Sinn für Deutschheit lehren. (7 j)
Seine Botschaft wird nun weitergetragen durch die Eiche, sein Grabmonument, die sich wiederum auf sinngeschwängertem Boden erhebt: »Mit fränk'sehen Leichen ist die Saat bedeckt [...] Es war ein Gottgericht« (82). Schadens Poesie will Worte und Monumente vermitteln und verliert dabei beides. Die rhetorische Kraft der Rede erlischt in der monotonen Reihung von Stereotypen, das stumme Pathos der Monumente versinkt in der Bilderflut sinnent103
leerter Symbolik. So ist Theodor Körner der Tod ebenso verwehrt wie die Auferstehung. Als Untoter im Universum eines martialischen, frankophoben preußischen Nationalismus muß er unablässig weiterkämpfen - und weiterreden, ohne etwas sagen zu können. In der Poetisierung der Befreiungskriege, wie sie Adolph von Schadens Theodor-Körner-Drama betreibt, reproduziert sich in erschreckender Präzision das strategische Kalkül des Volksaufstandes, das vor allem in der preußischen Heeresführung debattiert wurde. Wenn Schaden etwa die Abhängigkeit der Franzosen vom »Troß« zur Zivilisations-Verdorbenheit stilisiert und dem die Ursprünglichkeit deutscher »Natursöhne« entgegensetzt, dann sublimiert er damit nur, was z.B. Gneisenau als den strategischen Vorteil der PartisanenEinheiten gegenüber feindlichen Besatzungstruppen beschreibt.28 Auch in der Bevorzugung von zermürbenden, phasenweisen Angriffen, vorzugsweise nachts vorgetragen, liest sich Gneisenaus Konzept geradezu wie eine prosaische Inhaltsangabe von Schadens Drama. Erst die militärische Rationalität eröffnet den Raum für ein Handeln, das sich aus den Quellen eines irrationalen »poetischen« - Volkscharakters speisen soll (oder aus spontaner Emphase wie im Werk des wirklichen Körner). Die zivile Rationalität der restaurativen Staaten steckt die Grenzen dieses Raumes ab, und dazu dient ihr auch genau die Poesie, die das heroische Sterben Theodor Körners zum nationalen Monument verklärt. Vier Jahre nach der ersten Veröffentlichung seines Dramas, in der Vorrede zur zweiten Auflage, weiß der im gleichen Jahr wie Körner - 1791 - geborene Schaden, der die Befreiungskriege als Soldat im preußischen Heer erlebte, von der begeisterten Aufnahme seines Dramas im Kreise patriotischer Jünglinge zu berichten. Stolz verweist er auf Aufführungen »auf den meisten preußischen Nationalbühnen« (XVII). Gewonnen aber ist die Schlacht noch nicht: »[...] auch die Zunft einer verworfenen Schaar unterließ es nicht, es [das Drama] mit Koth zu bewerfen« (XIX). Die Emphase, die auf den Schlachtfeldern erweckt worden ist, findet sich wieder z.B. im Gefecht mit den verräterischen Sachsen, vertreten durch »die Dresdner Abendzeitung - längst meine geschworne leidenschaftliche Feindin [...]« (XIX), oder mit den rheinbündlerischen Tyrannenknechten: »Übrigens will ich herzlich gerne eingestehen, daß es ein Mißgriff der Stuttgarter Theaterdirektion war, mein Trauerspiel in die Szenen zu 28
» U n d welchen Geist belebt diese dem vaterländischen Boden entwachsenen Heere. Erbitterung gegen ihre Unterdrücker, Anhänglichkeit an ihren Monarchen, verstärkt durch die wohltätige Staatsreform, Wertschätzung ihrer Verfassung, Liebe zum Vaterland und Rache beseelen sie. Nachtgefechte sind uns immer günstig und entziehen dem Feind die Vorteile seiner Schießwaffen. W o der Feind mit Übermacht vordringt, da weicht man zurück, verödet das Land vor ihm her, wirft sich in dessen Flanke und schneidet ihm die Zufuhren ab. E s ist nicht möglich, daß er diese Kriegsart lange aushalte.« (Gneisenau, hg. v. Wilhelm Capelle, Leipzig und Berlin 1 9 1 1 , S. 74f.).
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setzen, denn - für Preußen, nicht für - Schwaben bleibt dieses Gedicht berechnet« (XX). Charakteristisch für die weitere Bedeutung Theodor Körners im Vormärz ist ein Text von Karl Streckfuß, dem späteren Herausgeber von Körners Schriften, aus dem Jahre 1833. Einen Nekrolog auf Christian Gottfried Körner verwandelt Streckfuß - offensichtlich unter dem direkten Eindruck des Frankfurter Hauptwachensturms - in ein Pamphlet gegen jene »Wahnsinnigen, [...] welche nach Frankreichs Beispiel auf den Umsturz die Freiheit gründen wollen, ohne zu wissen, daß, nach den Lehren der Geschichte in allen Jahrhunderten, Unordnung im Innern immer unfehlbar zum Despotismus, in welcher Form er sich auch zeigen möge, führt«/ 9 Vergessen scheint, »für welche Sache Körner gefallen war«. Vergessen, »daß die erste Bedingung der Ehre und des Wohlbefindens des Volkes und jedes Einzelnen die Abschüttelung des französischen Jochs sei«. Streckfuß ist durchaus kein Reaktionär. Er leugnet nicht, daß 1815 »noch nicht Alles gethan« war, »daß bürgerliche Freiheit« das endliche Ziel sein müsse, aber in der festen Überzeugung, daß dies nur in »ruhig fortschreitender Entwickelung« geschehen könne, wird jeder Versuch des aktiven Eingriffs zum Wahnsinn. Wie schon bei Heinrich Luden ist der deutsche Partisan kein Revolutionär, sondern ein Amtsgehilfe des Geschichtsgeistes. Und dessen Gang ist mindestens so zielstrebig wie der Streckfuß'sehe Satzbau: »Niemand ahnete, daß es nach zwanzig Jahren Wahnsinnige geben werde, welche, taub, für alle von der Geschichte seit Jahrhunderten ertheilte Lehren, blind für das, was unmittelbar vor den Augen liegt, wie es die Ultra=Partei=Männer von allen Farben sind, den Irrwahn so weit treiben könnten, zu glauben, daß deutsche Selbstständigkeit, welche zu vereiteln eben Frankreich durch unter uns gestiftete Uneinigkeit und Parteiung sich von jeher eifrigst hat angelegen sein lassen, durch französische Hülfe zu erlangen sei - Wahnsinnige, welche nach Frankreichs Beispiel auf den Umsturz die Freiheit gründen wollen, ohne zu wissen, daß, nach den Lehren der Geschichte in allen Jahrhunderten, Unordnung im Innern immer unfehlbar zum Despotismus, in welcher Form er sich auch zeigen möge, führt, während ruhig fortschreitende Entwickelung aller Klassen des Volkes eben so unfehlbar bürgerliche Freiheit begründet, eben so unfehlbar alles dem Zustande der Gesellschaft nicht mehr entsprechende aus der Gesetzgebung und Verwaltung entfernt, dergestalt, daß keine Regierung, wenn sie nicht muthwillig zur Selbstmörderin werden will, sich dieser Wirkung der allgemeinen Bildung widersetzen darf.« Und so muß Körner erneut in die Schlacht ziehen. »Hätte Theodor diese neueste Zeit erlebt, so dürfen wir von der Gesundheit seines Geistes mit Gewißheit voraussetzen, daß seine Leyer und - wenn es nöthig gewesen wäre sein Schwert jene inneren Feinde mit derselben Kraft bekämpft haben würden, mit welcher er beide gegen die auswärtigen gebrauchte.« 29
In: Körner Werke, X X V I I f . 105
Der erste Befreier oder der letzte Held: Hermann und die Schlacht (I)
»Leonidas, Armin und Teil« hat Heinrich von Kleist 1809 in dem Gedicht >An Palafox< dem Verteidiger Saragossas gegen die napoleonische Armee zur Seite gestellt.30 Theodor Körners »ungarischer Leonidas« Zriny hat also einen älteren deutschen Bruder. Uber ihn erfährt Körner am 19.2. 1808 durch seinen Vater: »Kleist hat einen Hermann und Varus bearbeitet, und es ist das Werk schon vorgelesen worden. Sonderbarerweise aber hat es Bezug auf die jetzigen Zeitverhältnisse und kann daher nicht gedruckt werden«. 3 ' Die Aktualität, die Christian Gottfried Körner so sonderbar findet, ist in der Rezeptionsgeschichte des von Kleist >bearbeiteten< Stoffs lange angelegt. Dieser Stoff ist in der deutschen Literatur präsent, seit Tacitus' >Annales< 1515 im Druck erschienen sind, so z.B. in einem lateinischen Dialog Ulrichs von Hutten (1529) und vor allem in Lohensteins Arminius-Roman (1689/90). In den Fokus >vaterländischen< Geschichtsinteresses gerät er dann in einer Reihe literarischer, aber auch historiographischer Arbeiten im 18. Jahrhundert: den Tragödien von Johann Elias Schlegel (1737) und Justus Moser (1749), denen epische Bearbeitungen durch Christoph Otto von Schönaich (1751) und Christoph Martin Wieland (1751) folgen, bis schließlich Klopstocks drei »Bardieten für die die Schaubühne« »Hermanns Schlacht< (1769), >Hermann und die Fürsten (1784) und »Hermanns Tod< (1787) das Motiv vorbilden, das die Rezeption des Stoffes während der napoleonischen Kriege und danach bestimmen wird: den Appell an die deutsche Nation. 32 30
Heinrich von Kleist, Sämtliche Werke und Briefe, hg. v. Helmut Sembdner, München ' 1 9 8 5 , Bd. 1, 30.
31
Chr. G . Körner an Theodor Körner, 1 9 . 1 2 . 1 8 0 8 , zitiert nach Kleist, Werke, Bd. 1 , 9 4 3 . Horst Steinmetz zufolge formuliert der »triadische Rhythmus« bei Klopstock - 1. Sieg und Triumph, 2. zunehmende Machtlosigkeit, 3. unselige Ermordung - den A p pell, die verschenkte bzw. verlorene Einheit wiederzuerlangen (Die Trilogie, 53). A u c h Schlegels Alexandriner-Tragödie hebt vor allem den Gegensatz von germanischer und römischer Kultur hervor. Z u r Stofftradition vgl. neben Frenzel, Stoffe der Weltliteratur auch Hans Peter Herrmann, »Ich bin fürs Vaterland zu sterben auch bereit.« Patriotismus oder Nationalismus im 18. Jahrhundert? in: Gesellige Vernunft. Fs. f. Wolfram Mauser, hg. v. Ortrud Gutjahr u.a., W ü r z b u r g 1993. D e r zeitgeschichtliche Kontext Kleists und die Vorbildfunktion der Hermannsschlacht für den Befreiungskrieg ist eingehend analysiert bei Wolf Kittler, Die Geburt des Partisanen. Heinrich von Kleist und die Strategie der Befreiungskriege, Freiburg 1987. Vgl. außerdem Richard Herzinger, Aufstand gegen die Pax Romana. Heinrich von Kleist, Adam Müller und die Aktualität des »organischen KriegsRahmenbedingungen< für einen derartigen Dichterruhm würden dann im >Homburg< abgesteckt, wenn das Ideal einer nationalen Gemeinschaft konzipiert wird, die auch für den Dichter den unverzichtbaren und unhintergehbaren Bezugspunkt seiner Wirksamkeit und seines Ruhms bildet. Es ergäbe sich also erneut eine Parallelität bzw. Analogie von Dichter und Krieger.
35
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So ist gegen die »Schlüsseltext«-These u.a. der Einwand erhoben worden, es fehle die zentrale Gegner-Figur, nämlich Napoleon; vgl. Peter Michelsen, »Wehe, mein Vaterland, dir!« Heinrich von Kleist »Die Hermannsschlacht«, in: Kleist-Jb. 1 9 8 7 , 1 1 5 — 1 3 6 .
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den Kreisen politischer und militärischer Reformer in Preußen entwickelt wurden. Auch Kleist projektiert einen Kampf, den er in der konkreten militärischpolitischen Situation mehr erhofft als erwartet. Wie verhält sich der aber zur Geschichte? Scheint jetzt eine Restitution der verlorenen Poesie möglich - oder dokumentiert sich gerade die radikale Abkehr von der Vergangenheit in der freien Verfügbarkeit der Erinnerungsfragmente? Welche Rolle spielt der germanische Krieger im Jahr 1808? Die Suche nach Antworten auf diese Fragen führt zunächst auf einen irritierenden Befund, an den immer wieder Interpretationen des Textes angeschlossen haben: die Hermannsschlacht kommt in ihm eigentlich gar nicht vor. Unmittelbar nach den detailliert geschilderten Vorbereitungen verläßt der Text das Schlachtfeld, um erst wieder zurückzukehren, wenn die Entscheidung bereits gefallen ist. Das titelgebende Ereignis wird gleichsam ausgeblendet - nicht einmal in der Form einer Mauerschau oder eines Botenberichts ist es präsent, darüberhinaus ist es, den nachgereichten Informationen zufolge, eher eine Schlacht Marbods als Hermanns gewesen.37 Statt dessen wird auf dem Höhepunkt des Spannungsbogens eine Nebenhandlung eingeblendet: die Rache der Thusnelda an dem betrügerischen Galan Ventidius. Damit aber stellen sich die Fragen neu, was für eine Schlacht denn in dem Kleist'sehen Text überhaupt geschlagen wird, wie und wo sie eigentlich stattfindet und wie ihre Ergebnisse zu beurteilen sind. Aus der langen Liste der Antworten versuche ich einige markante Positionen hervorzuheben. (a) >Die Schlacht der ZeichenBären-Episode< vorkommt, deutet Hinrich C. Seeba als Ausdruck eines »Krisenbewußtseins«, in dem die »erkenntnistheoretische« Dimension der »Kant-Krise« durch eine »geschichtstheologische« Dimension ergänzt würde. Daraus werde jedoch ein geschichtstheoretisches Programm entwickelt, das sich der »Nichtigkeit des mimetischen Anspruchs« stelle. Nicht so sehr die Gründungslegende eines deutschen Reichs würde hier inszeniert, sondern das Programm einer »Selbstbegründung der Moderne« als einer Kultur, die Vergangenheit grundsätzlich in ihrer »Gegenständlichkeit [...] und damit Verfügbarkeit in Zweifel« ziehe.38
37
Vgl. Hinrich C . Seeba, »Historia in Absentia«. Z u r Aussparung von Hermanns Schlacht bei Kleist; in: Kleist-Jb. 1988/89, 2 4 2 - 2 5 2 .
38
Seeba, 244; eine explizite Reflexion auf diesen Sachverhalt findet Seeba in der G e schichtsallegorie des »Zerbrochenen Krugs< (V. 644-674): was auf dem Krug zu sehen war, kann nur in der Imagination der Erzählung wiederholt werden, »nur als imaginiertes Sprachgebilde« kann das »Loch im Bild der Geschichte« wieder gefüllt werden. So entlarvt sich »die Naivität ganzheitlichen Sehens, das die Scherben der Realität zu einem gedachten Ganzen zusammensetzt« (251). Vgl. auch Johannes von Schlebrügge (Die Raben Quintilius Varus. Schicksal als Handlungsbegriff in Kleists >HermannsschlachtDer Partisanenkriege Vor allem Wolf Kittler hat dagegen betont, daß gerade in dem Ausweichen vom Schlachtfeld das - reale - >Wesen< der Schlacht auf den Punkt gebracht ist: der Partisanenkrieg kennt eben nicht die Trennung von privatem und militärischem Krieg, ebensowenig wie die Trennung von Schlachtfeld und zivilem Raum. Sein Ort ist nicht die offene Feldschlacht, sondern der Hinterhalt, der überall lauern kann, an jedem Ort, zu jeder Zeit und ausgehend von jeder Person, sei sie militärisch oder zivil. Statt der einen großen Schlacht zeigt das Drama dann konsequenterweise einen der vielen kleinen Gewaltakte, die den Gegner dort treffen, wo er es am wenigsten erwartet. Die Hermannsschlacht so wie Kleist sie imaginiert ist eben nicht - oder nicht in erster Linie - eine Schlacht zwischen zwei Heeren, die sich auf dem Schlachtfeld treffen, sondern der totale Krieg eines Volkes gegen eine Besatzungsmacht. Dargestellt würde dann eine Schlacht, die ansatzweise im Jahre 1808 in Spanien stattgefunden hat - der Partisanenkrieg gegen die französische Armee - , im wesentlichen aber stattfindet in den Köpfen einiger preußischer Politiker und Militärstrategen.39 (c) >Die Rebellion des Unterbewußtenc Lawrence Ryan verlagert das Schlachtfeld in den psychischen Innenraum. Die Tötung des Ventidius durch die Bärin wird so zur Metapher für die Revolte der unterdrückten Natur gegen die Hybris von Verstand oder Vernunft, die sich wiederum veräußerlicht im universalen Herrschaftsanspruch, wie er römischer Gesetzgebung und Zivilisation eigen ist: »Der Aufstand der Germanen ist im Grunde eine Revolution, die die Zwangsherrschaft des Vernunftrechts bricht«.40 Das bedingt die Vehemenz, mit der die Schlacht geführt wird, sowie ihre offensichtliche Perspektivlosigkeit, die Abstraktheit des Freiheitsideals Hermanns. Ryan beschreibt dies als Produkt der »unvermittelten Gegensätzlichkeit von tyrannischer Universalordnung und wildem Ausbruch der individuellen Freiheit, die nur jene Ordnung umstoßen oder selbst untergehen kann.« 4 '
Schicksalsdramas ..., Bern u.a. 1990, 122—129), der die Überlegenheit Hermanns in der Beherrschung der Zeichensysteme sieht. D e r Sieg beruhe letztlich auf der »Subversion des Varus'schen Zeichensystems durch die Einschleusung von Symbolen einer anderen Ordnung« (128). J9
U.a. Hardenberg, Stein, Gneisenau, Clausewitz; vgl. Wolf Kittler, Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie. Heinrich von Kleist und die Strategie der Befreiungskriege, Freiburg 1987. Vgl. auch Thomas Wichmann, Heinrich von Kleist, Stuttgart 1988. Richard Samuel, Kleists Hermannsschlacht und der Freiherr vom Stein, in: Schiller-Jb. 5 , 1 9 6 1 , 6 4 - 1 0 1 .
40
Lawrence Ryan, Die >vaterländische< U m k e h r in der »Hermannsschlacht«, in: Walter Hinderer (Hg.), Kleists Dramen. N e u e Interpretationen, Stuttgart, 1 9 8 1 , 207. Vgl. auch 199: »Hermanns Vorstellung der von der deutschen Nation zu erkämpfenden Freiheit ist das Ergebnis einer unerbittlichen Reduktion, die jeden bestimmten Inhalt tilgt«.
41
Ryan, 208.
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Eines jedenfalls scheint sich in allen Deutungen zu bestätigen: an dem Ereignis, das sich im Jahre 9 n. Chr. irgendwo zwischen Rhein und Weser zugetragen hat, ist das Drama nicht nur nicht interessiert, es scheint ihm, wenn es ausgerechnet den Höhepunkt ausspart, geradezu auszuweichen - in einen Raum, der Elemente der Vergangenheit nur als formbares und frei kombinierbares Material kennt. 42 Als historisches Ereignis bleibt die Hermannsschlacht im undurchdringlichen Dunkel einer verschwundenen Vergangenheit. Daraus, daß Kleists Text seinen Helden gezielt in den Lücken der Erinnerung, in den L ü k ken des historiographischen Textes ansiedelt, haben viele Interpreten seine des Helden wie des Textes - forcierte Modernität abgeleitet, sei es, indem sie in diesen Lücken den Freiraum für das Modell des modernen Subjekts überhaupt oder des in der aktuellen Situation gefragten genialen Militärstrategen ausmachen. 43 J.v. Schlebrügge etwa interpretiert die »Spurlosigkeit« Hermanns als poetisches Programm. Vergleichbar mit der im Stück selbst vorgeführten F o r m der Poesie, dem ebenfalls »im N u « sich realisierenden und dann verschwindenden Gesang der Barden, würden Sänger wie Krieger zur Präfiguration des modernen Dichters: sie »denken experimentell, leben riskant und handeln abrupt« 44 - und entziehen sich so den Verdinglichungs- und Entfremdungszwän42
Das zeigt nicht nur der Umgang mit den einzelnen Figuren und Handlungsmotiven, sondern gerade auch der Synkretismus in der Konstruktion eines »Bildes der Vergangenheit aus >altdeutsch< konnotierenden Ausstattungsdetails. Der Wald, der den Ort der ersten Szenen bildet, ist weniger germanische >Wildnis< als zur Idylle domestizierter, romantisch->altdeutscher< Wald mit »Jagdhütte«, »steinernem Tisch« und »Rasenbank« (dazu kommt die »Hörnermusik«!). Die Jagd dient nicht dem Lebensunterhalt, sondern ist höfisches Freizeitvergnügen. Für die einfacheren Leute gibt es eine Kompensation im umzäunten und verschlossenen »Park« am Rande der Stadt, wo »Das Volk sich oft vergnügt, den Ur zu hetzen« (615). Auch die Fürstin geht mit Pfeil und Bogen auf die Jagd, um nach Abschuß eines »Auerochs« mit dem Pferdewagen an den heimischen »Putztisch« (567) zurückzukehren. Die Deutschen ziehen mit dem »Morgenstern« (544) in den Krieg, beherrschen aber die »schlausten Wendungen der Staatskunst« (541) ebenso wie den Apparat der Geheimdiplomatie mit dem Austausch chiffrierter Mitteilungen. Hermann residiert zwar im »Fürstenzelt«, verfügt aber über »Jagdhäuser«, und auch seine Untertanen leben offenbar in festen Häusern, die die »Straßen« und »Gassen« seiner Residenz säumen. - »Die Hermannsschlacht, in: Heinrich von Kleist, Sämtliche Werke und Briefe, hg. v. Helmut Sembdner, Bd. 1, München 8 198 5.
43
Z.B. Dirk Grathoff (Heinrich von Kleist und Napoleon Bonaparte. Der Furor Teutonicus und die ferne Revolution, in: Harro Zimmermann (Hg.), Schreckensmythen, Hoffnungsbilder, Frankfurt/M. 1989) sieht in dem Befreiungskampf eine irreversible Modernisierung in Gang gesetzt, der auch - übertragen auf die politische Aktualität ein von Napoleon befreites Preußen nicht entgehen würde. Kleist sähe gegenüber den »enthumanisierenden Zügen des fortschreitenden Geschichtsprozesses« keine Alternative (101), gewähre aber in den sich jeder »Deutung mit realistisch-politischen Maßstäben« entziehenden »gezielten literarischen Exzessen« einen schonungslosen »Blick in die Zukunft der Moderne«. Schlebrügge, Die Raben, 127.
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gen, in denen die moderne Welt Schicksal spielt. Das läßt die Erfahrung eines anderen literarischen Kriegsherren assoziieren: In meiner Brust war meine Tat noch mein: Einmal entlassen aus dem sichern Winkel Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden, Hinausgegeben in des Lebens Fremde, Gehört sie jenen tückschen Mächten an, Die keines Menschen Kunst vertraulich macht. 45
Die Antwort, die die Strategie Hermanns und der Text Kleists auf das Dilemma Wallensteins suchen, liegt jedoch nicht in erster Linie in der von Schlebrügge beschriebenen Assimilation an die »nicht metaphysisch abgestützte Erfahrung der Geschichte als abrupten Wechsels von vieldeutigen, unabsehbar folgenreichen Augenblickskonstellationen«.46 Gerade die >AristanWallensteins Todkommissarischer König< wie er bereits als militärischer Führer gehandelt hat: im Namen eines überpersönlichen Prinzips, in dem sich jede Willkür aufhebt.49 Dieses Prinzip, in dem auch die Ausnahmesituation der Schlacht und die Rückkehr in die >Normalität< am Ende des Stückes verschränkt sind, bildet das Zentrum des Kleistschen Textes, dem er sich zunächst in einer Reihe von Negationen annähert: es steht dabei nicht nur dem abstrakten Recht der Römer und dem historisierenden Legitimismus Aristans unvereinbar gegenüber, sondern es ist auch unabhängig von den Dingen, auf die es doch eigentlich bezogen scheint. So wie sich Hermann von dem Boden seiner Heimat löst - »Wo Hermann steht, da siegt er, / Und mithin ist Cheruska da« (599) - so kommt er auch ohne die Reliquien der Vergangenheit aus: »Ganz Teutoburg siehst du in Schutt und Asche!« - »Mag sein! Wir bauen uns ein schönres auf« (626). Bereits vor dem Kampf hatte Hermann den anderen Fürsten vorgeworfen, das eigentliche Ziel zu verkennen. Besitz, Familie, ja selbst das eigene Leben werden zu bedeutungslosen Äußerlichkeiten (546^). An ihre Stelle treten das immer wieder beschworene »Gefühl« und das Pathos einer »Freiheit«, die die gleichermaßen ungreifbare 47 48
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Seeba, 2 4 9 ^ Ryan, 201; Ryan sieht in der A n t w o r t an Aristan auch eine A n t w o r t auf Schillers Frage »Deutschland? A b e r w o liegt es«. So auch bei der Hinrichtung des Septimius, w o Hermann gerade umgekehrt seinem Gegner den willkürlichen U m g a n g mit den eigenen Rechtsnormen vorwirft: »Du weißt was Recht ist, du verfluchter Bube, / U n d kamst nach Deutschland, unbeleidigt, / U m uns zu unterdrücken?« (612)
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wie unhintergehbare Norm für das Handeln Hermanns bilden. Seine Ausübung der Macht beruft sich auf das Wissen um eine Eigenheit, in der die Gemeinsamkeit der Deutschen ebenso gesichert ist wie die Differenz gegenüber den Römern. Diese Eigenheit mißachtet zu haben, ist der eigentliche Vorwurf gegen jenen »Latier, beim Himmel! / Der keine andre Volksnatur / Verstehen kann und ehren, als nur seine« (544Ο. Und genau an dieser »Volksnatur« der Deutschen als höchstem Prinzip findet auch die Fürsten-Autonomie Aristans ihre Grenze. So konstituiert sich in ihr eine Gemeinschaft, die als autonome neben anderen Völkern (»Britt« und »Gallier«) sowohl einem kosmopolitischen Universalismus (Rom) als auch einem kleinstaatlichen Partikularismus entgegengesetzt ist: die deutsche Nation. Das Wissen um ihren Wert ist intuitiv, d.h. sie muß sich weder rational (>vernunftrechtlichHerkommenan sich< relevant ist, sondern nur in dem, was dafür gilt - worüber die Macht entscheidet und nicht die besseren Argumente, das Interesse an der Gegenwart und nicht der Blick in die Vergangenheit. Die Eindeutigkeit dieser Position gerät ins Wanken, wenn man versucht, das Wesen der Macht näher zu bestimmen. Ihr selbst ist eine Dimension immanent, die nur mit Tradition und Religion erklärbar ist. Nur im Einklang mit diesen Kräften übt Hermann Macht aus. Die Aufopferung auch der historisch relevanten Äußerlichkeiten
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Wolf Kittler, Militärisches Kommando und tragisches Geschick. Zur Funktion der Schrift im Werk des preußischen Dichters Heinrich von Kleist, in: Dirk Grathoff (Hg.), Heinrich von Kleist, Opladen 1988, 56-68, hier 66. Nicht eigentlich um den Plan geht es dabei - »einer mündlichen Bestellung braucht es nicht« (558) sondern um das Spezifikum einer Rede/Schrift, auf die Wolf Kittler hingewiesen hat: die inkorporierte Schrift ist vergänglich, sie stirbt mit dem Körper, zugleich aber, entsprechend dem christlichen Motiv, beglaubigt dieses Sterben die Botschaft. Kittler hat das als »totale Kommunikation« ganz in den Dienst militärischer »Nachrichtentechnik« gestellt. Aber: es sind nicht nur militärische Nachrichten, die übermittelt werden.
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dient der Restitution eines Wesens, das das quasi sakrale Fundament der Nation bildet. Das Wissen davon entspringt nicht einer wissenschaftlich rekonstruierbaren Ereignisgeschichte, sondern es bleibt weitgehend nicht-kognitiv und transsemiotisch, daher ist es nicht explizit thematisierbar, sondern nur in den abstrakten Begriffen von »Poesie«, »Freiheit« und »Gefühl« umschreibbar. In diesem Gegensatz zwischen dem historischen Wissen Aristans und dem nationalen Wissen Hermanns ist die »Hermannsschlacht« auch ein Drama über Geschichte - als Suche nach einer Geschichte, die nicht zum Spielball der Interpretationen wird. Dieser Geschichtsbezug beherrscht das Handeln des Protagonisten auch während der Schlacht, explizit wird er jedoch in genau dem Moment, in dem es darum geht, die Ausnahmesituation aufzuheben und eine neue, zivile Ordnung zu etablieren. Die Rückkehr ins Goldene Zeitalter des Heroentums, von der einst der preußische Lieutenant geträumt hatte, inszeniert die >Hermannsschlacht< nicht. Schon die Analogie war irreführend konstruiert: Hermann ist schließlich von Beginn an unbestrittener Herrscher des mächtigsten deutschen »Stammes«, sein Handlungsspielraum ist also durch seine gesellschaftliche und militärische Funktion bestimmt und erst in zweiter Linie durch seine individuellen Fähigkeiten und seinen unbedingten Kampfesmut. Niemandem sonst, außer dem gleichrangigen Marbod, läßt das Stück den Spielraum zu eigenmächtigem Handeln. Im Gegenteil: gerade die enthusiastischsten Patrioten warten so sehnsüchtig wie ohnmächtig auf das Signal der Herrschenden. Dennoch sucht das Drama in der Geschichte mehr als ein Beispiel dafür, daß sich solche Hoffnung der Ohnmächtigen erfüllen könnte. Es sucht nach den Voraussetzungen dafür, und es findet sie in einer nationalen Identität, deren Kontinuität die Wiederholbarkeit erst garantieren würde. In diesem Rahmen wird >Heldentum< in spezifischer Weise umdefiniert. Die entscheidenden heroischen Gesten, wie der persönliche Sieg über seinen Kontrahenten Varus, werden Hermann gerade vorenthalten, und die Akte der Traditionsstiftung knüpfen nirgends an seine Person an, so daß weder das einzelne Ereignis noch die einzelne Person zum Gegenstand historischen Erinnerns werden. Aufgehoben und tradiert werden sie im Charakter des Volkes, dessen Fortbestand die heroische Aktion begründet. In diesem Sinn schreibt Hermann seine Geschichte nicht auf Gedenktafeln oder in Geschichtsbücher, sondern in die Körper der Deutschen. 59 Nicht als 59
Das ist kein wirkliches Schreiben, und es ist auch nicht auf die wirklichen, biologischen Körper bezogen wie beispielsweise der militärische Drill oder die Leibeserziehung eines Jahn. In der germanischen Sprache - »Ein Greulsystem von Worten, nicht geschickt, / Zwei solche Ding, wie Tag und Nacht, / Durch einen Laut zu unterscheiden« (601) - und im germanischen >Sumpf< verlieren sich die Distinktionen, in denen die - römische - Ordnung der Welt formuliert ist. Ebenso verbrennen die Hermann'schen >FeuerbotschaftenPrinz Friedrich von Hornburgs »Diktieren in die Feder macht mich irr. -« (650), das ist gleichsam das Motto für Homburgs Protest gegenüber einer Kriegsbürokratie, die der persönlichen Handlung keinen Spielraum läßt. Der Akt des Schreibens erscheint im Diktat, das die brandenburgischen Feldherrn empfangen (I/5), in grotesker Überspitzung bereits als der Vollzug des historischen Geschehens selbst. Durchgängig im Indikativ formuliert, nimmt es minutiös das kommende Geschehen vorweg und bringt es zum Abschluß: Der Kurfürst: [...] Habt ihr geschrieben? Feldmarschall·. Es ist vollbracht [...]
Ähnlich entsprechen sich die Irritationen, die im Diktat wie in seiner Umsetzung durch die >Zerstreutheit< Homburgs entstehen. Beim Diktat abgelenkt durch Liebesverwirrung, verfehlt er in der Schlacht gerade in der subjektiven Brechung, d.h. im Beharren auf der eigenen Subjektivität, die zugewiesene - historische - Subjektrolle. Der von der militärischen Vernunft diktierte Text der Geschichte scheint für die individuelle Stimme keinen Platz zu haben. Helmut Arntzen hat daraus den Schluß gezogen, daß die mögliche Utopie des Dramas bestimmter Weise signifikant, werden sie spontan verstanden. Luden wird das so darstellen, daß Hermann, selbst vom »Feuer des Geistes [...] beseelet [...] der Masse eine Seele gab«: »Ein großes Licht schlug durch die finstere Nacht und entflammte die Herzen der Menschen. Freiheits-Geschrei ging von Gemeinde zu Gemeinde, RacheRufe von Gau zu Gau. Ein jeder sah seine Gefahr in der Gefahr der bedrohten Brüder. Ein Gefühl in Allen führete zu Einem Entschlüsse bei Allen. Das ganze teutsche Volk [...] erhob sich wie ein einiger Mann. Alle teutschen Völker hatten nur ein einziges Vaterland« (>Geschichte des teutschen Volkes, Bd. 1, 234). Es ist der Brand, der quasi die deutsche Nation zusammenschmilzt zu einer unauflösbaren Einheit. In einer Ubergangszone von Symbol und nicht mehr Symbolischem ist die nationale Mnemotechnik Hermanns angesiedelt; gerade das aber prädestiniert sie für das dem imaginären Volkskörper >eingeschriebene< kollektive Gedächtnis, das gleichermaßen im Gegensatz zum individuellen Erinnern wie zum historischen, distinkte Inhalte speichernden Archiv steht. Das verweist auf das von Sellin als »kulturell-objektiv« charakterisierte Verständnis der Nation, das gerade weil es nicht wirklich semantisch ist, der Thematisierbarkeit und Entscheidbarkeit entzogen bleibt - im Gegensatz zum »politisch-subjektiven« (Volker Sellin, Nationalbewußtsein und Partikularismus, 25 γ f.).
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nicht im brandenburgisch-preußischen Chauvinismus und Militarismus zu suchen ist, sondern in der Annäherung an ein Ideal unverstellten Sprechens, an »die im Individuum zu sich selbst gekommene Sprache«.00 Wenn er aber der Defizienz einer durch abstrakte Begrifflichkeit charakterisierten und so die Konkretheit individueller Erfahrungen verfehlenden Sprache die Träume Homburgs als unmittelbaren, unverstellten Ausdruck von Individualität entgegenstellt - »Homburg hat [im Traum!] noch nicht gelernt, konventionell, sich regelrecht verstellend zu sprechen«61 - , dann übersieht er, daß gerade auch die Bildersprache von Homburgs Träumen hochgradig konventionalisiert ist. So hat die staunende Hofgesellschaft am Beginn des Dramas keine Probleme mit dem Verständnis dessen, was der Somnambulist ihr - und dem Lese- oder Theaterpublikum - vorführt: [ . . . ] - Der Lorbeer ists, Wie ers gesehn hat, an der Helden Bildern, Die zu Berlin im Rüstsaal aufgehängt (633).
Homburgs Stilisierung übernimmt also die heroische Pose der antiken Helden, wie sie Historienmalerei und Museum vermitteln. Der brandenburgische Jüngling scheint geradezu für sein eigenes Denkmal Modell zu stehen, wenn er versucht, »Sich träumend, seiner eignen Nachwelt gleich, / Den prächtgen Kranz des Ruhmes einzuwinden« (632). Wenn hier ein Übersetzungsversuch 62 stattfindet, dann nicht zwischen >authentischem< und »sprachlich entstelltem« Ausdruck, sondern zwischen zwei verschiedenen Zeichensystemen: dem Code der Bilder und dem des Sprechens. Nicht Authentizität ist damit angestrebt, sondern Unsterblichkeit. Die monumentale Geste empfiehlt sich für die Aufnahme ins Museum als paradigmatischem Ort des kulturellen Gedächtnisses, dem zugleich das >heroische< Bildmaterial entnommen wird. Auf diesem Stand bleiben das Drama und sein Protagonist jedoch nicht stehen. Homburg muß erst noch einen langen, harten Lernprozeß durchlaufen, bevor er sagen kann »Nun, ο Unsterblichkeit, bist du ganz mein!« Wenn er zu Beginn des Stücks Lorbeer sucht, um endlich »Levkojn und Nelken« (707) zu finden, dann hat sich auch der Ort gewandelt, an dem der Traum vom Heldentum sich erfüllt. So findet Homburg sich selbst am Ende nicht als Standbild im Museum, sondern als Teil eines lebendigen Tableaus. An die Stelle der weltgeschichtlichen Galerie heroischer Individuen tritt die nationale Kampfgemeinschaft, in der Helden
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Helmut Arntzen, Prinz Friedrich von Homburg - Drama der Bewußtseinsstufen, in: Walter Hinderer (Hg.), Kleists Dramen. Neue Interpretationen, Stuttgart 1 9 8 1 , 235.
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Arntzen, 226.
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Arntzen spricht im Blick auf I/4 von einem scheiternden Übersetzungsversuch des Traums in Alltagssprache (227).
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wie Namenlose verschmelzen: »Alle: In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!«63 Das sollte so deutlich sein, daß es schwerfällt, hierin nichts anderes sehen zu wollen als eine »zu sich selbst gekommene Sprache, die [...] nichts mehr rhetorisch erhöht, stilisiert, allegorisiert, die vielmehr das ganz Einfache, das empirisch Unbeachtliche leuchten macht«/4 Gerade das Spiel mit den Pflanzen läßt an der entscheidenden semantischen Dimension solchen Sprechens wenig Zweifel. Lorbeer, weltgeschichtliches Symbol des Heroentums, gedeiht nur in der Künstlichkeit des botanischen Gartens und assoziiert somit Fremdheit: Der Kurfürst. - Wo fand er den in meinem märkschen Sand? Hohenzollern: Das mögen die gerechten Götter wissen! Der Hofkavalier: Vielleicht im Garten hinten, wo der Gärtner Mehr noch der fremden Pflanzen auferzieht. (633)
Nelken und Levkojn dagegen stammen aus der Nähe: Der Prinz von Homburg: Levkojn? - Wie kommen die hierher? Stranz: Ich weiß nicht. Es scheint, ein Mädchen hat sie hier gepflanzt. - Kann ich dir eine Nelke reichen? Der Prinz von Homburg: Lieber! Ich will zu Hause sie in Wasser setzen. (708)
Das sagt einer, der glaubt, in den Tod zu gehen. Damit aber eröffnet der Gegensatz von fremder und heimatlicher Pflanze einen Bedeutungsraum, in dem die »Levkojn« weit mehr sind als »Blumen, die nichts prätendieren als sie selbst zu sein«.6' Wenn sie den Lorbeer als Garant der Unsterblichkeit ablösen, definieren sie einen neuen geographisch-historischen Raum als Ort des Heldentums: Brandenburg. Erst jetzt, aus der weltgeschichtlichen Ahnengalerie heimgekehrt in den nationalen Garten, darf Homburg dann auch den Lorbeerkranz tragen. Darin bestätigt sich nochmals, daß sein Fehler weniger in der Handlung selbst, auch nicht in der Leidenschaftlichkeit zu suchen ist, sondern in der Motivation, der er gefolgt ist. Gelernt hat er, an die Stelle von »Trotz« und »Übermut« das »heilige Gesetz des Kriegs« zu setzen (704) - zugleich aber nicht auf eigene Urteilsfähigkeit zu verzichten. Solche Helden braucht das Land.
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So groß die Versuchung ist, das als bitteren Zynismus zu werten, mit dem der gescheiterte Ausbruchsversuch des Individuums - gerade weil er nicht konsequent genug war - kommentiert würde (spricht eigentlich Homburg hier mit, oder wird für ihn gesprochen, über ihn, den Ohnmächtigen, verfügt?), bleibt doch das vorangegangene Bekenntnis zum »heiligen Gesetz des Kriegs«. Arntzen, 235. Arntzen, 225. Die Levkojn sind so wenig nur »sie selbst«, wie sich die '•Hermannsschlacht in der »Augenblicks-Ekstase Hermanns« erschöpft.
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Den hier beschriebenen Weg in die Unsterblichkeit verfolgt - etwa gleichzeitig - auch Theodor Körners >ZrinyGeschichte< bereitstellt, definiert zugleich die Bedingungen der eigenen - intendierten - Wirksamkeit. Sowohl im als auch durch das Drama überlebt der Prinz von Homburg. Nochmals ist Arntzen zu widersprechen: Die Transzendenz der konkreten historischen Situation allein in die Sphäre einer nicht weiter spezifizierten Poesie münden zu lassen - »Das Leben, das Homburg hinter sich läßt, kennt nur Tod. Das Drama als poetische Darstellung ist der wahre Schein von Unsterblichkeit« - verstellt den Blick gerade auf das Verschmelzen des Homburgschen »Traums« mit der
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Körner, Werke, 302. Körner, Werke, 3 2 2 ^
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»vaterländischen« Realität.68 Auch als poetische Darstellung ist das Drama Teil solcher Realität. Die Versprechen der Poesie sind wie die der Geschichte nur einzulösen im Rahmen einer spezifischen - und das heißt nationalen - Rezipientengemeinschaft, wie sie im Drama selbst entworfen ist. Das ist es vor allem, wovon der >Homburg< jenseits aller noch so konkreten Handlungsanweisungen für die Befreiungskrieger und jeder noch so problematisch ausgestalteten Individualitätskonzeption handelt. Was in der Hermannsschlacht eine ganze Nation lernen mußte, muß der Prinz von Homburg als einzelnes Individuum nachvollziehen. Daß das hier wie dort kein einfacher Prozeß ist, macht die literarische Qualität der Dramen Kleists aus, die eben nicht widerspruchslos in der Verherrlichung eines militanten Chauvinismus aufgehen. Daß sie ihn aber dennoch als ihren Fluchtpunkt entwerfen, ist nicht wegzudiskutieren. 69
(3) Für die Aufnahme in das Niethammersche >Nationalbuch< empfiehlt sich die >HermannsschlachtHomburg< ist, wird gerade auch für die weitere Geschichte der >Hermannsschlacht< von entscheidender Bedeutung sein. Die G e schichte der Unsterblichkeit und die Geschichte des Museums sind eng miteinander verbunden - und auf die Geschichte der Nation bezogen. Vgl. Wolfgang Pircher, Eine Ausstellung des Abwesenden, in: Zacharias, Wolfgang, Zeitphänomen Musealisierung: das Verschwinden der Gegenwart und die Konstruktion der Erinnerung, Essen 1990, 7 2 - 7 8 .
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jährige Kontinuität einer deutschen Geschichte, die den >neuen< Staat zugleich als den immer schon bestehenden ausweist. Den "Weg in die Öffentlichkeit von Buch und Bühne findet die Hermannsschlacht nicht in dem Projekt eines nationalen Befreiungskampfes, wie ihn Kleist entworfen hatte, sondern erst als Feier seines siegreichen Abschlusses. Das belegt beispielsweise das 1 8 1 7 - also im gleichen Jahr wie Schadens »Körners Tod< und lange vor der Veröffentlichung von Kleists >Hermannsschlacht< im Druck erschienene »geschichtliche Schauspiel« >Herrmann< der auch als Dramatikerin erfolgreichen Wiener Hofschauspielerin Johanna Franul von Weissenthurn.70 Mit großem dramaturgischen Geschick sind hier die theatralisch wirksamen Motive des Stoffes kombiniert, wobei immer wieder Momente persönlicher Tragik in den Vordergrund gestellt werden, so in der Auseinandersetzung Hermanns mit seinem Bruder Flavius, deren berühmte, von Tacitus überlieferte Begegnung das Drama vordatiert, in der Frage um Hermanns Verrat oder schließlich in der Figur von beider Vater Sigismar, der den Haß auf die »übermüth'gen fremden Unterdrücker« über die Familienbande stellt. Auch der Liebes- und Entführungshandlung um Thusnelda, die von ihrem verräterischen und intriganten Vater einem ungliebten Römer angedient werden soll, gibt das Drama breiten Raum - gerade jenen »kleinlichen« Motiven also, von denen Luden seinen Nationalhelden »reinigen« wollte: »Ein Jüngling, der das mißhandelte und geschändete Vaterland so tief in der Brust trug, wie er, konnte unmöglich seinen Geist auf Mädchen, Heirath und Entführung richten, so lange das Unglück auf seinem Volke lag«.71 Gegen eine derartige Trivialisierung des Heroischen polemisiert Luden ebenso vehement wie gegen die falsche, >revolutionäre< Politisierung. Weissenthurns Drama beweist nun allerdings ein ausgeprägtes Gespür gerade für die Verbindung von theatralischem und politischem Effekt. Schon der erste Auftritt des Titelhelden inszeniert mit großem Geschick die Theatralik der Politik. Lesende oder zuschauende Rezipienten ebenso wie die Agierenden auf der politischen Bühne Germaniens wähnen ihn noch »in dem fernen üpp'gen Rom«, während er, unbemerkt zurückgekehrt, nur auf den geeigneten Augenblick wartet, um seine Ansprüche auf Anführerschaft im deutschen Befreiungskampf anzumelden. Der Moment ist da, als der Vater Sigismar die germanischen Völker zusammengerufen hat, um einen »Bund der Deutschen« zu propagieren. [.Sigismar:] Entfesselt ist der Gram, der in mir wüthet, Er ströme in der treuen Freunde Brust! Die eignen Söhne kämpfen für die Feinde, Die angestammte Kraft verschleudern sie Für übermüth'ge fremde Unterdrücker.
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Johanna Franul von Weissenthurn, Dramen, Bd. 8 (= Neue Folge, Bd. 2), Wien 1817. Geschichte des teutschen Volkes, 261.
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Ο meine Söhne, mußt' ich das erleben! Mit Schmach bedecket ihr mein greises Haupt! Sie lernten in dem fernen üpp'gen Rom Im Kampfspiel um die Fechterpreise ringen, Sie schmausten dort bei nächtlichen Gelagen, Und lernten so dem deutschen Muth entsagen; Sie warfen frech das Joch auf ihre Brüder Und sangen mit dem Feinde Siegeslieder. So lernten sie mit rühmlich größten Thaten Ihr gutes deutsches Vaterland verrathen. Herrmann: (unter dem Volke). Retten! (allgemeine Stille) (12)
Neben der Hermann-Figur wird hier auch das zentrale Thema des Textes exponiert: die Kulturdifferenz zwischen Rom und Germanien-Deutschland. Dabei sind zugleich Kultur- und Generationenkonflikt vermittelt. Sigismar sieht die »Freyheit« seines Volkes vor allem durch die Entfremdung der jungen Germanen von ihrer Herkunft bedroht. In der eigenen Familie spiegelt sich das Schicksal der Nation, deren Söhne von der fremden Zivilisation »gelockt« und verdorben werden (6). Die Rückkehr des - vermeintlich - verlorenen Sohns scheint zwar die Generationsordnung wieder herzustellen, aber auf eine nicht unproblematische Weise. Tatsächlich wird hier bereits ein Generationswechsel vollzogen, denn es bedarf gerade der neuen Erfahrung mit der römischen Zivilisation, um den Aufstand in militärisch und politisch effektive Aktionen zu überführen. Die Jungen müssen ihre »Freyheit« selbst erkämpfen und dabei zumindest strategisch die engen Grenzen des mythischen Versammlungsortes der Väter - »Eiche und Altar« - überschreiten. Dabei geht es in dem Kampf gerade um die topischen Konnotationen dieses Ortes: Einfachheit, Ernst, Authentizität bestimmen die germanische Lebenswelt. Rom dagegen verkörpert das Prinzip der Vermittlung, einer die Sinne betörenden Simulation, die den Kampf nur im »Kampfspiel« kennt. So will es jedenfalls der patriotische Blick. Der dramaturgisch-theatralische, mit dem Weissenhurn das Geschehen gleichzeitig berachtet, ist hellsichtiger: der als Theatercoup inszenierte Auftritt Hermanns spielt in die politische Szene Germaniens das Wissen der erfahrenen Schauspielerin und Autorin ein, in dem sich ihr Erfolg auf der Bühne des Wiener Hoftheaters begründet. Das scheint aber eher das Wissens Roms als das Germaniens zu sein. In den hier entstehenden Spannungen zwischen Dargestelltem und Darstellung liegt ein paradoxales Moment, das aber nicht im Text selbst reflektiert wird. 72 Die Begegnung der ungleichen Söhne Sigurds schafft den Raum für die Explikation eines spezifisch deutschen Kulturmodells. Flavius, im Gegensatz zu
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Genau das aber verbindet Weissenthurn mit Luden, der sich in seiner eigenen Darstellung durchaus der rhetorischen Effekte geschickter Inszenierung bedient. 125
seinem Bruder nicht nur aus strategischem Kalkül in den Dienst Roms getreten, w o er ein Auge verloren und einen Orden gewonnen hat, verliert seine anfängliche Souveränität in dem Maße, in dem er seine Entwurzeltheit weder vor dem Bruder noch vor sich selbst länger verstecken kann. Am Ende des Dialogs, den er abbricht mit dem Verweis auf die militärische, nicht mehr wie anfangs auf die moralisch-zivilisatorische Überlegenheit Roms, bleibt er tief verunsichert zurück. Zu sehr hat er sich von seinem eigenen Volk entfernt, als daß es ein Zurück gäbe. Seinen Frieden wird er nicht mehr finden - nicht in Rom, das für seinen Wunsch, dem Bruderkrieg zu entfliehen, kein Verständnis aufbringt, 73 und nicht einmal im Tod, wo ihn der unversöhnliche Fluch seines Vaters verfolgt. 74 Die Paradoxie der Argumentation Flavius' tritt deutlich hervor, wenn ausgerechnet er, dem Rom ein Auge genommen hat, vehement in aufklärerischem Sinn die Lichtmetapher für sich in Anspruch nimmt - »Licht zu verbreiten bin ich ausgesandt« (56). Der finstere Wald, in dem das Zwiegespräch stattfindet, ist für Flavius nur »menschenleere Wüste«, für Hermann dagegen ein Ort der Besinnung: [Herrmann:] Weil ich nur hier den Menschen finden kann. Hier laß' der frohen Kindheit uns gedenken; Trüb ward der Bach in seinem langen Lauf, Ich suche froh die reine Quelle auf. Der Knabe suchte, liebte dieses Dunkel Flavius·. Als Männer suchten wir das schön're Licht. Herrmann·. Glanz, Flavius, ist wohl nicht Licht zu nennen, Roms Fackelschein nahm ich auch oft dafür (49)
N u r in diesem trügerischen Licht kann dann auch der fremdländische Orden höhere Bedeutung erlangen als die Unversehrtheit des Körpers. Im Bild der Suche nach der Quelle ist deutlich das Moment der bewußten Rückkehr nach einem Durchgang durch die Fremde formuliert. Gerade die Konstruktion, die Hermann quasi zwischen Vater und Bruder situiert - dem einen hat er die authentische Kenntnis der römischen Zivilisation voraus, dem anderen die Fähig73
74
»[Viir«i:] Wenn sich das Heer zu neuen Siegen schmückt, / Die Tuba rufend ihre Helden fordert, / Darf uns kein friedlich Bild dem Ziel entrücken« (65). Ein entscheidender Bereich, in dem die Kulturdifferenz modelliert wird, ist die rechtstheoretische Argumentation, in der Flavius gegenüber Hermanns Kampf für »das alte Recht« und die »angeerbte Erde« (53) die Notwendigkeit positiven Rechts einklagt: »Ja euer Friede selbst ist Krieg zu nennen, / Weil kein Gesetz euch klug zum bessern führt, / Irrwahl und Aberglaube euch regiert« (54). Hermann dagegen bewertet das natürliche Rechtsempfinden höher als jede Kodifizierung: »Was braucht, der Recht empfindet, einen Richter? / Der Römer Unrecht hat sie nur erzeugt, / Und nöthig sind sie wahrlich einem Volke, / Das alles will, das keine Schranken kennt. / Wie der Senat nach fernen Ländern strebt, / So raubt ein jeder einzeln, was ihn lüstet. [...] So hausen feindlich sie im eig'nen Lande / Der Kinder Erbe ist - der Väter Schande.«
(55). 126
keit zu innerer Distanz dieser gegenüber hebt die Bewußtheit seiner Entscheidung für die germanisch-deutsche Kultur hervor, für eine Kultur also, deren betont vormoderner Charakter diese Bewußtheit eigentlich gar nicht zuläßt. Das hier metaphorisch entworfene Programm von Geschichte ist das einer konservierten Archaik. Aus der Kritik Roms, wo »Gewinnsucht«, »Herrschsucht« und leerlaufende Äußerlichkeit nur das Fehlen substantieller Werte kaschieren: »Ich sah, wie die vergöttert großen Helden / Mit ihrem Purpur kaum die Blöße decken, / Die zu des Pöbels Hefe sie gesellt« (18), geht die Apologie einer Besinnung auf das Eigene hervor: Im eignen Land muß man die Mittel finden, Die edler Völker Glück und Freiheit gründen. Das Volk, das stets auf fremdem Boden lebt, Der Nachbarn G l ü c k und Freyheit untergräbt, U n d thront es auch in großen Säulenhallen, Sie müssen endlich brechen, müssen fallen, Indeß die Eiche kühn ihr Haupt erhebt, Das Volk zu schützen, das nach Freyheit strebt (19)
Die bewußte Entscheidung für den deutschen Nationalcharakter bestätigt sich im Bund mit Thusnelda. Auch sie muß sich in einer parallel geführten Handlung zunächst ihrer eignen Identität vergewissern. Dazu muß sie sich behaupten gegen den Opportunismus ihres eigenen Vaters Segest, der sie in verschiedenen Heiratsversprechen auf zynische Weise als Einsatz im Spiel um die Macht mißbraucht. Im menschenverachtenden Kalkül seines eigenen Handelns denunziert Segest, was er als kulturelle Überlegenheit der Römer beschreibt: »Ich ehre dieses Volk, das uns gebildet,/ Das rohe Thier zum edlen Menschen formt'«(31). Ins Recht gesetzt werden demgegenüber diejenigen, die in solcher >Formung< vor allem die Deformation erkennen: »Dem rohen Deutschen war die Freyheit eigen / Gebildet muß er auf die Kette zeigen.« (32) Auch hier ist die Differenz in der Lichtmetapher formuliert: gegenüber dem hellerleuchteten Hof Varus', der die Bühne solchen und anderen Intrigenspiels bildet, wird für Thusnelda gerade der »dunkle Wald« zum Hort der Freiheit und Menschenwürde. Varus selbst dagegen ist vom Glanz seiner eigenen Prachtenfaltung so geblendet, daß er blind bleibt gegenüber allen Warnungen, die ihm zugespielt werden. Anmaßung und Hybris kulminieren in einem glänzenden Hoffest, das die Römer am Abend vor dem Feldzug begehen, der ihr letzter sein wird. Thusnelda und Hermann formulieren unabhängig voneinander eine völlig analoge Rom-Kritik und spielen dabei, geschlechterspezifisch, die >eigentlichen< Werte gegen den despotischen Zwang aus: »Thusnelda·. Mit Beil und Ruthen [den Werkzeugen der »Lictoren«, also den Insignien der aufgezwungenen Gerichtsbarkeit] fördert man das Recht, / Und raubt der Menschheit jede freye Tugend« (44) - »Hermann: Mit Beil und Ruthen lähmt man Kraft und Willen« (52). Der Parallelismus bestätigt, was Hermann schließlich am Hochzeitstag so formu127
liert: »Eh' unsre Herzen liebend sich gefunden / Hat uns der Wunsch nach Freyheit schon verbunden« (83). Dieser »Hochzeitstag« ist zugleich der Tag der entscheidenden Schlacht, und so werden wiederum private und öffentliche Handlung zusammengebracht. In einer Zeremonie wird - von »Seherinnen« und »Barden« - zugleich das Brautpaar getraut und die Kampfgemeinschaft formiert, auch im Ausgriff auf eine nationale Zukunft: [Herrmann-.] Wie wir den deutschen Heldensinn bewahren Soll Sohn und Enkel staunend einst erfahren. Barden: Verewigt dieser Tag (86f.)
Die Liebeshandlung führt also nicht, wie Luden befürchtet, zur Entpolitisierung des Helden, sondern sie gerät zur öffentlichen Repräsentation nationaler Identität und bestätigt so die Fundierung der militärischen Aktion im Nationalcharakter. Ihre Integration ins nationale Schauspiel scheint also geglückt. Nach gewonnener Schlacht präsentieren sich Volk und Fürsten (unter denen Hermann die Waffen des Varus aufteilt) in völliger Eintracht. 75 Der Optimismus dieses Endes, das sich sowohl national als auch privat, in der Ehe der Protagonisten Hermann und Thusnelda, als Neuanfang präsentiert, wirkt jedoch etwas abrupt. Überschattet wird das Schlußbild noch von der vorangehenden Szene, w o der blinde, schon vom Tod gezeichnete Sigismar in einem toten Legionär das ganze römische Heer verflucht, ohne zu erkennen, daß es die Leiche des eigenen Sohns ist, die er mit Füßen tritt. [Sigismar.] Das Römerjoch tret ich im Tod mit Füßen, Und rufe Rache über Völkermörder, Fluch, Elend dem Mutterschooß, der dich gebar! Thusnelda (hat die Leiche erkannt und schreyt): Halt, - Vater! halte ein, ο fluch nicht! Sigismar (heftig): Dem Vater fluch ich, der die Schlange zeugte, Die tückisch unser Herzblut ausgesaugt; Ich fluche seinem mordenden Geschlecht, Denn es entriß mir hämisch Menschenrechte. (109)
Das sind - zur Blütezeit des Schicksalsdramas - deutliche Worte (die Sigismar auch nicht zurückzunehmen bereit ist, als er über die Identität des Verfluchten aufgeklärt wird). Die Uberlagerung von Gattungsschemata, die im Falle der Korrespondenz von nationalem Festspiel und Liebeshandlung noch aufging, führt hier zur Dissonanz. Möglicherweise gegen den Willen der Autorin wird
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Auch der Makel eines »Verrats« wird getilgt: es handele sich doch nur um Rache für einen zuvor verübten »Verrat« der Römer an den »Kimbern und Teutonen«, die, in offener Schlacht unbesiegbar, erst der »Römerlist« unterlegen wären. Der einzige Verräter auf Seiten der Germanen, Segest, hat rein individuell gehandelt, ohne >Rückendeckung< durch sein Volk.
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so erinnerbar, daß in der überlieferten Geschichte die im Drama gelösten Konflikte erst noch anstehen: Segest tritt wieder in römische Dienste, der Bruderkampf zwischen Hermann und Flavius steht noch aus und die vermeintliche Einheit der deutschen Völker erweist sich schon Monate später als äußerst brüchig. Damit aber wäre die Position der »staunenden« »Söhne und Enkel« neu zu bestimmen. Auch das Schicksalsdrama kennt den Gedanken an das unlösbare Band, das die Gegenwart mit einer fernen Urszene verbindet - als belastende Hypothek, als verhängnisvolle Verstrickung.76 Möglicherweise erweist sich der Verlierer in seinem Blick auf die Zukunft ja als hellsichtiger als die Sieger. Denn auch Varus - dem das Stück mit steigendem Unglück immer mehr heroische Größe zukommen läßt - hat im Zeichen des Untergangs eine Vision über seine - aber vielleicht nicht nur seine - Rolle in der Zukunft: [Varus(\
Ο welch ein Tag! Welch Blutbad, welch Entsetzen!
Ο schmählich Denkmal aller künft'gen Zeit! [...] Die Todten kann ich nimmer auferwecken, U n d das Gescheh'ne gräbt sich in die Zeit. [...] Ist es ein Traum? ist's grause Wirklichkeit?« (ι ι if.)
Es ist nicht vorauszusetzen, daß das Wiener (Theater-)Publikum 1817 diese Ambivalenz realisiert oder gar auf die Situation am Ende des Wiener Kongresses bezogen hat. Sie zeigt aber - auf eine andere Art als das Drama Kleists - die Eigendynamik, die der Rezeption des Hermannsschlacht-Stoffs gerade auch in seinen theatralischen Momenten innewohnt. Die Wiederauferstehung der germanischen Kultur findet unter den Gesetzen des Theaters statt. Der dramaturgische Blick Johanna von Weissenthurns scheint da hellsichtiger als der patriotische gewesen zu sein. (4) Das Titelkupfer zum dritten Band von Karl von Rottecks allgemeiner GeschichteAhnfrau< am Theater an der Wien. Vgl. u., ijjiff.
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Karl von Rotteck, Allgemeine Geschichte vom A n f a n g der historischen Kenntniß bis auf unsere Zeiten, 15. Aufl. Braunschweig 1 8 4 1 , Bd. 3, 77.
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Tacitus, Cäsar und Plinius liefern. Vom Beginn der Überlieferung an ist das Geschehen - in seiner wichtigsten Uberlieferung - nur in potenzierter Vermitteltheit gegeben: Tacitus schreibt ein Jahrhundert nach den Ereignissen auf, was Germanicus sechs Jahre nach der Schlacht noch an - dinghaften - Spuren vorgefunden hat. Schon dieser erste Zeuge rekonstruiert die Ereignisse aus der Interpretation von Zeichen - jedenfalls in der Rekonstruktion, die einer der akribischsten Hermannsschlacht-Forscher von dieser ersten Rekonstruktion präsentiert.78 Dennoch entfaltet Rotteck das Modell einer eigenständigen germanischdeutschem Kultur, das Dramen wie Weissenthurm >Hermann< nur noch geringfügig ausschmücken mußten; allerdings in recht gedrängter Form im Kontext der römischen Geschichte.79 Er weiß von einer »selbstständige[n], unvermischte[n] Menschenra$e, so weit die Erinnerungen der Geschichte reichen« zu berichten, bestimmt durch Sitten, Lebensweise, Sprache und körperliche Eigenschaften, deren Lebensraum weitgehend Wildnis gewesen sei. Nach stetigen Eroberungen durch die Römer kommt es zur Konfrontation, als diese »auf ächte Despotenmanier« ihre Verwaltung und ihr Recht den Germanen aufzwingen wollen. Die Teutschen schienen gedemüthigt durch die Waffen; ihre Ruhe, so glaubte Varus, bewies, daß ihnen Muth oder Kräfte fehlten; jezt sollten sie auch bürgerlichen Gehorsam und Römersitten lernen, auf daß der Römer Herrschaft sich befestige. Mit Staunen und Unwillen sahen die Teutschen die Ruthen, die Beile - Merkmale verworfener Knechtschaft nach ihren Begriffen - sahen die Formen der gekünstelten Rechtspflege, die Macht der Chikane, fühlten die Schmach des aufgedrungenen fremden Gesezes und den ungewohnten Druck willkürlicher Steuern. (85)
Der damit ausgelöste »geheime Brand« wird durch »Hermann, der Cherusker Fürst« zum offenen Feuer geschürt. »Freiheitsliebe gab den einfältigen Natursöhnen List, den brausenden Gemüthern Verschwiegenheit, den Schlechtbewaffneten überlegene Stärke«. Nach mehrtägiger Schlacht unterliegen die Römer den »erbarmungslosen«, durch »Sturm und Regenströme« sowie die 78
Christian Gottlieb Clostermeier, Wo Hermann den Varus schlug, Lemgo 1822. »Daß Tacitus der beiden Lager des Varus zuerst erwähnte, war sehr natürlich. Denn sie kamen bei dem Unglücke, welches den Varus mehrere Tage verfolge, ganz vorzüglich in Betracht. Die Römer hatten die bestimmtesten Vorschriften für die Errichtung ihrer Lager, und diese wurden so genau befolgt, daß der Römische Soldat, der nur einen Feldzug mitgemacht hatte, an jedem Lager, das er sah, sofort erkennen konnte, wie viele Legionen in demselben, und wo ihre Adler gestanden hatten. Deswegen hob Tacitus gleich die Bemerkung hervor, daß das erste Lager des Varus an seinem Umfange und seiner innern Abtheilung noch die Stärke dreier Legionen erkennen ließ, das zweite Lager hingegen durch seinen nur zur halben Höhe gebrachten Wall und flachen Graben verrieth, daß in demselben nur noch der, bis dahin dem Schwerte der Feinde entgangene, Rest sich niedergelassen hatte.« (2o6f.)
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>Allgemeine GeschichtespurenlosSozialmodell< durch seine Stellung im Erzählzusammenhang der Rotteckschen Geschichte: es kontrastiert nämlich der Agonie des römischen Staates und erscheint so - wenn auch selbst nicht durchaus ideal - als Quelle einer alternativen Form der Vergemeinschaftung, die die am Beispiel Roms beobachtete Destruktivität vermeiden könnte. Der »verdorbene Zustand der römischen Sitten« repräsentiert eine lange Kulturgeschichte des Verfalls: Allmählig erloschen die alten republikanischen Gebräuche in Ton und Lebensweise; der Sklavensinn, die fortwährende Abnahme der Kraft und W ü r d e war auch in Beschäftigungen, häuslichen und geselligen Verhältnissen und Vergnügungen sichtbar. N i c h t minder waren die Geseze, die jezt ergingen, ein Ausdruck davon und ein K o m mentar der Verfassung.
Der Blick auf Germanien wird eingeführt als Kontrastfolie zu diesem Niedergang, der den eigentlichen Gegenstand des Kapitels in Rottecks Darstellung bildet: Wir haben die Mißgestalten morgenländischer Despotie, die ungeschlachten Verfassungen der ältesten Heroenzeit und künstlichen Systeme späterer griechischer und römischer Staatsformen gesehen. Laßt uns jetzt den Anblick eines Volkes genießen,
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»Glücksspiele«, in denen »der die Freiheit über Alles liebende Teutsche doch oft in der Leidenschaft seine eigene Person auf einen Würfel sezte, und wenn er verlor, geduldig ein Knecht ward« ( 1 1 9 , A n m . ) charakterisieren auch in Grabbes >Hermannschlacht< die Germanen. Vgl. u., 31 j f .
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welches in seiner natürlichen Einfalt das Geheimniß einer größeren und sicherern Freiheit fand, als mit aller Weisheit und Erfahrung Lykurg und Solon und die größten Staatsmänner Roms ihren Völkern zu geben wußten. Freilich erheischte der rohere Zustand der Teutschen weniger Z w a n g , Unterordnung und Regel, als gewerbfleißige, verfeinte, in Städten zusammengedrängte Völker brauchen. W o kein Reichthum ist, mehr noch, w o man die Bedürfnisse zu beschränken versteht, dort kann mehr Freiheit seyn. A b e r sie verlangt noch Anderes. Waren nicht die rohen Assyrer, die barbarischen Hunnen, Mongolen, Tartaren, Türken Despotenknechte? und hat nicht im M i t telalter, bei wenig höherer Kultur, die doppelte Tyrannei des Adels und der Priester auf unseren Vätern gelastet? - Die ältesten Teutschen dagegen waren und blieben Jahrhunderte durch frei, weil ihr schlichter Verstand, ihr fester Wille, ihre natürliche U n verdorbenheit und ungeschwächte Kraft der einheimischen wie der fremden Unterjochung entgegen strebte. E s war ihnen nicht gegeben, Sklaven zu seyn. Die Vermischung mit fremdem Blute, mehr noch die Ansteckung fremder Sitten tilgte diesen Sinn. A u c h mußten sie wohl gehorchen lernen, sobald sie auf Eroberung ausgingen. Das Joch, das sie den Überwundenen auflegten, wurde - so wollte und will es durchaus die waltende Nemesis - zuletzt auf ihren eigenen Nacken gelegt, (i 10)
In diesem Sinne aber sind die Germanen tatsächlich >spurloskleine< Erzählung von der germanischen Vergangenheit bleibt eine Episode auf der Bühne der Weltgeschichte, die erst in der universalgeschichtlichen Verortung ihre Relevanz gewinnt. Nicht nur ihr Text ist lückenhaft und nur der römischen Überlieferung geschuldet, auch ihr Sinn entfaltet sich erst im und als Kontrast zur dominant gewordenen Entwicklungslinie. Rotteck intendiert keine Wiedererweckung, sondern eine Erinnerung, in der sich auch die unüberwindbare Differenz manifestiert. Im Gegensatz dazu steht die >große< Erzählung von der deutschen Nation, wie sie z.B. Luden präsentiert, die von der Suche nach einer ungebrochenen Kontinuität deutscher Geschichte getragen ist. Ludens Konzeption nationaler Hermeneutik< ist nur einer von vielen Versuchen, in die >reale< Vergangenheit und Gegenwart der Nation einzuholen, was bei Rotteck Gegenbild bleibt. Bereits 1822 registriert ein Forschungsbericht die ausgeprägte Affinität des seit einem Jahrzehnt sprunghaft ansteigenden Interesses an der Hermannsschlacht zu den Befreiungskriegen und resümiert, all diesen Forschungen »war es weniger um histo-
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So Rotteck in seiner Antrittsvorlesung von 1 8 1 8 . Gesammelte und nachgelassene Schriften, hg. v. H . v. Rotteck, Pforzheim 1 8 4 1 .
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rische Richtigkeit, als um eine lebendige Darstellung von Hermanns Thaten zu thun, die in der damaligen Zeit die männliche deutsche Jugend in feuriger Vaterlandsliebe zur Ergreifung der Waffen gegen Napoleon entflammen sollte«.82 Daher sei es an der Zeit, das Skandalon der fehlenden Uberlieferung zu umgehen und den »historischen Patriotismus« auf ein wissenschaftliches Fundament zu stellen. Die zu diesem Zweck skizzierten Überlegungen zum kollektiven Gedächtnis gehen davon aus, daß es nicht mit dem individuellen Gedächtnis identifiziert werden kann, wenn lange Zeiträume zu überbrücken sind. An dessen Stelle treten die Archive und die Medien, mit denen sie zum Sprechen gebracht werden können. »Schwankende Sagen« und »verwitterte Monumente« hatte Rotteck als einzige einheimische Quellen gesehen - und als irrelevant beiseite gelassen. Beides hat jedoch die Energie und die Phantasie zahlreicher patriotische Altertumskundler stimuliert. Auf Sagen als natürliche Ueberlieferung, der um keinen Preis ein Wort ab= oder zu, die aber so wahr aus dem Leben gehet, daß vertraulich der Vorzeit Bild sich um uns erhebt, und Zweifel rein unmöglich wird,® 3
vertraut z.B. der pensionierte General Hammerstein-Equord. 1816 kann er die Ergebnisse einer volkskundlichen Exkursion in die Geschichte der Hermannsschlacht präsentieren. In der Nähe Detmolds fndet er in Hermann Böger, einem einfachen Mann aus dem Volk, den würdigen Greis, der klar und bewußt, als sey er vor Jahrtausenden dabei gewesen, mir berichtete, was die Alten ihm gesagt [...]: >Düt D o r p heet Fallrum, oder Römerfelde, as et in düsser Gegend ok bekennet is, un vor Ollers b y ' n Amte naymet ist. Dat Feld ober den Dörpe heet so tor hüddigen Stunne. E t stünne do en old Heidenvolk, de Römer heeten, drei Stunne Wegs ober der Egge hen, von den Gewinnefelde bet na Klayenbarge. U n se stünnen da tegen enander, und se lösten wat, as se up dat Winnefeld keimen, un gungen terügge, ober de grote Egge, dort Waldeck'sche nah'n Rhyne weer tau, w o se, as en old Foster mi oste segt het, door seeben Buerskappen hen flüchtig syhen sünd.Zeugen< ausgemacht, einen 78jährigen »Hagenmeister«, der erzählt habe mit eben der Zuversicht auf die Ueberlieferung der Vordem, eben so bedeutsam, als lebe noch alles um ihn, und sey es ihm selber noch bewußt, daß die Römer von Schötmar bei Herford hergezogen [...];
diese Erzählung liefert nun
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Clostermeier, W o Hermann den Varus schlug, j 1. H . von Hammerstein-Equord, Ü b e r die dreitägige Hermannschlacht, in: Das vaterländische Archiv zur Kenntniß des Königreichs Hannover, Bd. 4, H e f t 1 ( 1 8 1 6 ) , 99. Hammerstein-Equord, 17.
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die fehlende Hälfte der Bögerschen Sage, die den Ausmarsch des Varus bis zu dem blutigen Streifen vom Winfelde her verschweigt, und in der Theilung, - wo jener, der Hagenmeister, an der Nordseite, nur was er davon gesehen', und hiernächst von dem Unfälle im Ganzen vernommen, so wie es vor tausend Jahren an seiner Seite erzählet werden konnte, erzählt, Böger aber im Gebirge nur die Schlacht, wie sie um ihn vorfiel, berichtet, ein herrliches Zeichen der Wahrheit mehr. 8j Daß derart offenkundiger Unsinn nicht nur gedruckt, sondern auch lebhaft diskutiert wurde, bestätigt sich noch in der Kritik. Einer der vehementesten Vertreter eines wissenschaftlich disziplinierten »historischen Patriotismus«, der lippische Archivrat Christian Gottlieb Clostermeier, hat sich ausführlich mit den Hammersteinschen Sagen beschäftigt. Mit der Nüchternheit und dem Wissen des Archivars, aber auch mit sichtlichem Vergnügen demontiert er dessen Zeugen, etwa wenn er durch eine »kurze, actengemäße, Geschichte des U r sprungs der Lippischen Dorfschaft Feldrom« nachweist, daß sich in derselben keine alte Sage von den Kriegen der Römer erhalten haben konnte, denn ihr Daseyn fieng erst über fünfzehn Jahrhunderte nach denselben an. Auch insbesondere auf Hermann Böger konnte in seinem Geschlecht von unvordenklichen Zeiten her keine solche alte Sage fortgeerbt seyn. Denn es pflanzte sich erst im Jahr 1530 in Feldrom an. 86 A l s Urheber der »vermeinten alten tausendjährigen Sagen« entlarvt Clostermeier einen Beamten, der eine Generation zuvor seinen »Amtsuntergebenen [...] Stolz auf ihr Vaterland und Liebe zu demselben« einflößen wollte ( 1 7 1 ) . Mit kriminalistischem Spürsinn sucht Clostermeier die Authentizität auch des zweiten Zeugen, des Hagenmeisters, zu erschüttern. Mit Archivmaterialien, erneuten Zeugenbefragungen und eidesstattlichen Erklärungen präsentiert er »juristisch zu erweisende Wahrheiten« und »so streng, als man es will, actenmäßig zu beweisende Umstände« (186), die beweisen, daß dieser über die römischen Kriege weder erzählen konnte noch wollte, sondern offerbar sich auf den von ihm noch erlebten siebenjährigen Krieg bezogen hat. 87 So hat Hammer-
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In: Jenaische Litteratur-Zeitung, N o 130 (1816), 103. Zitiert nach Clostermeier, 156. Christian Gottlieb Clostermeier, Wo Hermann den Varus schlug, Lemgo 1822, 170. »Es maßte sich aber auch der alte Hagemeister gar nicht an, im Besitz solcher ererbten Sagen zu seyn. Der Führer des Fhrn. v. H. war bei der Unterredung desselben mit dem alten Hagemeister gegenwärtig, und berichtete unmittelbar darnach, wie schwer es jenem geworden sey, diesem, der gar nicht daran gewohnt war, sich mit Personen höhern Standes zu unterreden, sich verständlich zu machen, und passende Antworten von demselben zu erhalten. Denn Hagemeister erzählte nicht, er antwortete nur auf die ihm vorgelegten Fragen. Der Fhr. v. H. sprach von der Römerzeit, und Hagemeister, der von dieser Zeit gar keinen Begriff hatte, betheuerte nur immer, daß seit seinem Gedenken kein Römer auf der Grotenburg gewesen sey. Der Sohn und Nachfolger des alten Hagemeisters [...] ist bereit, vor jedem Gerichte folgendes eidlich zu erhärten, »wie er nämlich nie von seinem Vater das Geringste von den Römern vernommen [...]. Dagegen habe er aber oft und vielmals seinen Vater erzählen hören, daß im sie-
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stein zwar kein Material zur Hermannsschlacht beigetragen, aber doch die Interferenz von biologischem und sozialem Gedächtnis wirkungsvoll demonstriert. Nationalpädagogische Erziehungsprogramme und die persönliche Erinnerung an den 7jährigen Krieg stellen dabei genau die Verbindung her, die Schaden als historische Dimension in sein >Befreiungskriegs Aggregat zum >System< - aber auch sie ist damit verwiesen auf bestimmte Darstellungsmuster. Die Suche nach einer neuen Kultur sinnlicher Erfahrung führt beispielsweise ins Theater oder auf die Jahrmärkte, deren Guckkästen, Panoramen, Dioramen die Medien für eine massenhafte Verbreitung technisch produzierter Bilder zur Verfügung stellen. Solche optischen Medien breiten sich ab etwa 1800 nach ersten Erfolgen in England und Frankreich auch in Deutschland sehr schnell aus. Ihr Erfolg verdankt sich einem bis dahin kaum zu befriedigenden »Bedürfnis nach optischer Information«. 107 Bevor in Großstädten in festen Gebäuden riesige Rundpanoramen präsentiert werden, finden sie sich vor allem auf Jahrmärkten und Messen. Immer wieder sind es auch »Geschichtsbilder«, die dabei vermittelt werden, so z.B. »eine regelmäßig erweiterte Sammlung von Darstellungen der Völkerschlacht und Szenen aus Rußland«, die Christian Gottfried Geißler ab 1816 auf Messen zeigt; das Berliner Panorama zeigt 1833 die »Innere Ansicht des großen Ordens-Rempters im Schloß Marienburg in Preußen«. Während hier Vergangenheiten bildhaft aufbereitet werden, vermitteln Ruinen wie die von Clostermeier beschriebene »Grotenburg« >authentischeReise ins Tirol· die Hofkirche besucht, sein Eindruck fällt allerdings ähnlich >profan< aus wie derjenige
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Reise zur Zeitreise wird, soll auch das Museum zum Ort werden, wo »der einheitliche Blick [...] stets wie mit einem Schlage ein Zeitalter in all seinen Richtungen und Bestrebungen, seinem ganzen Formen- und Gestaltenreichtum vor uns zaubert«. 109 Die Grundsätze, an denen sich die Präsentation orientiert, unterscheiden sich auch in den Plänen zum »Germanischen Nationalmuseum« grundlegend von der Schematik des Ordnungssystems, das einen völlig getrennten Arbeitsbereich des Museums beschreibt, aber auch von der Aufbewahrung von >Realien< in den Raritätenkammern. Neben die Funktion des wissenschaftlichen Archivs tritt die einer sinnvermittelnden und identitätsstiftenden Erfahrung. Dem versucht eine Präsentation gerecht zu werden, für die das Arrangement von Einzelgegenständen zum geschlossenen Ensemble charakteristisch ist. Dabei werden zugunsten einer Konzeption des visuellen Gesamteindrucks sowohl Anachronismen in Kauf genommen als auch die Wahrnehmbarkeit von Einzelgegenständen eingeschränkt, etwa durch eine Lichtregie, die sich stimmungsvollen Dunkels ebenso bedient wie der Lichteffekte durch farbige Glasfenster. Die architektonische Gestaltung läßt die >eigentlichen< Ausstellungsstücke unmittelbar in die umgebenden Räume übergehen, zudem finden sich keine erläuternden Schrifttafeln. 110 Damit nicht einmal die Museumswärter den Gesamteindruck stören, werden sie kurzerhand aus dem Fundus des Museum eingekleidet. Dem Museum als Aufbewahrungsort tritt gegenüber das Museum als Produzent von Bildern. Die Bildsemantiken, die die gestellten Sinnforderungen einzulösen trachten, haben primär die Funktion einer Reduktion von Komple-
Heines (>ReisebilderAxel und Walburg< (Tübingen 1810). Z u den Rafinessen des >setting< gehört, daß der Raum selbst beschrieben ist: in einem Stützpfeiler sind »drey Kreuze eingehauen von verschiedenen Manneshöhen«, die vom Wachstum des Protagonisten zeugen, ein anderer Pfeiler trägt die verschlungenen Buchstaben Α und W. A u c h die kommende Handlung wird ihre Zeichen im Raum hinterlassen, so daß dessen Gedächtnisfunktion deutlich hervorgehoben wird. 109
Das äußert retrospektiv im späteren 19. Jahrhundert Carl Förster anläßlich einer U m organisation der Nürnberger Ausstellung, in der Ensembles aufgelöst wurden zugunsten »systematischem Zuordnungen und einzelne »Prunkstücke« isoliert und in den Vordergrund gerückt wurden; das Zitat geht weiter: »dieser war vernichtet und wird es bleiben, solange als nicht die tiefere Auffassung an die Stelle spielender Liebhaberei und engherziger Oberflächlichkeit tritt«. Zitiert nach Deneke, 1 2 5 .
1,0
Im Germanischen Nationalmuseum gibt es Beschriftungen erst ab 1893. IJI
xität zugunsten eines optischen Gesamteindrucks, der dann als - simultane Repräsentation von Totalität gelten kann und zudem mit dem Unmittelbarkeitsanspruch sinnlicher Gegenwärtigkeit auftritt. Die musealen Bilder erweisen sich dabei in hohem Maße als >gemachte< Bilder (Arrangement) im Gegensatz zu den einzelnen >authentischen< Zeugnissen (Monumente). Dabei tritt die materiale Qualität der Dinge erneut in den Hintergrund. Das zeigt sich etwa daran, daß problemlos Kopien oder Abbildungen an die Stelle von Originalen treten können. 111 »Nackte, vereinzelte Tatsachen«, die Rotteck in den Monumenten allein hatte sehen können, werden im Arrangement kontextualisiert und damit in den Zusammenhang einer Geschichte integriert. So gibt der bildliche Semantisierungsprozeß ihnen die Zeitlichkeit zurück, die das alles in idealer Gleichzeitigkeit speichernde Archiv ihnen genommen hatte. 112 Verdrängt werden in diesem Prozeß jedoch die latenten Bedeutungsspuren, die den Monumenten die auratische Kraft geben, eine Kraft, die sich etwa für Rotteck gerade in der Stummheit, der Sinnverweigerung begründet und die das Sammeln wesentlich stimuliert. Es ist eine weitgehend konventionalisierte Bildersprache, die den Monumenten einen Sinn abzwingt, den ihre Stummheit nicht mehr zu dementieren vermag. Solcherart erfahrbar gemacht, wird Vergangenheit zum Bestandteil von Alltagswissen und -leben, in dessen Bildmaterial sie wiederum eingeht. Auch Museen haben damit Anteil an einer entschiedenen Tendenz zur Konventionalisierung der Bildpräsentation, wie sie z.B. Günter Hess an den sich bis zur Jahrhundertmitte schnell verbreitenden optischen Re-Präsentationsmedien (Panoramen, Dioramen etc.) beobachtet. In Rückkoppelung mit Beschreibungsstereotypen auch in der Literatur führe »die Kanonisierung bestimmter Sehweisen und mit ihnen korrespondierender Denkformen in den Jahren um 1840« letzlich zu einer »Trivialisierung optischer Möglichkeiten und Perspektiven«. 11} Diese Entwicklung konterkariert den emphatischen Authentizitätsanspruch, der mit einer gleichzeitig blühenden metaphorischen Verwendung des Bild-Begriffs verbunden ist. Ingrid Oesterle ist - ausgehend von Heinrich Heines Aussage, im Paris der Julirevolution sei die »Weltgeschichte 111 112
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Vgl. Hampe, i i f i . F ü r das Museum stellt sich gerade das umgekehrte Problem zu dem, was Louis Marin (Zu einer Theorie des Lesens in den bildenden Künsten, in: Wolfgang Kemp (Hg.), Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, Köln 198 5) als das »Paradoxon der klassischen Historienmalerei« beschrieben hat: »Der Maler mußte die zeitlichen, diachronen Sequenzen des Berichts in eine synchrone Organisation überführen, die auf der rationalen Verbindung der Teile innerhalb des Ganzen beruhte« ( 1 1 6 ) . Ausgangspunkt des Museums ist nicht ein diachron organisierter »Bericht« oder eine Chronik, sondern ein Archiv oder ein Gedächtnis, das eine Fülle von Materialien in idealer Gleichzeitigkeit versammelt. Günter Hess, Panorama und Denkmal. Erinnerung als Denkform zwischen Vormärz und Gründerzeit, in: Alberto Martino (Hg.), Literatur in der sozialen Bewegung, T ü bingen 1 9 7 7 , 1 3 3 .
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mit eigenen Augen« anzusehen - der Dominanz optischer Metaphern in den Paris-Berichten deutscher Schriftsteller nachgegangen."4 Darin formuliere sich ein explizit gegen die Geschichtsschreibung der Vergangenheit gerichteter Anspruch der Direktheit. Die visuelle Metapher soll das Beteiligtsein des Berichtenden vermitteln, sie soll den Eindruck der Lebendigkeit erwecken und bewahren. Oesterle zitiert eine ganze Reihe von Äußerungen Heines, die die direkte Korrespondenz von Weltgeschichte und Berichterstatter belegen sollen: »Ich höre in diesem Augenblick [dem des Schreibens] da draußen, dröhnender, betäubender als jemals, diesen mißtönenden Lärm, dieses sinnenverwirrende Getöse«; »Es wird mir schwer, ruhig am Schreibtisch sitzenzubleiben ...«; »Da draußen stürmt es wirklich zu laut...«; »Ich vermochte gestern dennoch, an diesem Berichte weiterzuschreiben, nachdem ich einmal unterdessen nach dem Boulevards gegangen war ...«. Dominierender als die direkte Erfahrung scheint mir jedoch gerade in diesen Zitaten der Abstand, den der Schreiber zum Geschehen einnimmt. Beherrscht werden ja alle Äußerungen von einer Opposition von >Innen< und >AußenAuthentizität< ist demnach kein Ergebnis des Beteiligtseins, sondern Resultat einer literarischen Technik. Damit geraten aber die >Bilder< aus Paris strukturell in die gleiche Position wie die der Vergangenheit. In beiden Fällen geht es um Vergegenwärtigung. Oesterle hat in einem begriffsgeschichtlichen Exkurs gezeigt, daß »Gegenwart« zu dieser Zeit gerade erst als historischer Reflexionsbegriff neben Vergangenheit und Zukunft tritt; daneben ist die räumliche Komponente nach wie vor präsent: Gegenwart meint primär das, was in Reichweite der Sinne liegt. Vergegenwärtigung aber meint dann Präsentation eines Abwesenden, das gleichermaßen räumlich als auch zeitlich entfernt sein kann. Bilder also erweisen sich als Medium der Vergegenwärtigung, und eben dieses Mediums bedient sich der museale Semantisierungsprozeß, wenn er Monumente in Arrangements verwandelt. Gegen die Entkontextualisierung der Materialien, die ihrer Rekontextualisierung im Bild notwendig vorangeht, ist gerade auch in den historischen Vereinen eine vehemente Kritik vorgetragen worden. So plädiert z.B. der Mitbegründer des historischen Vereins im bayrischen 114
Ingrid Oesterle, >Der Führungswechsel der Zeithorizonte< in der deutschen Literatur. Korrespondenzen aus Paris, der Hauptstadt der Menschheitsgeschichte, und die A u s bildung der geschichtlichen Zeit >GegenwartDem Sieger Heil!< durch alle Lüfte schallt Das wäre Spiel nur, schnödes Gaukelspiel? Das ist der Sieg, das ist der Ruhm, das Leben! (49)
So sehr sich das Halmsche Stück bemüht, solcher Simulation die Vorstellung einer deutschen Authentizität, eines deutschen Ernstes entgegenzusetzen, verstrickt es sich doch um so mehr in sein eigenes Scheitern. Das historische Material, das vergangene und kommende deutsche Größe garantieren soll, muß sich r
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nämlich behaupten gegen eine Dramaturgie, die von erprobten Genre-Motiven getragen wird, über deren Reproduktion das »Trauerspiel« nirgends hinausgelangt. In der Trivialität seines literarischen Materials erweist es sich als genau jene Form parodistischen Herbeizitierens, die es im römischen Zirkus selbst vorführt - und ablehnt. Damit beweist es aber - wider Willen - gerade die Abwesenheit, die Unerreichbarkeit einer Vergangenheit, die nur in der Repräsentation im Medium des trivialen Rührstücks gegenwärtig ist. Die patriotische Botschaft bleibt Beiwerk - mehr oder weniger gekonnt gemachter - Unterhaltung. Die heroische Geschichte der Germanen aber - kulminierend in der Hermannsschlacht - kommt aus der Arena des römischen Zirkus nicht wieder heraus. Die einzige Hoffnung bleibt, sie möge dort möglichst gut repräsentiert sein. Ohne es zu wollen reflektiert »Der Fechter von Ravenna« so das Dilemma, vor das sich die Suche nach einer eigenständigen Vorgeschichte der Deutschen im germanischen Altertum gestellt sieht. Das damit formulierte Problem ist jedoch prinzipiellerer Natur. Da in »Geschichte«, die sich als Bezug auf Vergangenheit versteht, immer ein Moment der Abwesenheit involviert ist, ist sie als Anwesenheit nur zu denken im Modus der Repräsentation. Dazu bedarf es eines Mediums.
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Vergessen und Erinnern II: Stichworte zu einer Poetologie des Geschichtsdramas
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Das >Allgemeine-Theater-Lexikon< von 1846 - dessen Autoren überwiegend dem Jungen Deutschland nahestehen - definiert »Historisches Schauspiel« als »Dramen, welche weltgeschichtliche, durch Chroniken und histor. Schriften überlieferte und beglaubigte Stoffe zum Gegenstande haben« und knüpft daran die Forderung, »kein bloßes Hofgemälde, vielleicht die Liebesgeschichte eines großen Herren« zu behandeln, »sondern Facta und Personen [...] welche von weltgeschichtlicher Bedeutung sind und abgesehen von der ihnen zu Theil gewordenen Behandlung des Dichters, durch ihre eigene Schwere imponiren«.1 In Anspruch genommen werden also einerseits die Autorität wissenschaftlicher Historiographie, andererseits die Sinngebungsverfahren weltgeschichtlicher - geschichtsphilosophisch fundierter - Konsistenzbildung, während »alles durch Tradition, Mythe, Mährchen oder in novellistischer Form Überlieferte« aus dem Bereich des Historischen und des Geschichtsdramas ausgeschlossen wird - also genau das, was in der Definition, die Karl Immermann gegeben hatte, allererst ein wirkliches, über antiquarische Gelehrsamkeit hinausgehendes Interesse begründen sollte. Das dramatisch relevante Material wird in Marggraffs Artikel sowohl inhaltlich als auch formal anders bestimmt. An die Stelle des nationalen Kulturzusammenhangs tritt die Weltgeschichte und an die Stelle von volkstümlicher Uberlieferung und Tradition die wissenschaftliche Historiographie. In dieser Bindung liegt ein Moment der Befreiung aus dem Bannkreis der einen Tradition, eine Öffnung zugunsten der Pluralität alternativer Vergangenheiten. Die grundsätzliche Bedeutung von Geschichte wird jedoch ausdrücklich bestätigt. »Historisches Schauspiel« ist für die zitierte Definition nicht ein Subgenre unter anderen, sondern die herausragende dramatische Form: Das Putzzimmer einer jetzigen Dame von Stande, das C o m p t o i r eines Kaufmanns, die Jasminlaube in dem Garten einer ehrlichen Försterfamilie u.s.f. wiegt doch keinen Thronsaal, kein röm. Forum, kein Rütli auf. Wenn ein tyrannischer Fabrikherr seine 1
Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde, hg. v. Karl Herloßsohn, Herrmann M a r g graff u.a., N e u e Ausgabe, Altenburgund Leipzig 1846 [1. Ausgabe 1839]. A r t . h i s t o risches Schauspiel· von H . M . = Hermann Marggraff. J
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Untergebenen übel behandelt, so ist das allerdings jammervoll, aber nichts weiter; tragisch und groß aber ist es, wenn Tiberius und Nero einen ganzen Staat knechten, wenn Gesler die freien Alpenländer jochen will, wenn Fiesko nach dem Herzogsmantel trachtet. Sobald über diese das Fatum, die weltgeschichtliche Gerechtigkeit hereinbricht, die mit der poetischen eine und dieselbe ist, dann erst fühlen wir die Gewalt des tragischen Schicksals, welches die Herzen erhebt, indem es sie zu zermalmen scheint.
Neben dem Gedanken einer inhärenten Poetizität der Geschichte, die sich als strafende Gerechtigkeit äußert, fließen hier zwei weitere Motive in die Auseinandersetzung ein: Geschichte wirkt als Filter, durch den nur die wirklich relevanten Ereignisse Eingang in das Gedächtnis der Menschheit finden, sie bietet also gegenüber der unüberschaubaren Gegenwart ein bereits geprüftes Material. Sie konfrontiert aber auch eine - im Blick der Zeitgenossen - banal gewordene Gegenwart mit einer qualitativ anderen - größeren, heroischeren, sittlicheren - Vergangenheit. Beide Motive geraten jedoch tendenziell in Konflikt mit dem Wissenschaftsanspruch. So machen die Debatten um Geschichtsdrama und um Geschichte überhaupt, auf die der Artikel rekurriert, auch deutlich, daß es zumindest nicht Wissenschaft allein ist, die über die »eigene Schwere« des weltgeschichtlichen Materials entscheidet. Das Moment einer besonderen Konfliktstruktur, die in gleicher Weise die dramatische Form und die Kulminationspunkte der geschichtlichen Entwicklung auszeichnet, ist dabei nur ein Aspekt. Wenigstens ebenso relevant sind die Fragen nach den kulturellen Funktionen und dem je spezifischen Wert konfliktträchtiger oder harmonischer Vergangenheiten, tradierter oder imaginierter Vermittlungen, kontinuierlicher oder diskontinuierlicher Prozesse. Gerade auch im >Einspielen< neuer Figuren und Fragestellungen in den kulturellen Diskurs über Geschichte liegt die Bedeutung der Weltgeschichte, die umgekehrt auf ihr Verhältnis zu bestimmten Traditionen befragt wird.
ω Der als Hohenstaufen-Historiograph populär gewordene Friedrich von Raumer träumt von »einer ganz neuen, eigentümlichen Gattung des Dramas«: Alles ist darin Geschichte, und zugleich alles Poesie. Der Geschichtsforscher könnte jeden Gedanken, jedes Gefühl, jedes Wort bezeugen, und diese Kraft der historischen Wahrheit erscheint doch überall wiedergebohren und dichterisch verklärt [...] Die Personen treten mit der Kraft des frischen Lebens vor Augen.*
Die Möglichkeit einer solchen Synthese der Wissenskonfigurationen setzt aber voraus, daß die Historiographie sich aus dem Schatten von Aristoteles' Verdikt 1
>Über die Poetik des Aristoteles und sein Verhältnis zu den neuern DramatikernBarricadesfitats de Blois< (1826-1829; unter dem Titel >La ligue< zusammengefaßt als »Scenes historiques«). Die Dialogisierung des Geschehens stellt für Raumer nicht in erster Linie - wie in vorhistoristischen Darstellungen - Anschaulichkeit her, ist auch nicht didaktisch motiviert. So anachronistisch Raumers Programm nicht nur aus der Perspektive einer Geschichtswissenschaft erscheint, die sich zunehmend von didaktischen Darstellungsformen löst (unter denen in der Didaktik des 18. Jahrhunderts die dramatisch-dialogische Figuration einen prominenten Platz einnimmt; vgl. Hans-Jürgen Pandel, Historik und Didaktik, Stuttgart 1990), sondern auch aus der einer Ästhetik, die sich von einer Vermittlungsform kognitiven Wissens zu einer eigenständigen Erkenntnisform emanzipiert, so radikalisiert es doch andererseits gerade Tendenzen, die mit der historistischen Fixierung auf das Prinzip der Narration verbunden sind. Das gilt vor allem für die vollständige Trennung von Forschung und Präsentation sowie den Ausschluß jeder subjektiven Reflexion und jeder expliziten Thematisierung der Geltungskriterien und Geltungsansprüche. 4 Friedrich von Raumer, Der Aufstand in Spanien während der Jahre 1520 bis 1522. Geschichtliche Szenen [Geschrieben im October und November 1831], in: Vermischte Schriften, 1. Bd., Leipzig 1852.
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wird über weite Strecken nur sichtbar in der Brechung einer Liebes- und Intrigenhandlung und ist außerdem überformt durch eine Schicksalsmotivik, die gleich zu Beginn gegen die Hoffnung auf Selbstbestimmung »finsterer Schicksalsmächte Vorbeschluß« setzt (448). A m Ende steht eine Apologie der Geschichte. Raumer läßt seine Protagonisten ein ethisches Programm formulieren, das sich an die künftige Historiographie wendet und der Resignation über die eigene politische Situation, die Begrenztheit des Einflusses und die Aporien des >guten WillensMittealter< und >neuer< Welt (Willkomm): »Das^/iervermochte sich nicht mehr vertragen mit der Jugend, und die Jugend fand es unzulässig, dem stillen Wesen hoher Jahre den Muth zum Opfer zu bringen und ihre Hoffnung ans Kreuz zu schlagen für eine precäre Erlösung durch Dulden, [...] und es begann der Kampf, in dem das stabile Alter die Vergangenheit auf Kosten der Zukunft für den Beherrscher von Welt und Zeit erklären wollte.« 2 5 Die Option für Geschichte meint hier nicht die Entscheidung für die traditionale Partei des >A1tersJahrbücher< die Relevanz historischer Tragödien begründen. Politisch handelt hier jedoch nur eine Figur: Sigbrit, Mutter der königlichen Mätresse Düveke, die als graue Eminenz am Hof Christierns - »Des Königs [...] erster Minister, die vordem mit Obst gemarktet, / Die Hökerin« - versucht, die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu zwingen: Ich weiß, wie arg der Adel haus't, der Bauer A u f seiner kleinen Scholle wird gedrückt, In seinem Haus der Bürger [...] In Staub mit ihnen! - wir sind alle Staub. 26
Bd. 2, i 2 j f f . ; 1. Teil eines geplanten Zyklus über >Christiern II.Alt< und >Neujungdeutschen< Kontext vgl. Udo Koester, Literatur und Gesellschaft in Deutschland 1830-1848, Stuttgart 1984. Edward Mclnnes, Drama als Protest und Prophezeiung: Das historische Drama der Jungdeutschen, in: Neubuhr, Geschichtsdrama.
174
die - mit Kant zu sprechen31 - aus dem Lager ins Kabinett führen könnte und von der bluttriefend-kriegerischen zur geistigen Aktion: Je mehr die Geschichtschreiber sich anschicken, die Lager zu verlassen, um sich in die Archive zu begeben, um so mehr scheinen die Dramatiker sich eben dort wohlzufühlen: weltgeschichtliche Konstellationen sind kriegerisch. Das dokumentiert sich auch in den dramatischen Texten, die die >Jahrbücher< präsentieren. Nicht nur >Christiern II.< konzipiert die Sphäre der Politik nur als - fatales - Zwischenspiel in der Welt des Krieges. Blutige Gewalt setzt auch Julius Mosens >Cola Rienzi, der letzte Volkstribun der Römer< einer dumpf-amorphen, sich ihrer Geschichte nicht bewußten und ihre Erinnerung verspielenden Gegenwart entgegen, die bei Mosen die Gegenwart des Mittelalters und seiner eigenen Zeit ist. Die Pointe dieser Konfrontation besteht darin, daß Geschichte zum Gegenstand einer Entscheidung wird, Geschichtsdrama damit zur Diskussion um die richtige Vergangenheit. Der »arme verlorene Tor«33 widersetzt sich dem Untergang der Antike im Mittelalter.
(5)
Eine blutige Spur hinterläßt der Held von Julius Mosens Trauerspiel >Cola Rienzi, der letzte Volkstribun der RömerVolkstribun< Vertreter eines erneuerten Römertums, kämpft den Streit zwischen Antike und Mittelalter ein letztes Mal aus - in einer Zeit der politischen Schwäche sowohl des mittelalterlichen >Heiligen Römischen Reichs< als auch der päpstlichen Macht in Italien. Am Ende stehen nicht die Zeichen eines Aufbruchs, weder in die Kontinuität der deutschen Nation noch in den Epochenumbruch der Renaissance, sondern der endgültige Triumph der bereits stark >gealterten< mittelalterlichen Ordnung über »Leidenschaften«, die zwar »böse« erscheinen mögen, aber doch ein Moment der Freiheit implizieren: »Ausgetoset haben / Die bösen Leidenschaften; - Friede kehrt, / Der Friede eines Kirchhofs, kehrt zurück!« (115). Resignativ wird die Kontinuität zwischen Mittelalter und deutscher - Gegenwart bestätigt.
32
»Die Geschichtschreiber haben alle Schuld« (Refl. 1436), denn »die Geschichtschreiber sind immer lieber im Lager als dem Kabinett« (Refl. 1400). In: Immanuel Kant, Schriften zur Geschichtsphilosophie, hg. v. Manfred Riedel, Stuttgart 1985.
33
Jacob Burckhardt, >Die Kultur der Renaissance in Italiens in: Jacob Burckhardt, G e samtausgabe, j. Bd., Stuttgart 1930, 14.
34
>JahrbücherRaupach und die deutsche Bühnenach der Schlacht< unter dem Begriff der »Moderne« Eingang in die sprachliche Norm findet und zugleich zu einer prägenden Erfahrung für immer mehr Menschen wird. Im begriffsgeschichtlichen Befund dokumentiert sich ein Gegenwartsverständnis, das sich in den geschichtsphilosophischen und kunsttheoretischen Debatten des 18. Jahrhunderts ausgebildet hatte, aber erst im Kontext fundamentaler sozialhistorischer Transformationen den Übergang »vom Denkmodell zur Erfahrung« 1 vollziehen konnte. Das epochale Selbstverständnis dieser Moderne bestimmt sich in der Abgrenzung gegenüber erfahrungsleitenden und handlungsorientierenden >Vergangenheitenc die zunächst gegen das Paradigma einer nicht nur in ästhetischer Hinsicht normativ verabsolutierten Antike gerichtete historisierende Argumentation beharrt auf der fundamentalen Andersartigkeit gegenwärtiger Probleme und damit auf der Notwendigkeit, originelle, eigenständige Lösungen zu entwerfen. Das intellektuell ausformulierte Konzept, das den Vorbildcharakter anderer Epochen verabschiedet und die Moderne darauf verpflichtet, ihre Normati-
1
Hans Ulrich Gumbrecht, Art. »Modern, Modernität, Modernes i n : Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, 1 1 1 . 185
vität aus sich selbst zu schöpfen, 2 gewinnt Einfluß auf das kollektive Zeitempfinden in dem Augenblick, in dem die strukturellen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse für eine große Zahl von Betroffenen als einschneidende Zäsuren innerhalb der eigenen Lebensgeschichten erfahrbar werden. Das führt zu entscheidend veränderten Anforderungen an die Prinzipien der Handlungsorientierung und der sozialen Integration. Mit den Entwicklungsschüben, in denen sich die moderne Industriegesellschaft aus der traditionellen Ständegesellschaft herausbildet, »hat die Verpflichtung zur Selektion als Weg zur Gestaltung der Zukunft den Zwang der Tradition abgelöst«. 3 Im deutschsprachigen Raum gewinnt das historisch-philosophische Konzept einer eigenständigen Moderne an Breitenwirkung während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts - also gleichzeitig mit dem ersten Beschleunigungsschub eines »gesamtgesellschaftlichen Formationswechsels [...] von der ständisch-feudalen zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft«, 4 der noch von den Zeitgenossen selbst auf den Begriff der »Emanzipation« gebracht wurde. Diese Korrespondenz darf nun aber nicht so gedeutet werden, daß die bewußtseins- und die sozialgeschichtliche Epochenkonzeption einander äquivalent wären. Im Gegenteil: zunächst findet das neue Zeitempfinden vor allem Eingang in ein historisches Modell, das die geschichtsphilosophische Lösung vom Antike-Paradigma aufgreift, um die Gegenwart in den Kontinuitätszusammenhang einer konkurrierenden germanisch-deutschen Tradition zu stellen. Begründet wird kein Antitraditionalismus, sondern eine Differenzierung von >lebendigen< und >toten< Vergangenheiten. In dem Maße, in dem eine Ausdehnung des Gegenwartsbewußtseins den Ursprung institutionell verkörperter Traditionen an das gesellschaftliche Zeiterleben heranrückt, kann die Kontinuitätsvorstellung darüber hinwegtäuschen, daß ein statischer Erfahrungsraum nicht mehr bruchlos mit einer auf einen offenen Erwartungshorizont hin dynamisierten Gegenwart zu vermitteln ist. Paradoxerweise findet die ModerneKonzeption im vormärzlichen Deutschland zunächst Eingang in die sprachliche N o r m im Rahmen einer legitimatorisch ausgerichteten Ideologie der monarchisch-klerikalen Restauration, in der sich das epochale Selbstverständnis von der Eigentümlichkeit der Gegenwart gegen den emanzipatorischen Anspruch universalistischer Vernunft richtet. Die unterschiedliche - sozial- bzw.
2
3
Vgl. Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt/M.
^985-
Gumbrecht, >ModerneGeschichte, Histories i n : Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2. Ders., Vergangene Zukunft, Frankfurt/ M. 1989. 4 Reinhard Rürup, Deutschland im 19. Jahrhundert. 1 8 1 5 - 1 8 7 1 , in: Rürup u.a., Deutsche Geschichte, Bd. 3, Göttingen 1985, 8. Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1 und 2, München 1987. Jürgen Kocka (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, München 1988. 186
bewußtseinsgeschichtlich orientierte - Blickrichtung fördert eine zwiespältige Reaktion auf den gesteigerten Problemdruck zutage, der vor allem von einem sprunghaften Bevölkerungswachstum, dem Konkurrenzdruck der westlichen Nachbarstaaten und einer fundamental veränderten politischen Situation nach dem Ende der napoleonischen Ära ausgeht. Während unter den funktionalen Zwängen im Bereich der materiellen Reproduktion die Handlungssysteme der Wirtschaft und - zumindest in einigen der deutschen Bundesstaaten - auch die administrativen Apparate und die außenpolitische Diplomatie sich allmählich aus dem traditionellen Gefüge der Ständegesellschaft lösen und strukturell rationalisieren, reagiert das System der gesellschaftlichen Kommunikation mit einer spezifischen Einschränkung intentionaler Handlungsalternativen insbesondere im Bereich der politischen Willensbildung - mit weitreichenden Konsequenzen für die kommunikativ zu leistenden Prozesse der sozialen Integration, Sozialisation und kulturellen Identitätsbildung. Zwar entwickeln mittlerweile ausdifferenzierte Teilbereiche einer vom unmittelbaren Zwang der materiellen Reproduktion freigesetzten Kultur, wie etwa die autonomisierte Kunst, die verwissenschaftlichte Geschichtsschreibung oder die staatsphilosophische Theoriebildung, erhebliche immanente Reflexionspotentiale, mit denen sie zu einem gesteigerten Problembewußtsein gegenüber den Pathologien der gesellschaftlichen Rationalisierung beitragen, auch bildet sich trotz rigider Zensurmaßnahmen eine eminent kritische, politisierte Publizistik, aber im epochalen Selbstverständnis bleibt das Paradigma der »neoständischen Renaissance« (Wehler) dominant. Über eine erstaunlich lange Zeit laufen das Vordringen marktorientierter Klassen, das sich auch in adminstrativen Akten wie der sogenannten >Bauernbefreiung< und der Aufhebung von Zunftzwängen dokumentiert, und die breitenwirksame Vorstellung einer nach wie vor ständisch gegliederten und über personale Sozialbeziehungen integrierten Gesellschaft unvermittelt nebeneinander her. Gerade auch für die sozialen Trägerschichten der sozioökonomischen und kulturellen Modernisierungsprozesse, d.h. in sehr allgemeinem Sinne für das >BürgertumHochformen< die Philosophie Hegels, die die wohl avancierteste Moderne-Theorie der Zeit mit einer starren Fixierung auf die monarchische Staatsform verbindet, im Rahmen der Politik der Liberalismus, der die auf dem Wege moderner Parteibildung fortgeschrittendste Bewegung im Vormärz darstellt, dessen oppositionelles Engagement jedoch mit einer stark ausgerägten Akzeptanz des Monarchismus verbunden bleibt. Die Inkongruenz zwischen gesteigertem Handlungsbedarf und reduzierten Möglichkeiten der Handlungsorientierung verursacht einen >ProblemstauLebenswelten< abgeschoben. So ergibt sich z.B. im ländlichen Bereich ein »Schwebezu187
stand, in dem sich die Risiken formal freier Lohnarbeit und die Zwangmethoden des Spätfeudalismus in der Phase seiner Agonie zu Lasten der ländlichen Arbeiterfamilien akkumulierten«. 5 Auf andere Weise ist eine soziale Gruppierung von der Ambivalenz dieser Modernisierung betroffen, deren Spuren sich im literarischen >Textuniversum< sehr viel nachhaltiger eingeprägt haben: das >BildungsbürgertumBürger< sind im frühen 19. Jahrhundert etwa 5 % der Bevölkerung in den deutschen Bundesstaaten, wobei die Sammelbezeichnung >Bürgertum< sehr heterogene Gruppierungen zusammenfaßt. 6 Eine erste Differenzierung trennt zwischen >altemneuen< Bürgertum, das mit den sozioökonomischen Transformationen eng verknüpft ist. Hierzu gehört in einem weiten Sinn - in Abgrenzung gegen das handel- und gewerbetreibende Wirtschaftsbürgertum - auch das >BildungsbürgertumSozialformation< wäre es zu definieren nicht allein über den Besitz von Bildung, sondern vor allem über deren Verwertung. 8 Möglichkeiten dafür eröffnen die ausgeprägten Professionalisierungstendenzen im Bereich der seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert rasch expandierenden staatlichen Administrationen und zunehmend auch der >freien Professionen< (Arzte, Rechtsanwälte; die allerdings in vielen Ländern, z.B. in Preußen, noch lange Zeit eng mit den staatlichen Verwaltungen verbunden bleiben). So entsteht ein Berufsfeld, das relativ gute Verdienstmöglichkeiten und hohes Sozialprestige eröffnet, und dessen Zugangsmöglichkeiten durch formalisierte Ausbildungsvoraussetzungen (Gymnasium, Universitätsabschluß) einerseits limitiert, andererseits aber - scheinbar - auch egalisiert sind. Die Möglichkeiten eines Hochschulstudiums waren während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhun5 6
Wehler, Bd. 2, 166. Vgl. Jürgen Kocka (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, München 1988. Wehler, Bd. 2, 1 7 4 - 2 4 1 , 322—457.
7
Diese letzte, erst retrospektiv auf ihren Begriff gebrachte Gruppierung hat seit einiger Zeit erhebliches sozialhistorisches Interesse auf sich gezogen. Dabei stand vor allem die Frage im Vordergrund, in wie weit überhaupt von einer sozialen Formation mit hinreichend ausgebildeter Eigenidentität und Außenabgrenzung gesprochen werden kann, ob also etwa ausgeprägte gemeinsame Erfahrungen oder Interessen vorlagen oder gar eine kollektive Handlungsfähigkeit konstatiert werden kann. Vgl. W. C o n z e / J. Kocka (Hg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Teil 1: Bildungssystem und Professionalisierung in internationalen Vergleichen, Stuttgart 1985. J. Kocka (Hg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Teil 4: Politischer Einfluß und gesellschaftliche Formation, Stuttgart 1989. Hagen Schulze, Der Weg zum Nationalstaat. Die deutsche Nationalbewegung vom 18. Jahrhundert bis zur Reichsgründung, München 1985.
8
Bildungswissen ist laut Jürgen Kocka »ein säkularisiertes, normativ durchwirktes und auch von ästhetischen Urteilen durchzogenes Wissen, das mit allgemeinem, gesamtgesellschaftlichem Ordnungsanspruch auftrat und das unter bestimmten Bedingungen Ansprüche auf besondere gesellschaftliche Hochschätzung hervorbrachte« (Einleitung, in: Kocka, Bildungsbürgertum, 10).
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derts relativ offen - ein hoher Anteil der Studenten, der allerdings nach Fachbereichen differiert, kam aus Familien kleiner Handwerker oder subalterner Beamter 9 -, so daß Bildung als ein Medium sozialer Dynamik erscheinen kann. Der Heterogenität der sozialen Herkunft korrelieren jedoch ausgeprägte Unterschiede der Lebenschancen bzw. des erreichbaren Lebensstandards. Von einer durch handlungsprägende sozioökonomische Interessen formierten >Klasse< kann, so das Fazit der neueren Diskussion, in Bezug auf das >Bildungsbürgertum< nicht gesprochen werden. Die Frage ist dann aber, ob >Bildung< selbst als Medium der sozialen Integration derart vergesellschaftend wirkt, daß trotz der ausgeprägten Unterschiede deutliche Gemeinsamkeiten in der Lebensführung bis hin zu kollektiv wirksamen Handlungsorientierungen erkennbar werden. Tatsächlich scheint mit dem aufklärerischen Modell der bürgerlichen Ö f fentlichkeit ein solches vergesellschaftendes Prinzip vorzuliegen, das auf Selbstverständnis und Existenzweise der »gebildeten Stände« prägenden Einfluß besitzt. Es ist idealtypisch charakterisiert durch Emanzipation von der sozialen Herkunft, durch Betonung (Autonomie) der persönlichen Individualität und durch Freiwilligkeit und Selbstorganisation institutionalisierter Vergesellschaftungsmodelle (Lesegesellschaften, Geselligkeitsvereine etc.) mit egalitärem, symmetrischem Status der durch Bildung (also universalistisch) legitimierten Zugehörigkeit. Die Bildungsbürger »hatten die konkreten sozialen Gebilde ihrer Herkunft, an denen sie sich orientieren konnten, verlassen und waren auf sich selbst gestellt. Die damit verbundene Individualisierung von Person und Lebensführung war ihre bewußte Entscheidung. Ihre Welt- und Lebensinterpretation vollzog sich im Zusammenhang neuer Kommunikationsformen im Diskurs der Öffentlichkeit, des Publikums.« 10 Dieses Modell einer durch Bildung konstituierten Öffentlichkeit als Medium der sozialen Integration ist nun aber in mehrfacher Weise einzuschränken. Die Teilnahme war gebunden an die Erfüllung erheblicher materieller Voraussetzungen sowie die Verfügbarkeit von Zeit (Freizeit). Als kulturelle Praxis realisiert sich Bildung vor allem als >Habituspatentiertes< Wissen zwar eine notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung für >bildungsbürgerliche< Karrieren darstellt. Insbesondere im Gefolge der >Akademikerschwemme< seit den zwanziger Jahren, seit denen die staatlichen Verwaltungen nur noch einen geringen Teil der Universitätsabgänger aufnahmen, wurden familiäre Beziehungen und Besitz zu den entscheidenden Voraussetzungen für den beruflichen Einstieg. So konnte beispielsweise ein Anwärter im preußischen Justizdienst erst nach mehrjähriger unbezahlter Referendars- und Assessorentätigkeit - zeitweise verschärft durch das Verbot bezahlter Nebentätigkeiten - mit einer Planstelle rechnen; die Verdienstmöglichkeiten in den >freien< Professionen, die überhaupt nur in einigen Teilen Deutschlands in größerem Maße bestanden, hingen wesentlich vom finanziellen und sozialen Anfangskapital (etwa der Wohngegend, in der ein Arzt oder Rechtsanwalt sich niederlassen konnte) ab. Die Lebenschancen eines >Bildungsbürgers< waren also wesentlich stärker von sozialer Herkunft und ererbtem Besitz bestimmt als von >Bildungunterbürgerlicher< Schichten die Lösung aus ihrem Herkunfts-Millieu, das Versprechen des Eintritts in eine neue, >überständische< Sozialformation bleibt jedoch in der Regel uneingelöst. Die soziale Integrationsleistung von >Bildung< bleibt insgesamt relativ gering. N u r innerhalb einzelner, durch weitere gemeinsame Merkmale bestimmter Gruppierungen übersteigt sie die »amorphe Natur lockerer Gesinnungsgemeinschaften, die allenfalls im Medium einer mehr oder minder hart zensierten Öffentlichkeit einen prekären, jederzeit gefährdeten Kommunikationszusammenhang aufrecht zu erhalten versuchten«. 12 Dazu gehören etwa die internen, politisierten Gruppen innerhalb der größeren administrativen Apparate, z.B. der preußische >Beamtenliberalismus< und >Beamtenkonservativismusbessere Gesellschaft« der größeren Städte, in der eine habituelle, zur symbolischen Praxis entwickelte >Bildung< als Mechanismus der sozialen Distinktion fungiert. Formalisierte Ausbildung dagegen begründet, wenn sie nicht entsprechend ergänzt wird, eine soziale Fragmentierung. Das Beispiel Grabbes zeigt drastisch, wie sich diese Tatsache auf die Einstellung zur und das Verhalten in der publizistisch-literarischen Öffentlichkeit auswirkt, die eindeutig von >Bildungsbürgern< dominiert wird. Für ihn, den
11
Vgl. Pierre Bourdieu, Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis, in: Pierre Bourdieu, Z u r Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt/M. 1970. Wolfgang Kaschuba, Deutsche Bürgerlichkeit nach 1800. Kultur als symbolische Praxis, in: Kocka, Bürgertum, Bd. r, i j i .
12
Wehler, Bd. 2, 427.
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bildungsbürgerlichen >AufsteigerKrieg ohne Schlacht< - als, wie es in der dritten Nacht der >Hermannsschlacht< heißt: »Fortwährende Schlacht mit abwechselndem Glück«.
Genre und Politik: Der Pakt mit dem Teufel Ein altes Sprichwort sagt mit Recht: der Stein der aus der Hand geworfen wird, ist des Teufels (G. W. F. Hegel, >Grundlinien der Philosophie des Rechts König Yngurd< stehen, an dem die Bildung genrespezifischer Charakteristika auf zwei Ebenen beobachtet werden kann: dem Auftreten stereotyper Motive bzw. Motivkomplexe (a) und dem spezifischen Strukturmodell (b).13 (a) Die Handlung ist angesiedelt im Kontext einer fiktiven >nordischen< (Vor-) Geschichte, die aus einigen wenigen historischen Details und mythologischen Motiven konstruiert ist. Diesen Handlungsraum charakterisiert vor allem eine hochgradige Zeichenhaftigkeit der die Figuren umgebenden Umwelt. Naturphänomene wie Kometen, Meteore, Nordlicht, Gewitter prägen zusammen mit Vorahnungen, Träumen, Prophezeiungen, Flüchen nicht nur das figurale Weltbild, sondern bestimmen auch die dramatische Informationsvergabe, indem sie ein oberhalb der Figurenebene angesiedeltes Sinnsystem bilden, dessen Relevanz die Figuren zwar durchaus rational anzweifeln können (vgl. 1/1), dessen Deutungskraft aber die figuralen Deutungsfähigkeiten klar dominiert. Damit ist zugleich eine Art auktorialer Instanz für den dramatischen Text bzw. die theatralische Aufführung gegeben, die sich in der spezifischen Besetzung dieses Sinnsystems realisiert. (b) Die Handlung des »Yngurd« selbst wird bestimmt durch einen dynastischen Konflikt, in dem die Problematik der Legitimation monarchischer Herrschaft entfaltet wird. Dabei werden zwei strukturbildende Oppositionen miteinander verkoppelt: die Gegenläufigkeit von menschlicher Planung und Schicksal und der Gegensatz von traditionaler Legitimation (>GeburtsadelVerdienstadelKönig Yngurd< bis zur Dämonisierung steigert: unter dem nicht mehr zu bewältigenden Handlungsdruck verzweifelt der Protagonist zunächst, d. h. sein Glaube an die Güte der Weltordnung zerbricht an der vermeintlich zerstörerischen Macht des Schicksals, um dann im Teufelsbündnis den einzigen Ausweg zu suchen (III/6). Die Wendung vollzieht sich in der entscheidenden Schlacht, als trotz eines vorangehenden Gebetes das Geschick gegen Yngurd verschworen scheint und ungerechterweise zunichte macht, was er aufgrund eigener Leistung mühsam erkämpft hat. Im Gefühl, von Gott verraten zu sein, wendet sich Yngurd schließlich dem Teufel zu: Yngurd (trotzig auf den Boden stampfend): Nein! Ich hab' gebetet - meine Brust w a r rein. Grollt mir der Himmel, mag's der Teufel seyn, Der mit mir ficht... (85)
Permanenter Krieg und Meuchelmord sind die konsequenten Folgen einer Politik, deren Protagonist seine persönliche Integrität mehr und mehr den Zwängen bloßer Machterhaltung opfern muß. Demgegenüber ist der König des Nachbarlandes Dänemark nicht nur, wie sich auf dem Höhepunkt des Konflikts herausstellt, der Vertreter der legitimen Partei, d.h. der berechtigten dynastischen Ansprüche des verdrängten Thronerben. Gerade seine scheinbare Schwäche und individuelle Eigenschaftslosigkeit erweist sich als überlegene Basis der Regentschaft, die er in ungebrochenem Bewußtsein seiner historischen Sendung und ohne Trübung durch individuelle, persönliche Intentionen situationsangemessen ausübt. Diese Überlegenheit muß schließlich der Kontrahent Yngurd anerkennen, der eher als einem (neuen) norwegischen »Aufrührer« - denn mittlerweile muß sich Yngurd nicht nur der Dänen, sondern auch einer offenen Rebellion aus den eigenen Reihen erwehren - nun dem fremden König die eigene Krone überlassen will (V/12, V/17): Du Als Du Du
Glücklicher, der Herrscher ward genannt, er die Welt mit Weinen kaum begrüßt! bist so menschlich=königlich gesinnt, bist so Eins mit deiner Fürstenwürde,
D u trägst so leicht der Herrschaft schwere Bürde, Daß ich sie legen möcht' in deine Hand [...]. Was ich gewollt, war E i n Mal schlimmer nur, A l s was ich that, und - ich nicht that's; die Hölle, Mißtrauend meiner besseren Natur, Vollzog mein Denken mit des Blitzes Schnelle. (io2f.)
193
Mit dieser Antwort auf die Legitimitätsfrage sind zentrale Positionen des epochenspezifischen historisch-politischen Diskurses in den konsistenten Sinnzusammenhang eines dramatischen - narrativ angelegten - Modells gebracht. Ein historisches Paradigma für den selbstermächtigten Herrscher bildet natürlich Napoleon, der in der zeitgenössichen Diskussion in Deutschland weitgehend mit der französischen Revolution identisch gesetzt wird. Diese wiederum erscheint als direkte Konsequenz aufklärerischer Hinterfragung traditionaler Herrschaftslegitimation. 14 Diese Ineinssetzung erlaubt die Konkretion der epochenspezifisch erfahrbaren Dynamik in einer personalen Biographie, in der die destruktiven Potentiale sowohl für die Umwelt als für das Individuum selbst hervortreten. Somit ist ein direkt auf den zeitgenössischen Kontext beziehbares Argumentationsmodell der Legitimation traditionaler Herrschaft entworfen - allerdings mit hohen Abstraktionskosten: die Künstlichkeit des archaischen Ambiente und der fehlende Lebensweltbezug stellen die Plausibilität in Frage, tatsächlich dürften Dramen wie >König Yngurd< eher ein Unterhaltungsbedürfnis befriedigt haben als daß sie als politisches Argument verstanden worden wären. Zudem bedarf es eines hohen Maßes an dramaturgischer Unwahrscheinlichkeit, um erklären zu können, wie der persönlich positive Held im intakten Feudalsystem überhaupt vom Bauern zum König avancieren konnte, und um den zum Eintritt in den >dämonischen< Zirkel notwendigen Problemstau zu erzeugen. Gerade das aber spricht für die Vertrautheit der zugrundeliegenden Argumentations deren Wahrheitsanspruch eher im häufigen Memorieren begründet ist als im semantischen Gehalt. Kulturell vertraute Modelle der Kohärenzstiftung tragen auch in der Geschichtsschreibung entscheidend zur Herstellung dessen bei, was man mit Roland Barthes die »Referenzillusion« des historischen Diskurses bezeichnen kann. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die von Müllner explizit beanspruchte überhistorische Allgemeingültigkeit: Bemüht euch nicht, im Buche der Geschichte D e r Quelle meines Liedes nachzuspüren. Die Wirklichkeit taugt selten zum Gedichte; N a c h Wahrheit rang ich, euern Sinn zu rühren. N a c h jener Wahrheit, die im Traumgesichte Die Musen vor des Geistes A u g e führen. A u f ihrer Bahn nur ist ein sicher Schreiten: Was niemals war, das ist zu allen Zeiten. ( A n die Leser, 64) 14
Z u m >Napoleon-Paradigma< vgl. auch Ute Gerhard, Politik als Dramenkonstellation. Soziale Perspektiven von Mythisierungen im 19. Jahrhundert, in: Jürgen Link/Wulf Wülfing (Hg.), Bewegung und Stillstand in Metaphern und Mythen: Fallstudien zum Verhältnis von elementarem Wissen und Literatur im 19. Jh., Stuttgart 1984. J o s t H e r mand, Napoleon im Biedermeier, in: ders., Von Mainz bis Weimar, Stuttgart 1969. Claus Träger (Hg.), Die französische Revolution im Spiegel der deutschen Kritik, Leipzig 1975.
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In der intendierten Überzeitlichkeit ist das archaische Ambiente aufgehoben und der Bezug zur politischen Gegenwart ermöglicht, zugleich bleibt jedoch die für diese >Archaik< konstitutive Entmächtigung der Agierenden erhalten. Auf einer sehr abstrakten Ebene ist damit die Ereignisfolge von Traditionsbruch und Restauration in ein ideologisches Modell gebracht, dessen Verlauf durch das Postulat der Allgemeingültigkeit zum schicksalhaft-notwendigen Prozeß stilisiert wird. In seinem Mittelpunkt steht die Dichotomie von Wollen und Können, die das Moment personaler Intentionalität gegenüber traditional verbürgten Gegebenheiten als Hybris erscheinen und in der notwendig dämonischen Eigendynamik scheitern läßt. Der aktuelle politische Kontext einer solchen Argumentation ist von Müllner explizit intendiert worden. Joseph von Eichendorff entwirft in seinen publizistischen Schriften eine vergleichbare Perspektive auf die französische Revolution, wo »der durch eine falsche Philosophie aufgeblasene Verstand, nachdem er alleinbeherrschend den Thron eingenommen, in blutigem Wahnsinn sich selber, anstatt der heiligen Krone, die rote Narrenkappe aufsetzte.«' 5 Zugleich verfolgt Eichendorff diesen Weg in den blutigen Wahnsinn literarisch an einer der schwärzesten Figuren historischer Erinnerung, auf die sich nach der Lektüre von Friedrich von Raumers Hohenstaufen-Geschichte die bis etwa 1805 zurückreichenden Pläne zu einem in der Spätphase des staufischen Kaisertums in Italien angesiedelten historischen Schauspiels konzentrieren: Ezzelino III. da Romano ( 1 1 9 4 - 1 2 59), Schwiegersohn Friedrichs II. und dessen Statthalter in Padua, ist bereits im kulturellen Wissen der Renaissance präsent als dämonisch-gewalttätiger Tyrann, den laut Jacob Burckhardt »keiner der Spätem [...] an Kolossalität des Verbrechens irgendwie erreicht« habe.16 Die volkstümliche Uberlieferung macht ihn
15
>Über die Folgen von der Aufhebung der Landeshoheit der Bischöfe und der Klöster in Deutschland< ( 1 8 1 8 ) , in: Joseph von Eichendorff, Werke, Bd. j: Schriften, hg. v. Hartwig Schulz, Frankfurt/M. 1993, 470. »Als der Glaube, indem ihn der Verstand grübelnd begreifen wollte, von der Erde wich [...], da verwirrte sich der Gedanke in sich selbst und ein ungeheures Schwanken aller inneren und äußeren Verhältnisse [...] erschütterte ganz Europa.« (468) Speziell in »Deutschland, [wo] alles Welthistorische geistig ausgeboren und ausgekämpft sein will«, »sehen wir, wie in der Polterkammer eines bedeutungsvollen Laboratoriums, den Protestantismus neben dem Katholizismus [...], wir sehen die endlich bei dem Heidentum angelangte Aufklärung und einen das Katholische und Protestantische seltsam verwirrenden Mystizismus im Kampfe gegeneinander und beide, als bloße Karikaturen dessen, was sie zu wollen scheinen, gegen eine mächtig aufstrebende höhere Erkenntnis; wir sehen den Geist der L ü g e sich künstlich durch Sitten und Verhandlungen schlingen, die hohle Begeisterung, die sich selbst nicht glaubt, die Charakterlosigkeit in tausenderlei gleißenden Charaktermasken, die napoleonische Ehe gegen das Sakrament der Ehe, und ein fieberhaft unsicheres Experimentieren aller Gesetzgebung.« (470).
16
Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, in: Jacob Burckhardt, G e samtausgabe, Bd. 5, Stuttgart 1930, 3.
!9S
zum Teufelssohn - und bringt ihn damit in die Nähe von Teufelsbündnern wie König Yngurd. Als »Sohn der Hölle« erscheint er auch 1805 in Heinrich v. Collins historischem Trauerspiel »Bianca della Porta< - allerdings nicht als Sohn des Teufels, sondern eher als dessen weltliches, säkularisiertes Analogon: ein gefallener »Heros alter Fabel« (163). 17 »Im kühnen Fluge schöpfrischer Gedanken / Voreilend künftigen Jahrhunderten« (163), verliert er jegliches Maß für die Begrenztheit seiner Lebenssphäre und seiner historischen Rolle und steigert sich immer mehr in eine Mischung aus Allmachtsphantasie und unmäßiger Verachtung gegen die - vermeintlichen - Verderbtheiten seiner Zeit, die ihm nicht folgen mag. »Ihn sieht man nun, / Vom Opferdampf der Schmeicheley betäubt, / Wie die Titanen den Olymp erstürmen, / Im Rausche eigener Vergötterung / Zum Sturze hin auf steiler Höhe schwindeln« - das sagt sein letzter Vertrauter, dessen Herz noch von der früheren Bewunderung glüht (164). Dieser Sturz steht im Mittelpunkt der dramatischen Handlung. Dabei zeigt sich, daß Ezelino seine Macht in jeder Beziehung überschätzt hat. Kaiser und Papst, gegen die er sich gleichermaßen empört hat, verfügen über Ressourcen, die nicht einfach in einem Akt individuellen Wollens zu überwinden sind; vor allem aber scheitert Ezelino an einem Willen, der kraftvoller ist als seiner: die von ihm umworbene Bianca della Porta, die er schließlich mit Gewalt zu seiner Frau machen will, erweist sich in ihrer Tugendhaftigkeit, ihrem Opfermut und ihrem Glauben an eine höhere Gerechtigkeit als die eigentliche Siegerin. Während Ezelino immer wieder auf die Realität zurückgeworfen ist, gegen die er ohnmächtig aufbegehrt, verweist Bianca auf den Binnenraum des Glücks, in dem der Mensch allein den Umstrickungen der Gegenwart entkommt und der Unbeständigkeit und Unberechenbarkeit irdischen Geschicks gerecht wird: »Die innre Hoheit wird ihm niemand rauben« (150). Es ist sein eigenes Credo - »Im Kampf, gewaltsam, schwingt sich auf das Leben!« (167) - das Ezelino zwingt, die Welt zur Hölle (des Krieges) umzugestalten, zu einer Welt, die allein einen seiner Selbstverwirklichung adäquaten Handlungsraum öffnet: »Los muß die Hölle seyn, dann sieht man Ernst« (165). Nur in der Zerstörung beweist sich das absolut gesetzte Ich, daß Ezelino trozig dem »Sklavensinn« seiner Zeit, aber auch noch der Hölle selbst entgegenstellt - »auch dort bleib ich noch Ezelino« (182). Wenn also das Dämonische der Figur hier konsequent in die Hybris menschlichen Wollens verlagert ist, dann erscheint die Berufung auf >dunkle< Mächte - etwa das Astrologie-Motiv - eher als eine Ausflucht, wenn nicht selbst als Hybris:
17
Heinrich v. Collin, Sämmtlich Werke, hg. v. M . v. Collin, Wien 1 8 1 2 , Bd. 2. Collin »dankte diesen Stoff dem Freyherrn von Hormayer«, mit dem er die Absicht teilte, »die vaterländische Geschichte zur Erhebung des Nationalgefühls zu umfassen« (vgl. das N a c h w o r t der Werkausgabe von M.v. Collin; Bd. 6, 401).
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Ezelino: Es wird erfüllt, was meiner hohen Mutter Ein finstrer Geist im Traum gedeutet hat: Ich würd' erscheinen als ein Todesengel, Verderblich dem verworfenen Geschlecht. Grimaldi: Ihr schafft euch einen traurigen Beruf. Ezelino: Nein, mit Gewalt wird er mir aufgedrungen. [...] Die Bürger sollen sterben, alle! Laßt mich nur kommen! Ha, die Stadt, zerstört, Geschleift, in Rauch und Flammen prasselnd, Soll meiner Rache leuchtend Denkmal werden! (175)
Dramatisch beschworen wird dieser »Höllensohn« im Osterreich des Jahres 1805 - nach der Niederlage im 3. Koalitionskrieg, der Besetzung Wiens und der Heirat Josephines mit Napoleon - , um ihm in Bianca della Porta ein Beispiel des Widerstands und ein Zeichen der Hoffnung entgegenzusetzen: »In Idealen / Der bessern Zukunft blühet unser Glück; - / Was seyn wird, lohnet uns, und nicht, was ist!« (150). Beschworen wird in ihm zugleich der Held einer furchtbaren Zeit. Die Zeichen dieser Zeit sind fürchterlich. Wild gährt es auf in ihrem Schooße, Und deutet eine schreckliche Geburt, Die weltzerstörend selber sich verschlingt. (149)
Eine »schwere, wilde Zeit« exponiert auch die erste Szene von Eichendorffs >EzelinOben< und >UntenAlt< und >NeuWald< und >Stadt< sind dabei immer wertbesetzt, ohne allerdings ein stabiles System zu bilden. Signifikant scheinen vielmehr gerade die Verschiebungen, die auch sonst zum Prinzip des Texts gehören, etwa in der Konfrontation von tragisch-pathetischem und burlesk-komischem Stil oder - auf der Handlungsebene - im Rollenspiel, das sowohl auf der tragischen als auch auf der komischen Ebene jeweils eine Frau in männlicher Verkleidung in die Kriegs-Welt der Männer eindringen läßt. Zugleich exponiert die erste Szene die allegorische Dimension des Kampfes, dessen Raum die so konstituierte Welt bildet: »Von oben warf unser Herr Gott Donner und Blitz herunter, und unten sengte und brennte der Ezelin, als wollt' er probieren, wer's von beiden besser könnte!« (238).
18
Joseph von Eichendorff, Ezelin von Romano. Trauerspiel in fünf Aufzügen (1828), in: Werke, Bd. 4, hg. v. Hartwig Schulz, Frankfurt/M. 1988.
*97
Die »alte, schöne Zeit« - auf die sowohl Lieder als auch Naturerlebnisse immer wieder verweisen - findet sich noch auf den Höhen der Berge, etwa auf dem Stammsitz Magolds von Lavelongo (256, 3 1 3 , 314: »Was sollt' sich ändern, bleib' ich selbst der alte?«), während die Ebenen durchzogen sind von Elend und Krieg: »So weit das Auge reichte, brannten Dörfer, / Vieh brüllt' und heulend Volk irrt' durch die Felder« (256). Auch diese Beobachtung ist jedoch ambivalent. Unvermittelt wechselt der Tonfall, wenn der Beobachter sich auf die Schlacht selbst konzentriert: »Manch' edles Wild lag auf dem grünen Plan, / Das Hussa schallt', die Hörner jubilierten, / Das ganze Tal ein Hall und Widerhall, / Und so vertost' fernab die wilde Jagd« (258). Was eben noch grausames Morden war, erscheint jetzt als fröhliche Jagd und eröffnet eine Raum gleichsam archaischer Freuden und Vergnügungen, was folgerichtig bei der Zuhörerin Violante, beheimatet in der noch friedlichen Welt der Höhen und der alten Ordnung, den Wunsch erweckt, Teil solchen Geschehens zu sein: »Und du konnt'st droben stehn! Faßt's dich denn nicht, / In schönem Wahnsinn dich mit drein zu stürzen? - / [ . . . ] War' ich / Ein Mann in dieser furchtbar schönen Zeit!« (258). Die Topik der >alten Welt< hat Eichendorff bereits entwickelt für sein geplantes Drama >Herrmann und Thusneldac auf der Jagd findet die erste Begegnung der Titelfiguren statt, wobei Hermann als Unbekannter die verirrte Thusnelda rettet-wie Ezelin Violante. Thusneldas erster Satz lautet: »Thusnelda: (aus Gedanken auffahrend): War ich ein Mann!«. 19 Violante wird ernst damit machen: als Mann verkleidet, wird sie in der Schlacht von ihrem eigenen Vater erschlagen. 20 Hier hat der Wahnsinn nichts Schönes mehr, und doch, trotz solcher tragischen Verwirrungen, von denen eine ganze Reihe das Stück episodisch durchzieht, bleibt am Ende der »Nachhall noch der furchtbar schönen Tage«, dem die (wenigen) Uberlebenden »einsam auf des Landes Höh'n« lauschen werden, und der als Botschaft in die Zukunft weiterklingt (402). Diese Ambivalenz entsteht vor allem im Gegensatz zu einer anderen, dritten Welt, die sowohl der »alten, stillen« Welt der Poesie und der Natur als auch der »wilden, schönen« des Krieges gegenübersteht: die »kluge, jämmerliche Welt« (326) der Städte und des >VolksPöbel< - von den Unterschichten bis zum Patriziat der großen Städte und dem
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Werke, Bd. 4, 13; vgl. 18: »Thusnelda: Hätt' ich ein Roß und Schwert und Schild wie Männer, / Dir, Herrmann wollt' ich in der N a c h t begegnen! / Mit Schwertern haut sich L u f t des Mannes Herz, / D o c h wer ermißt des Weibes stillen Schmerz?« Das Fragment entstand um 1 8 1 1 .
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K u r z vorher hat sie das Angebot, sich in Sicherheit zu bringen und in Abgeschiedenheit »die wilde Zeit vorüberrauschen« zu lassen, zurückgewiesen: »Komm, fliehn wir aus der Stille, / Die irre Wünsche weckt und falsches H o f f e n « (367). Eine komische Variante des Verwechslungsspiels bietet die Handlung um Zilie, die in Männerkleidern aufbricht, um ihren Geliebten zu suchen — und nach vielen Verwirrungen glücklich zu finden.
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Adel in den Niederungen - durchgehend negativ gezeichnet: beherrscht von kurzsichtigem Egoismus, Kleinlichkeit, Feigheit und Dummheit bilden die sich auf ihre stolze Tradition berufenden Städte des alten lombardischen Bundes die »Babel«, gegen die Ezelin sich nicht ohne Grund zum Rachefeldzug berufen fühlt. Bereits Raumer, dem Eichendorffs Drama in vielen Details folgt, sieht Ezelin als ursprünglich positiven, Friedrich II. treu ergebenen Helden, »weil aber sein Leben in furchtbare Zeiten fiel«, habe sich sein Charakter zunehmend verdüstert, bis es am Tag der Einnahme von Padua zum offenen Bruch mit der Legalität und der Moral gekommen wäre: »Es schien als sey von diesem Tage an Ezelino der Hölle verfallen: denn alles Große und Edle seiner Natur schwand immer mehr vor dem Bösen dahin, welches aus dem Boden seines strengen und finstern Gemüthes wuchernd emporwuchs«. 21 Was bei dem Historiker Raumer metaphorisch bleibt, wird im Drama Eichendorffs personifiziert in Figur des Ugolino, mit der Ezelin explizit ein Medium dämonischer Mächte an die Seite gestellt wird - als Führer »durch's dunkle Layrinth des Wahnsinns« (252)! Damit aber ist dieser Wahnsinn aus seiner Verankerung in einem spezifischen historischen Kontext gelöst. Seine »Wurzeln« reichen - wie der Mönch Antonio feststellt Hinunter in die schauerliche Tiefe, W o seit Jahrtausenden, der Menschen Reiche Verwirrend, blutbeflekt, in goldner Halle D e r Hochmut thronet und die Herrenlust. - (362)
Das Zeitmodell des Textes wird hier um eine neue Dimension der Vergangenheit erweitert: neben die gute alte Zeit tritt der Jahrtausende währende Kampf, in dem Hochmut und Herrenlust antreten gegen die Werte der Demut und die »Kraft der Liebe«. In diesem Wertgefüge verschiebt sich auch die aufklärungskritische Pointe des Teufelsbund-Motivs. Wenn Eichendorffs Ezelin als göttlichen Auftrag verkennt, was »Blendwerk der Hölle« ist, dann ist er den Kräften dieser Hölle in einem sehr viel direkteren Maß ausgesetzt als Collins Ezelino, für den die düsteren Prophezeiungen nur eine zusätzliche Legitimation für die quasi selbstgewählte und selbstverantwortete Grausamkeit bietet. Die tatsächlich teuflische Hybris scheint auch grundsätzlich unterschieden von der defizienten, dämonischen Rationalität, wie sie beispielsweise Yngurd oder Immermanns Zar Peter beherrscht. Ezelin beruft sich gerade nicht auf seinen autonomen Verstand, sondern auf eine vermeintlich göttliche, tatsächlich aber teuflische Führung, als deren Werkzeug er sich versteht. Die hybride Selbststilisierung als weltgeschichtliches Individuums genauer: als Vollstrecker eines Weltgerichts, betont schon Raumers Charakterisierung Ezelins: »Von erster Jugend bis zum Tode zeigte er sich tapfer [...]. Er hegte einen löblichen Haß gegen Diebe, [...] Verbrecher aller Art; anstatt aber diesen Haß durch eigene Tugenden 21
>Geschichte der Hohenstaufen^ Leipzig 1824, Bd. 3, 648^, 7 4 3 .
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wahrhaft zu begründen und durch Demuth zu heiligen, äußerte er mit einer an den heidnischen Dischingischan erinnernden Kühnheit: >die Sünden der Völker erfordern eine strafende Hand, wir sind der Welt gegeben, um für die Verbrechen Rache zu übenLucindeDer gestiefelte KaterHannibalMaltens Bibliothek der Neuesten WeltkundeInteressenstreit zwischen Frankreich und der nordamerikanischen Union, nebst einer Erörterung des innern politischen Zustandes dieser letztens in: Bibliothek der Neuesten Weltkunde. Geschichtliche Übersicht denkwürdiger Ereignisse der G e genwart und Vergangenheit bei allen Völkern der Erde, in ihrem politischen, religiösen, wissenschaftlichen, literarischen und sittlichen Leben, hg. v. H . Malten, Aarau, 4. Theil 1 8 3 5 , 8 9 - 1 0 9 , hier: 92.
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Jetzt, w o die amerikanische Mehrheit aus Eigenthümern besteht, ist eine Staats-Umwälzung nicht zu besorgen. Man hat nur vorübergehende Unruhen zu erwarten. A b e r die rasch fortschreitende Vermehrung der eigentumslosen Masse, und die Verbreitung der Grundsätze, die Reichtum, wie des Standes und Vermögens Ungleichheit den Krieg erklären, sind ohne Zweifel ein über dem Haupte des amerikanischen Volkes schwebendes Damokles-Schwert. Wenn man einerseits die erworbenen Rechte und den Wohlstand der Minderzahl, anderseits Hunger und Begier der Mehrzahl sehen wird, was soll alsdann aus einer auf den alleinigen Grundsatze der souveränen Mehrheit gegründeten Republik werden? (93)
Den Gedanken einer dauerhaften Pazifierung sozialer Antagonismen durch Erhöhung des Nationaleinkommens mit Hilfe einer umfassenden Industrialisierung hält der Verfasser wegen der daraus resultierenden Konjunkturabhängigkeit und der notwendigen demographischen Konzentration für gefährlich. Man weiß, wie gewagt es ist, wohlverstandene Aufklärung und Umsicht von auf einem und demselben Punkte angehäuften Menschen-Massen zu verlangen. Man weiß endlich, daß in einer großen Hauptstadt Luxus und Elend, Ehrgeiz und Laster unvermeidlich sind. (93)
Gebändigt würden die Spannungen allein noch durch den selbstlosen Einsatz von Präsident Jackson, der als ehemaliger General primär militärisch qualifiziert und daher schwer korrumpierbar sei. Der Versuchung widerstehend, die Armut »zum Werkzeug des Despotismus« zu nutzen, »weigerte er sich hartnäckig, das öffentliche Einkommen zu inneren Verbesserungen unter Leitung der Bundes-Regierung zu verwenden« - was dem Verfasser als »gesetzliche Beraubung« der Besitzenden gegolten hätte - und solchermaßen »entfernte er sich [...] stufenweis von jener eifrigen und tirannischen Demagogie, die man der Schule Robbespierre's und Marat's entnommen hatte« ( i d f . ) und die das Handeln seiner Vorgänger bestimmt habe. »Philosophischer Eifer« und eine fatale »Ehrfurcht für populäre Mehrheit« kennzeichne die »politisch Kurzsichtigen«, die sich nicht nur vorwerfen lassen müssen, die Dialektik von Demokratie und Despotie zu verkennen, sondern auch die Menschen dem Diktat eines nicht nur blauäugigen, sondern selbst schon despotischen »philosophischen Lehrgebäudes« (Condorcet's) zu unterwerfen: glückliche Optionisten, die dem Menschen einen regelmäßigen, unwandelbaren G a n g vorschreiben, die ihn wie ein Räderwerk oder wie einen Pumpen-Schwengel betrachten, den man hin- und herstoßen kann, ohne um seine Launen, seine Eigensucht und seine Leidenschaften sich bekümmern zu müssen. (96)
In aller Deutlichkeit wird hier die vor allem in der Romantik verbreitete Maschinen-Metapher 122 verbunden mit einer Kritik demokratischer Partizipationsrechte. Die Möglichkeit der Demokratie ist damit nicht mehr nur funktional in Frage gestellt, sondern normativ-ethisch. Mit dem Vorwurf mangelnder 122
Vgl. Frank, D e r kommende Gott, 1 j jff.
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Menschenkenntnis, der gegen Vernunftoptimismus ein vermeintlich anthropologisches Wissen um die destruktiven Momente der menschlichen Triebkräfte ausspielt, hat Grabbe bereits in >Napoleon oder die hundert Tage< den liberalen Idealisten< Carnot konfrontiert, allerdings im Rahmen eines ästhetischen M o dells, in dem die großbürgerlichen Liberalen nur eine mögliche Perspektive repräsentieren: Fouche: Ο du unschuldiges, kindliches Genie! - W a r ' ich wie du, und kennte bloß die Wissenschaft und die Tugend, nicht aber die Menschen! (65)
Zu einer kohärenten Aussage hat Grabbe seine politischen Einsichten an einem eher unvermuteten Ort verdichtet. Die zeitgleich mit dem Hannibal-Drama konzipierte Abhandlung über >Das Theater zu Düsseldorf mit Rückblicken auf die übrige deutsche Schaubühne< I2J räumt dem - den künstlerischen Erfolg begründenden - institutionellen Rahmen der Düsseldorfer »Musteranstalt« breiten Raum ein. Auf den ersten Blick scheint deren vereinsrechtliche »Konstitution« (522) an einem demokratisch-republikanischen Modell orientiert zu sein: In dieser Verfassung sind durch die Stellung des Oberbürgermeisters, der vier v o m Verein, zwei vom Stadtrat besonders erwählten Mitglieder, [...] durch die unbedingte Freiheit, gegen Aktien an dem Verein teilzunehmen, durch die Möglichkeit, daß der Unbemittelte gegen ein Geringes als beratendes Ehrenmitglied eintrete, durch die bestimmte Dauer der Verwaltungsmitglieder und dann wieder durch unbedingte Wählbarkeit ihrer selbst oder anderer, alle Interessen des Vereins und der Düsseldorfer Theaterfreunde verschlungen [...]. (523)
Der >demokratische< Eindruck trügt jedoch. Denn der Theaterverein ist durchaus elitär zu verstehen, auch wenn weitgehend unklar bleibt, wie der Zugang formell limitiert werden soll. Seine Funktion besteht gerade darin, das Theater dem Einfluß des »unwissenden Haufens« (522) zu entziehen, dem es als kapitalistische »Privatunternehmung« unterworfen ist: Der Unternehmer muß, will er nicht untergeh'n, nach jedem Winde der aura populi lavieren, und hat, meint er es auch noch so gut, zu etwas Rechtem keine Zeit. ( 5 2 1 )
Auf dem freien Markt formieren sich abstrakte Gesetzmäßigkeiten, die über ökonomisches Zweckdenken hinausreichende Handlungsintentionen nicht mehr adäquat zur Geltung kommen lassen. Daß hier jedoch nicht primär eine Kapitalismus-Kritik intendiert 1st, 124 sondern eine Kritik demokratischer Kon123
In: Werke, hg. v. R o y C . C o w e n , Bd. 2. Der Text entstand 1835 auf Anregung Immermanns, des Initiators und Intendanten dieser Bühne. Seinem Einfluß ist sicher zu einem großen Teil Grabbes positives Urteil geschuldet (vgl. etwa den Brief an Grabbe, V I , 198). Das ist hier jedoch nicht entscheidend. Nicht daß Grabbe möglicherweise aus reinem Opportunismus zu seinem Urteil kommt, ist hier von Interesse, sondern wie er dies Urteil begründet.
124
Vgl. 520: » w o das [»pekuniäre Interesse«] eintritt, und, seiner Natur nach, in das Ubermaß ausartet, ist's mit der Kunst gar leicht vorbei«.
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trolle, zeigt sich dann, wenn die Argumentation vom Verhältnis Theater-Publikum auf die Institution Theater selbst verlagert wird, die »zehnmal eher« als das schauspielerische Produkt die »Welt im Kleinen« repräsentieren soll. N e ben häufig mangelnder ästhetischer Einsicht disqualifiziert sich ihr »Volk« die Schauspieler und Schauspielerinnen - durch Selbstsucht, Eitelkeit, ökonomische Korrumpierbarkeit und Irrationalität für eine demokratische Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Grabbe rekurriert dabei auf alle Klischees, mit denen im zeitgenössischen Diskurs die Eingrenzung politischer Partizipationsrechte begründet wird. So provoziert die Ausdehnung des Gleichheitsgedankens auf »soziale Unterschichten umstürzlerische Tendenzen: Schwerlich vier erbärmliche Statisten, von denen nicht jeder dächte: »unterdrückte und schikanierte man mich nicht, und hätt' ich nur jene prächtige Rolle zu agieren, ich spielte sie tausendmal besser, als der beklatschte Darsteller da.« ( j i ^ f . )
N o c h fataler erscheint die Infragestellung einer anderen Hierarchie: A u c h ist das Theater die einzige Republik, w o die Weiber nicht allein die heimliche Herrschaft ausüben (mit der sie sich gar wohl begnügen könnten), sondern auch Stimmrecht besitzen, und da geht's, wie ich zu schließen wage, bei vielen Schauspielerinnen mehr nach Laune als nach Gründen. (520)
Gelungenes Theater also »konnte unmöglich aus der Gesellschaft selbst sich herausgebildet haben« (519). Notwendig ist vielmehr eine Leitung, die gegen die Ansprüche des Schauspieler-Volkes und des Publikums hinreichend immunisiert ist, um das vom künstlerischen Verstand Geforderte durchsetzen zu können. Hier heißt es nicht, ein halbes Jahr zu parlieren und nichts auszurichten, oder sich recht wohlfeil und gefahrlos den Spaß eines Schloßbrandes zu machen, sondern statt des unwissenden Haufens das meist zuviel wissen wollende Geschlecht der Schauspieler zu regieren, und täglich Gutes zu schaffen. (522)
Mit den Anspielungen auf Kammerrepublikanismus und - nochmals - die Braunschweiger Revolution von 1830 ist der Kreis zum politischen Diskurs geschlossen. Der immanente Widerspruch von theoretisch geforderten und praktisch verweigerten Teilnahmerechten am »Verein« reproduziert dabei nicht in erster Linie die analoge Problematik des bürgerlichen Liberalismus. E r verweist eher, auch in der deutlichen Distanzierung vom Prinzip öffentlichen Räsonnements, auf das Modell einer autonomen Bürokratie, die als »allgemeiner Stand« (Hegel) die immanente Vernünftigkeit des Staates repräsentiert und gegenüber gesellschaftlichen Antagonismen durchsetzt. Die Analogie geht dabei erstaunlich weit: charakteristische Merkmale der vormärzlichen Bürokratie insbesondere der preußischen 125 - sind idealtypisch die prinzipielle soziale
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Mit »thätiger Theilnahme an der Spitze« der Theaterbewegung steht Prinz Friedrich. 285
bzw. ständische Offenheit bei gleichzeitig strikter Limitierung über einen geregelten Bildungsnachweis und eine weitgehende Autonomie gegenüber der >KlientelOrlaCarbonariGesellschaft< durchaus sein Recht. Aber zu einer erneuten Transformation des Bewußtseins kommt es erst in Rom, einem durch die >Carbonarientrückten< Raum (dem beispielsweise im Gegensatz zu den historischen zeitlichen Verortungen des 1. und 3. Akts lediglich »Morgen, Abend und Nacht« zugewiesen sind). Aufgrund einer Intrige seines ewigen Gegenspielers Berthold zum Tode verurteilt, erkennt der im Kerker auf seine Hinrichtung wartende Orla das Defizitäre seiner Selbstbefreiung - signifikanterweise in einer Reflexion auf die Kontingenz des Schicksals, demgegenüber der Einzelne ohnmächtig erscheint: Ja ... nicht der Einzle kann das Schicksal fesseln, So klar er sich bewußt sei seines Rechts, Der Eine wird nicht frei, bis alle frei sind.
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Die Menschheit einzig ist die Götterkräft'ge, N u r ihrem Scepter beugen sich die Mächte. (zzoi.)
Der Kampf der Menschheit um »den neuen Gral / Das Selbstbewußtsein«, bekommt ein neues, kollektives Schlachtfeld zugewiesen: das »Vaterland«. In ihm hebt sich das Individuum auf, das auf sich selbst fixiert nur »kleinlich untergehn im Kleinen« kann; demgegenüber rechtfertigt es die Gemeinschaft, wenn »tausend Opfer allzumal« auf der »blut'gen Todesbahn« zurückbleiben. Es unterscheidet diesen zweiten Transformationsakt auf signifikante Weise vom ersten, daß er sich im reflektierenden Monolog vollzieht, aber auch daß er damit nicht vollendet ist, sondern der Unterstützung durch die Bundesgenossen bedarf, die Orla aus dem Kerker befreien. So kommt dieser zurück nach Deutschland, in »eine unabhängige freie deutsche Reichsstadt; nach der französischen Julirevolution«, um seine Wiedergeburt im Kollektiv, die dritte Stufe seines Individuationsprozesses, in politische Aktion umzusetzen: Düster gwölbtes Gemach [...] eine lange Tafel, auf der Schriften und Waffen zerstreut liegen; Bänke und Stühle stehen umher. Das Zimmer ist erfüllt von Verbündeten [...] Jünglinge meist in studentischer Tracht, Männer im mittleren Alter; einige polnische und deutsche Officire.
Das ist der letzte Ort von O r k s Entwicklungsgang. Von Berthold, der sich als Provokateur bei den Aufständischen eingeschlichen hat, provoziert und zugleich verraten, wird der voreilige Aufstand zum Abwehrkampf. Er ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt, vor allem, weil die erhoffte Unterstützung durch die »Bauern« - das positive Gegenbild gegen das stumpfsinnige und apathische »Volk« - sich als Phantasma der Revolutionäre erweist. A m Ende stehen die zuschauenden »Bürger, z.T. schon in Nachtkleidern«, deren Unentschlossenheit auch eine flammende Ansprache Orlas nicht überwinden kann: »Je nun ... man kann doch nicht wissen ... Recht, das sag ich auch ... Getroffen, ja man kann nicht wissen.« (303) - am Ende steht aber auch die Prophetie Orlas: O b unsern Gräbern stolz und muthig drängen N e u e Cohorten sich zum Opfertode! Sieh, es weht freudiger und unbesiegt D e r Freiheit ew'ges, blutgeweihtes Banner [...] Die Zeit lebt fort und schreitet ehern vorwärts Durch Blut und Leichen ( 3 1 1 ) .
Jenseits dieses militanten Pathos jedoch sind die Verschwörer nicht weniger unentschieden als die zuschauenden Bürger - »Und keiner, der recht wüßte, wo's hinaus soll« (266). Hier liegt das entscheidende Dilemma der politisch-revolutionären Aktion und der Rücknahme der Individualität in eine Kollektivität, die sich als Entmündigung zugunsten eines abstrakten Weltgeistes darstellt: 288
Ei, Heinz, was quälst du dich mit diesen Sorgen! Das ist ja unsre Sache nicht, von uns Verlangt das Vaterland nur That und Kampf! Thun wir getrost und muthig unsre Pflicht, So werden auch ihr Wort die Andern lösen. Was mich betrifft, ich füg mich ohne Rückhalt, Und setze in den Plan ein fest Vertrauen.
Das ist durchaus nicht kritisch gemeint. In pathetischen Formeln beschwört das Ende des Stücks immer wieder das geschichtliche Gesetz, das es als einzige Hoffnung kennt, das es aber zugleich auf der Handlungsebene dementiert. Der einzige »Plan«, der hier überhaupt existiert, ist der des betrügerischen Provokateurs Berthold. Diese Figur konterkariert durch alle Stationen den Individuationsprozeß Orlas. Berthold entstammt der gleichen ländlichen Welt, die sich für ihn aber von vornherein nicht als Idyll darstellt. Deutlich verweist seine Geschichte auf den Riß, der bereits diese Welt durchzieht. An intellektuellen Fähigkeiten dem Grafensohn Orla ebenbürtig, muß er, der Pastorensohn, von Jugend an um seine soziale Position kämpfen. So wird er zum Paradigma des bildungsbürgerlichen Aufsteigers, den seine herausragende Waffe im Kampf um soziale Reputation und gegen die traditionalen Zwänge der Vergangenheit, sein Verstand, zugleich immer stärker vom wahren Leben trennt. Bewußt und systematisch tötet er in sich die Sicherheit des Gefühls, von der Orla sich leiten läßt, um Raum zu schaffen für die Entfaltung des Verstandes - und um dann den sozialen Raum für seine bildungsbürgerliche Karriere zu erobern. Berthold·. [Das Gefühl] ist Fessel! Und keine hat Natur so trügerisch Gewebt, so listig keine ausgesonnen! Das Erbteil ist's der Nacht, damit sie ewig Zu hemmen wähnte des Gedankens Sieg [...] Die Schwäche selbst ist's [...] Hindert es mich nicht Am freien Handeln, Denken und am freien Genuß der Gegenwart und Kraftentwickeln? Es schwatzt uns in des Strebens ernste Weihe Läppisch hinein von Glanz, Triumph und Ehre, Von Sehnsucht und der Liebe Rosengärtlein [...] Es dringt sich widerwärtig dem Verstand auf [...] Es gibt die furchtbare Gewalt, zerfleischend In meine Brust zu greifen, mich zu morden, Dem Zufall, den ihr ... das Geschick nennt (I/2; 48f.).
So sehr Berthold aber alle Gefühle in sich abzutöten versucht, so wenig entkommt er dem, das ihn am stärksten beherrscht: seinem Haß auf den vom Geschick immer wieder privilegierten Orla. Ihm folgend steigert er sich in eine dämonische Boshaftigkeit hinein, der er seine ganze Rationalität unterwirft. So beruft sich noch ein Text, dessen Ziel die Apotheose weltgeschichtlicher Ver289
nunft ist, auf den dämonischen Zirkel individueller Emanzipation. Zwischen aristokratischer Vernunft und bürgerlichem Verstand gibt es keine Vermittlung. Darin aber liegt auch das Dilemma der Dulkschen Revolutionäre. Ihre Selbstaufhebung zugunsten des allgemeinen Weltgesetzes unterscheidet sich nicht wesentlich von der, die der von ihnen bekämpfte Staat verlangt. Die Figur des Berthold in Dulks Drama bestätigt eindringlich, daß sich der Krieg in den Binnenraum der scheinbar so friedlichen bürgerlichen Gesellschaft verlagert hat. Wie eine zeitgenössische Rezension, die der zweiten Auflage beigefügt ist, feststellt, verfügt Berthold über »ausgezeichnete Talente und weiß auch diese geltend zu machen. Aber er muß sie gebrauchen und arbeiten, um zu einer Stellung im Leben zu gelangen, welche Orla, dem mit dem Glänze seiner persönlichen Erscheinung, [...] zugleich der hohe >Stand< zugefallen ist, nicht zu erwerben braucht« (322). Dieser Zusammenhang jedoch ist in Dulks Text-aber auch in der zitierten Rezension - eher verdeckt. Nicht als Opfer der Verhältnisse erscheint Berthold, sondern allein als Täter, dessen unbedingte »Emancipationswuth« die Gewalt erst erzeugt. Das unterscheidet ihn letztlich nicht von seinem positiven Gegenbild Orla, dem am Ende allein »Blut und Leichen« den Weg in die Freiheit weisen. Während aber die weltgeschichtliche >Bildung< Orks nicht über das Pathos des Selbstopfers hinausgelangt, sind hinter Berthold relativ klar die Konturen einer Bildungsgeschichte erkennbar, die den Selbstgewinn im Bruch mit ständischen, traditionalen Schranken verheißt und in den Selbstverlust entfremdeter Arbeit führt, dabei aber keineswegs >Chancengleicheit< gewährleistet. Diese Bildungsgeschichte gehört nicht nur zum >Erfahrungshaushalt< eines Autors wie Grabbe; mit ihr verbunden sind auch die Diskurse, in denen er sich bewegt und in denen so ein Erfahrungshaushalt sich erst bilden und stabilisieren kann. Die Beispiele für die Diskussionen über Gesellschaft, Staat und Individuum führen ins unmittelbare Vorfeld von Grabbes nächstem Geschichtsdrama. Auf die skizzierte Debatte - und nicht, wie A. Bergmann vermutet, auf eine Satire monarchischer Finanzpolitik in > Aschenbrödel·" 8 - bezieht sich offensichtlich auch das politische >BekenntnisHannibalAschenbrödel< und >Theater zu Düsseldorf im Juni 183 5 in einem Brief an Wolfgang Menzel kommentiert: In beiliegenden Productionen sind vielleicht einige Äußerungen, die auffallen, besonders über constitutionelles Wesen. A b e r ich gestehe, ich liebe Despotie eines Einzelnen, nicht Vieler. Und Rotteck, Zschokke, Wesenburg - sie sind alle halb, wissen nicht, daß sie sich selbst durchschneiden, und beide Enden verfaulen müssen. (VI,2 57)
Zugleich mit der Attacke auf führende Vertreter des süddeutschen Liberalismus hält er jedoch an der ungebrochenen Faszination des Individuums fest, die weder in einem glorifizierten Familien-Staat noch einem weltgeschichtlichen
128
Vgl. V I , 622.
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Fortschritt domestiziert wird. Damit ist auch der Rahmen für Grabbes folgendes Geschichtsdrama angegeben, mit dem er nach dem Scheitern eines aktuellen >Anschlußprojekts< an >Napoleon< über den polnischen Freiheitskampf (>KosciuszkoHannibalAllgemeinen< artikuliert sich die vollständige Reduktion des Lebens auf Geschäftsbeziehungen (z.B. 224). Ihren deutlichsten Ausdruck findet sie im Sklavenhandel, der - als eine Art Sozialmetapher neben der Metaphorik der Versteinerung die ersten Szenen beherrschend - das Grundmodell zwischenmenschlichen Kontakts bildet (224^). Dessen >soziale Folgekosten< bekommen jedoch nicht allein die Sklaven zu spüren. Der physische Zwang, unter dem sie zu reinen Handelsobjekten verdinglicht werden, reproduziert sich auf der Ebene der >Händler< in der subtileren Form der Selbstdisziplinierung, die das moralische und das emotionale Leben der Karthager gemäß der Zwänge ökonomisch-strategischer Zweckrationalität deformiert. Nur vereinzelt wird das überhaupt noch als Verlust reflektiert, ansatzweise etwa von Gisgon, der als >Neuling< in der politischen Füh119
1 8 3 4 / 3 j. In: Werke, hg. v. R o y C . C o w e n , Bd. 2.
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rung von den ihn umgebenden »steinernen Herzen« angewidert ist, gleichwohl aber die Regeln des mörderischen Intrigenspiels dermaßen gut antizipiert, daß er seine Mitspieler bereits weit übertrifft. Partikularinteressen bestimmen auch das Auftreten der Bürger in den staatlichen Institutionen. Eine Mischform aus republikanischen und ständisch-hierarchischen Elementen bietet die Voraussetzung für demagogische Manipulationen, mit denen sich eine kleine Machtelite etabliert, bei der politisches und privat-ökonomisches Handeln unmittelbar verbunden sind. Wir sind die Dreimänner, durch Kugeln erloos't, und Niemand weiß recht, daß wir es sind, wohl aber, daß drei Monde am Himmel stehen, unter denen Suffeten und Volk sich bewegen. Jeder von uns hat seinen Anhang im vornehmen Synedrion und unter den guten Hundertmännern des Pöbels, streitet mit dem Anderen öffentlich und unterstützt ihn heimlich hinter zehnfachen verschlossenen Thüren. (227)
Die sensible Balance, die der heimlichen Despotie der »Dreimänner« zugrunde liegt, ist nur durch strategisches Kalkül gesichert und somit jederzeit in Frage gestellt durch die permanenten Bemühungen jedes einzelnen, seinen Anteil an der Macht auszuweiten. Deutlich ist hier der bürgerlichen Gesellschaft die Tendenz zum Despotismus eingeschrieben. Vorrangig wirken aber, wie schon in der ökonomischen Perspektive des Marktes, die militärischen Erfolge Hannibals als Störfaktor im machtpolitischen Spiel. Dem innenpolitisch fixierten Blick muß er, nicht R o m als der eigentliche Gegner erscheinen, so daß gegen ihn eine Vereinigung der Handlungsintentionen der Machthaber gelingt, die selbst noch die militärische Niederlage ins Kalkül miteinbezieht. Die Metaphorik des Innenraums, die wie in >Napoleon< Bürgerlichkeit repräsentiert, wird zu einer Raumallegorie ausgebaut, in der der funktionale und der normative Aspekt der Argumentation miteinander verbunden sind. Das »Clima dieses engen Zimmers« (227), in das der Geheimcharakter ihres politischen Handelns die Reichen und Mächtigen zwingt, bestimmt auch ihre Persönlichkeit. Die teuflische Mechanik (!), mit der sie ihre Häuser ausgestattet haben, zeigt die mörderische Konsequenz, die ihren Handlungsraum in eine Sphäre omnipräsenter, latenter Gewalt verwandelt: Ich habe nämlich mein Haus mit Drahtfedern eingerichtet, deren jegliche auf einen der oberen Mittelquader der unteren Gewölbe wirkt, so daß jegliches einstürzt, drück' ich seine Feder. Dieses Federchen nun hat den Boten in Schutt und Trümmer eben lebendig begraben oder auch schon zerquetscht, und wir drei nur wissen das.
Die vermeintliche Allmacht endet jedoch an der Mauern der solchermaßen »unterminirten« Paläste, an deren »Gitterfenster« (264) ihre Bewohner zu ohnmächtigen Beobachtern eines äußeren Geschehens herabsinken, das sich ihrer Kontrolle - und bereits der Fähigkeit zu adäquater Erkenntnis - entzieht. Die Planungskapazität der bürgerlichen Machthaber und der Gesellschaft als Gan292
zes ist überfordert in Konflikten mit einer Außenwelt, die nicht ihren internen Spielregeln folgt. So kommt es zu absurden Fehleinschätzungen etwa wenn Melkir noch die Niederlage bei Zama als Sieg über Hannibal begrüßt und nunmehr seine ganzen Handlungsintentionen auf die Intrige gegen Hanno und Gisgon konzentriert (275) oder wenn >der Markt< trotz der existentiellen Gefährdung der ganzen Stadt seine Geschäfte ungerührt fortsetzt (26jf.), dagegen nicht in der Lage ist, die im Kapitulationsangebot vorgesehene »Entschädigung« aufzubringen (278). Ad absurdum geführt wird im Außenkonflikt das für die bürgerliche Gesellschaft fundamentale Prinzip der Sicherheit vertraglich garantierter Vereinbarungen130 - die einzige Form der >Sekuritätväterliche< Verfügungsgewalt. In der Krisensituation der militärischen Bedrohung bewährt sich der Vorrang der Gemeinschaft und das Verantwortungsgefühl der Einzelnen zunächst in der Bereitschaft, die Austragung sozialer Konflikte zugunsten der Verteidigung des »Vaterlandes« zurückzustellen - »Tribunen, habt Ihr heute veto? / Tribunen·. Nein! Wir haben nur den Feind zurückzuwerfen!« (230). Dabei ist aber zu beachten, daß das >römische Modellsoziale Kompromiß< steht im Kontext direkter militärischer Bedrohung, über seine >zivile< Tragfähigkeit ist damit nichts ausgesagt. Schwerwiegender ist noch, daß der Bereich der materiellen Reproduktion hier völlig ausgeblendet bleibt, das Sozialmodell also in einem wesentlichen Punkt blind ist. Deutlich hervorgehoben wird dagegen, daß die römische Staatsraison durchaus keine 130
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Etwa in den >Kapitulationsverhandlungen< (278ff.). Vgl. die prägnanten Formulierungen in Hegels Rechtsphilosophie, z.B. §333f-: »Es gibt keinen Prätor [...] zwischen Staaten. [...] Der Streit der Staaten kann deswegen [...] nur durch Krieg entschieden werden«. (Vgl. auch §329, Zusatz). Winfried Freund sieht hier eine »Utopie des Gemeinschaftsgefühls« (Die menschliche Geschichte und der geschichtliche Mensch in Grabbes >Hannibalnatürliche< Vergesellschaftung gewährleistet, sondern die einzelnen Individuen andersartigen, aber ähnlich gravierenden Entfremdungszwängen aussetzt wie die bürgerliche Gesellschaft Karthagos. So gilt für die Machtträger mit variierter Begründung, aber in deutlicher Parallelisierung die Maxime, spontane Emotionen zu unterdrücken: Hanno. Man sollte nicht lächeln. Melkir. Und nicht weinen. Beides verräth. (227) Erster Consul. [...] Zwei Söhne fielen auch mir, [...] und ich muß die Stürme in mir behalten, in meiner Brust die Wolken ausregnen lassen. Denn — was Söhne, verglichen mit Rom? (230)
Wo eine solche Gefühlskontrolle nicht schon antizipierend geleistet wird, wird sie durch massiven Einsatz staatlicher Macht erzwungen. Cato Censor. Da hallt was Schlimmeres: auf den Gassen die Weiberstimmen! Ein curulischer Aedil. Laß sie! Es fielen bei Cannä sechzigtausend ihrer Söhne. Cato Censor. »Laß sie!« Die Weiber rasen lassen? Das hör' ich vom curul'schen Sitz? Fielen sechzigtausend ihrer Söhne, so mögen sie sorgen, sechzigtausend ehelich dafür wieder zu gebären. Ehen und Kinder daraus werden ohnehin selten. Aedil. Das Unglück darf Nachsicht fodern. Cato Censor. Nicht, wenn es heult! (Abermals Weibergeschrei von draußen.) Hört, nochmals Gequicke von »Cannä und Rache!« Elendes Ende, braune Bastardenkel, schlösse Niederlage der Weiber unsre Annalen! Dahin mit ihnen, wo sie sein sollen, nach Haus! Und jedes, das nicht binnen einer Stunde an seiner Spindel sitzt, verhafte ich, der Censor, und lasse ihm Schaam eingeißeln, blutrothe, wenn im Gesicht nicht, doch - Und seinem Mann nehm' ich das Bürgerrecht. (Mehrere Celeres ab.) Zweiter Consul (nach einer Pause, in welcher es auf den Straßen still geworden). Die innere Ordnung kehrt zurück. (23of.)
Die Familie, in der staatsphilosophischen Diskussion relativ unangefochten als »ursprüngliche sittliche Totalität« 132 zur sittlichen Basis des Staates erklärt, verkommt hier zur Maschine seiner Reproduktion. Deren Störung verheißt Cato »Schlimmeres« als das »Getöse« des Feindes. Die »innere Ruhe« ist zunächst einmal Selbstzweck, erst in zweiter Linie ist sie militärisch relevant. Kann dabei für die >mündigen< männlichen Staatsbürger das Bürgerrecht zum ideologischen Instrument der (Selbst-) Disziplinierung dienen, wird gegen den unmündigen Teil des Volkes, Frauen und Sklaven, physische Gewalt aufgeboten. Die so zur (militärischen) Einheit disziplinierten Römer treten im weiteren Verlauf des Stücks nur noch als kriegführendes Soldaten-Kollektiv in Erscheinung. In den dabei entstehenden Außenbeziehungen radikalisiert sich die in der einzigen >zivilen< Rom-Szene nur angedeutete Verdinglichung. Das Verhalten gegenüber Gegnern (Karthago, Hannibal), Besiegten (Numantia) und Verbünde132
Hegel, Rechtsphilosophie, § ijSff.; vgl. auch U. Vogel, in: Kocka, Bürgertum, Bd. 1, 4 o6ff.
294
ten (Celtiberier) wird ausschließlich bestimmt durch die Gesetze militärischer Zweckrationalität. Ihr folgend, handhaben die Römer souverän das ganze strategische Instrumentarium von List, Betrug, Erpressung, Unterdrückung und Zerstörung. Eine ethische Kritik an den brutalen, menschenverachtenden Konsequenzen, wie sie stückimmanent in der Perspektive des >humanistischen< griechischen Dichters Terenz verankert ist, wird dabei unterlaufen durch ein spezifisches Staatsethos: Bester, es ist bei uns Sitte, daß man den Krieg so lang führt, bis der eine Theil ausgerottet oder Sclav geworden. Denn einen halben Frieden lieben wir nicht; er gibt dem Feinde nur Zeit, sich zum neuen Kriege zu stärken. (238f.)
Daß Scipio dies im Sinne einer moralischen Rechtfertigung an den schockierten Terenz richtet, zeigt, daß »Sitte« hier normativ - im Sinne von >Sittlichkeit< - zu verstehen ist. Diese Sittlichkeit des römischen Staates bestimmt sich nicht im Rekurs auf irgendeine autonome moralische Instanz, sondern sie besteht >an sichVerbrauch< seines Volkes aufbegehrenden Celtiberier-Fürsten verhöhnen: Allochlin. Herr, gönnt meinen Leuten erst eine Stunde Ruhe. Sie waren wieder drei Tage und drei Nächte in Dienst. Drei Viertheile meines Heeres sind während Deines Feldzugs darauf gegangen - Die armen Männer thun mir leid - Ich habe meine Braut sehr theuer erkauft! Scipio der Ältere. Schmeckt sie Dir nicht mehr wie anfangs? Scipio der Jüngere. Kauf ist Kauf, Barbar. Hinterdrein daran mäkeln, zeigt keinen 2
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rechtlichen Mann. Befolge, was ich befohlen, und Ihr zehn Centurionen da, schließt Euch an seine Seite, und tödtet ihn, sobald er uns untreu wird. Sein weinerliches Gewäsch läßt mich das Niederträchtigste fürchten. Allochlin. Oh! (269)
Die >Verstaatlichung< der Gesellschaft, die in R o m von Beginn an gegeben ist, wird in Karthago als Entwicklungsprozeß entfaltet, und zwar weniger unter dem häufig verabsolutierten Aspekt der »Versittlichung«, 133 sondern primär als effizienzsteigernder Lernprozeß, dem die Einsicht zugrunde liegt, daß die unaufhebbare Verbindung individueller und kollektiver Interessen ein gemeinsames Handeln über die einzelnen Interessen hinaus notwendig macht: nun ist es keine Kunst, nicht Gefahr mehr, Muth zu besitzen, denn ohne ihn geh'n Leben, Haus, Hof, Gut, alles was in Feigheit gespart ist, verloren! (281)
Das im Kontext der Frage, ob hier primär ein ethischer oder ein funktionaler Lernprozeß vorliegt, wichtige Motiv der Sklavenbefreiung (281) erweist sich als doppeldeutig: Bezieht man die Rattenfänger-Metapher allgemein auf die sittliche Verderbtheit der Sklavenhalter-Gesellschaft, dann betriebe Gisgon hier eine deutliche Abgrenzung gegen die auch im Sklavenhandel engagierten Römer, durch die Karthago in der Tat eine sittliche Überlegenheit gewänne. Höhere Kohärenz gewinnt das Bild jedoch im Kontext ideologischer sozialer Integration, in der das Bürgerrecht als Köder dient, mit dem die befreiten Sklaven zur Verteidigung ihres »Vaterlandes« gelockt werden. Es ginge demnach darum, den Motivationsvorsprung der Römer aufzuholen, dessen militärischen Nutzwert bereits Hannibal zu spüren bekommen hatte im Kampf gegen eine Armee, »die da fühlt, daß sie um die Ehren eines Vaterlandes kämpft« (268); und dessen innenpolitischer Funktionalität sich die römische Machtelite ja ebenfalls zur sozialen Disziplinierung bedient. Die Indienstnahme der Frauen stellt eine weitere Analogie zum in R o m bereits zu Beginn gegebenen Z u stand dar. »Für die Bürger Karthagos bleiben Sinn und Erfüllung - falls man die Regression zum Mythos noch so nennen will - an die eigene Destruktion gekettet; die absolute Negation ist Bedingung dafür, daß sie Subjekt ihrer G e schichte sein können.« 134 Vor der Regression in den Mythos findet aber die Selbstaufgabe zugunsten des Staates statt, dessen rationale Organisation komplementär zum sinnstiftenden Rückbezug auf den Gründungsmythos erfolgt. Zwischen der Handelsmetropole Karthago und dem (Militär-) Staat R o m ist ein N e t z aus Kontrast- und Aquivalenzbeziehungen gespannt, die auf die Differenz von bürgerlicher Gesellschaft< und >Staat< und damit auf den staatsphi-
133
134
So z.B. Schneider, Destruktion, 343ff. und Hans Hagen Hildebrandt, Christian Dietrich Grabbe, in: Jansen, Joseph, Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848), Opladen 1982, 157. Hildebrandt, 158.
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losophischen Diskurs verweisen. Jenseits beider Pole, aber in dieses Netz verstrickt, an dessen Rändern noch »Capua« und »Bithynien/Prusias« als eigenständige thematische Komplexe situiert sind, bewegt sich die Titelfigur Hannibal. Sein Privatkrieg bringt die Handelsmacht Karthago, deren quasi exterritorialisierte militärische Potenz er repräsentiert, überhaupt erst in den kriegerischen Konflikt mit der Militärmacht Rom. Dieser dramaturgischen Funktion entspricht, daß die Handlungsintentionen Hannibals relativ unbestimmt bleiben. Zwar reklamiert er patriotisches Verantwortungsgefühl, wenn er vage eine von Rom ausgehende Bedrohung unterstellt (233), insgesamt erscheint sein Kampf jedoch eher als eine Art persönliches >Liebeswerben< um das bewunderte Rom. 135 Vor allem sein Abschiedsmonolog (257) formuliert sein Italien-Bild als Wunschtraum eines militärischen Herrschers und als deutliche Absage an die karthagische Gesellschaft. 136 Aber seine Tragödie ist nicht die der falschen Herkunft. Die individuellen Kriegertugenden Hannibals sind den Römern nicht weniger fremd als den Karthagern. Ihr Krieg ist nicht heroisch, sondern schmutzig: geprägt von Grausamkeit, Verrat, Betrug, psychologischer Kriegsführung und konsequenter Ausnutzung militärischer Überlegenheit. Das vermeintliche gemeinsame Kriegerethos ist bloße Illusion, wie Hannibal schließlich anerkennen muß. G u t ! Das Schauspiel endet, wie es muß! M i t einem Theaterstreich! - R o m , du tröstest mich: sinkst du von deinen sieben Hügeln so niedrig, daß du deinen Feind mit grausamem Spott bekämpfst, so sinkst du bald noch tiefer. Ich habe deine gefallenen Feldherrn ehrenvoll bestatten lassen, als wären sie unter Römern gestorben, und du Was R o m ? (254)
Als Individuum steht Hannibal in Opposition zu beiden abstrakten Staatsmodellen - wie auch zum absolutistischen Bithynien. Und obwohl er an persönlichen Fähigkeiten, vor allem auch an Erkenntnisvermögen, allen Figuren des 135
V g l . Schneider, Destruktion, 3 i^i. - U m einen Zusammenhang von Liebe und G e w a l t kreisen auch die wenigen Fragmente eines Dramas über Alexander den Großen, die Grabbe um 1 8 3 5 entwirft. Alexanders Eroberungs- und U n t e r w e r f u n g s z u g ist zugleich das Werben um eine Braut - »Alexander:
Siehst D u den O s t erröten? D e r / Ist
meine Braut« (II, 4 0 1 ) - und wie schon bei N a p o l e o n ist es zunächst die E r o b e r u n g des Meeres, die auch ein Selbstverlust ist, die in die fremde Welt des Krieges führt: »Alexander{Ac\ittt
auf den Hellespont): D e n Faden / Durchschnitten, der da brau-
send Asien v o n / Europa trennt! D i e Schiffe her! W e r aber kühn, / D e r schwimmt, die Flut zertrümmernd, durch, / Wie ich, mit H e l m und Panzer. / Macedonier.
Wird er
Meergott? / Ihm nach!« (II, 400). 136
»Italia; Herrliche, um die ich siebzehn Jahr warb, die ich geschmückt mit eignem und mit Consulblut [...]. D u , ganz anders als die finstre Carthago und ihr heißes, trübrothes Firmament, D u , prangend mit Helden, die nur v o m R u h m und Eisen, nichts v o m G o l d wissen« (257); deutlich ist dabei die Anspielung auf die Befreiungskriege und auf Preußen, so formuliert beispielsweise Börne 1 8 1 4 : » W i r aber sind W a f f e n s ö h ne; in dem Eisen ist unser G o l d « (Gesammelte Schriften, Bd. 2, Berlin o.J., 1 2 5 ) . 2
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Dramas überlegen ist, ist er in dieser Außenseiter-Situation nie wirklich handlungsfähig.' 37 Weder kann er einen entscheidenden Erfolg in Italien erzwingen, noch gelingt ihm ein wirkungsvoller Schlag gegen seine Gegner in Karthago, und schließlich scheitern auch seine Pläne am Hof Prusias' (290). Seine Biographie, die, soweit sie das Drama präsentiert, aus einer Kette von Niederlagen besteht, bietet demnach eine bittere Bestätigung der scheinbar so bornierten Zurückweisung der Bedeutung persönlicher Individualität durch den bithynischen Operettenkönig: Die gilt nicht, weder in der Kunst noch im Krieg: das System nur ist ewig und nach dieser Richtschnur müssen sich Heere richten, Gedichte ordnen, und das System stirbt nicht, geschah' ihm auch ein Unfall. (286)
Die Bithynien-Handlung ergänzt auf der Ebene des staatspolitischen Diskurses die Opposition von bürgerlicher Gesellschaft und allgemeinem Staat um die Variante des aufgeklärten Absolutismus - wobei die grelle Satire einen radikal negativen Blick eröffnet. Das Motiv der Unterdrückung spontaner Emotionalität, das im Rom- und Karthago-Modell gleichermaßen die universelle Verdinglichung menschlicher Natur repräsentiert, erscheint hier als ästhetisch verbrämte Künstlichkeit: »Jeden Drang der Natur kann die Kunst besiegen« (284).
Ein weiteres politisches >Modell< führt die »Capua«-Handlung ein. Wenn in ihrer ersten Szene (246^) nach Abzug der karthagischen Besatzungstruppen der »frühere Despot« wieder in sein »altes, vom Hannibal [...] anmaßlich entrissenes Recht« eintritt, dann ist in der historischen Sequenz von Besetzung, Befreiung und legitimistischer Restauration eine unverkennbare Analogie zum vormärzlichen Deutschland hergestellt. Der wirkungslose und halbherzige bürgerliche Protest, den sein Protagonist gleichwohl mit dem Leben bezahlt (247), mündet schnell in die Bereitschaft, dem Rat des »wahren rechtmäßigen Vertreter[s] der Gesammtfreiheit« (246) zu folgen und rath' euch wohlmeinend, vor allem Ordnung zu halten, ohne welche keine wahre Freiheit denkbar -
und sich in den privaten Haushalt zurückzuziehen. In der deutschen Realität klingt das - in Metternichs Politischem Testamente - so: Das Wort >Freiheit< hat für mich nicht den Wert eines Ausgangs-, sondern eines tatsächlichen Ankunftspunktes. Den Ausgang bezeichnet das Wort »Ordnung». N u r auf dem Begriff von »Ordnung« kann jener der »Freiheit« ruhen. Ohne die Grundlage der »Ordnung« ist der Ruf nach »Freiheit« nichts weiter als das Streben irgendeiner Partei nach einem ihr vorschwebenden Zweck. In seiner tatsächlichen Anwendung wird der Ruf sich unvermeidlich als Tyrannei aussprechen. Indem ich zu allen Zeiten, in allen
137
Vgl. zur Ohnmacht Hannibals: Norbert Oellers, Die Niederlagen der Einzelnen durch die Vielen, in: Kopp/Broer, 1 2 1 .
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Lagen stets ein Mann der >Ordnung< gewesen bin, war mein Streben der wahren und nicht einer trügerischen >Freiheit< zugewendet.' 38
Der Grabbesche Despot formuliert ungleich pointierter: Nach Haus, Kinder, ich werde für alles sorgen. (246)
Das Schweigen, in dem der bürgerliche Protest endet - »Man verstopft ihm den Mund. Alle ab.« (247) - wird erst gebrochen durch den Aufstand der Sklaven in der zweiten »Capua«-Szene Despot. Tolles Geknirsch - was gibt's? Erster Sclav. Zerrissene Ketten! (255)
Die revolutionäre Handlungsalternative, die zumindest partiell über die restaurative Folie der capuanischen Despotie - das vormärzliche Deutschland - hinausführt, verbleibt jedoch im Rahmen spontaner anarchischer Destruktion. Darüber hinaus ist sie nur möglich im Rahmen der Hannibal-Handlung, also durch einen äußeren Anstoß' 3 9 und mit Unterstützung von außen. Eine staatspolitischen Alternative begründet sie nicht, eine Zukunft gibt es für die ehemaligen Sklaven im besten Fall als Söldner Hannibals. Und rufen wir nun unsere Kameraden auf, öffnen dem Carthager die Thore, und dann Mord, Brand und Nothzucht den feigen Capuanern und ihren Weibern! (255)
Es ist das einzige Mal, daß sich für Hannibal ein Stadttor öffnet. In der Raummetaphorik des Dramas bleiben die städtischen Metropolen für den Krieger verschlossen. Dabei sind es nicht nur die Stadtmauern, an denen er scheitert, Denn ob Hannibal auch Sieg' an Siege gekettet, nie bricht er mit Gesindel wie das seinige, das nur im freien Feld zu tummeln weiß, in unsre Straßen, und wehrt sich auch nur ein Häuflein darin. (231)
Das gilt nicht nur für Rom, auch seine Heimatstadt bleibt Hannibal verschlossen. Der Zugriff auf die karthagische Machtelite (vgl. 265) mißlingt ebenso wie der Versuch einer politischen Einflußnahme auf die bürgerliche Gesellschaft der Heimatstadt (26jf.). Endgültig scheitert Hannibal auf der »neuen Art Schlachtfeld« (286) mit dem Versuch, sich am absolutistischen Hof Bithyniens zu etablieren: in eine »Villa« außerhalb der Hauptstadt verbannt, bleibt er ohnmächtiges Objekt des politischen Geschehens. Während die Innenräume versperrt bleiben, verkleinert sich der an die Peripherie gedrängte Außenraum stetig, bis Hannibal sich - durch eine Verwechslung von Städtenamen - in einem dunklen, engen Tal gefangen sieht: 138
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In: Geschichte in Quellen. Das bürgerliche Zeitalter. - Eine rigide Einschränkung kritischer Öffentlichkeit (Publizistik, Literatur, Theater, Wissenschaft/Lehre) bildet einen der Schwerpunkte in Metternichs bundespolitischer Aktivität. Eine entfernte Ähnlichkeit bietet wiederum der Braunschweiger Schloßbrand, möglicherweise auch der Frankfurter Hauptwachensturm.
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Das wäre diesmal ein enges, steingrobes, von der Sonne blutgetränktes Leichenhemd. Jetzt sinkt auch sie, und nun wird's sargdunkel. (248)
Der Ausbruch in die »weite schöne Flur« (2 52), der hier noch einmal zu gelingen scheint, ist illusionär. Hasdrubal, der Entsatz bringen soll, ist bereits geschlagen, Hannibals Stellung in Italien damit unhaltbar geworden. Das Schauspiel endet, wie es muß! Mit einem Theaterstreich! (2 53f.)
In der Raummetaphorik kommt die Opposition, in der Hannibal zu allen staatspolitischen Modellen des Stückes steht, deutlich zum Ausdruck. Diese Modelle schließen sich zusammen zu einer >RealitätUtopie< im Wortsinn. Der letzte Raum, der ihm bleibt, ist das Drama selbst, und sein letzter Befreiungsschlag bleibt das Spektakel, als das er von ihm inszeniert wird: Entstellt den Thieren Gesicht und Gestalt, macht sie tollen Soldatentrupps ähnlich, bindet Schilde vor ihre Köpfe, Lanzen an ihre Seiten, und habt Acht, sobald ich befehle, mit großem Geschrei, Posaunen, Zimbeln, sie auf den Feind zu jagen; das Heer folgt ihnen in gedrängter Ordnung. (249)
Zugleich aber heftet sich Grabbes Drama mit großer Faszination an Hannibals Spuren. So wird er zur Provokation für die Welt, die keinen Platz für ihn hat. Das gleiche gilt für seine Heimatstadt, die im Untergang die Größe gewinnt, die sie zuvor nie besessen hat. Die Assimilation an Rom, die durchgängige Militarisierung, die Funktionalisierung der Bürgerrechte, die Säkularisation der Religion und schließlich die Indienstnahme der Frauen bildet dabei nur einen ersten Schritt. Ein zweiter Schritt, der über diese Analogie hinausführt und eine nicht bloß funktionale, sondern sittliche Totalität begründet, realisiert sich dagegen allenfalls im transitorischen Augenblick des Untergangs und wird in der Zerstörung der Stadt sofort wieder zurückgenommen. Der Widerstand jedoch gilt einer anderen Art des Untergangs, nämlich der drohenden Auslöschung der eigenen Identität, wie sie in den Kapitulationsbedingungen der Römer gefordert ist, die der Stadt Namen und Ort rauben wollen. N u r im Akt des kollektiven Selbstmordes wird, im Rekurs auf den Gründungsmythos, ein die Totalität der Verdinglichung transzendierender heroisch-mythischer Impuls freigesetzt, dessen Faszination der Text nachspürt. Diese Qualität des Augenblicks ist nicht zu einer >Geschichte< zu verfestigen, die dem historischen Diskurs adäquat zu vermitteln wäre. >Historisch< ist sie allenfalls im Kontext einer Geschichte nicht realisierter Möglichkeiten. Das verbindet sie mit dem persönlichen Schicksal Hannibals. Was dagegen überlebt, ist der Zynismus der Macht, in dem selbst der Akt der kollektiven Selbstzerstörung verkommt zur stilisierten Chiffre persönlicher Eitelkeit. 300
Die Scipionen [...] hatten es gut. Sie kamen zu Zeiten, und es sah prächtig aus, wenn die brennende Stadt in dem Brustharnisch des Jüngeren, der auf einer A n h ö h e des L a gers stand, sich abspiegelte. E r wußte sich auch so zu drehen, daß Jedermann das sah, und kam oft. (293)
Die potenzierte Vermitteltheit in diesem Bild vom Untergang Karthagos - ein Bote beschreibt ein Spiegelbild, das sich nur der Eitelkeit der Sieger verdankt ergründet die Voraussetzungen, unter denen das Ereignis überhaupt den Weg in die Geschichte findet. Dem Spiegelbild ist dabei bereits die Perspektive des Siegers eingeschrieben. Die Einsicht in die Inkongruenz von historischer Uberlieferung und dem >authentischen< Erlebnis dagegen formulieren vor allem die Opfer dieser Geschichte, wie Gisgon, der gegen Ende des Stückes zum heroischen Verteidiger Karthagos avanciert: Ο der großen Scipionen, wie hoch sie über aller Heuchelei, Falschheit, allem Laster steh'n! Z w e i Elmsfeuer, zwei Dioskuren werden sie von den Zinnen des Capitols in die späteste Nachwelt glänzen, und diese Dioskuren sind doch nur weitschultrige, betrügerische Rattenfänger! ( 2 8 1 )
Oder wie Hannibal, der besonders sensibilisiert ist für die wirklichkeitskonstituierende Kraft des historischen Bewußtseins: Der Maximus! [...] Mann, er ist Minimus, und da die Römer keinen besseren zur Hand hatten, gaben sie ihm den großen Titel, und Mit- und Nachwelt werden ihn gläubig nachplappern. (24 j )
Die wohl am stärksten mythenbildende Leistung Hannibals, die Alpenüberquerung, stellt sich in seiner persönlichen Erinnnerung vor allem als körperliche Leidenserfahrung dar. Dies und die veränderten Rahmenbedingungen machen sie zum einzigartigen, nicht wiederholbaren Ereignis Es als handlungsorientierendes Muster zu begreifen - wie es sein Bruder Hasdrubal tut heißt, diese Einzigartigkeit zu ignorieren. So wird die Konkretheit körperlichen Leidens zum entscheidenen Widerstand gegen die Mythen nationaler Heroik. Das hält wiederum Gisgon den römischen Gesandten vor, die Karthago bei den Friedensverhandlungen betrogen haben und dafür bereit sind, in den Tod zu gehen - in Erinnerung an das Opfer des Regulus, dessen Apotheose beispielsweise eine Tragödie Heinrich von Collins inszeniert hat' 40 : Hüllt Euch nur in die Schaaffelle Eurer Erinnerungen, man weiß doch, daß W ö l f e von Fleisch und Blut darunter, und verzieh't Ihr bei Eurer Bestrafung auch keine Miene, es thut Euch doch weh! (283)
In genauer Umkehrung der von Hegel paradigmatisch entwickelten Konzeption des Tragischen' 41 wird hier Heroik auf Leid reduziert. Die Inkongruenz von individueller Erfahrung und heroischer Überlieferung stellt die geschichtsphilosophische Verrechenbarkeit des Leidens grundsätzlich in Frage und unterläuft die Tendenz zur Analogiebildung, wie sie sich beispielsweise in der 301
»homerischen Reminiscenz« (294) Scipios auf den Untergang Karthagos äußert. Die Reminiszenz, weit davon entfernt, dem Geschehen, wie es sich der Erfahrung der Beteiligten darstellt, gerecht zu werden, verhöhnt dessen Einmaligkeit. Die »Reminiscenz«, von Grabbes Terenz »in eine Wachstafel« (294) geschrieben, ist ebenso Medium eines kollektiven Gedächtnisses wie die G u c k kastenbilder im >Napoleonauthentische< Erfahrungen zu speichern und zu repräsentieren. A b e r sie stellt ein fragiles Medium dar: sie ist weder institutionalisierbar noch >an sich< repräsentierbar. Die Einmaligkeit der - körperbezogenen - Erinnerung bleibt gebunden an die Einmaligkeit des individuellen Gedächtnisses - und erlischt mit diesem. In diesem Sinne ist >Hannibal< auch ein Drama über G e schichte. Indem es das Ereignis und seine Repräsentation unmittelbar gegeneinanderführt, stellt es gleichermaßen den historiographischen Blick auf vergangenes Geschehen wie auch dessen Überformung durch einen geschichtsphilosophischen Optimismus ideologiekritisch in Frage. In der Darstellung Schlossers etwa - die Grabbe als Quelle ausgiebig genutzt hat' 4 * - provozieren die vernunftwidrige Grausamkeit und der Egoismus der Karthager nicht nur die moralische Entrüstung des Historikers -
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Heinrich von Collin: Regulus. Eine Tragödie in fünf Aufzügen (1802). In: Sämmtliche Werke, Wien 1812, Bd. 1. Collin hat sich im Zusammenhang mit seiner ersten historischen Tragödie mit der Bedeutung der geschichtlichen Wahrheit auseinandergesetzt: »Dem Dichter zwar konnte die historische Wahrheit des Factums gleichgültig seyn. Die Menschheit aber verliert, wenn die Geschichte um irgend eine That ärmer wird, welche geeignet ist, das Ideal von Menschenwerth und Menschengröße zu beleben.« (Werke, Bd. 1, 148); daraufhin setzt er sich ausführlich mit der Überlieferung auseinander und versucht - auch wenn er eingesteht, kein Historiker zu sein - mögliche Zweifel an der Authentizität der Quellen auszuräumen. Interessanterweise rechtfertigt er seine Dichtung dann aber doch nicht mit der verbürgten historischen Wahrheit: »Ich räume gern ein, daß das Gesagte nur eine Möglichkeit begründe; aber diese genüget mir. Sobald sich das Stillschweigen des Polyb über dieses Factum noch aus einem andern Grunde, als aus der Unwahrheit desselben herleiten läßt, so ist man auch gar nicht berechtiget, auf diese Unwahrheit zu schließen. Und nun erlaube man mir noch die Frage: Was würde aus der Geschichte werden, wenn jedes Factum, worüber ein bewährter Schriftsteller schweiget, sogleich für falsch angenommen werden sollte?« (ijo). Vgl. Hans-Jürgen Schings, Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch. Poetik des Mitleids von Lessing bis Büchner, München 1980: »Das Moment des Leidens verschwindet dabei hinter heroischen Konnotationen, hinter der Akzentuierung der Unbeirrbarkeit und Selbständigkeit des tragischen Charakters.« (52) Darauf läßt eine Fülle von Details schließen, die Grabbe aus der »Universalhistorischen Übersicht ...< entnimmt. Die eher abwiegelnde Briefäußerung (vgl. VI, 154) muß dem nicht entgegenstehen, da die Tendenz, wichtige Vorbilder eher herunterzuspielen, bei Grabbe häufig zu beobachten ist.
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wenn sie aber dann Menschenopfer anordnen, wenn sie unschuldige Kinder in Menge einer verruchten Staatsklugheit opfern, kann man sich nicht enthalten, tiefen U n w i l len über ein Volk zu empfinden, das um des Goldes willen allen menschlichen G e f ü h len entsagt 1 4 3 - ,
sondern sie rufen die Geschichte selbst auf den Plan, die die Weigerung oder Unfähigkeit, »dem Gesetz der Zeit und den Foderungen der Vernunft billigen Raum zu geben« 144 mit der militärischen Vernichtung sanktioniert. »Die Weltgeschichte ist das Weltgericht, wo die Staaten als Individuen ihr Recht empfangen«, pointiert E. Gans 145 den zugrundeliegenden geschichtsphilosophischen Gedanken, der die normative Verortung historischen Geschehens erlaubt. In Grabbes Drama aber ist es gerade nicht das mörderische, sondern das geläuterte - und das heißt: das von der bisher praktizierten Form der Vernunft Abstand nehmende - Karthago, das >ausgelöscht< wird, zusammen mit dem einsamen Helden, dem keiner der karthagischen Frevel angelastet werden kann. Der >Raum< dagegen gehört denen, die der Vernunft allein in ihrer militärischzweckrationalen oder ihrer opportunistischen Variante folgen. Der im satirischen Nachspiel angesiedelte Untergang des Helden ist nicht als Tragödie' 40 konzipiert, sondern als Skandalon, das nicht gegen eine »Perfektibilität des Menschengeschlechts« (Gans) verrechnet werden kann. Weder kommt eine weltgeschichtliche Kollision, deren Gegensätze im Fortschritt des Ganzen a f firmativ versöhnt< würden, zustande, noch wird das untergehende Prinzip in etwas Neuem >aufgehobenästhetischen< Arrangement. Aber auch einer >romantischen< Entfremdungskritik, die Gewalt als Folge von Rationalisierungsprozessen deutet, in denen sich ursprünglich harmonische Lebenswelten deformieren - dafür kann beispielsweise Müllners >Yngurd
Hannibalarchaischen< Umgangsformen konsequent auf eine Moderne bezogen, deren Pathologien weder bagatellisiert noch geschichtsphilosophisch aufgerechnet werden. Der Anachronismus Hannibals ist weniger einer tatsächlichen Archaik geschuldet, die ihm im Zeitalter von Gesellschaft und Staat keinen Raum mehr läßt, als seinem konsequenten Beharren auf einem Prinzip der Individualität, das erst mit der Moderne entstehen konnte - als Versprechen, dessen Einlösung sowohl »bürgerliche Gesellschaft als auch >Staat< schuldig bleiben. Die latente Brutalität einer Gesellschaft, die in >Hannibal< wie in >Napoleon< im wörtlichen Sinn als mörderisch erscheint, wird im Staat nicht überwunden, sondern nur aus der anarchischen Unberechenbarkeit in die allgegenwärtige, bürokratisierte Kontrolle und Selbstkontrolle verlagert. Dieser Staat jedenfalls löst das preußische Versprechen substantieller Integration ebensowenig ein, wie diese Gesellschaft das Versprechen allgemeiner Emanzipation. Hartnäckig verweigert >Hannibal< wie bereits >Napoleon oder die hundert Tage< die Möglichkeit, das Bild von der »Schlachtbank«,'47 das die Weltgeschichte präsentiert, in geschichtsphilosophischer Perspektive aufzulösen. Darin unterscheidet sich die exzessive Gewalt dieser Texte von einer Kriegsapologetik, 148 die wie bei Hegel das konkrete Leiden in einer spezifisch »philosophischen Perspektive< zugunsten der Erkenntnis des universalhistorischen Fortschritts aufhebt. Darin liegt jedoch auch ein Widerstandspotential gegenüber ideologischen Funktionalisierungen, wie sie etwa in der Abhandlung über das Düsseldorfer Theater in der Glorifizierung der preußischen Bürokratie deutlich erkennbar sind. Die häufig in Paradoxien umschlagende Verknüpfung »apologetischen und >kritischer< Argumentationsfiguren, die die dramatischen Modelle Grabbes charakterisiert, hat bereits in der zeitgenössischen Rezeption zu Irritationen geführt. So nimmt etwa Arnold Rüge in einer sehr lobenden Rezension das »Napoleon«-Drama für ein positives Verständnis der Geschichte und des Krieges als der »Geburt großer Begebenheiten« in Anspruch, um dann 147
Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Philosophie der Geschichte, in: Werke, Bd. 1 2 , Frankfurt/M. 1970, 35: »Aber auch indem wir die Geschichte als diese Schlachtbank betrachten, auf welcher das Glück der Völker, die Weisheit der Staaten und die Tugenden der Individuen zum Opfer gebracht worden, so entsteht dem Gedanken notwendig auch die Frage wem, welchem Endzwecke diese ungeheuersten Opfer gebracht worden sind.«
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Vgl. beispielsweise Rechtsphil. § 3 2 4 f f .
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den Blutrausch in der >Revolutionsszene< auf signifikante Weise mißzuverstehen. Die Faszination, die das zerspritzende Gehirn auslöst, erscheint ihm als eklatante Geschmacklosigkeit, als »Verleumdung der Menschheit«: Hr. Grabbe und der T... müssen psychologische Erfahrungen haben, die uns Andern abgehen, oder dies ist eine Verleumdung der Menschheit, selbst der aus dem Faubourg St.-Antoine. Ja, stünde das Wörtchen »Feindes« vor Gehirn, dann wäre Alles in O r d nung, so aber ist es schlimm, sehr schlimm.' 4 9
Damit ist aber die Pointe einer gegen einen aporetischen Fortschritt aufgebotenen archaischen und gerade nicht zweckrational einholbaren Gewalt verkannt. Grabbes Dramen beschwören weder eine archaische noch eine zukunftsweisende »Heroik«, sondern sie spüren den Opfern der Geschichte nach, versuchen aber der als notwendig erfahrenen Dynamik zugleich auf paradoxe Weise das Moment einer emphatischen Erlebnisqualität abzugewinnen. Während der Arbeit an >Hannibal< notiert Grabbe: Ich kenne nur eine einzige Schlacht, die ich noch, wegen ihres Helden oder Verbrechers [...] schildern möchte und könnte, i.e. Catilinas Untergang, des Zerhackten, geistig und körperlich. (VI, 1 5 9 )
Zu diesem Zeitpunkt hat er jedoch bereits den Plan zu einem anderen Drama gefaßt, in dem noch einmal ein Kampf gegen R o m und gegen die römische Historiographie geführt wird, und das sein letztes Werk werden wird: >Die Hermannsschlacht«:.
Die letzte Schlacht Augustus: Schlagt Ketten um die Erde! Heerstraßen mein' ich. (Grabbe an Carl G e o r g Schreiner über die >HermannsschlachtProberelationpositivenMarius und Sulla< dem Verleger Kettembeil gegenüber begründet mit der Schwierigkeit, »das trockene, selbst im Kriege mit Carthago nach dem Pandektenrechte riechende Römer-Leben den modernen >spectators< annehmlich darzustellen« (V,i6i). Dagegen hat er zunächst auf den »Nationalstoff« (V,2i3) der >Hohenstaufen< gesetzt, um dann in >Hannibal< explizit eine kritische Perspektive auf Rom zu entwerfen, die allerdings nicht mehr nur von Pandekten-Rechten gespeist wird. Am Modell der Hermannsschlacht kann nun die direkte Konfrontation der Kulturen inszeniert werden, der zugleich ein aktuelles Moment inhärent ist. Im Sommer 1835, als er an der >Hermannsschlacht< arbeitet, sind es dem Briefwechsel und anderen Zeugnissen 1 ' 1 zufolge vor allem zwei Themenbereiche, die Grabbe beschäftigen: Auf der einen Seite möchte er etwas schreiben »über den Code Napoleon, der hier [d.h. in Düsseldorf] gilt« (VI,243), auf der anderen Seite entwirft er aus der Düsseldorfer >Außenperspektive< ein idyllisches Bild seiner lippischen Heimat, das in scharfem Kontrast zu seinen tatsächlichen Erfahrungen und vor allem auch zu dem aktuellen Streit mit seiner 3°7
Frau steht. Dennoch ist dieses Bild nicht voraussetzungs- und referenzlos. Das Fürstentum Lippe blieb von den Revolutionskriegen weitgehend verschont, was sich gerade auch auf der Ebene der Rechtssysteme, auf der Grabbe den Kontrast zu Düsseldorf modelliert, deutlich abzeichnet. Nicht nur die vernunftrechtliche Gesetzgebung des Code Napoleon findet in Lippe keinen Eingang, auch eine an der preußischen Reformbewegung orientierte Modernisierung von Administration und Rechtsprechung scheiterte am Widerstand der agrarisch-großgrundbesitzerlich geprägten Ständevertretung, so daß »in das 19. Jahrhundert hinübergerettete, den Zeitgenossen häufig mittelalterlich anmutende Rechtsvorstellungen« 152 noch über den Vormärz hinaus verbindlich blieben. Eine starre Gewerbeordnung (die z.B. die Besteuerung von Maschinen beinhaltete) und erheblicher Widerstand gegen infrastrukturelle Modernisierungen lassen nur eine außerordentlich zögerliche Industrialisierung zu; noch in den sechziger Jahren lehnt die Ständevertretung den Bau von Eisenbahnlinien und Telegraphenleitungen kategorisch ab. Allein der Agrarsektor bildet eine signifikante Ausnahme, da es gerade hier zu durchgreifenden Modernisierungen kommt. Die latente Pauperismus-Krise bleibt jedoch durch die Möglichkeit des Arbeitskräfteexports, der sozusagen den Hauptwirtschaftszweig des Landes bildete, unterhalb eines Niveaus, das die in anderen deutschen Staaten notwendigen sozialen Steuerungsmaßnahmen erforderlich gemacht hätte. Lippe bildet somit ein extrem anachronistisches, auf die gesamtdeutsche, speziell die preußische Situation bezogen gleichsam >realitätsfremdes< Sozialgebilde, das nur aufgrund eines Bündels nicht verallgemeinerbarer Voraussetzungen existieren konnte. Gerade das prädestiniert es jedoch für einen Diskurs, der ein traditionales, vormodernes Gesellschaftsmodell als vermeintlich harmonische Archaik gegen eine aporetische Modernisierung ausspielen möchte. A n dieses >Modell< schließt Grabbe mit seinem Hermanns-Drama auf ambivalente Weise an - nicht zuletzt, weil er sich für seinen heimatkundlichen Versuch besondere Anerkennung der Landsleute und ein Stipendium des Fürstenhauses erhofft. In seine Rekonstruktion des Modells sind jedoch einige Irritationsmomente eingelagert, die sich weder ohne weiteres einer »regressiven Utopie« 1 5 3 fügen, noch einer gelingenden »Befreiung der Natur zu sich selbst« 154 zuzurechnen sind. 155 Die in
151
z.B. den Erinnerungen Immermanns; vgl. auch die Korrespondenz, die Louise Grabbe mit Düsseldorfer Bekannten ihres Mannes führt.
152
Steinbach, Peter, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter. Sozialstruktur und Industrialisierung des Fürstentums Lippe im 19. Jahrhundert, Lemgo 1976, 55
153
Detlev Kopp, Geschichte und Gesellschaft in den Dramen Christian Dietrich Grabbes, Frankfurt/M. 1982. I54 D i e t h e l m Brüggemann, Kampf um die Wirklichkeit - Grabbes >Hermannsschlacht< im Spannungsfeld seiner letzten Lebensmonate, in: Freund, Gegenentwürfe, 107. 155
Unter diesen Stichworten lassen sich die ambivalenten Urteile der Forschung zusammenfassen, die zwischen dem emphatischen Bild einer gelungenen Erlösung der N a -
308
der >Hermannsschlacht< beschworene Archaik ist letztlich mit keinem der G e sellschaftsmodelle zu vermitteln, die das Drama in der Entgegensetzung von Römern und Germanen entwickelt. Wiederaufgenommen wird zunächst der Diskurs von alter und neuer Welt. Die darin entfaltete Rationalitätskritik kann nicht als Objektivation >unverfälschterrealitätsfernen< - diskursiven Muster. Erst in dessen partieller Deformation gelangt das dramatische Modell über eine bloße Reproduktion gängiger Ideologeme konservativer Zivilisationsfeindlicheit hinaus, die sich dissonanzlos in einen C h o r reaktionärer Fortschrittsgegner einreihen würde.
tur aus den Verdinglichungszwängen einer erstarrten Zivilisation (Brüggemann), der Konstruktion einer »regressiven Utopie« im Kontext konservativer Moderne-Kritik (Kopp) und der »düsteren« Perspektive eines erneuten, desillusionierenden Scheiterns des Helden an seiner weltgeschichtlichen Mission schwanken (Norbert Oellers, Die Niederlagen der Einzelnen durch die Vielen, in: Broer/Kopp). Konsens herrscht dabei über die Dichotomisierung von >Römern< und >Germanen< gemäß ihres unterschiedlichen Naturbezuges, die am ausführlichsten Brüggemann herausgearbeitet hat. Die Natur, die den Römern als eine »durch den Zugriff der Zvilisation petrifizierte >Sachemimetischen< N a turnähe der Germanen und eines möglicherweise damit identifizierten idealtypischen Sozialmodells aus dem Blick verliert. Mit einiger Plausibilität hat Brüggemann relevantes >Material< für den konstitutiven stückimmanenten Konflikt in der lebensweltlich-individuellen Situation Grabbes gesucht, hier insbesondere »in seinem Kampf gegen die rationalistisch-utilitaristischen Herzlosigkeiten einer Frau [Louise Grabbe], die sich Grabbe gegenüber in den letzten Jahren mit penetranter - wenn auch von ihrem bürgerlichen Standpunkt aus verständlicher Insistenz als >Schreiber< [gemeint ist die parodistische Dramenfigur] betätigt hatte« (113f.). Der Erlösungsbedürftigkeit der römischen Zivilisation entspricht also eine individuell-lebensweltliche Erlösungssehnsucht, die Brüggemann als »psychische Disposition« zu verstehen versucht, deren Grundlage in einer ausgeprägten »Sensitivität« für epochenspezifische Erscheinungen vermutet wird. Die Aussagefähigkeit einer solchen Argumentation ist jedoch gering, da das zugrundegelegte Epochenkonzept, das sehr global und vage unter dem Signum der »Dialektik der Aufklärung« gefaßt wird als »moderne rationalistische Isolierung des Menschen zum marktwertbesetzten Funktionsträger« (ioiff.), als zu unspezifisch erscheint, um unmittelbar mit einem sich auf sehr spärliche Materialien berufenden individualpsychologischen Befund kurzgeschlossen werden zu können. Demgegenüber scheint es sinnvoller, zunächst weitere außerästhetische Materialien in Betracht zu ziehen, die auf einem >mittleren< Abstraktionsniveau zwischen den Ebenen konkreter lebensweltlicher Erfahrung und nur in hochgradiger Abstraktion beschreibbarer epochaler Strukturen angesiedelt sind. 309
(2) Das »Rom«, gegen das Hermann kämpft, ist weitgehend identisch mit dem Gegner Hannibals - oder besser: mit den Gegnern, denn es vereinigt den militärischen >Staat< Roms mit der »bürgerlichen Gesellschaft« Karthagos. Der Bezug zum >Code Napoleon< ist unübersehbar. Wie dessen Einführung in den Rheinbundstaaten eine der spürbarsten Auswirkungen der französischen Besatzung darstellte, so treten auch die Römer vor allem als Vollstrecker von Gesetzen auf. Sowohl im Umgang mit den Germanen als auch untereinander zeigt sie das Drama fast permanent im Vollzug juristischer Handlungen, von der Hinrichtung des Legionärs, mit der das Drama beginnt, über das den Germanen aufgedrängte Schiedsgericht bis zur Insistenz des Schreibers, der bis in den Tod seinen Feldherrn mit »Akten« traktiert. Willkür und Egoismus der Beamten verwandeln die vermeintliche Rechtssicherheit und Fürsorglichkeit in Unterdrükkung und Ausbeutung (>Eingang< 3), 156 während staatsbürgerliche Loyalität von Römern und Verbündeten nur durch Zwang zu gewährleisten ist. 1 * 7 Dementsprechend beruht die Ordnung der römischen Zivilisation auf dem Uberwachungs- und Unterdrückungsapparat der »Polizei« (372). Der Staat erscheint als Mechanismus, seine Bürger als »Maschinen« (373), die, »seelenlose Untiere« (372) wie der Schreiber, noch das eigene Schicksal ungerührt den Kompetenzen staatlicher Funktionsträger überantworten. Der furiose Auftakt des Dramas bringt den Zusammenhang von Disziplin und unterdrückter N a tur in dem drastischen Bild zum Ausdruck, das die symbolisch-bürokratische >Auslöschung< des Soldaten im Verwaltungsakt und seine reale Geißelung unmittelbar ineinander überführt. Die Emotionslosigkeit, mit der die »Kommilitonen« ihren »alten Freund« (322) zu Tode prügeln, zeigt auch sie als maschinenhafte Vollstrecker eines abstrakten Gesetzes, gegen das der Delinquent konsequenterweise mit einer natürlichen Regung verstoßen hatte: sein Ungehorsam bestand in Hunger und Müdigkeit. Die Natur, die sie aus sich selbst verdrängt haben, tritt den Römern als Objekt der Angst und der Bedrohung wieder entgegen: in seiner Unwegsamkeit und Unübersichtlichkeit wird der sie umgebende, unvertraute Wald zur Folie dämonischer Phantasien von »Riesenweibern« (323), »Hexen« und »Wehrwölfen« (325), die sich rationalistischer Verdrängung ebenso widersetzen wie Wald, Flüsse und Berge zum permanenten Hindernis werden. Die Kritik, die der durch derartige Erfahrungen belehrte Varus gegenüber der römischen Politik formuliert, zielt genau auf die inadäquate Einschätzung der Widerständigkeit >natürlicher< Lebenszusammenhänge:
156
In. Werke, hg. v. R o y C . C o w e n , Bd. 2.
1,7
So z.B. in der Bestrafung der Kleiderlieferanten (338)
310
ich sage, ich war ein zu weit vorgeschobener Posten, habe oft deshalb nach R o m geschrieben, fand aber kein Gehör. Sie wähnen dort, Germaniens Forsten ließen durch Polizei sich so leicht zwingen, wie die rechtwinklig sich durchschneidenden Straßen der Städte Italiens. O , sie kennen kein Gebüsch und das Ungeziefer unter ihm! ( 3 7 2 )
Die Domestizierung der Natur ist damit in der gleichen Metaphorik formuliert wie die innere Kolonialisierung Rußlands durch Peter den Großen in Immermanns >AlexisEingang 3menschlichen< Gefühlen. Die Unnachsichtigkeit gegenüber dem Ehebruch der Frau ebenso wie die Milde gegenüber dem Spielschuldner, dem der Gläubiger aus Mitleid mit der Familie noch eine K u h schenkt, verweisen auf die intakte patriarchalische Ordnung der germanischen Gesellschaft, eine Ordnung, die das Verjähren von Schuld ebensowenig kennt wie die abstrakte Gleichheit vor dem Gesetz. Ihre Grundlage ist bereits in der vorangehenden 2. Szene des >Eingangs< entfaltet worden ist. Die auf »uralten Sitten« (326) basierende solidarische Hausgemeinschaft, der die »Hausfrau« Thusnelda in A b wesenheit ihres Mannes »so hart als mild« (328) vorsteht, entspricht weitge158
Sie rekurriert dabei auf tatsächliche koloniale Praktiken, wie sie Levi-Strauss beschrieben hat (vgl. Traurige Tropen, Köln/Berlin i960; vgl. auch Burke, Geschichte als soziales Gedächtnis, 293), wie sie aber auch Grabbe bereits in >Maltens Weltkunde< nachlesen konnte.
311
hend dem zeitgenössisch außerordentlich wirksamen Ideologem des >Ganzen HausesProberelation< bildet. Thusnelda beschreibt das so: Mein Gesinde ehrt mich, ich ehr es wieder. So gleichen Herren und Diener sich aus.
(327) Der scheinbaren Symmetrie solidarischer Pflichten widerspricht jedoch die kurze Episode um die Entlassung einer Magd: Thusnelda, [durch ein Geräusch im Gespräch mit einem Gast gestört] Was klirrt? (Zu einer Magd:) Das Salzfaß zerbrochen? Wer einmal etwas zerbricht, macht immer Stücke - Fort aus meinem Dienst. Heule nicht, es geht nicht anders. Nimm diesen goldnen Ring mit. (328)
Der für die Vorstellung vom >Ganzen Haus< konstitutive Vorrang von Fürsorgepflicht gegenüber Effizienzgesichtspunkten, der gerade die antikapitalistisch-antimoderne Stoßrichtung des Ideologems begründet, wird aufgehoben. Ohne Einschränkung dominiert die Durchrationalisierung des Haushaltes die »weichlichen Gefühle« (328), deren Wirkungsbereich auf eine den eigenen substantiellen ökonomischen Interessen nachgeordnete Mildtätigkeit eingeschränkt wird, mit der nicht nur das soziale Gewissen beruhigt, sondern zugleich möglichem Protest die Spitze genommen wird. Die Dissonanz, die hier die Idylle stört, wird durch ihre Knappheit noch verschärft. In aller Krassheit tritt so die Entindividualisierung der Magd hervor, die nicht einmal die Gelegenheit einer Äußerung bekommt, während ihre Persönlichkeit in der sentenzhaften Weltsicht der Herrin ausgelöscht wird. A n die Stelle der Sozialbindung tritt so die Ökonomisierung des Verhältnisses von Herrschaft und »Völkern« (326). Die Allgegenwärtigkeit, mit der Thusnelda ihren Haushalt beherrscht »Die hat die Augen überall« (328) - entspricht gerade auch in der Metapher der Beobachtung mehr der römischen »Polizei« als einer >archaischen< Fürsorglichkeit. Die Notwendigkeit solchen Handelns begründet Thusnelda selbst mit dem Kampf gegen eine »rauhe, karge Natur«, der ein »mäßiger Wohlstand« mühsam abgetrotzt werden müsse (328). Die Utopie der ländlichen Idylle ist also durchaus gebrochen. Vor allem ist sie eines nicht: Natur. Die von Grabbe mehrfach thematisierte >Verklärung< (VI,i29f.; 208) seiner Heimat Lippe, die er dem dramatischen Germanien als Folie unterlegen wollte, bleibt durchsichtig für die soziale Realität: Im Zuge landwirtschaftlicher Reformgesetzgebungen vollzog sich seit 1808 ^Bauernbefreiung^ in Lippe ein Prozeß der Technisierung und Rationalisierung, insbesondere aber der sozialen Polarisierung, der einschneidende Änderungen in der ländlichen Sozialstruktur hervorbrachte. A n die Stelle eines breiten Spektrums heterogener Sozialbindungen zwischen Landbesitzern und Landarbeitern (z.B. lebenslanges Wohnrecht, bestimmte Bewirtschaftungsrechte u.ä.) trat zuneh-
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mend ein Verhältnis reiner Lohnarbeit, das nur sehr langfristig zu einer Emanzipation ländlicher Unterschichen aus traditionellen Abhängigkeiten führte, kurzfristig jedoch erhebliche soziale Not erzeugte. In den Schilderungen bürgerlicher Beobachter dieser Prozesse ist daher die Tendenz zu einer Verklärung des traditionellen »halbpatriarchalischen Hoflebens« relativ verbreitet.' 59 In einem anderen Kontext bestätigt das auch Grabbes >ProberelationFolgekosten< der Emanzipation zum (Rechts-) Subjekt - hier der Frau in der Ehe - die vormoderne Harmonie traditionaler Gemeinschaftlichkeit setzt. Die Magd-Episode zeigt jedoch deutlich die Künstlichkeit dieser Konstruktion und verweist damit erneut auf das Dilemma, das die frühere juristische Arbeit zu verstecken bemüht war. Erkennbar wird hier, wie unter den Bedingungen ökonomisierter Produktion patriarchalisches >altes Recht< nichts weiter als eine Entmündigung bedeutet, genauer: die Verweigerung einer der modernen, liberalen Ökonomie adäquaten Subjektposition. Eine solche Position, in der sich eigene >Interessen< überhaupt erst artikulieren könnten, wird der Magd des Dramas ebenso vorenthalten wie der Ehefrau im juristischen Diskurs. Die Stimmlosigkeit der Magd reflektiert aber auch die Situation des bildungsbürgerlichen Aufsteigers Grabbe. Komplementär dazu erscheint die Suche nach einer der gesteigerten gesellschaftlichen Komplexität angemessenen Form der Subjektivität als zentrales Motiv nicht nur in Grabbes Dramatik. Seine eigene Biographie ist geprägt durch das Motiv eines Kontinutitätsbruches, der aus einer vermeintlich gesicherten, vormodernen Sozialität auf das Schlachtfeld der bürgerlichen Gesellschaft und ihres literarischen Marktes führt. Wie im Falle der Magd wird eine damit entstehende prekäre soziale Situation als Stimmverlust erfahren - und löst die forcierte Suche nach einer >neuen< Stimme, nach einer diskursiven Position aus, wie sie Grabbe mit äußerster Aggressivität auf dem literarischen Markt zu erobern versucht. Inhaltlich beherrscht jedoch eine andere Suche die Dramatik Grabbes. Nicht die Konfrontation von >Rom< und >GermanienEingangs< entfalten, bildet das Zentrum der >HermannsschlachtNaturidyll< Germaniens ausgrenzt und erst damit die von den drei Tagen und Nächten ausgehende Faszination begründet. Zum Ort authentischer Erfahrung werden sie erst jenseits jeglicher Teleologie, das heißt abgelöst von allen bestimmten Zielen der kämpfenden Parteien. Symptomatisch dafür ist nicht nur die systematische Zerstörung der eigenen Dörfer und Städte durch die Germanen, sondern auch der deutlich transitorische Charakter der sozialen Harmonie< unter den germanischen Kriegern. Sie beruht wesentlich darauf, daß die Austragung von Konflikten immer wieder suspendiert wird, wie im Streit zwischen Hermann und Ingomar (3 57) oder im Fall des Spielers, der beim Würfeln 159
Steinbach, 53; vgl. 51 ff. und 177ff.
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nach »Haus und Hof«, »Weib und Kind« schließlich sich selbst verloren hat ( 3 6 4 ^ , aber bis zum Ende der Schlacht sich noch als gleichwertig mit seinem künftigen Herren fühlen darf. Als Zukunftsperspektive bleibt ihm dagegen nur die Leibeigenschaft, der er durchaus nicht im Vertrauen auf ein >funktionierendes< patriarchalisches Verhältnis entgegensieht: »Wenn die Metze Sand nicht in dem Scheffel gewesen wäre, glaubt ich dir« (365). Allerdings bleibt diese Schlacht bezogen auf die Welt, die in den sieben Bildern des >Eingangs< und dem >Schluß< in R o m entfaltet wird (die zusammen fast die Hälfte des Textes ausmachen). Mit der Episode um den Spieler reicht die problematische Ordnung des zivilen Germanien bis in die Lagerromantik der ersten Nacht, die zweite Nacht läßt im gegnerischen Lager den Feldherrn Varus nach einem »Gebildeteren« suchen, der für die Emphase des Augenblicks empfänglich ist, aber ein »seelenloses Untier« finden, das ihn nur an seine, d.h. die römische Zivilisation erinnert. Erst die dritte Nacht kennt nur noch Kampf und Tod - und dann, nach dem Sieg, die grausame Verstümmelung der Besiegten. Wenn dabei den römischen Schreibern die Zungen herausgerissen werden, ist das auch ein A k t der Befreiung der Germanen von den fremden Stimmen, die sich anmaßten, für sie (Recht) zu sprechen, es ist zugleich aber der letzte Versuch, die universelle Vermitteltheit auf eine archaische Unmittelbarkeit und Körperlichkeit hin zu durchstoßen, die in der Schlacht beschworen worden war und die nun wieder eingegrenzt wird, wenn Hermann einen >zivilen< U m gang mit den Gefangenen fordert: Hermann (sieht sich um): Ihr habt genug für eure Rachlust. Seid klug, nehmt die noch lebenden Gefangenen zu euren Leibeignen und statt sie ohne Nutzen zu quälen und zu töten, laßt durch sie eure verwüsteten Felder bearbeiten. (383)
Das ist keine Humanität, sondern eine Rationalisierung und Instrumentalisierung der Rache, die zugleich die Krieger >freisetzen< würde für Hermanns weitere Pläne. Was bei den Germanen allenfalls noch an >Naturverbundenheit< vorhanden gewesen sein könnte, ist mit diesen Welteroberungsplänen nicht mehr zu vermitteln. Hier wird gerade das aufgeben, was als Eigentümlichkeit der Germanen erschienen war: ihre Verbundenheit mit einer naturhaften, vertrauten Umwelt. Gerade die von Hermann kritisierte Kurzsichtigkeit - »daß diese sonst so tapfren Leute nur ein paar Meilen weit sehen, und lieber in der Nähe äßen und tränken« (384) - bestimmt die spezifische Erfahrungsqualität und Erlebnisfähigkeit, aus der heraus die Germanen den Römern emotionale Verarmung vorhalten können: »sie suchten nicht vierhundert Meilen von Haus, hätten sie etwas daheim« (334). Auch die Zukunft, in die Hermann unauslöschlich die Spuren der Schlacht einschreiben möchte - »nie wird man uns und diesen Tag vergessen, so lang noch was von deutscher Sprache klingt« (382) - , ist nicht mit der genuin germanischen Lebenssphäre zu vermitteln. Die >Medien< des projektierten Gedächtnisses wären gerade die kulturellen >Errungen-
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schaften< der Römer, gegen die die Germanen rebellieren: der Feldzug ins fremde Land, der Eintritt in die Zivilisation und die Schrift. Weder die bürgerliche Gesellschaft noch der militärisch stratifizierte Eroberungsstaat sind mit einer Emphase des Augenblicks zu vermitteln, der die Germanen jenseits teleologischer Orientierungen habhaft werden. Ihre Weigerung, Hermann nach Rom zu folgen, impliziert den Verzicht auf eine historische Subjekt-Rolle. Die Germanen verweigern den Eintritt in eine Modernisierung, die mit Herzog Theodor von Gothlands Versuchs, sein Schicksal selbst zu bestimmen, ihren aporetischen Verlauf begonnen hatte. Der Epilog in Rom, der das Stück mit dem Ausblick auf eine beginnende »neue Zeit« (386) abschließt, läßt sich als ironischer Kommentar auf diese Verweigerung lesen. Deutlich ist im Zusammenhang zwischen dem sterbenden römischen Kaiser und dem eben geborenen »Wunderknaben Jesus Christus« Leopold von Rankes Darstellung vom Untergang der >alternden< Antike assoziiert.100 Dem Geschichtsschreiber stellt sich das Christentum nicht in seiner heilsgeschichtlichen, sondern in seiner welthistorischen Bedeutung dar: es ist der Auslöser für eine Verlagerung des Zentrums der Geschichte vom antiken Rom zu den christlichen Staaten des Mittelalters, insbesondere nach Deutschland.' 61 Die geschichtslose Idylle wird schon bald aus den Wäldern Germaniens vertrieben sein - ein Prozeß, zu dem die Germanen selbst mit ihrem Abwehrkampf beigetragen haben. >Unvermittelt< ist für die Germanen jedoch auch bereits die eigentliche Schlacht nicht. Zwar ziehen sie nicht für abstrakte Werte wie Staat und Kaiser, sondern für »Linsen, Kohl, Erbsen und große Bohnen« in den Tod (360), aber auch sie werden letztlich auf ein allgemeines Prinzip eingeschworen, das bildhaft verkörpert wird von der »Walküre« Thusnelda, die »in einem Wagen, dessen braune Renner sie selbst lenkt« am Horizont über den kämpf enden Soldaten erscheint (3 J4f.), um in bewußter Inszenierung und zum strategisch richtigen Zeitpunkt die Kämpfenden mit »Speise«, vor allem aber mit ideologischer Munition zu versorgen (3 j4ff.) - nicht ohne zugleich sicherzustellen: »Zu Haus ist alles, ungeachtet meiner Abwesenheit in Ordnung« (355). Die Fürstin, welche euch im Kampfe Lebensmittel brachte, schläft im Vertrauen auf eure Waffen - Wer stritte nicht für ihren Schlaf und ihren Schutz? (3 57f.)
Im symbolisch verdichteten Bild der Walküre prägt sich den Germanen über das adäquate Medium einer schriftlosen Kultur ein kollektives Imaginäres ein, das sofort ideologisch funktionalisiert wird. Sentenz und Bild sind die Sinnstereotype der schriftlosen Kultur der Germanen, die nicht weniger von den Effekten der Macht geprägt sind als die Schrift der Römer. Zwischen Thusneldas gespielter Stimmlosigkeit, die Teil einer geschickten Inszenierung ist, und der tatsächlichen Stimmlosigkeit der Magd besteht ein fundamentaler Unterschied.
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Es sind die Episoden am Rand des Geschehens, in denen immer wieder in kurzen Momenten Spuren einer Geschichte auftauchen, die jenseits des kulturellen Gedächtnisses liegen und die sich den ideologischen Modellen, seien es die einer fernen, heroischen Vergangenheit oder die einer ländlich-patriarchalischen Gegenwart, entziehen. In ihnen zeigt sich die Reibung zwischen dem gespeicherten kollektiven Wissen und der Suche nach einer individuellen Artikulation, die zugleich Suche nach einem Raum individueller Erfahrung ist. Hinter den Stimmen, die sich der Geschichte eingeprägt haben, aber auch hinter ihren Bildern sucht sie vor allem die Körper, denen eine Erfahrung eigen ist, die weder Stimme noch Bild zu vermitteln vermag. Grabbes Drama über die ferne Schlacht ist auch ein Drama über den Text ihrer Geschichte, dessen Entstehung immer wieder selbst in den Blick gerät. Es ist in markanter Weise durchzögen von Metaphern des Schreibens und der Schrift, ausgehend von der zentralen Opposition, die als Gegensatz einer schriftlichen und einer nichtschriftlichen Kultur modelliert ist. Das führt auf Seiten der Römer zu einer Omnipräsenz der Schreiber-Figuren, die als Juristen, als Verwaltungsbeamte, als Kaufleute ununterbrochen mit der Anfertigung eben jener Schriftstücke beschäftigt sind, aus denen dann die Geschichtsschreiber des 19. Jahrhunderts ihre Erzählungen generieren werden. Diese Geschichtsschreibung ist selbst wiederum integraler Bestandteil des Textes gespiegelt im Bewußtsein der Protagonisten, die sich wie Varus und Augustus ständig in zukünftigen Narrationen situieren und dabei zitathaft die Urteile künftiger Historiographie antizipieren - bis hin zu dem Ranke-Zitat, mit dem das Stück endet. Zur eigenständigen Spurensuche wird das Drama jedoch erst, wenn es versucht, hinter diesen Text zurückzugehen bis zu denen, die von ihm gleichsam überschrieben worden sind. Als eines der »Kommata der Weltgeschichte« ehrt der römische Feldherr Varus die nicht verheilende Wunde, die ein Veteran seiner Armee an der linken Schläfe trägt (>Eingang jKomma< aber einen Ansatzpunkt für die imaginative Phantasie der Literatur. 160
»Kein Tiger kann in den Zwischenzeiten, die mir meine Schmierereien lassen, so arg über den Ranke her seyn, als ich« (VI, 158). Es handelt sich um den ein Jahr zuvor erschienenen 1. Band der >Römischen Päpstesymbolische< und die >reale< Existenz, manifestiert. Es sind die Spuren eines Tilgungsprozesses, die die Aufmerksamkeit des dramatischen Interpreten der historischen Überlieferung erregen, wenn gerade der nicht mehr lesbare Name in den Vordergrund rückt gegenüber den Namen, die zwar erhalten, aber in ihrer Vielzahl nurmehr von statistischem Interesse sind; eine Aufmerksamkeit, die nicht im toten Speicher, sondern in der lebendigen Imagination nach der Geschichte sucht und sich dabei führen läßt nicht vom Informationsgehalt der Schrift, sondern von dem, was mit ihr geschehen ist. Dieses Geschehen wird metaphorisch mit dem identifiziert, was den Figuren am Rande der Geschichte geschieht; das Schweigen der Dokumente wird so zum Monument für den stummen Protest der Körper gegen das, was ihnen - wie bereits im >Hannibal< - im Namen der heroischen Mythen des historischen Gedächtnisses angetan wird, was sich aber nicht selbst zur Geschichte verfestigen kann. Erinnert werden soll, daß etwas vergessen wurde. Es geht um das Nicht-Vergessen des Vergessens.
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Unterhaltungen mit Toten oder »A pack of tricks we play on the dead«?1
Das Gedächtnis ist der Galgen, an dem die griechischen Götter erwürgt hängen. Eine Galerie solcher Gehenkten aufweisen, mit dem Winde des Witzes sie im Kreise herumtreiben, sie einander necken machen und in allerlei Gruppen und Verzerrungen blasen, heißt oft Poesie - Gedächtnis ist das Grab, der Aufbehälter der Toten. Das T o te ruht darin als Totes. (Georg Wilhelm Friedrich Hegel)
August Ludwig Schlözer hat in einer der wohl folgenreichsten Definitionen des 18. Jahrhunderts Geschichte bestimmt als den Übergang vom Aggregat der archivierten Materialien und Wissenspartikel zum organisierten System des Wissens. Zugleich hat er diesen Ubergang in einer Erkenntnis- und darstellungstheoretischen Leistung verankert: es ist diese historiographische Perspektive, »der allgemeine Blick, der das Ganze umfasset: dieser mächtige Blick schafft das Aggregat zum System um« und »bringt dadurch dem Auge ein fertiges Gemähide auf einer schnurgleichen und ununterbrochenen Fläche entgegen«.2 In Schlözers paradoxem Bild von der >schnurgleichen Fläche< formuliert sich nicht nur die darstellungstheoretische Problematik einer textuell-sukzessiven und zugleich sinnlich-totalen Vermittlung von Geschichte, die Schlözer vor der Trennung von >Erzählung< und >Museum< noch durch tabellarischüberblicksartige Präsentation seiner Materialien zu lösen hoffte, und die sich dann im hermeneutischen Zirkel als Problem von Teil und Ganzem niederschlägt. Es bezeichnet vor allem die Ambivalenz von Vergangensein und Gegenwärtigkeit sowie von Statik und Dynamik, die den Geschichtsbegriff selbst prägt. Mit der Dynamisierung der Geschichte tritt Zeit gleichzeitig als Zäsur auf und als das Moment, das die getrennten Augenblicke vermittelt.3 Diese 1
Quentin Skinner, Meaning and Understanding in the History of Ideas, in: History and Theory 8 ( 1 9 6 1 ) , 14.
2
August L u d w i g Schlözer, Vorstellung seiner Universal=Historie, Göttingen [ 1 7 7 2 ] , i8f.; 44.
3
Was die Geschichte wiederum mit ihrem im 19. Jahrhundert bevorzugten Medium, der Erzählung verbindet. Diese setzt zwar Anfang und Ende in das Spannungsverhältnis einer »konzeptuellen Differenz«, bestätigt dabei aber gleichzeitig einen H i n tergrund, der den Bezug der beiden Pole der Opposition überhaupt erst herstellt: »Gerade weil Narration nie allein Darstellung der Veränderung sein kann, sondern immer auf den Zusammenhang von Zustand, Situation und Ereignis bezogen ist, kann das Beständige selbst in einer sekundären Thematisierung zur Darstellung kommen.
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Ambivalenz verlangt nach einer Darstellungsform, die in der Vermittlung von synchronen und diachronen Elementen historisches Bewußtsein als Bewußtsein von der Präsenz des Vergangenen erzeugt. Damit ist die systematische Perspektive formuliert, an der sich die Versuche einer medialen Vermittlung von Vergangenheit nach 1800 abarbeiten. In prägnanten Formulierungen hat vor allem Droysen die Gegenwartsbezogenheit historiographischer Rekonstruktionsarbeit hervorgehoben, etwa in der >Geschichte der preußischen Politikc Sie hat es mit Nichten nur mit der Totenmaske der Vergangenheit zu thun, auch die fernen, wie viel mehr noch die näheren sind noch da, leben, wirken noch mit; nur ihre Summe ist das Hier und Jetzt, in das jeder hineingeboren wird, an seinen Theil das G e wordene mit dem, was werden will, zu vermitteln; sie sind dem Staat, dem Volk, jedem geschichtlichen Leben die Bedingung und der Stoff seines weiteren Werdens. Verstehend und Verstanden ist ihnen ihre Geschichte ein Bewußtsein über sich, ein Verständnis ihrer selbst.
Irgendwo zwischen Leichenfledderei und der okkultistischen Beschwörung von Untoten situiert sich der Dialog mit der Vergangenheit. Der Erfolg, mit dem >Geschichte< nach der Wende zum 19. Jahrhundert die kulturellen Leitwerte des 18., >Natur< und >VernunftGeschichte< wechselseitig das Prädikat der Lebendigkeit streitig machen. In ihr gerät eine grundsätzliche Problematik im gesellschaftlichen Umgang mit einer Vergangenheit in den Blick, die nicht mehr in unmittelbarer Evidenz gegeben ist, sondern als prinzipiell abwesende nur noch im Modus erinnernder Rekonstruktion zu vergegenwärtigen ist. Dieser Umgang setzt sich zumindest implizit der unaufhebbaren Ambivalenz von Anwesenheit und Abwesenheit aus, die jede Repräsentation auszeichnet. Er begründet aber auch die eigentümliche kognitive Leistung, die den Status von Historiographie innerhalb der (Selbst-) Modellierung kultureller Systeme bestimmt. Sie hat vor allem Hayden White in seinen Rekonstruktionen des Historismus im 19. Jahrhundert herausgearbeitet - ausgehend von der Überzeugung, daß »Geschichte« nicht abstrakt definierbar ist, daß also »Metahistory« ein Teil von »History« ist. White erfaßt den Sinnkomplex »Geschichte« - »Geschichtsschreibung« - »Geschichtsphilosophie« in einer doppelten Perspektive: systematisch in einer idealtypischen Beschreibung seiner erkenntnis- und erfahrungsstiftenden - >ideologischen< im In jeder Geschichte gibt es eine Hintergrundnarration, die das Beständige selbst betrifft« (Karlheinz Stierle, Erfahrung und narrative Form, in: Jürgen Kocka/Thomas Nipperdey (Hg.), Theorie und Erzählung in der Geschichte, München 1 9 7 9 , 9 5 ) . Julius Mosen hatte das als grundlegendes Paradox der Geschichtsdramatik beschrieben: »Der dramatische Dichter muß eine Thatsache aus der Geschichte schöpfen, wie jener indische Zauberer, welcher das Wasser im Strome zusammenballte, und auf der flachen Hand wie eine Kugel hervorheben konnte« (>Jahrbüchermetahistorischen< - Fundamente ausgewählter »Meisterwerke« der Historiographie selbst. >Metahistory< liefert den »Entwurf eines sprachlichen Modells des Geschichtsprozesses - oder einiger seiner Teile das sich, weil ein linguistisches Artefakt, in die Ordnungen des Lexikons, der Grammatik, der Syntax und der Semantik zerlegen läßt«.4 Im deutschen Kontext scheint es zunächst überraschend, das bei White auch implizierte Projekt einer Funktionsgeschichte der Historiographie im Blick auf die sprachliche Verfaßtheit ihrer Texte zu fundieren, während etwa auf Ansätze sozialwissenschaftlich operierender Institutionengeschichte nur sporadisch zurückgegriffen wird. Nach der Funktion der Geschichte zu fragen heißt bei White in erster Linie, die »historische Einbildungskraft« rekonstruktiv zu erfassen und projektiv im Ensemble der kommunikativen, sinngenerierenden >Vermögen< zu verankern. Eine reflexive Wendung der Geschichtswissenschaft auf ihre eigene Geschichte hat im deutschen Sprachraum allerdings durchaus Tradition. Reinhart Koselleck führt dafür einen Zeugen vom Ende des 18. Jahrhunderts an: den Religionshistoriker Johann Salomo Semler,5 der mit Hilfe der Selbstthematisierung der Geschichte den relativierenden Perspektivismus überwinden will, der aus der Einsicht in die prinzipielle Standortgebundenheit historiographischer Rekonstruktionsarbeit resultiert. Indem Historiographie zugleich auf die aus der Gegenwart an sie gestellten Anforderungen und auf die früheren (Fehl-) Deutungen reagiert, soll sich dem Prozeß der permanenten Uminterpretation eine Richtung enschreiben, an der Semler einen Erkenntnisfortschritt abliest. Geltungskriterien einer Geschichte wären damit nicht aus dem direkten Rekurs auf ihren vermeintlichen Referenten abzuleiten, sondern aus der Rekonstruktion einer textuellen Bewegung. White treibt die Abstraktion eine Stufe höher. In den Geschichten, deren Geschichte er schreibt, sucht er nicht die approximative Annäherung an einen bestimmten, an fixierbaren Raum-Zeit-Koordinaten auffindbaren »Referenten«, sondern er richtet seine Aufmerksamkeit auf den davon zu trennenden »Inhalt«, als dessen entscheidendes Moment er immer wieder die »Geschichte selbst« identifiziert. Unter dieser Perspektive verliert sich die grundsätzliche Differenz von Geschichtsschreibung und Geschichtsphilosophie, die nun als analoge Reflexionen über »Geschichte« koexistieren. Zugleich bestimmt sich Geschichte selbst - und nicht erst ihre Darstellung - als ein komplexes Relationsgefüge von Vergangenheit und Gegenwart. Zum Inhalt gegenwärtiger Reflexion kann sie nur werden, indem sie bereits Teil der jeweiligen Gegenwart ist, in der reflektiert wird. 4
5
Hayden White, Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt/M. 1 9 9 1 , 3 5 7 . Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft, Frankfurt/M. 1979, i93f.
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Diesen »Präsentismus« von Historiographie und Geschichtsphilosophie hat bereits im 19. Jahrhundert Droysens >Historik< theoretisch formuliert. Erfahrbarkeit von Vergangenheit ist demnach nur insofern möglich, als diese in der Gegenwart weiterlebt, wobei zwei grundsätzlich zu unterscheidende Modi denkbar sind: »Spuren« bzw. »Uberreste« (Dokumente, Monumente), also Elemente einer vergangenen und fremden sozialen Praxis, und Elemente gegenwärtiger sozialer Praxis, die als >Erbe< einer Vergangenheit gelten können (Traditionen, Ideen, Institutionen, Uberzeugungen). Die Untersuchung der Vergangenheit stellt sich so dar als Reflexion über einen spezifischen Teil der Gegenwart, nämlich den Teil, der »entweder eine Spur oder eine Sublimierung irgendeines Teils der Vergangenheit ist«.6 Diese Reflexion kann nun laut White zum Modell »diskursiver« Erkenntnis werden, weil sie grundsätzlich heterogene Elemente miteinander verschmilzt. Gerichtet auf gegenwärtige soziale Praxis, suggeriert sie die Unmittelbarkeit lebensweltlicher Erfahrung, während zugleich die fremden Spuren als Signifikanten eines nicht (mehr) gegenwärtigen Signifikats gedeutet werden können, das sich in seiner Abwesenheit jeder unmittelbaren Vertrautheit entzieht. Indem historische Reflexion diese Heterogenität zu ihrem Gegenstand macht, setzt sie sich zunächst der Macht eines »Unheimlichen« aus, 7 das aus einer unaufhebbaren Ambivalenz resultiert, setzt aber zugleich einen »Prozeß des Vertrautmachens des Unvertrauten« in Bewegung, der das Zentrum historiographischer Arbeit ausmacht: Verstehen. Hierbei handelt es sich um einen Prozeß, in dem ein »unbearbeitetes Feld« von Daten durch figurative Analogiebildung anderen, bereits »erschlossenen« Bereichen assimiliert wird. Dem historiographischen Text ist damit eine Doppelbewegung inhärent, in der >Alterität< gleichzeitig gesetzt (d.h. in gesellschaftliche Kommunikation >eingespieltGeschichte< beschreibt White in einer eher vagen Analogie zur (psychoanalytischen) Kategorie des »Imaginären« als Etablierung einer spezifischen Subjektposition: »In der Auseinandersetzung mit der historischen Vergangenheit wird dem Lesersubjekt ein Schauspiel präsentiert, das ihm das Ausagieren seiner Freiheitsphantasien unter dem Aspekt einer festgefügten Ordnung oder seiner Konfliktphantasien unter dem Aspekt des erzwungenen Friedens gestattet«.8 Im Gegensatz zu analogen Funktionsweisen von fiktionaler Literatur ist die im historiographischen Verstehen konstituierte Ordnung zusätzlich mit dem Index des >Realen< versehen. Das >Symbolsystem Geschichte< erzeugt eine >Realitätverständlicher< erscheint, und bildet damit ein gewichtiges Kriterium für die Bestimmung dessen, was in der eigenen Gegenwart als >realistisch< gelten soll, so daß der Vergangenheitsbezug jetzt eine Modellfunktion übernimmt im Hinblick auf die Uberführung aktueller Erfahrung in Sinn. 9 Mit dem zunächst eingeführten Ausdruck »Präsentismus« 10 scheint das komplexe Beziehungsgefüge von Vergangenheit und Gegenwart dann aber nicht mehr ganz treffend bezeichnet. Zwar gilt, daß Vergangenheit nur als Teil der jeweiligen Gegenwart >habhaft< ist, anderseits aber modelliert sie selbst die Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit dieser Gegenwart, so daß auch diese immer nur als schon vergangene, das heißt im Modus des Vergangenseins, thematisch werden kann. Damit löst sich jede Vorstellung von Unmittelbarkeit auf, zugleich wird der Modus der Repräsentation von Vergangenheit zum Modell von Erkenntnis überhaupt. Die Konsequenz eines paradigmatisch auf Geschichte bezogenen Kulturmodells wäre damit der Verlust der Gegenwart. In dem Maße, in dem Geschichte zum Paradigma daür wird, »Erfahrung in Sinn zu verwandeln«, ist Sinn gleichsam immer schon von Vergangenheit affiziert. In historischer wie systematischer Perspektive ist hier der Punkt benannt, an dem die von mir nachgezeichneten Konfigurationen der Vergangenheit in eine Geschichte der Historiographie münden und zugleich ihr Eigenrecht behaupten. Die Definitions- und Abgrenzungsversuche von >Geschichtsdramaimmanente Reflexion< der Dramentexte selbst, stellen einen exemplarischen Bereich metahistorischer Reflexion dar, in dem Form und Inhalt von Geschichte selbst zur Disposition stehen. Dabei bestätigt sich, was den entstehenden Historismus in Deutschland insgesamt charakterisiert: daß sich das Vergessen und das Erinnern gleichermaßen legitimieren müssen. So wie die beängstigende Vorstellung eines vollständigen Vergessens, die aus den fundamentalen sozialen und politischen Umwälzungen der Zeit erwächst, kompensatorisch die erinnernde Zuwendung zur Vergangenheit stimuliert, so ruft die Vorstellung vollständigen Erinnerns, wie sie sich mit dem ausufernden Zuwachs historiographisch erzeugten Wissens verbindet, die Suche nach alternativen Verkörperungen von Geschichte hervor. Konkurrierende Konzeptualisierungen von Geschichte machen sich vor allem das Prädikat der Lebendigkeit streitig und rekurrieren damit semantisch auf die seit der Antike präsente Opposition von produktiver Erinnerung und lebloser Speicherung, Archivierung. 11 Dabei geht es nicht nur um die Frage, welche Ver-
9
10 11
Zur Beschreibung von Historiographie als Versprachlichungsleistung vgl. White, Metahistory, 355. Etwa White, Droysens Historik, 117. Vgl. Aleida und Jan Assmann/Chr. Hardmeier (Hg.), Schrift und Gedächtnis, München 2 i 9 9 i .
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gangenheiten jeweils erinnert werden sollen, also etwa die Ursprünge des eigenen Volkes oder die Entwicklungsgeschichte der Menschheit. In den Argumentationen, in denen für die verschiedenen Formen von historiographischer Spurensicherung und geschichtlicher Sinnerfahrung im 19. Jahrhundert jeweils ein privilegierter Zugang zur Vergangenheit reklamiert wird, stehen vor allem auch Fragen der medialen (Re-)Präsentation zur Debatte. So konnte beispielsweise an den Kontroversen um die Gründung historischer Museen verfolgt werden, wie Geschichte unter der Perspektive des Wechsel- oder Ausschlußverhältnisses von Bildlichkeit und Schriftlichkeit als Ergebnis eines Semantisierungsprozesses erscheint, in dem sowohl die Art der Semantisierung als auch die Art der zugelassenen Zeichen strittig ist. Während die Geschichtswissenschaft ihren exklusiven Wahrheitsanspruch an eine Einheit aus Sinn und Sprachlichkeit bindet, stehen die Museen für den Versuch, diese Bindung aufzuheben, um nicht-schriftliche Quellen im Konzept einer lebendigen Geschichte zuzulassen, und zugleich den Anschluß an einen Diskurs sinnlicher Erfahrung zu finden, der insbesondere an die neuen Möglichkeiten medial vermittelter Bildlichkeit im frühen 19. Jahrhundert geknüpft ist. Für beide Spielarten des historischen Diskurses gilt jedoch, daß Quellen als Zeugen einer Vergangenheit gesehen werden, deren Informationsgehalt in formalisierbaren Verfahren zu prüfen, auszuschöpfen und in Daten zu übersetzen ist, die dem Rearrangement zu Sinneinheiten zur Verfügung stehen. Die Einheit eines Textes oder die Einheit eines Bildarrangements empfiehlt sich als markanter Orientierungspunkt für das kulturelle Gedächtnis. Was in beiden Fällen >vergessen< wird, sind nicht nur widerstrebende Materialien, sondern der Vorgang des Arrangierens selbst und sein Medium. Verloren geht in diesem Vergessen die Sensibilität für die Eigendynamik medialer Vermittlungen. Das radikalisiert sich zunächst in Geschichtsdramen. Sie bieten Modelle für das Gedächtnis an und füllen es gleichzeitig mit Materialien auf, deren Relevanz allein noch aus dem Modell hergeleitet werden muß, ohne an >Forschung< rückgekoppelt zu sein. Als literarische Texte von betont konstruktivem Charakter und zugleich im Spannungsfeld von Drama und Theater in besonderer Weise auf Visualität bezogen, bieten sich Geschichtsdramen jedoch auch an für eine Reflexion der medialen Voraussetzungen der Präsentation von Vergangenheit in Text und Bild. In der immer wieder beobachteten Rückwendung auf den Darstellungsmodus selbst zeigen die Texte nicht Geschichte als Theater, sie zeigen sie auch nicht auf dem Theater, sondern sie zeigen, daß sie Geschichte zeigen. Vor allem in den Dramen Grabbes konnte beobachtet werden, wie gegen dieses Wechselspiel der Repräsentationen der Einsatz phantasiegeleiteter Imagination aufgeboten wird, der aber - hierin liegt das Spezifikum von Geschichtsdramen - bezogen bleibt auf die Formation von Geschichte. >Napoleon oder die hundert Tage< folgt einem Weg vom (Theater-) Bild über den Bericht und dessen poetischer Auflösung bis zur Beschwörung einer durch keinen Text 324
mehr erreichbaren Geschichte. In der Konzentration auf die Nahsinne, wie sie die Schlacht vorführt, artikuliert sich eine Erfahrung, die nicht nur der literarisch-theatralischen Vermittlung entzogen bleibt, sondern auch dem historischen Wissen. Sie dem Text der Geschichte wieder abzulesen, ist das Ziel der >HermannsschlachtBlutspurAlexis< - entworfene Programmatik konfligiert mit den literarischen Versuchen ihrer inhaltlichem Einlösung im Rahmen einer bestimmten, nationalen Geschichte. Die intendierte Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart - im Falle des >Hofer< als Versuch, die Tiroler Kriege als nationalen Mythos zu vergegenwärtigen - mißlingt. Hatte Immermann zunächst noch an einen bis ins Mittelalter reichenden Raum nationaler Kontinuität geglaubt (»Friedrich II.literarisch< gestört - gestört sowohl durch >einschießende< Erinnerungspartikel, die sich der angestrebten Harmonisierung widersetzen, als auch durch hartnäckig sich dem Bewußtwerden entziehende Momente der Vergangenheit. Im Spannungsfeld von Abwesenheit und Anwesenheit, von historiographischer Repräsentationsleistung und sinnlicher Gegenwärtigkeit ist ein Streit angesiedelt, der die Konzeptualisierungen von Geschichte - nicht nur - in meinem Untersuchungszeitraum beherrscht.
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In der medialen Vermitteltheit von Geschichte ist ihre soziale Vermitteltheit eingeschlossen. Es ist nicht nur das Diktat einer Welt ohne Gegenwart, das sich abzeichnet, wenn die von mir untersuchten Texte das Verschwinden der Geschichte und ihr Wiederauftauchen auf dem Theater konstatieren. Vor allem sind es bestimmte Geschichten, die sich im sozialen Gedächtnis verfestigen - im Vormärz etwa Geschichten eines militanten Nationalismus oder scheiternder >SelbstverwirklichungenTal von Ronceval< verratenen Verräter zu zitieren: Im halben Unrecht ist, wer Worte braucht, U m seiner Tugend Würd' zu behaupten. 12
Von den Ebenen Oberitaliens, die Eichendorff dem dämonischen Helden Ezelin von Romano nur öffnet, um ihn in die Schranken zu verweisen, die ihm die >alte< Welt der Berge, das höhere Reich jenseits der Alpen und das höchste, hei-
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Daß insbesondere >heroische< Geschichtsdramen dazu tendieren, ihre Helden zu >verratenhohen< Sprache zurück, deren Pathos immer in Gefahr ist, in Ironie umzuschlagen: »the antihero is born out of the writers inability to forge a language for heroes« (»Historical Dramaandere< Geschichte. Hannibal hat am Ende nicht einmal mehr das. Sein Weg endet im Palast des Prusias, w o er nicht nur sein Leben, sondern auch die individuelle Geschichte verliert, um zum wehrlosen Teil des historischen wie ästhetischen Arrangements zu werden. Prusias [...] (Mit sehr gedämpfter und feierlicher Stimme:) Jetzt ist der Moment in das Leben getreten, wo es das zu thun gilt, was ich in mancher Tragödie ahnungsvoll hingeschrieben: edel und königlich sein gegen die Todten! (Er nimmt seinen rothen Mantel ab.) Hannibal war, wie ich oft gesagt, ein zu rascher, unüberlegsamer Mann, - hart kam mir die Gastfreundschaft zu stehen, welche ich ihm erwies, - aber er war doch einmal mein Gastfreund, und darum seien seine Fehler, seine Abstammung vergessen, ihn und sie deck' ich zu mit diesem Königsmantel! Grad' so machte es Alexander mit Dareios! Das Gefolg (will Beifall jubeln): Ο Prusias: Wartet - diese Falte am Zipfel des Mantels liegt nicht recht - Auch sie zu bessern, sei mir nicht zu niedrig!
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Literatur
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- Das goldene Vlies (Trilogie: Der Gastfreund - Die Argonauten - Medea ) (1822), in: Grillparzer 1986 - Libussa (1822/1848), in: Grillparzer 1986 - König Ottokars Glück und Ende. Trauerspiel in fünf Aufzügen(i82j), in: Grillparzer 1986 - Ein treuer Diener seines Herrn. Trauerspiel in fünf Aufzügen(i828), in: Grillparzer 1986 - Ein Bruderzwist in Habsburg. Trauerspiel in fünf Aufzügen (1825/1848), in: Grillparzer 1986 Gutzkow, Karl: Dramatische Werke, Gesamtausgabe, Jena 1872 - Nero. Tragoedie, Stuttgart u. Tübingen 1835 - Richard Savage oder der Sohn einer Mutter. Trauerspiel in fünf Aufzügen (1839), in: Gutzkow 1872 - König Saul. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Hamburg 1839 - Wullenweber. Geschichtliches Trauerspiel in fünf Aufzügen (1844), in: Gutzkow 18 72 - Zopf und Schwert. Historisches Lustspiel in fünf Aufzügen (1844), in: Gutzkow 1872 - Pugatscheff. Geschichtliches Drama in 5 Acten (1844), in: Gutzkow 1872 - Uriel Acosta (1846), in: Gutzkow 1872 - Der Königsleutnant (1849), in: Gutzkow 1872 Hagemeister, Joh. Gottfried: Woldemar, o.O., o.J. - Gustav Wasa, o.O., o.J. Haiirsch, Ludwig: Petrarka. Dramatisches Gedicht, Leipzig 1823 - Die Demetrien. Trauerspiel, Leipzig 1824 - Der Morgen auf Capri. Dramatisches Gedicht, Leipzig 1829 Halm, Friedrich (d.i. Eligius von Münch-Bellinghausen): Werke, Wien 1856 - Griseldis. Dramatisches Gedicht in fünf Akten (1837), in: Halm 1856 - Camoens. Dramatisches Gedicht in einem Aufzuge (1838), in: Halm 1856 - Der Sohn der Wildniß. Dramatisches Gedicht in fünf Akten (1843), in: Halm 1856 - Sampiero. Trauerspiel (1844), in: Halm 1856 - Eine Königin. Dramatisches Gedicht in vier Akten und einem Nachspiel (1847), in: Halm 1856 - Der Fechter von Ravenna. Trauerspiel in fünf Akten (1854), Leipzig / Wien o.J. (= Meyers Volksbücher, Nr. 1334) Hammer-Purgstall, Joseph v.: Oschafer oder der Sturz der Barmaciden. Histor. Trauerspiel, Wien 1813 - Mohamed oder die Eroberung von Mekka. Histor. Schauspiel, Berlin 1823 Harring, Harro Paul: Der Student von Salamanca. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen, Luzern 1825 - Die Mainotten. Ein dramatisches Gedicht in drey Aufzügen, Luzern 1825 - Der Corsar.Ein dramatisches Gedicht in drey Aufzügen, Luzern 1825 Hauch, Johan Carsten: Die Belagerung Maastrichts, Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, Leipzig 1834 (dänisch 1833, dt. Ubersetzung von Hauch) - Tiberius, der dritte Cäsar, Eine Tragödie in fünf Handlungen, Leipzig 1836 (dänisch 1828-29, dt· Ubersetzung von Hauch) Haupt, Markus Theodor von: Teil. Histor.-romantische Oper, Mainz 1829 Hebbel, Friedrich: Werke, hg.v. Gerhard Fricke/Werner Keller/Karl Pörnbacher, 5 Bände, München 1963-1967 - Judith, Eine Tragödie in fünf Acten (1840/41), in: Hebbel 1963-1967 - Die Dithmarschen (Fragment, 1841), in: Hebbel 1963-1967 - Herodes und Mariamne (1848), in: Hebbel 1963-1967 Heigel, Cäsar Max: Die Schlacht bei St. Jacob. Vaterländisches Schauspiel. Basel 1822
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- Die Zeitalter. (Drei flüchtige Skizzen zu einem Charaktergemälde: I. So sind sie gewesen. 1520. II. So waren siei703· III. So sind sie. 1830.), Nürnberg 1832 Herrmann, Franz Rudolph: Die Nibelungen. In drei Theilen: Der Nibelungen Hort/ Siegfried/Chriemhildens Rache, Leipzig 1819 - (Szenen aus dem romant. Schausp.) Eids Tod (in Bertuchs Journal des Luxus und der Moden, 1820, März) Herrmann, Gustav: Moritz, Kurfürst von Sachsen. Vaterländisches Schauspiel, Leipzig 1831 Heyden, Friedrich A. v.: Conradin, Berlin 1818 - Der Kampf der Hohenstaufen. Trauerspiel, Berlin 1828 Holbein, Franz Ignaz von: Ulrich von Hutten, o.O. 1846 - Das Trunier zu Kronstein oder die drey Wahrzeichen. Ein romantisches Ritter-Lustspiel in fünf Abtheilungen (1820) (2. Aufl. Pesth 1835) Hoffinger, Jakob: Rüdiger Maneß. Ein vaterländisches Schauspiel in drei Aufzügen, in: Deutsche Schaubühne, 1812, Bd. 8 Holtei, Carl von: Theater, Breslau 1845 - Lenore. Schauspiel mit Gesang in drei Akten (1829), in: Holtei 1845 - Der alte Feldherr. Liederspiel in einem Akt (1829), in: Holtei 1845 - Robert der Teufel. Dramatische Legende in fünf Akten (1832), in: Holtei 1845 Horn, Uffo: König Otakar. Tragödie in fünf Akten und einem Vorspiele, Prag 1845 Houwald, Ernst von: Sämmtliche Werke, Leipzig 1858 - Die Feinde. Ein Trauerspiel in drei Aufzügen (1825), in: Houwald 1858 - Die Seeräuber (1831), in: Houwald 1858 Huschberg, F.v.: Hannibal. Tragödie in fünf Aufzügen, in: Original-Theater für das Jahr 1820, Bd. 2 - Johanna d'Arc zu Rouen. Tragödie in fünf Aufzügen. Nach dem Französischen des D. Avrigni, in: Original-Theater für das Jahr 1820, Bd. 6 Huscher, W.: Germanicus, o.O. 1816 Immermann, Karl Lebrecht: Werke in fünf Bänden, hg. v. Benno von Wiese, Bd. 5, Wiesbaden 1977 - Werke, hg. v. Robert Boxberger, Berlin o.J. - Werke, hg. v. Harry Maync, Leipzig/Wien o.J. - Das Tal von Ronceval, Leipzig 1822 - Kaiser Friedrich der Zweite (1828) - Das Trauerspiel in Tyrol. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen, Hamburg 1828 - Alexis. (Trilogie: Die Bojaren, Das Gericht von St. Petersburg, Eudoxia) (1832), in: Immermann 1977 - Andreas Hofer, der Sandwirt von Passeir (1833) Jacobi, Otto (siehe Otto vom Ravensberg) Kestner, Karl August: Sulla. Hannover 1822 Kind, Joh. Friedrich: Wilhelm der Eroberer, Leipzig 1806 - Die Schwüre, Leipzig 1806 - Wilhelm der Bastard, Leipzig 1806 Klein, Julius Leopold: Maria von Medici. Trauerspiel (zwei Teile: Concini (i84i)/Luines (1842)), Berlin 1841/1842 Kleist, Heinrich von: Sämtliche Werke und Briefe, hg. v. Helmut Sembdner, München, 8 i?8i - Die Hermannsschlacht (1808), in: Kleist 1985 - Prinz Friedrich von Homburg (1809/1811), in: Kleist 1985 Klingemann, August: Dramatische Werke, Wien 18 i^ff. - Heinrich von Wolfenschießen (1806), in: Klingemann 1819 332
- Martin Luther. Ein dramatisches Gedicht (1808), in: Klingemann 1819 Moses. Ein dramatisches Gedicht (1812), in: Klingemann 1819 - Heinrich der Löwe, in: Klingemann 1819 - Deutsche Treue. Ein historisches Schauspiel in fünf Aufzügen (1816), in: Klingemann 1819 - Heinrich der Finkler. (1817), in: Klingemann 1819 Koenig, Heinrich: Die Bußfahrt. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Leipzig 1836 Koester, H.: Heinrich IV. »o.O. 1844 - Ulrich von Hutten. o.O. 1846 Körner, Theodor: Sämtliche Werke, hg. v. Karl Streckfuß, Berlin 1858 - Toni. Ein Drama in drei Aufzügen ( i 8 n ) , in: Körner 1858 - Zriny. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen (1812), in: Körner 1858 - Joseph Heyderich, oder Deutsche Treue. Eine wahre Anekdote, als Drama in einem Aufzuge (1812), in: Körner 1858 - Rosamunde (1812), in: Körner 1858 Kopitsch, August: Chrimhild. Tragödie in fünf Akten [1830], in: Α . K.: Gesammelte Werke, Berlin 1856, Bd.4 Kotzebue, August von: Der weibliche Jacobiner-Clubb. Ein politisches Lustspiel in einem Aufzuge (1791), in: Deutsche National-Litteratur (Kürschner), Das Drama der klassischen Periode, hg.v. Adolf Hauffen, Stuttgart o.J., Teil 3, 1 8 1 7 , S. 1 3 3 - 1 8 0 - Die Kreuzfahrer. Schauspiel in fünf Akten, in: Neueste Deutsche Schaubühne, 1803, Bd. 2 - Hermann und Thusnelde. Eine heroische Oper (1813), in: August von Kotzebue, Theater, Bd. 39, Wien/Leipzig 1841 Krug (F. Krug von Nidda): Heinrich I., o.O. 1818 Laube, Heinrich (1806-1884): Dramatische Werke, Leipzig 184 jff. - Gustav Adolph (1830), in: Laube i84jff. - Monaldeschi oder Die Abenteurer. Tragödie in fünf Acten und einem Vorspiele (1840), in: Laube 184jff. - Die Karlsschüler. Schauspiel in fünf Akten (1846), in: Laube 184yff. - Die Bernsteinhexe. Historisches Schauspiel in fünf Akten, Nach (Wilhelm) Meinhold's Hexenprozesse: Marie Schweidler (1847), in: Laube i845ff. - Struensee und die Deutschen in Dänemark. Tragödie in fünf Akten (1847), in: Laube i84$ff. - Prinz Friedrich (1847), in: Laube i845ff. - Montrose, der schwarz Markgraf (1859), in: Laube i845ff. Lögler, B.: Der Geist von Hohenkrähen. Eine Volkssage aus dem Hegau, in: Deutsches Theater für das Jahr 1819, Bd. 2. - Kaiser Heinrich der Vogler, o.O. 1815 Loest, Heinrich: Clorinde. Eine Tragödie in fünf Aufzügen, in: Deutsche Schaubühne, 1812, Bd. 10 Logau, Gotthold: Ein deutsches Herz. Trauerspiel in fünf Acten, o.O. 1848 Ludwig, Otto: Sämtliche Werke, hg. v. Paul Merker, Bd. 5, München 1922 - Die Torgauer Heide (»Vorspiel« zu einem geplanten »Historischen Schauspiel: Friedrich II. von Preußen«) (1844), in: Ludwig 1922 Lynar: Fürst zu Lynar: Die Mediceer. Drama in fünf Acten, Leipzig 1842 Maltitz, Franz Friedrich: Demetrius (Fortsetzung d. Schiller-Fragments), Karlsruhe 1 8 1 7 Maltitz, Gotthilf August von: Der alte Student. Dramatische Kleinigkeit in zwei Akten, Hamburg 1828 - Oliver Cromwell oder die Republikaner. Trauerspiel, Hamburg 1831 Maitzahn, F. Frhr.v.: Heinrich IV., o.O. 1826
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- Konradin, o.O. 1835 Marbach, Gotthart Oswald: Papst und König oder Manfred der Hohenstaufe (1836) o.O. 1843 Marggraff, Herrmann: Kaiser Heinrich der Vierte, in: Jahrbücher für Drama, Dramaturgie und Theater, Bd. 1, Leipzig 1837 - Das Täubchen von Amsterdam. Trauerspiel in j Acten, nebst einem Vorspiel (1. Teil eines geplatent Zyklus: Christiern II. Dramatisches Gedicht), in: Jahrbücher für Drama, Dramaturgie und Theater, Bd. 2, Leipzig 1839 - Elfride, Trauerspiel in fünf Akten, in: Jb. deutscher Bühnenspiele, 20, Berlin 1842 Marr, H.: Zeit und Stände. Historische Skizze in drei Abtheilungen, frei nach Scribe's und Rougemont's »Avant, Pendant et Apres«, Hamburgi836 Marschner, E.: Coligny, Admiral von Frankreich, o.O. 1820 Mayr, Ph.B.: Andreas Hofer, o.O. 1814 Menzel, Wolfgang: Der Popanz. Ein Lustspiel (1826), in: Taschenbuch für das Jahr 1826, hg.v. Wolfgang Menzel, Stuttgart o.J. (1826) Mosen, Julius: Sämmtliche Werke, Oldenburg 1863 - Heinrich der Finkler. König der Deutschen, Ein historisches Schauspiel in fünf Acten (1836), in: Mosen 1863 - Cola Rienzi, der letzte Volkstribun der Römer. Ein Trauerspiel, in: Jahrbücher für Drama, Dramaturgie und Theater, 1. Bd., Leipzig 1837 - Kaiser Otto III. (1842), in: Mosen 1863 - Der Sohn des Fürsten. Ein Trauerspiel, in: Mosen 1863 - Wendelin und Helene. Ein Trauerspiel, in: Mosen 1863 - Die Bräute von Florenz. Ein Trauerspiel, in: Mosen 1863 - Herzog Bernhard. Historische Tragödie, in: Mosen 1863 - Don Johann von Oesterreich. Trauerspiel in fünf Acten (1845), Mosen 1863 Müller, Herrmann: Elisabeth, Königin von England. Ein Trauerspiel in j Acten, Berlin I837 Müller, Johann Wilhelm: Chriemhilds Rache. Trauerspiel, Heidelberg 1822 Müllner, Adolph: Dramatische Werke in einem Bande, Braunschweig 1832 - Die Schuld (1813), in: Müllner 1832 - König Yngurd. Trauerspiel in fünf Akten, Leipzig 1817 Mynard, M.H.: Rudolf von Habsburg, o.O. 1812 Nebel, D.W.M.: Des Hauses Ende. Trauerspiel in j Aufzügen. Nebst einem Vorspiel: Die Scheidenden, Mannheim 1838 Nestroy, Johann Nepomuk: Gesammelte Werke, hg. v. Otto Rommel, Wien 1962 - Robert der Teuxel. Parodierende Zauberposse in drei Akten (1832), in: Nestroy 1962 - Judith und Holofernes (1849), in: Nestroy 1962 Nezer, Beatus: König Manfred. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Zürich 1847 Nienstädt, Wilhelm: Die Hohenstaufen. »Cyklisches Drama«, 7 Bände, Leipzig 1826 (Waiblinger und Weifen (Hohenstaufens Aufgang), Historisches Drama/Friedrich I. (Hohenstaufens Glanz), Romantisches Drama/Heinrich VI. (Hohenstufens Verfinsterung), Romantisches Schauspiel/Friedrich II. (Hohenstaufens Niedergang), Tragödie/ Conrad IV. (Hohenstaufens Abendröthe), Romantisches Trauerspiel/Conradin (Hohenstaufens Erlöschen), Trauerspiel) - Karl der Fünfte. Tragödie in 4 Akten, Leipzig 1826 Oehlenschläger, Adam Gottlob: Axel und Walburg. Eine Tragödie, Tübingen 1810 (dänisch: 1810; dt. von Oehlenschläger) - Erich und Abel. Trauerspiel, Stuttgart und Tübingen 1821 - Starkother. Tragödie, Stuttgart und Tübingen, 1821
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Otto vom Ravensberg (d.i. Otto Jacobi): Der böhmische Krieg. Des 30-jährigen Krieges i.Theil o.O. 1836 - Gustav Adolph und Wallenstein. Tragödie in fünf Akten, Berlin 1840 Paczkowska, F.v.: Kaisermacht und Männerkraft, o.O. 1833 Pannasch, Anton. Alboin. Güns 1835 - Maximilian in Flandern. Historisches Schauspiel in fünf Acten, Nebst einem kleinen Nachspiele: Der Kaiser, Güns 1835 Panse, Karl: Der Sylvesterabend. Trauerspiel, o.O. 1823 Pichler, Adolf: Ulrich von Hutten. Dramatisches Bruchstück, o.O. 1839 Pichler, Caroline: Sämmtliche Werke, 50 Bände, Wien 1828-1832 - Ferdinand der Zweyte, König von Ungarn und Böhmen. Schauspiel in fünf Aufzügen (1809), in: Pichler 1828-1832 - Heinrich von Hohenstaufen. König der Deutschen. Trauerspiel in 5 Aufz., Wien 1815 - Germanicus, in: Pichler 1828-1832 - Friedrich der Streitbare» in: Pichler 1828-1832 Platen-Hallermünde, August von: Sämtliche Werke, Stuttgart o.J. - Die Liga von Cambrai. Geschichtliches Drama in drei Akten (1833), in: Platen o.J. - Marats Tod. (.dramatische Skizze') (1822), in: Platen o.J. Prutz, Robert: Dramatische Werke, Leipzig 1848 - Erich der Bauernkönig. Schauspiel in fünf Akten (1843), in: Prutz 1848 - Moritz von Sachsen. Trauerspiel in fünf Akten (1844), in: Prutz 1848 - Karl von Bourbon. Schauspiel in fünf Akten (1845), in: Prutz 1848 - Die politische Wochenstube. Eine Komödie, Zürich und Winterthuri845 Pyrker, Johann Ladislav: Zrini's Tod. Historisches Schauspiel, Wien 1810 - Die Korvinen. Historisches Schauspiel, Wien 1810 - Karl der Kleine, König von Ungarn. Historisches Schauspiel, Wien 1810 Radewell, Friedrich (siehe Ludolf Wienbarg) Rambach, Friedrich Eberhard: Hermann. Erster Teil: Die Teutoburger Schlacht. Riga 1814 Rapp, E. Moriz (Ps. Jovialis): Prager Schlacht, o.O., o.J. - Die Gegenkaiser, o.O., o.J. Raumer, Friedrich von: Der Aufstand in Spanien während der Jahre 1520-1522. Geschichtliche Scenen (1831), in: Friedrich von Raumers Vermischte Schriften, 1. Bd., Leipzig 1852 Raupach, Ernst Benjamin Salomo: Dramatische Werke ernster Gattung, Bd. 1 - 1 6 , Hamburg 1835-1843 - Die Fürsten Chawansky (1819), in: Raupach 1835-1843 - Timoleon, der Befreier (1814), in: Raupach 1835-1843 - Die Leibeigenen, oder Isidor und Olga. Trauerspiel in fünf Akten, Leipzig 1826 - Cromwell. Trilogie (1829-32), 1. Teil: Hamburg 1841 - Der Nibelungen-Hort. Tragödie in fünf Aufzügen mit einem Vorspiel, Hamburg 1834 - Robert der Teufel. Romantisches Schauspiel in fünf Aufzügen, Hamburg 1834 - Die Hohenstaufen. Ein Cyclus historischer Dramen, 8 Bde., Hamburg 1837 - Demetrius (1840), in: Raupach 1835-1843 Reinbeck, Georg: Gordon und Montrose, in: G.R., Sämmtl. dram. Werke, Heidelbergi8i7-i822 Reilstab, Ludwig: Karl der Kühne. Trauerspiel, Berlin 1824 Riesch, Franz Joseph Sigmund, Graf von: Germanikus, Berlin 1818 Rogge, Friedrich Wilhelm: König Manfred. Tragödie in fünf Aufzügen, Göttingen 1833 - Kaiser Friedrich Barbarossa. Lüneburg 1833 - Kaiser Heinrich VI. Leipzig 1839 335
Rollett, Hermann: Flamingo, Ein Stück Weltkomödie. Leipzig 1851 - Thomas Müntzer. Leipzig 1851 Rückert, Friedrich: Werke, hg. v. G. Ellinger, Leipzig/Wien o.J. - Napoleon und der Drache (181 j), in: Rückert o.J. - Napoleon und seine Fortuna (1818), in: Rückert o.J. - Der Leipziger Jahrmarkt, in: Rückert o.J. - König Arsak von Armenien (1841), in: Rückert o.J. - Kaiser Heinrich IV. (1844), in: Rückert o.J. - Herodes der Große. (2 Teile: - Herodes und Mariamme - Herodes und seine Söhne) (1844), in: Rückert o.J. - Christofero Colombo (1845), in: Rückert o.J. Ruess, Wilh.: Konradin der letzte Hohenstaufe. Trauerspiel in 5 Aufzügen, St. Gallen 1841 Rüge, Arnold: Spartacus, o.O. 1843/45 Schaden, Joh. Nepomuck Adolph von: Theodor Körners Tod, oder: Das Gefecht bei Gadebusch. Ein dramatisches Gedicht, Berlin 1 8 1 7 (»Zweite durchaus vermehrte und verbesserte, für die Bühne bearbeitete Originalausgabe«, Berlin 1 8 2 1 ) Scharten, A.v.: Friedrich der Einzige in Rheinsberg, o.O. 1847 Schenk, Eduard von: Schauspiele, Stuttgart/Tübingen 1829 - Beiisar. Romantisches Trauerspiel in fünf Aufzügen (1823), in: Schenk 1829 - Kaiser Ludwigs Traum Festspiel (1826), in: Schenk 1829 Schleiss, Max Jos.: Konradin des letzten Hohenstaufen Tod. Trauerspiel, o.O. 1840 Schöchlin, Karl Friedrich: Kaiser Julianus der Abtrünnige. Tragödie in fünf Aufzügen, Karlsruhe i 8 j o Schoene, Karl Christian Ludwig (Ps. Karl Nord): Rudolf von Habsburg, o.O. 1816 - Gustav Adolphs Tod. Trauerspiel, Berlin 1818 - Die Macht der Leidenschaft. Trauerspiel, Berlin 1818 Schreiber, Aloys: Marbod und Herrmann oder der erste Deutsche Bund, o.O. 1814 Schreyvogel, Joseph (Ps. Karl West): Ottokars Tod, o.O. 181 j Schütz, Wilhelm v.: Karl der Kühne. Leipzig 1821 Seemann, Otto S.: Der letzte König. Politisches Drama in fünf Aufzügen, Leipzig 1842 Seume, Johann Gottfried: Miltiades, o.O. 1808 Sinclair, Freiherr v.: Anfang des Cevennenkrieges/Gipfel des Cevennenkrieges/Ende des Cevennenkrieges, Heidelberg 1806 Span, Martin: Hermann, der Cherusker. Trauerspiel, o.O. 1819 (nach I. Pindemonte, Arminio; 1804) Stieglitz, Heinrich: Dionysosfest. Lyrische Tragödie, Berlin 1836 Sydow, Friedrich Wilhelm von: Woldemar oder der Sturm von Villarosa, Leipzig 1834 Tarnow, Francisca Christ. Joh. Friederike: Die Spanier auf Fünen, Leipzig 1827 Töpfer, K.: Der Tagesbefehl, o.O. 1823 Uechtritz, (Peter) Friedrich von: Rom und Spartacus. Berlin 1823 - R o m und Otto III. Berlin 1823 - Alexander und Darius. Trauerspiel, Berlin 1827 - Die Babyloner in Jerusalem. Dramatisches Gedicht, o.O. 1836 Uhland, Ludwig: Werke, hg.v. Ludwig Frankel, Leipzig/Wien o.J. - Ernst, Herzog von Schwaben. Trauerspiel in fünf Aufzügen (1817), in: Uhland o.J. - Ludwig der Bayer. Schauspiel in fünf Aufzügen (1818), in: Uhland o.J. Veltheim, Hans von: Seekönig. Braunschweig 1846 - Splendiano. Braunschweig 1846 Voß, Julius v.: Charlotte Virier. Ein Schauspiel in einem Aufzug, in: Deutsche Schaubühne, 1812, Bd. 10
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Wachsmann, Karl Adolph von: Das Urtheil des Vaters. Ein histor. Schauspiel, Breslau 1836 Wächter, Ferdinand: Brunhild. Jena 1821 Wagner, Richard: Rienzi - Der letzte der Tribunen. Große tragische Oper in fünf Akten nach Bulwers gleichnamigen Roman (1842), in: Richard Wagner: Die Musikdramen, München 1978 Waiblinger, Wilhelm: Anna Bullen, Königin von England. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Berlin 1829 Wangenheim, Paul von: Strafford. Tragödie, o.O., o.J. Weichselbauer, Karl: Scipio und Hannibal vor der Schlacht bei Zama. Eine dramatische Scene, in: Deutsches Theater für das Jahr 1819, Bd. 4 - Theseus in Kreta. Ein Drama in drei Aufzügen, in: Original-Theater für das Jahr 1821, Bd. 5 Weiden, Otto von der: Die Hunyaden. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, Dortmund 1837 Weissenthurn, Johanna Franul von: Schauspiele, Bd. 1 - 1 4 , Wien 1810-1836 (Bd. 9-10: Berlin 1821-1822) - Die Bestürmung von Smolensk. Ein romantisches Schauspiel in vier Aufzügen, Wien 1810 - Totila, König der Gothen. Ein Schauspiel in fünf Aufzugen, Wien 1812 - Herrmann. Ein geschichtliches Schauspiel in fünf Aufzügen, in Jamben, Wien 1817 - Johann, Herzog von Finnland. Schauspiel in fünf Aufzügen, nach der Geschichte mit den nöthigen theatralischen Änderungen, Wien 1817 - Die Schwestern St. Janvier. Schauspiel in fünf Aufzügen. Nach einer wahren Begebenheit, aus den Schreckenstagen auf St. Domingo, Berlin 1821 - Ruprecht, Graf zu Hornek. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Berlin 1822 - Agnes von der Lille. Schauspiel in fünf Aufzügen, Berlin 1822 - Die Burg Gölding. Romantisches Schauspiel in fünf Aufzügen, Wien 1829 Wenzel, Heinrich: König Wilhelm. Tragödie in fünf Acten, Hannover, 1836 Werner, Friedrich Ludwig Zacharias: Die Söhne des Thaies (1803-1804) - Das Kreuz an der Ostsee (1806) - Martin Luther oder die Weihe der Kraft (1807) - Attila, König der Hunnen (1808) - Wanda, Königin der Sarmaten. Eine romantische Tragödie mit Gesang in fünf Aufzügen, in: Deutsche Schaubühne, 1 8 1 1 , Bd. 5 - Die Weihe der Unkraft (1814) - Kunigunde, die Heilige (181 j) - Klagen um seine Königin, Luise von Preußen (1825) West, Carl August (s. Schreyvogel) Wetzel, Friedrich Gottlob: Jeanne d'Arc. Altenburg 1817 - Hermannfried, letzter König von Thüringen. Berlin 1828 Wienbarg, Ludolf (Ps.: Friedrich Radewell): Tyll Eulenspiegel. Comödie, Hamburg 1840 Wiese, Sigismund: Die Wilden und die Ansiedler. Trauerspiel in drei Acten, Leipzig 1835 - Die Freunde. Trauerspiel in drei Acten, Leipzig 1836 Willkomm, Ernst: Bernhard, Herzog von Weimar. Trauerspiel in 5 Aufzügen, Leipzig 1833 - Erich XIV. König von Schweden. Ein dramatisches Gedicht in drei Theilen, Leipzig 1834 - Heinrich der Finkler (Fragment: »Szenen aus dem Trauerspiel: Heinrich der Finkler«, in: Jahrbücher für Drama, Dramaturgie und Theater, Bd. 1, Leipzig 1837) Wörndke, J.K.v.: Andreas Hofer, o.O. 1817 Wurstenberger, R.: Germanicus, o.O. 1822 337
Zahlhas, Johann Baptist von: Heinrich von Anjou, Leipzig 1819 - Thassilo II., Herzog von Baiern, Leipzig 1820 - Marie Louise von Orleans. Schauspiel in fünf Aufzügen, Bremen 1824 - Jakobe von Baden. Schauspiel in fünf Aufzügen nebst einem Vorspiel, genannt: Die Verlobung, Darmstadt 1833 Zedlitz, Joseph Christian von: Dramatische Werke, Stuttgart i860 - Turturell. Tragisches Mährchen in fünf Handlungen (1834, i.Fs.1821), in: Zedlitz i860 - Kerker und Krone (1834), in: Zedlitz i860 - Herr und Sklave. Trauerspiel in zwei Aufzügen (183 j), in: Zedlitz i860 Zschokke, Heinrich: Die eiserne Larve. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, in: Neuste deutsche Schaubühne, 1804, Bd. 3 - Der Marschall von Sachsen. Ein Schauspiel in 4 Aufzügen, in: Neuste deutsche Schaubühne, 1804, Bd. j (Anonym): Prometheus. Tragödie vom Verf. des Abelard. Osnabrück 1836 (Anonym): Heinrich der Vierte, König von Frankreich und Navarra. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, in: Deutsche Schaubühne, 1 8 1 2 , Bd. 9
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