131 85 22MB
German Pages 212 Year 1975
PETER GÖTZ
Der Vergütungsanspruch gemä6 § 951 Absatz I Satz l BGB
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band22
Der Vergütungsanspruch gemäß § 951 Absatz 1 Satz 1 BGB Ein Beitrag zum Bereicherungs· und Aufopferungsrecht
Von
Dr. Peter Götz
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
© 1975 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1975 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlln 65 Prlnted ln Germany ISBN 3 428 03328 0
Meinen Eltern
Vorwort Diese Arbeit lag dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Regensburg im Wintersemester 1972173 als Dissertation vor. Sie wurde für die Drucklegung gestrafft und um einige weitere Argumente angereichert; Rechtsprechung und Literatur wurden bis Ende Februar 1974 nachgetragen. An den Ergebnissen wurde bei jedem einzelnen Problem festgehalten. Danken darf ich nun all jenen, die mitgeholfen haben, daß diese Arbeit in der vorliegenden Fassung publiziert werden konnte: Vor allem dem Erstkorrektor dieser Arbeit, Herrn Prof. Dr. G. Kleinheyer, der die Idee zu dieser Untersuchung hatte; nicht weniger herzlich aber auch dem Zweitkorrektor, Herrn Prof. Dr. D. Medicus, dessen freundlich-kritische Anmerkungen sehr hilfreich waren. Zu Dank verpflichtet bin ich ebenfalls Herrn Senator Prof. Dr. E. Schumann, an dessen Lehrstuhl für Prozeßrecht und Bürgerliches Recht ich als Hilfskraft und Assistent lernen konnte, wissenschaftlich zu arbeiten. Dank s.c hulde ich schließlich Herrn Senator E. h. Dr. J. Broermann für die bereitwillige Aufnahme dieser Arbeit in sein Verlagsprogramm. Regensburg, den 11. September 1974
Peter Götz
Inhaltsverzeichnis 1.
Einleitung
17
2.
Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
21
2.1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes 21 2.1.1. 2.1.2.
Das Reichsgerjcht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bundesgerichtshof
2.2. Die Stellungnahme der Literatur 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 3.
Die ältere Literatur ....... . ..... .... ......... . ... .... ... . Die jüngere Literatur ..... . ...... .. ...... . .............. . Zusammenfassung
Die Bereicherungstatbestände
3.1. Die sog. "Eingriffskondiktion" 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3. 3.1.4.
21 24 25 25 32 38 40 40
Die Rechtswidrigkeitstheorie Die Theorie vom Zuweisungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Theorien Kellmanns und Kleinheyers . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 45 51 56
3.2. Die Leistungskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
4.
60
§ 951 Abs. 1 im Rahmen der sog. Eingriffsfälle
4.1. § 951 Abs. 1 als Bereicherungsanspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. 4.1.1.1. 4.1.1.2. 4.1.1.3. 4.1.2. 4.1.2.1. 4.1.2.2. 4.1.2.3.
Das Tatbestandsmerkmal "auf dessen Kosten" ...... . . ... . Der Rechtsverlust als Indiz für die Inanspruchnahme eines fremden Rechtsgutes .. . ... .. .. . .... ...... . . .. ... . . . .... . Die Handlung. als Indiz für die Inanspruchnahme eines fremden Rechtsgutes ..... .......... ....... .. ....... .. . . . Ergebnis Das Tatbestandsmerkmal "ohne rechtlichen Grund" .. ... . Die Theorie Stammlers . .. . . . .. ... .. .. ........... .. . .. .. . Der Begründungsversuch Hülsmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einordnung des Vergütungsanspruchs gern. § 951 Abs. 1 als Bereicherungsanspruch wegen Verbrauchs einer Sache
60 60 62 70 72 72
74 76 77
10
Inhaltsverzeichnis 4.1.2.4.
Die Theorie vom Unterschied zwischen sachenrechtlicher Zuordnung und der Vermögenszuweisung. Das bereicherungsrechtlich Erlangte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4.1.2.4.1. Kurzer rechtsgeschichtlicher Überblick .............. ... .. .
82
4.1.2.4.2. Überblick über Rechtsprechung und Literatur seit Inkrafttreten des BGB . ... ................................ .. . . . . 84 4.1.2.4.3. Eigene Stellungnahme 89 4.1.2.4.4. Schlußfolgerungen ............. ... ..................... . 94 4.1.2.5. Die Theorie Jakobs' ............. . .................... . .. . 95 Die eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung der eigenen Lösung von der Ansicht Wolffs, Tobias' und Imlaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2.7.1. Der Vergleich mit § 988 . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2.7.2. Der Vergleich mit§ 816 Abs. 1 Satz 2 ................... . .. 4.1.2.7.3. Schlußfolgerungen .............. . .. .....................
4.1.2.6. 4.1.2.7.
4.1.2.8.
Ergebnis
96 98 99 100 100 101
4.2. Die Begründung des in § 951 Abs. 1 Satz 1 normierten Ausgleichsanspruchs ................................ . ............... .. ...... 102 4.2.1. 4.2.1.1.
Begründungsversuch mit Hilfe der Begriffe "Eingriff" und "Inhaltsbestimmung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 "Eingriff" und "Inhaltsbestimmung" bei § 904, § 906 und
§ 912 ............................... .. ............ . ...... 103
4.2.1.1.1. § 904 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 104 4.2.1.1.2. § 906 108 4.2.1.1.3. § 912 4.2.1.2. Kritik: "Eingriff" und "Inhaltsbestimmung" als für die Anspruchsbegründung untaugliche Begriffe ....... . ...... 109 4.2.2. 4.2.2.1. 4.2.2.1.1. 4.2.2.1.2.
Begründungsversuch aus Art. 14 GG .............. .. ...... Die Bindung des Privatrechtsgesetzgebers an Art. 14 GG .. Die Bindung an die Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art und Umfang der Bindung des Privatrechtsgesetzgebers an das Grundrecht aus Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113 114 114 115
4.2.2.1.3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.2.2.2. Die Vereinbarkeit von§ 951 Abs. 1 Satz 2 mit Art. 14 Abs. 1 GG. § 951 Abs. 1 Satz 2: eine Kollisionsnorm .............. 121 4.2.2.3. Die verfassungsrechtliche Begründung des Ausgleichsanspruchs gern. § 951 Abs. 1 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4.3. Der Ausgleichsanspruch gem. § 951 Abs. 1 Satz 1 als privatrechtlicher Aufopferungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.3.1.
Gemeinsame Voraussetzungen der gesetzlich normierten privatrechtliehen Aufopferungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.3.1.1.
Der Entzug der Abwehrklage . .. .................. ... . . .. 135
Inhaltsverzeichnis
11
Keine Beschränkung auf die Abwehrklage Entzug durch "Sondernormen" .......................... Der Ausschluß der Abwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Problem des "ersten schädigenden Eingrüfs" . . . . . . . . . . Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der allgemeinen Güter- und Interessenahwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1.1.6. Ergebnis ........................ ... ..................... 4.3.1.2. Die Rechtmäßigkeit von Handlung und Erfolg ............ 4.3.1.3. Die bewußte Lösung eines Interessenkonflikts . ........... 4.3.1.4. Ergebnis 4.3.2. Der Anspruchsverpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2.1. Die Haftung des Eingreifenden .. . ....................... 4.3.2.2. Die Haftung des Begünstigten ..... . . .. ........... .. ...... 4.3.2.3. Ergebnis und Schlußfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3. Die systematische Einordnung des Ausgleichsanspruchs gern. § 951 Abs. 1 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4. Konsequenzen der systematischen Einordnung im Hinblick auf die Lösung von Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135 138 139 140
§ 951 Abs. 1 im Rahmen der sog. Leistungsfälle
155
4.3.1.1.1. 4.3.1.1.2. 4.3.1.1.3. 4.3.1.1.4. 4.3.1.1.5.
5.
142 142 143 144 145 145 147 149 151 151 152
5.1. Die Anwendbarkeit des § 951 Abs. 1 in Leistungsfällen . . . . . . . . . . . . . . 155 5.1.1. 5.1.2.
Die Anwendbarkeit von §§ 946 bis 950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Die Anwendbarkeit von § 951 Abs. 1 selbst . . . . . . . . . . . . . . . . 158
5.2. § 951 Abs. 1 als Leistungskondiktion? .............................. 164 5.3. § 951 Abs. 1 als Aufopferungsanspruch auch im Rahmen der Leistungställe .................... . .......... ... ...................... 166 5.4. Die Lösung von Leistungsfällen mit Hilfe des aufopferungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs gern. § 951 Abs. 1 ... . ....... . .. .. .... .. 167 5.5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.
Der Umfang des Ausgleichsanspruchs gem. § 951 Abs. 1 Satz 1
170
6.1. "Vergütung in Geld" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6.1.1. 6.1.1.1. 6.1.1.2. 6.1.2. 6.1.2.1. 6.1.2.2.
Kurzer Überblick über Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . Objektiver und subjektiver Wertbegriff .......... ...... .. Begrenzung durch den Verlust des Entreicherten? .. . . .. .. Eigene Lösung .. .. ................. . ...... . . . . .. . . .... . . Die Anwendbarkeit von § 818 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Interpretation des § 951 Abs. 1 Satz 1 hinsichtlich des Anspruchsumfanges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 170 172 174 175 178
12
Inhaltsverzeichnis 6.1.2.2.1. Begrenzung durch den Verlust des Entreicherten 6.1.2.2.2. Angemessener Ausgleich in Geld
178 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
6.1.2.2.3. Begrenzung durch die noch vorhandene Bereicherung . . . . . . 186 188 6.1.2.2.4. Ergebnis 6.2. Der Zeitpunkt der Wertberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6.2.4. 6.2.5.
7.
Argument: Die Schadensausgleichsfunktion Argument: Der Vergleich mit anderen Aufopferungsansprüchen: §§ 912, 917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argument: Übermaßverbot Argument: Vernünftige Risikoverteilung ..... . ...... . ... .. Ergebnis
190 191 191 192 194
Der Ausgleicltsanspruch wegen der im Zusammenhang mit Einbau, Verbindung oder Vermiscltung erbrachten Arbeitsleistung 196
7.1. Rechtsprechung und Lehre .......... . ... ... . . ... ...... . ........ ... 196 7.2. Eigene Lösung ... . ........ . ................... . ................... 198
8.
Zusammenfassung
201
Literaturverzeicltnis
203
Abkürzungsverzeichnis a.a.O.
am angegebenen Ort
a.A.
anderer Ansicht
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
a.E.
amEnde
ALR
allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, gültig ab 1. 6. 1794
AnfG
Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens (Anfechtungsgesetz) v. 21. 7. 1879 (RGBl. S . 277), in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. 5. 1898 (RGBl. S. 709)
Anm.
Anmerkung
ArchBürgR
Archiv für Bürgerliches Recht
Art.
Artikel
BAG
Bundesarbeitsgericht
BayVBl.
Bayerische Verwaltungsblätter
BayVerfGH
Bayerischer Verfassungsgerichtshof
BB
Der Betriebs-Berater
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBl. S. 195)
BGBl.I
Bundesgesetzblatt, Teil I
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
ders.
derselbe, dieselbe
DJZ
Deutsche Juristenzeitung
DVBl.
Deutsche Verwaltungsblätter
EI; E li
Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. 1888 (= Entwurf I); 2. Lesung 1895 (= Entwurf II)
ebd.
ebenda
Einf.
Einführung
Einl. ALR
Einleitung zum ALR
Abkürzungsverzeichnis
14
f.; ff.
der, die, das folgende; die folgenden
FG
Festgabe
Fn.
Fußnote
gern.
gemäß
GewO
Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 26. 7. 1900 (RGBl. S. 871)
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23. 5. 1949 (BGBl. S. 1)
Gruchot
Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot
HGB
Handelsgesetzbuch v. 10. 5. 1897 (RGBl. S. 219)
h.M.
herrschende Meinung
HRR
Höchstrichterliche Rechtsprechung
i. d. R.
in der Regel
i. S. V.
im Sinn von
i. V.m.
in Verbindung mit
JA
Juristische Arbeitsblätter
JJ
Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts
JMBlNRW
Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen
JR
Juristische Rundschau
JurA
Juristische Analysen
jur. Diss.
juristische Dissertation
JuS
juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
KO
Konkursordnung v. 10. 2. 1877 (RGBl. S. 351) in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. 5. 1898 (RGBL S. 369, S . 612)
LG
Landgericht
LM
Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring
LuftVG
Luftverkehrsgesetz in der Fassung v. 4. 11. 1968 (BGBl. I s. 113)
LZ
Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
m.E.
meines Erachtens
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
Mot.
Motive
n.F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis Nr.
Nummer
15
OLG
Oberlandesgericht
RabelsZ
Zeitschrift für ausländisches und Internationales Privatrecht, begründet v. Rabel
Rdnr.
Randnummer
Recht
Das Recht
RG
Reichsgericht
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGRK
Reichsgerichtsrä te-Kommen tar
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
SeuffA
Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten
sog.
sogenannte (r, s)
Sp.
Spalte
StGB
Strafgesetzbuch in der Fassung v. 1. 9. 1969 (BGBl. I S. 1445)
Verf.
Verfasser
VersR
Versicherungsrecht Juristische Rundschau für die Individualversicherung
VGHn.F.
Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte, neue Folge
Warn. Rspr.
Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, herausgegeben von Warneyer
WPM
Wertpapier-Mitteilungen
ZgesStW
Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
ZMR
Zeitschrift für Miet- und Raumrecht
ZPO
Zivilprozeßordnung in der Fassung v. 12. 9. 1950 (BGBl. S. 533)
ZR
Abteilung: Zivilrecht
1. Einleitung Es erscheint müßig, sich in einer Dissertation mit § 951 Abs. 1 BGB1 und dessen rechtlicher Natur zu beschäftigen, denn die absolut herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur steht - bei mancher Differenzierung im Detail- auf dem Standpunkt, bei dem Ausgleichsanspruch2 gern. § 951 Abs. 1 Satz 1 handle es sich um einen typischen Bereicherungsanspruch. Diese Ansicht ist offensichtlich derart festgefügt, daß E. Weber3 feststellen zu können glaubt, an der bereicherungsrechtlichen Natur des § 951 Abs. 1 könne "ein ernsthafter Zweifel nicht obwalten" 4 : dies, obwohl es sozusagen zum "täglichen Brot" des Juristen gehört, Zweifel zu haben. Der Tatsache, daß die rechtliche Natur des § 951 Abs. 1 geklärt zu sein scheint, entspricht die relativ geringe Anzahl von Dissertationen, die sich mit dieser Norm in den letzten Jahrzehnten befaßten. Während sich in den ersten dreißig, vierzig Jahren nach lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches viele Doktoranden dieses Themas annahmen5 , wurde etwa seit dem Jahre 1940 zu § 951 Abs. 1 nur noch wenig publiziert, wobei die rechtliche Natur des Ausgleichsanspruchs überhaupt nicht oder doch nur am Rande erörtert wurde6 • Über diese schwerwiegenden Bedenken, die den Verfasser bei der Arbeit an dieser Untersuchung des öfteren heimsuchten, konnte auch
Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind im folgenden solche des BGB. Im Titel dieser Arbeit wird der Anspruch gern § 951 Abs. 1 Satz 1 zwar - entsprechend dem Wortlaut dieser Norm - als Vergütungsanspruch bezeichnet; da die rechtliche Relevanz dieser Bezeichnung aber erst unter 6.1. dargelegt wird, erscheintes-um auch einen bloß terminologischen Vorgriff zu vermeiden - angebracht, in diesem Stadium der Untersuchung noch den neutraleren Begriff des "Ausgleichsanspruchs" zu verwenden. 3 Eckart Weber, Der Erstattungsanspruch. Die ungerechtfertigte Bereicherung im öffentlichen Recht, Berlin 1970. 4 ebd., S. 22 Fn. 18. 5 Vgl. die Arbeiten von Ed~er, Hedrich, Hergesell, Hilgendorff, Schoene1
2
berger, Simon, Auffermann. 8 Vgl. die Arbeiten von H.ülsmann und Mauser, die sich primär mit dem
Problem befassen, inwieweit die starken Veränderungen in der bereicherungsrechtlichen Dogmatik Auswirkungen zeitigen auf die Anwendung des § 951 I 1 in bestimmten Fallkonstellationen, eine Problematik, die die vorliegende Arbeit bewußt nicht anschneidet. 2 Götz
18
1. Einleitung
HenseF nicht hinweghelfen. Zwar gesteht Hensel der Meinung, § 951 Abs. 1 sei kein echter Fall der ungerechtfertigten Bereicherung, zu, sie sei "heute mehr denn je beachtenswert, da sie sich dem Erfordernis eines volksnahen und allgemein verständlichen Rechts nähert. Ein nicht rechtswissenschaftlich Vorgebildeter wird zweifellos nicht begreifen können, daß ein vom Gesetz selbst bestimmter Erwerb ohne Rechtsgrund sein kann. Wenn das Gesetz etwas bestimmt, so ist die auf Grund dieser Bestimmung erfolgte Vermögensverschiebung nach der Volksanschauung auch dem Rechte entsprechend - also nicht ohne rechtlichen Grund" 8 • Jedoch erscheint es im Jahre 1974 nicht ratsam, diesen "volksnahen" Sätzen aus einer im Jahre 1936 abgeschlossenen Dissertation allzu großes Gewicht beizumessen; kurz: Hensels nationalsozialistisch gefärbter Einwand hilft nicht weiter. Gleichwohl erscheint es auch heute noch angebracht, sich mit § 951 Abs. 1 näher zu befassen: dies nicht zuletzt deshalb, weil so manches, was die h. M. in bezug auf § 951 Abs. 1 behauptet, zumindest zu kritischen Fragen Anlaß gibt. Hingewiesen sei nur auf die in der Literatur überwiegende These, § 951 Abs. 1 sei dann nicht anwendbar, wenn der Rechtserwerb gern. §§ 946 bis 950 Folge einer Leistung des durch diese Normen Benachteiligten ist9 • Mit Fragezeichen zu versehen ist auch die Behauptung, der Ausgleichsanspruch gern. § 951 Abs. 1 Satz 1 sei umfangmäßig nicht durch den Verlust des Entreicherten begrenzt, sondern sei einzig und allein an der Vermögensmehrung bei dem durch §§ 946 bis 950 Begünstigten orientiert10• Diese Ansicht, die im Wortlaut von § 951 Abs. 1 Satz 1 keine Stütze findet 11 , erscheint nur dann verständlich, wenn man § 951 Abs. 1 Satz 1 als Bereicherungsanspruch12 bezeichnet und deshalb auch seinen Umfang rein bereicherungsrechtlich begreift13• Bedenklich stimmt auch die Art und Weise, wie der BGH zu der Kondiktion von Arbeitsleistungen Stellung nimmt, die im Rahmen von Einbau, Verbin7 Renset ist selbst ein Vertreter der bereicherungsrechtlichen Theorie zu § 951 I 1; wegen der Einzelheiten vgl. unten 2.2.1. bei Fn. 74 ff. 8 Hensel, S. 18.
9 Vgl. unten die Nachweise in Fn. 123 (hinsichtlich der Gegenmeinung in Fn. 122) sowie die Auseinandersetzung mit dieser Ansicht unter 5.1. 10 Vgl. hierzu die Übersicht in 6.1.1.2. 11 Vielmehr deutet der Wortlaut ("Wer ... einen Rechtsverlust erleidet, kann ... Vergütung in Geld fordern.") eher darauf hin, daß die Vergütung eine Entschädigung für den erlittenen Rechtsverlust sein soll. 12 Genauer gesagt, als eine Norm, deren- von § 951 I 2 abgesehen- einzige Funktion es ist ktarzusteHen, daß in den Fällen des Eigentums- bzw. Rechtsverlusts gern. §§ 946 bis 950 ein Bereicherungsanspruch möglich ist; vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 131 und Fn. 339. 13 Vgl. zur eigenen Lösung unter 6.1.2.
1. Einleitung
19
dung, Vermischung oder Verarbeitung - insbesondere aber bei der Erstellung eines Gebäudes- erbracht wurden: Denn der BGH meint einerseits, § 951 Abs. 1 Satz 1 gehe "nicht auf Ersatz des Wertes einer Vielzahl der einzelnen zur Errichtung des Gebäudes erbrachten wirtschaftlichen Leistungen, sondern auf Ersatz des Wertes, den das Gebäude als wirtschaftliche Einheit für den Bereicherten hat" 1", andererseits aber hält er daran fest, daß zumindest eigene15 rechtsgrundlos erbrachte Arbeitsleistungen des durch §§ 946 ff. Benachteiligten nicht über § 951 Abs. 1, sondern über §§ 812 ff. unmittelbar auszugleichen sind16 ; auf den ersten Blick erscheint dies in seiner Widersprüchlichkeit fast unverständlich17. Antworten auf die damit aufgeworfenen Fragen sucht die vorliegende Arbeit im folgenden zu finden. Die Untersuchung wird dabei eingebettet sein in die umfassendere Frage nach der Rechtsnatur des in § 951 Abs. 1 Satz 1 normierten Ausgleichsanspruchs. Trotz der Befürchtung, gegen die feste und unerschütterliche Wand einer herrschenden Meinung anzurennen, wird dabei versucht werden, die Theorie von der bereicherungsrechtlichen Natur des in § 951 Abs. 1 Satz 1 normierten Ausgleichsanspruchs zu widerlegen und diese Norm als bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch zu kennzeichnen. Daß es sich dabei nicht um ein ganz aussichtsloses und ganz absonderliches Unterfangen handelt, zeigt nicht zuletzt die Bemerkung Baurs, man könne von § 951 Abs. 1 Satz 1 "eine Parellele zu dem öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch ziehen" 18. Um dem damit etwas global umrissenen Ziel dieser Arbeit näher zu kommen, werden im ersten Abschnitt dieser Dissertation19 Rechtsprechung und Literatur zu Wort kommen, soweit sie sich mit der Rechtsnatur des§ 951 Abs. 1 befassen. Bevor jedoch versucht wird, den zu § 951 Abs. 1 publizierten Meinungen eine neue hinzuzufügen, erscheint es notwendig, die bereicherungsrechtlichen Grundlagen aufzuzeigen, mit deren Hilfe § 951 Abs. 1 auf seine Nähe zum Bereicherungsrecht hin untersucht werden soll. 14
BGH NJW 1954, S . 265 f. (266).
Aufwendungen für Arbeitsleistungen Dritter werden demgegenüber manchmal unter § 951 I 1 subsumiert; so z. B. BGHZ 10, S. 171 ff. (179); anders BGH WPM 1966, S. 369 ff. (370): auch Aufwendungen für fremde Arbeitsleistung sind über §§ 812 ff. unmittelbar auszugleichen. 18 Vgl. BGHZ 10, S. 171 ff. (179). 11 Vgl. hierzu unter 7.1. 18 Baur, Lehrbuch, § 53 c I 1 (S. 493); ihm zustimmend Mauser, S. 11 in 16
Fn.42. 19
Unter 2.
1. Einleitung
20
Mit anderen Worten: Im zweiten Abschnitt ist dazusteHen, was Eingriffs- und Leistungskondiktion im einzelnen kennzeichnet20 • Dem darauf folgenden Hauptteil der Arbeit, der nicht nur gedanklich, sondern auch formal in zwei Abschnitte gegliedert ist, fällt die Aufgabe zu, § 951 Abs. 1 Satz 1 als eine nicht dem Bereicherungsrecht zugehörige Anspruchsnorm zu beschreiben und seine Einordnung als bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch vorzunehmen. Dabei wird dies zunächst im dritten Abschnitt21 nur für jene Fälle versucht, die gemeinhin als "Eingriffsfälle" bezeichnet werden; denn bei ihnen ist die Anwendbarkeit von§ 951 Abs. 1 unbestritten. Die dabei gefundenen Ergebnisse werden dann im vierten Abschnitt22 auf die "Leistungsfälle" übertragen. Zuvor jedoch wird die Anwendbarkeit des § 951 Abs. 1 auch auf diese Fallgruppe untersucht und bejaht. Damit ist der "spannende" Teil der Arbeit zu Ende. Da sich wegen der Besonderheit des Aufopferungsanspruchs an der Anwendung des § 951 Abs. 1 im Hinblick auf den konkreten Fall nichts ändert23, bleibt nur noch übrig, den Umfang des in§ 951 Abs. 1 Satz 1 normierten Vergütungsanspruchs zu bestimmen24 : dies natürlich unter besonderer Berücksichtigung seines aufopferungsrechtlichen Charakters. Im sechsten und letzten Abschnitt25 schließlich wird ein Problem berührt, auf das nur relativ selten hingewiesen wird: auf die Kondiktion der im Zusammenhang mit dem Einbau oder der Verbindung rechtsgrundlos erbrachten Arbeitsleistungen.
20 21 22
2a 14 25
Unter 3. Unter 4. Unter 5. Vgl. unter 4.3.4. und unter 5.4. Vgl. unter 6. Unter 7.
2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur Aufgabe dieses ersten Abschnittes der Arbeit wird es sein, einen kurzen Überblick über Rechtsprechung und Literatur zu geben, soweit sie sich mit dem hier zur Diskussion stehenden Problem, der Einordnung des Vergütungsanspruchs gern. § 951 Abs. 1 Satz 1 ins Bereicherungsrecht, befassen.
2.1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes 2.1.1. Das Reichsgericht Das Reichsgericht hatte wiederholt Gelegenheit, sich mit§ 951 Abs. 1 zu beschäftigen. Schon 1902, zwei Jahre nach Inkrafttreten des BGB, war zum ersten Mal über eine auf§ 951 Abs. 1 gestützte Klage zu entscheiden. Bereits in diesem28 Urteil formulierte das Reichsgericht, die zugunsten des Beklagten eingetretene Rechtsänderung begründe "nach §§ 951, 812, 818 B. G. B. für den Beklagten die Verpflichtung, die ohne Rechtsgrund erlangte Bereicherung der Klägerin zu vergüten" 27 • Ohne es zu begründen, ja ohne es auch nur ausdrücklich zu erwähnen28, prüfte das Reichsgericht damit zumindest einen wesentlichen Teil des Tatbestandes von § 812 Abs. 1 Satz 1 als Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs gern. § 951 Abs. 1. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit wies das Reichsgericht 1906 eine Klage aus § 951 Abs. 1 ab, weil "von einer ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten im Sinne der §§ 812 flg. und29 von der Anwendung des § 951 Abs. 1 nicht die Rede sein (konnte)" 30• Erst in der Entscheidung vom 6. Mai 1907 geht das Reichsgericht zum ersten Mal ausdrücklich auf das Verhältnis zwischen§§ 812 ff. und§ 951 Abs. 1 ein. Die entscheidenden Sätze des Urteils lauten: "Der Eigen28 In zwei weiteren frühen Entscheidungen nimmt das RG keine Stellung zum Problem: RG v. 11.12.1902, JW 03, Beilage S. 24 Nr. 49; RG v. 27. 2.1903, Recht 1903, Nr. 2545. 27 RG v. 13. 3. 1902, RGZ 51, S. 80 ff. (81 f.); hervorgehoben vom Verf.; der Kern der Entscheidung ist auch in JW 02, Beilage S. 219 Nr. 69 wiedergegeben. 28 Es sei denn durch den Hinweis auf § 812 in Zusammenhang mit § 951. u Zu ergänzen ist wohl "damit". so RGZ 63, S. 416 ff. (423).
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2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
tumsübergang durch Verbindung hat gemäß § 951 Abs. 1 einen Anspruch auf Vergütung gegen denjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, nur unter der Voraussetzung zur Folge, daß er ,nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung' begründet ist. Damit knüpft das Gesetz den Anspruch an dieselben Bedingungen, die nach § 812 Abs. 1 für den Bereicherungsanspruch überhaupt bestehen . .. Seine Besonderheit besteht nur darin, daß er unabhängig von der Voraussetzung des § 818 Abs. 2 stets auf Wertersatz geht31 ." Mit dieser "Begründung", die - rein formal betrachtet- auf einer ergebnisbezogenen Umformulierung des Gesetzes beruht82, wurde § 951 Abs. 1, zumindest was die Rechtsprechung betrifft, endgültig mit dem Etikett "Bereicherungsanspruch" versehen. Die späteren Entscheidungen des Reichsgerichts33 variierten zwar zumeist in Satzbau und Wortwahl, der Sinn jedoch blieb der gleiche: § 951 Abs. 1 war für das Reichsgericht eine- technisch gesprochenbloße "Rechtsgrundverweisung", da durch die in § 951 Abs. 1 Satz 1 enthaltene Verweisung auf die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung "das Gesetz den Anspruch auf Vergütung an dieselben Bedingungen (knüpft), die nach § 812 Abs. 1 BGB für den Bereicherungsanspruch überhaupt bestehen"34 • Etwas Verwirrung entstand nur, als das Reichsgericht in einer Entscheidung, deren Streitgegenstand § 951 Abs. 1 unmittelbar nicht berührte, selbst Formulierungen gebrauchte, die der Theorie von der Rechtsgrundverweisung widersprachen. In diesem Urteil85 hatte das Reichsgericht die Frage zu beantworten, ob § 2325 Abs. 338 auch dem Beschenkten, der gern.§ 2329 Abs. 1 Satz 1 "nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung" zur Herausgabe verpflichtet ist, zugute kommen soll. In diesem Zusammenhang führte das Gericht aus: "Die im Gesetz auch sonst häufig wiederkehrende Verweisung auf Bereicherungsgrundsätze (so z. B. §§ 323, . . . 951, ... 2287 BGB) dient überall nicht dazu, die Tatbestände zu bestimmen, wodurch eine Herausgabepflicht erzeugt wird ... Die Bezugnahme auf Bereicherungsgrundsätze dient nur dazu, den Umfang einer als bereits 81 SeuffA 63, Nr. 11 S . 15 ff. (16 f.) ; hervorgehoben vom Verf. Abgedruckt auch in Recht 1907, S. 768 Nr. 1654. 82 Man beachte den im Text hervorgehobenen Satzteil. 33 RG in Recht 1909, Nr. 476; RG JW 1919, S. 715 Nr. 1; RG in LZ 1928, Sp. 1249 Nr. 9 = HRR 1928, Nr. 1416; RGZ 130, S. 310 ff. (312). 34 RGZ 130, S. 310 ff. (312); zum Begriff der Rechtsgrundverweisung: Baur, Sachenrecht, § 53 c I 2 (S. 494), im Gegensatz zur Rechtsfolgenverweisung. 35 RGZ 81, S. 204 ff. ; Urteil vom 16. 1. 1913. 38 Gern. § 2325 III sollen Schenkungen unberücksichtigt bleiben, wenn zur Zeit des Erbfalls 10 J ahre seit der Leistung des geschenkten Gegenstands verstrichen sind.
2.1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes 23 vorhanden angenommenen Herausgabepflicht zu begrenzen. Und zwar
regelmäßig in der Absicht, den Herausgabepflichtigen damit günstiger zu stellen, als sonst dem strengen Recht entsprechen würde. § 2329 BGB besagt mithin nicht mehr, als daß der Beschenkte, wenn und soweit er herausgabepflichtig ist, nur die noch vorhandene Bereicherung herauszugeben habes7."
Die KritikS8 , die dieses höchstrichterliche Urteil in der Literatur39, die sich mit§ 951 Abs. 1 beschäftigte, erfuhr, war- man kann es wohl so sagen - vernichtend. So meinte etwa Edler, die "sehr merkwürdige" Entscheidung40 sei eine "Entgleisung des RG" 41 • Die Kritik war sicherlich insofern berechtigt, als das Reichsgericht durch die Behauptung, alle Verweisungen auf die ungerechtfertigte Bereicherung dienten nur dazu, den Umfang einer Herausgabepflicht zu begrenzen, seien also Rechtsfolgenverweisungen42, "eine sich durch nichts rechtfertigende Verallgemeinerung vorgenommen" 43 hatte. Nicht richtig war es hingegen, dem Reichsgericht vorzuwerfen, es habe mit seinem Urteil allen Verweisungsvorschriften die Etikettierung "Bereicherungsanspruch" nehmen wollen44, da das Reichsgericht über die Natur des durch § 818 Abs. 3 begrenzten Herausgabeanspruchs keine Aussage traf, vielmehr nur die gegenüber §§ 812 ff. bestehende Selbständigkeit dieser Ansprüche betonte4s. Dem entspricht es, wenn das Reichsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 193246 unter Bezugnahme auf RGZ 81, S. 204 ff. ausführte, RG 81, S. 205 f.; hervorgehoben vom Verf. Vgl. insb. Edler, S. 12 f.; Schoeneberger, S. 16 f.; Simon, S. 39. 39 Die Kommentarliteratur versuchte allerdings teilweise, die HG-Entscheidung ins "System" einzubauen. Die Folge war eine Konfusion in der Darstellung von § 951 I. So wird etwa bei Staudinger I Korber, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Auflage, München - Berlin- Leipzig 1935, § 951 Rdnr. 1, zunächst unter Zitierung des RG-Urteils darauf hingewiesen, die Verweisung auf das Bereicherungsrecht diene nur der Feststellung des Umfangs der Verpflichtung. Etwas später jedoch wird behauptet, der Anspruch nach § 951 I sei nur begründet, wenn die Voraussetzungen des § 812 erfüllt sind. Ähnliche Widersprüche fanden sich damals auch in anderen Kommentaren; vgl. hierzu die Darstellung bei Schoeneberger, S. 17 f., und bei Edler, S. 14. 40 Edler, S. 12. 41 Edler, S. 13. 42 Vgl. Baur, a.a.O. (Fn. 34). n Simon, S. 39. 44 So aber Edler, S. 13; Schoeneberger, S. 17 f.; Simon, S. 39; dagegen bereits Hensel, S. 34, der zu Recht darauf hinweist, die Ausführungen des RG enthielten "nichts über den eigentlichen Schuldgrund"; das RG betone nur "die Selbständigkeit der Ansprüche". 45 Ebenso Hensel, S. 34; ähnlich Mauser, S. 16. 48 RGZ 139, S. 17 ff.; zu § 717 III ZPO ergangen. 37
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2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
die Verweisung auf die Bereicherungsgrundsätze solle nur dazu dienen, "den Umfang einer als bereits vorhanden angenommenen Herausgabepflicht zu begrenzen" 47 , diese Behauptung aber in Ergänzung zu RGZ 81, S. 204 ff. dahingehend modifizierte, dies gelte nur, soweit es sich nicht an sich schon um echte Bereicherungsfälle handle48 • Resümierend kann man feststellen: Wegen der beiden zuletzt behandelten Entscheidungen gibt die Rechtsprechung des Reichsgerichts im Hinblick auf die Frage, ob § 951 Abs. 1 Satz 1 eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung darstellt, kein einheitliches Bild ab. Die bereicherungsrechtliche Natur des Ausgleichsanspruchs gern. § 951 Abs. 1 Satz 1 wurde jedoch nie bezweifelt. 2.1.2. Der Bundesgerichtshof Diese letzte Aussage gilt uneingeschränkt auch für den Nachfolger des Reichsgerichts, den Bundesgerichtshof, der immer wieder - wenn auch manchmal nur nebenbei - auf den bereicherungsrechtlichen Charakter des § 951 Abs. 1 hinwies49 • Des öfteren aber stellte er ausdrücklich fest, daß "der in § 951 BGB festgestellte Anspruch auf Vergütung ... nur gegeben (ist), wenn die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB vorliegen" 50, "§ 951 BGB schafft keinen selbständigen Entstehungstatbestand für einen Geldanspruch, er stellt lediglich einen Unterfall des allgerneinen Bereicherungsrechts dar" 51 • Der BGH sieht§ 951 Abs. 1 damit als Rechtsgrundverweisung an. Eine dem Urteil in RGZ 81, S. 204 ff. vergleichbare "Entgleisung" hat die Entscheidungsreihe des Bundesgerichtshofs nicht aufzuweisen.
ebd., S. 22. ebd.; seltsamerweise wird gerade diese RG-Entscheidung - und nicht jene im 81. Band - von Wolff I Raiser, Lehrbuch, § 74 I 1 Anm. 1 (S. 274), insofern mißverstanden, als dort behauptet wird, RGZ 139, S. 22, unterstelle nur die Rechtsfolgen, nicht aber den Rechtsgrund des § 951 I dem Bereicherungsrecht. Dies aber wurde vom RG in dieser Entscheidung - wie der Text aufzuzeigen sucht - ausdrücklich offengelassen. 49 "Nebenbei"-Hinweise finden sich in BGHZ 7, S. 252 ff. (253, 257) = NJW 1952, S. 1329 f.; BGH MDR 1!)64, S. 586 f. (587); BGH NJW 1954, S. 793 f. (794); BGH MDR 1962, S. 649; BGH ZMR 1971, S. 26; BGHZ 56, S. 228 ff. (239); BGH WPM 1972, S. 392; BGH KTS 1972, S. 45 ff. (51 f.). so BGHZ 17, S . 236 ff. (238) = NJW 1955, S. 1106 f. = MDR 1955, S. 539 f.; ähnlich: BGH LM Nr. 14 zu § 812; BGHZ 10, S. 171 ff. (179); BGHZ 35, S. 356 ff. (359 f.); BGHZ 40, S. 272 ff. (276); BGHZ 55, S. 176 ff. (177); "Jungbullenfall"; BGH NJW 1961, S. 452 f. = MDR 1961, S. 216 f.; BGH WPM 1973, S. 71 ff. (72); keine Stellungnahme zum Problem etwa bei BGH NJW 1962, S. 2293 ff. = MDR 1962, S . 975. st BGHZ 41, S. 157 ff. (159). 47 48
2.2. Die Stellungnahme der Literatur
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2.2. Die Stellungnahme der Literatur Anders als die eben geschilderte Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs zeigt die Literatur, besonders jene der ersten Jahre nach lokrafttreten des BGB, ein differenzierteres Meinungsbild. 2.2.1. Die ältere Literatur Einer der ersten, der sich- wenn auch nur am Rande- mit § 951 Abs. 1 befaßte, war Martin Wolff52• Für ihn hatte diese Norm die Aufgabe, "die Rechtslage her(zu)stellen, die bestehen würde, wenn der Begünstigte ungerechtfertigt bereichert wäre" 58• Dieser Satz deutet schon an, welchen Standpunkt M. Wolff zu der in § 951 Abs. 1 Satz 1 vorgenommenen Verweisung auf die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung einnimmt: "Diese Vorschriften hätten (nämlich) ohne die ausdrückliche Bestimmung des § 951 keine Anwendung gefunden: der Grundstückseigentümer ist durch das Gebäude nicht ohne Rechtsgrund bereichert, da sein Rechtserwerb auf gesetzlicher Vorschrift beruht14." Damit ist klargestellt, daß M. Wolff eine der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 als nicht gegeben ansieht, wenn kraft §§ 946 ff. ein Eigentumswechsel eintritt: die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs. Aus seinen Ausführungen ergibt sich jedoch nicht, welchen Charakter der Anspruch aus § 951 Abs. 1 dann aber hat. Trotzdem hat M. Wolff in diesen wenigen Sätzen einen Weg aufgezeigt, der auch später bei der Lösung des durch § 951 Abs. 1 aufgeworfenen Grundsatzproblems immer wieder beschritten wurde.
Tobias ist dafür ein gutes Beispiel; denn auch er spricht der durch §§ 946 ff. eingetretenen Rechtsänderung das Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit ab56 und meint, der Anspruch aus § 951 Abs. 1 sei "so anzusehen, als ob er aus ungerechtfertigter Bereicherung entstanden wäre" 68• Der Ausgleichsanspruch gern. § 951 Abs. 1 ist damit für Tobias kein "echter" Bereicherungsanspruch. Dem entspricht es, wenn § 951 Abs. 1 -so Tobias- "über die Voraussetzungen des Anspruchs und über die Person des Gläubigers und Schuldners ... selbst Bestimmungen trifft" 57 • Allerdings begnügt sich Tobias nicht damit, § 951 Abs. 1 Satz 1 als bloße Rechtsfolgenverweisung zu kennzeichnen, was auf Der Bau auf fremdem Boden, insbesondere der Grenzüberbau, Jena 1900. ebd., S. 64 bei Fn. 10. 54 ebd., S. 64 bei Fn. 8. 55 Tobias, AcP 94, S. 454 bei Fn. 127. 58 Tobias, AcP 94, S. 455 (hervorgehoben vom Verf.) unter Berufung auf Mot. III S. 362 (vgl. unten in Fn. 66). 57 Tobias, AcP 94, S. 455. 52
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2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
Grund des eben zitierten Satzes eigentlich nahegelegen hätte. Da § 812 und § 951 "die Ausgleichung eines Vorteils bezwecken, der jemandem durch rein objektive Tatsachen auf Kosten eines anderen ohne persönliche Beziehungen zu diesem zuteil geworden ist" 58, sieht er eine "umfassendere Gleichartigkeit der rechtlichen Behandlung" 59 als vom Gesetz gewollt an. Daraus folgert Tobias dann, der Anspruch aus § 951 Abs. 1 Satz 1 müsse so behandelt werden, als wäre seine Grundlage § 81260 • Folge dieser Gleichsetzung soll wohl sein - Tobias erläutert die Konsequenzen nur beispielhaft - 61, daß alle bereicherungsrechtlichen Normen mit Ausnahme des § 812 selbst auf § 951 Abs. 1 anzuwenden sind, nicht nur§§ 818 ff. 62 • Ähnlich differenziert, inhaltlich jedoch schon eher im Sinne der heute herrschenden Meinung, äußert sich v. Mayr. Er stellt zunächst fest, das Gesetz mache, wenn es jemand zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, wegen seiner "nivellierenden Ausdrucksweise" 63 nicht deutlich, was damit gemeint sei. "Ob nur der Umfang oder auch die Voraussetzungen der Herausgabepflicht nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zu beurteilen (sind), ob der Anspruch damit nur hinsichtlich der Herausgabepflicht taxirt oder als Bereicherungsanspruch im eigentlichen Sinne charakterisirt sein soll"64 : alldies bleibe unklar. Vorwiegend6S unter Berufung auf die Motive66 erklärt v. Mayr § 951 Abs. 1 dann zu einem "selbständigen Bereicherungsanspruch" 87• Denn ebd. ebd. 6o Vgl. oben bei Fn. 56. 6t Tobias, AcP 94, S. 455 ff. 82 Demgegenüber interpretiert Simon, S. 39, die Ausführungen Tobias' dahingehend, daß dieser, obwohl er zunächst an eine Rechtsfolgenverweisung glaube, dann schließlich doch zu dem Ergebnis komme, "die Verweisung (sei) als ganz allgemein gewollt aufzufassen". Damit unterstellt Simon Tobias eine in sich widersprüchliche Darstellung und übersieht die von Tobias gewählte "als-ob"-Formulierung (vgl. das Zitat bei Fn. 56 im Text). Wie der Text: Mauser, S. 2 f. es v. Mayr, S . 644. 84 ebd.; ebenso Jung, Bereicherung, S. 121. 85 Daneben weist v. Mayr, S. 662, darauf hin, daß die Deutung des § 951 I 1 als Rechtsfolgenverweisung schon deshalb scheitern muß, weil "nach Untergang des Eigentumes des früheren Eigentümers der Hauptanspruch fehlt, als dessen Beschränkung der Hinweis auf die Bereicherung angesehen werden könnte". Aufgabe der vorliegenden Arbeit aber wird es gerade sein, die Existenz des von v. Mayr apodiktisch verneinten Hauptanspruchs nachzuweisen. 68 Motive Band III, S. 362: "Die Regel des § 748 Abs. 2 (des Entwurfs I), nach welcher ein Rechtsverlust, wenn eine Rechtsnorm denselben bestimmt, 58 59
2.2. Die Stellungnahme der Literatur
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zum einen liege "eine Ausnahme von der Regel vor, daß es im Zweifel als rechtlicher Grund anzusehen ist, wenn ein Rechtsverlust auf einer diesen bestimmenden Vorschrift beruht" 68 • Bei § -951 Abs. 1 Satz 1 seien "daher die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruches gegeben, ist ein solcher als vom Gesetz gewollt anzunehmen" 69 • Das Gesetz sehe aber auch- wie v. Mayr an anderer Stelle meintdie Vorausetzungen des § 812 "von vornherein als gegeben (an)" 70. § 812 sei daher, soweit er "durch den im Gesetz für den besonderen Fall normierten Tatbestand ausgeschlossen" 71 erscheint, nicht mehr zu prüfen, wohl aber "die für die Bereicherung überhaupt geltenden Grundsätze"72. Das damit charakterisierte Verhältnis zwischen § 812 und § 951 Abs. 1 macht für v. Mayr die Bezeichnung des § 951 Abs. 1 als eines selbständigen Bereicherungsanspruchs73 notwendig. v. Mayr ist deshalb eine Mittelstellung zuzuweisen. Während er - anders als etwa Tobias- § 951 Abs. 1 nicht nur als eine dem Bereicherungsrecht ähnliche Norm, sondern als echten Bereicherungsanspruch ansieht, unterscheidet er sich von der heute herrschenden Meinung durch die Einordnung des § 951 Abs. 1 in die Kategorie "selbständige Bereicherungsansprüche". Mit den gleichen Worten läßt sich aber auch die Ansicht Hensels charakterisieren; seine Behauptung, § 951 Abs. 1 sei ein "unechter Bereicherungsanspruch", darf darüber nicht hinwegtäuschen74 . Denn Hensel stimmt der h. M. - ebenso wie v. Mayr - insofern zu, als auch er in § 951 Abs. 1 einen "Fall der generell in § 812 geregelten condictio sine im Zweifel als auf einen Rechtsgrund beruhend anzusehen ist, paßt im vorliegenden Falle nicht, denn die Rechtsänderung wird nicht um deswillen bestimmt, weil ein rechtlicher Grund für den Erwerb auf der einen und für den Verlust auf der anderen Seite vorliegt, sondern weil an dem einheitlichen Ganzen oder der einheitlichen neuen Sache auch nur einheitliches Recht zugelassen werden kann. Es ist deshalb erforderlich vorzuschreiben, daß die Bereicherung, welche infolge der kraft Gesetzes eingetretenen Rechtsänderung eintritt, als nicht auf einem rechtlichen Grund beruhend zu gelten hat." S . 662. S. 662 f.; bei der dabei angesprochenen Regel handelt es sich 748 Abs. 2 E I niedergelegten Grundsatz; vgl. hierzu in Fn. 66. S. 663. S . 683. S. 682. S. 683. S. 662 f. Unter diesem Begriff faßt Rensei all jene Ansprüche zusammen, bei
v. Mayr, v. Mayr, um den in § 80 v. Mayr, 70 v. Mayr, 71 v. Mayr, 72 v. Mayr, 73 v. Mayr, 67
88
74
denen das Gesetz auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verweist; dies unabhängig davon, ob deren "Schuldgrund" die ungerechtfertigte Bereicherung ist (Hensel, S. 31 ff.); wegen des "Schuldgrundes" von § 951 I vgl. im Text.
2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
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causa" 75 sieht, da der "Schuldgrund" der §§ 812 ff. dem "Schuldgrund" des § 951 Abs. 1 entspräche76. "Schuldgrund" der Bereicherungsansprüche- d . h. "entscheidendes Kriterium" 77 und "eigentlich anspruchbegründendes Moment für die echten Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung"78 - sei nämlich, so meint Hensel, der Begriff "ohne rechtlichen Grund" 79. Dieses Merkmal aber erfülle auch der Tatbestand des § 951 Abs. 1, da "die dingliche Rechtsänderung zugunsten oder zuungunsten des einen oder anderen, die durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung eintritt, . . . durch schuldrechtliche Beziehungen nicht gerechtfertigt (sei)" 80 . Fehlende schuldrechtliche Beziehungen sind aber für Hensel gerade Kennzeichen des Begriffs "ohne rechtlichen Grund" 81 . Die gesetzlich angeordnete Rechtsänderung stehe der Annahme, § 951 Abs. 1 erfülle die Voraussetzung des "ohne rechtlichen Grund", nicht entgegen, da zwischen Kausalgeschäft und Erfüllungsgeschäft auch in diesem Rahmen zu unterscheiden sei82 . Obwohl Hensel also eine Identität der "Schuldgründe" zu erkennen glaubt, verweist § 951 Abs. 1 seiner Ansicht nach nur auf die Rechtsfolgen der §§ 812 ff., also auf §§ 818 ff. 83, da "auch die Ansprüche aus den Verweisungsvorschriften, die den Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung als Schuldgrund enthalten, ... unabhängig von den Voraussetzungen der echten Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (entstehen)"84 • Zwar sei § 951 Abs. 1 im rein technischen Sinne keine lex specialis, weil er in seinen Voraussetzungen und im Umfang völlig mit den allgemeinen Regeln der §§ 812 ff. übereinstimme. Jedoch sei für eine nebenhergehende Anwendung der allgemeinen Regeln kein Raum, da sie bereits unter einen speziellen Sachverhalt subsuHensel, S. 17. Hensel, S. 33. 77 Hensel, S. 9. 78 Hensel, S. 9. 79 Hensel, S. 8 ff. 80 Hensel, S. 18. Er folgt damit der heute allgemein abgelehnten (vgl. statt aller: Wilburg, S. 12 ff., und v. Caemmerer, S. 337 f.) bereicherungsrechtlichen Theorie Jungs (Bereicherung, S. 30 ff. und S. 67 ff.) und v. Mayrs (S. 428 ff.). 81 Hensel, S. 18. 82 Hensel, S. 18. Hensel erkennt dabei, daß auch in Fällen der Ersitzung, Verjährung und des Ablaufs einer Ausschlußfrist - folgte man seiner Theorie - ein Bereicherungsanspruch gegeben sein müßte. Er glaubt sich dieser Schlinge jedoch durch die Behauptung entziehen zu können, daß "die hier an sich gegebene Kondiktionslage ... aus rechtspolitischen Gründen - Zweck der Rechtsinstitute, Gefährdung der Rechtssicherheit usw. - keinen Anspruch auslösen (kann)", Hensel, S. 19 in Fn. 38. 83 Hensel, S. 31. s4 Hensel, S. 32. 75
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2.2. Die Stellungnahme der Literatur
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miert und daher erschöpfend angewandt seien85• Außerdem habe der Gesetzgeber grundsätzlich keine Vorschrift ohne Zweck in das BGB aufgenommen. Dieser Zweck der Verweisungsvorschrift könne aber normalerweise nur die Schaffung eines selbständigen Anspruchs sein86• Obwohl§ 951 Abs. 1 auch die Aufgabe habe, etwa auftauchende Zweifel über die Anwendbarkeit der Kondiktionsvorschriften zu beseitigen87, folge daraus noch nicht, daß es sich bei dieser Norm um eine Rechtsgrundverweisung handle. Im Gegenteil: "Die möglichen Zweifel, die ja gerade durch die spezielle Vorschrift abgeschnitten werden sollen, würden bei einer Prüfung der a~lgemeinen Voraussetzungen des § 812 wieder in Erscheinung treten88." HenseZ plädiert daher dafür, § 951 Abs. 1 als unechten - weil selbständigen - Bereicherungsanspruch zu bezeichnen. Damit ist aber auch schon der Unterschied genannt zwischen v. Mayr und HenseZ und der auch damals herrschenden Meinung. Denn für die h. M. stellte - und stellt89 - § 951 Abs. 1 eine - so Jung - "bloße Anwendung des allgemeinen Prinzips (dar), die nur der Deutlichkeit halber noch einmal ausgesprochen (ist)" 90 : Die Anwendung dieser Norm setzt die Prüfung der Tatbestandsmerkmale des § 812 voraus91 • § 951 HenseL, S. 32 bei Fn. 75. Ebenso etwa§§ 323 III, 977 ; HenseL, S. 32 in Fn. 77. s1 HenseL, S. 32 bei Fn. 77. 88 Henset, S. 33. 89 Vgl. unter 2.2.2. 90 Jung, Bereicherung, S. 121 i. V. m. S. 123. 91 Vgl. Hedrich, S. 10; Auffermann, S. 14; Schoeneberger, S. 23 f.; Hilgendorf, S. 3 ff.; Simon, S. 40; Göppert, Der Bereicherungsanspruch gegen den Ersitzungseigentümer, Gruchot 72 (1932), S. 425 ff. (430 ff.); Goldmann I LHienthaL, Das Bürgerliche Gesetzbuch, systematisch dargestellt, Band II, Berlin 1912, § 20 V, Band I, Berlin 1903, § 224 IV Anm. 17 u. 18; Dernburg, Das Sachenrecht des Deutschen Reiches und Preußens, Halle 1901, § 109, 5; Simeon I David, Recht und Rechtsgang im Deutschen Reiche, Erster Band, zweite Hälfte, 14./15. Auflage, Berlin 1929, § 94 III 5; Schollmeyer, Das Recht der einzelnen Schuldverhältnisse im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Berlin 1897, S. 216; Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts, Tübingen 1905, Band II, § 317, 1 b; Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Band I, 8./9. Auflage, Berlin 1903, § 198, 1 bei Fn. 7; Krawieticki, S. 57 f. Für Lammers, Eigentumserwerb durch Verbindung, Vermischung, Diss. 1932 (keine Ortsangabe), S. 36, ist dies so klar, daß er in Zusammenhang mit § 951 I nur feststellt: "Die Schadensausgleichung (?) erfolgt also nach den §§ 812 ff. BGB." Ahnlieh Hergesell, S. 22, allerdings mit m. w. N. in Fn. 1 auf die ältere Lehrbuch- und Kommentarliteratur. Wenn Jung demgegenüber meint, der "Erwerb soll regelmäßig als ein grundloser kondizierbar sein, ohne daß das Blankett ,ohne rechtlichen Grund' durch weitere Momente des Tatbestandes noch auszufüllen wäre" (Bereicherung, S. 28), so will er damit nur sagen, daß das Fehlen des rechtlichen Grundes nicht Teil der Klagebegründung ist. Vielmehr sei es Sache des Bereicherten, das Vorhandensein eines rechtlichen Grundes als Einrede geltend zu machen (Bereicherung, S. 28 in Fn. 53). 85
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2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
Abs. 1 ist deshalb für die h. M. kein selbständiger, sondern ein unselbständiger Bereicherungsanspruch. Die bereicherungsrechtliche Natur des Vergütungsanspruchs gern. § 951 Abs. 1 folgert Jung aus der These, "daß ein rechtlicher Grund für den Erwerb auf der einen und den Verlust auf der anderen Seite nicht vorliegt; es greift ein eine Bestimmung über absolutes Recht, über die Begründung des Eigentums; also eine Bestimmung, welche über rechtliche Beziehungen und Veränderungen zwischen diesen beiden bestimmten Beteiligten gar nichts aussagen will" 92 • Zwar gehe gern. §§ 946 ff. das Eigentum an einer Sache auf einen anderen über, jedoch liege "relativ, in den Beziehungen des bisherigen Eigentümers zum neuen Erwerber, ... kein Grund zu einer solchen Wertbewegung vor93 , denn eine "causa", ein "obligatorischer Grund" 94 sei nicht gegeben. Jung legt damit die These Windscheids aus95 , nach der die Verbindung denjenigen, "welchem sie Eigenthum nimmt, nicht ohne Weiteres des Vermögenswerthes der Sache (beraubt)" 96 • Diese noch unter dem Geltungsbereich des Gemeinen Rechts formulierte These wird damit zum ersten Mal fruchtbar gemacht bei der Auslegung des § 951 Abs. 1. Auch heute noch wird sie zur Begründung der bereicherungsrechtlichen Einordnung des § 951 herangezogen97 • Demgegenüber ist die speziell~ Ausformung dieser Begründung durch Jung in der Literatur der Gegenwart nicht mehr im Gespräch, da sie zu sehr auf dessen bereicherungsrechtlicher Theorie fußte; die von ihm vorgenommene "allgemein gültige" Gleichsetzung von "causa" und "obligatorischem Grund" 98 hat aber heute unter der Herrschaft der Zuweisungstheorie keine Anhänger mehr.
Einen anderen Begründungsversuch hingegen hat die h. M. auch heute noch nicht vergessen. Gemeint ist das von manchen vorgebrachte Argument, der Rechtserwerb gern. §§ 946 ff. sei zwar formell gerechtfertigt, nicht aber materiell99 , der Eigentumserwerb beruhe auf dem Jung, Bereicherung, S. 33. Jung, Bereicherung, S. 32. Ähnlich: Schoeneberger, S. 23 f.; Hilgendorf, S. 3f.; Simon, S. 38ff.; Hedrich, S. 9ff. ; Auffermann, S. 13f., die sich zwar nicht, wie die anderen zitierten Autoren, ausdrücklich auf Jung beruft, jedoch 92
83
im wesentlichen seiner Konzeption folgt. 94 Vgl. Jung, Bereicherung, S. 35, für den diese Gleichsetzung ein "gemeinsames Prinzip" (S. 35) aller Kondiktionslagen ist. 95 Vgl. Jung, Bereicherung, S. 32. 98 Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1. Band, 4. Auflage, Düsseldorf 1875, § 190 (S. 608). 97 Vgl. z. B. Gerhardt, S. 214; Enneccerus I L ehmann, § 222 III 3 (S. 893); andeutungsweise bei Huber, JuS 1970, S. 342 ff. (345). 98 Vgl. oben Fn. 94. 99 Edler, S. 15; Crome, a.a.O. (Fn. 91), § 317, A 1 b; Planck, Kommentar
2.2. Die Stellungnahme der Literatur
31
technisch geformten Recht, das jedoch im Widerspruch zum richtigen Recht stehe100 : Formeln, die schon Jung mit dem Satz kennzeichnete: " ... offenbar nur eine Verlegenheitsauskunft für den Mangel einer Erklärung" 101 , während Schulz "diesen gewundenen Sätzen" 102 "bündig, rein juristisch und ohne Mystik" 103 mit seiner Theorie vom widerrechtlichen Eingriffserwerb begegnete. Denn für Schulz läßt sich der durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung entstandene Ausgleichsanspruch auf die "kurze Formel"104 zurückführen: "Widerrechtlicher Eingriff mit Wirkung zugunsten des Eingreifenden" 105. Da Schulz mit diesem Satz auch und gerade die "sogenannten" 106 Bereicherungsansprüche umschreiben will107, könnte man glauben, auch er ordne § 951 Abs. 1 dem Bereicherungsrecht zu108. Dem ist aber nicht so. Bereicherungsansprüche sind nämlich für Schulz zunächst nur jene Ansprüche, "deren Gegenstand die Bereicherung ist" 109. Bei § 951 Abs. 1 sei aber "geschieden zwischen dem Gegenstand des Anspruchs: das ist nicht die Bereicherung, sondern eine ,Vergütung in Geld', und dem Haftungsmaßstab, dem Modus, unter dem diese Vergütung herauszugeben ist, nämlich nach 818 f." 110. Fügt man dem noch hinzu, daß- wie Schulz amEndeseiner Abhandlung selbst feststellt - "der Gegenstand der sog. Bereicherungsansprüclle ... nicht die Bereicherung (ist)" 111, der Bereicherungsanspruch vielmehr auf Herausgabe des "Erlangten" gerichtet ist, so deutet sich damit eine Problemlösung an, die geeignet ist, § 951 Abs. 1 dogmatisch in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Ansatzpunkt hierfür ist die durch§ 951 Abs. 1 Satz 2 gewährte "Vergütung in Geld" oder genauer: § 951 Abs. 1 Satz 2. zum BGB, Sachenrecht, 4. Auflage, Berlin und Leipzig (1920), § 951 Anm. 1 c; Endemann, a .a.O. (Fn. 91), § 198 (S. 1235 ff.); vgl. in neuerer Zeit: Horst, S. 83. 100 Stammler, FG-Fitting, S. 161. 101 Jung, Bereicherung, S. 33. 102 Schulz, AcP 105, S. 439 in Fn. 1098 a. E. 103 So .Schulz, AcP 105, S. 439, über Schulz. 104 ebd. 1os
ebd.
Schulz, AcP 105, S. 473 ff. Vgl. dazu unten 3.1.1. 108 "Zunächst" deshalb, weil Schulz im Ergebnis zu einer anderen Begriffsbestimmung kommt; vgl. im folgenden bei Fn. 111. 1o9 Schulz, AcP 105, S. 412. 11o Schulz, AcP 105, S. 413; Edler, S. 19, wirft Schulz deswegen vor, er verwechsle den Gegenstand des Anspruchs mit der "Modifikation der Erstattungsart". Daß es sich dabei nicht um eine bloße "Modifikation" handelt, wird noch zu zeigen sein. 111 Schulz, AcP 105, S. 473 (bei Schulz gesperrt); v gl. dazu unter 4.1.2.4. 108
107
32
2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
Weniger zukunftsweisend als die Ausführungen Schulz' erscheint demgegenüber die Ansicht Edlers. Er geht im Anschluß an die h. M. davon aus, daß §§ 946 ff. keinen Rechtsgrund i. S. von §§ 812 ff. darstellen, weil "der Eigentumsübergang ... aus wirtschaftlichen und formellen Gründen angeordnet, allein nicht gebilligt (sei)" 112• Darüber hinaus stellt er jedoch die Behauptung auf, § 951 solle "die Abwesenheit des rechtlichen Grundes schlechthin gewährleiste(n)" 113 ; "beim Eigentumserwerb nach §§ 946 ff. (sei) für einen Rechtsgrund außerhalb dieser gesetzlichen Vorschriften kein Raum" 114• Immer wenn die Voraussetzungen der §§ 946 ff. vorlägen, sei der damit bewirkte Eigentumsverlust rechtsgrundlos i. S. von § 812116, "ohne Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen" 116• Dem naheliegenden Gegenargument, B könne doch keinen Anspruch aus§ 951 Abs. 1 gegen A haben, wenn er zum Einbau von Ziegeln im Hause des A vertraglich verpflichtet war117, begegnet EdLer mit dem Hinweis, § 951 Abs. 1 sei hier deshalb ausgeschlossen, weil es an den speziellen Erfordernissen des § 812 fehle118• Denn durch den Einbau werde B von der Schuld befreit und sei deshalb nicht entreichert; A verliere einen Anspruch und sei daher nicht bereichert119• Daß es sich dabei nur um eine - wegen der Theorie Edlers zu § 951 Abs. 1 allerdings konstruktiv notwendige - formale Verlagerung eines Arguments handelt, das inhaltlich mit der Frage nach dem Rechtsgrund identisch ist, erscheint offensichtlich.
2.2.2. Die jüngere Literatur Verglichen mit den doch sehr differenzierten, wenn auch manchmal etwas unpräzisen, die Problematik nicht erschöpfenden Aussagen der älteren Literatur, zeigt die Rechtswissenschaft der Gegenwart ein fast eintöniges Bild, wenn es gilt, die Rechtsnatur des § 951 Abs. 1 zu beschreiben. Zweifel an der bereicherungsrechtlichen Einordnung des § 951 Abs. 1 bestehen kaum. Die absolut herrschende Meinung in der Literatur, gestützt durch die Rechtsprechung des BGH, vertritt darüber hinausgehend die Auffassung, bei der Verweisung des § 951 Abs. 1 Edler, S. 16. Edler, S. 17. 114 Edler, S . 17. m Edler, S. 18. 116 Edler, S. 18 in Fn. 2. 117 Edler, S . 21 ff., hält § 951 I auch in diesem Fall für anwendbar, soweit nicht vor dem Einbau ein Eigentumsübergang gern. §§ 929 ff. stattgefunden 112 113
hat.
118 119
Edler, S. 25. Edler, S. 58.
2.2. Die Stellungnahme der Literatur
33
Satz 1 auf die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung handle es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Demnach müssen ,.für den Vergütungsanspruch alle, auch die in § 951, Abs. 1 Satz 1 nicht genannten Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs vorliegen" 120 ; ,.§ 951 stellt also selbst keine Anspruchsgrundlage dar" 121 • Umstritten ist nur, ob§ 951 Abs. 1 Leistungs- und "Eingriffskondiktion" umfaßt122 oder ob 120 Larenz, Methodenlehre, S . 199. Ebenso: Wolff I Raiser, Sachenrecht, § 74 I 1 mit Fn. 1; Staudinger I Berg, § 951 Rdnr. 1; Johannsen in RGRK, § 951 Anm. 3; Mühl in Soergel I Siebert, § 951 Rdnr. 1, Baur, Sachenrecht,§ 53 c I 2; Esser, Schuldrecht II, § 100 III 1 d; Larenz, Schuldrecht II, § 68 II (S. 408) und § 68 III d 2 (S. 417); Medicus, Bürgerliches Recht, § 28 V 3, § 34 III 1 b; Erman I Hefermehl, § 951 Rdnr. 3; Esser I Schmidt I Köndgen, FuL, S. 90 f.; H.-P. Westermann, JuS 1968, S. 17 ff. (18) bei Fn. 16; Wolf, Sachenrecht, § 4 HI c (S. 130); Hülsmann, S. 36 f.; Kunisch, S. 22; Schuler, NJW 1962, S. 1844; Scheyhing, AcP 157, S. 382; Berg, AcP 160, S. 506; ders., JuS 1964, S. 138; v. Lübtow, S . 154; Ehmann, NJW 1971, S. 613; Kellmann, Gewinnhaftung, S. 102 in Fn. 181 a. E. und S. 119; Huber, JuS 1970, S. 342; Baur I Wolf, JuS 1966, S. 393 f.; Gerhardt, S. 211 f.; Wilburg, S. 28 ff.; Spyridakis, S. 117 f.; Tückmantel, S. 108 f.; v. Caemmerer, S. 363 ff.; Gräber, S. 141 f.; H. Haas, S. 119; v. Rittberg, S. 25; Rümker, S. 6 und S. 105; Canaris, Larenz-Festschrift, S. 820; Reeb, JuS 1973, S. 95. Vgl. aber noch Esser in der 1. Auflage seines Lehrbuchs (1949), § 302 I 3 (S. 434), in der er unter Hinweis auf RGZ 81, S. 204 und RGZ 139, S. 22 § 951 als eine "bloße Verweisung auf die Wirkung und das Ausmaß der Bereicherungsansprüche" bezeichnete - ebenso Pankow, S. 23, ohne allerdings die dem widersprechende Rspr. und Lit. auch nur zu erwähnen; die Verweisung sei - so Esser - eine "bloße Rechtsanalogie". Die Frage ist offengelassen bei G. Haas, S. 10, da der Meinungsstreit, so G. Haas, keine praktischen Folgen haben dürfte. Auch Haines, S. 60, läßt die Richtigkeit der "Maxime", nach der § 951 I "lediglich ein Unterfall des allgemeinen Bereicherungsanspruchs" darstellt, "dahinstehen". Trotzdem hält er § 951 I für "keinen typischen Fall der Eingriffskondiktion", sondern meint, es sei richtiger, "§ 951 als gesetzlich geregelten Sonderfall anzusehen, der seinen eigenen Regeln innerhalb der Nicht-Leistungskondiktionen folgt". Haines will damit verhindern, daß animiert durch das Vorbild des § 951 I, der den Begünstigten als Anspruchsschuldner normiert - "von jedem kondiziert werden könnte, der aus dem Rechtsbruch irgendwelche Vorteile zieht". (Alle vorstehenden Zitate stammen von Haines, S. 60.) Damit zieht Haines die Konsequenz aus seiner allerdings erst etwas später formulierten- These (S. 107), daß "Vermögensvorteile ... ,auf Kosten eines anderen' erlangt (sind), wenn sie unter objektiv-rechtswidrigem Verstoß gegen eine Norm gewonnen werden, die sich an unbestimmt viele Normadressaten richtet und die die Begünstigung des Kondizienten als eines konkreten einzelnen bezweckt"; daß also - um es etwas vereinfachend zu sagen - Ursache der Kondiktion nicht ein Zustand, sondern ein Verhalten ist. Kondiktionsschuldner kann deshalb im "Normalfall" des Bereicherungsanspruchs auch nur der Handelnde sein. Dagegen vgl. unten 3.1.1. (nach Fn. 202), 3.1.3. (nach Fn. 255) und 4.1.1.2. (nach Fn. 334). 12 1 Palandt I Thomas, Einf. vor § 812, Anm. 6 a. 122 Esser, Schuldrecht II, § 100 III 1 d (S. 336); Esser I Schmidt I Köndgen, FuL, S. 91; Huber, JuS 1970, S. 342 Fall 2; Berg, AcP 160, S. 511 f.; Spyridakis, S. 117 ff. (122); Johannsen in RGRK, § 951 Anm. 7; Koppensteiner, NJW 1971, S. 592. Vgl. auch Barnstedt, S. 73, der dann, wenn §§ 946 ff. als "Mittel zur Leistung" benützt werden, von einer unechten Bereicherung in sonstiger Weise spricht;§ 951 I sei auch in diesen F ällen anzuwenden.
3 Götz
34
2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
die Verweisung beschränkt ist auf die sog. "Eingriffskondiktion" 123. Im Anschluß an Wilburg 124 und v. Caemmerer125 dürfte die Ansicht, § 951 Abs. 1 sei nur ein Fall der "Eingriffskondiktion", in der Literatur126 überwiegen. Trotz der eben beschworenen "Eintönigkeit" in der Literatur der Gegenwart, ist die h. M. nicht völlig ohne Gegnerschaft. Von denen, die sich nicht in die h. M. einreihen lassen, seien zunächst jene angeführt, die am bereicherungsrechtlichen Dogma zwar nicht rütteln, § 951 Abs. 1 jedoch trotzdem anders interpretieren als Rechtsprechung
undh.L.
Hier sei zunächst H. W estermann erwähnt, der - ähnlich wie etwa früher127 davon ausging, daß §§ 946 ff. einen Rechtsgrund darstellen. Durch diese Prämisse war ihm die Möglichkeit genommen, § 951 Abs. 1 lediglich als Verweisungsnorm zu begreifen, da dann diese Verweisung auf § 812 wegen des bestehenden Rechtsgrundes ins Leere ginge. H. W.estermann sprach daher § 951 Abs. 1 konsequenterweise "anspruchsbegründende Kraft" 128 zu. Inzwischen aber hat er sich in der neuesten Auflage seines Lehrbuchs der h. M. insoweit angenähert, als er nur noch davon spricht, ohne § 951 Abs. 1 "würde"129 § 946 einen Rechtsgrund schaffen. Von dieser Position aus ist es ihm dann ohne weiteres möglich, die Voraussetzungen des § 812 zu solchen des § 951 Abs. 1 Satz 1 zu machen130. H. Westermann ist daher heute in die Reihe jener einzuordnen, die in § 951 Abs. 1 eine Rechtsgrundverweisung erblicken. Der Unterschied zwischen ihm und der h. M. besteht nur darin, daß für H. W estermann § 951 Abs. 1 einen Bereicherungsanspruch erst ermöglicht, weil durch die Normierung dieses Vergütungsanspruchs §§ 946 ff. als Rechtsgrund ausgeschlossen sind; für die h. M. hingegen Tobias -
123 So die h. M. Vgl. z. B. Mauser, S. 31 ff.; Hai nes, S. 60; Hadding, S. 22 ff.; Gerhardt, S. 193 ff. und S. 211 bei Fn. 236; Haymann, JJ 56, S. 90; Baur I Wolf, JuS 1966, S. 394 f. m. w. N. in Fn. 17; vgl. auch die Nachweise bei Tü.ckmantel, S. 107 in Fn. 360, der die Frage im übrigen offenläßt. Ebenso G. Haas, S. 10. 124 Wilburg, S. 27 ff. m v . Cammerer, S. 352 ff. 128 Der BGH geht, darauf weisen Wolf, AcP 166, S. 199, und Tü.ckmantel, S. 107 f., zu Recht hin, nach wie vor davon aus, daß § 951 I auch in Leistungsfällen anwendbar ist: vgl. BGHZ 40, S. 272 ff. (276 ff.). 127 Bis zur 4. Auflage (1960) seines Lehrbuchs; vgl. H. Westermann, Sachenrecht, 4. Auflage, § 54, 1 (S. 270). 128 H. Westermann, Sachenrecht, 1. Auflage (1951), §51, 1 (S. 246). 129 H. Westermann, Sachenrecht, 5. Auflage (1966), §54, 1 (S. 262). uo ebd.; widerspruchsvoll ist insofern die 4. Auflage des Lehrbuchs, in der H. Westermann einerseits behauptet, § 946 schaffe einen Rechtsgrund, andererseits aber meint, bei § 951 I 1 müßten "alle Voraussetzungen des § 812 vorliegen" (a.a.O. [Fn. 127]). Vgl. auch die Kritik Mausers, S. 14, an
dieser Konzeption.
2.2. Die Stellungnahme der Literatur
35
wäre auch ohne § 951 Abs. 1 ein gern. §§ 946 ff. erfolgter Rechtserwerb rechtsgrundlos und damit nach Bereicherungsrecht auszugleichen. § 951 Abs. 1 wird daher überwiegend nur eine Klarstellungsfunktion zugebilligtl31. Im offenen Gegensatz zur h. M. stehen demgegenüber Mauser und Hadding, diebeideden in § 951 Abs. 1 normierten Ausgleichsanspruch als selbständigen Bereicherungsanspruch bezeichnen. Er sei eine "besondere Eingriffskondiktion" 132, für die nur hinsichtlich des Umfangs auf das allgemeine Bereicherungsrecht verwiesen wird, genauer: auf §§ 818 ff.lSS, 134, Für Mauser sind dabei zwei Gründe kumulativ maßgebend. Zum einen enthalte§ 951 Abs. 1 denselben "Rechtsgrund" wie der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, dem Anspruch wegen Bereicherung "in sonstiger Weise" 135, und sei demnach lex specialis für die Fälle des Rechtsverlusts bei Verbindung, Vermischung und Verarbeitung136• Zum anderen gehe die Leistungskondiktion den Ansprüchen wegen Bereicherung "in sonstiger Weise" vor137, genauer: § 951, der nur ein Spezialfall eines Rechtsfortwirkungsanspruchs seP 38, scheide aus, wenn die Voraussetzungen der Leistungskondiktion gegeben sind. Mauser for131 Vgl. z. B.: Baur I WoLf, JuS 1966, S. 394 in Fn. 5; KeLLmann, Gewinnhaftung, S. 102 in Fn. 181 a. E. und S. 119; Gerhardt, S. 211 f.; Esser, Schuldrecht li, § 100 III 1 d; Medicus, Bürgerliches Recht, § 34 V 1 c; sowie die in Fn. 339 Genannten. 132 Hadding, S. 23. 133 Mauser, S. 13 f., S. 50, S. 121; Hadding, S. 24. 134 Eine Kritik, die der Argumentation Mausers und Raddings nahesteht, äußert auch H.-P. Westermann, JuS 1972, S. 18 ff. (18): "Immerhin kann die übliche- auch vom BGH verwendete- Formulierung, daß ,die allgemeinen Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs' vorzuliegen hätten, Anlaß zu einem Mißverständnis geben. Denn § 951 ersetzt lediglich im Rahmen der nicht auf Leistung beruhenden Vermögensverschiebungen das Tatbestandsmerkmal ,in sonstiger Weise' in§ 812 I." 135 Genau genommen ist § 812 I 1 Fall 2 das Sammelbecken für eine Vielzahl von Bereicherungsansprüchen: Neben der sog. Eingriffskondiktion die im Rahmen dieser Arbeit eine Rolle spielt (vgl. dazu unten 3.1.) - werden noch weitere Kondiktionsarten auf diese Norm zurückgeführt, so die Verwendungs- und die Rückgriffskondiktion; vgl. hierzu: v. Caemmerer, S. 352 ff., insb. S. 360 ff.; Rümker, S. 2 f.; KaehLer, S. 157 in Fn. 15m. w. N.; Reeb, JuS 1973, S. 625 ff. Diese Aufteilung in verschiedene Bereicherungsansprüche ist jedoch heute nicht mehr unumstritten; vgl. KaehLer, ebd.; KeUmann, Gewinnhaftung, S. 75 ff.; Batsch, Vermögensverschiebung, S. 91 ff. 138 Mauser, S. 14. 13 7 Mauser, S. 14; der von Mauser gewählte Ausdruck "vorgehen" ist m . E. etwas ungenau und verwirrend, weil er auf den Subsidiaritätsgrundsatz (vgl. dazu unten Fn. 482) anzuspielen scheint, was aber - wie sich aus den Ausführungen Mausers, S. 50 (vgl. den Text zu den Noten 138 und 139) ergibtgar nicht gewollt ist. 138 Mauser, S. 50.
2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
36
muliert daher geradezu in Umkehrung zu der h. M.: "Die Voraussetzungen der Leistungskondiktion dürfen ... nicht vorliegen, wenn § 951 Abs. 1 zur Anwendung kommen soll139." Daraus folgt für Mauser, daß "die in § 951 enthaltene Verweisung auf die Vorschrift über die ungerechtfertigte Bereicherung tatsächlich nur eine Rechtsfolgenverweisung (ist)" 140• Zum gleichen Ergebnis wie Mauser kommt auch Hadding, da die "Leistungskondiktionen" den Charakter von leges speciales gegenüber der "allgemeinen Eingriffskondiktion" hätten141, und in § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB kein Hinweis enthalten sei, daß diese "besondere Eingriffskondiktion" auch dann entsteht, wenn eine Leistung als Bereicherungsursache vorliegtl42 • § 951 Abs. 1 sei daher "einer jeden ,Leistungskondiktion' nachrangig" 143 ; nur wenn keine Leistung vorliege, könne § 951 Abs. 1 eingreifen144• Man sei demnach auch nicht "genötigt" 145, § 951 Abs. 1 als ",Voraussetzungsverweisung' auf §§ 812 ff. BGB aufzufassen ... Die Vorschrift des § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält keine Tatbestandsverweisung auf§ 812 Abs. 1 BGB, sondern regelt selbständig und abschließend die Voraussetzungen einer ,besonderen Eingriffskondiktion', die auf Wertersatz gerichtet ist" 146• Trotz ihrer kritischen Einwände gegen die h. L. verlassen Mauser und Radding das Fundament dieser Lehre deshalb nicht, weil sie an der bereicherungsrechtlichen Natur des § 951 Abs. 1 keinerlei Zweifel hegen. Ob diese Feststellung auch für die Ansicht Sturms zutrifft, läßt sich wegen der Kürze, mit der dieser zur Rechtsnatur des § 951 Abs. 1 Stellung genommen hat, nicht abschließend beantworten. Fest steht nur, daß er im Anschluß an RGZ 81, S. 204 ff. 147 die in § 951 Abs. 1 enthalMauser, S. 50. Mauser, S. 14. 141 Hadding, S. 23. 142 Hadding, S. 23. 1'* Hadding, S. 23. 144 Hadding, S. 24. 145 Hadding, S. 24. Er spricht wohl deshalb von "nötigen", weil die h. M. die Rechtsgrundverweisungstheorie u. a. damit zu rechtfertigen sucht, daß ohne die Verweisung auf den Tatbestand des § 812 I derjenige, auf dessen Grundstück auf Grund eines Vertrages Material eingebaut wurde, auch bei intaktem Schuldverhältnis dem Anspruch aus § 951 I 1 ausgesetzt sei (vgl. z. B. Baur I Wolf, JuS 1966, S. 394 bei Fn. 8 und den Text unter 5.4. bei Fn. 794). Dieses Argument ist dann nicht mehr stichhaltig, wenn § 951 I 1 ausscheidet, sobald Leistungsbeziehungen bestehen. m Hadding, S. 24. m Und an RGZ 139, S. 22 (vgl. Sturm, JZ 1956, S. 362 in Fn. 3), deren Aussage er m. E. mißversteht. Vgl. oben bei Fn. 48. 139 140
2.2. Die Stellungnahme der Literatur
37
tene Verweisung als Rechtsfolgenverweisung verstanden wissen will148• Ob er jedoch im Vergütungsanspruch gern. § 951 Abs. 1 einen Bereicherungsanspruch sieht, wie seine Bemerkung, dieser Anspruch sei "historisch als Niederschlag einer in solchen Fällen im corpus iuris verheißenen besonderen condictio oder rei vindicatio utilis zu werten" 140, nahelegen mag, bleibt unklar. Denn gleichzeitig weist Sturm darauf hin, die Verbindung sei "ja eigentlich eine Art Enteignung durch Gesetz" 150, und ruft damit den Gedanken an einen dem Bereicherungsrecht fremden Entschädigungsanspruch wachlst. Demgegenüber ist die Stellungnahme Imlaus eindeutig. Er wendet sich nämlich mit Entschiedenheit gegen die h. M., die § 951 Abs. 1 "nur als ein(en) Unterfall des schuldrechtlichen Bereicherungsanspruchs (§ 812 Abs. 1 BGB)" 162 begreift, und vertritt statt dessen die Auffassung, § 951 Abs. 1 sei ein "selbständiger Schuldgrund für die Fälle der §§ 946-950 BGB" und schließe § 812 Abs. 1 aus153• Der Vergütungsanspruch gern. § 951 Abs. 1 erscheine "einem Schadenersatzanspruch näher verwandt als einer Bereicherung" 164. Im wesentlichen165 stützt Imlau diese Behauptungen auf folgende Argumente: Erstens seien §§ 946 ff. "Rechtsgrund" im Sinne des Bereicherungsrechts. Diese These ist nicht neu158 ; wichtig ist jedoch, daß Imlau eindeutig- wie m. E. niemand vor ihm - daraus folgert, der durch §§ 946 ff. gesetzlich Begünstigte könne deshalb einem Bereicherungsanspruch nicht ausgesetzt 148 149
160
161
Sturm, JZ 1956, S. 362. Sturm, JZ 1956, S. 362. Sturm, JZ 1956, S. 362; allerdings im untechnischen Sinn (ebd. in Fn. 8). Sturm, JZ 1956, S. 362, spricht selbst davon, § 951 I regle "die Ent-
schädigung".
m Imlau, NJW 1964, S . 1999. 163 1"
Imlau, NJW 1964, S. 2000. Imlau, NJW 1964, S. 1999.
m Daneben weist er darauf hin, daß die anderen gesetzlichen Verweisungen aufs Bereicherungsrecht "nach fast einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur" (NJW 1964, S. 1999) nur als Rechtsfolgeverweisungen aufzufassen seien. Dies ist schon deshalb nicht zwingend, weil die Feststellung v. Mayrs, S. 644, wegen der "nivellierenden Ausdrucksweise" des Gesetzes sei "die Untersuchung im einzelnen ... unvermeidlich", immer noch Gültigkeit besitzt. Grundsätzlich richtig ist demgegenüber Imlaus Feststellung, § 812 I und § 951 I 1 seien hinsichtlich der Aktivlegitimation nicht völlig deckungsgleich (ebd.). Während nämlich § 812 I den Anspruch dem zuweist, "auf dessen Kosten" jemand etwas erlangt hat, ist bei § 951 I 1 der frühere Rechtsinhaber Gläubiger des Ausgleichsanspruchs. Dieser Unterschied spricht jedoch weniger gegen eine bereicherungsrechtliche Einordnung des § 951 I 1 als für seine Selbständigkeit im Rahmen des Bereicherungsrechts: damit aber natürlich auch gegen die h. L. 158 Tobias, a.a.O. (Fn. 55); Wolff, a.a.O. (Fn. 54); zu beiden vgl. unter 2.2.1.
2. Darstellung von Rechtsprechung und Literatur
38
sein157• Zweitens sei der in § 951 Abs. 1 verwendete Begriff der "Vergütung" ein - bereicherungsrechtlich gesehen- durchaus ungewöhnlicher Terminus; sinnvoll erscheine diese Wortwahl des Gesetzgebers nur dann, "wenn die Norm für den zwingend angeordneten Rechtsverlust einen Ausgleich gewähren will. Ein solcher Ausgleich orientiert sich anders als ein Bereicherungsanspruch nur nach dem Verlust, der vergütet werden soll" 158• Auf Grund dieses Arguments macht Imlau dann auch auf die sachliche Nähe des Anspruchs gem. § 951 Abs. 1 zum Schadenersatzrecht aufmerksam159 • Imlau ist so der einzige - und dies ist sein Verdienst - , der sich nicht nur weigerte, § 951 Abs. 1 als echten Bereicherungsanspruch zu bezeichnen, sondern gleichzeitig auf eine andere Einordnungsmöglichkeit hinwies. Sein Beitrag hätte Anstoß sein können für weitergehende Überlegungen. Da aber Imlaus Gedanken weder im positiven noch im negativen in die rechtswissenschaftliche Diskussion Eingang fanden 180, blieb diese Chance ungenützt181 • Die vorliegende Arbeit sucht dem abzuhelfen.
2.2.3. Zusammenfassung Nachdem auf den vorhergehenden Seiten die einzelnen Autoren mehr oder weniger ausführlich selbst zu Wort kamen, erscheint es angebracht, zum Schluß dieses Abschnitts kurz die großen Linien aufzuzeigen, die die rechtswissenschaftliche Literatur seit Inkrafttreten des BGB aufzuweisen hat. Von den Außenseiteransichten Schulz' und Edlers abgesehen, lassen sich dabei drei Theorien voneinander trennen. Zum einen jene, deren theoretische Ausgangsposition die Behauptung ist, §§ 946 ff. gäben einen Rechtsgrund ab für den bei Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung eintretenden Rechtserwerb. Daraus wird dann zumeist die Konsequenz gezogen, § 951 Abs. 1 nicht als echten Bereicherungsanspruch zu behandeln, sondern nur so, als wäre er auf eine Kondiktion zurückzuführen. § 951 Abs. 1 Satz 1 ist damit keine Rechtsgrundverweisung, wird aber zumeist auch nicht als bloße Hechtsfolgenverweisung gekennzeichnet. In die eben skizzierte "Abteilung" gehören nicht nur gewichtige Vertreter der älteren Literatur, sondern Imlau, NJW 1964, S. 1999. Imlau, NJW 1964, S. 1999. m Vgl. das Zitat zu Fn. 154. 180 Eine Ausnahme bildet etwa die knappe Auseinandersetzung Baur I Wolfs (JuS 1966, S. 394) mit Imlau. 181 Hadding, S. 24 in Fn. 55, weist zu Recht darauf hin, daß die Argumente Imlaus "bisher nicht widerlegt worden sind". 157
1118
2.2. Die Stellungnahme der Literatur
39
auch H. Westermann in den ersten Auflagen seines Lehrbuchs und Imlau, der diesen Standpunkt bisher am peintiertesten vorgetragen hat. Im krassen Gegensatz hierzu stehen jene Autoren, die §§ 946 ff. unter dem Motto, das Gesetz ordne einen Eigentumsübergang an, billige ihn aber nichtl 62 , jeglichen Rechtsgrundcharakter abspre