Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz: Dresden, 1936 [Reprint 2020 ed.] 9783112366486, 9783112366479

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Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz: Dresden, 1936 [Reprint 2020 ed.]
 9783112366486, 9783112366479

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TAG FÜR DENKMALPFLEGE UND HEIMATSCHUTZ DRESDEN 1936 Tagungsbericht

Berlin 1938

DEUTSCHER KUNSTVERLAG

INHALT VORBEMERKUNG................................................................................................................... I ERSTER TAG

BEGRÜSSUNGSANSPRACHEN ................................................................... Z der Herren Landeshauptmann Haake, Ministerialrat D. Dr. ing. r. h. Hiecke, Hofrat Prof. Dr. phtl. h. e. Seyffert

NATUR UND TECHNIK IM DEUTSCHEN STRASSEN BAU

.

6

Architekt Alwin Seifert, München ZWEITER TAG

BEGRÜSSUNGSANSPRACHEN ................................................................. 19 der Herren Landeshauptmann Haake, Ministerialrat D. Dr. ing. e. h. Hiecke, Innen­ minister Dr. Fritsch, Dr. Klose

ERHALTUNG ODER UNTERGANG DES FACHWERKBAUES

27

Regierungsbaurat Siegfried Nagel, Dresden, Hauptkonservator Dr. Rudolf Pfister, München

DIE NATUR SCH UTZ GESETZGEBUNG DES REICHES Mit besonderer Berücksichtigung des Landschaftsschutzes



42

Dr. Hans Klose, Berlin

PFLEGE HISTORISCHER GARTENANLAGEN SÄCHSISCHE GARTENANLAGEN................................................. 60 Landespfleger Dr. Bachmann, Dresden, Gartenbirektor Schüttauf, Dresden

GRÜNFLÄCHENPOLITIK EINER GROSZSTADT dargestellt am Beispiel der Stadt Dresden. Oberbürgermeister Zörner, Dresden.

73

Mit 16 Abbildungen.

DRITTER TAG

DAS BUCH VOM DEUTSCHEN BAUERNHOF

85

Prof. Gustav Wolf, Berlin

AUS DER WERKSTATT EINES DENKMALPFLEGERS .

93

Provinzialkonservator Prof. Dr. Girsau, Hall«

DIE ALTSTADTSANIERUNG ALTSTADT UND VERKEHR.................................................................. 107 Architekt Wilhelm Heilig, Berlin

ALTSTADTSANIERUNG UND DENKMALPFLEGE

.

HO

DAS LANDESMUSEUM FÜR SÄCHSISCHE VOLKSKUNST .

Il8

Baurat Dr. Vogts, Köln

Hofrat Prof. Dr. O. Seyffert, Dresden

VOM WESEN UND WIRKEN DEUTSCHER DENKMALPFLEGE Ministerialrat D. Dr. Hiecke, Berlin.

Mit 71 Abbildungen.

125

VORBEMERKUNG Mit dem vorliegenden Bande übergebe ich ber öffentlichkeit den offiziellen Bericht beS

„TageS für Denkmalpflege und Heimatschutz Dresden 1936". Der Bericht nimmt eine alte Tradition wieder auf, die 1933 zu einem gewissen SMftanb kam. Inzwischen ist die völlige

Neuordnung der Kräfte eingetreten, die den „Deutschen Heimatbunb" als die sinngemäße Erweiterung des „Deutschen Bundes Heimatschutz" machwoll in Erscheinung treten läßt. Die Aufgabe beS früheren „TageS für Denkmalpflege und Heimatschutz" ist die gleiche geblieben, sie hat nur noch eine stärkere Ausprägung im Hinblick auf VolkStum und Hei­ mat erhalten. Der Prozeß der Neugestaltung der Organisation brachte eS mit sich, daß eine

Verzögerung in der Berichterstattung erfolgte. Das scheinbar Versäumte wirb hiermit nachgeholt mit dem stolzen Bewußtsein, daß die Erkenntnis und Erfahrung, die in Dres­ den gesammelt wurden, von bleibendem Wert für eine Heimatpflege der Tat sind. In Kürze werben die Bericht« über den „Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz

Münster 1937" und über den „Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz Hamburg 1938" folgen. ES wird somit wieder der Anschluß gefunden an die unmittelbare Gegenwart.

Der Druck dieses Bandes war nur möglich mit der finanziellen Unterstützung deS Herrn ReichSerziehungSministerS Rust, dem ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank sage.

So gehe denn dieser Band hinaus und schaffe mit Klarheit für alle die, welche heute ehrlich darum bemüht sind, die Kräfte beS VolkStumS und der Heimat dem Staate Adolf

HstlerS nutzbar zu machen.

Düsseldorf, November 1938.

Landeshauptmann der Rheinprovinz.

Vorsitzender deS Deutschen HeimatbunbeS.

I

1936

BEGRÜSSUNGSABEND IM FESTSAAL DES HYGIENE-MUSEUMS, SONNABEND, z. ORT. VorsitzenberbesDeulschenBunbeSHeimatschutz Landeshauptmann Hcinz Haake:

Als Vorsitzender des Deutschen Bundes Heimatschutz habe ich die Ehre, Sie alle, die Sie in so überreicher Anzahl aus dem ganzen Reich und dem Bruderlande Österreich hierher gekommen sind, am Vorabend des Erntedankfestes in der einzigartigen Kunststadt an der

Elbe, in der wir nun zum dritten Male Gast sein dürfen, herzlich nnllkommen zu heißen und den neuerstandenen Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz zu eröffnen.

Als wir uns zum letzten Male im Jahre 1933 in Kassel versammelten, sahen wir alle

voller Sorge in die Zukunft. Drohendes Unheil schien der Entwicklung des Deutschen Bun­

des Heimatschutz Einhalt zu gebieten und alles bas zu vernichten, waS wertvolle Teile unseres deutschen Volkes in mühe- und liebevoller jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut und behütet

hatten. Ich habe Ihnen damals in Kassel das Versprechen gegeben, mich mit dem ganzen Ge­

wicht meiner Person für die Erhaltung des Deutschen Bundes Heimatschutz «inzusetzen.

Wenn wir nun heute nach drei Jahren uns wieder zum ersten Male zusammenfinben können, so ist mir die stattliche Beteiligung von feiten hoher und höchster Behörden, der Par­

tei, Reichsstellen und Organisationen ein deutlicher Beweis, daß sich unsere Arbeit, die der Erhaltung und Erweiterung unseres Heimatraumes gewidmet ist, des Wohlwollens und Anerkennens von Staat und Partei erfreuen darf. Wir bienen Deutschland, indem wir mit

dafür Sorge tragen, jedem einzelnen Volksgenossen die Heimat wieder zu gewinnen. Wir

kämpfen gegen jede Willkür, die den Heimatraum zu schmälern sucht. In allem, waS wir tun, sehen wir nur Deutschland, sein Volk und unseren Führer. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht versäumen, allen meinen Mitarbeitern, die mir auch in den schwersten Zeiten stets tapfer, ritterlich und treu zur Seite gestanden haben,

meinen tiefgefühlten und herzlichen Dank zu sagen in meinem Namen, als auch im Namen der LanbeSvereine des Deutschen Bundes Heimasschutz.

In der Erkenntnis der großen Aufgaben sind wir heute hier zusammengekommen, um in gemeinsamer Arbeü uns neue Kraft zu weiteren Taten zu holen. Vorträge, Aussprachen, Führungen in stattlicher Fülle und reichem Wechsel dürften jedem einzelnen von unS etwas

geben, das er in seinem Wirkungsbereich nutzbringend wieder verwenden kann. Aber nicht

nur Erkenntnis wollen wir heute hier gewinnen, wir suchen auch die Kameradschaft beS Geistes. 3n diesem Sinne eröffne ich den Tag für Denkmalpflege und Heimasschutz 1936 in Dresden und gebe der Hoffnung Ausdruck, baß er recht gute Früchte zeitigen möge zum

Wohle unserer beusschen Heimat. D. Dr.-Jng. E.h. Hiecke, Leiter des Deusschen Denkmalpflegetages: NamenS des Deut­ schen Denkmalpflegetages, in dem sich die Fachvertteter in der Betreuung unserer geschieht-

4

liehen Kulturdenkmale zusammenschließen, vereine ich mich mit dem Herrn Vorsitzenden deü Deutschen Bundes Heimatschutz mit dem Ausdruck herzlichsten Willkommens und des

Dankes, baß unsere Einladung zu gemeinsamer Tagung einen so über Erwarten erfreu­

lichen Widerhall gefunden hat. Heimatschutz und Denkmalpflege gehören zusammen. Und wenn sich der Deutsche Bund Heimatschutz und der Deutsche Denkmalpflegetag auch der

Freiheit nicht begeben haben, gelegentlich über Sonderausgaben in getrennten Tagungen zu verhandeln, so sind sie doch innerlich unlösbar verbunden. Beide weihen sie sich dem Dienste am deutschen BolkStum, in der Erhaltung seiner Kraftquellen, Natur und Gesicht der Heimat, in der Pflege deS sichtbaren Kulturwerkes. Ost hat man im Verlaust beS jetzt

mehr als zojährigen Zusammenwirkens dieses Band mit einer Ehe verglichen. Heute fühlen

wir stärker denn je, daß eS vielmehr blutsverwandte Brüder sind, die, in gleicher Gesinnung und Einsatzfreube ihren verschiedenen Aufgaben nachgehend, zum Ganzen streben.

In diesem Gefühl der Gemeinschaft war eS uns ein selbstverständlicher Entschluß, dieser, nach der gemeinsamen Tagung in Kassel, ersten Großveranstaltung unS anzuschließen, und besonders steubig sind wir nach dieser herrlichen Stabt gekommen, an die unS älteste Be­

ziehungen knüpfen; in die Stabt mst der köstlich geschmückten Silhouette; in die Stabt, die sich so unvergleichlich schöne natürliche Reize und Bauten hat bewahren können; die so

wundervolle Kunstschätze höchsten Ranges birgt; in das Land Sachsen, bas sich seit langem eines Baupflegegesetzes erfreut, fest einigen Jahren eines Denkmalschutzgesetzes; baS unS zahlreiche Beispiele einer vorbildlichen Denkmalpflege bietet, von dem wir bei unseren Be­

sichtigungen vieles zu lernen hoffen. Und nicht zuletzt freuen wir unS, einmal nähere Füh­

lung zu gewinnen mit dem LanbeSverein Sächsischer Heimasschutz, der sich in so vorbild­ licher, unermeßlicher und selbstloser Arbest unendliche Verdienste um Heimatkultur er­

worben hat.

An dieser Stelle und in btsser Stunde ist eS mir aber ein zwingendes Gebot beS Herzens, beS Mannes zu gedenken, der viele Jahre ein Vorkämpfer auf unserem Denkmalpflegetag war: Cornelius Gurlitt, der hier in Kürze sein 87. Lebensjahr vollendet. Wir banken dem greisen Fosscher, der als Erster die Schätze beS sächsischen Barocks gehoben und unS

erschlossen hat, für sein stets mannhaftes und mussgeS Eintreten zum Schutze der beusschen Denkmale, sowie für die Anregungen, die er uns gegeben und senden ihm wärmste Grüße.

Wie bisse Tagung in der Öffentlichkeit von unseren Bestrebungen Zeugnis ablegen soll,

so hoffen wir zugleich, daß sie nicht nur für viele Fachgenoffen im engeren und weiteren Sinne Gegegenheit geben möge, neue Anregungen zu gewinnen und miteinander Fühlung zu nehmen zu fruchtbarem Gedankenaustausch; vielmehr wären wir glücklich, wenn unsere Zusammenkunft weithin wirken möge, um die Erkenntnis der unveräußerlichm nationalen Werte, die wir gemeinsam betreuen, und daS Gefühl der Verantwortung immer weiter zu

verbreitern und zu vertissen; der Verantwortung, die jeder Einzelne hierbei dem beusschen

Volke gegenüber zu tragen hat, denn auch zu unserem Teile sind wir im Ringen um die Er­

neuerung des deutschen Volkes Arbeitübeauftragte des Führers. Hofrat Professor Dr. phil. h. c. OSkar Seyffert: Der Landesverein Sächsisch« Heimatschutz begrüßt Sie alle herzlichst, insbesondere die Veranstalt« der heutigen Tagung,

den Deutschen Bund Heimatschutz und seinen Vorsitzenden, Herrn Landeshauptmann b« Rheinprovinz Haake, und den Deutschen Denkmalpflegetag und seinen Leit«, Herrn D.

Dr. e. h. Hiecke, Ministerialrat. Wie viele Tagungen, auch verwandte Tagungen habe ich

mitgemacht! Nun ist eS mir eine besondere Freud«, Sie hi« willkommen zu heißen. Heute gedenke ich besonders des TageS, an dem wir in Dresden unseren Deutschen Bund Heimat­

schutz begründeten. ES war d« 30. März im Jahre beS Heils 1904. Ja, eS war tatsächlich ein Tag beS Heils für unS, die wir unserem Leben einen «höhten Inhalt geben für uns«

Vat«land, dem wir und nun in gemeinschaftlich« Arbeit widmen können. Wir möchten Sie in Dresden und in Sachsen gern längere Zeit behalten, um Ihnen baS,

waS wir auf dem Gebiete des Heimatschutzes und d« Denkmalpflege an praktischen Werten geschaffen haben, froh und stolz zeigen zu können. Und nun ein herzliches Glückauf allen denen, die uns hi« Vorträge hallen, und denen, die sie anhören müssen. Ein Glückauf

allen unseren Kam«aben vom Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz. D« Landesverein Sächsisch« Heimatfchutz hat zu unser« Tagung ein Buch „Denkmal­

pflege, Heimatschutz und Naturschutz / Erfolge, Berichte, Wünsche" erscheinen lassen, baS uns« verehrt« Herr Direktor Schmidt zusammengestellt hat, und baS ich hiermll Herrn

Landeshauptmann Heinz Haake in tief« Dankbarkefl widme. Mag eS feinen Zweck «füllen: chm Freude zu machen und chn in sein« Heimat an die Männ« zu erinnern, die in Sachsen bemüht sind, die überkommenen Werte in Natur, Kultur und Kunst zu «hallen

und solchen Werten wefl«hin Geltung und Anerkennung zu verschaffen. Heinz Haake: Ich banke Ihnen vielmals für die liebenswürdigen freundlichen Worte b« Begrüßung, die Sie uns hi« gewidmet haben. Seien Sie versichert, baß ich diese Tagung

und Ihre liebenSwürdigm Worte in dankbar« Erinnerung behalten werbe. —

6

VORTRÄGE

NATUR UND TECHNIK IM DEUTSCHEN STRASSENBAU Architekt Alwin Seifert, Dozent für Gartengestaltung an der Technischen Hoch­

schule München. Der Vortrag wurde ohne Niederschrift gehalten; er behandelte folgende

Gebankengänge:

In unseren Tagen geht jenes Zeitalter zu Ende, das in den Geschichtsbüchern als „die Neuzeit" bezeichnet wirb. Die Welt ist in fiebriger Unruhe wie nicht mehr seit der Zeit der

großen Entdeckungen und Erfindungen, der Reformation und der Bauernkriege. Uner­

schütterlich Scheinendes stürzt heute wie damals, was gestern richtig war, ist heute be­

deutungslos, eine Umwertung aller Werte vollzieht sich, ein Umbruch auf allen Gebieten. Ein Vergleich jener Zeitwende mit unserer heutigen klärt vieles.

Die treibenden Kräfte deS Mittelalters lagen alle auf der Ebene deS Unbeweisbaren, Metaphysischen. GlaubenSbinge bewegten die Welt, glaubenshalber schlugen und erschlu­

gen sich die Völker, auS Glauben und für Glauben arbeitete und schuf jeder einzelne, ein­ gebunden in feste Gemeinschaften. Die Persönlichkeit galt nichts, die Gemeinde alles; wer Eigenes zu denken wagte, war ein Ketzer und wurde auSgemerzt.

Zwar sieht es so auS, als kämen erst in der Reformation Glaubenskämpfe zu ihrer

stärksten Bedeutung. In Wahrheit aber ist um 1500 Glauben auS einem Absoluten zu

einem Relativen geworden, auS Unbestreitbarem zu Umstrittenem. AuS einer Herzenskraft, die in sich ruhte, wirb er mehr und mehr Vorwand zu politischen Händeln, und Streit um

ihn wird der Welt zum Verderben, weil eben seine Zeit um ist. Die Welt deS Mittelalters war vom Herzen geleitet, die Neuzeit vom Verstand. DaS nur

zu Ahnende wirb ersetzt durch das Beweisbare; an die Stelle des Ganzen tritt der meßbare, wägbar«, zählbare Tell; waS hinter den Erscheinungen steht, geht verloren. Gläubigkeit wandelt sich hin in Materialismus, die Sphären und Wunder des Alls werben zu mecha­ nistischem Getriebe, die Lebewesen zu chemischen Formeln. In der Synthese deS Blutfarb­

stoffs glimmt der Homunkulus; die Ehrfurcht geht auS der Welt.

Naturwissenschaft und Technik sind die Sterne der neuen Jahrhunderte, bi« vorbrdeutungSvoll schon an ihrer Schwelle die großen Geister in ihren Bann ziehen. 3n den knappen

Eintragungen deS Tagebuchs seiner niederländischen Reise fällt Dürers bewegliche Klage

um den GotteSmann Martin Luther wohl sehr auS dem sonst fast nüchternen Rahmen. Aber weit mehr als aller Glaubensstreit bewegt ihn Technik: er hat ein Buch geschrieben

über Meßkunst und eins über Artilleriewesen. Lionardo da Vinci entwirft Maschinen und ringt mit der Verwirklichung deS Fliegens. Michelangelo ist Festungsbaumeister und zieht

Kanäle und Straßen. Matthias Grünewald wird mit der Wende der Gotik nicht ein Maler

7 der Renaissance wie Dürer, sondern Wasserbautechniker in Halle. Zu gleicher Zeit entstehen

in den Fuggern und Welfern die ersten großen Bankiers der neuen Zeit, tritt als Kapstal

und Wirtschaft inS helle Licht der Geschichte jene Macht, die zusammen mst der Technik daS 19. Jahrhundert zu seinem Glanze, aber auch zu seiner Auflösung getrieben hat.

DaS andere Leitmotiv der Neuzest ist Zerspaltung; Zerspaltung, bst den Glauben zerteilt in Bekenntnisse, bst Kirche in Konfessionen und Sekten, daS Voll in Stände und Klassen, die Berufe in Arbeitsgebiete von Spezialisten. Im Jubel der neuen Freihest des Individu­

ums beginnt sie — Alterius non sit, qui suus esse potest steht über dem in Kupfer ge­ stochenen Bilde des Paracelsus — und endet in der Zerriffenhest aller Gesellschaft rote jedes einzelnen. Der Schizoide, der in sich Zerspaltene ist das literarische Ideal des sttzten Jahr­

zehnts gewesen, und wer nicht mindestens zwei Seelen in seiner Brust hatte, der durfte

nicht mitreben. Drohte daS Mittelalter zu enden in unfruchtbarer Erstarrung, so mündete bst Neuzeit aus in Auflösung, in der Zerstörung aller Bindungen, in lebenSfeinblichen, seelenlosen

Materialismus. Heute wst damals regen sich auf allen Gebieten starke, stbendige Kräfte, dem Verhängnis zu wehren und die Geschichte und Geschicke der Menschheit in neue Bah­

nen zu stnken. Mit Schicksalsnotwendigkeit setzt, fortschreitend von einem zum andern, auf allen Gebieten der Umbruch ein.

An seinem tiefsten Sinn ist dieser Umbruch nichts anderes als der Beginn einer end­ gültigen Auseinandersetzung zwischen dem in der Anbetung des Meßbaren und Zählbaren

sich erschöpfenden westischen und bolschewistischen Materialismus auf der einen Seite, und auf der anderen einer Weltanschauung, zu deren Grundlagen dst ganz einfachen

Wahrheiten Seele, Glaube, Ehrfurcht, Heimat, Natur gehören. Sein oder Nichtsein beS deutschen Volkes und damit der arischen Menschheit überhaupt hängen davon ab, baß der

geistige Umbau alle LebenSgebstte erfaßt und sie wegführt von dem mechanischen Weltbild

von gestern. Dst Weltlage, bst diese Umkehr möglich macht, ist entwicklungsgeschichtlich be­ dingt und schicksalsgegeben. An unS ist eS, sie in rechttm Sinne zu nutzen, daS, waS fallen

will, auch noch zu stoßen und dem Heraufkommenden alle Wege zu ebnen.

Eine Umwertung aller Werte bahnt sich an. DaS Zählbare und Wägbare, das gestern noch das Absolute, das Unumstößliche war, ist heute sehr relativ geworben; absolut, un­

bedingt ist nur noch daö Unbeweisbare. Wst wachsen in ein Zestalter hinein, dem Reißbrett und Rechenschstber, rechnerischer Nutzerfolg und ziffernmäßige Ergstbigkest nicht mehr

oberste Götter sind. Wst wissen heute, daß ein Volk verkommen muß, dem nicht über die

nackte Notdurft und Notwendigkeit hinaus auch Dinge beS Herzens und Werte der Seele vermittelt werben. Wst sind heute überzeugt, baß jede Rechnung falsch ist, jede Verzinsung kurzlebig wstb, wenn wst nicht in unsere Arbest hinein diese unwägbaren Werte mit einzu­ bauen verstehen.

8

Wer heute etwas zu schaffen hat, baS über die Forderungen b«S TageS hinauSgeht und Jahrhunderten dienen soll, der muß deS Geistes dieser Jahrhunderte mehr als nur einen

Hauch verspürt haben. Er muß das Gesetz kennen, unter dem sie antreten und nach dem sie ablaufen werben. Sicher ist das eine, daß in einer Zeitwende wie der unsrigen etwas um so weniger dem tieferen Sinne der Zukunft gemäß sein kann, je mehr eS der Geisteshaltung von gestern entspricht. Doch geht es nicht an zu sagen: der rechnende Verstand und seine

Schöpfungen, Wirtschaft, Spezialisierung und Technik haben uns an den Rand des Ver­ derbens gebracht. Also werfen wir sie über Bord und fangen da wieder an, wo unsere Ahnen um 1500 aufhörten. DaS wäre mut- und sinnlos, und der ganze Weg von damals

wäre vergeblich gegangen. ES gibt kein Zurück im Leben der Völker und auch im Irrweg ist Sinn und Notwendigkeit der Entwicklung. Wir müssen nur heraus aus der Zerspaltung und der Zerteilung, müssen in allem und jedem die Schau über baS Ganze wiebergewinnen und Ganzheit im Denken und Handeln. Wir müssen wohl zurück zu dem vom Herzen und Glauben herkommenden innensichtigen und deshalb so nachtwanblerssch sicheren Schaffen unserer Voreltern, aber wir dürfen nichts aufgeben von dem, was wir an Schulung und

Schärfung b«S Verstandes in den letzten Menschenaltern gewonnen haben. Nicht darum kann Streit sein, ob Herz ober Hirn siegt; jedes hat sein Zeitalter gehabt, und jetzt geht

eS darum, daß Herz und Hirn gemeinsam schaffen. Wir müssen eS lernen, scharfes, nüchternes, technisches Denken zu verbinden mit ahnendem Erfassen, mit Fingerspitzen­ gefühl, mit Ehrfurcht vor jenen Werten, die jenseits liegen von Maß und Zahl, mit

Einfühlung in die großen Lebenszusammenhänge der ewigen Natur, in die hinein wir

unsere Werk« stellen. Fest auf dieser Erde müssen wir stehen, aber dennoch ad sidera tollere vultus. Im Lichte solcher Erkenntnis ergibt sich die zwingende Pflicht, baS Verhältnis, in dem

Natur und Technik bisher zueinanderstanben, von Grund auf umzugestalten.

ES ist nicht zu bestreit«», baß die Technik, in der sich auch die «»deren treibenden Kräfte deS 19. Jahrhunderts, Naturwissenschaften, Wirtschaft ut»b Spezialisierung zu großer Stoßkraft vereinigten, sich in ungeahMem Maße dessen, »vaS im Naturganzen meßbar und

zählbar ist, bemächtigt und mit seiner Hllfe Großartiges aufgebaut hat. Der Fehler dieser Technik unfc jener, die heute noch im Geiste von gestern arbeit«, rvar nur der, daß sie den Tell für baS Ganze setzte, baS Nichttvägbare, baS Unmeßbare als nicht vorhanden ansah

uttb die Natur als eine zufällige Ansammlung verschiedenster Dinge betrachtete, in der sie glaubte »»ach Belieben wirtschaften zu können. Die Nawr aber ist, von einer Handvoll

lebe»»biger Muttererde unb einem Wiesenfleck angefangen bis zum ganzen Weltall überall

ejn geschlossmer, lebender Organismus, in dem jedes einzelne kleinste Glied auf jedes andere abgestimmt ist unb jede Veränderung eines Teils auf alle übrigm sich auS-

»virkt. Alles Leben auf dieser Erbe hat Bestand nur auf der Gruichlage einer »mzer-

störten Harmonie des Naturganzen. Wo eine nur-technische Einstellung diese zerschlägt und bas nmthematisch-naturwiffenschastlich Erfaßbare an seine Stelle setzt, ist Untergang die Folge.

Beispiele dafür anzuführen ist nicht schwer; eines der erschütterndsten mag genügen: In­ mitten der vor wenigen Jahren noch reichsten amerikanischen Weizenanbaugebiete ist eine

Fläche von der Größe Deutschlands zu echter Wüste geworben, eine gleich große von Ver­ nichtung bedroht. In ungeheuren Staubstürmen zieht die fruchtbare Muttererde über den halben Kontinent, um sinnlos im Weltmeer zu versinken. 4000 Jahre brauchte die Natur,

um sie zu bilden; am ii.Mai 1934 allein flogen 300 Millionen Tons davon. Nichts anderes ist die Ursache als die hemmungslos mechanisierte Ackerbautechnik des ausgehenden 19. Jahrhunderts. „Die Natur vereinigt die Gegensätze zur Harmonie" ist ein Lehrsatz des großen Heraklit,

von dem baS andere große Wort stammt: „Der Kampf ist der Vater aller Dinge." Aber

wenn der Mensch mit rechnendem Verstand in diese Harmonie hineingreift statt mit ahnen­ der Weisheit, fällt sie wieder auseinander in die Gegensätze.

ES gehört eben zum inneren Wesen der Technik zur großen Zerstörerin zu werben, sobald sie nicht mehr geführt ist von einer überlegenen, bändigenden Überschau, sondern nach ihren

eigenen Gesetzen sich entwickeln darf." Mit einem mythologischen Bild kann man diesem

eigentlichen Wesen und Verhängnis der Technik wohl beikommen: Alle Technik ist ein Kind des Feuers; ohne Feuer ist Technik nicht denkbar. Bringer beS FeuerS ist Prometheus,

Lucifer. Alle Technik kommt erst als wärmendes Licht, als Helferin in schwerem Dasein.

Aber eS ist ihr Gesetz, zu verzehrendem Feuer, zur Hölle zu werden, mit ihren Gaben den Beschenkten zu vernichten, wenn er nicht wachsam ist. Man gibt dem Teuft! den kleinen

Finger: er nimmt immer die ganze Hand. Man mag ihm zwei und drei Finger geben, ja

auch die ganze Hand — wenn man nur weiß, mit wem man eS zu tun hat I DaS aber hatten wir in den letzten Jahrzehnten vergeffen, und eS ist deshalb Not genug

über uns gekommen. Der Verfall des deutschen Bauerntums findet hierin seine letzte Ur­

sache. DaS ChaoS nach dem Krieg aber ist nicht zum wenigsten Schuld deS übersteigerten

Maschinenwesens, besten Heraufkommen schon Goethe mit schwerer Sorge erfüllte und baS Millionen wurzellos und damit widerstandslos gemacht hat gegenüber dem Teufel in jeder

Gestalt.

ES muß aber Technik sein. Wir können sie nicht abtun als Teufelszeug, wie mancher Hinterwäldler bi« ersten Lokomotiven und bie ersten Kraftwagen (so recht er von seinem Stanbpunft auS wohl hatte). Wir können unS um die Aufgabe nicht brücken, mit den tech­

nischen Mitteln unserer Zett der Natur unser Sein und Brot abzuringen, bie Landschaft zu unserem LebenSraum umzugestatten, so wie sie unsere Vorettern zu dem ihren umschufen.

Aber in jedem Tun müssen wtt allzett bie Grenze sehen, bis zu der rott gehen dürfen, jene

10 Grenze, die Heil von Unheil scheibet, wärmendes Licht von verzehrendem Feuer. Dem in den

Überlieferungen seines Berufes und seiner Landschaft Gebundenen waren Ahnung und Ehrfurcht sichere Führer. Wir Heutigen sind von diesen Helfern verlassen; denn die Über­

lieferung riß vor hundert Jahren ab mit der Einrichtung der technischen Schulen. Unser wurzelloser Intellekt kann nicht Maß halten, wenn er sich nicht paart mit Verantwortungs­

bewußtsein und wenn nicht wieder Ehrfurcht die einzig mögliche Geisteshaltung wirb allem

gegenüber, das wir nicht können: Ehrfurcht vor dem Leben in jeder Erscheinungsform und

vor seiner gütigen Nährmutter, der Natur. ES ist nicht nur ein Wortspiel, daß allem Lucife­ rischen gegenüber mehr gefeit ist derjenige, der religio hat, Rückbindung an daS, was hinter

den Dingen steht. DaS Herz ist ein viel sicherer Führer als aller Verstand, der nur Mittel

und Mittler sein darf, well er unschöpferisch ist. Daß einem etwas einfällt, ist mit dem schärfsten Intellekt nicht zu erreichen; daS Schöpferische ist eine Gnade, die ihre Wurzeln

nicht im Diesseitigen hat. Und selbst in seiner zu Aberglauben verblaßten und verderbten

Urväterweisheit braucht der Bauer keine Ernährungswissenschaft und kein Rachrechnen zu dem für ihn selbstverständlichen Wissen, welche Nahrung ihn gesund erhält. Aber der natur­ wissenschaftlich und technisch Gebildete muß erst durch schlimmste Erfahrung wieder er­ kennen, daß zum ganzen Korn helles Mehl und dunkle Kleie gehören und daß sie nicht aus

Zufall ober Willkür zusammen geschaffen sind. Ist eS also Sinn und Aufgabe beS kommenden Jahrhunderts, die Technik nicht mehr frei

nach ihrer eigenen Willkür schalten zu lassen oder als Sklavin des Kapitals, sondern ihr Grenzen zu setzen, Grenzen, die nicht starr festgelegt sein können, sondern für jede Aufgabe,

jede Landschaft, ja für jeden Menschen andere sein müssen; muß weiterhin die Technik als ein Teü nur angesehen und ihr ein nicht nur errechenbares Ganzes übergeordnet werben —

so geht eben das Zeitalter der Technik zu Ende, waS auch von anderen Gesichtspunkten ge­ schichtlicher Entwicklungsgesetze her bewiesen werden könnte. So tritt aber auch die Technik «in in die Stufe ihrer Spitzenleistungen. Die kühnsten Schöpfungen aller Kulturgebiete werden immer aufgebaut auf einem Boden, der schon unterhöhlt ist von dem völlig anders­

artigen Kommenden. In gleicher Weise ist eS auch ganz in der Ordnung, baß im schillernden Glanze der großen Zahlen so vieles Gestrige sich heute noch wichtiger macht als gestern

selbst. ES könnte anders nicht seinen Weg zu Ende bringen und abtreten; bliebe ihm aber noch Recht in die Entwicklung deS Morgen einzugreifen, so würde eS ebenso Unheil stiften wie alle Glaubenskämpfe nach der Reformation.

ES ist verständlich, daß die ersten Versuch« zur Umkehr, zur Abwendung von der mecha­

nistischen Anschauungsweise beS 19. Jahrhunderts in der Forstwirtschaft gemacht wurden als in jenem Wissensgebiet, dessen Sinn und wirtschaftlich« Notwendigkeit die unbegrenzte

Dauer der von ihr verwalteten Lebewelt ist und daS auch im Zeitalter beS Materialismus

naturnäher geblieben ist als jedes andere. Schon vor dreißig Jahren haben einsichtige Forst-

II

wirte in völligem Gegensatz zur herrschenden Schulmeinung nach naturnäheren Wegen des Waldbaus gesucht, angeseinbet und verhöhnt von der gesamten Forstwelt, die etwas auf

sich hielt. Nach einem Menschenalter zähen Durchhaltens hat der Erfolg ihnen recht gegeben. Die Schulwisienschaft ist mit chrem Latein an vielen Orten zu Ende. Ein Teil der Massen­

mehrerträge, die sie ein Jahrhundert lang erzeugen konnte, ist erklärt als Raubbau. Die lange genug als rückständig angesehenen alemannischen Bauernwälder diesseits und jen­

seits der Grenze sind nun die Vorbilder, denen man bas Geheimnis ihres alle Zeiten über­

dauernden Gedeihens in voller Gesundheit und damit Schönheit zu entlocken sucht. Uralte zusammenschauende bäuerliche Natursichtigkeit erweist sich erfolgreicher als die zerpflückende, technisierte, mit Zahlen und Tabellen arbeitende Schulwisienschaft eines ganzen Jahr­

hunderts. Än der neuen Walbwirsichaft ist das Meßbare und Zählbare erkannt als ein bloßes HllfSmittel, als etwas Nebensächliches, als ein bescheidener Teü beS Ganzen; hier ist erkannt und erwiesen, baß alles Raturgeschehen auf ewigen, unerbittlichen Gesetzen

beruht, daß gegen diese Will« und Willkür nichts vermögen und baß Erfolg auf die Dauer nur der hat, der eS versteht, in sie sich einzufügen.

Vor diesen neuen naturnahen Waldbau hat der Reichsforstmeister sich gestellt. Die

Wiedergefunbung der deusichen Wälder und ihr bauernder Bestand ist dadurch gesichert und mit ihnen ein Teil der Grundlagen unseres völkischen Daseins. Denn ohne Wald gibt «S auf die Dauer kein beusicheS Volk, das zäh an seinem Boden haftet und gegen jede

Not ihn verteidigt. Völker der Steppe sind Nomaden, in der Kultursteppe wächst die Land­

flucht, in der Jnbustriesteppe Auswanderung und Bolschewismus. Ein gleicher Kampf um größere Naturnähe, um Ganzheit, um Zurückdrängen über­ triebener Mechanisierung und Technisierung, um Ersatz der Zahl durch das Lebendige wird

heute, still oder offen, auf allen Wissensgebieten gekämpft, die lebensnah sein wollen. Daß eS sich dabei nicht um Erscheinungen handelt, die nach Absicht und Willkür vorgetrieben werben können, sondern um gesetzmäßig ablaufenbe Entwicklung, zeigt am klarsten der

Umbau unserer ganzen Ernährung im letzten Menschenalter. Hinter dem fast unerklärlichen

Siegeslauf der Tomate vor etwa zwei Jahrzehnten und dem des Apfelsüßmostes in den letzten Jahren stand keinerlei treibende Kraft. Im Gegenteil: der Überwindung aller tech­

nischen und chemischen „Veredelung" im Streben nach immer größerer Naturnähe und Reinheit aller LebenSmittel stehen sogar sehr starke Mächte entgegen. Sie werben den Gang der Entwicklung so wenig aufhalten können, wie eS jene Wissenschaft vermochte, die noch

vor wenigen Jahren den Angehörigen jeder BerufSart die ihr gemäße Nahrung nach Ka­ lorien genau zumessen wollte. Die Kalorien wurden entthront von den Vitaminen, und so

feinstofflich auch diese sein mögen, daS Letzte sind sie noch lange nicht; sie sind auch nur stoff­ liche Träger deS Lebens, daS nach wie vor unbeweisbar bleibt und eines Beweises Gott sei Dank nicht bedarf.

12

Wo eS starken WirtschaftÄmächten und Wifsenschaftskörpern sehr um die Erhaltung des Gestrigen zu tun ist — der Konzern und baS Syndikat sind ja die ausgesprochensten Ver­ treter deS 19. Jahrhunderts, und die Geschichte der Wissenschaften ist zu den meisten Zetten

eine Geschichte der unduldsamsten Verhinderung der jewettS neuen Anschauungen gewe­

sen, — da ist nach außen hin der Umbruch von der Technik zur Natur, von der Zahl zum Ganzen, vom Ich zum Wtt noch nicht so sichtbar. Aber er ist auf dem Weg« und keine Macht der Erbe wttb ihn aufhalten können. Ganz besonders eindrucksvoll ist er aber in Erscheinung getreten auf einem Gebiet, das

bislang ausschließlich der Technik allein zu gehören schien, nämlich auf dem deS Straßen­ baus. Im Arbeitsbereich des GeneralinspeftorS für das deutsche Straßenwesen ist inner­

halb von noch nicht drei Jahren eine Gesinnung zu wirklichem Durchbruch gekommen, die,

nationalsozialistisch durch und durch, baS Ganze über den Teü stellt, dtt Landschaft über btt Technik, baS Volk über den Fahrer, Gemeinsinn über Eigensinn. Hier ist klar erkannt

worben, daß btt nach auSschlttßlich technischen Gesichtspunkten, also nur nach dem Meß­ baren und Zählbaren gebaute Straßen nur einen Teü ihrer Aufgabe erftlllen kann, daß

sie dtt Landschaft, dtt Heimat zerstört und mit ihr einen Grundstein deutschen Wesens. Und httr wurde bewiesen, baß baS technische Bauwerk auch rein technisch erst vollkommen sein

kann, wenn eS einem übergeordneten sich einfügt, wenn es in allem und jedem ein harmo­ nischer Teü der Landschaft wttb, in btt hinein eS gestellt ist.

Landschaft ist der unS umgebende, unS vertraute LebenSraum von Horizont zu Horizont, ist der allzett gegenwärtige kleine Teil mütterlicher, nährender Natur, von der unS Segen

und Fluch gleichermaßen zuwachsen, je nachdem, wtt wir uns zu ihr stellen. Hundert Ge­ schlechter haben dttsen Raum aus Urform heraus unS mtt all den Mitteln, welche dtt Zett

jeweüS dem Menschen als Werkzeug in btt Hand gab, zur Heimat umgeschaffen, mtt Axt und Feuer, mtt Hacke und Pflug. Mtt Ehrfurcht wurden sie gebraucht bis ins Jahrhundert der Technik herauf. WaS immer an technischen Bauwerken in deutschen Landen geschaffen wurde bis über btt BefreiungSkrttge hinaus in baS Biedermeier hinein, ist künstlerisch hoch­

wertig unb überall ein echtes Glied der Landschaft, oft genug ihr ein besonderer Schmuck. Der schaffende Mensch stand noch fest in der Überlieferung seines Berufs unb seines LebenSraumS, unb so sind der Raum unb btt Werke, dtt er in ihn hineinstellte, eines Geistes. So­

lange bttse Bindung an baS Überlieferte anhält, behält jede Landschaft baS ihr und nur

ihr eigene Gesicht, sind Weg« unb Sttaßrn, Kanäle unb Brücken, Fabriken, Bürgerhäuser und Bauernhöft harmonische Züge dieses Gesichts, sind Sttaßen unb Landschaft eines und ist eines btt Steigerung der andern. Denn an nichts ist Gefüge unb Schwingung, Fruchtbarkeit ober Karghett eines Landstrichs, ist Seelenhaltung und StammeSart seiner Bewohner besser

abzulesen und vom Auge eindringlicher abzutasten als an ihren allen Straßen. Bauern­ stolz unb landesherrliche Macht, Querköpfigkett unb Gemeinsinn, Sinn für Ordnung und

13 billigen Vorteil wie für malerisches Leben und Lebenlassen, Weltsinn und kirchliche Gläu­

bigkeit — all baS spiegelt die Straße ausS getreueste wider. Und darin liegt ihre Schönheit, die uns heute noch ergreift. Diese Straßen sind schön, nicht weil sie geschmückt sind; an

Schmuck haben ihre Erbauer nicht gedacht, und was uns als Romantik erscheint, legen wir

erst geschmäcklerisch hinein. WaS an den alten Straßen gebaut und gepflanzt wurde, baS ge­ schah aus Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit. Die Straßen sind schön, well sie für ihre Zell

technisch vollkommen sind, well an ihnen technische Notwenbigkell, technisches Können und

künstlerisches Fühlen mit Geist und Gesetz der Landschaft zu restlosem Einklang vereinigt

sind, zu einer Harmonll jener Art, wll sie dem Vogel oder dem gesunden Baum eigen ist. DllS alles ändert sich, sobald auch im Bauingenieurwesen dll so ganz diesseitigen Mächte deS 19. Jahrhunderts ihre Herrschaft antreten. Eine Entwicklung, bi« um 1500 begann,

kommt nun zu raschem Ablauf. Endgültig siegt der nüchterne Verstand über warmherzigen Glauben, daS Hirn über baS Herz. ES gllt nur, was man sauber in Zahlen ausdrücken kann; daS einzige Illl technischen Schaffens ist die Rente. Ehrfurcht vor der Natur ist ab­

geschafft; Natur wllb nur darnach bewertet, wieweü sie auSnutzbar ist. An dll Stelle der Lehre, der lebendigen Weitergabe von Wissen, Können und Erfahrung vom Meister an

Lehrling und Gesellen tritt dll Schule, das unpersönliche, verwaschene, auS aller Welt zu­ sammengelesene Bücherwissen. Damit reißt dll Überlieferung ab, verliert der Schaffende dll einstige natursichttge Sicherhell des künstlerischen Gefühls und behilft sich statt seiner

mit dem geschulten Intellekt und mit nüchterner Berechnung, verliert er also die große

Zusammenschau deS Ganzen, die anscheinend Goethe und Humboldt als letzte noch besaßen, und wllb zum Spezialisten. Der aber kann nur noch Stückwerk schaffen, dem alle Ausfei­

lung im Kleinen nicht mehr zu Vollkommenheit im Großen verhelfen kann; denn zu Voll­ kommenhell gehört Einhell mit allem, was auf ein Werk von Einfluß ist.

So geht nun seit den sechziger und siebziger Jahren und bann immer schmerzlicher fühl­

bar dem Handwerker wll dem Techniker mit der Gebundenheit an Überlieferung und LebenS-

raum baS unbewußte Künstlerische verloren und damit ihren Werken dll Schönheit; werben Häuser und Brücken zu Fremdkörpern in der Landschaft, zerschneiden Dämme und Bahnen

hart und gefühllos baS Land, veröden dll baumbestandenen, umbuschten Ufer unserer

Flüsse zu nackten, steinernen Gerinnen. Nicht mehr draußen in der Natur sucht der Tech­ niker dll Linien seiner Bahnen, Sttaßen und Kanäle, sondern daheim auf dem Reißbrett; und wenn er den Entwurf überttägt in die Landschaft, so ist daS erste, waS er tut, bieS:

die Landschaft dem Reißbrett gleichzumachen, Baum und Busch und Feldrain zu beseitigen,

jede Gliederung deS BobenS zu nivellieren und an die Stelle der in jahrhundertelanger

Entwicklung gewachsenen llbenbigen Form die tote mathematische Linie und Fläche zu

setzen. Er sieht im Baum nur den Feind, der angeblich — immer nur angeblich — den Bestand seines Werkes bedroht; er weiß nicht, daß Baum und Busch notwendige Glllber

14 jeder gesunden Landschaft sind, daß chre Ausrottung nicht nur Verlust der Landschaft an Schönheit bedeutet, sondern auch Verlust an Gesundheit und Fruchtbarkeit. Wohl merkt

der Techniker, baß seinem Werk die Schönheit fehlt; er glaubt eS dadurch schön zu machen,

daß er eS schmückt. Er setzt vor seine Fabriken Scheinsasiaden, vor seine Eisenbrücken Burgtore und weiß nicht, daß echte Schönheit nicht etwas HinzufügbareS ist, sondern immer und

überall nur Ausdruck innerer Vollkommenheit. Jedes Werk der Technik ist auch technisch vollkommen erst bann, wenn eS für ein künstlerisch geschultes Auge schön ist. Das beweist

jedes Werkzeug und jeder Motor, jeder Kraftwagen, jedes Flugzeug und Luftschiff; und die Sttaße ist ein Werk der Technik wie jene. Wir können wohl behaupten, baß jede Straße die uns durch chre Schönheit begeistert, mindestens für die Zeit, in der sie erbaut wurde,

auch technisch vollkommen war, und baß selbst eine neue Straße mit noch so geringen Stei­

gungen, langen Geraden und großen Krümmungshalbmessern im letzten Grunde auch der

technischen Vollkommenheit ermangelt, solange ihr nicht vollkommene Schönheit zu eigen ist. Denn baß die neuzeitliche Sttaße große Geschwindigkeiten bei hoher Sicherheit und ge­

ringem verlorenen Aufwand zuläßt, daS macht sie nur zur Fahrfläche, noch nicht zu einer deutschen Sttaße beS Dritten Reichs. Denn sie ist ja nur gestaltet nach technischen und wirt­

schaftlichen Erfordernissen, also dem verstandesmäßig Erfaßbaren. Und daS genügt noch nicht den Anforderungen der kommenden Jahrhunderte. ES ist für unS der Sttaße übergeordnet die deussche Landschaft. Wenn alles Leben auf

dieser Erde nur auf der Grundlage einer unzerstörten Harmonie beS Naturganzen Dauer

haben kann, so hängt Bestand und Echtheit beS beusschen Volkes davon ab, baß sein Lebens­ raum, seine Landschaften in jener kraftvollen Gesundheit und inneren Ausgeglichenheit er­ halten bleiben, die nach außen als Schönheit sich zeigen. Mag auch die Zerreißung dieses

Einklangs sofort nur Feinfühligen als Schmerz und Beeinttächtigung ihrer Lebensfreude erkenntlich sein, sie nimmt auf die Dauer jedem seine Selbstsicherheit und den selbstver­

ständlichen Swlz aus seine Heimat. In einem von rücksichtslos geführten Verkehrswegen zerschlitzten, von Leitungen aller Art verdrahteten und seiner wilden Bäume und Gebüsche

beraubten Land wird der einzelne wohl noch seine Brotstelle, auf die Dauer aber nicht mehr ein geliebtes Vaterland verteidigen. Denn eine solche Landschaft strahlt ihm nicht Kraft zu, nicht Gesundheit, nicht Hoffnung; sie kann ihm nicht helfen seine dunklen Triebe zu meistern und, wenn eS schlimm geht, seine Verzweiflung zu wenden. Für jeden also, der beusschen

Boden zu irgendwelchem Vorhaben in Anspruch nimmt, ist die Erhaltung seiner Kraft, seiner Gesundheit und Schönheit oberste Pflicht. ES darf also auch die größte Sttaße von heute und morgen die Einheit einer Landschaft

nicht zerreißen, sie darf nicht ein Fremdkörper in ihr sein, sie muß harmonssch in sie einge­

gliedert werden. Drei Mittel stehen uns dafür zur Verfügung: die rechte Linienführung, der

richtige Quesschnitt und die lanbschaftsgemäße Bepflanzung.

Es entsprach der nurtechnischen Auffassung vom Wesen neuzeitlicher Verkehrswege des letzten Jahrzehnts, daß die ersten Kraftfahrbahnen mit langen Geraden und mit Kurven

von möglichst großem Halbmesser geplant wurden. Das vermeintliche VerkehrsbebürfniS

sollte die Linienführung bestimmen, nicht die Landschaft. Schon der erste Versuch, diese

Straßen naturnäher zu machen, sie den Landschaftsformen einzufügen, mit der Länge der Geraden und den Krümmungshalbmessern je nach der Bobengestaltung jedes Landschafts­

raums so weit herunterzugehen, als es die Geschwindigkeiten erlauben, für welche die Stra­

ßen gebaut werben, hat gezeigt, daß das Naturnähere immer bas technisch Vollkommenere

und, auf die Dauer gesehen, auch bas einzig Wirtschaftlich« ist. Denn je mehr ein Verkehrs­ weg sich «inschmiegt in die gegebenen Bodenformen, um so geringer werben bi« technischen Eingriffe in sie, um so seichter die Einschnitte, um so niedriger die Dämme, um so geringer die Erdbewegungen, um so billiger also die Straße. Und je weniger die Landschaft durch

Dämme und Einschnitte zerfurcht ist, um so schöner bleibt sie und um so enger ist die Straße mit chr verbunden — und mit der Straße auch der, der auf ihr fährt. Er erlebt die Landschaft

mit, er hat teil an ihrem Rhythmus, wenn er ihre Schwingungen ausfährt. Es ist nicht möglich zu jauchzen auf einer Straße, die geradlinig und eben zum endlosen Horizont zieht, ohne Teünahme an allem, was links und rechts von ihr vorgeht. Das gemeinsame Kenn­ zeichen alles Lebendigen ist Rhythmus, ist Schwingen von einem Pol zum andern; so kann

nur die schwingende Straße lebendig sein und lebensnah. Es gibt in der belebten Natur

keine Gerade, und kein Lebewesen kann sich geradlinig fortbewegen. Die Gerade stammt

nicht von der Erb«, sondern aus dem Weltall; wo wir alte Straßen in langen Geraden ha­

ben, ba sind sie angelegt auf den Schaulinien jener uralten kultischen Ortung, mit der einst ganz Mitteleuropa überzogen war.

Auch die Gerade gehött zu den gestern noch absoluten Werten, die heute nur noch so be­ dingt gelten. Di« Gerade ist durchaus nicht bi« kürzest« Verbindung zweier Otte; sie ist zu stark belastet mit der Gefahr, baß man gar nicht ankommt, weil man unterwegs verunglückt.

Die vollkommen kreuzungsfreie lange gerade Schnellverkehrsstraße ist schon deswegen ge­

fährlich, well sie langwellig ist. Alle Gefahrenpunkte der alten Sttaßen, die Ortsdurchfahr­ ten, scharfen Krümmungen und Kreuzungen mit anderen Verkehrswegen waren gleichzeitig

Punkte der Anregung für den Fahrer. Mit dem Wegfall dieser Gefahren entstand die neue der raschen Ermüdung. In Amerika war man schon gezwungen, zu lange Gerade durch

später künstlich eingebaute Krümmungen zu unterbrechen. Alles Willkürliche aber ist auch falsch. Ott und Maß der Krümmung muß aus der Natur abgeleitet sein, damit baS Gebaute

eines Geistes ist mit dem Gewachsenen. Nicht eine geschlängelte Sttaße ist richtig, sondern ein« mit der Landschaft schwingende. Und diese Schwingung ist anders in Holstein als in

Hesien, anders in Thüringen als in Württemberg. Mögen es auch nur wenige Minuten sein, in denen der Fahrer eine sechs oder zehn Kilometer lange Gerade durcheilt, er will sie doch so

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rasch als möglich hinter sich bringen, spannt sich an und seinen Motor und vergißt zu atmen;

damit aber bringt er den Rhythmus seines eigenen Körpers in Unordnung und wirb durch

lächerlich kleine äußere Veranlassungen auS der Bahn geworfen. Auf wirklich verkehrs­ sicheren, also technisch richtigen Straßen darf der Fahrer nicht immer nur Beton und Fahr­ zeuge im Blickfeld haben, sondern ständig Wechselndes. Da aber die neue Straße allen Siedlungen aus dem Wege geht — auch an den Reichs- und Landstraßen muß man immer mehr Umgehungsstraßen bauen —, so kann dies ewig Wechselnde nur Landschaft sein. 2llso

ist schon um der bloßen rein technischen Verkehrssicherheit willen an der Straße von morgen

die Landschaft alles. Dieser nun können wir mit neuen Querschnittsformen der Straßen weit mehr gerecht werden als mit den allen. Bisher war der allgemein gültige Querschnitt jeder Sttaße das

Trapez des eigentlichen Sttaßenkörpers mit beiderseits anschließenden Gräben. Die Bö­ schungsflächen waren mathemattsch genaue Ebenen ober Kegelflächen; die möglichst exakte

Schnittkurve dieser Flächen mit den natürlichen Geländeformen war bi« Begrenzung beS SttaßenraumS. Die Sttaße war also, um ein Bild aus dem Schreinerhandwerk zu gebrau­ chen, wie mit einem riesigen Fräskopf auS der Landschaft herausgeschlitzt. Mochte eine

Sttaße durch geschickte, naturnahe Linienführung noch so gut der Landschaft angepaßt sein,

durch die starre Mathematik der QuerschnittSbilbung mußte sie wieder zum Fremdkörper

werben.

Für unS ist heute Mathematik nur die eigentliche Fahrfläche von Außenkante zu Außen­ kante deS DammeS. Alle Böschungen sind Mittler; sie haben die Aufgabe, eine harmonische Verbindung deS gebauten Fahrbahnkörpers mit der gewachsenen Landschaft herzustellen.

Nicht mehr burchgeschnitten werben die Gelänbewellen, sondern in neuer Formung an den

Böschungen zu Ende geführt. Und ein besonderer Krieg ist den Gräben angesagt, die ja mehr als alles andere die Sttaße und ihre Benutzer von der Landschaft abtrennen. Sie ver­

schwinden aus dem Bild der neuen Sttaße fast ganz, sind entweder als überflüssig erkannt ober werben ersetzt durch Untergrundentwässerungen, gepflasterte Rinnen oder grüne Mul­

den. Zwanglos soll man überall die Sttaße verlassen und in einer nicht technisch zerschnitte­ nen Natur Rast und Freude finden können. An der neu eröffneten Kraftfahrbahn Berlin—

Joachimsthal stehen sonntags mehr Wagen am Rand der Sttaße als auf ihr fahren. Die Autobahn, im ersten Gedanken ein Schrecken jedem Naturfreund, hat sich als kürzerer Weg zu echter Natur erwiesen als die alle Reichs- ober Landstraße, die ja besonders am Rande der Großstäbtt auf Stundenweite hinaus mit mehr ober minder — meist mehr — häßlich Gebautem aller Art eingeranbet ist.

Der Erhaltung und Wiederherstellung echter Natur bient auch alle Bepflanzung ber neuen Sttaßen. Nach den Sttaßenarbeiten vor fünf und zehn Jahren zu schließen schien der Tech­

niker ebenso baumfeinblich geworden zu sein wie mancherorts ber Landwirt. Eine Sttaße

aber muß Bäume haben, wenn anders sie eine deutsche Straße sein soll. Denn zu allem, was deutschem Wesen nahesteht, gehören Baum und Busch. ES gehört der Baum -um HauS und Hof, zum Friedhof und zum WirtSgarten, eS gehört die Linde zur Kirche und auf den Dorfplatz, der Hollunder an den Zaun und an die Wand beS Stadels. Wo immer deutsche

Landschaft noch echt ist und noch nicht von materialistischem Eigennutz zur Kultursteppe

verödet, da ist sie in einer unvergleichlichen Vielfalt durchzögen von Wäldern und Gehölzen, von Feldrainen und Ufergebüsch, von Markbäumen und Grenzhecken. Und waS an Ge­

bautem nicht herausfallen totU auS dieser Harmonie beS Mannigfachen, sei eS Siedlung,

sei eS Verkehrsweg, baS muß teilhaben an ihr. Und wie in Formen und Schwingung jeder

Raum etwas Besonderes ist, so ist noch viel enger die Bewachsung mit Baum und Busch nach Art, Kraft und Vergesellschaftung abgestimmt auf Boden und Klima jedes kleinsten Gebietes. Dieses Typische jeder Landschaft herauszuarbeiten ist oberstes Gesetz alles Ge-

staltungSwillenS in der Bepflanzung, der neuen Straßen. Der Landschaftsanwalt, dem

diese Aufgabe übertragen ist, muß alle eigene Absicht als Willkür ausschalten und dem­ selben Gesetz sich einfügen, baS in vieltausendjährigem Wachsen baS Gesicht der Landschaft geschaffen hat. Nichts Fremdes darf er hereinnehmen, aber nichts Bodenständiges darf feh-

len. So wachsen an den Böschungen wieder Schlehen, Weißdorn, Wilbrosen und wolliger

Schneeball als wildes Feldgehölz, über daS einst Eichen ihre Kronen breiten werben; eS wird der Ginster zu Hunderttausenden gesät auf sauren Sandböden. Bergahorn und Som­ merlinde werben gepflanzt in den Hochlagen der Mittelgebirge, Speierling und Nußbaum

im milden Weinklima, Fichten in kühlen Berglagen beS deutschen SübostenS, Kiesern und

Sanbbirken im trockenen Osten, Apfel- und Moftbirnbäume dort, wo Felbobstbau heimisch

ist, Moorbirken in den Niederungen NordwestbeutschlanbS. Wiederherstellung beS ursprüng­ lichen Reichtums und der einstigen Mannigfaltigkeit ist baS biologische Ziel, Schaffung immer wechselnber Räume, durch die sich der Fahrer bewegt, baS Künstlerische. Alle HüfSwifsenschaften werden herangezogen, um diese Aufgabe so vollkommen als möglich lösen

zu können. Von Schönheit wir nie gesprochen, nur von technischer und biologischer Not-

wendigkeit. Wenn am Ende auS solchem Tun doch Schönheit erwächst, so ist sie nicht beab­ sichtigter Schmuck, sonbem baS äußere Zeichen dafür, daß die Lösung in sich richtig ist und

alle Forderungen erfüllt, die sachlich und ernsthaft gestellt werben können. Die Zurückhaltung, bi« wir hier üben, wird von vielen nicht verstanden. Sie weisen darauf

hin, baß wir in unfern Gärten und Grünanlagen so viele köstliche fremdländische Gehölze

haben, die viel zierender seien als unsere Wilbsträucher: Flieder und Goldregen, JaSminsträucher und Parkrosen, Douglastannen und Rhododendren. Nun, wir wissen auch, daß unsere Baumwelt karger ist als die Nordamerikas ober die des inneren China, und wissen auch, waS diese Kargheit verursacht hat. Aber wir wissen auch, baß bieS nicht blinber Zufall

ist, sondern Schicksal, innere Notwendigkeit. Und wir wissen, baß wir nicht auS Zufall in

iß dieses herb« Land hinemgeboren wurden, sondern aus Notwendigkeit, als Schicksal. ES ist

aber kein Schicksal anders zu lösen als dadurch, daß man es bejaht. Wir wollen unS nicht darum drücken, wir wollen nicht schönfärben, sondern wir bejahen dieses Land, so wie eS

geschaffen wurde, und wollen eS genau so erhalten. Wir denken an ein Wort von Para­

celsus : „ES ist für jeden teutschen Kranken ein teutsches Kreutlein geschaffen." DaS heißt nichts anderes, als baß in diesem Raum Mensch und Pflanze zusammengehören, baß Hell

und Unheü in ihm beschlossen und nichts Fremdes notwendig ist ihn zu ergänzen.

ES muß unS auf solchem Wege gelingen, die Kluft wieder zu schließen, die ein Jahrhun­ dert der Verirrung zwischen Natur und Technik aufgerissen hat. ES muß unS gelingen, die

swbentausend Kilometer Kraftsahrbahnen, daS gewaltigste Werk, daS die Technik je in so kurzem Zeitraum geschaffen hat, in einen Rahmen ganz echter deutscher Landschaft zu betten. Jeder Fahrer auf ihnen muß mit einer Eindringlichkeit ohnegleichen in jedem Augenblick fühlen: hier ist altbayrisches Boralpenland und hier Niedersachsen ganz und gar und nichts Fremdes in ihm, hier Thüringen und hier die Mark; und soviel anders auch märkischer Sand

ist als die Geest und der Thüringer Wald anders die Wälder am Alpenfuße — sie sind alle eines: beussche Heimat I

SONNTAG, 4. OKTOBER Landeshauptmann Heinz Haake: In dem Augenblick, da wir unsere Arbeitstagung beginnen, begeben sich die Volksgenossen zum Bückeberg, um mit dem Führer und den

Spitzen von Partei und Staat feierlichst das Erntedankfest zu begehen. Dankerfüllten Herzens gedenken wir des Führers in dieser Stunde und geloben ihm weitere treue Gefolgschaft.

Ich habe heute morgen die Ehre, unsere vielen Gäste zu begrüßen. Mein besonderer Gruß gilt Ihnen, Herr StaatSminister Dr. Fritsch, als Vertreter des Herrn Reichsstatthalters

und GaulesterS Pg. Mutschmann und beS Herrn Reichsinnenministers Dr. Frick. Ihre

Gegenwart gibt unS die Gewißhest, baß sich Dmkmalpflege und Heimasschutz beS Wohl­

wollens und der Unterstützung von Partei und Staat erfreuen dürfen. Herzlichen Gruß entbiete ich Ihnen, Herr Ministerialrat Dr. Hiecke, als dem Vertreter des Herrn Reichs­ ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Rust, bei dem unsere Arbest in

mehr als einem Sinne Anerkennung gefunden hat. Ich begrüße beS weiteren Herrn Mini­ sterialrat Schmidt als Vertreter des Herrn ReichSarbestSministerS, Herrn Ministerialrat

Dr. Nonn als Vertreter des Preußischen FinanzmtnisterS, Herrn Dr. Klose als Ver­

treter des Herrn Reichsforstmeisters, Herrn General-ArbestSführer v. Alten als Ver­

treter des Herrn ReichSarbeitSführerS, und Herrn StaatSrat Dr. BSpple als Vertreter beS Bayrischen StaatSministeriumS für Unterricht und Kultus, Herrn Ministerialrat Pro­

fessor Asal als Vertreter des Badischen Ministeriums für Kultus und Unterricht, Herrn

Ministerialrat Dr. Ja eob als Vertreter beS Herrn StaatSministerS und GaulesterS Wag­ ner-München, und Herrn Ministerialrat Voigt für die Thüringische Landesregierung. Sie alle, meine Herren, bekunden mit durch Ihre Anwesenheit, wie sehr baS öffentliche

Leben heute von Wert und Aufgabe unseres WstkenS durchdrungen ist.

Herzlichen Gruß sage ich sodann den Vertretern der NSDAP., der allein wir eS heute verdanken, baß mir wieder von einer beusschen Kultur sprechen können, und all den anderen

bisher noch nicht genannten Vertretern hoher und höchster Behörden beS Reiches, der Län­ der und Provinzen als den berufenen Schutzherren von Denkmalpflege und Heimasschutz

überhaupt, dm Abgesandten der kirchlichen Behörden, der beusschen Gemeinden, denen

bst Erhaltung unserer Landschaft oblstgt, der nationalsozialistischen Organisationen, ge­

lehrter und gemeinnütziger Körperschaften, Vereinigungen, Verbände und Gesellschaften, sowst ganz besonders der Presse, mit denen wir in engster Arbeitsgemeinschaft stehen.

Mü besonderer Freude heiße ich bst Vertreter der HI. willkommen. In ihrer Anwssenhest sehe ich ein gutes Zeichen für unsere fernere Arbest und den deutlichen Beweis, baß der

Gedanke von Denkmalpflege und Heimasschutz trotz seiner Ehrwürdigkett lebensvoll genug

ist, um auch bst Jüngstm in seinen Bann zu zsthen.

20 Gruß und Dank sage ich dem Herrn Oberbürgermeister dieser Stadt, Pg. Zörner, der uns nicht allein in so überaus liebenswürdiger Weise Gastfreundschaft gewährt in dem

mit Schätzen der Kultur so reich gesegneten Dresden, sondern der sich auch persönlich dem „Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz" als Redner zur Verfügung gestellt hat.

Gruß und Dank in ganz besonderem Maße dem LanbeSverein Sächsischer Heimatschutz, an seiner Spitze Herrn Hoftat Professor Dr. Seyffert und dem bewährten Geschäfts­

führer, Herrn Direktor Schmidt, denen die schwere Aufgabe anvertraut war, diesen Tag zu organisieren, und die eS meisterhaft verstanden haben, der gestellten Aufgabe gerecht

zu werben. Ihnen, den Leitern des rührigen und mustergültigen Landesverein Sächsischer Heimat­

schutz, verbanken wir die reiche Buchgabe, die uns in so treffender Form die Schönheiten

und das Arteigene der Stadt Dresden und des Landes Sachsen vor Augen führt und gleich­ zeitig mit den Aufgaben und Zielen eines gegenwartsnahen Heimatschutzes und einer ver­ antwortungsbewußten Denkmalpflege vertraut macht. Gestatten Sie mir, daß ich noch meinen persönlichen Dank für das freundliche Gedenken zum Ausdruck bringe.

Dank wissen wir allen Rednern unserer Tagung, die sich gerne zur Verfügung gestellt haben.

Zu guter Letzt möcht« ich mit besonderer Herzlichkeit unsere Freunde von jenseits der Grenze aus dem Bruberlanb Österreich

begrüßen.

Seien Sie, Herr Hoftat

Dr. Giannoni, als Vertreter des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht

und beS Österreichischen Verbandes für Hetmatpflege auf bas herzlichste als treuer Arbeitskamerad in dem neuen Deutschland willkommen; im neuen Deutschland, baö

die Begriffe Blut und Boden, um deren Hochachtung auch Sie sich als Denkmalpfleger

und Heimatschützer zeitlebens bemüht haben, zu den Grundbegriffen seines Staates gemacht hat. Dor drei Jahren traten wir zum letzenmal in Kaffel zusammen. Sie dachten wohl alle

nicht daran, baß wir jemals wieder in der gewohnten Weise zusammenkommen würben. Wir sahen uns schon organisatorisch als ein Test des neuerstandenen Reichsbundes „Volks­ tum und Heimat". Leiber waren aber nicht die Voraussetzungen gegeben, um diesen großen

Bund zu sichern. Än der Erkenntnis, baß eS werwollste Kräfte für den kulturellen Aufbau

einer bodenverwurzelten Kultur zu erhalten galt, rief ich daher den bis 1935 latent weiterbestehenben „Deutschen Bund Heimatschutz" wieder ins Leben und gab ihm auf Grund

einer neuen Satzung die Möglichkeit, sich dm brängenbm Aufgabm des Heimatschutzes offiziell wieder anzunehmm. Ich gestehe: Ich bin stolz darauf, heute als Vorsitzender

eines Bundes tätig zu sein, der in sich arbettSfreudige, verantwortungsbewußte und von der Größe unserer Zeit überzeugte Männer vereint, die in dem Wort Heimat eine Ver­ pflichtung und Verheißung sehm.

Als Nationalsozialist habe ich mich zu Ihnen, meine Heimatfreunde, bekannt. Ja, ich

darf heute gestehen, baß ich mich derzeit zur Übernahme des Vorsitzes bereit erklärte, nicht weil ich hoffte, Volksgenossen für den Nationalsozialismus zu gewinnen, sondern weil ich erkannte, waS in Ihren Reihen bereits im Sinn« des Nationalsozialismus getan wurde.

Der Deutsche Bund Heimatschutz steht heute fest da als ein Bund derjenigen, die sich die Erhaltung der natürlichen und geschichtlich geworbenen Eigenart der Heimat und die sinn­ volle Gestaltung beS Heimatraumes zur Aufgabe gemacht haben. Laut seiner Satzung er­

strebt er insbesondere an:

i. Den Schutz der Natur, namentlich der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, der erd­ geschichtlichen Eigentümlichkeiten sowie der Eigenart beS LanbschaftSbilbeS;

2. Die Pflege der geschichtlichen und geographsschm Heimatkunde, beS Brauchtums, der Volkskunst und des heimatlichen Schrifttums; den Schutz, die Pflege und Erforschung

der überkommenen Werke der Kultur, namentlich der Bau- und Kunstdenkmäler, sowie der Straßen- und Flurnamen, die Pflege und Fortbildung der Bau- und HanbwerkSkultur;

3. Den deutschen Menschen zu einem bewußten Träger von VolkStum und Heimat zu machen. Der Deutsche Bund Heimasschutz erfreut sich heute b«S Wohlwollens der Partei- und

StaatSinstitutionen. In echter Kameradschaft sucht er die Bindung mit allen Organisa­

tionen, die sich dem gleichen Geiste verpflichtet fühlen. ES ist nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, baß er sich heute in vielen Fällen zu einer Instanz aufgsschwungen hat, deren Rat gehört und deren Urtell immer gern und ernsthaft gewürdigt wirb.

ES würde zu west führen, wenn ich im einzelnen klarlegte, welch« Arbeit der Bund leistet.

Vor Ihnen, meine Damen und Herren, kann ich mir auch jedes Wort nach dieser Richtung

sparen, denn Sie wissen genau, waS geleistet wurde und waS geleistet wirb.

In seinem festen Aufbau ist der Bund heute wieder eine der tragenden Säulen deS „Tages für Denkmalpflege und Heimasschutz". Die anbere Säule stellt der „Deussche

Denkmalpflegetag" bar unter der bewährten Führung von Herrn Ministerialrat Dr. Hiesse, den ich hiermst in treuer Kameradschaft nochmals begrüße. Bei chm finde ich nicht

nur baS Verständnis, sondern auch das Interesse, die allen Beziehungen wiederherzustellen, um gemeinsam in einer Front zu wirken in dem Kampf um die deussche Heimat.

ES sind jetzt 36 Jahre her, als der erste „Tag für Denkmalpflege und Heimasschutz" stattfanb. Als Tagungsort war damals, genau wie heute, Dresden gewähll worden. Diese

rein äußerliche Tatsache, daß wir heute wieder gleichsam neugeboren an der Stätte deS ersten Wirkens tagen, soll für uns Symbol und gleichzellig ernste Pflicht für neue Arbeit sein. Immer wieder hören rott heute daS Wort: Dürfen und müssen roll noch Heimasschutz und Denkmalpflege betteiben? Werben bisse Aufgaben nicht längst durch den Staat und sssne Einrichtungen essüllt?

22 Nein! Der Staat sieht wohl seine Verpflichtung und heute ja bekanntlich mehr denn je,

aber Helmalpflege im tieferen Sinne kann nur vom Volke selbst ausgehen. Der einzelne

Volksgenosse muß der lebendige Träger von Volkstum und Heimat sein. Man kann ihn nicht gewinnen durch offizielle Maßnahmen, sondern man kann ihn nur gewinnen durch

Überzeugung, das heißt durch Erziehung zu den großen Aufgaben unserer Zeit, die im Grunde aus der wahren Volksseele geworden sind. Daher ist eS völlig falsch, wen man

meint, von zentraler Stelle aus Heimatpflege betreiben zu können. Der Weg ist ein völlig umgekehrter. Sm Schoße der Familie erblüht uns zuerst das Wunder der Heimat. Durch

Muttersprache, Mutterlaut und die sinnhafte Erfassung des allernächsten Heimatraumes: HauS, Garten, Felder und Wälder erfahren wir zuerst in unserem Leben, was Heimat ist

und was Heimat heißt. Das Zusammenleben der Familien, der Sippen in Dorf und Stabt

fördert den Gemeinschaftssinn und schafft den LanbschaftSraum, in dem es viele Zungm und viele Heime gibt, aber doch nur einen Geist, den Geist des Volkes.

In der Erkenntnis dieser Tatsache wirb sich alle Heimatpflcge darauf beschränken müssen, die lebendigen Kräfte in der Landschaft zu lockern und zu lösen und sie auSzurichten auf

das große gemeinsame Ziel einer Volkwerbung. Durch die Zivllisation ist leider der reine Quell beS gesunden VolkStumS arg verschüttet worben. Um den wieder zum Fließen zu bringen, bedarf es sowohl einer wissenschaftlichen

Erforschung alles dessen, was heute zum Hetmattaum gehört, als auch des tatkräftigen

Willens, vorhandenes Gut nicht nur zu wahren und zu erhalten, sondern auch im Sinne der Tradition zu gestalten. Seit Jahrzehnten arbeitet nun der „Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz" daran, die Überzeugung zu schaffen und zu verbreiten, baß die engste Umwelt des Heimes und der

Heimat, die Vielgestaltigkeit der Landschaft mit dem überlieferten reichen Kulturgut für den zu einem bescheidenen Leben gezwungenen größten Durchschnitt der Volksgenossen

wieder von höchster Bedeutung ist. Seine Einstellung ist, so sehr er sich den realen Dingen zuwenbet, immer eine ideelle. Er ist ein Feind jeglicher Willkür, die den engen Raum der Heimat für den einzelnen Volksgenoffen zu schmälern sucht. ES werden sich immer wieder

Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Einrichtungen des öffentlichen Lebens ergeben, aber diese Schwierigkeiten bedeuten heute keine Gegensätze, die nicht zu überwinden

wären. Das gemeinsame große Ziel, das deutsche Volk, muß immer Brücken finden, die zu einem gesunden Ausgleich führen. So darf ich heute besonders vom Deutschen Bund Heimatschutz als einer Fachorgani­

sation — wenn ich mich so ausdrücken darf—immer wieder sagen, daß er in einem denkbar besten Verhältnis steht zu all den Organisationen, die heute dazu berufen sind, den deutschen

Heimattaum neu zu gestalten. WaS von ihm gilt, gilt auch von dem organisawrifch weniger fest gefügten Deutschen Denkmalpflegetag. Beide, der Deutsche Bund Heimatschutz und

der Deutsche Denkmalpflegetag, ergänzen sich in ihrer Arbeit, die ihren äußeren Gipfel­ punkt in der heutigen Tagung findet, und die mit Recht einer unentbehrlichen und rverwollen

Ergänzung aller räumlich begrenzten oder gebundenen Tätigkeit bedarf.

AuS dem Programm mögen Sie ersehen, was uns heute am meisten am Herzen liegt. Um keine falschen Vermutungen aufkommen zu lassen, möchte ich doch feststellen, daß die Themen nur eine kleine Auswahl von dem barstellen, die an sich wert wären, hier eingehend

behandelt zu werden. Mit 2lbsicht habe ich das Thema „Außenreklame" nicht aufgegriffen,

da eS meines Erachtens grundsätzlich zunächst genügend behandelt sein dürfte in der vom Deutschen Bund Heimatschutz herausgegebenen Schrift des Herrn Dr. Lindner, des Fach­ beauftragten beS Deutschen Bundes Heimatschutz. Im übrigen gibt eS gerade in der Heimat­

pflege Themen, die besser in der Stille als in der Öffentlichkeit erörtert werben. Das be­ deutet keine Flucht vor dem Alltag, sondern beweist vielmehr großes Verantwortungs­

gefühl vor dem Leben, das auch der zartesten Regungen fähig ist.

Während dieser vier Tage werben wir hinreichend Gelegenheit haben, unS im Gedanken­

austausch Rat zu neuen Taten zu holen; beim Anblick der prachwollen Bauten in Stabt und Land, sowie ber herrlichen Gartenanlagen, die gerabe Sachsen auSzeichnen, werben

wir in Ehrfurcht vor dem Erbe unserer Väter unS verneigen. Ich kann mit keinen besseren Worten als denjenigen des Führers schließen: „Kein Volk lebt länger als die Dokumente

seiner Kultur". Ministerialrat D. Dr.-Jng. E. h. Hiecke: Sm Auftrag des Herrn Reichsministers

für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Rust, ber eS zu seinem lebhaften Bedauern nicht hat möglich machen können, an unserer Tagung tellzunehmen, habe ich die Ehre, der

Versammlung seine wärmsten Grüße und Wünsche zu überbringen. ES bedarf keiner nähe­

ren Begründung, welche Verpflichtung gerade ber Herr Reichserziehungsminister fühlen

muß, Heimasschutz und Denkmalpflege, soweit sie durch staatlich« Maßnahmen in Gssetz-

gebung und Verwaltung gestützt und gefördert werben müssen, zu betreuen. Aber wenn bas Ziel erreicht werden soll, baS uns gestern abend in dem von tiefster Ein­

sicht in die ewigen Zusammenhänge zwischen Natur und Mensch zeugenden Dortrag um­

rissen wurde, wenn eS gelten muß, weithin und zumal in der Jugend bissen natürlichen

Ausgleich von Verstand und Gefühl, von Herz und Hirn zu gewinnen, so ist die Hilfe der freien Mitarbest, wie sie die Hssmasschutztässgkest feit Jahrzehnten geleistet hat, unentbehr­ lich. Und eS lstgt mir am Herzen, im Auftrage des Herrn Ministers aufs wärmste zu banken

für die große, reiche Arbest, bst fest Jahrzehnten ber Deussche Bund Heimatschutz geleistet hat; aber auch bssonderS zu banken seinem Vorsitzenden, Herrn Landeshauptmann Haake,

der glückhaft das Schiff des Deusschen Bundes Heimasschutz auch durch die Tage ber schwersten Not hinburchgesteuert hat; ganz bssonberS danken wst dies seiner starken

Pessönlichkest. Die Arbest beS Deusschen Bundes Heimasschutz ist gar nicht mehr weg-

24 zudenken auch aus unserer amtlichen Tätigkeit. Ich darf nm erinnern an die große Zahl

werwollster Veröffentlichungen/ die er im Laufe der Jahrzehnte hat erscheinen lassen, an die Arbeit, die er in aller Stille weiter vorbereitet hat und von der wir schon vor kurzem eine

wertvolle Probe über die Reklame aus der Feber des Herrn Dr. Lindner gespürt haben. Wenn in Kürze zu erhoffen ist, baß nun endlich auch für bas Reich die gesetzlichen Grund­ lagen für den Schutz der Denkmale geschaffen werben, so sind wir uns doch klar darüber,

baß alle die gesetzlichen Verordnungen und VerwaltungSmaßnahmen letzten Endes ohne

Erfolg bleiben müssen, wenn sie nicht von der Gesinnung getragen sind.

Im Auftrage des Herrn Ministers habe ich aber noch auch an dieser Stelle zu danken den Herren Konservatoren Deutschlands für ihre Treue und ihre so oft in der SMe geleistete mühsame Arbeit, nicht minder den zahlreichen Kräften, die auf die Initiative des Kasseler

Denkmaltages inzwischen eingesetzt worben sind, um die Bestandsaufnahme der deutschen

Denkmale, in der noch viele Lücken zu schließen sind, durchzuführen. ES ist eine besondere Freude, baß es dem Herrn Minister möglich gewesen ist, diese Arbeit, die den einzelnen

Landesregierungen und den preußischen Provinzialverwaltungen obliegt, bmch namhafte Reichsmittel zu unterstützen.

Mögen, getragen von der nationalen Erhebung und zu ihrem Teil sie wieder tragend, Denkmalpflege und Heimatschutz zusammen fortwirken zum Besten unseres deutschen

Volkstums. Innenminister Dr. Fritsch: Ich habe den Vorzug, Sie alle im Auftrage des Herrn Reichs- und preußischen Ministers des Innern, des Herrn Reichsftatthalters und Gau­

leiters und der Sächsischen Landesregierung hier in unserem Sachsenlande zu begrüßen. Herr Reichsminister Dr. Frick ist leider verhindert, an Ihrer Tagung selbst teilzunehmm. Er hat mich aber beauftragt. Ihnen seine besonderen Grüße und seine herzlichen Wünsche für eine guten Verlauf der Tagung zu übermitteln. Dasselbe hat der Herr ReichSstatchaller

und Gauleiter Mutschmann getan, dessen Interesse für Ihre Arbeit ebenso bekannt ist

wie sein Bestreben, die Kunstschätze und die Raturschönheiten seines Gaues zu erhöhen. Ich selbst aber bin mit Ihrer Arbett als der zuständige sächsische Fachminister ganz beson­ ders verbunden. Wtt haben in unserem Sachsen in den drei Jahren seit der Machtübernahme

uns redlich bemüht, mit den leider nur geringen Mitteln, die bei der ungünstigen Finanz­ lage des Landes zur Verfügung standen, möglichst viel im Sinne Ihrer Bestrebungen zu

schaffen. Sachsen, das der flüchtige Kenner immer nur als eine große Weckstatt, als eine große

Fabrik mtt rauchenden Essen anspricht, hat ja ebensoviel Naturschönheiten wie werwolle Baudenkmale, für deren Erhaltung und Rettung vor dem Verfall wtt uns mtt besonderer Wärme einsetzten und auch immer einsetzen werden. Von der Freiberger Goldenen Pforte

und dem Meißner Dom an über unsere großen erzgebttgischen Stabtkttchen mtt ihren

wundervollen Schnitzaltären und Bildern bis zu den berühmten Bauten des 18. Jahr­ hunderts, dem Dresdner Dom und dem Zwinger, den Schlössern Moritzburg und Pillnitz erstreckt sich eine lange, ununterbrochene Reihe hochbedeutsamer Denkmäler, die dem künst­

lerischen Gestaltungswillen und Gestaltungsvermögen des so oft verkannten sächsischen Volles ein hervorragendes Zeugnis ausstellen.

Aber neben diesen uns allgemein bekannten Kunstwerken gibt cs auch eine Menge solcher,

deren Wert zahlenmäßig mehr in die Breite geht; alte Dorfkirchen, Bauernhöfe, Bürger­

häuser, alte Bergwerksanlagen, Mühlen und anderes — an sich gewiß keine bedeutenden Kunstwerke, aber alle Ausdruck einer schlichten, ehrlichen und echten Gesinnung und darum Spiegel der Wesensart unseres Volles und unserer Landschaft. Und gerade solche schlichten

Bauten sind eS, die als Vorbild für eine neue Baukunst bienen können, nachdem im Zeichen

langer Vernachlässigung die Verbindung mit dem Heimatboben verlorengegangen war.

DaS hat man besonders in Sachsen erkannt, wo die Heimatschutzbewegung einen Umfang wie kaum anderswo in Deutschland angenommen hat, wo die Aufgabe, dieses alte Volks­ gut zu erhalten, aber ungleich schwieriger ist, weil die dichtgedrängte Bevöllerung, die stark

konzentrierte Wirtschaft und die Industrialisierung dem Bestreben nach Erhaltung volks­ kundlicher und landschaftlicher Werte immer neue Widerstände entgegenstellte.

Die Sächsische Regierung ist sich der Aufgaben, die chr hier erwachsen, bewußt. Sie hat zunächst durch das Heimatschutzgesetz vom 13. Januar 1934 für den Schutz von Heimat,

Kultur und Denkmalpflege die organisatorischen Grundlagen geschaffen. In den zwei

Jahren seines Bestehens hat sich dieses Gesetz gut bewährt und die Erhaltung manchen bedeutenden Wertes ermöglicht. ES ist bedauerlich, daß die noch immer so schwierige wirt­

schaftliche Lage unseres Landes, in dem die Arbeitsbeschaffung Men anderen Aufgaben vorangehen muß, eS noch nicht gestattet, für Denkmalpflege und Heimatschutz die nötigen Mittel in der wünschenswerten Höhe bereitzustellen. Bei der Größe der Aufgabe vermag

auch die Leistung beS Landesvereins Sächsischer Heimatschutz keinen Ausgleich zu schaffen, der erheblich ins Gewicht fiele. Immer wieder ereignen sich Fälle, baß schöne alte Häuser,

die noch gerettet werben könnten, ausgegeben werden müssen, baß ihrem Abbruch zugunsten neuer zugestimmt werden muß, weil die öffentlichen Stellen die oft nur wenige Tausend

Mark für den Erwerb des Grundstücks nicht aufzubringen vermögen. Wir werben auch hier Rat schaffen. Wir werden neue Wege gehen, um eine neue starke Bewegung für den

Schutz und die Erhaltung der Natur und der Kunst ins Leben zu rufen. Wie diese in Aus­

sicht genommenen Wege im einzelnen auSsehen werden, kann ich heute noch nicht sagen, da sich MeS noch im Stadium der Vorbereitung befindet. Aber ich bin gewiß, daß diese Bestrebungen, wie Sie und wir sie in den Herzen wagen, getragen werden von der Partei und durch deren und Ihre unermüdliche Aufklärungs- und Erziehungsarbeit auch den brei­

testen Massen unserer Volksgenossen eingeprägt werben.

26 Es handelt sich schließlich bei der Denkmalpflege und dem Heimatschutz um ein« grund­

legende Forderung des Nationalsozialismus. Während der Bolschewismus Kirchen ver­ brennt und Kunstschätze von nationalem Wert vernichtet ober verschachert, sind wir gewillt, die Denkmäler einer ehrwürdigen Vergangenheit zu erhallen, denn sie sind Zeugnisse der

unverfälschten Wesensart unseres Volkes und bamll ein Teü von uns selbst.

Es ist von meinem Vorredner das Wort des Führers bereits ausgesprochen worden, daß „kein Volk länger lebt als die Dokumente seiner Kultur". Dieses Wort ist uns richtung­ gebend für die Aufgaben, die uns der Führer auf diesem Gebiete gestellt hat. Und baß ber

Sinn und ber Geist dieses Wortes als Leitstern auch über dieser Tagung stehen möge, das ist der Wunsch, den ich Ihnen namens der Regierung ausgesprochen hab«.

Dr. HanS Klose, Referent f. Naturschutz b. Reichsforstmeister, Berlin: Der Herr Reichsforstmeister, Ministerpräsident Hermann Göring, hat mich beauftragt, dem deut­ schen Bund Heimatschutz und den Teilnehmern des Tages für Denkmalpflege und Heimat­

schutz seine Grüße und für den Verlauf der Tagung ein kräftig „WeibmannShell" zu über­ bringen. Wenn der Herr Reichsforstmeister den Aufgaben und ber Arbeit des Heimatschutzes warme Teilnahme entgegenbringt, so geschieht dies in seiner Eigenschaft als Schirmherr des deutschen Waldes und deS deutschen Waidwerks, vor allem aber als Treuhänder des deutschen Naturschutzes, ber von Anfang an mit dem Heimatschutz unlösbar verbunden

war. Über Zweck, Ziele und Wesen deS Naturschutzes grundsätzliche Ausführungen zu

machen, ist an dieser Stelle nicht nötig, denn Wille und Programm der Reichsregierung

haben in dem Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 und in den sellher erlassenen Verordnungen klaren und überzeugenden Ausdruck gefunden.

Auch des Herrn Staatssekretärs, Generalforstmeisters D. Dr. von Keubell Grüße und

Wünsche habe ich die Ehre Ihnen zu übermitteln, und ebenso sein aufrichtiges Bebauern, infolge des Erntebanktages an ber persönlichen Teilnahme verhindert zu sein.

Hofrat Dr. Giannoni, Wien: Mir wurde der freudig empfundene Auftrag, namenS deS österr. Bundesministeriums für Unterricht und besten Zerttralstelle für

Denkmalschutz, dem Tag für Denkmalpflege und Heimastchutz die herzlichsten Grüße

zu sagen. Dieser Tag, ber uns jetzt in die herrliche, gastliche Stabt Dresden führt und in das WirkungSgebiet deS hochverdienten Land«SvereinS Sächsischer Heimastchutz, dieser Tag war

in seiner vieljährigen Überlieferung stets ein Arbeitstag und zugleich ein Festtag des ge­ samten deustchen Kulturlebens, der Nord und Süd vereinigte.

Wer die Tagesordnung ber diesjährigen Tagung durchgeht, findet darin ebenso die Über­

lieferung in der Forstetzung ber Erörterung von Gegenständen, die uns schon bstchäftigt haben, wie die Aufstellung neuer Aufgaben, welche die Zell stellt. Die Verwanbstchaft

dieser Themen mit jenen, welche die heurige österreichische BunbeStagung für Heimatpflege

behandelt hat, weist auf die Gemeinsamkeit dieser Forderungen der Zeit hin, damit aber auch auf den Nutzen wechselseitiger Anregung für die Arbeit hüben und drüben, welche dieser Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz sachlich und persönlich bietet. Gerade auch

dag persönliche Moment ist ein wesentliches für die Arbeitsanregung, und es ist auch ein schöner menschlicher Gewinn, daß auf dem Boden dieser Tagungen Freundschaften ge­ knüpft wurden, die seit Jahrzehnten Männer auS dem Reich und aus Österreich fürs Leben

verbinden. Möge solche Wirkung für unsere Sache und für ihre Träger auch dieser Tagung beschieben sein.

Ich darf wohl dem amtlichen Gruße, den ich zu überbringen hatte, auch den Gruß beS

österreichischen Verbandes für Heimatpflege, dessen Vorsitzender ich bin, anfügen, des

Verbandes, bei dessen Gründung vor 24 Jahren der Deutsche Bund Heimasschutz Pate

stand. Wir wissen, baß wir beide nicht vergebens gearbeitet haben, und auch, daß unsere Arbeit nicht überflüssig werden kann; denn immer ringt das Leben in Gut und Schlecht in

immer wechselnden Formen nach Gestaltung. Und wir wissen auch, baß wir in Nord und

Süd immer zueinander finden werben und zueinander stehen müssen, denn diese Gemeinsam­ keit unserer Arbeit ist gegründet in der Lebensanschauung unserer unverlierbaren DolkS-

tumSgemeinschast.

ERHALTUNG ODER UNTERGANG DES FACHWERKBAUES Regierungsbaumeister Siegfried Nagel, Dresden: Über Erhaltung ober Unter­

gang beS Fachwerkhaus vor Denkmalpflegern unb Heimasschützlern zu sprechen, ist wohl nur berechtigt, wenn bie Frage, in die baS Thema gekleidet ist, über die Bezirke theoressscher Erörterungen längst hinausgewachsen unb zu einem brennenden Zeilproblem geworden ist. Denn über die Schönheit des Fachwerkbaus, bie auf seinem rhythmisch unb stasssch

klaren Gefüge, seinen kraftvollen Farbgegensätzen und seiner harmonischen Eingliederung

in die Landschaft beruht, unb über die auS diesem Grunde wünschenswerte Erhaltung des Fachwerkbaus und der von ihm geformten OrtSbilber braucht mindestens in Ihrem Kreise

überhaupt nicht gesprochen zu werden. Aber eS geht — leider! möchte man sagen — nicht

um die Ästhetik beS Fachwerkhaus, sondern um bie nicht mehr länger zu verheimlichende Erkenntnis, daß eine urbeussche charakteristische Bauweise zum AuSsterben verurteilt zu sein scheint, unb um bie Erörterung bessen, was nun in letzter Stunde zu tun sei. Wir haben

heute nicht mehr darüber zu beraten, wie ein quicklebendiger Trieb am vielgestaltigen Baume

beusschen BauschaffenS in seiner Schönheit, Gssundheit unb Kraft zu erhalten unb zu fördern sei — wir sind vielmehr schon in bie Rolle eines ÄrztekonsilS am Lager eines schwer­

kranken Patienten gedrängt.

28

In der Tat: Wer völlig unbeschwert von fachlichen Erwägungen unsere Dörfer und Landstädte durchwandert, in denen die Fachwerkbauweise bodenständig ist, muß schon er­

kennen, in welch erschreckendem Maße der sog. Massivbau den althergebrachten Fachwerkbau mehr und mehr verdrängt und wie dadurch die frühere Einheitlichkeit der OrtSbilber min­

destens ebensosehr zerstört wird, wie eS etwa beim willkürlichen Wechsel der DachbeckungSstoffe geschieht. Aber während bei dieser letzteren Bausünbe eine straff arbeitende Baupolizei

in den meisten Fällen noch baS schlimmste Unhell verhüten kann, ohne daß für den Bauen­

den unbillige Härten entstehen — denn Mehrkosten bringen beim DachdeckungSstoff auch oft einen Mehrwert —, liegt der Fall beim Fachwerk wesentlich anders. Hier hat sich eine Baupolizeibehörbe, die sich aus kulturellem Verantwortungsbewußtsein die Pflege des

Fachwerkbaus besonders angelegen sein läßt, mit sehr viel gewichtigeren Gegengründen

von fetten der Bauenden auSeinanberzusetzen — mit Gründen, denen auch wir nachzugehen

haben, wenn wir eine Antwort auf die im Thema gestellte Frage finden wollen. Die' mir zur Verfügung stehende Redezeit zwingt mich selbstverständlich zur Beschrän­

kung; eS kommt aber in Ihrem Kreise wohl auch weniger auf eine möglichst ausführliche Darstellung beS umfänglichen Für- und Wider-KomplexeS an, als auf die Herausstellung der wichtigsten in der Praxis auftretenben Gesichtspunkte und die daraus abzuleitenbe Stellung, die der Heimatschützler und Denkmalpfleger nach meiner Überzeugung gegenüber

der Frage beS FachwerkbauS künftig einzunehmen hat.

Diese Stellung wird, um eS vorauszuschicken, zunächst wesentlich mehr eine Verteidi­

gungsstellung als eine Angriffsbasis sein. Als der Führer nach der großen Branbkatastrophe von öschelbrunn, während angesichts der noch rauchenden Trümmer schon geschäftstüchtige Unternehmer versuchten, den unglücklichen Abgebranntm schlüsselfertige Häuser zu konkurrenzlosen Preisen aufzureden, die Anweisung gab, den Ort einheitlich unter Annullierung etwa schon getroffener Abreden

in Fachwerkbauweise aufzubauen, wurde in dieser baukulturellen Tat zweierlei offenbar: einmal der schöpferische Wille beS Architekten, eine organssch gewachsene, einheitlich

gestaltete Dorfanlage an Stelle beS richtungS- und gesinnungslosen Durcheinanders zu schaffen, das sonst ohne eine straffe Führung mit Sicherheit entstanden wäre, und zum

anderen das Bekenntnis des Kulturpolitikers zu einer uralten und für das deutsche Bauschaffen geradezu bezeichnenden Bauweise. Die Öffentlichkeit wurde durch diese Tat, die einer Demonstration gleichkam, in eindringlicher Weise auf die lebendigen Werte hin­

gewiesen, die im überlieferten Erbe unserer Väter begründet liegen, und zugleich auf die

Schönheit, die eine alte, aber in gegenwartSverbunbenem Geiste fortgeführte Bauweise

wie der Fachwerkbau auSstrahlen kann.

2ttS dann vom Herrn Reichsforstmeister die Wettbewerbe für Förstereigehöfte in heimat­ licher Holzbauweise ausgeschrieben bzw. angekünbigt wurden und der erste Wettbewerb

29 bereits ein recht beachtliches Ergebnis brachte, würbe der Öffentlichkeit erneut die Bedeutung des FachwerkbauS als Beispiel eines artbewußten, bodenständigen und ausdrucksstarken

Bauens vor Augen geführt. Zahlreiche Stellen versuchten, den mitunter schon aufgegebenen Fachwerkbau in dem ihnen anverlrauten Bereiche wieder vorwärtszutreiben; mindestens

aber setzten sie sich mit den mannigfachen Fragen, die diese Bauweise heute aufrollt, ernst­ lich auseinander.

Schon diese Auseinandersetzung in Kreisen, die dem Fragengebiet bisher gleichgültig ober ablehnend gegenüber gestanden hatten, war ein großer Erfolg der frisch zupackenden

Tat des Führers und des Reichsforstmeisters. Nach dieser Tat konnten sich die Gleichgül­ tigen ebensowenig auf eine abwartende, b. h. innerlich ablehnende Haltung beschränken,

wie es die Anhänger bei einer ruhmredigen Anpreisung bewenden lassen konnten: jetzt galt eS vielmehr, die JukunftSauSsichten dieser Bauweise gewissenhaft abzuwägen. ES "ging und geht um die Frage, ob über die Einmaligkeit einer Kulturtat hinaus, wie sie Hschel-

brunn barstellt, oder über baS Bestreben beS Reichsforstmeisters hinaus, forstfiskalische Gebäude im Erzeugnis beS Waldes, also in Holz, zu errichten, ober über besondere denk­

malpflegerische Einzelfälle hinaus die Erhaltung der Fachwerkbauweise im Sinne einer erfolgreichen Weiterführung möglich ist ober nicht.

Fachwerkbau setzt einen gewissen Holzreichtum voraus. Für unsere Vorfahren, die über genügend viel gutes und starkes Bauholz verfügten, war der Fachwerkbau — in manchen

besonders waldreichen Gegenden auch der Block- und Stänberbau — daher das Gegebene. Er ist geradezu ein Wahrzeichen der verbissenen Zähigkeit, mit der der Deutsche sein Brauch­

tum gegen welsche Einflüsse verteidigte. Mochte der Römer am Rhein seine Bauten in Stein und Mörtel ausführen — der Deutsche blieb bei seiner herkömmlichen Bauweise,

richtete baS Haus aus Eichenholz, dichtete die Gefach« mit Stockgeflecht und Strohlehm,

vewollkommnete diese Bauart von Generation zu Generation in technsscher und künstlersscher Hinsicht und brachte es schließlich zu jenen vollendeten Bauwerken, die wir heute

zu den höchsten Leistungen deutscher Baukunst zählen. Fast bis zur Mitte des vorigen Jahr­

hunderts ist der Fachwerkbau dort, wo er bodenständig war, unentwegt geübt worben — bis auch hier die gewaltige Umschichtung, die baS 91. Jahrhundert infolge der Jndustrialisierung bringt, die Überlieferung verschüttet und abbricht.

Die Ausdehnung der Industrie, die fortgesetzte VerbMgung und Vermehrung ihrer

Erzeugnisse, auch auf dem Baumarkt, die wachsende BevölkerungSzahl, die Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Fläche auf Kosten der forstwirtschaftlich genutzten, die zu­

nehmende Verdichtung beS Verkehrsnetzes und die Vermehrung der Transportmittel und

die damit zusammenhängende VerbMgung der Frachten haben, wie Sie wissen, nicht nur den Fachwerkbau, sondern auch andere bodenständige Bauweisen zurückgebrängt und an ihre Stelle das chaotische Bild der landschaftsfremben und der Ersatzbauweisen gesetzt, mit

30 dessen Auswirkungen wir und noch auf viele Jahrzehnte hinaus auSemanberzufetzen haben

werden. Ich brauche baS vor Ihnen nicht näher auSzuführen. Jedenfalls mußte diese Ent­ wicklung in einem Zeitalter, dessen Gesinnung überdies durchaus liberalistifch-materialistisch orientiert war und dem baS nach Maß und Zahl Berechenbare alles, baS Unwäg­ bare aber wenig ober nichts galt, zur Untergrabung der Überlieferung, also auch deS boden­

ständigen FachwerkbauS führen.

WaS nun aber die einschneidenden wirtschaftlichen Umwälzungen und die geistige Grund­

haltung in der zweiten Hälfte deS 19. Jahrhunderts auf dem Gebiete des FachwerkbauS sündigten, müßten ja heute erhebliche praktische, technische, wirtschaftliche und vor allem

ideelle Vorzüge wiedergutmachen können. Wir sind und mit Stolz der fortzeugenden Kraft unserer Überlieferung bewußt, wir wissen um die bindende Verpflichtung, ererbted Kultur­

gut unversehrt und unverfälscht wetterzugeben, unser wirtschaftliches Denken vollzieht sich, durch bittere Erfahrungen belehrt, in Bahnen, dtt denen im vorigen Jahrhundert zum Teil geradezu entgegengesetzt sind, wtt erkennen btt Grenzen der Technik, btt ein überschäu­

mender Fortschrittstaumel nicht mehr sehen wollte, und finden und zu einem naturnahen Denken zurück: also müßte doch auch dem Fachwerkbau wttder der ihm gebührende Platz

zu erobern sein, vorausgesetzt, daß er den Ansprüchen gerecht wttd, dtt wtt heute, ohne falsche Altertümelei, von chm als Bauweise in schönhettlicher und wirtschaftlich-technischer

Hinsicht bMgerweise verlangen müssen. Untersuchen wtt daS näher.

ES bedarf keines Hinweises, daß der Fachwerkbau in schönheitlicher Hinsicht bei guter Durchbildung unserem Empfinden restlos ensspricht, ja daß wtt gerade aus schönhettlichen Gründen z. B. in Fachwcrkdörfern seine Ausbreitung im Interesse der Einhettlichkeü des

OrtSbilbeS bringend wünschen möchten. Freüich muß hier eine Einschränkung gemacht werben. Ich habe in meiner Tättgkett als Bauberater btt Erfahrung gemacht, daß manche

Kreise anscheinend den Fachwerkbau als Rückversicherung für gutes und anständiges Bauen ansehen. Man baue in Fachwerk, und btt mitunter fürchterliche Stümperei im ländlichen

Bauwesen werbe behoben sein. Demgegenüber möchte ich mit Nachdruck feststellen, daß derjenige Baugewerke, der keinen anstänbigm Massivbau zusammenbringt, auch kaum

in der Lage sein wttd, einen klaren, anständigen Fachwerkbau zu errichten. Auch der Fach­ werkbau setzt eben heute entwerferischeS Können voraus.

Nun zur wirsschaftlich-technischen Sette der Frage. Wtt sagten schon, baß ein gewisser Holzreichtum Voraussetzung einer über Einzelfälle hinauSreichenben Wetterführung beS FachwerkbauS sei. Nach meiner Unterrichtung ist die Lage am Holzmarkt zur Zett — aufs Ganze gesehen — so, daß fichtenes und kiefernes Bau­

holz in ausreichenden Mengen und mit tragbaren Lieferfristen zur Verfügung steht. Eichen­

holz, das früher vorwttgenb verwendet wurde, ist selbstverständlich dank seiner hewor-

ragenden Eigenschaften das beste Fachwerkbauholz. Wir werben es aber infolge seines Preises im Regelfälle zugunsten von geeigneterem Weichholz zurückstellen müssen — ein Verzicht, der uns in Sachsen nicht so schwerwiegend erscheint, wie er offenbar anderwärts

angesehen wird, wo man teilweise ohne Eichenholz im Fachwerkbau nicht auskommen zu können glaubt. Unsere sächsischen und sonstigen, nicht aus Eiche gebauten Fachwerkhäuser

weisen mitunter ein recht beträchtliches LebensaUer unter teilweise höchst ungünstigen kli­ matischen Verhältnissen auf — ein Beweis, welche erheblich« Rolle die noch zu besprechende

Oberflächenbehandlung und die einwandfreie Beschaffenheit des HolzeS überhaupt spielt. Wir brauchen, wie Sie wissen, für den Fachwerkbau vollständig auSgetrocknetes, winter­

gefälltes Holz. Früher kam ausschließlich solches Holz auf den Markt — heute ist einige Aufmerksamkeit angebracht, um solches Holz mit Sicherheit zu erhalten. Es kann in Zellen

der Knapphell vorkommen, baß doch noch einmal bei schon steigendem Saft geschlagen worden ist — solches Holz ist selbstverständlich für unsere Zwecke vollständig unbrauchbar, da es

reißt, sich wirft und fäulnisanfällig ist. Selbstverständlich muß auch brehwüchsigeS Holsorgfältig ausgeschieben werben. Die Lagerung ist bei dem scharfen Preiswettbewerb,

der den Lieferanten zu möglichst raschem Umschlag zur Vermeidung von Zinsen für in­

vestiertes Kapllal anhäll, meist keine lange; auch da ist eben Zusammenarbell mit einem vertrauenswürdigen Holzhändler notwendig. Am besten ist natürlich Kreuzholz, also das

Holz auS der Mitte des Stammquerschnitts, bas am wenigsten reißt; wichtig sind auch nicht zu geringe Querschnittsabmessungen. Die 10/12 und 12/14« Hölz«, die wir heute rechnerisch ermitteln und womöglich in großen Abständen anordnen, geben auf b« Dau«

kein hinreichend festes Gefüge und sind auch archüekwnisch unschön; auf solche schwind­ süchtige kraftlose Fachwerke sollte man lieb« verzichten. Mittelalterliche und Renaissance­ bauten in Fachwerk, denen ja auch ein größeres Backsteinformat zum AuSfachen zur Ver­

fügung stand, zeigen vlll größere Holzquerschnitte, als sie heute üblich sind — d« Haupt­

grund für die Hallbarkell und kraftvolle Schönheü jen« Bauten. Gut auSgetrocknetes Kreuzholz in kräftigen Querschnitten ist ab« heute um 10 bis 20 v. H. teuer« als das üb­ liche Bauholz. Diese bedau«liche Tatsache sowie die gesteigerte V«antwortung des Fach­

werkbauten Ausführenden belln Holzkauf vermerken mir, wenn wir jetzt die Erörterung

üb« die notwendige Holzbeschaffenhell abschließen. Die Oberflächenbehandlung beS alten Fachw«kholzeS war schon beim Zuschnitt

eine andere als heute. D« Balken wurde früh« mit b« Axt behauen, heute wllb « maschi­ nell gesägt. DaS Behauen führte nicht nur zu ein« lebendigeren Wirkung, sondern vor

allem auch zu ein« Art Verdichtung b« Oberfläche, die wahrscheinlich auf die WiberstandSfähigkeü deS Holzes nicht ohne Einfluß ist. Heute zu dies« Behandlungsart, auß« in

Einzelfällen, grundsätzlich zurückzukehren, halte ich für ausgeschlossen. Abgesehen davon, daß unsere Zllnm«leute diese Übung erfordernde Technik kaum mehr beherrschen, ist baS

32 Verfahren auch zeit- und materialvergeubenb und damit verteuernd. Wir müssen nun ein­

mal mit dem Pfennig rechnen und können auf die restlose Stammausnutzung beim Gatterschnitt ohne fühlbare Preiserhöhung nicht verzichten. Die Nachteile des Weichholzes gegenüber dem Hartholz können/ wie Sie wissen, durch einige neuzeitliche Oberflächenbehandlungsverfahren teilweise ausgeglichen werben. Die Tränkungsverfahren sind im allgemeinen zu kostspielig und zu umständlich, um für den ländlichen Fachwerkbau in Frage zu kommen — es gibt aber einfache und billige che-

mssche Anstriche, die baS Aussehen deS Holzes und seine PatinierungSfähigkett in keiner

Weise verändern und die Entflammbarkett und btt Anfälligkett für Wurmfraß und Fäulnis

in hohem Maße herabsetzen. Wttb bann das Holz noch in atthergebrachter Weise etwa mit einer Mischung von Ochsenblut, Ruß und Leinöl gestrichen — eine wenig wohlriechende, aber höchst wttksame und farbschöne Behandlung! — oder mit Karbolineum gründlich übergangen, so ist ein weitreichender Schutz der Oberfläche gewährleistet, vor allem bann,

wenn der Anstrich in regelmäßigen Abständen wiederholt wttb. Fachwerk braucht nun einmal eine gewisse Pflege — daß sie meist vernachlässigt wttb, ist nicht zuletzt ein

Grund für btt angebliche Unzulänglichkett dieser Bauweise. Deshalb trete ich auch nicht

ohne weiteres für den Olfarbenanstrich von Fachwerk ein: wirb dieser Anstrich nicht regel­ mäßig wieberhott, so bilden sich Haarrisse, in dtt baS NieberschlagSwasser eindringt, so

baß eS bann seine ZerstörungSarbett am Holz verrichten kann. Daß natürlich der chemische

Anstrich etwas, wenn auch nicht vttl, kostet unb baß dtt Notwendigkett regelmäßiger Pflege nicht nach jedes Bauherrn Geschmack ist, das müssen wtt beim Berlassen bttseS KapttelS leider auch feststellen.

Dtt Ausfachung erfolgte früher, wtt wtt schon sagten, als Lehmstakung. DaS Ver­ fahren hatte den Vorteil, baß baS Fach btt Bewegungen beS HolzflelettS, btt nicht zu ver­

meiden sind, infolge seiner Elastizüät vttl besser mitmachte als btt heute übliche starre

ZttgelauSfachung. Demzufolge htttt sich die Rißbilbung zwischen Holzskelett und Aus­ fachung in mäßigen Grenzen, waS wiederum der Dichtigkett der Wand zugute kam. Daß

wtt heute um des bautechnischen Vorteils willen zur Lehmstakung zurückehren könnten, halte ich nur in Ausnahmefällen, wo Lehm bei der Baustelle vorhanden ist unb geeignete Arbeitskräfte zu haben sind, für möglich. Sm allgemeinen müssen wtt bei der ’/i Stein stk. ZttgrlauSfachung als Normalausführung bleiben. Dtt Ausfachung hat bann zweckmäßig

mtt Dreikantleistenanschluß unb so zu erfolgm, baß der 2 cm stk. Außenputz bündig mit dem Holz liegt und durch eine mit dem Federmesser gezogene Putzklinse sauber vom Holz abgesetzt wttb, um BewegungSrisse möglichst zu vermeiden. Den Putz gegen btt Holzflucht

zurücktreten zu lassen, ist technisch falsch, well damit am Holz gefährliche Angriffsflächen für Regen- unb Schmelzwasser geschaffm werben. Umgedreht wttb der Putz von solchen

Ausfachungen, die vor dtt Holzflucht treten, aus dem gleichen Grunde rasch mürbe.

Diese »/, Stein ftk. Fachwerkwand atmet nun sehr stark. Für Scheunenbauten, wo es auf gute Durchlüftung ankommt, ist das ein Vorteil — für Wohnbauten ist eS um so

nachteiliger, als die Wohnansprüche auch der ländlichen Bevölkerung bedeutend gestiegen

sind. Der Bauer von heute wohnt im allgemeinen nicht mehr mit der rührenden Anspruchs­ losigkeit seiner Vorfahren hinter einer hochgradig kälte- und sogar winddurchlässigen Wand,

«in Umstand, dem bei der Abhandlung unseres Themas eine geradezu ent­

scheidende Bedeutung zukommt. Die Kälte- und Winbburchlässigkeit der einfachen Fachwerkwand ist ein keineswegs unberechtigter Haupteinwand, der immer und immer

wieder geltend gemacht wirb, und um ihm den Boden zu entziehen, sind bautechnische Maß­

nahmen erforderlich, die leider nicht bMg sind. Um sowohl die Wärmehaltung wie auch

die Dichtigkeit einer normalen, also i */i Stein stk. Ziegelumfassung zu erreichen, ist eS not­ wendig, die Fachwerkwand innen mit Dachpappe und außerdem mit einer etwa 3'/, cm stk. Leichtbauplatte zu verkleiden. Damit wirb aber der GestehungSpreiS der Fachwerkwand um durchschnittlich 10 v. H. höher als der der gleichen Fläche einer 1'/» Stein stk. Ziegel-

wand. Wirb gar noch Kreuzholz größeren Querschnitts verwandt, so können die Mehr­

kosten sogar bis zu so v. H. betragen. Ich betone zur Vermeidung von Mißverständnissen

ausdrücklich, baß sich dies« Mehrkostenangaben auf die Wandeinheit, nicht etwa auf den cbm umbauten Raumes beziehen, d.h. baß bie Mehrkosten für den Gesamtbau natür­

lich einen niedrigeren Hundertsatz auSmachen. Meine Zuhörer, eS kann wohl niemandem zweifelhaft fein, daß wir damit an einem be­

denklichen Punkt unserer Erörterung angekommen sind. Wer heute baut, ist fast stets an «ine bestimmte, meist recht knappe Summe gebunden; er wirb bestrebt sein, für sein müh­

selig erworbenes Gelb den größten Gegenwert zu erhalten. Wirb ihm nun der ach so be­ queme Massivbau in den höchsten Tönen gepriesen und wird chm bann gesagt, baß ein Fachwerkgebäube eine hinreichende Lebensdauer nur habe, wenn eS aus sorgsam ausge­

suchtem Holz bestehe, baS bestens gepflegt werben müsse, und baß erst eine gute Dämmung

und Dichtung bie Leistung einer 1 >/, Stein stk. Massivwand errreiche, wofür allerdings ein Mehrpreis von 10 v. H. und noch mehr für bie Wand anzuwenden sei, bann wirb «S ver­

ständlich, baß er, der Bauherr, der Fachwerkbauweise bedenklich gegenüber steht, vor allem wenn er noch von den höheren Prämien der Brandversicherungen hört. ES wirb also

höchste Zeit, baß wir unS nun endlich nach den Vorzügen der Bauweise gegenüber dem

Massivbau umsehen. Da ist in technisch-wirtschaftlicher Hinsicht bie außerordentliche Schnelligkeit zu rühmen, mit der ein Fachwerkbau errichtet werben kann. Er ist weiterhin verhältnismäßig rasch

trocken, ba zu seiner Herstellung ungleich weniger Wasser gebraucht wirb als zu einem Massivbau gleicher Größe. Daß bie Versorgungsleitungen, außer den elektrischen, auf

Putz gelegt werben müssen, spielt beim ländlichen Fachwerkbau keine wesentliche Rolle, 3

*936

34 auch nicht die größere Hellhörigkeit der Umfassungen. Hinsichtlich der hypothekarischen Belechung entstehen zwar keine Vorteile, aber auch keine Schwierigkeiten, wenn die Aus­

führung in der von mir geschilderten Art, also mit inneren Leichtbauplatten erfolgt, sodaß die Dämmung der Wand der einer 38 cm stk. Ziegelwand entspricht; das ist z. B. im Ver­

zeichnis -er von der Preußischen LanbeSpfanbbriefanstalt zugelassenen Bauweisen aus­

drücklich bedingt.

Scheunen- und Schuppenbauten, bei denen eine Dämmung nicht erforderlich ist, sind

selbstverständlich billiger als Massivbauten — sie werden demzufolge auch heute noch in Fachwerkgegenben gern in Fachwerk errichtet, auch wegen der für verschiedene landwirt­

schaftliche Zwecke vorteilhaften Durchlüftung, d. h. kräftigen Atmung der Wand. 2lber freilich — die Zahl dieser Neubauten stellt einen Bruchteil des ländlichen Wohnhausbaus bar, ganz abgesehen davon, baß die so charakteristische Ausfachung oft unterbleibt unb

durch Verbretterung ersetzt wirb.

Der entscheidende Vorzug der Fachwerkbauweise liegt daher auf schönheitlichem Ge­

biet. Diese Feststellung wäre vielleicht in Zeiten starker Baugesinnung allein hinreichend, der altüberlieferten, ausdrucksstarken Bauweise die Zukunft zu sichern — sie hat bei der heutigen baukulturellen Gesamtlage, die ich vor Ihnen nicht zu schildern brauche, zunächst

nicht viel mehr als rhetorischen Wert. Die Bauberater und Denkmalpfleger unter Ihnen werden eS alle wie auch ich schon erlebt haben, baß man gegen den Besitzer eines wunber-

schönen Fachwerkgutes einen erbitterten Kampf führen muß, well er mindestens die Wet­

terseite unter allen Umständen massiv aufmauern oder verputzen will —

ohne daS ge­

ringste Verständnis für die brutale Verschandelung des von seinen Vätern ererbten HofeS unb einzig um einer oft geringfügigen Ersparnis mitten. Wegen izo RM Mehrkosten hat in meiner Praxis ein Erbhofbauer, dazu ein nicht unvermögender, den reichen Giebel seines FachwackwohnhauseS durch Verputzen verschandelt; nicht einmal der Landesbauern­

führer, der ihm eindringlich ins Gewissen geredet hat, hat ihn daran hindern können.

Bei dieser Sachlage wird der Pessimist den Fachwerkbau nunmehr resigniert verloren geben, so wie eS schon viele getan haben. Ich schließe mich dem nicht an. So sehr ich gezwungen war, nach den mir zuteil geworbenen Erfahrungen ein ungeschminktes Bild

von der augenblicklichen Lage des FachwerkbauS zu geben, so wenig bin ich geneigt, die Flinte inS Korn zu werfen. Ich habe unS eingangs mit einem Ärztekonsil am Lager eines Schwerkranken verglichen: nun, meine Zuhörer, wir wärm schlechte Ärzte, wmn wir bm

Krankn aufgebm wolltm, nur weil er aller Voraussicht nach nicht wieder in bm Voll­ besitz seiner Kräfte gelangt. Eines ist zuzugebm: die Fragestellung wird künftig kaum mehr

lauten können: Erhaltung im Sinne einer regen, dm Massivbau zurückbrängenden

Wetterführung des FachwerkbauS ober Untergang — sondern diese schroffe Antithese, die alles will ober nichts, wirb abgewanbelt werben müssen in die versöhnlichere Auslegung

des Begriffs der Erhaltung im Sinne der sorgsamen Pflege des Vorhandenen, seiner Be­ wahrung vor Verunstaltungen jeglicher Art und der besonders vorsichtigen Einfügung

von Reu- und Anbauten in geschlossene Fachwerkbestände in einer der besonderen Lagerung

beS Falles entsprechenden Art. Mit anderen Worten: Der Fachwerkbau wächst aus dem Bereiche beS alltäglichen unbekümmerten BauschaffenS allmählich hinüber in die sorgsam

überwachten Bezirke beS Heimatschutzes. Glücklich die Landstriche, in denen noch die Vor­ aussetzungen eines auSgedehntm FachwerkbauS als einer regelmäßigen, typischen, nicht

gelegentlichen Bauausübung gegeben sind — sie sind aber augenblicklich eine beneidens­

werte Minderheit. DaS heißt also, baß mit dem Fachwerkbau, wie unsere Freunde und Gönner sagen, so

nach und nach ein musealer Mumienkult getrieben werben soll? Dann wäre ich gründlich mißverstanden worben. Wir Heimatschützler und Denkmalpfleger brauchen uns heute nicht mehr mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen, längst abgestorbene Dinge künstlich

wiederbeleben und in unserem Jahrhundert eine halb traurige, halb komische Mauer­ blümchenrolle spielen lasten zu wollen. Gerade unsere Überzeugung, daß nur lebendiges

Kulturgut von jener fortzeugenben Kraft ist, die das Kulturleben der Gegenwart aufS

reichste befruchten und durchdringen kann, bewahrt uns davor, einen lebensfernen Mu­ mienkult zu betreiben. Der Fachwerkbau aber, meine Zuhörer, ist noch lange nicht tot, well sich andere, tellweife bMgere Bauweisen neben ihn geschoben haben; er ist nicht tot, nur

weil wir nicht reich sind und mit dem Pfennig rechnen wüsten; er ist nicht tot, weil er

zahlenmäßig zurückgegangm ist und infolge der allgemeinen bautechnischen Entwicklung seine frühere Verbreitung kaum wieder finden wirb. Er macht ein zestbebingtes Krank­ heitsstadium durch, und an unS, meine Zuhörer, wird eS wesentlich mit liegen, wie weit

wir ihn wieder gesund bekommen.

Denn waS ist, kurz zusammengefaßt, baS Fazit meiner Untersuchungen: doch dies, daß

eS mit den heutigen technischen Mitteln und bei gewissenhafter Ausführung durchaus mög­

lich ist, gut und dauerhaft in Fachwerk zu bauen, baß aber bei Wohnbautenmit einigen Mehrkosten gegenüber dem Massivbau und mit einer gewissen Pflege zu rechnen ist. Diese Mehrkosten und diese Pflege vergilt daS Fachwerk aber mit einer ausdrucksstarken natür­

lichen Schönheit, die eS über den durchschnittlichen Massivbau wett hinaus hebt und eS einem für seine großartige Schlichthett und lebendige Natürlichkett empfänglichen Bau­

herrn geradezu begehrenswert machen muß. Dazu aber gehört bas, was wtt Baugesin­ nung nennen. Baugesinnung setzt der Fachwerkbau voraus, und diese Baugesinnung, btt nicht nur dem Fachwerkbau, sondern allen Gebieten unseres baulichen Gestattens bitter

not tut, wttberfinben zu helfen, ist btt große, schwere, uns gestellte Kutturaufgabe. Welch erhebliche Rolle daS Geld beim Baum spielt, wissen wtt alle. Aber ich wehre

mich mit Entschiedenheit dagegen, ihm eine allein ausschlaggebende Rolle zuzubilligen.

36

Als Bauberater weiß ich aus täglicher Erfahrung, wieviel Gelb mitunter für eine bauliche Kateridee auSgegeben wirb und wieviel Gelb allein für einen unwirtschaftlichen, aber dem

Bauherrn und noch häufiger der Bauherrin unbegreiflicherweise zusagenden Grundriß -um Fenster hinausgeworfen wirb. Das gibt mir die Zuversicht zu glauben, daß der Fachwcrkwohnhausbau sich sehr wohl zu halten vermag, wenn nur erst der breiten Masse der

Bauenden die Augen für seine Schönheit aufgehen und sie bereit ist, dafür einige Mehr­ aufwendungen, die sonst vielleicht in die ausgefallensten Dinge hineingesteckt werben, bank

ihrer Baugesinnung in Kauf zu nehmen. Sie werden einwenden, baß mit diesem schönen Zukunftswunsch dem Augenblick recht

wenig gedient sei. Über die Wege zur Rückgewinnung der Baugesinnung zu sprechen, ge­ hört nicht in den Rahmen dieses Vortrags; wohl aber muß, solange diese Baugesinnung

ein ZukunftStraum ist, davon gesprochen werben, welche Aufgaben unS der Augenblick auf dem Gebiete des Fachwerkbaus stellt. Ich sehe diese Aufgaben folgendermaßem:

i. Die künstlerischen Leistungen dcS allen Fachwerkbaus in Stadt und Land gehören heute bereits in daS Arbeitsgebiet der Denkmalpflege, die diese Bauten und ihre Umgebung

nach festen Gesichtspunkten behandell. Sie werben im nachfolgenden Vortrag besprochen werben und können daher hier außer Betracht bleiben.

2. Die Zeugen guter aller Fachwerkbauweise, die wir zwar zur Vermeidung einer Ver­

wässerung des Denkmalbegriffs nicht zu Denkmälern erklären können, aber im Sinne des Heimasschutzes betreuen müssen, sind mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu erhallen. Dabei muß erreicht werden, etwa nach dem Baupflegessystem die wichtigsten Bauten mit einer gewissen Regelmäßigkell zu überwachen, damll Schäden sofort erkannt und nach

Möglichkell behoben werben. Heute gelangen an den Heimasschutz ober an sonstige Stellen

Benachrichtigungen ober Unterstützungsanträge meist erst bann, wenn der Bau schon fast einfällt und nur noch mit einem Geldaufwand zu retten ist, den niemand mehr aufbringen kann. Unzählige Fachwerkbauten, die noch heute gut und brauchbar sein könnten, sind

tiefem Schlendrian zum Opfer gssallen. Weller müssen sich Anbauten an Fachwerkhäuser,

wenn nur llgenb möglich, dem Altbau fügm; wlld in einer Jelle aller Fachwerkbauten ober inmitten ssneS FachwerkdosseS ein Neubau errichtet, so soll er tunlichst gleichfalls auS Fachwerk bestehen. Oft wlld schon eine erträgliche Wirkung erreicht, wenn wenigstmS

die Giebel in Fachwerk ausgeführt werben; wo, wie z. B. in Sachsen, Verbretterungen,

Vesschinbelungen und Bsschisserungen üblich sind, kann ein Massivbau, der im Ober­ geschoß ober an den Gllbeln so verkleidet wird, noch ganz gut unter Fachweckhäusern

stehen. Mehrkosten müssen, wenn sie vom Bauherrn tassächlich nicht aufbringbar sind, bei

erheblichem öffentlichen Interesse, das in den von uns inS Auge gefaßten Fällen meistens vorliegen wird, aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden. Ich habe z. B. in Sachsen die

Errichtung eines staatlichen AuSgleichSsonbS zur Deckung von Mehrausgaben bei Fach­ werkbauten in solchen Fällen erbeten, wo ein öffentliches Interesse vorliegt und der Be­

sitzer bedürftig ist, und auch die Bereitstellung solcher Mittel zu einem balbmöglichen Zeit­

punkt in Aussicht gestellt erhallen. 3.

Namentlich die ländliche Bevölkerung muß über die Bedeutung des FachwerkbauS

als arteigene, heimatgebunbene Bauwesse aufgeklärt werben. Diese Aufklärung erfolgt am besten ohne alle Fachsimpelei durch den Reichsnährstand selbst. Hier muß der Bauer

zum Bauer sprechen. Wir können bei der heutigen baukulturellen Gesamtlage nicht ver­ langen, daß der Bauer mehr Baugesinnung aufbringt als andere Volksgenossen, wenn sie ihm niemand nahe bringt. Zugleich werden sich aber auch die Baupolizeibehörben ein­

mal selbst ober durch beauftragte Stellen der Bauausführenden annehmen müssen, die,

wie ich auS eigener Erfahrung weiß, mit ihrer Beratung der Baulustigen den baukultu­

rellen Belangen, auch auf anderen Gebieten als dem deS FachwerkbauS, nicht immer Rech­ nung tragen. Mangelhafte ober einseitige Beratung durch den ortSeinsässigen „Baufach­

mann", dem man meist mehr glaubt als der Behörde, kann gerabezu verheerend wirken.

In diesem Zusammenhang muß auch die Notwendigkell erwähnt werben, auf Bau- und Hochschulen dem Fachwerkbau eine größere Aufmerksamkell zuzuwenden. Namentlich den

Baugewerkschulen fällt hier eine wichtige Aufgabe zu, da ihre Schüler sich später in der

Praxis mit dieser Frage besonders auSeinanberzusetzen haben werben. Ich habe den Ein­

druck, daß eS manchenorts gewaltig forsschrittlich« Lehrer gibt, die den Fachwerkbau mehr als eine schon archäologssche Angelegenhell behandeln und die sich über die völkisch« Be­ deutung dieser Bauweise bislang recht wenig ausgelassen haben. Hier wllb hoffentlich

die Art deS Wiederaufbaus von öschelbrunn durch den Führer manchem Anlaß zur Be­ sinnung geben. 4. Wo auS zwingenden Gründen der Fachwerkbau tassächlich nicht mehr durchführbar

ist, soll er nicht mehr künstlich am Leben gehallen werden. ES entsteht bann bll meist unter­

schätzte Aufgabe, in Fachwerkbestänbe harmonssch Massivbauten einzufügen, bll sich durch Wanbbehanblung und GesimSbilbung von ihrer Umgebung wesentlich unterscheiden. Grundsatz muß dann sein, baS Neu« dem Allen möglichst unauffällig in gleicher Grund­

form deS Baukörpers und in gleicher Farbe einzufügen. Zu Fachwerkbauten mit Hellen

PutzauSfachungen gehören Helle Putzbauten, zu unverputzten Backsteinausfachungen ge­ hört Backstein- ober Klinkerbau. Hier erwachsen der Baupolizei und dem Heimasschutz be­

sonders verantwortungsvolle Aufgaben, indem von Fall zu Fall der einzuschlagende Lö-

sungSweg festgelegt werben muß. 3m übrigen werden sich selbständige Erwellerungen von Fachwerkbörfern, die in Massivbau tragbar sind, bemühen müssen, in ihrer Gssamthaltung, in Farbe und Maßstab würdig neben der alten Fachwerksieblung bestehen zu

können. Tun sie baS, so ist schon viel gewonnen; bll Heranzllhung eines wirklich tüch-

3» tigen PlanverfertigerS und eine straffe behördliche Aufsicht werben viel zu diesem Ziel bei­ tragen. Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen und darf zufammenfafsen: Fachwerkbau,

eine hervorragend schöne und im wahrsten Sinne beS Wortes urdeutsche Bauweise ist bei

sorgfältiger Auswahl der unS heute zur Verfügung stehenden Werkstoffe auch in Gegen­ wart und Zukunft, namentlich auf dem Lande, möglich. Er ist billiger und schneller zu bauen als der Massivbau; nur der WohnhauSbau verursacht, um dem heute üblichen

Massivbau technisch ebenbürtig zu sein, Mehrkosten, die durch die außerordentliche Schön­ heit eines gepflegten Fachwerks belohnt werben. Voraussetzung für eine regere Ausführung des Fachwerkhaus, als sie heute üblich ist, ist die Wiedergewinnung einer artbewußten deutschen Baugesinnung. MS diese im Rahmen der großen nationalsozialistischen Erzie-

hungSaufgaben gefunden ist, haben Denkmalpflege, Heimatschutz, Baupolizei, Bauschulen,

Reichsnährstand und alle sonstigen Stellen zusammenzuwirken, um bett Bestand an Fach­ werkbauten zu sichern, vor Verunstaltungen zu bewahren und nach Möglichkeit zu erwei­ tern. Erfüllen wir diese Aufgabe, bann werben wir auch zu unserem Teile den Nachfahren

einen wohlvorbereiteten Boden hinterlassen, in dem sich baS Samenkorn einer neuen art­ gemäßen deutschen Baukunst als Ausdruck beS Kulturwillens eines ehrfurchtsvoll feine

Überlieferung fortsetzenben, vorwärtSschauenben Volkes herrlich entfalten kann. Hauptkonservator Dr. Rudolf Pfister, München: Nachdem mein Herr Vor­

redner die Möglichkeit beS FortlebenS des HolzfachwerkeS im Bauwesen unserer Zeit als

eine Frage des Heimatschutzes erörtert hat, darf ich eine kurze Betrachtung über die Er­ haltung und Pflege alter Fachwerke als Aufgabe der Denkmalpflege anstellen. ES kann

sich dabei natürlich nicht um „ob ober ob nicht", sondern nur um das „wie" handeln. Keine alte Bauweise ist so volkstümlich wie baS Holzfachwerk und keine Aufgabe der Denkmalpflege begegnet in Laienkreisen so viel Jntereffe als die Freilegung und Erhaltung

alter Fachwerke. ES ist für uns Denkmalpfleger — wenn wir nicht unsere Aufgabe als wiffenschaftliche Liebhaberei auffaffen wollen — ja nichts wichtiger, als unsere Gedanken tnS Volk zu tragen und in diesem Zusammenhänge besonders wissenswert, baß der Fach­ werkbau der laienhaften Vorstellung von Altertümlichkeit und Romantik, die ja auch

einem gefunden historischen Geist entspringt, offenbar am meisten entgegenkommt und für sie am sinnfälligsten ist. Schon deshalb besteht für den Bestand alter Fachwerke

heute nur geringe Gefahr und vom Untergange sind sie—von höherer Gewalt abgesehen — nur wenig bedroht. Aber gerade in der an und für sich sehr zu begrüßenden Volkstümlich­

keit liegt eine andere große Gefahr: die des Dilettantismus, die Gefahr, baß durch einen gewissen Übereifer, bi« „tätige Unwissenheit^^ dem eigentlichen Wesen ber Sache geschadet

und die Überlieferung verwischt wirb. ES wirb keinem halbwegS Einsichtigen beifallen, ein

altes Tafelbild etwa von einem Tüncher restaurieren zu lassen, aber eS ist keine Seltenheit,

baß alte Fachwerke von ganz ungeeigneten und verständnislosen Handwerkern mißhandelt

werden und das Freilegen von Fachwerken ist in den vergangenen Jahrzehnten schon —

und heute mehr denn je — fast zu einer Art Modesache geworben, vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil aus der einen Teste öffentliche Zuschüsse für Fachwerk-Freilegungen be­ sonders gern gegeben werben, auf der andern aber die Arbest an den Fachwerken, die sich

vielfach in Privatbesitz befinden und der baupolizeilichen Aufsicht im allgemeinen nicht

unterliegen, der amtlichen Denkmalpflege verhältnismäßig wenig Handhaben zum Ein­ greifen bietet. To wie eS Restauratoren gegeben hat und noch gibt, die an altem Mauerwerk jeden ver­ steckten Haustein ans Tageslicht bringen zu müssen glauben, so gibt eS auch Fachwerk-

Fanatiker, die jedes Holzfachwerk um jeden Preis freigelegt wissen wollen und so — wie

jene—keine lebendige Denkmalpflege-Arbeit betreiben, sondern «ine rein archäologische, ober noch besser: die von MuseumS-Präparawren. Unsere Baudenkmäler sind aber keine Muse­

umsobjekte, sondern Telle eines noch lebenden künstlerischen Organismus, Telle von Straße und Stabt. Ich habe mich schon vor rund 25 Jahren in ber Deutschen Bauzeitung gegen daS ,^Zrellegen von Fachwerken um jeden PreiS^^ gewendet und die hessische Denkmal­ pflege hat vor 7 Jahren etwa in ihrer Zeitschrift in demselben Sinn Stellung genommen und diese ihre Einstellung mit städtebaulichen Gründen überzeugend belegt, und endlich hat daS bayerische LanbeSamt für Denkmalpflege vor 6 Jahren ein Merkblatt über den­

selben Gegenstand herausgebracht, dessen Inhalt ich vor diesem berufenen Forum nicht ohne Grund zum Teü wiederholen möchte, weil nämlich bst dort niedergelegten Gedanken

durchaus noch nicht Gemeingut geworben sind, am wenigstens vstlleicht in Bayern selbst. 2lbev eS sind durchaus nicht künstlerische Betrachtungen allein, dst zu einer solchen

Einstellung führen müssen. ES ist ein grundlegender baugeschichtlicher Irrtum, zu glauben, baß alle allen Fachwerke von HauS auS für Sichtbarkell bestimmt waren. Für bst ausge­ sprochenen Zierfachwerke und bstjenigen mit betonter Regelmäßigkeit trifft eS natürlich

zu und für die früheren (etwa bis zur Mllte beS 17. Jh.) fast alle. Aber schon im 17. und

besonders im 18. Jahrhundert wurde eine Menge von Fachwerkhäusern errichtet, lediglich auS Gründen ber Billigkell, von Bauherren, dst viel lstber massive Gebäude gebaut hätten

und durch Verputz die Holzkonstruktion, deren sie sich als einer „Armeleut-Bauweise" schämten, von Anfang an verdeckten. DaS gill natürlich nicht für den Bauern und daS

ländliche Fachwerk, sondern für den Kleinstadt-Bürger, der von jeher gern mehr scheinen wollte als er war. Solche rein technisch-zweckmäßigen, sozusagen „bMgen" Fachwerke

nachträglich freizulegen, ist — schon rein historisch gesehen — zweifellos falsch. Dazu

kommt, baß solche Konstruktionen meist ohne Sorgfall und besondere Schönhett herge­ stellt wurden und gerade ber handwerklichen Kraft und Materialgerechthell entbehren (wie viele neue, äußerlich nachgeahrnte Fachwerkbauten ja leider auch). Es wstd auch zu

40 wenig beachtet, baß es Fachwerke gibt, die auS einem für Sichtbarkeit bestimmten und

einem rein konstruktiven Teil bestehen, der immer verputzt war, also Mischfachwerke, bei denen etwa die profilierte Grundschwelle, die Eckpfosten und verzierte Fenstererker

sichtbar, die übrigen, rein technischen Hölzer aber verputzt waren, so baß die Zierformen

auf dem hellen ruhigen Putzgrund doppelt eindringlich zur Geltung kamen. Diese Wirkung nimmt man chnen, wenn man nun auch die übrigen (in diesem Falle meist tiefer liegenden)

Hölzer freilegt, die zu dem Gefüge der auf Sicht berechneten Teile nicht passen. Es ist end­ lich auch falsch, alte Fachwerke freizulegen, wenn sie durch spätere Einbrüche von größeren

Fenstern, Läden oder bergt in ihrem ursprünglichen Gefüge zerstört sind, ober wenn sie so sehr durch Witterungseinflüffe gelitten haben, baß sie zum größten Teil erneuert werden

müßten und auS diesem Grund« früher verputzt wurden. In diesem Zusammenhang ist

die üble Methode zu erwähnen, alte Fachwerke, deren Oberfläche stark verwittert ist, durch (vielleicht auch noch gesägte) Bretter ober Bohlen zu decken: das ist kaum etwas anderes als

Fälschung, fast dasselbe wie Übermalung beS Originalbestandes einer Bild-Ruine. End­ lich muß man sich gegen die Freilegung von Fachwerken, die an sich einwandfrei wären,

dann wenden, wenn eine höhere städtebauliche Ordnung durch die Freilegung zerstört wird.

Hier muß auf eine kleine Sonder-Freude zu Gunsten einer übergeordneten Gemeinschaft verzichtet werben. ES darf — wenn ich diesen Vergleich dem Gedankengut beS National­

sozialismus entnehmen darf — im Sinne der Volksgemeinschaft kein „auS der Reihe

tanzen" geben. Die Stabt ist mehr als die Straße, die Straße ist mehr als bas HauS! Und die echte Denkmalpflege-Arbeit darf sich ja nicht auf einen historisch-wissenschaftlichen Museumsstandpunkt stellen, darf nicht zu einer 2lrchäologie werben, darf sich nicht nur

mit auS dem Zusammenhang herauspräparierten „Fällen" beschäftigen, sondern muß gleichmäßige Verbindung mit ihren drei Wurzeln halten, der geschichtlichen, der technischen

und der künstlerischen.

Wo aber die Freilegung ober Instandsetzung eines Fachwerkes am Platze ist — und eS kommt immer noch oft genug vor — da muß sie auS der alten handwerklichen Technik heraus geschehen und möglichst ohne Kompromisse. Dazu gehört in erster Linie die richtige

Behandlung der Ausfachung. Diese — in der primitivsten Form und im allgemeinen in der frühesten Zeit auS Flechtwerk, bann auS Bruchstein und endlich auS Backstein — sitzt

beim alten Fachwerk grundsätzlich so, baß die Putzfläche mit den Hölzern bündig ver­ läuft. Wenn die Mauerflucht selbst schon bündig sitzt, bann war sie eben nur papierdünn

verputzt oder verschlämmt, wenn sie vorsteht, ist sie auS ihrer Lage gekommen (waS oft

vorkommt) ober eine spätere Ausbesserung. Jedenfalls ist eS falsch und dem Wesen beS sichtbaren Fachwerkes zuwiberlaufenb, die Gefache so dick zu verputzen, wie eS auf den

Bauschulen gelehrt wurde und noch wird, daß der Putz zentimeterwest vor dst Holzflucht vorsteht und gegen diese mit einer mathematisch scharfen Kante abgesetzt ist, die einen

4i tiefen Schatten aus bas Holz wirft. Daß eS nicht richtig ist, die kleinen Unebenheiten des

Mauerwerks durch Putzauftrag auszugleichen, zu „egalisieren", wie die Maurer so schön sagen, versteht sich wohl von selbst, die Gefache sehen sonst aus wie aufgenagelte Bretter.

Das Oberflächenleben des handwerklich gebellten Holzes und der geputzten Gefache muß

ineinanderspielen. Dem Wunsche nach Freilegung eines Fachwerkes sollte man nur willfahren, wenn

gleichzeitig grobe Verunstaltungen späterer Zell ausgeschaltet werben, so vor allem schlechte

Fensterteilungen, üble Reklame u. bergt mehr. Verwitterte Hölzer können nur durch Ausspänen und Verkitten instandgesetzt werben, niemals durch Ausnageln neuer Bretter. Lieber muß man gewisse Schäden hinnehmen.

Bleibt über die sarbige Behandlung etwas zu sagen. Wll wissen, baß die 2llten bei ber Behandlung bes Holzwerkes u. a. öle und Ölfarben verwendet habm. Dabei ist aber nicht zu übersehen, baß die Ölfarbe brr Allen mit unseren speckigen dicken ölsarbanstrichen,

die sich leider auch die Fachwerke gefallen lassen müssen, wenig gemein hat. Als Farb­ technik kommt auch heute noch in Betracht ber klassische Anstrich mit Ochsenblut, mit KalkKasein oder Ol-Lasuren und endlich auch mit antiseptischen Mitteln wie Karbolinemn u.

bergl., jedenfalls nicht aber die dicke ölfarbschmiere, die die Holzoberfläche immer tötet. Im Farbton sind verhältnismäßig enge Grenzen gesetzt, wenn auch alte Fachwerke von

leuchtendem Rot (Mennige, Zinnober ober Englsschrot) bis zum reinen Schwarz vor­

kommen. Die Regel wirb ein anständiges Graubraun sein, das srellich den Mllläusern ber

Parole „Farbe im Stadtbild" nicht genügt; denn sie pflegen harmonische Sttaßenbllber durch giftige Anüinsarben zu sprengen und violette ober chromoxyd-grüne Fachwerke

sinb bas, waS chrem Sensationsbedürfnis entgegenkommt. Jeder muß eben aus seine Art berühmt werben! Auch gegen den sehr beliebten weißen Anstrich ber Fensterstöcke und

-Rahmen im Fachwerk muß hier Stellung genommen werben; denn das Fachwerkfenster ist in besonderem Maße Bestanbtell des Holzgerüstes und darf aus diesem nicht durch eine trennende Farbe herausgerissen werben. DaS letzte Merkblatt des bayerischen Landes­

amtes für Denkmalpflege hat sich auch mit diesen Dingen befaßt. Auch möchte ich auf

einen sehr lesenswerten Aussatz von Tschlla, im Jahresheft 1935 ber „Badischen Heimat"

Hinweisen, nicht zuletzt deswegen, weil er sich kurz und bündig mit den „Runen­ haus-Leuten" auseinandersetzt, die aus unseren braven und tüchttgen allen Zimmer­ leuten Magier und Geheimbündler machen wollen. Ich glaube und hoffe nicht, baß Sie

trotz meiner zum Teil herben Kritik und ttotzdem meine Bettachtungen heute mehr negativ sein mußten, den Eindruck gewonnen haben, als ginge ich nicht mü Ihnen darin einig, baß es zu den wichttgen und ja auch dankbaren Aufgaben ber Denkmalpflege gehört, eine so

volkstümliche und schöne Bauweise wie eS baS deutsche Holzfachwerk ist, mit aller Liebe

zu pflegen und zu erhalten.

42

DIE NATURSCHUTZGESETZGEBUNG DES REICHES MIT BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DES LANDSCHAFTSSCHUTZES Dr. HanS Klos«/ Berlin, Referent für Naturschutz beim Reichsforstmeister: Wenn

wir heute, im vierten Jahre beS Dritten Reiches, auf das zwar noch nicht vollendete, aber doch im Rohbau fertiggestellte Werk der Reichsnaturschutzgesetzgebung zurückschauen, so muß eS unser Erstes sein, der Vor- und Mitkämpfer um die Erhaltung, Pflege und Ge­

staltung der deutschen Heimatnatur zu gedenken, deren VorauSsehen, Mahnen, Warnen, deren Einsatz in Wort, Schrift und Bild, deren aufopfernde Kleinarbeit im Suchen, For­

schen und Lehren, kurzum, deren gemeinnütziges Wirken fest Ende des 19. Jahrhunderts end­ lich dazu geführt hat, die ersehnte einheitliche Naturschutzgesetzgebung Tatsache werben zu lassen. Dor allem ist eS Ehrenpflicht, uns in treuer Dankbarkeit und Verehrung dem An­ denken Ernst Ruborffs, beS Begründers deutschen Heimatschutzes und unseres Bundes,

zu neigen und mit ebendenselben Gefühlen uns beS „Vaters der Naturbenkmalpflege", Hugo Conwentz, zu erinnern, auf deren Schultern wir Heimat- und Naturschützer von

heute stehen, und in deren Geiste wir ebenso wirken und kämpfen wollen, wie in dem des nationalsozialistischen Dritten Reiches.

In ehrerbietigster Dankbarkeit huldigen wir Heimatschützer gleichzeitig dem Schöpfer dieses neuen Deutschlands, unserem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, und seinem

ersten Mitarbeiter, Reichsforstmeister Hermann Göring, dem Schirmherrn beS deutschen WaldeS, der deutschen Jagd und beS deutschen Naturschutzes, die mit der Naturschutzgesetz­ gebung unserer Arbeit baS rechtliche Fundament und unS die Möglichkeit wirksamen Natur-

unb LanbschaftSschützenS gaben.

Warum müssen und können wir im einzelnen der Reichsregierung, die unS bi« Möglichkeit erfolgreicheren Einsatzes verschaffte, wie den Männern und Frauen, deren Mühen

durch diesen Erfolg gelohm wurde, dankbar sein?

Ich will, so lohnend die Untersuchung auch sein möchte. Ihnen keinen Abriß der Gesamtentwicklung der letzten 50 Jahre geben. Ihnen nicht schildern, wie die heimat­ liche Natur der deutschen Gaue — hier stärker, dort schwächer, mitunter schneller, bis­

weilen langsamer — sich wandelte und schwand. Vergegenwärtigen Sie sich RuborffS

Darstellung der Lag« um die Jahrhundertwende, und vervielfältigen Sie die von ihm mitgeteilten Tatsachen mit einem stattlichen, immer größer geworbenen Multi­

plikator, bann wirb Ihnen eine Vorstellung von der Lage der Verhältnisse im vierten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts. Au welcher Höhe hätten sich Ruborffs Klagen und

Anklagen wohl gesteigert, hätte er sein klassisches Buch dreißig Jahre später ge-

schriebm?

In diesen 30 Jahren fortschreitender Landschaftsentwicklung war nicht der Heimatschutz tonangebend, sondern die Wirtschaft in allen ihren Formen. Wir konnten ihr im wesent­

lichen nur mit Bitte, Einspruch, Mahnung und Warnung folgen. Waffen halten wir zu­ nächst so gut wie keine, ober doch nur stumpfe, wie etwa die preußischen Gesetze von 1902 und 1907; später — im allgemeinen erst nach dem Kriege — begannen die Staaten

dem Naturschutz« in ihrer Gesetzgebung mehr oder weniger zaghaft Rechnung zu tragen. Nur zu oft nach dem Sprichwort: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß" und immer mit dem auch heute längst nicht überwundenen Grundsätze: „Der Naturschutz

ist etwas Wundervolles, aber Geld kosten darf er belleibe nicht!" So blieb denn die Lage

bis 1935 überaus unbefriedigend.

In der Einleitung zum Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 zog die ReichSregierung in kurzen Worten eine Bilanz, indem sie feststellte, baß die heimatliche Landschaft

gegen frühere Zetten von Grund auS verändert, daß ihr Pflanzenkleid durch intensive Land- und Forstwirtschaft, einseitige Flurbereinigung und Nabelholzkultur vttlfach ein anderes geworben, und baß mü ihren natürlichen Lebensräumen eine artenreiche, Wald

und Feld belebende Tierwett dahingeschwunben sei. War solche Entwicklung häufig wirt­ schaftliche Notwendigkeit gewesen, so lagen die ideellen, aber auch wirtschaftlichen Schäden

solcher Umgestaltung der deutschen Landschaft heute klar zu Tage. Wenn der Naturdenk­ malpflege bislang nur Teilerfolge beschteben sein konnten, so vor allem deshalb, weil wesentlich« politische und weltanschauliche Voraussetzungen fehlten, die erst der Umbruch mit seiner Umgestaltung beS deutschen Menschen brachte.

Weil aber heute wie einst die Natur in Wald und Feld deS deutschen Volkes Sehnsucht, Freude und Erholung ist, darum sieht eS die deutsche

Reichsregierung als ihre Pflicht an, auch dem ärmsten Volksgenossen seinen Anteil an deutscher Naturschönheit zu sichern! An diese Sätze auS der Präambel des Gesetzes erinnern, heißt dessen letzten Sinn, seine nationalsozialistische Grundhaltung offenbaren! ♦

Wenn ich an den Anfang meines Berichtes die Frage stelle, welche natur- und hei­

matschützerischen Möglichkeiten unS das Gesetz verschafft, so antwortet sein erster Paragraph: eS ermöglicht,

i. Pflanzen und nichtjagdbare Tiere, d. h. Pflanzen- und Tierarten, zu schützen,

2. Naturdenkmal«, wenn nötig, mit ihrer Umgebung, zu erhalten, 3. Naturschutzgebiete einzurichten und schließlich 4. sonstige LandschaftSteile in der freien Natur, b. h. außerhalb der geschloffenen Ort­

schaften unter Schutz zu stellen.

44 Voraussetzung ist in allen Fällen, daß die Sicherung dieser Gegenstände ihrer Seltenhest,

Schönheit, Eigenart oder ihrer wissenschaftlichen, heimatlichen, forst- ober jagdlichen Be­ deutung wegen im allgemeinen Interesse liegt. Außer Betracht blieben die jagdbaren

Tiere, da mit dem Reichsjagdgesetze vom z. Juli 1934 neben ihrer Nutzung auch ihr

Schutz der deutschen Jägerschaft anvertraut wurde, und die Haustiere, deren Schutz

das Tierschutzgesetz vom 24. November 1933 regelte.

In bezug auf den Punkt 1 gibt das Gesetz nur eine Rahmenbestimmung, daß nämlich zum Schutze von Pflanzen- und Tierarten die Oberste Naturschutzbehörde für das Reichs­ gebiet im ganzen oder für einzelne seiner Telle Anordnungen erlassen kann. Der Reichs­

forstmeister als Oberste Naturschutzbehörbe hat dies durch die „Naturschutzverordnung" vom 18. März 1936 inzwischen getan und damit über 100 lanbeSrechtliche Verordnungen sowie baS frühere Reichsvogelschutzgesetz ersetzt. Die Bezeichnung „Oberste Naturschutzbehörbe" läßt bereits baS Bestehen anderer solcher

Behörden vermuten. ES find das jeweils für ihren Bereich die höheren und die unteren Verwaltungsbehörden. Allen Behörden find Nalurschutzstellen beigeordnet. Diese wie ihre Geschäftsführer (Beauftragte für Naturschutz) üben behördliche Funktionen nicht aus;

ihr« Tätigkell ist einmal eine beratende, sodann sind ihnen selbständige Aufgaben gestellt.

In der Gesamtschau erblicken wir nnthin eine wohlgegliederte Organisation mit annähernd 1000 Naturschutzbehörden und etwa der gleichen Anzahl Naturschutzstellen. Für den Schutz der Naturbenkmale und Naturschutzgebiete geben baS Gesetz

und die unterm 31. Oktober 1935 vom Reichsforstmeister dazu erlassene Durchführungs­ verordnung ausführliche Anweisungen, deren Aufzählung ermüden würde. Ich beschränke mich darauf, den grundsätzlichen Unterschieb in Wertung und rechtlicher Behandlung beider Kategorien mit einigen allgemeinen Bemerkungen klarzustellen.

Naturdenkmalen erkennen wir in erster Linie Heimatwert zu und machen daher den Hei­ matraum — praktisch gesprochen also den Kreis, die Kreishauptmannschaft ober baS Be­

zirksamt — dafür verantwortlich, daß er dieses heimatliche Erbgut zu wahren weiß. Die rechtliche Sicherung knüpft sich an die Eintragung in ein „Naturdenkmalbuch", daS die untere Naturschutzbehörde zu führen hat.

Anders steht es mit den Naturschutzgebieten. Jedes dieser Gelände ist ein bedeussames

Teilchen deS uns verbliebenen Restes an Naturgütern und darin unentbehrlich. So nehmen wir denn für diese Gebiete nationale Bedeutung, ReichSwichtigkest in Anspruch, und ihre

Sicherung geschieht folgerichtig durch Eintragung in baS „Reichsnaturschutzbuch", daS

beim Reichsforstmeister geführt wirb. Diejenigen von Ihnen, meine Herren, die ihre Liebe den Denkmalen der Kunst, Kultur

und Geschichte widmen und denen Heiligtümer wie die Altstädte Nürnberg, Rothenburg ob

der Tauber, Dinkelsbühl, Dresden, Hildesheim usw. anvertraut sind, werben vielleicht

unsere Auffassung von der nationalen Bedeutung der Schutzgebiete für einigermaßen übertrieben halten. Ein solches Urteil könnte im Ernst aber nur dort entstehen, wo man in der Tat nichts über den Wert der Naturreste weiß, die wir als Schutzgebiete zu sichern bestrebt

sind. Wenn ich Ihnen hier sage, daß die Entwicklung und Umwandlung des deutschen Bo­ dens dazu geführt hat, baß demnächst an 99% humanisiert sein, b. h. im unmittelbaren

Dienst« der Produktion stehen werben ober SieblungS- unb VerkehrSgelänbe sind, und hinzufüge,baß die wissenschaftlich-biologische Forschung, deren umfassenden völkischen und auch

wirtschaftlichen Wert doch nur ein Ignorant bestreiten kann, solcher Naturschutzgebiete als ForschungS- und Unterrichtsbasis in mindestens demselben Maße bedarf wie der Labora­ torien und Versuchsgelände (wobei ich über den heimatlich-landschaftlichen Wert dieser Ge­

biete gar nicht sprechen will), dann werden Sie verstehen, baß unS Naturwissenschaftlern und

Naturschützern der Gedanke, man würbe etwa auS dem herrlichen Zehlaubruch in Ostpreußen, dem wundervollsten in Deutschland noch erhaltenen Moore, einen Müll- ober Bomben­ abwurfplatz machen oder den sächsischen Sattelberg ober bie Felslabyrinthe der Luisenburg

bei Wunsiedel an bie Steinbruchinbustrie (wie früher bie Steilränder des Elbsandstein­

gebirges) ausliefern, genau so unerträglich erscheint, als würfe man Bomben auf Nürnberg oder trüg« Rothenburg ob der Tauber ab, um Material für einen Sportplatz zu gewinnen.

Der eine ober andere von Ihnen wirb vielleicht über solche Vergleiche lächeln, und ich

wäre der letzte, der sich dabei wunderte: Menschenwerk steht eben bei den allermeisten Men­ schen in ungleich höherem Ansehen als Naturwerk, das viele nur als Rohstoff, auS ober auf

dem man etwas gestalttn kann, estimieren. Ob Sie mir nun im einzelnen glauben, ober nicht — es ist eine Tatsache, baß zwischen biologisch reichem, oft sogar unendlich reichem

Urlanbe (naturgeschaffenes „Ödland") und dem biologisch öden und armen Kulturlanbe (Acker, Forst u. dgl.) ein ähnliche« Wertunterschieb besteht, wie etwa zwischen dem alten gotischen Rathause zu Münster und — einem jener pseudogotischen Gebäude, die bei der Kaiserlichen Post eine Zeitlang Mode waren. Ich weiß nicht, ob der Kunsthistoriker an

solchen Postgebäuben viel lernen kann, glaube eS aber nicht, und just so verhält eS sich mit der biologischen Forschung Kulturflächen gegenüber. Ium Studium, für baS Erforschen der organischen Natur und baS Erkennen der Lebensgesetzlichkeiten sind naturgeschaffene

Gelände schlechterdings unentbehrlich! Nun ist Ihnen aber allen bekannt, mit welcher Beschleunigung und in welchem Aus­

maße der deutsche Boden sich gerade in diesen Jahren wandelte und, zugegeben, wandeln mußte. Sie alle rotffen um bie großen, auch von uns in chrer Bedeutung jederzeit anerkannten Werk« der Landeskultur — ich erinnere an baS Emsland, das Sprottebruch usw. —, um

die Tätigkeit beS Arbeitsdienstes, um Erzeugungsschlacht, nationales AufforstungS- und

SieblungSwerk, um den Ausbau deS Verkehrsnetzes und bie Raumbebürfnisse der Wehr­ macht. Welches wirb baS Endergebnis dieser Entwicklung sein?

46 ES ist schwer, hier Zahlen zu nennen. Wir werden jedoch nicht allzusehr fehlgehen, wenn wir, wie schon angedeutet, dem wirtschaftlich-produktiven Bodenanteil künftig an 99%, ja vielleicht noch mehr zuerkennen, während die Reste natürlichen Geländes als verhältnis­

mäßig winzige Einsprenglinge barm verstreut sein werben. Dabei ist vor einem Irrtum

zu warnen: Die Natur eines gar nicht unbeträchtlichen Teiles der „Naturschutzgebiete"

wird, wie dies schon in § 4 des Gesetzes zum Ausdruck kommt, nur in einzelnen ihrer Teile geschützt (Pflanzenschonbezirke, Vogelfreiftätten usw.), im übrigen aber durchaus wirt­

schaftlich genutzt. So wäre eS z. B. abwegig, baS Reichsnaturschutzgebiet Schorfheide in sein« Ganzhest als „Naturgelände" aufzufassen. Wohl gibt es derartige Flächen dort in Gestatt einig« Moore und Seen, in etwa auch b« sogenannten Wacholberjagen; sie sind

ab« nur ein ganz klein« Bruchteil gegenüb« dem forstlich genutzten Hauptteste, b« vom

Standpunkte des Naturschutzes aus im wesentlichen als Wildhege- und Vogelschutzgebiet

gelten muß. ES ist notwendig, sich dies« Tatsache bewußt zu sein, um die Statistik der

Schutzgebiete richtig zu beulen und Überschätzungen — sowohl auf unser« als auf b« Gegenseite — zuvorzukommen.

Setzen wir einmal, unter allem Borbehatt und mit Berücksichtigung des soeben Gesagten,

den NaturschutzgebietSantell im Enb«gebniS recht wMürlich auf '/»% des deutschen Bo­ dens an, so hätten wir in diesem minimalen Raumteste die künftig alleinigen Stätten bio­

logisch« Forschung und biologischen Unterrichts zu erblicken. Zweifellos muß d« Wettlauf

einerseits zwischen den naturzerstörenden Kräften d« verschiedenen Wirtschaftszweige, einschließlich Siedlung und Verkehr, der Wehr- und Sportbebürfnisse, und anbererseitS

dem Naturschutz im Laufe wenig« Jahre zu ein« Art „Erstarrung der Fronten" führen.

Was bis dahin an werwollem Naturgelände nicht in Sicherhett gebracht wurde, ist für alle

Zeiten verloren. Dannt finden wir uns ab, fordern ab« von der Gegenseste die Anerken­

nung, den NaturschutzgebietSantell ebenso wie den Bestand b« Naturdenkmalc bann zu respektieren und nicht damst fortzufahren, heute dieses, morgen jenes Stück für sich zu be-

anspruchen, sei eS, um es nur anzuknabbern, sei eS, um seine gänzliche Zerstörung zu bewirken. In der Gegenwart ist doch die Lage so, baß es kaum einen Teil b« natürlichen Landschaft

gibt, nach dem sich nicht zu irgendein« Zett ttgenbeine Hand auSstreckt. Die allgemeine Anerkennung, btt das Reichsnaturschutzgesetz wie der Naturschutz üb«haupt genießen, ist

erfteulich, ab« sie ist nur zu oft platonisch. In der Throne sind alle Kreise des Volkes natur- und naturschutzfreundlich, leid« ab« meistens im Sinne des allen Spruches: „Hei­

lig« St. Florian, verschon mein HauS, — zünd' andre an!" In der Praxis v«langt ein jed«, baß baS gerade ihn interessierende Stück ausgeschlossen sein müsse. Seine Scheibe

vom Brotlaib b« Heimatnatur muß jed« noch fix abschneiden dürfen, und b« Naturschutz

soll ihm dabei nicht in die Quere kommen. Geschieht dies, so spricht man füglich von ein«

Übertreibung ob« Überspitzung des sonst so anerkennenswerten Naturschutzes. Ob btt

Hand, die nach jenem Stücke greift/ dabei aus Eigennutz ober — was meist noch gefähr­

licher — andersgeartetem Gemeinnutz handelt, ist dasselbe. Hier liegt einer der schlimmsten Wundpunkte unserer Arbeit, der den Raturschützer mitunter zur Verzweiflung bringen kann.

Es ist infolgedessen eine vordringliche Gegenwartsaufgabe des Naturschutzes, im Hin­ blick auf bas künftige Endergebnis des erwähnten Wettlaufs die Möglichkeiten des Ge­ setzes auf das energischste auszunutzen, bevor die Frontenerstarrung so etwas wie eine Gleichgewichtslage herstellt. (Daß diese vielfach nur scheinbar sein, weitere Kämpfe also nicht ausschließen wirb, sollte nach dem Gesagten einleuchtenl) Zwecklos wäre das

Gesetz, wenn eS draußen im Lande nicht di« nachdrücklichste und stetige Sicherungsarbeit auslöste. Dort, bei den Nalurschutzstellen und vielleicht noch mehr

bei den -behörben, liegt in allererster Linie die Verantwortung. Sie haben auf das sorg­ samste zu prüfen, welches Interesse — das vom Naturschutz ober von einer Gegenseite

geltend gemachte — im Einzelfalle baS stärkere ist. Wenn sich eine Naturschutzbehörde aber von vornherein auf den Grundsatz festlegt, hinter den wirtschaftlichen Interessen habe der

Naturschutz in jedem Falle zurückzutreten, — bann ist diese Behörde in Wahrheit keine Naturschutzbehörbe! Die Sachlage ist vielmehr so:

Beanspruchen Industrie, Landwirtschaft, Wehrmacht etc. ein heimatkundlich-natur­ wissenschaftlich ober landschaftlich hochwertiges Gelände, so muß die Naturschutzbehörbe

von ihnen erst einmal verlangen, baß sie sich mit peinlicher Gewissenhaftigkeit anderweitig

umsehen, und erst dann, wenn sie den Nachweis einwandfrei führen konnten, baß weit und breit kein anderes Gelände in Frage kam, — erst dann darf dem Naturschutz zugemutet

werben zu verzichten. Dieser wird aber nur bann seine regelmäßige Beteüigung und die höchstmögliche Berück­ sichtigung erreichen, wenn er nach wie vor zu kämpfen versteht, und bas ist vor allem Auf­

gabe der Naturschutzstellen bei den Kressen, Bezirken, Provinzen und Ländern, ebenso aber

Sache der Heimat-, Natur- und Vogelschutzbünbe, der GebirgS- und Wanderverbände, der naturwissenschaftlichen Vereine aller Richtungen; es sollte nicht minder die Ausgabe

aller derjenigen Kreise und Organisationen sein, deren Angehörige Nutznießer der Heimat­

natur sind, wie Hitlerjugend, Kraft durch Freude u. a. Das Gesetz nimmt in dieser Be­ ziehung keinem Naturfreunde Verantwortung und Arbeit ab.

Ich brauche wohl nicht erst zu erklären, baß ich bei dem Worte „kämpfen" nicht an

KampfeSwessen denke, mit denen der nationalsozialistssche Staat Gottseidank aufgeräumt

hat; — wenn ich den kämpferischen Einsatz der deutschen Naturfreunde fordere, so meine ich damit das ernste, offene Wort in den Amtszimmern wie in der -Öffentlichkeit, ja auch in den Organen des Heimasschutzes und der Presse! Ohne bissen Einsatz — ich wiederhole

baS — wird es auch in der Zukunft keine nachhaltigen, wesentlichen Natusschutzessolge geben!

48

Ein kurzes Wort ist hier über den § 17 Abs. 3 zu sagen, der zur einstweiligen Sicher­ stellung eines Naturdenkmals oder eines Naturschutzgebietes sämtliche Naturschutzbehörden ermächtigt, den Beginn ober die Wetterführung von Veränderungen

oder Beseitigungen zu untersagen oder nötigenfalls zu verhindern. Diese Bestimmung beschließt den vierten Abschnitt des Gesetzes und ergänzt ihn auf das werwollste, well er

jenen Behörden die Möglichkett gibt, sich mtt sofortiger Wirkung als Verhandlungspartner einzuschalten. Jeder praktisch in unserer Bewegung Tätige kennt die Neigung aller Inter­

essentenkreise, sich um den Naturschutz, wenn ttgenbmöglich, nicht zu kümmern. Zahllos waren in der Vergangenhett die Verluste an heimatlichen Naturgütern, die bei rechtzeitiger

Verständigung der amtlichen Naturschutzorgane hätte vermieden werben können, und auch heute noch gibt eS zahlreiche Fälle, in denen zerstörende Kräfte von Heute auf Morgen un­

vermutet in Erscheinung treten. Der Organisation beS Naturschutzes erwächst daraus die Pflicht, für die ausreichende Anzahl überwachender Augen Sorge zu ttagen. Es darf keinen

Raum im Vaterland« ohne solches Auge geben (Ausbau der Nalurschutzstellen durch Be­ stellung örtlicher Vertrauensleute, Einsatz der Mttglieber von Heimat- und Naturschutz-

bünden usw.). Die oberste Naturschutzbehörbe steht im übrigen auf dem Standpunkte, baß bei der Verfügung einer einstweiligen Sicherstellung, btt Beteiligung anderer fachamtlichen Stellen nicht erforberlich ist, dieses hat nach § 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung

hernach, b. h. vor der Einwägung des Naturdenkmals ober -schutzgebieteS, zu geschehen. ♦

Schutzgebiete und Naturdenkmale, denen unsere Betrachtungen bisher galten, konnten such bisher schon in fast allen deutschen Ländern rechtlich wirksam gesichert werben (aus­ genommen frellich zumeist btt Denkmale der Erdgeschichte, btt sich nicht als Schutzgebiete

«fasten ließen). Unendlich viel mehr an heimatlichem Natmgut mußte ab« ungeschützt, d« Willkür vor allem d« Eign« üb«lasten bleiben, und damtt g«abe das, was Ruborff so besonders am Herzen lag. Mtt welch' bewegenden Worten berichtet « vom Schicksal b«

Feldflur in sein« Programmschrift und, eindringlich« noch, in seinen sorgsam geführten Tagebüchern, deren wenn auch nur auszugsweise D«öffentlichung wtt wünschen möchten.

Ich erimwre an seine Ausführungen üb« btt Folgen b« Felbb«einigung (Separation, Verkoppelung, Umttgung), btt im Laufe vttl« Jahrzehnte schon zu sein« Zett bewirkt hatte, baß so vttleS, oft baS meiste, von dem was den Retz b« Fluren auSmachte, für im-

m« geschwunden war, Eintönigkett und Langeweitt zurücklastend: „eine Feldmark, üb« btt baS Unweit« dies« Regulierung dahingezogen ist, sieht aus wtt ein flestchgeworbeneS

Rechenexempel". Den Technikern b« Landeskultur und in stets wachsendem Maße auch dem Landvolke erschienen jene Naturbestanbteüe deutsch« Landschaften überflüssig; sie

bei dies« günstigen Gelegenheü auSzumerzen mußte bah« zur lohnenden Nebenausgabe

des Umlegungsverfahrens werden. So schwanden Einzelbäume, Baum- und Gebüsch­ gruppen, blumenbunte Raine und Hänge, Baumreihen an Wegen und Wasserläusen,

Hecken aller Art und vieles andere aus den Feldmarken, und weite Heimaträume begannen sich zur mehr ober weniger fruchtbaren Kultursteppe zu wandeln, gegen die vor allem Her­ mann LönS und in unseren Tagen Alwin Seifert chre warnende Stimme erhoben.

Mit bitterster Anklage wandte sich Löns 1911 gegen den damaligen Heimat- und Natur­

schutz, der über den Denkmalen der Natur und Kultur die Landschaft mit ihren Schmuck­ stücken zu vergessen schien.

In den 25 Jahren, die seitdem vergingen, wurde es nicht besser, sondern zunehmend schlimmer, und fast hoffnungslos zeigte sich die Zukunft aus der Perspektive des Jahres,

in dem baS Reichsnaturschutzgesetz Tat wurde. Sollte dieses im Sinne eines allgemeinen

Heimatschutzes brauchbar werben, so hatte es besondere Möglichkeiten zur Durchführung

des Landschaftsschutzes zu gewähren. Die §§ 5 und 19 des Gesetzes, dazu § 13 der Durch­ führungsverordnung, beweisen, daß der Gesetzgeber die Forderung der Zeit begriffen hatte. Nach § 5 können Gegenstand des Naturschutzes sein: sonstige Landschaftsteile in der freien

Natur, die den an Naturdenkmal« und Naturschutzgebiete zu stellenden Anforderungen zwar nicht genügen, jedoch zur Zierde und zur Belebung des LandschaftSbilbeS beitragen

oder im Jnteresse der Tierwelt, besonders der Singvögel, und der Nieberjagb Erhaltung

verdienen. Die oberste und mit ihrer Ermächtigung die höhere und untere Naturschutzbe­ hörde kann im Benehmen mit den beteiligten Behörden zum Schutz solcher LanbschaftSbestanbteile Anordnungen treffen; diese können sich auch auf die Landschaft selbst beziehen,

soweit eS sich darum handelt, verunstaltende, die Natur schädigende oder den Naturgenuß

beeinträchtigende Änderungen von ihr fernzuhalten. Welche Formen der Sicherung vor­ gesehen sind, kann unerörtert bleiben.

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen hinreichenden Landschaftsschutz sind hierdurch gegeben, mehr allerdings zunächst nicht. Die Einzelarbeit ist auch hier im Lande zu leisten.

Dort, b. h. überall wo solcher Schutz vonnöten, müssen die entsprechenden Verordnungen durch die beteiligten Naturschutzstellen vorbereitet und durch die dafür zuständigen Natur­ schutzbehörden erlassen werden. Wie die Arbeit liegt auch die Verantwortung für Tun und

Lassen in erster Linie beim Heimatvolke, in letzter bei der Zentralbehörde. Das Gesetz be­

deutet ein brauchbares Werkzeug, das anzuwenden, eine scharfe Waffe, die notfalls auch einmal rücksichtslos zu schwingen ist, andernfalls die zahllosen Kräfte der

Zerstörung ihr Werk hemmungslos fortsetzen und vollenden werben. Diese Kräfte aber sind

zweifellos heute noch ebenso stark, ja mitunter stärker als je zuvor.

Wir Naturschützer denken nicht daran, Wert und Notwendigkeit der Landeskultur, der Erzeugungsschlacht, des Aufforstungswerks usw. zu verneinen ober irgendwie herabzu­

setzen. Wir wollen aber baS unsrige tun, damit nicht im Endergebnis Landschaften und 4

1936

50

LandschaftSbilber entstehen und zur Regel werben, die wir nicht mehr als deutsche anspre­ chen können. UnS ist die feierliche Erklärung in der Präambel des Gesetzes: „die deutsche

Reichsregierung sieht eS als chre Pflicht an, auch dem ärmsten Volksgenossen seinen Anteil an deutscher Heimatschönheit zu sichern" Richtschnur unserer Heimatarbeit. Diese Worte

aber fordern nichts mehr und nichts weniger als die Universalität beS Landschafts­

schutzes. ES ist ein unerträglicher Gedanke, baß es später einmal zwei verschiedene Typen vaterländischer Landschaften geben könnte, einen der Arbeit, des Wirtschaftsraumes, des Alltags, und den gegensätzlichen der Erholung, des Wochenendes, des Urlaubs und des

Fremdenverkehrs; b. h. mit anderen Worten: ein seiner Schönheiten im wesentlichen be­ raubtes und, mehr oder weniger entfernt von ihm, ein schöneres Deutschland. Wir sagen

dagegen: überall, wo Volksgenossen wohnen, muß eS reizvolle Landschaften geben,

nirgendwo darf die Natur gänzlich fehlen. ♦

Mancher unter Ihnen wirb vielleicht ein wenig erstaunt fragen, ob denn bie Lage der

Verhältnisse heute bereits eine derartige sei, daß Feststellungen und Forderungen in so be­ tonter Schärfe geboten sind. Aber glaubt denn jemand im Ernste, die Reichsregierung hätte einem Gesetze so weitreichende Befugnisse gegeben, wenn sie nicht von deren bitterer Not­

wendigkeit überzeugt gewesen wäre? Ich darf, um ein bekannteres Beispiel anzuführen, hier an bie Wallhecken erinnern: Von Schleswig-Holstein, wo sie Knicks heißen, und

Mecklenburg bis zum Niederrhein hin, war diese Heckenform einst weit verbreitet und vielerorts konnte man förmlich von Wallheckenlandschaften sprechen. Zur Zierde haben die Bauern alter Zeiten diese selb- und koppeltrennenben Hecken gewiß nicht angelegt, die viel­ mehr als Windschutz (Halten der Bodenfeuchtigkeit, des TaueS und der bodennahen Koh­

lensäure), als Obdach und Nährstätte nützlicher Tierwelt, als Holzerzeuger in walbarmen Gegenden usw. chre wichtige Rolle spielen. Den Nachfahren aber erschienen sie nur allzuoft als Streifen wirtschaftlichen Ausfalles, deren Beseitigung dm Gewinn soundso vieler

Quadratmeter ober gar Hektar „produktiver" Bodmfläche versprach. Daß bie bereinigtm Flächm hemach in manchm Jahrm nicht größerm, sonbem geringerm Ertrag brachtm,

meisten nur wenige; und wenn überhaupt, so wollte man lieber bie Ursache in der Ungunst der Jahre erblicken. Die „ErzmgungSschlacht", so unanfechtbar diese gesamtwirtschaftlich

gewiß ist, verlieh der Heckmvemichtung natürlich stärkstm Auftrieb, so baß voraussichtlich

nur wmige Wallheckm dm zweitm Dierjahresplan überlebt hätten. Gibt es nicht zu den­

ken, baß u. a. der Reichs- und Prmßische Minister für Emährung und Landwirsschaft selbst dm Wallheckmschutz bei der oberstm Naturschutzbehörbe anregte, bie bann am 29. Novem­ ber 1935 eine entsprechende Verordnung erließ. Auf dm Höhm der Rhön pflanzt man seit

Jahr und Tag nach den Plänm deS Gauleiters Hellmuth systemasssch Heckm an; in an-

51 deren Gegenden werden sie heute freilich noch systematischer und ohne Ersatzbeschaffung

auSgerottet/ und eS bedarf keiner besonderen Gabe der Weissagung, um zu erkennen, baß in wenigen Jahren die Wiederherstellung und Mehrung der Hecken zu den dringlichen Auf­

gaben beS Arbeitsdienstes gehören werden! Auch die Bedeutung der bereits erwähnten Nurbereinigung würdigen wir Heimat- und

Naturschützer durchaus, denn wir wohnen ja schließlich nicht auf dem Monde. Aber wir

verlangen, daß die Lanbumlegung nicht in der herkömmlichen Weise, b. h. ohne Verständnis

für die Naturwerte der Landschaft, weiter- und zu dem Endergebnis geführt wird, das LönS in seiner sarkastischen Art kennzeichnete: „und also wirb mit großer Kunst die Feld­

mark regelrecht verhunzt". An die Seite beS Kulturbeamten gehört heute sein „Naturschutzbeirat", d. h. der zuständige Naturschutzbeauftragte, just so, wie neben dem Architekten der Bauberater stehen muß. Nicht, wie bisher zumeist, als unerwünschter Aufpaffer und

Mahner, sondern als willkommener Mitarbester. Läßt sich dabei der Verlust einer Hecke, einer Baumgruppe, eines Raines oder bergl. nicht vermeiden — und in vielen Fällen geht eS tatsächlich nicht anders, weil die lanbwirffchaftlichen Maschinen andere Raumbebürf-

niffe tote Pflug und Sense haben — nun, so gibt eS daneben Neckchen Erb«, auf denen durch Neupflanzung Ersatz geschaffen werden könnte und sollte, und auf bstse Weise wstb

man sowohl dem Heimaffchutze als auch den wirffchaftlichen Notwendigkesten gerecht werben. Ohne bst heimatverbundene, kameradschaftliche Iusammenarbest von Landes­ kultur und Naturschutz wstb unsere Arbest ebenso unbefrstbigenb bleiben wst bst der bis­

herigen Landumlegung. Vielleicht darf ich daran erinnern, daß z. B. in Preußen fest fast 30 Jahren den Organen der Landeskultur bst Pflicht auferlegt war, bst Gesichtspunkte

der Naturbenkmalpflege nach Möglichkest zu „berücksichtigen" — von Ausnahmen abge­ sehen ist aber für das LandschaftSbilb kaum etwas dabei herausgekommen. Allerdings

müssen wst zugeben, baß die Naturbenkmalpflege zu Anfang reichlich eng begrenzt war

und baß ihre Organifatwn während des größten Teiles dstser Zeisspanne noch in den Kin­ derschuhen steckte; man war weit davon entfernt, etwa in jedem Kreise einen amtlichen

Sachverständigen für die Angelegenheüen des Naturschutzes zu haben, wie das heute auf Grund des ReichSnaturschutzgesetzeS der Fall ist. Wesentlich ungünstiger scheinen die Verhältnisse bisher noch auf einem anderen Gebiete

der Landeskultur zu liegen; ich denke hierbei an bst Arbest der Kulturbauämter. Wiederum ist eS gewiß eine dringliche Forderung der Zest, den stark geschmälerten landwirsschaftlich

genutzten Bodenanteil zu vergrößern und den Ertrag der vorhandenen Nutzflächen sowest

wst nur möglich zu steigern. Schon vorher wurde festgestellt, baß gegen bst so wichssgen großen MelwrationSunternehmen, wst sie vor allem durch den Arbeitsdienst auSgeführt werden, unsererseits nichts eingewendet werden soll. Wie wst eS aber mißbMgen müssen, wenn unter dem in vieler Hinsicht bedenklichen Schlagworte „Kampf dem ödland" alles

5und jedes verständnislos zerstört wirb, was noch an wissenschaftlich höchstwertigen Natur-

geländen vorhanden ist, so können wir eS nicht gutheißen, wenn der Kulturbau eS ebenso wie die Umlegung an der gebotenen Rüiksichtnahme auf die Landschaft und ihre natür­

lichen Bestandteile fehlen läßt. Die Beweise hierfür sind zahllos. Denken wir nur an die vielen Bach« und Flußkorrektionen, bei denen die Wasserläufe in langweilige, meist schnur­

gerade und mitunter sogar auSzementierte Kanäle und Gräben verwandelt wurden, nach­

dem man zuvor Bäume und Sträucher gewissenhaft beseitigte. Auf solche Weise wurden im Berg- wie im Flachland« eine erschreckend hohe Zahl von Bach- und Fließtälern für die Dauer ihrer natürlichen Eigenart und Schönheit beraubt*). Nicht von der Hand zu

weisen ist dabei die immer häufiger auftretenbe Befürchtung, baß bei derartigen Maßnah­ men zwar die unmittelbaren, nicht aber oder doch nicht ausreichend die späteren und mittel­

baren Folgeerscheinungen in Rechnung gestellt wurden. Ich kenne z. B. eine stark „amphibssche" vielbesuchte Landschaft, deren Wasserstand man unter Aufwand von Hunderttausenden so weit absenkte, baß tausende von Morgen Wiesenlanb ttockcn und ertragSloS

wurden, infolgedessen man jetzt mit noch höherem Geldaufwande Stauwehre einbauen muß, die das LandschaftSbilb nicht gerade bereichern und deren Wirkung auf die Wasser­ haltung abzuwarten bleibt. ES ist nicht meine Aufgabe, die m. E. durchaus ernst zu neh­ mende Frage der wirsschaftlichen Folgen solcher Regulierungen zu erörtern, und ich darf mich darauf beschränken, auf die soeben erschienene Arbeit A. Seiferts „Die Versteppung

DeusschlanbS" und auf seinen gestern bei unserer Tagung gehaltenen Vorttag hinzuweisen. Mag manches darin intuitiv empfunden, zahlenmäßig noch nicht ausreichend belegbar sein — seine Gesamtschau ist auf jeden Fall so bedeussam, baß Wirsschaft und Technik

ebensowenig baran werden vorbeigehen können wie Heimat- und Natusschutz. Auch der elektrischen Überlandanlagen haben wir unS zu erinnern, die so zahlreiche LanbschaftSbilber — man denke an die häßlichen, mitten durch die Wälder geschlagenen

Schneisen und an die rücksichtslose Führung der Leitungen in manchen Gebirgstälern —

verunstalten. Gesellen sich ihnen noch Telegraphen- und Fernsprechleitungen, so ent­ stehen „verdrahtete" Landschaften, wie sie außerordentlich häufig im Vaterlanbe an­

zutreffen sind.

Mußte auch genug von alledem, waS der Heimatfreund beklagt, als vordringlich aner­ kannt und also hingenommen werden, so gilt bieS keineswegs für alles und jedes. Sehr vieles hätte anders, mit größerer Rücksicht auf die Werte der Landschaft auSgeführt werden

können; vieles wäre bei rechtzeissger Beteiligung der Naturschutzorgane überhaupt zu ver­ meiden gewesen. Hier will baS Gesetz für die Zukunft Wandel schaffen: $ 20 verpflichtet *) Seit der Zeit der Dresdner Tagung, Herbst 1936, ist diesen Fragen viel Aufmerksamkeit gewidmet worden. Der maßgebliche Runderlaß des Reichs- und Preußischen Ministers für Ernährung und Land­ wirtschaft vom 16. November 1937 gibt in sehr dankenswerter Weife Richtlinien für die Berücksichtigung des Naturschutzes bei Meliorationsarbeiten.

alle Reichs-, StaatS- und Kommunalbehörden, vor Genehmigung von Maßnahmen und Planungen, die zu wesentlichen Veränderungen der Landschaft führen können, die zustän­

digen Naturschutzbehörden rechtzeitig zu betelligen. Hiernach sollte eS künftig — dies ist

der WMe der Reichsregierung — ausgeschlossen sein, daß die Organe der Landeskultur, deS Verkehrs- ober des Siedlungswesens, baß Industrie ober Wehrmacht ihre Pläne bis

zum Schlußstriche fertigstellen, ja schon mit ihren Arbeiten beginnen, ohne die Naturschutz­ behörden rechtzeitig vorher verständigt und kamst auch bst Naturschutzstellen eingeschaltet zu haben. Ist baS Vorhaben bereits bis in alle Einzelheiten auSgearbettet, so ist es in den meisten Fällen zu spät, bst Belange des Naturschutzes noch mit Aussicht auf Erfolg zu ver­

treten und wenigstens bst schlimmsten Auswirkungen auf baS Landschaftsbild zu verhüten.

Neben der Landeskultur, «st sie unter Leitung der Kulturbau- und Kulturämter, vstl-

fach unter Einsatz des Arbeitsdienstes, durchgeführt wirb, neben den Unternehmungen

der Jndustrst, des Verkehrs, der Siedlung usw. stehen bst kleinen, zunächst unscheinbaren, in ihrer End- und Gesamtwirkung aber mindestens ebenso verheerenden Eingriffe der Bo­ deneigentümer in baS Naturgut der Heimatlandschaften. Hier scheint auch heute noch bst materialistische Weltanschauung eine Rolle zu spstlen, bst im Boden, wo nicht mehr Ware,

so doch reine „Ertragsfläche" sieht: WaS nicht unmittelbar nützt, ist schlechthin wertlos;

also fort mit ihm! Ob eS schön an sich ist, ob eS im Verein mit Ähnlichem der Landschaft

Abwechselung, Anmut, Eigenart gibt, ob «S anderen Menschen Freude berestet, ob eS nicht doch seinen besonderen Wert haben könnte,—bas alles bebeutetnichtS gegenüber dem kurz­ sichtigen NützlichkeitSfanattSmuS. Gelangst bstser allgemein zur Herrschaft, so müßte bst „Erzeugungöschlacht" wst ein Gewittersturm über bst Felbfluren hinwegbrausen, und

bstse Befürchtung ist, hier mehr, dort weniger, auf jeden Fall aber in einem solchen Um­

fange bereits eingestoffen, daß baS Gespenst einer „NichtSalSnutzlandschaft", einer mono­

tonen Kultursteppe, vstlerortö als nahes Zukunftsbild emporsteigt. Nicht wenig bedenklich ist eS, baß hier — wst auch in den Kreisen der sonstigen Landeskultur — öfters Propheten

erscheinen, bst dem Heimatschutze baS Wasser mit der Behauptung abgraben möchten,

eine Landschaft, auS Korn-, Rüben-, Kartoffelfeldern, Wiesen und Weiden bestehend und mit sauberen Höfen geschmückt, sei auch schön, und bst auf diese Weise dst Hemmungen

beseitigen, bst bei einem Teil bet Landbevölkerung noch vorhanden waren und sind. Mst Worten wst „der nationalsozialistische Aufbauplan verträgt keine Gefühlsduselei" ver­ sucht man mitunter den ganzen Heimat- und Naturschutz abzutun. Dagegen haben wst unS mit aller Entschiedenheit einzusetzen. Der „NichtSalSnutzlandschaft" daS Wort reden,

heißt nach unserer Auffassung, den Willen der Reichsregierung, ausgesprochen vor allem im Reichsnaturschutzgesetz, — gelinde gesagt — ignorieren.

54 Wenn wir Naturschützer immer wieder und auf das nachdrücklichste feststellen, baß eine ausschließlich nach engstimigen Nützlichkeitserwägungen gestallete, ihrer natürlichen We-

senStelle so gut wie völlig beraubte Feldflur den Voraussetzungen, die wir Deutsche nun einmal an unsere heimatliche Umgebung zu stellen pflegen, nicht mehr entspricht, so können

wir diese Behauptung aus manchen Erscheinungen beS täglichen Lebens unseres Volkes heraus stützen. Ich kenne im Vaterlanbe keinen Garten, der nur „Nutzgewächse" birgt, der nicht zumindest in der Ecke oder als Beetumrahmung bunte Blumen aufweist. Auch der arme Bewohner einer großstädtischen Dachkammer holt sich mit seinem Geranientopf ein

Stückchen Natur herbei, und der ebenso arme Heimarbeüer im Mütelgebirge mag nicht auf seinen sorgsam gepflegten „Waldvogel" verzichten. Wenn dies schon „Romantik" be­

deutet, so ist sie auf jeden Fall naturgesetzlich und Ausdruck eines tiefen BedürfnisieS der Seele beS deutschen Menschen.

Und welche Stabt, klein ober groß, verzichtet auf Parke, Schmuckplätze unb ähnlich« An­

lagen, bie man unter den „gemeinnützigen Einrichtungen" fast an erster Stelle zu nennen und für bie man auch gehörige Summen auszugeben pflegt, trotzdem von einer materiel­ len Notwendigkeit nur wenig bie Rede sein kann? Daß aber solche Bedürfnisse des einzel­

nen wie der Gemeinwesen Daseinsberechtigung besitzen und aus diesem Grunde im Dritten Reich anerkannt werben, dafür gibt die Parole „Schönhrit der Arbeü" tagtäglich Beweise.

Immer zahlreicher werben die Fabrikhöfe, in die Rasenflächen, Buschwerk, Bäume und Blumen ein wenig Natur hineintragen unb dem Arbeiter Freude unb Ensspannung bringen

sollen. Vergessen wir auch die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" nicht, die ganz offensichtlich — und selbstverständlich — der alten Einsicht der Wanderer unb Naturschützcr

Rechnung trägt, baß die wesentlichsten Kräftespender für Leben und Arbeit in der Natur zu finden seien.

Zum guten Teile ist „Schönheit der Arbeit" gleichbedeutend mit,,Schönheit der Um­ gebung", b. h. deren harmonischer, sinnbefriedigender Gestaltung. AuS welchen Elementen

sich solche Schönhrit zusammensetzt, soll hier nicht untersucht werben; soviel wird aber

feststehen, daß unter ihnen die organische Natur vertreten sein muß. Der Rückschluß auf Landschaft unb Felbflur liegt auf der Hand: eine kahl gewordene, an südrussische oder nord­ amerikanische Getreidesteppen gemahnende Felbflur, der baS Naturhafte genommen wurde, hat heimatliche Eigenart unb Schönheit verloren, ist in Ostpreußen von derselben Lange­ weile wie in Westfalen, spricht den Naturfreund kaum noch an und besitzt nur einen Bruch­ teil beS früheren Erholungswertes. Daß solch« Räume auch in anderer, in wirsschaftlicher

Beziehung, Verluste erleiden, die künftig weit stärker in Erscheinung treten werden, als heute der großm Masse der Beteiligten bewußt ist, habe ich nebenher bereits bemerkt. Den

Luxus unüberlegter Naturzerstörungen können sich gerade übervölkerte Kulturstaaten nicht mehr leisten.

55 ES ist Tatsache, baß es in Deutschland bereits eine Reihe von Landstrichen gibt, deren Felbfluren säst den Endzustand der „NichtSalSnutzlanbschaft" erreichten; viele andere be­

finden sich auf dem Wege dorthin. Diese Feststellung soll keinen Vorwurf bedeuten, denn wir erkennen an sich durchaus an, baß in einem Lande, dessen VolkSmaffen auf so engen

Raum zusammengedrängt und in dem die Probleme der Nahrungsmittel- und Rohstoff­

versorgung so gewaltige sind, der weitaus größte Bodenanteil intensivster land- und forstwirsschaftlicher Produktion zu dienen hat. Nur sind wir der festen Überzeugung, baß keine „Erzeugungsschlacht" im Endergebnis dazu führen darf, das Land seiner natürlichen

Schönheiten und seiner Eigenart gänzlich zu berauben. Schon die Rücksicht auf den Erho­ lung suchenden Volksgenossen, den der Stadt zeitweilig entfliehenden Wanderer verbietet

solchen WirsschaftSradikaliSmuS. Wir wandern ja nicht allein über Berg und Tal, durch Wald und Heide, sondern auch, oft stundenlang, durch Flur und Felder. Nichts öderes

könnte es für unS geben, wären die Fluren landschaftlicher Reize bar: weithin ohne Bäume, Baumgruppen, Feldgehölze, Wilbrosen- und Dornbüsche, ohne blumige Raine; die Tier­

welt ärmer als arm; kaum, baß eine Landstraße mit hohen schattigen Laubbäumen Wechsel bringt. Wir sind, ohne einem musealen Konservieren aller Einzelheiten baS Wort reden zu wollen, davon überzeugt, baß die Erhaltung der natürlichen Heimatzierben vor allem auch

im Eigeninteresse des Landbewohners selbst liegt. Wer meint, daß die Erzeugungsschlacht

von ihm verlange, seine Scholle restlos hundertprozentig in „NichtSalSnutzfläche" zu ver­ wandeln, verkennt oder mißachtet die Bedeutung des heimatlichen Bodens, und wenn er

sich dabei auf den „Gemeinnutz" beruft, so bekundet er dadurch nur, daß er diesen rein materiell auffaßt, und setzt sich überdies dem Verdacht aus, nicht zuletzt an sich zu denken.

Wir Heimatschützer fordern mithin, wie noch einmal hervorgehoben sei, die Universalität

deS Landschaftsschutzes. Hierbei komme ich auf den gestrigen Vortrag und di« Bilder des Herrn A. Seifert zurück, die im besonderen dem Schutze der Landschaft rechts und links

der Autobahnen und -straßen galten. Wenn wir das dankenswerte Verständnis und das tatkräftige Bemühen des Herrn GeneralinspeftorS für baS beussche Straßenwesen, Dr. Ing.

Todt, um die Erhaltung und Pflege der LanbschaftSbilder, durch die des Führers Straßen verlaufen, freudig anerkennen und an unserem Telle dabei mitwirken wollen, so müssen

wir doch feststellen, daß dieser Schutz nur den der Straße zugewandten Schauseiten der

Landschaft zugute kommt. Bliebe der Naturschutz bei seinem Eintreten für universalen Landschaftsschutz ohne durchgreifenden Erfolg, so würbe sich beim Durchfahren der Reichs­

autobahnen zwar der Kraftfahrer abwechftungsreicher und reizvoller Gegenden zur Rechten wie zur Linken erfreuen, aber im Grunde sähe er nur „Potemkinsche Dörfer"! Gewiß kämen

jene Schausellen auch den Wanderern zugute, zumal ihnen die Reichsautobahnen hier und da begleitende Wanderpfabe, Fußgängerbrücken, Aussichtsterrassen usw. in Wanberge­

bieten einzurichten gewillt sind, aber das wärm im Grunde nur geringfügige Behelfe. Was

56 für die Scharen der Wanderer vor allem unentbehrlich ist, sind neben den Gebieten, wo die

Natur noch vorherrscht, die naturhaften Kulturlandschaften „mit allem txxrt dazu gehört und dafür bezeichnend ist" (M. Haushofer), die wie jene im Gegensatz zur alltäg­ lichen Arbeitsumgebung stehen; körperliche Erholung und seelische Erhebung sind nun ein­ mal an möglichst radikale Umgebungsänderung gebunden. Darum sollte der Kraft­

fahrer recht oft „Ferien vom Auw" nehmen, und so sind auch in seinem Interesse jene Ge­ lände, die nun einmal erwandert werben wollen, zu erhalten! ES heißt Kraftwagen und Auwstraße nicht herabwürbigen, wenn man chnen im Hinblick auf die ausgesprochenen

Erholungsgebiete in erster Linie die zwar dienende, nichtsdestoweniger aber ungemein bedeut­

same Rolle des „Zubringers" überwägt.

Darüber müssen wir uns natürlich klar sein, daß ein umfassender Landschaftsschutz nur zum kleinen Teile durch behördliche Maßnahmen bewirft werben kann. Allein vom grünen

Tisch auS könnte man anders urteilen. Schutzverordnungen nach den §§ 5 und 19 deS Ge­

setzes sind dort am Platze, wo daS allgemeine Interesse die möglichst vollständige Erhaftung der Heimat- und «rholungSwichtigsten Landschaftsteile im Rahmen der Raumordnung ver­

langt, und dort sollte man diese Maßnahtne gewiß nicht allzu sparsam und zaghaft anwen-

den. In der Hauptsache aber wirb der Landschaftsschutz durch den freiwilligen Einsatz aller Beteiligten bewirft werden müssen. Somü ist universaler Landschafts­

schutz auf zwei verschiedenen Wegen zu erreichen; neben der Ausnahme deS behördlichen hat als Regel der freiwillige Schutz zu stehen. Mt chm gelangen wir allerdings aus der Region deS Gesetzes in die der Erziehung, und die Hauptftage lautet jetzt: wer kommt als Träger solcher Heimaterziehung in Bewacht? ♦

Nur allzuleicht erscheinen die Anwälte deS Naturschutzes, der seine städtische Herkunft

nun einmal nicht verleugnen kann, dem praftssch-realistisch eingestellten Landvolke als

Naturschwärmer, die zur eigenen Erlustierung und ohne Gegenleistung Forderungen ge­ fühlsmäßiger Art stellen. Gegen solche Auffassungen sind wir in unendlich vielen Fällen

machtlos, und es ist bann wohl begreiflich, wenn auf der Seite deS Heimatschutzes verstärft nach umfassenderer behördlicher Landschaftssicherung gerufen wirb. Als ultima ratio

bleibt diese selbstverständlich in Bereitschaft. Die Entscheidung über daS „Entweder —

Ober" liegt aber in den Händen der Bodeneigentümer. Sm Bauerntum selber muß

daS Verständnis für den freiwilligen Schutz der Heimat-Landschaft ge­ weckt und genährt werben. Dazu ist eS fteilich in erster Linie notwendig, baß der

Bauer sich seines Eigeninteresses an der Erhaltung und Pflege der natürlichen Heimatgüter

bewußt wirb. Gewiß darf und sollte auch er daran denken, baß Millionen landloser Volks­ genossen an diesen Gütern Anteil haben müssen, wie dies in der wiederholt erwähnten Ein-

leitung zum Reichsnaturschutzgesetz feierlich verkündet wurde/ aber vor allem muß er selbst einsehen lernen: «in heimattreues schollenverbundenes Bauerntum

kann

eines heimatlich gestalteten Lebensraumes nicht entbehren! In dem Worte „Blut und Boden" bedeutet Blut weit mehr als die physische Körperlichkeit des Menschen

und Boden ebenfalls mehr als etwa „Ernährungsbasis". Das verwandte Wort „BolkS-

tum und Heimat" beutet diese Zusammenhänge vielleicht noch deutlicher an. Solche Er­ kenntnisse dem Bauern einleuchtend zu machen und von chm zu verlangen, baß er das

seinige dazu tut, ist nur die eigene Interessenvertretung, der Reichsnährstand, in der Lage. Ein westdeutscher Heimatschützer, der Bezirksbeauftragte für Naturschutz im Düsseldorfer Bezirk, wo die radikale Entblößung der Felbflur bereits größte Fortschritte gemacht hat,

faßte baS Ergebnis seiner Untersuchungen unlängst in den einen Satz: „Die Arbeitsfront schafft für den Industriearbeiter „Schönheit der Arbest"; uns, b. h.

unserer Heimatlandschaft, kann nur geholfen werben, wenn der Reichsnährstand selbst

den Bauern dasselbe einprägt: „Schönheit des Landes." Dieses Wort in der kräftigeren Fassung „Schönheit ber Scholle" legen wir dem Reichsnährstände ans Herz. Wir werben damit um die Bundesgenossenschaft des schallen­ dsten und heimatbewußten Bauerntums, von dem wir wissen, baß eS von Hause auS

solchem Gedanken durchaus nicht ablehnend gegenüber stand. Wäre dies ber Fall gewesen, so würben die deutschen Felbfluren uns erheblich weniger heimatlich ansprechen, als dies

Gottseibank heute noch der Fall ist. Wir wissen um viele Hofbesitzer — man denke z. B. an Minden-Ravensberg, Lippe, Niedersachsen, Holstein — die sich die Reize und Schön­ heiten ihrer Feldmarken, darin auch manches Naturdenkmal, erhielten. Und eS ist uns

wohl bekannt, baß ber Reichsnährstand bei Begründung neuer Siedlungen nicht allein auf heimatgerechte bauliche Gestaltung Wert legt, sondern auch die Anpflanzung lanbschaftS-

wichtigcr Bäume, wie Linden und Eichen, fordert. Damit gibt er zu erkennen, daß der Siedler nicht allein Aufenthalt und Nahrung, sondern auch Heimat braucht. Sinnlos

wäre eS, hier im Sinne des Heimasschutzes zu arbeiten, dort aber, d. h. beim altbäuer­ lichen Besitze, untätig zuzusehen, wie umgekehrt Heimat zum Aufenthalt wirb, die „Schön­ heit der Scholle" zerrinnt und eintönige NichtSalSnutzlanbschaft, die man auch Maschinen­

landschaft genannt hat, entsteht. Schon ist man vielerorts am Werke, unser Landvolk für die „Schönheit des Dorfes" zu erwärmen, örtliche Wettbewerbe werben ausgeschrieben, und stolz verkünden Zeitung und

Kreiskalenber, baß dieses ober jenes Dorf als baS schönste erkannt würbe. So will eS uns scheinen, als ob der Boden in mancher Hinsicht bereits vorbereitet, daß die Voraus­

setzung für eine günstige Aufnahme auch beS flurbezogenen HeimasschutzeS gegeben sei. Und doch, zu optimistischer Auffassung besteht bis heute keine Veranlassung. Noch über­ wiegen bei weitem die Zerstörungsmeldungen, und der gssamtwirsschaftlich so hochbebeut-

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same Zweite VierjahreSplan wird sich vernichtend auswirken, wenn unsere Parole „Schön­

heit der Scholle" keinen Widerhall finden sollte. DaS Bewußtsein „wir taten bad unsrige",

wäre dann den Heimat- und Naturschützern nur ein recht magerer Trost. ♦

Wenn ich mit größerer Ausführlichkeit den Landschaftsschutz in den Feldmarken behan­ deln mußte, so kann ich mich im Hinblick auf die Waldlandschaften wesentlich kürzer

fassen. Ohne Frage empfindet die große Mehrzahl der Volksgenossen den Wald als „Na­ tur" schlechthin, und auch dann noch, wenn er verzweifelt wenig natürlich ist. Er nimmt

uns in seine Hallen, seinen Schatten auf, schenkt uns den „andächfigen" Aufenthalt — — „da draußen, stets betrogen, saust die geschäft'ge Welt" — und gewährt damit die

stärkste Erholungsmöglichkeit. Wir haben ihn als die haupssächliche Naturresewe für unser Volk zu werten. ES hat in Deusschland nie an Grünröcken gefehlt, die auch in zufirfst materialistischen

Zeiten den Waldgebanken über dem der „WirsschaftSforst" nicht vergaßen. Zu dieser aber

ging die Entwicklung ganz einseitig hin. Wie heute noch vielen Landwirten die naturleere NichtSalSnutzlanbschaft als Vorbild erscheint, so sahen in gar nicht weit zurückliegenden

Tagen recht zahlreiche und maßgebliche Forstleute das einzig Wahre in der Schaffung ein­ seifiger Nadelholzbestänbe, deren Zweck nur der Ertrag, deren LanbschaftStyp die Baumsteppe

war. Zu liberalistischer Zeit wurde, aus der Blickrichtung des Naturschutzes gesehen, viel Urnatur zerstört, LanbschaftSschönheit gemindert und Eigenart vernichtet; die Forstwirt­ schaft hat aber seit Jahren mehr und mehr erkannt, daß der eingeschlagene Weg nicht der

richfige war, und findet sich zum naturhaften Walde zurück, der, unbeschadet seiner Er­ trägnisse, natürlichere Walbbilber und tiefere LanbschaftSfinbrücke verbürgt. ES ist der

ausgesprochene Wille unseres so naturverbundenen Reichsforstmeisters, dem beusschen

Volke den Wald als vornehmste Stätte körperlicher Erholung und seelischer Erhebung zu erhalten und erneut zu gestalten. Dieser Seite deS Wesens „Wald" soll die gleiche Beach­

tung geschenft werben wie der wirfichaftlichen, und darum brauchen wir um ftfiwilligen Landschaftsschutz im Gebiete deS Waldes heute wohl nicht mehr besorgt zu sein. Aller­

dings muß bezwfifelt werben, ob die Sicherung bedeussamer Waldgebiete durch Ein­ tragung in die Landschaftsschutzkarten eine wesentliche Einschränkung erfahren kann.

DieS muß davon abhängen, in welchem Maße unsere Wälder weiterhin für andere Zwecke beansprucht werden und infolgedessm zusätzlicher Sicherung bedürfen!

In der Umgebung der Großstädte und Industriegebiete steigt der Sozialwert deS Waldes auf ein Vielfaches, und in demselben Grade mehrt sich auch seine Gefährdung durch den Massenbesuch. DaS „Gesetz zur Erhaltung deS Baumbestandes und Erhaltung und Frei­ gabe von Uferwegen" vom 29.7.1922 gewährt in dieser Hinsicht keinen Schutz, infolge-

59 dessen seine „Grünflächen" der ergänzenden Sicherung durch Maßnahmen des Land­ schaftsschutzes bedürfen. Auch in größerer Ferne von den Bevölkerungskernen ist ein solcher

für manche Waldungen am Platze, die der Wandererverkehr bevorzugt. Dort sind, im Sinne einer zweckmäßigen Raumordnung voneinander geschieben, gewiß Rast-, Park-, Bade-,

Zeltplätze u. dgl. notwendig; die Waldlanbschaft mit ihren Höhen und Tälern, ihren Was­ serläufen und Seen muß aber, von jenen Stätten errreichbar, den Voraussetzungen ent­

sprechen, die der deutsche Mensch an sie zu stellen gewohnt und berechtigt ist. In vielen

Fällen wirb hier also Landschaftsschutz, der ja die wirtschaftlichen Belange so gut wie nicht berührt, geboten sein. Es fehlt freilich, auch heute noch, nicht an Volksgenossen und Be­ hörden, die von solchen Notwendigkeiten nicht überzeugt sind, weil von einer „Bedrohung" nicht die Rede sein könne. Aber „der gebrannte Naturschutz scheut das Feuer", will sagen,

er hat allen Grund, mißtrauisch zu sein. Ich könnte aus meiner Praxis eine ganze Reihe von Fällen nennen, wo die Erhaltung selbstverständlich und darum ein besonderer Schutz überflüssig erschien, und — wo man sich eines schönen TageS die Augen rieb und grimmig sagte: „ja, hätten wir rechtzeitig ... !" DaS Stück Heimatnatur, nach dem, wie ich vorher

schon sagte, nicht zu irgend einer Zeit die Faust eines wirtschaftlich daran Interessierten

— vielfach suchen eS auch gemeinnützige Unternehmungen ohne Rücksicht auf die All­

gemeinheit für ihre Sonderzwecke in Anspruch zu nehmen! — greift, soll erst noch ge­

funden werden. WaS weitesten Kreisen

unseres Volkes heute vor allem

nottut, ist die Überwindung der „Scheu vor dem Naturschutz"! Hierzu, wie überall im Heimat- und Naturschutz, brauchen wir die Mitarbeit aller Heimatmenschen, ohne Unterschied, ob und wo sie organisiert sind oder mitmarschieren. DaS Reichsnatur­

schutzgesetz wie die darin verankerte Organisation der Naturschutzbehörden und -stellen sind nicht allmächtig; sie wirken gegenüber den mannigfachen und starken naturzerstörenden Kräften oft genug „am kürzeren Hebelarme", darum wird ihnen und ihrer Arbeit der

durchgreifende und nachhaltige Erfolg nur dann beschieden sein, wenn alles heimatbewußtc und heimatliebenbe Volk ihnen hilft. ♦

Diese Erkenntnis darf ich, zum Schluß kommend, in eine herzliche Bitte auSklingen

lassen: die geschichtliche Entwicklung hat dazu geführt, daß der Naturschutz eigene Wege ging und der Heimatschutz in Anerkennung beS oft so fruchtbringenden Grundsatzes der

Arbeitsteilung sich den übrigen Gebieten der Heimatarbeit widmete, die ihn vielfach stärker an die Denkmalpflege heranbrachten. Wie eS aber in den meisten Fällen die gleichen Volks­ kreise sind, die sich um die heimatliche Kunst, Kultur und Natur bemühen, so zeigt auch

eine Tagung wie die heuttge in Dresden, baß diese Trennung keine natürliche und darum

unüberwindliche ist. DeS beusschen Bundes Heimasschutz große und historische Aufgabe

6o ist btt synthetische Zusammenfassung aller Zweige der Heimatschutzarbeit, wie dies« in

manchen LandeSvereinen bereits vorbildlich begonnen wurde. So wünschen wir Natur­ schützer die stärkste ArbeitS- und Kampfverbundenheit für die Zukunft und bitten vor allem

um enge Bundesgenossenschaft beim Einsätze für den Schutz der deutschen Landschaft.

Wir unsrerseits geloben dafür treue Kampfhilfe, wenn eS um Dorf- und Stadtbild geht, denn der reinen und schönen Landschaft muß nun einmal daS reine und schöne OrtSbild

entsprechen; beides vereint ist erst „Deutsche Heimat"!

Der Führer der Deutschen Arbeitsfront hat wiederholt gesagt, baß Deutschland in den letzten Jahren schöner geworden sei, und er hat gewiß insofern Recht, als das in sich ge­

einte, wieder lebensmutig und lebensfreudig geworbene, baS wehrhafte und seinem Führer

begeistert folgende Deutschland schöner ist alS baS einer früheren Zeit. Auch sind unsere Augen heller und froher geworden, so baß ihnen daS Vaterland heller und damit schöner

erscheinen kann. Dieses alles freudig bejaht, kann uns Heimatschützer aber nicht daran hindern, auf dem eigenen Gebiete wahrzunehmen, baß unser schönes Deutschland noch im Schoße der Zukunft liegt. Wer dieses nicht vorwiegend in den FrembenverkehrSwer-

bungen, sondern in der Wirklichkeit zu finden wünscht, muß in den Reihen des Heimat-

schutzeS milkämpfen, bis daS Ziel erreicht ist: Allüberall schöne deutsche Heimat!

PFLEGE HISTORISCHER GARTENANLAGEN SÄCHSISCHE GARTENANLAGEN LanbeSpfleger Dr. Bachmann, Dresden: Der geschichtlichen Entwicklung der Gartenanlagen SachsenS nachzugehen, ist gewiß eine dankenswerte Aufgabe, denn gerade

in unserer Heimat haben sich Gartenschöpfungen, die schon in ihrer Entstehungszeit be­ rühmt waren, bis heute noch in größerer Zahl erhalten. ES ist aber natürlich an sich ein

Ding der Unmöglichkeit in der kurzen, hier zur Verfügung stehenden Zeit auf alle Anlagen

dieser Art einzugehen. Wir können nur die Frühentwicklung geben und die wichtigsten späteren Beispiele in Kürze sprechen lassen.

SachsenS Playarchive sind reich an Schätzen mancher Art, reichen aber doch nicht unter die Mitte beS 16. Jahrhunderts zurück. Auch die archivalischen Nachrichten verlassen uns in dieser Zeit, wenn wir über SachsenS früheste Gartenanlagen Nachrichten zu erfassen suchen.

Natürlich werden wir schon in mittelalterlicher Zeit Gärten auch in den sächsischen Klöstern vorauSzusetzen haben, Anlagen, in denen Pflanzenzucht und Pflanzenstudium be­

trieben wurde. HauSgärtchen, mit Blumen und Nutzpflanzen auSgestattet, werben weder auf den einsamen Burgen und Schlössern, wie im Bürger- und Bauernhause gefehlt

6i haben. Auch die Liebe zum schönen Baum, zur Linde etwa und zur Eiche ist immer ein Erbteil unserer Raffe gewesen.

Von diesen Kleingärten, von der Pflege des einzelnen BaumeS an, bis zur bewußt auf der Grundlage der Bereinigung von Kunst und Natur geschaffenen Gartenanlage ist aber noch immer ein weiter Schritt.

Zuerst erfahren wir unter Kurfürst Moritz um die Mitte des 16. Jahrhunderts von

einem Zwingergarten beim Dresdner Resibenzschloß, wissen aber von ihm nur, daß er nach dem Muster der damals vielbewunderten Gärten Karl V. auf dem Hrabschin in Prag

gestaltet war. Ein Zufall hat uns aber ein steinernes Denkmal von besonderer Eigenart überliefert,

das in dem Dorfe Ragewitz bei Oschatz steht und uns von einer Gartenanlage eines Herrn

Georg von Schleinitz vom Jahre 1520 bereits Nachricht gibt. Seine Inschrift lautet: „Wer dieses Gartens Lust oder Frucht wirb genießen, der wollt aus christlicher Liebe sich be­

fleißen, vor die Seele treulich zu bitten, des Herrn Jorgen, Ritter, dieses Gartens An­

fängerunb Pflanzer." Also nicht nur von Gartennutzung ist bei dieser völlig verschwundenen Anlage die Rebe, sondern auch von Gartenlust, und eS bleibt die Frage offen, welche An­ lagen damals solchem Zwecke bienten und in welcher Form sie wohl gestaltet waren. Be­

stimmt wirb aber hier der rein praktische Zweck b«S Gartens überwogen haben, wie wir

baS noch aus der Angabe über den ältesten Garten in Pillnitz, den eines Herrn von Loß vom Jahre 1578 herauslesen, wonach dort nur ein Baumgarten, ein Obstgarten, ein

Krautgartm und ein Hopfengarten vorhanden waren. Wir bewegen unS hier nun schon in der Zeit der Regierung des Kurfürsten August und seiner dänischen Gemahlin Anna, zweier Menschen also, die man schon mehr als Fanatiker

deS praktischen Gartenbaues bezeichnen muß. Die Zahl der Schlösser und Jagdhäuser, die damals neu erbaut und umgebaut, in jedem Falle aber neu eingerichtet wurden, ist er­ staunlich groß, und zu jeder Anlage gehörte ein Nutzgarten, zu den großen Schlössern zu­

dem fast noch stets ein riesiger Tiergarten.

Kurfürst August war ein Organisawr von Format, doch seiner ausgesprochenen wirt­ schaftlichen und lehrhaften Art wird romantische Spielerei bestimmt femgelegen haben. Wenn wir trotzdem von Anlagen der Kunst in seinen neuen Gärten einiges hören, so werben

wir solche Akzente in ihrer Entstehungsursache höfischer Repräsentationspflicht und der

Bemühung, es anderen benachbarten Höfen darin gleichzutun, haupffächlich zuzuschreiben haben. Jedenfalls hören wir nun schon u. a. von einem „Labyrinth" im Zwingergarten beim Dresdner Schlosse, von steinernen Lusthäusern und solchen aus Lattengerüst, auch von Brunnenbaulen und Bildhauerarbeit.

Vater August und Mutter Anna, wie sie der sächsische VolkSmunb benannte und noch

heute benennt, sind es jedenfalls gewesen, die durch eigenes Beispiel, durch unermüdliche

62 Aufklärung, die Grundlage für die nun rasch sich entwickelnde sächsische Gartenkultur geschaffen haben. Die alten Akten dieser Zeit sind voll von Hinweisen auf Pflanz- und Okulierverfuche aller Art, geben Nachricht über Bezug von Sämereien und seltenen Pflan­

zen aus aller Herren Länder und von Versuchen mit Gärtnern der verschiedensten Nationen. So konnte es gar nicht ausbleiben, baß diese energisch betriebene Gartenschulung des

Kurfürstenpaares ein wirkliches Echo bei den Untertanen fand und schon auf einer der ältesten Darstellungen Dresdens, einer Zeichnung der Zeit um 1570, erkennen wir nunmehr

Gartenanlagen der Bürgerschaft, die außerhalb der Festungswälle an der Elbe sich er­

streckten. Wir sehen auch deutlich, daß alle diese Anlagen, so klein sie sind, doch den Symme-

tricgesetzen folgen, die die Kunst italienischer Renaifsancegärten bereits bis hierher an die Ufer der Elbe ausstrahlen ließ. Ja sogar ein kleines LusthauS in Lattengerüst mit Grün-

wuchS ist bereits in einem der kleinen Gärten zu finden, ein Zeichen, daß wir nunmehr schon aus dem besten Wege zu dem durch Kunst gestalteten Lustgarten sind. Höfische Repräsentation wird bann Trumpf in der Zeit um 1600 unter den Nachfolgern

Kurfürst Augusts, den beiden Christian.

Kurfürst Christian I. verstand eS besonders gut, die von dem äußerst sparsamen Vater angehäuften Taler unter die Leute zu bringen. AuS seiner nur kurzen Regierungszeit stammen bekanntlich Monumentalbauten wie der Dresdner Stallhof und die Fürsten­

gruft in Freiberg, die beide schon in ihrer Entstehungszeit als Luxusbauten bewundert wurden. Sein beratender Künstler war der Italiener Juan Maria Nofseni, dem ein Carlo

de Cesare als Künstler neben solchen unseres Landes zur Seite stand. Das LusthauS als Hauptarchitekturstück im Lustgarten gewinnt nun überragende Be-

deuMng, eS ist aber eine typisch-sächsische Erscheinung, daß diese Schöpfung der Baukunst nicht nur als bestimmender Mittelpunkt, als Brennpunkt der Gartenanlage erscheint, son­

dern auch für sich allein als Aussichtspunkt inmitten einer schönen Landschaft auftritt. Das großartigste Gebäude dieser Art, das Sachsen je besaß, wurde ebenfalls unter

Christian I. von Nofseni seit 1590 begonnen und erhob sich auf der Ostecke der Elbfestung,

der sog. Jungfer, demselben Platze also, den heute das Belvedere einnimmt. Wenn hierzu

auch das Belvedere in Prag Pate gestanden haben mag, so hat Nofseni doch keine Kopie, sondern eine durchaus selbständige Schöpfung in reinen Formen der Italienischen Re­

naissance gegeben. DaS Gebäude, dessen Vollendung Nosseni übrigens nicht erlebte, und

baß zudem bereits 1747 durch eine Pulverexplosion vernichtet wurde, war nicht weniger als drei Swckwerke hoch. ES besaß im Innern zwei große Festsäle übereinander, von denen

der untere ein sogen. Antiquarium nach der Mode der Zeit vorstellte, baS mit reichstem Schmuck von Marmor, mit Gemälden und mit Stuck- und Bronzebildwerken ausgebildet war. Der obere Festsaal enthielt nicht weniger als 20 überlebensgroße Statuen, die in Säulennischen an den Wänden aufgestellt waren. Ölgemälde in reichster Stuckumrahmung

6Z leiteten in der Deckenkehle über zu dem oberste»/ luftigen Pavillonaufbau, von dessen

äußerem Umgang man daS herrlichste Elbpanorama damals noch genießen konnte. Der Anfang zu der bald zur Berühmtheit gekommenen Brühlschen Terrasse war damit geschaffen. Derselben Zeit und denselben Künstlern ist ein weiteres großes LusthauS zuzuschreiben,

daS zu einer Lustgartenanlage bei den malerisch am Muldenufer gelegenen Schlöffe

Colditz dereinst gehörte. Einige archivalische Nachrichten und ein schlechter Kupferstich sind alles, was unS bis heute davon geblieben ist. Wir wissen aber, baß dieses große Ar­ chitekturwerk sich in einer Parkanlage von bedeutendem Ausmaße erhob, inmitten eines künstlichen kreisrunden Teiches, der mit anderen kleineren Teichen durch Brücken und

Kanäle in Verbindung stand. Zum ersten Male wird also hier der Wasserspiegel bewußt-

als Motiv in die Gartengestaltung einbezogen. io Statuen aus Zinnguß auf Muschelpostamenten erhoben sich in der Mitte der kleinen Teiche. Von einem großen Springbrunnen

auf einem Muschelbecken mit umgebenden MeereSwunbern ist ebenfalls die Rebe. DaS Untergeschoß des Lusthauses selbst war als eine Art Kunstgrotte mit Wasserspielen

auSgestattet, baS oberste Geschoß, um baS außen eine AuSsichtSgalerie verlies, enthielt in

einem prunkvollen Festsaal u. a. 8 Fürstenbildnissc, Statuen oder Büsten von der Hand deS Carlo de Cäsar«. Im Lustgarten selbst waren weitere kleinere Lusthäuser verteilt, in denen

Spiele aufgestellt waren. In diesen leider vom Zahn der Zeit gänzlich zerstörten Anlagen werben wir ben ersten großen fürstlichen Lustgarten Sachsens überhaupt zu erblicken haben.

Die Migen Herren des Hofes folgten dem Beispiel ihrer Fürsten, unb ifjre Herrensitze auf Burgen unb Schlössern wurden nun ebenfalls zu kleinen Zentren der Renaissance­

kultur. Wir wissen so von einem symmettisch angelegten Garten mit einem LusthauS bei Schloß Wolkenburg an der Mulde, unb es ist unS sogar bei der schönsten der alten Ritter­

burgen SachsenS, der RochSburg an der Mulde, ein LusthauS aus der Zeit um 1600 glücklicherweise erhalten geblieben. Inzwischen entstand auch als erster größerer Lustgarten in Dresden selbst, seit etwa 1590, der Herzogingarten oder Pomeranzengartm vor dem Wilischen Tor, außerhalb des Zwin­

gerwalles. Alten Stichen nach zu schließen, hatte dieser schon eine Hauptachse, die von symmetrisch aufgeteilten Beeten begleitet wurde und auf ein LusthauS, die sogen. Grotte,

zuführte. Obelisken und Springbrunnen waren ebenfalls vorhanden. Hauptstück dieses Gartens aber waren die Pomeranzenhäuser, in denen die Orangenbäume untergebracht

waren, die von nun an zum eisernen Bestand auch der sächsischen Gärten gehören.

Der zojährige Krieg brachte in diese emporstrebende Entwicklung einen Eingriff schwerster Art. Mit dem Frieben erst setzt ein neuer Aufschwung ein. Damals hören wir nun von einem neuen, großen Garten in der Dresdner Seevorstadt, der ursprünglich von 2 italienischen

Sängern der StaatSoper angelegt, bereits i.J. 1664 aber von Kurfürst Johann Georg II. übernommen wurde. Es war dies der sogenannte italienische, spätere türkische Garten.

64 Diese Anlage muß uns deshalb interessieren, weil hier als Architekt -um ersten Male

Johann Georg Starck« auftritt, dem wir ja bas Palais im Großen Garten verdanken. Sein Partner als Gartengestalter war hierbei ein gewisser Martin Göttler, mit dem zu­ sammen bann Starcke auch die Uranlage des Großen Gartens schuf. Der italienische Garten

wurde somit bi« direkt« Vorstufe zu diesem. Seine Grundform war die eines überlang ge­

streckten Rechteckes, das durch die Baumasse des natürlich auch nicht fehlenden Lusthauses in zwei gleich große Teile zerlegt wurde, ein Ziergarten nach der Hauptzugangsseite, und ein Nutzgarten wohl ursprünglich aus Obschäumen gebildet nach der Rückseite zu. Der Zier­

garten war von Anfang an symmetrisch aufgeteilt mit Verwendung von Wasserbassins,

Springbrunnen und auch schon Bildhauerarbeiten, von denen uns in den Akten die Statuen eines Nimrod, Cyrus, Alexander Magnus und Julius Cäsar genant werben.

Ein glücklicher Planfund im Denkmalarchiv erlaubte die Rekonstruktion deS ehemaligen Sommerpalais in diesem italienischen Garten, dessen Grundrißaufteilung und Aufriß­

lösung uns nun schon die charakteristische Handschrift Johann Georg Starckes erkennen lassen und damit zugleich in den Anklängen an die klassisch« Formensprache, an bi« Art

italienischer Paläste die Vorstufe zum Palais im Großen Garten. 1719 schenkte August der Starke den ganzen Garten seiner Schwiegertochter Herzogin Maria Josepha von Österreich als Morgengabe und Pöppelmann hat damals bas ganze

Palais im Innern völlig neu im türkischen Stil ausgestattet. Zur Einweihung erschien

enssprechenb der ganze Hof in türkischer Tracht. Der Beschießung Dresdens siel 1760 das Palais zum Opfer, der bann fast schon ver­ gessen« Garten aber den Kämpfen um Dresden 1813.

Die Anlage des Großen Gartens begann in größtem Ausmaße bereits im Jahre 1676. Wie schon erwähnt, ist dem Architekten Starcke und dem Hofgärtner Göttler die Uranlage

zuzuschreiben. ES ist aber natürlich nicht möglich, an dieser Stelle die sehr komplizierte

Geschichte dieses Gartens auch nur einigermaßen ausführlich zu geben. Wichtig wirb uns aber zu wissen, wie die Schöpfer des Großen Gartens sich dereinst dessen Uranlage dachten. Auf einem Plan der Entstehungszeit um 1676 hat der Garten

selbst noch wesentlich größere Ausmaß« als hrute. Man hatte sich aber bei der Anlage übernommen und mußte die Grundfläche sehr bald zur heutigen Größe reduzierm. Starcke

setzte, wie wir das im Bilde sehen, sein PalaiS in einen quabratsschen freien Raum im Zen­ trum des Gartens, von dem acht Sttahlenschneisen ausgehen. Von diesen sind heute nur noch die Nord-Süd und die Ost-Westschneise als Haupt- und Ouerallee erhalten. Der eigent­

liche Lustgarten erscheint, wie der alte Plan lehrt, recht wenig glücklich gelagert und aufgeteüt, ist ja aber auch in dieser Form niemals zur Ausführung gekommen. Der Große Garten

sollte in erster Linie als Jagbgarten für niederes Wild, haupssächlich Fasanen, Rebhühner

und dergl. dienen.

6; Das in seiner architektonischen Formensprache so eigenwillige Palais hat Starcke bis

zum Jahre 1690 etwa vollendet, und damit Sachsens für diese Zeit größtes LusthauS ge­ schaffen. Desgleichen sind auch die acht kleinen Pavillons am großen Parterre, die wir heute

leider nur gänzlich verändert kennen, Schöpfungen von seiner Hand, entstanden aber erst im Rahmen der völligen Neugestaltung des Großen Gartens, die mit dem Jahre 1683 einsetzte, dem Zeitpunkte, in dem Sachsens größter Barockgartenkünfiler Johann Friedrich

Karcher nach Dresden als Hofgärtner berufen wurde. Soweit ich bis heute feststellen konnte, ist Karcher Saarländer von Geburt gewesen, und damit wird mehr als wahrscheinlich, baß er sich die AnfangSgrünbe seines hohen

Könnens noch unter Lenötre bei den Prunkgärten Ludwigs XIV. in Frankreich selbst

geholt hat.

Karchers Können wirb nun entscheidend für die Anlage der großen Gartenschöpfungen Augusts des Starken und auch nach seinem erst im Jahre 1726 erfolgten Ableben finden

wir noch die Spuren seines Wirkens in allen späteren Gartenschöpfungen bis zur Mitte

des Jahrhunderts. Architekten, wie Pöppelmann, Lon guelune und Knöffel waren seine Mitarbeiterim

Hofbauamt. Bildhauer wie Heermann, Permoser, Thomae und andere standen zur

Verfügung, und dieser selten günstigen Vereinigung haben wir es zu banken, wenn nun in Sachsen Parkanlagen entstanden, die den glücklichsten Zusammenklang von Architek­ tur, Bildhauerkunst und Gartenkunst aufwiesen, Gärten, die wir heute noch in ihren Resten

bewundern.

Alle die Künste und Künsteleien des Gärtners und Gartenarchitekten, aber die wir aus Frankreichs Prunkgärten kennen, sie treten nun auch bei uns auf: die Riesenparterres mit ihren Rankenmustern en broberie, die Bosketts ober BoScagen, das Hecken- und Nagel­

werk, die Einzelpavillons, die Wasserkünste und die in Sachsens Gärten überreich einge­

bauten Anlagen für die Spiel«. Denn Feste und Spiele, dazu die Ausübung der niederen Jagd, das war die eigentliche Zweckbestimmung des höfischen Gartens. Ein Deckfarbengemälbe vom Jahre 1709 gibt eine jener prunkvollen Bauernwirtschaften

beS sächsischen HofeS wieder. Noch immer ist trotz Karchers Bemühungen der Große Garten nur erst im vorderen Teile burchgebilbet, läßt hier aber vor allem ein ganz prachwolleS

Broderie-Parterre erkennen, dazu rechts und links davon zwei HeckenboSeagen für die Spiele. Erst anläßlich der mit ungeheuerlichem Prunk aufgezogenen VermähÜmgSfeierlich-

keiten des Kronprinzen im Jahre 1719 erscheint bann der Große Garten in seiner endgül­ tigen Form durch Karcher fertiggestellt. Hier finden wir nun hinter dem PalaiS das groß« Wasserbecken als piece d'eau des Ge­ samtparterres. Alle Seitenflächen aber erscheinen in verschiedener Form strahlenförmig aufgelöst. Die Zwischenfelber sind mit Bäumen und Buschweck dicht bepflanzt und dienten 5

1936

66 als sogenannte Remisen der niederen Jagd. Parallel zur alten Hauptallee laufen nunmehr zwei neue Langalleen, die Coursallee und die Maillebahn, letztere die heutige Herkulesallee.

Die Reuanlag« in dieser Form gibt uns eine alte Zeichnung wieder, die uns zugleich ein­

mal einen richtigen Eindruck der vom Gartenkünstler damals gewollten Gestaltung solcher Barockgärten vermittelt, einen Eindruck, den wir heute infolge anderer Bepflanzung und

Anlage in dieser Form überhaupt nirgends mehr gewinnen können. Allerdings ist hier

nun leider das prachtvolle Broderieparterre vor dem PalaiS verschwun­ den und in Resten nur noch gegenüber den Schauseilen des PalaiS zu finden. Dagegen er­

kennen wir jetzt sehr gut die zwei bisher noch fehlenden Boscagen zu beiden Seiten hinter dem PalaiS, in deren rechten Felde das Naturtheater, im linken eine Art offener Reboutenp latz unlergebracht war.

Genau hinter dem Palais, am Ende des großen Wasserbeckens, erhebt sich hier der be­

rühmte Venuspavillon am Anfang der Sübhälfte der Hauptallee. An dieser Stelle sollte

ursprünglich nach einer Idee des Königs der Mtttelpavillon einer Riesenorangerie entstehen, nach einem Projekt des jungen Hofarchitrkten Marcus Conrad Dietze aus der Zeit um 1700. Dieser Orangepavillon mit angehängten Bogengalerien kam im Großen Garten nie zur

Ausführung, wurde aber bann später doch zur Wirklichkeit im Zwinger Pöppelmanns. Be­ trachten wir uns dessen Grundrißplan genauer, so wird uns überhaupt die große Ähnlich­

keit der Gesamtanlage mit der des Parterres im Großen Garten klar. An Stelle des DenuSpavillonS finden wir im Zwinger den WallpavAon, an den sich

hier die Bogengalerirn der Orangerie anlegen. Die 4 HeckenboSeagen des Großm Gartens aber sind in Stein übersetzt und zeigen in den Ecken des Grundplanes ein Opernhaus, einen

Reboutensaal unb baS Nymphenbab, dazu noch 4 intime Säle im Obergeschoß.

DaS alles ist Pöppelmanns unsterbliches Meisterwerk, was aber die Aufteilung des

eigentlichen Gartenfeldes als Broderieparterre anlangt, das ja leider, wie so vieles in dieser Zeit unvollendet blieb, so möchte ich in dem uns vorliegenden Projekt mit ziemlicher Sicher­ heit KarcherS Hand erkennen.

Professor Sülze hat uns einen Rekonstruktionsversuch der Gesamtanlage gegeben, die meines Erachtens durchaus das Richtige trifft. Die Verwirklichung in dieser Form standen aber «cklärlicherweise bei der jetzt beendeten Zwingererneuerung Koftenerwägungen im Wege.

Die bunten Farben des rekonstruierten BilbeS können uns natürlich nur einen schwachen

Abglanz von der ehemaligen Wirkung solcher Broderieparterre geben. Allerlei bunte Erben, Ziegelklarschlag, Kohlenschlacken unb anderes mehr mußten neben Blumeneinfassungen

unb niederen Heckenbändern Modellierung und Füllung des Ornamentwerkes im Stickerei­

muster geben. Die kleinen Wasserbecken lagen mit ihren Rändern durchaus in der Ebene des Parterres unb waren nur wenig eingetieft. Waren die Springbrunnen abgestellt, fo

wirkten sie als Spiegelflächen, als Wasserlichter, wie man baS damals nannte.

Wäre alles dies nach Vorschrift damals zur Wirklichkeit geworben, so hätte damit der

Zwinger als Architekturwcrk erst seine zeitgemäße und eigentlich unerläßlich notwendige

Ergänzung bekommen.

Bei der großen Zahl erhaltener sächsischer Großgartenaplagen muß ich mich auS Zeit­ mangel auf Beispiele beschränken und greife darum zwei besonders geartete heraus, die noch August des Starken Zeit angehSren. Garten und Sommerpalais in Pillnitz sind noch immer als besonders glückliche Vereini­

gung von Kunst und Natur berühmt, wenn auch der Bedarf an Bauland der nahen Groß­ stadt sich hier heute schon weit mehr als unS lieb sein kann und darf, geltend macht. Die

Architektur von Wasser- und BergpalaiS folgte der Neigung der EntstehungSzeit und der beS Königs August des Starken im besonderen für exotische Bildungen, für Schöpfungen im „indianischen" und „chinesischen" Stll, wie man ihn damals verstand,

eine Vorlieb«, die ja in gleicher Art für fremdes Porzellan bestand. So mutet uns die Architektur hier in Pillnitz fremdartig an, zumal die zugehörige große Gartenanlage

selbstverständlich im Stile der Barockzeit und mit all dem Zubehör, das wir nun kennen, gebildet war. Ium besonderen Schmuck aber erhielt in Pillnitz die Wasserseite durch die in graziösem

Bogen geschwungene Hafentreppe, deren Bewachung zwei Sphüyfiguren in Allonge­ perücken und mit reichem Schabrackenschmuck anverlraut ist, die das Aussehen haben, als

wären sie Modellen der königlichen Porzellanmanufaktur im großen nachgebilbet worben. Sm RiefenauSmaß dereinst geplant war der Garten von Großsedlitz, im Elbhügelgelänbe

etwas schräg gegmüber von Pillnitz gelegm. Er ist bann, was kaum überraschen kann, ein Torso geblieben.

Aber auch dieser Torso verrät unS noch das hohe Können seiner EntstehungSzeit trotz aller ZerstörungS- und Verfallsspuren, und der Park ist noch immer von einer stillen, ver­

träumten Schönheit, die ihn zum Lieblingsplatz empfindsamer Menschen macht. Seine Wasserkünste schweigen längst und doch wird diese niemand vermissen, der diesen Garten in der Frühlingspracht ober besser noch in der Zeit der Herbstfärbung besucht, ein Idyll dicht vor den Toren der Großstadt.

Charakteristssch für die sächsischen Gartenschöpfungen der Folgezeit bis zu dem schweren Einschnitt, den der Siebenjährige Krieg brachte, wirb bann bie überreiche Verwendung der

„TrMagen", b. h. deS hohen NagelheckenwerkeS, das bestimmte Gartenpartien besser herauSmobellieren sollte und dem fast immer eine größere Plastikgruppe als Blickpunkt

diente. Die Bildhauer Knöffler und Kirchner, der Italiener Lorenzo Mathielli, dem bekannt­ lich auch der Statuenschmuck der Katholischen Hofkirche zuzuschreiben ist, müssen mit chren Werkstätten zusammen eine Überzahl von Plastik dieser Art geschaffen haben. Heute geben

leider nur mehr unsere Planarchive einen Begriff davon.

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Erhalten hat sich ab« MathielliS großartigst« Schöpfung, der Neptunbrunnen, den dies« Künstkr um 1740 für den neuen Garten des Grafen Brühl in Dresden-Friedrichstadt schuf. Das herrliche Werk, bas wir hi« nm im Ausschnitt wiedcrgeben, verdient« gewiß

eine bessere Aufstellung als die heutige, zumal bas ehemals zu b« großen Gruppe not­ wendig gehörende und zu ihr üb«leitenbe Brodericparterre langst verschwunden und teil­

weise überbaut ist. Mit den Gärten dies« Zeit setzt nun ab« ein Wendepunkt ein. D« englische LanbfchaftS-

garten gewinnt mehr und mehr an Boden, und wenn auch ein Weinlig noch um 1780 für die

Vergrößerung von Pillnitz ein Jdealprojekt im chinesischen Stile schafft, so bleibt das doch

«in letztes Aufklingen all« Töne und Weinlig selbst schließt die fast hundertjährige Entwicklung der Pillnitz« Parkanlage nunmehr mit einem Gartentell im englischen Stü ab,

dessen beherrschend« Punkt und Bekrönung noch heute b« stilvolle englische Pavillon bildet, den wir sein« feinen inneren wie äußeren Dmcharbeitung »«danken.

Hermann Schüttauf, Direkwr b« Staatlichen Gärten in Sachsen: Das Thema, die Pflege historisch« Gartenanlagen, ist wohl bereits mehrere Mall auf dem Tag für Denk­ malpflege und Heimasschutz behandelt worben, so in eingehender Weise in Würzbmg im

Jahre 1938. Auf biss« Tagung würbe bisse Frage an b« Hand b« fränkischen Barockgärten behandell. Ich habe nicht bll Absicht, daS Thema abzuwanbeln im Hinblick auf die

sächsischen kullmgsschichtlich werwollen Gärten. Ach will vlllmehr im Rahmen b« mir zur Verfügung stehenden Asst vessuchen, allgemein gültige Erkenntnisse und Forderungen in

bezug auf bll Pflege und Erhaltung alt«, werwoll« Gärten und ParkS h«auszustellen. Ich bass einllitenb anknüpfen an einen Satz, ber in Würzburg gssprochen worben ist: „Keine Kunstgattung hat in bezug auf bll Qualität und Erhaltung ihr« Werte mit solchen

Schwierigkeiten zu kämpfen als bll Gartenkunst I" Gerade deshalb «scheint mit bll Pflege biss« Gärten und Parks eine Aufgabe b« praktischen Denkmalpflege von nicht zu unter#

schätzender Bedeutung zu fein.

Ich möchte den Parkpfleg« »«gleichen mit einem Arzt. Wll b« Arzt seine Kunst, sssne Kenntnisse und sein Einfühlungsvermögen am lebenden Menschen zu erproben hat, so hat

sich auch der Pfleger alt« Gärten und Parks einzustellen auf einen lebendigen Organismus mit seinem Werden und V«gehen, feinern Auf- und Abklingen, seinem oft unwägbaren

Erscheinungen. Und wll es bei d« Ausübung b« ärztlichen Kunst wenig« auf bll Höhe bet medizinischen Wissenschaft ankommt, sondern vor allen Dingen darauf, baß b« Arzt Men­ schen behandeln kann, so scheint mir auch bll Pflege alt« Gärten und Parks in erst« Linll eine Angellgenhell des mit den oft schwer meßbaren Dingen b« Natur inn«lich »«bun­

denen Gärtners und GartengestallerS zu sein. 3n zweiter Linie kommt bann erst bll kunstgsschichtliche, künstlerische und gartentechnische Selle. Ich bitte, mich nicht falsch zu »«stehen: Wohl sind alle Erkmntnisse b« Technik und btt Wissenschaft bei der Erhaltung und

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Unterhaltung, oder gegebenenfalls auch bei der Wiederherstellung solcher Kultur- und Kunstdenkmäler unbedingte Voraussetzung. Das ausschlaggebende Moment dabei scheint

mir aber zu sein, baß der alte Park ober Garten, gleich aus welchen Kunstepochen er stammt, in Hände kommt, die sich gefühlsmäßig auf seine Bedürfnisse einstellen können. ES ist hi«

wie bei jeder anderen Kunst: D« Pfleg« muß mit dem Herzen bei sein« Arbeit sein ob« er wird nicht der richtige Pfleg« sein. Mit Verstand allein ist eS bei b« Entscheidung üb«

Fragen des Seins ob« Nichtseins dies« unser« lebenden Kunstbenkmäl« nicht getan. Der Pfleger alter Gärten und Parks muß also vertraut sein mit den kulturellen und

kunsthistorischen Zusammenhängen vergangener Kunstepochrn im allgemeinen und über

Entstehungsgeschichte der ihm anvertrauten Park- und Gartendenkmäler im besonderen. Nebenbei sei bemerkt, baß noch manche Unklarheiten und vielleicht auch Unrichtigkeiten üb«

die Entstehung und Entwicklungsgeschichte uns«« alten, auf uns gekommenen ParkS vor­ handen sind, die zu klären noch manche Arbeit für den Kunsthistorik« bedeutet. Eine ebenso

wesentliche Vorbedingung für eine erfolgreiche Denkmalpflege auf diesem Gebiete ist eine

umfasiende Kenntnis biologisch« und ökologisch« Ausammenhänge, die vor allen Dingen in größeren Gärten und ParkS ein erfolgversprechendes und zielsicheres Arbeiten, auf Jahr­

zehnte und Jahrhunderte hinaus gesehen, «st ermöglicht. Damit steht ein anderes Erforb«niS im Zusammenhang. Die Parkpflege erfordert Menschen, die Seh« sind auf ihrem Ge­

bt«, die ihre Arbeit mit nachtwandlerisch« Sicherheit einstellen auf die zu erwartende Ent­

wicklung des ihnen anvertrauten Kunstwerks, die sich einfühlen können in die Proportionen

und Raumwirkungen, die vor 100 und 200 Jahren für den Gestalt« maßgebend waren und in 50 oder 100 Jahren einmal eintretcn werden. Die Pflege alt« Gärten und Parks bedeut« auch Kampf. Kampf vor allem in zwei«lei

Hinsicht. Zum ersten gilt es sich zu wenden gegen die These, die alten ParkS und Gärten

in Schönheit sterben zu laffen, einen Ruf, den man bebau«lich«weise so oft hören kann. Gewiß — es gibt leider Gärten inSbesond«e deS Barocks und beS Rokoko, an denen in­

folge eines weit fo«gefchrittenen, wenn auch manchmal sehr reizvollen Verfalls jede Mühe

und Arbeit unsinnig und zwecklos ist. Hi« muß man den Dingen ihren Lauf lassen. Wenn ab« diese Forderung auch ausgesprochen wirb für Parks, die frei geblieben sinb von Zu­ taten, bie den künstl«ischen Organismus stören unb bie nur ber gärtn«ischen, pflegenden

Hand bedürfen, um sie zu neuem Leben zu erwecken und in voller künstl«isch« Schönheit wieb« entstehen zu lassen, so muß man sich mit all« Entschiedenheit gegen solche Ansichten wenden und für diese Ansicht auch zu kämpfen wissen. Ein solches Beispiel haben wir hier

in Sachsen im Park zu Großsedlitz, ein« Schöpfung Augusts des Starken, bie in fast voll« Reinheit auf uns gekommen ist. Es wäre nicht zu v«antwo«en, dieses henliche Parkdenk­

mal aus b« Zeit des Barock sich selbst zu üb«lassen, um es allmählich, ab« sich«, dem

Verfall preiszugeben. Die These beS „Jn-Schönheit-st«ben-lassen" hätte sich nicht so weit

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vorgewagt, wenn eS frühere Zeiten verstanden hätten, wertvolle alte Gärten und Parks in künstlerischem und pflanzlichem Sinne richtig zu behandeln. Eine ihre Aufgaben richtig erkennende Parkpflege muß sich zum anderen leider auch oft

-egen die Stimme des Volkes wenden, well die Allgemeinheit fast niemals die Arbeit des

Parkpflegers anerkennt, wenn eS sich darum handelt, Gärten von unnötigem Pflanzen-

unb Baummaterial zu befreien, das im Laufe der Zeiten in manche Gärten und Parks hineingepflanzt worben ist und bas der Idee des Schöpfers in bezug auf Raumwirkung

und Maßstab entgegenarbeitet. „Wer an der Straße baut, wirb viele Meister haben." Diese

Meister stehen vielfach kopfschüttelnd bei DurchholzungSarbeiten, well sie in falsch verstan­ denem Jntereffe an Baum und Strauch die Arbeiten des ParkpflegerS, der auch hier auf

lange Sicht arbeiten muß, kein Verständnis entgegenbringen. ES möchte vor allen Dingen in der Tagespreise immer und immer wieder darauf hingewiesen werben, baß in ganz be­

sonderem Maße bei unseren alten, im wesentlichen etwa r oo biS soo-jährigen, kunstgeschicht­

lich wertvollen Parks die richtig geführte Axt das erste Handwerkszeug des Parkpflegers ist, wenn eS nicht geschehen soll, baß in absehbarer Zett btt von Baum und Strauch gebildeten Gehölz- und Walbpartien nur noch als Stangenholz anzusprechen sind, als Stangen­ holz, das eines Tages bann im Kahlschlaghetrttb abgeholzt werben muß ober von selbst

in sich zusammenbricht. Eine zttlsicher und verantwortungsbewußt arbeitende Parkpflege

muß sich also hier gegen wohl verständliche, well auS der Siebt zur Natur geborene, aber den­ noch falsche Ansichten mancher VollSgenossen wenden. Der kritisierende Spottname: „Holz­

hacker", der meinem AmtSvorgänger in nicht mißzuverßehender Weise von solchen Meistern beigettgt wurde, wttb eine Ehrenbezeichnung des Park- und Gartenpflegers sein können.

Mtt dem AuSholzen und Plentern im Park ist eS allerdings allein auch nicht getan. Wir müssen mehr als bisher zu einer Behandlung der Gehölz- und Waldpartien kommen,'die

dem Dauer-Walb-Gebanken entspricht. Dies trifft nicht nur für den landschaftlichen Park zu. Auch btt Baum-Massive unserer Barockparks können und müssen bei richtiger Pflege Jahrhunderte überdauern, wenn immer und immer wieder dafür Sorge getragen wttb, baß neben dem Plentern geeignete pflanz- und kulturtechnische Maßnahmen laufen; Maß­

nahmen, btt natürliches Pflanzenleben mtt seinem Gehen und Kommen ermöglichen und steigern. ES ist mtt bekannt, baß mancher alte wettvolle Garten und Park zur Zett vor der Ent­ scheidung steht, zu leben ober zu sterben, und ich weiß auch, baß für btt Entscheidung zum

Leben in erster Lintt Geldmittel die Voraussetzung sind. Gerade deshalb muß dtt Denkmal­

pflege allen, btt eS angeht, baS Gewissen schärfen, ba btt Gefahr besteht, Kulturgüter auf immer zu verlierm. Im Hinblick auf btt der Denkmalpflege und so auch der Pflege aller Gärten und Parks

zur Verfügung stehenden Geldmittel erscheint eS mtt notwendig, in diesem Zusammenhang

7i auf folgendes hinzuweisen: ES ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung für dm Bestand

eines GartmS und Parks, ob die Ausschmückung mit Blumm und Zierpflanzm und die Anlage von farbigen Parterres ober die Wiederherstellung von Broberie-ParterreS, wie sie

beispielsweise vorbildlich im Park des Schlosses Brühl bei Köln durch die prmßssche Ver­ waltung der Schlösser und Gärtm erfolgt ist, an anberm Ortm ebenfalls vorgenommm ober unterlassen wird, ober ob vielleicht sogar ba und dort Fehler in dieser Richtung gemacht

worben sind ober noch gemacht werden. Alle diese Dinge bebeutm kaum eine ernste Gefahr für dm Bestand einer kunstgeschichtlich und gartenkünstlerssch wertvollm Parkanlage, ba

sie, wenn sie falsch warm, sich leicht wieder beseitigm lassen. ES erscheint mir auch, auf lange Sicht gesehm, unwesentlich, ob dieser ober jener Park, sei er nun in StaatS- ober

Privatbesitz, einmal auf Jahre hinaus auf Mittel verzichtm muß, die ihm in guten Zeiten zu einem elegantm, gebügeltem AuSfehm verhalfm. Eines aber ist auch in fchlechtm Zeitm

notwendig: Die alten Gärtm und Parks müssen wenigstens in Dach und Fach unterhaltm

werben. Zu gegebener Zeit kann man bann auch wieder an die mehr ober weniger reiche Inneneinrichtung denken. Ein Wort noch zur Pflege der 2lll«m in unserm alten Gärtm und Parks! Mit dieser

Frage muß man sich vielerorts beschäftigm, ba die jetzt meistens 150—300 Jahre alten Allem in durchaus naturgegebener Weise ihrem Ende zustrebm und Süden aufzuweisen beginnen. Man sieht nun vielfach, baß die Süden mit ganz jungen Bäumm besetzt werben.

Ich halte diese Maßnahme für falsch und bin der Meinung, baß man — abgesehen viel­

leicht von ganz besonberm AuSnahmefällm — solche Allem sich selbst überlassen und auf­ tretende Süden nicht wieder schließen soll. ES schadet durchaus nichts, wenn in einer Allee

von altm Bäumm ba und dort der strmge Rhythmus unterbrochm wirb. 3n der Längs­

achse gesehm, wirb die Allee auf lange Zeit noch bm gewünschten geschlossenen Eindruck auf unS machen und wir werben unsere Freude an bm schönm, wmn auch nach und nach

in unregelmäßigm Abstänbm stehenbm Baumveteranm haben. ES ist nicht denkbar, baß Einzel-Nachpflanzungm in einer altm Allee dieser jemals wie­

der einen geschlossenen Eindruck geben, ba bte jungen Bäume bet Konkurrenz der altm im und über dem Bobm erliegen müssen und mit Beginn der Nachpflanzung zum Kümmern

vemrteilt sind. Selbst wenn baS nicht der Fall wäre und sich der eine ober bet andere

junge Baum einmal burchsetzm sollte, so würde sich bei dem nicht mehr gleichlaufenbm naturgemäßen Ablauf der Lebenszeit bet jungen und altm Bäume für alle Seiten ein un­ schönes, unbefriedigendes Bild ergebm müssen. Richtig kann also mit sein, Geduld zu übm

und ben Zeitpunkt abzuwarten, an dem eine vollkommme Neupflanzung bet Allee möglich ist. Erst diese auS gleichaltrigen Bäumm bestehende Allee wird nach Jahtzehntm ober Jahthundertm zu einet in sich auSgeglichmm Baummasse hetanwachsm und die Aufgabe, die

ihr im Rahmm des ganzm Kunstwerkes gestellt ist, lösen.

72 Eine Frage für sich ist die Ausschmückung alter Gärten, insbesondere unserer barockm

Parkanlagen mit blühenden Pflanzen ober, anders auSgebrückt, mit farbigen Effekten. Es

ist richtig, daß die Einfügung von farbigen ober gar bunten Beeten, die mit unseren heutigen,

hochgezüchteten Blumenpflanzen besetzt sind, streng genommen dem Charakter der barockm Gartenanlagm nicht entspricht. ES wirb aber auS verschiebenm Grünbm kaum möglich sein, baS bereits erwähnte an sich vorbildliche Beispiel eines BroberieparterreS im Schloß­

park zu Brühl an anberm Ortm zu wiederholen. Ich möchte mich deshalb dafür einfetzm, baß nach Möglichkeit Farbe in Gestalt blühender Pflanzm in unsere alten Gärtm hinein­

gelragen wird, weil wir heutigen Menschm uns danach sehnen. Vielleicht suchm wir in dm

farbigm Blumm instinktiv dm Ausgleich zu dm farbig gekletbetm Mmschm, die ehemals dm Barockpark bevölkerten. Ich habe jedmfallS die Erfahrung gemacht, baß man einm

altm Gartm, und sei er kunsthistorisch unb gartmkünstlerisch von noch so großer Bedeu­

tung, erst bann an baS Vock heranbringm kann, wenn er farbige Akzente aufweist. Als Beispiel kann ich auf dm Großsedlitz« Schloßpark hinweism. Die staatliche Bauverwaltung

hat in dm letztm Jähem nicht unerhebliche Mittel aufgewendet zur Wiederherstellung der gänzlich verfallmm Baulichkeitm, Treppenanlagm, Balustradm unb Brunnen. Die

Staatlich« Gartenverwaltung hat, wenn auch von der Gelbseite hm gesehm, in angemesse­ nem Abstande von dm Bauverwaltung das chre dazu beigetragm, Rasmflächm, Wege,

Heckenanlagm, Baum-Massive zu übmholm. Das alles habm die wmigm Besuch« vmHLltniSmäßig gleichgültig hingenommen. Dm Park erfreute sich aber eines weit größeren Interesses unb würbe auch weit stärk« besucht von dem Zeitpunkt ab, als wir daran gingen,

wenn auch in bescheidenem Maße, an uns geeignet «schetnmbm Stellm mit farbigm Blu­ mm zu arbeiten. Ich sehe also in dies« Art dm Ausschmückung früher« Brodmie-Part«r«S durchaus keine Sünde widm dm Geist des Gesamtkunstwerkes, wenn das wesmtliche fein« Raumgestaltung und sein« MaßvmhälMisse unangetastet bleibt.

Die Pflege alt« Gärtm unb ParkS, inSbesondme betet, die öffentlich ob« dm Allgemein­ heit zugängig sind, erfordert auch ein Eingehm auf die Jetztzeit. Es ist wohl denkbar, daß ein alt« Park, ohne daß sein Grundgefüge zerstört wird unb ohne baß seine Raumgesetze

zu seinem Schabm geändert werbm, ein zeitgemäß« Volkspark im besten Sinne des Wor­ tes ist ob« wirb. Ich denke himbei an die Zurverfügungstellung von solchm Gartenanlagm

für die Durchführung von Kunbgebungm, VollSfestm unb ähnlichm Vmanstaltungm.

Auch für bm sich immm mehr entwickelnbm Fahmabvmkehr könnm beispielsweise große

Parks mehr unb mehr erschlossm werbm durch bm Einbau von Rabfahrwegm unb bm damit zusammmhängenbm Aufenthalts- unb Ruheplätzm für die Fahr«. Auf diese Weise

könnm unsere alten Gärtm sehr zeitnahe und sehr mobem sein. Sie könnm darübm hinaus auf lange Zeit allm unsmm VolkSgenossm eine Erholungsstätte allmmstm Ordnung fein.

Voraussetzung ist allerdings auch himbei, baß bm Parkpflegm sich immm bewußt bleibt.

73 ein Kunstwerk zu hüten, baS er wohl seinem Volke erhalten und nahebringen soll, bas er aber in künstlerischer Beziehung ungesunden Zeiteinftüssen nie überantworten bars.

So wirb auch in dieser Beziehung frisches pulsendes Leben unsere alten Gärten und

ParkS durchfluten und wetteifern können mit der Lebendigkeit der im Kunstwerk einge­ fangenen Natur. Meine Damen und Herren I Ich komme zum Schluß meiner kurzen Ausführungen. Es

war verlockend. Ihnen schöne Garten- und Parkbilder zu zeigen. Ich habe aber mit Absicht

auf die Vorführung von Lichtbildern verzichtet, well mir diese nur von Wert erschienen, wenn sie Beispiel und Gegenbeispiel zu meinen Ausführungen gewesen wären und diese

erhärten konnten. Dies ist aber bei dem mir gestelltem Thema, wie Sie zugeben werben, außerordentlich schwer.

Ich möchte schließen mit dem Hinweis, daß baS A und O der Pflege historischer Garten­

anlagen sein muß, die Gesetze der Natur mit denen der Kunst zu einem harmonischen Zweiklang zu vereinen. Der Pfleger alter Gärten und ParkS hat seine Arbell darauf einzustellen, baß sich in den ihm anvertrauten Schöpfungen von Menschengeist, die Natur immer und immer wieder neu entwickelt. ES darf kein Abklingen, keinen Verfall, kein Ende geben, und

wenn auch keine gärtnerische Kunst den Tob des einzelnen Individuums verhindern kann: DaS Gesamtwerk muß leben nach dem ewigen Gesetz der Natur: Stirb und Werbe 1

GRÜNFLÄGHENPOLITIK EINER GROSSTADT, dargestellt am Beispiel der Stadt Dresden Oberbürgermeister Zörner, Dresden: Wenn ich die herzlichen Willkommensgrüße in diesen festlichen Räumen ausspreche, so ist es mir eine besondere Freude und Genug­ tuung, sie einzukleiden in einen Dorttag, in dem sich gewissermaßen die Stabt Dresden

selbst als Willkommensgruß barbietet, und zwar in einem besonderen Festgewanbe, wie eS gerade dem Sinn und Wesen Ihrer bedeutsamen Tagung am besten entspricht. Ich glaube doch, baß die Stabt Dresden für sich in Anspruch nehmen kann, als Rahmen Ihrer Tagung eine immerhin naturnahe Großstadt zu sein. Mein Dorttag soll Ihnen aber darüber hinaus

vor Augen führen, wie stark mein Stteben und das der von mir geleiteten Stabwerwaltung

ist, immer mehr noch die freie und schöne Natur in unser Dresden hineinzuttagen bis in den inneren Kern der Stabt. Ich möchte Ihnen zeigen, baß dies in den letzten Jahren seit

meinem Amtsantritt nach einem wohl vorbedachten und nach den verschiedensten Rich­ tungen sich auswirkenden Plane Schritt für Schritt geschehen ist, immer das eine Ziel vor

Augen: der ganzen Volksgemeinschaft gerade in der Großstadt und dort überall wo nur möglich, Licht, Luft und ErholungSraum zu schaffen; denn dort braucht sie solche am nötig­

sten, um über die Arbeit des Alltags hinaus schnell zu rechtem Genuß chrer Freizeit zu ge­ langen und die Schönhell der deutschen Natur zu erfassen in jedem Blickwinkel der Stabt.

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ES ist ein besonderes Verdienst der nationalsozialistischen Bewegung und chreS Führers, daß sie sich nicht beschränkte auf den gewiß schon urgewaltigen Umbruch des politischen und wirtschaftlichen Lebens unseres deutschen Volkes, auf seine umwälzende gesellschaft­ liche und soziale Umgestaltung, sondern auch unS allen die Augen öffnete für die Schäden

und Schattenseiten unseres bisherigen Kulturlebens. Damit wurde uns auch erst voll be­

wußt, in welch gefahrdrohender Weise die sich fast überstürzende Industrialisierung der

deutschen Wirtschaft in die Gestaltung unseres LebenSraumeS in Stabt und Land einge-

griffen hatte. Wohl hatte eS auch früher schon nicht an Warnungen gefehlt, die auf den un­ heilvollen Einfluß hinwiesen, den eine hemmungslose Entwicklung großer Industrie- und Wirtschaftszentren mit ihrer bobenftemben und seelenlosen Umgestaltung des deutschen

LandschaftSbtldeS auSübte; eS ist gerade dem Heimatschutz zu banken, daß er seit lan­ gem ein manchmal recht streitbarer Vorkämpfer auf diesem Wege war. Deshalb freuen wir

unS auch dessen, baß die deutschen Heimatschutzverbände sich mit ihrem zukünftigen Wirken

voll eingegliedert haben in den Kampf, den der Nationalsozialismus nach seinen weltan­ schaulichen Grundsätzen und in einem wichtigen Teile seines Kulturprogrammes der Zer­ störung und Beeinträchtigung unseres herrlich schönen deutschen LanbschaftSbilbeS ebenso

wie den herrlichen Baudenkmälern angesagt hat. Ich glaube deshalb, daß gerade in Ihrem Kreise die Darstellung einer hochwichtigen Auf­

gabe, die im neuen Reiche einer Großstabtverwaltung gestellt ist, besonderes Interesse fin­ den wirb, nämlich bie planmäßige Vorsorge für die Schaffung und Gestaltung von Grün­

flächen im großstädtischen LebenSraum. DaS Anwachsen der deutschen Städte hatte in den letzten Jahrzehnten wahrhaft bedroh­

liche Formen angenommen. Die dem deutschen Menschen auS blutmäßiger Verbundenheit mit deutschem Boden überkommene Liebe zur Natur und zum freien LanbschaftSbilb drohte dem Großstabtmenschen völlig verloren zu gehen. In—ich möchte sagen — instinktiver Ab­

wehr gegen diese Gefahr schuf man innerhalb der sich zusammenballenden Häuserinassen die ersten Grünflächen. Die Ausmaße dieser Grünflächen standen aber zunächst in gar kei­

nem Verhältnis zu denen der Bebauung, und diese Anlagen trugen weit mehr repräsen­

tativen Bedürfnissen Rechnung als solchen der wahren Natur- und Gesundheitspflege. Die

Frage, welche Fläche die Grünanlagen im Verhältnis zur Bebauung einnehmen sollen, kann nicht in allgemein gültiger Formel beantwortet werden; denn diese Vergleichszahlen richten sich nach den gegebenen Verhältnissen der Bevölkerungsschicht einer Stabt ober

eines StabttelleS und der sie umgebenden Landschaft. Über die Art ober Ausdrucksform

der Grünflächen gehen bie Meinungen naturgemäß auseinander. Die Nachkriegszeit schuf in vielen Fällen Grünflächen in Form von Volksparken und dergleichen, bie mitunter kilo­

meterweit vom eigentlichen Wohnzentrum lagen und dadurch bei weitem nicht den Zweck erfüllten, den bie Grünfläche in direkter Verbindung mit dem Wohnzentrum haben muß.

75 Für die Landeshauptstadt Dresden ist das Grünflächenproblem von ganz besonderer Be­ deutung. Dresden darf feit Jahrhunderten den Ruf einer Gartenstadt für sich in Anspruch

nehmen. Dieser Ruf gründet sich nicht nur auf die Tatsache, baß Dresden Zentrum des EriverbSgartenbaueS ist, vor allem durch die zahlreichen Großgärtnereien, sondern ebensosehr

auf den hohen Stand der Dresdner Gartenkunst. Die herrlichen Gartenschöpfungen auS

früheren Jahrhunderten, besonders aus der Zeit beS Barock, legen noch heute Zeugnis ab von dem gärtnerischen Schöpfergeist schon in vergangenen Zeiten. Mit der Industrialisie­ rung Deutschland kamen auch für die Stabt Dresden Jahrzehnte, die rings um die Gott

fei Dank — davon wenig berührten inneren Stadtteile den übervölkerten Vorstädten jenen internationalen Großstabtcharakter gaben, der sich so unheilvoll auf die Seele beS deutschen

Menschen und aus seine Lebensanschauung auSwirkte. Än diesen Mietskasernenvierteln versickerte der vom Land in die Stabt strömende LebenSquell der deutschen Familien und

Sippen nach wenigen Generationen. Während dieser Zeit war auch Dresdens Ruf als

Gartenstadt völlig im Absinken begriffen. — Als ich vormehr als drei Jahren alsNichtbreSdner die Stadtverwaltung übernahm, erkannte ich hier die wichtigen Aufgaben, deren Lösung allein Dresdens Ruf als Gartenstadt in Deutschland und der ganzen Welt wieder

erneuern konnte. Für die planvolle Grünflächenpolitik wie sie von meiner Stadtverwaltung betrieben wurde, glaube ich in Anspruch nehmen zu dürfen, baß sie völlig nationalsozialisti­

scher Auffassung auf diesem lebenswichtigen Gebiete einer Großstadtverwaltung entspricht.

Lassen Sie mich nun an einigen Bildern zeigen, wie hier in Dresden die einzelnen Teil­ aufgaben einer nationalsozialistischen Grünflächenpolitik verwirklicht worben sind.

Abschnitt i. Bestimmend für die Grünflächengestaltung einer Stabt sind ihre Lage in der Landschaft, ihr Klima und ihre Bodenverhältnisse.

Bild i: Eingebettet im ausgedehnten Elbtalkessel, umrahmt von bewaldeten Höhen, den Ausläufern beS Erzgebirges und des Lausitzer Berglandes sehen Sie eines der schönsten

Städtebilber vor sich. — Die Höhenzüge um Dresden gestatten die Anlage herrlicher Pro­ menadenwege, von denen man einen umfassenden Blick auf Dresden genießen kann.

Der Gesamtplan zeigt, wie die einzelnen Grünflächen im Gesamtstadtbild verteilt sind.

AlS besonders geeignetes Feld für eine planvolle Grünflächengestaltung hebt sich dabei das Ufergelände des vielgewundenen ElblaufeS heraus.

Abschnitt 2.

Der städtische Schmuckplatz hat die Aufgabe, öffentliche repräsentative Gebäude in ihrer Wirkung zu unterstützen. Demenssprechend muß auch seine Gssamtgestaltung sein. ES ist zwecklos, auf einem derarssgen Platze Kinderspielplätze oder dergleichen anlegen zu

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wollen. Jede Anlage hat ihren ganz bestimmten Zweck zu erfüllen. Ich fordere alle Erbauer repräsentativer Gebäude auf, sich mit der Stadtverwaltung in Verbindung zu setzen.

Bild 2: RathauSplatz. — Wie bas Bild zeigt, ist der Einzelbaum von besonderer Be­ deutung im Stadtbild. Immer wird der Baum für ein größeres Gebäude den unterstützen­

den Rahmen darstellen. Das nächste Bild zeigt Ihnen einen nicht uninteressanten Versuch, einem althistorsschen

Stadtplatz, dessen früher geschlossen« Architektur durch geschmacklose Neu- und Umbauten, Reklame und alle Zutaten eines großstädtischen JnnenverkehrS verdorben worben ist, durch

Anpflanzung von Bäumen zu einem besseren Eindrücke zu verhelfen. ES ist baS Zen­

trum unserer Stabt, der Altmarkt. Bild 5: Der bisherige Zustand, an dem die neugepflanzten Bäume mit ihren schwachen

Baumkronen zur Zest noch wenig geändert haben; auS dem Bild geht hervor, baß eine einheitliche Wirkung der früher harmonssch gegliederten Einzelbauten längst nicht mehr vor­

handen ist (Abb. 13). Bild 6 zeigt die beabsichtigte Wirkung. Durch den Kastenschnitt der Bäume werden nur

die Labeneinbauten in den Ergeschossen verdeckt. DaS alte harmonische Platzbild tritt wieder stärker hervor und wirb durch frisches Grün belebt. Hufeisenförmige Baumbepflanzung.

(Beseitigung ober Versetzung der Germania ist anzustreben.) Beseitigung ober Tieferlegung

beS Parkplatzes ist zur Zeit nicht möglich (Abb. 14). Abschnitt 3. Für eine andere Grünflächenform kommen solche Stabtplätze in Betracht, bie durch

Grünschmuck ihres reinen Verkehrscharakters entkleidet wurden; damit schafft man auch im Stadtzentrum Möglichkeiten zur Ruh« und Erholung. Auf solchen Plätzen muß neben einer repräsentativen Blumenanlage und Ruheplätzen auch bie Anlage eines Kinderspielplatzes angestrebt werben, um auch den Kindern, die zum Wohnen in der innersten Großstadt verurtelltsinb, eine leicht erreichbare Gelegenheit zum Spielen in Grün und Sonne zu schaffen.

Bei dem steigenden Verkehr und den wachsenden Verkehrsunfällen ist die Anlage und

Ausgestaltung derartiger Plätze eine volkspolitische Notwendigkeit. ES ist durchaus möglich, solche Grün- und Spielflächen auch in Verbindung mit großen

repräsentativen Straßenzügen anzulegen, wie Ihnen bie nächsten Bilder zeigen.

Bild 9: Ring-Wallstraße. Der alte Zustand dieser Straßenanlage inmitten des Stadt­

zentrums (Abb. 15). Bild 10: Die Umgestaltung zeigt die Verschönerung des gesamten Stadtteiles. — Rechts hinter der Hecke wurde ein Parkplatz angelegt, weiterhin für bie Kinder ein Tummelplatz

geschaffen, der durch eine Ruheanlage mit Bänken auSgestattet und nach den Straßen zu durch hohe Bepflanzung vom Verkehr abgeschlossen ist (Abb. 16).

Bild ii und 12: DaS Bild zeigt die den Spielplatz umrahmende Ruheanlage, die von früh bis abends vom Publikum, besonders von Frauen mit Kindern und älteren Leuten

besucht wirb. Ein besonders rahmendes Element bildet immer wieder der Einzelbaum im Stadtbild.

Bild iz: Der neu entstandene Kinderspielplatz. Dieses Bild mag die Notwendig­ keit der Anlage von Kinderspielplätzen auch in einer finanziell schwierigen Zeit vor Augen

führen. Niemand kann heute mehr behaupten, baß Grünanlagen Luxus sind, sie sind viel­ mehr für die Großstabtbevölkerung eine Lebensnotwendigkeit geworben. Mit dem soeben

gezeigten Bilde will ich die Kleinkinberspielplatzanlagen verlassen und zu einem weiteren

Grünstächenproblem überleiten. Abschnitt 4. Schon das eben vorgeführte Bild zeigt wie notwendig es ist überall wo in übervölker­ ten Stadtteilen noch die Möglichkeit besteht, eine größere Grünfläche zu schaffen. Sonst könnten mit Recht spätere Generationen auch uns die gleichen Fehler vorwerfen, die wir

heute der vergangenen Zeit vorhalten.

Wenn wir ein gesundes, freies Geschlecht heranziehen wollen, muß auch die Umgebung, in der dieses Geschlecht heranwachsen soll, als rechter Nährboden hierfür gestaltet werben. — Ein Jbealzustanb wäre es, wenn in jedem Stadtteil in unmittelbarer Verbindung mit

den Mietskasernen eine größere Grünfläche geschaffen werben könnte, die jedem einzelnen der zusammengepferchten Großstädter den ihm fehlenden Garten ersetzt. Zu einer solchen Grünfläche gehören Liegewiesen zur Benutzung für Mütter mit Kindern, weiter Klein­

kinderspielplätze mit Planschbecken und Sandkästen und, abgeschlossen von diesen, Ruhe­ anlagen für ältere Leute. Außerdem müssen Turn- und Sportgeräte auf den Spielplätzen vorhanden sein. Derartige Platzanlagen können auch für Veranstaltungen durch Orts­

gruppen der NSDAP, ober Gliederungen der Partei des betreffenden Stadtteils verwendet werden.

Bild 14: Die Liegewiese im Hygiene-Museum gibt unS ein Grünflächenbild, wie

eS in nationalsozialistischem Sinne nicht besser sein kann. Bild 15/16: AlS weiteres Beispiel nenne ich die Planung für den Dürerplatz, den ich hier zunächst in seiner jetzigen Verfassung in Ansicht und Grundriß vorführe.

Der Diagonalverlehr verhindert die Wirkung einer großzügigen Grünfläche, die man

als Liegewiese ausgestalten könnte. Jetzt ist unser Leitsatz, baß Grünflächen der Er­ holung

aller Volksgenossen zu bienen unb sich nicht VerkehrSbebürfnissen unter-

zuorbnen haben.

Bild 17/18: Die Neupflanzung beS Dürerplatzes zeigt die Schaffung einer großen

Wiesenfläche für Lagerzwecke. Eingerahmt ist dies« Wiesenfläche von einer Promenaden-

78 anlage, die nach den Straßenseiten zu durch Pflanzung von Blumen und Sträuchern abge­

schlossen ist. Die vorhandenen Einzelbäume bleiben selbstverständlich erhalten.

Bild 19: Die Anlage von Planschbecken innerhalb solcher Anlagen ist ebenfalls eine Notwendigkeit, wie uns baS Bild der Johann-Meyer-Straße zeigt. Innerhalb dieser

großen Grünflächen, möglichst in verkehrsruhigen Gegenden, ist die Anlage von Sonber-

gärten von besonderer Anziehungskraft für alle Bevölkerungskreise. Wir haben in den letzten Jahren mehrere solche Sonbergärtm ausgestalten können.

Bild so: Als ältere Anlage ist schon der Sonbergarten im Beutlerpark ein An­ ziehungspunkt für jung und alt.

Bild ar: Mehr noch sind eS aber die neuen Stauden- und Blumengärten am KönigSufer geworden, von denen ich hier, späterer ausführlicher Behandlung vorgreifenb, einen BtlbauSschnitt zeige.

Mit diesen Bildern möchte ich baS Problem der BolkSgärten abschließen. Lasten Sie mich nun auf für Dresden besonders wichtige Grünanlagen übergehen.

Abschnitt 5.

Wie andernorts, so befinden sich auch in Dresden —wie Sie schon einem heute vormittag gehaltenen Vortrag entnommen haben — die historischen Gartenanlagen, da sie vom ehe­

maligen Fürstenhaus angelegt wurden, meist in staatlichem Besitz, so der Große Garten

und der Park des Japanischen PalaiS. Bei der schon auS dem Dorhergesagten sich ergeben­ den großen Bedeutung um eine einheitliche Linie in der großstädtischen Grünflächenpolitik

ist eS einleuchtend, daß möglichst alle Grünflächen der Stabt in deren unmittelbare Ver­ waltung zusammengefaßt werben. Deshalb ist auch die Eingliederung der noch

im staatlichen Besitz befindlichen historischen Gartenanlagen in die Stadtverwaltung bringend erwünscht. Dadurch können auch die historischen Gartenanlagen am besten einer lebendigen Verwendung durch die Großstabtbevötterung

zugeführt werben, denn die Stadtverwaltung hat baS größte Interesse daran, sie vor Ver­ fall zu bewahren. Solche Anlagen können entsprechend ihrer Gestaltung natürlich nicht

anderen Zwecken, z. B. als Spiel- und Sportanlagen, zugeführt werben, sondern müssen möglichst unberührte Stätten der Ruhe und Erholung bleiben. Nur wenn eine solche An­ lage größere Wiesenflächen aufweist, besteht selbstverständlich die Möglichkeit, eine solche Wiese als Liegewiese freizugeben. Dabei darf aber der Gesamteindruck der Anlage nicht

beeinträchtigt werben.

Bild 22: Großer Garten.

Bild 23: Japanisches Palais. Bild 24/25: Anschließend zeige ich Ihnen noch einige Bilder aus den Parkanlagen des

Schlosses Albrechtsberg. Diese öffentlich zugänglichen Anlagen sind wie baS Schloß

79 selbst in städtischem Besitz und haben auch mehrfach für kulturelle und der Förderung des

Fremdenverkehrs bienenden Veranstaltungen der Stabt schon einen wundervollen Rahmen gegeben. Durch den seinerzeitigen Ankauf des Schlosses und Parkes für die Stabt würben

diese vor der Ausschlachtung durch die Bodenspekulation bewahrt und damit auch das

ganze Landschaftsbild an der Elbe vor der Einzelbebauung und Zerstörung der einhestlichen

Parkanlage gerettet. Abschnitt 6.

Einen wesentlichen Teil der Grünflächengestaltung bildet die Anlage von Sportplätzen

und Bädern und chre Eingliederung inmitten großer Grünanlagen in das Stadtbild. Als Beispiel biene das geplante große Volksbad in der Prinzenaue gegenüber den Al-

brechtsschlösiern, bas dem dortigen jetzt nur wiesenartig gestalteten Elbufergelände ein ganz neues Bild geben und dieses Gelände erst der großen Volksgemeinschaft recht er­ schließen wirb. sAls Ersatz für die 4—5 eingezogenen Elbbäder.) Abschnitt 7.

Als eines der wichtigsten Grünflächenprobleme muß die Schaffung von Dauerklein­ gärten angesprochen werben. Es ist eine bedauerliche, aber leider unvermeidliche Nebenwirkung des sonst recht erfreulichen Wiederauflebens der Wohnbautätigkest, baß

im Zuge der Aufschließung neuer Wohnviertel Hunderte oft jahrelang ansässig ge­ wesenen Schrebergärtnern von ihrer liebevoll gepflegten Gartenstätte weichen müssen.

Im Dresdner Stadtgebiete liegen diese Verhältnisse insofern sehr ungünstig, als in dem eingeschlossenen Elbtalkessel, so schön die landschaftliche Lage ist, nur noch wenig Land für Kleingärten zur Verfügung steht; trotzdem wirb bie Gartenverwaltung alle Möglichketten

herausschöpfen, um Ersatzgelände zu beschaffen. Um erneuter Umsiedlung bei wetterem Fortschretten der Bebauung vorzubeugen und den Ansiedlern bauernden Kleingartengenuß zu sichern, soll das neue Gelände wie öffentliche Grünflächen für alle Zett von der

Bebauung ausgeschlossen werben. Die Sicherstellung solchen Geländes wttb an verschie­

denen Stellen der Stabt nach einem einhestlichen Plane betrieben, und zwar möglichst in der Wesse, baß durch solche mst Dauergärten durchsetzte Grünzüge zugleich eine Verbindung

zwischen dem Stadtkern und der freien Landschaft der Außenviertel angestrebt wird. Bild 28: Dieses Bild zeigt in den Anfängen, wie durch einen öffentlichen Mittelweg mit

anschließender Blumen- und Gehölzpflanzung eine Vereinigung von Kleingarten- und öffentlichen Anlagen erreicht wttd. Die Schrebergärtenlauben sind von einem bestimmten Grundtyp aus entwichest, der

die Einhettlichkett der gesamten Anlagen steigert, ohne langwellig zu werden. Sie Anlage der Promenade wttd von der Stadt auSgeführt, während bie Anlage der einzelnen Gärten Angelegenhett der Schrebergärtner ist.

So Abschnitt 8. AlS weitere große Kulturaufgabe im Rahmen städtischer Grünflächenpolitik muß die Neugestaltung der Friedhöfe angeführt werben. Dresden hat bereits damit begonnen,

im Waldgelände der Jungen Heide im Norden der Stadt eine, deutschem Empfinden ent­

sprechende Friedhofsstätte zu schaffen. Bild 29 zeigt den stimmungslosen Wirrwarr eines alten Dresdner Friedhofs inmitten von Großstadtwohnungen und Fabrikbetrieben. Der alte EliaSfriebhof, der nicht in städ­

tischem, sondern in kirchlichem Besitz ist, soll in die Grünflächenpolitik einbezogen werben.

Büb 30: Dieses Bild mag ein Beispiel vom neuen Walbfriebhof geben, wo die Einzel-

gräber in die bestehende Walblandschaft eingefügt werden sollen. Nicht ausländische Ge­ wächse, sondern die Pflanzen der deutschen Landschaft, vornehmlich Heide, Wacholder,

Kniekiefer, Ginster usw. werden baS Gesamtbild im Verein mit dem vorhandenen Walbbestanbe beherrschen. Zu den weiteren Teilaufgaben der städtischen Grünflächenpolitik ist die Gestaltung

der Schulgärten zu rechnen, weiter die der Grünflächen in Krankenanstalten, in AlterS- und Erholungsheimen usw. Jedoch ist die Zett zur kurz bemessen, um auf diese Gebiete näher einzugehen. Auch bei ihnen aber wirb überall der Grundsatz neuer Gar­

tengestaltung und der Erholungszweck von der Stabtgartenverwaltung in liebevoller Weise berücksichtigt. Augenblicklich wirb die Anlage beS Rubolf-Heß-KrankenhauseS verbessert.

Abschnitt 9. Für die Gesamtgestaltung beS Stadtbildes ist der Schutz wertvoller Bäume wie überhaupt einzelner landschaftlich hervorragender Punkte von größter Bedeutung.

Leiber wirken sich hier gerade in der Großstadt immer noch baS Unverständnis, die Eigen­ sucht und der wirtschaftliche Niedergang vergangener Zeiten auS. Auch heute noch ist eS nicht selten der Fall, baß herrliche Einzelbäume auf privatem Grund und Boden, die Zeugen von Jahrhunderten sind, dem Eigennutz ober Eigensinn privater Bauherren zum Opfer

fallen, wenn nicht rechtzeitig von der Stadtverwaltung eingegriffen wirb. Sm Rahmen beS Möglichen, der, wie Ihnen bekannt, leider noch recht eng gezogen ist, sind Baupolizei­ amt und Stadtgartenverwaltung bestrebt, solche Versündigungen gegen die Natur mit allen Mitteln zu verhüten. Damit rechtzeitig eingegriffen werben kann, habe ich eine Anord­ nung an alle städtischen Dienststellen ergehen lassen, die jedem städtischen Beamten, An­

gestellten und Arbeiter zur Pflicht macht, von ihm auch außerdienstlich bemerkte drohende Veränderungen im schutzwürdigen Baumbestand beS Stadtbezirks sofort zu melden.

Weiter hat die Stabtgartenverwaltung von mir die Anordnung erhalten, alle Bäume,

die irgendwie für das Gesamtstädtebild Wert haben, unter Naturschutz stellen zu lassen. Desgleichen muß in Zukunft jeder Architeft auf Planungen, die dem Baupolizeiamt vor-

i. Blick vom Waldschlößchen auf Dresden Aufn. Sachs. LandcsbilcLtelle

2. Wäschebleiche am Elbufer vor dem Japanischen Palais Abb. 2

16 Aufnahmen der (iartenx erwaltung der Stadt Dresden

3- Elhfront des Japanischen Palais vor der Umgestaltung

4. Elbfront des Japanischen Palais mit Maueröffnung und Treppenanlage

5- Stadtbild mit Japanischem Garten

6. Staudengarten am Königsufer

/. Blick von der Augustusbriicke auf Konzertpromenade und Kundgebungsplatz

8. Königsufer. Kundgebungsplatz vor dem Finanzministerium

g. Königsufer. Promenade und Staudengarten

io. Königsufer. Staudengarten mit Seerosenbecken

11. Königsufer an der Albertbrücke vor der Umgestaltung

12. Königsufer an der Albertbrücke nach der Umgestaltung

i). Der Altmarkt

14. Der Altmarkt mit eingezeichneter BaumbepßanzHng

15. Die Ringstraße vor der Umgestaltung, 1934

16. Die Ringstraße nach der Umgestaltung

gelegt werben, bestehende Bäume und Baumgruppen mit einzeichnen, um zu verhindern, baß weiterhin kostbare Baumbestände vernichtet werben. Ich erhoffe von der Einsicht der

Privatarchitekten und privaten Gartengestalter einmütige Unterstützung bei dieser wich­ tigen Kulturausgabe.

Bild zi: Sie sehen hier den Baumbestand in einem Privatgrundstück in der Alaun-

Förstereistraße, das plötzlich bebaut werden sollte. Die Architekten hatten den herrlichen Baumbestand bei ihrer Planung völlig unberücksichtigt gelassen.

Bild 32 zeigt ein Motiv am Neustädter Elbufer, bav auch wert ist, erhalten zu werben. Bild 33: Ein Motiv aus dem Parke der ehemals König!. Billa Strehlen, der in anderen

Teilen leider durch Bebauung in seinem Bestände bedroht ist. Bild 34 zeigt die Anlage eines Höhenweges am Plauensche Ring (Liebsch Ruh), der als Zielpunkt eine herrliche Lindengruppe ausweist.

Bild 35 zeigt, wie stäbtischerseitS alles getan wirb, um derartige Lindengruppen zu er­

halten und, wie in diesem Falle einen Aussichtspunkt zu schaffen.

Bild 36: Derselbe Aussichtspunkt mit Blick aus die Stabt. Bild 37: Eine Eichengruppe am BiSmarckturm (Moreaudenkmal). DaS Gelände ist von der Bebauung ausgeschlossen.

Bild 38: Vom BiSmarckturm genießt man einen Blick über die Stabt Dresden bis zur Sächsischen Schweiz. Hier soll gleichsallS eine große Grünanlage entstehen. Abschnitt 10.

AlS größte seit meinem Amtsantritt burchgesührte Arbeitsmaßnahme aus städtebaulich

gärtnerischem Gebiete ist zweiselSohne die Elbusergestaltung in Dresden anzusehen. Jahr­

zehntelang harrten die Neustädter Elbufer ihrer endgültigen Gestaltung, und schon

heute, wo erst das Kernstück der Anlage völlig sertiggestellt ist, ziehen sie, wie täglich bei Beobachtung der Zehntausenden von Besuchern sestgestellt werden kann. Einheimische und Fremde in ihren Bann. Die bewußt geschaffene Gegensätzlichkeit der herrlichen Architekturbilder der Altstadt und der freieren landschaftlichen Gestaltung deS Neustädter Ufert im Zusammenklang mit dem Elbstrom schafft zu jeder Tageszeit Stimmungsbilder, wie sie

wohl selten baS Zentrum einer Großstadt aufweisen kann. Ich glaube, daß auch viele von Ihnen, die Dresden auch nur wenige Jahre nicht mehr gesehen haben, dort am Elbufer zahlreiche neue und reizvolle Blicke auf daS Dresdner Stadtbild entdecken können. Die folgenden Bilder mögen einen Einblick in die am KönigSufer geleisteten Arbeiten

geben und zugleich einen Begriff davon geben, durch wie umfängliche Erdbewegungen, die heute gar nicht mehr erkennbar sind, daS neue Bild geschaffen wurde.

Bild 39: DaS Bild zeigt den allen Zustand des Elbufert, Wäschetrockenplätze angesichts des repräsentativen StäbtebilbeS (Abb. 2). 6

1936

82

Bild 40: Das Bild zeigt die cmgeebncten Wiesenflächen. Links sehen wir die neue Stau­ denpromenade.

Bild 41:

Die Staudenblüte erstreckt sich vom Frühjahr bis spät in den Herbst hinein und

erfreut immer wieder von neuem das Auge. Sm Mittelgrund des Bildes die neue Frei­ treppe zum Japanischen PalaiS. Hierdurch wurde der bisher abgeschlossene Garten des Japanischen PalaiS nach der Elbuseranlage geöffnet.

Bild 42:

Blick von der Elbe auf baS Japanische PalaiS vor der Umgestaltung (Abb. 3).

Bild 43:

Das Bild nach der Umgestaltung (Abb. 4).

Bild 44: Der durch die Umgestaltung geschaffene Blick aus die Altstädter Geste (s. j. PalaiSgarten).

Bild 45: Dieses Bild zeigt Ihnen den früheren Zustand des folgenden 2lbschnstteS.Gchwstrige Verhandlungen mst den Privatbesitzern waren notwendig, um dieses häßliche Durch­

einander einem schönen Astle zuzuführen. Bild 46: Der neue Zustand zeigt wst eine Promenade, mst seltenen Gehölzen bepflanzt,

entstanden ist. Erst bann, wenn der junge Baum- und GtrauchwuchS seine endgültig« Höhe erreicht hat, wstb bst gesamte KönigSuferanlage parkähnlich wirken. Links im Bild sehen

wst einen neu errichteten Milchpavillon. Bild 47/472: Reizvoller Blick von der neugestasteten Gehölzpromenade zur Altstadt. Bild 51:

Sm Vordergrund links sehen wst einen neuen Konzertplatz, früher Gpstlplatz-

anlagen, im Hintergrund den neuen KunbgebungSplatz vor dem Ministerium (Abb. 7).

Bild 52:

Die Böschungen vor dem Ministerium im asten Zustande.

Bild 53: Der neue Kundgebungsplatz. Wohl keine Stadt kann einen derartigen Ver­

sammlungsplatz angesichts einer herrlichen alten Stabtsilhouett« aufweisen.—Einweihung durch Reichsminister Dr. Frick — Feuertaufe durch Olympia-Fackellauf — Streicher: „wahrhaft königlicher Platz" (Abb. 8).

Bild 53a: Oberer Rand des KunbgebungSplatzeS mst Pappeln. Bild 54:

Wst gehen nun zum nächsten Abschnitt zwischen Carola- und Albertbrück«. Sch

zeige Shnen hier den früheren Zustand des Geländes. Bild 55:

Neuer Zustand als StaubengartenS.

Bild 56:

Blick über den Staudengarien, im Hintergrund das Dresdner Stadtbild.

Bild 57: Früherer Zustand von der DreikönigS-Schule. Häßliche Lagerplätze verunstal­ teten den Platz am Ministerium.

Bild 58:

Dst Herstellung einer Spstlplatzanlage war an dieser Stelle notwendig. Der

schöne Baumbestand kommt nunmehr voll zur Geltung.

Bild 59:

DaS Bild zeigt den Durchbruch von der Hospstalstraße zum Elbufer. Aste Ge­

bäude und Bretterbuben würben beseitigt und Geländevertiefungen durch Anfuhr von

Schutt aufgefüllt.

Bild 60: Hier sehen wir den jetzigen Zustanb,zwei schöne Bäume bilden den Hintergrund. Bild 61: Früherer Privatgarten auf dem Wege zur Albertbrücke (Abb. n). Bild 6»: Der neue Zustand zeigt unS eine Treppenanlage zum Staudengarten, die

die Höhenunterschiede überwinden. Der Baumbestand blieb restlos erhalten. Die rechte Treppenwange ist zu einem Postament ausgebaut, das einen Bogenschützen trägt (Abb. 12).

Bild 62a: Derselbe Treppenaufgang mit dem oberen Parkweg. Bild 63: Zeigt den einzigartigen Stand beS Bogenschützen gegen den Himmel.

Bild 64: Der frühere Zustand am Brückenkopf der Albertbrücke, der links im Bild er­ scheinende Park wurde von der Stabt erworben und bildet bas Verbindungsstück zwischen

Staudengarten und Albcrtbrücke. Bild 66: DaS Bild zeigt die endgültige Lösung des Brückenkopfes. Eine Treppenanlage mit Überbrückung leitet vom Brückenkopf in den eben erwähnten Park über.

Bild 67: Wir folgen nun dem nächsten Bauabschnitt und sehen den früheren Zustand beS ElbuferteileS zwischen Albert-Brücks und Linckeschem Bad. Links im Bild sehen wir

die Fertigstellung des Brückenkopfes der Albertbrücke mit anschließender Promenade, die

mit verschiedensten Wilbrosensorten bepflanzt wurde. Auch hier wirb der sich entwickelnde Baumbestand die zum Teil unschönen Architekturen verdecken. Die Promenade wurde mit Rotbornbäumen bepflanzt, die während der Blütezeit ein besonders schönes Bild ergeben

werben und zugleich Unterpflanzungen ermöglichen. Bild 68: Der frühere Zustand am Ende der Wasserstraße. Bild 69: Die Umgestaltung zeigt einen Rosengarten, der sich später bis zur Albertbrücke

erstrecken wirb. Bild 70: Gibt einen Blick in diesen künftig geplanten Rosengarten. Bild 71: Anschließend ist die Herstellung eines Promenadenweges vorläufig bis zur

Saloppe im Gange. DaS Bild zeigt den früheren Zustand des Weges von der Walbschlöß­ chenwiese bis zur Saloppe. Im Mittelgrund des BilbeS eine schöne Erle.

Bild 72: Das Bild zeigt die fertiggestellte Promenabenanlage. Der Platz um die Erle

ist als AuSsichtS- und Ruheplatz auSgebaut. Bild 7z: Den vorläufigen Abschluß der KönigSufergestaltung bilden die Anlagen der

AlbrechtSschlösier. Das Bild zeigt die Terrassenanlage des Schlosses Albrechtsberg, die

später bis zur Elbe fortgesetzt werden soll. Bild 73a: Ein Blick auf baS daneben liegende Lingnerschloß. Schönes Dresdner Stadt­

bild vom Wall auf jap. Palais. Hiermit, meine Damm und Herrm, habe ich Jhnm einm Überblick über die vielgestal­ tigen Aufgabm gegebm, die der gartenkünstlerifchm Gestaltung unseres Stadtbildes ge­ stellt sind. Ich hoffe. Sie habm meinm Ausführungm entnommen, wie notwendig und 6*

84

sozialpolitisch wichtig die Grünflächenbeschaffung für eine Großstadt ist. ^Architekt, In­ genieur und Gartengestalter sind beteüigt.^ Wenn dieser mein Beitrag -u Ihrer Tagung Ihnen einige neue Eindrücke und Anregun­

gen für Ähre eigene wichtige Arbeit zum Besten unseres schönen deutschen Vaterlandes gegeben hat, so ist sein Zweck erfüllt.

Ich hoffe aber auch, baß zwischen den Worten und Bildern meines Vortrages Ihnen erneut wieder gegenwärtig geworben ist, wie schön unsere sächsische Landeshauptstadt ist und Sie werben bei Ährem besonders geschärften Blick für die Schönheit unserer Stabt und die Fülle beS Erhaltens- und Pflegenswerten in ihr auch die Bedeutung und die Schön­

heit der Aufgabe ermessen, die mir als Oberhaupt dieser Stabt gestellt ist, nämlich die rei­ chen Schönheitswerte dieser Stabt zu pflegen und mit Verständnis für die in ihnen liegenden

Entwicklungsmöglichkeiten zu mehren. Sie können versichert fein, daß ich, dieser Aufgabe voll bewußt, an ihre Erfüllung alles setzen werbe; benn in der Erhaltung unb Mehrung dieser Schönheiten liegt die

Zukunft unserer Stadt, ihr wirtschaftliches Gedeihen unb ihr weiterer kultureller Aufstieg

begründet. Wenn Sie, insbesondere Ähre hiesigen Vertreter, mir dabei helfen, werbe ich Ähnen

zu großem Danke verbunden sein unb der Erfolg Ihrer bedeutsamen Tagung, den ich Ähnen von ganzem Herzen wünsche, wirb auch ein dauernder Gewinn für unsere schöne

Stabt Dresden sein.

8$

MONTAG, 5. OKTOBER DAS BUCH VOM DEUTSCHEN BAUERNHOF Pr of. Gustav Wolf, Berlin: Denkmalpflege und Heimatschutz kommen aus bem

Bewußtsein von Herkunft und Wert unseres BolkStumS. Man besinnt sich auf sein bestes Erbgut oft erst bann, wenn man in Gefahr ist, eS zu

verlieren. DaS gilt mindestens für unsere volkstümliche Bauweise. Erst seit sie ihre beste Kraft verlor, wächst die Kenntnis ihrer Formen. Bewußtsein vom AuSbruckSgehalt im Bauernhaus begann um 1880. Ein Wiener Anthropologenkongreß und Arbeiten der BolkSforscher Meitzen, Henning, Banealari und Meringer leiteten eS ein. Sm Jahre 1891 regte der Berliner Architekten-Verein den Verband deutscher Architekten-

unb Ingenieur-Vereine an, eine umfassende Darstellung deutscher Bauernhäuser heraus­

zugeben. Als Vorarbeit fertigten viele eifrige Mitglieder in den verschiedensten Gegenden hunderte von zeichnerischen Bestandsaufnahmen an. Die Hauptarbeit setzte ein, sobald von Reich und Staaten Beihilfen in der beträchtlichen Höhe von 51050 Mark bereitstanden. Im Jahre 1906 erst erschien bann im Verlage Küthmann in Dresden: DaS Bauernhaus

im Deutschen Reiche und in seinen Grenzgebieten. Von der Anregung bis zur Verwirklichung waren also 15 Jahre vergangen. So schwer war die Arbeit! Dafür wurde jener Urkundenschatz aber auch die Grundlage aller weiteren deutschen HauSforschung, der Anstoß zu einer ununterbrochenen, bis heute noch nicht abgerissenen Folge von Einzel­ forschungen in kleinen Gebieten. Und doch wurde dies Fundament als unzulänglich emp­

funden, je mehr darauf aufgeschichtet wurde. ES ist keine Überheblichkeit, sondern eher baS Gefühl der Verpflichtung zur Weiterführung des Grundgedankens, was uns heute gegen

baS Altwerk kritisch stimmt. Aus diesem DerpflichtungSgefühl gegen ein Erbgut heraus will nun die Nachfolgerin

beS Verbandes der Architekten-Dereine, die Deutsche Gesellschaft für Bauwesen, keine neue

Auflage, sondern ein neues Werk schaffen. Darüber möchte ich berichten. Nicht, ohne im Namen der Deutschen Gesellschaft für Bauwesen wie in meinem eigenen nachdrücklich und

herzlich allen Förderern und Mitarbeitern zu danken und nicht, ohne ebenso nachdrücklich und herzlich um weitere Förderung und Mitarbeit zu bitten!

Karten-Überblick. * Lichtbild i: Meitzen. Inhaltlich wichtig, aber zeichnerisch unbeholfen war die erste Dar­

stellung deutscher HauSformen durch August Meitzen. Damals konnte die Riesenaufgabe noch nicht überblickt werden, die Meitzen als kühner Vorposten so verdienstvoll angeAnmerkung: Die mit * gekennzeichneten Lichtbilder konnten wegen Platzmangel nicht zum Abdruck gelangen.

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griffen hatte. Der Architektenverbanb ttat an die Aufgabe als eine wohlgeglieberte Heeres­

macht heran, in 28 Bearbeitungsbezirke ausgeteilt. ES war natürlich, daß diese Arbeitsbezirke im wesentlichen den Bundesstaaten und Pro­

vinzen des Zweiten Reiches folgten. Aber Staatsgrenzen und Volksgrenzen waren und sind heute noch zweierlei. Die Entwicklung des deutschen Bauerntums gehört weniger der

verworrenen, sozusagen dynastisch getrübten StaatSgeschichte zu, als vielmehr der zwar auch vielsormigen, aber eher organischen Geschichte unserer Kulturlandschaften!

Diese Erkenntnis war dem SammelauSschuß des AltwerkeS nicht sremb, wie das Vor­ wort zeigt, aber sie kam nicht zur Auswirkung.

* Lichtbild 2: 2 Karten. Es wäre die letzte und schönste Aufgabe des AltwerkS gewesen, das

Ergebnis in eine Übersichtskarte zusammenzusafsen. DaS parallele Werk sür ÖsterreichUngarn enthält eine solche Karte, baS deutsche leider nicht. Wo die Ausschüsse versagten, ttat

wieder ein einzeln« auf. Dr. Wilhelm Peßler hatt« 1905 in mühsamer, praktischer JahreS-

wanberung baS altsächsisch« Haus nach seiner Derbreitungsgrenze erforscht. Sm Jahre 1908 gab er in der Zeitschrift „Deutsche Erbe" eine Besprechung des großen Bauern-

hauSwerkeS. WaS die Verfasser versäumt hatten, holte er hier nach: Er saßt« die Ergeb­

nisse in die Gestatt einer Karte. Sie sehen hier oben die Einteilung in Bearbeitungsbezirke, die im Altwerk wirksam war,

unten eine Umzeichnung jener Peßlerschen Karte deutscher Hauslandschaften. Die WesenSverschiedenheit der Staatsgrenzen von Volkstumsgrenzen liegt darin offen. Wenn Peßler damals in den Raum von der Saar bis an die Memel nur einen Streifen

„mitteldeutscher Gehöftsorm" legt, so entschuldigt baS die Jahreszahl 1908 zur Genüge.

Heute besteht sehr großer Hunger nicht nach einem mühsam anzueignenden Wissen, son­ dern nach einer vollen Anschaulichkeü. Früh« setzten sich wißbegi«ige Leute gern mit Be­ hagen hint« ein dickes, schweres Buch. Heute verlangt man ungeduldig nach dem Auszug daraus, den eine AuSstellungSwanb ob« ein Schulungsabend geben kann. Solchem Hung« entsprach vorzüglich eine 5 m hohe Bildkarte, die b« Mal« Nettelhorst aus der

Grünen Woche 1935 uns zeigte.

* Lichtbild 3: 2 Karten. Jeb« freut sich hi«, in seinem Heimattaum ein Bild ber ver­ trauten Bauernhausform zu finden. Man sieht ab« nicht nur baS einzelne an sein«Sttlle, sondern auch im ganzen die großarfige Dielgestattigkett deutscher Landbauweise!

Die Arbett am neuen W«k hat nicht nur augenfällig verschiedene HauSformen zu b«ücksichtigen. Auch kleine Kulturlandschaften, dtt einem an sich bekannten HauS-Typ nur eine besonb«e „Färbung" gaben, können beanspmchen, gewürdigt zu nxrben. Ein Niederschlag

unser« noch durchaus unvollendeten Suche nach Gerechttgkett ist in b« unteren Karte

sichtbar. ES zeigt sich schon auf diesem halben Wege, wieviel Lücken baS Altw«k gelassen hat. Allein nach den biSh«igen Einttagungen sind über 90 Landschaften burchzuprüfen.

87 Hierbei bitte ich jedoch von vornherein zu entschuldigen, wenn in den Beispielen das

Nördliche unverhältnismäßig überwiegt. Wir haben unsere Arbeit im Norden begonnen und schreiten erst allmählich über Mitteldeutschland zum Süden hinauf. Ich zeigenuneinige

der Gestalten, die zu behandeln sind:

Lichtbild 4: Nordfriesische Langhäuser. Das norbfriesische HauS ist eine der zierlichsten

Erscheinungen auf deutschem Boden. Die Traufe liegt kaum mannshoch über der Erde; die Fenster haben eine feingliedrige Sprossenteilung. Um den Boden des Hauses beschicken

zu können, ist eine Luke angeordnet. Damit im Brandfall der AuSgang aus dem Hause

nicht durch herunter schießendes brennendes Reth gesperrt wirb, ist diese Bodenluke in Gestalt beS einfachen Spitzgiebels über der Haustür angeordnet. ES gibt kein besseres

Beispiel einer fein-maßstäblichen Wirkung. Lichtbild 5: Eiberstebter Haubarg. Unmittelbar benachbart dem zierlichen NorbfriesenhauS ist die größte und geschlossenste Erscheinung beS Bauernhauses heimisch, die wir

überhaupt kennen. DaS HauS erhebt sich wie ein gewaltiges, schweres Zelt, wie eine Pyra­

mide, auf einer Grundfläche von rund so zu 30 Metern. Bon diesen herrenhaften Eiber-

stedter Haubargen sind nur noch etwa 125 erhalten. * Lichtbild 6: Walser HauS. Ich springe von den friesischen Bauten, die vom Dach be­ herrscht sind und deren Wände heute auS Backstein gemauert sind, zum GebirgShauS im

Walser Tal, wo baS flache Schindeldach den zweigeschossigen Holzwanbbau klar in Er­

scheinung treten läßt. Der Maßstab der Einzelglieder ist fast ebenso zierlich wie in RorbfrieSlanb; aber Maße, Form und Farbe sind ja so unvergleichbar anders. * Lichtbild 7: RiesengebirgShauS. Auch daS Riesengebirge hat ein reines Holzhaus. Aber der eingeschossige HauSkörper duckt sich am Hange, und daS Schindeldach hebt sich steil

zur entscheidenden Herrschaft. DaS HauS bohrt sich förmlich in den Abhang ein, vor allem mit der Brunnen- und Mlchkammer, die Sie hier sehen. Ein Holzschuppen lehnt sich mit

Schleppbach an den Giebel und die Talseite an und tut dem Hausinnern ähnliche Dienste, wie dem Schwarzwaldhause der sogenannte Schild.

Lichtbild 8: Haus der Grafschaft Glatz. Dem RiesengebirgShauS ist baS HauS der Graf­ schaft Glatz sehr nahe verwandt. Aber die Menschen sind doch anderer Herkunft. Sie haben

auS dem gleichen Blockbau mit Schindeldach in einzelnen Beispielen eine so merkwürdige Erscheinung entwickelt, wie hier. Ich habe das anmutige HauS aufmessen lassen. Aber

meine Mitarbeiter hätten beinahe keinen Zutritt bekommen, weil die Besitzerin sich schämt, so ein altes HauS zu haben. („Sie könnte doch nicht dafür!") Denkmalpflegerisches Be-

wußssein ist noch nicht bis hierher gelangt, und wenn Dr. Grundmann nicht bald und starke Hilfe findet, dann ist in kurzem baS letzte der köstlichen Häuser mit den schauder­ haften ungefärbten Siegener Pfannenblechen bedeckt ober abgebrochen; wie manche sind

schon in einem ttostlosen Zustande!

88 Lichtbild 9: UmgebinbehauS. Bon Schlesien bis hinein nach Sachsen und noch nach Ost­

thüringen zieht sich die fesselnde Erscheinung der Umgebindehäuser. Häuser, bei denen über

einer offenen Pfostenhalle ein Obergeschoß ober sofort das Dach aufgerichtet ist, in die offene Halle aber dann als ein selbständiges Gebilde der Erdgeschoßbau als Füllung hineingeschoben ist. * Lichtbild io: Pommerscher To-Hof. Wir bleiben noch östlich der Elbe, rücken aber in dm Norden hinauf. Das älteste pommerfche Haus hat altsächsische Art. Aber es ist nicht nur

verwandelt, sondern eS ist auch anders gestellt. Ein voll umbauter Hofraum ist ihm vor­

gelagert. Man nennt diesen Hof der Umschlossenheit wegen einen To-Hof. * Lichtbild ii: Warthebruch. 2m Altwerk ist baS Bauernhaus der friderizianischen

Siedlung nicht zu Ehren gekommen, und wohl zu Unrecht. 2m Warthebruch z. B. sind Eigenheiten der planmäßigen, oft nüchternen SieblungSweise und der alten östlichen

Hausform seltsam vereinigt. Dreiheit der Darstellungsmittel. Solche Bilderreihe könnte noch lange fortgeführt werben, aber ich breche ab. Der

deutsche Bauernhof schließt sich zu wahrer Verständlichkeit erst auS 3 Wurzeln. Man muß ihn vom Grunde auf verstehen und das heißt: vom Grundriß her. Der Grundriß

ist die Niederschrift der Lebensvorgänge — sowohl des bäuerlichen WohnwesenS als der Betriebswirtschaft. Aber Gebäude wollen nicht nur vom Grunde her, sondern auch im Kerne verstanden

werben. Der Querschnitt senkrecht durch Raum und Körper hindurch ist die Bloßlegung beS Aufbaus. Er gibt Rechenschaft über die Leistung des Handwerks und des Bauwesens

für den Bauern. Erst aus dem Zusammmwirken von Grundriß und Querschnitt formt

sich die äußere Erscheinung als etwas eigentlich Oberflächliches. (Oberfläche hier nicht in wertminderndem Sinne). 2ch seh« im Grundriß die bäuerliche, im Querschnitt die handwerkliche, in der Oberfläche aber die Haltung deS Eigentümers gegenüber der Umwelt und also erst recht die volks­

tümliche Leistung. Und nun also nach der Außenerscheinung Grundriß und Querschnitt!

Lichtbild ir: Niedersächsisches und Abarten. Das altniedersächsische HauS brauche ich

nicht zu schildern. Die Dreischiffigkeit und die Aufschließung in der Längsrichtung, First­ richtung sind klar. Dem inneren Traggerüst sind die Seitenschiffe angeklappt. — Das

Westfalenhaus hat gleiche DreischWgkest, gleiche Längsaufschließung. Aber auS den An­

klappungen sind zweigeschossige Seitenschiffe des erhöhten, eingeschossigen Mittelschiffes geworben. — Viel weniger ist das nieberrheinisch-altsächsische HauS bekannt. ES ist

nicht, wie baS WestfalenhauS, ein DierstänberhauS geworben. Aber eS ist als Zweiständer-

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hauS ein HochftänderhauS und seine Balkenlage danach eine Senkbalkenlage. Diese drei

Dinge werben erst durch ihr Nebeneinander verständlich.

Lichtbild 13: Altsachsen-Giebel-Reihe. Noch ein Blick auf das äußere Gesicht in 6 Ab­

wandlungen. 1. Die Kübbung lehnt sich auch an den Walm, auch ihn senkend. Das Haus scheint ganz Dach, bas Tor ganz Einschnitt. 2. Die Kübbungen liegen nur traufseitig,

senken nur die Dachflügel, nicht den Walm. Eine Haus-Stirn tritt hervor. 3. Die Haus-

Stirn hat nicht nur Tor und Tür, sondern auch Fenster wie Augen; sie wird zum Gesicht.

4. Das Haus-Gesicht bereichert sich. Ein bewußtes Gestalten, wenn man will. Schmücken setzt ein. 5. Das Haus-Gesicht wirft die Mütze, die Walmkappe ab, eS hebt den Giebel

hoch. Ein Höhepunkt ist erreicht: auch in der Bemessung, in der Flächenstufung und Gliede­ rung. 6. Das Giebel-Dreieck hat durch die Aufhöhung im Vierständerhaus zwar an Be­ deutung verloren. Aber jetzt blickt uns dort, wo sonst nur Tor, nur Wirtschaft lag, auch

Wohnung entgegen. Das früher so still zurückgezogene HauS wendet sich zur Öffentlichkeit: aus dem Bauernhaus ist ein Ackerbürgerhaus geworbm. * Lichtbild 14: Glatzer Hauskörper-Typen. Die Betrachtung der Giebel wirb leicht eine stächenhafte, fassabenhafte. Ich gebe ein Beispiel, wie man auS der Bauweise einer ganzen

Landschaft heraus einen rein plastischen Auszug gewinnen kann: aus unseren Beobach­ tungen die verschiedenen Hauskörper der Grafschaft Glatz bargestellt. Lichtbild 15: Zwei friesische Formen. Rechts das friesische Langhaus: ein Haus mit

innerem Traggerüst, doch nicht «igeMlich dreischiffig. Die Anklappung ist nicht größer, als baß bie Wanb möglichst selbständig und möglichst niedrig wirb. Links ber Eiberstebter Hau­ barg. In der unmittelbaren Nachbarschaft beS kleinmaßstäblichen Langhauses die ent­

schiedenste Form des Großwirtschaftshauses, die je in einem einfachen Baugebanken ver­

dichtet wurde. Angesichts des Querschnittes glaubt man eine großartige Dreischiffigkeit vor

sich zu haben. Aber wenn man im Innern steht, begreift man das HauS anders: Es hat zum Mittelkern den Vierkant, den Nachfolger eines DierrutenbergeS. Und um diesen

Vierkant sind vier Bautelle herumgewickelt, wie die Flügel einer Wasserburg um einen Lichthof. Aber das Dach senkt sich von den vier Gebäubeflügeln nicht in den Mittelhof

hinein, sondern eS ist als Pyramide darüber aufgetürmt, wie ein ZirkuSzelt darüber hochgespitzt.

* Lichtbild 16: Vier Hausformen. Ein HauS auS dem Hohen Venn. Die Außenwand ist die denkbar niedrigste, weil Schnee und Wind drohen. Die Dachkonstruktion von ur­

alter Art: Ein Pfettenbach auf Ständern. Diese Binberkonstruktion zerlegt baS HauS in Streifen quer zum First. Um wieviel freier die Haltung des Walser HauseS. Auch hier zwingen die Quer­

wände als Pfetten-Auflager bas HauS zur Querteilung. Aber baS HauS ist zweigeschossig, großräumig und hat einen durch Einsprung und Balkonüberbau klug geschützten Eingang.

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Von Westen und Süden zum Osten. Das UmgebindehauS zeigt im Querschnitt sein Wesen: Ständer als Dachträger, die Geschosse dazwischen und darunter hineingeschoben. HanSselbe/NetzchreiS. Das ostdeutsche Dorlauben-HauS hat eine konstruktive Verwandt­

schaft mit bemUmgebinbe-HauS. Übergang zum Kern. Lichtbild 17: Feuerstätten. Richt nur im wörtlichen Sinne — auch im übertragenen ist

die Feuerstätte der Brennpunkt beS Hauses. Der Schornstein, der uns heute so selbstver­ ständlich ist, ist doch die stärkste Zerschneidung beS KonstruktionSgefügeS, und in der Art, wie sich das Gefüge mit dieser Zerschneidung auSeinanbersetzt, wird baS technische Können

überhaupt erst erprobt. Aber ebenso ist baS Raumgefüge eines Hauses davon abhängig, wie es sich um die Wärmequelle herumlagett. DaS ist heute alles ziemlich einfach geworben,

weil wir auf den Schullern unserer Vorfahren stehen. Entwicklungsgeschichtlich ist aber nichts für die konstruktive und die kulturelle Höhe eines WohnwesenS so aufschlußreich,

als die Feuerstätte. Sie ist der eigentliche „Grundriß-Kern". Bei einem Rückblick auf die BauernhauSformen wirb hierauf ganz besonders zu achten

sein. Ich greife nur 3 Proben heraus! Feuerstätte eines Saarländischen Hauses. Die Küche mit dem offenen, von einem Rauchhut Überhängen« H«d. D« Backofen in den Nebenraum geschoben. Auch im

Ob«geschoß — eine seltene Anlage — ein Kamin. Feuerstätte eines nordfriesischen HauseS. Kein „modern«Funktionalist" könnte

eine neuzeitlich« Feuerungsanlage sparsam« und geistreich« in baS Raumgefüge einorbnen, als eS bei dies« Anlage geschehen ist. Die ganze Raumanorbnung ist um den Wärmemittel­

punkt herumgedacht. Die H«dstelle ist schräg geschnitten, um noch Licht zu fangen; von ihr hängen in den Nachlxwräumen b« Ofen b« DömSk, d« Mittelstubr und d« Backofen ab. Sm Hause der Grafschaft Glatz findet sich im Flur baS sog. „Gewölbe", der Schornstein, d« unten durch einen Bogen geöffnet, zugleich der Platz ist, von dem auS Back­

ofen und Stubenofen beschickt nxrden. Der Gedanke, vom Kochfeu« zugleich im Stuben­ ofen die Wärme zu speichern, und dabei die Wärmeabgabe in die Stube, Feuerung und

Rauchabzug ab« nach außen zu »«legen, ist ja das Fundament gewesen, auf dem die Kul­ tur d« Stube, und damit die well«obernbe mitteleuropäisch« Wohnkultur, üb«haupt erst aufgebaut w«den konnte.

Daß wir unsere Stubenöfen von der Stube selbst auS Heizen, ist kulturell nichts anb«eS als ein Rückschritt, den unS nur unser MiethauSwesen mit seinen getst- und lieblosen Grund­ rissen eingebrockt hat.

Mit d« Feuerstätte habe ich eine Einzelheit h«auSgreifen müssen. Die Arbeit am neuen

Bau«nhauSw«k hat ab« sehr stark die Aufgabe, nicht baS einzelne, sondern die Ganzhell zu sehen.

Von der Ganzheit.

* Lichtbild 18: Aus dem Hannoverschen Wendland. So wie die an sich so vertraute Form deS altniedersächsischen HauSgiebelS auftritt, liegt es aus der Hand, baß der Betrachter

wie der Lichtbildner das Haus nicht losgelöst sondern zugleich als ein Glied des Dorfes —

hier eines RundlingSborfeS im Hannoverschen Wendland — sehen. Aber dieser hier so selbstverständliche Zusammenhang des Einzelnen mit dem Ganzen geht in unzähligen anderen Fällen allzu leicht verloren.

Lichtbild 19: Hof aus dem Kreise Lübbecke. Wir können unsere Arbeit nur aufbauen mit .Hilfe vieler Mitarbeiter, die Bestandsaufnahmen von Bauernhäusern gefertigt haben. ES

ist aber unser immer wiederkehrender Kummer, daß die meisten das Haus entwurzelt und bodenlos barstellen. Eine Art Architektendünkel ober eine von lebensfremd gewordener

Kunstgeschichte verdorbene Auffassung hielt eine Bestandsaufnahme für vollendet, wenn

ein auS irgendeinem Gehöft herauSgeriffeneS Gebäude vom Erboden bis zum First ge­ zeichnet wurde.

Hier ein erfreuliches Beispiel anderer Art. Ein Lageplan und ein Ausriß, in welchem nicht nur ein HauS, sondern ein ganzes Gehöft aufgefaßt wurde. Allerdings auch ein ganz besonders schönes, von der nordöstlichsten Ecke Westfalens. Der Architekt, der eS auf­

nahm, hat durchaus begriffen, baß die einzelnen Gebäude zusammen erst das Anwesen

auSmachen, und baß gerade die Art, wie sie gelagert und von mächtigen Eichenbäumen umstanden sind, erst ein volles Bild der Siedlungsform geben kann. Lichtbild 20: Morsum. Auch im Lichtbild ist die Ganzheit am schwersten einzufangen. ES

hat z. B. viel Mühe gekostet, diese Aufnahme einer Bauernstelle auf der Insel Sylt zu gewinnen. Die ganze Ortschaft wird dadurch gekennzeichnet, baß sich an jebeS HauS ein

Garten anschließt, baß die Einheit von HauS und Garten durch einen Steinwall verknüpft wird und baS Ganze auf einem Weidegrund liegt.

Lichtbild 21: AuS dem Hohen Venn. Im Hohen Denn spielt der Schutz gegen Schnee und Sturm eine so überwiegende Rolle, baß sich jeder Hof durch eine hohe, geschorene Hecke da­ gegen schützt. Von diesen Siedlungen würbe in einer rein mit dem Baulichen befaßten Be­ standsaufnahme ein durchaus falsches Bild entstehen. Häuser und Hecke sind untrennbare Glieder der Gesamtanlage deS bäuerlichen Gehöftes in dieser ganz besonderen Landschaft,

und müssen auch zusammen dargestellt werben. Lichtbild 22: Wilster Marsch. ES gibt manches Bauernhaus, das den Einklang mit der

Umwelt, die Fühlung mit dem Boden in der natürlichen Landschaft findet — wo nur wie

zufällig Wiese und Hang, Baum und Busch Hintergrund bilden. ES gibt aber Fälle genug, wo nicht Wachstum zum Hause tritt, sondern bewußte Pflanzung, planmäßige Gestaltung. Ich gebe nur dieses eine Beispiel auS der Wilster Marsch. Nicht ganz leicht ist hier das,

waS dem dürren Nutzen bient, von dem zu trennen, was um der Form willen geschaffen

92 wurde. Die Warft war, ehe das Land eingedeicht wurde, einmal nölig, um das Haus hoch-

wasserfrei zu stellen; heute erscheint sie nur wie der Sockel, der nötig ist, um das Hau« Herrenhaft hinzustellen. Die Bäume sind Windschutzbäume. Daß sie geschoren sind, ent­ spricht einem bäuerlichen Ordnungssinn; wie sind sie aber dadurch zum Gürtel und zum

Ehrenspalier de« Hauses gemacht! Lichtbild 23: Eiberstebter Gärten. Eine besondere Entwicklung hat die Gartenanlage eben

da genommen, wo auch die Großwirtschaft das stolzeste Haus, den Eiberstebter Haubarg, schuf. Alle möglichen Architekten haben gute Bestandsaufnahmen der Haubarge gemacht; aber nicht ein einziges Mal fand ich die Umpflanzung mit erfaßt. Wir mußten uns den

Plan dieses schönen Gartenpaares auS Tating selbst heranholen. Wir haben in Einzelfällen viel weiter auSzuholen, als nur nach dem Gartenplan. Die

Aufrichtung unseres Bauerntums war ein Siedlungsvorgang. Der Lebensquell war nicht der Hof, sondern die Flur. Der Hof und der Garten sind zusammen nur die Krone der Feldmark, des Flurbesitzcs. Dieser wieder entstand, gleichgültig ob beim Einzelhof ober

beim Dorf, als eine Auslese aus der natürlichen Wilb-Lanbschaft, und eine der größten

Taten im Aufbruch deutschen Bauerntum« war die Rodung, die der Flurgestaltung oft vorausgehen mußte. Wenn man nun die Großartigkeit des Lebensbildes, in dem das Bauernhaus schließlich

nur der letzte Niederschlag ist, veranschaulichen will, bann muß man den ganzen Weg zei­ gen: Vom Lande zur Ist«, vom Feld zum Garten und Hof, von den Bauten bis hinein an

den Kern ihrer Kultur, an Herb und Ofen. Die Landkarte, die Flurkarte, daS Dorfbilb, die Vogelschau des Fliegers — daS ist eigentlich alles noch unentbehrliches Zubehör, um eine

wahre Gesamtdarstellung zu geben. — Ehe eS Städte geben konnte, gab eS Bauernland. Aber die deutsche Denkmalpflege ist

rund 50 Jahre älter als die deutsche BauernhauSforschung. Deshalb war sie lange Zeit

hindurch hauptsächlich mit Kirchen, Schlössern und Rathäusern beschäftigt. Doch denk­ würdig sind nicht nur die Bauten der Glaubensgemeinschaft und der herrschenden Kräfte.

Denkwürdig ist im tiefsten Sinne der bauliche Niederschlag unseres Volkstums im ganzen. Die echten, geborenen Denkmalpfleger haben darum nie anders gekonnt, als auch

im Bauernhaus ein Denkmal zu sehen und auch für den Bauernhof — so schwer daS ist —

Denkmalpflege zu erstreben. DaS beste Denkmal ist nun unbedingt daS nicht zum Schaugegenstanb, nicht zum Museum heruntergesunkene, inventarisierte und konservierte, sondern das noch in allen

Räumen vom wahren, lebendigen Leben durchpulste. In diesem Sinne ist auch die beste Denkmalpflege die nicht im StaatSauftrage, sondern von den Bewohnern, Nutznießern und Besitzern selber geleistete. Bauernhäuser sind auch heute noch viel nützlicher als Museen.

Lassen Sie uns darauf eine kleine Hoffnung und ein ganz starkes Bemühen aufbauen: Vom unbewußten Erbgut am Volkstum ist mW erschreckend viel verlorengegangen. Versuchen wir doch, unser Bewußtsein dieses Erbgutes so klar und so überzeugend

zu entwickeln, daß es sich mit Macht verbreitet. Dann würbe der Bauernhof nicht von der Staatlichen Denkmalpflege beschützt werben müssen, weil ihn Bauern und Landbaumeister selber aufs beste betreuten. Dann brauchten wir nur baS überlebte Allerälteste in den Be­

helfszustand deS Museums zu versetzen. Dann würben alte und neue Bauernhöfe wieder sein waS sie einmal waren, aber heut nicht sind: unverfälschte Spiegel eines guten und ehr­

lichen DolkStumS. Wiederholen wir abschließend unsern Eingangssatz: Denkmalpflege und Heimasschutz kommen auS dem Bewußssein von Herkunft und Wert unseres DolkStumS.

AUS DER WERKSTATT EINES DENKMALPFLEGERS Provinzialkonservator Prof. Dr. GieSau, Halle: In Adalbert SssfterS be­ kanntem Roman „Nachsommer" flüchtet der Held der Erzählung vor einem Gewitter in

ein Landhaus in den Borbergen der Ostalpen und wirb von dem Besitzer mit allen Teilen

deS weitläufigen Besitztums bekanntgemacht. Da lernt er eine sehr merkwürdige Einrich­

tung kennen, eine Tischlerwerkstatt, in der kunstvolle Möbel auS alter Zett und auch andere Kunstwerke instanbgesetzt werben. 3n bisser Werkstatt wttb gerade ein spätgossscher Schnitz­ altar mit aller Sorgfalt und, worauf der Besitzer deS AnwssenS besonders stolz ist, nach

rein konservawrischen Gesichtspunkten behandelt. DaS Verfahren wttb ausführlich be-

schrieben, und rote sind nicht wenig erstaunt, hier Gesichtspunkte angewenbet zu sehen, wie wtt sie erst als Ergebnis neuester Zett gewonnen zu haben glaubten. Der Roman ist im Jahre 1857 erschienen, und bei der Eigenart Stifters müssen wtt schon annehmen, was

ja auch sonst gar nicht anders sein könnte, baß dem Dichter bei der Schilderung dttser Werkstatt ein ganz bestimmtes Vorbild, welches damals vorhanden gewesen sein muß,

vorgsschwebt hat. Einige Stellen auS der Bsschreibung möchte ich Ihnen wiebergeben.

Der Besitzer sagt, man sei ihnen zunächst mit Mißttauen entgegengekommen. „Erst da

wtt bargelegt hatten, baß wtt an dem Bestehenden nichts ändern würden, baß keine Ver­

zierung an einen anderen Platz komme, baß keine Figur an seinem Angesicht, ihren Händen ober den Faltungen ihres GewanbeS umgestaltet werbe, sondern baß wir nur baS Vor­ hanbene in seiner jetzigen Gestalt erhalten wollen, damit es nicht weiter zerfallen könne, baß wtt den Swff, wo er gelitten hat, mit Swff erfüllen wollen, bamtt btt Ganzheit beS-

selben vorhanben sei, baß wtt an Zutaten nur die kleinsten Dinge anbringen würben, deren Gestalt vollkommen durch btt gleichartigen Stücke bekannt wäre, ließ man unS

gewähren." An einer anderen Stelle heißt es: „Selbst dort, wo deutlich erwiesen war, baß

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Teile brt Altares in eine andere Gruppe gestellt worden waren, als sie ursprünglich ge­ wesen sein konnten, ließen wir das Vorgefundene bestehen. Wir befreiten nur die Gebilde

von Schmutz und Übertünchung, befestigten bas Zerblätterte und Lebiggeworbene, ergänz­ ten daS Mangelnde, wo, wie ich gesagt habe, dessen Gestalt vollkommen bekannt war,

füllten alles, was durch Holzwürmer zerstört war, mit Holz aus, beugten durch ein er­

probtes Mittel den künftigen Zerstörungen dieser Tiere vor und überzogen endlich den ganzen Altar, da er fertig war, mit einem sehr matten Firnisse."

Und nun lesen wir die erstaunliche Stelle: „ES wirb einmal eine Zeit kommen, in welcher vom Staate aus vollkommen sachver­

ständige Männer in ein Amt werben vereinigt werben, baS die Wiederherstellung alter Kunstwerke einleiten, ihre Aufstellung in dem ursprünglichen Sinne bewirken und ihre

Verunstaltung für kommende Zeiten verhindern wirb."

Da haben wir also das Denkmalamt.

DaS Wunschbild des Dichters Stifter ist eigentlich nach den Gedanken, welche Stifter für eine solche Musteranstalt bargelegt hat, erst in unseren Tagen Wirklichkest geworden.

Denn eS ist ganz klar, baß Stifter die Verbindung eines Denkmalamtes mit einer Werk­ statt zur Instandsetzung von Kunstwerken vorgeschwebt hat, und diese Verbindung ist doch

gerade das, worauf bi« heutige Denkmalpflege besonderen Wert legt, und was wenigstens in einigen Beispielen auch bereits verwirklicht worben ist. Nun bin ich ba, wo ich Sie in

meinem heutigen Vortrag hinführen will. Denn ich will ja erzählen von der Tätigkeit und

Arbeitsweise unserer Lehr- und Versuchswerlstatt für die Instandsetzung von Kunstbenkmalen in Halle, welche hier dem Amte beS Provinzialkonservators angegliedert ist. Mit Schnitzaltären haben auch wir angefangen. Denn gerade bei ihnen, welche durch die Viel­ heit ihrer Zusammensetzung besonders dem Verfall ausgesetzt sind, erwies sich ein um­

fassender Zugriff als besonders notwendig. In der Wiederherstellung von Gemälden war wohl die Tradition erklärlicherweise nie ganz abgerissen. Dagegen war daS Wissen um die

technischen Grundlagen bei der Herstellung von Schnitzallären mehr ober weniger in Ver­

gessenhell geraten. Die Kunst beS Vergoldens lebte, jedenfalls in unserer Gegend, haupt­

sächlich nur noch in den Vergolberwerkstätten der Bilberrahmer fort. Drei Feinde waren eS in erster Linie, welche den Bestand dieser herrlichen Ausstattungsstücke unserer allen Kirchen bedrohten: Die Feuchtigkell, der Wechsel von Wärme und Kälte und der Holz­ wurm. DaS warm die natürlichm Feinde sozusagen. 2tber auch der Mmsch selbst hatte mit

seinem Bedürfnis, die überkommmm Werke seinem Geschmack anzupassm durch Umge­

staltung und vor allem Übermalung, bewußt ober unbewußt zur grunblegenbm Verände­

rung des AmlitzeS dieser Zmgnisse beS künstlerischm SchaffmS unserer Vorfahrm beigettagm. ES wäre falsch, nun hier mit richterlicher Kritik sich zu wappnen. Vllle von

biesm Umgestallungm und Veränderungen sind ganz gewiß in der bestm Meinung und

zuweilen auch auS einem sehr lebendigen künstlerischen Betätigungsdrang, der sich die

alten Dinge immer erneut zu eigen zu machen suchte, geschehen. Die Auffassung, baß die

alten Kunstwerke als geschichtliche Urkunden für baS Schaffen vergangener Jahrhunderte

zu gelten haben, und baß an ihnen also auch keinerlei Veränderungen ihres ursprünglichen Aussehens vorgenommen werben dürfen, ist erst das Ergebnis beS geschichtlichen 19. Jahr­

hunderts. Unsere heutige Denkmalpflege ist das Kind der Romantik, welche uns ja plötzlich wieder baS Mittelalter nahebrachte. Und im ganzen übersehen, wirb ja auch für unsere heutige Denkmalpflege noch die treue Bewahrung der Ursprungsgestalt unserer geschicht­

lichen Kunstwerke als oberstes Gesetz zu gelten haben. 3m ganzen gesehen. Denn in diese sichere Gewißheit unserer denkmalpflegerischen BegriffSbildung sind ja, was nicht ver­

schwiegen werden darf, im Laufe der Zeit doch recht erhebliche Einbrüche erfolgt. Gerade auS der unmittelbaren Praxis der Pflege alter Bauten und Kunstwerke wissen wir nur

gar zu genau, baß baS Ziel einer rein konservawrifchen Behandlung häufig nur die Marsch­ richtung angeben kann. Denn ein völliger Verzicht auf jegliche Ergänzung und ihre Ver­ urteilung als unzulässig« Zutat kann in manchen Fällen zu einem unerträglichen Gegen­

satz zwischen dem innersten Wesen eines Kunstwerkes und seiner Wirkung in einem der­

artig ruinenhaften Zustande führen. In manchen Fällen. Denn wir haben gelernt, jeder Fall liegt verschieden und erfordert an Stelle eines bequemen Schemas immer wieder neues Nachdenken und «ine Besinnung darauf, wie gerade dieses Kunstwerk am besten zu er­ halten sei und als treuhänderisches Erbe an unsere Nachfahren weitergegeben werben kann.

Dies war wohl ganz allgemein zu sagen. Wenden wir uns nun gleich zur Sache selbst.

In dem großen Schnitzaltar der Kirch« von Marienborn in der Altmark, einem Werk von 6 m Breite und 3 m Höhe, haben wir im allgemeinen die Grundsätze rein konservatorischer Behandlung mit Bewußtsein zu handhaben versucht. Die Altäre der Altmark be­

stehen fast durchweg aus Eichenholz, und dieses hat durch die Absonderung von Gerbstoff mehr als andere Holzarten die Eigenschaft, baß eS den Kreidegrund, auf welchem bie

Farben und das Gold aufgettagen sind, nur schwer festhält. So hatte sich auch bei unserem Altar bie Verbindung beS Eichenholzes, welches im übrigen vom Holzwurm freizubleiben

pflegt, in einem geradezu erschreckenden Umfang gelöst. Die Fassung, wie wir bie Gemein­

schaft von Kreidegrund und Malgrund nennen, hing zum großen Teil nur noch als lose Haut vor dem Holz. So war eine Abnahme beS Altares von der feuchten Wand, an der er hing, nur unter Vorsichtsmaßregeln möglich. Wir waren gezwungen, bie Fassung in brr

senkechten Lage beS Altares zu kleben, und mußten diesen Vorgang öfters wiederholen, ehe wir in der Lage waren, den Altar von der Wand herunterzunehmen. Aber große Teile

der Fassung waren bereits abgefallen und für immer verloren. Wie Sie auS den beiden Lichtbildern, welche einen kleinen Teü einer einzelnen Figur zur Anschauung bringen, sehen,

haben wir bie fehlenden Stellen der Fassung in diesem Falle nutzt wieder ergänzt, sondern

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uns damit begnügt/ die scharfen Ränder der stehengebliebenen Teile mit einer Böschung auS eingetönter Kreibemasse abzuschließen, damst daS Staubtuch der Küstersfrau die schar­ fen Kanten nicht abreißen kann und baß andererseits auch daS Einbringen der Luftfeuchtig­

keit zwischen Holz und Fassung nicht mehr möglich ist. Blieb so für die Figuren der Grund­ satz strenger Bescheidung mit dem noch Vorhandenen gewahrt, eS sind auch die fehlenden

Symbole und abgebrochenen Hände nicht erneuert worden, so entschlossen wir unS gleich­

wohl für die rahmenden Teile beS Kastens, vor allem auch für den Goldgrund hinter den Figuren und für die architektonischen Bestandteile, die kleinen Säulchen, die reichge­ schnitzten Baldachine, zu einem anderen Verfahren. Denn wenn wir dem 2lltar die not­

wendige Einheit seiner Gesamterscheinung, welche durch daS Fehlen zahlloser kleiner archi­ tektonischer Teilchen stark in Frage gestellt war, sicherstellen wollten, so waren wir ge­ zwungen, ob wir eS wollten ober nicht, diese Teile wieder zu ergänzen, also ganz wie in der

Stifterschen Werkstatt. Eine Gefahr der Verfälschung des vom Künstler geschaffenen Ur­ zustandes bestand dabei durchaus nicht, denn wir hatten ja genügend Anhaltspunkte für

eine gesicherte Ergänzung. Ich zeige Ihnen hier daS Bild von dem Altar, wie er unS aus unserer Werkstatt verlassen hat. Sie finden bestättgt, was ich Ihnen sagte. Die Richtigkeit

unseres Vorgehens dürfte fich daraus erweisen, baß bie Ergänzung ber Rahmen- und Archi­

tekturteile durchaus harmoniert mit ber Nichtergänzung aller figürlichen Bestandteile.

Bei dem Altar von Gröben sind wir auch in letzter Beziehung weitergegangen, well die Art der Zerstörung ber Faltenteile ber Gewandung so erheblich war, baß eS unS nie ge­

lungen wäre, bie doch wohl notwendige Wahrung ber einheitlichen künstlerischen Gesamt­

erscheinung zu sichern. Die Gefahr eines Irrtums bestand für den feinfühligen Restaurator durchaus nicht. Von größter Wichtigkeit war bi« Ergänzung beS feinen Rankenwerks über den Figuren. Denn bie künstlerische Lebensfähigkeit ber in den Kasten gestellten Figuren

hängt in hohem Maße von diesen bie vordere Raumzone des Kastens begrenzenden Schnitze­ reien ab. Auch hier hatte ber Restaurawr wenn auch wenige, so doch unbedingt sichere An­

haltspunkte für das frühere Aussehen. Zu betonen ist noch, baß alle an Figuren vorzu­

nehmende Ergänzungen sich streng auf bie Fehlstellen beschränkten. Kein Lluadratmillüneter alter Fassung bars bei dem redlichen Bemühen zu Grunde gehen. Noch eingreifender war

die Wiederherstellung des Altars von Göhlitzsch. Hier war die ursprüngliche Gliederung des dreiflügeligen Schreines aus nicht mehr erkennbaren Gründen vollständig zerstört worben. Die Figuren waren mit chrem golddamaszierten Hintergrundbretlern in einen ein-

hestlichen Kasten von geringerer Tiefe zusammengeschoben worben. Alle architektonisch gliedernden Teile warm vernichtet worbm. Ich möchte nicht zweifeln, baß wir mit ber Wiederherstellung ber ursprünglichm Gliederung bm richtigm Weg gegangen sind. Während in dem vorherigm Beispiel Anhaltspunkte für die feinen Schnitzerelm über bm

Figurm erhaltm warm, warm diese Teile in Göhlitzsch restlos beseitigt. Zu einer histori-

97 sirrenden archäologischen Rekonstruktion konnten wir und nicht entschließen. ES konnte sich also nur um eine freie in Zurückhaltung sich anpaffende Neuschöpfung handeln').

Bei diesem Altar war die alte Fassung der Figuren gut erhaüen, und wir konnten uns im weseMlichen auf eine Reinigung vom Schmutz beschränken. Ähnlich lag der Fall bei

dem Dreiflügelschrein in Schkopau b. Merseburg in Bezug auf die Ergänzung der feinen

Vorhangschleier. Doch hier hatte durch einen späteren Überzug von Lack und die durch ihn hervorgerufene Oberflächenspannung die Fassung stellenweise gelitten/ wie Sie an

dem Büde deutlich sehen. Aber wieder habe ich alle Veranlassung, darauf hinzuwessen,

baß bei der Ergänzung der fehlenden Teile der Fassung darauf gesehen wurde, baß jeden­

falls von der alten Fassung nichts geopfert wurde. Denn es ist ja leider die Gewohnhett schlechter Restauratoren, nicht baS wenige Neue dem Alten anzupaffen, sondern aus Be-

quemlichkest und vielleicht auch einer gewissen Eigenliebe umgekehrt das Alte dem Neuen anzugleichen, was ganz bestimmt auch wesentlich weniger zeittaubenb ist. Wir haben leider

genügend Beispiele für ein solches Verfahren, durch welches wertvolle Kunstwerke der Vergangenheit für alle Zeit vernichttt worben sind. Von einem Schnitzaltar von Schul­ pforte war nur die Figur einer Muttergottes erhalten geblieben, noch dazu in einem durch die Tätigkeit des Holzwurms stark angegriffenen Zustand. Der Tättgkeit dieses vielleicht gefährlichsten Feindes der alten Bildwerke aus Holz, der gerade in dem weichen Linden­

holz sich wohnlich einzurichten pflegt, ist es auf Rechnung zu setzen, baß sich das Kind aus dem Arme der Mutter gelöst hatte. Nach dem Bisherigen brauche ich zu dem, was wir zur Erhaltung des Bildwerkes getan haben, nichts Wetter hinzuzufügen. Die Holzsubstanz

war durch den Wurm so zerstört worben, baß eine Festigung der zermürbten und zum großen Teil nur noch auS Holzmehl bestehenden Figur notwendig war. Über bas dabei

angewenbtt« Verfahren möchte ich hier nur Weniges sagen. Wesemlich bei der Behandlung

ist, daß sie durch Verwendung geeigneter Stoffe zu einer Festigung und Härtung der Substanz fühtt. Man kann dazu Harze nehmen, aber nur solche, die keine verdunkelnde

Wirkung auf baS Holz ausüben ober Zellulose, welche aber wiederum nicht ganz über die

härtenden Eigenschaften verfügt wie baS Harz. Diese Dinge erfordern ein eigenes, sehr vielseitiges und aus langer Erfahrung erwachsendes Wissen beS Restaurators. Bei solchen

Figuren, bei denen die Fassung nicht mehr erhalten ist, und also baS nackte Holz zutage tritt, wtrb die Festigung mit Zellulose aus alle Fälle das Gewiesene sein. Bei dem Vesperbild in Friedrichslohra, dessen bildhauerische Feinheüen durch einen

dicken grauen ölfarbenanstrich verwischt worben waren, mußte, um dem lebendigen kulti­

schen Wert des in einer katholischen Kttche stehenden Stückes gerecht zu werben, eine Er­ gänzung beS rechten ArmeS vorgenommen werden. Äm übrigen ist die vollkommen fehlende ■) Übet bad Grundsätzliche dieser gewiß nicht ganz einfachen Frag« werd« ich gelegentlich in der Zeit­ schrift für Denkmalpflege Stellung nehmen.

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/, Jahr gebauert, bis wir die Tafel soweit hatten, wie Sie sie auf dem Bilde rechts sehen, auf dem auch bereits die dicke Schmutzschicht z. T. verschwunden ist, welche

das Bild im Anfang so bedeckte, baß nicht viel von der Malerei zu sehen war. Sm ganzen erwies sich die Sache längst nicht so schlimm, wie man zu Beginn hätte annehmen können.

Bis auf die tatsächlichen Fehlstellen war die ganze übrige Malerei musterhaft erhallen. ES war also anders als in so vielen Fällen, wo die Malschicht gllichmäßig gelitten hat. Deshalb

konnte eS bei der Naumburger Tafel auch keinem Zweifel unterliegen, daß die Fehlstellen

in sorgfältiger Weise zu ergänzen waren, wobei wieder selbstverständlich der Grundsatz ver­ folgt wurde, baß die Ergänzung sich nur auf die tatsächlichen Fehlstellen beschränke. DaS

ist auch von Restauratoren mit berühmten Namen durchaus nicht immer geschehen, wofür wir z. Zt. in der Werkstatt ein recht abschreckendes, wenn auch berühmtes Beispiel haben.

Ferner wurden die ergänzten Stellen um einen kaum merkbaren Farbton heller gehalten als die übrige Malerei, so baß für den scharfen Beobachter sich die neue von der allen Ma­

lerei genügend abhebt, ohne allerdings die farbige Gesamtwirkung im mindesten zu beein-

102 trächtigen. Wenn Sie scharf Hinsehen, können Sie auch auf dem Lichtbild die neuen Stellen

erkennen. Sollten spätere Zeiten einmal der Meinung sein, wir hätten unsere Sache doch nicht gut genug gemacht, so ist eg jedenfalls für jeden Restaurator eine Kleinigkeit, nach

Wegnahme unserer Ergänzungen seine Kunst und sein Stilgefühl aufs neue zu erproben. Als Gegenbeispiel für die Naumburger Tafel möge eine Tafel des Altares in der ThomaSkirche in Erfurt bienen. Hier lag der Fall vor, baß die Fehlstellen sich mehr oder weniger

gleichmäßig als Abschabungen über die ganze Tafel verbreiteten. Zudem war ihre Abgren­ zung für die erhaltenen Stellen der Malerei nicht immer ganz bestimmt. Eine Ergänzung

wäre in diesem Falle einer weitgehenden Neubemalung gleichgekommen. Sie kam also nicht in Frage. Die Tafel wurde gereinigt und die stark herausfallenden Fehlstellen durch bas

Auflegen eines neutralen Tones so zurückgedrückt, daß jetzt doch wieder eine ganz erträg­

liche Gesamtwirkung zustanbegekommen ist.

Solche Schäden, wie sie baS Bild der Mutter mit dem ChristuSkinbe in Faulungen

zeigt, dürften jedem von Ihnen von alten Famüienbilbern her bekannt sein. Durch die starke Risseblldung des Firnisüberzuges reflektiert das Licht nicht mehr so, wie das auf

einer vollkommen glatten Fläche geschieht. Doch ist die Sache nicht so schlimm wie sie auSsieht. DaS Bild wirb rentoüiert, b. h. mit einer neuen Leinewanb hinterklebt. Die Risse und

Beulen werden durch Bügeln entfernt. Ergänzt ist an dem Bilde, wie Sie es auf der rechten Bildseite sehen, nichts.

Ein ganz wichtiges Kapitel ist die Abnahme späterer Übermalungen. ES ist ja eigentlich der häufigste Fall unserer Praxis. An drei Beispielen möchte ich davon berichten. Die großen

Altäre, nicht nur die mittelalterlichen, sondern vor allem auch die schönen Barockaltäre unserer alten Kirchen sind fast immer im Laufe des 19. Jahrhunderts übermalt worden, manchmal farbig, sehr häufig in einem einheitlichen üblen braunen Holzton. Bringt man

solch« Kirche im Innern wieder in Ordnung, bann nimmt in dem Kostenanschlag einen sehr breiten Raum die Instandsetzung der Ausstattungsstücke, also.Kanzel, Altar und Orgel­ prospekt ein. Häufig kostet das mehr als die gesamte übrige Wiederherstellung der Kirche.

Bei unS im EichSfelb war eS zum größten Kummer der Denkmalpflege bisher üblich ge-

wefen, baß solche Wiederherstellungen barocker Alläre in einer zwar technisch gewandten, aber künstlerisch wenig einwandfreien Weise neu staffiert wurden, was der von früher über­

kommene Fachausdruck für Reubemalung und Neuvergoldung ist. Um in einem besonders bezeichnendem Fall ein Beispiel zu geben, wie «S doch eigentlich gemacht werden sollte, haben wir den gewaltigen Altar der Kirche in Gernrobe im EichSfelb in unsere Werkstatt genommen unb haben ihn unter Befreiung von den furchtbaren Olanstrichen der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts wieder in seinen schönen maßvoll farbigen Urzustand zurück­

versetzt, in dem das Gold eine verhältnismäßig geringe Rolle spiest. An dem Bilde sehen Sie, wie festlich heiter und doch wie zurückhallend in der Bewnung seiner Gliederungen

bet Altar jetzt wieder wirkt. Mit welcher Sorgfalt und Genauigkeit die vom Wurm zer­ fressenen und abgefallenen Teile der Schnitzereien unter Bewahrung der noch unberührten

alten Teile ergänzt wurden, zeigt dies Lichtbild.

Dem Ideal konservatorischer Behandlung eines werwollen Kunstwerkes konnten wir uns, weil die Dinge günstig lagen, bei dem berühmten romanischen Schrank im Dom­

museum zu Halberstadt nähern. Der Schrank war auf der Vorderseite mit einer im

18. Jahrhundert marmorierenden Malerei überzogen worben, so daß die alte prachwolle spätromanische Malerei nur noch an wenigen Stellen zutage trat. ES ist uns gelungen, diese Übermalung, die z. T. recht fest saß, wieder abzunehmen und dem Schrank wenigstens

den Abglanz sesner alten Schönheit wieder zu verleihen. Auch hier sage ich wieder ausdrück­ lich, baß Nichts hinzugefügt worben ist. Ferner, baß wir nirgends bei den z.T. recht übel-

wirkenben Fehlstellen der Malerei den Versuch gemacht haben, durch sog. Eintönung der

Fehlstellen zu einer geschlosseneren farbigen Wirkung zu gelangen. In diesem Falle schien

uns auch nur die leiseste Hinzufügung einer die Bilbwirkung unterstützenden Eintönung verdammenswert. Der Schrank wurde behandelt wie eine geschichtliche Urkunde, an der

nichts fortgenommen und nichts hinzugefügt werben bürste, wenn man ihren Wert nicht in Frage stellen wollte.

Wir kommen jetzt zu dem letzten Teil meines Vortrages, in welchem ich Ihnen eine Reihe

von Fällen zeigen möchte, wo das betreffende Kunstwerk in einen so starken Verfall geraten war, baß die Arbeit an ihm einem völligen Neuaufbau gleichkam. Gerade diese Fälle sind es aber, welche in der Öffentlichkeit am meisten beobachtet worben sind. Die Wiederherstel­ lung einer Figur des Laurentius in dem großen Altar der Andreaskirche von Eisleben war eine Wunderhellung im wahren Sinne des Wortes, die wir ebenfalls in unserer chirur-

gsschen Klinik in Halle burchgeführt haben. Sie wirb, glaube ich, manchem von Ihnen durch

frühere Veröffentlichungen in Zeitschriften bereits bekannt sein. Die Kunde von der Wun­

derheilung ist sogar bis ins Ausland gedrungen. Die Lichtbilder mögen Ihnen ganz kurz die Hauptetappen des recht langen Weges von dem trostlosen Schutthaufen bis zur wieder-

vollendeten Statue zeigen. Wie entstand der Schutthaufen? In Eisleben in St. Andreas steht einer der schönsten Altäre, die wir in der Provinz besitzen. Eines Morgens stürzte der

braven Reinemacheftau, als sie in gewohnter Wesse mit ihrem Staublappen die Figur putzen wollte, der Hellige in seiner ganzen Länge in die Arme. Das hätte sehr übel ausgehen können, wenn er noch einigermaßen im Besitze seines vollen Lebensgewichtes gewesen wäre.

2lber die Würmer hatten ihre jahrhunbettelange Arbest getan, und so war baS, waS im Altar stand, in Wahrhell nur noch eine schöne Hülle, welche im wesentlichen auS der Fas­

sung, d. h. auS der Kreidegrundierung und den Farben bestand. Sie werden sagen, daS ist

ja ganz ausgeschlossen, baß in diesem Haufen noch llgendwelche Teile sich befanden, die man zu dem Neuaufbau der Statue hätte verwenden können. Gottseibank war es nicht

104 ganz so schlimm, wie es auf dem Bilde den Anschein hat. Alle Teile wurden auseinanber­ gesucht, geordnet und im einzelnen so verstärkt, daß man mit ihnen arbeiten konnte. Dann

wurden sie am Gerüst zusammengepaßt und aus der Rückseite mit Lemm und Kreibemasse

verbunbm, bis ein fester Stand gewährleistet war. Zuletzt fehltm tatsächlich nur noch we­ nige Teile. Diese wurden plastisch ergänzt und erscheinm im Bilde weiß. Die Ergänzung der Fassung, welche weiter keine Schwierigkeitm bot, schloß bas Werk ab. Damit Sie nicht glaubm, baß wir phantasiert hättm, lege ich Jhnm -um Beweis ein Lichtbild der Figur

vor, als sie noch scheinbar gesichert in ihrem Kasim stand. Ähnlich lag der Fall mit dem Epitaph der Kirche in Huysburg, welche wir vor einigm

Jahrm instanbgesetzt habm. Der Vorgang an sich ist nur einer von vielm. Worin sich aber die Wiederherstellung des Epitaphs von ähnlichm Fällm besonders unterscheidet, ist die

Vorelligkeit, mit der nichtsachverstänbige Hände das wurmzerfressme Epsiaph von der Wand heruMergenommm habm. Es brach ihnm dabei unter dm Händm -usammm, und

waS wir nachher, als die große Kiste in unserer Werkstatt ankam, vorstmbm, war ein großer Trümmerhaufm. Wäre bas Epitaph von sachverständiger Hand geborgm worbm, so hätte

seine Instandsetzung gut 2000 RM. weniger gekostet. ES darf allerdings nicht verschwiegm werbm, daß daS linke Bild nicht ganz dm Tatsachm mtspricht. ES fehlt Einiges auf der

Aufnahme, was vorhanbm war. Eine sehr merkwürdige Angelegenheit war die Instandsetzung von 13 Figuren am Lettner

der Petrikirche in Stendal. Der Chor bildet eine Mustersammlung von Kunstwerkm, die nicht mehr in der altm Zusammmsetzung erhaltm sind. Auf dem Hauptaltar steht heute

ein auS zwei Werkm -usammmgesetzter Schnitzaltar. Aber auch die Figurm, die hmte in dm Nischm der oberm Lettnerbrüstung stehm, sind nicht ursprünglich für diese Stelle ge­

arbeitet. Die Lettnerbrüstung selbst stellt eine spätere Zutat bar. Die klemm Figurm von Christus als Weltenrichter und dm 12 Aposteln habm eine lange Geschichte. Ursprünglich

stanbm sie, wie wir jetzt nach der Wiederherstellung gesehm habm, in zwei Schnitzaltärm auS verschiebmer Zeit, die aber, als man die jetzige Anordnung im Lettner schuf, nicht mehr

vorhanbm gewesm sein werden. Man wirb vielmehr nur noch einzelne Figurm gehabt ha­ bm. Und nun kommt das Lustige. Da man nnt zufällig erhaltmm Heiligm, z. T. weib-

lichm, z. T. männlichm Geschlechts kein einheitliches Programm machm konnte, so unter­

warf man sie einem sehr zweckmtsprechmbm Umwandlungsprozeß. Sie wurbm, auch

wenn sie etwas ganz anderes darsteütm, zu Zlposteln gemacht, bekomm neue Symbole an Stelle der altm, die man entfernte. Um eine äußere Zusammmstimmung für dm neuen

Zweck herzustellm, kam man auf dm Gedankm, sie zu versanbm und sie so zu gleicher Zett der neuen steinernen Umgebung anzupafsm. DaS geschah so, baß man sie zunächst mit einem bickm grauen Hlfarbmanstrich überzog und diesm ttocknm ließ. Ein Anstrich mit

Tischlerleim bildete sodann die Gmnblage für das Sandbad. DaS Verfahrm ist, wie wir

leid« feststellen mußten, mit auß«ordentlich« technisch« Tüchtigkeit geübt worben, beim

es war eine qualvolle Arbeit, bis wir endlich auf die Originalhaut, welche zum Glück noch

z. T. «halten war, stießen. Nun ab« stellte sich h«aus, baß wir eine recht gemischte Gesell­

schaft vor uns hatten. Nach kurzem Entschluß gaben wir b« Richtigkeit die Ehre und stellten die Figuren wird« als das in den Lettn«, als was sie sich nach bet Entsandung entpuppt hatten. Hi« haben Sie die Katharina, die sich als Mathäus ausgegeben hatte. Dem Beob­

acht« ist -war schon vorh« ausgefallen, daß die linke Hand des Apostels die Reste eines

Rabes umklammert. Don dem Schwert b« Helligen war noch d« Ansatz vorhanden, ehe man chr ein Winkelmaß in die Hand gedrückt hatte. Auch das freundliche Lächeln bet Hei­

ligen setzt sich bei dem mit Bart versehenen Apostel noch durch. Das Bild zeigt Ihnen ein anderes Zwitterwesen mit den ihm zu Unrecht v«lirhenen Urkunden sein« männlichen Würbe. Wie sehr die Versandung dem künstlerischen Wert ber Urfiguren geschadet hatte,

mag b« Mrgleich des WeftenrichterS vor- und nachh« zeigen. Um die Figur in die Nische

etnpassen zu können, hatte man aus jedem Arm ein Stück h«auSgeschnitten, was zu dem seltsamen Ergebnis führte, welches das Bild v«anschaulicht. Die fehlenden Stücks bet

Arme mit dem Mantel mußten natürlich «gänzt wetben. Äm ganzen muß man sich wun­ dern, baß nach all diesem die heutige Wirkung bet Zusammenstellung noch so leiblich ge­

worben ist. Wir haben manche Ängste während b« Arbeft burchgemacht. Durch die Neube­ malung des LettrwrS war es möglich, den notwendigen farblichen Zusammenschluß des Ganzen herzustellen. Eine Arbeft, die unS mft Unttrbrechungen etwa zwei Jahre beschäftigt hat, war die Wft-

b«herstellung des bemalten romanischen Triumphkreuzes in d« ehemaligen Zisterziens«kirche zu Schulpforte. ES ist eines bet größten Kreuze, die wft in Deutschland haben, eS

ist 5 m hoch und 3>/4 m breit. Als ich bas Kreuz in völlig verwahrlostem Zustand, LängSund Qu«balkm getrennt und ohne die „«bindenden Kreisbögen, die wft nach den Ansatz­

spuren spät« hinzufügten, in Pforta aufgefunden hatte, »«anlaßte ich sofort bft einstwei­ lige Sicherung b« sich in voll« Auflösung befindenden Telle b« Fassung. Uns« Restau­ rator, Herr Leusch, befestigte dft lose hängenden Leinenfetzen, wft Sie es auf dem Bilde

sehen und sicherte bft auf dem Leinen noch befindlichen Teile bet wertvollen Malerei. An bft Möglichkeft, baß baS Kreuz wirb« als fchmucklich und kultisch werwoll« Bestandteil in den Kirchemaum organisch eingegliebert w«ben könnte, daran wagte damals noch kein« von unS zu glauben. Erst bft sorgfältige Untersuchung beS Kreuzes in uns«« Werkstatt bereitete allmählich den Boden zu unserem Entschluß, baS geschichtlich so denkwürdige

Stück dem Kirchenraume zu «haften. Dft Instandsetzung erfolgte deshalb so, baß, ohne dem Bestand bet nur in geringen Resten «Haltenen Mal«ei Gewaft anzutun, eine dekorativ geschlossene Wirkung b« beiden Büdseüen beS Kreuzes angestrebt wurde. Sämtliche Rän-

b« wurden mit neu« Fassung versehen, welche in b« Farbe eines alten P«gamenteS «in-

io6 getönt wurde. Hierdurch und bank seiner monumentalen Gesamtform wirkt baS Kreuz

heute trotz seines in der Malerei fragmentarischen Zustandes harmonisch und selbstverständ­

lich und gibt vor allem dem langen sonst wenig gegliederten Raume einen rhythmischen Einschnitt von wohltuender Bestimmtheit. Die Stelle, an der eS jetzt hängt, wurde durch praktische AuSprobung ermittelt, und eS ist wohl kaum ein Zufall, baß die Stelle diejenige ist, wo früher der Lettner gestanden hat. ES hängt somit vermutlich an seinem ursprünglichen Platz. Auf der Rückseite sind nur so geringe farbige Reste erhalten, -aß sie alS Ausgangs­

punkt für eine Instandsetzung trotz chrer guten Erhaltung nicht in Frage kommen. Deshalb wurde die ganze Fläche mit neuer, abgekämpfter Goldfassung überzogen, in welcher die we­ nigen Farbstellen unberührt erhalten blieben.

Der letzte Fall, von dem ich Ihnen heute erzählen möchte, ist die Wiederzusammensetzung von Bruchstücken der steinernen Muttergottesfigur des Naumburger Meisters in der kleinen

Dorfkirche zu Horburg zwischen Merseburg und Leipzig. Das Wissen von dem ehemaligen

Vorhandensein einer Muttergottesfigur in der Horburger Kirche war in der örtlichen Über­ lieferung lebendig geblieben, wohl vor allem durch den Kopf der Statue, der, mit dem Ge­

sicht nach außen gekehrt, auf der Rückseite des Altares sichtbar war. Der Fund der Bruch­ stücke ist merkwürdig genug, um erzählt zu werden. An der Instandsetzung der Kirche nahm

damals der elfjährige Junge des Ortspfarrers sehr lebhaften Anteil. Eines Tages plagte ihn die Neugierde, waS es wohl mit dem rätselhaften Kopf aus der Rückseite des Altares für eine Bewandtnis haben könnte, und er wandte sich mit der Bitte an den Bauleiter, man möchte doch einmal in dem Altar nachsehen, ob nicht vielleicht auch der übrige Körper, zu dem der Kopf gehörte, noch in dem Altar vermauert wäre. Es wurde nachgesucht, und die

Vermutung des Jungen fand sich bestätigt. AlS man den Altar abbaute, hoben sich immer mehr lehmumkletdete Steine heraus, die erkennen ließen, baß man mit ihnen den Kopf der

steinernen Muttergottes zum vollen Körper ergänzen konnte. WaS nach dieser Bergung zurückblieb, das war nur ein dünner Zlltarumriß, bestehend aus Backsteinen. Sie sehen auf

dem Lichtbild die bereits ordentlich zusammengefügten Teile der Figur. Der Meißel des Maurers, der auf Veranlassung des Ortspfarrers am Ende des 17. Jahrhunderts die Bild­ säule, weil man noch immer Aberglauben damit trieb, zerstörte, hat zwar vieles für immer vernichtet. Gleichwohl ist auch so noch möglich gewesen, die kostbaren Bruchstücke wieder zusammenzusetzen. ES geschah dies unter Leitung unserer Werkstatt durch den Bildhauer

Christian Schmidt in Halle in der Weise, baß bie Stücke mit Hilft von sorgfältig eingekit­

teten Bronzestiften verdübelt und die Bruchstellen durch einen geeigneten Steinkitt ver­ gossen wurden. Auf bie Ergänzung der fehlenden Teile wurde selbstverständlich verzichtet.

Um bie FMstellen als solche erkennbar zu machen, wurden sie um etwa

cm gegen die

originale vordere Fläch« zurückgesetzt. Wir haben bie Statue bann in der Kirche so aufge-

stellt, wie es das Lichtbild zeigt, in unmittelbarer Nähe und in Beziehung zu dem Zlltar,

auf dem sie wohl einst stand und in dem sie zweieinhalb Jahrhunderte verborgen gelegen

hatte. Eine Fortnahme des Standbildes aus der kleinen fern von jedem Verkehr liegen­ den Dorfkirche und seine Berbringung in ein zentral gelegenes Museum hat für uns nie zur Erörterung gestanden. Das verbot schon allein die enge geschichtlich« Verbindung der Statue mit dem ehemaligen Marktorte, dessen Anziehungspunkt die wundertätige

Statue jahrhundertelang gewesen war, und mit der auch noch in protestantischer Zeit zum großen Ärger der Geistlichen Aberglauben getrieben wurde. Aus diesem Grunde ist sie ja bann auch zerschlagen worben. Aber auch die Bergung der zertrümmerten Reste in dem Körper des Altares ist kulturgeschichtlich denkwürdig genug und erinnert an die Bestattung der Koren des Erechtheion durch die Priester. Das Sichtbarlassen des Kopfes

aus der Rückwand beS Altares ist jedenfalls aus einer gewissen magischen Scheu her­ aus erfolgt, auS einer seelischen Einstellung, die das 2llte zerstörte, ohne sich innerlich von ihm lösen zu können. Die Figur war übrigens, wie wir durch mikroskopische Unter­

suchung festgestellt haben, durchweg sehr reich farbig bemalt. Damit sind wir am Ende meiner Führung durch unsere Werkstatt angelangt. Ich darf an all«, die dazu angeregt fein

sollten, die Bitte richten, uns gelegentlich in Halle aufzusuchen.

DIE ALTSTADT-SANIERUNG A. ALTSTADT UND VERKEHR Architekt Wilhelm Heilig, Berlin: Wer die olympischen Spiele in Berlin besuchte,

erinnert sich des Festschmuckes „Unter den Linden". Hier zeigte baS Deutschland von heute

jene köstlichen Schätze kultureller Eigenart, die uns als sogenannte „Altstädte" bekannt sind. Deren Hervorheben an bedeussamster Stelle des festlich geschmückten Berlin läßt die Wertschätzung erkennen, die das Dritte Reich den Zeugen vergangener deutscher Baukultur

entgegenbringt.

Erwachter Gemeinsinn bettachtet überkommenes Kulturgut als Gemeinschaftsbesitz, als Volksgut, auch bann, wenn die einzelnen Häuser als Teile alter Städte in Privateigen­

tum sind. Besitz verpflichtet und daher ist die Frage der Erhaltung des der Gegenwart zu treuen Händen übergebenen Nachlasses von ganz besonderer Bedeutung.

Lassen unsere Altstädte sich erhalten? — Die Frage taucht mit Recht auf, anbettachtS der

VerkehrSforberung der Gegenwart. Man kann die Frage mit Zuversicht bejahen unter be­

stimmten Voraussetzungen. Erste Voraussetzung ist Verständnis und Achtung vor der Väter Erbe. Weber die nord­

ostdeutsche Kolonialstabt (deren größtes und schönstes Besspiel BreSlau ist), noch die westunb sübdeussche Altstadt sind in ihrer Anlage auf den Kraftwagenverkehr zugefchnitten.

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Da aber fast ausnahmslos die geschichtlich wertvollen Teile unserer Städte Herz und Mit­ telpunkt auch der größten Gemeinwesen geblieben sind, pulsiert in ihnen baS stärkste Leben.

Eingriffe in chren Baubestand sind daher an der Tagesordnung. Gewiß bedarf fast jede Altstadt einer Auflockerung, über diese Tatsache ist sich der Denkmalpfleger ebenso klar wie

der Hygieniker und der Soziologe. Denkmalpfleger und Städtebauer müssen aber, wollen sie Treuhänder wertvollen Kulturgutes sein, alles aufbieten, um Eingriffe zu verhindern, die nur verkehrstechnischen Zwecken bienen.

Achtung vor der Väter Erbe läßt den Kraftfahrer vom Durchqueren der Altstadt Ab­ stand nehmen, wenn ihm Gelegenheit geboten ist, die an Ausdehnung meist recht kleine Fläche der 2lltstadtteile zu umfahren. Doch hier beginnen die Schwierigkeiten. Der Kraft­

fahrer muß durch die Stadtmitte überall da, wo andere Möglichkeiten für ein Durchfahren fehlen. Sie fehlen fast ausnahmslos. Der Kraftfahrer muß bis zur Stadtmitte als dem

Geschäftsmittelpunkt vordringen, will er seine Geschäfte erledigen; denn in fast allen alten Häusern des Stabtinnern — und wären sie noch so werwoll — sind im Laufe der letzten

Jahrzehnte Läden o. ä. eingebaut worden. Nicht zu leugnen ist daher, baß die Schönheit und die Geschloffenheit der Straßen- und Platzbilber durch baS Bauwesen beS 19. Jahr­

hunderts und der Folgezeit starke Einbuße erlitten haben. ES sind Fehler begangen worden, die unersetzliche Kulturwerte vernichteten. Wohl hat die Denkmalpflege längst ihr Augen­

merk auf die Wahrung der städtebaulichen Zusammenhänge gerichtet, doch sie war gewiffer-

maßen in eine 2lbwehrstellung gedrängt. Sie mußte sich mehr und mehr auf die Erhaltung einzelner, besonders werwoller Bauzeugen beschränken, chre Forderungen mußte sie den

Forderungen beS Alltags unterorbnen. Wie wichtig die Wahrung der Zusammenhänge ist, dafür liefern Städte wie Nördlingen, Dinkelsbühl, Nürnberg, Besigheim, Soest, Lübeck, Rostock, Münster u. a. den Beweis.

Soll der Charakter einer Altstadt — unbeschadet der Notwendigkeit hygienffcher Maß­ nahmen — gewahrt bleiben, so muß der DerkehrSttchniker die Forderungen beS Städte­ bauers und der Denkmalpflege in wett höherem Maße berücksichtigen als bisher. Sind Opfer an Bausubstanz erforderlich, so sind sie da zu nehmen, wo keine Kulturwerte zerstört

werben können, — am Rande der jewelligen Altstadt. Hier sind Eingriffe, Straßendurch­ brüche usw. durchaus willkommen, well durch sie begangene Fehler städtebaulicher Art

behoben werben. Ringstraßenanlagen, dem Verkehr von heute angemessen, trennen, sind

sie gut geplant, btt Altstadt von jenem Zuwachs, der am wenigsten erfreulich im Stadtbilde sich auSwirkt. Sie gebieten, je nach dem Flächenausmaß der Altstadt, dem Kraft­

wagen vor wetterem Vorbringen in den Altstabtkern Hatt, ober sie erlauben ihm, von hier auS durch eine bescheidene Einbahnstraße bis zur 2lltstabtmitte vorzudringen. Der einzelne Fall, die örtlichen Verhältnisse entscheiden bei der Planung und bei den VerkehrSmaß-

nahmen. Meist ist dtt Entfernung vom Mtttelpmckt zum Altstadttanb gering — Kinder-

wagcnentsermmg —, und hier setzt daS bereits geforderte Verständnis/ die Achtung vor

der Väter Erbe ein. Sie muß dem Kraftwagenführer nahelegen, baß er hier selbst ohne Polizeivorschriften Halt machen, zumindest stch den Einschränkungen fügen muß.

Wie rasch ist der Durchbruch durch eine Altstadt geplant und burchgeführt! Immer wie­ der im Hinblick darauf, baß die Altstadt daS Zentrum beS Geschäfts lebens ist, sind die Bodenpreise so, baß an die Stelle alter Bauzeugen neue Geschäftshäuser treten. Ein Miß­

klang ist in diesem Falle mit Sicherheit zu erwarten. All jene Städte haben die beste Aus­ sicht, die Eigenart ihrer alten Stadtteile zu bewahren, die in weiser Voraussicht aus Wall

und Graben einst Grünanlagen machten. Selbst wenn Teile dieser Grünanlagen dem Ver­

kehr zum Opfer fielen, find die Eingriffe in den Baubestanb aus dem 19. und 20. Jahrhun­

dert sehr viel besser zu verschmerzen als da, wo die 2lltstabt in unmittelbarer Berührung mit dem Bauwesen der vergangenen Jahrzehnte steht. Wir haben zu wählen zwischen altem Kulturwert, den wir vorerst und wohl für immer nicht ersetzen können und dem Opfer an

Bauten ohne jeden Kunstwert, für die nur der Rechenstift und die RentabilttätStabelle in Betracht kommt. ES wirb Aufgabe der einzelnen Stabwerwaltungen fein, durch Planungen auf weite

Sicht den Belangen des Verkehrs sowohl wie denen der Hygiene gerecht zu werben, ebenso aber die Altstädte so zu berücksichtigen, baß an den Resten, die uns verblieben sind, nicht

wetter abgebröckelt wttb. Planungen auf wette Sicht sind aus dem Grunde notwendig,

weil wtt unter vollständig veränderten Gesichtspunkten künftig an den Um- und Ausbau unserer Städte herantreten müssen. Wtt können die Forderungen, btt der Verkehr an uns

stellt und stellen wttb, unmöglich innerhalb weniger Jahre, ja selbst nicht innerhalb weniger Jahrzehnte, burchführen. Daran hindert uns das Häusermeer, daS jede Altstadt umklam­

mert; daran hindert uns der Fehlausbau fozwlogischer Art, den daS 19. Jahrhundert und die Folgezett begangen haben. Äm alten Breslau z. B. waren btt Kaufläden eng zusammen-

gebrängt auf den heutigen sogenannten „Ring". Dtt Bürgerhäuser waren von Labenein­

bauten verschont geblieben und hatten daher jene Harmontt, btt wtt heute noch bestaunen. Da baS Bauwesen beS 19. Jahrhunderts und bet Folgezett es nicht verstanben hat, baS ge­ waltige Anwachsen unserer Städte in Gemeinwesen eigenen Charakters aufzufangen,

legten sich Häusermassen unorganisch um den vorhandenen Stadtkern, um dtt heutige 2llt-

stabt. Nur so ist eS zu erklären, baß btt Altstadt von heute Verkehrs- und GeschäftSmittel-

punft geblieben ist. Mtt einer Dezenttalisatwn muß gleichzettig angestrebt werden, btt Häufung von Ge­

schäften in den Altstadtteilen zu unterbinden. Gesetzlich sollte festgelegt werben, baß wei­ tere Ladeneinbauten usw. in bisher noch unversehrtem alten Baubestanb unterbleiben müs­ sen. Unter allen Umständen muß angestrebt werben, baß eine allmähliche Abwanderung

von Geschäftsunternehmungen auS der Altstadt erfolgt.

HO Dem Verkehr der Altstadt erträgliche Ausmaße geben, heißt die Altstadt und ihren Cha­

rakter «hasten. Alle hygienischen Maßnahmen sind durchaus erwünscht. Sie können nur in Ausnahmefällen mit den Forderungen des Verkehrs in Einklang gebracht werben. Er­

innert sei hi« an baS sogenannte AuSkernen d« Baublocks, b. h. an das Entfernen allzu dicht gedrängt« Hinterhäuser. Sind Eingriffe in den Bestand ein« Altstadt nötig, so wirb

man prüfen müssen, ob eS nicht bester ist, einzelne Baublocks zu entfernen, bevor Straßen­ durchbrüche zur Durchführung kommen, die den Gesamteinbruck fast ausnahmslos nur schäbigen können.

B. ALTSTADTSANIERUNG UND DENKMALPFLEGE Baurat Dr. Vogts, Köln: WaS ist die ganze Arbeit deS Denkmalpflegers anderes als Sanieren und welches Denkmal ist sein« Sorge bedürftig« und würdig« als die

Stabt, baS Denkmal völkstcher Geschichte und bewußten Gemeinschaftsgeistes, in ihr«

Gesamthest und ihren Einzesteilen? Zlltstabtsanierung und Denkmalpflege sind nicht, wie

eS in den Erörterungen darüber zuweilen anfangs schien, Gegensätze, sondern sie ergänzen und bedingen sich gegenseitig. Ihre Zusammenarbeit war besonders in ein« Stabt von so geschichtlichem Gepräge wie Köln erforb«lich unb auch von Anfang an gesichert. Hat uns soeben Herr Architekt Heilig an dem Beispiel BreSlauS die Beziehungen zwischen 2lltstabt-

sanierung unb Verkehrsregelung dargestellt, so möchte ich Ihnen nunmehr an dem Köln« Fall die Beziehungen zwischen Altstadtsanierung unb Denkmalpflege schildern, nicht als

ein Must«, da die Verhältniste in jedem Ort verschieben liegen, ab« als ein Beispiel, unb

dabei gelegentlich auf ähnliche Verhätniste in anderen westdeutschen Städten Hinweisen. Beispielhaft ist schon die geschichtliche Entwicklung der Köln« Altstadt, insbesondere deS für unS in Betracht kommenden Rheinviertels, im 19. unb so. Jahrhundert. DaS schöne

Stadtbild Kölns von Anwn Woensam vom Jahre 1531 zeigt uns baS Viertel in sein«

Blüte im Anschluß an den regen Verkehr auf der Rheinstraße. Gegen End« deS 18. Jahr­

hunderts setzte bereits durch das allmähliche Verschwinden des Köln« Stapelrechts ein Rückgang ein, der ab« zu Anfang deS 19. Jahrhunderts durch die Bedeutung deS Dampf­

schiffs unb Fremdenverkehrs wieder ausgeglichen wurde, durch den baS Viertel insbeson­ dere der gegebene Platz für Gaststätten jeden Ranges wurde. Als sich dann ab« durch die Eisenbahnen dies« Verkehr nach den Bahnhöfen unb anschließenden Straßen verzog, be­ gann die LeibenSzeit deS Viertels, dessen wirtschaftliche Bedeutung noch weit« sank durch den Bau der Rheinbrücken, wie wir regelmäßig neben den Brückenrampen liegende Straßen­

viertel in chr« Verkehrs- unb GeschäftSbebeutung h«absinken sehen. Gleichzeitig mit die­ sem Rückgang setzte ab« infolge deS Zwanges b« Festungseigenschaft Kölns eine intnt«

stärkere Verbauung der Höfe unb Freiräume ein, die zu so lichtarmen Gaffen und Hinter­

höfen führte, wie ich sie Ihnen im Bilde zeige. ES ist begreiflich, baß baS Viertel, als eS

III nun zum Bau einer Neustadt und weiträumiger, gut mit der Innenstadt verbundener Vor­

orte kam, von den zahlungskräftigeren Bewohnern verlassen wurde. An ihre Stelle schoben

sich mehr und mehr unsaubere Elemente, denen die Enge der Bebauung nur erwünscht war, und eS entstand nun eine unselige Wechselwirkung zwsschen dem Zustand der Bauten, an denen sich Unterhaltungskosten nicht mehr lohnten und deshalb jahrzehntelang unterblie­

ben, und der WirsschaftSkraft ihrer Bewohner.

Um baS Jahr 1900 versuchte man durch einen Wettbewerb für «ine neue Rheinufer­ bebauung dem übelstand abzuhelfen, für die Zeit bezeichnenberwesse jedoch nur dadurch, baß man eine neue Fassade davorstellen wollte, ohne die Ursachen beS Übeln Zustandes zu

beseitigen. Diese Aktion erwies sich denn auch als ein Fehlschlag — denn es wurden nur zwei Eckbaugruppen hergestellt, obwohl sich die Stabt damals in wirsschaftlicher Blüte

befand und eS ihr wahrlich nicht an Baueifer mangelte. Wir freuen unS heute darüber, denn die damals auSgefühtten Bauten sind mit ihrer historischen Spielerei gerade eine Beein­

trächtigung der historischen Bebauung und beS HauptbenkmalS, beS prächtigen ChorbaueS von Groß St. Martin geworben. Aber auch der Vottrag von Bonatz auf dem DenkmalStag in Köln, der uns mit seinen Vorschlägen für die Domumgebung so gute Anregungen gab, brachte für baS Rheinviertel nicht viel Anderes als Vorschläge für eine neue Rheinfassade.

Wir glauben ihm auch darin nicht folgen zu können, baß bi« vordere Häuserreihe verschwin­

den und die nächste Häuserreihe beS Buttermarkts damit an die Rheinfront rücken soll. Dadurch würbe dem Buttermarkt der Charakter als enge Altstabtstraße, der an chm auf­

wachsenden, für die Kölner Bauweise so außerordentlich typischen Häuserreihe mit ihren Überhängen ein großer Teil ihrer Wirkung genommen, ohne baß eine wesentliche Verbesse­

rung erzielt wäre. Wir glaubten vielmehr, daß eS der richtige Weg sei, die Ursachen beS Ver­ falles zu erfassen und nach Möglichkeit aufzuheben und auszugleichen, gewissermaßen in umgekehtter Richtung: Zunächst die baulichen Verhältnisse zu verbessern, die unsauberen

Elemente der Bewohnerschaft zu entfernen, eine neue und möglichst kaufkräftigere Be­ wohnerschaft zuzuziehen und damit wieder in Wechselwirkung dem Viettel eine neue wirt­ schaftliche Grundlage zu geben. Und daS war schon notwendig mit Rücksicht auf die zwi­

schen den neuen asozialen Bewohnern auSharrenbe bodenständige Bevölkerung, die uns ein

besonders werwoller Bestandteil Kölns von ausgeprägter Eigenart zu sein scheint und die

durch den Markt- und Rheinverkehr an diese Stelle gebunden ist. ES ist ja auch fast rührend, wie diese Bewohner beS Viertels trotz allem an ihm hängen und sich bott so wohnlich wie möglich eingerichtet habm, wie sie zum Beispiel zwischen den hohen grauen Mauern ein freies Stückchen Erbe zu einem sogenannten Gatten ober gar zu einer Laube für ihre Kin­

der benutzten.

Jeder Stadtteil muß natürlich in Zusammenhang mit dem ganzen Stadtplan gesehen werben. Beim Rheinviettel war aber durch seine Verbindung mit zwei auf absehbare Zeit

112

wahrscheinlich nicht zu einer Lösung gelangenden Problemen, der Umgestaltung der Dom­ umgebung und der Neugestaltung des Heumarkts, ein Handeln verhindert worden, bas bringend notwendig war, um dem sozialen, wirtschaftlichen und baulichen Berberb dieses Kernstücks der Stadt Einhalt zu tun. Hier war entschlossenes Handeln nötig, wie es bas

Kennzeichen und Verdienst des nationalsozialistsschen Staates und seiner Männer ist, bas

hier wie schon in manchen anderen Fällen auch der Denkmalpflege zugute kommt. Das nunmehr zur Sanierung gelangende Rheinviertel ist nur ein Tell eines sich auf fast

die ganze Altstadt, einige Vororte und sogar einige Teile der Neustadt erstreckenden größeren Programms, aber der aus sozialen, wirtschaftlichen und künstlerischen Gründen vordring­

lichste, der auch von Verkehrsrückschten am leichtesten ablösbar war. Aus dem Rhein­ viertel wurde wieder mit Rücksicht auf die beschränkten Mittel der sanierungSbebürstigste

Teil, baS heißt die auf diesem Plan bezeichneten sieben Häuserblöcke, ausgewählt, und

dieser Teü ist zunächst in Ausführung begriffen. Vorbereitet wurden die Arbeiten bereits fett 1927 durch den städtischen Konservator, der damals bereits auf chre Notwendigkeit hingedrängt und, soweit seine Mittel es erlaubten, die Häuser deS Viertels photographisch und zeichnerisch ausgenommen und eine Kartei mit

Vermerken über den Bauzustand, die Bewohnerschaft, die historischen Werte hergestellt

hatte, die Kartei in demselben Sinne, wie sie unS auf dem Denkmalstag in Kassel durch Herrn Dr. Zimmermann aus Frankfurt für diese Stabt bargestellt wurde. Eine solche Kar­

tei hat allerdings begrenzten Wert, insofern sich die Verhältnisse in den Häusern sehr schnell

verändern. ES mußten denn auch in Köln zu ihrer Kontrolle und Ergänzung erneute Be­ sichtigungen der Häuser durch die städtischen Sachverständigen «folgen. Aus dieser Grund­ lage wurden bann Übersichtspläne hergestellt, die den Bauzustand (durch verschiedene

Schraffur), den Denkmalswert in mehreren Abstufungen, die als störend empfundenen Bauten, die Stockwerkszahl und die bisherige Benutzung, z. B. die Lage der Werkstätten und bcr mit Gastwirtskonzessionen bedachten Häus« angaben. ES wurde bann ein Vor­

entwurf für die Sanierungsmaßnahmen aufgestellt, bcr die Erhaltung der beiden nach dem Rhein zu gelegenen Blockreihen und die Auslichtung d« beiden großen Blöcke nach

dem Heumarkt zu vorsah, und ein Wettbew«b unt« den Köln« Architeften ausgeschrieben, b« im wesentlichen das Ergebnis hatte, baß « die Richtigkeit des städtischen Vorentwurfs

bestätigte. Dies« ist denn auch die Grundlage für die weiteren Maßnahmen geblieben. Diese werden zusammenfassend vom Städtebauamt unt« Leitung des Baudirektors Arntz und auf Grund regelmäßig« Besprechungen mit den übrigen Dienststellen, barunter

auch der städtischen Denkmalpflege bearbeitet. Bauherren sind die Eigentüm«, jedoch aus Grund von V«hanblungen üb« die Finanzierung und Baugestaltung und von Verträgen üb« Zuschüsse und Darlehen, die bet Stabt auch Einfluß auf die künftige bauliche Gestal­

tung einschließlich d« Reklame und eine Kontrolle bet künftigen Benutzung und Der-

HZ mietung gewährleisten. Den Bauherren werden städtischerseits als Architekten die Preis­ träger beS Wettbewerbs empfohlen, ohne baß diesen damit ein Monopol eingerämnt wurde.

Daß unsere Altstadt, obwohl in ihrer Einheitlichkeit durch Neubauten stark gestört und nicht mehr so reich an Denkmälern wie andere Städte, doch erhaltenswerte Beispiele guter

alter Bürgerkunst besitzt, dafür einige Beispiele: Zunächst die geschlossene Einheitlichkeit

der nordöstlichen Ecke des HeumarktS, die Ihnen zugleich ein Beispiel für die typische Straßen- und Platzwirkung Kölns in ihrer Verbindung mit einer der bedeutendsten Kirchen­ bauten, mit dem Turm von Groß St. Martin, der das ganze Viertel beherrscht, bietet.

Dann mehrere Bilder aus dem Innern der Häuser, dieser Prunktreppe, die jetzt wieder an chrem ursprünglichen Platz versetzt und zur vollen Wirkung gebracht ist, dieser Stuckdecke

und des von ihr beherrschten Raumes, der bislang durch eine drei Meter vor den Fenstern

errichtete rote Ziegelmauer beeinträchtigt war und nun wieder zu einem lichten behaglichen

Wohnraum geworben ist, dieses noch durch eine alte Stuckdecke und sogar die schönen Biedermeierspiegel an den Fensterpfeilern geschmückten Obergeschoßzimmers, das, wie Sie

sehen, als Wäscherei wenig seinem Charakter entsprechend benutzt ist, und anderes mehr. Eine schöne Kölner Diele, die freilich durch ihren Schmuck in Malrosengeschmack stark beeinträchtigt wirb, eine andere aus einem bekannten Kölner Weinrestaurant, in der die

Überladung mit an sich ganz guten Kunstwerken — sie hängen sogar an der Unleransicht des Treppenhauses — die Schönheit der Treppe und des ganzen Raumes kaum noch erkennen läßt. Ich kann Ihnen sagen, baß der Kampf gegen diese Auffassung von der Be­

haglichkeit eines Raumes durch Anfüllung mit Motiven, mit „Reichtum" oft schwieriger ist als der um eine gute Fassade. Wie schön ein solcher typisch-kölnischer Gastraum sein kann, dafür diese zwei Bilder einer allerdings heute verkommenen Bierwirsschaft — es

sind nicht viele Mittel, eigentlich nur Schrubber und Pinsel notwendig, um die alte Behaglichkeit wiederherzustellen.

Die vorzunehmenden Maßnahmen sind dreierlei Art. An erster Stelle steht die Schließung und Entfernung der asozialen Betriebe. An ihrer Stelle sollen gesunde Elemente eingeführt werden, die dem Viertel einen neuen wirsschaftlichen Auffchwung geben können, ungefähr enssprechend der ehemaligen Benutzung des

DirtelS und nach dem Vorbild der in Frankfurt um 1934/25 gemachten Versuche. ES ist

uns auch bisher gelungen, Handwerker wie z. B. Schreiner, Schlosser, Bäcker, ferner Architekten und Künstler und an der Rheinschiffahrt intersssierte Pessonen heranzuziehen

und in dem Viertel seßhaft zu machen, ferner Betriebe, bi« mit dem Fremdenverkehr Zu­

sammenhängen, und Gaststätten, bisseS aber mit einer gewissen Einschränkung, da dem Rheinviertel ein Eigenleben gewahrt bleiben und es nicht zu einem Museumsstück werben

soll. Im allgemeinen ist der Ausbau der Häuser im Erbgsschoß zu Läden und Werkstätten

und in zwei ober brei Obergeschossen zu Drei- bis Vierzimmerwohnungen vorgesehen,

ii4 wobei die tiefen Baugrundstücke in vielen Fällen die Herstellung von Lichthöfen verlangen.

Besonders erfreulich ist es aber, baß auch bereits einige Häuser wieder in ihrem ursprüng­ lichen Sinne als Einfamilienhäuser ausgebaut werden konnten. Andernfalls war mehr­

fach die Verbindung zweier alter Häuser zu einer Wohneinheü nicht zu umgehen, wie dies

sich auch bei anderen Altstadtsanierungen als notwendig herausgestellt hat und im übrigen den baulichen Vorgängen in früheren Jahrhunderten durchaus entspricht, wovon die Häuser selbst noch erzählen. Die zweste und meines Erachtens wichtigste Maßnahme ist die innere Auslichtung zweier großer Blöcke und die Gestaltung der inneren Freiflächen, für deren eine ich Ihnen diesen

Entwurf zeige, der eine Gliederung des sonst zu großen Raumes in zwei Teile, eine um

einige Stufen erhöhte Terrasse, etwa als Kinderspielplatz, und einen Baumplatz mit Sitz­ gelegenheiten vorsieht. Die Auslichtung erfolgte auf Grund des Planes, in dem die Denkmalwerte eingetragen waren, und mit möglichster Schonung derselben. Durch den

Mbruch frei werdende Bauteile werben, soweit sie irgendwelchen Denkmalswert haben, wieder benutzt. So wurde an einem sonst ausdruckslosen Hause in der Friedrich-WilhelmStraße ein schönes Empireportal aus der Nähe als Betonung der Mittelachse angebracht

und dem Straßenbilb bamst ein neuer Schmuck gegeben. Bisher mußte ein einziger wich­ tigerer alter Bau geopfert werben, ein typisches Bürgerhaus vom Jahre 1626, das aber durch Versetzung an eine andere Stelle erhalten werben soll, und zwar in seinem ganzen Organismus, da neben der Fassade auch dieser schöne alte Dielenraum erhaltenswert war,

der künftig wohl nur zu einer Gaststätte benutzt werben kann. Diese Rücksichten auf die

Denkmalswerte sind nicht in allen Fällen genommen worben, so nicht in Aachen, wo man

bei der Planung offenbar von rein wirtschaftlichen, nur für den Augenblick geltenden Gesichtspunkten ausging. Es wäre andernfalls wahrscheinlich möglich gewesen, bei der durchaus notwendigen Verbreiterung der Peterstraße durch etpe Verschiebung der Flucht­

linie an der als ein öffentlicher Garten geplanten Nordseste einen einhestlichen Straßenzug der Südseite mit einem von Couven erbauten feinen Rokokopalais zu erhalten. Leiber sind die Bauarbeiten schon so west vorgeschritten, baß an eine Änderung nicht mehr gedacht werben kann. Heute wäre eS aber noch möglich, bei Änderung des vorläufigen Planes den

schöngeschwungenen Zug der Mexanberstraße mit dem Peterskirchturm im Hintergrund

zu erhalten und es wäre notwendig und eine Ehrenpflicht einer Stabt, der Couven einen guten Test ihres Gepräges gegeben hat und die sogar mit gutem Grund eines ihrer Museen nach ihm benannt hat, baS von ihm erbaute HauS in seinem ganzen Organismus, also-

einschließlich des schönen Treppenhauses, eines Gegenstücks zu dem leider durch Unverstand bereits zerstörten Wespienhause, und des dreiflügeligen Hinterhauses, wenigstens durch Ver­

setzung an geeignete Stelle zu erhallen, ebenso ein gegenüber gellgeneS Bürgerhaus mit

eigenartiger Fassade, und auf die Erhaltung anderer Beispiele guter Bauweise wie deS

IIS feinen Empirehauses auf der Nordseite zu achten. Der neue Baudezernent Aachens ist auch nicht willens, an dem bisherigen vorläufigen Plan und Verfahren festzuhalten. Die Opferung alter Bauten und besten Gasten kann aber auch wie in Köln die größere Wirkung bestehenbleibender Denkmäler zur Folge haben, wie die Ausräumung unseres großen

Baublocks nun einen überraschenden Blick auf die Martinskirche ober auf rückseitige Giebel

wie hier den hochragenden Renaistaneebau von 1550 und den benachbarten eigenartigen

spätgotischen Backsteingiebel ergab, und so einen gewissen Ausgleich schaffen. Diese Wir­ kung wirb auch bei der Frankfurter Altstadtsanierung zweifellos eintreten und die dortigen

Heimatfreunde über einige Verluste trösten. Durch den Abbruch eines vielstöckigen Lager­

hauses ist dort schon der Chor der Karmeliterkirche sichtbar geworben und der Stabt damit

ein wirkungsvolles Straßenbild wiedergeschenkt. Ebenso haben die Auslichtungen in Braunschweig mehrfach einen schönen Blick auf die Andreaskirche aus den Hinterhöfen

und Gärten ergeben, der bisher durch hohe Seitenflügel und Hinterhäuser verdeckt war.

Frellich ist eS auch erforderlich, die sich ergebenden neuen Straßenbilber zu gestalten. Eine Freilegung wie die des Rebstocks in Frankfurt bei dem Durchbruch der Braubachstraße vor

sieben ober acht Jahren kann ich nicht als einen Gewinn gelten lasten, wo frellich die alten Holzgalerien des Hofes jetzt jedem Pastanten dieses HauptverkehrSzugeS sichtbar sind,

der alte Laubenhof aber feinen eigenen Charakter und feine verträumte Ruhe verloren hat.

Hoffentlich gelingt eS, dem in die Frankfurter Sanierung einbegriffenen Hainerhof nörd­ lich beS DomplatzeS feine Abgeschlossenheit und Stimmung zu erhalten. Als Beispiel großartiger Auslichtung führe ich Ihnen einmal den früheren Zustand der

engbebauten Sanierungsviertel in Braunschweig und hier den erstrebten künftigen Zu­

stand vor. Erfreulicherweise ist man von dem ursprünglichen Plan der Erbreiterung der Langenstraße, die den Verlust einer trefflichen alten einheitlichen Häuserreihe zur Folge gehabt hätte, abgegangen und konnte dies auch durch Einrichtung eines Richtungsverkehrs,

für den vier ungefähr parallele Gaffen zur Verfügung standen. Auch in Kassel hat man

durch eine Neuregelung des Verkehrs den alten Fluchtlinienplan fallen lassen und mehrere schöne alte Straßenzüge unversehrt erhalten können. Sm übrigen besteht bei den Aus­

lichtungen insofern ein grundlegender Unterschied, als die geschaffenen Freiräume in Köln

und Frankfurt öffentliches Straßenlanb werden und als Spiel- und Ruheplätze und bergl.

Verwertung finden, während sie in Kassel und Braunschweig als Höfe und Gärten und Werkhöfe Eigentum der Angrenzer bleiben. Diese letzte Regelung ist natürlich erheblich billiger und enthebt die Städte der Notwendigkeit einer künstlerischen Gestaltung dieser Innemäume. In Frankfurt werden sich die neuen Plätze im Charakter den dort sehr häufi­ gen stillen Brunnen- und Marktplätzchen anschließen. Sn Köln scheinen sie auf den ersten

Blick eine Neuerung barzustellen, in Wirklichkeit aber sind sie ein Ersatz für bie ehemaligen,

auch der Öffentlichkeit zugänglichen weiträumigen Klosterhöfe unb Kirchhöfe, von denen

n6 die ZNtstadt durchsetzt war. Vor einigen Tagen habe ich übrigens Mitteilung erhalten,

baß auch in einer alten Stabt deutscher Geschichte und deutschen Wesens außerhalb der Reichsgrenzen, in Eger, eine Altstabtsanierung durch Auslichtung von Häuserblöcken in

Ausführung begriffen ist. Die dritte Maßnahme ist die Sanierung der bestehenbleibenden Rundbauten, womit

in Köln nicht nur eine hygienische Verbesserung, sondern auch eine bessere wirt­ schaftliche

Ausnutzung

für

sie

erstrebt wirb.

Diese Sanierung in

weiter, als ursprünglich als notwendig angenommen

Köln geht

wurde, da sich der Zustand

namentlich der rheinseitigen Häuser als noch schlechter herausstellte. Statt der bisherigen

Balkenlagen sind häufig Eisenbetonbecken geschaffen worben, eineStellS zur Bekämpfung

und Verhütung der bisherigen Ungezieferplage, anderseits um eine bauliche Sicherung für die Umfassungsmauern zu schaffen. Besonderer Wert wirb auf gute Installationen gelegt, deren die Häuser bisher durchweg entbehrten. Statt der in der Verfallzeit des Viertels auf-

gekommenen häßlichen und unsoliden Pappdächer wirb die alleinheimische Schieserdeckung

in technisch einwandfreier Weise wiederhergestellt. Die Häuser werden nach Möglichkeit

gegen aufsteigende Feuchtigkeit isoliert, was mit Rücksicht auf die möglichen Hochwässer von Bedeutung ist. Sie erhallen außen neuen Kalkverputz (unter Ausschaltung aller Ze­

ment- und Edelputz«) und Kalkanstrich, die Werksteingewände der Fenster und Türen werben von dem deckenden Äfarbenanstrich befreit. Maßgebend für die Um- und Neu­ bauten soll ihre Einpassung in den bisherigen Maßstab des SttaßenbildeS und die bis­

herige Silhouette sein, die nur geringfügige Verbesserungen erfährt, sowie die Erhaltung

bemerkenswerter Einzelteile außen und innen einschließlich der geschichtlich geworbenen Jufälligkeüen, die den malerischen Reiz eines 2lllstabtviertels ausmachen unb nicht ohne

zwingende Gründe geopfert werben sollen. Innerhalb dieses Rahmens ist eine freie Ge­ staltung durchaus möglich. Die fast nüchterne Sachlichkeit des alten Kölner Hausbaues, für die ich Ihnen Beispiele vorführe, kommt den Bedürfnissen deS modernen Hausbaues besonders entgegen. Welche anderen Funktionen hat z. B. eine Fassade deS Reihenhauses

zu erfüllen als die Einführung reichlichen Lichtes in die Jnnenräume, wie eS durch diese enggestellten unb hohen Fensterreihen geschieht. Dieselben Möglichkeiten gibt die alle Bau­

weise in Frankfurt und Kassel, während die in Braunschweig durch reichere Fachwerkaus­

gestaltung unb teilweise ungünstigere Stockwerkshöhen größere Schwierigkeiten bereitet,

deren Überwindung aber doch in einwandfreier Wesse gelungen ist. Das Problem der Freilegung aller Fachwerke ist bereits gestern eingehend behandelt worden. Ich bezweifele

nicht, baß Herr Dr. Pfister diese sreigellgten Fachwerke als „kümmerlich" bezeichnen würde. Sie enssprechen aber der typischen nteberrheinisch-bergsschen Bauweise unb sind in ihrer

konstruktiven Konsequenz unb in ihrem Rhythmus nicht ohne Reiz. Sie waren auch zwei­ fellos ehedem sichtbar, unb ich sehe keinen Grund, dem Kölner Sttaßenbilb unb dem Rhein-

ii7 bild die Belebung durch die Fachwerkbauten vorzuenthalten, die das alte Woensamsche Stadtbild in so charakteristischer Weise zeigt. Weniger glücklich als die Einfügung freige­ legter Fachwerke auf dem Buttermarkt empfinde ich die einzelner Häuser an der Rhein­ front, bei denen aber auch leider bas alte Fachwerk nicht, wie es ursprünglich angenommen

worben war, erhalten werben konnte und das neue die Mängel aufweist, von denen schon

gestern in den Borträgen der Herren Nagel und Pfister die Rebe war. Bei völligen Neubauten ist eS schwieriger, die richtige Grenze zwischen neuzestlichem

Ausdruck und der Einfühlung in baS historische Straßenbilb zu finden. (Ich muß ge­ stehen, daß mir in Köln noch keine völlig befriedigenden Lösungen bekannt geworben sind,

allerdings ebensowenig in den anderen von mir besuchten Altstädten.) Gerade dieser Um­ stand scheint mir die Richtigkeit unseres Borgehens zu bestätigen, von völligem Neubau

des AltstabwiertelS mit Rücksicht auf den Charakter der Stabt und auf die Wirkung der Monumente Abstand zu nehmen und Neubauten im Rahmen der alten Bebauung nur

da zuzulafsen, wo sie aus sachlichen Gründen unaufschiebbar sind. Am wenigstens war es bisher möglich, die Beseitigung störender Neubauten im Sinne

des Pinderschen Vortrages vom Denkmalstag in Kastel 1933 vorzunehmen. Die Ent­

fernung eines solchen Ungeheuers am Eck des Heumarkts und der Friedrich-WilhelmSttaße ober auch nur seine Herabzonung hätte einen unverhältnismäßigen Teil der uns zur Verfügung stehenden Mittel verschlungen. Fortschritte auf diesem Wege sind wohl überhaupt allgemein nur möglich bei gesetzlicher Regelung der EnteignungS- und Ent­

schädigungsfrage und stärkerer Bereitstellung öffentlicher Mittel. Für die erzielte Verbesserung der baulichen und sozialen Verhältnisse im Rheinviettel

möchte ich Ihnen einige Beispiele vorführen. Allerdings kann eS wohl nur der Kölner ganz

empfinden, waS es bedeutet, baß in diesem verrufenen und verkommenen Viertel sich jetzt

ein solch einladender Tabakladen, ober an Stelle dieser malerischen, aber doch hier unter der schönen Rokokobecke und vor den reichgebildeten gotischen Fensterpfosten unangebrach­ ten Schlosserei ein behaglicher Kaffeeraum, baß sich hier Helle ArbeitSräume ober solche

Wohnräume befinden, die vor denen moderner SieblungSbauten den Vorzug größerer 2lb-

messungen und eines eigenen individuellen Wesens besitzen. Ich muß dabei gestehen, daß ihre Herstellung auch nicht wesentlich billiger wirb. Noch ein paar Beispiele sollen Ihnen

den Ausbau eines Hofes und einiger Räume in einem typischen alten Kölner Kaufmanns­

heim darstellen, baS sich freilich in einem zweiten vorgesehenen Sanierungsabschnitt be­

findet. Bei einem Umbau wurde die Lage am Rhein sogar durch die Herstellung eineS Dachgartens mit überraschendem Rundblick auSgenutzt. DaS Ziel unserer gesamten Maßnahmen ist die Schaffung eines gesunden Wohn- und

Kleingeschäftsviertels im Kern der Großstadt in wirtschaftlicher Verbindung mit dem

Rheinverkehr, den Märkten und dem Fremdenverkehr, also eine bewußte Abkehr von dem

n8

früheren Vorgang, den Kern unserer Städte zu einer City im Londoner Sinne werden zu lassen. Dies hat für die Denkmalpflege auch insofern Bedeutung, als damit eine Be­

wohnerschaft der 2lltstabt erhalten bleibt, die künftig eine Benutzung und Unterhaltung der großen alten kirchlichen und profanen Denkmäler der Altstadt gewärleistet. Zugleich

bleibt damit die Altstadt Heimatboben. Und dieser heimatliche wohnliche Charakter soll auch im Stadtbild künftig wieder zum Ausdruck gelangen, indem Altes und Neues zu­

sammenwächst, wie eS unS die alten schönen Stadtbilder zeigen.

DAS LANDESMUSEUM FÜR SÄCHSISCHE VOLKSKUNST Hofrat Prof. Dr. phil. h.e. O. Seyffert: Mein Vortrag sollte erst den Heimat-

museen gewidmet sein. Wir vereinigten unS aber aus taktischen Gründen zu obigem Titel.

Sie werden deshalb die Bezeichnung nicht als von Eitelkeit diktiert ansehen. Natürlich er­ fordert eS die Sache, baß sich Person und Gegenstand verbinden. Wie bin ich dereinst dazu gekommen, mich der Volkskunst mit Haut und Haaren zu verschreiben? Sie müssen hier

freüich dm Nachdruck auf das Wort „Haut" legen. Ich war Professor an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Dresden. Das Schlagwort des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts

hieß: „Ahmt unsrer Väter Werke nach". Und nun ging's los! DaS damalige Kunstgewerbe

sprach viele Sprachen. Alle Stile wurden unverstanden burchgepeisscht. Mir wurde diese geschmacklose Betriebsamkeit im Nachahmen bald zum Ekel.

Ich fand Erlösung in den schlichten Äußerungen unseres Volkes. Sachsen war und ist

noch reich an Volkskunst. Einige hohe Beamte bedauerten, daß ich zum Dilettantismus

herunterstiege. Sie warnten mich. Ich suchte die sächsische Volkskunst nicht nur durch

Ideelle und theoretische, sondern auch durch praktische Unterstützung zu fördenu Äm Rahmen

der großen Ausstellung „Das deutsche Handwerk", die 1896 in Dresden stattfanb, schuf ich eine Sonder-Abteilung für Sächsische Volkskunde. Wenn ich an sie zurückbenke,

so muß ich gestehen, baß mein Wollen größer als mein Können war. Die Ausstellung fand aber — der Gedanke war neu — vielen Anklang. Es war mein Irrtum, in der Wahl des

Titels nicht baS Richtige getroffen zu haben. Volkskunde ist zumal ein wissenschaftlicher

Begriff. Er ist durch eine Ausstellung nicht zu fassen, ebensowenig wie der Begriff Heimat, der jetzt neuen Klang hat, in ein paar Räume zu pressen ist und oft zu einer wahllos er­ scheinenden, geschmacklosen Zusammenstellung von Allerhand führt. DaS waren Ge­

danken, die mir schon damals durch den Kopf gingen.

Sie nahmen 10 Jahre später Gestalt an in der z. Deutschen Kunstgewerbe-AuS-

stellung Dresden 1906. Hier konnte ich auSgewählte Gegenstände der deutschen

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Volkskunst zeigen. Für Viele eine Offenbarung! Am meisten für mich. Wir hatten schon 1897 den Verein für Sächsische Volkskunde gegründtt, dessen Namen noch die Motte

„und Volkskunst" angeschlossen wurden und den ich 1923 in den „Landesverein Sächsi­ scher Heimatschutz" auflöste. Aber ich ging weiterhin unter die Gründer und grünbtte für

den Verein ein Museum. Nun beginnt die jahrelange Mühe, das jahrelange Kämpfen um geeigntte UntcrkunftSräume. Ich machte Gesuche um Gesuche, Besuche um Besuche. Im Anfang wurde ich freundlich behandelt, später kühl und noch später mit zunehmender Kälte. Oft kam ich mir

wie ein Weinreisender vor, der bei eingeschworenen Abstinenzlern seine Ware anpreist. Und

wenn dazumal jemand zu mir kam, um mir mitzuteilen, er wolle ein Museum grün­

den, so sah ich mir den verdächtigen Menschen lange, lange Zeit an. Und bann sagte ich ihm eindringlich: „Junger Mann (eS war immer ein junger Mann), Sie sind tollkühn" l

Wollen Sie sich denn Ihre meisten Mitmenschen vor den Kopf stoßen? Sie sind ein Leicht­ sinniger, der sein Gelb, seine Zeit, sein Leben vertuen will. Haben Sie sich baS überlegt?

Haben Sie sowohl Idealismus, als auch die dickste Haut, bi« man sich denken kann?

Endlich aber bewMgten mir Landtag und Regierung den köstlichen alten Jägerhof (er­ baut 1568) in Dresden-Neustadt, der nach meinen Plänen umgestalttt wurde, für meine

Sammlung. Ich konnte ihn 1913 einweihen. Seine Räume sind außerordentlich geeignet.

Sie nennen sich mit ihrem Inhalt „Du und Du". Und diese Brüderschaft ist nötig. Sie ist die Bedingung für eine geschmackliche Erziehung. DaS Ausgestellte muß in den Rahmen hineinpassen, der eS umgibt. DaS ist GeschmackSbilbung. Den Geschmack eines Volkes bilden, heißt seinen Charakter bilden.

Ich weiß, baß geplant ist, die Museumspfleger unb Studierenden, die sich dem MuseumSberufe widmen wollen, in Lehrgängen und Exkursionen zu vereinen. Diese Schulungs­

kurse möchten — baS sag ich auS innigster Überzeugung — neben ihrer wissenschaftlichen Ausbildung noch eine solche in künstlerischen materialtechnischen Fragen, sagen wir hier einmal, in solchen beS Geschmackes zu fördern bestrebt sein und zwar durch praktssche Übungen. Ich bin z. B. in den Wohnungen berühmter Männer gewesen, unb ich wurde seekrank

von dem HauSgreuel. „Ja, waS verstehen Sie eigentlich unter Geschmack?" DaS sagen

immer diejenigen, die kein künstlerisches Empfinden, sondern oft nur histottscheS Wissen

haben. Unsere Heimat ist lebendig. Ihr Abbild muß dieS zum Ausdruck bringen. Unsere heimatlichen Museen dürfen deshalb nicht nur AltcttumSsammlungen sein, obwohl die Vergangenheit immer breiten Raum einnehmen wird. Unser Volk lebt auch jetzt, hat nicht nur gestern gelebt. Ich unterschreibe den Satz von Wilhelm Stölting: „Jede Arbeit

an der Wetterentwicklung unseres Volkstums ist zwecklos, wenn sie nicht schöpferisch auSgewirkt wird. Sie muß in der Erkenntnis der Volkskunde ruhen, aber lebendig sein."

120 DaS kann man letzten Endes nicht erreichen, wenn man ein Raritätenkabinett alten Stils schalst, in dem nur besondere Kostbarkeiten und Seltenbesten ausgestellt werben.

Was ist Volkskunst? Sie ist natürlich ein engerer Begriff als Volkskunde. Ich habe

aber auch nicht mein Museum nur der Bauernkunst, der noch engere Grenzen gezogen

find, geweiht, zumal tote in Sachsen in unserer Zest keine bemerkenswerte mehr besitzen,

wohl aber eine reiche Kunst von Handwerkern, bst zur Dorfgemeinschaft gehörten, be­

sessen haben. Volkskunst ist Gemeinschaftskunst. Kunst ist Sprache. Volkskunst ist Dialekt, Mund­ art und zwar im Goetheschen Sinne: „In der Mundart schöpft bst Seest ihren Atem".

Je selbständiger bst Volkskunst von unten emporwächst, — sagen wir hier einmal auS der Kunst des Kindes — je mehr sie sich von artfremden Einflüssen fern hält, desto wert­

voller ist sie für unS. Ihr Reichtum ist Raivüät beS Schaffens. Ihr Wesen ist oft unzeit­ liches Stilgefühl. Ästhetische Volkskunst ist ein Zerrbild. Intellektuelle Volkskunst das­ selbe. Nachgeahmte Naivstät aber erst recht!

Aber, tost alles in der Welt, ändern und erweitern sich bst Begriffe. Wst leben im tech­ nischen Zestalter. Das diktiert neue Gesetze. Wst suchen unsere Vorbilder nicht in Urzeflen und in unverständlichen Runen. Aber unsere deutsche Volkskunst ststbt deshalb nicht.

Adolf Hstler sagte am letzten Nürnberger Partettag:

Wst haben nichts zu tun mit jenen Elementen, bst den Nationalsozialismus nur vom Hören und Sagen her kennen und ihn daher nur zu leicht verwechseln mit undefinierbaren nordischen Phrasen und dst nun in stgenb einem sagenhaften atlantischen Kulturkreis ihre Motivforschung beginnen. Licht, Luft und Sonne schenken unS ein neues Ideal!

Eine neue Zest ist gekommen. Sicher ist dst Maschinenware unpersönlicher Art. Dst Hanb­

arbest bleibt persönlich. Aber der Künstler kann auch dem Technischen seine Seest geben

und eS dadurch persönlich machen. Und wst haben auch eine Stadtvolkskunst, der

wst köstliche Gaben verdanken. 3n meinem Museum trete ich hierfür den Beweis an, denn -st Volkskunst stbt nicht nur auf dem Lande, sondern auch in der Stadt: Sie lebt

im Volke. Dst letzst Prüfung: „WaS ist Kunst, waS nicht?" wstb nicht nur von der Wiffenschaft

beantwortet. Dst ist ein exakter Begriff, ein Beweis. 2 mal 2 ist 4. Richtig l In der Kunst

kann aber 2 mal 2 eine unbegrenzte Zahl ergeben. DaS ist auch richtig. DeS Weiteren: DaS Gestammel, daS aus dem Herzen quillt, ist oft wertvoller, inhaltreicher als eine lange, sogenannte wiffenschaftliche Rebe.

Der Wertmesser für jedes Schaffen ist dst Gesinnung. Gesinnung ist Seele. Sst be­ zwingt daS Körperliche und deshalb auch das Technische.

Wem der Begriff Volkskunst nur ein öbeS Schlagwort ist, wer denkt, baß z. B. unsere Museen nur dazu vorhanden sind, baß chre Nummern kopiert werden sollen, der führt unS

in dasselbe Elend, baS ich als junger Mann reichlich durchgemacht habe. Er hat nichts gelernt — vielleicht weil er zu jung ist. — Leopold von Ranke lehrt unS:

„Stehen bleiben, eS wäre der Tod. Rachahmen: eS ist schon eine Art Knechtschaft.

Eigne Entwicklung ist Leben" (Parole für den 25. Mai 1936). Hier darf ich auch auf baS Nachahmen längstverstorbener Volkstrachten hinwiesen. In Sachsen tragen nur die Wendinnen noch überlieferte Tracht. Man kann eine neue Volks­ tracht nicht wie eine Uniform einführen. Der Reichsnährstand Berlin schreibt in seinem

vorzüglichen Merkblatt zum bäuerlichen Kleid:

„Die in verschiedenen Gegenden noch vorhandenen überlieferten Trachten sind lebendiges Brauchtum und daher Ausdruck bäuerlicher Wesensart. Mit großer Vorsicht und Zurück­

haltung sind aber auch Bestrebungen durchzuführen, Menschen, die der Tracht entsagt haben, wieder zum Tragen der Tracht bewegen zu wollen. ES ist z. B. einem Bauern und

einer Bäuerin unmöglich, Trachtenvereinen anzugehören, die lediglich die öffentliche Zurschaustellung der Trachten, meist noch zum Zwecke der FrembenverkehrSwer-

bung, also rein wirtschaftliches Antereffe im Auge zu haben." Ich füge hinzu: Wer unsre Bauern liebt, erspart ihnen eine Maskerade. Wenn aber

Städter sich in Bauerntracht hüllen (siehe die Salontiroler und die Dirndeln), so haben sie keine Ahnung von dem Ernst der Bewegung.

Weiter will ich noch als lustigen Beitrag erwähnm, baß ich den bäuerlichen Zylinberhut als „gesunkenes Kulturgut" betrachte. Betonen will ich aber hier, baß ich die Bestrebungen,

eine zeitgemäße Bauerntracht aus dem Bauernstand« heraus zu schaffen, sehr ernst nehme als Ausdrucksform eines StanbeSgefühleS. Nun aber weiter zu den Bestrebungen, unsere Volkskunst zu fördern!

Eine Unterlassungssünde ist eS, wenn wir nicht in unsere Arbeiten die Volkskunst unserer

Kinder und Jugendlichen einbezirken. Ich bin weit entfernt, an Oster-SchulauSstellungen zu denken. Ich bin west davon entfernt,in den Schulen naiveVolkSkunst treiben zu wollen. Ich will aber in meinem Museum zeigen, welche volkskünstlerische Kraft in unsrer Jugend

aufgespeichert ist, die nicht im Elternhaus« und in der Schule lahmgelegt werden darf. Wir

müssen die Türen den neuzeitlichen jungen Schöpfungen weit öffnen. Und noch eines! Bis zu welchem Jahre eines Menschen rechnet man die Kinderkunst? In welchem Jahre beginnt die Volkskunst? In der Vereinfachung, in dem Typischen (unbewußtes

Stllisieren), im frohen, naiven Schaffen der Jugend finden wir alle Voraussetzungen der Volkskunst. Alles schöpft aus demselben Born. Bauemkunst, Volkskunst, Kinderkunst

kann man ja theorefisch trennen, innerlich gehören sie zusammen.

Vor kurzem habe ich in meinem Museum eine Zeit-AuSstellung veranstaltet, die von mir

auSgewählte Arbesten der Dresdner Kinderhorte und Kindergärten brachte. Die besten, die bezeichnendsten Stücke konnte ich meiner Sammlung dauernd einverlfiben. Ich

122 freue mich wie ein Kind darauf, alle diese junge Volkskunst Ihnen zeigen zu können.

Weitere Arbesten aus dem Dresdner Wettin-Gymnasium schlossen sich bald an. Die Jungen schilderten das Leben in ihrem Jugendheim, sie hatten ein großes köstliches Modell

einer Dorfmühle gebastelt. Die Mädel bringen selbstverständlich andere Themen, und ich

weiß nicht, wer den Vogel abschießt. Leib und Seele müssen im Deutschland Adolf Hitlers wieder eine organische, harmonische und gesunde Ganzhest werden. Da ich nun der Fakustät angehöre, die zumal das Seelische

zu wecken und zu fördern bestrebt ist, so widme ich meine schwache Kraft der Kunsterziehung

unseres Volkes. Und beim Schreiben dieser Zellen kommt mir ein Gedanke, der beide Rich­ tungen verbinden hllst. Ich schlage vor, bei den Ausflügen, die unsere Jugend im Sommer

macht, ein einfaches Skizzenbuch mitzunehmen. Ein Motiv, das der Lehrer angibt, wird gezeichnet. Frisch und frei. Das Charakteristische des Gegenstandes muß betont werben. Der Schüler lernt sehen, fühlen. Wst werden entdecken, wie viel Ungeahntes, Tüchtiges

mein Vorschlag zeitigen und bas Leben unserer Jugend bereichern wirb. ES bedeutet keine Änderung des Stundenplans. Die besten Arbeiten werben als Zest-AuSstellung dem zu­

ständigen Heimatmuseum überwiesen und erzählen dort, wie man die kulturellen Auf­ gaben beS Heimatschutzes fördern kann. „Persönliche Vollkommenheit Einzelner soll nicht Zweck und Ziel, sondern nur Mittel zur Erhebung des Ganzen sein" (Fröbel).

Heute wollen wst das LanbeSmuseum für Sächsische Volkskunst besuchen, das auch

OSkar Seyffert-Museum, um mich zu erfreuen, getauft wurde. Ich wA jetzt ein paar Worte über seinen inneren Ausbau reden, bst aber nicht Vorschläge für andere Samm­ lungen sein sollen. Ich weiß, alles in der West hängt von persönlicher Anlage ab. Zuerst etwas rein Äußerliches. Ich lege Wert darauf, daß in den Räumen des Jägerhofes immer Blumen blühen, die

zumeist in dankenswerter Weise gestiftet werben. Sst unterhatten sich mit den gemalten Blumen meiner Schränke und Truhen. In der bürgerlichen Wohnstube im Erdgeschoß

dst dem Andenken eines im Weltkriege heldenhaft Gefallenen geweiht ist, leuchtet der Blumenschmuck besonders reich. Er stammt von den Museumsbesuchern her. Ein Toter

macht diesen Raum ttbenbig. Alle Uhren ticken und pendeln. Einige, bst besonders begabt sind, spielen zu gewissen Zeiten leise Melodien. Dann ist's, als ob das Museum singt. Aber auch Schulklassen wer­

den von mir aufgefordert, ein frohes Volkslied zu singen. Das paßt so gut und ist eine

Ergänzung zu den Liedern auS Holz, Eisen und anderem Material, aus denen das Museum besteht. Zackige Marschweisen schätze ich hier nicht. Sie gehören auf bst Landstraße. Ich

hatte das Singen von Volksweisen in meinem Museum nicht für eine Unterhaltung. Es ist eine Erziehung. Einen sehr hübschen Beistag will ich Ihnen nicht vorenthatten. Einmal waren 25 schwedische Studentinnen bei mir und berichteten, baß sie in ihrem Vaterland

123 von dem „singenden Museum in Dresden" gehört hätten. Sie baten, mir ein Weihnachts-

lied und ein altes Volkslied widmen zu können. Als sie geendet hatten, sagte ich: „Sie

haben mich außerordentlich erfreut. Ich möchte Ihnen Allen als Dank einen Kuß geben. Sie sind mir aber zuviel." „Oh! wie schabe!" jammerten die Prachtmäbel schelmisch ver­ schämt. Als ich den nächsten Tag in meiner Stube arbeitete, kommt eine der jungen Damen

von gestern zu mir und sagte lächelnd: „Herr Professor, heute sind wir weniger!" Natürlich gebe ich auch meinen Teü dazu. Befürchten Sie nicht, daß ich singe. Aber ich

erzähle von guten Sitten und Gebräuchen. Ich erzähle, wie man Volkskunst zu Hause treiben kann. Wie man z. B. Kasperle spielt. Das ist eines der schöpferichsten Spiele. Ich

hab's dereinst in meiner Famllie erlebt. Ich erzähle den Mädchen von Puppen, deren

Kleider sie selbst herstellen. Oben im zweiten Stock ist ein« stattliche Puppensammlung.

Oft wirb hier und da nicht der heilige Wert beS Kinderspieles eingesehen. Wir machen unsere Kinder arm, wenn wir ihnen den Reichtum beS Spielens nehmen. Ich erzähle an unseren Festtagen Ostern, Pfingsten, Weihnachten besonders schöne Ge­ schichten von deutschem Brauchtum. Ja Weihnachten!

DaS ist nicht nur in der Famllie baS schönste Fest, sondern auch in meinem Museum.

AuS den Wäldern des Heimatschutzes wandern Tannen und Fichten in den Jägerhof zu seinen Weihnachtspyramiden und Krippen. Da kommen nun meine Mllarbeiter, sie kom­ men auS allen Volks kreisen, alte und junge. Ein jeder erhält einen Baum angewiesen, und

er schmückt ihn mit selbsthergestelltem Schmuck. AuS den WalbeSbäumen werben glitzernde Märchenbäume. Und es duftet süß nach Pfefferkuchen. Die haben die Mädel vielgestaltig gebacken. AuS diesen Arbeiten wuchsen die köstlichen Schöpfungen beS Töpfers Korn­

felder heraus. Manchmal scheint eS mir, als ob die „Kindergärten" den Vogel abschießen.

Ganz selten kommt eS vor, daß ich einen Baumschmuck als ungeeignet zurückweisen muß. BiS zum i. Januar finden im Rahmen der WeihnachtS-AuSstellungen schlichte, volks­ kundliche Darbietungen statt. Kurrenbesänger, Vereine und Einzelpersonen geben mannig­ fache Darbietungen, keine sog. Kunstgesänge. Unsere bekanntesten Mundartbichter er­

freuen unS durch ernste und heitere Vorträge. Engel auS dem Erzgebirge mit goldenen

Kronen sagen ihren alten Spruch. Die Anwesenden singen Volkslieder, und viele nehmen den ernsten Vorsatz mit nach Hause, daS nächste Fest sich ebensoschön zu gestalten,

wie baS erlebte — sie befolgen meinen Wahlspruch: Der ist ein reicher Mann, der sich seine festlichen Tage selber machen kann, und der ist arm, der sich alles kaufen muß. Aber

daS Museum wirkt sich auch noch aus andere Art segensreich auS. ES ist zumal dem ge­ schäftsführenden Direktor unseres Vereins, Herrn Werner Schmidt, zu danken, baß meine

Bestrebungen, die Volkskunst praktisch zu fördem, lebendig geworben sinb. Auf der Schießgaffe und auf der Seestraße hat der „Heimaffchutz" zwei gemeinnützige Verkaufs-

124 stände von Volks- und Kleinkunst errichtet. Mit Freude können wir, fußend auf den stetig

wachsenden 2lbsatz, sagen, daß unsere Unternehmen anerkannt werden. 50000 Reichsmark wandern jährlich inS Erzgebirge und geben schaffenden Händen Brot. Dazu kommen noch die Beträge, die für Töpfereien in die Lausitz gehen usw. Und da ich jetzt vom »lieben

Gelb" gesprochen habe, so will ich als Extemporale noch erwähnen, baß der Sächsische Heimatschutz zur Erneuerung beS weltbekannten Zwingers durch seine Lotterien i'/, Mil­

lionen Mark beigesteuert hat — er wirkt also nicht einseitig für die Volkskunst. Auf der Dresdner Vogelwiese, SachsenS größtem Volksfeste, schnurrt in unsrer Volks­

kundlichen Bube ein buntes Glücksrad, und der Gewinner ttägt geschmackvolle Gaben

der Kleinkunst nach Hause und tröstet sich, daß er in der Zwingerlotterie nichts gewonnen

hat. Ja, man muß nicht warten, bis das Volk kommt, man muß zu ihm gehen!

In der WeihnachtSzeü entfallen wir auch außerhalb beS Museums eine sogenannte fieberhafte Tätigkest. In den schönen Räumen des Kurländer PalaiS sind SachsenS WeihnachtSherrlichkeiten zum Verkaufe auSgebrettet. Den Hauptinhalt dieser Bescherung liefert

mü seinen Engeln und Bergleuten unser fleißiges Erzgebirge. 3m Februar und März aber zieht abwechslungsreicherweise der bekannte HeimatschutzKasperle Oswald Hempel in diese Räume. Er spielt für alle Kinder bis zu 90 Jahren.

DaS ist Leben!

Wenn ich durch die Bogenhallen meines Museums gehe und die bunte Dielseitigkett

einer vergangenen, starken Volkskunst immer von Neuem bewundere und in chr einen

lebendigen Quell der Anregung zum Gestalten bestaune, fällt mein Auge auf einen Spruch, der an der weißen Wand in Golbschrift leuchtet: Am Alten lernen — Neues schaffen.

Und eine frohe Hoffnung erfüllt mich. Wenn die Worte, die soviel gesprochen, gesungen,

geschrieben werben: Heimat, Scholle, erbgebunben, verwurzelt und verankert, boden­ ständig usw. allen in Fleisch und Blut übergegangen sind, baß sie nicht Schlagwörter, sondern Taten bedeuten und Gesinnung geworben sind, bann haben Heimatschutz und

Denkmalpflege zum großen Tell bieS auf chr Wirken zu buchen. Und ich weiß, daß dem­

jenigen, der die Kunst seines Volkes, die Kunst des schlichten Mannes und die beS Kindes innerlich versteht, baS Volk heimlich die Seele offenbart. Dem offenbart sich aber auch die seine. DaS ist der größte Erbengewinn! In mir jubelt eS: ES wachse, blühe und

gedeih« die deutsche Volkskunde und Volkskunst im Neuen Reiche Adolf Hitlers!

VOM WESEN UND WIRKEN DEUTSCHER DENKMALPFLEGE1) Ministerialrat D. Dr.-Jng. E. h. Hiecke, Berlin: Wenn bei unseren, nun nach

längerer Pause wieberaufgenommenen öffentlichen Tagungen in der Regel nur einige wenige Einzelfragen aus unseren Fachgebieten zur Behandlung kommen können, so er­

scheint wohl einmal der Versuch angebracht, einen allgemeinen Überblick über die Be­

tätigung zur Erhaltung unserer Denkmale zu geben. Äst es doch in überwiegendem Maße

stille Kleinarbeit, die hier unablässig im Dienste der Nation geleistet wirb, und in sehr vielen Fällen wird ihr Ergebnis gerade bann am glücklichsten sein, wenn der nicht un­

mittelbar Beteiligte die Hand des Denkmalpflegers und der am Werke Tätigen am we­

nigsten spürt. Da zudem die Kräfte der Fachgenoffen überall in stärkstem Maße von ihren Pflichten zum Schutze der ihnen anvertrauten Werte selbst in Anspruch genommen sind,

wirb leider von der praktischen Durchführung der ihnen obliegenden, so überaus verschie­

denartigen Aufgaben nicht allzuviel in todteren Kreisen bekannt.

Was wir unter dem Begriff „Denkmal" zu verstehen haben, also keineswegs etwa nur Standbilder ober andere „gewollte" Denkmäler, ist jetzt wohl der übergroßen Mehrzahl unserer Volksgenossen geläufig. Zur klaren Abgrenzung von Naturdenkmalen ist aber

bd der, wie wir hoffen, nun bald zustande kommenden reichsgesetzlichen Regelung des Denkmalschutzes beabsichtigt, in Anlehnung an das Sächsische Gesetz die Bezeichnung

„Kulturdenkmal" zu wählen. Hierunter sollen verstanden werben: „bewegliche und un­ bewegliche Werke vergangener Zeit, die wegen ihres wissenschaftlichen (b. h. also z. B. auch volkskundlichen), künstlerischen ober heimatlichen Wertes dem beuffchen Volke er­ halten bldben müssen". Abgesehen von Archiv- und Bibliotheksgut, dessen Schutz wegen

seiner Eigenart einer gesonderten Regelung vorbehalten bleiben muß, umrdßt diese Be­ griffsbestimmung den gesamten erhaltenswerten Teil des sichtbaren Kulturerbes, bas vom

Wesen und von der schöpfenschen Kraft beuffchen VolkStumS, von dem Werden und den

Geschicken unseres Volkes im Laufe der Jahrhunderte zeugt. Es versteht sich von selbst, baß die Bodenaltertümer, die für die Erkenntnis der beuffchen Vorzdt wichtigste Urkunden dar­

stellen und des ausreichenden Schutzes besonders dringend bedürfen, hierin eingeschlossen

sind. Alter Überlieferung entsprechend bleibt aber ihre Betreuung dem Stabe der für diffes Sondergebiet fachlich berufenen Pfleger und Foffcher vorbehalten und auch wir bffchränken

unS, wie seüher auf unseren Tagungen, auf die „Kulturdenkmale geschichtlicher Zeit". Jene Begriffsbestimmung ergibt ohne weiteres, welche mannigfalffgen Werte hier in Betracht kommen, und daß die veffchiedensten Merkmale, mehr oder minder vorherffchend, O Da die umfassende Lichtbildfchau, die von dem Dortrag begleitet wurde, hier nur in einer Aus­ wahl wiebergegeben werden kann, ist eine entsprechend veränderte Fassung unvermeidlich.

126 oft in einem und demselben Denkmal miteinander verbünde»/ seine Bedeutung bestimmen

können. Stets aber — und dies bleibt der feste Anker aller Denkmalpflege — ist der geschicht­ liche Wert — Geschichte im weitesten Sinne des Wortes genommen — der übergeordnete,

der den Ausschlag gibt. Dabei darf nicht übersehen werben, baß die Bedeutung eines Denk­ mals nicht absolut, sondern relativ sich bestimmt. So kann z. B. für eine kleine Landge­ meinde auch ein vielleicht an sich bescheidenes Werk von besonderem Wert sein, well von ihm lebenswichtige Kräfte zur Stärkung des Heimatbewußtseins und der Volksgemein­

schaft ausstrahlen. Darum wird eS auch immer Voraussetzung eines lebendigen Wirkens

der Denkmalpflege sein, baß sie sich nicht, wie dies z. B. in Frankreich der Fall ist, darauf

beschränkt, eine gewisse Zahl bestimmter Monumente durch Aufnahme in ein „Classement" unter Schutz zu stellen. Vielmehr ist auch im Entwurf des Denkmalschutzgesetzes, ensspre-

chenb der bisherigen Übung in Preußen, vorgesehen, daß der gesamte Denkmalbesitz in öffentlicher Hand ohne weiteres erfaßt wirb, während naturgemäß die in gewissen Grenzen

unentbehrliche Erfassung von Denkmalgut in privater Hand an die Eintragung in ein Denk­

malbuch gebunden ist. Im übrigen können und sollen diese gesetzlichen Grundlagen der

Denkmalpflege, die in der Mehrzahl der deutschen Länder leider noch unvollkommen sind ober sogar fehlen, immer nur Grundlagen sein für die einsatzfreudige Arbeit Aller, die an

der Erhaltung unseres alten Kulturguts mitzuwirken haben. So stellt sich unsere Denkmalpflege mitten ins Leben. Nicht nur hat sie um Abwendung von Versall ober sinnwidriger Veränderung dessen zu ringen, was wir unangetastet den

Nachkommen zu hinterlassen verpflichtet sind; es geht auch darum, soweit möglich und

vertretbar, Werte, bei denen eS nicht ohne weiteres „noli me tangere" heißen muß, überzuhalten, vernachlässigte oder ehedem mißhandelte Denkmale wieder zu Ehren zu bringen, unsere alten Stabt- und Dorfbilder zu wahren ober ihre städtebauliche Weiter­

gestaltung zu beeinflussen; eS geht um die mannigfachen Fragen des Verkehrs, der

Gesundung von Altstädten, der Anpassung und technischen Ausstattung von Denkmalen, entsprechend den unabweisbaren Bedingungen ihrer Nutzung, insbesondere bei der Pflege des reichen Bestandes kirchlicher Denkmale unter Beachtung der kultischen

Rüiksichten. Erste Voraussetzung aber für alle diese Arbeit ist die Erkenntnis, baS Wissen um diese

Werte. Daher sind Wissenschaft und Denkmalpflege untrennbar. Gemeinsam verzeichnen

sie den Bestand als Grundlage für die kunstwissenschaftliche Forschung und für die allge­ meine Auswertung der Denkmale zum Besten der Volksgesamtheit. Än der praktischen Be­

handlung dieses ErbeS, die sich auf alle Handwerksübung stützt, aber auch all« Errungen­ schaften der Technik verständig nutzt, sucht die Denkmalpflege Fühlung mit den schöpferi­

schen Kräften unserer Zeit zu haften. So wirken Kunsthistoriker und Archfteft, Künstler und Handwerker Hand in Hand. Zugleich ergibt sich hieraus die enge Verbindung mit den

127 Museen, die mit der Bergung alten Kulturguts sowohl der Forschung wie der wirksamen Erschließung dieses Schatzes bienen.

Wenn sich so die Denkmalpflege in der hier angebeuteten weilen Fassung ihrer kulturellen Aufgabe in den lebendigen Ablauf beS Daseins der Nation eingebaut fühlt, so versteht eS

sich von selbst, daß auf die Betätigung zur Pflege unserer Denkmale in hohem Maße die allgemeine Einstellung eines Zeitalters von Einfluß ist. Und in der Tat: in den Jahren vor

dem Umbruch mußte sich die bange Befürchtung erheben, daß mit der Überspannung der auS dem Intellekt geborenen Forderungen „neuer Sachlichkeit" — die doch zuweilen gar

bis zur Verneinung der Daseinsberechtigung beS Handwerks im alten Sinne gingen —

eine hoffnungslose Spaltung entstehen würbe, eine Kluft zwischen dem Bezirk einer nur noch rein museal gerichteten Konservierung einzelner Denkmale und dem Bereich eines

durch keinerlei Rücksichten auf bas alte Kulturerbe beschwerten, ungehemmten Schaltens. Danken wir dem Führer, baß er auch diese Gefahr gebannt und auch hier den Weg einer

gesunden und fruchtbaren Synthese gewiesen hat! Wie alles Menschenwerk, so wirb auch die Denkmalpflege im einzelnen Falle nicht ohne Fehl und Irrtum sein können. Wenn wir sehen, wie leicht eine Generation über baS von

der vorangegangenen Geschaffene abzuurteüen geneigt ist, so wirb unS bieS zur Vorsicht

mahnen — vor allem bei der Bewertung beS im 19. Jahrhundert an unseren Denkmalen

Geschehenen, aber auch bei allen sonstigen Entscheidungen. Immer aber wirb die Denkmal­ pflege in ihrem innersten Wesen gesund und vor der Gefahr bewahrt bleiben, zu erstarren ober sich inS rein Ästhetische zu verflüchtigen, wenn sie dessen eingedenk ist, baß sie in dem BekmntniS zum deusschen Volkstum, in der Ehrfurcht vor den großen, fortwirkenben

Zeugen seiner Geschichte wurzelt. Soviel zur allgemeinen Kennzeichnung der Haltung deusscher Denkmalpflege. Wenn im

folgenden versucht wirb, von Norb nach Süb, von West nach Ost einen — hier wesentlich

gekürzten — Bildbericht von der Arbeit an unseren Denkmalen zu geben, so wird man würdigen, baß hier notgedrungen auf eine feste Systematik und auf eine auch nur annähernd

erschöpfende Behandlung verzichtet werben muß. Dank sei all denen gesagt, die bereitwil­

ligst geholfen haben, den oft nicht leicht erreichbaren Bildstoff zu beschaffen. Wenn man so

manches vermißt, was vielleicht von der auch an dieser Stelle dankbar zu rühmenden Für­

sorge von Reich, Ländern, Provinzen und Gemeinden, von der Betässgung der Bauverwal­ tungen und Architekten in besonderem Maße zeugen könnte, so kann doch bei der übergroßen Fülle des Stoffes nur weniges herausgegriffen werben. Unb von der Tässgkeit im Lande

Sachsen, zumal in der an Geschichte und Kunstschätzen überreichen Hauptstadt, die sich ihre Reize in beglückend verständnisvoller Weise zu wahren verstand, wirb den Teil­

nehmern der Tagung der unmittelbare Eindruck der Denkmale selbst in bleibender Er­ innerung sein.

128 Beginnen wir mit einem kurzen Rückblick, -er die Wandlungen erkennen läßt, die sich in der Einstellung der Denkmalpflege in den letzten zwei Menschenaltern vollzogen haben. Aus

der großen Zahl der Fälle, in denen ein im Laufe der Jahrhunderte organisch gewachsener Bestand aus puristischen Gründen einer schematischen „Wiederherstellung" zum Opfer ge­

fallen ist, seien hier nur die Türme der Quedlinburger Schloßkirche herausgegriffen. Der Verlust ist um so schmerzlicher, well allem Anschein nach bas Mittelalter mit Bedacht den

vollen Ausbau des am Rande des klüftigen Felsens stehenden Turmpaares unterlassen hatte, dessen Sicherung gegen Mrutfchen vor einigen Jahrzehnten überaus kostspielige Ab­ stützungen tief in den Fels hinab erforderte. Frellich fällt entscheidend ins Gewicht, baß die

neuen Teile an sich ausdruckslos und auch in der handwerklichen Ausführung ohne Reiz sind. Denn des heftig umstrittenen Ausbaus der Meißener Domtürme durch Karl Schäfer

freuen wir uns wohl heute, da wir den nötigen Abstand gewonnen haben, allgemein als

eines Gewinns, well wir fein Werk, jenseits aller gegen „Wiederherstellungen" sprechenden Grundsätze, als eine künstlerische Tat bewerten. Ob eine spätere Zett zu annähernd so gün­ stiger Beurteilung der neuen Helme des Breslauer Doms gelangen wird, ist zu bezweifeln.

Die einst bewunderte Gestaltung der Schutzhalle um btt Goldene Pfotte zu Freiberg er­ scheint uns heute als eine Verirrung; vttlleicht liegt aber der Grund nicht so sehr in der z. T.

recht gekünstelten und gezierten Durchführung der Einzelheiten, als in der mangelnden Zurückhaltung gegenüber dem Kleinod, dem doch lediglich eine schützende Hülle zu bereiten

war, btt auch bei bescheidener Haltung keineswegs ärmlich zu wirken brauchte. So schwierig eS nicht selten für den verantwortlichen Denkmalpfleger ist, ein Urteil zu

finden, das eine Bestätigung durch spätere Zeiten bestimmt erwarten läßt, so kann er doch meist der Entscheidung darüber gar nicht auSweichen, ob ein etwa gefährdeter Bestand ge­

schichtlich ober als künstlerischer Eigenwert so wichtig ist, baß er nicht geopfert werben darf, ober auch darüber, wie etwa ein unabweisbarer Ersatz ober eine neue Zutat zu gestatten

wäre. An dem Bewußtsein, der Kritik der nächsten Generation genau so ausgesetzt zu sein,

wtt wtt das Tun der vorangegangenen kritisch würdigen, darf wenigstens soviel gesagt werden, daß wtt bemüht sind, uns vor Einseitigkett zu bewahren. Wenn wtt heute btt For­

derung „Erhalten, nicht Wiederherstellen" voransetzen, so hatten wtt doch nichts für schäd­

licher als btt Befolgung starrer Grundsätze. Das güt auch für btt Bewertung eines Denk­

mals an sich. So ist eS für unS selbstverständlich, Werke der Romantik wtt btt ApollinariS-

kirche in Remagen, ober btt in ihrer Art höchst reizvolle — von ber drohenden Vernichtung glücklicherweise bewahrt gebliebene — Westfront von St. Michael in SchwttbuS ober btt Schinkelsche Formung des Westbaus des Brandenburger Domes zu achten und zu schützen.

Und niemand bentt mehr daran—wtt noch vor nicht so langer Zett—die Spuren ber Hand Schinkels in der Marienburg, wtt etwa btt zarten Glasmalereien, zugunsten eines „mittel­

alterlichen" Eindrucks zu verwischen. Gleichwohl müssen wtt im gegebenen Falle den Mut

i. Quedlinburg. Schloß und Schloßkirche vor dem Ausbau der Türme

2. Quedlinburg. Schloß und Schloßkirche nach dem Ausbau der Türme

3-—4- Schuriebus. Katholische Pfarrkirche St. Michael vor und nach der Instandsetzung

5.—6. Abteikirche Maria Laach vor und nach der Umgestaltung des Vierungsturmes

/. Dom zu Naumburg. Baldachine im Westebor vor der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes

8. Dom zu Naumburg. Erneuerter Teil der Baldachine, nach Maßgabe der originalen Reste

g. Wittenberg. Die Thesentiir der Schloßkirche

io. Wittenberg. Ausschnitt aus der Thesentür der Schloßkirche

12.

Altenlobni. Evangelische Kirche. Neubau an Stelle der abgebrannten Fachwerkkirche

jj.—14. Stade. Bürgermeister'Hintze'Haus vor und nach dem Wiederaufbau der Front

15. Torgau. Schloß Hartenfels. Teil der Wappengalerie vor der Erneuerung

16—iy. Königsberg, Neumark. Der Turm der St. Marienkirche vor und nach dem Umbau

i.

Manleben. Ruine der Klosterkirche vor und nach der Herrichtung

20.

-21. Loreb. Die Torhalle vor und nach der Wiederherstellt

22 —23. Schloß Heilsberg vor und nach der Wiederherstellung der Dachdeckung

24*

Vorlaubenbaus in Westpreußen

25. Windmühle mit Schöpfwerk

( Westpreußen)

26. Bocholt. Rathaus nach der Wiederherstellung

27.

Breslau. Fürstensaal (Alte Ratskapelle') im Rathaus nach der Wiederherstellung

28. Neiße. Ratbausturtn nach der Wiederherstellung

2g. Osnabrück. Rathaus, Friedenssaal vor der Wiederherstellung

30. Osnabrück. Rathaus, Friedenssaal nach der Wiederherstellung

31. Göpel in Johanngeorgenstadt (Erzgebirge)

32. BriininierhoJ bei Soltau

33- Schrotbolzkirche Maiwald (Oberschlesien)

34. Potnßen, Sachsen. Dorjkirche nach der Wiederherstellung



jS- —36. München. Inneres der Frauenkirche vor und nach der Instandsetzung

37- — j8 . Frankfurt a. M ."H öchst. Justinuskirche vor und nach der Instandsetzung

39-— 4°* Münstermaifeld. Stiftskirche vor und nach der Instandsetzung

4 i. — *

42 Berlin. Franziskaner, Klosterkirche nach der Instandsetzung

43- Nürnberg. Burghof nach der Instandsetzung

44. Nürnberg. Burg, Vorballe zur Kaiserkapelle nach der Instandsetzung

45- Trier. Simeonsstift vor der Instandsetzung

46. Trier. Simeonsstift nach der Instandsetzung

47- Köln. Kriegerehrenmal der Universität im ehemaligen Fort

48. Markgröningen (Wttbg.). Marktplatz nach der Instandsetzung

49- Niedersächsischer Bauernhof, in den Sachsenhain bei Verden a.d. Aller überführt

50. Niedersächsischer Bauernhof, in den Sachsenhain bei Verden a. d. Aller überführt

51. lork. Portausches Haus vor der Verschiebung

52. York. Portausches Haus vor und nach der Verschiebung

53- Berlin. Preußisches Finanzministerium, der eingebaute Saal aus dem Weydingerhaus

54- Anklam. Marienkirche, das nördliche Seitenschiff nach Aufdeckung der Wandmalereien

55- Potsdam,Sanssouci. Die Terrassen nach der Freilegung der Achse

56. Potsdam,Sanssouci. Die Terrassen vor der Freilegung der Achse

57- Das RüsMaus bei Münster /. W. nach der Wiederherstellung

Das Rüschhaus bei Münster i. W. nach der Wiederherstellung, Rückseite

59- Kirche und Friedhof in Honverath, Eifel

60. Bronnbach, Tauber. Ehern. Kloster, Orangerie mit Fresko

-62.

Leipzig. Deutrichs H o f vor und nach der Wiederherstellung

63.

-64. Dom

zu Schleswig. S t. Katharina am Chorgewölbe vor und nach Abnahme der

Übermalung

6z.

66. Der Dom

zu Bamberg. Tympanon der Gnadenpforte vor und nach der Heilung der Schäden

6/. Crummesse. Kirche, Wandleuchte

68. Crummesse. Kirche, Antependium

6g. Kloster Eberbach i. Rheingau. Neuaufstellung der Katzenellenbogen'Grabmale

70. Kasul. Martinskirche. Neuer Altar unter Verwendung einer alten Tumba

71. Quedlinburg. König Heinrich Dom, Krypta

BILDEKNAC H WEIS Staatliche Bildstelle, Berlin 9, io, 15, 16,17,18, 22, 24,35,37—44,56, H. Meißner, Schwiehus 4, Rheinländer 11,

12, Denkmalarchiv der Prov. Sachsen, Halle S. 17, Prof. F. Behn, Mainz 21, R. Jagusch, Breslau 27, Deutscher

Kunstverlag, Berlin 36, 47,57,58, Stadt. Hochbauamt und Stadt Trier 45,46, Dr. Ohle, Stettin 54, Kirchhof, Leipzig 61, 62, Provinzialkonservator der Prov. Schleswig-Holstein, Kiel 67, 68, C. Tschuschke, Quedlinburg 71 (sämtl. Rechte d. Reichsführer SS. Pers. Stab)

haben zu bereinigen, selbst auf die Gefahr hin, Puristen gescholten zu werben. So war es

entschieden zu verantworten, baß die schwächlichen Turmvorbauten auÄ der Mitte des 19. Jahrhunderts an der Front der Berliner Klosterkirche, baß der riesige, den Maßstab des

Raumes «brückende neuromanisch« Tabernakelaltar in Maria im Kapitol zu Köln entfernt wurden. Ebenso wird man eine sich bietende Gelegenheit zu B«befserungen nutzen, wie dies bei bcr Instandsetzung von Maria Laach geschehen ist, besten Vierungsturm durch Kor­ rektur d« Dachneigung sein altes harmonisches B«hältniS zu den mit ihm das Bauwerk

krönenden fünf Türmen wiedergewonnen hat. Und im Westchor des Naumburg« Domes, wo bereits bi« unbegreiflicherweise bei b« Restaurierung im 19. Jahrhundert zur Reihe bet

Stifterstatuen hinzugefügten neuen Figuren samt bet willkürlichen Fortsetzung der Wandarkaden beseitigt worben sind, ist man am Werke, getreu den noch vorhandenen originalen Bruchstücken, die seinerzeit unt« schwer« Beeinträchtigung der Bilbw«ke eigenwillig ver-

gr-berten Baldachine des DorsalS auszuwechseln. Bet bet zum großen Teil durchgeführten Wiederherrichtung b« Klosterkirche Eb«bach im Rheingau haben wir uns für b«echtigt

gehalten, baS riesige, seines Maßwerks längst b«aubte gotisch« Ostfenster, -aS den geschlos­ senen Eindruck des edlen Raumes empfindlich störte, durch eine mutmaßlich dem ursprüng­ lichen Zustand entsprechende Gruppe kleiner« Öffnungen zu ersetzen. Die Wieb«herstellung d« mittelalttrlichen Einzeldäch« auf der Reihe d« südlichen Kapellen, von denen in b«

Barockzest je zwei unt« einem Giebeldach zusammengefaßt wurden, steht bevor.

Was schließlich die—bisweilen wohl übertrieben betonte—Forderung betrifft, neue Zu­ taten frei, im Geiste des zeitigen Kunstschaffens zu gestalten, so möge hi« nur ein Beispiel,

das bereits aus bet Mitte des 19. Jahrhunderts stammt, Platz finden, weil eS mir in einem

ganz seltenen Maße nicht nur jener Forderung nach persönlichem Eigenwert zu entsprechen scheint, sondern auch von feinstem Takt und Einfühlungsvermögen zeugt: die von F«binanb von Quast geschaffene eherne Thesentür der Schloßkirche in ®Ittenberg. Um ab« auch ein Dokument neuest« Zeit anzuschließen, sei d« als Ersatz für den abge­

brannten reizvollen Fachwerkbau vom Hamburg« Archstektm Langmaack geschaffene Neu­ bau b« Kirche in Altenlohm in Schlesien angeführt. Hi« ist nach meinem Gefühl bei durch­

aus selbständig« Haltung die alte heimatliche Note ausgezeichnet getroffen und auch bi« handwerkliche Tradition vorbildlich fortgesetzt. Wesentlich eindeutig« für die Beurteilung liegen zumeist die Fälle, in denen es sich ledig­

lich oder überwiegend um die durch Wind und Wett« verursachten Zerstörungen ob« um die Folgen statisch« Mängel handelt. Doch bleiben hi« noch Probleme genug zu lösen, wie sie -. B. der Kampf gegen die sog. „chemische Verwitterung" stellt. AlS bei b« Auspressung

der gefährlichen Hohlräume in den Vierungspfellern des Köln« Doms und bei ihr« D«-

ankerung die berüfteten Innenflächen bet Ostwände des Querhauses zugänglich wurden, zeigt« sich, baß bi« Witterung in den rund 500 Jahren, in denen ihr diese Wände frei ausge-

130

setzt waren, allenthalben wohl tiefe Schrunden eingenagt, daß aber diese „natürliche Ver­ witterung" die Gesundheit des Gesteins nicht im geringsten geschädigt hat. Jene inneren

Wandslächen kamen mit dem Ausbau des Domes im 19. Jahrhundert unter Dach. An den äußeren Architekturgliedern haben bann 50 Jahre der Einwirkung einer rauchgeschwänger­ ten Großstadtluft genügt, um in weitem Umfange unheilbare Zersetzungserscheinungen

herbeizuführen. ES half, wie bekannt, nur weitgehender Ersatz durch „immunen" Baustoff. Wir denken hierbei an die eingehenden Auseinandersetzungen unter Leitung Paul Clemens auf dem Kölner Denkmaltage 1930, die zur Abwehr der überspitzten, Vereinfachung ober

„neuzeitliche" Formung der Einzelheiten fordernden Theorien führten, zugleich aber auch für die wetteren Fortschritte der jetzt wahrhaft vorbildlichen Arbett der Dombauhütte in der

Behandlung der Steinoberfläch« und der charaktervollen Gestaltung der Schmuckteile fruchtbare Anregungen gaben.

Für dtt durchgreifend konsewierenbe Behandlung eines originalen Bestandes liegen btt

Vorbedingungen nur selten so günstig, wie bei den schwer gefährdeten Sandstein-Wappen­ feldern der Brüstung am „Wendelstein" des Torgauer SchloffeS. Hier gelang es, bis auf einige wenige, hoffnungslos zerfressene, btt alten Reliefplatten einzeln nach Anweisung des in der Prüfung der Steinerhaltungsmittel altbewährten Prof. Rathgen einer längeren

Auslaugung der zerfetzenden Salze zu unterwerfen und zum Wiebereinbau an der alten Stelle zu retten. Sm übrigen gehen btt Bemühungen zur Erprobung von Mitteln zur

schützenden Imprägnierung gefährdeter Steinflächen allenthalben emsig weiter. Dtt nun

langjährigen, anfangs wenig ermutigenden Versuche und Beobachtungen scheinen nun doch zu günstigen Ergebnissen zu führen. Hervorzuheben ist hier btt in besonderem Umfang

am Regensburger Dom durch den hochverdienten, zu früh verstorbenen Dombaumeister Zahn erprobte Anwendung von Leinöl. Ebenso hat sich z. B. btt Anwenbung von Lapibensin (Szerelmey) vttlfach bewährt. Schmerzlich ist, daß zu wirksamer Behandlung in den mei­

sten Fällen ein weitgehendes Entfernen der zersetzten Oberschicht kaum zu vermeiden ist. Als Besspttl dafür, daß der Denkmalpfleger in seinen Entschlüssen beweglich sein muß,

möge hier btt Behandlung der auS dem 19. Jahrhundert stammenden Teile der Türme der Soester Wttsenkttche nicht unerwähnt bleiben. Ein ganz einzigartiger Befund: Dtt Helme

aus Oberkirchener Sandstein tadellos erhalten, dtt darunter lttgenden modernen Geschosse aus Grünsandstein stark verwittert, keine Möglichkett einer kostspttligen Erneuerung der — zudem recht trockenen — neugotischen Einzelheiten, auch keine Möglichkeit eines völligen

Ersatzes der oberen Turmteile durch Neuschöpfung, zumal ein Wettbewerb kein überzeu­

gendes Ergebnis brachte. So entschloß man sich ttotz aller Bedenken zu einem nur in einem derartigen Sonderfall einmal zulässigen Verfahren, unter gewisser, mtt dem spezifisch

„gottschen" Gepräge noch vereinbarer Vereinfachung der Einzelheiten btt Oberfläche bis

auf den gesunden Stein abzuarbetten.

rzr Nicht selten sind mehr ober minder ernste Schäden statischer Art zu heilen. Merkwürdig ist die Beobachtung, daß das Mittelalter, das im Ausbau kühn gewölbter Räume oft so

bewundernswertes Beherrschen der statischen Verhältnisse zeigt, bei der Bemessung der Grundmauern und der Übertragung der Lasten auf den Erdboden vielfach recht sorglos vorgegangen ist. So ist wieder jüngst bei der Untersuchung der ernsten Schäden am Turm

von St. Quirin in Neuß als Ursache festgestellt worben, baß eine Verbreiterung der Grund­

mauern kaum vorhanden ist. Darum wirb bei allen Mauerschäden die erste Frage des Denk­ malpflegers der leider oft nicht genügend beobachteten Beschaffenheit der Grundmauern

gellen, um so mehr als die so leicht als Allheilmittel betrachtete Einziehung von Ankern

bet mangelhafter Fundierung die Schäden nur verschlimmern kann. Bisweilen zeitigen die Untersuchungen unerwartete Ergebnisse, so als Ursache der schweren Risse im Mittel­ schiffgewölbe von Maria Laach ein Ausweichen der Fundamentsohle infolge Aufweichens

des Erdbodens durch Mangel von Trauspflaster und Rinnen. Bei allen diesen Sicherungs­ maßnahmen kommen uns die großen technischen Errungenschaften unserer Zeit, Jnjek-

tieren. Bewehren ober Verankern mit Eisenbeton, Mstützen auf Bohrpfählen und bergl. zu Hilfe. Der Rettung des Mainzer Doms durch solch« HüfSmittel und der Verdienste des Meisters praktischer Statik, Georg Rüth, sei auch an dieser Stelle besonders gedacht. Seiner

Kunst verdanken wir noch in jüngster Zeit bi« Erhaltung b«s dem Zusammenbruch nahen Bergfrieds der Burg Falkenstein im Harz und des Turmes der Oberkirche in Franken­

hausen, dessen Niederlegung kaum noch vermeidbar erschien. In manchen Fällen bleibt kein anderer AuSweg als Ablegen und Wiederaufbau eines

Bauwerks. Erinnert sei an die vom verewigten Dombaumeister Hofmann vorbildlich durch­ geführte Rettung des Wormser WestchorS, dessen einzelne Steine nach sorglicher Nume­

rierung wieder in ihrer alten Lag« zusammengefügt wurden. AuS neuerer Zeit erwähne ich den Wiederaufbau des schwer versackten Bürgermeister Hintze-HauseS in Stabe, bei dem

nach Möglichkeit auch die Eingriffe späterer Zeit in den ursprünglichen Aufbau wieder gut gemacht wurden. Daß auch bei statischen Schäden aus der Not eine Tugend gemacht werden kann, zeige

endlich das Beispiel des Turmes der Marienkirche in Königsberg in der Neumark. Da die

hohe Laterne mit dem schweren massiven Helm ohne Schließung der Öffnungen und um­ fassende Erneuerung des Mauerwerks nicht zu hallen, andererseits ein Kappen des hoch­

ragenden Wahrzeichens der Stabt nicht zu verantworten war, wurde der ganze obere Teil nach statischer Sicherung unter Erhöhung der Traufe, gemäß einem Entwurf Erich Bluncks,

mit einem mächtigen Kupferhelm umkleidet.

Von den JnstanbfetzungSarbeiten allgemeinerer Art seien aus der großen Fülle der etwa im letzten Jahrzehnt burchgeführten, nur wenige herangezogen, btt auch Anlaß zu kurzer Beleuchtung einiger wichtiger Einzelftagen geben. Als Beispiel für die Behandlung einer

izr

Ruine diene hier nur die Klosterkirche in Memleben. Das z. T. tief in der Erbe steckende Baudenkmal war von Gartenanlagen aufü schwerste in seinem Eindruck beeinträchtigt.

Eine durchgreifende 2lbschachtung und Bereinigung der erdrückenden Vegetation erwies

sich als unvermeidlich, doch blieb in den Seitenschiffen, die mit flacher Böschung gegen das Mittelschiff abgesetzt wurden, der größte Teil beS Baumbestandes erhalten. So ist es ge­

glückt, die bei der Behandlung von Ruinen nahe liegende Gefahr, baß der Eindruck eines „archäologischen Präparats" entsteht, zu vermeiden und doch alle Teile des alten Bestandes

zu klarer Erscheinung zu bringen. Als zweites auS der Reih« der ausschließlich um ihrer selbst willen zu erhaltenden Baubenkmale (die Gegenüberstellung „tote" und „lebende"

lehnen wir ab) sei die karolingische Torhalle in Lorsch genannt, die nach umfassenden, wich­

tige Aufschlüsse ergebenden Grabungen BehnS durch Heinrich Walde eine vorbildliche In­ standsetzung erfuhr. Abgesehen von der Wiederherstellung des ursprünglichen Charakters

dieses offenbar als monumentale Ehrenpforte gedachten Bauwerks, wurden die zwei Haupt­ abschnitte des baugeschichtlichen Werdens beS auf uns Gekommenen klar herausgearbeitet: der karolingische Bestand und die Einrichtung der Michaelskapelle in gotischer Zeit. Sm

Obergeschoß ist die gotische Holztonne wieberhergestellt, die in späterer Zeit erfolgte Ver­

änderung der kleinen Fenster wieder gut gemacht. Von Befestigungsanlagen sei nur ein verhältnismäßig spätes, in seinen gesamten Aus­ maßen gewaltiges Werk, die von Friedrich dem Großen nach dem Siebenjährigen Krieg

angelegte Feste Silberberg am Rande des Eulengebirges angeführt. Allein die Sicherung

des Donjon mit seinem weiten, von Kasematten — mit Fritz Reuters Zelle — umschlossenen Hof wird noch viele Jahre weitere Arbeit erforbem. Aus dem preußischen Ordenslanb er­ wähnen wir nur die seit langer Zeit betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Wieberher-

richtung beS Schlosses Hellsberg, dessen Nieberlegung merkwürdigerweise dem König Friedrich Wllhelm III. von demselben Oberpräsibenten von Schön empfohlen wurde, dem wir die grundlegenden Entscheidungen zur Erhaltung der Marienburg verdanken. Die Ab­

bildungen, die den kernigen Charakter des kastellartigen Bauwerks mit dem Arkadenhof erkennen lassen, zeigen schon den Ersatz der schwächlichen, landfremden Schieferdächer

durch Mönch-Nonnendeckung.

Von alten Ratsbauten finde hier zunächst die mit Hilfe eines hohen „Offa"-KreditÄ mög­

lich geworbene Instandsetzung deS spätgotischen Ratsturmes in Neiße Erwähnung. Leiber

ließ sich die Erneuerung der leuchtend grünen Kupferdeckung beS schlanken Helmes nicht vermeiden. Daher entschloß man sich, baS neue Kupfer nach altem, durch bi« vom Bauleiter

Fiebiger aufgefundenen Aufzeichnungen beglaubigtem Verfahren, mit einem Anstrich von Berggrün (kohlensaurem Kupfer) zu versehen. ES ist also anstatt einer chemischen Patinie­

rung, die abzulehnen ist, well sie den natürlichen Prozeß nur aufhält, ein Auftrag der glei­

che« Substanz erfolgt, die sich bei diesem Vorgang selbst bildet. Nach den Feststellungen

133 «m 6cr alten Kupferdrckung Les Helmes, die sich als ursprünglich in der gleichen Weise be­

handelt erwies, muß angenommen werben, baß sich ein derartiger, für das Stadtbild wich­ tiger Anstrich, well er mit dem Produkt des natürlichen Vorgangs homogen ist, mit diesem

aufs beste verträgt; es scheint, baß allmählich mit dem Schwinden des Bindemittels des

Auftrags die natürliche Patina an seine Stelle tritt. 2lls weitere Vertreter dieser Gruppe ZlathauSbauten genüge hier der Bocholter; seine reichen Renaffsaneeftonten, deren aus Baumberger Sandstein hergestellte Gliederungen hoffnungslos verwittert waren, sind in

handwerklich gediegener Ausführung durchgreifend erneuert worden. Von inneren WiederHerrichtungen seien nur die mit besonderer Lieb« burchgeführten Arbeiten im Breslauer

Rathaus, belegt durch den Fürstensaal im alten und neuen Zustand, und die mit einfachsten

Mitteln bewirkte Bereinigung des im 19. Jahrhundert verkitschten Fricdenssaales von

Osnabrück herausgegriffen. ES folgen zwei Proben der Pflege von Bauernhäusern, der Brümmerhof bei Soltau und «in Beispiel der noch zahlreich in Westpreußen als Dokumente deutscher Baukultur erhal­

tenen Vorlaubenhäuser, von denen so manches in dem verflossenen Jahrzehnt eine ver­

ständnisvolle Sicherung erfahren hat. Der bisweilen erhobene Vorwurf, baß die Denkmal­

pflege diese Zeugen bodenständiger bäuerlicher Bauweise außer acht gelassen habe, sei auch an dieser Stelle als unberechtigt abgewehrt, wenn auch nicht bestritten werben soll, daß an­

gesichts der zunehmenden Verluste an solchen charakteristischen allen Bauanlagen eine

wesentlich erhöhte Fürsorge nottut. Zu wünschen bleibt freüich, baß die Eigentümer selbst in ihrem Stolz auf das alte Erbe und ihrem Interesse an seiner Erhaltung noch weiter be­ stärkt und gefestigt werden. Als Zeichen der Fürsorge auch für Gegenstände, die nicht der

„hohen Kunst" zuzurechnen, doch volkskundlich bemerkenswert sind, seien die originellen

Bienenstöcke von Hoevel in Schlesien angeführt. Aber auch die technischen Kulturdenkmal«

bleiben nicht außer acht: im besonderen sei der vorbildlichen Maßnahmen des Rheinlands zur Rettung bemerkenswerter Windmühlen gedacht, wobei die Lebensfähigkett des Betrie­

bes lettender Grundsatz bleibt. Sm übrigen möge aus der Fülle sonstiger technischer Kultur­ denkmale, deren Erhaltung die Denkmalpflege sich hat angelegen sein lassen, nur der Göpel

auS Johann-Georgenstadt im Erzgebttge vermerkt werden.

In der Grupp« der kirchlichen Denkmale seien hier zwei Beispiele der Instandsetzung von Dorfkirchen angeführt: Zunächst aus Sachsen das überaus malerische Innere der Kirche in Pomssen. Bei den Arbetten, deren erste die schwierige, doch wohlgelungene Trockenlegung

der stark durchfeuchteten Mauern sein mußte, hat man es ausgezeichnet verstanden, die den

Gesamteindruck bestimmenden, den verschiedensten Zetten entstammenden Elemente zu einem natürlich und überzeugend wirkenden Ganzen harmonisch zusammenzuhalten. Als

Probe der reinen Holzbauten Oberschlesiens sei die Schrotholzkttche in Maiwald wieder-

gegeben. ES liegt auf der Hand, daß diese ungemein bodenständig wirkenden Bauwerke in

134 erhöhtem Maße sorglichster Unterhaltung bedürfen und daß sich die Denkmalpflege de»

nicht mehr umfangreichen Bestandes dieser charakteristischen Bauten besonders annimmt. ES folgen nun einige wenige Beispiele monumentaler Kirchenräume; voran das durch­

greifend instandgesetzte Innere der Frauenkirche in München. Hier ist nach Beseitigung

der späten dicken Anstriche die neue Tönung der Wand- und Gewölbeflächen im Sinne der

alten mit dünnem Auftrag von Kalkfarbe (mit holzgebranntem Kalk) gleichsam neu auf­ gebaut worben. Die grundlegende Bedeutung dieser technischen und handwerklichen Ele­

ment«/ die nicht nur Voraussetzung für baS Gelingen derartiger Aufgaben/ sondern auch für den Eindruck eines Raumes nach einigen Jahrzehnten entscheidend sind, ist erst in neue­

rer Zeit allgemein erkannt worben. Gegenüber den zahlreichen Bindemitteln/ die die che­ mische Industrie entwickelt hat, und die ohne Zweifel für die verschiedensten Aufgaben unserer Zeit hervorragende und zum Test unentbehrliche Errungenschaften barstellen/ ist

und bleibt der Weißkalk für die Arbeiten der Denkmalpflege als Grundstoff eine uns ver­ traute unschätzbare Gabe der Natur. Räume, die vor Jahrzehnten in reiner Weißkalltechnik,

höchstens unter ganz geringem Zusatz vom Maler selbst bereiteten Kaseins, behandelt wor­

den sind, zeigen, im Gegensatz zu anderen, viel jüngeren Ausführungen, die unansehnlich geworben sind, immer noch eine erfreuliche Frische, ja im Laufe der Zeit gewinnt der Kalk­

anstrich immer mehr an Reiz. Der hervorragenden Leistungen der von der bayerischen Denk­ malpflege herangebildeten Kräfte in der Wiedergewinnung der ursprünglichen, so oft im 19. Jahrhundert durch trübselige Anstriche entstellten Haltung reich stuckierter und mit

Malereien geschmückter Barockräume kann hier nur kurz gedacht werben; diesen Kräften

verdanken wir u. a. auch die ausgezeichnete Wiederherstellung des köstlichen JnnenraumS von St. Paulin in Trier. DaS nächste Beispiel, baS Innere der JustinuSkirch« in Höchst,

zeigt eine Art der Behandlung, wie sie in neuerer Zeit mehr und mehr beliebt geworben ist; diese Behandlung, die von der — dem Mittelalter im allgemeinen fremden — Freude an

der Wirkung der natürlichen Baustoffe auSgeht, kann, wie hier oder auch z. B. im Dom zu BreSlau, zu glücklichen Ergebnissen führen. Doch scheint «S nötig, davor zu warnen, die jetzt überwundene Vorliebe vergangener Jahrzehnte für eine Fülle — oft unorganisch auf­ gehefteten — ornamentalen Schmuckes in daS Gegenteil zu verkehren. So mancher Raum

hat durch den Verzicht auf jegliche farbige Fassung seine Haltung oder Stimmung ver­ loren oder unterliegt der Gefahr, zerrissen zu erscheinen. Als Muster einer in bester Technik auf Grund des alten Befundes wieberhergestellten farbigen Architektur sei die Kirche in

Münstermaifeld angeführt. Wenn hier ferner die Behandlung des Innern des Limburger

Domes erwähnt wird, so geschieht dies, um kurz zu beleuchten, wie der Denkmalpfleger nicht selten vor GewissenSfragen gestellt wirb. Unserem heutigen Raumempfinben ist eS

befremdlich, baß bie tragenden Haupttelle eines architektonisch derart klar gegliederten Auf­

baus ganz hell gehalten sind, im Gegensatz zu den oberen, dunkleren. Und doch war eS, zu-

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mal in weitem Umfang unter der späteren Übermalung der ursprüngliche Bestand sich er­ halten hatte ober nachzuweisen war, unbedingt geboten, den Raum im ursprünglichen Sinne

zu behandeln und sich damit abzufinben, baß diese alte farbige Gliederung an manchen Stellen unserem Gefühl widerspricht, ja zuweilen geradezu die tektonische Gliederung zu

durchkreuzen scheint. Denn die Art und Weise, in der der alte Meister — man könnte fast sagen, im Sinne einer ins Riesengroße gesteigerten Buchmalerei — den Raum behandelt

hat, muß für uns schlechthin dokumentarischen Wett besitzen. Als letztes Beispiel dieser Reihe diene die Franziskanerklosterkirche in Berlin; hier sei lediglich darauf hingewiesen, baß die wahrscheinlich schon vor der Restaurierung im 19. Jahrhundert vorhanden gewesene

Behandlung der Backsteinflächen sorglich beibehalten worben ist. Denn ihre dünne graue Lasur, die den roten Ton mildett, ohne den Charakter zu verwischen, stimmt den Backstein

samt den Fugen, deren starke Betonung nur zu leicht die Flächen ober Gliederungen zer­ reißt, zu wohltuendem Zusammenhang und läßt gleichwohl die Struktur zur vollen Gel­ tung kommen. Die schwierigen Aufgaben, die bei der hohen Bedeutung für die Wirkung namentlich eines Kirchenraumes die Gestaltung der Verglasung stellt, seien nur angedeuttt. Hervorhebung verdient aber hier die geradezu erstaunliche Leistung, die bei der Rettung der

höchst wettvollen, durch Ablösung beS SchwarzlotS bedrohten Glasmalereien der Nürn­

berger Lorenzkirche vollbracht worben ist. Nicht selten steht die Denkmalpflege vor der Aufgabe, ein Bauwerk für neue Anforde­

rungen und Nutzungen herzurichten. Als hervorragendes Beispiel der Tätigkeit der baye­

rischen Schlöfferverwaltung, die neuerdings auch an der Feste Marienberg in Würzburg sich aufs glücklichste bewähtt hat, kann hier nur die Burg Nürnberg aufgezeigt werben. Vorbildlich ist hier die gestellte Aufgabe gelöst worben, unter Wahrung ober Wiedergewin­ nung der überkommenen, vielfach verdunkelten historischen Wette, die alte Stätte mit allen Einrichtungen zu versehen, die für eine lebendige Nutzung gelegentlich der großen Veran­

staltungen in der Stabt der Reichspatteitage unentbehrlich sind. Besondere Schwierig­ keiten, die indessen günstige Lösung finden, bereitet die Anpassung an einen neuen Zweck bei der in Angriff genommenen Wieberherrichtung des urnS Jahr 1000 entstandenen, bau­

geschichtlich und architektonisch gleich bedeutenden SirneonstifteS in Trier. Die oft schwer zu treffende Grenzlinie zwischen der Notwendigkeit, einzelne unentbehrliche Teile im alten

Sinne zu ergänzen und der Aufgabe, Neues harmonisch einzufügen, scheint hier in über­

zeugender Weise gezogen. AlS Vorbild verdient die zur Vorbereitung eines solchen Unter­

nehmens unerläßliche, eingehende Erforschung des ursprünglichen Bestandes besondereAnerkennung; dem unermüdlichen Spürsinn KutzbachS ist überhaupt die Aufdeckung des in un­

scheinbarstem Gewände auf uns gekommenen, höchst wettvollen AltbestanbeS zu verdanken. Erheblich ist die Zahl wettvoller Baudenkmal«, die in der letzten Zeit durch Errichtung für Zwecke der Gliederungen der Pattei, für Aufgaben der polittschen Schulung ober für

136 bic Jugend zu neuem Leben erweckt wurden. Erwähnt seien hier lediglich die charaktervolle

Wewelsburg, jetzt SS-Schule, bas Schloß Erwitte, unter Leitung Schulte-Frohlindes zur Schulungsburg für politische Führer der Deutschen Arbeitsfront in sehr glücklicher Weise

ausgestaltet, ferner Haus Beverungen an der Weser, bas als SA-Sportschule, sowic Schloß Bllfiein, bas als Jugendherberge dient. Wir freuen uns solcher Nutzung um so mehr, als sie zugleich unserer Jugend nachhallige Eindrücke von deutscher Bergangenhell und Gestal­

tungskraft vermittell. Bon den Fällen, in denen man mll Glück ein vorhandenes Baudenkmal zur Krieger­ ehrung Herrichten konnte, finde hier nur die Ausgestaltung eines ehemaligen Forts im

Grüngürtel von Köln Erwähnung. Als Beispiel der Herrichtung eines allen Wehrbaus für Museumszwecke sei der Kaisertrutz in Görlitz genormt, der allerdings besonders gün­ stige Vorbedingungen hierfür bot. Bisweilen bleibt nur die Verpflanzung eines Denkmals an eine andere Stelle die einzige

Mögltchkell der Rettung. Als Beispiel biene hier die Bersetzung einer Reihe charakteristischer

niedersächsischer Bauernhäuser mll ihren Nebenbauten in den Sachsenhain bei Berben a. b.

Aller, wo sie ein Schulungsheim der SS ausgenommen haben. Eine merkwürdig« Wan­ derung hat baS Sterntor in Magdeburg hinter sich, ein kleinerer Bruder der bekannten Stet­

tiner Tore vom Anfang des 18. Jahrhunderts. Nach der — heute schwer bereuten — rest­

losen Abtragung der allen Wälle Magdeburgs kamen die einzelnen Telle in den Keller des Deutschen Museums in Berlin, bis das Bauwerk, bank dem nach dem Umbruch lebhaft er­

wachten Interesse der Stabt Magdeburg, jetzt am Domplatz, sinngemäß als Tor in eine Mauer eingebaut, eine glückliche Wiederauferstehung feiern konnte. Daß es unter Umstän­

den sogar möglich ist, lediglich einen Raum zu verpflanzen, zeigt der Fall der Übertragung des offenbar von Schinkel beeinflußten edlen Saales aus dem abgebrochenen Weybinger­

haus in Berlin, der durch bas Eintreten des Herrn Preußischen Finanzministers zu einer Zierde des Dienstgebäudes des Ministeriums geworben ist.

Eine ihrer Verantwortung bewußte Denkmalpflege kann sich nun nicht damit begnügen,

die einzelnen Objekte an sich zu betreuen, sondern muß sich auch darauf erstreckn, die für ihre Erscheinung wesentlichen Zusammenhänge zu wahren. Oft besteht zudem der Denkmal­

wert nicht so sehr in den an sich vielleicht bescheidenen Teilen eines Ganzen, als vielmehr in der besonders bemerkenswerten Gesamtanlage. Als Beispiel für die Fürsorge für ein alles

Platzblld biene hier lediglich die Wiederherrichtung des durch seine Fachwerkbauten ausge­ zeichneten Marktplatzes von Markgröningen in Württemberg. Nicht immer wird übrigens

die Frellegung von Fachwerk, das im 18. oder 19. Jahrhundert verputzt wurde, ratsam sein, vielmehr sind auch hier die besonderen Verhältnisse und städtebaulichen Zusammenhänge

zu beachten, wie dies u. a. in einem der ausgezeichneten Merkblätter des Bayerischen Denk­ malamtes dargelegt ist. Zu solchen städtebaulichen Aufgaben der Denkmalpflege rechnet

naturgemäß vor allem die Gesundung von Tlltstäbten, die oft recht schwierige Probleme

stellt. Gill eS doch, bisweilen sogar unter Abwehr mancher überspitzter Forderungen allzu unentwegter AllertumSsreunbe, den rechten Ausgleich zu finden -wischen den unabweis­ baren Anforderungen der Gesundheitspflege, der Wirtschaft, der sozialen Fürsorge und -er

Wahrung der wesentlichen geschichtlichen und heimatlichen Werte. In vorbildlichem Maße

ist dies z. B. bei der Sanierung eines TeüS der Kölner Altstadt gelungen; auch in Frank­ furt a. M. darf eine Lösung erhofft werden, die alle besonders charakteristischen Telle beS allen StabtgebübeS wahrt. Naturgemäß spielen bei diesen Aufgaben die Fragen beS Ver­

kehrs eine besondere Rolle, wie z. B. bei den unvermeidlichen Eingriffen in die Altstadt Berlin infolge des neuen Brückenbaus im Zuge beS Mühlendamms, ober etwa in Magde­

burg bei dem im Zusammenhang mit der Schaffung eines großen Ost-West-DurchbruchS bevorstehenden Neubau der Elbbrücke. In Magdeburg ist gerade durch das Eintreten der

Denkmalpflege eine für die Sanierung des ihrer am meisten bedürftigen Viertels bedeut­

same, städtebaulich weitschauende Lösung gefördert worben. Ein interessantes Beispiel da­ für, baß unter Umständen auch durch Verschiebung eines Bauwerks unabweisbare Ver­

besserungen des Verkehrs ermöglicht werben können, gibt die — nach Herausnahme der

Ausmauerung — bewirkte Versetzung des charallervollen Portauschen Fachwerkhauses in Jork. Sm übrigen darf die Denkmalpflege in vielen Fällen für sich in Anspruch nehmen, baß

siezum besten der Gemeinwesen durch die hartnäckige Forderung der Erhaltung alter Stadtbefestigungen ober aller Friedhöfe zugleich höchst schätzenswerte Grüngürtel gerettet hat.

In diesem Zusammenhang sind weller zu nennen die Bemühungen zur Bereinigung der der durch Unverstand ober Eigennutz entstellten allen Straßen- und Platzbilder. So hat

z. B. das Stadtbauami Lübeck für die Altstabt ganze Straßenzüge maßstäblich verzeichnet,

um planmäßig und je nach Gelegenhell darauf hinzuwirken, baß bll Sünden der vergange­ nen Zell wieder gutgemacht werben. So ist in Trier mit Hilfe des Provinzialverbandes ein«

Bereinigung des Hauptstraßenzuges der Zlllstadt in bll Wege geleitet. Ein besonders glück­ liches Beisplll für bll Säubemng einer werwollen allen Hausfront zeigt der Dlllrichshof in Leipzig. Das Danziger Bild belegt bll Umwandlung einer geschmacklosen modernen

Front in eine schlichte, in den allen StabtorganiSmuS gut sich einfügenbe Form. Wll über­

all, so kann aber auch hier Übereifer vom Übel sein; bei den HauSfronten z. B. auS spät­ klassizistischer Zell ist jedenfalls mit Vorsicht vorzugehen, da bll Beseitigung ber im Zu­ sammenhang mit der Verteilung der Öffnungen wohlberechneten Gliederungen zu höchst

unerfreulichen Folgen für den Eindruck eines solchen Gebäudes führen kann. Das Problem „Vegetation und Denkmalpflege" kann nur ganz kurz gestreift werben; bisweilen muß ber Denkmalpfleger aus zwingenden Gründen um bll Befreiung von Archi­

tekturschöpfungen von unverständiger, oft erdrückender Bepflanzung ringen, wll dies mit Erfolg z. B. bei ber Säuberung des VorhofeS der Berliner Universität — unter Erhaltung

iz8 einiger weniger Bäume — geschehen ist. Aus dem Gebiet der historischen Gartenanlagen

sei hier nur die Freilegung des Fußes der Terrasse von Sanssouci angeführt. Schließ­ lich genüge als Hinweis auf die Fürsorge für die alten Friedhöfe das Beispiel der kleinen Kirche von Houverath in der Eifel mit ihrem reizvollen Kirchhof. Wertvolle Unterstützung

gewähren für diese Aufgaben neuerdings die von der Reichskulturkammer allgemein für die Gestaltung der Friedhöfe erlassenen Anordnungen und Richtlinien.

Wenn der Gesamtüberblick über die Aufgaben der Denkmalpflege nicht allzu lückenhaft bleiben soll, ist es schließlich unvermeidlich, noch eine Reihe von Sondergebieten wenigstens zu streifen. An die enge Fühlung mit den historischen Museen möge das Rüschhaus bei

Münster erinnern, diese eigenartige Schöpfung Schlauns. Die durch Annette von DrosteHülshoff bekannte Stätte hat eine ihrem Gedächtnis geweihte Herrichtung in vorbildlichem

Geiste erfahren. Es darf weiter nicht fehlen das große Gebiet der Pflege alter Wandmale­ reien. Wenn eingangs hervorgehoben wurde, daß auch wir in unserem Tun der Kritik der Nachwelt unterworfen sind, so dürfen wir doch im allgemeinen hoffen, hinsichtlich der

Behandlung dieser alten Dokumente mit Ehren bestehen zu können. Entstellung oder gar Vernichtung alter wertvoller Reste, wie sie im 19. Jahrhundert so oft zu verzeichnen waren,

gehören glücklicherweise zu den größten Seltenheiten; das Verständnis ist überall ge­ wachsen. Wir haben sogar eine Reihe von Erfolgen in der Wiederbefreiung solcher Werke von der Übermalung zu verzeichnen, wie bei den bedeutenden mittelalterlichen Malereien

an den Gewölben des Schleswiger Doms. Wo neue Funde gemacht werden, wie z. B. an den Pfeilern der Marienkirche in Anklam, bleibt höchste Achtung vor dem originalen Bestand erstes Gebot. Von feinem Gefühl und großer technischer Sorgfalt zeugt die von

der Badischen Denkmalpflege betreute Sicherung des großen reizvollen Freskobildes an der Orangerie des ehemaligen Klosters Bronnbach a. Tauber, die wegen der Eigenart dieser in seltenem Maße wohlerhaltenen Bauanlage im Bilde wiedergegeben ist. Erwähnt seien ferner die Bestrebungen zur Wiederbelebung alter handwerklicher Übung,

wie des Kratzputzes oder des Sgraffitto, wovon sich Schlesien viele interessante Reste

bewahrt hat und als Probe die wiederhergestellte Mauer von Wachtel-Kunzendorf in Ober­

schlesien gegeben sei. Wie wichtig gerade das Gefühl für diese handwerklichen Fragen ist, lehrt als Gegenstück die leider vor längerer Zeit — wie auch an anderen Denkmalen, z. B.

dem Limburger Dom — erfolgte Beseitigung des Verputzes der rohen Bruchsteinflächen in Schwarzrheindorf; die zweifellos ursprünglich beabsichtigte klare Betonung der archi­

tektonischen Gliederung wird nun durch die unruhigen Bruchsteinflächen überschriem. Weiter muß hier des umfangreichen Gebietes der Pflege alter Ausstattung, zumal in

den Kirchen, gedacht werden; entsteht doch zu leicht bei dem nicht näher unterrichteten Laien der Eindruck, daß die Denkmalpflege lediglich Bauwerke zu betreuen habe, während

sich ihr Arbeitsfeld doch, weit umfassender, ebenso auf die überreiche Fülle von Werken

der Plastik und Malerei, auf Möbel, Textilien und Geräte erstreckt. Auf die Sicherung gefährdeter Schnitzwerke und Tafelbilder kann hier, zumal im Hinblick auf die besondere

Behandlung dieses Themas durch Hermann Giesau, nicht näher eingegangen werden. Wenigstens fehle aber nicht, als Muster einer technisch meisterhaften, mit den einfachsten

Mitteln unter vollster Schonung des Originalwertes bewirkten Sicherung eines besonders

werwollen plastischen Schmuckes, die Heilung der Schäden am Tympanon der Gnaden­ pforte des Bamberger Doms. Erwähnung verdient, daß in einer Reihe von Fällen jetzt

bemerkenswerte Reste alter Ausstattung, die ehedem abgestellt waren, wieder zu Ehren

gebracht werden, wie die spätgotische Kanzel des Naumburger oder die Barockkanzel des Stendaler Doms. Von der Fürsorge für alte Epitaphien und Grabsteine spreche die Über­ führung der geschichtlich wie künstlerisch gleich bedeutenden Katzenellenbogen-Steine in

die Klosterkirche Eberbach, wo sie ihrem Charakter entsprechend an der Wand Aufstellung

fanden. Am übrigen war es erfreulicherweise möglich, die große Zahl der dort vorhandenen

Grabplatten, die ehemals im Boden lagen, wieder, und zwar in den Südkapellen, in den

Fußboden einzulassen. Daß sich ein alter plastischer Rest, in diesem Falle eines Sarko­ phags, in geschickter Weise wieder zu wirkungsvoller Verwendung bringen läßt, zeigt der

neue Altar der Martinskirche in Kassel. Nicht fehlen darf hier auch ein Hinweis auf die

Fürsorge für die Erhaltung oder Wiederherstellung charakteristischer alter Orgelwerke; daß

sie sich keineswegs nur mit der Pflege der mehr oder minder reich ausgebildeten Prospekte begnügen darf, ist erfreulicherweise längst allgemein anerkannt. Überaus zahlreich sind die Fälle, in denen die Denkmalpflege mit der technischen Neu­ ausstattung eines Bauwerkes sich zu befassen hat; es genüge hier die Aufgaben der An­ lage von Heizungen oder Beleuchtungen zu nennen. Von letzteren möge nur eine einzige,

wegen ihrer Eigenart bemerkenswerte Lösung aus dem Schleswig-Holsteinischen Ort Krummesse abgebildet werden, die die Form flacher Wandscheiben zeigt. Als einziger Beleg

aus dem Kapitel der Beschaffung gediegener neuer Kirchenausstattung sei ferner aus der gleichen Kirche ein in Holz geschnitztes Antependium aufgezeigt. Hiermit möge unsere Überschau, die freilich längst nicht erschöpfend alle Zweiggebiete erfassen konnte, beendet sein. Wir kehren rückblickend noch einmal zurück zu dem Grund­ gedanken, der stets alles Tun der Dmkmalpflege beherrschen sollte. Ihr Fundament ist und

bleibt die Ehrfurcht vor den geschichtlichen Werten. Dies zu bekräftigen, schließen wir unsere

Streiffahrt durch die deutschen Lande mit der Erinnerung an eine Tat der Denkmalpflege, die, vor allem dank der Initiative des Reichsführers SS, einer tausend Jahre alten Weihe­

stätte der Geschichte galt, der würdigen Wiederherrichtung der Grabstätte König Heinrichs I. in der Krypta des Quedlinburger Doms. Befteit von den museal gesondert untergebrachten zahlreichen Resten alter Architekturglieder, zeugt sie nun eindringlich und ergreifend als natio­

nales Heiligtum von großer Vergangenheit und dem Werden des ersten deutschen Reiches.