Der Wechselburger Lettner: Forschungen und Denkmalpflege [Reprint 2022 ed.] 9783112613764, 9783112613757


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German Pages 292 [295] Year 1983

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Der Wechselburger Lettner: Forschungen und Denkmalpflege [Reprint 2022 ed.]
 9783112613764, 9783112613757

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Schriften zur Denkmalpflege in der Deutschen Demokratischen Republik

Herausgegeben vom Institut für Denkmalpflege Berlin

ELISABETH HÜTTER . H E I N R I C H M A G I R I U S

DER WECHSELBURGER LETTNER F O R S C H U N G E N UND D E N K M A L P F L E G E

1983

HERMANN BÖHLAUS N A C H F O L G E R • WEIMAR

Archäologische Untersuchungen und Forschungen unter Mitarbeit von l G Ü N T E R KAVACS

Beiträge von LOTHAR G O N S C H O R HELMUT MATERNA

Zeichnungen und Pläne LOTHAR G O N S C H O R GÜNTER KAVACS DIETER Z U B E R

Frontispiz, 441 z.T. farbige Abbildungen, 4 Beilagen

Frontispiz: Innenraum der Stiftskirche Wechselburg nach Osten mit dem wiederaufgerichteten Lettner

Copyright 1982 by Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar LSV 8128 272-140/203/82 Printed in the German Democratic Republic Gestaltung: Helmut Becher, Jena Klischeeherstellung: Interdruck Leipzig Satz und Druck: Druckhaus Kothen Druck der Beilagen: Druckerei Fortschritt Erfurt und Richard Kretzschmar, Gehren Bindearbeit: VEB Druckhaus »Maxim Gorki« Altenburg L.-Nr. 2552 Bestell.-Nr. 795 660 8 DDR 92,- M

Inhaltsverzeichnis /

Vorwort

7

Geschichte und Gestalt der ehemaligen Stiftskirche

9

Die archäologischen Forschungen zum Lettner

23

I. Die Entdeckung des Lettners im 19. Jahrhundert. Rekonstruktionsversuche bis 1950 II. Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen von Herbert Küas und Hans-Joachim 1953-1958 im Hinblick auf Standort und Aussehen des Lettners

23 Krause

III. Die archäologischen Untersuchungen des Instituts für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Dresden, 1966-1972 . . 1. Motivation und Verlauf 2. Die Ergebnisse der Untersuchungen a) Die Ausgrabungen im Lettnerbereich 1971 b) Die Untersuchungen an den Werksteinen und Bildwerken. Farbuntersuchungen. Katalog der Werksteine und Holzbildwerke c) Folgerungen im Hinblick auf die Zusammengehörigkeit der Lettnerwerksteine Der Zustand der Lettnerteile nach 1871/1873 im Verhältnis zum vorhergehenden Zustand von 1680/1690 Der barocke Zustand der Lettnerteile in seinem Verhältnis zum vermutlichen mittelalterlichen Zustand 3. Archäologische Argumente bei der Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes des Lettners a) Stellung auf den ergrabenen Fundamenten, Breiten- und Tiefenentwicklung b) Die Zusammengehörigkeit von Werksteinen im Untergeschoß c) Die Zusammengehörigkeit von Werksteinen im Obergeschoß d) Die Zusammengehörigkeit der Werksteine am Kleeblattbogen e) Die Zusammengehörigkeit der Werksteine am Kanzelziborium 4. Strukturelle, typologische und ikonographische Argumente bei der Rekonstruktion des Lettners 5. Ergebnisse der Farbuntersuchungen a) Mikroanalytische Untersuchungen der Pigmente und Bindemittel im Zusammenhang mit ihrem Schichtenaufbau. Von Helmut Materna b) Die Farbfassungen der Triumphkreuzgruppe und des Lettners und ihre kunstgeschichtliche Bedeutung

38 45 45 47 47 57 138 138 147 151 151 151 153 153 154 160 166 166 167

Die architektonische Gestaltung des Lettners. Ikonologische Aspekte

184

Die Skulpturen des Wechselburger Lettners und der Kreuzigungsgruppe in ihren Bezügen zur Kunst der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Sachsen

193

Zur Ikonographie des Lettners 1. Zur mittelalterlichen Ikonographie 2. Zur Ikonographie des barocken Zustandes (1678-1693) 3. Zur Ikonographie der historistischen Restaurierung (1871-1878). Ein Kapitel der Denkmalpflege des 19. Jahrhunderts in Sachsen

237 237 245

Der denkmalpflegerische Aktus Wiederaufrichtung des Wechselburger Lettners in den Jahren 1971/1972 1. Motive, Zielstellungen und Durchführung 2. Die konstruktive Lösung. Von Lothar Gonschor

255 255 272

Epilog

283

Verzeichnis der Literatur

284

Planautoren, Fotonachweis, Reproduktionen

292

4 Beilagen

247

Vorwort

Nach annähernd zwanzigjähriger denkmalpflegerischer und forschender Tätigkeit am Wechselburger Lettner ist uns die Konzeption und Niederschrift der vorliegenden Veröffentlichung nicht leicht gefallen. Unsere eigene Tätigkeit war zeitlich und inhaltlich eng verzahnt mit den Forschungen von Herbert Küas und Hans-Joachim Krause, die im Rahmen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Arbeitsstelle f ü r Kunstgeschichte, bereits zwei umfangreiche Bände über Wechselburg in der Reihe „Corpus der romanischen Kunst im sächsisch-thüringischen Gebiet" publiziert haben. Der dritte, von Herbert K ü a s zu bearbeitende Band über den Lettner steht noch aus. Wenn wir trotz mancher Lücken unseres Wissensstandes es dennoch wagen, eine eigene Publikation zu dem Thema vorzulegen, dann vor allem im Bewußtsein einer Rechenschaftslegung unseres eigenen denkmalpflegerischen „Haushaltens". Wir sind der Überzeugung, daß auch wir in dieser schwierigen Sache nicht das letzte Wort zu sagen haben. Das hat viele Gründe. Die Forschungen mußten sich dem Rhythmus der überwiegend denkmalpflegerischen Praxis ein- und oft auch unterordnen. Manche heute gängige wissenschaftlich-technische Methode war zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht verfügbar. Auch unsere kunsthistorischen Horizonte blieben beschränkt. Trotz alledem sind wir der Hoffnung, daß die Berichterstattung des Untersuchten und Geleisteten für sich selbst sprechen und für das Verständnis des Kunstwerkes von Bedeutung sein und bleiben wird.

Es ist uns ein Bedürfnis, vor allem denen zu danken, die durch mehr als ein Jahrzehnt die Arbeit nicht nur durch Zeichnungen belegt, sondern auch geistig mit getragen haben, nämlich den Herren Günter Kavacs, Dipl.-Ing. Lothar Gonschor und Dieter Zuber. Insbesondere Günter Kavacs hat maßgeblichen Anteil an den archäologischen Forschungen. An farbarchäologischen Untersuchungen haben die Herren Restauratoren Wolf-Günter Pietsch und Matthias Schulz mitgewirkt. Herr Dr. Fritz Löffler hat uns viele Jahre lang seinen ermutigenden Beistand geleistet. Der Leitung des Instituts f ü r Denkmalpflege, insbesondere dem Chefkonservator der Arbeitsstelle Dresden, Herrn Professor Dr.-Ing. Hans Nadler, und der Leiterin der Abteilung Kunstwissenschaften des Instituts für Denkmalpflege in der D D R , Frau Dipl. phil. Ute Schwarzzenberger, haben wir f ü r ihre großzügige Unterstützung zu danken. Herr Dr. Hans Müller übernahm dankenswerterweise die Mühe der redaktionellen Betreuung. An der Bearbeitung der Register wirkte Herr Bibliothekar Gerd Kleber mit. Frau Christfriede Besser schrieb mit Umsicht das Satzmanuskript. Das Fotomaterial wurde von Frau Brigitte Kubisch sorgfältig bereitgestellt. Frau Fotografin Waltraud Rabich fertigte die Mehrzahl der Bildvorlagen. Unser Dank gilt schließlich auch dem Verlag H e r m a n n Böhlaus Nachfolger in Weimar und seiner Leiterin, Frau Dr. Leiva Petersen, die sich der Publikation wieder gewidmet hat. Das Manuskript wurde im November 1980 abgeschlossen.

Geschichte und Gestalt der ehemaligen Stiftskirche1

In einer Urkunde des Bischofs Gerung von Meißen, ausgestellt am 12. November 1168, ist von der Gründung eines Stifts durch Graf Dedo von Rochlitz die Rede. Das in seinem Bistum gelegene Kloster wurde der Aufsicht des Propstes Ekkehard vom Lauterberg, dem Petersberg bei Halle, übergeben. Den bereits begonnenen Bau der Kirche weihte Bischof Gerung „in honorem sancte et victoriosissime crucis et beate dei genitricis et semper virginis Marie sanctique Johannis apostoli et evangeliste." Gleichzeitig wurde das Stift mit Gütern reich ausgestattet. Im Jahre 1174 verbriefte Graf Dedo diese Güter dem Kanonikerstift der AugustinerChorherren. Auch die Chronik des Klosters auf dem Petersberg berichtet zu diesen Jahren von der Stiftung des „monasterium Cillense", des Kloster Zschillen. Als erster Propst fungierte der Kanoniker Dietrich vom Lauterberg; das heißt in diesem Jahre wird auch der Konvent in Zschillen eingezogen sein. Diese Urkunden und Nachrichten markieren wichtige Etappen der Entstehungsgeschichte der Stiftskirche und des Stifts Zschillen, das erst nach der Reformation Wechselburg genannt wurde. Der Wettiner Graf Dedo war der dritte Sohn des Markgrafen von Meißen, Konrad von Wettin. Nach dessen Tod 1156 wurden die wettinischen Lande geteilt; Dedo erbte den Gau Rochlitz, nannte sich aber als Erbe der Grafschaft Groitzsch „Graf", nach der Erwerbung der Niederlausitz 1185 „Markgraf". Seine Residenz war die ins 10. Jahrhundert zurückreichende, ehemals königliche Burg Rochlitz im Mittelpunkt eines kleinen Slawengaues „Rochelez". Hier baute sich Dedo nach dem Vorbild der anderen Feudalmächte und insbesondere seinen Brüdern folgend, eine „Landesherrschaft" auf. Dazu gehörte neben dem „Landesausbau", der verstärkten bäuerlichen Besiedlung und den Neugründungen von Dörfern in südöstlicher Richtung gegen das Erzgebirge hin, auch die Stiftung eines „Hausklosters". Dieses sollte der geistlich-kulturelle Mittelpunkt ihres Territoriums werden und als ihre Grablege dienen. Während Dedos Brüder Zisterzienserklöster gründeten, Markgraf Otto das Kloster Altzella, Markgraf Dietrich Doberlug, wandte sich Dedo an das Augustiner-Chorherrenstift auf dem Petersberg, das einst sein Vater Konrad als Familienkloster gegründet hatte. Man darf annehmen, daß Dedo damit von vornherein bestimmte kirchenpolitische Ziele verfolgte. Während

sich nämlich die Zisterzienser von der Seelsorge fernhielten, legte der Klerikerorden der Augustiner-Chorherren besonderen Wert auf die Pfarrseelsorge, auf die Gastlichkeit und die Krankenpflege. Damit eignete er sich für die Betreuung der Pfarreien in den umliegenden Orten, wo gleichzeitig Kirchen gebaut wurden und konnte so dort wirksam eingesetzt werden, wo es damals an gebildeten Geistlichen noch weithin fehlte. Der Gau Rochlitz gehörte in seinem westlichen Teil zum Bistum Merseburg, in seinem östlichen Teil zum Bistum Meißen; die Zwickauer Mulde bildete die Grenze. Graf Dedo strebte die kirchliche Verwaltungseinheit unter der Aufsicht seines neugegründeten Stifts Zschillen an. Da selbstverständlich die Gründung eines neuen Bistums nicht in Frage kam, wurde 1186 ein Archidiakonat, ein kirchliches Verwaltungsamt eingerichtet, das den zuständigen Bischöfen weitgehende Befugnisse, aber auch Pflichten abnahm. Im Unterschied zu den Klosterkirchen anderer Orden, z. B. der Zisterzienser, besaß die Stiftskirche selbst Pfarrechte (Taufe, Bestattung, Krankenbesuch und Predigt). Aber auch an der weiteren Besiedlung des Landgebietes, besonders im Osten und Südosten hatte das Kloster Anteil, wie die Stiftungen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts zeigen. An der Intensivierung der Landwirtschaft war das Stift im eigenen Interesse beteiligt. Zu den Motiven für die Stiftung des Klosters gehört schließlich die Bestimmung, daß seine Familie hier begraben und der Fürbitte des Konvents teilhaftig werden sollte. Tatsächlich wurden die Gemahlin des Stifters, Mechthildis (gest. 1189), und der Stifter Dedo (gest. 1190) sowie seine Söhne Dietrich (gest. 1207) und Konrad (gest. 1210) in der Stiftskirche begraben, vielleicht auch schon Dedos jüngste Söhne Heinrich und Goswin, die zwischen 1175 und 1190 gestorben sind. Obwohl die genannten Urkunden über die Baugeschichte unmittelbar nichts aussagen, lassen sie doch einige Schlüsse zu. Die feierliche Weihe durch Bischof Gerung 1168 erfolgte in einem bereits begonnenen Bauteil, der Raum genug bot, die 1 Die geschichtlichen Darlegungen und kunsthistorischen Erläuterungen zum Wechselburger Kirchenbau fußen auf den Publikationen von Herbert Küas und Hans-Joachim Krause, 1968 und 1972 [70] und [73], Im Hinblick auf den einführenden Charakter dieses Kapitels wird auf weitere Anmerkungen verzichtet. Vgl. im übrigen die Literatur zur Geschichte von Zschillen-Wechselburg [1-38].

10

GESCHICHTE UND GESTALT DER EHEMALIGEN STIFTSKIRCHE

anwesenden

geistlichen

und weltlichen

Würdenträger

zu

fassen. I m Wortlaut der U r k u n d e v o n 1174 wird v o m Bau

von

d e m barocken S c h l o ß b a u

a u f g e n o m m e n w o r d e n ist

(2)i. A l s Ansichtsseiten b o t e n sich also seit e h und je insbe-

und der W e i h e der Kirche in der Yergangenheitsform ge-

sondere die Ost- und N o r d s e i t e u n d in geringerem M a ß e die

sprochen. Möglicherweise war sie aber n o c h im Bau, als der

Westseite d e m Besucher dar, denn der Sporn erstreckt sich

Lauterberger K o n v e n t in Zschillen einzog. D i e Begräbnisse

n a c h Osten. D a die Klausur gewiß stets nur v o n W e s t e n her

des Stifterpaares konnten d a n n in einem bereits fertigen

zugänglich war, war der erste Eindruck auf die Ostpartie

Bauwerk

konzentriert (3,4).

erfolgen.

Die

Analyse

Mauerwerksuntersuchungen

der

spricht

Fundaments-

ebenfalls

für

und einen

Ein Z u g a n g liegt im nördlichen Querhaus-

arm. D e m D o p p e l p o r t a l a m Nordseitenschiff ist eine Vor-

zügigen Bauablauf. Zuerst wurden die Ostteile einschließ-

halle u n d seit d e m späteren Mittelalter eine Toranlage z u

lich der Vierung und der Querhausarme fundamentiert und

einem Wirtschaftshof vorgelagert (5, 7). D a g e g e n blieb die

baulich in zwei Etappen, markiert durch einen

Wechsel

Westturmanlage ohne einen Eingang v o n W e s t e n (5). U n g e -

der Bauformen, aufgeführt. Sehr wahrscheinlich waren sie

achtet der eigenartigen topographischen G e g e b e n h e i t e n ver-

fertig, als die W e i h e 1168 erfolgte. Es folgte der Westbau,

tritt aber der B a u der Stiftskirche einen Idealtypus der H o c h -

dessen F u n d a m e n t e mit denen der N o r d s c h i f f w a n d in Ver-

u n d S p ä t r o m a n i k : Es handelt sich u m eine dreischiffige

bindung stehen, a m E n d e wurde das Langhaus „eingehängt".

Basilika mit kreuzförmigen Ostteilen - etwa quadratischer

Hier ist aber die Formensprache so ähnlich, d a ß eine zügige

Vierung

D u r c h f ü h r u n g bis gegen 1180 wahrscheinlich ist. Zuletzt

apsis u n d ehemals zwei A p s i d e n an den

wurden offensichtlich die Seitenschiffswände u n d die N o r d -

(14). D i e südliche ist in der Barockzeit abgerissen u n d seit

vorhalle errichtet, im A n s c h l u ß an den Kirchenbau erst die

dem

Konventsbauten.

N i s c h e angedeutet, die nördliche ist v o n A n f a n g an durch

D i e Stiftskirche zu Wechselburg liegt auf d e m höchsten

und

Querhausarmen,

19. Jahrhundert

Sanktuarium

mit

Haupt-

Querhausarmen

nur im Inneren durch eine

flache

eine etwa quadratische Sakristei nördlich des Sanktuariums

P u n k t eines Bergsporns, der an drei Seiten v o n der Zwickauer

u m b a u t (5). V o n der Westturmanlage sind nur die Unter-

M u l d e umflossen ist ( / ) . D i e Lage entspricht der v o n früh-

geschosse erhalten. Sie sind durch ein Satteldach quer z u m

deutschen

D a c h des Hauptschiffs abgedeckt (5).

Höhenburgen.

Eine

ältere

Burganlage

ist

im

Stiftsbereich aber nicht nachgewiesen; es fehlen ältere Sied-

D i e Stiftskirche zu Wechselburg ist ein geputzter Bruch-

lungsspuren ganz und gar. D i e Kirche erhebt sich nörd-

steinbau

lich des Quadrums der K o n v e n t s b a u t e n , deren Grundriß

Schaufront ist die Ostseite des Sanktuariums und insbeson-

1 Wechselburg. Luftbild um 1930

mit

Gliederungen

in

Rochlitzer

Porphyr.

Als

G E S C H I C H T E UND G E S T A L T DER EHEMALIGEN S T I F T S K I R C H E

11

2 Wechselburg. Stiftskirche und Schloß, Lageplan

100m

dere die Hauptapsis ausgezeichnet und gegliedert (6). Ihre Zweigeschossigkeit bezieht sich maßlich nicht auf die innere Aufteilung in Krypta mit darüberliegendem Hochchor. Durch die Gliederung in fünf Wandfelder mit profilierten Lisenen unten und Halbsäulen oben - jeweils durch Rundbogenfriese unter den Gesimsen miteinander verbunden und die in die Gewände der oberen Fenster eingestellten Säulen sowie durch Bauplastik wird die Würde der Apsis als Stätte des Hauptaltars architektonisch gekennzeichnet. Ein stark profilierter und mit figürlicher Plastik versehener Vierpaß betont das zurückliegende Feld des Ostgiebels. Dieses wie auch die oberen Teile von Sanktuarium und Querhausarmen sind schon das Ergebnis einer zweiten Bauetappe, in der das Prinzip der Wandgliederung, wie es am Unterteil der Apsis angewendet wurde, weitergeführt erscheint. Am Westturm und am Langhaus ist diese durch Rundbogenfriese abgeschlossene Felderung formal weiter systematisiert (5). Von besonderer Schönheit ist die Westfront der vollständig in Porphyrwerkstein ausgeführten Turmanlage, wo - entsprechend der Langhausgliederung der Basilika - dem gelagerten und „geschlossenen" Untergeschoß ein gestreckteres folgt. Gegenüber den zwei seitlichen Türmen tritt der Mittelteil leicht zurück. Hier sitzt in einem vertieften quadratischen Feld ein großes Rundfenster als beherrschendes Architekturmotiv. Das Abschlußgesims wurde hier nach oben ausgeklinkt. Das nächste Turmgeschoß ist nur noch m Ansatz vorhanden: ein Glockengeschoß verklammert

zwei polygonale Türme, die sich oberhalb desselben als Achtecktürme frei entwickelt haben müssen. Wohl durch einen Brand im 15. Jahrhundert in Mitleidenschaft gezogen, wurden sie in der Zeit der Spätgotik auf den heutigen Bestand reduziert. An der Nordseite ist die zweijochige Vorhalle vor zwei einander entsprechenden Portalen der architektonische Höhepunkt. Die kunstvollen Sockel, die schlank ornamentierten Schäfte, der vielfältige Reichtum der Kapitelle heben die reichgegliederte Säulenarchitektur nachdrücklich hervor (7). Die Bogenfelder sind mit symbolisch zu verstehender Tierplastik ausgezeichnet. Zweifellos stehen wir hier den baugeschichtlich jüngsten Teilen gegenüber. Die ursprüngliche Organisation des Innenraumes ist nur noch schwer ablesbar. Im Sanktuarium fehlt die ehemals dort vorhandene dreischiffige Krypta mit dem darüber befindlichen Hochchor und dem Hauptaltar, den einstmals die erhalten gebliebene Blendgalerie mit ihren schönen Kapitellen umgab (9). Desgleichen haben weder die Kryptafenster noch die Eingänge zur unteren und oberen Sakristei an der Nordwand des Sanktuariums heute noch einen architektonischen Sinn. Das Steinwerk der kreuzförmigen östlichen Vierungspfeiler setzt erst oberhalb der abgebrochenen Krypta an, denn diese war bis in die Vierung hineingezogen. Wenig günstig wirkt auch das Rippengewölbe im Sanktuarium, das 1871/72 anstelle eines massiven Kreuzgratgewölbes eingesetzt wurde. Auch die Gewölbe in der

12

GESCHICHTE U N D GESTALT DER EHEMALIGEN STIFTSKIRCHE

3 und 4 Stiftskirche von Nordost und von Osten Vierung u n d in den K r e u z a r m e n sind nicht ursprünglich, sie entstanden erst gegen 1420. D a s Langhausgewölbe - ein tief in den Obergaden hineinreichendes spätgotisches Rippennetz - zog m a n u m 1474 ein. Mit der ursprünglich höher gelegenen Flachdecke m u ß auch das Mittelschiff freier u n d m o n u m e n t a l e r gewirkt haben. Eine Vorstellung d a v o n vermittelt noch die Arkadenreihe mit massigen, an den Ecken kreuzweise unterschiedlich profilierten Pfeilern. Z u den altertümlichen Zügen der Stiftskirche gehört die Eigenart der noch nicht auf die Arkadenachsen bezogenen Obergadenfenster. Relativ u n b e r ü h r t blieben die R ä u m e in den Westtürmen. D e r nördliche besitzt drei Geschosse, die keine räumliche Verbindung mit dem L a n g h a u s besitzen. Dagegen ist der S ü d t u r m in zwei Geschossen zum L a n g h a u s hin geöffnet, im Obergeschoß d u r c h eine Spitzbogenöffnung zur E m p o r e hin. Diese n i m m t die Breite des Mittelschiffs ein. Sie r u h t auf einem zweijochigen Kreuzgewölbe, das wiederum von einer ornamentierten Mittelsäule getragen wird (12). Hinter derselben f ü h r t eine P f o r t e zu zwei Läufen einer Mauertreppe, die nördlich in die R ä u m e des N o r d turmes, südlich in den V o r r a u m zur Herrschaftsempore f ü h r t , denn u m eine solche handelt es sich hier. Auch das Kreuzgratgewölbe über dieser E m p o r e u n d das R u n d f e n s t e r sind romanischer Bestand. Trotz aller späteren Veränderungen u n d architektonischen Einbußen vermittelt der Tnnenraum d a n k seiner ruhig-gelagerten Proportionen, seiner kräftigen,

doch geschmeidig profilierten Glieder u n d d a n k des Reichtums seiner B a u o r n a m e n t i k einen f ü r das Gebiet östlich der Saale einzigartigen Eindruck eines romanischen Baues. Die kunstgeschichtliche Forschung vermochte Typologie und Stil des Baues näher zu bestimmen und so eine G r u n d l a g e f ü r die D a t i e r u n g zu schaffen. Die Disposition der Ostteile darf als „sächsisch" gelten. D a z u gehört auch die dreischiffige Hallenkrypta, die in Sachsen im 11. u n d 12. Jahrhundert vielfach anzutreffen, allerdings bei einem Bau der Augustiner-Chorherren nicht selbstverständlich ist. Nicht nur in dieser Eigenart ist Wechselburg der Stiftskirche in Riechenberg a m H a r z sehr verwandt. Hier findet sich auch der Eckzwickelraum u n d die doppelgeschossigen C h o r n e b e n räume. Verhältnismäßig ungebräuchlich ist in Niedersachsen die Pfeilerbasilika. F ü r die Zeit nach der J a h r h u n d e r t m i t t e ist charakteristisch, d a ß durch Profilierung der Pfeiler der in Sachsen übliche „StützenWechsel" angedeutet wird. D i e hier u n d a m A u ß e n b a u angewendeten Kantensäulchen sind sächsisches Allgemeingut. Altertümlich f ü r das dritte Viertel des 12. J a h r h u n d e r t s ist das Festhalten an der Flachdecke. Gleichzeitig konzipierte Bauten wie die Zisterzienserkirche in Altzella zeigten bereits ein Stützensystem, das sich auf die „ V o l l w ö l b u n g " des Baues bezog. Die baldachinartige H e r v o r h e b u n g des C h o r j o c h s u n d des Westjochs in Wechselburg gilt ikonologisch den zwei Schwerpunkten, dem K a n o n i k e r c h o r im Osten u n d der Herrschaftsempore

G E S C H I C H T E U N D G E S T A L T DER E H E M A L I G E N

STIFTSKIRCHE

im Westen.

Auch der charakteristische „ T u r m r i e g e l "

im

Sockelbildung. V o m Oberrhein stammt auch der a u f der

Westen

ein Ableger der

um

Empore

ist

Goslar-Braunschweig.

Nach

romanischen diesem Typus

Baukunst

läßt sich die

Turmanlage mit größter Wahrscheinlichkeit rekonstruieren.

im

Westbau

angewendete

Spitzbogen

und

das

große Rundfenster. W e n i g e r eindeutige Ergebnisse erbrachte die Untersuchung

Seitliche Vorhallen sind in romanischer Zeit in Deutschland

der Herkunft der B a u o r n a m e n t i k , deren

zwar keineswegs unüblich - am romanischen M e i ß n e r D o m

Vielfalt und Qualität schon immer bewundert worden ist.

außerordentliche

z . B . bestand eine derartige Anlage - , bemerkenswert „ m o -

F ü r viele Kapitelltypen wie dem korinthisierenden Kapitell,

d e r n " und französisch mutet die seitliche Öffnung derselben

dem

Palmettenkapitell

sowie

dem

Palmetten-Ringband-

Kapitell lassen sich V o r f o r m e n wieder im Harzraum nachD e r Wechsel der Wandgliederung an den Ostteilen bezeichnet stilgeschichtlich anderen Bauten

der

einen Wendepunkt,

wie er auch

Braunschweig-Goslar-Gruppe

an

nach-

weisen, wobei hier - wie auch in der Ornamentierung der Säulenschäfte -

den Bildungen in Königslutter

Vorbildhaftigkeit

zuzukommen

Saale-Mulde-Raum

mühelos

besondere

Deren

in

den

tigsten „ s ä c h s i s c h " beeinflußt, und zwar wieder direkt von

Anders steht es mit den Blattkapitellen mit

Riechenberg, aber auch von Königslutter. Dagegen gehört

ranken und K n o l l e n - B l a t t - K a p i t e l l e n , derentwegen Wechsel-

werden.

Überschlag-

die plastischere Gestaltung der Apsisgliederung der Neu-

burg

in

werkskirche in G o s l a r bereits einer stilgeschichtlich jüngeren

Zeit

der

Phase an. Im Unterschied zur äußeren Gestaltung verweist

datiert wurde. E i n e Ähnlichkeit zur B a u o r n a m e n t i k dieser

die

D o m e ist aber nicht gegeben, die stilistische Haltung ist

Blendarkatur

in

der

Hauptapsis

auf

oberrheinische

älteren Literatur „ s p ä t " ,

verfolgt

Weg

weisbar ist. D i e vornehme Apsisgliederung ist a m eindeu-

der

kann

scheint.

Dombauten

von

Magdeburg

das heißt in die und

Naumburg,

Gestaltungstendenzen

vollkommen anders. S o muß m a n versuchen, diese „früh-

beherrschen dann das architektonische Bild der Gliederung

g o t i s c h e n " Kapitelltypen von Nordfrankreich direkt abzu-

von Langhaus und W e s t b a u . D i e hier a m A u ß e n b a u aus-

leiten. Solche „ f r a n z ö s i s c h e n " Züge sind auch den Basen

Vorbilder (9). Diese oberrheinischen

schließlich angewendete F o r m der durch Karniese profilier-

in der Vorhalle eigen, wo der halbierte oder angeschnittene

ten Lisenen und Rundbogenfriese ist typisch für die W o r m s e r

Torus

Bauschule, insbesondere in Z u s a m m e n h a n g mit dem c h a r a k -

Andere Kapitelltypen wie Bandschleifen- und K r e u z b a n d -

teristischen „ H o r n a u s l a u f " . Dasselbe gilt für die feierliche

kapitelle gehören in das Formenrepertoire des elsaß-Iothrin-

bereits an

die frühgotischen

Tellerbasen

erinnert.

14

G E S C H I C H T E U N D G E S T A L T DER EHEMALIGEN S T I F T S K I R C H E

gischen Raumes. Die Analyse der Stilformen rechtfertigt die Datierung des Baues in das siebte u n d achte J a h r z e h n t des 12. J a h r h u n d e r t s , wobei sich die Vollendung n o c h lange hingezogen h a b e n k a n n . Die kunstlandschaftliche Sonderstellung der Stiftskirche zu Wechselburg wird verständlich, wenn m a n sich vor Augen f ü h r t , d a ß der kolonisatorische Neubeginn östlich der Saale nach der Mitte des 12. J a h r h u n d e r t s kulturelle Impulse aus den verschiedensten westlichen Regionen erhielt und d a ß auch im übrigen der meißnische R a u m keineswegs n u r Einflüsse aus Niedersachsen zeigt. Z w a r war Niedersachsen das nächstgelegene Gebiet mit einer eigenen kunstlandschaftlichen Tradition. Bauten wie die wenig jüngeren Zisterzienserkirchen in Altzella u n d D o b e r l u g sind aber als Gewölbebauten strukturell noch viel unmittelbarer als Wechselburg mit französischen u n d oberrheinischen Vorbildern verknüpft. D a s gilt auch f ü r die Marienkirche in Freiberg, die - u m 1180/ 1190 entstanden - als „ S c h u l b a u " von Wechselburg gelten k a n n , gleichzeitig aber als „ G r o ß g e w ö l b e b a u " die zisterziensischen Errungenschaften verwertet. N u r f ü r Wechselburg gilt aber, d a ß die F o r m e n s p r a c h e des Kirchenbaues im letzten Viertel des 12. J a h r h u n d e r t s einen kunstlandschaftlich bestimmbaren R a u m , nämlich das „ M u l d e n l a n d " , das Gebiet a m mittleren Lauf der Zwickauer Mulde u n d an

5 Stiftskirche und Torhaus von Nordwesten

der Chemnitz bestimmt. Ü b e r den Bereich des Archidiakonats Zschillen hinaus wird der Einfluß westlich bis ins Pleißenland, östlich bis n a c h Freiberg, Meißen und Dippoldiswalde f a ß b a r , wobei hier bestimmbare Eigenheiten bis in das zweite Viertel des 13. J a h r h u n d e r t s wirksam bleiben. A m ähnlichsten u n d zeitlich nächsten sind selbstverständlich die F o r m e n in der u n m i t t e l b a r e n N a c h b a r s c h a f t , a n der Burg u n d an der K u n i g u n d e n k i r c h e in Rochlitz, in Geithain, Rochsburg, Niedersteinbach, Wiederau, Penig u n d Auerswalde anzutreffen. Werkleute der Wechselburger B a u h ü t t e sind im Anschluß an den Bau der Stiftskirche bei der Errichtung von Stadt- u n d D o r f k i r c h e n des eben n e u besiedelten Landes tätig gewesen. Auch in Wechselburg selbst ist eine gewisse „ E n t w i c k l u n g " des einmal verwendeten Formengutes nachzuweisen. Die zweischiffigen K e l l e r r ä u m e im S ü d t r a k t sind über schweren spitzbogigen G u r t e n kreuzgratgewölbt. Bei Bauarbeiten im Ostflügel f a n d sich ein Pfeiler, der die Gewölbe eines ehemals quadratischen, mit vier Kreuzgewölben versehenen R a u m e s abstützte. Sein Sockel zeigt die stark ausschwingende Kehle. D e r T o r u s der attischen Basen der Ecksäulchen ist glatt geschnitten. Die K a pitelle sind kelchartig steiler als in der Kirche. A m K ä m p f e r gesims ist der R u n d s t a b birnförmig gespitzt. Ein ähnliches kelchförmiges Knollen-Blattkapitell wurde jüngst in der

6 Hauptapsis der Stiftskirche von Südosten

16

G E S C H I C H T E U N D G E S T A L T DER EHEMALIGEN S T I F T S K I R C H E

7 Doppelportal am Nordseitenschiff. Lithographie nach einer Zeichnung von G. W. Geyser d. J. 8 Vierung und südlicher Querhausarm nach Süden, im Vordergrund das Stiftergrabmal, rechts die Rückseite des Lettners 9 Presbyterium nach Osten

Rochlitzer Burg a u f g e f u n d e n . Alle diese Z ü g e schließen an die „ j ü n g s t e n " F o r m e n des K i r c h e n b a u e s an u n d f ü h r e n diese in R i c h t u n g auf den Stil des Wechselburger Lettners weiter, der z u m mindesten hinsichtlich seiner A r c h i t e k t u r f o r m e n in der T r a d i t i o n der W e c h s e l b u r g e r K u n s t des 12. J a h r h u n d e r t s steht. D e m Bau des Lettners u m 1235, seiner S k u l p t u r e n , seiner G e s t a l t u n d seiner Stellung im K i r c h e n r a u m sind die Ausf ü h r u n g e n dieses Buches gewidmet. A u c h die historischen F r a g e n , seine F u n k t i o n u n d die m u t m a ß l i c h e n Initiatoren zu seiner E r r i c h t u n g müssen a u s f ü h r l i c h b e h a n d e l t werden. I n diesem Z u s a m m e n h a n g wird auf die a u ß e r g e w ö h n l i c h e Gestalt des vierten Propstes von Zschillen, auf P r o p s t Wilhelm, eingegangen werden. In etwa dieser Zeit e n t s t a n d auch das G r a b m a l mit der figürlichen Darstellung des Stifterp a a r e s (8). Die G r ü n d e f ü r d a s E n d e des A u g u s t i n e r - C h o r h e r r e n Stifts u n d seine Ü b e r t r a g u n g an den D e u t s c h e n R i t t e r o r d e n im J a h r e 1278 sind historisch nicht eindeutig zu fassen. Jedenfalls w a r es die verfallene O r d e n s z u c h t , die Bischof W i t h e g o v o n M e i ß e n den A n l a ß gab, d a s Stift d e m von ihm favorisierten D e u t s c h e n O r d e n zu übergeben. Dieser gliederte Zschillen der Ordensbailei T h ü r i n g e n ein, übern a h m aber im übrigen alle R e c h t e und Pflichten der A u g u stiner, o b w o h l sie z . T . nicht mit seinen Idealen u n d Zielen übereinstimmten. N u r mit stilistischen A r g u m e n t e n läßt sich eine weitere wichtige B a u m a ß n a h m e datieren, die W ö l b u n g v o n Vierung u n d Q u e r h a u s a r m e n . Die Scheiben u m den Ringschlußstein mit den Plastiken der Symbole der vier Evangelisten u n d die Schlußsteinwappen in den Q u e r h a u s a r m e n - Meiß-

18

G E S C H I C H T E U N D G E S T A L T DER E H E M A L I G E N

n e r L ö w e u n d W a p p e n des H o c h m e i s t e r s d e s

Deutschen

O r d e n s - zeigen stilistische M e r k m a l e d e s W e i c h e n

STIFTSKIRCHE

hervor. Die Dachstühle und Dächer der Kirche w u r d e n neu

Stils.

gestaltet. D i e I n s c h r i f t a m R i n g s c h l u ß s t e i n d e s L a n g h a u s e s

D i e B a u m a ß n a h m e m u ß in die Zeit u m 1410/1420 d a t i e r t

weist ihn als B a u h e r r n d e r N e t z g e w ö l b e im J a h r e 1474 a u s .

w e r d e n (5). In d e r gleichen B a u p e r i o d e s c h u f m a n ein n o c h

D i e E i n w ö l b u n g mit e i n e m P a r a l l e l r i p p e n n e t z i m

Mittel-

bis ins 19. J a h r h u n d e r t h i n e i n e r h a l t e n e s

Sakramentshaus.

schiff ist d u r c h

tief h e r a b g e z o g e n e

Ansatz

Vielleicht e r f u h r d a m a l s d e r H o c h c h o r im S a n k t u a r i u m u n d

überschneidende

Rippen

in d e r V i e r u n g eine N e u g e s t a l t u n g . Bald d a n a c h h a t t e Zschil-

ist d e r h o h e A n s a t z d e r Q u e r r i p p e n , w o d u r c h segelartig steil

len u n t e r d e n H u s s i t e n z ü g e n zu leiden. F o l g e n s c h w e r

war

f ü r d e n B a u ein B r a n d im J a h r e 1450, d e m vielleicht a u c h

und

gekennzeichnet.

sich a m

Charakteristisch

ansteigende K a p p e n entstehen. Hier und am U m b a u

des

T o r h a u s e s - d e r S c h l u ß s t e i n n e n n t d a s J a h r 1476 - m a c h e n

die o b e r e n Teile d e r W e s t t ü r m e z u m O p f e r fielen. Als Bau-

sich Einflüsse v o m Stil d e r M e i ß n e r A l b r e c h t s b u r g A r n o l d s

h e r r t a t sich P r o p s t P e t e r Heller ( 1 4 7 4 — 1 4 8 3 )

von Westfalen bemerkbar. Die romanische Vorhalle wurde

10 Mittelschiff der Stiftskirche u m 1870 nach Westen

besonders

UESCHICHTE UND GESTALT DER EHEMALIGEN STIFTSKIRCHE

zur spätgotischen Kapelle umgewandelt. Wie ein Bauherr der Renaissance erneuerte Propst Heller auch das Kloster, baute Wirtschaftsgebäude und ließ ein äußeres Torhaus errichten. Unter den letzten Pröpsten entstand schließlich das „Kleine Schloß" westlich der Klausur. Durch die Säkularisierung des Deutschordenshauses Zschillen nach Visitationen in den Jahren 1539/1540 traten tiefgreifende Wandlungen in der Geschichte von Zschillen ein. Das 1543 mit allen Besitzungen an den Landesherrn gefallene Stift wechselte noch im gleichen Jahr seinen Besitzer. Der Landesherr Kurfürst Moritz überließ es tausch11 Mittelschiff der Stiftskirche um 1930 nach Westen

19

weise den muldenländischen Herren von Schönburg. Bei dieser Gelegenheit wurde Zschillen erstmalig „Wechselburg" genannt." Es war nun ein schönburgisches Amt und Sitz eines Schössers. Den Vorrang hatte aber die landwirtschaftliche Nutzung, die Klosterbauten waren durch Brände 1537 und 1557 in Mitleidenschaft gezogen. Die Kirche war profaniert und baulich offenbar in schlechtem Zustand. Als Pfarrkirche der kleinen Ortsgemeinde diente die ehemalige Spitalkapelle St. Otto, nach 1578 erneuert. Nach dem Brande des Schlosses Rochsburg benutzte Wolf III. Wechselburg zeitweise als Residenz. In den zwan-

20

G E S C H I C H T E U N D G E S T A L T DER EHEMALIGEN S T I F T S K I R C H E

ziger Jahren des 17. J a h r h u n d e r t s w o h n t e Christian von S c h ö n b u r g hier. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurde Wechselburg 1637 und 1640 geplündert. Seit 1665 wurde Wechselburg ständige Residenz der Linie F o r d e r glauchau-Wechselburg des Hauses Schönburg. Bis zur Enteignung im Zuge der Bodenreform 1945 hatte die gräfliche Familie hier ihren Wohnsitz und bestimmte das bauliche Gesicht von Kirche und nunmehrigem Schloß. Es lag im Zuge der Zeit, wenn sich Samuel Heinrich von Schönburg in den J a h r e n 1678-1693 in der alten Stiftskirche unter Leitung des Rochlitzer Ratsmaurermeisters Daniel Eckhardt eine barocke Schloßkirche einrichtete. Die D ä c h e r wurden erneuert und auf dem Satteldach des Westbaues ein Dachreiter, der sogenannte Seigerturm, errichtet. Die wesentlichsten B a u m a ß n a h m e n aber waren im Inneren der Abbruch der romanischen K r y p t a u n d die Einrichtung einer Familiengruft im C h o r (17, 28). Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Lettner abgebrochen u n d als A l t a r a u f b a u und Kanzel wiederverwendet. D a s Stiftergrabmal erhielt im Langhaus seinen neuen Platz. Die südliche Nebenapsis wurde abgebrochen und im südlichen Q u e r h a u s a r m eine H e r r s c h a f t s e m p o r e eingerichtet, die gegenüber ein P e n d a n t erhielt. Von besonderem Reiz w a r die A u s m a l u n g mit vegetabilischen Motiven in Weiß, G r a u u n d Blau. Ein neuer

Kanzeldeckel und eine Barockorgel vervollständigten die Ausstattung. Den A b s c h l u ß der barocken Bautätigkeit in Wechselburg bildete der Schloßneubau von 1753-1756 von J o h a n n Gottlieb O h n d o r f f wieder auf dem mittelalterlichen G r u n d r i ß des Klosters, n u n aber durch ein hohes M a n s a r d d a c h mit drei Reihen von Fenstern gekennzeichnet (/). D a s 19. J a h r h u n d e r t stand unter dem Zeichen der Wiederentdeckung der künstlerischen u n d geschichtlichen Werte des Mittelalters. In Wechselburg war es zunächst G r a f A l b a n von Schönburg, der 1829-1860 versuchte, schrittweise die ursprüngliche Gestalt der Stiftskirche wieder zur Geltung zu bringen. D e r G r a f war Mitglied der „ D e u t s c h e n Gesellschaft f ü r E r f o r s c h u n g vaterländischer A l t e r t h ü m e r in Leipzig" und durch Italienreisen der Kunstgeschichte aufgeschlossen. Dabei diente der damalige Stand der kunstwissenschaftlichen Forschungen als G r a d m e s s e r der b a u lichen Tätigkeit. Schrittweise wurde der R a u m „entbarockisiert" u n d e r f u h r eine A u s m a l u n g in Rotviolett f ü r die gegliederten Porphyrteile u n d hell Rosé f ü r die W ä n d e . Die G r a b p l a t t e n erhielten eine neuromanische T u m b a , das Westfenster w u r d e d u r c h A b r i ß der Barockorgel freigelegt (10, 29). Die zweite E t a p p e denkmalpflegerischer Arbeit unter Karl von Schönburg - 1871-1884 - ist getragen von

12 Mittelschiff der Stiftskirche nach Westen mit provisorisch aufgehängtem Kreuz, 1965

13 Mittelschiff der Stiftskirche nach Osten, 1965

21

G E S C H I C H T E U N D G E S T A L T DER EHEMALIGEN S T I F T S K I R C H E

den Stilidealen eines r o m a n t i s c h e n H i s t o r i s m u s u n d inspiriert durch die R ü c k v e r w a n d l u n g des Baues in eine katholische Schloßkirche der inzwischen konvertierten gräflichen F a milie ( / / , 30). D i e ersten M a ß n a h m e n waren d e r A b b r u c h der E m p o r e n in den Q u e r h a u s a r m e n u n d der W i e d e r a u f b a u der Südapsis als flacher Nische. Eine gründliche S a n i e r u n g d e r B a u s u b s t a n z der Ostteile schloß sich an. Im S a n k t u a r i u m w u r d e das schwere r o m a n i s c h e K r e u z gratgewölbe z u g u n s t e n eines leichten Rippengewölbes ausgewechselt. Dabei m u ß t e n Teile der Apsis und der Ostgiebel a b g e b a u t u n d neu a u f g e f ü h r t werden. In die S ü d w a n d des P r e s b y t e r i u m s w u r de die Ö f f n u n g eines kleinen g r ä f lichen O r a t o r i u m s eingebrochen. Auf die Ä n d e r u n g e n an der ehemaligen L e t t n e r s c h a u w a n d u n d an der Kanzel wird an a n d e r e r Stelle eingegangen. 1873 k o n n t e m a n die Ostteile nach E n t w ü r IM. fen des I n n s b r u c k e r P r o f e s s o r s Michael Stolz neu a u s m a l e n . In den folgenden J a h r e n schloß sich die E r n e u e r u n g des L a n g h a u s e s an. Entstellende An- u n d A u f b a u t e n an der N o r d s e i t e w u r d e n entfernt u n d die r o m a n i s c h e Vorhalle freigelegt. A u c h das Langhaus wurde mit neuen Fenstern versehen u n d v o n Tiroler M a l e r n mit Szenen eines großen mariologischekklesiologischen P r o g r a m m s ausgestattet. Im Z u s a m m e n h a n g mit den neuen Bildthemen an der L e t t n e r s c h a u w a n d wird auf die I k o n o g r a p h i e dieser Bemalung noch eingegangen werden.

W a l l f a h r t s k i r c h e z u m Heiligen K r e u z des Bistums D r e s d e n Meißen. N a c h A u s b e s s e r u n g der D a c h s c h ä d e n b e g a n n u n t e r m a ß geblicher Beteiligung des Instituts f ü r D e n k m a l p f l e g e D r e s d e n eine u m f a s s e n d e E r n e u e r u n g des I n n e n r a u m e s .

i

f '

c1

In diesem Z u s t a n d verblieb die Kirche bis 1945, als d u r c h M u n i tionssprengungen der a m e r i k a n i schen T r u p p e n schwere S c h ä d e n an der D a c h h a u t d e r K i r c h e u n d a n den F e n s t e r n e n t s t a n d e n . D u r c h Enteignung im Z u g e der B o d e n r e f o r m k a m d a s Schloß in die R e c h t s t r ä g e r s c h a f t des G e s u n d heitswesens und wird seither als S p e z i a l k r a n k e n h a u s genutzt. Die Kirche wurde dem Bischöflichen Stuhl des Bistums M e i ß e n übertragen. Sie dient als römischkatholische P f a r r k i r c h e und als

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22

G E S C H I C H T E U N D G E S T A L T DER EHEMALIGEN S T I F T S K I R C H E

I n f o l g e der Erschütterung u n d der teilweisen D u r c h f e u c h -

D i e s e s - w a s die A r c h i t e k t u r a n b e l a n g t - a u f d e m S t a t u s

t u n g hatten sich Teile des W a n d p u t z e s in der K i r c h e g e l ö s t ;

q u o ' v e r h a r r e n d e - , w a s die E r s c h e i n u n g a n l a n g t - auf „ M a -

die spätnazarenische A u s m a l u n g war beschädigt. A n eine

terialgerechtigkeit" orientierte Restaurierungsziel

Wiederherstellung des Z u s t a n d e s des 19. Jahrhunderts wurde

W i d e r s p r u c h derjenigen hervor, d e n e n bei a l l e m A b s t a n d z u

u m s o weniger gedacht, als a u c h die v o n Herbert K ü a s u n d

d e n historistischen R e s t a u r i e r u n g s i d e a l e n d e s 19. Jahrhun-

Hans-Joachim

baugeschichtlichen

derts durch die a r c h ä o l o g i s c h e n F o r s c h u n g e n b e w u ß t ge-

d a ß die glatt g e p u t z t e n u n d be-

w o r d e n war, d a ß eine s o l c h e „ E n t k l e i d u n g " d e s Materials

K r a u s e durchgeführten

F o r s c h u n g e n bestätigten,

malten W a n d f l ä c h e n der originalen O b e r f l ä c h e n b e h a n d l u n g

d e m Ziel mittelalterlicher

Kunst,

nicht entsprachen. D a s d e n k m a l p f l e g e r i s c h e Stilideal war auf

materieller G e g e b e n h e i t e n

anstrebt,

die D e m o n s t r a t i o n des roten R o c h l i t z e r Porphyrs a n d e n

wurde dringend die Frage gestellt, o b sich auf G r u n d der

Architekturgliederungen

F o r s c h u n g e n nicht d o c h eine bessere L ö s u n g für die A u f -

und

auf

ungestrichene,

bewegt

die eine

rief d e n

„Verklärung"

zuwiderläuft.

Zudem

geputzte W a n d f l ä c h e n ausgerichtet (12, 13). In d i e s e m Sinne

stellung v o n Lettner u n d T r i u m p h k r e u z g r u p p e finden lassen

wurden

k ö n n t e (14).

auch alle M a l e r e i e n u n d A u s s t a t t u n g s s t ü c k e

19. Jahrhunderts rungswerkstatt

entfernt. begann

Kreuzigungsgruppe

man

In die

abzunehmen

Jahrhunderts zu verändern (410).

der

Dresdner

späteren und

des

Restaurie-

Fassungen

der

d a s K r e u z des

19.

A u c h an der Lettnerschau-

U n t e r diesen d e n k m a l p f l e g e r i s c h e n

w o r d e n . Sie h a b e n m a ß g e b l i c h d a z u beigetragen, d a ß d i e Restaurierung

der fünfziger Jahre

korrigiert w u r d e . 2 )

w a n d sollten alle Farbschichten entfernt u n d die K r e u z i g u n g s gruppe im H o l z t o n am alten Ort wiederaufgestellt werden.

Aspekten

sind die in d i e s e m B u c h dargelegten F o r s c h u n g e n betrieben

2

Vgl. S. 255-265.

in prinzipieller

Weise

Die archäologischen Forschungen zum Lettner

I.

Die Entdeckung des Lettners im 19. Jahrhundert. Rekonstruktionsversuche bis 1950 Ludwig Puttrich und Carl Ludwig Stieglitz, denen das Verdienst zukommt, 1836 erstmals auf den besonderen künstlerischen Wert der Architektur und Skulptur der Wechselburger Stiftskirche aufmerksam gemacht zu haben 1 (15,16), verglichen die Kanzel mit „römischen A m b o n e n " (19). Sie stand damals - ein steinerner Unterbau mit zwei vorgesetzten romanischen Säulen, einem aus dem ursprünglichen Brüstungsrelief polygonal zusammengesetzten Kanzelkorb und einem hölzernen barocken Kanzeldeckel - in der ersten nördlichen Langhausarkade von Osten. An der Westseite des Unterbaues waren die Werksteine mit den Darstellungen von Kain und Abel angebracht (20). Puttrich erkannte die stilistische Zusammengehörigkeit des Kanzelreliefs mit den Figuren von Abraham und Melchisedek an der Innenseite der östlichen Vierungspfeiler und mit dem „Altargebäude" vor der Hauptapsis (21-23). Auch die Unstimmigkeiten seines architektonischen A u f b a u s beschrieb Puttrich wie nach ihm Ernst Förster genau, 2 zog daraus aber nicht die Konsequenzen, daß der „einzige Hauptaltar in Deutschland aus so früher Zeit" nicht einem „romanischen" Konzept entstammen könne (17, 18). Die richtige Erkenntnis wurde in den folgenden Jahrzehnten noch dadurch erschwert, daß Franz Kugler, Ernst Förster und Wilhelm Lübke die Überzeugung vertraten, 3 d a ß die Skulpturen an der Kanzel älter - mit dem Kirchenbau um 1170/1180 gleichzeitig oder doch am Anfang des 13. Jahrhunderts entstanden seien (26, 27), der „ A l t a r " mit der Kreuzigungsgruppe aber erst in der Zeit der Freiberger Goldenen Pforte (24, 25). Eduard Heuchler rekonstruierte 1862 noch unbefangen f ü r die Marienkirche zu Freiberg einen Altarbau und eine Kanzel, wie sie in Wechselburg seit der Barockzeit vorhanden waren 4 . Das Unbehagen an dem „ A l t a r b a u " hatte sich aber längst verstärkt. Dieser Eindruck schlug sich z.B. schon in Försters Feststellung 1851 nieder: „Bei der offenbaren Unvollständigkeit des Werkes ist der ganze Gedanke der Conzeption nicht wohl anzugeben." 5 Heinrich Otte - ein liturgiegeschichtlich interessierter Gelehrter - war dann der erste, der 1854 feststellte, daß „der mit Durchgängen versehene und mit Bildwerk geschmückte steinerne Altarbau in der Kirche zu Wechselburg vielleicht ursprünglich ein Lettner gewesen" sei. 6 In der vierten Auflage seines Handbuchs hat Franz Kugler diesen Gedanken aufgenommen. 7 Er charakterisierte den „Altar von Wechselburg" als „rei-

chen mit Bildwerk verzierten Arkadenbau", der . . . „ursprünglich für einen anderen Zweck (für den eines Lettners) bestimmt gewesen und erst später an seine gegenwärtige Stelle versetzt zu sein scheint" (28). Wieder ging Heinrich Otte einen Schritt weiter, wenn er 1862 die Skulpturen von Abraham und Melchisedek als ehemalige Bestandteile des Lettneraufbaues ansprach und 1874 die Vorblendung des Lettners vor die im Chor befindliche Krypta postulierte. 8 Im Jahre 1868 besuchte Pfarrer Moritz Meurer mit einer Gruppe kunstinteressierter Personen, worunter sich zwei Architekten befanden, die Schloßkirche. 9 Dem kirchbautheoretisch interessierten Moritz Meurer waren Fragen des Kirchenbaues und der Kunstgeschichte vertraut. N a c h seinen Angaben war die Kirche zu Callenberg im „altchristlichen Stil" errichtet worden. 1 0 Messungen an den Kanzelund Altarteilen - von der forschenden Phantasie geleitet führten ihn zu der richtigen Erkenntnis, daß der Lettner mit der Kanzel ursprünglich verbunden gewesen und daß die Kanzel der zweigeschossigen Schranke in der Mitte vorgelagert gewesen sein müsse (29). Seiner Meinung nach war der im Altaraufbau in der Mitte verwendete Blattbogen an der Vorderseite der Kanzel angebracht und trug die vorderen Kanzelbrüstungsplatten. Der Lettner entzog die im Chor ehemals befindliche Krypta und den darüber sich befindenden Mönchsaltar den Blicken der Gemeinde im Langhaus. Der Lettner mußte nach der Meinung Meurers der Familiengruft der Schönburger weichen. Die dafür in Frage kommenden Daten 1582 und 1683 konnten aber nach Meurers Meinung für den U m b a u nicht zutreffend sein, weil der A u f b a u als Altar und Kanzel „in geschmackvoller und mittelalterlich inspirierter Weise" erfolgt sei 1

Puttrich 1836-1843 [39], S. 17-18 u. 21-25. Förster, 1858 [85], S. 11-13 u. 41^14. 3 Förster 1851 [80], S. 100 u. 119-120; Kugler 1861 [77], S. 505 u. 548-550; Lübke, Wilhelm: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1863, S. 361-365. 4 Heuchler [88] 1862, S. 14 und 15. 5 Förster 1851 [80], S. 119-120. 6 Otte 1854 [83], S. 30. 7 Kugler 1861, [77] S. 505 und 548-550. 8 Otte 1862 [89], S. 31 u. 156-157; Otte 1874 [92], S. 537-538. 9 Mr. 1869 [44], Sp. 33-35. 10 Mai, Hartmut: Studien zum Kirchenbau des 19. Jahrhunderts. Habil.-Schr. Bereich Theologie Leipzig 1970 1. S. 101. 2

II. Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen von Herbert Küas und Hans-Joachim Krause 1953—1958 im Hinblick auf Standort und Aussehen des Lettners I m Z u g e der R e s t a u r i e r u n g des I n n e n r a u m e s der Stiftskirche seit 1952 stellte sich die denkmalpflegerische Frage, wie m a n mit d e m „ L e t t n e r a u f b a u " u n d der K r e u z i g u n g s g r u p p e v e r f a h r e n sollte. D e m L a n d e s k o n s e r v a t o r D r . H a n s N a d l e r w a r von v o r n h e r e i n b e w u ß t , d a ß E n t s c h e i d u n g e n n u r auf der G r u n d l a g e v o n archäologischen U n t e r s u c h u n g e n gefällt w e r d e n k ö n n t e n . So b e a u f t r a g t e er schon 1951 D r . H e r b e r t K ü a s mit U n t e r s u c h u n g e n z u r Baugeschichte v o n Wechselburg, die aber zu diesem Z e i t p u n k t n o c h nicht in Angriff g e n o m m e n w e r d e n k o n n t e n . 1953 zeichnete der bauleitende A r c h i t e k t A r n o Kiesling eine „ L e t t n e r - R e k o n s t r u k t i o n auf G r u n d g e n a u e r U n t e r s u c h u n g " , eine breite, bis in die Querh a u s a r m e hineinreichende S c h a u w a n d vor den östlichen Vierungspfeilern mit zwei g r o ß e n , d a s Z i b o r i u m flankier e n d e n E i n g ä n g e n zur K r y p t a , neben d e n e n die Reliefs v o n A b r a h a m u n d Melchisedek a n g e b r a c h t sind (36). D a hinter f ü h r e n S t u f e n a n l a g e n z u m H o c h c h o r h i n a u f . Die vergrößerte S c h r a n k e n b r e i t e erzwingt eine Erweiterung des F i g u r e n p r o g r a m m s in den Blendnischen des Obergeschosses u m j e ein weitere Figur. U n t e r h a l b des als original angesehenen K l e e b l a t t b o g e n s f ü h r t eine T ü r ö f f n u n g z u r K a n z e l , flankiert von den Engelreliefs. D a ß derlei A r c h i t e k t u r p h a n t a s i e n keine wissenschaftliche G r u n d l a g e f ü r denkmalpflegerische E n t s c h e i d u n g e n abgeben k o n n t e n , war der D e n k m a l p f l e g e klar. Die n u n m e h r i g e Außenstelle des Instituts f ü r D e n k malpflege veranlaßte und finanzierte weitgehend die kunsthistorisch-archäologischen U n t e r s u c h u n g e n im gesamten B a u w ä h r e n d des Z e i t r a u m s von 1953-1958. Die ersten U n t e r s u c h u n g e n von September u n d D e z e m b e r 1953 f ü h r t e H a n s - J o a c h i m K r a u s e d u r c h , dem als Hilfsassistent a m K u n s t h i s t o r i s c h e n Institut der K a r l - M a r x - U n i v e r s i t ä t v o n Professor D r . H e i n z L a d e n d o r f die A u f g a b e gestellt w o r d e n war, „ d i e seit L. Giese geläufigen F a k t e n zur Baugeschighte u n d R e k o n s t r u k t i o n e n des Lettners einer kritischen P r ü f u n g zu u n t e r z i e h e n . " 1 Die spätere g e m e i n s a m e Arbeit mit Dr. H e r b e r t K ü a s e r g a b sich im Verlaufe der G r a b u n g e n . H e r b e r t K ü a s w a r seit J a h r e n mit den kunsthistorischen u n d a r c h ä o logischen Fragestellungen vertraut. I m J a h r e 1953 anderweit b e a n s p r u c h t , ü b e r n a h m es 1954 a u c h die G r a b u n g s l e i t u n g . H e r b e r t K ü a s u n d H a n s - J o a c h i m K r a u s e stellten später als M i t a r b e i t e r der D e u t s c h e n A k a d e m i e der Wissenschaften in Berlin die Ergebnisse in zwei m o n u m e n t a l e n C o r p u s b ä n d e n dar. Ein dritter über den Lettner soll folgen. 2

N o c h ehe K ü a s selbst die E n t d e c k u n g , d a ß der L e t t n e r nicht der K r y p t a w a n d vorgeblendet war, s o n d e r n v o r den westlichen Vierungspfeilern frei im R ä u m e stand, zeichnerisch darstellen k o n n t e , w u r d e i m J a h r e 1955 ein weiterer R e k o n s t r u k t i o n s v o r s c h l a g v o n A r n o Kiesling erarbeitet (37). D a b e i verwertete er b e s t i m m t e „ H ö r f r ü c h t e " v o n d e r G r a bungsstelle: D e r „zweischalige" Lettner wird m i t vorgelagertem Z i b o r i u m dargestellt. D e r als original e r k a n n t e K l e e b l a t t b o g e n e r h e b t sich ü b e r d e r r ü c k w ä r t i g e n M a u e r des Lettners. Eine gewisse F a r b i g k e i t wird angedeutet. I m J a h r e 1957 beschrieb H e r b e r t K ü a s die wesentlichen P u n k t e seiner E n t d e c k u n g s o : 3 „ I c h h a t t e s c h o n v o r d e m zweiten Weltkrieg Bedenken wegen der T r e p p e n l ö s u n g in d e m sehr beachtlichen R e k o n s t r u k t i o n s v e r s u c h v o n L. Giese g e ä u ß e r t u n d G r a b u n g e n erbeten. N u n b r a c h t e eine F l ä c h e n g r a b u n g das F u n d a m e n t der in die Vierung v o r s p r i n g e n d e n S t i r n m a u e r v o n K r y p t a u n d H o c h c h o r z u m Vorschein aber die K r y p t a t r e p p e b e f a n d sich an der Südseite! U n d als m a n t r o t z d e m n o c h eine r o m a n i s c h e M i t t e l t r e p p e z u r K r y p t a vermutete, k o n n t e ich d u r c h U n t e r s c h n e i d e n der b a r o c k e n G r u f t t r e p p e einwandfrei den u n v e r ä n d e r t e n r o m a nischen W a n d p u t z d e r K r y p t a an dieser Stelle nachweisen. Alle weiteren Versuche, den Lettner f ü r diesen S t a n d o r t zu rekonstruieren, k o n n t e n d e s h a l b nicht z u m Ziele f ü h r e n . M a n stelle sich die u r s p r ü n g l i c h e n r o m a n i s c h e n C h o r t r e p p e n vor, sie waren als stirnseitige T r e p p e n u n v e r e i n b a r mit den erhaltenen P o r p h y r w e r k s t ü c k e n des s p ä t r o m a n i s c h e n Lettn e r s ! Ich vollzog d a r a u f h i n gedanklich eine T r e n n u n g der beiden B a u k ö r p e r , was angesichts d e r allgemeinen u n d bisher z u n ä c h s t a u c h v o n mir unbezweifelten A n n a h m e eines K r y p t e n l e t t n e r s gewagt erschien, u n d sah plötzlich den v o n K r y p t a u n d H o c h c h o r gelösten Lettner an der Westseite der beiden westlichen Vierungspfeiler. T r o t z d e m m u ß t e es sich u m eine M a u e r k o n s t r u k t i o n a u s Pfeilern u n d Bogen h a n d e l n , vor d e r sich über d e m Laienaltar auf Säulen die v o n R u n d b o g e n getragene K a n z e l b e f a n d - ein M o t i v , d a s in variablen F a s s u n g e n auf d e u t s c h e m B o d e n ältere u n d j ü n g e r e V e r w a n d t e besaß.

1

Krause 1955 [61], Textband I, S. I I - I I I . Vgl. das Vorwort von Edgar Lehmann zum Bd. 1 des Corpuswerkes: Küas u. Krause 1968 [70]; vgl. auch Bd. 2. [73], 3 Küas 1958 [62], S. 83-88. 2

IR. U N T E R S U C H U N G E N 1 9 5 3 - 1 9 5 8

39

36 Lettnerrekonstruktion vor den östlichen Vierungspfeilern von Arno Kiesling 1953 Die vom Denkmalpfleger gebilligte neue Flächengrabung vor den westlichen Vierungspfeilern, die mit der Anlage von Schnitten u n d Einzelgräben kombiniert wurde, brachte die Bestätigung meines vorerst stark bezweifelten Rückschlusses - das Lettnerfundament mit zwei davorliegenden Einzelfundamenten f ü r den Kanzelunterbau wurde aufgedeckt (38, 39). Ein besonderer Umstand gestattete außerdem, den das Mittelschiff abgrenzenden, etwas vorspringenden Teil des Lettners von der Südseite her zu fassen. Eine komplizierte Sektion der Fundamente am Ostende des südlichen Seitenschiffs hatte u. a. gezeigt, daß zwischen dem Fundament des südwestlichen Vierungspfeilers und dem langgestreckten Fundament, auf dem die Pfeilerarchitektur der südlichen Mittelschiffsmauer steht, keine Verbindung vorhanden ist; unberührt liegt hier über dem gewachsenen Boden die im Laufe von Jahrtausenden entstandene Humusschicht. Indem diese Erdmasse vertikal reduziert wurde, war es möglich, sich an das Südende des Mittelteils des Lettnerfundaments heranzutasten, an dessen Oberfläche die Mörtelabdrücke von Ausgleichsplatten unter den Porphyrwerksteinen zu sehen war. Der spätromanische Baumeister hatte also sein Fundament in die Lücke zwischen die beiden romanischen Fundamente hineinschieben müssen; er tat dies jedoch nur so weit, als es nötig war, um für die Südwest-Ecke des Lettners festen Grund zu schaffen. Mit dieser Entdeckung waren die Unterlagen für neue Rekonstruktionsversuche gewonnen, die durch die inzwischen von mir durchgeführte Untersuchung und Abgrenzung der originalen Werksteine des Lettners in

37 Lettnerrekonstruktion vor den westlichen Vierungspfeilern von Arno Kiesling 1955 der Altarschauwand und in der Kanzel unterstützt wurden und die damit der ursprünglichen Situation n ä h e r k o m m e n . " Auf die in den Dokumentationsbänden und in den Corpuspublikationen beschriebenen Befunde - die Ermittlung einer dreischiffigen Krypta im Sanktuarium und deren westliche Abschlußwand, auf die Eigenart der Spannfundamente der Vierungspfeiler und die Gräber im Bereich von Vierung und Querhausarmen - braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. 4 Im Hinblick auf die spätromanische Lettneranlage sind aber folgende Ergebnisse noch einmal hervorzuheben: An der baueinheitlich mit der Krypta und der gesamten Kirche errichteten Kryptawestwand zeigten sich keinerlei Änderungen oder Fundamentzusätze, die im Falle der nachträglichen Anbiendung des spätromanischen Lettners zu finden gewesen sein müßten. Die rechteckigen Auskragungen des Oberfundaments gehören zu der ursprünglichen Bausubstanz, nicht etwa zu einer nachträglichen Veränderung. Im Vierungsbereich vor der Krypta zeigten sich keinerlei Spuren von Fundamenten für das Kanzelziborium, wohl aber ein „Mittelfundament", das in Ost-West-Richtung verläuft, nicht mit dem Spann4 Vgl. Küas und Krause 1966 [66] und die beiden Corpusbände [70] u. [73],

40

Archäologische Forschungen zum Lettner

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