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German Pages 431 Year 2010
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1156
Der verfassungsrechtliche Rahmen der Pressefusionskontrolle Von
Ann-Kathrin Zohm
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANN-KATHRIN ZOHM
Der verfassungsrechtliche Rahmen der Pressefusionskontrolle
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1156
Der verfassungsrechtliche Rahmen der Pressefusionskontrolle
Von
Ann-Kathrin Zohm
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13138-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern und meinem Bruder
Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2008/2009 der Ludwig-MaximiliansUniversität München als Dissertation vorgelegt. Sie ist im Wesentlichen auf dem Stand von Oktober 2008. Dank schulde ich zuallererst meinem verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Rupert Scholz, der mich während der Zeit als Assistentin an seinem Lehrstuhl und auch im Anschluss an diese Zeit in jeder erdenklichen Weise gefördert und mit Rat unterstützt hat. Herrn Prof. Dr. Jens Kersten danke ich herzlich für die Erstellung des Zweitgutachtens und wertvolle Anregungen. Mein Dank für ihre Gesprächsbereitschaft, Kritik und Ermutigung gilt neben meiner Familie vor allem Jürgen Bunnenberg, Hildegard Lay, Dr. Bernhard Schloh sowie meinen Kollegen am Münchner Lehrstuhl, im Bundesministerium des Innern und bei der Staatsanwaltschaft München I. Ewig dankbar bin ich Josefine. München, im August 2009
Ann-Kathrin Zohm
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Teil 1 Rechtstatsächliche und einfachgesetzliche Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
30
1. Abschnitt Entwicklungsphasen des deutschen Zeitungsmarkts § 1 Entwicklung der deutschen Zeitung in historischer Skizze bis zum Jahr 2001 . § 2 Die sogenannte Pressekrise zwischen den Jahren 2001 bis 2005 . . . . . . . . . . . . I. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Skizze der Entwicklung des Zeitungsmarktes in den Jahren 2001 und 2005
30 31 36 37 48
2. Abschnitt Funktion und normative Sicherung von Wettbewerb und der Schutz publizistischer Vielfalt § 1 Konzept der Wettbewerbs- und der Vielfaltssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konzept der Wettbewerbssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vielfaltssicherung als spezifischer Aspekt der Wettbewerbssicherung im Zeitungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Pressefusionskontrolle nach dem GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung und Modifikationen der Pressefusionskontrolle im GWB . . . . II. Systematik der normativen Kontrolle von Pressefusionen . . . . . . . . . . . . . .
66 66 66 72 83 84 84 89
10
Inhaltsübersicht Teil 2 Verfassungsrechtlicher Rahmen der gesetzlichen Pressefusionskontrolle
111
1. Abschnitt Grundrechtlicher Ordnungsauftrag § 1 Grundrechtliche Bezüge des Pressefusionstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der „Tatbestand“ Presse: Presseunternehmen zwischen privatwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechtsrelevanz der Pressefusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundrechtsbezüge des Pressefusionstatbestands mit Blick auf die publizistische Aktivität der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grundrechtsbezüge des Pressefusionstatbestands mit Blick auf die wirtschaftliche Aktivität von Presseunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auflösung verfassungsrechtlicher Spannungslagen zwischen Wirtschaftsund Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Normative Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Zielvorgaben für die Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundzüge der verfassungsrechtlichen Kommunikationsordnung . . . . . . . . II. Das Pressebild des Grundgesetzes unter Beachtung wirtschaftsverfassungsrechtlicher Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111 111 112 114 115 160 171 204 205 208
2. Abschnitt Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat § 1 Die Pressefusionskontrolle des GWB als Erfüllung einer staatlichen Pflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktionsverantwortung des Staates: Anerkannte Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Skizze der Bezüge von Funktionssicherungspflichten zur Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einordnung des gesetzgeberischen Instruments der Pressefusionskontrolle in die verfassungsrechtlichen Kategorien gesetzgeberischen Grundrechtskontakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Der verfassungsrechtliche Handlungsrahmen bei der Umsetzung einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzpflichtaktivierung nach Maßgabe des Untermaßverbots . . . . . . . . . . II. Eingriffsbewertung nach Maßgabe des Übermaßverbotes . . . . . . . . . . . . . . § 3 Zusammenfassung: Prüfungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
234
234 235 236
245 300 300 323 333
Inhaltsübersicht
11
Teil 3 Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen der Pressefusionskontrolle in der verfassungsrechtlichen Bewertung
337
1. Abschnitt Verfassungsrechtliche Bewertung der geltenden Regelungen der Pressefusionskontrolle
338
§ 1 Verfassungsrechtlich relevantes staatliches Unterlassen – Handlungspflicht zur Sicherung des Pressemarktes zum Zeitpunkt des Erlasses der Pressefusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 § 2 Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriffs zur Sicherung des Pressemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2. Abschnitt Verfassungsrechtliche Bewertung der im Kontext der 7. GWB-Novelle diskutierten Modifikationsvorschläge § 1 Skizze der Modifikationsvorschläge für Zusammenschlüsse und Kooperationen von Presseunternehmen in der 7. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Verfassungsrechtlich relevantes staatliches Unterlassen – Handlungspflicht zur Modifikation des geltenden Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Lockerung der Fusionskontrolle als grundrechtsrelevante Maßnahme . II. Verfassungsrechtliche Bewertung ausgewählter Maßnahmen . . . . . . . . . . . § 4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343
344 345 347 347 348 369
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Teil 1 Rechtstatsächliche und einfachgesetzliche Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
30
1. Abschnitt Entwicklungsphasen des deutschen Zeitungsmarkts
30
§ 1 Entwicklung der deutschen Zeitung in historischer Skizze bis zum Jahr 2001 .
31
§ 2 Die sogenannte Pressekrise zwischen den Jahren 2001 bis 2005 . . . . . . . . . . . .
36
I. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
1. Branchenstruktur des Zeitungsmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
a) Vielzahl lokaler und regionaler Märkte mit geringer Zeitungsdichte
38
b) Duale Bedarfsdeckung auf dem Leser- und dem Anzeigenmarkt . .
39
c) Hohe Marktzutrittsbarrieren mit konzentrationsfördernder Wirkung
40
d) Publizistische Sensibilität des Pressemarktes – Wettbewerb auf zwei Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
e) Konjunkturabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
2. Gesellschaftlich-wirtschaftlicher Kontext der Entwicklung des Zeitungsmarktes in der Zeit der „Pressekrise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
a) Bruttoinlandsprodukt – Stagnation zwischen 2000 und 2003 . . . . .
44
b) Technologischer Fortschritt – Konkurrent Internet und Medienkonvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
c) Individualisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
d) Demografische Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
II. Skizze der Entwicklung des Zeitungsmarktes in den Jahren 2001 und 2005
48
1. Drastische Verluste auf dem Anzeigenmarkt mit einer Verschiebung der Werbeinvestitionen zulasten der Zeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
a) Entwicklung des Gesamtwerbemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
14
Inhaltsverzeichnis b) Entwicklung der Erlöse aus Werbungen bei Zeitungen . . . . . . . . . .
49
c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
2. Kontinuierliche Einbußen im Rezipientenmarkt mit einem Trend zur Erschließung neuer Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
a) Fallende Reichweite der Zeitung bei insgesamt steigender Mediennutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
aa) Hohe, jedoch sinkende Reichweiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
bb) Sinkende Nutzungsdauer bei wachsender Gesamtmediennutzungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
b) Fallende Durchschnittsauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
c) Erweiterung des Portfolios – Innovation und Diversifikation . . . . . .
57
aa) Innovation – Weiterentwicklung des Kerngeschäfts . . . . . . . . .
57
bb) Diversifikation in verlagsnahen Bereichen . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
3. Entwicklung der redaktionellen und verlegerischen Struktur und der wirtschaftlichen Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
a) Redaktionelle und verlegerische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
b) Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
2. Abschnitt Funktion und normative Sicherung von Wettbewerb und der Schutz publizistischer Vielfalt § 1 Konzept der Wettbewerbs- und der Vielfaltssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66 66
I. Konzept der Wettbewerbssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
1. Funktionen von Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
2. Wettbewerbsmodelle und deren Berücksichtigung im GWB . . . . . . . . .
68
3. Fusionskontrolle als mögliche Reaktion auf eine Verschlechterung der Marktstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
II. Vielfaltssicherung als spezifischer Aspekt der Wettbewerbssicherung im Zeitungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
1. Publizistische Vielfalt als Element des Pressewettbewerbs . . . . . . . . . .
73
a) Inhaltliche Unterscheidbarkeit als Kernaussage der Vielfalt . . . . . .
73
b) Quantitative Betrachtung von Vielfalt – Vielfalt als Zielwert . . . . . .
74
2. Die sogenannte Vielfaltsthese und der Vorrang des außenpluralistischen Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
§ 2 Pressefusionskontrolle nach dem GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
Inhaltsverzeichnis
15
I. Einführung und Modifikationen der Pressefusionskontrolle im GWB . . . .
84
II. Systematik der normativen Kontrolle von Pressefusionen . . . . . . . . . . . . . .
89
1. Aufgreifkriterien – Eröffnung des Anwendungsbereichs der Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
2. Eingreifkriterien – Untersagungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
a) Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept . . . . . . . . . . . . .
91
b) Beherrschungsgrad am relevanten Markt – Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, §§ 36 Abs. 1, 19 Abs. 2 und 3 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
3. Ausnahmen von der Untersagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
a) Abwägungsklausel – Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen – § 36 Abs. 1, 2. Halbsatz GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Ministererlaubnis – Überwiegen gesamtwirtschaftlicher Vorteile – § 42 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Auflösung von Zusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Teil 2 Verfassungsrechtlicher Rahmen der gesetzlichen Pressefusionskontrolle
111
1. Abschnitt Grundrechtlicher Ordnungsauftrag
111
§ 1 Grundrechtliche Bezüge des Pressefusionstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Der „Tatbestand“ Presse: Presseunternehmen zwischen privatwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Presseunternehmen im demokratischen Staatsgefüge . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Presseunternehmen als Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Grundrechtsrelevanz der Pressefusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III. Grundrechtsbezüge des Pressefusionstatbestands mit Blick auf die publizistische Aktivität der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit als individuelles Abwehrrecht und als institutionelle Gewährleistung . . . . . . 116 a) Primär subjektives Grundrechtsverständnis vom Grundrecht der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Subjektive Grundrechtsseite der Pressefreiheit und ihre Grenzen 117 (1) Zur grundrechtlichen Abwehrfunktion im Allgemeinen . . . 118 (2) Skizze des Schutzbereichs der Pressefreiheit im Besonderen 119 (3) Defizite eines rein subjektiven Grundrechtsverständnisses . 120
16
Inhaltsverzeichnis bb) Ausdehnung der Abwehrfunktion auf Privatrechtsverhältnisse im Wege der Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine unmittelbare Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begrenzte Effektivität der mittelbaren Drittwirkung . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung eines rein objektiv-rechtlichen Grundrechtsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Objektiv-rechtliche Grundrechtsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erkenntnisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bedeutung und allgemeine Rechtswirkungen – Grundrechte als Leitprinzipien objektiven Rechts mit Verfassungsrang . bb) Defizite der rein und primär institutionellen Deutung . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Das Grundrecht der Pressefreiheit als primär individuelles Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit im Gesamtkontext des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansatz einer medienübergreifenden Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufbrechen der klassischen Abgrenzungen der Medienfreiheiten durch neue Medienformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entwicklungsoffenheit des Pressebegriffs . . . . . . . . . . . . . . (2) Auflösung der Grenzen zwischen den Massenkommunikationsmitteln Presse und Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auflösung der Grenzen von Individual- und Massenkommunikation – Trennung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundrechtliche Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verhältnis von Pressefreiheit und Meinungsfreiheit . . . . . . (2) Verhältnis der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG b) Grenzen der medienübergreifenden Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionale Grenzen der intermediären Substituierbarkeit . . . . bb) Verfassungsrechtliche Grenzen einer medienübergreifenden Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeiten des einzelnen Mediums bei medienübergreifender Betrachtung . . . . . . . 3. Pressezusammenschlüsse und die Bedeutung des Grundrechts der Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausstrahlungswirkung der Staatszielbestimmungen des Demokratie- und Sozialstaatsprinzips auf Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grundrechtsbezüge des Pressefusionstatbestands mit Blick auf die wirtschaftliche Aktivität von Presseunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 122 124 124 125 125 126 128 130 133 134 135 135 136 137
140 141 141 144 147 147 149 151 153 157 160
Inhaltsverzeichnis
17
1. Wirtschaftliche Neutralität des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Grundrechtliche Gewährleistung einer „Wirtschaftsfreiheit“ . . . . . . . . . 164 a) Gehalte von Art. 2, 12 und 14 GG als zentrale wirtschaftsbezogene Grundrechtsgarantien und die Relevanz des Sozialstaatsprinzips . . 164 b) Verfassungsrechtliche Verortung der Wirtschaftsfreiheit . . . . . . . . . c) Schutzgehalte der „Wirtschaftsfreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auflösung verfassungsrechtlicher Spannungslagen zwischen Wirtschaftsund Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auflösung der Grundrechtskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung konkurrierender Grundrechte – Wirtschaftsfreiheit und Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kumulative Eröffnung der im Rahmen presseökonomischer Tätigkeit thematisch angesprochenen Grundrechtstatbestände . . . bb) Aussonderung der „unechten Konkurrenzen“ . . . . . . . . . . . . . . b) Schrankenkonflikte bei kumulierendem Grundrechtsschutz . . . . . . . aa) Schrankendivergenz der konkurrierenden Grundrechte der Wirtschaftsfreiheiten und der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorbehalt der „allgemeinen Gesetze“ des Art. 5 Abs. 2 GG (2) Schrankenvorbehalt der Art. 14 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . (b) Vorbehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Abs. 2 GG bb) Auflösung der Konkurrenz schrankendivergierender Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeiner Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auflösung der Konkurrenz von Pressefreiheit und Wirtschaftsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schranken-Stufenlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die „publizistische Relevanz“ des Eingriffs als Kriterium der Abgrenzung von Kern- und Randbereich der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwägung kollidierender wirtschaftlicher und publizistischer Belange im Fall der Pressefusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kategorien von Kollisionen und die Bedeutung des Vorbehalts . . . . b) Auflösung von Kollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167 169 170 171 172 173 173 176 178 178 178 181 181 183 184 184 186 186
190 194 195 198
aa) Abstrakte Auflösungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Lösungsansatz für das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen und publizistischen Freiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
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§ 2 Normative Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Zielvorgaben für die Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundzüge der verfassungsrechtlichen Kommunikationsordnung . . . . . . . . 1. Staatliche Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklungsoffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vielfalt der Medien – Multimediale Pluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Pressebild des Grundgesetzes unter Beachtung wirtschaftsverfassungsrechtlicher Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ablehnung eines „Instituts Presse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffliche Abgrenzung: Einrichtungsgarantie, institutionelle Garantie, Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einwände gegen die Einordnung der Presse in die Kategorien der Einrichtungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnung einer „öffentlichen Aufgabe“ der Presse . . . . . . . . . . . . . . . 3. Normative Konkretisierung des Instituts „Freie Presse“ . . . . . . . . . . . . a) Pressevielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis von Meinungsvielfalt und Pressevielfalt . . . . . . . . . . bb) Verhältnis von Innen- und Außenpluralität als Teilaspekt der „inneren Pressefreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freiheit des publizistisch geistigen Schaffens . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tendenzautonomie als Teilaspekt der „inneren Pressefreiheit“, der Freiheit publizistischer Tätigkeit und der Staatsfreiheit . . . bb) Redaktionsgeheimnis als Teil der Staatsfreiheit und der Anerkennung der Eigenart publizistischer Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine institutionelle Absicherung von Markt und Wettbewerb . bb) Begrenzte verfassungsrechtliche Relevanz volkswirtschaftlicher Ordnungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine abstrakte Festlegung auf ein volkswirtschaftliches Ordnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Weiter Prognosespielraum des einfachen Gesetzgebers . . . (3) Grenzen der Freiheit des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . cc) „Funktionsfähigkeit“ als Voraussetzung der Ausübung der Presse- und Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Schutz des „Status quo“ – Kein Schutz vor konkurrenzbedingten Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grenze der Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gründungsfreiheit und Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204 205 205 206 206 208 208 209 210 211 214 215 216 216 217 219 220 221 222 223 224 225 226 226 228 228 229 231 232
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2. Abschnitt Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat
234
§ 1 Die Pressefusionskontrolle des GWB als Erfüllung einer staatlichen Pflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Funktionsverantwortung des Staates: Anerkannte Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Skizze der Bezüge von Funktionssicherungspflichten zur Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Verfassungsrechtliche Wurzeln „öffentlicher Aufgaben“ und deren Verdichtung zu einer staatlichen Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Staatliche Kompetenz zur Erfüllung „öffentlicher Aufgaben“ . . . . . . . . 240 a) Abgrenzung von der staatlichen Aufgabe und der staatlichen Kompetenz und Befugnis zur Ergreifung grundrechtssichernder Maßnahmen 240 b) Exkurs: Staatliche Kompetenz zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 III. Einordnung des gesetzgeberischen Instruments der Pressefusionskontrolle in die verfassungsrechtlichen Kategorien gesetzgeberischen Grundrechtskontakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Machtverschiebungen im Pressemarkt: Gefährdungslagen für individuelle und kollektive Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Kritik an der Einstufung der Pressefusionskontrolle als Erfüllung einer Pflicht zur Ausgestaltung institutioneller Grundrechtsgüter . . . . . . . . . . 247 a) „Ausgestaltungspotenzial“ von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Problematik einer „Ausgestaltung“ von Freiheitsrechten . . . . . . . . . 249 aa) Klassische Entgegensetzung von Ausgestaltung und Eingriff . . 250 bb) Keine Exklusivität von Ausgestaltung und Eingriff . . . . . . . . . 253 (1) Kritik der Lehre von der Ausgestaltung unter Bezugnahme auf die Konzentrationskontrolle im Pressemarkt . . . . . . . . . 253 (a) Generalisierende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (b) Ansatz der „von vornherein begrenzten Freiheit“ . . . . . 256 (2) Grundrechtsrealisierender Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . 260 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Pressefusionskontrolle als Verwirklichung einer Schutzpflicht . . . . . . . 262 a) Skizzierung des Schutzpflichtenkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 aa) Verfassungsrechtliche Wurzeln des Schutzpflichtenkonzepts . . 266 bb) Eckpunkte des Schutzpflichtkonzepts: Berechtigte, Verpflichtete, Tatbestand und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
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Inhaltsverzeichnis (1) Schutzberechtigter und zum Schutz Verpflichteter . . . . . . . 271 (2) Tatbestand und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Bewertung des Konzepts einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 aa) Das Konzept der Schutzpflicht im Vergleich zur Ausgestaltung 274 (1) Klare Trennung von Inhalt des Schutzgutes und Unversehrtheit des Schutzgutes im Rahmen der Schutzpflicht . . . . . . . 275 (2) Die objektiv-rechtliche Grundrechtsseite als gemeinsame Wurzel von Schutzpflicht- und Ausgestaltungsauftrag an die staatliche Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (3) Eindämmung ausufernder Ausgestaltungsvorbehalte . . . . . (4) Präzisierung des Prüfungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Weiter Prognosespielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . (b) Berücksichtung von Grundrechtskollision im Gleichordnungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Positionierung von Schutzpflicht und Drittwirkung im Dreiecksverhältnis „Staat – Störer – Opfer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Dreiecksverhältnis als Schnittpunkt von Schutzpflicht und Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorzüge des Schutzpflichtkonzepts im Dreiecksverhältnis . cc) Möglichkeit des Schutzes kollektiver Güter mit individueller Radizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Keine Zurückdrängung, sondern Rückbindung an das Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Problematik der Schutzpflicht in Gleichordnungsverhältnissen (1) Partielle Vergleichbarkeit der Fallkonstellationen . . . . . . . . (2) Schutz des Schwächeren im Gleichordnungsverhältnis . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Der verfassungsrechtliche Handlungsrahmen bei der Umsetzung einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzpflichtaktivierung nach Maßgabe des Untermaßverbots . . . . . . . . . . 1. Das Bestehen eines Schutzbedürfnisses („Tatbestand“) . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechtlicher Schutzbereich mit Schutzfunktion . . . . . . . . . . . . b) Beeinträchtigung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277 278 279 280 281 282 284 286 291 293 294 296 298 300 300 301 301 301
aa) Bestimmung des Störers – Keine generelle Zurechnung nicht staatlichen Handelns zum Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 bb) Natur des Gefährderverhaltens: rechtswidriger Eingriff oder private Bedrohung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Abweichung vom gebotenen Schutzniveau („Schutzpflichtverletzung“) 306 a) Bestimmung des „gebotenen“ Schutzes – Schutz des Mindestgehalts 307
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b) Bestimmung der Verfehlung des verfassungsdeterminierten Schutzniveaus – das Untermaßverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 aa) Vorgaben des Untermaßverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Trennung von Übermaß und Untermaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Skizze der Reichweite der Schutzpflicht im Pressemarkt: Funktionssicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingriffsbewertung nach Maßgabe des Übermaßverbotes . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Dispens der Schutzpflicht von verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung des Untermaßverbotes bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme zur Verwirklichung der Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . .
311 314 319 322 323 324 325
a) Verfassungslegitimes Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – Abwägungsentscheidung im Falle einer Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers bei der Verwirklichung der Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Zusammenfassung: Prüfungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
329 329 331 332 333
Teil 3 Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen der Pressefusionskontrolle in der verfassungsrechtlichen Bewertung
337
1. Abschnitt Verfassungsrechtliche Bewertung der geltenden Regelungen der Pressefusionskontrolle
338
§ 1 Verfassungsrechtlich relevantes staatliches Unterlassen – Handlungspflicht zur Sicherung des Pressemarktes zum Zeitpunkt des Erlasses der Pressefusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 § 2 Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriffs zur Sicherung des Pressemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
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Inhaltsverzeichnis 2. Abschnitt Verfassungsrechtliche Bewertung der im Kontext der 7. GWB-Novelle diskutierten Modifikationsvorschläge
§ 1 Skizze der Modifikationsvorschläge für Zusammenschlüsse und Kooperationen von Presseunternehmen in der 7. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Verfassungsrechtlich relevantes staatliches Unterlassen – Handlungspflicht zur Modifikation des geltenden Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Lockerung der Fusionskontrolle als grundrechtsrelevante Maßnahme . II. Verfassungsrechtliche Bewertung ausgewählter Maßnahmen . . . . . . . . . . . 1. Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten im Anzeigenbereich . . . . 2. Erhöhung der Aufgreifkriterien und Anwendung der Anschlussklausel auf Pressezusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahme marktbeherrschender Fusionen vom Untersagungstatbestand bei Trennung von publizistischer und wirtschaftlicher Verantwortung – Altverlegerklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unzulässige Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systemdurchbrechung und fehlende Gesetzgebungskompetenz . . . . § 4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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344 345 347 347 348 348 353
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
Einleitung Anlass Als Bill Gates im Jahr 1999 das „Ende der Zeitungen“ prophezeite 1, waren deutsche Zeitungsverlage von dieser Warnung eher überrascht als ermahnt. Bei guter Ertragslage fühlten sie sich damals noch sicher im Wettbewerb. Bereits wenig später jedoch, etwa im Jahr 2001, verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der deutschen Zeitungsverlage in einer Weise, die Anlass gab, von der „größten Zeitungskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“ 2 zu sprechen, und in deren Folge Forderungen nach gesetzgeberischen Maßnahmen zur Modifikation pressrechtlicher Regelungen, insbesondere der Pressefusionskontrolle, laut wurden. Allen voran die großen Verlagsgruppen 3 sahen die Pressekrise als strukturelle Krise des Marktes an und verwiesen diesbezüglich auf den sich verschärfenden Wettbewerb zwischen den Medien, den sich stetig erweiternden und zunehmend internationalen Medienmarkt sowie auf steigende Fixkostenanteile. Nach ihrer Auffassung verhinderten auch die seit den 1970er-Jahren geltenden pressespezifischen kartellrechtlichen Regelungen angemessene Reaktionen auf diese strukturellen Herausforderungen und behinderten damit nicht nur den Wettbe-
1
O. V., „Gates Talks About PCs, the Internet and Globalization at the World Economic Forum“, http://www.microsoft.com/presspass/features/1999/02-01davos.mspx; Vgl. auch Gates, Bill, „En trente ans, on nous a prêté pas mal de challengers“, Le Figaro (26. 10. 2005). 2 Meyer-Lucht, Robin, Rollensuche im Medienkanon. Zur Krise der deutschen Tageszeitung, Frankfurter Hefte (2002), S. 545; Vgl. auch Röper, Horst, Zeitungsmarkt 2002: Wirtschaftliche Krise und steigende Konzentration, Media Perspektiven (2002), S. 478 ff.; Bauschke, Christian, Blick in den Abgrund, Die Welt (27. 06. 2002); Mallik, Stephan, Ist die Zeitung noch zu retten? Das Vielfaltsversprechen der Zeitung auf elektronischem Papier für Zeitungsmarkt und Zeitungsleser, (2004), S. 1 ff.; Müller, Uwe, „Es brennt in allen Blättern“, Die Welt (08. 11. 2002). 3 O. V., Regionalzeitungen reizen Springer, Handelsblatt (06. 08. 2001); Holtzbrinck, Stefan Von, „Lieber ein guter Eigentümer als ein cleverer Verkäufer“, Handelsblatt (01. 07. 2002); Müller, Uwe, Holtzbrinck will in Berlin 100 Stellen streichen, Die Welt (01. 03. 2003); o. V., Hombach gegen Pressesondergesetz, Handelsblatt, (16. 04. 2003); o. V., Madsack sieht ein Ende der Zeitungskrise, Handelsblatt (04. 07. 2003); differenzierend der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger: o. V., Verleger wollen Presseklausel behalten, Handelsblatt (21. 11. 2003).
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werb, sondern auch die Entstehung bzw. Sicherung publizistischer Vielfalt. Eine Modifikation der geltenden Fusionskontrolle sei daher überfällig. 4 Diese Auffassung wurde von dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) im Grundsatz geteilt. 5 Als Reaktion auf die Pressekrise verknüpfte er daher im Regierungsentwurf zur 7. GWB-Novelle 6 die aufgrund der EG-Verordnung Nr. 1/2003 vom 16. Dezember 2002 7 notwendig gewordene Novellierung des geltenden deutschen Wettbewerbsrechts mit einer Lockerung der gesetzlichen Pressefusionskotrolle. In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf heißt es demgemäß: „Grund hierfür [Anm.: die geplante Modifikation des Pressekartellrechts] ist die wirtschaftlich schwierige Lage, in der sich die Printbranche befindet. Die neuen Regelungen sollen den Unternehmen vor allem die Möglichkeit bieten, ihre wirtschaftliche Lage zu verbreitern, und so das Überleben der vielfältigen deutschen Presselandschaft sichern“ 8. Die These des Regierungsentwurfs, eine Lockerung des Pressekartellrechts vermöge das vielfältige Überleben der deutschen Presselandschaft zu sichern, fand im politischen Diskurs eingeschränkte Zustimmung. 9 Das Vorliegen einer Strukturkrise wurde bestritten oder es wurde darauf hingewiesen, dass, unab4 Hombach, Bodo, Der Wunsch nach Vielfalt wird torpediert, Berliner Zeitung (15. 04. 2003); Bundesverband deutscher Zeitungsverleger; Rheinische Post, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BTDrucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358, (2004), S. 87 ff.; Axel Springer Verlag, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1355, (2004), S. 143. 5 Clement, Wolfgang, Meinungsvielfalt und Wettbewerb, WuW (2004), S. 720 ff.; Vgl. auch o. V., Bundeskanzler offen für Liberalisierung des Pressefusionsrechts, AfP (2003), S. 530. 6 Die Novellierung sollte das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) an die neue Konzeption des europäischen Wettbewerbsrechts anpassen, obwohl die Verordnung selbst hierzu keine Vorgaben enthielt. Die Modifikation der Pressefusionskontrolle war Gegenstand von zwei Regierungsentwürfen: Der erste Entwurf vom 26. 05. 2004, RegE BT Drucks 15/3640 war der weitergehende. Nach starker Kritik wurde ein Folgeentwurf vom 15. 02. 2005, RegE BT Drucks 15/5049, verfasst, der den ersten insoweit modifizierte, als die sog. „Altverleger-Klausel“ gestrichen war und der Schwerpunkt auf der Freistellung wirtschaftlicher Kooperationen lag. Der weiteren Bearbeitung wird der erste – weitergehende – Entwurf zugrunde liegen. Vgl. hierzu: Teil 3 – Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen der Pressefusionskontrolle in der verfassungsrechtlichen Bewertung. 7 EG-Verordnung Nr. 1/2003/EG zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG niedergelegten gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln, Amtsblatt Nr. L 001 vom 04/01/2003 S. 0001 – 0025. 8 BT-Drucks 15/3460, S. 22. Kursivstellung nicht im Originaltext. 9 Kritisch z. B.: Deutscher Journalistenverband, Stellungnahme zum Problem der (publizistischen) Konzentration der Tageszeitung in der Bundesrepublik Deutschland, (2003), S. 2; Säcker, Franz Jürgen, „Innere“ und „äußere“ Pressefreiheit, K&R (2003), S. 529 f.;
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hängig von der Einordnung der sogenannten Pressekrise als Struktur- oder Konjunkturkrise, die geplante gesetzgeberische Reaktion auf die damaligen Presseentwicklungen wettbewerbsfeindlich sei, da zentraler Baustein wirksamer Ordnungspolitik ein Kartellrecht sei, das die Märkte weitgehend offen halte. 10 Es wurde außerdem betont, dass den zu erwartenden negativen Auswirkungen der geplanten Intervention auf den Wettbewerb keine rechtfertigenden Vorteile gegenüberstünden und dass im Ergebnis eine Lockerung der Fusionskontrolle nicht vielfaltssichernde, sondern vielmehr vielfaltsverkürzende Wirkung habe. Minister Clement wurde ferner unterstellt, er treibe die Lockerung der Fusionskontrolle nur voran, um die im Jahr 2003 gescheiterte Fusion von Tagesspiegel (Holtzbrinck Verlag) und Berliner Zeitung (Berliner Verlag) zu ermöglichen. Der Regierungsentwurf wurde – in Anlehnung an die pressepolitische Auseinandersetzung 11 über die gesetzgeberische Lösung der Konzentrationsproblematik Ende der 1970er-Jahre [„lex Springer“ 12] – ein „lex Holtzbrinck“ genannt. 13 Bremer, Eckhard / Martini, Karin, Kartellrechtsreform und Sicherung der Pressevielfalt, ZUM (2003), S. 942; Riesenhuber, Karl, Medienfreiheit und Medienvielfalt, AfP (2003), S. 481 ff.; Simon, Ulrike, Gut gemeinte Vorschläge – Mit ihren Vorstellungen für ein neues Kartellgesetz schaden sich die Verleger selbst am meisten, Der Tagesspiegel (22. 01. 2004); Röper, Horst, Zeitungsmarkt in der Krise – ein Fall für die Medienregulierung, Aus Politik und Zeitgeschichte – Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung (2004), B12 – 13, S. 12 ff.; Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 14 ff.; Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWBNovelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 125 ff.; Geerlings, Jörg, Pressefusionskontrolle contra Pressefreiheit, AfP (2004), S. 329 ff.; Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1060 ff.; Immenga, Ulrich, Pressefusion als „Kinder in Not“, WuW (2004), S. 717 ff.; Röper, Horst, Die Konzentration im deutschen Tageszeitungsmarkt und Clemens Novellierung – Vortrag beim Arbeitskreis Medienpolitik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, (2004). 10 Für das Bundeskartellamt z. B.: Böge, Ulf, „Kooperation ist nur ein schönerer Name für Kartell“, F.A.Z. (06. 05. 2004); Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 227 ff.; Böge, Ulf, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1338 (2004), S. 57 ff. 11 Vgl. Kaufer, Erich, Konzentration und Fusionskontrolle, (1977); Möschel, Wernhard, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, (1978); Mestmäcker, Ernst-Joachim, Konzentration und Wettbewerb im Presseverlagswesen, AfP (1978), S. 3 ff.; Sengelmann, Hartwig, Wie wirken Verlagsfusionen auf die publizistische Vielfalt?, AfP (1978), S. 178 ff.; Kübler, Friedrich / Simitis, Spiros, Presse und Wettbewerb, JZ (1969), S. 445 ff.; Harms, Wolfgang / Wissl, Holger, Pressefreiheit und Wettbewerb, AfP (1976) 149 ff.; Zur verfassungsrechtlichen Diskussion vgl. u. a.: Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 77 ff.; Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971); Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971); Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971); Gehrhardt, Erwin, Läßt Artikel 5 des Grundgesetzes die Einführung einer Fusionskontrolle für die Presse zu?, AfP (1971), S. 2 ff. Mit der Einführung der Pressefusionskontrolle im Rahmen der 3. GWB-Novelle, vgl. Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BGBl. I, 1976, S. 1697, und aufgrund der Rundfunkentwicklung seit Mitte
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Die politische, wirtschaftliche und rechtliche Auseinandersetzung um Möglichkeiten und Grenzen einer Modifikation der Pressefusionskontrolle in der 7. GWB-Novelle fand im Juni 2005 überraschend einen – jedenfalls vorübergehenden – Endpunkt im Vermittlungsausschuss des Bundestages. Dort wurde, vor allem bedingt durch die vorgezogene Bundestagswahl und die überfällige Anpassung des deutschen Rechts an die EG-Verordnung Nr.1/2003, das Regierungsvorhaben der Modifikation der Presseklausel des GWB aus der 7. GWBNovelle abgekoppelt. Dieses Vermittlungsergebnis, das einem Scheitern gleichsteht, wurde vor allem von der Presselobby und vom Bundeswirtschaftsminister Clement mit Bedauern aufgenommen. Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) artikulierte am Tag der Entscheidung im Vermittlungsausschuss seinen Wunsch nach einem erneuten Bemühen zur Lockerung der Pressezusammenschlusskontrolle. 14 Wirtschaftsminister Clement kündigte nach dem Beschluss im Vermittlungsausschuss an, das Thema auch in der nächsten Legislaturperiode zum Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens zu machen. 15 Tatsächlich wurde das Vorhaben im Koalitionsvertrag von SPD und CDU aus dem Jahr 2005 berückder 1980er Jahre war die Problematik der Pressekonzentration aus dem allgemeinen Blickfeld geraten. Exemplarische Beiträge in der Zeit nach der 3. GWB-Novelle: Bechtold, Rainer, Fusionskontrolle in Anzeigenmärkten, AfP (1980); S. 88 ff.; Bechtold, Rainer, Wettbewerbs-, kartell- und fusionskontrollrechtliche Probleme bei der Zusammenarbeit von Tageszeitung und Anzeigenblättern, BB (1981), S. 260 ff.; Pitschas, Rainer, Wettbewerbsrechtliche Probleme und Verfassungsmäßigkeit der pressespezifischen Fusionskontrolle, DB (1981), S. 729 ff.; Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 493 ff.; Thiel, Michael H., Presseunternehmen in der Fusionskontrolle, (1992); Seiler, Wolfgang, Pressekonzentration und publizistische Vielfalt nach zehn Jahren deutscher Einheit, AfP (2002), S. 1 ff. 12 Z. B. Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 42. 13 Bremer, Eckhard / Martini, Karin, Kartellrechtsreform und Sicherung der Pressevielfalt, ZUM (2003), S. 942 ff.; o. V., Clement für „Lex Holtzbrinck“, Der Spiegel (20. 12. 2003), S. 81; Ferner hierzu: o. V., Clement von Drohungen im Zeitungsstreit unbeeindruckt, F.A.Z. (23. 04. 2003); Preuss, Susanne, Stefan von Holtzbrinck: Ungeduldiger Verlagsmanager, F.A.Z. (23. 04. 2003); o. V., Fusionskontrolle spaltet Zeitungsbranche, F.A.Z. (27. 05. 2003); o. V., Holtzbrinck bietet Tagesspiegel an, F.A.Z. (13. 05. 2003); o. V., Monopolkommission befaßt sich wieder mit Berliner Zeitungsfusion, F.A.Z. (02. 08. 2003); Säcker, Franz Jürgen, Der Fall „Tagesspiegel / Berliner Zeitung“ – A Never Ending Story, BB (2003), S. 2245. 14 Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, Pressemitteilung (16. 06. 2005): „Es ist schwer nachvollziehbar, dass nahezu alle Parteien grundsätzlich die Notwendigkeit einer Kooperationserleichterung im verlagswirtschaftlichen Bereich auf Grund der dringenden strukturellen Probleme der Branche anerkennen, dann aber keine Einigung zur Lockerung der entsprechenden Vorschriften im Kartellrecht zustande kommt. [...] Angesichts der zahlreichen guten Gespräche, die wir mit Vertretern aller Parteien zu diesem Thema führen konnten, gehen wir davon aus, dass die derzeit erkennbare, teilweise von übertriebenen Bedenken getragene Blockade der Novellierung der Pressefusionskontrolle in der kommenden Legislaturperiode überwunden werden kann.“
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sichtigt. Dort heißt es: „Um die Vielfalt in der deutschen Zeitungslandschaft trotz tief greifender struktureller Veränderungen zu erhalten, wird geprüft, ob mit einer Modernisierung des Pressekartellrechts den Verlagen Möglichkeiten eröffnet werden können, ihre wirtschaftliche Basis zu sichern und im Wettbewerb auch mit anderen Medien zu bestehen.“ 16 Regierungsaktivitäten zur Umsetzung dieses Ziels gab es indes bis heute nicht. Problemstellung Die verfassungsrechtliche Evaluation der Möglichkeiten und Grenzen einer Änderung des geltenden Pressefusionskontrollrechts ist nicht nur vor dem Hintergrund (tages-)politischer Prozesse und Problemstellungen, sondern auch mit Blick auf moderne verfassungsdogmatische Fragestellungen, beispielsweise der Schutzpflichtdogmatik, und neuer medialer bzw. medienrechtlicher Herausforderungen, z. B. konvergenter Marktentwicklungen, bedeutsam. Es wird daher zu untersuchen sein, inwieweit in einem sich verändernden Pressemarkt die gesetzgeberische Lösung der Konzentrationsproblematik der 1970erJahre als ordnungspolitisches Instrument weiterhin gerechtfertigt ist, ob gegebenenfalls eine Anpassung der bestehenden Regelungen an eine in einer Krise befindlichen Presse bzw. an einen sich wandelnden Markt verfassungsrechtlich geboten ist und in welchem verfassungsrechtlichen Rahmen sich der Gesetzgeber im Fall der Ergreifung diesbezüglicher gesetzgeberischer Regelungen bewegen kann und muss. Hierzu sind die grundrechtlichen Grenzen, innerhalb derer sich staatliche Eingriffe zur Sicherung von Pressevielfalt und wirtschaftlicher Entfaltungsfreiheit bewegen müssen, aufzuzeigen, wobei durchaus an die Ergebnisse der presseverfassungsrechtlichen Untersuchungen der 1970er-Jahre 17 angeknüpft werden kann. Allerdings wird zu berücksichtigen sein, dass im Rahmen der damaligen pressepolitischen Diskussion das stetige Absinken der Zahl der redaktionell selbstständigen Zeitungen die Aufmerksamkeit von Politik, Medienwirtschaft und Öffentlichkeit auf die Gefahren der Pressekonzentration für die Meinungsvielfalt gelenkt hatte. Ausgehend von einem seinerzeit als bedrohlich wahrgenommenen „Zeitungssterben“, wurde die privatwirtschaftliche Struktur der Presse kritisiert 15 O. V., Kartellbildung wird erleichtert, F.A.Z. (17. 06. 2005); vgl. auch o. V., Die SPD will ihre Medienbeteiligung behalten. Schatzmeisterin Wettig-Danielmeier plädiert für Lockerung des Kartellrechts, F.A.Z. (16. 12. 2006). 16 Bundesregierung, Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD – Gemeinsam für Deutschland, (11. 11. 2005), S. 19, Ziffern 899 – 903; o. V., Die SPD will ihre Medienbeteiligung behalten. Schatzmeisterin Wettig-Danielmeier plädiert für Lockerung des Kartellrechts, F.A.Z. (16. 12. 2006). 17 Vgl. Fußnote 11.
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und wurden Forderungen nach binnenpluralistischen Verlagsstrukturen oder nach Subventionen laut. Nach einer kontroversen Debatte war seinerzeit die Einführung einer Fusionskontrolle für Presseunternehmen das Mittel der Wahl zur Lösung der Konzentrationsproblematik 18. Auf die Risiken der Konzentration für die Vielfalt wurde somit durch die Sicherung ökonomischen Wettbewerbs reagiert – eine gesetzgeberische Lösung, die später vom Bundesgerichtshof 19 und vom Bundesverfassungsgericht 20 als rechtmäßig bzw. als verfassungskonform bewertet wurde. Im Zentrum der Diskussion um die 7. GWB-Novelle hingegen stand nicht die zunehmende Konzentration durch das Sterben v. a. kleinerer publizistischer Einheiten, sondern vielmehr die Bedrohung der wirtschaftlichen Basis auch großer Verlagshäuser durch Marktverschiebungen, Auflagenrückgänge und sinkende Werbeeinnahmen und damit verknüpfte Fragen der Pressevielfalt. In Abweichung von der Lösung des Pressegesetzgebers der 1970er-Jahre, der auf die Bedrohung der Pressevielfalt mit einer Verschärfung der Fusionskontrolle für Presseunternehmen reagierte 21, war im Regierungsentwurf zur 7. GWBNovelle beabsichtigt, das Ziel der Vielfaltssicherung durch eine Lockerung der Fusionskontrolle bzw. der Entkoppelung von publizistischer und wirtschaftlicher Pressetätigkeit – mit der davon erhofften größeren wirtschaftlichen Freiheit der Unternehmen und der wiederum davon erwarteten Belebung des Pressemarktes – zu erreichen. 22 Auf diese divergierenden wirtschaftsgesetzgeberischen Handlungsansätze wird bei der verfassungsrechtlichen Bewertung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums ein besonderes Augenmerk zu legen sein, denn schließlich hat sich jede Gesetzesänderung auf ihr Bedürfnis, ihr Ziel und das zur Verwirklichung des Ziels eingesetzte Mittel hin befragen zu lassen.
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BT-Drucks. 7/2954. BGH WuW / E BGH 1685, 1687 ff. – Anzeigenmarkt, Elbe Wochenblatt I. 20 BVerfG AfP 1985, S. 107 ff; BVerfG WuW / E VG 307 ff. – Münchner Anzeigenblätter. 21 In der Gesetzesbegründung zur 3. GWB-Novelle heißt es demgemäß: „Die Begrenzung der [Anm. allgemeinen] Fusionskontrolle auf überregionale Zusammenschlüsse beruht auf der Erwägung, dass im allgemeinen nur bei solchen Zusammenschlüssen eine Kontrolle wettbewerbspolitisch notwendig ist. Im Pressewesen [...] reicht eine auf Großzusammenschlüsse begrenzte Fusionskontrolle nicht aus.“ BT-Drucks. 7/2954, S. 5. 22 Vgl. BT-Drucks 15/3460, S. 22.: „Darüber hinaus enthält die Novelle geänderte Bestimmungen für Presseunternehmen. Grund hierfür ist die wirtschaftlich schwierige Lage, in der sich die Printbranche befindet. Die neuen Regelungen sollen den Unternehmen vor allem die Möglichkeit bieten, ihre wirtschaftliche Basis zu verbreitern, und so das Überleben der vielfältigen deutschen Presselandschaft zu sichern.“ 19
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Begrenzung und Gang der Untersuchung Die vorliegende Fragestellung weist diverse interdisziplinäre Bezüge auf und zwingt daher zur Begrenzung. Im Zentrum der Untersuchung wird der verfassungsrechtliche Rahmen der einfachgesetzlich geregelten Fusionskontrolle für Tageszeitungen stehen, wobei sich die Betrachtung allein auf nationales Recht beschränken und der Schwerpunkt auf der Untersuchung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundrechts der Pressefreiheit liegen wird. Auf wirtschaftsverfassungsrechtliche Vorgaben wird einzugehen sein, soweit die ökonomische Dimension für die Bearbeitung der Fragestellung von Belang ist. Volkswirtschaftliche, kommunikations- und wirtschaftspolitische Fragen werden insoweit behandelt, als sie für das Verständnis der verfassungsrechtlichen Diskussion von Bedeutung sind. Weitergehende Fragestellungen, wie z. B. die Untersuchung der Frage, wann und ob von einer Struktur- oder Konjunkturkrise gesprochen werden kann bzw. welche Strategien zur Bekämpfung entsprechender Krisen vorzugswürdig sind, werden ebenso wenig Gegenstand dieser Arbeit sein wie die Entwicklung eines Programms gesetzgeberischer Maßnahmen. Im ersten Teil der Arbeit, der sich mit den rechtstatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle befasst, werden die wirtschaftliche Entwicklung und die Struktur des Zeitungsmarktes vor und nach Einführung der Pressefusionskontrolle, insbesondere die als Krise der Zeitung in den Jahren 2001 bis 2005 bezeichnete Entwicklung, kurz skizziert. Auch die volkswirtschaftlichen Grundlagen des Konzepts der Wettbewerbssicherung sowie Ziele und Wirkungsweise der Fusionskontrolle im Pressemarkt werden in Grundzügen dargestellt. Im zweiten Teil der Arbeit folgt eine Analyse der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Fusionskontrolle im Pressewesen. Die vorliegende Untersuchung schließt im dritten Teil mit einer verfassungsrechtlichen Bewertung der geltenden einfachgesetzlichen Regelungen und einzelner Reformansätze.
Teil 1
Rechtstatsächliche und einfachgesetzliche Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle Der erste Teil dieser Untersuchung widmet sich der Analyse der zentralen nicht verfassungsrechtlichen Koordinaten von Pressekonzentration und deren Kontrolle durch das einfache Recht. Auf die Ergebnisse wird im zweiten Teil der Arbeit, d. h. im Rahmen der verfassungsrechtlichen Analyse der Möglichkeiten und Grenzen einer Modifikation der Pressefusionskontrolle, zurückzugreifen sein. Im ersten Abschnitt des ersten Teils der Arbeit werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Entwicklungen des Zeitungsmarktes skizziert. Daran anschließend wird im zweiten Abschnitt auf das Konzept der Wettbewerbssicherung, insbesondere die Funktion von Wettbewerb sowie die normative Sicherung von Wettbewerb und publizistischer Vielfalt im einfachgesetzlichen System des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), eingegangen.
1. Abschnitt
Entwicklungsphasen des deutschen Zeitungsmarkts Ausgangspunkt der Untersuchung der rechtstatsächlichen und einfachgestzlichen Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle ist ein Überblick über die historischen 1 und wirtschaftlichen Entwicklungsphasen des Tageszeitungsmarktes. Der Schwerpunkt liegt auf der Betrachtung der sogenannten Pressekrise zwischen den Jahren 2001 und 2005 (§ 2), da diese zentraler Auslöser für die Diskussion um die Lockerung der Pressefusionskontrolle war. Zum besseren Verständnis und zur Einordnung der jüngsten Entwicklungen wird zuvor die 1 Eine ausführliche Darstellung der historischen Entwicklung des Pressewesens findet sich u. a. in: Stammler, Dieter, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, (1971), S. 19 ff.; Blöbaum, Bernd, Journalismus als soziales System, (1996), S. 127 ff.
1. Abschn.: Entwicklungsphasen des deutschen Zeitungsmarkts
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Entwicklung des Zeitungsmarktes vom Beginn der Zeitung bis zur „Zeitungskrise“ (§ 1) in Grundzügen dargestellt. 2
§ 1 Entwicklung der deutschen Zeitung in historischer Skizze bis zum Jahr 2001 Die Entwicklung der Druckpresse durch Gutenberg um 1440 war ein Meilenstein für die Entfaltung des „Marktes der Informationen“. Während vor der Erfindung Gutenbergs vor allem berittene Boten, Kaufleute und Minnesänger Informationsüberbringer waren, erlaubte die Druckpresse eine massenhafte Verbreitung gedruckter Information. Wurden zur Berichterstattung zunächst Einblattdrucke und Flugblätter genutzt, existierten Ende des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts bereits die ersten periodischen Druckwerke 3. Treibende Kraft für die Entwicklung des Pressewesens war mit dem Wandel von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft vor allem das Nachrichtenbedürfnis der Handelsunternehmen. Getragen von einem wirtschaftlichen Bedarf, neuen technischen Möglichkeiten sowie einem ausgeprägten Regionalismus des durch Kleinstaaten geprägten Deutschlands, stieg die Zahl der Nachrichtenblätter stetig an. 4 Zwischen dem 17. Jahrhundert und dem 18. Jahrhundert wuchs die Zahl periodischer Druckwerke in Deutschland von ca. 20 auf knapp 200 5, Mitte des 19. Jahrhunderts waren bereits über 1000 Zeitungen zu verzeichnen. 6 Parallel zu dieser Entwicklung setzte, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Fran2 In diesem Teil der Arbeit werden die Entwicklungen des Pressemarktes und bestimmte Wirkungszusammenhänge anhand von Daten dargestellt. Ein Zeitreihenvergleich soll Auskunft über die langfristigen Entwicklungen – soweit möglich – seit ca. 1970 geben. Wo Daten für den gesamten Zeitraum fehlen, wird auf die Zeiträume Bezug genommen, die sich durch Daten belegen lassen. Zur Entwicklung der Presse vgl. Wilke, Jürgen, Presse, in: Noelle-Neumann, Elisabeth / Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen, (Hrsg.), Publizistik Massenkommunikation (2003), S. 422 ff.; Wilke, Jürgen, Pressegeschichte, in: NoelleNeumann, Elisabeth / Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen, (Hrsg.), Publizistik Massenkommunikation (2003); Wilke, Jürgen, Medien DDR, in: Noelle-Neumann, Elisabeth / Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen, (Hrsg.), Publizistik Massenkommunikation (2003), S. 460 ff. 3 Etwa zwischen 1605 und 1609 erschienen beispielsweise die Wochenzeitungen „Aviso“ aus Wolfenbüttel und „Relation“ in Straßburg, vgl. Chill, Hanni / Meyn, Hermann, Massenmedien – Vielfalt und Aufgaben der Printmedien, Informationen zur Politischen Bildung, Heft 260, (1998); Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, Zeitungen 2005, (2005), S. 7. 4 Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, Zeitungen 2005, (2005), S. 7. 5 Dernbach, Beatrice, Haben die Printmedien noch eine Zukunft?, (1998), http://www .fachjournalisten.hs-bremen.de/dernbach.htm; http://www.mediasprut.ru/jour/beitraege/z uk-print.shtml. 6 Weber, Bernd, Medienkonzentration, Marktzutrittsschranken und publizistische Vielfalt, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik (1992), S. 262.
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
zösischen Revolution (1789) und des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes (1776 – 1783), in Deutschland auch ein verstärktes Bewusstsein für die Pressefreiheit ein. So enthielt beispielsweise der Entwurf der Verfassung von 1848, nach einer strengen Pressekontrolle durch die Karlsbader Beschlüsse (1819), eine völlige Aufhebung der Zensur. 7 Auf die mit technischem und gesellschaftlichem Fortschritt zunehmend professionellere Herstellung und Verbreitung der Zeitungen und die daran anknüpfende Entwicklung einer kleinteiligen Massenpresse Mitte des 19. Jahrhunderts folgte schließlich die Herausbildung von Pressegroßkonzernen. Zeitungen wurden umfangreicher, die Themen vielfältiger, und die Auflage stieg. Es waren nun nicht mehr nur die Drucker, welche die Informationen sammelten, selektierten, druckten und verbreiteten, sondern es bildete sich eine Aufgabenteilung von Verlag, Redaktion und Druck heraus, die die Entwicklung der Zeitung vom schlichten Nachrichtenübermittler zum Forum für Meinungsäußerungen und politisches Engagement verstärkte. Die Zahl der Zeitungen lag 1913 bei ca. 4000. 8 Diese florierende Entwicklung mündete Ende des 19. Jahrhunderts, beeinflusst durch die Verschlechterung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, in einen Konzentrationsprozess, der allerdings schon nach dem Ersten Weltkrieg endete. 9 In den 1930er-Jahren konnten wieder knapp über 3000 Zeitungen auf dem Markt registriert werden. 10 Nachdem jedoch im Jahr 1933 durch das sogenannte Schriftleitergesetz die Pressefreiheit aufgehoben und die Tätigkeit des Chefredakteurs von einer staatlichen bzw. parteipolitischen Genehmigung abhängig gemacht wurde, folgte wenig später in der Zeit des Zweiten Weltkriegs eine zweite starke Konzentrationswelle. 1944 existierten schließlich noch ca. 1000 Zeitungen auf dem Markt 11, von denen etwa 36 % mit einer Auflage von 21 Millionen Exemplaren (= 82,5 %) von 7
Vgl. Greiffenberg, Horst / Zohlnhöfer, Werner, Pressewesen, in: Oberender, Peter, (Hrsg.), Marktstruktur und Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland: Branchenstudien zur dt. Volkswirtschaft (1984), S. 580. 8 Weber, Bernd, Medienkonzentration, Marktzutrittsschranken und publizistische Vielfalt, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik (1992), S. 262. 9 Greiffenberg, Horst / Zohlnhöfer, Werner, Pressewesen, in: Oberender, Peter, (Hrsg.), Marktstruktur und Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland: Branchenstudien zur dt. Volkswirtschaft (1984), S. 581. 10 Blöbaum, Bernd, Journalismus als System, (1996), S. 127 ff.; Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, Zeitungen 2005, (2005), S. 581; Chill, Hanni / Meyn, Hermann, Massenmedien – Vielfalt und Aufgaben der Printmedien, Informationen zur Politischen Bildung, Heft 260, (1998). 11 Weber, Bernd, Medienkonzentration, Marktzutrittsschranken und publizistische Vielfalt, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik (1992), S. 263.
1. Abschn.: Entwicklungsphasen des deutschen Zeitungsmarkts
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der NSDAP kontrolliert wurden. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Pressepolitik der Alliierten schlug schließlich für die deutsche Presse eine Stunde „Null“. Unterschiedliche, nach hiesiger Aufteilung fünf, Entwicklungsphasen 12 knüpften daran an. In der ersten Entwicklungsphase seit Ende des Zweiten Weltkriegs war das Pressewesen vor allem durch Aktivitäten der Alliierten geprägt (Lizenzzeit, 1945 bis 1949). Vorderstes Ziel der Pressepolitik der westlichen Besatzungsmächte war vor dem Hintergrund des politischen Missbrauchs der Presse im Dritten Reich die sogenannte Re-Education, die Erziehung zur Demokratie. 13 Die Alliierten führten in diesem Rahmen einen Lizenzzwang ein, durch welchen alle Verleger aus der Zeit vor 1945, die sogenannten Altverleger, von der Erteilung einer Lizenz und damit auch von der Pressearbeit ausgeschlossen waren. 14 Einen ersten Schritt der Umwandlung der Lizenzrechte in private Eigentumstitel und damit in Richtung einer „Freien Presse“ markierte im Jahr 1946 die Aufhebung des Verbots von Kapitalgesellschaften im Pressewesen durch die amerikanischen Besatzungsbehörden. 15 Gänzlich aufgehoben wurde die „Lizenzzeit“ schließlich mit der Einführung der Generallizenz im September 1949. Bis zu diesem Zeitpunkt waren ca. 137 Lizenzzeitungen entstanden. 16 Die Auflösung des Lizenzzwangs führte zu einem regelrechten Gründungsboom (Gründungsphase, 1949 –1954), der nach einer Gründungshochphase Mitte der 1950er-Jahre (die Zahl der Zeitungen stieg im Jahre 1954 auf ca. 600 Hauptausgaben 17) in eine bis ca. 1976 dauernde Konzentrationswelle mündete 12 Zahlen zur Entwicklung des Pressemarktes finden sich in den Tabellen im Anhang, vgl. zu den Entwicklungsphasen insgesamt vor allem Tabelle 10 – Redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse; Tabelle 9 – Zeitungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland. 13 Als „amerikanische Zeitung für die deutsche Bevölkerung“ erscheint z. B. am 18. 10. 1945 die „Neue Zeitung“. Sie wird 1955 mit dem Ende der alliierten Hochkommissaren in der Bundesrepublik Deutschland eingestellt; vgl. Chill, Hanni / Meyn, Hermann, Massenmedien – Vielfalt und Aufgaben der Printmedien, Informationen zur Politischen Bildung, Heft 260, (1998). 14 Im Detail erfolgte die Verteilung der Lizenzen durch die Siegermächte uneinheitlich: die USA erlaubte pluralistische Monopolzeitungen, die Engländer ebenso wie Frankreich richtungsgebundene Konkurrenzzeitungen. Die UdSSR hingegen verfolgte einen kommunistisch-planwirtschaftlichen Ansatz. 15 Stammler, Dieter, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, (1971), S. 53. 16 Weber, Bernd, Medienkonzentration, Marktzutrittsschranken und publizistische Vielfalt, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik (1992), S. 264.; Schütz, Walter, Vielfalt oder Einfalt? Zur Entwicklung der Presse in Deutschland 1945 – 1995, Landeszentrale für Politische Bildung BadenWürttemberg, (1995), http://www.lpb-bw.de/publikationen/presse/schuetz.htm. 17 Wilke, Jürgen, Presse, in: Noelle-Neumann, Elisabeth / Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen, (Hrsg.), Publizistik Massenkommunikation (2003), S. 423.
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
(Konzentrationsphase, 1954 bis 1976). Diese Zeit der Konzentration führte vor allem auf der Ebene der Lokalpresse zu einer Verkürzung des Angebots und der Entstehung sogenannter Ein-Zeitungskreise, also Landkreise bzw. kreisfreie Städte, in denen eine regionale Zeitung am Markt angeboten wird. Diese prägen bis heute die deutsche Presselandschaft. Noch zu Beginn dieser Konzentrationsphase sah sich der Gesetzgeber nicht zur Ergreifung konzentrationsbegrenzender Maßnahmen veranlasst. Dementsprechend enthielt weder das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 27. 07. 1957 18 noch die 1. GWB-Novelle 19 von 1965 fusionskontrollrechtliche Regelungen. Auch die mit der 2. GWB-Novelle 20 im Jahr 1973 in das Gesetz eingeführte allgemeine Fusionskontrolle zeigte aufgrund der darin festgeschriebenen – jedenfalls für pressewirtschaftliche Umsätze – hohen Aufgreifkriterien noch keine Wirkung auf die Konzentrationsentwicklung im Pressemarkt, welcher folglich weiterhin von starken Konzentrationstendenzen geprägt war. Erst die Einführung der pressespezifischen Konzentrationskontrolle mit der 3. GWBNovelle im Jahr 1976 21 führte zu einer Stabilisierung der Marktentwicklung und bremste die Konzentration. Wobei nicht verkannt werden darf, dass zu dieser Zeit ein Großteil der noch bestehenden Zeitungen aufgrund der vorangegangenen langjährigen Konzentrationsphase bereits eine komfortable Marktposition erlangt hatte und auch infolgedessen der Konzentrationsanreiz gesenkt war. Im Ergebnis war in etwa mit dem Jahr 1976 eine Phase der Konsolidierung (1976 – 1989) eingeleitet. In dieser Phase war ein leichter, jedoch im Vergleich zur Konzentrationszeit wesentlich abgeschwächter Konzentrationstrend zu verzeichnen. Die 4. GWB-Novelle 22 (1980), die keine Modifikation der Pressefusionskontrolle umfasste, zeigte auf die Konzentrationsentwicklung keinen Einfluss. Zwar führte Anfang der 1980er-Jahre die Deregulierung der Rundfunkmärkte zu einer Verschärfung der Wettbewerbssituation für Tageszeitungen auf dem Anzeigenmarkt. Eine verstärkte Konzentration auf dem Pressemarkt ergab sich infolgedessen gleichwohl nicht. Vielmehr versuchten Presseunternehmen, einem möglichen Verlust von Anzeigeneinnahmen durch eine eigene Präsenz in den elektronischen Märkten entgegenzuwirken. Zeitungen konnten ihre Erlöse sogar trotz der Konkurrenz durch das Medium Fernsehen aufgrund eines insgesamt wachsenden Werbemarktes steigern 23, allerdings mussten sie Marktanteile an das Fernsehen abgeben.
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BGBl. I S. 1081. 1. GWB-Novelle 2. GWB-Novelle 3. GWB-Novelle 4. GWB-Novelle
(BGBl. I, S. 1963). von 1973 (BGBl. I, S. 917). von 1976 (BGBl. I, S. 1697). von 1980 (BGBl. I, S. 1761).
1. Abschn.: Entwicklungsphasen des deutschen Zeitungsmarkts
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Die Jahre 1989 – 2001 (Phase von Wachstum und Konzentration) zeigten aufgrund der einschneidenden politischen Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland durch die Wiedervereinigung (1990) keine klare und einheitliche Entwicklung. In der gesamtdeutschen Betrachtung des Pressemarktes seit 1990 finden sich sowohl Wachstums- als auch Pressekonzentrationstendenzen. In den „neuen Bundesländern“ wurde vor allem durch den Verkauf der neben der SEDParteizeitung 24 etablierten 15 Bezirkszeitungen an westdeutsche Medienunternehmen durch die Treuhandanstalt eine Konzentrationswelle ausgelöst. Neben diesen Zeitungen hatten andere lokale Zeitungsgründungen durch kleinere und mittlere Verlage nur geringe Chancen am Markt. Neugründungen wurden daher alsbald eingestellt, und schließlich konnten mehr als die Hälfte der 15 ehemaligen Bezirkszeitungen nicht nur eine Erst-, sondern vielmehr eine Alleinanbieterposition im ostdeutschen Markt einnehmen. 25 Die westliche Presse hingegen erlebte einen starken Boom. In der Zeit von 1989 bis 2001 stieg die Zahl der redaktionellen Ausgaben, der publizistischen Einheiten und auch der Verlage als Herausgeber. Damit war bis zu diesem Zeitpunkt weder ein relevanter Einfluss des Internets, das seit den 1990er-Jahren mit der Zeitung sowohl auf dem Anzeigenmarkt als auch im Bereich der Inhalte konkurrierte, noch eine Auswirkung der Ende der 1990er-Jahre auf den Zeitungsmarkt drängenden Gratiszeitungen, von denen zunächst eine grundlegende Umwälzung des Pressemarktes erwartet wurde, auf die Konzentrationsentwicklung der Presse zu erkennen. 26 Gleiches 23
Steinbach, Joachim, Werbemarkt 1983 – Der positive Trend hält an, Media Perspektiven (1984), S. 388 ff.; Tabelle 6 – Nettowerbeumsätze Medien gesamt und Tageszeitungen. 24 In der ehemaligen DDR waren sowohl die von der SED beherrschten als auch die übrigen Zeitungen der redaktionellen Weisung der Staatsführung unterworfen bzw. standen durch die SED-eigene Vereinigung der Druckereien ZENTRAG in einer besonderen Abhängigkeit zu dieser. Die Vorreiterrolle der SED-Parteizeitung war insbesondere dadurch gesichert, dass nahezu nur durch sie lokale Informationen weitergegeben wurden. 25 Datenerhebung nach Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2001, Media Perspektiven (2001), S. 602 ff.; Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven (2005), S. 205 ff.; Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven (2007), S. 560 ff.; Schütz, Walter, Pressekonzentration, in: Schiwy, Peter / Schütz, Walter / Dörr, Dieter, (Hrsg.), Medienrecht (2006), S. 378 ff. 26 Sowohl der erste Versuch („15 Uhr aktuell“) der Etablierung einer Verteilzeitung auf dem deutschen Zeitungsmarkt als auch weitere Versuch wurden scheiterten nach kurzer Marktpräsenz. In Köln erschienen 1999 „20 Minuten Köln“ und daraufhin „Köln extra“ und der „Kölner Morgen“, welche alle im Juli 2001 eingestellt wurden. Auch die Zeitung „City“, eine Vorausausgabe der Frankfurter Rundschau am Abend mit eigenständigem redaktionellem, jedoch identischem Anzeigenteil, wurde nach ca. 13 Monaten am Markt im Juli 2001 eingestellt. Auch die Versuche der überregionalen Zeitungen Anfang 2001, durch Produkterweiterungen (Die Frankfurter Allgemeine Zeitung startete einen bayerischen Regionalteil, die Süddeutsche Zeitung versuchte, eine Regionalbeilage für Nordrhein-Westphalen zu etablieren) die Wachstumschancen über ihren angestammten Markt hinaus zu verbessern, scheiterten.
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
gilt für die während dieser heterogenen Entwicklungsphase im Jahr 1990 in Kraft getretene 5. GWB-Novelle 27, die keine Änderungen der Pressefusionskontrolle des GWB enthielt. Als Zwischenbilanz lässt sich damit festhalten, dass seit den ersten Tagen der Zeitung die Entwicklung dieses Mediums in besonderem Maße von Entwicklungen in anderen technischen und gesellschaftlichen Bereichen beeinflusst war. Trotz massiver Veränderung der Rahmenbedingungen wurde sie jedoch in ihrer Existenz nie infrage gestellt. 28 Im Hinblick auf die Steuerung von Konzentrationsprozessen lässt sich konstatieren, dass die Anhebung der Aufgreifschwellen an die typischen Umsatzgrößen von Presseunternehmen – nach starken Konzentrationsprozessen – eine Konsolidierung des Marktes unterstützte.
§ 2 Die sogenannte Pressekrise zwischen den Jahren 2001 bis 2005 Eine allgemein wahrgenommene Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Zeitungen 29 gab – neben anderen Faktoren 30 – in etwa im Jahr 2001 den Anstoß zu einer Diskussion über die Lockerung der Pressefusionskontrolle. Der Sachverhalt dieser sogenannten Pressekrise soll daher mit einer Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (I.) sowie der Auswertung ausgewählter Marktzahlen (II.) 31 für die Zeit zwischen 2001 und 2005 nachgezeichnet und 27 5. GWB-Novelle vom 22. 12. 1989 (BGBl. I, S. 2486) mit Neubekanntmachung vom 20. 02. 1990 (BGBl. I, S. 235). 28 Dernbach, Beatrice, Haben die Printmedien noch eine Zukunft?, (1998), http://www .fachjournalisten.hs-bremen.de/dernbach.htm; http://www.mediasprut.ru/jour/beitraege/z uk-print.shtml. 29 Meyer-Lucht, Robin, Rollensuche im Medienkanon. Zur Krise der deutschen Tageszeitung, Frankfurter Hefte (2002), S. 545; Vgl. auch Röper, Horst, Zeitungsmarkt 2002: Wirtschaftliche Krise und steigende Konzentration, Media Perspektiven (2002), S. 478 ff.; Bauschke, Christian, Blick in den Abgrund, Die Welt (27. 06. 2002); Mallik, Stephan, Ist die Zeitung noch zu retten? Das Vielfaltsversprechen der Zeitung auf elektronischem Papier für Zeitungsmarkt und Zeitungsleser, (2004), S. 1 ff.; Müller, Uwe, „Es brennt in allen Blättern“, Die Welt (08. 11. 2002). 30 Es wird auf die Umsetzung der EG-Verordnung Nr. 1/2003 vom 16. Dezember 2002 und die geplanten Fusion des Tagesspiegels und der Berliner Zeitung verwiesen, vgl. oben: „Anlass“ der Arbeit. 31 Dies erfolgt ohne den Anspruch einer empirisch genauen Beschreibung, nicht zuletzt deshalb, weil im Rahmen der Pressekonzentrationsforschung das vielfach beklagte Problem besteht, belastbare Daten zu gewinnen. Hierzu: Knoche, Manfred, Die Messbarkeit publizistischer Vielfalt, in: Knoche, Manfred / Klaue, Siegfried / Zerdick, Axel (Hrsg.), (Hrsg.), Probleme der Pressekonzentrationsforschung – Materialien zur interdisziplinären Medienforschung (1980), S. 21 ff; Zohlnhöfer, Werner, Zur Ökonomie des Pressewesens in der Bundesrepublik Deutschland, in: Röper, Burkhardt, (Hrsg.), Wettbewerb
1. Abschn.: Entwicklungsphasen des deutschen Zeitungsmarkts
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als Referenzpunkt der weiteren Untersuchung definiert werden. 32 Soweit dies erforderlich ist, werden die entsprechenden Daten in den Kontext früherer oder nachfolgender Entwicklungen eingeordnet. Die gesamte Analyse stützt sich auf vorhandenes Datenmaterial verschiedener Quellen. 33 Wo Zeitspannen sich nicht mit dem vorhandenen Material belegen lassen, werden Intervalle einbezogen, für die entsprechende Daten vorliegen. I. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Die Entwicklung eines Wirtschaftszweiges ist im Kontext der vorgegebenen Branchenstruktur (1) und der gesamtgesellschaftlichen Strömungen (2) zu beim Medienbereich (1987), S. 45 ff.; Woldt, Runar, Probleme der Messung von Vielfalt, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik – Mehr Medien – mehr Inhalte? (1992), S. 186 ff. Das generelle Problem, belastbare Daten zu gewinnen, wird dadurch erschwert, dass im Jahr 1996 die Pressestatistik abgeschafft wurde. Seitdem feheln „offizielle“ Daten gänzlich. Vgl. zur Quellen-Kritik ausführlich und m.w. N.: Veer, Christian, Zur Zukunft der Zeitung, (2005), S. 17 ff. 32 Der Fokus dieser Analyse liegt auf dem Markt der Zeitungen, welcher sich aus Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen (im Abonnement und im Straßenverkauf) zusammensetzt. Soweit auffallende Unterschiede der Entwicklung dieser Zeitungsgattungen feststellbar sind, wird darauf hingewiesen. Da der Zeitungsmarkt auch durch die Entwicklung anderer Medien geprägt ist, werden an gegebener Stelle entsprechende Bezüge hergestellt. Ergänzend wird der (wirtschaftlich-gesellschaftliche) Kontext, in dem die Entwicklung der Zeitung stand, skizziert. 33 Die angeführten Daten sind Daten von privatwirtschaftlichen Unternehmen, Berufsverbänden oder wissenschaftlichen Untersuchungen. V. a. Jahrbücher des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Jahrbücher des Zentralverbands deutscher Werbewirtschaft (ZAW) und Branchenstudien der Zeitschrift „Media Perspektiven“, insbesondere von Klaus Ridder und Christa Maria Berg [z. B. Berg, Klaus / Ridder, Christa Maria, Massenkommunikation VI – Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964 – 2000, Schriftenreihe Media Perspektiven, Band 16, (2002)] und Walter Schütz. Schütz hat eine statistische Dokumentation 1954 mit der ersten deutschen Stichtagssammlung begonnen, die sich nun über mittlerweile 50 Jahre als brauchbar erwiesen hat, um den Zeitungsmarkt in Deutschland hinsichtlich seiner redaktionellen und verlegerischen Struktur darzustellen. Erstmals: Schütz, Walter, Die Zeitungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland, Publizistik (1966), S. 13 ff.; 443 ff.; auch: Schütz, Walter, Die redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse, Media Perspektiven (1978), S. 292 ff. Zur Methode der Stichtagssammlung: Dorsch-Jungsberger, Petra E., Die Stichtagssammlung von Walter J. Schütz: Bemerkungen zur Karriere eines Paradigmas und eines Wissenschaftlers, in: Schneider, Beate / Reumann, Kurt / Schiwy, Peter, (Hrsg.), Publizistik. Beiträge zur Medienentwicklung (1995), S. 69 ff.; Schütz, Walter J., Zeitungsstichtagssammlungen, in: Bohrmann, Hans / Willbert, Ubbens, (Hrsg.), Zeitungen verzeichnen und nutzen (1998), S. 153 ff.; Schütz, Walter J., Von der Katalogauszählung über die Fragebogenauswertung zur Stichtagssammlung, in: Schneider, Beate / Schütz, Walter J., (Hrsg.), Europäische Pressemärkte. Annäherungen an eine länderübergreifende Zeitungsstatistik (2004), S. 195 ff. Kritisch Pätzold, Ulrich / Röper, Horst, Neue Ansätze einer Pressekonzentrationsforschung, Media Perspektiven (1984), S. 98 ff.
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
trachten. Eine Darstellung dieser Rahmenbedingungen des Pressemarktes wird demzufolge der empirischen Analyse (II.) vorangestellt. 1. Branchenstruktur des Zeitungsmarktes a) Vielzahl lokaler und regionaler Märkte mit geringer Zeitungsdichte Ein zentrales Merkmal des deutschen Zeitungsmarktes ist dessen starke lokale und regionale Ausprägung. 34 Etwa 97% der Zeitungen sind solche mit lokaler und regionaler Verbreitung. In einer Mehrzahl der Regionen befinden sich Zeitungen in einer Alleinstellung. 35 Die durchschnittliche Zeitungsdichte pro Kreis, die im Jahr 1954 noch ca. 2,7 Zeitungen betrug, sank in den Jahren 1976 bis 1989 auf einen Wert von 1,7, fiel bis zum Jahr 2001 auf einen Wert von 1,6 und reduzierte sich schließlich im Jahr 2004 nochmals um 0,1 auf einen Wert von 1,5 Zeitungen pro Kreis, wo er sich auch im Jahr 2006 hielt. 36 Während damit der Prozentsatz der „Ein-Zeitungskreise“ im Jahr 1954 noch bei 15 % lag, stieg dieser Wert von 1976 bis 1989 auf knapp unter 50% an und überschritt im Jahr 1993 die 50- %-Schwelle. Im Jahr 2006 waren knapp 60 % der Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands „Ein-Zeitungskreise“. Demnach besteht seit 1976 in ca. der Hälfte der Kreise kein Wettbewerb mehr zwischen lokalen Zeitungen. Ähnliches gilt für Großstädte. Im Jahr 2001 waren 30 von 83 deutschen Großstädten „Ein-Zeitungskreise“, in 17 Städten erschienen zwei Abonnementzeitungen, die zur gleichen Verlagsgruppe gehörten, und in weiteren 26 Städten erschienen zwei Abonnementzeitungen verschiedener Verlage. 37 Bis zum Jahr 2004 stieg die Zahl der Ein-Zeitungskreise auf 35, in 34 Städten erschienen zwei und in zwölf Städten drei Abonnementzeitungen. 38 Der Berliner Presse34
Von 1584 redaktionellen Ausgaben und 136 Vollredaktionen von Tageszeitungen (2001) berichten nur ca. sieben Zeitungen überwiegend über Themen von überregionalem Interesse, dies sind „Bild“-Zeitung, „Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“, „taz“, „Frankfurter Rundschau“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Financial Times Deutschland“, „Handelsblatt“. 35 Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2001, Media Perspektiven (2001), S. 620. Dies gilt insbesondere für lokale Abonnentenzeitungen. 36 Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven (2005), S. 224; Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven (2007), S. 580; Vgl. Tabelle 1 – Zeitungsangebot in Großstädten und Tabelle 9 – Zeitungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland. 37 Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2001, Media Perspektiven (2001), S. 622. 38 In Wiesbaden erschienen vier Abonnementzeitungen, in Berlin sechs; Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven (2005), S. 226; Im Jahr 2006 blieben die Zahlen in den Großstädten in etwa gleich, vgl. zur Entwicklung zwischen 2001 und 2006 –Tabelle 1 – Abonnementzeitungsangebot in deutschen Großstädten.
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markt stellt insoweit eine Besonderheit dar. Mit sechs Abonnementzeitungen (2001 – 2006) weist er die größte Zeitungsdichte der Bundesrepublik auf. 39 b) Duale Bedarfsdeckung auf dem Leser- und dem Anzeigenmarkt Tageszeitungen finanzieren sich durch Einnahmen aus zwei Märkten – dem Lesermarkt, auf dem gegen Entgelt Informationen übermittelt werden, und dem Anzeigenmarkt, auf welchem gegen Entgelt Anzeigen veröffentlicht werden. Der Kreis der Leser (i.w. S.) ist aus ökonomischer Sicht, da die Zeitung durch den Konsum nicht verbraucht wird 40 und Zeitungen auch gezielt kostenlos abgegeben werden 41, in die Gruppe der Käufer und der Leser (i. e. S.) aufzuteilen. Während nur fast jeder zweite Zeitungskäufer unmittelbare ökonomische Relevanz durch die Entrichtung des Kaufpreises erlangt und die Gruppe der Käufer nach einer „Faustregel“ 42 nur zu ca. einem Drittel zum Umsatz der Zeitung beiträgt, ist die ökonomische Bedeutung des Lesers i. e. S. eine mittelbare, die vor allem auf dem Anzeigenmarkt relevant wird. Denn der Leserkontakt ist Maßstab für den Verkaufspreis von Anzeigen, mit denen Zeitungen nach der zitierten „Faustregel“ den überwiegenden Teil des Umsatzes erwirtschaften. 43 Diese Verknüpfung von Leser- und Anzeigenmarkt ist ein Spezifikum des Zeitungsmarktes. Sie begründet das besondere Interesse der Verlage an einer Steigerung von Auflage und Reichweite. Ein Anreiz, der sicherlich noch dadurch verstärkt wird, dass Zeitungsproduktionen durch Größenvorteile beein39 Bei den Verkaufsgebieten ist noch immer eine deutliche Ost-West-Teilung erkennbar. Die größte Abonnementzeitung ist die Berliner Zeitung, die vorrangig im Osten gelesen wird. Es folgen die Berliner Morgenpost und Der Tagesspiegel, die vorrangig im Westen gelesen werden. Die weiteren in Berlin erscheinenden Abonnementzeitungen sind Die Welt sowie die von großen Verlagen unabhängig erscheinenden Blätter die tageszeitung, Neues Deutschland und Junge Welt. Daneben erscheinen noch die nur über Einzelverkauf vertriebenen Boulevardzeitungen B.Z. und Bild Berlin, die vorwiegend im Westen gelesen werden, und der Berliner Kurier, welcher vorwiegend im Osten gelesen wird. 40 Es besteht keine Konsumerrivalität, d. h., die Nutzung des Produktes durch einen Konsumenten schließt nicht die Nutzung des Produktes durch einen weiteren Konsumenten aus; vgl. Kiefer, Marie-Louise, Konzentrationskontrolle – Bemessungskriterien auf dem Prüfstand, Media Perspektiven (1995), S. 59. 41 Z. B. als Bord- oder Werbeexemplare. 42 Vgl. Siegert, Gabriele, Strukturelle Veränderungen in der Medienlandschaft und ihre Auswirkungen auf die Zeitung, Anlage zur Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358 (2004), S. 96. 43 Das Verhältnis von Anzeigen- und Verkaufserlös hat sich seit ca. dem Jahr 2001 verschoben, die Anzeigenerlöse tragen in immer geringerem Umfang zu den Einkünften der Zeitung bei. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II., 1 – Drastische Verluste auf dem Anzeigenmarkt mit einer Verschiebung der Werbeinvestitionen zu Lasten der Zeitungen, vgl. auch Meyer-Lucht, Robin, Rollensuche im Medienkanon. Zur Krise der deutschen Tageszeitung, Frankfurter Hefte (2002), S. 545.
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
flusst sind, also nach Herstellung der Urkopie der Stückpreis für die Produktion mit jeder weiteren Kopie sinkt. Zugleich führt diese Verknüpfung zu einem relevanten Einfluss der Werbewirtschaft auf die Zeitungen. So kann z. B. der Käufer vom Einfluss der Werbeindustrie auf die Zeitung insoweit profitieren, als der Verkaufspreis durch die Werbefinanzierung in Relation zu den Kosten von Produktion und Vertreib reduziert ist und damit – ähnlich wie bei öffentlichen Gütern – quasi niemand von der Nutzung ausgeschlossen wird. 44 Mit diesen sogenannten Wohlfahrtsvorteilen gehen indes auch Nachteile einher. Beispielsweise können die Bedürfnisse der Werbewirtschaft Inhalte von Zeitungen beeinflussen, indem werbewirtschaftlich uninteressante Sujets auf dem Zeitungsmarkt unterrepräsentiert bleiben, der inhaltliche Auftrag der Zeitung in den Hintergrund gerückt bzw. die Nachfrageflexibilität hinsichtlich des Informationsangebots verringert wird. Ferner ist aufgrund des Einflusses der Werbewirtschaft das wirtschaftliche Schicksal der Zeitungen in erheblicher Weise mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Werbeindustrie und insoweit natürlich auch in besonderem Maße mit der Entwicklung der Konjunktur verknüpft. 45 c) Hohe Marktzutrittsbarrieren mit konzentrationsfördernder Wirkung Aus der privatwirtschaftlichen Struktur der Presse folgt ihre wettbewerbliche Organisation und ihre mit anderen Wirtschaftsteilnehmern durchaus vergleichbare Teilnahme an der allgemeinen Wirtschaftsordnung und am ökonomischen Wettbewerb. 46 Der Zeitungsmarkt ist allerdings, z. B. in Abgrenzung zum Zeitschriftenmarkt, besonders wettbewerbsschwach, d. h., der Zugang für neue Wettbewerber ist schwer, wenn nicht gar ausgeschlossen. So sind beispielsweise Zeitungsneugründungen selten auf Dauer erfolgreich, und auch den auf dem Markt etablierten, jedoch nachrangigen Titeln gelingt es nur selten, dem größeren Konkurrenten die Marktführerschaft streitig zu machen. 47 Ein zentraler Grund für diese Wettbewerbsschwäche des Zeitungsmarktes sind sogenannte strategische Marktzutrittsbarrieren. 48 Derartige Barrieren be-
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Sjurts, Insa, Strategien in der Medienbranche, (2002), S. 9. Vgl. unten, Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I., 1, e – Konjunkturabhängigkeit. 46 Mestmäcker, Ernst-Joachim, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, (1978), S. 107 ff. 47 Röper, Horst, Bewegung im Zeitungsmarkt, Media Perspektiven (2004), S. 281. 48 Als Marktzutrittsbarrieren gelten Produktionskosten, die Unternehmen für den Markteintritt aufbringen müssen und die von den bereits im Markt befindlichen Unternehmen nicht mehr aufzubringen sind, vgl. Stigler, George, Barriers to Entry, Economies of Scale and Firm Size, in: Stigler, George, (Hrsg.), The Organization of Industry (1968), S. 67. 45
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stehen u. a. aufgrund der geringen Nachfrageflexibilität bei Zeitungslesern 49 oder aufgrund einer alleinigen Verfügungsmacht über bestimmte Ressourcen, wie z. B. den Vertrieb 50 einer Zeitung. 51 Eine besonders spürbare Marktbarriere für nachrangige Zeitungen wird durch die bereits erwähnte Finanzierungsstruktur der Zeitungen begründet. Wird nämlich nur ein Drittel der Erlöse aus dem Vertrieb und werden zwei Drittel aus Anzeigen generiert, besteht eine Abhängigkeit vom Anzeigenmarkt, die für nachrangige Zeitungen einen Teufelskreis darstellt, der auch als Anzeigen-Auflagen-Spirale bezeichnet wird. Denn je geringer die Auflage und damit auch die Reichweite einer Zeitung ist, umso geringer ist das Interesse der Anzeigenkunden bzw. sind die Erlöse aus Anzeigen und damit die Einkünfte des Verlages. Mit weniger Erlösen können wiederum weniger Investitionen getätigt werden, was sich in der Konsequenz in sinkenden Auflagen und geringerer Reichweite und damit geringerer Attraktivität für Anzeigenkunden niederschlägt. Die Abwärtsspirale lässt sich in dieser Form weiter fortsetzen. Folge dieser Marktbedingung ist z. B., dass der Gegenwert des Kaufs eines Verlages in der Regel nicht im Zugewinn der Zeitung, sondern vielmehr im Zugewinn der Marktanteile besteht. Kleinere Betriebe können die Spirale lediglich dann durchbrechen, wenn sie es schaffen, neben den Anzeigengeldern Mittel zu erwirtschaften, die sie in ihre Redaktionen fließen lassen können. 52 Die Vorrangstellung der großen Verlage und das Streben nach Marktmacht im Zeitungsmarkt liegen daneben auch in einer besonderen Kostenstruktur von Zeitungen begründet. Da bei Zeitungen besonders hohe Kosten für die sogenannte Urkopie (sogenannte First-Copy-Costs), jedoch niedrige Grenzkosten für die Vervielfältigung anfallen, sinken mit wachsender verkaufter Auflage die Kosten pro produzierter Einheit („economies of scale“) 53, was vor allem großen Verlagen eine besonders günstige Produktion ermöglicht. 54
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Die im Pressemarkt vorzufindenden Tageszeitungen differieren zumeist nicht nur in ihrem Preis, sondern auch in den Inhalten, insbesondere in den politischen Grundtendenzen. Jedes Produkt hat damit typischerweise seine Marktnische bzw. eine spezifische Leser-Blatt-Bindung, was den Verlegern erlaubt, ihre Entscheidungen nicht allein an Effizienzkriterien auszurichten. Vgl. hierzu Wiring, Roland, Pressefusionskontrolle im Rechtsvergleich, (2008), S. 157. 50 Vgl. insoweit z. B. EuGH, Urteil vom 26. 11. 1998 – C-7/97, Slg. 1998, I-7791; EuGH ZUM-RD 1999, S. 105. 51 Größere Presseverlage haben z. B. die Möglichkeit bestehende Kapazitäten besser auszulasten bzw. Arbeitsabläufe zu optimieren, so dass im Ergebnis die Stückkosten der Produktion mit steigernder Betriebsgröße sinken, sog. „Größenvorteile“ bzw. „economies of scale“. Vgl. Schmidt, Ingo, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, (2005), S. 86 ff. 52 Sjurts, Insa, Strategien in der Medienbranche, (2002), S. 10. 53 Greiffenberg, Horst / Zohlnhöfer, Werner, Pressewesen, in: Oberender, Peter, (Hrsg.), Marktstruktur und Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland: Branchenstudien zur dt. Volkswirtschaft (1984), S. 586.
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Ein vergleichbarer Effekt ergibt sich aufgrund von Kostensynergieeffekten bei der Produktion von Zeitungen. Solche Vorteile entstehen, wenn die Kosten für die gleichzeitige Produktion verschiedener Güter in einem Unternehmen günstiger sind als die arbeitsteilige Erstellung eines Gutes (sogenannter Verbundvorteil bzw. „economies of scope“). 55 Sie kommen insbesondere großen Medienkonzernen, die verschiedene Medien in einem Haus vertreiben, oder großen Pressekonzernen, die unterschiedliche Presseobjekte mit unterschiedlichen Erscheinungsterminen herausgeben, zugute. Denn diese Unternehmen haben die Möglichkeit, Druckkapazitäten kontinuierlich auszulasten 56, Vertriebsvorteile zu nutzen und Preisdifferenzierungen bei Anzeigen- und Vertriebspreisen oder Kombinationspreisen vorzunehmen. 57 Darüber hinaus können große Verlagshäuser, die mehrere Produkte anbieten, interne Verlustsubventionierungen vornehmen und auf diese Weise Verlust- bzw. Gewinnschwankungen von Produkten ausgleichen. 58 Dies führt zu einer ungleich stärkeren Risikominimierung im Vergleich zu kleineren Unternehmen, d. h. wiederum zu Vorteilen für das große Presseunternehmen. Neben der Schwierigkeit des Markteintritts bzw. der Ablösung vorrangiger Zeitungen haben die Marktbarrieren des Zeitungsmarktes weitere negative Effekte. Sie führen zum einen dazu, dass der vermeintliche Monopolist oder Marktführer nur schwer zu einer marktangepassten effizienten Produktion veranlasst wird. Ferner wirken die Barrieren konzentrationsfördernd, mit der weiteren und für den Pressemarkt typischen Konsequenz, dass jeder Marktaustritt bzw. jede Verschlechterung des Wettbewerbs weitgehend irreversibel ist und sich Konzentrationsprozesse typischerweise verfestigen. 59 d) Publizistische Sensibilität des Pressemarktes – Wettbewerb auf zwei Märkten Das Streben nach Marktmacht von Presseunternehmen gründet sich nicht nur auf ökonomischen Faktoren. Verlage sind vielmehr auch bestrebt, durch Inhalte eine breitere Leserschaft zu erlangen. Denn die Presse ist auch in einem publizistischen Markt aktiv, in dem sie nicht nur um Marktanteile, sondern auch um die Akzeptanz der von ihr verbreiteten Inhalte konkurriert und insoweit einem 54 Vorteil der Fixkostendegression. Vgl. hierzu: Mundhenke, Reinhard, Der Verlagskaufmann: Berufsfachkunde für Kaufleute in Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlagen, (1998), S. 18. 55 Vgl. Schmidt, Ingo, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, (2005), S. 104. 56 Spieler, Ekkehard, Fusionskontrolle im Medienbereich, (1988), S. 38. 57 Ulmer, Peter, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, (1977), S. 27 ff. 58 Spieler, Ekkehard, Fusionskontrolle im Medienbereich, (1988), S. 39. 59 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 397.
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geistig-publizistischen Wettbewerb ausgesetzt ist. Der Kampf um die inhaltliche Vorreiterstellung am Markt wird gemeinhin als „publizistischer Wettbewerb“ 60 bezeichnet. Das Streben nach kompatiblen und qualitätssteigernden Inhalten kann, ebenso wie rein ökonomisch motivierte Marktbestrebungen, sowohl Einfluss auf den ökonomischen Wettbewerb als auch auf den Markt der Inhalte und das Ausmaß an publizistischer „Vielfalt“ haben. Der Zeitungsmarkt offenbart damit eine besondere publizistische Sensibilität. Auf die publizistische Vielfalt als Element des Pressewettbewerbs und auf das Verhältnis von publizistischem und ökonomischem Wettbewerb wird an anderer Stelle 61 ausführlich eingegangen. e) Konjunkturabhängigkeit Zeitungsunternehmen reagieren besonders sensibel auf Veränderungen der Konjunktur. 62 Die Zeitung ist wegen ihres Engagements auf zwei Märkten doppelt konjunkturabhängig, was sich aufgrund der sogenannten Anzeigen-Auflagen-Spirale noch wechselseitig verstärkt. Wenn beispielsweise Werbekunden in konjunkturschwachen Zeiten ihre Werbeaktivität einschränken, folgen hieraus sinkende Werbe- und Rubrikenanzeigeneinnahmen. Daraus resultiert wiederum eine verringerte Investitionsmasse, ggf. eine abnehmende journalistischer Qualität und eine absinkende Rezipientennachfrage. 63 Schließlich führt auch die konjunkturbedingt sinkende Nachfrage zu einer verminderten Zahlungsbereitschaft der Käufer und in der Folge zu einem Auflagenrückgang, der wiederum, bedingt durch die Anzeigen-Auflagen-Spirale, in einer Abnahme des Anzeigenverkaufs und sinkenden Erlösen resultiert. Ein Bruttoinlandsprodukt, welches um 1% sinkt, kann damit eine Reduktion der Werbeeinahmen der Zeitungen von über 5% bedingen. 64 Der Rückkopplung des wirtschaftlichen Erfolges von Zeitungen an die Entwicklung von Werbeindustrie und Konjunktur sind gleichwohl auch positive Auswirkungen zuzuschreiben. So lässt sich die komfortable wirtschaftliche Situation der deutschen Zeitungen bis zum Jahr 2000 auch durch ein erhebliches Wachstum der Werbemärkte erklären. Gleiches muss allerdings – mit umge60 Z. B.: Heinrich, Jürgen, Ökonomische und publizistische Konzentration im deutschen Fernsehsektor, Media Perspektiven (1992), S. 338 ff. 61 Teil 1, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II. – Vielfaltssicherung als spezifischer Aspekt der Wettbewerbssicherung im Zeitungsmarkt. 62 Picard, Robert, The Economics and Financing of Media Companies, (2002), S. 81 ff. 63 Sjurts, Insa, Strategien in der Medienbranche, (2002), S. 10 ff. 64 Picard, Robert, The Economics and Financing of Media Companies, (2002), S. 85.
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kehrtem Effekt – für die wirtschaftliche Entwicklung der Zeitung in der Zeit zwischen 2001 und 2006 gelten. f) Zwischenergebnis Die Branchenstruktur des Zeitungsmarktes ist geprägt von diversen Marktunvollkommenheiten, die Verleger bei der Erfüllung ihrer ökonomischen und gesellschaftlichen Aufgaben vor besondere Herausforderungen stellen. So existieren verschiedene lokale, regionale und überregionale Märkte, die vor allem im lokalen und regionalen Bereich monopolistische Strukturen aufweisen, welche zumeist als verfestigt gelten. Wettbewerbsbeschränkend wirkt zudem die Abhängigkeit der Zeitung von Anzeigenerlösen bzw. den Zwängen der sogenannten Anzeigen-Auflagen-Spirale, die auf der wirtschaftlich herausgehobenen Bedeutung des Anzeigenmarktes im Vergleich zum Lesermarkt beruht. Neben der sogenannten Anzeigen-Auflagen-Spirale führen vor allem eine geringe Nachfrageflexibilität des Zeitungsmarktes, Größenvorteile bei der Produktion und verfestigte Vertriebsstrukturen zu hohen Marktzutrittsbarrieren und verringern Optimierungsanreize für den Marktführer sowie den Marktneueintritt oder die Verdrängung des Marktführers durch nachfolgende Zeitungen. Dem Engagement auf zwei Märkten – dem Anzeigenmarkt und dem Markt der Inhalte – folgend, bestehen ferner nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine publizistische Konkurrenz und Sensibilität des Marktes sowie eine doppelte Konjunkturabhängigkeit, die insbesondere bei den Anzeigen-, jedoch auch bei den Verkaufserlösen spürbar werden.
2. Gesellschaftlich-wirtschaftlicher Kontext der Entwicklung des Zeitungsmarktes in der Zeit der „Pressekrise“ Der Zeitungsmarkt entwickelt sich im Kontext verschiedener gesamtgesellschaftliche Strömungen, die auf diesen einwirken. Die relevantesten werden im Folgenden skizziert. Hervorzuheben sind neben konjunkturellen Zyklen (a) der technologische Fortschritt (b) sowie soziologische (c) und demografische Veränderungen (d). a) Bruttoinlandsprodukt – Stagnation zwischen 2000 und 2003 Dem Engagement der Zeitung auf dem Anzeigen- und dem Rezipientenmarkt entsprechend, zeigt sich die wirtschaftliche Entwicklung der Zeitung, wie erwähnt, besonders sensibel für Einflüsse der Konjunktur. Ein Blick auf die konjunkturelle Entwicklung erscheint daher geboten. Während im Jahr 1999 noch
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ein Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) 65 von ca. 3 % verzeichnet werden konnte, wuchs die deutsche Wirtschaft seit Mitte 2000 nahezu nicht mehr. Zwischen 2000 und 2003 stagnierte das Wachstum. Erst im Jahr 2004 zog die Konjunktur wieder leicht an, das Wachstum des BIP betrug damals etwa 1,6 %, im darauffolgenden Jahr (2005) lag es wiederum nur bei ca. 0,9 %, um schließlich im Jahr 2006 um 2,9% anzusteigen. 66 b) Technologischer Fortschritt – Konkurrent Internet und Medienkonvergenz Der technologische Fortschritt, insbesondere die Digitalisierung, hat auf die Entwicklung des Medienmarktes massiv eingewirkt. Mit der kontinuierlichen Steigerung der Speicherkapazität, der verbesserten Übertragung von Daten durch Glasfaserkabel und Datenkompression sowie der Möglichkeit, Sprache und Bilder digital zu übermitteln, gingen Produktinnovationen einher, die zum einen neue Marktteilnehmer wie das Internet 67 hervorgebracht und zum anderen zur Verschmelzung bzw. Konvergenz von Medieninhalten und Endgeräten geführt haben. 68 Da die Digitalisierung der Information Gerät und Information entkoppelt, ermöglicht sie zum einen die Übermittlung einer Nachricht nicht nur als geschriebene Information über die Tageszeitung, sondern auch über das Handy, den Laptop, den Blueberry oder das E-Paper und führt damit zu einer Konvergenz der Inhalte. 69 Die Verschmelzung bzw. Konvergenz der Endgeräte bricht hingegen den klassischen Vertriebsweg auf. Werden Informationen über digi65 Hier soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP), Maß für die wirtschaftliche Tätigkeit in einer Volkswirtschaft, als Indikator herangezogen werden. Es ist definiert als Wert aller neu geschaffenen Waren und Dienstleistungen, abzüglich des Wertes aller dabei als Vorleistungen verbrauchten Güter und Dienstleistungen. 66 Zahlen nach dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: [1999, +2,0%] [2000, + 3,2 %] [2001, +1,2 %] [2002, + 0,1 %;] [2003, -0,2 %][2004, + 1,6%] [2005, + 0,9%]; http://www.diw.de/konjunkturbarometer; vgl. zu den Daten des Statistischen Bundesamtes: Tabelle 3 – Investitionen in Werbung. 67 Ausführlich zur Konkurrenz von Zeitung und Internet: Glotz, Peter / Meyer-Lucht, Robin, Online gegen Print, (2004); Meyer-Lucht, Robin, Rollensuche im Medienkanon. Zur Krise der deutschen Tageszeitung, Frankfurter Hefte (2002), S. 548 f. 68 Als Konvergenz wird 1997 im sog. „Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen – Ein Schritt in Richtung Informationsgesellschaft“, die Fähigkeit verschiedener Netzplattformen, ähnliche Arten von Diensten zu übermitteln oder [...] die Verschmelzung von Endgeräten wie Telefon, Fernseher und PC, beschrieben. Auswirkungen zeigt die sog. „Konvergenz“ laut Grünbuch typischerweise im Bereich von Technologie, Industrie, Märkten und Dienstleistungen. Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, (1997), KOM (97) 623 endg.
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talisierte Kommunikationsnetze übermittelt, können nicht nur Hör-, Film- und Fernsehprogramme, sondern auch textbasierte Inhalte auf ein Endgerät, z. B. das Handy, übertragen werden. Als logische Konsequenz dieser Entwicklungen wird ein vermehrtes Zusammenwachsen der anbietenden Unternehmen und der betroffenen Märkte, mithin eine Konvergenz der Märkte, erwartet. Diese und andere technologische Entwicklungen haben und werden die Zeitung vor immer neue Herausforderung stellen. 70 Neben dem daraus resultierenden erhöhten Wettbewerbsdruck durch marktfremde Konkurrenten enthalten sie zugleich wirtschaftliche Chancen, die es zu nutzen gilt. c) Individualisierungstendenzen Die Pluralisierung von Lebensstilen bzw. die sogenannte Individualisierung 71 ist ein die heutige Gesellschaft prägendes Phänomen. Ökonomische Folge dieser soziologischen Veränderung ist eine Zersplitterung des Marktes in immer kleinere Zielgruppen und damit die Verdrängung der Massenmärkte durch Nischenmärkte bzw. persönliche Märkte. 72 Die Tageszeitung als Universalmedium sieht sich aufgrund dieser Entwicklungen einem erhöhten Risiko der Substitution durch stärker individualisierbare Medien, wie z. B. das Internet, ausgesetzt. 73 Es steht insoweit nicht nur zu erwarten, dass Universal- bzw. Massenprodukte weniger Ansprache beim Rezipienten finden als individualisierte bzw. individualisierbare Produkte. 74 Auch für den Werbekunden erlangen spezialisierte bzw. spezialisierbare Werbeträger wachsende Bedeutung, da diese mit geringeren 69 Hasebrinck, Uwe, Konvergenz aus Nutzerperspektive: Das Konzept der Kommunikationmodi, in: Hasebrinck, Uwe / Mikos, Lothar / Prommer, Elisabeth, (Hrsg.), Mediennutzung in konvergierenden Medienumgebungen (2004), S. 68. 70 Koch, Ulrich, Medienkonzentrationsrecht in Deutschland – sind wir auf dem richtigen Weg?, AfP (2007), S. 307: „Technische Umwälzungen und das sich verändernde Verbraucherverhalten lösen in den Medienmärkten naturgemäß Veränderungen bei erzielbarer Reichweite und Umsatzerlösen aus, auf die privatwirtschaftliche Unternehmen reagieren müssen, wenn sie nicht ihre geschäftliche Basis verlieren wollten.“ 71 Gerhards, Maria / Klingler, Walter, Mediennutzung in der Zukunft – Konstanz und Wandel, Media Perspektiven (2004), S. 472, 479; Junge, Matthias, Individualisierung, (2002), S. 21 ff.; Jarren, Ottfried, Unter Riesen auf brüchigem Boden. Zeitungskrise als Krise der gesellschaftlichen Intermediäre, Neue Zürcher Zeitung (17. 09. 2004). 72 Meffert, Heribert, Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, (2008), S. 918 f. 73 Wilkinson, Earl, Die zehn wichtigsten Trends in der Zeitungsbranche, in: BDZV, (Hrsg.), Zeitungen 2004 (2004), S. 236. 74 Schließlich wirkt die zunehmende Individualisierung auch insoweit auf die Leserschaft der Zeitung ein, als Single-Haushalte wachsen, welche auch als „abonnementresistenter“ als Mehrpersonenhaushalte gelten, Vgl. Meyer-Lucht, Robin, Sinkende Auflagen, Einbrüche im Anzeigengeschäft, Konkurrent Internet – Die Krise auf dem deutschen
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Streuverlusten die individuellen Interessen des Kunden anzusprechen vermögen. So erklärt sich ebenfalls eine zunehmende Marktpräsenz der Direktwerbung, die z. B. aufgrund genauer Kundendateien gezielt erfolgen kann, sowie der extramedialen Werbung, beispielweise mobilen Verkaufsteams oder Events. 75 d) Demografische Veränderungen Durch die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung sieht sich die Zeitung vor eine weitere Herausforderung gestellt. 76 Während nämlich auf der einen Seite der medizinisch-technische Fortschritt zu einer signifikanten Verlängerung der Lebenserwartung geführt hat, ist seit den 1970er-Jahren jede Kindergeneration um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. 77 Zwar schrumpft damit noch nicht notwendigerweise der Rezipientenmarkt insgesamt, denn sinkende Geburtenraten können durch Migration und die Verlängerung der Lebenserwartung ausgeglichen werden, doch verkleinert sich die Kernzielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Zugleich rückt die wachsende Gruppe der sogenannten Älteren (d. h. der 60- bis 80-Jährigen) aufgrund ihrer Kaufkraft, ihrer gesteigerten Mobilität, Technikaffinität und Konsumorientierung als Zielgruppe immer mehr in den Fokus der Werbeindustrie, was wiederum ausgleichende Effekte für den Anzeigenmarkt der Zeitungen haben kann. 78 Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass aufgrund des Bevölkerungsrückgangs Verlagen in etwa 30 bis 40 Jahren 15 Millionen Leser weniger als Marktpotenzial zur Verfügung stehen sollen. 79 Eine Entwicklung, von der zukünftig nicht nur der Rezipientenmarkt, sondern aufgrund der Anzeigen-Auflagen-Spirale auch der Werbemarkt und wegen des hohen Fixkostenanteils bei der Zeitungsproduktion auch die Kostenstruktur der Zeitungen betroffen sein können. Zeitungsmarkt, in: Analysen der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Informationsgesellschaft, Nr. 9/2003, (2003), S. 4. 75 Z. B. Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Werbung in Deutschland 2005, (2005), S. 18. 76 Burmeister, Claus / Daheim, Cornelia, Demographische Entwicklung – Konsequenzen für Medien und Werbung, Media Perspektiven (2004), S. 76. 77 Ausführlich: Birg, Herwig, Die demographische Zeitenwende – Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa, (2003). 78 Die Veränderung der Bevölkerungsanteile wird auch Bedeutung für die altersdefinierten Zielgruppen der Medien, Werbung und Marketing haben. Die Gruppe der Jüngeren wird zurückgedrängt, die Gruppe der Älteren gewinnt an Relevanz, was einen Wettbewerbsvorteil der Zeitung gegenüber anderen Medien darstellen kann. vgl. Gruner & Jahr – Fachbereich Analysen, Branchenbild Senioren, (2004). 79 Frey, Lutz / Klein, Herbert / Koch, Alexander, Zeitungsverlage im Umbruch: Stimmungen und Perspektiven, Ernst & Young AG Wirtschafsprüfungsgesellschaft, (2004), S. 22.
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e) Zwischenergebnis Der Zeitungsmarkt ist zahlreichen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Einflüssen ausgesetzt. Von großer Relevanz sind neben der individualisierungsbedingten Zersplitterung der Märkte und der daraus resultierenden zunehmenden Bedeutung individualisierbarer Medien die demografische Verkleinerung der Kernzielgruppe und der technologische Fortschritt, welcher zunehmend neue Konkurrenten am Medienmarkt etabliert. In besonderer Weise wird die Presse auch durch deren Abhängigkeit vom konjunkturellen Zyklus beeinflusst, der in der Zeit zwischen 2001 und 2005 eine schwache Entwicklung zeigte. II. Skizze der Entwicklung des Zeitungsmarktes in den Jahren 2001 und 2005 In der Zeit der sogenannten Pressekrise zwischen 2001 und 2005 wurden von den Verlegern vor allem rückläufige Entwicklungen auf dem Anzeigen- und Werbemarkt beklagt. Welche Veränderungen der Markt zeigte, soll unter Ziff. 1 näher beleuchtet werden. Um ein umfassenderes Bild von den Marktentwicklungen der Zeitungen zu erlangen, werden daran anknüpfend die Entwicklung des Lesermarktes (Ziff. 2) sowie die Konzentrationsprozesse des Zeitungsmarktes (Ziff. 3) untersucht. 1. Drastische Verluste auf dem Anzeigenmarkt mit einer Verschiebung der Werbeinvestitionen zulasten der Zeitung Der Werbemarkt, auf dem Zeitungen konkurrieren, ist medienübergreifend. Zeitungen stehen sowohl untereinander (intramediär), mit anderen Massenmedien (intermediär) als auch mit anderen Werbeformen, wie z. B. dem Direktmarketing, in Konkurrenz. Im Vergleich zu dem aus verschiedenen Werbeträgern bestehenden Gesamtwerbemarkt (a) verzeichnete während der sogenannten Werbekrise die Zeitung (b) auffallend hohe Investitionsverluste. Auch in einem langfristigen Vergleich zum Gesamtmarkt entwickelte sich die Zeitung unterdurchschnittlich. a) Entwicklung des Gesamtwerbemarktes 80 Zwischen den Jahren 1971 und 2000 konnte der Gesamtwerbemarkt mit Wachstumsraten zwischen 3% und 15% eine lange und im Vergleich zum Brut80
Vgl. zu den Daten: Tabelle 2 – Marktanteile verschiedener Mediengattungen an den Nettowerbeeinnahmen; Tabelle 3 – Investitionen in Werbung und Bruttoinlandsprodukt.
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toinlandsprodukt überdurchschnittliche Wachstumsphase 81 verzeichnen, an welcher der Medienmarkt, der schneller als der Gesamtwerbemarkt wuchs, einen bedeutenden Anteil hatte. 82 Im letzten Jahr dieser Phase, im Jahr 2000, erreichte der Werbemarkt seine bisherige Rekordgröße von 33,21 Mrd. Euro Investitionen in Werbung („Werbeboom“), getragen u. a. von Sonderentwicklungen wie Unternehmensfusionen bzw. die Übernahmekämpfe von Mannesmann und Vodafone, die New-Economy-Euphorie und die Deregulierung auf Energie- und Telekommunikationsmärkten. Mit dem Jahr 2001 kehrte sich diese Entwicklung allerdings um. Die Werbeinvestitionen sanken mit -5,18% in etwa um den Wachstumswert des Vorjahres (+5,66 %). Im darauffolgenden Jahr (2002) fielen die Investitionen in Werbung nochmals um ca. 5 %. 83 2003 schließlich deutete sich mit einer Verminderung des Negativwachstums (-2,6%) eine Wende zum Aufschwung an, die sich im Jahr 2004 bestätigte. 84 In diesem und in den nachfolgenden Jahren konnte mit einem Wachstum von ca. 1% (2004 und 2005) und ca. 2 % (2006) die Phase rückläufiger Investitionen in Werbung (von 2001 bis 2003) beendet werden, ohne dass allerdings das absolute Niveau von 2000 wieder erreicht worden wäre. 2006 lag das Investitionsniveau mit etwas über 30 Mrd. Euro leicht unter dem Niveau von 1998. b) Entwicklung der Erlöse aus Werbungen bei Zeitungen Aus der Gruppe der Werbeträger war die Zeitung das Medium, das von der Werbekrise in besonderem Maße betroffen war. 85 Neben Fachzeitschriften und Hörfunk verzeichnete sie die vergleichsweise höchsten Investitionsverluste. So musste die Zeitung in der Zeit der allgemeinen Werbekrise, in der die Werbeeinnahmen insgesamt um ca. 5% sanken, Einbußen im zweistelligen Prozentbereich verkraften. Im Jahr 2001 verlor sie ca. 13,9%, im darauffolgenden Jahr (2002) 12,5 % und 2003 schließlich 9,8%. Auch vom Aufschwung des Gesamtwerbe81 In den Jahren 1968 und 1974 gab es – infolge von volkswirtschaftlichen Problemen bzw. des Ölpreisschocks – ein Null-Wachstum. Allein im Jahr 1970 war ein Rückgang der Werbeinvestitionen zu verzeichnen. 82 Bei den hier angegebenen Werbeeinnahmen der Medien handelt es sich um NettoWerbeeinnahmen; nach Abzug so genannter Mengen- und Malrabatte sowie Mittlerprovisionen, vor Skonti und ohne Berücksichtigung von Produktionskosten, vgl. Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Werbung in Deutschland 2004 (2004), S. 15. Meyer-Lucht, Robin, Rollensuche im Medienkanon. Zur Krise der deutschen Tageszeitung, Frankfurter Hefte (2002), S. 547. 83 Auch der Anteil am BIP reduzierte sich. 84 „Die Rezession im deutschen Werbemarkt ist weitgehend beendet“, Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Werbung in Deutschland 2005, (2005), S. 9. 85 Tabelle 4 – Entwicklung der Nettowerbeeinnahmen bei den klassischen Medien.
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marktes seit dem Jahr 2004 konnte die Zeitung nicht vollumfänglich profitieren. Während im Jahr 2004 ein Anstieg der Werbeinvestitionen im Zeitungsmarkt von 1 % zu verzeichnen war, sanken die Investitionen im Jahr 2005 entgegen der Entwicklung im Gesamtmarkt um 1,9%. 86 Mit den Einbußen im Anzeigenmarkt ging im Übrigen auch eine Veränderung der Finanzierungsstrukturen der Zeitung einher. Während bis zum Jahr 2000 die Ein-Drittel- / Zweit-Drittel-Faustregel 87 noch Gültigkeit besaß 88, verschob sich mit der Werbekrise dieser Wert im Jahr 2005 auf eine Verteilung von 53% (Anzeigenerlöse) zu 47 % (Vertriebserlöse). 89 Gleichwohl musste die Zeitung trotz der im Vergleich zum Gesamtwerbemarkt schwächeren Investitionsentwicklung noch nicht ihre Vorrangstellung im Hinblick auf den absoluten Marktanteil der Medien am „Werbekuchen“ einbüßen. Die Zeitung führte die Liste der Werbeträger noch mit einem Anteil von 23% vor dem Fernsehen mit 20% und dem Direktmarketing mit 17 % (2004) an, wobei sich allerdings der Marktanteilsvorsprung der Tageszeitung seit 1976 nahezu konstant verringert hat. 90 Zwar konnte die Presse bis zum Jahr 2001 ihren schrumpfenden Marktanteil noch mithilfe des allgemeinen Werbemarktwachstums zu einer wachsenden Werbeerlösentwicklung ausgleichen. 91 Doch profitierte die Presse auch in der Hochphase von dem wachsenden Werbemarkt nur unterdurchschnittlich und verlor relative Marktanteile. 92 Der Rückgang der Marktanteile kumulierte schließlich im Jahr 2001 mit einem Rückgang der Ge86
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Werbung in Deutschland 2006, (2006), S. 13 ff. 87 Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I., 1, b – Duale Bedarfsdeckung auf dem Leserund dem Anzeigenmarkt. 88 Seifert, H., Die mageren Jahre Deutschlands überregionale Blätter auf hartem Sparkurs, NZZ (31. 01. 2003). 89 Tabelle 5 – Erlösstruktur, vgl. auch Media Perspektiven, Basisdaten 2007, S. 47; Media Perspektiven, Basisdaten 2004, S. 43. 90 Sie ist von knapp von 37,1 % im Jahr 1985 über 28,0% (2000) auf 23% im Jahr 2004 zurückgegangen. Der Anteil des Fernsehens stieg im gleichen Zeitraum von 11,5% auf 20 %. Der Anteil des Radios blieb nahezu konstant mit einem leichten Abwärtstrend bei ca. 3 %. Auffallend ist hier die Konkurrenz am Werbemarkt durch die Direktwerbung, die in diesem Zeitraum von 17 % gestiegen ist. Das Internet spielt im Werbemarkt erst seit ca. 2001 eine feststellbare, wenn auch sehr geringe Rolle. Sein Anteil am Gesamtwerbemarkt beträgt 1%. 91 Seit 1990 pendeln die Werbeerlöse der Tageszeitungen um einen Wert von ca. 5,34 Mrd. Euro (zwischen 4,12 Mrd. Euro im Jahr 1990 als niedrigster Wert und 6,56 Mrd. Euro im Jahr 2000 als Höchstwert). Tabelle 6 – Nettowerbeumsätze Medien gesamt und Tageszeitungen. 92 Zeitungen sind am gesamten Jahresverlust von 2001 (-857,62 Mio. Euro) mit fast 60% beteiligt (-481,80 Mio. Euro). Der Werbeanteil liegt bei ca. 23%. Rechnete man die Tageszeitungen aus der Bilanz sämtlicher erfassbarer Werbeerlöse heraus, läge das Gesamtergebnis im Jahresvergleich bei rund – 2,4 %. Das Schrumpfen des Gesamtwerbemarktes seit dem „Normaljahr“ 1998 ist zu circa 94 % auf einen Rückgang bei den Zeitungen zurückzuführen. Vgl. hierzu Siegert, Gabriele, Strukturelle Veränderungen in der Me-
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samtwerbeinvestitionen, was schließlich zu einem absoluten Erlösrückgang bei der Presse führte. Zeitungen stehen damit in einer um den „Werbeboom“ bereinigten langfristigen Marktentwicklung deutlich schlechter als andere Medien. Ihr Anteil am „Gesamtwerbekuchen“ ist im Vergleich zum Gesamtwerbemarkt langsamer gewachsen und musste überdies seit 2001 stärkere Verluste verzeichnen. 93 Zudem beruht der Marktanteilsvorsprung der Zeitung vor dem Fernsehen mittlerweile nur noch darauf, dass sich der Anzeigenerlös der Tageszeitung – anders als der des Fernsehens – aus Rubrikenanzeigen und Werbeanzeigen zusammensetzt. Würden die Erlöse der Rubrikenanzeigen von denen der Werbeanzeigen subtrahiert, rangierte das Fernsehen im Marktanteil der Investitionen in Werbeanzeigen sogar vor der Zeitung und hätte damit den größten Marktanteil inne. 94 Dies zeigt, dass die Zeitung bei Wachstums- und Steigerungsraten der Werbeerlöse eindeutig vom Fernsehen übertroffen wird. Gleiches gilt in Bezug auf den Konkurrenten Internet, der sich seit den 1990er-Jahren als neuer Werbeträger auf dem Markt etabliert. Wenngleich Onlinedienste in absoluten Zahlen noch vergleichbar geringe Werbeeinnahmen erzielen 95, verzeichneten diese in der Zeit der Werbekrise – als einziges Medium – ein konstantes Wachstum von Werbeinvestitionen. Diese stiegen von ca. 185 Mio. Euro im Jahr 2001 um ca. 23 % im Jahr 2002 und in den darauffolgenden Jahren um 8,4 % (2003), 10,2 % (2004), 22,5 % (2005) bzw. 49,1% auf 495 Mio. Euro im Jahr 2005. 96 Das Internet steht vor allem bei den Rubrikenanzeigen in einem unmittelbaren Wettbewerb mit den Zeitungen. In diesem Marktsegment, in dem Tageszeitungen traditionell eine komfortable Wettbewerbsposition innehatten und bedeutende Umsatzanteile generieren konnten 97, zeigt es eine hohe Aktivität mit speziellen dienlandschaft und ihre Auswirkungen auf die Zeitung, Anlage zur Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358 (2004), S. 93 ff.; Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Werbung in Deutschland 2004, (2004), S. 14 ff.; Vgl. auch: Meyer-Lucht, Robin, Sinkende Auflagen, Einbrüche im Anzeigengeschäft, Konkurrent Internet – Die Krise auf dem deutschen Zeitungsmarkt, in: Analysen der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Informationsgesellschaft, Nr. 9/2003, (2003), S. 8. 93 Zwischen 1985 und 2000 stiegen die Gesamtwerbeeinnahmen um fast 161% (14,41 Mrd. Euro), die Tageszeitungen um ca. 97 % (3,23 Mrd. Euro). Vgl. Tabelle 6– Nettowerbeumsätze Medien gesamt und Tageszeitungen. 94 Für die Zeitung spricht in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Werbung in Zeitungen im Vergleich zu anderen medialen Werbeträgern die geringste Ablehnung erfährt. 20 % der Befragten gaben an, dass es in der Tageszeitung zu viel Werbung gebe, 83% hingegen votierten für zu viel Werbung im Fernsehen machten. Vgl. Ergebnisse unterschiedlicher Studien, die von der Zeitungsmarketinggesellschaft (ZMG) zusammengetragen wurden: Zeitungsmarktetinggesellschaft, Zeitungsqualitäten 2006, (2006). 95 Tabelle 4 – Entwicklung der Nettowerbeeinnahmen bei den klassischen Medien. 96 Tabelle 4 – Entwicklung der Nettowerbeeinnahmen bei den klassischen Medien.
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Portalen, die klare Wettbewerbsvorteile 98 und somit auch Substitutionspotenzial 99 gegenüber der Zeitung aufweisen. 100 Ferner wirkt das Internet auch in seiner Position als weiterer Anbieter am Markt der Werbeträger auf den Rubrikenmarkt ein. Denn mit einer Erweiterung der Anbieterzahl geht typischerweise eine Steigerung der Marktmacht der Abnehmer einher, die wiederum geringere Stückkosten, d. h. eine Preissenkung für Anzeigen, zur Folge haben kann. 101 Für diese Annahme spricht jedenfalls, dass die Einbußen von Brutto-Werbeaufwendung und Netto-Werberlösen auseinander fallen, was wiederum den Schluss nahe legt, dass werbende Unternehmen bei gleichem Etateinsatz einen höheren Werbedruck bzw. bei sinkenden Etats einen gleichbleibenden Werbedruck erzielten. 102 c) Zwischenergebnis Der Einbruch bzw. die Stagnation des Werbemarktes zwischen den Jahren 2001 und 2005 hat bei nahezu allen Werberträgern zu deutlichen Einbußen der Werberlöse geführt. Während allerdings das Internet von dieser Entwicklung unversehrt blieb und als einziges Medium durchgehend ein Wachstum an Werbeeinnahmen verzeichnen konnte, waren Zeitungen überproportional zu ihrem Marktanteil am Gesamtjahresverlust beteiligt. Auch von der Erholung des Marktes konnten Zeitungen weniger profitieren als ihre Konkurrenten. So sanken im 97
Meyer-Lucht, Robin, Rollensuche im Medienkanon. Zur Krise der deutschen Tageszeitung, Frankfurter Hefte (2002), S. 546: „Überspitzt könnte man sagen, das Kerngeschäft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist nicht der Vertrieb von Qualitätsjournalismus, sondern der Betrieb der größten Stellenbörse der Bundesrepublik in entsprechender Ummantelung“. 98 Im Internet können Rubrikanzeigen einfacher nach beliebigen Kriterien sortiert und selektiert werden. Sie enthalten zudem detaillierte Informationen, z. B. durch Visualisierung der Angebote. Vgl. Simeon, Thomas / Zerdick, Axel, Tageszeitungen zwischen Medienkonzentration und Internet-Ökonomie, in: Klumpp, Dieter / Kubicek, Herbert / Roßnagel, Alexander, (Hrsg.), Next Generation Information Society? Notwendigkeit einer Neuorientierung (2003), S. 205. 99 Meyer-Lucht, Robin, Sinkende Auflagen, Einbrüche im Anzeigengeschäft, Konkurrent Internet – Die Krise auf dem deutschen Zeitungsmarkt, in: Analysen der FriedrichEbert-Stiftung zur Informationsgesellschaft, Nr. 9/2003, S. 546 ff. 100 Für Stellenanzeigen ausführlich: Kolo, Caustulus, Personalgewinnung im Wandel – Die zukünftige Rolle der Zeitungen im Markt für Stellenanzeigen, in: Glotz, Peter / Meyer-Lucht, Robin, (Hrsg.), Online gegen Print – Zeitungen und Zeitschriften im Wandel (2004), S. 46, 51 ff. Stellenanzeigen sind im überregionalen Bereich mit ca. 40% und im regionalen mit ca. 20 % am Gesamtumsatz beteiligt. 101 Siegert, Gabriele, Strukturelle Veränderungen in der Medienlandschaft und ihre Auswirkungen auf die Zeitung, Anlage zur Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358 (2004), S. 96 ff. 102 Frey, Lutz G. / Klein, Herbert / Koch, Alexander (Ernst & Young), Zeitungsverlage im Umbruch, (2003), S. 5.
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Jahr 2005 die Werbeerlöse der Tageszeitung weiter, während im Gesamtwerbemarkt eine leichte Umsatzsteigerung zu verzeichnen war. 103 Mag zwar die Zeitung trotz der im Vergleich zum Gesamtwerbemarkt schwächeren Investitionsentwicklung noch nicht ihre Vorrangsstellung im Hinblick auf den absoluten Marktanteil der Medien am „Werbekuchen“ eingebüßt haben, so partizipierte sie doch auch von der Markthochphase des Werbemarktes vor der Krise nur unterdurchschnittlich und verlor relative Marktanteile. Mit den Einbußen im Bereich der Anzeigenerlösen ging überdies eine Veränderung der über Jahrzehnte etablierten Erlösstruktur von zwei Dritteln Werbeeinnahmen und einem Drittel Vertriebseinnahmen einher. Schärfster Konkurrent der Tageszeitungen auf dem Werbemarkt ist das Fernsehen, das die Zeitung im Bereich der klassischen Werbeanzeigen bereits überholt hat. Beim Rubrikenanzeigenmarkt hingegen zeichnet sich ein intensiver Wettbewerb mit dem Internet ab, der zwar nicht zum Verfall von Rubrikenwerbung in der Zeitung geführt, jedoch auf die Stückkostenpreis der Anzeigen eingewirkt und starke Verluste in diesem Bereich bedingt hat. Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich die deutschen Zeitungen nicht nur temporär mit rückläufigen Umsätzen, verengten Märkten und einem Verlust ihrer dominierenden Position im Medienmarkt auseinandersetzen werden müssen. 2. Kontinuierliche Einbußen im Rezipientenmarkt mit einem Trend zur Erschließung neuer Märkte Die Zeitung erzielt einen relevanten Teil ihrer Erlöse nicht nur auf dem Anzeigen-, sondern auch auf dem Rezipientenmarkt. Doch ebenso wie auf dem Anzeigenmarkt mussten die Zeitungsverleger auch in diesem Bereich spürbare Einbußen verkraften. So schrumpfte in den letzten Jahren nicht nur die Auflage der Zeitung (b), die Reichweite 104 der Zeitung (a) sank ebenfalls stetig. Diesen Entwicklungen tritt die Zeitung allerdings aktiv entgegen. Durch eine Erweiterung ihres Portfolios versucht sie, neue Märkte zu erschließen und auf diese Weise Umsatzeinbußen auszugleichen (c).
103 Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Werbung in Deutschland 2007 (2007), S. 13. 104 Unter dem Begriff „Reichweite“ wird hier die Zahl der von der Zeitung „erreichten“ Personen, also der Leser, verstanden.
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a) Fallende Reichweite der Zeitung bei insgesamt steigender Mediennutzungsdauer aa) Hohe, jedoch sinkende Reichweiten Für den Werbekunden, der typischerweise daran interessiert ist, über einen Werbeträger eine möglichst starke Verbreitung der Werbung zu erzielen, sind die Reichweiten eines Mediums von besonderem Interesse. Die Tageszeitung zeigt insoweit eine gegenüber anderen Medien vergleichbar schlechte Entwicklung. Bereits seit Anfang der 1980er-Jahre sind in nahezu allen Altersgruppen 105 stetig abnehmenden Reichweiten zu verbuchen. Nachdem im Jahr 1980 der Höchstwert von 76% Reichweite registriert wurde, sank der Wert kontinuierlich bis auf 51% im Jahr 2005 ab. 106 Überdies weist die Zeitung insbesondere in den jungen und für die Mehrzahl der Werbekunden besonders attraktiven Zielgruppen unterdurchschnittliche Werte auf. Die hier bei der Zeitung bereits traditionell geringeren Reichweiten sanken schneller als die Reichweiten in anderen Lesergruppen. 107 Während die Zeitung zwischen 1990 und 2003 ca. 21% der Reichweite bei Minderjährigen verlor, hielt sich der Wert im Segment der über 70-Jährigen zur gleichen Zeit relativ konstant. 108 Dieses Leseverhalten junger Leser ist für Tageszeitungen – neben dem bereits erwähnten besonderen Interesse der Anzeigekunden an dieser Gruppe – deshalb besonders nachteilig, weil Kohorten-Studien belegen, dass das Medienverhalten junger Menschen in der Regel auch im Alter beibehalten wird und somit die Entwicklung bei den zumindest noch relativ konstanten hohen Altersgruppen vorgezeichnet ist. 109 105 Die höchste Reichweite erreichen Zeitungen bei den 40 bis 69-Jährigen. Jüngere Leser liegen deutlich unter diesem Durchschnitt, ältere darüber. Tabelle 7 a – Reichweite der Tageszeitung nach Alter; Tabelle 7 b – Regelmäßiger Tageszeitungskonsum. 106 1985: 73 %; 1990: 71 %; 1995: 65 % vgl. Tabelle 7 c – Reichweite der Medien. 107 Während 1990 nur jeder zweite 12 bis 19-Jährige täglich Zeitung las, war es 10 Jahre später nur noch jeder vierte Jugendliche. Zählten 1990 noch drei Viertel alle Über50-Jährigen zu den täglichen Tageszeitungslesern, waren es im Jahr 2000 nur noch knapp 63%, die täglich die Zeitung in die Hand nahmen. Vgl. Reitze, Helmut / Ridder, ChristaMaria, Massenkommunikation VII. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964 – 2005, (2005); Meyer-Lucht, Robin, Sinkende Auflagen, Einbrüche im Anzeigengeschäft, Konkurrent Internet – Die Krise auf dem deutschen Zeitungsmarkt, in: Analysen der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Informationsgesellschaft, Nr. 9/2003, (2003). 108 In der Zeit der „Krise“, also zwischen 2001 und 2004, sank die Zahl der Leser in dieser Gruppe zwischen min. – 3,6 % und max. – 4,6 %, in den Altersgruppen 50 bis 69 hingegen lag der Verlust zwischen min.- 1,1 % und max.- 1,3%. Tabelle 7 a – Reichweite der Tageszeitung nach Alter. 109 Siegert, Gabriele, Strukturelle Veränderungen in der Medienlandschaft und ihre Auswirkungen auf die Zeitung, Anlage zur Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358 (2004), S. 6 f.
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Ähnlich wie bei den Werbeerlösen zeigt der Konkurrent Fernsehen auch bei der Reichweitenentwicklung eine der Zeitung entgegengesetzte Tendenz. Nach einem Reichweitentiefstand von 73% im Jahr 1985 stieg die Reichweite des Fernsehens konstant bis auf einen Wert von 89% im Jahr 2005. Dabei übertrifft das Fernsehen die Zeitung auch bei jungen Zielgruppen, was in ähnlicher Weise für das Internet gilt, das in diesem Segment zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten für die Zeitung geworden ist. Die Reichweite des Internets, die im ersten Jahr der Erfassung (2000) bei 10% lag, verdreifachte sich bis zum Jahr 2005 nahezu und hat mit einem Wert von 28% mittlerweile über die Hälfte der Reichweite der Zeitung erlangt. 110 bb) Sinkende Nutzungsdauer bei wachsender Gesamtmediennutzungszeit Schließlich verläuft auch der Wettbewerb um das Medienzeitbudget des Rezipienten zulasten der Zeitungen, denn bei wachsender Gesamtmediennutzungsdauer schrumpft die Nutzungsdauer der Zeitung. 111 Während die Nutzungszeit aller Medien zwischen 1980 und 2005 von 346 Minuten um 254 Minuten, d. h. ca. 73 %, auf 600 Minuten pro Tag gestiegen ist, verlor die Zeitung in der gleichen Zeitspanne 10 Minuten Nutzungszeit. Sie sank von 38 Minuten auf 28 Minuten Nutzung pro Tag und verzeichnete damit einen Verlust von ca. 26 %. Hörfunk und Fernsehen hingegen lagen mit einer Nutzungsdauer von jeweils ca. 220 Minuten am Tag im Jahr 2005 und einem Nutzungsdauerzuwachs (seit 1980) von 95 Minuten bzw. 76% (Fernsehen) und 86 Minuten bzw. 63 % (Hörfunk) klar vor der Zeitung, wobei die Verbreitung der Privatsender seit 1984 in der Statistik erst in der Zeit zwischen 1985 und 1990 erkennbar wird. 112 Diese Werte können zwar insoweit relativiert werden, als sich Hörfunk und Fernsehen im untersuchten Zeitraum zu einem 24-Stunden-Vollprogramm entwickelten und somit deren (Gesamt-)Angebot – anders als das der Zeitung – um ein Vielfaches der Nutzungszeit anstieg. Doch legen die gegenläufigen Entwicklungen von Rundfunk und Zeitung einen strukturellen Nachteil der Tageszeitungen offen: Radio und Fernsehen haben sich zu Tagesbegleitern 113 entwickelt, die ne110
Vgl. Media Perspektiven, Basisdaten 2006, (2006), S. 66; Berg, Klaus / Ridder, Christa Maria, Massenkommunikation VI – Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964 – 2000, Schriftenreihe Media Perspektiven, Band 16, (2002), S. 31. Vgl. Tabelle 7 c – Reichweite der Medien 1970 – 2005. 111 Tabelle 7 d – Entwicklung des Nutzungsdauer verschiedener Medien. 112 1985: 351; 1990: 380; 1995: 404, vgl. Ridder, Christa-Maria / Engel, Bernhard, Massenkommunikation 2005: Images und Funktionen der Massenmedien im Vergleich, Media Perspektiven (2005), S. 424; Media Perspektiven, Basisdaten 2006, (2006), S. 66. 113 Vgl. Eimeren, Birgit Van / Ridder, Christa Maria, Trends in der Nutzung und Bewertung der Medien, Media Perspektiven (2001), S. 547.; Ridder, Christa-Maria / Engel,
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ben anderen Tätigkeiten genutzt werden können. Zeitungen hingegen bedürfen der vollständigen Aufmerksamkeit des Lesers. Andererseits hat das Internet, das ebenso wie die Zeitung nur eingeschränkt eine Parallelnutzung erlaubt, einen klaren Nutzungsdauerzuwachs zu verzeichnen. Nachdem für das journalistische Onlineangebot in der ARD-Online-Studie 114 im Jahr 2000 eine Nutzungsdauer von 17 Minuten ausgewiesen war, stieg diese Zahl im Jahr 2005 auf 46 Minuten an. Das Internet verbuchte damit einen Zuwachs an Nutzungszeit von über 230 % in fünf Jahren. Demnach hat auch die Angebotsausweitung anderer Medien die Nutzung und Bedeutung der Zeitung im Gesamtkontext der Medien nachteilig verändert. b) Fallende Durchschnittsauflage Die Auflage des Printmediums Zeitung hatte unter der Präsenz des Fernsehens zunächst nicht gelitten. 115 Seit 1991 allerdings weist auch der Trend der Auflagenentwicklung kontinuierlich nach unten. 116 Die verkaufte Auflage sank vom Höchststand von 28,8 Mio. im Jahr 1991 auf 25,5 Mio. im Jahr 2005 und verzeichnete damit einen Rückgang von über 11%. Ein Verlust von ca. 8 % fällt in die Zeit der Werbekrise (2001). Dabei hatten zunächst die regionalen und lokalen Zeitungen Probleme, ihre Auflage zu halten. 117 Die überregionale Qualitätspresse hingegen konnte sich noch bis ca. 2001 am Markt solide positionieren. 118 Etwas verzögert – und wohl stärker beeinflusst von der Konjunktur als im Fall der sich bereits länger andeutenden Krise auf dem regionalen Markt – rutschen dann schließlich auch die überregionalen Zeitungen in eine Abwärtsentwicklung, wobei noch von einer relativ stabilen Auflage mit sinkender Tendenz gesprochen werden kann. 119 Bernhard, Massenkommunikation 2005: Images und Funktionen der Massenmedien im Vergleich, Media Perspektiven (2005), S. 422. 114 Media Perspektiven, Basisdaten 2007 (2007), S. 88 – Tabelle 7 e – Durchschnittliche Nutzungsdauer des Internets. 115 Opaschowski, Horst W., Die Zukunft gehört der „neuen alten Medienwelt“, in: Klumpp, Dieter / Kubicek, Herbert / Roßnagel, Alexander, (Hrsg.), Next Generation Information Society? Notwendigkeit einer Neuorientierung (2003), S. 188 f. 116 Media Perspektiven, Basisdaten 2006, (2006), S. 43. Vgl. Tabelle 8 – Titelzahl und verkaufte Auflage. 117 Die Auflage der lokalen und regionalen Abonnementzeitungen sank zwischen 1999 und 2002 um 6,7 %, Kaufzeitungen verloren sogar 9 % Auflage. 118 Meyer-Lucht, Robin, Sinkende Auflagen, Einbrüche im Anzeigengeschäft, Konkurrent Internet – Die Krise auf dem deutschen Zeitungsmarkt, in: Analysen der FriedrichEbert-Stiftung zur Informationsgesellschaft, Nr. 9/2003, (2003), S. 7. 119 Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, Zeitungen 2005, (2005), S. 59 ff, 80, 81. Vgl. auch Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven (2007), S. 578.
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c) Erweiterung des Portfolios – Innovation und Diversifikation Da sich Zeitungsneugründungen auf dem wettbewerbsschwachen Zeitungsmarkt als schwierig erweisen 120, sind Zeitungsverlage zusehends bestrebt, den sinkenden Einnahmen durch Innovation und Diversifikation entgegenzutreten und neben der Weiterentwicklung ihres etablierten Kerngeschäfts (aa) vermehrt auch neue Produkte und Dienstleistungen auf bislang nicht erschlossenen Geschäftsfeldern anzubieten (bb). aa) Innovation – Weiterentwicklung des Kerngeschäfts Zeitungsverlage bemühten sich vor allem seit ca. sechs Jahren (2002) darum, durch Innovationen in diversen Geschäftsbereichen ihre Marktposition zu verbessern. So zeigten sie mit kostenlosen Beigaben von CDs oder zusätzlichen Beilagen wie The New York Times International Weekly 121 neue Eigenvermarktungsansätze. Ferner versuchten sie, über Vertriebsinnovationen wie Teilabonnements oder neue Verkaufsstellen eine Reichweiten- und Auflagensteigerung zu erzielen. Auch im Anzeigenbereich wurden mit Sonderbeilagen, z. B. zu den Themen „Gesundheit“, „Alter“ oder „Auto“, Strategien für eine Erlössteigerung umgesetzt. Daneben zeigen sich die Verlagshäuser auch bei der Weiterentwicklung ihres Kerngeschäfts, der Informationsweitergabe, innovativ. Eine Strategie der Verlage für die Verbesserung ihrer Position im Rezipientenmarkt war die Markteinführung sogenannter Klein- bzw. Tabloid-Formate, einem Konzept, mit dem z. B. in Großbritannien 122 große Erfolge erzielt wurden. 123 Typisch für diese Formate sind – soweit sie nicht eine 1:1-Umsetzung des Mutterblattes sind – neben den niedrigen Vertriebspreisen ein hoher Bildanteil und Texte mit geringem Umfang. Obgleich die journalistische Qualität dieser Zeitungen kritisiert wird 124 und auch eine Befragung von Verlagsmanagern 125 – jedenfalls für niedrigpreisige Formate – geringe Erwartungen an die Marktchancen ergeben hat, konnte Die Welt auf dem deutschen Zeitungsmarkt
120 Hier sind im deutschen Zeitungsmarkt z. B. die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und die Financial Times Deutschland zwei der wenigen erfolgreichen Neugründungen. 121 In der Süddeutschen Zeitung. 122 Einführung der Independent in einem Kleinformat unter Beibehaltung der großformatigen Ausgabe. 123 Röper, Horst, Bewegung im Zeitungsmarkt, Media Perspektiven (2004), S. 268. 124 Ziegert, Susanne, Halbe Zeitungsportionen für Junge. Mit Zeitungen im Tabloid-Format bekämpfen deutsche Verlage den Auflagenschwund, Neue Zürcher Zeitung (22. 10. 2004). 125 (n=54); Andersch, Tammo / Weimar, Michael (KPMG), Wachstumsfelder für den Zeitungsmarkt in Deutschland, (2005), www.kpmg.de/library/brochures_surveys/pdf /050113_Wachstumfsfelder_fur_den_Zeitungsmarkt_de.pdf.
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mit dem Format Welt-Kompakt 126 ein entsprechendes Produkt platzieren, das sich seit einigen Jahren bewährt. 127 Erfolglos war hingegen die Zeitung News 128, die nach ca. einem Jahr Marktpräsenz eingestellt wurde. Gänzlich gescheitert auf dem deutschen Zeitungsmarkt ist indes bis heute – abweichend von anderen europäischen Märkten 129 – die Einführung von Gratiszeitungen, die als Mittel zur Bindung junger Zielgruppen an das Medium dienen sollen. Keines dieser Formate hat sich bis heute etablieren können. Dessen ungeachtet halten zahlreiche Verlage derartige Konzepte vor, um sich in Bezug auf mögliche Markteintritte Dritter abzusichern. 130 Ein weiterer Produktdiversifikationsansatz der Verlage besteht im Verkauf von Zeitschriften unter der Marke der Zeitung, wie z. B. die Reihen ZeitWissen, Die Zeit Geschichte oder SZ-Wissen. 131 Auf diese Weise versuchen Verlage, die Interessen verschiedener Zielgruppen durch die Verbindung eines neuen Produkts mit der Wirkung der Marke anzusprechen und damit neue Erlösziele zu verfolgen und bzw. oder die Kompetenz der Marke zu stärken. Die Marktentwicklung entsprechender Produkte erscheint solide, ohne dass sie jedoch in der Zeitungsstatistik sichtbar gemacht werden könnte. Sehr große Hoffnungen legen Zeitungsverlage in das Geschäftsmodell der elektronischen Zeitung 132, mit dem die klassische Zeitung um zahlreiche An126
Welt Kompakt erscheint im Axel Springer Verlag. Ähnliches gilt für die Zeitung 20 Cent, dieser Titel wurde bereits im Mai 2004 für die Lausitz vom Verlag der Lausitzer Rundschau initiiert. Das Boulevardkonzept trägt offenbar. Im März 2005 wurde es vom Schwesterverlag der Saarbrücker Zeitung für einen gleichnamigen Titel genutzt. Die beiden Ausgaben von 20 Cent sind über eine enge Kooperation verbunden. Röper, Horst, Probleme und Perspektiven des Zeitungsmarkts, Media Perspektiven (2006), S. 285. 128 Der Titel News gehörte zum Verlag des Handelsblattes. Da der Leserzuspruch geringer als erwartet war, wurde die Zeitung Ende Mai 2006 eingestellt, vgl. Röper, Horst, Probleme und Perspektiven des Zeitungsmarkts, Media Perspektiven (2006), S. 285. 129 Wigdorovits, Sascha, 20 Minuten: Ein neues Medium als „disruptive innovation“, in: Habann, Frank, (Hrsg.), Innovationsmanagement in Medienunternehmen (2003), S. 170 ff.; Vogel, Andreas, Die tägliche Gratispresse, Media Perspektiven (2001), S. 576 ff. 130 Veer, Christian, Zur Zukunft der Zeitung, (2005), S. 132. 131 Jaklin, Philipp / Meier, Lutz, Verlage spekulieren auf den Boom von Wissensmagazinen, Financial Times Deutschland (30. 11. 2004). 132 Ein E-Zeitung ist ein folienartiger dünner elektronischer Flachbildschirm, im Format einer Zeitung, der wie eine Zeitung gerollt, gefaltet und transportiert werden kann, „elektronisches Papier“ genannt. Diese Folie kann mehrfach neu „beschrieben“ werden, indem Inhalte über die Telefonleitung auf dieses Papier abgerufen werden. Das Ausschneiden oder Markieren von Textstellen kann digital nachempfunden werden. Technisch ist ein e-Paper ein konvergentes Multimediagerät, ausgestattet mit einem W-Lan-Router und Videoprozessor; vgl. Mallik, Stephan, Ist die Zeitung noch zu retten? Das Vielfaltsversprechen der Zeitung auf elektronischem Papier für Zeitungsmarkt und Zeitungsleser, 127
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wendungsmöglichkeiten, z. B. Video, Individualisierung des Angebots, Datenbankzugriffe, ergänzt und die Funktionalität sowie Aktualität des Internets mit den Vorzügen der Zeitung, z. B. hinsichtlich Haptik und Mobilität, verknüpft werden sollen. 133 Der Zeitpunkt der Marktreife dieser Innovation ist allerdings noch offen. Auf dem Markt befindet sich derzeit lediglich eine elektronische Zeitung als digitales Abbild der Papierzeitung 134, die über das Internet abrufbar ist – ein Nischenprodukt, das mehr der Ergänzung des Sortiments, primär für ausländische Leser, als der Erlösgenerierung dient. Die Auflagen bewegten sich zwischen ca. 3600 Exemplaren pro Tag beim Marktführer, der Süddeutschen Zeitung, und bei ca. 1800 Exemplaren bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Jahr 2005. 135 Neben dieser faksimilierten Zeitung sind Verlage auch mit eigenen Nachrichtenportalen bzw. mit Text- / Bild-basierten Angeboten im Netz vertreten, die sich (bewusst) von der gedruckten Zeitung abheben, z. B. faz.net, sueddeutsche.de. Da diese Angebote zumeist kostenlos erfolgen, stellen auch sie noch keine sicheren Erlösquellen für Zeitungsverlage im Rezipientenmarkt dar. 136 bb) Diversifikation in verlagsnahen Bereichen Ergänzend zu diesen sich im Kerngeschäft bewegenden Produkteinführungen, versuchen Verlage, ihre Erlöse durch eine Produktdiversifikation in verlagsnahen Bereichen, insbesondere im Bereich ihrer Kernkompetenzen, also Informationsproduktion 137, Vertrieb 138 und Pflege von Kundenbeziehungen 139, zu steigern. 140 (2004), S. 110. Zinnbauer, Markus, e-Newspaper: Consumer Demands an Attributes and Features, The International Journal on Media Management JMM (2003), S. 129. 133 Siegert, Gabriele, Strukturelle Veränderungen in der Medienlandschaft und ihre Auswirkungen auf die Zeitung, Anlage zur Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358 (2004), S. 113, bezeichnet die elektronische Zeitung auch als „Rückkopplung der Zeitung in einer digitalen Welt an hergebrachte und gelernte Nutzungsmuster“. 134 Im Jahr 2005 boten mehr als 45 Verlage eine elektronische Zeitung im Netz an, Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, Zeitungen 2005, (2005), S. 226. 135 Röper, Horst, Probleme und Perspektiven des Zeitungsmarkts, Media Perspektiven (2006), S. 287; Veer, Christian, Zur Zukunft der Zeitung, (2005), S. 138. 136 Die Zahlungsbereitschaft ist gering, vgl. Glotz, Peter / Meyer-Lucht, Robin, Online gegen Print, (2004), S. 102 ff. 137 Die Kernkompetenz der Informationsproduktion kann auch für Organisationen von Interesse sein, die nicht der Medienbranche angehören, etwa für die Erstellung von Kundenzeitschriften. Einige Verlage bieten redaktionelle Leistungen für Geschäftskunden bereits an. Simeon, Thomas / Zerdick, Axel, Tageszeitungen zwischen Medienkonzentration und Internet-Ökonomie, in: Klumpp, Dieter / Kubicek, Herbert / Roßnagel, Alexander, (Hrsg.), Next Generation Information Society? Notwendigkeit einer Neuorientierung (2003), S. 201. 138 Z. B. im Vertrieb durch Zustellungsdienste. 139 Die Kombination von Vertriebs-Know-how und engen Kundenbeziehung eröffnet die Möglichkeit des Direktmarketing.
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Eine Vertriebsdiversifikation, an die Verlage große Erwartungen knüpfen, bildet die Postzustellung, mit der die vorhandenen Vertriebskanäle alternativ nutzbar gemacht werden können. Auf diesem Markt hat sich u. a. die „PIN“-AG durchgesetzt, an der sich die Konzerne Holtzbrinck, Springer und WAZ mit jeweils 30 % beteiligt haben. 141 Ferner hat eine Vielzahl deutscher Verlage ihre starke Marke dazu genutzt, ein finanziell sehr erfolgreiches Zusatzgeschäft mit Büchern, DVDs und CDs zu eröffnen. Seit vergleichsweise langer Zeit werden auch Reisen und Veranstaltungen von Zeitungen angeboten. 142 Doch auch dieses Ergänzungsgeschäft kann nicht als universelle Lösungsstrategie für „die Zeitung“ herangezogen werden, denn eine erfolgreiche Vermarktung entsprechender Produkte ist insbesondere für regionale Zeitungen kaum vorstellbar bzw. ungleich schwieriger zu realisieren. d) Zwischenergebnis Die kontinuierliche Erhöhung des Wettbewerbsdrucks durch den Konkurrenten Fernsehen seit Mitte der 1980er-Jahre und später auch durch den Konkurrenten Internet hat sich im Rezipientenmarkt spürbar zulasten der Zeitungen ausgewirkt. 143 Deutlich früher als auf dem Werbemarkt, nämlich seit etwa 1985, hatte die Zeitung bei den Rezipienten, insbesondere den jüngeren Lesern, Verluste zu verzeichnen. Dies wirkte sich in sinkenden Auflagen, Reichweiten und Nutzungszeiten aus. Auf dem Rezipientenmarkt vermochte demnach auch eine starke Konjunktur die Auswirkungen des steigenden Wettbewerbsdruck nicht so abzufedern, wie dies im Werbemarkt gelang. Allerdings hat die zeitlich nachfolgende Konjunkturkrise, die im Werbemarkt die Marktschwächen der Zeitungen offen legte, im Rezipientenmarkt nicht zu dem im Werbemarkt vergleichbaren Einbrüchen geführt. Da sich Zeitungen jedoch, getragen von konjunkturell bedingten Erlösen auf dem Werbemarkt, noch zu einer Zeit gut im Wettbewerb fühlten, als auf dem Rezipientenmarkt Verluste bereits sichtbar waren, hat erst die Werbekrise viele Verlage aufgerüttelt und dazu veranlasst, den Erlöseinbußen z. B. durch Produktinnovationen und -diversifikationen zu begegnen. Als besonders ertragreich erwies sich das Zusatzgeschäft mit Büchern, DVDs und CDs. Große Hoffnun140
Vgl. hierzu Esser, Rainer / Schreier, Christiane, Die Zeitung als Marke – Diversifikation als lukrative Erlösquelle, in: Zeitungsverleger, Bundesverband deutscher, (Hrsg.), Zeitungen 2005 (2005), S. 128 ff. 141 Röper, Horst, Probleme und Perspektiven des Zeitungsmarkts, Media Perspektiven (2006), S. 286. 142 Röper, Horst, Bewegung im Zeitungsmarkt, Media Perspektiven (2004), S. 269. 143 Meyer-Lucht, Robin, Rollensuche im Medienkanon. Zur Krise der deutschen Tageszeitung, Frankfurter Hefte (2002), S. 548.
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gen legen Zeitungen in das E-Paper und die Nutzung ihrer Vertriebswege für die Postzustellung. 3. Entwicklung der redaktionellen und verlegerischen Struktur und der wirtschaftlichen Marktmacht Für die verfassungsrechtliche Bewertung der sogenannten Pressekrise ist neben den soeben dargestellten Daten auch die Entwicklung der relativen Marktmacht (b) und der redaktionellen sowie verlegerischen Struktur des Zeitungsmarktes (a) von zentraler Bedeutung. Um an dieser Stelle diesbezügliche Effekte der Fusionskontrolle nachvollziehen zu können, werden im Folgenden über den Zeitraum der „Krise“ hinaus Bezüge zu den Entwicklungen vorangehender und nachfolgender Zeiträume hergestellt. a) Redaktionelle und verlegerische Struktur Die Entwicklung der redaktionellen und verlegerischen Struktur, welche Hinweise auf die Vielfältigkeit des Pressemarktes geben kann, wird nach den Erhebungen von Walter J. Schütz 144 anhand der Entwicklung der „publizistischen Einheiten“, der „Verlage als Herausgeber“ und der „Ausgaben“ von Tageszeitungen nachvollzogen. Die Ausgabe stellt dabei die kleinste pressestatistische Einheit dar. Sie grenzt sich durch eine variierende inhaltliche Gestaltung, beispielsweise von Regionalseiten, von anderen „Ausgaben“ ab. Unter die Kategorie der „Verlage als Herausgeber“ werden die wirtschaftlichen Einheiten gefasst, die alle „Ausgaben“ einer Zeitung herausgeben und als solche im Impressum genannt sind. Die dieser Kategorie übergeordneten „publizistischen Einheiten“ wiederum umfassen alle „Verlage als Herausgeber“ mit den Ausgaben einer Zeitung, die – unabhängig von ihrer verlegerischen Struktur – den gleichen oder im Wesentlichen gleichen Zeitungsmantel (in der Regel Seite 1 und 2) aufweisen. 145 In jeder dieser Kategorien sind in der langfristigen Entwicklung seit 1954 Rückgänge 146 zu verzeichnen gewesen. Diese hielten sich allerdings in der Zeit der drastischen Anzeigenverluste seit 2001 in engen Grenzen. Beispielsweise hat sich seit Beginn der statistischen Dokumentation (1954) die Zahl der publizistischen Einheiten von 225 auf 136 (2006) reduziert. Die spürbarsten Verluste waren diesbezüglich in der Zeit zwischen 1964 und 1976 zu verzeichnen, als sich 144 Vgl. z. B. Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven (2007), S. 560 ff. Vgl. hierzu auch Tabelle 10 – Redaktionelle und verlegerische Struktur. 145 Vgl. Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven (2005), S. 205. 146 Bei den Ausgaben gilt dies jedoch nur im Falle der Trennung der Entwicklungen vor und nach der Wiedervereinigung.
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die Zahl der Einheiten von 183 auf 121 verringerte. Diese Entwicklung wurde in der Öffentlichkeit als Zeitungskrise wahrgenommen und war u. a. Anlass für die Einführung der Pressefusionskontrolle im GWB. Nach Erlass der Vorschrift und auch in der Folge der starken Marktkonsolidierung der vorangegangenen Jahre stabilisierte sich alsdann die Entwicklung. Bis zum Jahr 1985 war gar ein Anstieg auf einen Wert von 126 Einheiten zu verzeichnen. Die nach 1985 sogleich wieder einsetzende, durch die Wiedervereinigung mit 158 Einheiten im Jahr 1991 unterbrochene und sich 1993 mit 137 Einheiten fortsetzende Abwärtsentwicklung wurde schließlich 1995 erneut gebremst. Zwischen 1995 und 1999 stagnierte die Zahl der publizistischen Einheiten auf dem Niveau von 135, um zwischen 2001 und 2004, d. h. in der Zeit der sogenannten Pressekrise, sogar wieder von 136 (2001) auf 138 (2004) anzusteigen. Im Jahr 2006 fiel die Zahl indessen wieder um 2 auf 136 publizistische Einheiten. Damit ist zwischen 1954 und 1976 ein Verlust von 104 Einheiten bzw. ein Rückgang von ca. 46% zu verbuchen. Seit 1976, dem Zeitpunkt der Einführung der Pressefusionskontrolle, reduzierte sich die Zahl bis zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nur noch um ca. 2%. Von 1976 bis heute gab es, die Wiedervereinigung miteinbezogen, sogar ein Wachstum der publizistischen Einheiten von ca. 12 %. Die Zahl der „Verlage als Herausgeber“ entwickelte sich in etwa den „publizistischen Einheiten“ vergleichbar. Bereinigt um die Sonderentwicklung der Wiedervereinigung (diese führte zu einem deutlichen Anstieg der Verlage von 385 im Jahr 1989 auf 410 im Jahr 2001), war auch bei den Verlagen seit 1954 eine kontinuierlich abwärtsgerichtete Tendenz festzustellen. Seit Beginn der statistischen Dokumentation (1954) hat sich die Zahl der Verlage als Herausgeber von 573 auf 352 im Jahr 2006 reduziert, wobei – der Entwicklung der publizistischen Einheiten entsprechend – besonders starke Verluste in der Zeit zwischen 1964 und 1976 zu verkraften waren. In dieser Zeit sank die Zahl der Verlage als Herausgeber von 573 auf 403, d. h. um ca. 35%. Seit 1976 reduzierte sich die Zahl bis zum Jahr 1989 (358) nur noch um ca. 11%. Dies entspricht in etwa dem Rückgang von 1976 (403) bis heute (352), der bei ca. 12 % liegt. Ebenfalls mit der Entwicklung der publizistischen Einheiten vergleichbar war im Jahr 1991 mit einem Wert von 410 147 ein Höchststand von Verlagen zu vermerken, der dann in den Folgejahren zunächst auf 355 im Jahr 1999 und schließlich auf 352 im Jahr 2006 sank. Dabei war auch in dieser Kategorie in der Zeit der „Pressekrise“ ein Anstieg der Verlagszahlen feststellbar. Die Werte stiegen von 355 im Jahr 1999 auf 356 (2001) bzw. 359 (2004). Die Ausgabenentwicklung verlief – die Entwicklung der neuen Bundesländer eingeschlossen – abweichend von den soeben beschriebenen Kategorien der 147
Durch die Wiedervereinigung erreichte die Zahl der Verlage in Gesamtdeutschland fast das Niveau von 1979.
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publizistischen Einheiten und der Verlage als Herausgeber: Zwischen 1954 und 2006 stieg die Zahl der Ausgaben von 1500 (1954) auf 1524 (2006). Um die Einflüsse der Wiedervereinigung bereinigt, 148 bestätigt sich allerdings auch bei den Ausgaben der in den anderen Kategorien festgestellte Abwärtstrend, denn sowohl zwischen 1954 bis 1989 als auch zwischen 1991 und 2006 reduzierte sich die Zahl der Ausgaben, und zwar zunächst von 1500 auf 1344, später dann von 1673 auf 1524 Ausgaben. Dabei war auch hier vor allem die Zeit zwischen 1964 und 1976 von starken Verlusten geprägt, die Zahl der Ausgaben sank um ca. 18 % von 1495 auf 1229. Nach Einführung der Pressefusionskontrolle konnte zwischen 1976 und 1989 indessen ein kontinuierlicher Anstieg von ca. 9 % auf 1344 Ausgaben notiert werden, der sich jedoch nach dem Erreichen eines durch die Wiedervereinigung bedingten Rekordniveaus von 1673 Ausgaben im Jahr 1991 nicht fortsetzte. Die Zahl der Ausgaben sank von diesem Niveau um insgesamt ca. 8 % bis auf 1524 Ausgaben im Jahr 2006, wobei während dieser Zeit in Abweichung zu den anderen Kategorien die Ausgabenzahlen in der Zeit der Krise nicht gestiegen, sondern von 1584 (2001) um 46 auf 1538 (2004) und schließlich auf 1524 im Jahr 2006 gesunken sind. Im Ergebnis belegen die Daten, dass die Fusionskontrolle (seit 1976) die dramatischen Entwicklungen der „ersten“ Pressekrise abzufedern vermochte. Zum anderen zeigen sie aber auch, dass die vor dem Hintergrund der drastischen Anzeigenverluste und auch der kontinuierlich sinkenden Auflage ausgerufene Pressekrise der Jahre 2001 –2006 keine der ersten Pressekrise entsprechenden fundamentalen Einbußen für die Zeitungsvielfalt mit sich brachte. b) Marktmacht Da anhand der Zahl der Verlage als Herausgeber 149 allein keine Aussage über die Marktmacht der Anbieter getroffen werden kann, sollen diese Marktendenzen an dieser Stelle auch vor dem Hintergrund der Entwicklung der kumulativen Umsatzanteile einer ausgewählten Zahl der größten Marktteilnehmer 150 nachvollzogen werden. Zugleich soll ein Blick auf die Zeitungsdichte weiteren Aufschluss über Entwicklung und Stand der Konzentration auf dem Zeitungsmarkt geben. In den letzten 30 Jahren, d. h. nach der Einführung der Pressefusionskontrolle 151, ist unter den fünf größten Verlagsgruppen 152 keine starke Konzentra148
+291 Ausgaben aus der ehemaligen DDR im Jahr 1989. Der sog. „absoluten Konzentration“, vgl. Wirtz, Bernd, Medien- und Internetmanagement, (2005), S. 31. 150 Nach Wirtz, Bernd, Medien- und Internetmanagement, (2005), S. 31, die sog. „relative Konzentration“. 151 Für die vorangegangene Zeit fehlt eine entsprechende Dokumentation. 152 Der größte Anbieter im Lesermarkt ist im Jahr 2006 die Axel Springer AG mit einem Marktanteil von 22,5 % im Jahr 2006, gefolgt von der Verlagsgruppe WAZ mit 149
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tionsentwicklung festzustellen. Im Gegenteil: Zwischen 1976 und 2006 sank der Marktanteil dieser Gruppe von ca. 47% auf 41,3 %, wobei sich der Wert seit 1989 bei ca. 42% eingependelt hat. Auch in der Zeit der starken Anzeigenrückgänge zwischen 2001 und 2006 war kein Anstieg der Konzentration nachzuweisen. Vielmehr sank in dieser Zeit die Marktmacht der fünf größten Medienunternehmen von 42,3% (2000 und 2002) über 41,6 % (2004) auf 41,3 % im Jahr 2006. 153 Geringfügig anders gestaltet sich die Entwicklung der Marktmacht bei den zehn größten Verlagsgruppen. In dieser Gruppe war zwischen 1976 und 2006 ein leichter Konzentrationsanstieg zu verzeichnen, und zwar ein solcher von 54,8 % auf 55,7 % Marktanteil. Allerdings sank auch hier in der Zeit der sogenannten Pressekrise zwischen 2002 und 2006 die Marktmacht geringfügig von 56,3 % im Jahr 2002 auf 56,1% im Jahr 2004 und 55,7% im Jahr 2006. 154 Der Blick auf die Entwicklung der Zeitungsdichte 155 offenbart ein ähnliches Bild. 156 So ist die Zeitungsdichte zwischen 1967 und 2006 von 2,2 auf 1,5 Zeitungen pro Kreis / kreisfreier Stadt gefallen, während der Prozentsatz der EinZeitungskreise von 25,7% im Jahr 1967 auf 59,4% im Jahr 2006 anstieg. Auch hier waren die größten Verluste zwischen 1967 und 1976 festzustellen. Von den insgesamt in dieser Zeit eingebüßten 0,7 Zeitungen verlor der Markt in den neun Jahren zwischen 1967 und 1976 0,5 Punkte und sank von 2,2 auf 1,7 157 bzw. bestand zu 45,4% aus Ein-Zeitungskreisen. Die Zeitungsdichte hielt sich in den darauffolgenden 13 Jahren – bis 1989 – auf dem Wert von 1,7 und pendelte sich dann zwischen 1993 und 2001 auf dem Wert von 1,6 Zeitungen pro Kreis ein. Im Jahr 2004 fiel der Wert nochmals um 0,1 Zeitungen auf 1,5 Zeitungen pro Kreis, wo er sich bis zum Jahr 2006 gehalten hat. 158 Nur in wenigen Großstädten, wie z. B. Hamburg, Köln, Berlin und München, herrscht ein anderes Bild. Hier stehen den Lesern mehr als drei Zeitungen zur Verfügung. einem Marktanteil von 5,6 % und der Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung / Die Rheinpfalz / Südwest Presse mit 5,2 %. Vgl. Media Perspektiven, Basisdaten 2006 (2006), S. 54. 153 Media Perspektiven, Basisdaten 2006 (2006), S. 54.; Röper, Horst, Probleme und Perspektiven des Zeitungsmarkts, Media Perspektiven (2006), S. 283 ff. 154 Röper, Horst, Probleme und Perspektiven des Zeitungsmarkts, Media Perspektiven (2006), S. 284. 155 Als Messzahl der Zeitungsdichte ist die Zahl der örtlichen Ausgaben von Tageszeitungen zu verstehen, die in einem Landkreis bzw. einer kreisfreien Stadt angeboten werden. Im Falle der Alleinstellung einer Zeitung ohne Konkurrenz beträgt der Wert 1, vgl. Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven (2007), S. 578 ff. 156 Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven (2005), S. 224. Tabelle 9 – Zeitungsdichte in deutschen Großstädten. 157 In den zehn Jahren zwischen 1954 und 1964 war ein Verlust an Zeitungsdichte von 0,4 Zeitungen zu verzeichnen, sie sank von 2,7 auf 2,3 Zeitungen pro Kreis. Vgl. Tabelle 9 – Zeitungsdichte. 158 Tabelle 1 – Zeitungsangebot in deutschen Großstädten.
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Entsprechend nahm in der Zeit zwischen 1989 und 1993 auch der prozentuale Anteil der Ein-Zeitungskreise etwas deutlicher zu und stieg von 48,8 % auf 54,5 % an, wo er sich derzeit bei weiterhin leicht steigender Tendenz hält. 159 c) Zwischenergebnis Der deutsche Zeitungsmarkt ist zwar konzentriert, aber mit knapp 140 publizistischen Einheiten, ca. 350 Verlagen als Herausgebern und ca. 1500 Ausgaben (2006) noch vielfältig. Das hohe Konzentrationsniveau ist vor allem den Marktentwicklungen zwischen 1967 und 1976 geschuldet – in dieser Zeit nahmen sowohl die Zahl der Zeitungen bzw. der Ausgaben, Verlage als Herausgeber und der publizistischen Einheiten als auch die Zeitungsdichte spürbar ab. Nach 1976, und damit auch nach Einführung der Pressefusionskontrolle im GWB, war die Konzentrationsentwicklung hingegen deutlich abgeschwächt bzw. der Markt aufgrund der vorangegangenen Konzentrationswelle verfestigt. Seither dominieren im lokalen bzw. regionalen Zeitungsmarkt Monopole oder Duopole bei entsprechend geringer Wettbewerbsintensität. 160 Ferner verfügen die großen Verlage, allen voran der Axel Springer Verlag, die WAZ-Gruppe, die Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung und die Ippen-Gruppe, über „außergewöhnliche Ressourcen“ 161, aufgrund derer sie aus ihren Positionen kaum zu verdrängen sind. Damit erklärt sich zugleich, warum in der Zeit der drastischen Anzeigenverluste seit 2001 kein deutlicher Konzentrationsanstieg oder gar eine mit den Entwicklungen in den 1970er-Jahren vergleichbare Konzentrationswelle nachgewiesen wurden. Zwar ist eine im Vergleich zur wirtschaftlichen Entwicklung verzögerte Reaktion nicht auszuschließen, doch erscheint ein entsprechender Effekt nicht sehr wahrscheinlich. Denn während in den 1970er-Jahre die Konjunkturkrise und Konzentrationswelle parallel verliefen, scheint jedenfalls die Konzentrationsentwicklung seit der Einführung der Pressefusionskontrolle weniger sensibel auf konjunktur- oder strukturbedingte wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren. Bedenklich ist indessen, dass die Neugründungen, die z. B. wirtschaftlich bedingte Zeitungseinstellungen in Zeiten der Krise im Anzeigenmarkt im Ansatz auffangen konnten, primär der Bevölkerung in den Großstädten zugute kommen, in denen bereits eine umfassende Auswahl vorhanden ist. Trotz diverser Neugründungen und einer seit 1993 quasi stagnierenden Zahl publizistischer Einheiten steigt nämlich die Zahl der Ein-Zeitungskreise weiter.
159 160 161
Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven (2005), S. 228 ff. Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 397. Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 442.
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
2. Abschnitt
Funktion und normative Sicherung von Wettbewerb und der Schutz publizistischer Vielfalt Der nationale Gesetzgeber misst dem ökonomischen Wettbewerb und der Sicherung von Vielfalt im Pressemarkt eine besondere Bedeutung bei und ist daher bestrebt, diese zu schützen (§ 1). Das gesetzgeberische Instrumentarium der Wahl zur Umsetzung dieser Ziele ist aktuell die im GWB normierte Pressefusionskontrolle (§ 2).
§ 1 Konzept der Wettbewerbs- und der Vielfaltssicherung Die besondere Bedeutung des ökonomischen Wettbewerbs beruht auf den ihm zugesprochenen zentralen gesellschaftlichen und ökonomischen Funktionen, die in der geltenden Rechtsordnung u. a. durch das Instrument der Fusionskontrolle geschützt werden sollen (I). 162 Doch verfolgen die Gesetzesverfasser mit der Fusionskontrolle insbesondere im Pressemarkt nicht ausschließlich das Ziel des Schutzes des ökonomischen Wettbewerbs. Getragen von der Idee, dass ökonomischer Wettbewerb auch einen Beitrag zu Sicherung publizistischer Vielfalt zu leisten vermag, wird mit der Fusionskontrolle im Pressemarkt auch angestrebt, publizistische Vielfalt zu sichern (II). 163 I. Konzept der Wettbewerbssicherung Bevor auf die spezifischen Aspekte der Wettbewerbssicherung im Pressemarkt eingegangen wird, sind zunächst die ökonomische Bedeutung von Wettbewerb (1), die im GWB umgesetzten Theorien zur Verwirklichung von Wettbewerb (2) und die Wirkweise eines zentralen Instruments der Wettbewerbssicherung im GWB – der Fusionskontrolle (3) – zu beleuchten.
162 Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 25 ff. Vgl. hierzu auch: Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2001), S. 2. Grundlegend zu den Funktionen des Wettbewerbs: Kantzenbach, Erhard, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, (1967), S. 15 ff. und: Herdzina, Klaus, Wettbewerbspolitik, (1999), S. 25 ff. 163 Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 494; Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 9.
2. Abschn.: Funktion und normative Sicherung von Wettbewerb
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1. Funktionen von Wettbewerb Unter der verfassungsrechtlich offenen Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes 164 wird derzeit das Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft 165 praktiziert. Aktivitäten von Produzenten und Konsumenten werden in diesem System nicht von einer zentralen Instanz, sondern individuell von den Wirtschaftsteilnehmern geplant, welche als selbstständige Wirtschaftssubjekte freien Zugang zum Markt haben und sich als Anbieter und Nachfrager im Markt wirtschaftlich betätigen. Grundlage einer solchen Marktwirtschaft ist der Wettbewerb, der als vielschichtiges Phänomen nur bedingt einer positiven Definition zugänglich ist. 166 Unter anderem wird unter wirtschaftlichem Wettbewerb das selbstständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender Anbieter oder Nachfrager nach Geschäftsverbindungen mit Dritten durch In-Aussicht-Stellen möglichst günstiger Angebote verstanden. Weiter vereinfacht kann er auch als das Streben von erwerbswirtschaftlich handelnden Unternehmen nach Gewinnmaximierung durch die Erhöhung von Marktanteilen beschrieben werden. 167 Aus wirtschaftpolitischer Sicht führt Wettbewerb zu einer Steuerung des Angebots nach Präferenzen der Nachfrage und koordiniert damit die Aktivitäten der Marktteilnehmer. Beispielsweise bilden sich durch das freie Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern Preise, die dem Anbieter zeigen, wo Produktionsfaktoren am sichersten eingesetzt werden können, und die zugleich den Nachfragern Hinweise geben, wie sie ihren Bedarf am günstigsten decken 164 Vgl. „Investitionshilfe-Urteil“ von 1954, BVerfGE 4, 7, 17 ff.: „Das Grundgesetz garantiert weder die wirtschaftspolitische Neutralität der Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt noch eine nur mit marktkonformen Mitteln zu steuernde „soziale Marktwirtschaft“. Die „wirtschaftspolitische Neutralität“ des Grundgesetzes besteht lediglich darin, dass sich der Verfassungsgeber nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden hat. Dies ermöglicht dem Gesetzgeber, die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet.“ 165 Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft, das von Ludwig Erhard zum Leitbild der deutschen Wirtschaftspolitik („Wohlstand für Alle“, 1957) erhoben wurde, soll auf der Basis der Marktkoordinierung des Privateigentums gleichermaßen für wirtschaftliche Dynamik und sozialen Ausgleich sorgen. Dabei ist auch Aufgabe des Staates, eine konstante Wettbewerbsordnung sicherzustellen und wettbewerbswidriges Verhalten von Marktteilnehmern zu beschränken. Vgl. auch: Bunte, Hermann-Josef, Einführung zum GWB, in: Bunte, Hermann-Josef / Langen, Eugen, (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht – Band I (2006), Rn. 42 ff. 166 Schmidt, Ingo, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, (2005), S. 1 ff. 167 Fikentscher, Wolfgang / Borchardt, Knut, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkungen, Marktbeherrschung, (1957), S. 15: „Wirtschaftlicher Wettbewerb ist das selbständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender Anbieter oder Nachfrager (Mitbewerber) nach Geschäftsverbindungen mit Dritten (Kunden) durch Inaussichtstellen möglichst günstiger Geschäftsverbindungen.“
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
können. Daneben werden dem Abnehmer Wahlalternativen geboten, die diesem ermöglichen, schlechte oder überteuerte Leistungen zu sanktionieren, was sowohl preisstabilisierend wirkt als auch den Anbieter zu Qualitätsverbesserungen und Innovationen anhält. In seiner gesellschaftspolitischen Funktion wirkt Wettbewerb vor allem auf eine in der Tendenz ausgeglichene Machtverteilung hin und schützt so den Einzelnen vor einer Abhängigkeit von seinen Vertragspartnern. Ferner zeigt er gegenüber dem Monopol soziale Vorzüge: Da Wettbewerb auf eine gerechte Verteilung von Ressourcen hinwirkt, hilft er, wenn auch nicht alle, so doch ein Höchstmaß an Bedürfnissen zu befriedigen. Er kann z. B. auf im Vergleich zum Monopol niedrigere Preise hinwirken und verteilt zudem das Vermögen in der Gesellschaft – im Gegensatz zum Monopol – tendenziell zugunsten des Verbrauchers. 168 Dieses weitgehend 169 anerkannte Verständnis von der prinzipiellen Leistungsfähigkeit der Märkte und der Überlegenheit der dezentralen Entscheidung wird der weitergehenden Bearbeitung zugrunde gelegt. 2. Wettbewerbsmodelle und deren Berücksichtigung im GWB Zahlreiche Wettbewerbstheorien widmen sich der Frage nach Art und Umfang der Verwirklichung von Wettbewerb. Die Grundzüge einzelner im GWB umgesetzter Theorien sollen hier in aller Kürze vorgestellt werden. 170 Vorab sei darauf hingewiesen, dass das GWB, das aus dem Jahre 1957 stammt 171 und als das Grundgesetz der Marktwirtschaft bezeichnet wird 172, losgelöst von den ersten in Deutschland geltenden Kartellrechtsnormen 173, der Kartellverordnung aus dem Jahre 1923 174, entstand; Grundlage war vielmehr das Besatzungsrecht der westlichen Siegermächte. Aktuell gilt das GWB in seiner 7. Novelle vom 07. Juni 2005. 175 168
Stellvertretend für viele: Herdzina, Klaus, Wettbewerbspolitik, (1999), S. 25 ff.; Schmidt, Ingo, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, (2005), S. 28 ff.; Kling, Michael / Thomas, Stefan, Grundkurs Wettbewerbs- und Kartellrecht, (2004), S. 269. 169 Zum Zielkonflikt zwischen dem gesellschaftspolitischen Ordnungskonzept eigentumsverteilender und machtbrechender Sozialgerechtigkeit und dem wettbewerblichen Ordnungskonzept einer grundrechtsrelevanten Eigentumsbeschränkung (sozialstaatliche Distribution vs. rechtsstaatlicher Intervention) vgl.: Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 12 ff; 77 ff. 170 Schmidt, Ingo, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, (2005), S. 170. 171 BGBl. 1957 I, S. 1081, in Kraft getreten am 01. Januar 1958. 172 Bunte, Hermann-Josef, Einführung zum GWB, in: Bunte, Hermann-Josef / Langen, Eugen, (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht – Band I (2006), Rn. 44. 173 Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 493; Die Kartell-Verordnung hat indes die auf ihr aufbauende Rechtspraxis des GWB beeinflusst, Bechtold, Rainer, Einführung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 3. 174 RGBl. 1932 I, S. 943.
2. Abschn.: Funktion und normative Sicherung von Wettbewerb
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Entscheidend beeinflusst wurde das GWB von der „Freiburger Schule“ 176 und dem sogenannten ordoliberalen Modell. 177 Neben den Verweisen auf die Theorie des vollständigen Wettbewerbs, die ein Fundament des ordoliberalen Modells darstellt 178, finden sich in der Regierungsbegründung zum GWB allerdings auch Bezüge zur Idee des dynamischen Wettbewerbs. 179 Grundlage der Lehre des Ordoliberalismus ist die Unterscheidung zwischen der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenordnung, dem Ordo, und dem tatsächlichen Wirtschaftsprozess. Dem Staat kommt in diesem System die Aufgabe zu, einen Ordnungsrahmen für die Wirtschaft zu schaffen, innerhalb dessen Marktteilnehmer frei agieren. Ziel ist es, auf diese Weise das individuelle und eigeninteressierte Handeln zu fördern und zugleich in gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Bahnen zu lenken. Leitmotiv für eine solche die „Spielregeln“ gestaltende Ordnungspolitik ist das Prinzip des Leistungswettbewerbs. Nach diesem Prinzip sollen wirtschaftliche Erfolge ausschließlich auf der Erfüllung der Konsumentenwünsche, nicht aber auf den Wettbewerb einschränkenden oder politisch erzeugten Begünstigungen begründet sein. Eines Rahmens bedarf es insoweit, als der freie Markt – ohne ordnende Strukturen – eine Tendenz zur Selbstauflösung zeigt. Allerdings ist Grundlage des ordoliberalen Modells eine Idealvorstellung von einem vollständigen Wettbewerb, der als ein grundsätzlich umsetzenswerter theoretischer Ansatz zu verstehen ist, welcher jedoch in seiner Absolutheit nicht realisierbar ist. 180
175 Letzte Neufassung vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2521), geändert durch die 7. GWB-Novelle vom 1. Juli 2005, BGBl. I v. 12. 7. 2005, S. 1954. 176 Das Deutschland der späten dreißiger Jahre war von Kartellvereinbarungen sowie einer sehr zurückhaltend in den Wirtschaftsablauf eingreifenden Politik geprägt. Als Reaktion auf diese Wirtschaftspolitik, die es nicht schaffte die wirtschaftpolitischen Probleme dieser Zeit zu lösen, begründete Walter Eucken mit Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth die Forschungstradition, die „Freiburger Schule“ genannt wird. Sie stellt eine eigenständige deutsche Variante des Neoliberalismus dar. 177 Rittner, Fritz, Wettbewerbs- und Kartellrecht, (1999), § 5, Rn. 36 ff. 178 Vgl. RegE des GWB von 1957, BT-Drucks. II 1158, S. 22: „Erhaltung der vollständigen Konkurrenz in einem möglichst großen Umfang“. Das Modell der vollständigen Konkurrenz ist als statisches Gleichgewichtsmodell zu verstehen. Danach wird der paretooptimale Zustand angestrebt. Dieser soll dann erreicht sein, wenn es nicht mehr möglich ist, durch eine Veränderung der Tausch- oder Produktionsverhältnisse den Wohlstand eines Wirtschaftssubjekts zu erhöhen, ohne den Wohlstand eines anderen zu vermindern. Ziel der Wettbewerbspolitik war, eine möglichst große Annäherung an diesen Zustand zu erreichen. 179 Vgl. RegE des GWB von 1957, BT-Drucks. II 1158, S. 31.: „Wie sich aus den Ausführungen des Teiles A der Begründung ergibt, ist als Wettbewerb das Streben zu betrachten, durch eigene Leistung, die nach Qualität oder Preis besser ist als die Leistung anderer Unternehmen, den Verbraucher zum Abschluss eines Vertrages zu veranlassen.“
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Die statische Idee des vollständigen Wettbewerbs wird im GWB 181 daher durch das Konzept des dynamischen bzw. funktionsfähigen Wettbewerbs 182 ergänzt. Im Vordergrund der Wettbewerbspolitik steht danach nicht mehr nur die Reaktion auf Abweichungen vom vermeintlichen Idealzustand. Vielmehr orientiert sie sich daran, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um in Bezug auf die Aufgaben des Wettbewerbs bestmögliche Ergebnisse hervorzubringen. Nach diesem Ansatz können beispielsweise Marktungleichgewichte oder sonstige Unvollkommenheiten des Wettbewerbs, die in einer dynamischen Wirtschaft z. B. durch innovative Marktteilnehmer entstehen, insoweit hingenommen werden, als ihnen Vorteile der Innovation und die Aussicht, dass sich diese durch den weiterhin dynamischen Wettbewerb zurückbilden, entgegenwirken. Gefährliche Oligopole oder Monopole unterliegen gewiss weiterhin der ordoliberalen Rahmengesetzgebung. Diesem Ansatz entsprechend erkennt das GWB den Wettbewerb als rechtliches Ordnungsprinzip an und schafft einen Ordnungsrahmen für bestimmte Formen von Wettbewerbsbeschränkungen, wie z. B. Kartellvereinbarungen, einseitige Beschränkungen oder Zusammenschlüsse. Daneben finden sich zur Sicherung eines funktionsfähigen Wettbewerbs auch konkrete Ausnahmen vom optimalen Wettbewerbsprinzip, mithilfe derer ausnahmsweise besonders schützenswerte außerwettbewerbliche Belange der Allgemeinheit berücksichtigt werden können. Die Regelung der Ministererlaubnis in § 42 GWB stellt eine solche Abweichung vom ordoliberalen Modell dar. Dieser Ansatz, nach dem beispielsweise um des bestmöglichen Fortschritts willen auf die Verwirklichung übriger Wettbewerbsfunktionen teilweise verzichtet werden kann, birgt die Gefahr, dass die staatliche Wirtschaftspolitik das Kartellrecht für „beliebige wirtschaftpolitische Ziele“ instrumentalisiert und Wettbewerb als ein Ziel von vielen ansieht, welches sie – entgegen dem ordoliberalen Grundsatz – im Endeffekt der staatlichen Verwaltung unterwirft. 183 Aufgabe des Gesetzgebers muss es daher sein, in diesem System eine ausgewogene Linie zwischen funktionsfähigem und vollständigem Wettbewerb zu finden.
180 Zusammenfassend: Schmidt, Ingo, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, (2005), S. 7 ff. Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 5. 181 Jede Novelle und auch die Praxis des Kartellamtes machte eine Ablösung vom Modell des vollständigen Wettbewerbs deutlich, vgl. Rittner, Fritz, Wettbewerbs- und Kartellrecht, (1999), S. 127. 182 Kantzenbach, Erhard, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, (1967). 183 Rittner, Fritz, Wettbewerbs- und Kartellrecht, (1999), S. 128 ff.
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3. Fusionskontrolle als mögliche Reaktion auf eine Verschlechterung der Marktstruktur Wettbewerb zwingt, wie beschrieben, Anbieter dazu, Preise anzupassen und ihre Leistungen konstant zu optimieren; andernfalls riskierten sie, aus dem Markt gedrängt zu werden. Einige Wettbewerber vermeiden es gleichwohl, sich dieser Konkurrenz tatsächlich auszusetzen, und versuchen, durch wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen ihre Wettbewerber aus dem Markt zu drängen und ihre eigene Marktposition zu stärken. Der Gesetzgeber ist bestrebt, durch das GWB entsprechende wettbewerbsschädliche Strategien zu unterbinden. So wird zum einen mit der Verhaltenskontrolle wettbewerbswidrigen oder -schädigenden Verhaltensweisen, z. B. einem Boykott oder einer Lieferverweigerung, entgegengetreten. 184 Mit der Strukturkontrolle reagiert das Gesetz auch auf die Verschlechterung der Marktstruktur durch Kartelle und – darauf wird hier weiter einzugehen sein – Fusionen. Fusionieren Unternehmen, werden bisher selbstständige Marktteilnehmer durch Anteils- oder Vermögenserwerb zu einem einheitlichen Unternehmen zusammengeführt oder kapitalmäßig verflochten. 185 Damit stellen Fusionen zunächst Verhaltensweisen dar, die als privatautonome unternehmerische Handlung grundsätzlich möglich und zulässig sind und von denen u. U. sogar leistungssteigernde und wettbewerbsfreundliche Effekte ausgehen. 186 Überschreiten Unternehmenszusammenschlüsse indes einen gewissen Umfang, können Fusionen zur Erlangung von Marktmacht und zur Verringerung von Wettbewerb führen. Diese Fusionen gelten als potenziell wettbewerbsschädlich, da aus ihnen z. B. im Gegensatz zu eher instabilen Absprachen und Verträgen in einem Kartell eine dauerhafte Umgestaltung der Marktstruktur resultieren kann. Die Fusionskontrolle (§§ 35 ff. GWB), die seit 1973 187 als Strukturkontrolle neben der Verhaltenskontrolle zentraler Regelungsgegenstand des GWB ist 188, hat die Aufgabe, einer übermäßigen, als schädlich empfundenen Unternehmenskonzentration zu begegnen. Sie stellt damit ein – im Gegensatz zum repressiven 184 Picot, Arnold / Heger, Dominik K., Braucht das Internet eine neue Wettbewerbspolitik? – Ein globales Problem aus deutscher Perspektive, in: Zerdick, Axel / Picot, Arnold / Scharpe, Klaus / Burgelman, Jean-Claude / Siverstone, Roger, (Hrsg.), E-merging Media (2004), S. 343. 185 Vgl § 37 GWB; zum Begriff des Zusammenschlusses m.w. N.: Ruppelt, Hans-Jürgen, § 37 GWB – Zusammenschluss, in: Bunte, Hermann-Josef / Langen, Eugen, (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht – Band I (2006), Rn. 1 f. 186 Möschel, Wernhard, Das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, (1983), S. 447. 187 Zweites Gesetz zur Änderung des GWB vom 03. 08. 1973, BGBl. I S. 917. Die bis 1973 geltende Fassung enthielt lediglich eine Publizitätsregelung mit beschränktem Anwendungsbereich. 188 Möschel, Wernhard, Das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, (1983), S. 41.
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Missbrauchsverbot – präventives Instrument dar, das zwar nur möglicherweise wettbewerbsfördernd wirkt, aber zugleich mögliche dauerhafte Wettbewerbsbeschränkungen verhindert. Ansatzpunkt der Fusionskontrolle ist die Kontrolle des externen Wachstums 189 von Unternehmen, soweit durch den Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird. Dabei wirkt die Fusionskontrolle nicht allein über das Instrument der Fusionsuntersagung, für die eine Prognoseentscheidung mit einer nachvollziehbaren Beurteilung anhand empirischer Umstände notwendig ist. Sie wird vielmehr über die Anzeige und Anmeldung von Fusionen hinaus durch eine beobachtende Zusammenschlusskontrolle der Monopolkommission flankiert, welche gem. § 44 Abs. 1 GWB die „Anwendung der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle“ zu würdigen hat und damit eine wichtige Aufgabe im System der Strukturkontrolle erfüllt. II. Vielfaltssicherung als spezifischer Aspekt der Wettbewerbssicherung im Zeitungsmarkt Da privatwirtschaftlich organisierte Presseunternehmen am Markt nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in inhaltlicher bzw. publizistischer Hinsicht konkurrieren, ist ein zentrales Anliegen der Fusionskontrolle im Pressemarkt neben der Sicherung der gesellschaftlichen und ökonomischen Wirkungen des Wettbewerbs 190 die Sicherung des publizistischen Wettbewerbs und der publizistischen Vielfalt. 191 Vermittels einer inhaltlichen und quantitativen Näherung (1) soll zunächst der Begriff der publizistischen Vielfalt für die weitere Bearbeitung präzisiert werden. 192 Daran anknüpfend, wird auf das Verhältnis von Wettbewerb und Vielfalt und die sogenannte Vielfaltsthese eingegangen. (2) 189 Internem Wachstum von Unternehmen soll mit der Fusionskontrolle nicht begegnet werden, da einer durch internes Wachstum erlangten marktbeherrschenden Stellung weniger Gefahrpotential beigemessen wird. 190 Zum funktionsfähigen Wettbewerb im Pressebereich vgl. Greiffenberg, Horst / Zohlnhöfer, Werner, Pressewesen, in: Oberender, Peter, (Hrsg.), Marktstruktur und Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland: Branchenstudien zur dt. Volkswirtschaft (1984), S. 584 ff.; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 43. 191 „Der Gesetzgeber setzte [...] darauf, durch eine Gewährleistung wirtschaftlichen Wettbewerbs auf den verschiedenen Pressemärkten einen Beitrag zur Erhaltung der Funktionsbedingungen der freien Presse und damit auch von Meinungsvielfalt zu leisten“, vgl. Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 494. 192 Dazu u. a.: Gerhardt, Erwin, „Pressevielfalt“ – ein oft gebrauchter, doch ungeklärter Begriff, AfP (1980), S. 200: „Angesichts so häufiger Verwendung in wichtigem Zusammenhang sollte man annehmen, es müsse sich hier um einen Begriff handeln, der so hinreichend geklärt sei, dass allgemeines Einverständnis über seinen Inhalt besteht. Dies ist aber ist ein frommer Glaube.“ Ebenso: Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 11: „Eine auch nur annähernd exakte, an sachlichen Kriterien orientierte Grenze, bis zu der die Gesamtzahl der selbständigen Presseorgane im
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1. Publizistische Vielfalt als Element des Pressewettbewerbs a) Inhaltliche Unterscheidbarkeit als Kernaussage der Vielfalt Der Pressemarkt ist zweifelsohne dann als publizistisch vielfältig anzusehen, wenn er eine größtmögliche Vielzahl von unterscheidbaren Informationen und Meinungen bereithält. 193 Dass die (inhaltliche) Unterscheidbarkeit ein Vielfaltsmerkmal ist, zeigt sich bereits im Grundrecht der Pressefreiheit selbst, welches die „freie Auswahlmöglichkeit“ schützt. Denn eine Freiheit ohne Wahlmöglichkeit wäre wertlos, und eine tatsächliche Wahlmöglichkeit kann nur zwischen Ungleichem, d. h. Unterscheidbarem, bestehen. 194 Entsprechend definiert das Bundesverfassungsgericht im sogenannten SpiegelBeschluss 195 den Begriff der Pluralität. Es führt darin aus, dass sich die freie Bildung öffentlicher Meinung in einem freiheitlich demokratischen Staat notwendig „pluralistisch“ und damit „im Widerstreit verschiedener aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen vor allem in Rede und Gegenrede vollzieht“. Zentrales Kriterium von Pluralität ist damit auch nach dieser Definition der Widerstreit verschiedener, d. h. unterscheidbarer, Motive und Auffassungen. Später, im ersten Fernsehurteil 196, konkretisiert das Gericht sein Verständnis von Pluralität, als es feststellt, dass „innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierende PresseunterBundesgebiet absinken darf, ohne dem Vielfaltsgebot zu widersprechen, ist in der Diskussion um die Pressekonzentration bisher nicht genannt worden.“ Vgl. auch: Woldt, Runar, Probleme der Messung von Vielfalt, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik – Mehr Medien – mehr Inhalte? (1992), S. 186 ff.: „Angesichts der zentralen Bedeutung, die der Vielfalt in der einschlägigen Literatur über Funktionen des Mediensystems in demokratischen Gesellschaften beigemessen wird, ist es erstaunlich, wie dünn bisher die konzeptionelle und empirische Basis des Begriffs „Vielfalt“ selbst geblieben ist.“. Vgl. Schütz, Walter, Probleme der Pressekonzentrationsforschung, in: Knoche, Manfred / Zerdick, Axel / Klaue, Siegfried, (Hrsg.), Probleme der Pressekonzentrationsforschung – Materialien zur interdisziplinären Medienforschung (1980), S. 22 f.: „Zur Definition der Zeitschrift gibt es so viele Varianten wie es Forscher gegeben hat, die sich mit dieser Frage beschäftigen.“ 193 Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? (1992), S. 10; Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, Media Perspektiven (1992), S. 357 ff. 194 Pressekommission, Schlussbericht der Pressekommission – BT-Drucks. V/3122, (1968), S. 39. 195 BVerfGE 12, 113, 125. 196 BVerfGE 12, 205, 261.
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nehmen“ existieren und so die Notwendigkeit einer rundfunkspezifischen Konzentrationskontrolle neben der wettbewerblichen Fusionskontrolle, der auch die Presse unterliegt, begründete. 197 Auch in diesem Urteil wählt das Gericht – diesmal neben einem quantitativen Aspekt, der „relativ großen Zahl“ von am Markt tätigen Presseunternehmen – mit den Merkmalen der Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung abermals inhaltliche Differenzierungsmerkmale zur Bestimmung von Vielfalt. In einem nachfolgenden Urteil zum Tendenzschutz wird dieser Ansatz erneut bestätigt. Das Gericht führt aus: „Ihre [der Presse] Aufgabe ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt ihrer bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten.“ 198 Im Hinblick auf das Kriterium der inhaltlichen Unterscheidbarkeit ist jedoch zu beachten, dass die Bewertung inhaltlicher Vielfalt tatsächlich kaum oder nur sehr schwer leistbar ist. Abgesehen davon, dass ein Maßstab, der sich auf Inhalte bezieht, funktional und mit Blick auf die Pressefreiheit und Zensurregelung verfassungsrechtlich bedenklich ist, fehlt eine konzeptionelle und empirische Basis für die inhaltliche Bewertung von „Vielfalt“. 199 Dies rückt die auch vom Verfassungsgericht erwähnte quantitative Betrachtung von Vielfalt in den Vordergrund. b) Quantitative Betrachtung von Vielfalt – Vielfalt als Zielwert Meinungsvielfalt ist im Umfang unbeschränkter als Pressevielfalt und folglich nicht mit ihr gleichzusetzen. 200 Während es unendlich viele auch unausgesprochene Meinungen geben kann, ist die Vielzahl der Presseerzeugnisse aufgrund ihrer Natur mehrfach begrenzt, sodass keine „wie auch immer geartete Presseorganisation“ 201 die theoretisch denkbare Vielzahl von Meinungen wiedergeben können wird. 202 Umgekehrt kann eine (theoretisch unbestimmte) Vielzahl von Presseerzeugnissen auch nicht zwingend mit Meinungsvielfalt gleichgesetzt wer197 So auch: Gerhardt, Erwin, „Pressevielfalt“ – ein oft gebrauchter, doch ungeklärter Begriff, AfP (1980), S. 201. 198 BVerfGE 52, 283, 296 ff. 199 Ein Maßstab, der sich auf Qualität bezieht, wäre allerdings funktional und mit Blick auf die Pressefreiheit und Zensurregelung rechtlich bedenklich. 200 „[...] im Grunde wird Vielfalt mit Vielfalt definiert – weil es kaum anders geht.“ Vgl. Lerche, Peter, Beteiligung Privater im Rundfunkbereich und Vielfaltsstandard, NJW (1982), S. 1676 ff.; Roellecke, Gerd, Die Garantie der Pressefreiheit und Maßnahmen gegen die Pressekonzentration, BB (1968), S. 1440; Gerhardt, Erwin, „Pressevielfalt“ – ein oft gebrauchter, doch ungeklärter Begriff, AfP (1980), S. 202; Zur Einschränkung des Begriffs Pressevielfalt siehe auch: Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? (1992), S. 10. 201 Roellecke, Gerd, Die Garantie der Pressefreiheit und Maßnahmen gegen die Pressekonzentration, BB (1968), S. 1437 ff.
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den. So begründet eine Vielzahl von Pressestimmen sicher dann keine Pressevielfalt, wenn es sich um gleichgeschaltete Presseerzeugnisse handelt. Aber auch dann, wenn das Angebot nicht mehr verarbeitet werden kann oder es nicht mehr gewollt ist, fallen Vielfalt und Vielzahl auseinander. Diese Erkenntnisse bestätigen nicht nur die Bedeutung des inhaltlichen Merkmals von Vielfalt. Vielmehr erklären sie auch, weshalb die Bestimmung von publizistischer Vielfalt von einer mathematisch sauberen Ermittlung weit entfernt ist und sich bis heute keine Werte oder Zahlen durchgesetzt haben, mit denen eine Grenze ausgedrückt wird, oberhalb oder unterhalb derer die publizistische Vielfalt beginnt oder endet. 203 Zwar hielt es die Pressekommission 204 für erforderlich, die Höchstgrenze der Marktanteile von Presseunternehmen festzulegen: Die Gefährdung der Pressefreiheit soll danach bei einem Marktanteil eines Presseunternehmens von 20% an der Gesamtauflage beginnen, die unmittelbare Beeinträchtigung der Pressefreiheit sei bei einem Marktanteil von 40 % erreicht. Doch ist insoweit auf Herzog 205 zu verweisen, der ausführt: „So sicher es ist, dass schon ein Marktanteil von 20% eine erhebliche Gefahr darstellen kann, wenn er wirklich zentral gelenkt ist und wenn überdies feststeht, dass damit ein nachhaltiger Lenkungseffekt auf die Leser ausgeübt wird, so nachdrücklich muss doch auch darauf hingewiesen werden, dass der Nachweis einer solchen Gefahr nicht einfach mit dem Nachweis eines solchen Marktanteils geführt werden kann.“
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Gerhardt, Erwin, „Pressevielfalt“ – ein oft gebrauchter, doch ungeklärter Begriff, AfP (1980), S. 202. 203 Mit einer Darstellung unterschiedlicher Ansätze: Knoche, Manfred, Einführung in die Pressekonzentrationsforschung, (1978), S. 413 ff; Zur der ebenfalls an Zahlen, nämlich auf Grundlage des Index zur Messung von Konzentration, orientierten Form der Messung von Vielfalt, die in den USA angewandt wird, dem sog. „Diversity Index“.: Baker, C. Edwin / Kübler, Friedrich, Sicherung der Meinungsmacht durch mehr Vielfalt?, Media Perspektiven (2004), S. 81. Vgl. auch: Schütz, Walter, Pressekonzentration, in: Arndt, Helmut, (Hrsg.), Die Konzentration in der Wirtschaft (1971), S. 669: „Erst mit der Verringerung des Marktangebotes und mit der Minderung der Markteintrittschancen für neue Objekte wird die Pressekonzentration zum kommunikationspolitischen und damit auch zum allgemeinpolitischen Problem. Dieser Schwellenwert [....] kann nicht generell bestimmt werden.“ 204 Die „Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik“, die (nach ihrem Vorsitzenden, dem ersten Präsidenten des Bundeskartellamts, Dr. E. Günther) „Günther-Kommission“ genannt wird, war auf Veranlassung des Bundestages 1967 gegründet worden. In einem vorläufigen Bericht vom 8. November 1967 untersuchte die Kommission die Struktur der deutschen Tagespresse, die Konzentration von Auflagen, Anzeigen- und Werbeumsätzen und schlug Sofortmaßnahmen zur Unterstützung kleinerer Presseunternehmen vor. Der Abschlußbericht analysiert die Folgen der Pressekonzentration für die Meinungsfreiheit und bietet Lösungen an. 205 Vgl. Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 188.
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Soll publizistische Vielfalt in Zahlen gefasst werden, können entsprechende Werte mithin nur einen Orientierungswert darstellen. 206 Im Kontext der Vielfalt des Rundfunks spricht daher das Bundesverfassungsgericht auch von einem „Grundstandard“ gleichgewichtiger Vielfalt, womit ebenfalls zum Ausdruck gebracht wird, dass publizistische Vielfalt lediglich eine Näherung sein kann, die nicht eine arithmetische Gleichheit von Meinungsrichtungen, sondern die Möglichkeit, für verschiedene Meinungsrichtungen gehört zu werden, verlangt. 207 Das Dilemma, dass eine quantitative Bestimmung von Vielfalt nicht mehr als ein Zielwert sein kann und eine qualitative Bewertung von Inhalten nicht leistbar ist, versucht Schütz 208 mit den Kategorien der Ausgaben, Verlage als Herausgeber und der publizistischen Einheit auf der Grundlage der Zeitungsstichtagssammlung aufzulösen. Da von Zeitungen unterschiedlicher Gestalt und Herkunft unterschiedliche Inhalte erwartet werden, zeichnet Schütz mit der Erfassung abweichender Regionalseiten (Ausgaben), einem ungleichen Impressum (Verlage als Herausgeber) oder – unabhängig von der verlegerischen Struktur – einem andersartigen Zeitungsmantel quasi eine zu erwartende variierende inhaltliche Gestaltung auf. 209 Er stellt insoweit auf den Leser ab und misst, aus wie vielen unterscheidbaren Quellen er sich informieren kann. Diese als qualitative Näherungsgröße festgelegten Werte erlauben im Ergebnis nicht nur die Messung einer quantitativen, sondern auch einer qualitativen Veränderung der Presse. Auch wenn diese Näherung nicht zwingend 210 etwas über die redaktionelle und verlegerische Struktur unter einem publizistischen Blickwinkel bzw. die publizistische Vielfalt des Pressemarkts aussagt, stellt sie doch einen pragmatischen und praktikablen Ansatz dar, der zumindest indizielle Bedeutung 211 hat und derzeit noch alternativlos ist. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf ihn zurückgegriffen werden.
206 BVerfGE 73, 118, 156; vgl. auch für den Rundfunk: Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 139. 207 BVerfG 12, 205, 261; 57, 295 ff, 323. 208 Erstmals: Schütz, Walter J., Die Zeitungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland 1976, Media Perspektiven (1978), S. 225 ff.; Schütz, Walter, Die Zeitungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland, Publizistik (1966), S. 13 ff.; 443 ff. Vgl. oben für Erläuterungen zur Stichtagssammlung. 209 Z. B. Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven (2005), S. 205. 210 Ob die Statistik den Pressemarkt tatsächlich unter einem publizistischen Blickwinkel widerspiegelt, ist schwer zu belegen: Menke-Glückert, Peter, Der Medienmarkt im Umbruch. Ein aktueller Leitfaden, (1978), S. 144 f. 211 Auf die einzelnen Verfahren zur Vielfaltsmessung bezogen: Uwer, Dirk, Medienkonzentration und Pluralismussicherung im Lichte des europäischen Menschenrechts der Pressefreiheit, (1998), S. 37.
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2. Die sogenannte Vielfaltsthese und der Vorrang des außenpluralistischen Modells Ein zentrales Anliegen der Fusionskontrolle im Pressemarkt ist neben der Sicherung der gesellschaftlichen und ökonomischen Wirkungen des Wettbewerbs 212 die Sicherung des publizistischen Wettbewerbs und der publizistischen Vielfalt. 213 In der Regierungsbegründung zur 3. GWB-Novelle heißt es demgemäß: „Im Pressewesen, in dem es in besonderem Maße auf die Vielfalt des Angebots auch im regionalen und lokalen Bereich ankommt und das überwiegend von mittleren und kleineren Unternehmen getragen wird, reicht eine auf Großzusammenschlüsse begrenzte Fusionskontrolle nicht aus.“ 214 Trotz dieses expliziten „publizistischen“ Ziels richtet sich die Fusionskontrolle für Zeitungen allein nach den für alle Zusammenschlüsse geltenden materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen. 215 Die Gesetzesverfasser verfolgen damit, getragen von der Vorstellung, dass eine Vielfalt in der Eigentümerstruktur eine vorherrschende Meinungsmacht verhindern kann, das Ziel, durch die ausschließlich kartellrechtlich konzipierte Fusionskontrolle publizistische Konzentration mittelbar zu verhindern. 216 Demgemäß konstatiert das Bundesverfassungsgericht zur Frage, ob die Pressefusionskontrolle ein „allgemeines Gesetz“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG darstellt, auch Folgendes 217: „Dass der 3. GWB-Novelle auch medienpolitische Motive zugrunde lagen, ist für die Allgemeinheit dieser Regelungen ohne Bedeutung. Nach ihrer objektiven Funktion und ihrer legislatorischen Zielsetzung dienen sie in erster Linie der Bekämpfung wirtschaftlicher Macht. Die Pressefusionskontrollnovelle hat keine Sonderkriterien spezifisch publizistischen Wettbewerbs eingeführt, sondern bei völliger Identität der materiellen Eingriffskriterien mit denen der allgemeinen Fusionskontrolle lediglich spezifische Anpassungen an Sonderstrukturen der Pressemärkte gebracht.“
212 Zum funktionsfähigen Wettbewerb im Pressebereich vgl. Greiffenberg, Horst / Zohlnhöfer, Werner, Pressewesen, in: Oberender, Peter, (Hrsg.), Marktstruktur und Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland: Branchenstudien zur dt. Volkswirtschaft (1984), S. 584 ff.; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 43. 213 „Der Gesetzgeber setzte [...] darauf, durch eine Gewährleistung wirtschaftlichen Wettbewerbs auf den verschiedenen Pressemärkten einen Beitrag zur Erhaltung der Funktionsbedingungen der freien Presse und damit auch von Meinungsvielfalt zu leisten“, so: Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 494. 214 BT.-Drucks. 7/2954, S. 5. 215 Geerlings, Jörg, Pressefusionskontrolle contra Pressefreiheit, AfP (2004), S. 330. 216 Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 494. 217 BVerfG AfP 1985, S. 107; BVerfG WuW / E VG. 307 – Münchner Anzeigenblätter.
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Die Idee, dass wirtschaftlicher Wettbewerb mit publizistischer Vielfalt einhergeht („Vielfaltsthese“), wird in der Literatur zwar vielfach geteilt 218, ist aber gleichwohl nicht unumstritten. 219 So wird vorgetragen, Vielfalt sei ebenfalls in einem Oligopol vorstellbar, da wirtschaftlich in einem Verlag gebundene Presseerzeugnisse gleichermaßen in einen publizistischen Wettbewerb treten könnten. 220 Ferner käme es für publizistische Vielfalt im Sinne inhaltlicher Unterscheidbarkeit weniger auf die Vielfalt der Presseerzeugnisse als auf die Vielfalt in der Zeitung an, schließlich könne der Leser regelmäßig sowieso nur eine Zeitung lesen. 221 Andere Kritiker der „Vielfaltsthese“ verweisen auf die Wirkung 218 Z. B. Günther-Kommission in BT-Drucks V/2403, nach deren Auffassung eine große Vielfalt von Meinungsträgern die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass dem Bürger eine vielfältig gefächerte Information von Meinungen und Tatsachen gegeben werden kann. Vergleichbar äußerte sich auch Mestmäcker, der ausführte, dass „Maßnahmen gegen die Verlagskonzentration [...] im Verhältnis zur publizistischen Konzentration [...] den Charakter von Vorbeugemaßnahmen haben. Bei wirtschaftlich selbständigen Einheiten ist die Gefahr der Gleichschaltung geringer als bei abhängigen Einheiten.“ Vgl. Mestmäcker, Ernst-Joachim, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, (1978), S. 30; Entsprechend auch Kleinsteuber, Hans J. / Thomaß, Barbara, Medienkonzerne, Medienökonomie und Konzentrationskontrolle, in: Altmeppen, Klaus Dieter / Karmasin, Matthias, (Hrsg.), Medien und Ökonomie, Band 2: Problemfelder der Medienökonomie (2004), S. 145: „Aus demokratiebegründender Sicht schließlich überwiegt die Einschätzung, dass ein Mangel an publizistischer Vielfalt, der mit Konzentrationsprozessen einhergeht, Meinungsvielfalt und damit einem breiten Diskurs in einer pluralistischen Gesellschaft abträglich ist.“ Vgl. auch Engel, Christoph, Rundfunk in Freiheit, AfP (1994), S. 188. 219 Kull, Edgar, Pressekommission und Pressefreiheit, DÖV (1968), S. 863; Glotz, Peter / Langenbucher, Wolfgang R., Der mißachtete Leser, (1993), S. 165; Wessely, Karin, Das Recht der Fusionskontrolle und Medienfusionskontrolle, (1995), S. 247. Weitergehend zur Diskussion: Mestmäcker, Ernst-Joachim, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, (1978), S. 107 ff.; Trettenbein, Harald, Interventionsmöglichkeiten gegen Medienkonzentration, in: Bruck, Peter A., (Hrsg.), Medienmanager Staat (1996), S. 185 ff.; Maag, Harald, Medienkonzentration – zur Reichweite des fusionskontrollrechtlichen Instrumentariums, (2002), S. 59 ff.; Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 9 ff.; Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 6 ff.; Mestmäcker, Ernst-Joachim, Konzentration und Wettbewerb im Presseverlagswesen, AfP (1978), S. 3 ff; Deck, Markus / Siefarth, Christoph, Sicherung des Pluralismus durch Medienkonzentrationskontrolle, AfP (1993), S. 641 ff.; Sengelmann, Hartwig, Wie wirken Verlagsfusionen auf die publizistische Vielfalt?, AfP (1978), S. 178 ff.; Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 7.;Czajka, Dieter, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe“ der Presse, (1968), S. 158 ff.; Roellecke, Gerd, Die Garantie der Pressefreiheit und Maßnahmen gegen die Pressekonzentration, BB (1969), S. 1438; Groß, Rolf, Machtkonzentration im Pressewesen, DVBl (1970), S. 340; Kull, Edgar, Pressekommission und Pressefreiheit, DÖV (1968), S. 861 ff.; Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 90.; Amann, Matthias, Zeitungsfusionskontrolle, (2000), S. 19 ff.; m.w. N. auch: Wiring, Roland, Pressefusionskontrolle im Rechtsvergleich, (2008), S. 161 ff. 220 Glotz, Peter / Langenbucher, Wolfgang R., Monopol und Kommunikation, Publizistik (1968), S. 137 ff., 150 ff.
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des Nachfragemarktes, in der Marktkräfte auch ohne Kontrolle publizistische Vielfalt herbeiführten, da der Medienkonsument nicht Einheit, sondern Vielfalt wolle und daher bestrebt sei, sich nicht nur über eine Sicht der Dinge zu informieren, sondern auch andere Meinungen kennenzulernen. Darüber hinaus habe der Markt auch insoweit vielfaltserhaltende Wirkung, als es ohne Fusionskontrolle wahrscheinlicher sei, dass ein kleines Unternehmen in einem großen aufginge, als dass Meinungen durch Konkurs gänzlich vom Markt „verschwänden“. 222 Nach wiederum anderer Auffassung sei Meinungsmacht gar vielfaltsfördernd, weil gerade wirtschaftlich starke Medienkonzerne weniger gewinnträchtige Projekte trügen und damit auch dem Interesse einer vielfältigen Medienlandschaft dienlich seien. 223 Darüber hinaus könnten wirtschaftlich starke und konzentrierte Medienunternehmen eine von Politik und Werbewirtschaft autonomer Stellung innehaben. Entsprechend war z. B. auch Axel Springer 224 der Meinung, es sei „irrig anzunehmen, dass Konzentration in der Presse automatisch zu einer Abnahme von Vielfalt führt“ bzw. dass es ein Irrtum sei, „zu glauben, dass die Vielfalt sich proportional zur Zahl der Eigentümer von Zeitungen und Zeitschriften erhöht“. Vielmehr könne eine strikt wettbewerbsorientierte Fusionskontrolle im Pressemarkt versagen, wenn ein wettbewerbspolitisch unbedenklicher Zusammenschluss medienpolitisch unerwünschte Folgen mit sich brächte. Wieder andere meinen, dass es zur Herstellung publizistischer Vielfalt gar nicht ausreiche, dass Presseunternehmen am ökonomischen Wettbewerb teilnähmen und 221 Glotz, Peter / Langenbucher, Wolfgang R., Der mißachtete Leser, (1993), S. 165 f.; Stammler, Dieter, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, (1971), S. 362 ff., Glotz, Peter / Langenbucher, Wolfgang R., Monopol und Kommunikation, Publizistik (1968), S. 137 ff.; M. w. N. hierzu auch Wiring, Roland, Pressefusionskontrolle im Rechtsvergleich, (2008), S. 150, der dies als „binnenpluralistisches Modell“ bezeichnet. 222 Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 91. 223 Maag, Harald, Medienkonzentration – zur Reichweite des fusionskontrollrechtlichen Instrumentariums, (2002), S. 58; Amann, Matthias, Zeitungsfusionskontrolle, (2000), S. 19: Konzentration führe zu Kosteneinsparungen. Dies solle in der Folge dann dazu führen, dass das Unternehmen günstiger produziere und damit Einsparungen für das publizistische Angebot nutzbar gemacht werden könnten, da publizistische Vielfalt eine gewisse Mindestgröße von Unternehmen brauche, um Ressourcen zu bündeln und in der Folge attraktive Produkte am Markt anzubieten. Würden daher Gewinne durch Größenvorteile in die publizistische Qualität gesteckt, könne Konzentration auch Vorteile haben. So könnten die Kosten der Produktion eigenständiger publizistischer Leistungen größere Pressekonzerne eher aufbringen als kleine. Letztere beschränkten sich häufig auf die Aufbereitung von Agenturmeldungen, so dass deren Existenz insoweit keinen relevanten Beitrag zur Pressevielfalt leisten könnte. Die Bündelung der Ressourcen führe darüber hinaus dazu, dass Unternehmen international wettbewerbsfähiger sind und damit auch nationale Interessen förderten, wie z. B. kulturelle Identität. 224 Springer, Axel, Marktanteil-Begrenzung? Stellungnahme zum Schlußbericht der „Pressekommission“, Beiträge zur Zeitgeschichte des Verlagshauses Axel Springer Nr. 4 (1968), S. 7, 8.
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nach Marktanteilen strebten. Ökonomischer Wettbewerb würde gerade dazu Anlass geben, Präferenzen der Konsumenten zu erfüllen, und daher bedinge eine solche Marktstruktur eine Orientierung an der Masse, einem „More of the same“, was die Gefahr eines Verzichts auf Differenzierungen und einer Verflachung des Angebots beinhalte. 225 Den Kritikern der Vielfaltsthese, so unterschiedlich deren Einwände auch sind, kann dahin gehend beigepflichtet werden, dass es keine automatische Gleichsetzung von wirtschaftlicher und publizistischer Vielfalt geben kann. Denn wenn auch die Verknüpfung von ökonomischem Wettbewerb und Pressevielfalt seit der Kommerzialisierung des Pressewesens nicht bestreitbar ist 226, zeigt sich diese nicht nur in der Logik der Vielfaltsthese, sondern ist in verschiedensten Spielarten nachweisbar. Ein Konzentrationsvorgang kann sich, abhängig vom Gesamtumfeld, für den Pluralismus positiv oder negativ auswirken. 227 Doch auch wenn keine zwingende Kausalität oder eine lineare Beziehung zwischen ökonomischer Struktur und publizistischem Ergebnis existiert 228, ist damit die Vielfaltsthese, soweit sie davon ausgeht, dass eine Vielfalt wirtschaftlich selbstständiger Verlage eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit für Meinungsvielfalt begründet 229, nicht widerlegt. Es ist zwar sicherlich richtig, dass eine Vielzahl der Leser Informationen regelmäßig nur aus einer Zeitung bezieht und auch eine Zeitung allein eine Vielfalt von Meinungen widerspiegeln bzw. eine Wirtschaftseinheit eine Vielzahl unterscheidbarer oder redaktionell unabhängiger Presseprodukte am Markt absetzen kann. Ferner kann nicht bestritten werden, dass publizistische Vielfalt durchaus eine Dimension wirtschaftlicher Stärke aufweist. Schließlich ist es möglich, dass bei geringer wirtschaftlicher Macht Meinungen unter Umständen weniger nachdrücklich oder nachhaltig vorgetragen werden oder marktmächtige Unternehmen einen Beitrag zur Vielfaltsförderung leisten, indem sie z. B. Nischenprodukte unterstützen oder innovative neue Produkte einführen.
225 Vgl. Trafkowski, Armin, Medienkartellrecht, (2002), S. 9; Holznagel, Bernd, Konzentrationsbekämpfung im privaten Rundfunk, ZUM (1991), S. 268. 226 BVerfGE 25, 256, 265. 227 Europäische Kommission, Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt – Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion, (1992), Kom 92, 480 endg. 228 Kiefer, Marie-Louise, Konzentrationskontrolle -Bemessungskriterien auf dem Prüfstand, Media Perspektiven (1995), S. 58 f. Vgl. auch: Uwer, Dirk, Medienkonzentration und Pluralismussicherung im Lichte des europäischen Menschenrechts der Pressefreiheit, (1998), S. 36. 229 Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, Vorbemerkung vor § 35 GWB, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 56.
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Daraus folgt indes lediglich, dass es aus ökonomischer 230 und publizistischer Perspektive falsch wäre, marktstarke Unternehmen ausschließlich als Störer anzusehen. 231 Aus dieser Erkenntnis zugleich den Schluss zu ziehen, dass publizistische Vielfalt allein von einem Verlag erwartet werden kann und Konzentration hinzunehmen ist, wäre unrichtig. Abgesehen davon, dass jedes Medium nur einen unvollständigen Überblick aller Meinungen und Themen geben kann und es daher für den Rezipienten von zentraler Bedeutung ist, aus einer Vielzahl von unabhängigen Quellen wählen zu können, ist das Maß der pluralisierenden Kraft marktmächtiger Unternehmen gänzlich unbestimmt. Vielfalt kann nämlich nicht lediglich isoliert anhand der aktuellen, tatsächlichen Existenz von Presseunternehmen, sondern muss stets auch mit Blick auf die Gefahr publizistischer Gleichschaltung betrachtet werden. So ist z. B. eine tatsächlich auf interner Organisation beruhende publizistische Vielfalt regelmäßig nur dem konkreten Verleger zu verdanken und bedarf seiner bewussten Förderung. Kommt es zu einer Veränderung an der Konzernspitze oder einer für den wirtschaftlichen Erfolg des Verlages bedeutsamen Komponente, kann dies auf der Grundlage der verlegerischen Entscheidung auch ohne weitere Hindernisse zu publizistischer Gleichschaltung führen – mit der Gefahr der Verdrängung einzelner Produkte vom Markt, der Manipulation der öffentlichen Meinung, der Unterdrückung von Informationen sowie der Marktsperrung von neuen Produkten. Es ist nicht zu bezweifeln, dass in einem Pressemarkt mit einer Vielzahl von Anbietern neben dem reinen Ideenwettbewerb auch wirtschaftlicher Wettbewerb mit den damit verbundenen Chancen und Risiken existiert. Dabei erscheint die Chance einer unabhängigen und kontroversen Meinungsbildung bei wirtschaftlich voneinander unabhängigen Unternehmen größer als im Fall der Gleichschaltung. 232 Umgekehrt steigt bei wachsender ökonomischer Macht das Risiko publizistischer Dominanz. Denn insbesondere aufgrund der im Pressemarkt bestehenden hohen Marktzutrittsbarrieren kann eine verstärkte Konzentration sowohl langfristig zu einer Reduktion der Zahl der Mitarbeiter als auch der Zahl der aktuellen und potenziellen Anbieter und tendenziell zu einer Reduktion des Innovationsdrucks auf die am Markt agierenden Unternehmen führen. Dadurch erhöht sich wiederum die Gefahr von Informationsunterdrückung und Qualitätsund Vielfaltseinbußen für den Konsumenten. Wettbewerb zwischen Presseunternehmen kann daher auch die Einhaltung journalistischer Qualitätsstandards 230 Lerche, Peter / Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen einer Neuordnung der Mißbrauchsaufsicht, (1979), S. 14. 231 Degenhart, Christoph, Bestandsschutz für die Presse, AfP (1987), S. 654. 232 Vgl. Chill, Hanni / Meyn, Hermann, Massenmedien – Vielfalt und Aufgaben der Printmedien, Informationen zur Politischen Bildung (1998), S. 18. Vgl. auch Mestmäcker, Ernst-Joachim, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, (1978), S. 42.
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sichern. Während das Risiko gleichgeschalteter Manipulation bei wirtschaftlicher Rivalität geringer ist, sinkt im Falle mangelnder Konkurrenz der Anreiz zu nachfragenaher Arbeit im Vergleich zum funktionsfähigen Wettbewerb. Jedenfalls ist z. B. für Zeitungen eines Ein-Zeitungskreises eine deutlich geringere Anzahl von Lokalseiten festzustellen als bei Titeln, die in ihrem Verbreitungsgebiet mit anderen Anbietern konkurrieren müssen. Wenngleich also Konzentration nicht zwingend zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs und ebenso wenig Wettbewerb zwangsläufig zu publizistischer Vielfalt führt und damit auch keine notwendige Voraussetzung 233 für publizistische Vielfalt ist, muss Wettbewerb als wesentlicher und hinreichender Beitrag zur Meinungsvielfalt verstanden werden. 234 Wirtschaftlicher Wettbewerb mag nicht der einzige Schutz publizistischer Vielfalt sein, aber doch ein wirkungsvoller. 235 Er bietet eine Basis für einen vielfältigen Pressemarkt und beugt einer übermäßigen Sensibilität von wirtschaftlichen oder politischen Einflüssen vor. Die fehlende Eindeutigkeit der Wirkungskette zwischen ökonomischem und publizistischem Wettbewerb widerlegt damit die Existenz der der Vielfaltsthese zugrunde liegenden Kausalität im Sinne einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit nicht. Überdies kann und wird im System des GWB die Erkenntnis, dass auch marktmächtige Unternehmen positive publizistische Effekte haben können, ohne die Zurückstellung der Bedeutung externer Pluralität durchaus respektiert. Und zwar insoweit, als das Konzept des vollkommenen Wettbewerbs durch den des funktionsfähigen ergänzt und demnach marktmächtige Unternehmen ausnahmsweise und in der Erwartung, dass sie durch den weiteren Wettbewerbsprozess abgebaut werden, über die Sanierungsfusion bzw. die Ministererlaubnis geduldet werden. Damit ist festzuhalten, dass im Verhältnis von Vielfalt und Konzentration ebenso wie im Verhältnis von Wettbewerb und Konzentration eine eindeutige Modellgerechtigkeit und Kausalität nicht nachprüfbar ist und es keinen notwendigen Gleichlauf zwischen wirtschaftlicher und publizistischer Konzentration bzw. wirtschaftlichem und publizistischem Wettbewerb gibt. 236 Begründungsmuster zur Vielfaltssicherung haben folglich zu beachten, dass sich jede „au233
Trafkowski, Armin, Medienkartellrecht, (2002), S. 9. So auch mit ausführlicher Begründung: Wiring, Roland, Pressefusionskontrolle im Rechtsvergleich, (2008), S. 164 ff. 235 Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 54 ff. 236 Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 91., ist der Ansicht, dass „[...]wirtschaftliche Vielzahl keineswegs eo ipso publizistische Vielfalt [garantiert].“ Er bestätigt gleichwohl die Gültigkeit der Vielfaltsthese, deren Schwächen er zugleich aufzeigt. 234
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tomatische“ Gleichstellung verbietet. 237 Abzulehnen sind damit solche Betrachtungsweisen, die eine zwingende Kausalität in die eine oder andere Richtung behaupten. 238 Nicht zu beanstanden hingegen ist die vom Gesetzgeber getroffene Tendenzaussage, dass eine Vielfalt in der Eigentümerstruktur eine vorherrschende Meinungsmacht aus seiner Sicht am effektivsten verhindern kann, dass ökonomischer Wettbewerb eine Basis für einen vielfältigen Pressemarkt bieten und einer übermäßigen Sensibilität von wirtschaftlichen oder politischen Einflüssen vorbeugen kann. Die Vielfaltthese folgt einer durchaus plausiblen Annahme und bewegt sich damit im Rahmen zulässiger gesetzgeberischer Typisierungen. III. Zwischenergebnis Der Gesetzgeber beabsichtigt, mit dem Instrument der Fusionskontrolle die dem ökonomischen Wettbewerb zugesprochenen zentralen gesellschaftlichen und ökonomischen Funktionen zu sichern. Zu diesen Funktionen gehören neben der Koordination der Aktivitäten der Marktteilnehmer und der Steuerung des Angebots nach den Präferenzen der Nachfrager u. a. die Preisstabilisierung, die Schaffung von Anreizen zur Qualitätsverbesserung und zu Innovationen sowie die Stärkung der Auswahlfreiheit des Abnehmers. Zur Frage, wie bzw. inwieweit Wettbewerb tatsächlich zu realisieren ist, werden verschiedenste Wettbewerbstheorien vertreten. Entscheidend beeinflusst wurde das GWB von der „Freiburger Schule“ und dem sogenannten ordoliberalen Modell, dessen Grundlage die Unterscheidung zwischen der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenordnung, dem Ordo, und dem tatsächlichen Wirtschaftsprozess ist. Da allerdings Grundlage des ordoliberalen Modells eine Idealvorstellung von einem vollständigen Wettbewerb ist, der in seiner Absolutheit nicht realisierbar sein kann, wird die statische Idee des vollständigen Wettbewerbs im GWB durch das Konzept des dynamischen bzw. funktionsfähigen Wettbewerbs ergänzt. Dieser orientiert sich daran, bestmögliche und nicht ideale Wettbewerbsergebnisse hervorzubringen, und lässt damit ausnahmsweise Ausnahmen vom optimalen Wettbewerbsprinzip zu, wenn auf diese Weise z. B. besonders schützenswerte außerwettbewerbliche Belange der Allgemeinheit berücksichtigt werden können. Auch mit dem Instrument der Fusionskontrolle, die Rechtgrundlage für ein präventives Verbot von übermäßigen oder als schädlich empfundenen Unternehmenszusammenschlüssen ist, verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Sicherung ökonomischen Wettbewerbs und seiner Funktionen. Im Pressemarkt wird die gesetzgeberische Intention allerdings noch um eine weitere legislatorische Zielsetzung ergänzt – den Schutz publizistischer Vielfalt. Grundlage dieses presse237 238
Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 43. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 44 ff.
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spezifischen Schutzkonzepts ist die These, dass ökonomischer Wettbewerb einen Beitrag zu Sicherung publizistischer Vielfalt zu leisten vermag. Zwar sieht sich diese Vielfaltsthese Einwänden ausgesetzt, doch ist sie als Tendenzaussage, nach der Vielfalt in der Eigentümerstruktur vorherrschende Meinungsmacht verhindern kann und ökonomischer Wettbewerb die Wahrscheinlichkeit für den Erhalt eines vielfältigen Pressemarkt erhöht, plausibel. Auch wenn Wettbewerb keine Garantie für publizistische Vielfalt liefert, schafft er doch die Rahmenbedingungen dafür. Diese Bedingungen abzusichern, ist Aufgabe der Pressefusionskontrolle.
§ 2 Pressefusionskontrolle nach dem GWB Die Pressefusionskontrolle des GWB, die mit der 3. GWB-Novelle im Jahr 1976 in das Gesetz aufgenommen wurde und nach vereinzelten Anpassungen (I) auch noch aktuelle Geltung beansprucht, stellt eine branchengebundene Modifikation allgemeiner Wettbewerbsregeln dar. 239 Sie ist ein gesetzgeberisches Instrument, das der Sicherung des ökonomischen Wettbewerbs dient, von dem allerdings zugleich positive Effekte für die publizistische Vielfältigkeit des Pressemarktes erwartet werden. Die normative Umsetzung dieser gesetzgeberischen Intention soll an dieser Stelle dargestellt werden (II). I. Einführung und Modifikationen der Pressefusionskontrolle im GWB Die erste Fassung des GWB, welche im Jahr 1958 in Kraft trat, enthielt keine Regelungen zu Kontrolle von Zusammenschlüssen. Diese unterlagen nach § 23 GWB a. F. nur einer Anzeigepflicht, soweit die darin benannten Aufgreifschwellen erreicht waren. Auch in der ersten Novelle des GWB vom 03. 01. 1966 240 fand das Instrument der Fusionskontrolle noch keine Berücksichtigung. Die Novelle enthielt vielmehr lediglich eine Präzisierung und Erweiterung der Anzeigepflicht für Unternehmenszusammenschlüsse, was allerdings nichts an der sehr eingeschränkten Effektivität der Regelung änderte. 241 Die als „überfällig“ 242 empfundene Fusionskontrolle wurde schließlich in der 2. GWB-Novelle aus dem Jahr 1973 243 ins GWB aufgenommen (§ 23 ff. GWB 239
Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1060. BGBl. 1966 I, S. 37. 241 Daneben wurde die Freistellungsfähigkeit von Spezialisierungskartellen eingeführt, § 5 GWB a. F. und ein allgemeiner Missbrauchstatbestand geschaffen, § 22 Abs. 3 GWB a. F. 242 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 13. 243 BGBl. 1973 I, S. 917. 240
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a. F.); während des politischen Meinungskampfes um den Erlass dieser Novelle diskutierte pressespezifische Regelungen hingegen wurden nicht in geltendes Recht umgesetzt. Damit galt die mit der 2. Novelle ins Gesetz eingeführte „allgemeine“ Fusionskontrolle weiterhin einheitlich für alle Arten von Unternehmen, folglich auch für Presseunternehmen. Da sie jedoch wie das gesamte GWB in erster Linie auf industrielle Warenmärkte ausgerichtet war, beschränkte sich ihr Wirkungsbereich mit den damals geltenden hohen 244 Aufgreifkriterien von 500 Mio. DM Jahresumsatz 245 auf große überregionale Zusammenschlüsse. Ferner wurde aufgrund der Regionalklausel 246, mit welcher Pressebereiche wie Lokalzeitungen oder Anzeigenblätter von der Fusionskontrolle ausgeschlossen waren, die Mehrzahl aller Zusammenschlüsse von Presseunternehmen, die typischerweise dem Mittelstand bzw. dem gehobenen Mittelstand angehörten, nicht von dem Kontrollinstrument erfasst. Im Ergebnis lief die Fusionskontrolle für Presseunternehmen damit weitgehend leer, was starke Konzentrationsbewegungen im Pressemarkt zur Folge hatte. 247 Die sich vor diesem Hintergrund entzündende intensive öffentliche Diskussion über Meinungsmacht und Vielfaltssicherung mündete im Jahr 1976 in der Einführung einer Pressefusionskontrolle in das GWB. Mit der 3. GWB-Novelle, dem sogenannten Pressefusionskontrollgesetz, wurden die quantitativen Voraussetzungen der Fusionskontrolle für den Bereich der Presse verschärft, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 7 GWB a. F., § 38 Abs. 3 GWB n. F. An allen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Regelungen der allgemeinen Fusionskontrolle wurde im Übrigen festgehalten. Demnach war die Fusionskontrolle an das Erreichen bestimmter Umsatzschwellen geknüpft 248, deren Berechnung sich für Presseunternehmen nach einer Sondervorschrift, d. h. einer speziellen Rechenklausel 249, richtete. 250 Nach dieser Presserechenklausel war (und ist) für „den Verlag, die Herstellung und den Vertrieb von Zeitungen 251 und Zeitschriften oder deren 244 Als Vergleichsmaßstab: Der Gesamtumsatz der Springergruppe überschritt im Jahre 1972 die Milliardengrenze, der Zeitschriftenverlag Burda erreichte hingegen 1973 einen Umsatz von 570 Mio. DM. Nachweise bei: Groß, Rolf, Pressekonzentration und Medienpolitik, DVBl (1975), S. 241. 245 Vgl. § 24 Abs. 8 S. 1 Nr. 1 GWB a. F. 246 Vgl. § 24 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 GWB a. F. 247 Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Fusionskontrolle bei Presseunternehmen, BT-Drucks. 8/2265. 248 § 23 Abs. 1 Nr. 2 GWB a. F. (heute § 35 Abs. 1 GWB), der ab einer Gesamtjahresumsatzhöhe der beteiligten Unternehmen von damals 500 Mio. DM eine allgemeine Anzeigepflicht vorschreibt. 249 § 23 Abs. 1 Satz 7 GWB a. F. (heute § 38 Abs. 3 GWB). 250 Bechtold, Rainer, Einführung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 10. 251 Unter Zeitungen im Sinne des § 38 Abs. 3 GWB werden periodische Druckwerke, die fortlaufend über aktuelle Vorgänge berichten, verstanden. Zeitschriften hingegen ver-
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Bestandteilen“ das Zwanzigfache der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen. Demzufolgte setzte die Fusionskontrolle im Pressewesen nicht erst bei einem Gesamtumsatz von damals 500 Mio. DM (heute 500 Mio. Euro 252), sondern bereits ab einem Umsatz von 25 Mio. DM 253 (heute 25 Mio. Euro) ein. Durch diese partielle Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Fusionskontrolle auf Presseunternehmen sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Zeitungsund Zeitschriftenverlage insbesondere auf lokalen und regionalen Märkte agieren, die auch bei verhältnismäßig niedrigen Umsätzen aus wettbewerbspolitischer Sicht als schützenswert galten. 254 Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Fusionskontrolle für Presseunternehmen enthielt die Novelle auch insoweit, als die Anwendung der Anschlussklausel, nach der bei einer Fusion mit einem Unternehmen mit geringen Umsätzen von einer Fusionskontrolle abgesehen wird, für Presseunternehmen explizit ausgeschlossen wurde. Daneben wurde auch die Anwendung der sogenannten Regionalklausel 255, nach der Zusammenschlüsse von nur örtlicher und insoweit grundsätzlich wirtschaftspolisch nicht erheblicher Bedeutung von der Fusionskontrolle ausgenommen waren, für Presseunternehmen ausgeschlossen. Allerdings wurde diese Klausel (und damit auch deren bisher in § 24 Abs. 9 GWB a. F. angeordnete Unanwendbarkeit für die Pressefusionskontrolle) bereits in der 4. GWB-Novelle von 1980 256 aufgehoben. Diese 4. GWB-Novelle, die vor allem eine Verschärfung der Zusammenschlusskontrolle bewirken sollte, enthielt daneben Modifikationen der Missbrauchsaufsicht und Erweiterungen von Diskriminierungs- und Behinderungsverboten. Mit § 23a GWB a. F. wurde ein Vermutungstatbestand für vertikale und konglomerate Zusammenschlüsse einfolgen weniger eine fortlaufende Berichterstattung als die Erörterung einzelner Fragen. Vgl. BKartA WuW / E OLG 2527 – Springer / AZ. Mit den Unternehmen der Herstellung sind Zeitungsdruckereien und mit Unternehmen des Vertriebs sind Unternehmen gemeint, die Zustellungen vornehmen. Vgl. WUW / E OLG 5907 – Tukan / Deil. 252 Die Aufgreifschwellen wurden mit der 6. GWB-Novelle von 500 Mio. DM auf 1 Mrd. DM, bzw. 500 Mio. Euro angehoben. 253 Dies war damals bei Zeitungen in etwa bei einer Auflage von 60.000 –70.000 erreicht. 254 Gesetzesbegründung, BGBl. 1976 I, S. 1697: „Die Begrenzung der (allgemeinen) Fusionskontrolle auf große überregionale Zusammenschlüsse beruht auf der Erwägung, dass im Allgemeinen nur bei solchen Zusammenschlüssen eine Kontrolle wettbewerbspolitisch notwendig ist. Im Pressewesen, in dem es in besonderem Maße auf die Vielfalt des Angebotes auch im regionalen und lokalen Bereich ankommt und das überwiegend von mittleren und kleineren Unternehmen getragen wird, reicht eine auf Großzusammenschüsse begrenzte Fusionskontrolle nicht aus.“ Vgl. hierzu auch Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 400; Möschel, Wernhard, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, (1978), S. 166 ff.; Thiel, Michael H., Presseunternehmen in der Fusionskontrolle, (1992), S. 20. 255 § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 GWB a. F. 256 BGBl. 1980 I, S. 1761.
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geführt, der die Beurteilung solcher Zusammenschlüsse erleichtern sollte. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Fusionskontrolle 257 und die Presserechenklauseln blieben von der Gesetzesänderung unangetastet. Die 5. GWB-Novelle 258 aus dem Jahr 1989 wiederum hatte nach der Begründung des Gesetzentwurfs 259 zum Ziel, „die Instrumente der Fusions- und Verhaltenskontrolle im Hinblick auf die Entwicklung im Handel wirksamer auszugestalten und in den Ausnahmebereichen nicht mehr gerechtfertigte Ausnahmen vom allgemeinen Kartellrecht zu beseitigen“. So wurden Beschaffungskooperationen kleinerer und mittlerer Unternehmen freigestellt 260 und die Kriterien für die Feststellung einer Marktbeherrschung 261 um zwei weitere Merkmale ergänzt: die Fähigkeit des Unternehmens, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen. 262 Außerdem wurden die Zusammenschlusstatbestände erweitert. Der Erwerb von Stimmrechten wurde miteinbezogen 263 und ein neuer Zusammenschlusstatbestand des „wettbewerblich erheblichen Einflusses“ 264 geschaffen. Schließlich wurde die Anzeigepflicht von Unternehmenszusammenschlüssen von der Beschäftigtenzahl abgekoppelt. 265 Die Presseklausel speziell wurde nicht modifiziert. Presseunternehmen waren demgemäß nur durch Änderungen allgemeiner Vorschriften betroffen.
257 Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, Vorbemerkung vor § 35 GWB, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 12. 258 BGBl. 1989 I, S. 2468; dazu z. B.: Martinek, Michael, Unruhe an der Kartellfront – Die 5. GWB-Novelle gegen Industriemarktfixierung und Ausnahmebereichsexzeß, NJW (1990), S. 793 ff. 259 BT-Drucks. 11/4610. 260 In § 5c GWB a. F, seit der 6.GWB-Novelle § 4 Abs. 2 GWB, aufgehoben mit der 7. GWB-Novelle. 261 Im neu gefassten § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB a. F. (heute § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB). 262 Daneben enthielt diese Novelle Modifikationen der Verhaltenskontrolle in § 26 Abs. 1 bis Abs. 4 GWB a. F., außerdem wurden die Ausnahmebereiche des GWB (Verkehr, Banken, Versicherungen) stärker auf das europäische Wettbewerbsrecht ausgerichtet. 263 Nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 GWB a. F. (heute § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB). 264 In § 23 Abs. 2 Nr. 6 GWB a. F. (heute § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GWB). 265 Ferner wurde das Diskriminierungsverbot für marktstarke Unternehmen, § 26 Abs. 2 und 3 GWB, gelockert, das Verbot der unbilligen Konkurrentenbehinderung mit § 26 Abs. 4 GWB wieder ins GWB eingefügt und Ausnahmebereiche, z. B. für Verkehrsunternehmen, die Kredit- und Versicherungswirtschaft und die Versorgungswirtschaft eingeschränkt. Vgl. Bechtold, Rainer, Einführung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 12.
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Acht Jahre später führte die 6. GWB-Novelle 266 zu einer umfassenden Umgestaltung des GWB. Neben einer neuen Nummerierung wurde das Vergaberecht ins GWB einbezogen. Ferner wurde die Fusionskontrolle in ihren Anwendungsvoraussetzungen und im Verfahren wesentlich geändert, was auch Auswirkungen auf pressefusionsspezifische Regelungen hatte. Die Verfahrensänderung beinhaltete insbesondere die Aufgabe der Trennung von anmeldepflichtigen und nicht anmeldepflichtigen Zusammenschlüssen zugunsten einer generellen Anmeldepflicht für Fusionen. Damit galt nun für alle kontrollpflichtigen Zusammenschlüsse (§ 35 GWB) das Prinzip der präventiven Fusionskontrolle, d. h., Zusammenschlüsse waren vor ihrem Vollzug anzumelden (§ 39 GWB) und durften erst nach einer Freigabe durch das Bundeskartellamt vollzogen werden. 267 Die Vermutungstatbestände 268, mit denen die erwarteten Wirkungen von Zusammenschlüssen konkretisiert werden sollten, wurden abgeschafft. Außerdem wurden die pressespezifischen Regelungen auf Fernsehen und Hörfunk erweitert. Neu eingeführt wurde der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB, welcher eine an den Kontrollerwerb der EG-Fusionskontrolle 269 angepasste Generalklausel darstellte. 270 Die materiellen Untersagungsvoraussetzungen für die Grundsätze der Beurteilung von Zusammenschlüssen sind im Rahmen dieser Novelle in § 36 Abs. 1 GWB 271 im Grundsatz beibehalten worden. Die pressespezifische Umsatzberechnung, die in § 38 Abs. 3 GWB festgeschrieben wurden, weicht nur im Wortlaut z.T. von der alten Formel des § 23 Abs. 1 Satz 7 GWB a. F. ab. Allerdings wurden die Aufgreifschwellen im § 35 GWB verdoppelt und in § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB wurde eine zusätzliche Untersagungsvoraussetzung eingeführt, nach der mindestens ein an der Fusion beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. Euro vorzuweisen haben muss. Auch die Umsatzschwellen der Anschlussklausel in § 35 Abs. 2 Nr. 1 GWB wurde erhöht, wobei diese weiterhin gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB auf Presseunternehmen keine Anwendung findet. Bedeutsam für Fusionen zwischen Presse- und Rundfunkunternehmen war indes die Ausdehnung des Umsatz-Multiplikationsfaktors auf 266 Gesetz vom 26. 8. 1998 – BGBl. 1998 I, S. 2521; hierzu m.w. N.: Bechtold, Rainer, Das neue Kartellgesetz, NJW (1998), S. 2769 ff. 267 Daneben wurde die Regelung über Kartelle in den §§ 1 ff. GWB präzisiert. Der Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 Abs. 1 GWB) wurde ein unmittelbar wirkendes Verbot, vgl. Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, Vorbemerkung vor § 35 GWB, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 14. 268 In § 23a GWB a. F. 269 VO 4064/89, EG-Fusionskontrolle von 1989, in Kraft seit 21. September 1990, Amtsblatt L 395 vom 30. 12. 1989. 270 Bechtold, Rainer, Einführung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 15. 271 Im Vergleich zum alten § 24 Abs. 1 GWB.
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die „Herstellung, den Vertrieb und die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen und den Absatz von Rundfunkwerbezeiten“. 272 Die 7. GWB-Novelle 273 aus dem Jahr 2005 schließlich diente insbesondere der Anpassung des nationalen Kartellrechts an die EG-Verordnung Nr. 1/2003. Die bedeutendsten Neuerungen dieser Novelle waren die Abschaffung des Anmeldeund Genehmigungsverfahrens bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und der Übergang zum System der „Legalausnahme“ bei den Ausnahmen vom Kartellverbot. Die Ermittlungsrechte der Kartellbehörden wurden gestärkt und die Bußgeldregelungen verschärft. Wirtschaftsverbänden wurde ein Klagerecht eingeräumt und der einstweilige Rechtsschutz für Dritte wurde verkürzt. Die (allgemeine) Fusionskontrolle unterlag allerdings nur wenigen verfahrensrechtlichen bzw. klarstellenden Änderungen, insbesondere die im Gesetzgebungsverfahren diskutierten Änderungen des Pressekartellrechts und Anpassungen der materiellen Eingriffsnorm des § 36 GWB an die Engriffsnorm des § 2 Abs. 2 und 3 der VO 139/2004 wurden nicht beschlossen. 274 II. Systematik der normativen Kontrolle von Pressefusionen Aufgabe der Fusionskontrolle ist es, eine übermäßige Unternehmenskonzentration, die zu leistungsfeindlichen Verhaltensspielräumen führen kann, zu verhindern. 275 Die Fusionskontrolle ist damit ein Instrument präventiver Kontrolle, weshalb ein Zusammenschluss vor dessen Vollzug beim Bundeskartellamt grds. anzumelden ist, vgl. § 39 Abs. 1 GWB. Soll nach einer an diese Anmeldung anschließenden Prüfung ein Verbot einer Fusion ausgesprochen oder sollen Auflagen bzw. Bedingungen gemacht bzw. erlassen werden, geht dieser Entscheidung typischerweise eine mehrstufige Prüfung voraus. Zunächst ist anhand der Aufgreifkriterien zu überprüfen, ob die konkrete Fusion überhaupt dem Geltungsbereich der Fusionskontrolle des GWB unterliegt (1). Erst wenn dies der Fall ist, stellt sich in einem nächsten Schritt die materiellrechtliche Frage, ob von dem Zusammenschluss zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, § 36 GWB 276 (2). Wird dies bejaht, folgt daraus grundsätzlich, aber nicht zwingend, das endgültige Verbot des Zusammenschlusses. Denn trotz Begründung oder Verstärkung einer 272 Bechtold, Rainer, Medienkartellrecht, AfP (2000), S. 156.; Bechtold, Rainer, Das neue Kartellgesetz, NJW (1998), S. 2772 ff. 273 BGBl. I 2005, S. 1954. 274 Vgl. zu den Änderungen der 7. GWB-Novelle: Bechtold, Rainer, Einführung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 17 ff. 275 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 397. 276 § 24 GWB a. F.
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marktbeherrschenden Stellung kann ein Zusammenschluss durch das Kartellamt erlaubt werden, wenn den beteiligten Unternehmen der Nachweis gelingt, dass mit dem Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen einhergehen, die gegenüber den Nachteilen, die der Zusammenschluss mit sich bringt, überwiegen. Ferner kann auf Antrag durch Ministererlaubnis gem. § 42 GWB eine vom Kartellamt nach § 36 GWB untersagte Fusion für zulässig erklärt werden (3). Ist ein Zusammenschluss bereits vollzogen, obwohl er die Voraussetzungen für eine Untersagung erfüllt, ist im Gesetz die Möglichkeit vorgesehen, derartige Zusammenschlüsse nachträglich aufzulösen (4). 1. Aufgreifkriterien – Eröffnung des Anwendungsbereichs der Fusionskontrolle Ein Zusammenschluss im Sinne des § 37 GWB liegt nach der Generalklausel 277 des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB dann vor, wenn ein oder mehrere Unternehmen 278 die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über ein anderes Unternehmen erwerben, sogenannter Kontrollerwerb. Daneben kann nach den Einzeltatbeständen des § 37 GWB ein Zusammenschluss im Sinne des GWB auch im Falle eines Vermögens- (Nr. 1) oder eines Anteilserwerbs (Nr. 3) gegeben sein bzw. bei Erfüllung des Umgehungstatbestands des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB bejaht werden. Die Erweiterungen und Ausnahmen des Zusammenschlusstatbestands, die in § 37 Abs. 2 und 3 GWB normiert sind, spielen im Pressebereich grundsätzlich keine Rolle. Handelt es sich bei einer Fusion um einen Zusammenschluss im Sinne des § 37 GWB, ist das Fusionskontrollverfahren in einem nächsten Schritt an die Überschreitung der in § 35 GWB festgeschriebenen Umsatzschwellen geknüpft. Diese liegen bei 500 Mio. Euro weltweiter Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 GWB) 279 und – kumulativ – von mindestens 25 Mio. Euro Umsatzerlös eines der an der Fusion beteiligten Unternehmen im Inland (§ 35 277 Vorläufer des § 37 GWB war der § 23 Abs. 2 GWB a. F., der sich noch auf die Aufzählung einzelner Zusammenschlusstatbestände beschränkte. Mit der Generalklausel werden nun fasst alle denkbaren erfasst. Vgl. Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 408. 278 Nach dem weiten Unternehmensbegriff des GWB wird darunter jede selbständige geschäftliche oder auch wirtschaftliche Tätigkeit, d. h. jede nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit einer Person in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen verstanden. Während die Rechtsform oder die Gewinnerzielungsabsicht damit nicht von Bedeutung ist, kommt es entscheidend auf die Ausgrenzung der Sphäre des privaten Verbrauchs und der hoheitlichen Tätigkeit des Staates an. § 36 Abs. 2 GWB erweitert den Unternehmensbegriff auf verbundene (sog. „Verbundklausel“ in S. 1) und Töchterunternehmen (sog. „Mehrmutterklausel“ in S. 2). Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 398 ff. 279 Verdopplung erfolgte durch die 6. GWB-Novelle.
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Abs. 1 Nr. 2 GWB). Relevanter Zeitraum für die Bemessung der Umsatzerlöse ist das letzte Geschäftjahr vor dem Zusammenschluss. Für Presseunternehmen gelten diese Werte nicht. Gemäß § 38 Abs. 3 GWB ist bei Zusammenschlüssen im Pressebereich das Zwanzigfache dieser Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen. Der Umsatz der beteiligten Unternehmen muss damit insgesamt 25 Mio. Euro erreichen, die Minimum-Umsatzschwelle im Inland liegt bei 1,25 Mio. Euro. Auch die in § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB normierte Ausnahme vom Geltungsbereich der Aufgreifschwellen, die sogenannte Anschlussklausel 280, findet gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB keine Anwendung auf Zusammenschlüsse von Presseunternehmen. Die Regelung, die grundsätzlich dazu dient, kleinen und mittleren Unternehmen einen Weg zu eröffnen, ungehindert ihre Selbstständigkeit aufzugeben, um sich großen Unternehmen anzuschließen, wird für den lokal und regional geprägten Pressemarkt ausgeschlossen. Die Bagatellmarktklausel des § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB hingegen, die Märkte ohne gesamtgesellschaftliche Relevanz, d. h. solche, auf denen seit fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf denen im letzten Kalenderjahr weniger als 15 Mio. Euro umgesetzt worden sind, von der Fusionskontrolle ausnimmt, ist gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB auf Fusionen von Presseunternehmen anwendbar. Allerdings gelten auch hier die gem. § 38 Abs. 3 GWB modifizierten Umsatzschwellen. 2. Eingreifkriterien – Untersagungstatbestand Sind die Aufgreifkriterien erfüllt, muss sich der Zusammenschluss an den materiellen Eingreifkriterien der GWB-Fusionskontrolle messen lassen. Nach § 36 Abs. 1 GWB kann das Kartellamt einen Zusammenschluss untersagen oder mit Auflagen und Bedingungen versehen, wenn die Prüfung des Vorhabens ergibt, dass der Zusammenschluss eine beherrschende Stellung auf einem Markt, vgl. § 19 Abs. 2, 3 GWB, begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb eingeschränkt werden kann. Für diese Feststellung ist zunächst der relevante Markt abzugrenzen (a) und daran anschließend der Beherrschungsgrad (b) auf dem jeweiligen Markt festzustellen. a) Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept Die Marktabgrenzung ist nicht zuletzt deshalb ein zentrales Element der Fusionskontrolle, weil sie sich mittelbar auf die Prüfung der Marktbeherrschung und 280 Danach ist die Fusionskontrolle selbst bei Überschreitung der Umsatzschwellen dann nicht anwendbar, wenn sich ein selbständiges Unternehmen, das nicht im Sinne des § 36 Abs. 2 GWB abhängig ist und im letzten Geschäftsjahr weltweit Umsatzerlöse von weniger als zehn Millionen Euro erzielt hat, mit einem anderen Unternehmen zusammenschließt.
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damit die Frage, ob eine Fusion untersagt wird, auswirkt: Je enger die Grenze eines Marktes gezogen wird, umso leichter lässt sich eine Beherrschung bejahen und umgekehrt. 281 Der Gesetzgeber hat sowohl auf eine Definition des Marktes 282 als auch auf die Normierung von Vorgaben für eine tatbestandliche Abgrenzung von Märkten verzichtet. Ebenso wie der Begriff der Marktbeherrschung ist der Begriff des Marktes ein normativer Zweckbegriff, der wertend und mit Blick auf den jeweiligen Schutzzweck zu verstehen ist. 283 Zweck der Marktabgrenzung ist es festzustellen, zwischen welchen Gütern oder Leistungen Wettbewerbsbeziehungen bestehen, und damit überprüfbar zu machen, ob ein Unternehmen durch einen Zusammenschluss eine Position erlangt, in der es der führende Anbieter am Markt ist und sich damit dem Wettbewerb entziehen kann. Nach dem Bundeskartellamt erfolgt die Marktabgrenzung vermittels des sogenannten Bedarfsmarktkonzeptes, das – aus der Sicht der Marktgegenseite – nach der funktionellen Austauschbarkeit des Produkts am Markt fragt. 284 Danach werden in einem Markt „solche Waren bzw. gewerbliche Leistungen“ zusammengefasst, „die aus Sicht der Abnehmer nach Beschaffenheit, Verwendungszweck und Preis als austauschbar angesehen werden“ 285, wobei solche Güter als austauschbar gelten, die nach dem Urteil des durchschnittlichen, vernünftigen Nachfragers denselben Verwendungszweck befriedigen können. Typischerweise wird – auch im Pressemarkt – eine in drei Einzelbetrachtungen aufgeteilte Marktabgrenzung vorgenommen. Danach ist ein Produkt einem Markt zuzuordnen, wenn es sachlich demjenigen des kontrollierten Unternehmens entspricht (sachliche Marktabgrenzung), es räumlich erreichbar (räumliche Marktabgrenzung) und zum gleichen Zeitpunkt wie das Produkt des betroffenen Unternehmens am Markt verfügbar ist (zeitliche Marktabgrenzung). 286 Eine ab281
Markert, Kurt / Emmerich, Volker, Die Praxis der Fusionskontrolle und der Mißbrauchsaufsicht 1984/1985, FIW-Schriftenreihe Schwerpunkte des Kartellrechts (1986), Heft 117, S. 78. 282 Typische allgemeingebräuchliche Definitionen sind solche: Markt im kartellrechtlichen Sinne ist der räumlich und ggf. zeitlich begrenzte Bereich, in dem Unternehmen sachlich vergleichbare Leistungen als Wettbewerber anbieten oder nachfragen, so z. B.: Kling, Michael / Thomas, Stefan, Grundkurs Wettbewerbs- und Kartellrecht, (2004), S. 297. 283 Möschel, Wernhard, § 19 GWB, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 19. 284 Mit US-amerikanischen Antitrustrecht und dem europäische Gemeinschaftsrecht vergleichbar. 285 Merkblatt des BKartA in WuW 1981, S. 183 ff. 286 Bei dieser Abgrenzung nach sachlichen und räumlichen Kriterien steht in der Regel die sachliche Abgrenzung an erster Stelle, denn erst wenn der Markt gegenständlich feststeht, kann seine räumliche und ggf. zeitliche Reichweite bestimmt werden. Vgl. Kling, Michael / Thomas, Stefan, Grundkurs Wettbewerbs- und Kartellrecht, (2004), S. 297.
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schließende Definition des relevanten Marktes ist indes ebenso wenig für den Pressemarkt wie für die übrigen Wirtschaftsbereiche möglich. Diese ist für jeden Einzelfall gesondert vorzunehmen. Im Pressemarkt wird der sachliche Markt in den Lesermarkt, auf dem Verlagsunternehmen ihren Kunden den redaktionellen Informationsteil anbieten, und dem Anzeigenmarkt, dem Werbeteil der Zeitung, aufgeteilt. 287 Hierdurch ist die Verknüpfung von Anzeigen- und Lesermarkt (durch die Anzeigen-Auflagen-Spirale) zwar zunächst aufgehoben, diese kann jedoch später im Rahmen der Prüfung der Marktbeherrschung berücksichtigt werden. 288 Der Lesermarkt wiederum teilt sich in Tages- und Sonntagszeitung 289 sowie Wochenzeitungen auf – eine Differenzierung, die bereits unverbindlich durch die Regierungsbegründung zur 3. GWB-Novelle vorgegeben wurde. 290 Außerdem wird zwischen Abonnement- und Straßenverkaufszeitungen unterschieden 291, wobei nach der herrschenden Praxis der Kartellbehörden diesbezüglich eine weitere Aufteilung der Abonnementzeitungen in überregionale und regionale Abonnementzeitungen angezeigt ist. 292 Diese Aufteilung, die dem ersten Anschein nach auf die Art des Vertriebs des Produkts abstellt, orientiert sich nach Ansicht der Kartellbehörden an der Art, Breite und Tiefe der Berichterstattung sowie der Art der Darstellung. Straßenverkaufszeitungen werden aus diesem Grund auch als Komplementärmedium der Abonnementzeitung verstanden, welches diese nicht 287
Vgl. hierzu: Möschel, Wernhard, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, (1978), S. 83 ff.; Ulmer, Peter, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, (1977), S. 43; Möschel, Wernhard, § 19 GWB, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 30. 288 Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 496. BGH NJW 1982, S. 338 (Voraussetzung marktbeherrschender Stellung bei Zeitungszusammenschlüssen). 289 KG WuW 1986, S. 1051, Gruner & Jahr / Zeit II; BGH WuW 1988, 233; WuW / E BGH 2433, 2437 – Gruner & Jahr / Zeit II. 290 BT-Drucks 7/2954 vom 11. 12. 1974: „Je nach Inhalt, Charakter / Leserkreis, Erscheinungsweise, Vertriebsform und anderen für den Leser entscheidenden Merkmalen der einzelnen Publikationen sind innerhalb der genannten großen Gruppen, z. B. bei Tageszeitungen, mehrere relevante Märkte denkbar [...]. Im Bereich der Presse wird – entsprechend der Leserauffassung – nicht nur zwischen Tages- und Sonntagszeitungen, Wochenblättern sowie Publikumszeitschriften zu differenzieren sein.“ 291 Da ein großer Teil der Leser häufig beide Quellen (Abo- und Straßenverkaufszeitungen) zur Informationsgewinnung nutzt, dienen sie demnach einem unterschiedlichen Informationsinteresse und werden deshalb als nicht funktionell austauschbar angesehen. So: BGH WuW / E BGH 1854 ff. – Straßenverkaufszeitungen; Zeitungsmarkt München. Anders zunächst BKartA WuW / E BKartA 1733, 1734. 292 BGH WuW / E BGH 1854 ff. – Straßenverkaufszeitungen; Zeitungsmarkt München; hierzu auch: Möschel, Wernhard, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, (1978), S. 87 f; Ulmer, Peter, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, (1977), S. 44.
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ersetzt. 293 Soweit sich die Märkte allerdings ungeachtet dieser Trennung beeinflussen, kann dies – wie beim Anzeigen- und Lesermarkt – im Rahmen der Prüfung der marktbeherrschenden Stellung berücksichtigt werden. 294 Für die räumliche Abgrenzung des Marktes schließlich ist ebenso wie bei der sachlichen Marktabgrenzung – mit dem Ziel der Bestimmung der „area of effective competition“ 295 – das Bedarfsmarktkonzept anzuwenden, wobei der räumlich relevante Markt in der Regel dem tatsächlichen Verbreitungsgebiet entspricht. 296 Entscheidend für die Zuordnung zu einem Markt ist hier, ob es für den Abnehmer noch wirtschaftlich sinnvoll ist, Produkte von anderen Orten zu beziehen. Damit kann je nach Typ der Zeitung ein räumlich relevanter Markt auf Ebene des Bundesgebietes (überregionale Zeitungen), aber auch auf regionaler (Hamburg, Berlin), lokaler (Stadtanzeiger) oder sogar sublokaler Ebene (z. B. stadtteilbezogene Anzeigenblätter) eingegrenzt werden. 297 Die Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept ist nicht unumstritten. 298 Sie sieht sich z. B. gerade auf dem Markt der Medien mit dem Problem konfrontiert, dass diese Märkte aufgrund der technischen Entwicklungen einer 293 Der BGH verkennt dabei nicht, dass trotz der unterschiedlichen Marktzuordnung von Abonnement- und Straßenverkaufszeitungen ein relevantes Konkurrenzverhältnis zwischen diesen Tageszeitungserscheinungsformen gibt: „Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass auch vom Vertrieb von Abonnementzeitungen, ungeachtet dessen, dass sie andersartige Bedürfnisse befriedigen und deshalb aus der Sicht der Abnehmer nicht ohne weiteres als funktionell austauschbar anzusehen sind, Einflüsse auf das wettbewerbliche Verhalten von Anbietern von (Straßenver-) Kaufzeitungen ausgehen können. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass sie einen einheitlichen Markt mit Kaufzeitungen bilden. Dabei handelt es sich vielmehr um Wirkungen einer Substitutionskonkurrenz, die nicht zum relevanten Markt gehört.“ Vgl. BGH WuW / E BGH 1854 ff. – Straßenverkaufszeitungen; Zeitungsmarkt München; dazu auch Spieler, Ekkehard, Fusionskontrolle im Medienbereich, (1988), S. 51. 294 BGH WuW / E BGH 1854 ff. – Straßenverkaufszeitungen; Zeitungsmarkt München. 295 Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 497. 296 BGH WuW / E BGH 2195, 2196 – Abwehrblatt II; BGH WuW / E BGH 1685, 1691 – Springer / Elbe-Wochenblatt. 297 BGH WuW / E BGH 2195, 2196 – Abwehrblatt II; BGH WuW / E BGH 1685, 1691 – Springer / Elbe-Wochenblatt. 298 Neben dem Bedarfsmarktkonzept hat die Wettbewerbstheorie das Modell der Kreuz-Preis-Elastizität entwickelt. Bei diesem Konzept wird ebenfalls von der Austauschbarkeit der Leistungen ausgegangen, die Substituierbarkeit richtet sich jedoch nicht nach der von Sacheigenschaften abhängigen funktionalen Austauschbarkeit, sondern stellt vielmehr darauf ab, ob eine hypothetische Preiserhöhung den Nachfrage zum Ausweichen auf anderer Produkte verleiten würde. Führt eine geringe Preiserhöhung eines Gutes zu einem Ausweichen auf ein anderes Produkt, so deutet diese Ausweichmöglichkeit auf einen gleichen sachlichen Markt hin. Vgl. dazu: Möschel, Wernhard, § 19 GWB, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 23 ff.; 33. Vgl. zur Frage Cross-Media-Ownership-Regeln und Perspektiven für eine systemkonforme Weiterentwicklung der Fusionskontrolle und einer Erweiterung der Empfehlung zur
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besonderen Dynamik unterworfen sind und in der zunehmend digitalisierten Medienwelt die Grenzen der jeweiligen Medienformen zusehends verschwimmen. Die Praxis ist damit vor die Aufgabe gestellt, den zusammenwachsenden Medienmarkt im Rahmen der Marktabgrenzung angemessen abzubilden und ggf. derzeit noch getrennte Märkte zu einem medienübergreifenden sachlichen Markt zu verbinden. 299 Gegenwärtig erfolgt eine entsprechende Anpassung noch nicht. Auch wird weder ein einheitlicher Medienmarkt noch die Austauschbarkeit von visuellen und gedruckten Medien im Rahmen der Marktabgrenzung anerkannt. So ging das Kartellamt im Fall der Fusion von ProSiebenSat1/Springer in sachlicher und räumlicher Hinsicht auch von drei relevanten Märkten aus: einem bundesweiten Fernsehwerbemarkt, einem bundesweiten Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen und einem bundesweiten Anzeigemarkt. 300 Zwar kann mit dieser weiterhin engen Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept der veränderten Wirkungskreise der Medien im Rahmen der Prüfung der Marktbeherrschung nicht schlicht vermittels einer Addition der Marktanteile Rechnung getragen werden. Sie kann jedoch aufgrund von marktübergreifenden strukturellen Auswirkungen der Stellung und auch des Verhaltens der fusionierenden Unternehmen sowie den damit verbundenen Abschreckungseffekten Berücksichtigung finden. 301 b) Beherrschungsgrad am relevanten Markt – Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, §§ 36 Abs. 1, 19 Abs. 2 und 3 GWB Ebenso wie der Begriff des Marktes bedarf der Begriff der Marktbeherrschung als normativer Zweckbegriff der wertenden Ausfüllung. Allerdings ist der im Kontext der Fusionskontrolle in § 36 Abs. 1 GWB gebrauchte Begriff der marktbeherrschenden Stellung – anders als der Begriff des Marktes – im Gesetz, nämlich in § 19 Abs. 2 und 3 GWB, d. h. im Zusammenhang mit der Missbrauchsaufsicht, näher erläutert. Von einer Marktbeherrschung ist danach dann auszugehen, wenn ein Zusammenschluss die Marktstruktur in der Form erweiterten Marktabgrenzung m.w. N. Wiring, Roland, Pressefusionskontrolle im Rechtsvergleich, (2008), S. 247 f., 337 f., 673 f. 299 Zur Kritik der engen Marktabgrenzung und zur Frage, ob im Falle cross-medialer Effekte nicht von übergreifenden sachlichen Märkten auszugehen ist: Kuchinke, Björn, Schubert, Jens, Der Beschluss des Bundeskartellamts in Sachen Springer-ProSiebenSat1, WuW (2006), S. 482.; Bohne, Michael, Cross-mediale Effekte in der Fusionskontrolle, WRP (2006), S. 546; Trafkowski, Armin, Medienkartellrecht, (2002), S. 44 ff. 300 BKartA, Az. B 6 – 92202-Fa-103/05, www.bundeskartellamt.de. 301 Es wurde damit im Fall Springer / ProSiebenSat1 ein mit dem Fall Süddeutsche Zeitung / Donau-Kurier, BGH WuW / E 2276, 2283, vergleichbarer Ansatz gewählt. Vgl. auch für den Zeitschriftenmarkt OLG Düsseldorf WuW / E DE-R 1501 –1503 – National Geographic; ZUM-RD (2005), S. 488, 492.
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verändert, dass die Voraussetzungen für wesentlichen Wettbewerb mit großer Sicherheit entfallen, vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB, oder für die zusammengeschlossenen Unternehmen ein übermäßiger Verhaltensspielraum begründet wird, vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB 302, wobei zwischen diesen Alternativen in der Praxis nicht mehr trennscharf unterschieden wird. Die Prüfung der marktbeherrschenden Stellung orientiert sich im Ergebnis an der Frage, „ob mit dem Zusammenschluss eine solche Verschlechterung der Marktstruktur verbunden ist, dass für die beteiligten Unternehmen ein übermäßiger, nicht mehr hinreichend kontrollierbarer Verhaltensspielraum entsteht“ 303. Dem Schutzzweck der Fusionskontrolle entsprechend, nach dem die Wettbewerbsstruktur präventiv gegen die von Unternehmenszusammenschlüssen zu erwartenden Gefahren geschützt werden soll, erfolgt diese Marktbeherrschungsprüfung durch einen Vergleich der vor dem Zusammenschluss gegebenen und der durch den Zusammenschluss zu erwartenden Veränderungen der Unternehmensund Marktstrukturen sowie deren potentiellen Auswirkungen auf den Wettbewerb. Im Rahmen des § 36 GWB bedarf es demgemäß auch einer Prognoseentscheidung über mögliche Entwicklungen des Marktes. 304 Dabei tritt – anders als im Rahmen der Prüfung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gem. § 19 GWB – eine Bewertung des Marktverhaltens in den Hintergrund, und zwar deshalb, weil Aussagen über zukünftiges Verhalten in der Regel nur kurzfristige Intervalle umfassen können bzw. mit großen Unsicherheiten verknüpft und daher schwer zu treffen sind. Vielmehr stellt die Bewertung längerfristiger Marktstrukturveränderungen das zentrale Element der Prüfung der Marktbeherrschung durch Zusammenschluss dar, wobei das Marktverhalten durchaus Berücksichtigung finden kann. 305 Von einer Marktbeherrschung ist auszugehen, wenn die Machtneutralisierung des Wettbewerbs durch die Fusion stärker eingeschränkt ist als vor der Fusion. Einer Spürbarkeit bedarf es insoweit nicht, vielmehr reicht eine Minderung des Wettbewerbsdrucks aus. 306 Die marktbeherrschende Stellung muss allerdings 302 Bzw. durch den Zusammenschluss ein marktbeherrschendes Oligopol im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB entsteht. Die Vermutungen des § 19 Abs. 3 GWB sind dabei anzuwenden, Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 429. 303 Trafkowski, Armin, Medienkartellrecht, (2002), S. 60; BGHZ 79, 62, 67 ff. 304 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 427. 305 Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 123 ff. 306 Vgl. Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 434; Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 10. Die Anforderungen an die Spürbarkeit werden umso geringe, je höher die Marktbeherrschung ist, vgl. BGH WUW / E BGH 1854, 1860 – Straßenverkaufszeitungen; Zeitungsmarkt München.
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kausal durch den Zusammenschluss verursacht worden sein. Diese Zurechnung erfolgt nach der Conditio-sine-qua-non-Formel, deren Kausalitätsanforderungen von der Rechtsprechung weit ausgelegt werden und demgemäß eine Mitursächlichkeit als ausreichend erachtet wird. 307 Ferner können auch positive Wirkungen einer Fusion mit negativen saldiert werden, wobei dies allein für solche Auswirkungen gilt, die auf dem (fusions-)relevanten Markt auftreten. Positive Auswirkungen auf anderen Märkten sind hingegen im Rahmen der Abwägungsklausel 308 zu berücksichtigen. 309 Marktbeherrschungseffekte im Pressemarkt können auf dem Anzeigen- und gesondert auf dem Lesermarkt entstehen. 310 Ferner können Entwicklungen auf beiden Märkten in einer Gesamtbetrachtung eine Marktbeherrschung begründen 311, wodurch im Ergebnis die im Bereich der Marktabgrenzung vorgenommene strikte Markttrennung ausgeglichen werden kann. 312 Die Begründung bzw. Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch eine Gesamtbetrachtung verschiedener Märkte ist nicht zuletzt deshalb besonders relevant, weil regelmäßig die Verstärkung der Position auf dem einen Markt (z. B. durch die Verknüpfung von Anzeigen und Auflage) auch die Verstärkung der Stellung auf einem anderen Markt mit sich bringen wird. Dies gilt nicht nur für den Leser- und den Anzeigenmarkt, sondern ebenso in anderen zunächst sachlich (Abo- und Straßenverkaufzeitungen) getrennten Bereichen, in denen ebenfalls wechselseitige Verstärkungswirkungen auftreten können. 313 Für die im Rahmen der Fusionskontrolle notwendigen Voraussagen über zukünftige Marktentwicklung ist es hilfreich, auf Erfahrungssätze zurückzugreifen. Wichtigster, aber nicht alleiniger Faktor ist insoweit, neben der Finanzkraft bzw. den Umsätzen, der Marktanteil der zusammengeschlossenen Unternehmen. 314 Da z. B. die Struktur der Lesermärkte in erster Linie durch die Auflagen der jeweiligen Zeitungen geprägt ist, muss die Veränderung von Beteiligungsverhältnissen an den einzelnen Verlagen jedenfalls nicht zwingend zu 307
BGH WuW / E BGH 2743, 2747 f. – Stormaner Tageblatt. Vgl. Teil 1, 2. Abschnitt, § 2, II., 3, a – Abwägungsklausel – Verbesserung der Wettbewerbsbdingungen – § 36 Abs. 1, 2 Halbsatz GWB. 309 Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 4. 310 BGH WuW / E BGH 1685, 1691 Anzeigenmakrt, Elbe-Wochenblatt I. 311 BGH WuW / E BGH 1854, 1856 – Straßenverkaufszeitungen; Zeitungsmarkt München BGH WuW / E BGH 2443 ff. – Südkurier / Singener Wochenblatt. 312 Vgl. hierzu: Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 23. 313 KG WUW / E KG 4379 ff., 4385. 314 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 430 f. 308
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einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 36 Abs. 1 GWB führen. 315 Sie kann vielmehr sowohl anhand der Auflagenhöhe im Verbreitungsgebiet 316 als auch anhand des Anteils der Vertriebserlöse an den Gesamterlösen bestimmt werden. Auch für die Marktmacht auf dem Anzeigenmarkt findet sich keine einheitliche Bemessungsgrundlage. Zumeist werden Anzeigenerlöse auf dem jeweils einschlägigen Markt ermittelt und gegeneinander abgegrenzt. Zum Teil werden auch Auflagen berücksichtigt oder wird auf den Gesamtumsatz bzw. Gewinn abgestellt. Die allgemeine finanzielle Absicherung, die Struktur des Unternehmens und die Breite des Angebots werden zur Bewertung der Marktentwicklung – auf beiden Märkten – ebenfalls herangezogen. Ist eine Marktanteilsaddition nicht möglich, dienen als relevante Kriterien für die Bewertung einer zu erwartenden marktbeherrschenden Stellung ferner die Wahrscheinlichkeit des Marktein- oder -austritts anderer Unternehmen oder der Abbau marktbeherrschender Positionen durch zu erwartende Innovationen, Marktöffnungen oder Veränderung des Abnehmerverhaltens. 317 Schließlich kann in die Bewertung der Marktbeherrschung einbezogen werden, wie wahrscheinlich es ist, dass kleinere Konkurrenten durch den Zusammenschluss abgeschreckt werden, wettbewerbliche Aktivitäten auf dem entsprechenden Markt zu entwickeln. 318 Die Bewertung einer Fusion anhand ihres „Abschreckungs- und Einschüchterungseffekts“ 319 auf andere Marktteilnehmer ist insbesondere in Fällen von vertikalen oder konglomeraten Zusammenschlüssen relevant, wie z. B. bei der Fusion von ProSiebenSat1 und Springer 320. Denn gerade in diesen Fällen ist eine Marktanteiladdition nur schwer möglich. Im bereits stark konzentrierten Pressemarkt werden die benannten Faktoren typischerweise auf eine nachteilige Marktentwicklung hindeuten, denn eine Fusion wird aufgrund hoher Marktzutrittsbarrieren regelmäßig nicht zu einer Öffnung der Märkte führen, und auch eine positive Veränderung des Abnehmerverhaltens 315 Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 22. 316 BGH WuW / E BGH 1854, 1856 – Straßenverkaufszeitungen; Zeitungsmarkt München. 317 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 428 f. 318 BGH WuW / E BGH 2795, 2804- Pinneberger Tageblatt; Vgl. auch Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 9; Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 432. 319 Vgl. hierzu Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 432. 320 Vgl. hierzu: Gounalakis, Georgios / Zagouras, Georgis, Konglomerate Medienkonzerne und die Wettbewerbsaufsicht – Ein Nachlese zum Fall Springer / ProsSiebenSat.1, NJW (2006), S. 1624; Kuchinke, Björn, Schubert, Jens, Der Beschluss des Bundeskartellamts in Sachen Springer-ProSiebenSat1, WuW (2006), S. 477; Bohne, Michael, Crossmediale Effekte in der Fusionskontrolle, WRP (2006), S. 540.
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bzw. Innovationen stehen nicht zu erwarten. Aus diesem Grund ist die Fusionskontrollpraxis im Pressemarkt zuvorderst darum bemüht, den noch vorhandenen Restwettbewerb zu sichern und den Ausbau der beherrschenden Stellung eines marktstarken Unternehmens zu verhindern. 321 So sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB u. a. bei der Fusion der einzigen Abonnementzeitungen der Stadt 322 oder bei der Entstehung eines Ein-Zeitungskreises aufgrund der Übernahme der Erstzeitung durch die Zweitzeitung bejaht worden. 323 Die Entstehung oder Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung wurde ferner angenommen, als ein Zusammenschluss zweier Zeitungsverlage zu einem Marktanteil von über 50% 324 bzw. auf einem regionalen Zeitungsmarkt zu einem Marktanteil von über 60 % geführt hätte 325. Eine Untersagung wurde schließlich auch ausgesprochen, als eine starke Regionalzeitung mit einer gut positionierten überregionalen Zeitung fusionieren wollte 326 bzw. ein marktbeherrschender Zeitungsverlag ein führendes Anzeigenblatt übernehmen wollte. 327 3. Ausnahmen von der Untersagung Begründet oder verstärkt eine Fusion die marktbeherrschende Stellung, muss daraus nicht zwingend die endgültige Untersagung folgen. Gelingt dem Unternehmen beispielsweise der Nachweis, dass mit dem Zusammenschluss Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen einhergehen, welche die Nachteile des Zusammenschlusses überwiegen (a), oder ist der Bundesminister für Wirtschaft – nach entsprechendem Antrag – davon überzeugt, dass im Einzelfall die mit der Fusion verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen durch gesamtwirtschaftliche Vorteile des Zusammenschlusses aufgewogen werden (b), kann eine Fusion ggf. trotz Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung vollzogen werden. Eine Freigabeentscheidung kann überdies z. B. noch durch eine Verbindung mit Bedingungen und Auflagen herbeigeführt werden. Diese müssen jedoch in Abstimmung mit dem Unternehmen erfolgen und dürfen kein unternehmerisches Verhalten zum Gegenstand haben. 328 321
Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 442. BKartA, TB 1993/1994, S. 120 – Neue Presse / Coburger Tageblatt, vgl. auch http: //www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion02/B6_33_02.pdf. 323 BGH NJW-RR 1999, S. 1047 ff. – Pirmasenser Zeitung. 324 BGHZ 119, 346, 363 ff. 325 BKartA WuW / E BKartA, 2497 ff.; OLG Düsseldorf WuW / E DE-R 1361 ff. – Tagesspiegel / Berliner Zeitung. 326 BGH WuW / E BGH 2276, 2283– Süddeutsche Zeitung / Donau-Kurier. 327 BGH WuW / E BGH 1685 ff. – Anzeigenmarkt, Elbe Wochenblatt I. 328 Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 36. 322
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a) Abwägungsklausel – Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen – § 36 Abs. 1, 2. Halbsatz GWB Der Zusammenschluss ist gem. § 36 Abs. 1, 2. Hs. GWB nicht zu untersagen, wenn die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss „auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen“ entstehen, welche die „Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen“. Dem Rechtsanwender wurde vom Gesetzgeber für diese Abwägung, die Ausfluss auch des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Doch wird die Klausel aufgrund des mit einer solchen Einzelfallentscheidung verbundenen Risikos der Aushöhlung der Fusionskontrolle und der damit ebenfalls einhergehenden Rechtsunsicherheit durch die Gerichte und das Kartellamt nur sehr restriktiv angewandt. Die Diskussion um die Streichung der Abwägungsklausel im Rahmen der 6. GWB-Novelle verlief gleichwohl ergebnislos. Eine Abwägung der Verbesserungen und Verschlechterungen von Wettbewerbsbedingungen setzt voraus, dass die entsprechenden Parameter qualitativ vergleichbar sind. Aus diesem Grunde und zur Vermeidung einer unzulässigen laufenden Verhaltenskontrolle, vgl. § 42 Abs. 2 i.V. m. § 40 Abs. 3 Satz 2 GWB 329, sind unter Wettbewerbsbedingungen im Sinne der Vorschrift allein marktstrukturelle Veränderungen, nicht hingegen Verhaltensmodifikationen zu verstehen. 330 Somit sind z. B. Zusicherungen im Bereich der Preispolitik oder im Rahmen von Lieferkonditionen oder solche, welche die interne Unternehmensorganisation betreffen, z. B. das Weiterführen oder die Schließung von bestimmten Unternehmensteilen, für die Abwägungsentscheidung unbeachtlich. 331 Auch die Zusicherung der Aufrechterhaltung von Redaktionen kann demgemäß keinen für die Abwägungsklausel relevanten Faktor darstellen. 332 329
Vgl. hierzu: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 72. 330 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 445; Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 26. 331 Dies ist umstritten. Die Befürworter eines solchen Abwägungsgrundes führen an, dass bei relevanten Effizienzgewinnen der Unternehmensorganisation auch die Wahrscheinlichkeit bestünde, dass die Marktergebnisse z. B. durch Preissenkungen auch für die Marktgegenseite verbessert werden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass eine innerbetriebliche Leistungssteigerung – u. a. wegen der einfachen Möglichkeit einer Weitergabe der Vorteile an den Markt – grundsätzlich nur betriebsinterne Auswirkungen hat. Zudem besteht die Gefahr, dass derartige Übernahmen zur Regel werden, da für derartige Fusionen der Zweck typisch ist. 332 Anders das Bundeskartellamt, das ein grunätzlich nicht zulässiges Vorbringen im Rahmen der Abwägung berücksichtigt hat und einen Zusammenschluss wegen Aufrechter-
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Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig sind Allgemeininteressen oder gesamtwirtschaftliche Vorteile, wie z. B. positive Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt, der Erhalt des Unternehmens oder Effizienzsteigerungen. 333 Entsprechende gesamtwirtschaftliche Effekte können allein im Rahmen der Ministererlaubnis vorgetragen werden. 334 Ferner sind nur solche Verbesserungen von Bedeutung, die den wirtschaftlichen Wettbewerb betreffen. Auswirkungen auf den publizistischen Wettbewerb oder medienpolitische Argumente sind im Rahmen der Abwägungsklausel unbeachtlich. 335 Das Gesetz spricht nämlich von Wettbewerbsbedingungen und meint damit der Gesetzesintention entsprechend allein den ökonomischen Wettbewerb. 336 Allerdings können z. B. publizistische Aspekte wiederum – unter besonders strengen Voraussetzungen – im Falle einer Ministererlaubnis Berücksichtigung finden. Schließlich sind bei der Abwägung der fusionsbedingten Auswirkungen auf die Marktstruktur lediglich solche Verbesserungen zu berücksichtigen, die auf dem Zusammenschluss beruhen. Zwar ist auch hier eine Prognoseentscheidung vorzunehmen 337, die Kausalitätsanforderungen werden allerdings – anders als im Tatbestand des § 36 Abs. 1 GWB – restriktiv ausgelegt. So wird verlangt, dass die Marktverbesserung in der gegebenen Form ausschließlich durch den Zusammenschluss erreicht werden kann. 338 Eine Mitursächlichkeit reicht demnach nicht aus. Die Verbesserungen dürfen außerdem nicht auf einem weniger wettbewerbsbeschränkenden Weg als dem Zusammenschluss erreicht werden und sollten auf einem anderen als dem von den Unternehmen beherrschten Markt eintreten. 339 Dessen ungeachtet müssen die prognostizierten Vorteile die prognostizierten Nachteile überwiegen, ein Aufwiegen oder Neutralisieren reicht nicht. haltung selbständiger Redaktionen zugelassen hat. BKartA TB 1975, S. 42 – WAZ / NRZ; Ablehnend Schwintowski, Hans-Peter, Die Abwägungsklausel in der Fusionskontrolle, (1983), S. 88 f. „Die [...] Auffassung wäre [...] verfassungswidrig, weil Eingriffe [...] in die Meinungsvielfalt als unzulässige Sondergesetze zu qualifizieren wären.“ 333 Möschel, Wernhard, Das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, (1983), S. 886 f.; WuW / E OLG 3875, 3884 – Südkurier / Singener Wochenblatt. 334 Möschel, Wernhard, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, (1978), S. 190. 335 BGH WuW / E BGH 2899 ff., 2902 – Anzeigenblätter II; BGH WuW (2008), S. 453 ff. – Springer / ProSiebenSat1. 336 Trafkowski, Armin, Medienkartellrecht, (2002), S. 66. 337 Ausreichend ist dabei z. B., wenn nachgewiesen wird, dass aufgrund der gegebenen oder zu erwartenden Umstände am Markt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gleichwertige Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen ohne den Zusammenschluss nicht zu erwarten ist, vgl. BGH WuW / E BGH 1533, 1540 – Erdgas Schwaben. Ebenso kann angeführt werden, dass die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur hat, vgl. BGH WuW / E BGH 2731, 2737 – Inlandstochter. 338 Vgl. Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 28.
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Will eine Partei schließlich eine überwiegende Verbesserung geltend machen, obliegt dieser die konkrete Beweislast, [„(...) es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach (...)“]. Ein allgemeiner Hinweis, der Zusammenschluss sichere die Existenz einer Zeitung, ist insoweit beispielsweise nicht ausreichend. Die Abwägungsklausel spielt bei Fusionen im Pressebereich eine untergeordnete Rolle, und zwar vor allem deshalb, weil die im Rahmen der Abwägungsklausel berücksichtigungsfähigen Kriterien meist denjenigen entsprechen, welche die Kausalität des Zusammenschlusses für die negativen Folgen (Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung) entfallen lassen würden. Gleichwohl wird von fusionswilligen Unternehmen häufig von der Klausel Gebrauch gemacht, und zwar vor allem in Fällen, in denen die Verbesserungen von Wettbewerbsbedingungen auf „Drittmärkten“ zu erwarten waren bzw. bei den sogenannten Sanierungsfusionen. Zur Veranschaulichung für eine auf Drittmärkte bezogene Argumentation mögen folgende Fusionsfälle dienen. Im Fall „Zeitungsmarkt München“ bzw. „Straßenverkausfszeitungen“ argumentierte der Springer-Verlag, dass seine Beteiligung am Münchner Merkur und der tz ein Gegengewicht zur marktbeherrschenden Stellung der Süddeutschen Zeitung im relevanten räumlichen Zeitungsmarkt (München) bildet und damit die geplante Fusion rechtfertigen könnte. Der Bundesgerichtshof teilte die Auffassung nicht. Die Fusion wurde aufgrund der zu erwartenden Verstärkung der bundesweit marktbeherrschenden Stellung der BildZeitung bei den Straßenverkaufszeitungen untersagt, da die Vormachtstellung der Süddeutschen Zeitung nach Ansicht des BGH auf dem im Vergleich kleineren Markt der Abonnentenzeitung weniger ins Gewicht fiel. Auch wurde die Fusion von zwei kleineren Presseunternehmen über die Abwägungsklausel dann nicht zugelassen, wenn sie verhindern konnte, dass der Marktführer seine Marktmacht auf die von der Fusion betroffenen Märkte ausdehnt, auf denen er vorher noch keine Marktführerstellung innehatte. 340 Die Parteien im Fall „Springer / Elbe Wochenblatt“ 341 wiederum mussten sich den Einwand gefallen lassen, dass es für 339 Für diese Ansicht spricht die Vermutung des GWB, dass Wettbewerb zwischen fusionierenden Unternehmen ausgeschlossen ist und damit auf Wettbewerbsmärkten ohnehin keine Verbesserung möglich ist. Jedenfalls horizontale Zusammenschlüsse können nicht zu einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf dem beherrschten Markt führen. Vgl. hierzu auch: Bechtold, Rainer, § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 30; Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 445; a. A. noch: Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2001), S. 302 m.w. N. 340 BKartA WuW / E BKartA 2292, 2294 – Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag; in ders. Sache auch KG WuW / E OLG 4379, 4388 – Schleswig-Holsteinischer Anzeigenverlag. Ein Zusammenschluss, der auch als Sanierungsfall eingestuft werden könnte. 341 BKartA WuW / E BKartA 1700, 1704 – Anzeigenmarkt; Elbe Wochenblatt I; Nachfolgend in dieser Sache: BGH WuW / E BGH 1685 ff.
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eine erhebliche Verbesserung auf dem Lesermarkt gegenüber einer Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Anzeigenmarkt klarer Beweise bedürfe und eine pauschale Abwägung zugunsten eines gefährdeten Presseunternehmens nicht ausreichen könne. Erfolgreicher wird von der Abwägungsklausel indessen in Fällen der sogenannten Sanierungsfusion 342 Gebrauch gemacht. Eine im Rahmen der Abwägungsklausel zu berücksichtigende Sanierungsfusion liegt dann vor, wenn das übernommene Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne die Übernahme nicht überlebensfähig wäre, wenn es mit Blick auf die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Übernahme kein milderes Mittel als die Übernahme durch den entsprechenden Erwerber gebe und wenn im Falle der Insolvenz auch dem Erwerber und nicht anderen Unternehmen die Anteile zuwachsen würden. 343 Allerdings kann ein entsprechendes Vorbringen nur dann im Rahmen der Abwägungsklausel Berücksichtigung finden, wenn konkret marktbezogene („Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen“, § 36 Abs. 1, 2. Hs. GWB) Aspekte vorgetragen werden. Handelt es sich hingegen um gesamtwirtschaftliche Vorteile des Zusammenschlusses, § 42 GWB, sind diese im Rahmen der Ministererlaubnis zu beachten. 344 Von der „Sanierungsfusion“ – als Ausnahme von der grundsätzlich angezeigten Untersagung der Fusion – wird lediglich nach strenger Abwägung und restriktiv Gebrauch gemacht. Kann beispielsweise die Fusionserlaubnis den Marktaustritt ohnehin nicht verhindern, wäre die Erlaubnis der Fusion aufgrund der entsprechenden Konsequenzen im Vergleich zur Untersagung der Fusion ein unangemessener staatlicher Eingriff. Auch dann, wenn eine realistische Chance einer Wettbewerbsverbesserung ohne Fusion existiert, bestünde nach gängiger Praxis kein Raum für eine Sanierungsfusion. Auch hier mögen einige wenige Beispiele der Veranschaulichung der Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis bei Sanierungsfällen dienen. Im Zusammenschlussfall „Niederrheinische Anzeigenblätter“ 345 beispielsweise war die Lo342 Vgl. unter anderem: BT Drucks VI/2520, S. 29 – Begründung zum Regierungsentwurf 1971, dem die 3.GWB-Novelle und damit die Einfügung der Zusammenschlusskontrolle ins GWB folgte; BT-Drucks. VII/2954, S. 7; Lutter, Marcus / Timm, Wolfram, Sanierungsfusion und Heilung verbotswidrig vollzogener Zusammenschlüsse, BB (1976), S. 1618 ff.; Schmidt, Karsten, Die Sanierungsfusion im Zielkonflikt zwischen Unternehmenserhaltung und Wettbewerbssicherung, AG (1982), S. 169 ff; Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 495; Spieler, Ekkehard, Fusionskontrolle im Medienbereich, (1988), S. 88. 343 Hermann, Harald, Sanierungsfusion und Behinderungsmißbrauch, AG (1984), S. 2; Immenga, Ulrich, Konzentrationskontrolle und Sanierungsfusion, ZHR (1973), S. 334.; Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 449. 344 Bechtold, Rainer, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 6. 345 BGH WuW / E BGH 2425 – Niederrheinische Anzeigenblätter.
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kalausgabe einer Zweitzeitung in ihrer Existenz bedroht, wobei der herausgebende Verlag in anderen Verbreitungsgebieten eine marktbeherrschende Stellung besaß. Durch einen Zusammenschluss dieser Zeitung mit den Anzeigenblättern im jeweiligen Verbreitungsgebiet sollten die Wettbewerbsbedingungen in der Form gesichert sein, dass die lokale Zweitzeitung nicht vom Markt verdrängt wird und kein Ein-Zeitungskreis entsteht. Zwar überwogen die positiven Folgen der Fusion auf dem Lesermarkt die befürchteten Nachteile auf dem Anzeigenmarkt. Gleichwohl wurde die Fusion mit der Begründung abgelehnt, dass die Kausalität von Zusammenschluss und Wettbewerbsverbesserung nicht nachgewiesen werden konnte. Im Fall „Münchner Merkur – Kreisboten Verlag“ 346 wurde die gemeinsame Beteiligung einer Erst- und einer Zweitzeitung an einem konkurrierenden Anzeigenblatt nicht untersagt, da andernfalls durch die Aktivitäten des Anzeigenblattes und die Reaktionen der Erstzeitung die Existenz der Zweitzeitung bedroht gewesen wäre. Die Verschlechterung der Marktstruktur durch den Zusammenschluss wurde im Gegensatz zum Erhalt der Lesermärkte dazu als erheblich weniger bedeutsam eingestuft. Bei der geplanten Fusion von „Südkurier und Singener Wochenblatt“ 347 dagegen konnte die mögliche Liquidation eines Verlages allein nicht die Zulässigkeit des Zusammenschlusses begründen. Vom Kartellamt wurde festgestellt, dass der Hinweis auf stagnierende Auflagenzahlen noch nicht den Tatbestand eines Sanierungsfalls begründet. b) Ministererlaubnis – Überwiegen gesamtwirtschaftlicher Vorteile – § 42 GWB Nach § 42 GWB besteht schließlich die Möglichkeit, auf Antrag einen vom Bundeskartellamt bereits untersagten Zusammenschluss durch den Bundesminister für Wirtschaft genehmigen zu lassen. Dieser kann, nach Einholung einer Stellungnahme durch die Monopolkommission, eine solche Genehmigung erteilen, wenn die mit dem Zusammenschluss verbundene Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt werden kann 348, wobei diese alternativ formulierten Voraussetzungen aufgrund der inhaltlichen Überschneidung de facto
346 BKartA, Tätigkeitsbericht 1985/86, S. 89; zu weiteren Entscheidung bzgl. Fusionen unter Beteiligung von Anzeigenblättern vgl. auch BKartA Tätigkeitsbericht 1983/84, S. 102. 347 BKartA WuW / E BKartA 2140; KG WuW / E OLG 3875, 3885. 348 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 450; Ruppelt, Hans-Jürgen, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Bunte, Hermann-Josef / Langen, Eugen, (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht (2006), Rn. 1 ff.
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als einheitliche Voraussetzung des öffentlichen Interesses am Zusammenschluss zu verstehen sind. 349 Mit der Ausnahmeregelung des § 42 GWB, über die Zielkonflikte zwischen der Sicherung des Wettbewerbs und dem Schutz davon abweichender Allgemeinwohlbelange aufgelöst werden können, hat sich der Gesetzgeber gegen eine ausschließlich am optimalen Wettbewerb orientierte Fusionskontrolle entschieden und eine politisch motivierte Korrektur des über § 36 GWB gefundenen Ergebnisses ermöglicht. Diese dem GWB und der Fusionskontrolle an sich wesensfremde Klausel wurde in das Gesetz aufgenommen, weil befürchtet wurde, dass die Abwägungsklausel allein nicht ausreiche, um alle theoretisch denkbaren Fusionsfälle einer sachlich richtigen und verhältnismäßigen Lösung zuzuführen. 350 Ebenso wie hinsichtlich der Abwägungsklausel hatte die mit dem Gesetzgebungsverfahren zur 6. GWB-Novelle angestoßene Diskussion um die Abschaffung dieser Klausel keinen Erfolg. Im Rahmen dieser Vorschrift berücksichtigungsfähige gesamtgesellschaftliche Vorteile können medien-, struktur- oder arbeitsmarktpolitischer Art sein 351; berücksichtigungsfähig sind z. B. der Erhalt von Arbeitsplätzen 352, Rationalisierungsvorteile 353 oder die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit 354. Auch die Sicherung der Pressevielfalt kann ein Interesse der Allgemeinheit darstellen, das im Rahmen der Ministererlaubnis – anders als bei der Abwägungsklausel – Beachtung findet. 355 349 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 452; Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 6, 37 ff. 350 Begründung zum RegE, BT-Drucks. VI 2520, S. 31; vgl. Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 451. 351 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 452. 352 WuW / E BWM 155 ff. – Babcock / Artos; WuW / E BWM 159 ff. – Thyssen / Hüller; die bisherige Praxis zeigt jedoch, dass die von den Antragstellern vorgebrachten Arbeitsplatzargumente überschätzt wurden. Zum Teil führen sie sogar eher zu einem größeren Arbeitsplatzverlust als die Weiterführung von selbständigen Unternehmen: Monopolkommission, Zusammenschlußvorhaben der Potash Corporation of Saskatchewan Inc. und der Kali und Salz Beteiligungsaktiengesellschaft – Sondergutachten 25, (1997), Rn. 87. 353 Z. B. WuW / E BWM 213 ff. – BayWA AG / WLZ Raiffeisen AG; WuW / E BWM 185 ff. – VEW-Ruhrkohle; wobei Rationalisierungsvorteile nur in besonderen Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn die Einspareffekte über die üblichen Rationalisierungspotentiale hinausgehen, geeignet sind, die Nachteile eines Zusammenschlusses aufzuwiegen. Sie müssen großes Gewicht haben und konkret nachgewiesen werden. 354 Z. B. WuW / E BWM 149 ff.- VAW / Kaiser; WuW / E BWM 159 ff. – Thyssen / Hüller. Ein solches Vorbringen kann als Gemeinwohlvorteil nur dann Berücksichtigt werden, wenn der Zusammenschluss unabdingbare Voraussetzung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ist. 355 Monopolkommission, Zusammenschlussvorhaben der Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG mit der Berliner Verlag GmbH & Co. KG – Sondergutachten 36,
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
Voraussetzung für eine Ministererlaubnis ist neben dem nachweisbaren Vorliegen von positiven Allgemeinwohleffekten, dass die entsprechenden Vorteile auch kausal auf dem Zusammenschluss beruhen. Die Fusion muss sich demgemäß als für die Vorteile erforderlich erweisen, was beispielsweise abgelehnt wird, wenn sich ein alternativer Erwerber anbietet. Die Nachteile des Zusammenschlusses müssen ferner durch die Vorteile aufgewogen werden 356, wobei nach teleologischer Auslegung diesbezüglich nur solche öffentlichen Interessen (für ein Aufwiegen) in Betracht gezogen werden dürfen, die von langfristiger Bedeutung sind, da sich auch die negativen Effekte eines Zusammenschlusses typischerweise dauerhaft auf die Marktstruktur auswirken. 357 Da § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB Ausfluss des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, setzt die Erlaubnis voraus, dass der Zusammenschluss geeignet ist, die Verbesserung des öffentlichen Wohls zu bewirken und keine weniger einschneidenden Maßnahmen als die Erlaubnis der Fusion eingesetzt werden können, um die Gemeinwohlzwecke zu verwirklichen. 358 Dabei sind die Anforderungen umso höher, je stärker die Konzentration bereits auf dem betroffenen Markt fortgeschritten ist. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus § 42 Abs. 1 Satz 3 GWB, nach dem eine Erlaubnis dann ausgeschlossen ist, wenn die marktwirtschaftliche Ordnung durch eine Zulassung der Fusion gefährdet wäre. Rechtfertigen die gegebenen Umstände noch keine Ministererlaubnis, können die Voraussetzungen für eine Erlaubnis durch Auflagen oder Bedingungen herbeigeführt werden, vgl. § 42 Abs. 2 GWB. Liegen die Voraussetzungen vor, ist die Erlaubnis zu erteilen, der Minister hat insoweit kein Ermessen. 359 Hinsichtlich (2003), Rn. 121 ff.; Mestmäcker, Ernst-Joachim, Die Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf Zusammenschlüsse von Rundfunkunternehmen, GRUR Int (1993), S. 557. 356 Aus dem Wort „abwägen“ wird auch geschlossen, dass der Bundeswirtschaftsminister an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Bundeskartellamts gebunden ist. Vgl. Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 42 – Ministererlaubnis, in: Immenga, Ulrich / Mestmäcker, Ernst-Joachim, (Hrsg.), Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (2001), Rn. 40; Herrmann, Harald, Wettbewerbsgefahren der Konglomeration, BB (1989), S. 1217; Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 452; Kritisch: Bechtold, Rainer, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 5. 357 Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 37. Diese Prüfung des Überwiegens der gesamtwirtschaftlichen Vorteile gegenüber den Nachteilen, die der Zusammenschluss mit sich bringt, gilt dabei jeweils nur für den „Einzelfall“. Es kann vom Bundeswirtschaftministerium keine allgemeine Erlaubnis für bestimmte Situationen geben. 358 Zur Frage der Prüfung der Verhältnismäßigkeit Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 69.
2. Abschn.: Funktion und normative Sicherung von Wettbewerb
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der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 42 Abs. 1 GWB steht ihm freilich ein Beurteilungsspielraum zu. 360 Bei der Anwendung der Vorschrift ist zu beachten, dass die Ministererlaubnis nicht nur die Gefahr einer Übervorteilung großer Unternehmen birgt, denen es typischerweise leichter fällt, relevante übergeordnete Gesichtspunkte nachzuweisen. 361 Sie kann überdies – ebenso wie die Abwägungsklausel – bei unachtsamem oder extensivem Gebrauch eine Aushöhlung der intendierten Wirkungen der Fusionskontrolle zur Folge haben und ist folglich mit dem Risiko behaftet, die Verteilungsfunktion der Märkte in besonderem Maß und nachhaltig zu stören. 362 Somit erscheint auch hier eine restriktive Handhabung geboten, was auch einer geringen quantitativen Relevanz der Ministererlaubnis in der Praxis entspricht. So wurden seit Einführung der Fusionskontrolle 1973 von 19 Anträgen auf Ministererlaubnis nur sieben bewilligt (fünf davon unter Auflagen), sieben wurden abgelehnt, die verbleibende Zahl der Anträge wurde vor der Entscheidung zurückgezogen. Auch im Pressebereich wurde von der Klausel äußerst sparsam Gebrauch gemacht; kein Zusammenschluss wurde über diese Norm zugelassen, insgesamt wurden lediglich zwei beantragt und jeweils vorzeitig zurückgezogen. 363 Im Zusammenschlussvorhaben „Burda-Springer“, der ersten im Pressemarkt beantragten Ministererlaubnis, wurde von den Antragstellern vorgebracht, dass die Presseerzeugnisse sowohl von Springer als auch von Burda für die Meinungsvielfalt unverzichtbar seien und daher ein überragendes Gemeinschaftsinteresse bestünde, die Produkte innerhalb der deutschen Presselandschaft zu erhalten, nicht zuletzt weil die Presseerzeugnisse durch die neuen Medien einem besonderen Konkurrenzkampf ausgesetzt seien. 364 Gegen das Argument der Gefährdung der Verlage durch neue Medien wurde jedoch von der Monopolkommission vorgebracht, dass die wettbewerbliche Ordnung keinen Bestandsschutz für einzelne Verlagsunternehmen bieten kann. 365 Der Antrag wurde, nach der Empfehlung 359 WuW / E BWM 185, 186 – VEW / Ruhrkohle; WuW / E BWM 213, 221 – BayWA AG – WLZ Raiffeisen AG. 360 Bechtold, Rainer, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 6. 361 Richter, Hermann, Fusionskontrollverfahren, in: Wiedemann, Gerhard, (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts (1999), Rn. 117. 362 Möschel, Wernhard, Das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, (1983), Rn. 897. 363 Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Wettbewerbspolitik/antraegeauf-ministererlaubnis,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf. 364 Freese, Gunhild, Das letzte Wort – Der achte Fall einer „Minister Entscheidung“, Die Zeit (12. 03. 1982). 365 Monopolkommission, Zusammenschlußvorhaben der Burda Verwaltungs KG mit der Axel Springer GmbH / Axel Springer Gesellschaft für Publizistik GmbH & Co., Sondergutachten 12, (1982).
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
der Monopolkommission, die Erlaubnis abzulehnen, von den Antragstellern zurückgezogen. 366 Der Antrag im Fusionsverfahren „Berliner Verlag – Holtzbrinck Verlag“ nahm einen vergleichbaren Verlauf. Nachdem das Bundeskartellamt den Verkauf der Berliner Zeitung, des Berliner Kuriers und das Stadtblattes Tip von Gruner & Jahr an die Verlagsgruppe Holtzbrinck gestoppt hatte, weil der Holtzbrinck Verlag, der auch den Berliner Tagesspiegel und das Stadtmagazin Zitty verlegt, durch die Fusion in Berlin einen Abo-Gesamtmarktanteil von 61,4 % erreicht hätte, beantragte der Holtzbrinck-Verlag gem. § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB eine Ministererlaubnis für die Übernahme. Begründet wurde dieser Antrag unter anderem damit, dass der Springer Verlag mit 55% den Berliner Anzeigenmarkt dominiere und bei einem Fusionsverbot der defizitäre Tagesspiegel eingestellt werden müsse. Ferner schlug Holtzbrinck ein sogenanntes Stiftungsmodell vor, nach dem die Redaktion des Tagesspiegels in eine Gesellschaft überführt werden sollte, deren Unabhängigkeit durch ein neunköpfiges Kuratorium zu überwachen war, und kündigte den Verkauf des Stadtmagazins Zitty an. Trotz des Stiftungsmodells und des angekündigten Verkaufs sprach sich die Monopolkommission gegen die Übernahme aus. Zugleich ließ sich der konkurrierende Springer-Verlag gegenüber dem Wirtschaftsministerium in der Weise ein, dass im Fall einer Sondererlaubnis die in seinem Verlage erscheinende Zeitungen Die Welt und die Berliner Morgenpost eingestellt würden. Der Wirtschaftsminister erteilte zunächst einen Zwischenbescheid, der dem Holtzbrinck Verlag auferlegte, innerhalb von sechs Wochen einen Käufer für den Tagesspiegel zu finden. Verliefe diese Suche ergebnislos, sei eine Ministererlaubnis möglich. Wenig später machte der Hamburger Bauer-Verlag dem Tagesspiegel ein Angebot von 20 Millionen Euro. Das Angebot wurde von Holtzbrinck zurückgewiesen und der Antrag auf Ministererlaubnis zurückgezogen. 4. Auflösung von Zusammenschlüssen Schließlich ist auch die Auflösung bereits vollzogener Zusammenschlüsse Teil des Normensystems, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Fusionskontrolle die ihr zugedachten Aufgaben erfüllt, § 41 Abs. 3 GWB. 367 Nach dieser 366
Vgl. dazu: Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 499. 367 § 24 Abs. 2 Satz 5 GWB a. F. Mit der 6. Novelle änderte sich Standort und Inhalt der Vorschrift. Seit diesem Zeitpunkt knüpft eine Auflösungsverfügung nicht nur an eine erfolgte Untersagung eines Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt an, sondern auch an den Widerruf einer Freigabe. Mit der 7. GWB-Novelle erfolgte eine weitere Änderung der Norm dahingehend, dass es für eine Auflösung nur noch darauf ankommt, ob die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB vorliegen. Vgl. Bechtold, Rainer, § 41 GWB – Vollzugsverbot, Entflechtung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008), Rn. 11 f.
2. Abschn.: Funktion und normative Sicherung von Wettbewerb
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Vorschrift ist ein bereits vollzogener, jedoch vom Bundeskartellamt untersagter und auch nicht ausnahmsweise gem. § 42 GWB durch den Bundeswirtschaftsminister erlaubter Zusammenschluss aufzulösen. Die Bedeutung dieses gesetzgeberischen Instruments, welches ein „eher betrübliches Kapitel deutscher Fusionskontrolle“ 368 darstellt, ist mit der Einführung der präventiven Fusionskontrolle durch die 6. GWB-Novelle im Jahr 1998 deutlich gesunken. 369 Gegenstand einer Auflösung eines Zusammenschlusses im Pressebereich sind seither nur noch solche Zusammenschlüsse, die nicht unter die Fusionskontrolle fallen, also solche kleinerer und mittlerer Unternehmen mit weniger als 500.000 Euro Umsatz im Jahr oder aber gesetzeswidrig vollzogene Zusammenschlüsse. Die erste Entflechtungsanordnung im Pressemarkt erging im Fall „Springer / Elbe-Wochenblatt“. 370 Dem Auflösungsverfahren ging eine rechtskräftige Untersagung einer 50%igen Beteiligung einer Tochter des Springer-Verlages an dem Anzeigenblattverlag „Elbe-Wochenblatt“ voraus. Vor Einleitung des Auflösungsverfahrens hatte Springer bereits seine Stimmrechte auf 24,9 % reduziert, die bestehende Kapitalbeteiligung aber beibehalten. Das Kartellamt erachtete diese Maßnahme als nicht ausreichend und forderte ein völliges Ausscheiden des Verlages. Springer reduzierte in der Folge auch die Kapitalbeteiligung an dem Blatt auf 24,9 %, doch auch das Kammergericht hat alsdann in Übereinstimmung mit dem Kartellamt trotz dieser Maßnahmen eine weitere Auflösung verlangt. Diese scheiterte allerdings schließlich aus Rechtsgründen, da der Bundesgerichtshof damals anders als das Bundeskartellamt für die Frage der Marktbeherrschung die Rechtslage von 1973 und nicht die verschärfte Version der 4. GWB-Novelle für anwendbar hielt. 371 Auch im Fall „Contact / Ammerland Echo“ 372 zeigten sich die Schwierigkeiten einer Auflösung. Das Bundeskartellamt hatte in diesem Fall von der Untersagung abgesehen, da es eine Entflechtung für unmöglich erachtete, und schließlich das Verfahren wegen Änderung der Marktverhältnisse eingestellt. Auch wenn es Beispiele für gelungene Entflechtungen gibt 373, bringen diese zumeist überaus komplexe Probleme tatsächlicher und rechtlicher Art mit sich. 374 Der Versuch, Konzentrationswirkungen eines Zusammenschlusses durch 368
Möschel, Wernhard, Fusionskontrolle im Pressebereich, JZ (1984), S. 500. Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 41 GWB – Vollzugsverbot, Entflechtung, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 32. 370 BGH WuW / E BGH 2031 ff. – Elbe Wochenblatt II. 371 Hierzu: Canenbley, Cornelis, Zum Entflechtungsverfahren in der Fusionskontrolle, GRUR (1984), S. 188 ff. 372 BKartA WuW / E BKartA 1931 ff. – Contact / Ammerland Echo. 373 Z. B. BKartA, Tätigkeitsbericht 1993/1994, S. 19 f. – Niederrheinische Anzeigenblätter; BKartA, Tätigkeitsberiecht 1991/1992, S. 130 f. – Radio NRW. 374 BVerfGE 95, 163, 172 f. – DSF; WuW / E BGH 1854 – Straßenverkaufszeitungen. 369
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Teil 1: Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle
konzerninterne Vorgänge teilweise rückgängig zu machen, stellt sich häufig als „ein Versuch mit untauglichen Mitteln“ 375 dar und kann nicht mehr als eine Notlösung sein. Da gerade im hoch konzentrierten Pressemarkt mit hohen Marktzutrittsbarrieren Fehlentwicklungen nur schwer rückgängig zu machen sind, soll die Entstehung von Sachverhalten, die einer Entflechtung bedürfen, durch die präventive Kontrolle soweit wie möglich verhindert werden.
375
Mestmäcker, Ernst-Joachim, Konzentration und Wettbewerb im Presseverlagswesen, AfP (1978), S. 3 ff.
Teil 2
Verfassungsrechtlicher Rahmen der gesetzlichen Pressefusionskontrolle Die verfassungsmäßig gebundene staatliche Gewalt ist bei der Erfüllung der ihr gestellten Aufgaben durch positive und negative Kompetenzbestimmungen von vornherein bestimmt und begrenzt. 1 Den Rahmen zulässiger Machtausübung beschreiben insbesondere die Grundrechte in ihren objektiven und subjektiven Funktionen, sodass die verfassungsrechtliche Bewertung der gesetzlichen Pressefusionskontrolle vor allem den Blick auf diese zu richten hat. Grundrechte sind nicht nur Erkenntnisquelle für die Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Ordnungsauftrags (Erster Abschnitt), sondern sie geben zugleich den Weg der verfassungsrechtlichen Umsetzung dieses Ordnungsauftrags vor (Zweiter Abschnitt) und bestimmen damit die Pole, zwischen denen sich der verfassungsrechtliche Rahmen spannt, in dem sich der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Pressefusionskontrolle zu bewegen hat.
1. Abschnitt
Grundrechtlicher Ordnungsauftrag Anknüpfend an die Erkenntnisse über die grundrechtlichen Bezüge des Pressefusionstatbestands (§ 1), sollen in einem nächsten Schritt die einschlägigen Grundrechtsgehalte zu verfassungsrechtlichen Zielvorgaben konkretisiert werden (§ 2).
§ 1 Grundrechtliche Bezüge des Pressefusionstatbestands Die grundrechtlichen Bezüge eines rechtstatsächlichen Sachverhalts erschließen sich vor allem mit Blick auf die Natur, die Funktion oder die Bedeutung 1
Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 280.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
des Schutzobjekts. Dies gilt auch für den in Rede stehenden Tatbestand der Pressefusionen, mit seinem zentralen Bezugsobjekt der „Presse“ (I), welche im gesellschaftlichen Kontext als privates Wirtschaftsunternehmen ein publizistisches Produkt am Markt anbietet und damit zugleich eine für das demokratische Gemeinwesen konstitutive Rolle einnimmt. 2 Ausgehend von diesem vielgestaltigen Wirkbereich, weist die Presse diverse grundrechtliche Berührungspunkte auf (II), wobei – in Anlehnung an das im Kern duale Wirkungsfeld der Presse – zwischen publizistischen (III) und wirtschaftlichen (IV) Grundrechtskontakten unterschieden werden kann, welche allerdings ihrerseits in einem Konkurrenzverhältnis (V) stehen. I. Der „Tatbestand“ Presse: Presseunternehmen zwischen privatwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Funktion Medienunternehmen im Allgemeinen und Presseunternehmen im Besonderen unterscheiden sich grundlegend von anderen Unternehmen. Ihr Produkt ist nicht nur Wirtschaftsgut (2), sondern auch Kulturgut mit besonderer gesellschaftlichpolitischer Funktion (1). 1. Presseunternehmen im demokratischen Staatsgefüge In einer liberalen Gesellschaft dient die ungehinderte Verbreitung von Informationen und Meinungen sowohl der Verwirklichung des Gemeinwohls als auch der Durchsetzung von individuellen Interessen. Durch die freie Auseinandersetzung mit Themen durch Thesen und Antithesen soll die Wahrheit zutage geführt und auf deren Grundlage sollen individuelle und kollektive Entscheidungsprozesse optimiert werden. Der Presse kommt in diesem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung eine Doppelrolle als Medium und als Faktor 3 zu. Presse dient nämlich sowohl der Verbreitung von als auch der Auseinandersetzung mit Meinungen und ist damit Grundlage der Entstehung weiterer Meinungen. So unterrichtet die Presse zunächst den Einzelnen über u. a. politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche, gesellschaftliche, literarische und künstlerische Ereignisse und erfüllt damit eine Informationsfunktion. Gleichzeitig stellt sie Hintergründe dar, reflektiert bestehende oder vermittelt neue Meinungen, sodass aufbauend auf die reine Informationsweitergabe der öffentliche Meinungsaustausch stimuliert und (idealerweise) die Lösung von Problemen des Gemeinwesens befördert werden kann. Wesentliche Elemente dieser Meinungsbildungsfunktion sind die Aufklärung des Bürgers 2 3
BVerfGE 10, 118, 121; 12, 113, 125. BVerfGE 12, 205, 260 (für den Rundfunk).
1. Abschn.: Grundrechtlicher Ordnungsauftrag
113
über Aktivitäten des Staates, die Aufdeckung von Missständen und die Entwicklung und Darstellung von Alternativen. Damit dient die Presse dem Leser, der ein Interesse für bestimmte Zusammenhänge entwickelt und sich am allgemeinen Meinungsaustausch aktiv beteiligt, auch als Mittler und Orientierungshilfe im Verhältnis zum Staat. 4 Es versteht sich von selbst, dass dieser Informations- und Meinungsbildungsfunktion im demokratischen Staat hohes Gewicht zukommt. Die Funktionsfähigkeit des demokratisch organisierten Gemeinwesens ist davon abhängig, dass das Volk als Souverän sich eine eigene Meinung frei sowie auf möglichst fundierter Informationsbasis bilden kann, um diese sodann wirkungsvoll im Wege allgemeiner Kommunikation und schließlich auch in Wahlen zum Ausdruck zu bringen. Vor diesem Hintergrund wird die freie Presse zu Recht als ein Wesenselement des freiheitlichen Staates 5 qualifiziert und ihr eine konstitutive Bedeutung für diesen 6 oder eine „öffentliche Aufgabe“ zugeschrieben. 7 Bildhaft werden die beschriebenen Funktionen der Presse durch das berühmte Wort von der „Vierten Gewalt“ 8 veranschaulicht. Voraussetzung für das Funktionieren dieser besonderen demokratierelevanten Wirkungskette zwischen Informationsgewinnung, Meinungsbildung, Meinungsäußerung und Teilhabe an der Willensbildung im Staat ist, dass die Presse Informationen erlangen, aufbereiten und weitergeben kann, der Einzelne Zugriff auf diese Informationen hat und schließlich selbst im „Konzert der ungezählten Stimmen“ 9 seine Stimme frei erheben kann. 2. Presseunternehmen als Wirtschaftsunternehmen Wenn sich die Presse in ihrem historischen Ursprung noch auf ideelle Kommunikationsfunktionen konzentriert haben mag, sind Presseunternehmen heute jedenfalls auch Kommunikationsdienstleister und damit Wirtschaftsunternehmen. Die Führung eines Zeitungsverlags ist demgemäß nicht nur eine Möglichkeit, in der geistigen Auseinandersetzung mitzuwirken, vielmehr verkörpert ein Verlag einen Geldwert, und sein Aufbau, seine Entfaltung, sein Erwerb oder seine Veräußerung sind ökonomisch relevante Vorgänge. 4 Greiffenberg, Horst / Zohlnhöfer, Werner, Pressewesen, in: Oberender, Peter, (Hrsg.), Marktstruktur und Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland: Branchenstudien zur dt. Volkswirtschaft (1984), S. 582. 5 BVerfGE 36, 340 ff.; 52, 296; 66, 133 ff. 6 BVerfGE 10, 118, 121 ff. 7 BVerfGE 20, 162, 174 ff. 8 Z. B. Kunczik, Michael / Zipfel, Astrid, Publizistik, (2005), S. 73. 9 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 4.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
Grundlage für diese Entwicklung ist in Deutschland nicht zuletzt die Enthaltsamkeit des Staates im Hinblick auf die Unterhaltung von Presseverlagen. Die privatrechtliche Organisation der deutschen Presse gewährleistet nämlich auf der einen Seite eine weitreichende Unabhängigkeit von staatlichen und parteilichen Einflüssen, unterwirft die Unternehmensleitung jedoch zugleich dem Zwang, nach wirtschaftlichen Grundsätzen und mit dem Ziel einer langfristigen Gewinnmaximierung zu arbeiten. Damit geht naturgemäß auch die Unterwerfung unter Marktprozesse, wie etwa der Marktkonsolidierung bzw. Konzentration, einher. Daneben fußt die ökonomische Relevanz der Presse auch auf dem – gemessen an ihrem aggregierten Umsatz – hohen Stellenwert in der deutschen Wirtschaftslandschaft. 10 Folglich können pressespezifische Sachverhalte nicht allein im demokratiespezifischen Kontext der „öffentlichen Aufgabe“ bewertet werden, vielmehr ist auch ihre ökonomische Perspektive zu berücksichtigen. II. Grundrechtsrelevanz der Pressefusionskontrolle Es ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass die gesetzliche Pressefusionskontrolle, welche auf das Marktverhalten von Presseunternehmen einwirkt, diverse Grundrechtskontakte aufweist und aus grundrechtlicher Sicht gar ambivalente Wirkungen zeigt. So stellt das Instrument der Pressefusionskontrolle zweifelsohne eine Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten der Presse dar. 11 Die freiheitsbeschränkende Wirkung realisiert sich dort, wo die Fusionskontrolle die Entstehung wettbewerbsfähiger Einheiten verhindert, typischerweise bei „fusionswilligen“ Presseunternehmen, d. h. Unternehmen, die zu fusionieren beabsichtigen. Wird die Fusion auf der Grundlage der Pressefusionskontrolle untersagt, schränkt dies die privatautonome Gestaltungsmacht der fusionswilligen Unternehmen ein und kann damit das Grundrecht der Pressefreiheit oder die „Wirtschaftsfreiheit“, in der Gestalt der Wettbewerbsfreiheit und der Vertragsfreiheit, berühren. 12 Der Fusionskontrolle kann allerdings zugleich freiheitssichernde Bedeutung zukommen. Eine solche freiheitssichernde Wirkung kann sich gegenüber Unternehmen realisieren, die durch Fusionen bzw. die damit verbundene Entstehung 10
Vgl. zum „Verlags-, Druckgewerbe, Vervielfältigung“, bzw. „Verlags- und Druckerzeugnisse“: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2007 für die Bundesrepublik Deutschland, (2007), S. 370 ff. 11 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 77. 12 Neben diesen Grundrechte kann auch die allgemeine Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 1 GG betroffen sein. Die allgemeine Vereinigungsfreiheit schützt Zusammenschlüsse von Rechtssubjekten, unabhängig von Zweck und Rechtsform, damit sind auch Kartelle und Fusionen geschützt. Vgl. hierzu Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 43 f.
1. Abschn.: Grundrechtlicher Ordnungsauftrag
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oder Verstärkung von Marktmacht in ihrer Grundrechtsausübung betroffen und hiervor durch ein Fusionsverbot geschützt werden. Zur Gruppe dieser Grundrechtsträger zählen z. B. Mitkonkurrenten auf dem Pressemarkt oder Unternehmen der Marktgegenseite (Zulieferer, Werbekunden), im Weiteren „fusionsaverse“ Unternehmen genannt. Die Schutzwirkung der Fusionskontrolle kann sich dabei gegenüber dem Grundrecht der Pressefreiheit konkurrierender Presseunternehmen, gegenüber massenmedialen Freiheiten (Rundfunkfreiheit) anderer, mit der Presse konkurrierender Marktteilnehmer bzw. gegenüber dem Grundrecht der „Wirtschaftsfreiheit“ in Gestalt der Wettbewerbsfreiheit von Unternehmen der Marktgegenseite entfalten. Da ein Fusionsverbot die Auswahlfreiheit zwischen vielfältigen Presseprodukten stärken kann, können durch die Fusionskontrolle nicht zuletzt auch Rezipienten in der Ausübung ihres Grundrechts auf Informationsfreiheit geschützt werden. Der Effekt der grundrechtlichen Freiheitssicherung deutet darauf hin, dass die verfassungsrechtliche Betrachtung der geltenden Fusionskontrolle keine einseitig subjektiv-freiheitsrechtliche sein kann, welche die Konzentrationskontrolle bzw. die Modifikation derselben ausschließlich als Eingriff und als Problem der liberalen Freiheitsgarantie begreift. Vielmehr ist die Sicherung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses und des funktionierenden Wettbewerbs vor Machtkumulation als Ausdruck eines objektiv-rechtlichen Ordnungskonzepts und damit auch als verfassungslegitimes und rechtfertigendes Ziel des mit der Fusionskontrolle einhergehenden Eingriffs in die Untersuchung einzubeziehen. Nicht nur die Garantiegehalte der eingeschränkten Freiheiten, sondern zugleich die Garantien der geschützten Freiheiten und die gesellschaftspolitischen Zielsetzungen müssen Teil der verfassungsrechtlichen Analyse sein. III. Grundrechtsbezüge des Pressefusionstatbestands mit Blick auf die publizistische Aktivität der Presse Unter den vielfältigen grundrechtlichen Berührungspunkten ist mit Blick auf die publizistische Aktivität der Presse (zur wirtschaftlichen Aktivität vgl. unten IV) das Grundrecht der Pressefreiheit von besonderer Bedeutung. Es entfaltet seine Wirkung gegenüber fusionswilligen und fusionsaversen Presseunternehmen und Unternehmen vor- und nachgelagerter Märkte 13 ebenso wie gegenüber den im Pressewesen tätigen Journalisten. Der zentrale Gehalt der Pressefreiheit erschließt sich dabei durch einen Blick sowohl auf die subjektive und objektive Grundrechtsseite (1) als auch auf das Verhältnis der Pressefreiheit im Gesamtkontext des Art. 5 Abs. 1 GG (2). Davon gesondert soll die Informationsfreiheit als Grundrecht der Rezipienten beleuchtet werden (3), wobei sich hier die Frage nach dem Verhältnis von Informations- und Pressefreiheit stellt. Da die Freiheit 13
Soweit sie sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen können.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
der geistigen Auseinandersetzung auch zentraler Bestandteil eines demokratischen Systems ist, soll schließlich auch die Bedeutung des Demokratiegebots und das Sozialstaatsprinzip für den Grundrechtsschutz von durch Pressezusammenschlüssen betroffenen Akteuren geklärt werden (4). 14 1. Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit als individuelles Abwehrrecht und als institutionelle Gewährleistung Die Beurteilung der Möglichkeiten und Grenzen gesetzgeberischen Tätigwerdens im Bereich der Presse setzt allen voran Klarheit über Wirkung und Schutzzweck des Grundrechts der Pressefreiheit innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes voraus. Da Grundrechte „aus sich selbst inhaltlicher Eindeutigkeit weithin entbehren“ 15, bedürfen die aus ihnen folgenden Gebote in besonderem Maße einer näheren interpretativen Konkretisierung. Fruchtbar erscheint insoweit auch und gerade 16 bei den Medienfreiheiten die Unterscheidung und Präzisierung der sich in den Grundrechten verbindenden subjektiv-rechtlichen und objektiv-rechtlichen Bedeutungsschichten. 17 Die Erkenntnis über die primäre Dimension (individuell oder institutionell) der Pressefreiheit stellt nämlich die Weichen für die Bestimmung der Legitimationsbasis (Ausgestaltung oder Eingriff) presserechtlicher Regelungen. Zu klären ist damit zunächst die Frage, ob die Pressefreiheit primär als ein eigenständiges subjektives Recht zu verstehen und somit die Presseordnung aus subjektiven Rechten der Presse und der Rezipienten zu entwickeln und in einen Ausgleich zu bringen ist; oder ob das Grundrecht eine objektiv-rechtliche Garantie enthält, die sich von der eigentlichen Wurzel des Grundrechts – dem Abwehrrecht – gelöst und zu einem Gefüge objektiver Normen verselbstständigt hat, sodass der ursprüngliche und bleibende Sinn der Grundrechte zurücktritt und die Ausgestaltung losgelöst von Eingriffskautelen erfolgen kann. Existenz und Verhältnis objektiv- und subjektiv-rechtlicher Garantien sind seit jeher umstritten. 18 Bezeichnenderweise bezieht sich ein wesentlicher Teil
14
Vgl. hierzu Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 42. Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW (1974), S. 1529. 16 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 118. 17 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 279. 18 Vgl. hierzu m.w. N. Rupp, Hans Heinrich, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 161 ff.; Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 1 ff.; Alexy, Robert, Grundrechte als subjektive Rechte und als objektive Normen, Der Staat (1990), S. 49 ff.; Tettinger, Peter, Schutz der Kommunikationsfreiheiten im deutschen Verfassungsrecht, JZ (1990), S. 846 ff. 15
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dieser Kontroverse auf die Grundrechtsanordnungen des Art. 5 GG. 19 Anhand der Pressefreiheit soll daher auch exemplarisch und mit Blick auf die anderen im Rahmen der Untersuchung relevanten Grundrechte das Verhältnis von objektiv-rechtlicher Grundrechtsseite und subjektiv-rechtlicher Grundrechtsseite dargestellt werden. Die divergierenden Auffassungen zum Verhältnis dieser Bedeutungsschichten lassen sich in die Kategorie der subjektivrechtlichen (a) und der objektivrechtlichen Interpretation (b) einordnen. Sie bewegen sich dabei zwischen den Auffassungen, welche die Bedeutungsschichten als sich ausschließend ansehen 20 (a, b), und den Ansichten, welche die objektive und die subjektive Seite als sich ergänzend verstehen 21 (c), wobei auch im Rahmen dieser Ansicht subjektiv- und objektiv-rechtliche Momente durchaus unterschiedlich akzentuiert werden. 22 a) Primär subjektives Grundrechtsverständnis vom Grundrecht der Pressefreiheit Dem traditionellen Grundrechtsverständnis entsprechend, ist das Grundrecht der Pressefreiheit als ein ausschließliches Individualgrundrecht im Sinne eines Abwehrrechts gegen staatliche Eingriffe zu verstehen 23 (aa). Die Frage der Beeinträchtigung eines Grundrechts durch nichtstaatliche Kräfte lässt dieses Grundrechtsverständnis auch unter Heranziehung der Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte indes unbeantwortet (bb). aa) Subjektive Grundrechtsseite der Pressefreiheit und ihre Grenzen Die grundrechtliche Abwehrfunktion (1) konkretisiert sich im jeweiligen verfassungsrechtlich verbürgten Schutzbereich des speziellen Grundrechts, in des19
Stern, Klaus, Die Freiheit der Medien – Vorbemerkung, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1522. 20 Die Pressefreiheit als ein ausschließliches Individualgrundrecht im Sinne eines Abwehrrechts verstehend z. B. Forsthoff, Ernst, Tagespresse und Grundgesetz, DÖV (1963), S. 633 ff.; Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 20; Schnur, Roman, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 101 ff.; Weber, Werner, Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, (1973), S. 43 ff., oder aber rein objektivrechtliche Gehalte zuweisend: vgl. Ridder, Helmut, Die öffentliche Aufgabe der Presse im System des modernen Verfassungsrechtes, (1962), S. 7 ff. 21 Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 76 ff. 22 Den Individualfreiheit als vorrangig ansehend BVerfGE 20, 162, 175 f., vgl. auch Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 81. 23 Forsthoff, Ernst, Tagespresse und Grundgesetz, DÖV (1963), S. 633 ff.; Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 20 ff.; Schnur, Roman, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 101 ff.
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sen konkretem Wirkbereich – hier der Pressefreiheit – der Grundrechtsträger staatliche Beeinträchtigungen seiner Rechte abwehren kann (2). 24 Störungen des grundrechtlichen Schutzbereichs durch Private bzw. die Dimension der positiven Grundrechtsförderung und Sicherung sind allerdings mit einem reinen abwehrrechtlichen Verständnis verfassungsrechtlich schwer zu fassen (3). (1) Zur grundrechtlichen Abwehrfunktion im Allgemeinen Ausübung staatlicher Gewalt ist „Herrschaft von Menschen über Menschen“ 25, der zu eigen ist, dass sie zu unberechtigten Beeinträchtigungen des verfassungsrechtlichen Status des Einzelnen führen kann. Die Grundrechte sollen als subjektive Abwehrrechte den Rechtszustand des Einzelnen in seinen Fundamenten gegen derartige Beeinträchtigungen sichern 26 und auf diese Weise einen Ausgleich für das Gewaltmonopol des Staates schaffen. Denn der Verzicht des Einzelnen auf sein Gewaltrecht zugunsten des Gemeinwesens Staat verlangt eine den Verzicht ausgleichenden Gewährleistung in der rechtstaatlichen Verfassung. Seit der Proklamation der Menschenrechte gilt die abwehrrechtliche Grundrechtsdimension als historisch belegt. 27 Nach diesem liberalen Grundrechtsverständnis, dessen Wurzeln in dem im 18. Jahrhundert einsetzenden Kampf um persönliche und politische Freiheitsrechte gegenüber dem Obrigkeitsstaat zu finden sind 28, bedeutet Freiheit insbesondere Abwesenheit von staatlichem Zwang. 29 Dabei war es zu jener Zeit speziell die Presse, die eines abwehrrechtlichen Schutzes gegen staatliche Gewalten bedurfte, denn sie war als Instrument individueller Entfaltung und politischer Betätigung den Angriffen der Staatsgewalt in besonderem Maße ausgesetzt – so z. B. nach den Karlsbader Beschlüssen 30, durch Konzessionszwang oder durch das Verbot politischer Zeitschriften. Eine beson24 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 287. 25 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 288 f. 26 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 279 f. 27 In den amerikanischen und französischen Rechtserklärungen und Verfassungsgesetzen des 18. Jahrhunderts fanden sie ersten rechtlichen Ausdruck, vgl. Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 22. 28 Zur soziologischen und staatstheoretischen Stellung aus historischer Sicht ausführlich: Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 1 ff. 29 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 2. 30 Die Presse war den Angriffen der Staatsgewalt, z. B. durch Konzessionszwang oder das Verbot politischer Zeitschriften, in besonderem Maße ausgesetzt (Karlsbader Be-
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dere Sensibilität der individuellen Entfaltung im Pressebereich zeigte sich ferner zu späteren Zeitpunkten, etwa an der Pressekontrolle im Dritten Reich 31 oder der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 32. Die grundrechtlichen Abwehrrechte des Grundgesetzes sind damit nicht zuletzt mit Blick auf die Erfahrung des totalitären Staates zu betrachten. 33 Sie sind verfassungsmäßig gewährleistete Rechtspositionen, deren Beeinträchtigung der Staatsgewalt verboten ist und die durch negatorische Ansprüche der Berechtigten gesichert sind. 34 (2) Skizze des Schutzbereichs der Pressefreiheit im Besonderen Die Presse als Raum persönlicher und politischer Entfaltung sowie als Mittel öffentlicher Kritik und Kontrolle bedarf zweifelsohne eines umfassenden Schutzes vor Eingriffen der staatlichen Gewalten. Was unter dem Begriff „Presse“ zu verstehen ist, bestimmt das Grundgesetz indes nicht. Historisch bezieht sich der Begriff „Presse“ als sprachliche Ableitung vom Terminus „Druckpresse“, dem Utensil zur Produktion der „Presse“ in der Zeit der analogen Drucktechnik, auf einen Kreis von Vervielfältigungsprodukten unter Verwendung optischer Eindrücke. 35 Als Schutzobjekt der Pressefreiheit werden daher alle in Massenvervielfältigung hergestellten und zur Verbreitung und Information geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse verstanden 36, wobei Kern der grundrechtlichen Gewährleistung das Recht ist, „Art und Ausrichtung, Inhalt und Form eines Puschlüsse). In den Karlsbader Beschlüssen von 1819 wurde eine strenge Präventivzensur für alle Publikationen mit weniger als 20 Druckbogen und eine nachträgliche Repressivzensur für alle Bücher vorgesehen. Damit wurde beispielsweise auch das in Württemberg 1817 erlassene Gesetz über Pressefreiheit wieder außer Kraft gesetzt. 31 Vgl. dazu etwa Wilke, Jürgen, Pressegeschichte, in: Noelle-Neumann, Elisabeth / Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen, (Hrsg.), Publizistik Massenkommunikation (2003), S. 482 ff. 32 Vgl. dazu etwa Strunk, Peter, Zensur und Zensoren, (1996), S. 92 ff.; Wilke, Jürgen, Medien DDR, in: Noelle-Neumann, Elisabeth.; Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen, (Hrsg.), Publizistik Massenkommunikation (2003), S. 28 ff. 33 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 22. 34 Stern, Klaus, Abwehrrechte, in: Stern, Klaus / Sachs, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1 (1988), S. 621. 35 Kluge, Friedrich / Seebold, Elmar, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, (2002), S. 719; Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 63. 36 Ausführlich zum Pressebegriff: Groß, Rolf, Presserecht, (1999), Rn. 1.; Vgl. auch Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 394. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob sie periodisch erscheinen oder nicht. Der Begriff der Presse wird je nach Schwerpunkt der pressebezogenen Fragestellung [z. B. Differenzierung nach Verfassungsrecht (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 75
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blikationsorgans frei zu bestimmen“ 37. Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt somit neben dem Presseprodukt alle pressebezogenen Tätigkeiten, von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht, vor staatlichen Eingriffen. 38 Geschützt sind ferner alle journalistischen und redaktionellen Arbeiten sowie der Presseinhalt, wobei es auf die Art des Inhalts nicht ankommt. 39 Vom Schutzbereich sind ebenfalls eine Reihe von Hilfstätigkeiten umfasst, ohne welche die Presse ihre Informationsfunktion nicht ausreichend wahrnehmen kann. Hierzu gehören neben der Verbreitung und dem Vertrieb auch unternehmerisch-wirtschaftliche sowie berufliche Aspekte. So genießt z. B. auch die Fusion bzw. der Zusammenschluss als unternehmerisch wirtschaftlicher Teil der Pressetätigkeit den Schutz des Grundrechts. 40 Grundrechtsberechtigt sind schließlich alle „im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen“ 41, d. h. neben dem Journalisten und den Redakteuren auch der Herausgeber, der Verleger oder der Buchhalter. (3) Defizite eines rein subjektiven Grundrechtsverständnisses Ungeachtet dieses umfassenden Schutzbereichs stößt das Grundrecht in seiner rein abwehrrechtlichen Funktion an seine Grenzen. Denn gerade in der modernen Industriegesellschaft wird die grundrechtlich geschützte Freiheit des Einzelnen zunehmend nicht nur durch den Staat, sondern auch durch nichtstaatliche Kräfte bedroht. So kann eine wirtschaftliche Machtballung im Pressewesen sowohl für Presseunternehmen als auch für den Rezipienten Gefährdungen von Grundrechtspositionen mit sich bringen. Durch entsprechende Interventionen Privater kann neben dem einzelnen Grundrechtsberechtigten, d. h. dem Journalisten, Verleger oder Rezipienten, auch die Presse in ihrer Funktion als für den demokratischen Verfassungsstaat unabdingbares 42 bzw. schlechthin konstituierendes 43 Kommunikationsmedium oder die Leistungsfähigkeit des Wettbewerbs betroffen sein. GG), Bundesrecht (§ 38 Abs. 3 GWB) oder Landesrecht (LandesPrG)] unterschiedlich beurteilt. Die Landespressegesetz gebrauchen z. B. einen etwas weiteren Pressebegriff, sie fassen darunter auch sonstige in zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahren hergestellte Schriften und andere Druckwerke, wie z. B. Tonträger oder bildliche Darstellungen. Zeitungen werden definiert als periodische und an eine unbestimmte Vielzahl abzusetzende Druckerzeugnisse von relativ hoher Aktualität und einem durchschnittlich vielseitigen (tagebuchartigen) Informationsangebot, vgl. Löffler, Martin / Ricker, Reinhart, Handbuch des Presserechts, (2005), 1. Kapitel, Rn. 16. 37 BVerfGE 101, 361, 389. 38 BVerfGE 10, 118, 121. 39 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 394. 40 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 39; Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 395. 41 BVerfGE 20, 162, 175.
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Das Risiko einer solchen privaten Grundrechtsbeeinträchtigung geht mit der privatautonomen Prägung des Marktes einher. Denn die in einem solchen Markt bestehende Freiheit zum Wettbewerb ist mit dem Bestreben zum Ausbau bestehender Marktpositionen verbunden, sodass auch die Mittel der freien Wettbewerbswirtschaft, insbesondere die Vertragsfreiheit, bei großer Marktmacht dazu genutzt werden können, Wettbewerber an ihrer freien Entfaltung zu hindern oder auszuschalten. 44 Damit geraten bestimmte Ergebnisse des Wettbewerbs mit grundrechtlichen Freiheiten in ein Spannungsverhältnis. Ob und inwieweit Grundrechte Grundlage für Reaktionen auf privates Verhalten, z. B. Marktverschiebungen im Pressemarkt sein können, ist im Weiteren zu prüfen. bb) Ausdehnung der Abwehrfunktion auf Privatrechtsverhältnisse im Wege der Drittwirkung In der Verfassung finden sich zur Frage der Geltung von Grundrechten gegenüber Privaten keine konkreten Aussagen. Ein dogmatischer Ansatz für eine Erweiterung der Abwehrfunktion ist die Konstruktion einer sogenannten Drittwirkung von Grundrechten. 45 Getragen von dem individualrechtlichen Bedürfnis, den durch private Macht entstehenden Gefahren ausgleichend Rechnung zu tragen, zielen die Theorien der Drittwirkung darauf ab, den staatsgerichteten Grundrechten eine Wirkungsdimension gegenüber privaten Rechtsträgern zuzuerkennen. 46 Demgemäß finden diese dogmatischen Ansätze ihr spezifisches Anwendungsfeld in den Binnenbeziehungen Privater. Doch ist das Drittwirkungskonzept nicht für die Bewältigung aller Konstellationen privater Grundrechtsgefährdung geeignet, wie sich insbesondere auch an dem hier zu behandelnden Problembereich der Gefährdung von Grundrechtspositionen durch Marktmacht bzw. der Pressefusionskontrolle zeigt. 47 42
Badura, Peter, Verfassungsrechtliche Bindung der Rundfunkgesetzgebung, (1980),
S. 26. 43 BVerfG 57, 295 ff. vgl. hierzu: Scholz, Rupert, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ (1981), S. 561 ff. 44 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 424. 45 Grundlegend dazu: Dürig, Günther, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (1976), Rn. 127 ff.; Leisner, Walter, Grundrechte und Privatrecht, (1960), S. 306 ff.; Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, AcP [184] (1984), S. 201 ff. 46 Dies gehört nicht zuletzt zu den typischen Formen sozialstaatlicher Grundrechtspolitik, vgl. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 52. 47 So auch: Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 84; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 103.
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(1) Keine unmittelbare Drittwirkung Nach der These der unmittelbaren Drittwirkung 48 richten sich grundrechtliche Abwehransprüche nicht nur gegen den Staat, sondern auch gegen freiheitsbeeinträchtigende Eingriffe, die von nichtstaatlicher Seite ausgehen, ohne dass es einer Vermittlung des Grundrechtsschutzes über wertausfüllungsfähige bzw. -bedürftige Generalklauseln 49 bedarf. Eine solche unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten ist abzulehnen. 50 Zwar trifft es zu, dass Grundrechte als Teil einer Gesamtrechtsordnung auch für die Gestaltung des Privatrechts Vorgaben enthalten, denn gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ist „aller staatlichen Gewalt“ die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde auferlegt, und gemäß Art. 1 Abs. 3 GG binden Grundrechte „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung“ als unmittelbar geltendes Recht. Der Privatrechtsgesetzgeber ist also an Grundrechte gebunden. Auf eine unmittelbare Bindung Privater kann ausgehend davon jedoch nicht geschlossen werden. Neben dem insoweit besonders aussagekräftigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG, nach dem staatliche Gewalten, nicht hingegen Private an Grundrechte gebunden sind 51, sprechen die historische Aufgabe und die Funktion der Grundrechte gegen eine Grundrechtsbindung Privater. Grundrechte sind von ihrer Konzeption subjektive Abwehrrechte gegen ein Übermaß staatlicher Machtentfaltung. Sie kompensieren damit u. a. den Verzicht des Einzelnen auf sein Gewaltrecht zugunsten des Staates und lassen ihm in einem Über- / Unterordnungsverhältnis Schutz zukommen. Daraus folgt nicht nur, dass öffentliche Gewalten eines solchen Schutzes gegenüber dem Bürger nicht bedürfen 52, sondern ebenfalls, dass sich das Verhältnis Privater untereinander vom Machtverhältnis Bürger / Staat unterscheidet. So 48
BAGE 1, 185, 192 ff. und BGHZ 33, 145, 149 f.; 38, 317, 319 f. Sog. mittelbare Drittwirkung,vgl. Dürig, Günther, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (1976), Rn 132. hierzu auch BVerfGE 7, 198, 205 ff. 50 Dürig, Günther, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (1976), Rn. 127 ff; Dürig, Günther, Art. 2 Abs. 1 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (1976), Rn. 57 ff; Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 4 f.; M. w. N. auch Löffler, Martin / Ricker, Reinhart, Handbuch des Presserechts, (2005), 11. Kapitel, Rn. 28 ff. 51 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 103: „Aus der Norm des Art. 1 Abs. 3 GG lässt sich die Verpflichtung des Privaten die Grundrechte zu achten nicht ableiten.“ 52 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 354 ff. 49
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begegnen sich die mit gleichen Rechten ausgestatteten Privatrechtssubjekte typischerweise auf der Ebene der Gleichordnung. Kommt es in diesem Verhältnis zu einer Rechtsbeschränkung des einen oder anderen Teils, erfolgt dies in der Regel privatautonom auf der Basis des Willens des Grundrechtsträgers selbst und nicht durch einen hoheitlichen (zwangsweise durchsetzbaren) Akt. Zudem nehmen in gleichgeordneten Verhältnissen die Beteiligten in gleicher Weise am Schutz der Grundrechte teil, sodass der Grundrechtschutz zugunsten und zulasten beider bzw. aller am Rechtsverhältnis Beteiligten und damit nur wechselseitig begrenzt wirken kann. Da sich demgemäß die von staatlicher Machtenfaltung ausgehenden Freiheitsbedrohungen qualitativ von Freiheitsrepressionen zwischen Privaten unterscheiden, besteht im Bürger-Bürger-Verhältnis auch ein vom Bürger-Staat-Verhältnis zu unterscheidendes Schutzbedürfnis. Eine generelle Zurechnung privater Eingriffe zum Staat würde diesen verfassungsbedingten Gegensatz von Hoheitssubjekt und Bürger einerseits und Bürger zu Mitbürger andererseits und damit auch eine Grundbedingung der Freiheit ignorieren. 53 Eine Anerkennung unmittelbarer Grundrechtswirkungen würde insbesondere die in der Privatautonomie zum Ausdruck kommende grundrechtlich garantierte Selbstverantwortlichkeit, nach der es dem Einzelnen überlassen ist, sich auf der Grundlage eigener Entscheidungen zu binden und Verpflichtungen einzugehen, in erheblichem Maße einschränken. 54 Bei einer konsequenten Anwendung einer unmittelbaren Drittwirkung müsste überdies der Vorbehalt des Gesetzes, der zunächst bei grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers eine Normierung im Gesetzgebungsverfahren verlangt, auch für Private gelten. Da das Verhalten Privater jedoch auf eigenen privatautonomen Entscheidungen der Parteien beruht bzw. auf den eigenen Willen gestützt ist, wäre eine Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes in privaten Rechtsbeziehungen nur eingeschränkt vorstellbar und würde im Ergebnis gar zu einer Entwertung des Vorbehalts des Gesetzes führen. 55 Schließlich würde eine unmittelbare Zurechnung nichtstaatlichen Handelns zum Staat auch eine Verschiebung von der Verantwortung des Einzelnen zur Verantwortung des Staates bedingen und hätte – neben dieser Verschiebung des verfassungsrechtlichen Verantwortungsgleichgewichts – auch eine mittelbare Stärkung der Macht des Staates zur Folge. Im Ergebnis kann damit bei grundrechtlichen Eingriffen Privater keine der Staatsgerichtetheit vergleichbare Drittgerichtetheit bestehen. Dies gilt selbstredend auch für das Grundrecht der Pressefreiheit.
53
Rupp, Hans Heinrich, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 167 ff. Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 357. 55 Rupp, Hans Heinrich, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 168. 54
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(2) Begrenzte Effektivität der mittelbaren Drittwirkung Eine weitere, ebenfalls auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse zugeschnittene Grundrechtskonzeption ist die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, die an die gesetzgeberische Befugnis zur Gestaltung von Rechtsverhältnissen Privater anknüpft. Nach diesem Ansatz können Grundrechte in einem solchen Verhältnis zum Ansatz gebracht werden, wenn der Gesetzgeber von seiner Gestaltungsbefugnis im Verhältnis zwischen Privaten Gebrauch gemacht hat und die gesetzlichen Bestimmungen hinter den grundrechtlichen Anforderungen an eine hinreichende individuelle Entfaltung zurückbleiben. Bei einer solchen Auslegung der einschlägigen Regelungen „im Lichte der Grundrechte“, wie es z. B. im Bürgschaftsrecht oder im Unterhaltsrecht praktiziert wird, bleibt – im Gegensatz zur unmittelbaren Drittwirkung – das einfachgesetzliche Rechtsverhältnis der im Streit befindlichen Parteien maßgebend. Es öffnet sich nur über ausfüllungsbedürftige Begriffe bzw. Generalklausen der Grundrechtswirkung. Damit zeichnen sich bereits die Grenzen der Konstruktion der mittelbaren Drittwirkung ab. Eine mittelbare Drittwirkung setzt voraus, dass ein einfachgesetzlich geregeltes Rechtsverhältnis zwischen zwei Privatrechtsakteuren vorhanden ist und dass die infrage stehenden Vorschriften einen Spielraum für eine effektive Berücksichtigung der Grundrechte lassen. Im Rahmen von Konzentrationsprozessen im Pressewesen besteht regelmäßig kein konkretes privatrechtliches Rechtsverhältnis, sodass sich die in einem solchen Rahmen bestehenden Konflikte nur sehr eingeschränkt durch Anknüpfungen an Grundrechte regulieren lassen. Der expansiv agierende Presseverleger oder Internetanbieter, der möglicherweise andere Verleger in ihrer Existenz und damit auch ggf. die Vielfältigkeit der Presselandschaft bedroht, steht nämlich, was das Expansionsverhalten betrifft, grundsätzlich nicht in einer unmittelbaren Rechtsbeziehung mit dem Rezipienten oder (mit Ausnahme des direkten Übernahmeobjekts) dem vom Kauf oder durch Marktmacht bedrohten Verleger. Auch die Berücksichtigung der Position des Rezipienten, der durch das Abwehrrecht der Informationsfreiheit geschützt ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. cc) Zwischenergebnis Ungeachtet des umfassenden Schutzbereichs der Pressefreiheit, stößt das Grundrecht in seiner rein abwehrrechtlichen Funktion an seine Grenzen, wenn die grundrechtlich geschützte Freiheit des Einzelnen durch nichtstaatliche Kräfte bedroht wird. Getragen von dem individualrechtlichen Bedürfnis, den durch private Macht entstehenden Gefahren ausgleichend Rechnung zu tragen, zielen die Theorien der Drittwirkung darauf ab, den staatsgerichteten Grundrechten
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eine Wirkungsdimension gegenüber privaten Rechtsträgern zuzuerkennen. Während das unmittelbar Drittwirkungskonzept nicht für die Bewältigung privater Grundrechtsgefährdung geeignet ist, da Grundrechte bei Eingriffen Privater keine der Staatsgerichtetheit vergleichbare Drittgerichtetheit entwickeln, können Grundrechte im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Privatrechtsverhältnisse einwirken. Dies setzt allerdings voraus, dass ein einfachgesetzlich geregeltes Rechtsverhältnis zwischen zwei Privatrechtsakteuren vorhanden ist und dass die infrage stehenden Vorschriften einen Spielraum für eine effektive Berücksichtigung der Grundrechte lassen. Da im Rahmen von Konzentrationsprozessen im Pressewesen regelmäßig kein konkretes privatrechtliches Rechtsverhältnis besteht, lassen sich die im vorliegenden Kontext bestehenden Konflikte nur sehr eingeschränkt durch das Konzept der mittelbaren Drittwirkung regulieren. b) Ablehnung eines rein objektivrechtlichen Grundrechtsverständnisses Besteht in Ermangelung eines einfachgesetzlichen Rechtsverhältnisses oder auch deswegen, weil der Gesetzgeber eine klare und eindeutige Regelung getroffen hat, die keine Korrektur über Generalklausen oder sonstigen Deutungsspielraum zulässt, kein Raum für eine mittelbare Drittwirkung, stellt sich die Frage nach etwaigen weiteren grundrechtlichen Schutzmechanismen. Derartige Schutzmechanismen werden – auch im Fall privater Grundrechtsstörung – objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten zugeordnet (aa), die jedoch mit Blick auf die subjektiv-rechtliche Grundrechtsseite nicht überhöht werden dürfen (bb). aa) Objektiv-rechtliche Grundrechtsseite Dem Funktionswandel der Grundrechte im Sinne einer Objektivierung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass nach einem traditionell-liberalen Grundrechtsbild die positive Grundrechtsförderung und -sicherung der objektiven Ordnung nicht in hinreichender Weise gewährleistet ist. 56 Der grundrechtliche Funktionswandel soll eine stärkere Berücksichtigung der mit privater Machtenfaltung einhergehenden Gefahren für die individuelle Freiheit erlauben (1). Das Grundrecht wird daher aus seiner klassisch-subjektiv-rechtlichen Funktion im Staats-BürgerVerhältnis gelöst 57 und ihm als Norm mit objektiv-rechtlichem Gehalt und den
56
BVerfGE 49, 89, 141 ff. Vgl. hierzu insbesondere Häberle, Peter, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, (1982), S. 4 ff.: Neben den verbürgten subjektiven Rechten der Grundrechte seien die Grundrechte durch die objektiv-rechtliche bzw. institutionelle Seite gekennzeichnet. Insoweit bedeuteten die Grundrechte verfassungsrechtliche Gewährleistungen freiheitlich geordneter und gestalteter Lebensbereiche, die sich ihrer objektiv-institutionellen Be57
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darin enthaltenen „Wertentscheidungen“ 58 von Verfassungsrang Wirkungskraft im Bürger-Bürger-Verhältnis zuerkannt 59 (2). (1) Erkenntnisprozess Das bipolare Grundrechtsverständnis von den Grundrechten als subjektive Freiheitsrechte und objektive Grundsatznormen hat sich in wechselseitiger Ergänzung von Praxis und Lehre entwickelt. 60 Es wird heute vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegt und von einem breiten Konsens der Wissenschaft getragen. 61 Die Erkenntnisse über die objektivrechtliche Grundrechtsseite knüpften vor allem an Ausführungen Dürigs 62 sowie die Anerkennung grundrechtlich verwurzelter Einrichtungsgarantien durch das Bundesverfassungsgericht 63 an. Neben Art. 6 GG 64 nahm insbesondere Art. 5 GG durch die Lüth-Entscheidung 65 des Bundesverfassungsgerichts eine Schlüsselrolle bei der Anerkennung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte ein. In dieser Entscheidung stellt das Gericht fest, dass zum einen „die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern“ 66 ist, dass aber zugleich das „Grundgesetz, das keine wertneutrale Ordnung sein will, in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und dass gerade hierin eine spezielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt“ 67. Die Einwirkung der objektiven Wertordnung soll nach diesem Ansatz durch die Vermittlung von Richtlinien und Impulsen für Gesetzgebung, Rechtsprechung deutung wegen nicht in das Schema „individuelle Freiheit / Schranke der individuellen Freiheit“ einordnen ließen. 58 Objektiv-rechtlicher Gehalt und Wertentscheidung werden im Weiteren synonym verwandt. 59 Klein, Eckart, Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates, NJW (1989), S. 1633. 60 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 2. 61 Das Gericht bezeichnete diese Verständnis in BVerfGE 49, 89, 141 ff. selbst als ständige Rechtsprechung: In grundrechtlichen Verbürgungen sind danach nicht lediglich subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt enthalten, diese stellen vielmehr zugleich objektivrechtliche Wertentscheidungen der Verfassung dar, die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten und Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben. 62 Dürig, Günther, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, in: Maunz, Theodor, (Hrsg.), Festschrift für Hans Nawiasky (1956), S. 157 ff. 63 Z. B. BVerfGE 24, 367, 389 f. 64 BVerfGE 6, 55. 65 BVerfGE 7, 198. 66 BVerfGE 7, 198, 204. 67 BVerfGE 7, 198, 205.
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und Verwaltung erfolgen. Dabei soll die Idee einer objektiven Dimension überall dort Bedeutung gewinnen, wo der abwehrrechtliche Rahmen der Grundrechtsinterpretation überschritten wird. 68 Auf explizite Vorgaben des Verfassungsgebers kann der Ansatz allerdings nicht gestützt werden. Lediglich in Art. 1 Abs. 2 GG, der die Gewährleistungen der Grundrechte als „Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft“ bezeichnet, kommt ein – über den Wortlaut hinausgehender – Charakter der Grundrechte als Elemente objektiver Ordnung zum Ausdruck. 69 Die Verobjektivierung der Grundrechte kann daneben durch die Maxime, dass von mehreren möglichen Interpretationen diejenige zu wählen ist, welche die Norm zur stärksten Entfaltungskraft führt, begründet werden. So führt auch das Bundesverfassungsgericht aus 70, dass das Grundgesetz „in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und dass gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt.“ 71 Der objektive Charakter der Grundrechte fußt daneben in dem Verständnis der Grundrechte, als dem Staat bzw. der staatlichen Rechtsordnung vorgelagerte Rechte 72, welche zunächst als absolute Rechte und damit subjektiv beziehungslose Rechte zu verstehen sind und erst in einem nächsten Schritt, nämlich beim Hinzutreten von subjektiven Interessen 73, als subjektives Abwehrrecht aktiviert werden. Dieser Ansatz, den die Frage nach Begründung und Bedeutung der Grundrechte hervorgebracht hat, beruht im Ergebnis auf der Annahme, dass subjektiv-öffentlichen Rechten grundsätzlich eine objektive Norm zugrunde liegen muss. 74 In eine ähnliche Richtung weist die „banal klingende“ 75 Feststellung, 68 Darauf verweisend: Alexy, Robert, Grundrechte als subjektive Rechte und als objektive Normen, Der Staat (1990), S. 49. 69 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 290 ff. 70 Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 365: „Das BVerfG bezieht sich [...] auf die Wertentscheidung bzw. objektiv-rechtliche Gehalte, wenn ihm der Grundrechtsschutz in sein klassischen Gehalten zweifelhaft erscheint, es aber anderseits eine Verweigerung des grundrechtlichen Schutzes nicht zuletzt wegen der [...] Stellung der Grundrechte im Grundgesetz für nicht akzeptabel hält.“ Die Anerkennung einer objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension beinhaltet damit zunächst die Verallgemeinerung des Grundrechts über die Rechtsfolge des Abwehranspruchs hinaus. 71 BVerfGE 7, 198, 205. 72 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 3. 73 Bleckmann, Albert, Neue Aspekte der Drittwirkung der Grundrechte, DVBl (1988), S. 940. 74 Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 890, 895.
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dass Grundrechte keine Normen sind, sondern auf Normen beruhen und damit Grund des subjektiven Rechts die objektive Ordnung des Rechts ist. 76 (2) Bedeutung und allgemeine Rechtswirkungen – Grundrechte als Leitprinzipien objektiven Rechts mit Verfassungsrang Die grundsätzliche Anerkennung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte besagt noch nichts über deren konkreten Rechtswirkungen. Diesbezüglich bedarf es einer weitergehenden Grundrechtsinterpretation. Andeutungen zu entsprechenden Wirkungen finden sich z. B. in der Entscheidung zur Ehegattenveranlagung 77, in welcher sowohl eine Ausstrahlungswirkung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte als auch ein Schutz von Dritten angesprochen wird. Die objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt, soll danach Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben. Diese sogenannte Ausstrahlungswirkung des Grundrechts ist nicht auf das privatrechtliche Gleichordnungsverhältnis beschränkt, auch wenn von ihr dort am häufigsten Gebrauch gemacht wird. Sie dient generell der Ausfüllung auslegungsbedürftiger Vorschriften, kann aber auch Maßstab für Abwägungen sein, z. B. im Falle von Grundrechtskollisionen. Das Wirkungsspektrum der objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite betrifft daneben auch das Recht auf ein grundrechtsgemäßes Verfahren 78, grundrechtliche Leistungsrechte 79 oder grundrechtliche Anforderungen für die Organisation z. B. von Hochschulen 80 und Rundfunk 81. Ein gerade in jüngerer Zeit zunehmend in den Vordergrund der Diskussion gerückter Aspekt der objektiv-rechtlichen Grundrechtsordnung ist die Ableitung grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates 82, eine dogmatische Kategorie, welche staatlicher Handlungspflichten unter Einbeziehung der objektiv-rechtlichen Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf Gleichordnungsverhältnisse zu übertragen vermag. 83 Ausgangspunkt der staatlichen Handlungspflicht ist nämlich die Aufgabe der Gewalten, insbesondere des Gesetzgebers, die objektiv-recht75 Friesenhahn, Ernst, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages, Band II (1974), S. G 4. 76 Jellinek, Georg, System des öffentlichen Rechts, (1905 [1963]), S. 8 f. 77 BVerfGE 6, 55, 72. 78 BVerfGE 53, 30, 65. 79 BVerfGE 33, 303, 330; 43, 291, 313 ff. 80 BVerfGE 35, 79, 114 ff. 81 BVerfGE 12, 205; 57, 295. 82 BVerfGE 39, 1, 41; 46, 160, 164. 83 Hermes, Georg, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW (1990), S. 1765. Zu Recht wird daher betont, dass „die verschiedenen, auf die objektiv-
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lichen Wertentscheidungen der Grundrechte im einfachrechtlichen Bereich zu entfalten, was den Gesetzgeber jedenfalls zur Schaffung neuen Rechts berechtigen 84 und sich unter bestimmten Voraussetzungen (ggf. in Verbindung mit den Staatsstrukturprinzipien der Demokratie und des sozialen Rechtsstaats) auch zu einer Handlungsverpflichtung verdichten kann 85, beispielsweise dann, wenn eine verfassungskonforme Korrektur durch richterliche Auslegung nicht möglich und nur durch ein Eingreifen in die vorhandene Gesetzeslage zu erreichen ist. Eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers ist bereits im Lüth-Urteil angesprochen, wenn es dort heißt, dass keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift im Widerspruch zu dem in den Grundrechten verkörperten Wertsystem stehen darf. 86 Die objektive Grundrechtsseite umfasst folglich einen Strauß verschiedener Grundrechtswirkungen: Ihr kommen statusbestimmende, -begrenzende und sichernde Funktionen zu 87, sie bildet die Grundlage für Wertentscheidungen, Grundrechtsausgestaltungen bzw. institutionelle Gewährleistungen, Verfahrensgarantien und Schutz- bzw. Handlungspflichten. 88 Für die Frage des verfassungsrechtlichen Rahmens der Pressefusionskontrolle sind freilich nicht alle objektiv-rechtlichen Grundrechtsausprägungen gleichermaßen bedeutsam, eine Fokussierung auf die statussichernde Funktion der objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite erscheint an dieser Stelle zweckmäßig. 89
rechtliche Wertentscheidung gestützten Funktionen eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten“ haben, die es rechtfertigen, „sie dogmatisch zusammenzufassen“, auch dann, wenn sie unter unterschiedlichen Bezeichnungen firmieren, vgl. Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 396 ff. 84 Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 377. 85 Vgl. für Art. 5 GG: BVerfGE 12, 205, 261; 57, 295, 320; 60, 53, 64; 73, 118, 152 f; 74, 297, 324. 86 BVerfGE 7, 198, 205. 87 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 290 ff. 88 Stern, Klaus, Die Freiheit der Kommunikation und der Information, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1420. 89 Vgl. zur Frage subjektiv-rechtlicher Ableitungen objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte: Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 14 ff; vgl. hierzu insgesamt: Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 953 ff.
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bb) Defizite der rein und primär institutionellen Deutung Anknüpfend an die grundsätzliche Anerkennung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte sowie auch und gerade mit Blick auf die „objektive“ Funktion der öffentlichen Meinungsbildung und deren Bezug zum staatsrechtlichen Demokratieprinzip 90, wird die Pressefreiheit z.T. als primär institutionelles Grundrecht verstanden. Die objektive Institution wird gleichsam vor das Freiheitsrecht gestellt und dem Einzelnen durch das Grundrecht nur als Rechtsreflex Schutz gewährt. 91 Einem solchen Grundrechtsverständnis, insbesondere der damit korrespondierenden Zurückdrängung des abwehrrechtlichen Gehalts, stehen gewichtige Einwände entgegen. Die Ansicht vom „primär institutionellen Grundrecht“ bzw. von der „öffentlichen Meinungsfreiheit“ übersieht zum einen, dass nach der historischen Genese das Grundrecht der Pressefreiheit mit seinem natur- und menschenrechtlichen Ursprung 92 ein typisches subjektiv-individuelles Grundrecht im liberalen Sinne ist. 93 Der Verfassungsgeber hat mit der Gewährleistung der Pressefreiheit eine Entscheidung zugunsten privatwirtschaftlicher und privatnütziger Rechtspositionen getroffen, die eines abwehrrechtlichen Schutzes vor Eingriffen des Staates bedürfen, auch wenn sie dabei stets mit der publizistischen demokratierelevanten Funktion verbunden bleiben. 94 Demgemäß bezieht sich der Verfassungstext in seinem Wortlaut auf die Freiheit der Presse und nicht auf die Presse allein. 95 Zwar kommt die subjektivrechtliche Komponente des Grundrechts nicht wie etwa bei der Meinungsfreiheit in der Formulierung der Norm zum Ausdruck, dies kann jedoch kein Grund für eine primär objektiv-rechtliche Deutung sein. 96 Auch der Begriff der „Gewährleistung“ der Freiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG stellt sich als typische frei90
Ridder, Helmut, Die öffentliche Aufgabe der Presse im System des modernen Verfassungsrechtes, (1962), S. 16; Ridder, Helmut, Meinungsfreiheit, in: Neumann, Franz L. / Nipperdey, Hans Carl / Scheuner, Ulrich, (Hrsg.), Die Grundrechte (1954), S. 253 ff. 91 Stammler, Dieter, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, (1971), S. 215 ff.; Geiger, Wilhelm, Die Grundrechte der Informationsfreiheit, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 132; Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 12; Vgl. hierzu auch m.w. N.: Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 75 ff.; Groß, Ingrid, Die Institution Presse, (1971), S. 167 ff. 92 Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 909. 93 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 8. 94 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 83, spricht von einem „unlöslichen Konnex“. 95 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 22.
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heitsrechtliche Formulierung dar, vgl. insoweit Art. 4 Abs. 2 GG i.V. m. Abs. 1 GG. Die Religionsfreiheit, die ohne Zweifel ein subjektives Abwehrrecht ist, belegt, dass trotz Wortlauts der „Gewährleistung“ das Grundrecht nicht nur vom Gesetzgeber konstitutiv gewährt wird. Auch die systematische Einordnung im Grundrechtsteil lässt „keinen vernünftigen Zweifel“ 97 an der Eigenschaft der Pressefreiheit als Freiheitsrecht zu. Dies wird zum einen durch den Bezug der Pressefreiheit zu Art. 1 GG deutlich. Da die Presse, wie oben bereits erwähnt, ein Ort der persönlichen Entfaltung und Betätigung ist, muss gerade hier der Schutz der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit normatives Leitprinzip sein. Der gleiche Schluss ergibt sich aus der systematischen Einordnung der Pressefreiheit in den Gesamtkontext der Kommunikationsrechte aus Art. 5 GG, in dessen Mittelpunkt die freie Meinungsbildung als typisches Abwehrrecht steht. Denn die Systematik des Art. 5 Abs. 1, 2 GG beschreibt eine Kommunikationsverfassung, in dessen Mittelpunkt die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung steht 98 und deren Verwirklichung durch die Abwehr möglicher Gefahren für die in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Schutzgüter gesichert wird. Die Deutung der Meinungsfreiheit des Satzes 1 als (jedenfalls auch) ein individuelles Freiheitsrecht im klassischen Sinne muss, aufgrund des Zusammenhangs der in Art 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Informationsordnung, gleichermaßen für die einzelnen medienspezifischen Grundrechtsgewährleistungen gelten. Das Verständnis vom „primär institutionellen Grundrecht“ verkennt zudem, dass die historisch abwehrrechtliche Konzeption der Grundrechte eine gewisse Abhängigkeit der objektiv-rechtlichen Seite eines Grundrechts von seiner subjektiven Komponente bedingt. Die subjektiv-rechtliche Ausprägung ist sowohl die Grundlage als auch eine Quelle für Begrenzungen objektiver Grundrechtsinhalte. Um den objektiv-rechtlichen Gehalt eines Grundrechts zu erkennen, hat eine Betrachtung der subjektiven Grundrechtsausübungen als Ganzes (gewissermaßen „von außen“) zu erfolgen. Dies öffnet den Blick auf die über die individuelle Gewährleistung hinausgehende Realisierung der im Grundrecht enthaltenen Garantien. 99 In einem ersten Schritt werden die im Abwehrrecht verbürgten Wertentscheidungen herausgefiltert, um dann in einem nächsten Schritt zur Grundlage objektiver Gewährleistungen zu werden. Objektiv-rechtliche Garantien wurzeln somit in der „kollektiven“ Grundrechtsausübung und in der subjektiv-rechtlichen Dimension des Grundrechts. Sie können daher auch nicht über das subjektive 96 Vgl. mit gleicher Argumentation für die Rundfunkfreiheit: Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 84. 97 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 11. 98 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 81. 99 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 46f.
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Recht hinauswachsen. Dieser Zusammenhang kommt in der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, nach welcher der objektiv-rechtliche Kern sich „nicht von dem eigentlichen Kern lösen und zu einem Gefüge objektiver Normen verselbständigen [könne], in dem der ursprüngliche und bleibende Sinn der Grundrechte zurücktritt“ 100. Die rein institutionelle Betrachtung vermag ferner auch deswegen nicht zu überzeugen, weil die objektive Wirkung nach dem Konzept der funktionalen Tatbestandsausbildung nicht von der primär subjektiv-rechtlichen Bedeutung gelöst werden kann. 101 Nach der funktionalen Grundrechtsinterpretation 102 führt nämlich gerade die reale Grundrechtsausübung zu einer funktionalen Tatbestandsausbildung. 103 Auch objektivierte Grundrechtsgehalte erwachsen demnach maßgeblich aus der Ausübung des Freiheitsrechts durch den Grundrechtsträger. 104 Eine völlige Abkopplung der objektiven Grundrechtsseite von der subjektiven Seite würde diese strukturelle Verknüpfung von subjektiver und objektiver Grundrechtsseite missachten. Dass die Pressefreiheit mit der Sicherung des freien Kommunikationsprozesses in Gesellschaft und Staat auch eine politisch-soziale Funktion erfüllt, zwingt nicht zu einer primär institutionellen Deutung. 105 Auch andere Freiheitsrechte, wie etwa Art. 14 GG, sehen eine Sozialbindung ausdrücklich vor, ohne ihren freiheitsrechtlichen Charakter einzubüßen. Dementsprechend muss ein Freiheitsrecht auch unter Einbeziehung der demokratischen Bezüge das Recht darstellen, von der Freiheit Gebrauch zu machen oder aber vom Gebrauch Abstand zu nehmen. 106 Schließlich spricht auch die europarechtliche Perspektive gegen eine rein objektiv-rechtliche Deutung der Pressefreiheit. So behandelt die Europäische Menschenrechtskonvention die Pressefreiheit – in Art. 10 EMRK verbürgt – als Teil der allgemeinen Meinungsfreiheit und damit wie ein klassisches Abwehrrecht. Ein vergleichbarer Schluss kann aus dem Gemeinschaftsrecht gezogen werden, soweit die Presse unter die Grundfreiheiten (Warenverkehr 107) fällt. Diese sind 100
BVerfGE 50, 290, 337. Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 290 ff. 102 Deren Weg auch durch die institutionelle Deutung geöffnet wurde, vgl. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 88. 103 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 88. 104 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 92. 105 Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 85. 106 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 13. 107 Vgl. Familiapress / Bauer; Slg. 97 I 3689, Rn. 2. 101
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nicht als dienende Freiheit verfasst, sie stellen vielmehr subjektiv-rechtliche Garantien dar, die ebenfalls abwehrrechtlichen Charakter besitzen. 108 c) Zwischenergebnis: Das Grundrecht der Pressefreiheit als primär individuelles Grundrecht Die Pressefreiheit ist ein primär individuelles Grundrecht 109, das als subjektives Recht eines konkreten Grundrechtsträgers auf Abwehr staatlicher Eingriffe gerichtet ist. 110 Aus diesem Grundrecht ableitbare objektive Gehalte folgen dem subjektiven Kern der verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie. Der subjektivrechtliche Gehalt des Grundrechts bildet mithin die Basis der Grundrechtsfunktion und auch der Grundrechtsinterpretation. Die objektive Funktion ist komplementär, sie tritt nur ergänzend zum Abwehrrecht hinzu, z. B. dann, wenn das Abwehrrecht den erforderlichen Umfang der Schutzgarantie allein nicht zu bieten vermag. Der status positivus besteht also im Sinne einer zweiten Schutzschicht neben dem status negativus, der je nach Situation und Einzelfall bis zu einem gegenüber der subjektiven Gewährleistung gleichwertigen (d. h. aber auch nicht darüber hinausgehenden) Recht erwachsen kann. 111 Die abwehrrechtliche Hauptfunktion kann aber durch die objektive weder modifiziert noch verdrängt oder ersetzt werden. 112 Dies muss nicht zuletzt deshalb gelten, weil der Inhalt der objektiven Dimension als „abgeleiteter“ notwendigerweise weniger konkret ist als der subjektive. 113 Die objektive Grundrechtsseite darf auch nicht in isolierter Eigenständigkeit zu einem „Institut“ erwachsen, das sich vom subjektiven Recht löst und als Träger einer öffentlichen Aufgabe die subjektive Seite überdeckt.
108 Für die Rundfunkfreiheit mit dieser Argumentation: Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 87. 109 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 24 ff.; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 88. 110 Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 909, verweist insbesondere auf den natur- und menschenrechtenlichen Ursprung. 111 Vgl. hierzu auch: Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 10. 112 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 12. 113 Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 89 ff.
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2. Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit im Gesamtkontext des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Bereits im Jahr 1964 hat die Kommunikationswissenschaft in der „Langzeitstudie Massenkommunikation“ 114 Belege dafür gefunden, dass zwischen den verschiedenen Medien kein Substitutionsverhältnis besteht, sondern dass diese sich in hohem Maße ergänzen. Die These von der Komplementarität der Medien ist auch von den späteren „Wellen“ der Langzeitstudie immer wieder bestätigt worden und gehört mittlerweile zum Grundbestand medienwissenschaftlicher Erkenntnisse. 115 Auch die neueren technischen Entwicklungen, die häufig mit dem Stichwort „Konvergenz der Medien“ 116 umschrieben werden, bestätigen dieses Phänomen. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob bzw. inwieweit die vom Verfassungsgeber in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterschiedenen Freiheiten einer einheitlichen Bewertung zuzuführen sind. Können die einzelnen Freiheitsgarantien gar zu einer „Medienfreiheit“ zusammengefasst werden, sind sie als unterschiedliche, aber normativ gleichwertige Ausprägungen derselben zu verstehen, oder sind den verschiedenen Medien, dem Wortlaut entsprechend, gesonderte Freiheitsrechte zuzuweisen? Festzustellen ist in diesem Zusammenhang auch, ob nicht nur die Medienfreiheiten allein, also z. B. die Pressefreiheit, sondern auch Art. 5 Abs. 1 GG „im Ganzen“ 117 Vielfaltsanforderungen normiert. Würde das verfassungsrechtliche Vielfaltsgebot nicht in separater Betrachtung der Mediengattung, sondern medienübergreifend postuliert, könnte dies z. B. die Kompensation der Vielfaltsdefizite in einem Medium durch ein anderes erlauben. Ferner können diesbezügliche Erkenntnisse zur Klärung beitragen, inwieweit die Verfassung wirtschaftliche Verdrängungsvorgänge zwischen Medien toleriert und das Medium vor Konkurrenz anderer schützt. Tatsächlich sprechen gewichtige Gründe für eine im Grundsatz medienübergreifende Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG (a). Freilich bedürfen die Grenzen der medienübergreifenden Betrachtung insbesondere mit Blick auf die explizite Gewährleistung einzelner Freiheiten einer sorgfältiger Prüfung (b).
114
Berg, Klaus / Ridder, Christa Maria, Massenkommunikation VI – Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964 – 2000, Schriftenreihe Media Perspektiven, Band 16, (2002). 115 Ridder, Christa-Maria / Engel, Bernhard, Massenkommunikation 2005: Images und Funktionen der Massenmedien im Vergleich, Media Perspektiven (2005), S. 422 ff. 116 Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, I., 2, b – Technologischer Fortschritt – Konkurrent Internet und Medienkonvergenz. 117 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 21.
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a) Ansatz einer medienübergreifenden Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG Insbesondere die empirisch-technischen Überschneidungen zwischen den Mediengattungen geben Anlass dazu, die gesondert normierten Medienfreiheiten in einem einheitlichen, medienübergreifenden Kontext zu verstehen (aa). Die grundrechtliche Systematik stützt diese übergreifende Perspektive (bb). aa) Aufbrechen der klassischen Abgrenzungen der Medienfreiheiten durch neue Medienformen Die Presse sieht sich derzeit mit einem Umbruch in der Medienordnung konfrontiert. 118 Mit zunehmender Digitalisierung verschwimmen sowohl die Grenzen zwischen den Massenkommunikationsmitteln untereinander als auch die zwischen Individualkommunikation und Massenkommunikation. Der Computer ist Zeitung, Radio, Fernseher und Portal für Individualkommunikation (E-Mails) zugleich, Handys dienen nicht mehr ausschließlich der Individualkommunikation, sie enthalten Radios oder übermitteln Nachrichten in Wort und Schrift. Diese Entwicklung stellt auch die verfassungsrechtliche Kommunikationsordnung vor neue Fragen. Denn die voranschreitenden Veränderungen auf dem Medienmarkt haben u. a. zur Folge, dass sich moderne Kommunikationsmittel oder neue Dienste, wie z. B. das E-Paper oder die Onlinezeitung, die auch und gerade von Presseunternehmen genutzt werden, den verfassungsrechtlichen Kriterien „Rundfunk“ und „Presse“ und auch den Kategorien Individual- oder Massenkommunikation nicht mehr eindeutig zuordnen lassen. Eine grundrechtliche Nichtberücksichtigung der neuen Entwicklungen kann u. U. dem Gebot eines effektiven Grundrechtsschutzes zuwiderlaufen. Gleichzeitig sollte auch hinsichtlich einer pauschalen teleologischen Extension grundrechtlicher Gewährleistungen eine gewisse Zurückhaltung geübt werden, um eine Auflösung der Kontur des Schutzbereichs zu vermeiden. Es stellt sich somit zunächst die Frage, wie entwicklungsoffen die Grundrechte bzw. speziell der Pressebegriff sind (1). In einem nächsten Schritt ist zu klären, wie sich die durch die neuen Medien verschwimmenden Grenzen zwischen den Massenkommunikationsmitteln (2) sowie der Massen- und Individualkommunikation (3) auf das Verständnis des Art. 5 Abs. 1 GG auswirken.
118
Hierzu z. B.: Bullinger, Martin, Ordnung oder Freiheit für Multimediadienste, JZ (1996), S. 385 ff.
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(1) Entwicklungsoffenheit des Pressebegriffs Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, 119 enthält Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG keine Legaldefinition des Begriffs „Presse“. Das Fehlen einer Legaldefinition ist ambivalent. Es erschwert zwar die exakte Auslegung, doch bietet es zugleich den Vorteil, dass Grundrechte und damit auch der Begriff der Presse gegenüber neuen Entwicklungen offen bleiben. 120 Auch wenn zugrunde gelegt wird, dass die Verfassung ein bestimmtes Ordnungsgefüge in Normen mit zwingender Kraft festlegen soll 121, sind verfassungsrechtliche bzw. grundrechtliche Begriffe entsprechend dem Grad ihrer Abstraktheit einer wertenden Konkretisierung zugänglich und bedürftig. 122 Die Grundrechte enthalten auch in einer „rigiden“ 123 Verfassung keine abgeschlossene Kodifikation, sondern stellen eine „partielle Reaktion auf bestimmte historische Gefährdungslagen zur Verfügung“ 124. Grundrechte werden also in besonderem Maße durch die soziale Wirklichkeit konstituiert, sodass die Anpassung einer Auslegung gerade an nicht vorhersehbare Entwicklung notwendig und möglich ist. 125 Auch die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hat daher gesellschaftlich-sozialen Veränderungen und (technischen) Entwicklungen Rechnung zu tragen. 126 Zugleich ist jedoch darauf zu achten, dass das Grundrecht nicht nach den jeweiligen „Bedürfnissen des Augenblicks“ 127 geformt wird. Eine situative, gar 119 Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1, a, aa, (2) – Skizze des Schutzbereichs der Presse im Besonderen. 120 Löffler, Martin / Ricker, Reinhart, Handbuch des Presserechts, (2005), 6. Kapitel, Rn. 1 ff. 121 Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 12. 122 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW (1974), S. 1529. 123 Krüger, Herbert, Verfassungsänderung und Verfassungsauslegung, DÖV (1961), S. 721, anknüpfend an Bryce, J., Studies in History an Jurisprudence (1901), S. 196 ff. 124 Bethge, Herbert, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, (1977), S. 7. 125 Hoffmann-Riem, Wolfgang, Sozialstaatliche Wende der Medienverantwortung, JZ (1975), S. 470. 126 Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982), S. 53 f.; Allgemein zum Wandel der Grundrechte: Rupp, Hans Heinrich, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 161 ff. Die verfassungsrechtliche Interpretation muss sich als rechtswissenschaftliche Leistung auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnis halten. Dies erkennt Forsthoff im Ergebnis an, wenn er zunächst feststellt, dass „[...] nicht einzusehen ist, welche Entwicklung ihn [den „längst außer Zweifel gestellten Begriff der Pressefreiheit“] überholen könne“, zugleich aber einräumt, dass dann etwas anderes gelten müsse, wenn die Verfassung einen Begriff gebraucht hätte, dessen Weite es ermöglichen sollte, künftigen und nicht voraussehbaren Entwicklungen gerecht zu werden. Vgl. Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 12. 127 Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 12.
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materiell-inhaltliche Begrenzung des Pressebegriffs widerspricht sowohl dem ausdrücklich in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG normierten Zensurverbots als auch den besonderen Funktionen der Presse in einem demokratischen Staat. 128 Es ist demzufolge festzuhalten, dass das Grundrecht der Pressefreiheit 129 von einem modernen und entwicklungsoffenen bzw. dynamischen Pressebegriff geprägt ist 130 und folglich technische Neuerungen oder vergleichbare Entwicklungen von Verfassungs wegen nicht nur zugelassen, sondern auch geschützt sein müssen. 131 Die Entwicklungsoffenheit endet, wenn sie in eine situative, materiell-inhaltliche Interpretation mündet. (2) Auflösung der Grenzen zwischen den Massenkommunikationsmitteln Presse und Rundfunk Die unterschiedliche Qualifizierung eines Mediums als „Presse“ einerseits oder als „Rundfunk“ andererseits hat erhebliche rechtliche Konsequenzen 132, denn die Rundfunkfreiheit wird im Vergleich zur Pressefreiheit als Grundlage besonders weitgehender gesetzgeberischer Gestaltungsbefugnisse verstanden. 133 Demgemäß unterliegt der Rundfunk, den der Verfassungsgeber im Gegensatz zur Presse gerade nicht in einer gewachsenen privatwirtschaftlichen Struktur vorgefunden hat, neben einer Marktzulassungsbeschränkung auch einer Meinungsmachtkontrolle. 134 128 Wendt, Rudolf, Pressefreiheit, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2000), Rn. 31; BVerfGE 24, 269 (283); 25, 296 (307); 66, 116 (134); 47, 247 (254); Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 68 f.; Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 128.; Starck, Christian, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich / Starck, Christian, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band I (2005), Rn. 67 ff.; Schulze-Fielitz, Helmuth, Art. 5 Abs. 1, 2 GG, in: Dreier, Horst, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band I (2006), Rn. 94. 129 Geschützt sind z. B. gemeinschaftsinterne Publikationsorgange (Studenten-, Werkszeitungen), nicht periodische Druckwerke, soweit sie grundsätzlich der Allgemeinheit zugänglich sein, d. h. zur Verbreitung bestimmt sein sollen (Flugblätter, Plakate, Bücher). 130 Stern, Klaus, Die Freiheit der Medien – Vorbemerkung, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1529. 131 Bethge, Herbert, Verfassungsrechtliche Aspekte der künftigen Medienordnung, ZUM (1984), S. 81; Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982), S. 53. 132 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 61 ff. Für Videotext und BTX: Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 423. 133 Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen neuer elektronischer Medien – Folgewirkungen auf Medienstruktur und Medienpolitik, BayVbl (1986), S. 579. 134 Beim öffentlich-rechtlichen „Rundfunk“ wird der Gesetzgeber zur Schaffung einer positiven Ordnung verpflichtet, vgl. BVerfGE 73, 118, 152 ff.; 83, 238, 296; 90, 60,
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Lange Zeit erlaubte die Unterscheidung zwischen körperlicher Übermittlung der Inhalte (Presse) und Übermittlung mittels elektromagnetischer Wellen (Rundfunk) eine verhältnismäßig klare Zuordnung. Aufgrund der Entwicklung neuer Medien bzw. neuer Vertriebswege (Satelliten, Kabel) und Vertriebsformen (Online / Handy-Abrufdienste) ist diese Unterscheidung in Auflösung begriffen. 135 Die früher klar getrennten Märkte der Informationsverarbeitung durch Presse, Rundfunk, Film wachsen wirtschaftlich und technisch zunehmend zu einem einheitlichen Markt zusammen. So ist insbesondere die technisch-funktionelle Abgrenzung von Rundfunk und Presse nur noch eingeschränkt praktikabel, seit in der Elektronik das Papier nicht mehr zwingendes Transportmittel für die Massenkommunikation in Textform ist und das „gedruckte Wort“ (Nachrichten, Meinungen und fachliche Texte) allenthalben elektronisch verarbeitet wird. Die vielfältigen Formen der Informationsvermittlung lassen sich nur schwer in herkömmliche verfassungsrechtliche Garantien einpassen. 136 Jedenfalls ist für die telekommunikativen Erscheinungsformen von Nachrichten die Zuordnung zum Rundfunk bei Weitem nicht zwingend. 137 Warum soll eine auf einem Bildschirm wiedergegebene Zeitungsseite noch als Rundfunk angesehen werden, wenn aus den gleichen Seiten im Falle der körperlichen Fixierung Presse wird? 138 Es liegt auf der Hand, dass damit auch die verfassungsrechtliche Unterscheidung der Medienfreiheiten an Überzeugungskraft verliert. Dies ist keine völlig neue Erkenntnis. Bereits im Jahr 1980 139 wurde festgestellt, dass die bisher anerkannte Unterscheidung für die beiden großen Massenmedien – Presse als verkörperte und Rundfunk als körperlose Massenvervielfältigung – im elektronischen Zeitalter überholt ist. Auslöser für diese Bewertung war damals das Aufkommen von Videotext und Bildschirmtext. 140 Mit dem Auf88 ff.; es bestehen Zulassungsvorgaben und der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in Programmgrundsätzen zur Meinungsvielfalt verpflichtet BVerfGE 74, 297, 324 ff.; 83, 238, 296 ff. 135 Vgl. hierzu: Bullinger, Martin, Ordnung oder Freiheit für Multimediadienste, JZ (1996), S. 385 ff.; Holznagel, Bernd, Probleme der Rundfunkregulierung im multimedialen Zeitalter, ZUM (1996), S. 16 ff. 136 Vesting, Thomas, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet – Ausübung der Rundfunkfreiheiten?; http://www.jura.uni-frankfurt.de/ifoer1/vesting/Dokumente/pubonline.html, (2003), S. 6. 137 Tettinger, Peter, Schutz der Kommunikationsfreiheiten im deutschen Verfassungsrecht, JZ (1990), S. 851. 138 Rundfunkreferenten der Länder, Erster Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zum Rundfunkbegriff, Film und Recht 1975, (1975), S. 652. 139 Zusammenfassend: Löffler, Martin, Brauchen wir einen neuen Presse- und Rundfunkbegriff, NJW (1980), S. 1612. 140 Mit diesen Textmedien hat der Rundfunk die traditionellen Dimensionen des Hörens bzw. des kombinierten Schauens und Hörens erstmals verlassen. Die Ausstrahlung von Tafeln mit feststehenden Bildern und Worten sind dem Wesen nach der Zeitung verwandte, zum Lesen bestimmte Darstellungen.
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kommen des Internets wurde die Erkenntnis über die verschwimmenden Grenzen zwischen den Medien und die Notwendigkeit einer Neuorientierung freilich noch manifester. Mag es auch Gründe dafür geben, Presse und Rundfunk unterschiedlich zu organisieren, eine Legitimation für eine unterschiedliche verfassungsrechtliche Behandlung eines im Internet oder in Papierform veröffentlichten Zeitungsartikels ergibt sich daraus nicht. 141 Es ist schlicht nicht überzeugend, die rechtlich bedeutsame Unterscheidung zwischen den medialen Freiheiten weiterhin auf den zufällig gewordenen Umstand der körperlichen oder elektronischen Übermittlung zu knüpfen 142 und die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vorgenommene Auflistung von Massenkommunikationsmitteln – auch und gerade vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen Entwicklungsoffenheit der Grundrechte – als eine auf Dauer abschließend gemeinte und der technischen Entwicklung entrückte Aufzählung festzuschreiben. Die sogenannte publizistische Gewaltenteilung 143 ist weder ein Verfassungssatz 144 noch kennt das Grundgesetz ein Kumulationsverbot im Medienbereich. Es ist also durchaus zulässig, die wechselseitigen Bezüge der einzelnen Kommunikationsfreiheiten stärker ins Zentrum der Betrachtung der Medienfreiheiten zu rücken und die typenbezogene Aufzählung der Kommunikationsmedien des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG generalisierend zu betrachten. 145 Die technischen Entwicklungen haben die Notwendigkeit eines neuen Verständnisses der Vertriebsformen und ihrer Einwirkungen auf einen einheitlichen Informationsmarkt offen gelegt. Ein für eine medienübergreifende verfassungsrechtliche Betrachtung relevanter Ansatz besteht demgemäß in der Zurückstellung der technischen und organisatorischen Komponente der Verbreitung und einer stärkeren Fokussierung auf die massenmediale Vermittlung von Informationen. 146 Eine solche zunächst subjektiv-rechtliche medienübergreifende Grund141
Vgl. zu dieser Frage: Gersdorf, Hubertus, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, (1995), S. 148 ff.; Löffler, Martin, Brauchen wir einen neuen Presse- und Rundfunkbegriff, NJW (1980), S. 1612 f.; Bullinger, Martin / Mestmäcker, Ernst-Joachim;, Multimediadienste, (1996), S. 15 ff. 142 Menke-Glückert, Peter, Der Medienmarkt im Umbruch. Ein aktueller Leitfaden, (1978), S. 14. 143 Stern, Klaus, Die Freiheit der Kommunikation und der Information, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1546. 144 BVerfGE 174, 118, 175; Kull, Edgar, Auf dem Weg zur dualen Rundfunkordnung, AfP (1987), S. 368; Tettinger, Peter, Neuartige Massenkommunikationsmittel und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, JZ (1984), S. 405. 145 Stern, Klaus, Die Freiheit der Kommunikation und der Information, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1513. 146 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 422 ff.
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rechtssicht 147 wirkt notwendigerweise auch auf den objektiv-rechtlichen Inhalt des Grundrechts ein. So rücken nicht zuletzt die technischen Innovationen, die unter anderem den Anlass für eine verstärkt einheitliche Betrachtung der historisch gesonderten Freiheiten geben, die Funktion der Medien für die Informationsvermittlung und damit für die öffentliche Meinungsbildung stärker in den Fokus der verfassungsrechtlichen Betrachtung der Medienfreiheiten. Die Bedeutung der Medien für die öffentliche Meinungsbildung wiederum ist zentrales Element der objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite der Medienfreiheiten. Aus einer zunehmend medienübergreifenden Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG können sich schließlich auch rechtliche Folgen in Bezug auf die Medienkonzentrationskontrolle bzw. die rechtliche Bewertungen von Marktkonzentration und Vielfalt ergeben, die derzeit schwerpunktmäßig medienspezifisch ausgerichtet ist. 148 (3) Auflösung der Grenzen von Individual- und Massenkommunikation – Trennung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG Die zunehmende Überlagerung und Vermischungen der Medientechniken und Übertragungsformen verändert nicht nur das Verhältnis von Massenkommunikationsmitteln untereinander, sondern destabilisiert auch die Grenzen von Massenund Individualkommunikation. 149 So bietet beispielsweise das Internet durch die im Gegensatz zu den „klassischen Massenmedien“ gegebene Möglichkeit der Rückkopplung des Nutzers mit dem Anbieter (durch Links und Foren) Individualund Massenkommunikation in unmittelbarem, wenn nicht sogar untrennbarem Zusammenhang an. Unabhängig davon, dass eine vollständige Vermischung von Massen- und Individualkommunikation tatsächlich nicht vorstellbar ist, und losgelöst von den konkreten und hier nicht relevanten Lösungsoptionen zur Frage der verfassungsrechtlichen Einordnung des Internets 150, sind nach geltender Rechtsprechung Fra147 Denkbar wäre auch die eine Zusammenfassung der Medienfreiheiten in eine Medienfreiheit oder die Schaffung – vergleichbar mit der Konstruktion des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – einer gesonderten neuer Freiheit, z. B. einer „Internetfreiheit“ Mecklenburg, Wilhelm, Internetfreiheit, ZUM (1997), S. 525 ff.; a. A. Brand, Torsten, Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, (2002), S. 233 ff. 148 Hoffmann-Riem, Wolfgang, Sozialstaatliche Wende der Medienverantwortung, JZ (1975), S. 470. 149 Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen neuer elektronischer Medien – Folgewirkungen auf Medienstruktur und Medienpolitik, BayVbl (1986), S. 582; Vesting, Thomas, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet – Ausübung der Rundfunkfreiheiten?; http ://www.jura.uni-frankfurt.de/ifoer1/vesting/Dokumente/pub-online.html, (2003), S. 6. 150 Hierzu: Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 146, 289, 678 ff;
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gen der Individualkommunikation, ungeachtet des Verbreitungsmediums, allein an der Meinungsfreiheit und nicht an der jeweiligen Medienfreiheit zu messen. 151 An diesen Ansatz anknüpfend und auch vor dem Hintergrund technischer Innovationen, werden die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG vermehrt als Teilaspekte einer umfassenden kommunikativen Freiheit zu verstehen sein. Während dabei die Freiheiten der Individualkommunikation des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG die Inhalte schützen, hat der Schutz der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zunehmend den organisatorischen Prozess der Produktion des Mediums zu umfassen. bb) Grundrechtliche Systematik Es stellt sich die Frage, inwieweit die grundrechtliche Systematik die rechtstatsächliche übergreifende Perspektive des Art. 5 Abs. 1 GG stützt. Eine Präzisierung der systematischen Struktur von Art. 5 Abs. 1, 2 GG setzt zunächst voraus, dass das Verhältnis von Pressefreiheit und Meinungsfreiheit bestimmt wird (1). Daran anknüpfend, ist der systematische Zusammenhang der verschiedenen Medienfreiheiten zu analysieren (2). (1) Verhältnis von Pressefreiheit und Meinungsfreiheit Im Zentrum der von Art. 5 Abs. 1 GG beschriebenen Kommunikationsverfassung steht das Recht der freien individuellen Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Sie stellt als „Freiheit des geistigen Ausdrucks“ die „gemeinsamen Wurzel“ 152 der Gewährleistungen des gesamten Art. 5 GG dar. Danach verbleibt z. B. der Schutz von Meinungen im Grenzbereich von Meinungsfreiheit und massenmedialer Freiheit, auch wenn er durch ein Massenmedium publiziert wird, in Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. GG. 153 Auch die Wahl des Mediums der Meinungsäußerung ist von der Meinungsäußerungsfreiheit umfasst, denn die-
Degenhart, Christoph, Der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der „Digitalen Welt“, (2001), S. 53 ff.; Löffler, Martin, Brauchen wir einen neuen Presse- und Rundfunkbegriff, NJW (1980), S. 1612 f.; Brand, Torsten, Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, (2002), S. 236. 151 So bereits: BVerfGE 85, 1, 11 ff.; BVerfGE, NJW 2003, S. 1110. Unklar hingegen BVerfG 102, 347, 362, wonach die Meinungsfreiheit in die Pressefreiheit „eingebettet“ sei, was so verstanden werden kann, dass die Meinungsfreiheit in der Pressefreiheit aufgeht und damit der Schutzbereich der Pressefreiheit eröffnet ist. Gleichwohl wandte das BVerfGE Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG als Prüfungsmaßstab an. Kritisch insoweit Clemens, Thomas, Art. 5 GG, in: Umbach, Dieter C. / Clemens, Thomas, (Hrsg.), Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar und Handbuch (2002), Rn. 34. 152 Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 7, 9. 153 BVerfGE 28, 55, 64; 42, 143, 149; 85, 1, 11 ff.; BVerfG NJW 2003, S. 1110.
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se instrumentelle Disposition ist untrennbar mit einer effektiven Freiheit zur Meinungsäußerung verbunden. In Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hingegen wird der Schutz des geistigen Ausdrucks in massenmediale Gewährleistungen aufgliedert. Die Presse ebenso wie die anderen darin genannten Massenkommunikationsmittel dienen dabei, anders als die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Grundrechte, der Individualkommunikation einer öffentlichen Kommunikation, mithin einer „Meinungsbildung im öffentlichen Raum“ 154 mit gesteigerter massenkommunikativer Wirkung. Dementsprechend finden die Eigenschaften der Presse oder des Rundfunks als Medium und als Faktor ebenso wie die organisatorischen Rahmenbedingungen für die Möglichkeit, Meinungen in Presse und Rundfunk äußern zu können, in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ihren Schutz. Dieser umfasst, wie bereits skizziert, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben der Eigenständigkeit der Presse, die „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht“ 155 reicht, auch „die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion“ 156, und zwar wenn es „um ein Presserzeugnis selbst, um seine institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie um die Institutionen einer freien Presse überhaupt“ 157 geht. Diese Eigenständigkeit des Grundrechts der Pressefreiheit hebt den funktionalen Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht auf. 158 Denn losgelöst von der Herausbildung der diversifizierten Freiheiten in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, besteht eine Verbindung zwischen der Meinungsfreiheit und den mit ihr verwandten massenmedialen Grundrechtsverbürgungen. 159 Die Freiheit der Medien garantiert über die Meinungsfreiheit hinausgehende zusätzliche, aber auch sich mit ihr überschneidende Gehalte. 160 Die Verbindung der Gewährleistungen wird z. B. dann erkennbar, wenn vermittels der selbstständigen massenmedialen Freiheiten auch und unmittelbar Gefahren für die Meinungsfreiheit abgewehrt 154 Stern, Klaus, Die Freiheit der Kommunikation und der Information, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1510. 155 BVerfGE 20, 162, 176. 156 BVerfGE 20, 162, 175. 157 BVerfGE 85, 1, 12 f; 86, 122, 128. 158 Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen neuer elektronischer Medien – Folgewirkungen auf Medienstruktur und Medienpolitik, BayVbl (1986) 582.; Stern, Klaus, Die Freiheit der Medien – Vorbemerkung, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1510. 159 Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 8 ff. 160 Stern, Klaus, Die Freiheit der Medien – Vorbemerkung, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1510.
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werden. Beiden Gewährleistungen ist beispielsweise auch gemein, dass für ihre Aktivierung Inhalt oder Niveau der Meinung oder Publikation unbedeutend sind; und während in den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Tatsachenbehauptungen einbezogen sind, umfasst das Grundrecht der Pressefreiheit – in vergleichbarer Weise – Veröffentlichungen, in denen die wertende Stellungnahme hinter der sachlichen Wiedergabe zurücktritt. 161 Ein Blick auf Art. 5 Abs. 2 GG bestätigt den Befund eines systematisch einheitlichen Verständnisses der in Art. 5 geschiedenen Grundrechtspositionen. Der Schrankenvorbehalt des Art. 5 GG gilt sowohl für die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 geschützten Massenmedien als auch für die Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Für eine Anerkennung der zentralen Position der Freiheit der geistigen Auseinandersetzung spricht ferner die historische Entwicklung der Medienfreiheiten bzw. des Art. 5 GG. So normierte zum einen auch Art. 118 der Weimarer Reichsverfassung nach seinem Wortlaut die geistige Freiheit einheitlich in der Meinungsfreiheit. 162 Zum anderen wurde Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG und Art. 5 Abs. 3 GG erst in vierter Lesung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates aus zwei verschiedenen Artikeln zusammengefügt. 163 Schließlich mag auch auf die angelsächsische Tradition der geistigen Freiheitsverbürgungen verwiesen werden. So wird im englischen Recht der Bereich geistiger Freiheit durch den Begriff „freedom of speech“ einheitlich erfasst, und auch die Formel im First Amendment der amerikanischen Verfassung „the freedom of speech, or of the press“ spricht für eine einheitliche Aussage. 164 Demnach ist das Gebiet der geistigen Ausdrucksfreiheit systematisch als ein Freiheitskomplex zu verstehen, in dem die grundsätzlich selbstständigen Teilbereiche aufeinander abgestimmt bleiben müssen 165 und die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – trotz ihrer selbstständigen Funktion – Bezüge zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG aufweisen und insoweit nicht isoliert betrachtet werden können. 166
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Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 571 f. Frz. Verfassung von 1791, Art. 11, Paulskirchenverfassung von 1848, Art. 143; Preußische Verfassungsurkunde von 1850, Art. 27. 163 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 22. 164 Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 12. 165 Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 8 ff. 166 Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen neuer elektronischer Medien – Folgewirkungen auf Medienstruktur und Medienpolitik, BayVbl (1986), S. 581. 162
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(2) Verhältnis der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Während Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG als zentraler Bezugspunkt der verfassungsrechtlichen Kommunikationsordnung einen „gemeinsamen Nenner“ für die selbstständigen Medienfreiheiten bereithält, enthält Art. 5 Abs. 1 Satz 2 die Vorgabe des prinzipiellen Bestehens eines pluralistischen Medienwesens und damit der Existenz verschiedener Medien. Dass die einzelnen Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG trotz der selbstständigen Normierung und Funktion nicht isoliert betrachtet werden können 167, ergibt sich nicht nur aufgrund der Bezüge der Massenkommunikation zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Zwar spricht gegen den Ansatz einer Gesamtbetrachtung der Massenmedien die explizite Trennung von Presse und Rundfunk durch die Verfassungsgeber. Diese benennen die Freiheit nicht nur gesondert, sondern beziehen gar die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit anders als die der Pressefreiheit ausschließlich auf die „Berichterstattung“, was nach der herrschenden Meinung auch die Einordnung der Rundfunkfreiheit als primär objektives Recht begründet. Diese allein auf den Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abstellende Argumentation lässt sich jedoch bereits durch einen Verweis auf die grundrechtliche Gewährleistung der Filmfreiheit entkräften. Denn obwohl die Filmfreiheit nach dem Wortlaut ebenso wie die Rundfunkfreiheit die Berichterstattung schützt, wird deren Eigenschaft als subjektives Recht und kompensationstaugliches Medium nicht bestritten. Des Weiteren unterscheidet auch das Bundesverfassungsgericht im Lebach-Urteil 168 trotz des unterschiedlichen Wortlauts von Rundfunkund Pressefreiheit die jeweiligen Grundrechte wesensmäßig nicht voneinander. 169 Ein Rückschluss vom divergierenden Wortlaut auf die fehlende Medienkompatibilität ist außerdem deshalb nicht überzeugend, weil der Wortlaut der Vorschrift („Berichterstattung“) in der Zeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols als Argument herangezogen wurde, um dem im Vergleich zu anderen Medien „exotischen“ Rundfunkmonopol eine verfassungsrechtliche Legitimation zu verschaffen. Diese allzu durchsichtige Ergebnisorientierung war zu keiner Zeit stichhaltig und ist nach dem Wegfall des Monopols gegenstandslos geworden. Auch die historische Betrachtung steht einer medienübergreifenden Grundrechtsbetrachtung nicht entgegen. So stand im Rahmen der Diskussion um die ausdrückliche Verankerung der Pressefreiheit im Grundgesetz zwar weder in 167 Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen neuer elektronischer Medien – Folgewirkungen auf Medienstruktur und Medienpolitik, BayVbl (1986), S. 581. 168 BVerfGE 35, 202. 169 Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 574; BVerfGE 35, 202, 222.
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den Ausschüssen noch im Plenum die Normierung einer allgemeinen Medienfreiheit zur Diskussion, sondern nur die Trias Rundfunk, Presse, Film. Die Verfassungsgeber haben damit aber die zur damaligen Zeit wichtigsten Massenkommunikationsmittel aufgelistet, ohne damit einer einheitlichen Medienfreiheit eine Absage zu erteilen. Die Verfassung bringt daneben bereits mit dem Zensurverbot in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG und dem verfassungsrechtlichen Verbot einer materiell-inhaltlichen Definition der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 2 GG) ein medienübergreifendes Verständnis zum Ausdruck. Denn einer Ausgrenzung kommunikativer Einflüsse außerhalb des Pressebereichs würde die Vorstellung eines isolierten Presseraums zugrunde liegen und damit mittelbar eine unzulässige Betrachtung des maßgebenden Meinungsbildungsprozesses unter dem Aspekt einer bestimmten Qualität beinhalten. 170 Ein wichtiges Argument gegen eine Trennungsbetrachtung bildet ferner die Gleichwertigkeit der Beiträge aller drei Medien zur „öffentliche Meinung“ und die damit schlechthin konstituierende Bedeutung aller Massenmedien für die Demokratie. Grundlage der demokratischen Willensbildung ist die Meinungsund Informationsweitergabe, die unter Effektivitätsgesichtspunkten idealerweise nicht allein durch ein Medium, sondern durch Presse, Film, Rundfunk bzw. sonstige Medien gemeinsam erfolgt. Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit haben gemeinsam konstituierende Bedeutung für einen freiheitlich-demokratischen Meinungsbildungsprozess. Es wäre gerade mit Blick auf die öffentliche Funktion der Medien eine unnatürliche Aufspaltung miteinander verbundener Prozesse, würden die Vielfaltsbeiträge der einzelnen Medien isoliert betrachtet. 171 Gerade weil die Medienfreiheiten sämtlich, wie das Bundesverfassungsgericht betont, eine dienende Funktion gegenüber den Rechten freier Meinungsbildung und freier Information haben, kann und darf zwischen ihnen nur so weit differenziert werden, wie dies im Lichte des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG als zentrale Schutznorm für die Meinungs- und Informationsfreiheit geboten ist. Die Judikate des Bundesverfassungsgerichts sprechen sich zwar nicht eindeutig für eine Einheitsbetrachtung aus, enthalten aber einige Hinweise darauf. In den frühen Urteilen 172 zur Pressevielfalt wurde zunächst gar kein Vergleich zu anderen Medien gezogen oder ein bestimmter Vielfaltsstandard zur Voraussetzung des Freiheitsgebrauchs gemacht. Das Gericht differenzierte explizit zwischen der Vielfalt im Rundfunksektor und in der Presse und stellte unterschiedliche Anforderungen an die Herstellung der Vielfalt in den jeweiligen Medien. 173 170 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 37, 61, 68 f. 171 Scholz, Rupert, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ (1981), S. 565, jedenfalls für die Presse- und die Rundfunkfreiheit. 172 BVerfG 12, 205; 20, 162; 57, 295. 173 BVerfGE 12, 205, 260 f.
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Auch das 3. Rundfunk-Urteil bezieht bei der Beurteilung von Meinungsvielfalt im Rundfunk die Marktposition eines anderen Marktbewerbers in einem anderen Medium nicht in die Beurteilung ein. 174 Das Gericht geht auch hier von einer Trennung der Vielfaltsbeiträge der einzelnen Medien und somit auch der einzelnen massenmedialen Grundrechtsgewährleistungen aus. Allerdings bringt das Gericht im zuletzt genannten Urteil bereits im Ansatz einen vielfaltsbezogenen „Kompensationsgedanken“ zum Ausdruck, wenn es ausführt, dass sich die Vielfaltsmessung auf das Gesamtangebot von öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Rundfunk der inländischen Programme zu beziehen hat. Das Gericht scheint demnach davon auszugehen, dass vielfaltstechnische „Unzulänglichkeiten“ des einen Rundfunksektors durch die Inhalte des anderen kompensiert werden können. Auch in der sogenannten Niedersachsen-Entscheidung 175 finden sich zur Frage einer Gesamtbetrachtung von Vielfaltsbeiträgen der Massenmedien nur Andeutungen. Das Gericht stellt beispielsweise fest, dass es gerechtfertigt sei, an den privaten Rundfunk andere (Vielfalts-)anforderungen zu stellen als an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, „solange und soweit“ der öffentlich-rechtliche Rundfunk die „unerlässliche Grundversorgung“ leiste, womit es zumindest hypothetisch eine Kompensationsmöglichkeit anerkennt. 176 Darüber hinaus wird in derselben Entscheidung erstmals eine Verbindung von Pressevielfalt und Rundfunkvielfalt hergestellt. So heißt es: „[...] die verfassungsrechtliche Gewährleistung freier Meinungsbildung [...]“ erfordert „[...] gesetzliche Vorkehrungen auch dagegen, dass vorherrschende Meinungsmacht sich aus einer Kombination der Einflüsse in Rundfunk und Presse ergibt“ 177. Womit zumindest mittelbar medienübergreifende Vielfaltsbeiträge anerkannt werden. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Verfassung – so auch ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht – keinen Grundsatz „publizistischer Gewaltenteilung“ 178 kennt, nach dem die vorrangige Aktivität in einem Massenmedium eine Marktteilnahme auch in einem anderen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Medium ausschließen würde. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der rechtstatsächlichen Entwicklungen des Medienmarkts von Bedeutung, der zu174
BVerfGE 57, 295, 323. BVerfGE 73, 118. 176 Allerdings wird diese Deutung wenig später mit einem Verweis auf das 3. Rundfunkurteil explizit verworfen. Schmitt Glaeser, Walter, Das duale Rundfunksystem, DVBl. (1987), S. 14. 177 BVerfGE 73, 118, 175. Zum Kompensationsgedankten ausführlich: Kull, Edgar, Auf dem Weg zur dualen Rundfunkordnung, AfP (1987), S. 368 f. 178 BVerfGE 73, 118, 174; Stern, Klaus, Die Freiheit der Medien – Vorbemerkung, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1546. 175
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nehmend dazu tendiert, Cross-Media-Konzerne 179 zu bilden und in dem Presse und Rundfunk um Anzeigenkunden konkurrieren. 180 Würde der Einfluss mittelbar konkurrierender Kräfte z. B. bei der Bewertung von Monopolen nicht in die Marktbetrachtung eingestellt, ergäbe dies ein verzerrtes Bild eines typischerweise medienübergreifenden Meinungsbildungsvorgangs. b) Grenzen der medienübergreifenden Betrachtung Ungeachtet der auf eine medienübergreifende Betrachtung hindeutenden Argumente, kommt eine vollständige Aufhebung der Sonderung der Medien (jedenfalls noch) nicht in Betracht. Vielmehr ist es geboten, bestimmten Erwägungen Rechnung zu tragen, die dem medienübergreifenden Ansatz gewisse Grenzen setzen. aa) Funktionale Grenzen der intermediären Substituierbarkeit Wenn auch mit zunehmender Konvergenz die Austauschbarkeit der Medien steigt, kann die Kompensationsfähigkeit der verschiedenen Medien regelmäßig nur so weit gehen, wie die Unterschiede zwischen den Medien aufgehoben sind. Somit ist für den verfassungsrechtlichen Gehalt der einzelnen Medienfreiheiten sowie für das Verhältnis der einzelnen Medienfreiheiten untereinander von Bedeutung, dass kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse gegenwärtig darauf hindeuten, dass sich die verschiedenen Massenmedien in hohem Maß ergänzen. Eine vollständige Ergänzung bzw. Konvergenz und damit eine vollständige Austauschbarkeit der Medien ist indes aktuell nicht gegeben. Vielmehr existieren noch nachweisbare Unterschiede in Funktion und Wirkung der Massenmedien. 181 Rundfunk und Internet beispielsweise zeichnen sich durch ihre von der Presse nicht zu überbietende Aktualität aus. Das Fernsehen und das Internet haben gegenüber der Presse ferner den Vorteil der leichteren Zugänglichkeit und der Wort-Bild-Verknüpfung und damit eines herausgehobenen Unterhaltungswerts. Als Besonderheit von Rundfunk bzw. Fernsehen und teilweise auch des Internets gegenüber der Presse sind vor allem die Gleichzeitigkeit von Verbreitung und Empfang, die problemlose Überbrückung von Raum und Zeit sowie die damit verbundene besondere Wirkungsintensität von in Privaträumen empfangener In179
Hierzu u. a.: Bender, Gunnar, Cross-Media-Ownership, (1997). Scholz, Rupert, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ (1981), S. 565. 181 So soll dem Rundfunk aufgrund seiner Breitenwirkung, seiner Aktualität, Reichweit und Suggestivkraft eine Besondere integrierende Funktion für das Staatsganze zukommen. BVerfGE 90, 60, 87. 180
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formation zu nennen. 182 Das Internet hebt sich dabei von Presse und Rundfunk noch durch die Möglichkeit der Interaktion des Rezipienten ab. 183 Ein Spezifikum der Presse gegenüber anderen Medien wiederum ist die körperliche Fixierung der Information, die Disponibilität bzw. „Mobilität“ des Mediums und die Einbindung der Information in den Raum (statt in die Zeit). Während der Rundfunk an Sendezeiten gebunden ist und beim Internet nicht mehr aktuelle Nachrichten zumindest teilweise entfernt werden 184, zeichnet sich die Presse gegenüber dem Rundfunk und – eingeschränkt – auch gegenüber dem Internet durch die jederzeitige und ebenfalls dauerhaft wiederholbare Abrufbarkeit der Information aus. Weitere Charakteristika des Presserzeugnisses „Zeitung“, jedenfalls im Vergleich zum Rundfunk, sind die Übersichtlichkeit und Transparenz der Information, die sich zum einen durch das „schwarz auf weiß“ geschriebene Wort und auch durch den Umfang der in einer Zeitung angebotenen Information ergeben. Letzteres ermöglicht einen – z. B. verglichen mit einer Nachrichtensendung, in der dem Zuschauer in der knapp bemessenen Sendezeit notwendigerweise stark selektierte Informationen präsentiert werden müssen – umfassenderen und eigenständigeren Auswahlprozess des Lesers. Diese vom Konsumenten geforderte Aktivität bei der Informationsaufnahme stellt einen zentralen Unterschied der Presse zum Rundfunk dar, der sich darin manifestiert, dass der Zuschauer in Rundfunk und Fernsehen ein nach einem bestimmten Schema ablaufendes Gesamtprogramm geboten bekommt, welches er – abgesehen vom Ein- und Umschalten – passiv konsumiert, das ihn idealerweise „fesselt“ und das ihn damit im Ergebnis leichter passiver Beeinflussung bzw. einer besonderen Suggestivwirkung aussetzt als Medien, in denen vom Rezipienten eine eigene (Lese- und Selektions-)Aktivität gefordert ist. Nach dem heutigen Stand der Forschung und nach dem Stand der Entwicklung, insbesondere der modernen Medien, werden überdies die einzelnen Medien und damit auch die Informationsleistung der Presse durch das gedruckte Wort als nicht ersetzbar angesehen. Auf einer Skala von 0 bis 1 wird die Austauschbarkeit von Zeitung und Radio mit 0,69, die von Zeitung und Fernsehen mit 0,53 und die 182 So: Stammler, Dieter, Kabelkommunikation und Rundfunkorganisation, AfP (1978), S. 128; Hoffmann-Riem, Wolfgang, Art. 5 Abs. 1, 2 GG, in: Wassermann, Rudolf, (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz (1984), Rn. 169; verkürzt: HoffmannRiem, Wolfgang, Art. 5 Abs. 1, 2 GG, in: Wassermann, Rudolf, (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz (2001), Rn. 206. 183 Sog. „Web 2.0“. Der Begriff „Web 2.0“ bezieht auf eine veränderte Nutzung und Wahrnehmung des Internets, bei welcher die Benutzer Inhalte in quantitativ und qualitativ entscheidendem Maße selbst erstellen und bearbeiten. Der Name wurde bekannt durch den Artikel „What is Web 2.0“ von O’Reily, Tim: http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly /tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html. 184 Soweit – wie meistens – Archive vorhanden sind, gilt der Nachteil nicht mehr gegenüber dem Internet.
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von Zeitung und Büchern ebenfalls mit 0,53 bewertetet. 185 Umfragen zufolge will mehr als die Hälfte der befragten Bevölkerung ungeachtet des Vorhandenseins eines Fernsehers nicht auf ihre Tageszeitung verzichten. 186 Die verschiedenen Medien sind folglich komplementär – sie ergänzen sich. Die individuelle und öffentliche Meinungsbildung ist demgemäß auch Ergebnis eines umfassenden Wechsel- und Zusammenspiels von verschiedenen Informationsquellen. 187 Dies wird bei der Bewertung verfassungsrechtlicher Vielfaltsvorgaben zu berücksichtigen sein. bb) Verfassungsrechtliche Grenzen einer medienübergreifenden Betrachtung Bestehen – wie nach dem derzeitigen Stand der Technik – relevante Unterschiede zwischen den Medien, sind diese in der verfassungsrechtlichen Auslegung zu berücksichtigen. Andernfalls droht eine Schutzlücke, die ebenso wie die Nichtberücksichtigung neuer technischer Entwicklungen dem Gebot eines effektiven Grundrechtsschutzes zuwiderlaufen würde. Wenngleich also zu beobachten ist, dass sich die Medienfreiheiten aufgrund der veränderten technologischen und ökonomischen Gegebenheiten mehr und mehr den Möglichkeiten eines umfassenden, offenen und interaktiven Kommunikationsverständnisses geöffnet haben, so ist es derzeit sicherlich noch so, dass für Rundfunk- und Pressefreiheit keine identischen grundrechtlichen Maßstäbe aufgestellt oder praktiziert werden können. 188 Schließlich erfüllen der freie Rundfunk und die freie Presse als Ausprägung ihrer institutionellen Eigenständigkeit über die mediale Vielfalt und meinungsbildende Wirkung hinaus auch weitergehende grundrechtliche Funktionen. Diese verfassungsrechtliche Differenziertheit der einzelnen Grundrechte darf nicht gänzlich aufgelöst werden. 189
185 Hierzu: Droste, Felix, Komplementäre oder substitutive Beziehungen zwischen Rundfunk und Printmedien, Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie an der Universität zu Köln, Heft 5 (1993), S. 18: Die größte Austauschbarkeit besteht in einer Skala von null bis eins zwischen Fernsehen und Radio mit 0,71. Bücher und Fernsehen gelten mit einem Wert von 0,26 als am wenigsten austauschbar. Vgl. auch: Kiefer, Marie-Louise, Notizen zum weitgehend ungeklärten Wettbewerbsverhältnis der Medien, in: Kaase, Max / Schulz, Winfried, (Hrsg.), Massenkommunikation (1989), S. 344. 186 Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, Zeitungen 2005, (2005), S. 403. 187 Stammler, Dieter, Bestandsschutz der Presse, AfP (1987), S. 660 f. 188 Scholz, Rupert, Zukunft von Rundfunk und Fernsehen, AfP (1995), S. 359. 189 Badura, Peter, Verfassungsrechtliche Bindung der Rundfunkgesetzgebung, (1980), S. 26.
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Den tatsächlichen Grenzen der intermediären Substituierbarkeit 190 kann nach hiesiger Auffassung ein zweistufiges verfassungsrechtliches Konzept angemessen Rechnung tragen. In einem solchen System können einzelne Bedeutungsschichten der Medienfreiheiten, bezüglich derer sich die Medien nicht grundsätzlich unterscheiden, zusammengefasst werden als quasi „vor die Klammer gezogener“ Gehalt des Art. 5 Abs. 1 GG. 191 Insoweit medienübergreifend geschützt sind z. B. sowohl die Vorgabe staatlicher Neutralität (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG) sowie die von allen Medien erfüllte meinungsbildende Funktion. Geschützt ist damit ferner eine medienübergreifende (multimediale) Vielfalt, die einer Kompensation von Vielfaltsdefiziten durch andere Medien zugänglich ist. 192 Um den funktionalen Charakteristika der verschiedenen Medien im Rahmen der konkreten medienspezifischen Ausgestaltung des Grundrechts Rechnung zu tragen, hat zu diesem übergreifenden Schutz des gemeinsamen „Nenners“ der Massenkommunikation ein nach den einzelnen Mediengattungen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gesonderter Schutz hinzuzutreten. 193 Demnach umfasst Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG z. B. den Schutz der Eigengesetzlichkeiten der Presse, vgl. obige Schutzbereichsdefinition, sowie den Schutz der Vielfältigkeit innerhalb dieser Mediengattung (monomediale Vielfalt). Ein solches zweistufiges Schutzkonzept findet eine solide Verankerung in der Verfassung. So haben sich die Medienfreiheiten zwar (einheitlich) in enger Verknüpfung mit der Meinungsfreiheit entwickelt. Gleichwohl hat die besondere Form und Organisation ihres Ausdrucks zu einer selbstständigen Gestaltung geführt, was auch durch die explizite Nennung einzelner Medien in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zum Ausdruck kommt. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist so zu verstehen, 190 Bereits vor über zwanzig Jahren diese Frage stellend: Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 44: „Woran es jedoch nach wie vor fehlt, ist die [...] Analyse der verschiedenen publizistischen Wettbewerbsfaktoren, ihr gegenseitiges Verhältnis, ihre gegen- wie wechselbezüglichen Kommunikationswirkungen und vor allem die Frage ihrer gegenseitigen Substituierbarkeit [...]. Nach wie vor wird der Pressemarkt allzu isoliert gesehen und kommunikationspolitisch mit entsprechender Sinnverengung bewertet“. 191 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 131 f., 139 ff. spricht von einer „Kommunikationsverfassung“. Kritisch: Tettinger, Peter, Schutz der Kommunikationsfreiheiten im deutschen Verfassungsrecht, JZ (1990), S. 847, dieser spricht von einer neben dem Schutz der Meinungsfreiheit bestehenden „zweiten Schutzschicht“, warnt allerdings vor einer „Verselbstständigung“ der (objektiv-rechtlichen Gehalte) der Kommunikationsfreiheiten. 192 Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 61; Springer, Axel, Marktanteil-Begrenzung? Stellungnahme zum Schlußbericht der „Pressekommission“, Beiträge zur Zeitgeschichte des Verlagshauses Axel Springer Nr. 4 (1968), S. 9 f.; Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, (1974), S. 90 f. 193 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 45; Hoffmann-Riem, Wolfgang, Art. 5 Abs. 1, 2 GG, in: Wassermann, Rudolf, (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz (2001), Rn. 144 ff.
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dass bei der Meinungsvermittlung auch das Mittel der Äußerung eine spezifische Rolle spielt und die das jeweilige Medium betreffenden organisatorischen Vorgänge ebenfalls vom Schutz des Grundrechts umfasst sind. 194 Für eine (auch) gesonderte Bewertung der einzelnen medialen Freiheiten spricht zudem, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Gewährleistung einer Auswahlfreiheit zu verstehen ist, die auch ein Auswählen aus einem diversifizierten Informationsangebot schützt. 195 Aufgrund der differenzierten Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann folglich auch dem Einzelnen die Wahl eines bestimmten Kommunikationsmittels nicht durch den Verweis auf ein anderes beschränkt werden. 196 Die im vorstehenden Sinne zweistufige Bewertung der Vielfaltsbeiträge der Medien entspricht zudem im Grunde den bereits oben dargestellten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die von einer prinzipiellen Einzelbetrachtung der Medien ausgehen, gleichzeitig aber Kompensationsmöglichkeiten in Erwägung ziehen. 197 Das Grundrecht der Pressefreiheit enthält somit trotz Medienkonvergenz und unmittelbarer Bezüge zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG auch die Vorgabe, dass „in jedem einzelnen der grundsätzlichen Medienbereiche eine Situation freiheitlicher Meinungsbildung gegeben sein muss, also eine Situation des Wettbewerbs und nicht des Monopols“ 198. c) Zwischenergebnis: Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeiten des einzelnen Mediums bei medienübergreifender Betrachtung Aussagen zur Vielgestaltigkeit der Presse trifft die Verfassung im Grundrecht der Pressefreiheit. Allerdings weisen die mediale Vielgestaltigkeit und die staatliche Verantwortung für die Sicherung dieser Vielfalt nicht nur Bezüge zur Pressefreiheit, sondern auch zu Art. 5 Abs. 1 GG „im Ganzen“ auf. In der „polystruktural verfassten Kommunikationsordnung“ 199 des Grundgesetzes erschließt sich folglich auch die Bedeutung des Grundrechts der Presse194
Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 65 ff. Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, (1974), S. 90; so auch: Pressekommission, Schlussbericht der Pressekommission – BT-Drucks. V/ 3122, (1968), S. 39; Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? (1992), S. 10 = Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, Media Perspektiven (1992), S. 358. 196 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 49. 197 BVerfGE 12, 205, 260 f.; 20, 162.; 57, 295. 198 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, (1974), S. 90. 199 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 248. 195
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freiheit für die verfassungsrechtlich gebotene Vielfalt nur mit dem Bewusstsein, dass die Freiheit der Berichterstattung durch die Presse nicht für sich allein steht, sondern sich in die Gruppe der sogenannten Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG einreiht. Im Mittelpunkt der von Art. 5 Abs. 1 und 2 GG beschriebenen Kommunikationsordnung stehen die freie individuelle Meinungsäußerung und die öffentliche Meinungsbildung. Beide Aspekte der geistigen Freiheit werden durch die Massenkommunikationsmittel gestützt und gefördert. Eine vollständige Autonomie der Medienfreiheiten des Satzes 2 sowohl gegenüber Art. 5 Abs. 1 GG als auch gegenüber den jeweils anderen in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Medienfreiheiten ist daher, ungeachtet einer gewissen funktionalen und organisationsbezogenen Selbstständigkeit der Medien, abzulehnen. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der modernen technischen Entwicklungen, in welcher Mediengattungen zusehends verschwimmen und daher die isoliert begriffliche und vertriebsformorientierte Betrachtung einzelner medialer Freiheiten an ihre Grenzen stößt, von Bedeutung. Doch auch wenn das Zusammenwachsen von Märkten, Vertriebswegen und Endgeräten die Grenzen zwischen Massenkommunikationsmitteln und zwischen Individual- und Massenkommunikationsmitteln zunehmend verschwimmen lässt und damit eine medienübergreifende verfassungsrechtliche Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG der sozialen Wirklichkeit entspricht, dürfen die explizit in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Freiheiten nicht vollständig in einer einheitlichen Medienfreiheit aufgehen. Die Art. 5 Abs. 1 GG im Ganzen entnehmbaren verfassungsrechtlichen Aussagen beziehen sich vielmehr auf eine Kommunikationsordnung, in der die Pressefreiheit zusammen mit anderen normativen Vorgaben die Konturen eines Bereichs freier Kommunikation bilden. Neben den alle Medien umfassenden verfassungsrechtlichen Vorgaben finden sich demnach speziellere Inhalte in den einzelnen Medienfreiheiten, z. B. im Grundrecht der Pressefreiheit. Diesen kommt – in Bezug zum „gemeinsamen Nenner“ medialer Freiheiten – eigenständige Bedeutung zu, wenn auch die Grenzen zwischen den allgemeinen und besonderen Herleitungen aus Art. 5 Abs. 1 GG fließend sind. Im Ergebnis ist von einer zweischichtigen Betrachtung auszugehen, die sich in die Schicht der allgemeinen Gehalte, die allen Massenkommunikationsmitteln innewohnen, und einer spezielleren oder auch tieferen Schicht der Gehalte der spezifischen medialen Freiheiten von z. B. Presse, Rundfunk und Film aufteilen lässt. Anknüpfend an diese Erkenntnisse, sind Art. 5 GG damit sowohl Vorgaben zur monomedialen Vielfalt (zwischen Repräsentanten eines Medium, z. B. der Presse) als auch zur multimedialen Vielfalt (zwischen den Medien) zu entnehmen.
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3. Pressezusammenschlüsse und die Bedeutung des Grundrechts der Informationsfreiheit Da zwischen dem Empfang und der Äußerung von Informationen zweifelsohne ein Wechselverhältnis besteht, bedarf es für die Präzisierung des Verständnisses der Pressefreiheit und ihrer vielfaltsbezogenen Vorgaben im System des Art. 5 Abs. 1 GG auch der Betrachtung des Verhältnisses von Presse- und Informationsfreiheit. 200 Von besonderem Interesse ist diesbezüglich, inwieweit der Prozess der Meinungs- und Willensbildung seine verfassungsrechtlichen Wurzeln auch im Recht hat, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu informieren, und inwieweit der Schutz der für das demokratische Gemeinwesen schlechthin konstituierenden Meinungsbildung und -äußerung nicht (nur) gestützt auf die Pressefreiheit und damit das Recht der Verleger, Journalisten etc., sondern auch mit Blick auf den Bürger und seinen Interessen an einer ausreichenden Auswahlmöglichkeit von Informationen zu erfolgen hat. Es stellt sich somit die Frage, ob dem Grundrecht der Informationsfreiheit 201 hinsichtlich des Schutzes der schlechthin konstituierenden Vielfalt auch oder gar vorrangig gegenüber dem Grundrecht der Pressefreiheit Bedeutung zukommt. Für eine auf der Grundlage der Informationsfreiheit bestehende staatliche Verantwortung für die Vielfältigkeit der Informationsquellen spricht zunächst, dass die Verfassung für den Leser „mehr als die Abhängigkeit von der Interpretation eines Grundrechts dessen Träger er nicht ist“ 202 bereithalten muss. Immerhin hat das Grundgesetz dem Rezipienten ein eigenes Grundrecht zur Seite gestellt, und zwar die Informationsfreiheit, nicht die Pressefreiheit. 203 Zur Unterstützung dieses auf die Informationsfreiheit bezogenen Schutzkonzepts wird ferner vorgebracht, es sei widersinnig, über die objektiv-rechtliche Dimension des Grundrechts (der Pressefreiheit), die zunächst als Verstärkung der grundrechtlichen Garantie verstanden wird, eine Einschränkungsmöglichkeit derselben Garantie zu schaffen. 204 Würde indes die Vorgabe der Vielfaltssicherung auf die Informationsfreiheit gestützt, könnten die mit der objektiv-institutionellen Seite verbundenen positiven Handlungspflichten des Staates herbeigeführt werden, ohne gleichzeitig die mit dem Begriff des Institutionellen verbundene Gefahr einer „Denaturierung“ 205 des Grundrechtes auszulösen. 200
BVerfGE 27, 71, 80 ff. Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen neuer elektronischer Medien – Folgewirkungen auf Medienstruktur und Medienpolitik, BayVbl (1986), S. 582. 202 Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 96. 203 Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 96. 204 Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 90 f. 205 Gellermann, Martin, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, (2000), S. 292. 201
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Tatsächlich verdient Beachtung, warum die Vielfaltssicherung durch die gesetzliche Konzentrationskontrolle nur um der Rechte der Verleger willen und nicht auf Grundlage der Rechte des Rezipienten erfolgen soll, denn die gängige Dogmatik will Pressezusammenschlüsse ja auch und gerade zur Sicherung der Freiheit des Rezipienten, sich auf der Basis vielerlei Informationen eine Meinung zu bilden und diese zu artikulieren, schützen. Da freilich der Informationsfreiheit ähnlich der Meinungsfreiheit ein objektiv-rechtlicher Gehalt zugewiesen wird 206, könnte durchaus auch diese grundrechtlich gewährleistete Freiheit über ihren Abwehrcharakter hinaus Wirkungen im Hinblick auf die Anforderungen der Kommunikationsordnung entfalten. Eine ausschließlich auf der Informationsfreiheit des Rezipienten fußende Verantwortung des Staates zur Sicherung einer vielfältigen Presse ist jedoch abzulehnen. Vielmehr sind die Informationsfreiheit ebenso wie die Meinungsfreiheit und die massenmediale Freiheit eine der Grundlagen, nicht hingegen die alleinige Quelle, verfassungsrechtlicher Vielfaltsanforderungen im Gesamtsystem des Art. 5 Abs. 1 GG. Denn eine Verortung des Vielfaltsgebotes im Grundrecht der Informationsfreiheit bzw. die auf die Informationsfreiheit gestützte Vielfaltssicherung und Konzentrationskontrolle vermag bereits nicht, die mit ihr angestrebte Problemlösung im Hinblick auf die vermeintliche Denaturierung des zu schützenden Grundrechts zu bewirken. Denn konzentrationskontrollierende Normen können nicht nur die Pressefreiheit, sondern auch die Erscheinungsweise bestimmter Publikationen, d. h. einer Informationsquelle, hemmen und dadurch den einzelnen Leser in seiner Informationsfreiheit beschränken – mit dem gleichen, hinsichtlich der Presse- oder Rundfunkfreiheit bereits kritisierten Effekt. Der vorgenannte Ansatz schafft außerdem weitere Abgrenzungsprobleme: Es bleibt z. B. unklar, wo die Grenze zwischen der Sicherung der Pressefreiheit zugunsten des verdrängten Verlegers und der Sicherung der Informationsfreiheit für den Rezipienten liegt, wo der Eingriff um der Informationsfreiheit willen und wo die Ausgestaltung der Informationsfreiheit beginnt. Die Ablehnung einer ausschließlich auf der Informationsfreiheit des Rezipienten bestehenden Verantwortung des Staates zur Sicherung einer vielfältigen Presse ergibt sich jedoch vor allem aus dem abwehrrechtlichen Schutzbereich der Informationsfreiheit, der hinsichtlich vielfaltsrelevanter Vorgaben hinter der Pressefreiheit zurückbleibt. Der Schutzgedanke des Verfassungsgebers macht diesen spezifischen Gewährleistungsumfang der Informationsfreiheit, die von „ungehinderter Unterrichtung“ spricht, besonders deutlich. Der Schutzkern dieses Grundrechts, das seinen Eingang in die Verfassung unter dem Eindruck des 206
A. A. Schneider, Hans, Verfassungsrechtliche Grenzen der gesetzlichen Regelung des Pressewesens, (1971), S. 66.
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nationalsozialistischen Verbots des Empfangs ausländischer Sender fand 207, galt und gilt der Abwehr von repressiven staatlichen Eingriffen, die unmittelbar zur Verkürzung der außerhalb der Staatsgewalt liegenden allgemein zugänglichen Informationsquellen führen 208, d. h. solcher Quellen, die technisch geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen. 209 Dazu gehören neben den Massenmedien auch Quellen wie Handzettel, Ausstellungen oder Museen 210, die mündliche Auskunft und tatsächliche Ereignisse, wie z. B. eine Gerichtsverhandlung oder eine bloße Ansammlung von Menschen. 211 Während also die Informationsfreiheit darauf abzielt, neben der Information jedem denkbaren allgemein zugänglichen Träger von Informationen Schutz zu gewähren, umfasst der Schutz der Massenkommunikationsmittel – anders als z. B. eine mündliche Auskunft oder ein tatsächliches, punktuelles Ereignis – die Doppelfunktion des Mediums und des Faktors der öffentlichen Meinungsbildung. 212 Dieser Vervielfältigungsfaktor, der Grundlage einer im Sinne eines pluralen Medienwesens funktionsgerechten öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ist, stellt einen elementaren und damit auch einen einer besonderen Sicherung bedürftigen Bestandteil medienfreiheitlicher, nicht hingegen informationsfreiheitlicher Gewährleistungen dar. Entsprechendes gilt für den Schutz der Allgemeinzugänglichkeit. Die Pressefreiheit schützt anders als die Informationsfreiheit gerade auch die Beschaffung von Informationen aus nicht allgemein zugänglichen Quellen, beispielsweise auch solche über besondere Recherchen erlangte Information. Würden die verfassungsrechtlichen Vielfaltsanforderungen allein aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit hergeleitet, wären diese Quellen aus dem verfassungsrechtlichen Vielfaltsverständnis ausgeklammert. Abweichend vom Grundrecht der Informationsfreiheit, schützt die Pressefreiheit außerdem die redaktionelle Aufbereitung der Information. Denn die Presse ist ein Informationsmittel, das neben der Bereitstellung der Information gleichzeitig als „orientierende Kraft“ 213 an der öffentlichen Auseinandersetzung beteiligt ist, indem sie durch kommentierende Beiträge die vorgetragenen Argumente und 207
Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 35. Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 273, 276 ff. 209 BVerfGE 27, 71, 83; Bethge, Herbert, Art. 5 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (2007), Rn. 55. 210 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 92. 211 Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 276 ff., 283. 212 BVerfGE 12, 205, 260. 213 Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 43. 208
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Standpunkte und die im gesellschaftlichen und staatlichen Bereich getroffenen Entscheidungen einer kritischen Auseinandersetzung unterzieht. Würde die Verantwortung des Staates zur Sicherung einer vielfältigen Medienlandschaft allein auf die Informationsfreiheit des Rezipienten gestützt, würde auch dieser Aspekt unberücksichtigt bleiben. Da Kommunikation sinnvermittelnde Aktion und sinnrezipierende Reaktion ist, übertrifft der Schutz der massenmedialen Vielfalt die Informationsfreiheit auch insoweit, als sie die Pressefreiheit nicht nur als Quelle, sondern auch als Kommunikationsbereich zwischen der allgemein zugänglichen Quelle und dem Rezipienten schützt. 214 Neben der Quelle selbst muss auch dieser Kommunikationsaspekt Teil einer verfassungsrechtlichen Vielfaltsvorgabe sein. Der Fokus auf die Informationsfreiheit allein wäre insoweit zu eng. Dessen ungeachtet ist das Augenmerk auch darauf zu richten, dass die Informationsfreiheit die Information aus allgemein zugänglichen und damit den vorhandenen Quellen beinhaltet. Den Schutz der Einrichtung solcher Informationsquellen umfasst sie nicht. Folglich wäre der Schutzbereich dieses Grundrechts durch eine (z. B. monopolbedingte) Erschwerung des Entstehens von Informationsquellen nicht beeinträchtigt und kann auch keine Grundlage für den Schutz vor entsprechenden Beeinträchtigungen sein. Derartige Auswirkungen von Marktverschiebungen sind folglich nach den vertrauten Regeln eines Eingriffs in die Meinungs- oder Pressefreiheit zu bewerten. Gleiches gilt für die Beschränkung der Gründung und Zulassung von Medienunternehmen als ebenfalls – noch – nicht zugängliche Quellen. Auch diesbezüglich ist auf die aus den gesamten medialen Freiheiten abgeleiteten institutionellen Garantien zurückzugreifen, nicht nur auf die Informationsfreiheit. 215 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die besondere demokratiespezifische Bedeutung massenmedialer Vielfalt und die vielfältige sowie zuverlässige Verbreitung von Information nur in Teilen vom Gewährleistungsbereich der Informationsfreiheit umfasst ist; z.T. geht sie weit darüber hinaus (Verbreitungsfaktor, redaktionelle Bearbeitung und Kommunikationsbereich), z.T. ist sie enger (nicht jegliche erdenkliche Quelle). Dem auf die Informationsfreiheit bezogenen Ansatz der Vielfaltssicherung ist damit zwar zuzugeben, dass auch der Rezipient in die Bestimmung der Vielfaltsanforderungen der Verfassung mit einzubeziehen und die mitkonstituierende Bedeutung der Informationsfreiheit für den freiheitlichdemokratischen Meinungsbildungsprozess zu beachten ist. Es darf jedoch nicht darüber hinweggesehen werden, dass eine Vielfaltssicherung eben gerade nicht nur für den Rezipienten, sondern auch für denjenigen, der in einem Medium sei214 Zur Interaktivität des Kommunikationsprozesses: Scholz, Rupert, Zukunft von Rundfunk und Fernsehen, AfP (1995), S. 359. 215 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 39.
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ner Meinung zur Geltung verhelfen will, erfolgt. Die staatliche Verantwortung für die Vielfaltssicherung gilt damit neben dem Rezipienten auch dem medialen Organ, den Journalisten und Verlegern, welche nicht der Möglichkeit der Grundrechtsaktivierung beraubt werden dürfen. Das Vielfaltsgebot kann somit, auch wenn es dem Rezipienten dient, nicht isoliert auf der Basis des objektiv-rechtlichen Gehalts der Informationsfreiheit gewährleistet und folglich nicht aus der Freiheit der Massenkommunikation gelöst werden. 4. Ausstrahlungswirkung der Staatszielbestimmungen des Demokratie- und Sozialstaatsprinzips auf Art. 5 Abs. 1 GG Die Grundentscheidung des Grundgesetzes für die demokratische Struktur der Bundesrepublik Deutschland gehört neben den Entscheidungen für die republikanische Staatsform, die Bundesstaatlichkeit und den sozialen Rechtsstaat zu den Leitprinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes. 216 Dabei hat das entscheidende Element des grundgesetzlichen Demokratiebegriffs, die Volkssouveränität, in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG Ausdruck gefunden: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Im Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG sowie durch die Bezeichnung der verfassungsmäßigen Ordnung als „freiheitlich demokratische Grundordnung“ 217 bzw. des Bundesstaates als „demokratisch“ (Art. 20 Abs. 1 GG) wird sie bestätigt. Während Wesen und Inhalt des Demokratiebegriffs vielfältig und divergierend interpretiert werden, kann er als Möglichkeit der Minderheit, zu einer Mehrheit zu werden, einheitlich verstanden werden. 218 Grundlage für die Realisierung dieser Möglichkeit ist die Freiheit der geistigen Auseinandersetzung, die wiederum die Entwicklung von Problembewusstsein, das bewusste Wählen zwischen bekannten Alternativen und damit schließlich eine den demokratischen Anforderungen entsprechende öffentliche Meinungsbildung ermöglicht. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Funktion der Presse, Informationen zu vermitteln und zu bewerten, die öffentliche Diskussion in Gang zu halten und als orientierende Kraft zwischen Volk und Volksvertretern zu wirken, als schlechthin konstituierend für das demokratische Gemeinwesen
216 Stern, Klaus, Das demokratische Prinzip, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band I (1977), S. 439 ff. 217 Z. B. in Art. 10 Abs. 2 und 11 Abs. 2 GG, 18 und 21 Abs. 2 GG. 218 Zur Mehrdeutigkeit des Demokratiebegriffs vgl. u. a.:Stern, Klaus, Das demokratische Prinzip, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band I (1977), S. 440 ff.; Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 127 ff.
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verstanden wird. 219 Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Art. 5 Abs. 1 GG bzw. der unbehinderten Ausübung der Kommunikationsgrundrechte und dem demokratischen Prinzip ist offenkundig. 220 In Ansehung dieser geradezu zwingenden Verbindung drängt sich die Frage auf, ob bzw. inwieweit der Schutz der schlechthin konstituierenden Meinungsbildung und der staatlichen Verantwortung für die Gewährleistung der Vielgestaltigkeit der Presse im Gebot des demokratischen Prinzips wurzelt. Tatsächlich wird der Bezeichnung der Verfassungsordnung als „demokratisch“ ein rechtsnormativer Charakter beigemessen, aus dem für den Staat die Pflicht folgen soll, die Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Verfassungsstruktur zu achten oder – noch weiter gehender – den öffentlichen Meinungsbildungsprozess in seinen Voraussetzungen sicherzustellen. 221 Nach diesen Auffassungen enthält der Grundsatz der freiheitlichen Demokratie als übergeordneter Verfassungssatz ein alle staatlichen Organe zum Handeln verpflichtendes Prinzip, das auch Grundlage für Maßnahmen gegen eine Monopolbildung im Pressewesen sei, andernfalls er zur „Leerformel“ 222 degenerieren würde. Doch auch wenn der Hinweis auf die Verbindung der Freiheitsrechte mit dem demokratischen Grundsatz zutreffend ist, kann die Betonung des demokratischen Bezugs den prägenden Charakter sowohl der Meinungs- und Informationsfreiheit als auch der Pressefreiheit für die Vielfaltssicherung nicht infrage stellen. Ebenso wenig wie die besondere Bedeutung der Pressefreiheit für die Demokratie und ihre politischen Organisationsprozesse zu einer Verschiebung des Grundrechts in den „organisationsrechtlichen Verfassungsbereich von demokratischer Staatsbildung und staatlich-demokratischer Willensbildung“ 223 führen, lässt sich die Forderung nach einer einfachgesetzlichen Regelung zur Sicherung eines vielfältigen Pressewesens auf das konstitutionelle Demokratiegebot stützen. Dies darf freilich nicht dazu führen, dass grundrechtliche Einzelgewährleistungen und ihre spezifischen Grenzen in Allgemeinvorstellungen über Demokratie aufgehen und damit im Widerspruch zum Spezialitätsgrundsatz stehen 224, doch 219 BVerfGE 10, 118, 121, die für die Meinungsfreiheit in BVerfGE 7, 198, 208 gewählte Formulierung wird in dieser Entscheidung auf die Presse übertragen. Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 43. 220 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 14. 221 Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 45; HoffmannRiem, Wolfgang, Sozialstaatliche Wende der Medienverantwortung, JZ (1975), S. 470 f. 222 Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 45. 223 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 132 f. 224 Lerche, Peter, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: Bullinger, Martin / Kübler, Friedrich, (Hrsg.), Rundfunkorganisation und Kommunikationsfreiheit (1979), S. 31.
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ist der Begriff der Demokratie in seiner rechtlichen Tragweite schlicht zu unbestimmt, um konkrete verfassungsunmittelbare Handlungspflichten aus diesem abzuleiten. Grundrechte hingegen präzisieren Freiheitsräume und binden die drei Gewalten als unmittelbar geltendes Recht. Sie bilden nicht zuletzt mit ihrer objektivrechtlichen Funktion ein gegenüber der Staatsverfassung konkreteres System einer bestimmten gesellschaftlichen Ordnung, z. B. einer Kommunikationsordnung 225, das der Ausübung der individualen Freiheit sowie Strukturveränderungen offener gegenübersteht als die Staatsverfassung bzw. das demokratische Prinzip. Demgemäß wäre es bereits methodisch verfehlt, in einem derart konkreten System im Hinblick auf staatliche Sicherungspflichten den Fokus allein auf Generalbestimmungen wie dem Demokratieprinzip zu richten bzw. hinsichtlich der Vielfaltssicherung ein Strukturgesetz staatsverfassungsrechtlicher Art auf den gesellschaftsverfassungsrechtlichen 226 Bereich des Pressewesens zu übertragen. 227 Ein Rückgriff auf grundrechtliche Gewährleistungen ist – auch unter Beachtung des Bezugs der Vielfalt zum Demokratiegebot – für die Rechtfertigung einer Pflicht des Staates zur Vielfaltssicherung 228 nicht entbehrlich. 229 Das unterstützend heranzuziehende Demokratiegebot fungiert insoweit „nur“ als Scharnier zwischen subjektiver und objektiver Deutung der Grundrechte und als Verbindung zwischen dem Grundrecht, hier der Pressefreiheit, und gesellschaftsverfassungsrechtlicher Gestaltungsaufgaben, hier der Vielfaltssicherung, des Staates. Damit stellt es auch keine „Leerformel“ 230 dar, sondern wird als verfassungsrechtliche Grundentscheidung verstanden, die, ohne Einzelfragen vorzugeben, Kriterien grundsätzlicher Bedeutung enthält. Entsprechendes gilt für das Sozialstaatsprinzip, das einen Auftrag zur staatlichen Sozialverantwortung begründet. Geprägt von der Idee des Ausgleichs, des Miteinanders und der wechselseitigen Vermittlung, enthält es eine Verpflichtung zur Wahrung und Herstellung angemessener Lebensverhältnisse, sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit. Dabei umfasst es nicht nur für den wirtschaftlichen Bereich geltende Ableitungen, sondern zugleich immaterielle Ansätze, die auch auf die Kommunikationsordnung Einfluss haben können. 231 So stellt die 225 Bzw. einer „Kommunikationsverfassung“, vgl. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 131, 139. 226 Zur Unterscheidung Gesellschaftsverfassung und Staatsverfassung: Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 154 ff. 227 Schneider, Hans, Verfassungsrechtliche Grenzen der gesetzlichen Regelung des Pressewesens, (1971), S. 62 f. 228 Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 46. 229 Etwas weitergehend: Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn 14, 185. 230 Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 45. 231 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 52.
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soziale, Gruppen bildende Funktion der Meinungs- und Pressefreiheit die thematische Brücke zwischen diesen grundrechtlichen Gewährleistungen und der Sozialstaatsklausel dar. 232 Die grundrechtliche Kommunikationsordnung, die auf den objektiv- wie subjektiv-rechtlichen Strukturen des Art. 5 Abs. 1 GG beruht, wird durch das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip flankiert. 233 Dessen ungeachtet darf die Sozialstaatsklausel ebenso wenig als Generalermächtigung zur Herstellung möglichst optimaler Sozialverhältnisse verstanden werden wie als verfassungsrechtliche Grundlage staatlicher Verantwortung für einen vielfältigen Pressemarkt. 234 Abgesehen von der aufgrund begrenzter Ressourcen bestehenden Unmöglichkeit der Realisierung einer solchen Vorgabe, würden mit einem solchen Ansatz liberal-freiheitliche Strukturen des Pressewesens bzw. der gesamten Kommunikationsordnung und das Prinzip der staatlichen Neutralität überlagert. 235 Von der allgemeinen sozialstaatlichen Ermächtigung zur staatlichen Organisation kann der Gesetzgeber allein dann Gebrauch machen kann, wenn sich keine Ermächtigungen auf der Grundlage spezieller grundrechtliche Tatbestände finden. Die Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten eines sozialstaatlich aktiven Gesetzgebers sind dabei umso begrenzter, je geschlossener ein Freiheitsrecht angelegt ist. Wo das Grundrecht z. B. einen Gesetzesvorbehalt bereithält, ist der Grundrechtseingriff auf dieser Grundlage zu verwirklichen. 236 Es besteht – abgesehen von einem Abbau größter (sozialer) Missstände – keine Notwendigkeit, das Sozialstaatsprinzip auf den Bereich der politischen Meinungsbildung zu erstrecken. 237 Da die Kommunikationsordnung kompakt gestaltet ist, sind auch insoweit Rückgriffe auf allgemeine Rechtsgrundsätze auf notrechtliche strukturelle Mindestmaßnahmen zu beschränken. Auf die Ausführungen zum Demokratiegebot kann insoweit verwiesen werden. IV. Grundrechtsbezüge des Pressefusionstatbestands mit Blick auf die wirtschaftliche Aktivität von Presseunternehmen Da Presseunternehmen sich nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen frei bilden und arbeiten, gelten die Ordnungsmaßstäbe des Wettbewerbs als Basis einer 232
Czajka, Dieter, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe“ der Presse, (1968), S. 154. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 146 ff. 234 Für ein Durchdringung des vermeintlichen „Staatsauftrags“ des Art. 5 Abs. 1 GG durch das Sozialstaatsprinzips: Hoffmann-Riem, Wolfgang, Sozialstaatliche Wende der Medienverantwortung, JZ (1975), S. 470 f. 235 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 147. 236 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 147 f. 237 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 183 f. 233
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pluralen und dezentralen wirtschaftsfreiheitlichen Ordnung auch für die im Pressewesen tätigen Unternehmen, die somit nicht nur in geistiger, sondern auch in wirtschaftlicher Konkurrenz stehen. 238 Im Hinblick auf die damit verbundene wirtschaftliche Tätigkeit ist das Grundrecht der Pressefreiheit zentraler grundrechtlicher Bezugspunkt. Allerdings spricht diese Pressetätigkeit im Kontext des wirtschaftlich neutralen Grundgesetzes (1) auch andere wirtschaftsspezifische Freiheitsbereiche an, die ihrerseits der Pressefreiheit neue Akzente oder Inhalte verleihen können. 239 Dementsprechend weist auch die Pressefusionskontrolle, welche die wettbewerblichen Aktivitäten der Presse kontrolliert, nicht nur publizistische, sondern auch wirtschaftliche Grundrechtsbezüge auf. Dies gilt sowohl mit Blick auf fusionsaverse und fusionswillige Presseunternehmen als auch hinsichtlich der Unternehmen vor- und nachgelagerter Märkte. Diese können durch die Erlaubnis oder die Untersagung der Veränderung der Marktstruktur nicht nur im Bereich der publizistischen, sondern auch in Bezug auf verfassungsrechtlich garantierte Wirtschaftsfreiheiten betroffen sein (2). 240 1. Wirtschaftliche Neutralität des Grundgesetzes Die „Wirtschaftsverfassung“ des Grundgesetzes ist Gegenstand umfassender Analysen, in deren Zentrum zumeist die Frage steht, ob sich der Verfassungsgeber auf die Marktform der sozialen Marktwirtschaft festgelegt hat. 241 Diese Frage stellt sich vor allem deshalb, weil im Grundgesetz, anders als noch in der Weimarer Reichsverfassung 242, kein expliziter Abschnitt zur Wirtschaftsverfas-
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BVerfGE 20, 162, 175; Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982),
S. 55. 239 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 92; Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 431. 240 Degenhart, Christoph, Bestandsschutz für die Presse, AfP (1987), S. 649 ff; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 45, 81 ff; 87 ff, 149 ff.; Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 431. 241 M w. N. Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 30. Ferner: Bunte, Hermann-Josef, Einführung zum GWB, in: Bunte, Hermann-Josef / Langen, Eugen, (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht – Band I (2006), Rn. 41 ff. 242 Nach dem die 1914 erlassenen Reichswirtschaftsgesetze den Bereich der Wirtschaft das erste Mal reglementierten, fand staatliche Verantwortung für die Wirtschaft in der WRV den ersten verfassungsrechtlichen Niederschlag, vgl. Schmidt, Reiner, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft – § 92, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV (2006), Rn. 3.
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sung existiert. Auch fehlt ein ausdrückliches Bekenntnis zu einer liberalistischen, einer sozialen oder einer sonstigen Wirtschafsordnung. 243 Von dieser Nichtentscheidung des Grundgesetzes 244 wird gemeinhin und in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf eine „wirtschaftliche Neutralität des Grundgesetzes“ 245 geschlossen. Danach beschreibt die Verfassung ein neutrales und offenes Ordnungssystem, in der die konkrete Gestaltung der Wirtschaftsverfassung dem einfachen Gesetzgeber überantwortet sei. Dieser könne aufgrund der Neutralität der Verfassung prinzipiell frei zwischen verschiedenen Wirtschafts- und auch Wettbewerbsmodellen entscheiden. Gegen diese als ganz herrschend zu bezeichnende Auffassung wird vereinzelt Kritik geäußert. So wird dem Grundgesetz – unter Zugrundelegung einer unzulässigen Ausdehnung des Sozialstaatsprinzips – u. a. eine „sozialistische“ Wirtschaftsordnung entnommen. 246 Andere leiten aus der Zusammenschau und Interpretation der wirtschaftspolitisch relevanten Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere den Freiheitsgrundrechten Art. 12, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip, eine Entscheidung des Verfassungsgebers zur sozialen Marktwirtschaft her. 247 Dem widerspräche jedoch, so die Kritiker, die zumeist zur Untermauerung der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Neutralität bemühte „Investitionshilfeentscheidung“ 248 des Bundesverfassungsgerichts von 1954. Denn das Gericht ginge in dieser Entscheidung von der Existenz von schlicht zwei denkbaren Wirtschaftsverfassungsmodellen aus, nämlich dem Modell des ökonomischen Liberalismus und dem der freien Marktwirtschaft. Unter Zugrundelegung allein dieser Modelle habe das Gericht richtig entschieden, 243 BVerfGE 4, 7, 17; Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 85 ff.; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 149 ff.; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, (1971), S. 17 ff. 244 Wirtschaftspolitische Leitvorstellungen – mit unklarem Bedeutungsumfang – lässt die Verfassung z. B. in Art. 104a Abs. 4 GG erkennen. 245 Z. B. BVerfGE 4, 7; In BVerfGE 50, 290, 337f. spricht das Gericht von der wirtschafspolitischen Neutralität: „Das Grundgesetz enthält keine unmittelbare Festlegung oder Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung. Dies ermöglicht dem Gesetzgeber, die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet. Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialordnung ist zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche Ordnung, keineswegs aber die allein mögliche.“ Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Badura, Peter, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Grenzen wirtschaftspolitischer Gesetzgebung im Rechtsstaat, AöR (92) (1967), S. 383 f. 246 Abendroth, Wolfgang, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, VVDStRL (1954), Heft 12, S. 221 ff. 247 Nipperdey, Hans Carl. / Stumpf, Hermann, Wirtschaftsrecht, in: Hax, Karl / Wessels, Theodor, (Hrsg.), Handbuch der Wirtschaftswissenschaften – Band 2 (1966), S. 645; Hablitzel, Hans, Wirtschaftsverfassung und Grundgesetz, BayVbl (1981), S. 66, 68f. 248 BVerfGE 4, 7.
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dass sich das Grundgesetz für keine dieser beiden Ordnungssysteme ausspreche. Diese Feststellung wiederum könne aber nicht zu dem Schluss führen, dass das Grundgesetz keine alternativen Modelle kenne, entscheidend sei nämlich die tatsächliche Bindung des Wirtschaftsrechts an die geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Diese konstituierten eine soziale Marktwirtschaft. Zuzustimmen ist diesem Ansatz nur insoweit, als er von der Bindung des einfachen Gesetzgebers an die verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgeht, was zur Folge hat, dass „die Wirtschaftsverfassung“ allein im Rahmen bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben gestaltet werden kann. 249 Eine Neutralitätspflicht besteht mithin nicht. Daraus kann jedoch wiederum nicht geschlossen werden, dass das Grundgesetz eine Festschreibung der sozialen Marktwirtschaft enthält. 250 Auch das in Art. 1 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von 1990 251 festgehaltene Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft besitzt keinen Verfassungsrang. 252 Vielmehr besteht eine „relative [wirtschaftliche] Offenheit“ 253 des Grundgesetzes, die dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum eröffnet. Die „wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes“ ist demgemäß so zu verstehen, dass sich das Grundgesetz für kein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden hat, sondern dem einfachen Gesetzgeber ermöglichen wollte, die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen. 254 Da dies wiederum unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben zu erfolgen hat, erlaubt die sogenannte wirtschaftliche Neutralität freilich nicht die Durchsetzung eines jeden gesetzgeberischen Ordnungsprogramms. Staatliches Handeln bleibt vielmehr auch im wirtschaftlichen Kontext durch kompetenzrechtliche Vorgaben, objektive Verfassungsprinzipien und Grundrechte gebunden und begrenzt. 255 So schließen die Art. 2, 9, 11, 12, 14 GG bereits die Extrempositionen einer reinen Zentralwirtschaft und das Sozialstaatsprinzips eine schrankenlose Marktwirtschaft aus. Maßstab der Prüfung gesetzgeberischer wirtschaftsrelevanter Handlungen bleiben demnach „diejenigen Einzelgrundrechte, welche die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
249 Huber, Ernst Rudolf, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Band 1, (1953), S. 30, der die Verfassung so versteht, dass das Neben- und Gegeneinander von verfassungsrechtlichen Gewährleistungen und Vorbehalten ein gemischtes System des Wirtschaftsverfassungsrecht konstituiert. 250 Ehmke, Horst, Wirtschaft und Verfassung, (1961), S. 18 ff. 251 BGBl. II/1990, S. 889. 252 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 76. 253 BVerfGE 50, 290, 338. 254 BVerfGE 4, 7, 17 ff.; 50, 290, 336 ff. 255 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 27.
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und Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers [...] markieren“ 256. Im Ergebnis kann somit die Summe dieser verfassungsrechtlichen Gestaltungselemente als Wirtschaftsverfassung 257 oder Wirtschaftsordnung verstanden werden. Eine die Grundrechte überhöhende Systemvorstellung ist hingegen abzulehnen. 2. Grundrechtliche Gewährleistung einer „Wirtschaftsfreiheit“ Explizite Vorgaben über den Schutz wirtschaftlicher Tatbestände finden sich im wirtschaftlich neutralen Grundgesetz nicht. Eine „Wirtschaftsfreiheit“ als solche ist der Verfassung unbekannt. 258 Vielmehr sind verschiedene Aspekte wirtschaftlicher Betätigung 259 vermittels einzelner für die Wirtschaftsordnung bedeutsamer Grundrechtsgarantien geschützt; von zentraler Bedeutung sind insoweit z. B. die Gewährleistungen der Art. 2 Abs. 1, 14 und 12 GG 260 (a). Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob neben den einzelnen Grundrechtsbezügen wirtschaftlichen Handelns eine allgemeine „Wirtschaftsfreiheit“ in einem speziellen Grundrecht seinen Platz findet (b) bzw. mit welchen konkreten Garantiegehalten eine „Wirtschaftsfreiheit“ ausgestattet sein kann (c). a) Gehalte von Art. 2, 12 und 14 GG als zentrale wirtschaftsbezogene Grundrechtsgarantien und die Relevanz des Sozialstaatsprinzips Die Wirtschaft ist Teil einer grundrechtlich geschützten staatsfreien Gesellschaft, in der jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit bzw. ei256 BVerfGE 50, 290, 336. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts erfolgte im Hinblick auf die Einführung einer erweiterten Mitbestimmung. Die Aussage macht deutlich, dass die jeweilige Sachmaterie besondere Bedeutung bei der Interpretation der konkreten Umstände hat. Vgl. Schmidt, Reiner, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft – § 92, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV (2006), Rn. 26. 257 So: Schmidt, Reiner, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft – § 92, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV (2006), Rn. 16. 258 Hier soll unter der Wirtschaftsfreiheit die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung, d. h. wirtschaftliche und im weitesten Sinne berufliche Entfaltungsfreiheit verstanden werden. 259 Z. B ein Mindestmaß an wettbewerblicher Konkurrenz, vgl. Lerche, Peter, Werbung und Verfassung, (1967), S. 71; Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 128. 260 Von Bedeutung sind in wirtschaftlichen Kontexten auch Art. 9 Abs. 1 und 3, Art. 11 und Art. 3 GG. Da für den Bereich wirtschaftlicher Zusammenschlüsse vor allem die wirtschaftlichen Grundrechtsgewährleistungen aus Art. 12 und 14 GG entscheidend sind, beschränkt sich die Bearbeitung auf diese Grundrechte. Vgl. insbesondere zum Verhältnis Art. 9 Abs. 1 und 3 GG und Art. 12, 14 GG mit Blick auf wirtschaftliche Zusammenschlüsse: Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 40 ff.
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ne allgemeine Handlungsfreiheit eingeräumt wird, vgl. Art. 2 Abs. 1 GG. Unter den Schutz der davon umfassten Privatautonomie fallen u. a. der Schutz der Auswahl-, Wettbewerbs- und Preisfreiheit, also der Grundlagen typischer Marktmechanismen. So hat der Verfassungsgeber mit der in Art. 2 Abs. 1 GG getroffenen Entscheidung für die Freiheit des Einzelnen zugleich eine freie und in seinen Grundzügen marktwirtschaftliche Ordnung verfassungsrechtlich vorgegeben. 261 Diese Ordnung erhält durch Spezialgrundrechte, wie Art. 12 und 14 GG, weitere Präzisierungen. So zielt das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG in seinem gesamten Wirkungsradius darauf ab, „einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern“ und dem Einzelnen „dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen“. 262 Der individuelle Schutz umfasst zuvorderst die freie und eigenverantwortliche Nutzung des Privateigentums, wobei mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und einem überwiegenden Teil der Literatur darunter über das Sacheigentum im Sinne des § 903 BGB hinausgehend alle erwerbbaren vermögenswerten Rechtspositionen zu verstehen sind. 263 Daneben ist mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schließlich jedenfalls das Unternehmen in seinen primären Bestandteilen und in seiner Privatnützigkeit geschützt. 264 Neben der Freiheit der wirtschaftlich individuellen Entfaltung garantiert das Grundrecht auch das objektive Rechtsinstitut des Privateigentums. 265 Dieser umfassende Eigentumsschutz darf allerdings nicht als allgemeiner Vermögensschutz missverstanden werden. Er stellt vielmehr eine Gewährleistung der Privatautonomie auf vermögensrechtlichem Gebiet dar. 266 Folglich schützt Art. 14 GG nur konkrete Vermögenspositionen und das Privateigentum in seiner ökonomischen Nutzbarkeit, nicht aber das Vermögen als Ganzes, nicht dessen Liquidität – und auch keine Erwerbschancen, Zukunftshoffnungen oder Wachs261
Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 76. 262 BVerfGE 24, 367, 389. 263 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 103. 264 Inwieweit mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch die Gesamtheit der sächlichen, persönlichen und sonstigen Unternehmensmittel, die in der Hand des Unternehmers zu einer geschlossenen ökonomischen Funktionseinheit zusammengefasst sind, vom Schutzbereich eingeschlossen sind, ist für die vorliegende Fragestellung zur Vielgestaltigkeit der Presse nicht von Bedeutung. 265 Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 1. 266 Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 2. Schutzobjekt ist dabei auch das vermögenswerte Recht, worunter sowohl das persönliche Eigentum als auch das Produktionseigentum, die Privatnützigkeit ebenso wie die wirtschaftliche Funktionalität fällt. Vgl. Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 90, vgl. dort Fn. 32.
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tumserwartungen. 267 Demgemäß sind zwar die Freiheit, am Markt zu agieren, und der damit verbundene Wettbewerb durch Art. 14 GG gesichert, nicht hingegen umfasst ist der Schutz vor Konkurrenz. Die Gewährleistung des Art. 14 GG greift in Konkurrenzsituationen erst dann, wenn mit der Entziehung wirtschaftlicher Positionen – z. B. durch Konkurrenten – die Grundlage für eine wirtschaftliche sinnvolle Eigentumsnutzung gänzlich entfällt. 268 Der Erwerb als solches wiederum findet in Art. 14 GG keinen Platz, diesbezüglich greift der Schutzbereich der Berufsfreiheit, zu welcher das wirtschaftlich organisierte Pressewesen vielerlei Anknüpfungspunkte hat. Journalismus, auch in Gestalt der Tätigkeit des Verlegers, wird in der Regel berufsmäßig betrieben, denn nach dem weiten Berufsbegriff ist „Beruf“ jede Tätigkeit, die dem Einzelnen eine Lebensgrundlage bietet und ihm Aufgabe sowie Erfüllung persönlicher Lebensentfaltung bedeutet. 269 Die Gewährleistung der Berufsfreiheit umfasst den Schutz freier Berufswahl und Berufsausübung. Geschützt ist insoweit auch die Grundform gewerblicher bzw. unternehmerischer (und damit auch wettbewerblicher) Betätigung, beispielsweise der Entschluss, als Journalist zu arbeiten oder aber einen solchen einzustellen, ebenso wie die Entscheidung, ein Pressunternehmen zu gründen, zu vergrößern, zu verkleinern, zu kaufen oder zu verkaufen. Einen Schutz vor Konkurrenten umfasst dieses Grundrecht, ebenso wie die Eigentumsgarantie, nicht. 270 Die Berufsfreiheit ist damit als Berufs-, Gewerbe- und Unternehmensfreiheit zu verstehen, die Überschneidungen mit dem Schutzbereich des Art. 14 GG aufweist, wobei jedoch der Schutz des Erwerbs durch Art. 12 GG und der Schutz des Erworbenen durch Art. 14 GG erfolgt. Neben diesen spezifischen grundrechtlichen Gewährleistungen wird die grundgesetzliche „Wirtschaftsverfassung“ auch in besonderer Weise durch das Sozialstaatsprinzip geprägt, dessen sozialstaatlicher Leistungs- und Ordnungsauftrag bei der Wirtschaftsgesetzgebung Berücksichtigung zu finden hat. 271 Staatszielbestimmungen sind dabei als verfassungsrechtliche Grundentscheidung zu verstehen. Deren verfassungsrechtlicher Auftrag hat sich zum einen an den sich stetig wandelnden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu orientieren und erfährt insoweit eine konstante Konkretisierung – ein Beleg für die Offenheit der „Wirtschaftsverfassung“ und den damit verbundenen weiten
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BVerfGE 30, 292, 335. Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982), S. 64. 269 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 420. 270 Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982), S. 64. 271 Auch das Rechtsstaatsprinzip ist Grundlage der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Vgl. Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 89. 268
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gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. 272 Ferner enthalten sie, ohne Einzelfragen vorzugeben, Kriterien grundsätzlicher Bedeutung, die dem Gesetzgeber nur dann als Handlungsgrundlage gereichen können, wenn keine spezielleren grundrechtlichen Ermächtigungen zur Verfügung stehen. Da Art. 2 Abs. 1, 12 und 14 GG ebenso wie Art 9 Abs. 1 und 3, Art. 11 und Art. 3 GG konkrete verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen vorgegeben, sind im wirtschaftlichen ebenso wie im publizistischen Kontext Rückgriffe auf allgemeine Rechtsgrundsätze auf notrechtliche strukturelle Mindestmaßnahmen zu beschränken. b) Verfassungsrechtliche Verortung der Wirtschaftsfreiheit Vor dem Hintergrund der diversen grundrechtlichen Bezüge der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung ist es nicht verwunderlich, dass Uneinigkeit im Hinblick auf die Existenz bzw. die grundrechtliche Verortung einer sogenannten Wirtschaftsfreiheit besteht. Die Frage der verfassungsrechtlichen Zuordnung wirtschaftlicher Freiheit ist indessen nicht unbedeutend, denn sie bestimmt die Rechtfertigungsanforderung für freiheitsverkürzendes staatliches Handeln. 273 So haben die Art. 12 und 14 GG wegen ihrer eng umgrenzten Gesetzesvorbehalte weniger Einschränkungspotenzial und damit eine größere freiheitsschützende Wirkung als die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Handlungsfreiheit, die im Rahmen der „verfassungsmäßigen Ordnung“ umfassenderen gesetzgeberischen Einschränkungen ausgesetzt sein kann. Eine verbreitete Ansicht versteht die allgemeine Handlungsfreiheit, die typischerweise hinter speziellen Gewährleistungen zurücktritt, bezüglich der unternehmerischen Betätigungsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit als funktionell eigenständig und verortet den Schutz der Wirtschaftsfreiheit in diesem Grundrecht. 274 Nach anderer Ansicht ist wirtschaftliches Handeln von Art. 12 i.V. m. Art. 14 GG oder nur von einem dieser Grundrechte gewährleistet. 275 Auch das Bundesverfassungsgericht entscheidet diesbezüglich nicht einheitlich. Es sieht z. B. die Wettbewerbsfreiheit (als Teil einer Wirtschaftsfreiheit) durch die all-
272 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 150; Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 86. 273 Allgemein zur Frage der Verortung der „Wettbewerbsfreiheit“ in der Verfassung: Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 116 ff. 274 BVerfGE 4, 7, 14; 8, 274, 328; 9, 3, 11; 12, 341, 347; 14, 263, 282f; 18, 257, 273 f.; 18, 315, 327; 21, 160, 168; 23, 12, 30, 25, 371, 407; 27, 375, 384; 28, 66, 76; 31, 145, 173; BVerwGE 17, 306, 309; 30, 191, 198; 60, 154, 159; 65, 167, 174; 79, 326, 329. 275 M. w. N. Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 88 ff., 130 ff.
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gemeine Handlungsfreiheit 276 oder als Teil der Berufsausübung durch Art. 12 GG 277 geschützt. Bereits die oben (a) erörterten vielfältigen Grundrechtsbezüge wirtschaftlicher Sachverhalte verdeutlichen, dass eine einheitliche Antwort auf die verfassungsrechtliche Zuordnung der „Wirtschaftsfreiheit“ den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werden kann. Die Zuordnung der wirtschaftlichen Betätigung zu einem Grundrecht muss vielmehr darauf abgestimmt sein, in welcher Form wirtschaftlich agiert wird und wie die Eingriffs- und Belastungsrichtung staatlichen Handelns ist: Abhängig davon, ob ein Verhalten einen beruflichen, eigentumsrechtlichen oder einen allgemeinen Vermögensbezug 278 hat, ist auf Art. 12, 14 oder 2 Abs. 1 GG zurückzugreifen. Soweit z. B. ein Verhalten eine berufsregelnde Tendenz hat, ist Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG im Fall von Ausländern einschlägig, ist der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb betroffen, greift der Schutz des Art. 14 GG. Hat ein Verhalten kumulative Wirkungen, können die Vorschriften auch im Verbund die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit schützen. In der Regel werden Art. 12 und Art. 14 GG gemeinsam einschlägig sein, denn die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie in ihren wirtschaftlichen Ausgestaltungen erfassen nicht selten sich überschneidende Freiheitssphären. 279 Solche Überschneidungen finden sich z. B. dann, wenn die wirtschaftliche Betätigung zum unternehmerischen Berufsbild gehört oder die wirtschaftliche Nutzung von Eigentum Bestandteil einer eigentumsrechtlich vermittelten Betätigungsfreiheit ist. 280 Ein hierfür typisches Beispiel sind wettbewerbliche Verhaltensweisen, denn Wettbewerb ist gerade Ergebnis der konkurrierenden Nutzung von Eigentum und der konkurrierende Betätigung unternehmerischer Freiheit. 281 Folglich ist die Wettbewerbsfreiheit von Art. 12 i.V. m. 14 GG geschützt. Eine Subsumtion aller Betätigungen wirtschaftlicher Entfaltungs- und Dispositionsfreiheit allein unter den Schutzbereich eines – ausnahmsweise – funktional eigenständigen Art. 2 Abs. 1 GG ist abzulehnen. Abgesehen davon, dass eine partielle, d. h. nur auf wirtschaftliche Sachverhalte bezogene, funktionelle Eigenständigkeit der allgemeinen Handlungsfreiheit die bloß subsidiäre Geltung 276
So wohl im Ergebnis: BVerfGE 18, 1, 10. BVerfGE 32, 311, 317; 46, 120, 137. 278 Dies fällt z. B. in den Wirkungskreis von Art. 2 Abs. 1 GG. Typische Fälle sind, Geldleistungspflichten oder Regelungen über bestehen und Nichtbestehen einer Zahlungspflicht. 279 Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 130. 280 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 41 ff.; BVerfGE 50, 290, 363. 281 Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 136. 277
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dieses Grundrechts missachten würde, ist ein solches Grundrechtsverständnis systematisch inkonsistent. 282 Schon wegen der höheren Eingriffsschwellen der Fachgrundrechte ist – in dubio pro libertate – zunächst auf den Schutz spezieller Grundrechtsgewährleistungen zurückzugreifen. Erst wenn diese spezielleren Grundrechte nicht einschlägig sind, z. B. weil es sich um nicht wirtschaftliche 283 oder nicht berufliche Sachverhalte 284 handelt bzw. ausländische Grundrechtsinhaber grundrechtlichen Schutz geltend machen 285, kann Art. 2 Abs. 1 GG seinen Schutz entfalten. 286 c) Schutzgehalte der „Wirtschaftsfreiheit“ In der Regel ist die wirtschaftliche Betätigung als Teil „wirtschaftlicher Ausübungsfreiheit“ auch ohne explizite verfassungsrechtliche Normierung durch Art. 12 GG i.V. m. Art. 14 G geschützt. Vom Schutz dieser „Wirtschaftsfreiheit“ umfasst sind diverse wirtschaftliche Betätigungen, beispielsweise die Vertragsfreiheit als Grundlage marktwirtschaftlicher Betätigung. 287 Da wirtschaftlicher Wettbewerb das Ergebnis der konkurrierenden Ausübung wirtschaftlicher Freiheit 288 bzw. das Kartell, wie vom Bun282
Papier, Hans-Jürgen, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: Benda, Ernst / Maihofer, Werner / Vogel, Hans-Jochen, (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts (1994), § 18, Rn. 75; Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 122 ff.; Scholz, Rupert, Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, AöR (100) (1975), S. 128 ff.; Erichsen, HansUwe, Allgemeine Handlungsfreiheit – § 152, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI (2001), Rn. 61. 283 Depenheuer, Otto, Art. 14 GG, in: Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich / Starck, Christian, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band I (2005), Rn. 100 ff. Beachtlich ist insoweit nicht, dass Art. 14 GG nicht den Schutz des Erwerbs umfasst, BVerfGE 30, 292, 335, hier greift Art. 12 GG. Beachtlich kann hingegen sein, dass Art. 14 GG nur konkrete Vermögenspositionen, nicht aber das Vermögen als solches schützt: BVerfGE 78, 249, 277; 89, 48, 61; 91, 207, 220; 95, 267, 300. Verträge, die speziell Zahlungspflichten regeln, fallen unter Art. 2 Abs. 1 GG: Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 103. 284 Z. B. Abschluss von Verträgen für gelegentliche Tätigkeiten, die keinen Beruf darstellen, z. B. bei der Beschäftigungspflicht von Schwerbenhinderten, soweit die Beschäftigung z. B. weil gemeinnützig, keinen Beruf darstellt; vgl. Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 80. 285 BVerfGE 32, 311, 317; 46, 120, 137; 70, 1, 32; 74, 129, 152; Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 93, dort Fn. 44. 286 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 80. 287 Je nach Art des Vertrages kann der Schutz gem. Art. 6, 9 Abs. 1, 12, 14 GG erfolgen. 288 Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 128; die wesentlichen Entscheidungen in der wettbewerblichen Ordnung gibt zunächst
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desverfassungsgericht formuliert, der „freiwillige vertragliche Verzicht auf die eigene Wettbewerbsfreiheit“ 289 ist, unterfällt auch die Wettbewerbsfreiheit dem Schutz dieser Vorschriften. 290 Als ebenfalls geschützt gilt die allgemeine Unternehmerfreiheit, soweit sie nicht bereits von den vorgenannten Freiheiten umfasst ist. 291 Dementsprechend genießt auch die wirtschaftliche Betätigung von Presseunternehmen, z. B. Pressezusammenschlüsse, Zeitungsneugründungen, Werbemaßnahmen oder sonstige wettbewerbliche Aktivitäten, den Schutz von Art. 12 i.V. m. Art. 14 GG 292, wobei der Schutz sogar divergierende Schutzwirkungen aufweisen kann. Mit dem Schutz wirtschaftlicher Zusammenschlüsse zeigen die Normen konzentrationsschützende, mit dem Schutz des Wettbewerbs hingegen eine entgegengesetzte, konzentrationsverhindernde Tendenz auf. 293 Sowohl konzentrationswillige als auch die durch einen Zusammenschluss von der Marktverdrängung bedrohten Wettbewerber finden demzufolge im Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit (in Gestalt der Wettbewerbsfreiheit) ihren Platz. 3. Zwischenergebnis Das Grundgesetz ist wirtschaftlich neutral. Es gibt kein bestimmtes Wirtschaftssystem vor, was es dem einfachen Gesetzgeber erlaubt, die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen. 294 Freilich ist ihm dies nur unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben möglich, denn jedes staatliche Handeln ist durch kompetenzrechtliche Vorgaben, objektive Verfassungsprinzipien und durch die Grundrechte gebunden und begrenzt. Auch ein explizit normiertes Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit kennt die Verfassung nicht. Die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung erfährt vielmehr durch der einzelne Grundrechtsträger, vgl. Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 87. 289 BVerfGE 18, 1. 290 Die Anerkennung des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit durch das BVerfG erfolgte im Zusammenhang mit dem Kartellverbot des GWB, vgl. BVerfGE 18, 1, 10; typischerweise verankert in Art. 12 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 32, 311, 317; 46, 120, 137; Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 38 ff.; Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 92 ff.; Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 144. 291 Einteilung der Unterfreiheiten Vertragsfreiheit, Unternehmerfreiheit, Wettbewerbsfreiheit nach: Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 92 ff. 292 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 150. 293 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 44 f. 294 BVerfGE 4, 7; 50, 290.
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verschiedene Einzelgrundrechte, insbesondere Art. 2, 9, 11, 12 und 14 GG, verfassungsrechtlichen Schutz. Die Zuordnung der wirtschaftlichen Betätigung zu einem oder mehreren dieser Grundrechte ist dabei davon abhängig, in welcher Form wirtschaftlich gehandelt wird und wie sich die Eingriffs- und Belastungsrichtung einer staatlichen Maßnahme gestaltet. In der Regel werden Art. 12 und 14 GG gemeinsam einschlägig sein. Art. 2 Abs. 1 GG tritt zumeist als subsidiär zurück. Die ausgehend von diesen Einzelgrundrechten geschützte sogenannte Wirtschaftsfreiheit umfasst im Rahmen dieser Vorschriften u. a. die Vertragsfreiheit, die Wettbewerbsfreiheit und die Unternehmerfreiheit. Da die privatwirtschaftlich organisierte Presse als wirtschaftlich agierendes Unternehmen am Markt aktiv ist, ist die wirtschaftliche Betätigung von Presseunternehmen somit auch nicht nur durch das Grundrecht der Pressefreiheit, sondern zugleich durch die verfassungsrechtlich garantierten Wirtschaftsgrundechte geschützt. 295 Demanch sind z. B. Pressezusammenschlüsse ebenso wie Zeitungsneugründungen, Werbemaßnahmen oder sonstige wettbewerbliche Aktivitäten vom Schutz der „Wirtschaftsfreiheit“ gem. Art. 12 und 14 GG erfasst, wobei die Schutzrichtung z. B. bei fusionsaversen und fusionswilligen Unternehmen durchaus entgegenlaufend sein kann. 296 V. Auflösung verfassungsrechtlicher Spannungslagen zwischen Wirtschafts- und Pressefreiheit In einer Verfassung, die die Presse in einer grundsätzlich privatrechtlichen Struktur begreift, sind publizistische Funktion und privatwirtschaftliche Struktur der Presse verwoben. Die mit der Verknüpfung von ökonomischer und publizistischer Pressefunktion einhergehende Überschneidung der Schutzbereiche von Presse- und „Wirtschaftsfreiheit“ kann zu einer Schutzbereichsverstärkung, aber auch zu Spannungslagen zwischen den publizistischen und wirtschaftlichen Gewährleistungen führen. Die Auflösung derartiger Spannungslagen und die funktionsgerechte Zuordnung der jeweilig geschützten Rechtsgüter und Interessen ist Aufgabe der grundgesetzlichen Interpretation. 297 Die vielfältigen grundrechtlichen Konflikte lassen sich zunächst in zwei Konflikttypen kategorisieren: solche, in denen sich ein Grundrechtsträger zugleich auf verschiedene Grundrechte berufen kann, z. B. der Verleger, welcher mit Blick 295 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 45, 81 ff.; Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 424. 296 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 150. 297 Faller, Joachim, Medienfreiheit und Wirtschaftsfreiheit in verfassungsrechtlicher Sicht, DB (1983), S. 1031; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 83; Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 100.
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auf seine wirtschaftlichen Aktivitäten sowohl durch das Grundrecht der Presseals auch die Grundrechte der „Wirtschaftsfreiheit“ geschützt ist, und solche, in denen zwei oder mehr Grundrechtsträger gleiche oder verschiedene Grundrechtspositionen in Anspruch nehmen und die Anwendung der Grundrechte durch den jeweiligen Betroffenen zu widersprechenden Rechtsfolgen führen kann. 298 Letzterer Grundrechtskonflikt stellt eine Grundrechtskollision dar. (2) Ersterer ist ein Problem der Grundrechtskonkurrenz 299 (1). 1. Auflösung der Grundrechtskonkurrenz Typischerweise werden Konkurrenzfälle dann aktuell, wenn der Staat grundrechtliche Gewährleistungen verkürzt, diesbezüglich rechtfertigungspflichtig wird und sich daran anknüpfend die Frage nach dem Rechtfertigungsmaßstab stellt. Die verfassungsrechtliche Bewertung einer Konkurrenz ist dabei solange unproblematisch, wie die doppelte Gewährleistung durch Grundrechte erfolgt, die dem gleichen Gesetzesvorbehalt unterliegen. 300 Im Falle der Schrankendivergenz einschlägiger Grundrechte hingegen stellt sich die Frage, wie sich die inhaltlich divergierenden Schranken der konkurrierenden Grundrechte zueinander verhalten, denn in einem solchen Fall wird dem grundrechtlichen Gewährleistungsbereich Schutz unterschiedlicher Intensität gewährt. Um die Konkurrenzfrage auf die relevanten Fälle zu beschränken 301, bedarf es im Konkurrenzfall allerdings zunächst einer klaren Aussonderung solcher Grundrechte, die bezüglich des konkreten Sachverhalts 302 nicht einschlägig sind (a). 303 Im Anschluss daran ist das Verhältnis divergierender Grundrechtsschranken aufzulösen (b). 298 Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 314 ff.; 337 ff.: So sind auf Seiten der Zeitungsverleger in diesem Zusammenhang sowohl das Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung also auch die Pressefreiheit relevant, Letztere umfasst dabei sowohl die publizistische als auch die wirtschaftliche Komponente der Pressetätigkeit. Auf der Seite der Journalisten ist die Berufsfreiheit und die Pressefreiheit zu berücksichtigen, schließlich gilt es auch das Recht des Bürgers aus der Informationsfreiheit zu beachten. Auch die sog. „innere Pressefreiheit“ ist ein denkbarer Anwendungsfall einer Grundrechtskollision. 299 Berg, Wilfried, Konkurrenzen schrankendivergierender Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, (1968), S. 6, 49 ff.; Bethge, Herbert, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, (1977), S. 607; Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 110, m.w. N. in Fn. 16. 300 Hier gilt eine einheitliche Schrankenordnung: Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 110 f. 301 Vgl. Lepa, Manfred, Grundrechtskonflikte, DVBl (1972), S. 163. 302 In Anlehnung an die strafrechtliche Unterscheidung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ist es denkbar, hierzu zunächst solche Lebensvorgänge voneinander zu trennen, die verfassungsrechtlich unterschiedlich bewertet werden könnten, wobei eine Orientierung an der jeweiligen zu schützenden Aktivität oder am Eingriffziel erfolgen kann.
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a) Abgrenzung konkurrierender Grundrechte – Wirtschaftsfreiheit und Pressefreiheit Wären Art. 12, 14 GG und das Grundrecht der Pressefreiheit bereits über eine genaue Schutzbereichsdefinition (aa) oder die Aussonderung unechter Konkurrenzen (bb) abgrenzbar, würden die Grundrechte im Ergebnis nicht konkurrieren. Einer weiteren Auflösung eines Schrankenkonfliktes bedürfte es nicht. 304 aa) Kumulative Eröffnung der im Rahmen presseökonomischer Tätigkeit thematisch angesprochenen Grundrechtstatbestände Die Grundrechte der „Wirtschaftsfreiheit“ und das Grundrecht der Pressefreiheit stehen in einem Konkurrenzverhältnis, das über eine tatbestandliche Abgrenzung nicht aufgelöst zu werden vermag. Weder können wirtschaftliche Zielsetzungen aus dem Grundrecht der Pressefreiheit ausgegrenzt werden 305, noch kann dieses Grundrecht die Wirtschaftsgrundrechte tatbestandlich überlagern. Der Schutz presseökonomischer Tätigkeit erfolgt vielmehr kumulativ durch alle thematisch angesprochenen Grundrechte. Ein Spezialitätsverhältnis besteht grundsätzlich nicht. 306 Dass ökonomische Tätigkeiten in pressespezifischen Kontexten auch vom Schutz des Grundrechts der Pressefreiheit erfasst sind, wurde zu Zeiten der Konzentrationswelle der 1970er-Jahre vereinzelt anders gesehen. Mit der Begründung, dass Grundrechte dem Schutz sozialer Minderheiten dienten, sollten erwerbswirtschaftliche Interessen insgesamt oder zumindest wirtschaftlich arbeitende Großverleger 307 aus dem Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausgegrenzt werden. 308 Es wurde vertreten, dass der Großverleger mit Finanzierungs- und Willensbildungsmacht als Grundrechtsberechtigter nicht die gleiche Position inne haben könne wie derjenige ohne vergleichbare Machtposition. Sogar das Bundesverfassungsgericht differenzierte in der Entscheidung „PresseGrosso“ aus dem Jahr 1988 309 in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung zwischen ökonomischem und publizistischem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und sah nur die presseinternen Tätigkeiten als von der Pressefreiheit 303 Z. B. weil sie von einem anderen Grundrecht verdrängt sind, vgl. Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 100. 304 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 99. 305 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 422 ff. 306 Spezialitäten sind denkbar, aber im Pressefusionskontext nicht gegeben. 307 Vgl. Küchenhoff, Ernst, Besondere Schranken der Pressefreiheit für Großverleger, ZRP (1970), S. 49 ff. 308 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 83 f. m.w. N. 309 BVerfGE 77, 346, 354.
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geschützt an. Presseexterne Hilfstätigkeiten hingegen sollten allein dem Schutz des Art. 12 GG unterfallen. Diese Ausgrenzung spezifisch erwerbswirtschaftlicher Bereiche aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG im Falle der Konkurrenz mit der Wirtschaftsfreiheit bzw. der Berufsfreiheit ist abzulehnen. Abgesehen davon, dass der Schutzbereich eines Grundrechts nicht in Abhängigkeit von der Beanspruchung eines Teils des Gewährleistungsbereichs durch noch ein weiteres Grundrechts modifiziert werden kann 310, hat jede grundrechtliche Gewährleistung Presseunternehmen völlig unabhängig von ihrer Größe zur Seite zu stehen. Das Großunternehmen ist schließlich Teil der grundrechtlich legitimierten Wirtschaftsordnung 311, und so muss vor dem Hintergrund einer aktualisierenden und modernen Grundrechtesauslegung bei der Bestimmung des Gewährleistungsbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch Beachtung finden, dass sich aus den typischerweise kleinen Pressebetrieben vermehrt Großunternehmen entwickelt haben, die in starker wirtschaftlicher Konkurrenz zu anderen Unternehmen am Markt stehen und in denen ökonomische Vorgaben das tägliche Arbeiten bestimmen. Dies gilt umso mehr, als eine wirtschaftlich funktionierende Organisation und die wirtschaftliche Freiheit Vor- und Grundbedingung einer leistungsfähigen Presse und damit Voraussetzung für die Verwirklichung der Pressefreiheit sind. Der bereits mehrfach beschriebene unlösbare Zusammenhang von wirtschaftlicher und publizistischer Funktion der Presse muss sich demgemäß auch im Rahmen der Deutung des Schutzbereichs der Presse- und der Wirtschaftsfreiheit niederschlagen. Eine Trennung der Struktur der Pressefreiheit in eine privatwirtschaftliche und eine kommunikationsrechtliche Seite würde gerade vor diesem Hintergrund eine unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts darstellen. Eine Auflösung des Konkurrenzverhältnisses durch die Aussonderung erwerbswirtschaftlicher Interessen aus dem eigentlichen Inhalt der Pressefreiheit widerspräche überdies dem vom Bundesverfassungsgericht formulierten Grundsatz, dass „derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die die juristische Wirkungskraft der betreffenden Norm am stärksten entfaltet“ 312. Diesem Ergebnis steht auch die vielmals gegen das weite Verständnis der Pressefreiheit vorgebrachte Formulierung der „Blinkfüer-Entscheidung“, nach der „Meinungs- und Pressefreiheit [...] nicht der Garantie wirtschaftlicher Interessen“ 313 dienen, nicht entgegen. Die entsprechende Formulierung bezieht sich 310
Lepa, Manfred, Grundrechtskonflikte, DVBl (1972), S. 163. Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 84; Vgl. auch BVerfGE 50, 290, 363, wonach die Wahrnehmung von Unternehmerfreiheit sowohl die Gründung und Führung eines Klein- oder Mittelbetriebs als auch die Tätigkeit eines Großunternehmens sei. 312 BVerfGE 6, 55, 72. 313 BVerfGE 25, 256, 286. 311
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im Kontext des konkreten Urteils nur auf Tätigkeiten, die den Zweck eines wirtschaftlichen Boykotts verfolgen, und ist daher auf allgemeine presseökonomische Sachverhalte nicht übertragbar. Damit ist im Ergebnis der Gewährleistungsumfang des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht auf den verfassungsrechtlichen Schutz der unmittelbar meinungsbildenden Tätigkeiten von Presse und Presseangehörigen zu beschränken. Er umfasst vielmehr auch die instrumentelle Funktion des technischen- und wirtschaftlichen Apparats und die wirtschaftlich-gewerbliche Seite der Presse. Zugleich kann der Schutz des erwerbswirtschaftlichen Teils der Presse nicht aus den Grundrechten der Berufs- und Gewerbefreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG 314, der Eigentumsgarantie bzw. der Wirtschaftsfreiheit eliminiert werden. 315 Auch unter Berücksichtigung der besonderen, schlechthin konstituierenden Bedeutung der Presse für die Demokratie existiert das Grundrecht der Pressefreiheit nicht isoliert in der verfassungsrechtlichen Ordnung 316, sondern steht in wechselseitiger Beziehung mit anderen Normen der Verfassung. 317 Dem Grundrecht der Pressefreiheit kommt somit auch kein absoluter Vorrang zu anderen einschlägigen Freiheitsgarantien zu. Letzteres gilt umso mehr, als die Entwicklung des Medienbereichs zu einer im Vergleich zur Situation der Verfassungsgebung stark kommerzialisierten Medienordnung geführt hat, in der sich immer mehr Groß- bzw. Cross-MediaUnternehmen herausgebildet haben und auch die presseverlegerische Tätigkeit mehr und mehr zu einer wirtschaftlichen Betätigung geworden ist. Nicht nur die völlig separate Behandlung der einzelnen Medienfreiheiten 318, sondern auch 314 Am Beispiel des Verhältnisses von Art. 5 und 12 GG kann schließlich die Parallelität der Gewährleistungen deutlich gemacht werden: So sagen die Merkmale des Berufs im Sinne des Art. 12 GG über den konkreten Inhalt der jeweils als Beruf gewählten und ausgeübten Tätigkeit nichts aus und erlauben insoweit die tatbestandliche Ergänzung auch durch andere, tätigkeitsqualifizierende Grundrechte. Aus der Sicht des Art. 12 GG konstituiert Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein grundrechtsspeziell qualifiziertes Berufsbild. Art. 12 und 5 GG haben sich überschneidende Anwendungsbereiche und es nicht davon auszugehen, dass die Vorschrift sich nicht von vornherein auf Presseberufe beziehen will. Damit steht das Grundrecht einen Presseberuf auszuüben allen Menschen und nicht nur Deutschen zu. Vgl. zur Konkurrenz von Berufsfreiheit und Pressefreiheit: Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 170 ff. 315 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 431. 316 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 431. 317 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 56. 318 Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 2, a – Ansatz einer medienübergreifenden Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
eine einseitige Zurückdrängung der Wirtschaftsgrundrechte hinter das Grundrecht der Pressefreiheit würde diese Marktentwicklung ignorieren. Folglich sind die Wirtschaftsgrundrechte mit dem ihnen in der aktuellen Lebenswirklichkeit zukommenden Gewicht in die Auslegung einer (zukunftsoffenen) Medienverfassung einzubeziehen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Pressunternehmen gleichrangige Träger sowohl des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als auch der Grundrechte der Art. 12 Abs. 1 GG und 14 GG sind. 319 Die aus der Größe der Unternehmen resultierenden Unterschiede 320 oder der spezifisch ökonomische Bezug einer Maßnahme kann im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung einer Maßnahme nur im Rahmen einer Abwägungsentscheidung Berücksichtigung finden. 321 bb) Aussonderung der „unechten Konkurrenzen“ Nachdem, wie gesehen, der Tatbestand der Wirtschaftsfreiheitsgrundrechte und des Grundrechts der Pressefreiheit im Hinblick auf eine pressewirtschaftliche Tätigkeit kumulativ eröffnet ist, stellt sich die Frage, ob eine dieser Gewährleistungen als sogenannte unechte Konkurrenz ausgesondert werden kann. Eine unechte Konkurrenz 322 liegt im Falle der Spezialität von Grundrechten vor, d. h. in Fällen, in denen dem Grundrechtsträger die Berufung auf ein zunächst einschlägiges Grundrecht (hierin unterscheidet sich die unechte Konkurrenz von der oben vorgenommenen tatbestandlichen Abgrenzung) verwehrt wird, da es gegenüber einem anderen, auf den Sachverhalt anwendbaren Grundrecht zurückgedrängt wird. Folge der Spezialität ist, dass tatbestandlich einschlägige Grundrechte in der konkreten Anwendung nicht mehr miteinander konkurrieren, sondern die grundrechtsverkürzende Maßnahme nur noch an einem, dem speziellen Grundrecht gemessen wird. Solch ein Fall liegt typischerweise bei einer Konkurrenz mit dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG vor, welches als subsidiäres Auffanggrundrecht dann verdrängt wird, wenn eine speziellere Norm einschlägig ist. Eine Spezialität des Grundrechts der Pressefreiheit gegenüber den Wirtschaftsfreiheitsrechten in Bezug auf pressewirtschaftliche Sachverhalte besteht nicht. Da sowohl das Grundrecht der Pressefreiheit als auch die wirtschaftsfreiheitlichen Grundrechte ihrer gesellschaftlichen Tradition entsprechend Aspekte ver319
Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 150 f. BVerfGE 50, 290, 363; 14, 263, 282. 321 Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, Ziff. V., 1, b, bb, (2),(b) – Die „publizistische Relevanz“ als Kriterium der Abgrenzung von Kern- und Randbereich der Pressefreiheit. 322 Eine „echte Konkurrenz“ liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Grundrechte auf einen Sachverhalt tatsächlich Anwendung finden. Eine echte Konkurrenz kann nur im Fall der Idealkonkurrenz gegeben sein, nicht hingegen im Fall einer Gesetzeskonkurrenz. 320
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schiedener Verhaltensweisen betreffen, erscheint ein abgestuftes Verhältnis der Spezialität zwischen der Presse- und Wirtschaftsfreiheit unzutreffend. So erführe die Intention von Grundrechtsgewährleistungen mit eigenständigem bzw. deutlich separierbarem Tatbestand eine unbegründete Verkürzung, wenn vermittels der Grundrechtskonkurrenzsystematik ein einschlägiges Spezialgrundrecht durch ein anderes ersetzt werden könnte. 323 Der verfassungsrechtliche Stellenwert der angesprochenen Freiheit, der in der gesonderten Normierung zum Ausdruck kommt, wäre in einem solchen Fall der Verdrängung nicht mehr offenbar. Beispielsweise würde in einem pressebezogenen Sachverhalt hintangestellt, dass die Verfassung eine freiheitliche Berufs- und Eigentumsordnung garantiert. Aus diesem Grunde ist auch eine an der Zielrichtung der Maßnahme orientierte Spezialität abzulehnen. Dem Ansatz, nach dem ein Verhalten, das vornehmlich die Pressefreiheit als solche beeinflusst, an Art. 5 GG und auf die Berufs- und Eigentumsordnung bezogenen Normen primär an diesen Vorschriften zu messen ist, kann nach dem oben Gesagten jedenfalls insoweit nicht gefolgt werden, als die tatbestandliche Einschlägigkeit des Grundrechts davon betroffen sein soll. Eine vom jeweilig mit einer Maßnahme verfolgten Ziel abhängige Abwägung [vgl. unten (bb)] konkurrierender Grundrechte erscheint hingegen vorstellbar. Mithin kommt dem Grundrecht der Pressefreiheit in Bezug auf presseunternehmerische und presseberufliche Tätigkeit kein absoluter Vorrang gegenüber wirtschaftlichen Freiheitsgarantien zu. 324 Jedenfalls solange die Presse privatwirtschaftlich organisiert ist und gewerblich betrieben wird, besteht zwischen den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und aus Art. 12, 14 GG Idealkonkurrenz. Die Vorschriften finden kumulative Anwendung. 325
323 Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 100. Anders ist dies im Fall der allgemeinen Handlungsfreiheit, die schon nach dem Wortlaut „allgemein“ und damit nicht auf spezifische Tatbestände bzw. eigenständigen Tatbestand bezogen ist. 324 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 83 ff., 130 ff.; Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 431. 325 Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982), S. 62; Dieser Meinung hat sich Herzog entgegen früherer Kommentierungen angeschlossen, vgl. Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1992), Rn. 142 ff; zuvor, vgl. Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 141 ff., der mit Forsthoff, vgl. Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 43 ff., von einer Spezialität von Art. 5 GG gegenüber Art. 12 GG ausging.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
b) Schrankenkonflikte bei kumulierendem Grundrechtsschutz Da nach dem oben Gesagten im Fall der Konkurrenz von Wirtschaftsgrundrechten und Pressefreiheit eine Auflösung des Konkurrenzverhältnisses nicht über den Schutzbereich erfolgt, hat sich die funktionale Zuordnung der konkurrierenden Normen an den grundrechtlichen Einschränkungsmöglichkeiten zu orientieren. 326 Anders als im Fall schrankenidentischer Grundrechte, in welchem im Ergebnis kein Konkurrenzproblem besteht, da sich der Gesetzgeber vor einheitliche Rechtfertigungsanforderungen gestellt sieht 327, gewinnt im Fall der Schrankendivergenz, wie sie zwischen Art. 12, 14 GG und der Pressefreiheit besteht (aa), die Frage der Grundrechtskonkurrenzen besonderes Gewicht. 328 Da im Fall der Schrankendivergenz ein Verhalten unterschiedlich bewertet wird, d. h., z. B. als verboten und geboten erscheinen kann, bedarf es der Klärung, wie sich die divergierenden Schranken konkurrierender Grundrechte zueinander verhalten (bb). aa) Schrankendivergenz der konkurrierenden Grundrechte der Wirtschaftsfreiheiten und der Pressefreiheit Pressebezogene schutzbereichsverkürzende Regelungen sind an Art. 5 Abs. 2 GG (1) bzw. an den Vorbehalten der Art. 12, 14 GG (2) zu messen. (1) Vorbehalt der „allgemeinen Gesetze“ des Art. 5 Abs. 2 GG Über die Deutung des Begriffs der „allgemeinen Gesetze“ herrscht bereits seit der Zeit der Weimarer Reichsverfassung (WRV), in der in Art. 118 der WRV die Meinungsäußerung „innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze“ gewährleistet wurde, Uneinigkeit. Nach einer rein formellen Konzeption des Begriffs der allgemeinen Gesetze sind darunter solche zu verstehen, die einen Lebensbereich abstrakt-generell 326 Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999), S. 126 ff; Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 170 ff. 327 Eine automatische Gleichstellung der Schranken verbietet sich allerdings. Lepa, Manfred, Grundrechtskonflikte, DVBl (1972), S. 161 ff. Dies gilt jedoch nicht im Fall der Schrankenidentität zweier schrankenlos gewährter Grundrechte. 328 Berg, Wilfried, Konkurrenzen schrankendivergierender Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, (1968), S. 100 ff., orientiert sich an dem Rang eines Grundrechts (in Anlehnung an die amerikanische „Preferred Freedom“ – Doktrin). Berg verfolgt den Ansatz, nach dem die Schrankendivergenz Ausdruck einer Wertordnung der Grundrechte ist und anhand dieser Werte der Vorrang des einen Grundrechts vor dem anderen bestimmt werden kann.
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regeln. Da sich nach diesem Verständnis das Erfordernis der Allgemeinheit vollständig mit dem Verbot des Einzelfalls in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG deckt und die Nennung der speziellen Schranken in Art. 5 Abs. 2 GG (allgemeine Gesetze, Schutz der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre) schlicht überflüssig wäre, ist es abzulehnen. Dies gilt umso mehr, als der Ansatz vernachlässigt, dass es sich bei der Schranke der „allgemeinen Gesetze“ – aufgrund der von anderen einfachen Vorbehalten 329 abweichenden Formulierung – um einen qualifizierten Vorbehalt handelt, der dem Begriff der „Allgemeinheit“ eine zusätzliche, über die einfachen Vorbehalte hinausgehende, inhaltliche Bedeutung zuweist. 330 Zu klären ist daher, welche inhaltliche Qualität dem Vorbehalt der „allgemeinen Gesetzes“ zukommt. Die Sonderrechts- und Abwägungslehre stellen diesbezügliche Präzisierungsversuche dar. Nach der Sonderrechtslehre verlangt der qualifizierte Vorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG von der grundrechtsverkürzenden Maßnahme Meinungsneutralität. Unter allgemeinen Gesetzen werden danach solche verstanden, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung, einen bestimmten Kommunikationsinhalt oder konkret gegen den Träger des Grundrechts richten, sondern die dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen. Ein solches Verständnis der allgemeinen Gesetze vermag zu erklären, warum die Gesetze zum Schutze der Jugend und der Ehre in Art. 5 Abs. 2 GG explizit neben den allgemeinen Gesetzen aufgeführt wurden. Sie stellen danach Gesetze dar, die sich gegen einen bestimmten Kommunikationsinhalt richten und die ohne die gesonderte Nennung als „nicht allgemeine Gesetze“ nicht als Schranke der Meinungsfreiheit dienen könnten. Mit dem Einwand, die Definition der Sonderrechtslehre sei zu formalistisch und materielle Inhalte fänden darin nur unzureichend Berücksichtigung, wird der Vorbehalt der allgemeinen Gesetze nach der Abwägungslehre so verstanden, dass er eine Güterabwägung in der Form vorschreibe, dass das Recht der Meinungsäußerung zurücktreten müsse, wenn schutzwürdige Interessen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden, wobei das Vorliegen solcher Interessen nach den Umständen des Falls zu ermitteln sei. 331 Die Abwägungslehre nimmt damit die Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG vorweg bzw. verselbstständigt sie begrifflich. Gleiches gilt für die sogenannte Wechselwirkungslehre, die der üblichen verfassungskonformen Auslegung entspricht und mit der das Bundesverfassungsgericht die Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG in der Art versteht, dass 329
Vgl. Art. 8 Abs. 2 GG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG. Grundlegend BVerfGE 7, 198, 208; m.w. N. Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 252 ff. 331 BVerfGE 7,198, 209 f; 20, 162, 176f. 330
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sie „eine Wechselwirkung“ vorschreibe, nach der „die allgemeinen Gesetze zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber [...] in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen“ 332. Seit dem Lüth-Urteil 333 kombiniert das Gericht damit im Ergebnis Abwägungslehre und Sonderrechtslehre. 334 Ein Teil der Literatur 335 lehnt diese Kombination ab und hält die Sonderrechtslehre für ausreichend. An der ergänzenden Güterabwägung wird kritisiert, dass diese nicht zu einer Abwägung abstrakter Rechtsgüter, sondern zu einer Abwägung im Einzelfall führe, was die Rechtssicherheit reduziere. Zudem würde dieser zusätzliche Filter immer dann, wenn der Vorrang einer Maßnahme vor der Meinungs- oder Pressefreiheit bejaht wird, eine weitere Einschränkung des Grundrechts ermöglichen. Gesetze, die Kommunikationsfreiheit gezielt beschränken, seien aber schlichtweg verfassungswidrig. Eine weitere Güterabwägung dürfe dieses Ergebnis nicht ändern und sei damit überflüssig. Für ein zusätzliches Abwägungselement im Sinne der Wechselwirkungslehre spricht indes, dass die reine Sonderrechtslehre zwar einen geeigneten Maßstab für die Lösung typischer Konflikte der Kommunikationsfreiheiten und anderen Rechtsgütern bietet, dieser jedoch im Falle von Konflikten zwischen den von Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechtsgütern unzureichend ist. Durch die Kombination findet die Sonderrechtslehre, unter gleichzeitiger Verstärkung des freiheitssichernden Aspekts des Grundrechts, Berücksichtigung. Die Schwäche der Abwägungslehre, dass sie ein Element einer an der Interessenlage des Einzelfalls ausgerichteten Interessenabwägung anfügt, wird wiederum durch die formale Sonderrechtstheorie ausgeglichen. Richtigerweise werden unter „allgemeinen Gesetzen“ des Schrankenvorbehalts des Art. 5 Abs. 2 GG daher solche Gesetze verstanden, die sich nicht gegen eine Meinung als solche richten, sondern schlechthin dem Schutze eines Rechtsguts dienen und denen im konkreten Fall gegenüber der Meinungsfreiheit der Vorrang gebührt. 336 Pressebezogenen Vorschriften dürfen folglich medienpolitische Mo332
BVerfGE 7, 198, 208 f.; 71, 206, 214. BVerfGE 7, 198. 334 So auch in der Literatur: Bethge, Herbert, Art. 5 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (2007), Rn. 144; Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 489 ff., Rn 873 (für die Rundfunkfreiheit). 335 Wendt, Rudolf, Art. 5 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 1 (2000), Rn. 76; Schulze-Fielitz, Helmuth, Art. 5 Abs. 1, 2 GG, in: Dreier, Horst, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band I (2006), Rn. 136 ff; SchmidtJortzig, Edzard, Meinungs- und Informationsfreiheit – § 141, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 41; Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 399. 336 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1992), Rn. 252 ff. 333
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tive zugrunde liegen, sie dürfen jedoch z. B. keine Sonderkriterien spezifischen publizistischen Wettbewerbs einführen und müssen gegenüber der Pressefreiheit vorrangig sein. 337 (2) Schrankenvorbehalt der Art. 14 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 1 Satz 2 GG Aufgabe des Gesetzgebers, der Maßnahmen zum Schutze des Pressewesens ergreift, ist es, einen Ausgleich zwischen den publizistischen Interessen der Verleger, der Journalisten, der Öffentlichkeit, den Anforderungen der individuellen Berufsfreiheit sowie einer funktionsfähigen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu erreichen. 338 Dabei hat er sich auf der Ebene des Art. 12 GG am Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG (a) und auf der Ebene des Art. 14 GG am Vorbehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (b) zu orientieren. (a) Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Nach dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann „Die Berufsausübung [...] durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden“. Damit sind nicht nur die Grenzen für Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit bestimmt 339, sondern auch, dies macht der Wortlaut „geregelt werden“ deutlich, sämtliche Formen der berufsrechtlichen Regelungen: von der konkretisierenden Ausgestaltung bis hin zu Grundrechtseinschränkungen. Dabei bezieht sich die Regelungsbefugnis, die nach dem Wortlaut nur die Berufsausübung erfasst, auch auf die Berufswahl, denn Art. 12 Abs. 1 GG garantiert nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 340 den einheitlichen Lebensbereich der Berufsfreiheit. Diese vom Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG abweichende Auslegung ist geboten, weil Elemente der Berufsausübung und der Berufswahl nur schwer bzw. gar nicht trennbar sind und somit als unterschiedliche Stufen einer einheitlichen grundrechtlichen Gewährleistung zu verstehen sind. 341 Allerdings ist diese Erweiterung des Vorbehalts auf das nach dem Wortlaut eigentlich vorbehaltlos gewährte Grundrecht der Berufswahl wiederum ausglei337
BGHZ 76, 55, 64f. Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 94. 339 Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 300 ff., 311 ff.; Der Regelungsvorbehalt beinhaltet keine Ermächtigung mit einem weiteren Ermessensspielraum als bei sonstigen Gesetzesvorbehalten, anderenfalls würde das Grundrecht denaturiert, vgl. BVerfGE 7, 377, 403. 340 BVerfGE 7, 377, 401 f.; 33, 303, 329 f.; 92, 140, 151; vgl. hierzu auch: Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 22 ff. 341 BVerfGE 7, 377, 399 ff. 338
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chend im Rahmen der Schrankenprüfung zu berücksichtigen. Und zwar in der Weise, dass Regelungen, welche die Berufsausübung oder die Berufswahl betreffen, umso strengeren Voraussetzungen genügen müssen, je mehr sie die Freiheit der Berufswahl tangieren, bzw. geringen Rechtfertigungsanforderungen, wenn sie überwiegend die Berufsausübung berühren. 342 Während danach bloße Berufsausübungsregelungen bereits durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden können, bedarf es für die Einschränkung der Berufswahl – im Falle einer objektiven Berufswahlregelung – der Rechtfertigung durch nachweisbare Gefahren für besonders wichtige Gemeinschaftsgüter bzw. bei subjektiven Zulassungsvoraussetzungen des Nachweises von Gefahren oder Schäden für die Allgemeinheit. Auch eine die verlegerische Entfaltungsmöglichkeit tangierende Regelung zum Schutze der Presse hat sich mithin am einheitlichen Grundrecht der Berufsfreiheit messen und auf der hierdurch vorgegebenen Skala 343 einordnen zu lassen. Normierungen, die eine quantitative Ausweitung des Umfangs der verlegerischen Tätigkeit, eine neue Ausübungsform oder die Aufnahme einer weiteren Geschäftstätigkeit beschränken, müssen als Berufsausübungsreglungen einem Ausgleich zwischen subjektiver Berufsfreiheit und den Interessen des öffentlichen Wohls zugeführt werden. Auch die Konzentrationskontrolle, die in Art. 12 Abs. 1 GG zum Schutz der Pressefreiheit eingreift, stellt sich im Verhältnis zum Grundrecht der Berufsfreiheit als Berufsausübungsregelung dar, denn die Untersagung externen Wachstums beschränkt noch nicht das Recht, ein bestimmtes Gewerbe oder einen bestimmten Beruf auszuüben. 344 Auch sie muss nach „vernünftigen Erwägungen des Allgemeinwohls zweckmäßig“ erscheinen. Diese strengen Vorgaben des „rechtsschöpferischen“ 345 Stufenmodells sind allerdings nicht immer in absoluter Konsequenz durchhaltbar, insbesondere dann nicht, wenn die in Rede stehende Maßnahme einen Schutzeingriff darstellt. Da es sich in diesen Fällen regelmäßig um einen Gleichordnungskonflikt handelt, versagt hier zumeist die Überprüfung anhand der für die Stufenprüfungen typischerweise angesetzten Legitimationshürden. Des Weiteren ist im Rahmen der durch die Stufenlösung vorgegebenen Abwägung zu beachten, dass – wie für wirtschaftliche Sachverhalte typisch – die 342
Tettinger, Peter, Art. 12 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (2007), Rn. 8. 343 Sog. „Stufenlehre“ des Apothekenurteils des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 7, 377. 344 BVerfGE 25, 1, 11, sog. Mühlenentscheidung, die allerdings nur das unternehmensinterne Wachstum erfasst hat. 345 Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 336.
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künftigen Eignungen bzw. Auswirkungen staatlicher Maßnahmen häufig weder vom Gesetzgeber noch vom prüfenden Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung definitiv beurteilt werden können und dem Gesetzgeber daher ein weiter Prognosespielraum zuzubilligen ist. Aus diesem Grunde und vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Neutralität des Grundgesetzes ist es dem Gesetzgeber folglich auch zuzugestehen, seine eigenen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen zu den für die Rechtfertigung bedeutsamen Gemeinschaftsinteressen zu entwickeln, zu deren Gunsten die Berufsfreiheit eingeschränkt werden darf. 346 (b) Vorbehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Abs. 2 GG Die Schutzwirkung des Art. 14 GG kann sich nur nach Maßgabe des Regelungsvorbehalts des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG entfalten. Danach werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt. Da Art. 14 Abs. 1 GG ein rechts- und normgeprägtes Grundrecht ist, d. h., das Institut Eigentum durch gesetzgeberische Vorgaben definiert wird, kommt dem Gesetzgeber bei der Ergreifung eigentumsrelevanter Maßnahmen überdies eine besondere Ausgestaltungsfreiheit zu, ohne im System des Grundrechtsschutzes, das die Grundrechte gerade gegen staatliche Eingriffe absichern soll, zu einer unbeschränkten Ausgestaltung ermächtigt zu sein. Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber abstraktgenerell Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt oder er das Eigentum konkret-individuell beschränkt, muss er die in Art. 14 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommende Sozialpflichtigkeit des Eigentums berücksichtigen. 347 Folglich ist das Ermessen des Gesetzgebers stets durch ein Gebot der sachgerechten Abwägung zwischen der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums und den Sozialvorbehalten des Art. 14 GG begrenzt. 348 Art. 14 GG gibt damit im Ergebnis einen abgestuften Grundrechtsschutz vor, der sich zwischen der Garantie des Privateigentums um der individuellen Freiheit willen auf der einen Seite und zwischen dem Eigentumsobjekt in seinem Bezug zur sozialgerechten Eigentumsordnung auf der anderen Seite bewegen muss. 349 Je mehr das Eigentumsobjekt einen sozialen Bezug aufweist, umso weiter sind die Befugnisse des Gesetzgebers; je mehr hingegen das Eigentumsobjekt in seiner privatrechtlichen und individuellen Freiheit geschützt ist, desto ausge346
Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 52. Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 305 f.; vgl. auch BVerfGE 21, 73, 83; 50, 290, 339; 58, 300, 338. 348 BVerfGE 25, 112, 117 ff; 52, 1, 29 ff.; 81, 208, 220; 83, 201, 208. 349 Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 308. 347
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prägter ist der grundrechtliche Schutz mit der Folge verkürzter gesetzgeberischer Kompetenzen. 350 Ergreift der Gesetzgeber wirtschaftspolitische Maßnahmen, steht ihm aufgrund der in diesem Kontext regelmäßig unsicheren Entwicklungsprognosen sowohl bezüglich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch im Hinblick auf die Eignung des gesetzgeberischen Mittels – ebenso wie im Rahmen des Art. 12 GG – ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu. bb) Auflösung der Konkurrenz schrankendivergierender Grundrechte Eine funktionsgerechte Schrankenzuordnung im Fall schrankendivergierender Grundrechte kann verschiedenen allgemeinen Lösungsansätzen folgen (a). Richtigerweise wird sie nur durch eine übermaß- und einzelfallgerechte Abwägung hergestellt werden können. Die diesbezügliche Konkurrenzlösung für den spezifischen Schrankenkonflikt zwischen Presse- und Wirtschaftsfreiheit wird nachfolgend präzisisert (b). (1) Allgemeiner Lösungsansatz Nach einer Ansicht folgt aus dem Hinzutreten des Grundrechtsschutzes eines schwächeren Grundrechts zu einem stärker geschützten Grundrecht, dass der stärker geschützte Teilbereich des grundrechtsrelevanten Verhaltens insgesamt weniger schützenswert ist. 351 Der Schranke des stärker einschränkbaren Grundrechts 352 – also dem schwächeren Grundrecht – wird damit der Vorrang zuerkannt. Dies wird typischerweise mit dem Argument der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit begründet. Dem Gesetzgeber werde durch die Fokussierung auf den schwächeren Vorbehalt ein gesicherter Gestaltungsspielraum zugewiesen und gleichzeitig der verfassungsrechtlichen Bewertung eine deutliche sowie klare Linie vorgegeben. Eine solch einseitige Bevorzugung des schwächeren Vorbehalts ist abzulehnen, denn damit würde die Berücksichtung von Gemeinwohlbelangen zurückgedrängt und die verfassungsrechtlich angestrebte Optimierung des Grundrechtsschutzes („in dubio pro libertate“) missachtet. Es ist verfassungsrechtlich nicht überzeu350 Vgl. statt vieler: Bryde, Brun-Otto, Art. 14 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar Band I (2000), Rn. 57; Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 311. 351 Z. B.: Rüfner, Wolfgang, Überschneidungen und gegenseitige Ergänzungen der Grundrechte, Der Staat (7) (1968), S. 54; Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 111, bezeichnet dies als addierendes Schrankensystem. 352 D. h. dem Grundrecht mit dem weitergehenden Vorbehalt.
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gend, dass aus der Erweiterung des Grundrechtsschutzes auf der Ebene der Schranken zwingend eine erhöhte Einschränkbarkeit des Grundrechts zu resultieren hat 353 und dadurch der zunächst hinzutretende Schutz im Ergebnis zu einer Senkung des Schutzniveaus für zumindest eines der einschlägigen Grundrechte führt. 354 Überdies wird eine solch kategorisch-abstrakte Bevorzugung komplexen Fallsituationen nicht gerecht. Auch ein umgekehrtes Vorrangverhältnis, nach welchem dem stärkeren Grundrechtsvorbehalt, also dem stärkeren bzw. weniger einschränkbaren Grundrecht, 355 ein Vorrang eingeräumt wird, sieht sich damit – jedenfalls in solcher Generalität – vergleichbaren verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Wenngleich für einen solchen Vorrang angeführt werden kann, dass grundrechtlichen Gewährleistungen auf diesem Wege zur maximalen Geltung verholfen wird, sieht sich auch diese Lösung mit dem obigen Einwand der Inflexibilität einer kategorisch-abstrakten Lösung konfrontiert. Im Übrigen liefert dieser Ansatz dann, wenn ein schrankenloses Grundrecht mit einem beschränkbaren Grundrechte zusammentrifft, keine überzeugenden Ergebnisse. 356 Da sich somit beide Lösungswege in ihrer Rigidität als untauglich dahin gehend erweisen, auf die spezifischen Strukturen der den Grundrechtskonkurrenzen zugrunde liegenden Fällen angemessen zu reagieren, ist ein automatischer Vorrang des einen oder anderen Vorbehalts abzulehnen. 357 Kein Schrankenvorbehalt eines idealkonkurrierenden Grundrechts kann den weiteren oder engeren Schrankenvorbehalt des anderen Grundrechts zwingend verdrängen oder überlagern. Im Falle der Idealkonkurrenz der Schutzbereiche ist folglich von einer Gleichwertigkeit der einschlägigen Grundrechte auszugehen, die nicht nur die Schutzbereiche, sondern auch die Schranken erfasst, die mithin kumulativ einschlägig sind. 358 Die funktionsgerechte Schrankenordnung ist dabei durch eine übermaß- und einzelfallgerechte Abwägung herzustellen, d. h., die kumulativ geltenden Vorbe353
Lepa, Manfred, Grundrechtskonflikte, DVBl (1972), S. 162. Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999), S. 128. 355 Vgl. zusammenfassend Berg, Wilfried, Konkurrenzen schrankendivergierender Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, (1968), S. 59 ff.; Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999), S. 126 ff.; Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 111. Er spricht diesbezüglich von Schrankensubstraktion. 356 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 111. 357 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 111; Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999), S. 129. Ebenso abzulehnen sind eine Konkurrenzlösung über eine Güterabwägung oder die Anwendung einer allgemeinen Schranke für die zusätzlich ausgeübten Grundrechte. 358 In dem Fall, in dem das stärker geschützte Grundrecht das Eingriffsverhalten nicht toleriert, ist dieser Ansatz mit der Lösung identisch, in der das stärkere Grundrecht als vorrangig anzusehen ist. 354
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halte sind auf der Ebene der konkret in Rede stehenden staatlichen Maßnahmen, im Fall der Pressefusionskontrolle also des Gesetzes, im Wege des nach beiden Seiten hin schonenden Ausgleichs miteinander abzugleichen. 359 Es ist zu ermitteln, „welche Verfassungsbestimmung für die konkret zu entscheidende Frage das höhere Gewicht hat“. Dabei darf allerdings die schwächere Norm nur so weit zurückgedrängt werden, wie dies logisch und systematisch zwingend erscheint; „ihr sächlicher Grundwertgehalt (muss) in jedem Fall respektiert werden.“ 360 Zwar trägt dieser Lösungsansatz mangels genereller Lösungsformel das Risiko der Einzelfallgerechtigkeit und den Makel einer geringeren Rechtssicherheit in sich, doch spricht für eine solche Konkurrenzlösung insbesondere, dass mit der gleichzeitigen Inanspruchnahme der Grundrechte die Schutzgarantie grundsätzlich verstärkt wird und die Besonderheiten des Falls dem Übermaßverbot entsprechend angemessen berücksichtigt werden können. 361 (2) Auflösung der Konkurrenz von Pressefreiheit und Wirtschaftsfreiheiten Auch im Fall der Konkurrenz von Presse- und Wirtschaftsfreiheit bedarf es nach dem oben Gesagten eines einzelfallbezogenen verhältnismäßigen Ausgleichs der divergierenden Schranken. Diesem Erfordernis kann – soweit dies abstrakt möglich ist – vermittels einer Stufenlösung (a), welche sich an der publizistischen Intensität bzw. Relevanz 362 der Maßnahme orientiert (b), entsprochen werden. (a) Schranken-Stufenlösung Im Fall der Idealkonkurrenz von Wirtschafts- und Pressefreiheit ist nach dem oben Gesagten eine lediglich in den wirtschaftlichen Bereich der Pressetätigkeit eingreifende staatliche Maßnahme, die möglicherweise ohne jeglichen Einfluss auf die publizistische Tätigkeit ist, grundsätzlich auch an den hohen Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen. Demgemäß könnte eine Normberührung im Randbereich pressespezifischer Betätigung gleichermaßen den grundrechtlichen
359
Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999), S. 125 ff.; Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 125. 360 BVerfGE 2, 1, 72 f.; BVerfGE 28, 243, 261. Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 928: auch die Ausstrahlungswirkung objektiv-rechtliche Gehalte ist Maßstab im Falle von Grundrechtskollisionen. 361 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 112, spricht von der Berücksichtigung des formalen und materiellrechtlichen Tatbestands des Übermaßverbotes. 362 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 211.
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Schutzmechanismus auslösen wie Verhaltensweisen, die dem Tatbestandsbereich einer Norm zentral zurechenbar sind. Es erscheint jedoch verfehlt, den viel zitierten „unlösbaren Zusammenhang“ zwischen Pressefreiheit und Wirtschaftsfreiheit so zu verstehen, dass das Grundrecht der Pressefreiheit einen Schutzraum bietet, in dem wirtschaftliche Aktivitäten uneingeschränkt privilegiert werden. Das Pressewesen kann nämlich hinsichtlich wirtschaftspolitischer Normierungen nicht per se völlig anders stehen als andere Wirtschaftszweige. Das differenzierte grundrechtliche Schutzsystem würde ignoriert, wenn die „positive Ordnung“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG alle anderen Grundrechtspositionen überlagern sollte. 363 Vor dem Hintergrund der Vorgabe, eine funktionsgerechte Schrankenordnung durch eine übermaß- und einzelfallgerechten Abwägung herzustellen, ist bei der Auflösung der Schrankenkonkurrenz folglich zu berücksichtigen, dass sich die Durchsetzung wirtschaftlicher Ziele im Pressebereich nicht vor unangemessen hohe Rechtfertigungsanforderungen im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen gestellt sehen darf. Eine verhältnismäßig gewichtete Abgrenzung der im Konkurrenzverhältnis stehenden Schranken muss im Ergebnis dazu führen, dass die jeweils unterschiedlichen Schranken schwerpunktmäßig dort Anwendung finden können, wo ihr zentraler Gewährleistungs- bzw. Einsatzbereich betroffen ist. 364 Die „erwerbswirtschaftliche Struktur der Presse“ darf beispielsweise nicht dazu führen, „dass der wirtschaftliche Erwerb zum eigentlichen Inhalt der Pressefreiheit wird.“ 365 Von besonderer Relevanz für eine verhältnismäßige Auflösung der Konkurrenz sind damit der Schutzkern und die Bedeutung der betroffenen Grundrechte im Kontext des Grundrechtskanons. Folgende Aspekte des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sind insoweit beachtenswert: Die Pressefreiheit schützt in ihrem Kern die publizistischen Aspekte der Pressefreiheit (Stichwort „Medium und Faktor“). Aufgrund der untrennbaren Verknüpfung der publizistischen Aspekte mit der wirtschaftlichen Aktivität der Presse und vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots eines effektiven Grundrechtsschutzes werden von dem Grundrecht auch vorbe363 Schoch, Friedrich, Konvergenz der Medien – Sollte das Recht der Medien harmonisiert werden?, JZ (2002), S. 805. 364 Vgl. Berg, Wilfried, Konkurrenzen schrankendivergierender Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, (1968), S. 82, 142. Im Hinblick auf eine abgestuften Schutz ähnlich: Starck, Christian, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich / Starck, Christian, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band I (2005), Rn. 319 ff., 273 ff.; allerdings im Falle von Spezialgrundrechten einen tatbestandlichen Vorrang annehmend. 365 Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 110.
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reitende und bloß wirtschaftliche Tätigkeiten, die mittelbar Einfluss auf das publizistische Tun haben, vgl. auch die Anzeigen-Auflagen-Spirale, geschützt. Umfasst sind daneben auch darüber hinausgehende Aktivitäten von der Beschaffung bis hin zur Verbreitung der Information. Ausgehend vom Kern des Grundrechtsschutzes der Pressefreiheit, stellt sich somit der Schutz auch der nicht unmittelbar publizistischen Tätigkeiten im weitesten Sinne als „Ausdehnung“ des Schutzes dar, der durch die besonderen Wirkzusammenhänge mit Blick auf die Verknüpfung der wirtschaftlichen und publizistischen Seite der Presseaktivität geboten ist. In Wirtschaftszweigen, die nicht von vergleichbaren Kausalitäten geprägt sind, kann das gleiche (wirtschaftliche) Verhalten hingegen „nur“ durch die Wirtschaftsfreiheit geschützt sein. Zugleich ist zu beachten, dass die Ausdehnung des Schutzbereichs der Pressefreiheit auch der Entwicklung des Medienbereichs geschuldet ist, die zu einer im Vergleich zur Situation der Verfassungsgebung stark kommerzialisierten Medienordnung geführt hat, in der sich immer mehr Großunternehmen herausgebildet haben und die Veranstaltung von „Presse“ mehr und mehr zu einer wirtschaftlichen Betätigung geworden ist. Diese nicht zuletzt aus der Ausdehnung des Schutzbereichs der Pressefreiheit folgende „Generalisierung der Schranken“ 366 und die wiederum daraus resultierende Konkurrenzproblematik könnte vermittels einer Schranken-Stufen-Lösung wieder aufgefangen werden. Denn aus der Tatsache, dass jedes pressetechnische Tun unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fällt, folgt nicht notwendigerweise, dass auch die Reichweite des Schutzes stets identisch zu sein hat. 367 Vielmehr ist die konkrete Schrankenwirkung auch anhand von Art und Intensität der Einschränkung zu bewerten, und daraus sind wiederum Rückschlüsse auf das verhältnismäßige Maß des Eingriffs zu ziehen. Ein solcher Ansatz lässt auch nicht außer Acht, dass nach dem Grundgesetz alle Grundrechtsnormen mit Ausnahme des Art. 1 Abs. 1 GG gleichrangig und somit Normabstufen auch vor dem Hintergrund der Einheit der Verfassung nicht zulässig sind. Denn aus dem Grundsatz folgt nicht, dass im Rahmen der Abwägung konkurrierenden Gütern keine unterschiedlichen Gewichte zuerkannt werden könnten. 368 366 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 21 ff., im Zusammenhang mit Wechselbezüglichkeiten der Grundrechauslegung: Wird ein grundrechtlicher Schutzbereich auslegungsmäßig ausgedehnt, so zwingt dies im selben Atem zu entsprechender Generalisierung seiner Schranken, vgl. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG. 367 Für die Rundfunkfreiheit: Jarass, Hans D., Neue Medien und Verfassungsrecht, in: Grätz, Fred u. a., (Hrsg.), Neue technische Kommunikationssystem und Bürgerdialog (1979), S. 31. 368 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 614.
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Mit Blick auf das Übermaßverbot scheint es demgemäß vertretbar, eine den Randbereich eines Grundrechts berührende Vorschrift nicht an den gleichen Rechtfertigungsanforderungen zu messen wie eine Vorschrift, die den Kern des Grundrechts tangiert. Ein solch abgestufter Grundrechtsschutz zwischen Kern- und Randbereich des Grundrechts ist ein in der Verfassungspraxis durchaus anerkannter Lösungsansatz. So hat beispielsweise das Bundesverfassungsgericht, wenn auch ohne von einer Stufenlösung in Art. 5 GG zu sprechen, den Gedanken der Trennung in Außen- und Zentralbereich in ihrer „Meist-Betroffenheits-Theorie“ zum Ausdruck gebracht. Auch im Schrifttum wird explizit zwischen Eingriffen in den „Rand- oder Zentralbereich“ einer Norm 369 unterschieden oder bei zwei funktional zusammenwirkenden Grundrechten zwischen dem Inhalts- und dem Ausübungsrecht getrennt und die Wirkung divergierender Schranken an dem jeweils betroffenen „Wirkzentrum“ ausgerichtet. 370 Ebenso enthält die allgemein anerkannte „Drei-Stufen-Theorie“ – wenn auch auf eine grundrechtsinterne Konkurrenz und damit nicht auf divergierende Schranken bezogen – die Vorstellung eines abgestuften Grundrechtsschutzes. Aufgrund der Untrennbarkeit von Berufswahl und Berufsausübung wurde dabei, wie bereits beschrieben, in einem ersten Schritt eine Vereinheitlichung der Berufswahl und -ausübung und zum „einheitlichen Grundrecht der Berufsfreiheit“ vorgenommen, ohne dabei die im Grundrecht angelegte Differenzierung zwischen Berufswahl und Berufsausübung zu ignorieren. Sie findet später im Wege der Schrankenprüfung ihre besondere spiegelbildliche Berücksichtigung. Danach müssen Regelungen, die das einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit (die sich aus Berufswahl- und Berufausübungsfreiheit zusammensetzt) betreffen, umso strengeren Voraussetzungen genügen, je mehr sie die Freiheit der Berufswahl tangieren. 371 Als maßgebende Richtschnur fungierten hier das Übermaßverbot und die unterschiedlichen Wertigkeiten der einzelnen Teilfreiheiten: Höherrangigkeit der freien Berufswahl – Nachrangigkeit der freien Berufsausübung. Die 369 Berg, Wilfried, Konkurrenzen schrankendivergierender Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, (1968), S. 134 ff. 370 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 107, 112 f.: Ersteres bestimmt den Gewährleistungsbereich und umfasste den Zweck bzw. Kern des Grundrechtsschutzes. Es ist das „primäre“, zweckbestimmende Recht. Das Ausübungsrecht hingegen ist als „sekundär“ anzusehen, es beschreibt das zur Erreichung des Zwecks eingesetzte Mittel, es ist das „Hilfsrecht“. Diese Trennung hat bei der Frage der Geltung divergierender Schranken zentrale Bedeutung. Die jeweilige Schranke muss danach ihr „Wirkungszentrum dort finden(t), wo sie ihrer Grundrichtung [d. h. zum Ausübungs- oder zum Inhaltsrecht] nach hingehört“. Zentraler Maßstab für die Zuordnung der jeweiligen Schranke zum entsprechenden Wirkbereich ist die sog. „Funktionsgerechtigkeit“. 371 Tettinger, Peter, Art. 12 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (2007), Rn. 8.
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Intensität des grundrechtlichen Schutzes wurde insoweit vom Ziel und Zweck der Regelung (Berufswahl oder Ausübung) abhängig gemacht. 372 Auch für Art. 14 GG ist anknüpfend an die Unterschiede von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG ein abgestufter Grundrechtsschutz anerkannt. Dieser bewegt sich zwischen der Garantie des Privateigentums um der individuellen Freiheit willen auf der einen Seite und zwischen dem Eigentumsobjekt in seinem Bezug zur sozialgerechten Eigentumsordnung auf der anderen. 373 Je mehr das Eigentumsobjekt einen sozialen Bezug aufweist, umso weiter sind die Befugnisse des Gesetzgebers; je mehr hingegen das Eigentumsobjekt in seiner privatrechtlichen und individuellen Freiheit geschützt ist, desto ausgeprägter ist der grundrechtliche Schutz mit der Folge verkürzter gesetzgeberischer Kompetenzen. 374 Diese differenzierte Schrankensystematik der Art. 12 und 14 GG kann zwar nicht auf die gegebene Situation unmittelbar übertragen werden. Sie kann gleichwohl als Orientierungspunkt für das Konkurrenzverhältnis von Presse- und Wirtschaftsfreiheit dienen. Pressefreiheit und Wirtschaftsfreiheit bilden zwei Pole, zwischen denen sich äußerst heterogene Tatbestände entfalten können. Je nachdem, ob sich ein Tatbestand dem einen oder anderen Pol nähert, können die Sicherungen gegen Eingriffe des Staates in die „funktionale Geltungseinheit“ 375 von Presse- und Wirtschaftsfreiheit stärker oder schwächer sein. Ein abgestufter Grundrechtsschutz erscheint also auch durchaus im Bereich des Art. 5 GG vorstellbar. Auf diese Weise könnte nicht nur auf eine Objektivierung der Abwägungsentscheidung, sondern auch auf einen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips abgewogenen und angemessenen Ausgleich der Schrankendivergenz von Wirtschafts- und Pressefreiheit hingewirkt werden. (b) Die „publizistische Relevanz“ 376 des Eingriffs als Kriterium der Abgrenzung von Kern- und Randbereich der Pressefreiheit Das abstrakte Stufenmodell bedarf weiterer Präzisierung, insbesondere der Bestimmung der Grenzen zwischen Zentral- oder Randbereich. Die insoweit 372 Ein Eingriff muss zunächst auf der geringsten Stufe erfolgen, die nächste Stufe darf der Gesetzgeber erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, dass die befürchteten Gefahren mit verfassungsmäßigen Mitteln der vorausgehende Stufe nicht wirksam bekämpft werden können. 373 Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 308. 374 Vgl. statt vieler: Bryde, Brun-Otto, Art. 14 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar Band I (2000), Rn. 57; Papier, Hans-Jürgen, Art. 14 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 311. 375 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 109. 376 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 211.
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notwendigen Abgrenzungskriterien sind aus der Verfassung selbst, im konkreten Fall zuvorderst aus dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Presse, zu entwickeln. Kern des herausragenden und privilegierten presserechtlichen Grundrechtsschutzes sind die viel zitierte „schlechthin konstituierende Bedeutung“ der massenkommunikativen Informations- und Meinungsvermittlung für das Gemeinwohl und das demokratische Zusammenleben im freiheitlichen Staat. Einer hohen Schutzintensität bedürfen demnach all die Formen der massenmedialen Kommunikation, die besonderen Einfluss auf die demokratische Funktion bzw. die „öffentliche Aufgabe“ der Presse haben, also zusammenfassend solche Tätigkeiten oder Tätigkeitsphasen mit besonderem publizistischen Gewicht 377 bzw. publizistischer Relevanz. Auch dem Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG kann ein diesbezüglicher Schwerpunkt des Schutzes der Pressefreiheit entnommen werden. 378 Die Unterschiede zwischen Maßnahmen mit und ohne publizistische Relevanz, die einen abgestuften Schutz rechtfertigen können, sind z. B. im Falle organisationsrechtlicher Gestaltungen mit wirtschaftlichen Bezügen erkennbar. Diese haben häufig nur instrumentelle Funktion und wirken zumeist nicht oder nur in geringerem Maße kommunikationsbezogen. So ist die publizistische Auswirkung einer Maßnahme in der Nachbereitung oder Endverteilungsphase zumeist geringer als in der Vorbereitungs- und Produktionsphase eines Presseprodukts. 379 Die typische Differenzierung zwischen ökonomischem und publizistischem Wettbewerb ist ebenfalls ein Beispiel für die Bipolarität presserechtlicher Maßnahmen. Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt, ohne Hinweis auf ein abgestuftes Schutzsystem, einen publizistischen Schutzkern der Pressefreiheit an. So stellt das Gericht im sogenannte Spiegel-Urteil 380 von 1966 klar, dass Presseangehörigen eine verfassungsrechtlich bevorzugte Stellung allein um ihrer Aufgabe willen und nur im Rahmen dieser Aufgabe eingeräumt ist. An anderer Stelle zieht das Gericht die „dienende“ Aufgabe der Presse als abwägungsrelevantes Merkmal (hinsichtlich unterschiedlicher Schutzintensitäten) heran. So führt es in der sogenannten Subventionsentscheidung 381 aus, dass die grundrechtliche 377 In einem anderen Zusammenhang: Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 200, sieht als Schutzkern des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG das „Verbot staatlicher Dominanz von Vermittlungsinhalten“. Solange eine Maßnahme keine publizistische Relevanz habe, sei dieses Verbot nicht verletzt. 378 Wenngleich auch nur die Vorzensur umfasst ist, vgl: Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 78. 379 Vgl. hierzu Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 219 ff. 380 BVerfGE 20, 162, 176. 381 BVerfGE 80, 124, 135.
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Garantie der Pressefreiheit der freien individuellen Meinungsbildung diene und damit die tatsächliche Erfüllung dieser Aufgabe auch Kriterium für die Vergabe staatlicher Pressesubventionen sein könne. Nach Auffassung des Gerichts genießen demnach zwar auch solche Publikationen, die keine eigenen oder fremden Meinungen wiedergeben bzw. in denen die Meinungswidergabe anderen, nicht publizistischen Geschäftszwecken nachgeordnet ist, Schutz vor staatlicher Lenkung. Eine einheitliche Behandlung bei der Beanspruchung staatlicher Förderung sei hingegen nicht geboten. Vielmehr könnten solche Presseunternehmen, die keine publizistischen Aktivitäten ausüben, bei Pressesubventionen nachrangig berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es vertretbar, im Falle von konsumbezogener, wirtschaftlicher Aktivität der Presse oder wirtschaftlich motivierter Maßnahmen, die nicht an der geistig-inhaltlichen Kommunikation durch die Presse teilnehmen, die Schutzintensität des Grundrechts der Pressefreiheit im Vergleich zum Schutz des publizistischen Kerns des Grundrechts abzusenken. 382 Wirtschaftliche Interessen des jeweiligen Medienträges, die notwendigerweise Bestandteil der Strukturprinzipien des jeweiligen Mediensystems sind, müssen hingegen am Schutz der hohen Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG teilhaben. Ein solcher Differenzierungsansatz lässt sich auch in die von Scholz 383 getroffene Unterscheidung zwischen Inhalts- und Ausführungsrecht und der daran orientierten Auflösung der Schrankendivergenz integrieren. Nach der Scholz’schen Differenzierung wäre im Fall einer Betroffenheit pressewirtschaftlicher Tätigkeit das Grundrecht der Pressefreiheit jedenfalls dann „führende“ Norm, d. h. Inhaltsrecht (bezogen auf den Zweck) in Abgrenzung zum Ausführungsrecht (bezogen auf das Mittel), wenn die Wirtschaftsfreiheit in den Dienst der pressespezifischen Betätigung tritt bzw. – nach dem hier gewählten Ansatz – die publizistische Relevanz der Betätigung überwiegt. Sind Inhalts- und Ausführungsrecht auf diese Weise bestimmt, kann daraus abgeleitet werden, dass die Schrankenvorbehalte des Ausführungsrechts (hier der Wirtschaftsfreiheit) unter Beachtung der wertsetzenden Bedeutung des Inhaltsrechts, hier des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, auszulegen bzw. im Rahmen der Pressefreiheit an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen sind. Im System von Inhalts- und Ausführungsrecht kann damit das Kriterium der publizistischen Relevanz der Ermittlung des Wirkungszusammenhangs (Zweck / Mittel) und in einem nächsten Schritt der Einordnung der konkurrierenden Rechte als Inhalts- (Zweck) oder Ausübungsrecht (Mittel) dienen. Besitzt eine Maßnahme eine hohe publizistische Relevanz, wäre die Pressefreiheit im Kern und damit als Inhaltsrecht betroffen. Das Ausführungsrecht (das die wirtschaftliche Aktivität schützt) ist in diesem Fall unter Beachtung des Inhalts382 Jarass, Hans D., Neue Medien und Verfassungsrecht, in: Grätz, Fred u. a., (Hrsg.), Neue technische Kommunikationssystem und Bürgerdialog (1979), S. 34. 383 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 107, 111 f.
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rechts – also Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – auszulegen. Zeigt die Maßnahme hingegen keine oder nur eine geringe publizistische Relevanz, ist damit primär die wirtschaftliche Ausübung betroffen; ein Eingriff könnte bereits bei Beachtung geringerer Rechtfertigungsanforderung des Ausübungsrechts verfassungsmäßig sein. Nach dem hiesigen Ansatz finden schließlich verschiedene, im Bereich der Konkurrenzproblematik zumeist aus systematischen Gründen abzulehnende Lösungsansätze bezüglich ihres gleichwohl zutreffenden Kerns eine angemessene Berücksichtigung. Soweit im Bereich von Großunternehmen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, kann beispielsweise der im Rahmen der schutzbereichsbezogenen Abgrenzung richtigerweise unberücksichtigt gebliebene Ansatz, den Schutzbereich nach der Größe der Unternehmen zu bestimmen, in die Schrankenabwägung insoweit einfließen, als in großen Wirtschaftseinheiten primär wirtschaftliche Tätigkeiten deutlicher von publizistischen Tätigkeiten trennbar sein können. 384 Auch die – wie im Kontext der Schutzbereichsabgrenzung dargelegt – grds. abzulehnende tatbestandliche Trennung von Presse- und Wirtschaftsfreiheit danach, ob vornehmlich die Pressefreiheit als solche beeinflusst wird oder sich die Maßnahme auf die Berufs- und Eigentumsordnung bezieht, findet im System einer – an der publizistischen Relevanz orientierten – abgestuften Rechtfertigung ihren angemessenen Platz. Sogar die im Bereich der abstrakten Auflösung der Schrankendivergenz abgelehnte Absenkung der Schutzintensität der Schranke bei Hinzutreten eines schwächer geschützten Grundrechts kann in die einzelfallgerechte Abwägung, die sich an der publizistischen Relevanz der Maßnahme orientiert, einbezogen werden. Nach dem oben Gesagten sind Maßnahmen, denen publizistisches Gewicht zukommt, an höheren Rechtfertigungsanforderungen zu messen als solche, die ausschließlich den wirtschaftlichen Randbereich der Pressefreiheit betreffen. 385 Da Letzteres bei pressebezogenen Regelungen der Ausnahmefall bleiben wird, wird der Prüfungsmaßstab pressebezogener Maßnahmen in erster Linie Art. 5 Abs. 2 GG sein. 386 Folglich werden auch Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit von Presseunternehmen zumeist nur auf der Grundlage allgemeiner Gesetze zulässig sein. 387 384
BVerfGE 50, 290, 363; 14, 263, 282. Vgl. Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 56; Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 170 ff.; in eine vergleichbare Richtung weisend: Schnur, Roman, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 139. Zwischen dem Eingriff in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG trennend: BT-Drucks V/3122 – Günther-Kommission, (3. 7. 1968), S. 46. 386 Vgl. BVerfGE 30, 173, 192, zum Verhältnis der Spezialgrundrechte zu Art. 2 Abs. 1 GG. 387 In der Konsequenz dürfen entsprechende Maßnahmen weder ein bestimmtes Presseorgan noch bestimmte Gruppen oder Typen von Zeitungen – also kleine oder mittlere 385
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2. Abwägung kollidierender wirtschaftlicher und publizistischer Belange im Fall der Pressefusionskontrolle Da das Menschenbild des Grundgesetzes das eines gemeinschaftsbezogenen und nicht das eines isolierten Individuums ist, erweist sich die Kollision grundrechtlich geschützter Güter als dem grundgesetzlichen System immanent; in Art. 2 Abs. 1 GG mit den darin genannten „Rechten anderer“ 388 und der darin ebenfalls aufgeführten „verfassungsmäßigen Ordnung“ 389 ebenso wie in Art. 3 Abs. 1 GG kommt dies zum Ausdruck. Da jedem Grundrechtsträger ein gleiches Maß an Freiheit zuzuerkennen ist, wird regelmäßig die Freiheit des einen durch die Freiheit des anderen begrenzt oder beeinflusst sein. 390 Mithin ergibt sich die Notwendigkeit der staatlichen Auflösung einer Kollision, bei welcher der Staat nicht nur als Gegner der Freiheit agieren, sondern auch der Freiheitssicherung schlechthin dienen kann. 391 Einer solchen Aufgabe steht der Staat auch im Fall der gesetzlichen Pressefusionskontrolle gegenüber. In der Gestalt des Gesetzgebers trifft ihn als „zentrale Schlichtungsinstanz“ 392 die höchst schwierige Gestaltungsaufgabe, die verfassungsrechtlichen Freiheitsgewährleistungen und Zielsetzungen, das Postulat der Vielfalt und des Wettbewerbs, in Einklang zu bringen und die konkurrierenden, jeweils geschützte Handlungen gegeneinander abzuwägen. Um die kollisionslösende Entscheidung überprüfbar zu machen und unter bestmöglicher Wahrung der einander gegenüberliegenden Positionen einem Ausgleich zuzuführen, hat die hoheitliche Gewalt sich bei dieser Aufgabe an definierten Verfahren bzw. Mechanismen zu orientieren. 393 Presseverlage gegenüber Großverlagen – gezielt begünstigen oder benachteiligen. Ferner verpflicht Art. 5 Abs. 2 GG auch zur Wahrung staatlicher Wettbewerbsneutralität; Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 57. 388 Als benannter Fall einer sog. „echten“ Kollision. 389 Als benannter Fall einer sog. „unechten Kollision“. Vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2: Freiheit der Lehre ist an die „Treue der Verfassung“ gebunden; Ehe und Familie sind in Art. 6 Abs. 1 GG unter den „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ gestellt; nach Art. 6 Abs. 2 GG wacht „die staatliche Gemeinschaft“ über das elterliche Erziehungsrecht der Kinder; auch Art. 9 Abs. 2 GG erkennt die „Verfassungsmäßige Ordnung“ als Grenze der Vereinigungsfreiheit an. 390 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 609 f. 391 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 604 f. 392 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 115. 393 Lerche, Peter, Grundrechtsschranken – § 122, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 14 ff., 23 ff., 47 f.; Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik
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Ähnlich wie bei den Konkurrenzen hat eine Auflösung jener der Kollision zugrunde liegenden Spannungsverhältnisse abgestuft zu erfolgen. Auch hier bedarf es zunächst, um denkbare Scheinkollisionen auszuschließen, einer genauen Bestimmung des Schutzgegenstandes des Grundrechts. Insoweit ist auf die im Rahmen der Konkurrenz getroffenen Ausführungen zu verweisen. 394 Stehen die Grundrechte verschiedener Grundrechtsträger nach Ausschluss der Scheinkollision tatsächlich nebeneinander, ist nach einer Analyse der Begrenzungsmöglichkeiten des einzelnen Grundrechts (a) ein angemessener Interessenausgleich vermittels der im Folgenden zu benennenden Auflösungsmechanismen herbeizuführen (b). a) Kategorien von Kollisionen und die Bedeutung des Vorbehalts Zwar spielt im Fall der Kollision die Schrankendivergenz eine geringere Rolle als im Fall der Konkurrenz, gleichwohl richtet sich die kollisionslösende Gewalt ebenfalls an den Einschränkungsmöglichkeiten betroffener Grundrechte aus und hat sich im Rahmen der grundrechtlich vorgegebenen grundrechtsunmittelbaren und grundrechtsspezifischen Schrankenvorbehalte zu vollziehen. 395 Eine typische Kollision ist eine solche unter Beteiligung eines mit Vorbehalt gewährten Grundrechts, die auch als „echte Kollision im weiteren Sinne“ bezeichnet werden kann. Gerät beispielsweise die Pressefreiheit mit anderen, von der Verfassung geschützten Werten in Konflikt, verweist die Verfassung auf die allgemeine Rechtsordnung, unter der die Presse steht. Die Kollision muss auf der Grundlage des nach Art. 5 Abs. 2 GG als generell maßgeblichen Schrankenvorbehalt vorgezeichneten Vorbehalts der „allgemeinen Gesetze“ aufgelöst werden. Stehen sich hingegen schrankenlose Grundrechte verschiedener Grundrechtsträger gegenüber, wird typischerweise von einer „echten Kollision im engeren Sinne“ gesprochen. 396 Mit einer solchen Kollision schrankenloser GrundrechDeutschland Band III/2 (1994), S. 623; Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 314 ff. 394 Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. V., 1 – Auflösung der Grundrechtskonkurrenz. 395 Vgl. Scholz, Rupert, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ (1981), S. 566; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 123 ff., der auf die „Idealkonkurrenz“ zwischen Art. 12, 14 GG und Art. 5 Abs. 1 GG hinweist. 396 Mit der Kollision schrankenloser Grundrechte vergleichbar sind schließlich auch die Fälle, in denen verschiedene Gewährleistungen eines Grundrechts – auf das sich unterschiedliche Grundrechtsträger berufen können – miteinander kollidieren, z. B. wenn sich verschiedene Grundrechtsträger auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen und daher die Gewährleistungen eines Grundrechts in einen Konflikt gerät. Derartige grundrechtsinterne Konflikte bewegen sich im Ergebnis außerhalb des Vorbehalts des Art. 5 Abs. 2 GG, so dass diese Kollisionen mit solchen von vorbehaltlosen Grundrechten vergleichbar sind.
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te vergleichbar sind die Fälle, in denen verschiedene Gewährleistungen eines Grundrechts, auf das sich unterschiedliche Grundrechtsträger berufen können, kollidieren, so z. B. wenn sich verschiedene Grundrechtsträger auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen und daher die Gewährleistungen eines Grundrechts in einen Konflikt geraten. Derartige grundrechtsinterne Konflikte bewegen sich im Ergebnis außerhalb des Vorbehalts des Art. 5 Abs. 2 GG, sodass diese Kollisionen mit solchen von vorbehaltlosen Grundrechten vergleichbar sind. Mangels Vorbehalts erscheint die Auflösung der „echten Kollision im engeren Sinne“ problematisch, denn dem Gesetzgeber fehlt die Grundlage zur Auflösung oder Eindämmung des Konflikts. Doch auch wenn eine Beschränkung einer vorbehaltlosen Norm, solange nicht bloß immanente Tatbestandsmerkmale konkretisiert werden, grundsätzlich unzulässig ist 397, kann das mit einem vorbehaltlosen Grundrecht kollidierende Schutzgut freilich nicht schutzlos dem Zugriff des Staates oder auch Privater ausgesetzt sein. 398 Vielmehr noch ist der kollisionslösende Staat gerade in derartigen Konfliktlagen in besonderem Maße gefragt, andernfalls nämlich würden Konflikte mit vorbehaltlosen Grundrechten unbegrenzt fortwirken. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können demgemäß nicht schrankenlos wirken. Gleichwohl ist der Ansatz, nach dem die Kollision vorbehaltloser Grundrechte durch sogenannte immanente Schranken 399 im Sinne einer „inhärenten Schranke“ aufzulösen ist, abzulehnen. 400 Zentrale Schwäche dieses Ansatzes, der besagt, dass Grundrechte dann nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn dies den Bestand der für die Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet, ist, dass mangels positiver Normierung eine solch „allgemeine materielle Gemeinwohlklausel“ 401 zu unbestimmt ist. Der interpretativen Einengung des Tatbestands vermittels immanenter Schranken kann daher nur insoweit zugestimmt werden, als sie zum Ausdruck bringt, dass Grundrechte nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn dadurch die für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet werden. 402 Die „inhärente Schranke“ kann demzufolge lediglich als Hinweis auf die Beschränktheit des sachlichen Gewährleistungsbereichs und auf die Tatsache verstanden werden, dass auch Grundrechte ohne ausdrücklichen Schrankenvorbehalt einschränkbar sind. Ausgehend Kollisionslösende Gesetze im engeren Sinne haben somit gemeinsam, dass sie losgelöst von der Begrenzungsschicht des Gesetzesvorbehalts stehen. 397 Ein Eingriff in ein unter Gesetzesvorbehalt stehendes Grundrecht muss sich an formellen und materiellen Eingriffsschranken messen lassen. 398 Bethge, Herbert, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, (1977), S. 12. 399 Vgl. BVerwGE 2, 295, 300. 400 BVerfGE 12, 45, 53 f.; 28, 243, 260 f. 401 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 612. 402 BVerwGE 1, 92, 94; 1, 303, 307; 2, 89, 94; 2, 295, 300; 3, 21, 24; 5, 153, 159.
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davon wirkt die immanente Schranke dort, wo der Kern des Grundrechts über den Wortlaut hinausgehend auf eine Begrenzung des Grundrechtstatbestandes hinweist. Von „hinzutretenden Einschränkungen“ und damit auch solchen kraft Kollision mit anderen Normen hingegen ist sie klar zu unterscheiden. 403 Auch eine Schrankenübertragung aus Art. 2 Abs. 1 GG muss als Grundlage einer Lösung von Kollisionen schrankenloser Grundrechte ausscheiden. Denn zum einen kann auch Art. 2 Abs. 1 GG neben anderen Grundrechten bestehen und mit ihnen in Konflikt geraten, die Schrankenübertragung führt in einem solchen Fall nicht weiter. 404 Überdies hat der Verfassungsgeber in einem differenzierten Schrankensystem den Grundrechten verschiedene und abgestufte Schranken zugewiesen, was, auch wenn das Schrankensystem des Grundgesetzes jedenfalls keiner offenkundigen Systematik folgt, durch eine generelle Übernahme einer einheitlichen Schranke aus Art. 2 Abs. 1 GG missachtet würde. 405 Art. 2 Abs. 1 GG kann demnach nur insoweit Bedeutung zukommen, als er allgemein und quasi deklaratorisch verfügt, dass die Freiheitsbetätigung ihre Grenzen in den Rechten anderer findet. Eine grundrechtliche Generalschranke enthält er nicht. 406 Richtigerweise muss ausgehend vom Demokratieprinzip und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit der allgemeine Gesetzesvorbehalt auch bei vorbehaltlosen Grundrechten bzw. Grundrechtskollisionen Bedeutung erlangen. 407 Denn neben seiner Funktion als Eingriffskautele für einen konkreten Grundrechtseingriff macht er die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt überprüfbar und entfaltet seine Wirkung auch für Regelungen, die immanente Grundrechtsschranken nachzeichnen oder Grundrechtskollisionen auflösen. 408 Vorbehaltlose Grundrechte können somit nur durch „kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte [...] ausnahmsweise“ 409 begrenzt werden. Es stellt sich im Fall der Kollision vorbehaltloser Grundrechte daher regelmäßig die Frage, worin die begrenzenden Verfassungsgüter bestehen. 410 Grenzen können 403 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 12. 404 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 549. 405 BVerfGE 6, 32, 37. 406 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 116. 407 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 69 f. 408 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 70. 409 BVerfGE 28, 243, 261. 410 Vgl. hierzu: Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 625.
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sich beispielsweise ausgehend von den oben aufgeführten verfassungsrechtlich gesicherten Instituten und objektiven Werten, den verfassungsrechtlich gesicherten institutionellen Mindestgarantien 411 oder Organisationsmaximen bzw. den mit Verfassungsrang ausgestatteten Gemeinschaftswerten, wie z. B. der Sicherheit des Staates oder dem Institut der „freien Presse“ 412, ergeben. 413 b) Auflösung von Kollisionen Die Auflösung der einer Kollision immanenten Widersprüchlichkeiten bedarf dem oben Gesagten zufolge der Feststellung, welchem Grundrecht der Vorrang gebührt bzw. inwieweit ein Substanzverlust des anderen Grundrechts hinnehmbar ist. 414 Insoweit hat sich der staatliche Akteur am Vorbehalt des Grundrechts zu orientieren und im Fall der Kollision vorbehaltloser Grundrechte überdies noch zu klären, worin die begrenzenden Verfassungsgüter bestehen. 415 Das Bemühen, die widerstreitenden Positionen unter bestmöglicher Wahrung der einander gegenüberliegenden Positionen einem Ausgleich zuzuführen, muss dabei nicht zuletzt auch darauf gerichtet sein, das Abwägungsergebnis zu verobjektivieren und die Abwägung transparent zu gestalten, um so eine „maximale Rationalität“ 416 herzustellen und daran anknüpfend die Verallgemeinerungsfähigkeit des Ergebnisses zu sichern. Hierfür bedarf es der Herausarbeitung von Abwägungskriterien, die der Gesetzgeber für eine Gewichtung in Betracht ziehen kann. Sind entsprechend abstrakte verfassungsrechtliche Grundprinzipien als Orientierungspunkte für die Auflösung von Kollisionen fixiert (aa), kann ein solch abstrakter Lösungsansatz auch im Einzelfall, wie im Fall der Pressegesetzgebung, Grundlage einer situationsbedingten, konkreten Abwägungsentscheidung sein 417 (bb).
411
Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 56. BVerfGE 25, 256, 264; 20, 162, 221 f.; 21, 239, 243 f. 413 Geraten Grundrechte mit Grundrechtsvorbehalten mit entsprechenden Werten in Konflikt, wird von unechter Kollision gesprochen. Wenn hinter einer Individualposition auch objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte stehen, ist hingegen von einer echten Kollision zu sprechen. Der Sachszusammenhang erlaubt eine gemeinsame Behandlung von „unechter“ und „echter“ Kollision, vgl. Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 657. 414 Lepa, Manfred, Grundrechtskonflikte, DVBl (1972), S. 167. 415 Vgl. hierzu: Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 625. 416 Müller, Friedrich, Normstruktur und Normativität, (1966), S. 71, 215. 417 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 610, 619. 412
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aa) Abstrakte Auflösungsmechanismen Eine Kollisionslösung allein im Wege der Güterabwägung zeigt notwendigerweise Defizite im Hinblick auf die Rechtssicherheit bzw. Voraussehbarkeit grundrechtlicher Aussagen. Sie weist dabei insbesondere methodische und dogmatische Schwächen auf, welche die Gefahr der Herausbildung eines beliebig nutzbaren Gestaltungs- oder Handlungsspielraums des Staates und damit auch mittelbar eine Aufweichung der Grundrechte bergen. 418 Auch wenn eine entsprechende Kollisionslösung im Rahmen der situationsgebundenen Argumentation in Fällen der Konfliktlösung Bedeutung haben kann, stellt sie typischerweise mehr Richterrecht als eine Herleitung aus Verfassungsrechtsvorschriften dar. 419 Insbesondere dann, wenn ein Gesetzesvorbehalt keine konkreten Leitlinien der Abwägung vorgibt, bleibt sie damit schwer voraussehbar. 420 Von ihr sollte aus diesen Gründen, soweit möglich, zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. 421 Vielmehr ist, ausgehend vom Übermaßverbot und seiner Suche nach Maßstäblichkeit, ein Ausgleich der kollidierenden Güter durch die Herstellung praktischer Konkordanz 422 bzw. dem nach beiden Seiten hin schonenden Ausgleich 423 herbeizuführen. Beide Konzepte setzen den kollidierenden Gewährleistungen Grenzen, mit dem Ziel, die Beschränkung der kollisionslösenden Entscheidung auf das unverzichtbare Maß an Eingriffswirkung zu reduzieren und beiden Gewährleistungen zu optimaler Wirksamkeit zu verhelfen. Sie suchen dabei nach einer optimierenden Zuordnung und nicht nach einem an Optimalvorstellungen orientierten Idealausgleich. 424 Das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit von dem „schonendsten Ausgleich“. 425 Dieser verlangt, dass die Grenzziehung nicht vorschnell auf Kosten eines der kollidierenden Grundrechtsgüter verläuft
418
Schlink, Bernhard, Abwägung im Verfassungsrecht, (1976), S. 152 f.; Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 26. 419 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 650. 420 Rüfner, Wolfgang, Überschneidungen und gegenseitige Ergänzungen der Grundrechte, Der Staat (7) (1968), S. 58. 421 Rüfner, Wolfgang, Überschneidungen und gegenseitige Ergänzungen der Grundrechte, Der Staat (7) (1968), S. 59. 422 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 317. 423 Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999), S. 152 f. 424 Bethge, Herbert, Die Freiheit des privaten Rundfunks, DÖV (2002), S. 681; Lerche, Peter, Grundrechtsschranken – § 122, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 4 ff. 425 BVerfGE 80, 137, 153 ff., mit Ausführungen zum Grundrechtskern.
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und nicht weiter geht als notwendig. Auf diese Weise kann im Ergebnis dem Optimierungsgebot der Einheit der Verfassung entsprochen werden. Im Kontext der Herstellung praktischer Konkordanz spielt vor allem der Grundrechtskern 426 bzw. der Wesensgehalt des Art. 19 Abs. 2 GG eine bedeutsame Rolle. Dieser ist in der optimierenden Zuordnung in den paritätischen Ausgleich einzubringen und darf – auch beim zurücktretenden Grundrecht – nicht verdrängt werden. 427 Daneben bieten vor allem die verfassungsrechtlichen Grundprinzipien, insbesondere das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG), das Rechtsstaats- (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 und 3 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG), der kollisionslösenden Instanz Orientierungspunkte für die Auflösung von Kollisionen. 428 Schließlich ist auch das Gewicht des Grundrechts im Verfassungsgefüge in Bezug auf das Bedürfnis für eine weitergehende Optimierung der inhaltlichen Ausrichtung der kollidierenden Grundrechtspositionen von zentraler Bedeutung. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass Grundrechte nach der verfassungsrechtlichen Konzeption – abgesehen von Art. 1 Abs. 1 GG – zunächst gleichwertig nebeneinander stehen und sich der grundrechtliche Schutzbereich aktual bzw. funktional formt. Folglich kann aus Grundrechten kein abstraktes einheitliches – starres – Wertesystem mit absoluten Vergleichsmaßstäben gebildet werden 429 und sich eine Gewichtung nur aus dem konkreten Anwendungsfall ergeben. 430
426 Nach dem hier gefolgten Verständnis des Art. 19 Abs. 2 GG von Stern, Klaus, Der Schutz des Wesensgehalts der Grundrechte, in: Stern, Klaus / Sachs, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/2 (1994), S. 865 ff. 427 Lepa, Manfred, Grundrechtskonflikte, DVBl (1972), S. 165. 428 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 629. 429 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 111. 430 Anhaltspunkte für eine entsprechende Abwägung liefert das Lüth-Urteil [BVerfGE 7, 198, 210]: „Das Recht zur Meinungsäußerung muss zurücktreten, wenn schutzwürdige Interessen eine anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden. Ob solche überwiegenden Interessen anderer vorliegen, ist aufgrund der Umstände des Falls zu ermitteln.“ Weitergehend wird im Lebach-Urteil [BVerfGE 35, 202, 225] ausgeführt: „Beide Verfassungswerte müssen daher im Konfliktfall nach Möglichkeit zum Ausgleich gebracht werden; lässt sich dies nicht erreichen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat.“ Auch im Schwangerschaftsabbruch-Urteil [BVerfGE 39, 1, 43] wird das „Prinzip des schonenden Ausgleichs [...] grundrechtlich geschützter Positionen unter Berücksichtigung des Grundgedankens des Art. 19 Abs. 2 GG“ angewandt.
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bb) Lösungsansatz für das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen und publizistischen Freiheiten Im Fall der Pressefusionsgesetzgebung muss nun ausgehend vom abstrakten Lösungsansatz der praktischen Konkordanz eine auf den Einzelfall zugeschnittene Konkretisierung der am Übermaß orientierten Abwägungsentscheidung vorgenommen werden. 431 Ziel dieser Abwägungsentscheidung muss es sein, die kollidierenden wirtschaftlichen und publizistischen Positionen innerhalb von Art. 5 GG oder zwischen der Presse- und der Wirtschaftsfreiheit – z. B. der Freiheit der Verleger und Freiheit der Journalisten oder auch der Freiheit der Leser und jener der Verleger 432 – optimierend zuzuordnen und damit einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. 433 Im Hinblick auf das Gewicht der kollidierenden Grundrechte, einem Abwägungsgesichtspunkt für die Herstellung der Konkordanz, wurde bereits im Rahmen der Konkurrenzprüfung festgestellt, dass die publizistischen und wirtschaftlichen Schutzgüter zunächst gleichwertig nebeneinander stehen, und zwar auch in Bezug auf ihre objektiv-rechtliche Bedeutung für den demokratischen Rechtsstaat. Weder das eine noch das andere Grundrecht darf damit im Rahmen der optimierenden Zuordnung von der kollisionslösenden Instanz einseitig geopfert werden. Die konkrete Abwägung im Einzelfall kann hingegen durchaus zu dem Ergebnis des Vorrangs des einen oder anderen Schutzguts gelangen. So kann z. B. die Zuordnung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit als mit der Pressefreiheit und ihrer schlechthin konstituierenden Bedeutung „vergleichbar“ und somit als ein Indiz für ein leichtes Wertgefälle zugunsten der publizistischen Betätigung in Bezug auf die demokratierelevante Vielfaltssicherung im Pressewesen gewertet werden. Auch die divergierenden Schranken mit dem insoweit stärker geschützten Grundrecht der Pressefreiheit können auf einen gewissen Vorrang des Schutzes der publizistischen Betätigung hinweisen. Aus dem daran anknüpfenden, über den ökonomischen Wettbewerb hinausgehenden Schutzbedürfnis des publizistischen Wettbewerbs kann schließlich die Notwendigkeit einer besonderen Absicherung des funktionierenden publizistischen Wettbewerbs gefolgert werden. Neben der Analyse des Gewichts der betroffenen Schutzgüter im konkreten Einzelfall können auch andere abstrakt benannte Abwägungskriterien zur Auf431 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 635; Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 115. 432 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 123 ff. 433 Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 110.
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lösung der Kollision von publizistischer und wirtschaftlicher Tätigkeit fruchtbar gemacht werden. So kann, wie gesehen, auch ausgehend vom Wesensgehalt die Betroffenheit des Schutzkerns (oder des Randbereichs) eines Grundrechts bzw. der Umfang des Substanzverlusts als abwägungsrelevantes Element in die Abwägung mit eingestellt werden und daran anknüpfend dem am stärksten betroffenen Grundrecht eine besondere Berücksichtigung geschuldet sein. Auf der anderen Seite muss eine Zurückdrängung des nachrangigen Grundrechts über den Wesensgehalt hinaus als unzulässig bewertet werden. Damit erlangt das publizistische Gewicht der Maßnahme nicht nur im Kontext der Konkurrenzen, sondern auch im Fall der Kollision – trotz eines abweichenden Ausgangskonflikts – für einen funktionsgerechten Ausgleich der sich ggf. widersprechenden publizistischen und wirtschaftlichen Interessen Bedeutung. Im Hinblick auf die Konkurrenzen war – wie soeben beschrieben – den Schranken der Pressfreiheit umso mehr der Vorrang vor dem Prinzip der unternehmerischen Freiheit zu geben, je stärker das publizistische Gewicht einer Maßnahme überwiegt oder ein Eingriff in die Zentralgewährleistung der Pressefreiheit vorliegt. 434 Entsprechendes gilt auch im Fall der Konkurrenzen, wobei neben der Betroffenheit des publizistischen Schutzguts das Schutzziel der Maßnahme zu beachten ist. Liegt dieses in der Aufrechterhaltung publizistischer Freiheit, kann eine besondere Wichtigkeit des Schutzes der Presse oder können ganz besonders gelagerte Eigengesetzlichkeiten nachgewiesen werden. Ist also die Maßnahme von publizistischer Relevanz, liefert dies zumindest einen Hinweis auf eine schwerpunktmäßige Beachtung des publizistischen Schutzgutes. In einem solchen Fall könnte durch die Stärkung der Pressefreiheit 435 in ihrem „konstitutiven“ Kern auch bei Zurückdrängung der wirtschaftlichen Seite ein optimierender Ausgleich im Sinne der Maßstäblichkeit hergestellt werden. 436 3. Zwischenergebnis Die in der Pressefusionskontrolle zum Ausdruck kommenden Grundrechtskonflikte sind im System des Pressemarktes und den grundrechtlichen Wirtschafts434 BT-Drucks V/3122 – Günther-Kommission, (3. 7. 1968), S. 46; Schnur, Roman, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 139. 435 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 116. 436 Mit dieser Konstellation vergleichbar sind mit Blick auf Art. 12, 14 GG Maßnahmen, die wettbewerbliche Abreden untersagen und damit die Wirtschaftsfreiheit bzw. Vertragsfreiheit beschränken. Der Eingriff verfolgt zugleich den Zweck, die Wettbewerbsfreiheit aufrechtzuerhalten. Die kollidierende Wettbewerbsfreiheit und die Vertragsfreiheit können durch ein Verbot wettbewerblicher Abreden optimierend zugeordnet werden, dabei ist wiederum zu beachten, ob und inwieweit der Kern des Grundrechts betroffen ist und wie die Grundrechte im Verhältnis zueinander stehen.
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freiheiten und Kommunikationsfreiheiten angelegt. Da sich Presseunternehmen nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen frei bilden und als solche am Markt tätig sind, sind sie gleichrangige Träger sowohl des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als auch der Grundrechte der Art. 12 Abs. 1 GG und 14 GG. 437 Die Grundrechte stehen insoweit in Idealkonkurrenz. Gleiches gilt für die Schranken dieser Grundrechte, denn ein automatischer Vorrang des einen oder anderen Vorbehalts ist abzulehnen. 438 Der Ausgleich der konkurrierenden Schranken erfolgt vielmehr im Wege der einzelfallbezogenen Abwägung, d. h. im Fall eines Legislativakts im Wege einer gesetzlichen Konkurrenzlösung. Hierfür bietet sich ein Stufenmodell an, das sich an der publizistischen Relevanz 439 der Maßnahme orientiert. Auf diesem Wege kann erreicht werden, dass wirtschaftlich motivierte staatliche Maßnahmen, die keinerlei publizistische Relevanz besitzen, d. h. nicht an der geistig-inhaltlichen Kommunikation durch die Presse teilnehmen, nicht unverhältnismäßig hohen Rechtfertigungsanforderungen gegenüberstehen. Verhaltensweisen, die in den publizistischen Kernbereich fallen, kann hingegen besonderer Schutz zukommen. Da die publizistische Relevanz einer Maßnahme den Regelfall darstellen wird, werden pressewirtschaftliche Maßnahmen zumeist an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen und die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit der wettbewerblichen Ordnung in presserechtlichen Sachverhalten regelmäßig – eine im Vergleich zu Art. 12, 14 GG – eingeschränkte sein. 440 Daneben treten die Privatautonomie und Wettbewerbsfreiheit, ebenso wie Privatautonomie und Pressefreiheit zumeist insoweit in Konflikt, als verschiedene Grundrechtsträger, z. B. Groß-, Mittel- und Kleinunternehmen, Leser und Zulieferer, sich auf divergierende Freiheiten berufen. Zur Herstellung der Einheit der Verfassung sind auch diese kollidierenden Interessen in Einklang zu bringen. Dabei hat die kollisionslösende Instanz die einander gegenüberliegenden Positionen unter bestmöglicher Wahrung der Schutzgüter optimierend zuzuordnen und – um die kollisionslösende Entscheidung überprüfbar zu machen – sich an spezifizierten Abwägungsverfahren zu orientieren. 441 Danach kann ein Schutzgut bis zum Schutzkern, nicht aber darüber hinaus zurücktreten. Da das Gewicht der Grundrechte im Verfassungsgefüge, die Betroffenheit des (publizistischen) 437
Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 150 f. Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 150. 439 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 211. 440 Degenhart, Christoph, Bestandsschutz für die Presse, AfP (1987), S. 649 ff.; zur Gestaltungsfreiheit: BVerfGE 50, 290, 332. 441 Lerche, Peter, Grundrechtsschranken – § 122, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 14 ff., 23 ff., 47 f.; BVerwGE 87, 37; Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 623; A. A.: Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 332 ff. 438
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Grundrechtskerns und im Rahmen der Kollision vor allem das Schutzziel einer Maßnahme relevante Orientierungsmaßstäbe darstellen, erlangt die publizistische Relevanz der Maßnahme auch im Rahmen dieses Ausgleichs Bedeutung. Im Ergebnis kann die Fusionskontrollgesetzgebung als ein typischer Anwendungsfall sowohl einer grundrechtskonkurrenz- als auch einer kollisionsbezogenen optimierenden Zuordnung bezeichnet werden. 442 Die gesetzgeberische Maßnahme hat sich abhängig davon, inwieweit sie die wirtschaftliche Ausübungsseite des Grundrechts betrifft oder eine hohe publizistische Relevanz aufweist, an pressegrundrechtlichen Eingriffsschranken messen zu lassen. Soweit sie auch das Ziel der Sicherung publizistischer Vielfalt verfolgt und ausgehend davon ein Nachweis einer besonderen Wichtigkeit des Schutzes der Presse gelingt, kann sich die auf das publizistische Schutzgut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bezogene Privilegierung ausgehend vom Vorbehalt der allgemeinen Gesetze auch hinsichtlich der kollidierenden Schutzgüter als angemessen erweisen. 443
§ 2 Normative Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Zielvorgaben für die Presse An die Erkenntnisse über die grundrechtlichen Bezüge des Pressefusionstatbestands (§ 1) anknüpfend, können in einem nächsten Schritt die relevanten Grundrechtsgehalte zum verfassungsrechtlichen Pressebild bzw. der „objektiven Presseordnung“ konkretisiert werden. Diese normative Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Bereich der Presse erfolgt in Anlehnung an das an anderer Stelle 444 bereits erläuterte zweistufige Verständnis von Art. 5 GG, d. h. anknüpfend an die Trennung der allgemeinen institutionellen Gehalte der Vorschrift, die allen Massenkommunikationsmitteln innewohnen, und den speziellen institutionellen Gehalten der spezifischen Freiheiten von Presse, Rundfunk und Film. Dieser Aufteilung entsprechend, kann zunächst eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verständnisses der Kommunikationsordnung 442 Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 117; Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 172 f. 443 So führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Blinkfüer-Entscheidung, BVerfGE 25, 256, 268, aus: „Zum Schutz des Instituts der Freien Presse muss die die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf die Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden. Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert deshalb den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten.“ 444 Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 2 – Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit im Gesamtkontext des Art. 5 Abs. 1 und 2GG.
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(I.) vorgenommen werden. Daran schließt die normative Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Pressebildes an (II.). I. Grundzüge der verfassungsrechtlichen Kommunikationsordnung In wechselseitigem Bezug mit dem tatsächlichen Lebenssachverhalt der Medien bilden die aus den einschlägigen Grundrechten zu ermittelnden verfassungsrechtlichen Zielvorgaben den Kern eines stabilen rechtlichen und soziologischen Komplexes, der sich unter dem Begriff der „Kommunikationsordnung“ 445 zusammenfassen lässt. Die Kommunikationsordnung umspannt alle Mediengattungen und liefert den Rahmen bzw. den „gemeinsamen Nenner“ für einen freiheitlichen medienübergreifenden Meinungsbildungsprozess. Kernelemente dieser Ordnung sind die verfassungsrechtlich vorgegebene staatliche Neutralität (1), die Entwicklungsoffenheit der Verfassung gegenüber neuen Medien (2) sowie die Vorgabe multimedialer Pluralität (3). 1. Staatliche Neutralität Da eine inhaltliche Bewertung kommunikativer Inhalte durch den Staat die Gefahr von Ungleichbehandlungen und Missbrauch birgt, verlangt die Verfassung diesbezüglich staatliche Neutralität. Von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beispielsweise wird jede Meinung, unabhängig von ihrem Inhalt, geschützt. Art. 5 Abs. 1 Satz 3, das Zensurverbot, untersagt für alle Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG 446 die Präventivzensur, also das Verbot der Veröffentlichung vor der Herstellung oder Verbreitung eines geistigen Werkes. 447 Auch dem Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG kann die Pflicht zu staatlicher Neutralität entnommen werden. Nach diesem ist es dem Staat untersagt, spezielle meinungs- oder mediumsspezifische Lenkungen vorzunehmen. Nach der Intention der Verfassungsgeber, die staatlicher Neutralität offenkundig eine hohe Bedeutung beigemessen haben, ist es verfassungsrechtlich festgeschrieben, dass der Staat sich bei der Gestaltung der Kommunikationsordnung jeglicher Form meinungspolitischer Vorgaben zu enthalten hat. Folglich kann die verfassungsrechtliche Kommunikationsordnung weder Güte noch Status eines Kommunikationssystems garantieren, sie kann keine qualitative Wertung enthalten oder ein Optimum eines Meinungsbildungsprozesses vorgeben. 448 Demge445 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 132, 139 ff., spricht von „Kommunikationsverfassung“. 446 Bleckmann, Albert, Staatsrecht II – Grundrechte, (1996), Rn. 95. 447 BVerfGE 83, 130, 155; hierzu: Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 298. 448 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 38.
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mäß wären auch Regelungen grundgesetzwidrig, die Medienunternehmen einer staatlichen Aufsicht oder Lenkung unterwerfen. Gleiches gilt für jede Art von Auflagenbegrenzung bestimmter Titel, eine Festlegung der Kommunikationsordnung auf eine thematische Ausrichtung oder eine diesbezügliche Differenzierung im Schutzniveau. 449 2. Entwicklungsoffenheit Die Verfassung ist, wie bereits an anderer Stelle betont 450, offen angelegt. Um wechselnden Schutzanforderungen sinnvoll begegnen zu können, ist der verfassungsrechtlichen und insbesondere der grundrechtlichen Interpretation die Anpassung an soziale und wirtschaftliche Veränderungen immanent. Dies gilt in besonderer Weise für die Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG sowie für die wirtschaftsfreiheitlichen Grundrechte, die einer im ständigen Fluss befindlichen Medienlandschaft gegenüberstehen und sich folglich in einem fortwährenden Anpassungsprozess befinden. Demgemäß kann auch die verfassungsrechtliche Kommunikationsordnung, nur dann den wechselnden Anforderungen gerecht werden, wenn sie als „offene“ Kommunikationsordnung ausgestaltet ist. 451 Eine solche Ordnung steht neuen Medien entwicklungsoffen gegenüber und gibt vor, dass Kommunikationstechniken staatlicherseits nicht behindert werden dürfen, sondern in ihrer Entwicklung zu schützen und zu fördern sind. 452 Eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für am Markt etablierte Medien, eine Vorgabe zum Schutz vor wachsender Konkurrenz oder sonstige Schlüsse zugunsten spezieller Kommunikationsformen können ihr nicht entnommen werden. 453 3. Vielfalt der Medien – Multimediale Pluralität Da die Artikulation, Weitergabe und Verarbeitung einer Vielzahl von Meinungen Grundpfeiler eines demokratischen Gemeinwesens ist, in der jeder Meinung
449
Dagtoglou, Prodromos, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, (1963), S. 3o f. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 2, a, aa, (1) – Entwicklungsoffenheit des Pressebegriffs. 451 Zur „Kommunikationsverfassung:“ Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 294; Zur Funktion der Presse im freiheitlich demokratischen Sozialstaat: Hoffmann-Riem, Wolfgang / Plander, Harro, Rechtsfragen der Pressereform, (1977), S. 30 ff. 452 Jarass, Hans D., Neue Medien und Verfassungsrecht, in: Grätz, Fred u. a., (Hrsg.), Neue technische Kommunikationssystem und Bürgerdialog (1979), S. 30. 453 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 14. 450
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zumindest die theoretische Möglichkeit eröffnet sein muss, gehört zu werden, damit in der Folge die Mindermeinung die Chance hat, zur Mehrheit zu werden 454, steht außer Zweifel, dass Meinungspluralität ein Kernelement der verfassungsrechtlichen Kommunikationsordnung ist. Dass die Verfassungsgeber von einem pluralen Medienwesen einen relevanten Beitrag zur Meinungsbildung erwarten, belegt die strukturelle Analyse des Art. 5 Abs. 1 GG. 455 Sowohl das Nebeneinander der einzelnen in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Medienfreiheiten als auch das Zusammenspiel von Individual- und Massenkommunikation sind zentrale Elemente einer polystrukturalen Kommunikationsordnung. 456 Das verfassungsrechtlich beschriebene Nebeneinander der Medienformen macht dabei deutlich, dass die Kommunikationsordnung des Grundgesetzes publizistische Vielfalt nicht nur innerhalb einer Mediengattung (also innerhalb der Presse oder des Rundfunks), d. h. monomedial, sondern auch zwischen den einzelnen Medien, mithin multimedial, verlangt. Auch die verfassungsrechtliche Absicherung der polystrukturalen Ordnung durch die allgemeine Handlungsfreiheit, die Vertrags-, Gründungs- 457 und Unternehmerfreiheit unterstreicht die Bedeutung, welche die Verfassungsgeber der Verschiedenartigkeit der Berechtigungen und den Strukturen der Medien zuerkannt haben. Denn in einer privatautonomen Ordnung leistet, wie ausgeführt 458, auch der Markt, z. B. durch die Beförderung der beschriebenen technischen Innovationen, einen Beitrag zu einer Marktdiversifizierung und zur Pluralisierung des Angebots. Die Entwicklung neuer Medien, vor allem die Entwicklung des Internets, ist geradezu ein Paradebeispiel funktionierender Außenpluralität. Multimedialer Vielfalt kommt folglich auch vor dem Hintergrund technischer Innovationen und mit Blick auf die, vermehrt auf verschwimmenden Märkten agierenden Medien eine wachsende Bedeutung zu. 459 Im Ergebnis sind die „pluralisierenden Wirkungen“ konkurrierender Medien als beachtlich einzustufen. Von ihnen kann ein potenzieller Ausgleich für Monopolisierungen bzw. Oligopolisierungen im Bereich eines Mediums erwartet werden. 460 Die in der Verfassung angelegten Wurzeln multimedialer Pluralität 454
Hesse, Albrecht, Rundfunkrecht, (1999), S. 63. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 2, a – Ansatz einer medienübergreifenden Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG. 456 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 248. 457 Diese ist beim Rundfunk eingeschränkt, soweit er privatrechtlich organisiert ist sie jedoch auch trotz der Notwendigkeit der Durchführung von Zulassungsverfahren grundsätzlich gewährleistet. 458 Vgl. Teil 1, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II. – Vielfaltssicherung als spezifischer Aspekt der Wettbewerbssicherung im Zeitungsmarkt. 459 Scholz, Rupert, Zukunft von Rundfunk und Fernsehen, AfP (1995), S. 360. 460 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 43 f., 172 f. 455
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nehmen dabei auch Forderungen nach binnenpluralen Ersatzstrukturen ihr Gewicht. 4. Zwischenergebnis In wechselseitigem Bezug zum tatsächlichen Lebenssachverhalt der Medien bilden die verfassungsrechtlichen Vorgaben der einschlägigen Grundrechte den Kern eines stabilen rechtlichen und soziologischen Komplexes, der sich unter dem Begriff der „Kommunikationsordnung“ zusammenfassen lässt. Die Kommunikationsordnung umspannt – anknüpfend an das systematische Verständnis des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG – als „gemeinsamer Nenner“ der Medienfreiheiten alle Mediengattungen und liefert den Rahmen für einen freiheitlichen medienübergreifenden Meinungsbildungsprozess. Ein Kernelement der Kommunikationsordnung ist die staatliche Neutralität, nach welcher die Kommunikationsordnung weder Güte noch Status eines Kommunikationssystems garantiert. Ihr können keine Vorgaben im Hinblick auf ein Optimum eines Meinungsbildungsprozesses und keine qualitativen Wertungen entnommen werden. 461 Ein weiterer Grundpfeiler der Kommunikationsordnung ist deren Entwicklungsoffenheit, der zufolge die Kommunikationsverfassung neuen Medien offen gegenübersteht und deren Entwicklung sie verfassungsrechtlich schützt. 462 Eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für ehemals am Markt etablierte Medien oder eine Vorgabe zum Schutz vor wachsender Konkurrenz anderer Medien enthält sie nicht. Schließlich ist die Kommunikationsordnung polystruktural ausgestaltet. Die verfassungsrechtliche Kommunikationsordnung verlangt daher auch von der multimedialen publizistischen Vielfalt einen relevanten Beitrag zur Meinungsbildung. II. Das Pressebild des Grundgesetzes unter Beachtung wirtschaftsverfassungsrechtlicher Implikationen Neben dieser, in den übergreifenden Gehalten des Art. 5 Abs. 1 GG wurzelnden, allgemeinen Kommunikationsordnung stehen die Gewährleistungen der spezifischen Medienfreiheiten, die darüber hinausgehende, differenzierte Vorgaben 463 enthalten. 464 Auf die normative Konkretisierung der Gehalte des 461
Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 38. Jarass, Hans D., Neue Medien und Verfassungsrecht, in: Grätz, Fred u. a., (Hrsg.), Neue technische Kommunikationssystem und Bürgerdialog (1979), S. 30: „Der Staat darf neue Medientechniken, soweit sie reale Kommunikationsfreiheit möglichst vieler Bürger erhöhen, nicht behindern, vielmehr ist ihre Entwicklung auch seine Aufgabe.“ 462
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Grundrechts der Pressefreiheit soll nachfolgend das Augenmerk gerichtet werden, wobei die soeben zur Kommunikationsverfassung gefundenen „vor die Klammer“ der Einzelgewährleistungen gezogenen Erkenntnisse freilich ebenfalls Geltung für das Einzelmedium beanspruchen. Ebenso wie die anderen Medien darf die Presse demnach keiner Lenkung durch die öffentliche Gewalt unterliegen, sie muss unabhängig und entwicklungsoffen gestaltet sein. 465 Daneben garantiert das Grundrecht der Pressefreiheit die Freiheit des Pressewesens insgesamt. Allerdings ist von dieser Garantie ebenso wenig ein „Institut Presse“ (1) im Sinne verfassungsrechtlicher Einrichtungsgarantien umfasst wie eine verfassungsrechtliche normierte „öffentliche Aufgabe“ (2) der Presse. Die Garantie der „Freiheit der Presse insgesamt“, die im Grundrecht der Pressefreiheit als eine objektive Wertentscheidung enthalten ist, beschreibt vielmehr ein System der „Freien Presse“ (3), das vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Betätigung der Presse auch durch die verfassungsrechtliche Wirtschaftsordnung geprägt ist (4). 466 1. Ablehnung eines „Instituts Presse“ Im sogenannten Spiegel-Urteil 467 gelangte das Bundesverfassungsgericht zu einer Feststellung, die Fragen in Bezug auf den institutionellen Gehalt des Grundrechts der Pressefreiheit aufwarf. Das Gericht betonte in dieser Entscheidung, dass der Staat unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner verpflichtet sei, in seiner Rechtsordnung überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. In Anerkennung der besonderen Bedeutung einer freien, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkten Presse für die moderne Demokratie wurde die institutionelle Eigen-
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In ihren spezifischen institutionellen Gehalten können sich Presse- und Rundfunkfreiheit unterscheiden. So wird z. B., anders als bei der Pressefreiheit, eine Gründungsfreiheit nicht als Bestandteil der institutionellen Seite Rundfunkfreiheit gesehen, vielmehr wird von einer institutionell abgeleiten Zulassungspflicht ausgegangen. Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 45. Auf die Unterschiede zwischen der institutionellen Deutung der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit wurde bereits im Zusammenhang mit der dogmatischen Herleitung eines Vielfaltsgebots ausführlich eingegangen. Gleichsam wird die Pressefreiheit mit Blick auf die institutionelle Gewährleistung tatbestandlich weiter gesehen als die Meinungsfreiheit. Tettinger, Peter, Schutz der Kommunikationsfreiheiten im deutschen Verfassungsrecht, JZ (1990), S. 847, 849; für die Pressefreiheit: BVerfGE 10, 118, 121. 464 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 243. 465 Vgl. insoweit oben die allgemeinen Ableitungen „Offenheit und staatliche Neutralität“ und „Pluralität“. 466 M. w. N. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 48. 467 BVerfGE 20, 162 ff.
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ständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung als geschützt angesehen. 468 Zweifelsohne wird mit diesen Worten die herausgehobene Position der Presse für das demokratische Gemeinwesen betont. Dass das Grundrecht der Pressefreiheit eine institutionelle Garantie oder eine Institutsgarantie der „Freien Presse“ im Sinne der Lehre der Einrichtungsgarantien enthält, kann diesen Ausführungen mit guten Gründen allerdings nicht entnommen werden (b). 469 Bevor auf die entsprechenden Gründe eingegangen wird, sind zunächst die unter die sogenannten Einrichtungsgarantien fallenden verfassungsrechtlichen Systeme begrifflich abzugrenzen (a). a) Begriffliche Abgrenzung: Einrichtungsgarantie, institutionelle Garantie, Institutsgarantie Die Anfänge der Lehre von den Einrichtungsgarantien 470 fallen in etwa zusammen mit der Entdeckung der grundrechtlichen Verwurzelung der Rechtsinstitute des Privatrechts wie Ehe und Familie, Eigentum und Erbrecht. 471 Mit der Einstufung eines Rechtsinstituts als Einrichtungsgarantie sollte deutlich gemacht werden, dass bestimmte Einrichtungen einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz vor Aushöhlung und Beseitigung durch den einfachen Gesetzgeber genießen. Auch die Herausstellung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte ist dementsprechend ein Verdienst dieser Zeit. Ausführungen zur „institutionellen Seite“ der Grundrechte sind dabei seit jeher geprägt von unterschiedlichsten Begrifflichkeiten wie „institutionelle Garantie“, „Einrichtungsgarantie“ oder „Institutsgarantie“. Richtigerweise bildet die „Einrichtungsgarantie“ den Oberbegriff für die sich gegenüberstehenden institutionellen Garantien und die Institutsgarantien. 472 Unter einer institutionellen Garantie ist dabei die verfassungsrechtliche Gewährleistung einer öffentlich-rechtlichen Institution als solcher zu verstehen. Typische Beispiele sind die kommunale Selbstverwaltung oder das Berufsbeamtentum. Die Institutsgarantie 468
BVerfGE 20, 162, 174 ff. Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 12. 470 Grundlegend: Schmitt, Carl, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung (1931), in: Schmitt, Carl, (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze (1958), S. 140 ff. Weiterführend hierzu: Stern, Klaus, Einrichtungsgarantien, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/1 (1988), S. 751 ff. 471 Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 489. 472 Grundlegend: Schmitt, Carl, Verfassungslehre, (1928), S. 170 ff.; Schmitt, Carl, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung (1931), in: Schmitt, Carl, (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze (1958), S. 140 ff. 469
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bezeichnet hingegen verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsinstitute privatrechtlicher Art, z. B. das Eigentum und die Ehe sowie das Erbrecht. Beim Eigentum beispielsweise handelt es sich um vermögenswerte Positionen, die der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterfallen, soweit sie nach einfachem Recht tatbestandlich als Eigentum anzusehen sind, also der einfache Gesetzgeber das Eigentum in diese Richtung konkretisiert hat. Das grundrechtliche Schutzgut wird hier durch staatliches Recht konstituiert. Gleiches gilt für die Institute Ehe und Familie, die ebenfalls durch den Gesetzgeber konstituiert werden und durch sogenannte verfassungsrechtliche Institutsgarantien gesichert sind. b) Einwände gegen die Einordnung der Presse in die Kategorien der Einrichtungsgarantie Wird die klassische Lehre der Einrichtungsgarantien auf das Grundrecht der Pressefreiheit bzw. das „Institut Freie Presse“ übertragen, entfernt sie sich von den oben beschriebenen Inhalten. Das Grundrecht der Pressefreiheit garantiert nämlich weder eine „öffentliche Meinungsfreiheit“ 473, also eine öffentlich-rechtliche Institution, noch ein mit der Ehe oder dem Eigentum vergleichbares privatrechtliches „Institut Presse“. 474 Diese Ansicht findet allerdings keine ungeteilte Zustimmung. Aus dem unzweifelhaften Faktum, dass der demokratische Staat nur Bestand haben kann, wenn sich das Volk in Wahlen und sonstigen freien Meinungsäußerungen zu einer eigenständigen, freien Meinung bekennen kann, wird nämlich gefolgert, dass der Ausgangspunkt der grundrechtlichen Deutung der Pressefreiheit nicht der Einzelne, sondern die in einem demokratischen Rechtsstaat organisierte Gesellschaft sei. In einem nächsten Schritt wiederum wird daraus auf einen primär institutionellen Charakter der in Art. 5 GG enthaltenen Gewährleistungen geschlossen und schließlich der Versuch unternommen, die Pressefreiheit überhaupt mehr dem Art. 21 GG als dem Freiheitsrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zuzuordnen. 475 Die Presse wird jedoch, auch wenn ihre Funktionsfähigkeit zu den elementaren Voraussetzungen einer funktionierenden demokratischen Ordnung gehört, nicht Teil organschaftlicher Demokratie. Zum einen gehört die Presse, die sich privatwirtschaftlich organisiert und im gesellschaftlichen Raum frei bilden kann 476, 473 Ridder, Helmut, Meinungsfreiheit, in: Neumann, Franz L. / Nipperdey, Hans Carl / Scheuner, Ulrich, (Hrsg.), Die Grundrechte (1954) S. 249 ff. 474 BVerfGE 10, 118, 121; Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 30. 475 Ridder, Helmut, Die öffentliche Aufgabe der Presse im System des modernen Verfassungsrechtes, (1962), S. 1 ff., 18. 476 BVerfGE 20, 162, 174 ff.
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nicht zu den institutionell in die Staatsorganisation einbezogenen Einrichtungen, wie dies für die Annahme einer institutionellen Garantie erforderlich wäre. 477 Ferner erlangt die Presse trotz ihres bedeutsamen Beitrags für die demokratische Ordnung keine organisierte Demokratieverantwortung, sodass der Status der Presse auch nicht mit dem der politischen Parteien 478 als schon von Verfassungs wegen institutionellen Mitträgern der demokratischen Staatsverfassung und Staatsorganisation vergleichbar ist. 479 Auch wenn die Presse real wichtige Funktionen für die Demokratie und ihren Willensbildungsprozess ausübt, erfüllt sie keine ihr (verfassungs-)rechtlich übertragene Aufgabe, sondern nur eine tatsächliche, also allein soziologisch definierbare Öffentlichkeitsfunktion. Ebenso wenig wie das Grundrecht der Pressefreiheit eine institutionelle Garantie „Presse“ enthält, fällt die Presse auch in die Kategorie grundrechtlicher Institutsgarantien. Während nämlich in Art. 14 GG bzw. Art. 6 GG mit dem Eigentum und der Ehe echte Institute der Privatrechtsordnung unter den Schutz der Verfassung gestellt sind, würde eine entsprechende Institutionalisierung der Presse kein solches privatrechtliches Institut, sondern einen von menschlichem Verhalten getragenen Sozialbereich erfassen. Presse ist lediglich Ergebnis der „tatsächlichen massenhaften Ausübung des Grundrechts“ 480. Das Grundrecht umfasst damit die rechtliche Sicherung der Freiheit „als solcher“, also der Existenz- und Wirkungsmöglichkeiten der Presse im Sinne einer Garantie der Entfaltungsmöglichkeiten, nicht hingegen ein rechtliches Institut, das gesetzgeberischer Konstituierung bedarf. 481 Die privatrechtlich organisierte Presse ist eben „lediglich“ einer von vielen Teilnehmern des Wirtschaftslebens und damit „ebenso wenig ein Rechtsinstitut wie das organisierte Schneiderhandwerk“ 482. Eine Institutsgarantie der Presse widerspräche überdies auch der Natur der – ständigen technischen Neuerungen gegenüberstehenden – Kommunikationsgrundrechte. Denn anders als Freiheitsgarantien sind Einrichtungsgarantien statische Elemente der Verfassungsordnung, die tendenziell zu einer Verfestigung bestehender Strukturen führen und die Mobilität sowie Spontaneität gesellschaft477
M. w. N. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 48. Sie nehmen offiziell an Wahlen und Abstimmungen teil, sie haben ein verfassungsrechtlich definierte Position im Staat, die Presse hingegen bleibt außerhalb des institutionellen Verfassungsleben, sie nimmt „von außen“ Einfluss auf politische Vorgänge. Vgl. Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 31. 479 „Die Parteien streben legitim die Beteiligung an der Macht an [...]. Die Presse dagegen zielt nur auf Einfluss auf politische Vorgänge, sie bleibt stets außerhalb der Formen des Verfassungslebens.“ Vgl.: Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 30.; Kunert, Wolfgang, Pressekonzentration und Verfassungsrecht, (1971), S. 65. 480 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 12. 481 Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999), S. 240 f. 482 Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 27. 478
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licher Entwicklungsprozesse nicht umfassend widerspiegeln können. 483 Auch kann der Staat – den Institutsgarantien entsprechend – nicht verpflichtet sein, losgelöst von den realen Entwicklungen und Gegebenheiten unzeitgemäße Techniken der Kommunikation zu konservieren. Es wäre schlicht widersinnig, wenn der Staat die Existenz der Presse auch dann gewährleisten müsste, wenn durch die Entwicklung anderer Kommunikationsformen die freie Meinungsbildung auf anderem Wege in vollem Umfang gesichert ist. Dass die Pressefreiheit selbst nicht zu einem Rechtsinstitut und noch weniger zu einer organisierten Institution des öffentlichen Rechts erhoben werden kann, wurde bereits zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung vertreten. Denn nachdem die Einrichtungsgarantien der Weimarer Reichsverfassung 484 die jeweiligen Schutzobjekte der gesetzgebenden einfachen Mehrheit des Parlaments entzogen, wurde es als verfehlt angesehen, Einrichtungen des privatrechtlich geordneten Lebens in den Rang einer Institution im Rechtssinne zu erheben. 485 Im Ergebnis kommt damit der Presse als „Einrichtung“ keine selbstständige, von der subjektiven Grundrechtsgewährleistung losgelöste rechtliche Bedeutung zu. Auch die Verknüpfung von pressespezifischen Sachverhalten mit dem Adjektiv „institutionell“ kann die Presse nicht in den Bereich der Einrichtungsgarantien rücken. 486 Mit sogenannten institutionellen Gehalten der Pressefreiheit können nach dem oben Gesagten richtigerweise nur die typischen, auf den unterverfassungsrechtlichen Normen beruhenden Züge eines Grundrechts beschrieben werden, die dem „Wesensgehalt“ des Grundrechts entsprechen. Einzig und allein in diesem Verständnis kann die grundrechtlich freie Presse auch als „Institut“ bezeichnet werden. Dieses „Institut Freie Presse“ wiederum kann nur nach Maßgabe der zugrunde liegenden subjektiven Rechte bestehen und keinen Umschlag in eine qualitative Erweiterung des Grundrechts bewirken. Auch bietet es keinen Ausgangspunkt für die Beschränkung der Freiheit selbst. 487 Eine Gewährleistung des mit der Betätigung der Pressefreiheit verbundenen gesellschaftlichen Sachverhalts „Presse“ im Sinne einer institutionellen Existenzverbürgung ist abzulehnen.
483 Isensee, Josef, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, (1968), S. 263 f.; Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 231 f.; Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 22. 484 Vgl. Art. 127, 129, 137 WRV: kommunale Selbstverwaltung, Berufsbeamtentum. 485 Vgl. Schmitt, Carl, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung (1931), in: Schmitt, Carl, (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze (1958), S. 140 ff. 486 Rupp, Hans Heinrich, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 172. 487 Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 27.
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2. Ablehnung einer „öffentlichen Aufgabe“ der Presse Unter Berücksichtigung der unter Ziff. 1 dargelegten Argumentation (zur Ablehnung eines „Instituts Presse“) kann auch der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ der Presse lediglich eine Funktion beschreiben, welche die Presse tatsächlich wahrnimmt. Ein weitergehendes Verständnis dieser „öffentlichen Aufgabe“ in Richtung einer rechtlichen Verpflichtung oder einer Grundlage für rechtliche Beschränkungen ist mit dem Freiheitsrecht hingegen nicht vereinbar. 488 Die sogenannte öffentliche Aufgabe der Presse ist deutlich von der öffentlich-rechtlichen 489 bzw. staatsrechtlichen Aufgabe 490 zu unterscheiden. 491 Letztere existiert für die Presse, die gerade grundrechtsberechtigt und nicht grundrechtsverpflichtet ist, nicht. Einer öffentlichen „Aufgabenzuweisung“ an die Presse muss dabei nicht nur mit Blick auf das nationalsozialistische Schriftleitergesetz vom Oktober 1933 492 mit Vorsicht begegnet werden. 493 Aus einer in diesem engen Sinne verstandenen „öffentlichen Aufgabe“ müsste nämlich auch eine dem Staat zugewiesene Aufgabenerfüllung bzw. die Aufgabe der Überwachung der Erfüllung resultieren. Eine solche Zuweisung hat der Verfassungsgeber jedoch nicht vorgenommen. 494 Im Gegenteil: Anknüpfend an die freiheitlich-privatrechtliche Struktur der Presse existiert eine normative, d. h. öffentlich-rechtliche, Aufgabe der Presse nicht und dürfte kraft des Verbotes einer „verstaatlichten Presse“ auch nicht begründet werden. Eine „öffentlich-rechtliche“ Funktion der Presse würde Staatsorganen 488 Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 20; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 85. 489 BVerfGE 31, 337 ff. 490 Die Unterscheidung von öffentlicher und staatlicher Aufgabe vorschlagend: Peters, Hans, Öffentliche und staatliche Aufgaben, in: (Hrsg.), Festschrift für Nipperdey (1965), Band II, S. 877 ff.; Klein, Hans H., Zum Begriff der öffentlichen Aufgabe, DÖV (1965), S. 755, 756. Arndt spricht bei der Bezeichnung „öffentliche Aufgabe“ sogar von einer „lebensgefährlichen Sprachverwirrung“, denn die freiheitliche Verfassung stelle öffentliche Aufgaben imperativ stets einzig und allein den Staatsorganen, nicht hingegen den Bürgern. Er räumt jedoch ein, dass sich eine Verfassungsnorm parallel dazu auch „evokativ“ an den Bürger richten kann. Vgl. Arndt, Adolf, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, in: Löffler, Martin, (Hrsg.), Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie (1966), S. 4. 491 Vgl. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 85; Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 206 ff. 492 RGBl. I S. 713. Darin wurde die öffentliche Aufgabe der Presse als öffentlichrechtliches Pflichtenverhältnis verstanden. 493 Rehbinder, Manfred, Schweizerisches Presserecht, (1975), S. 25 ff.; Rehbinder, Manfred, Öffentliche Aufgabe der Presse: Was ist das?, NJW (1963), S. 1388. 494 Schnur, Roman, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 115 ff.; Forsthoff, Ernst, Tagespresse und Grundgesetz, DÖV (1963), S. 633, 635; Dagtoglou, Prodromos, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, (1963), S. 23 ff.
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unzulässigerweise ermöglichen, der öffentlichen Meinung z. B. vermittels einer Schutzbereichskonkretisierung vorzuschreiben, mit welchen Gegenständen sie sich befassen darf und auf welchem Niveau die Auseinandersetzung zu erfolgen hat. Dies widerspräche den Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 GG, und zwar nicht nur im Hinblick auf das in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 normierte Zensurverbot, sondern auch vor dem Hintergrund des funktionalen Zusammenhangs des Art 5 Abs. 1 GG mit der verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, nach der dem Bürger grds. gestattet ist, „zu tun und zu lassen, was er will“. Der Grundrechtsberechtigte muss danach auch im Kontext der Presse unabhängig von staatlichen Vorgaben z. B. in Bezug auf Inhalt und Form des Journalismus seinen geistigen Bedürfnissen nachkommen dürfen. 495 Eine Deutung der Pressefreiheit, die unmittelbar an eine besondere „öffentliche Funktion“ geknüpft ist, würde dem widersprechen. Eine „Verstaatlichung“ oder Einordnung der Presse in öffentliche Organisationsformen vermittels Zuweisung „öffentlicher Aufgaben“ ist mithin unzulässig. 496 Einer staatswissenschaftlichen bzw. soziologischen Umschreibung der Bedeutung der Presse für den demokratischen Staat mit dem Begriff der öffentlichen Aufgabe steht indes – abgesehen von der Zweideutigkeit der Formulierung – nichts entgegen. 497 3. Normative Konkretisierung des Instituts „Freie Presse“ An die soeben gefundene Erkenntnis der Ablehnung einer Einrichtungsgarantie bzw. einer öffentlichen Aufgabe der Presse schließt sich notwendigerweise die Frage an, wie das weniger formale verfassungsrechtliche Leitbild 498 des Instituts der „Freien Presse“ 499 gezeichnet ist bzw. welche Gestalt das im verfassungsrechtlichen Sinne „richtige“ Pressebild hat. 500 Kernelement des verfassungsrechtlichen Pressebildes ist neben der Freiheit eigengesetzlicher journalistischer Betätigung (b) vor allem die Vielfältigkeit der 495 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 119 ff. 496 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 84 f. 497 Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 20. Dass der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ in den Landespressegesetzen oder den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen nicht identisch ist mit der „öffentlichen Aufgabe“ in § 1 des Schriftleitergesetzes vom Oktober 1933, RGBl. I S. 713, steht nicht in Zweifel. 498 Czajka, Dieter, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe“ der Presse, (1968), S. 153. 499 BVerfGE 12, 205, 260 ff. 500 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 180, betont, dass eine Vorstellungen von einer (richtigen) Gestalt des Pressewesens selbst der liberalsten Deutung des Freiheitsrechts zugrunde gelegen habe.
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Presse (a). Da die Presse als privatwirtschaftlich organisierter Teilnehmer am Markt agiert, wird das verfassungsrechtliche Pressebild daneben auch durch die verfassungsrechtliche Wirtschaftsordnung in zentraler Weise geprägt (c). a) Pressevielfalt Grundlage der verfassungsrechtlich herausgehobenen Rolle der Medien im Allgemeinen und der Presse im Besonderen ist, wie bereits mehrfach beschrieben, deren Bedeutung für die Demokratie aufgrund ihrer Funktion der Verbreitung einer Vielzahl von Meinungen. Unklar ist hingegen noch, ob bzw. welche Vorgaben die Verfassung enthält, um die Verbreitung einer Vielzahl von Meinungen und damit die zentrale Funktion der Presse sicherzustellen. Zur Präzisierung des verfassungsrechtlichen Vielfaltsverständnisses und entsprechender Vorgaben ist zunächst sowohl zwischen Meinungsvielfalt und Pressevielfalt (aa) als auch zwischen der Vielfalt in der Presse (Innenpluralität) und der Vielfalt der verschiedenen Presseorgane (Außenpluralität) (bb) zu unterscheiden. aa) Verhältnis von Meinungsvielfalt und Pressevielfalt Auch wenn in pressespezifischen Kontexten häufig wahlweise von Meinungsvielfalt oder Pressevielfalt gesprochen wird, sind diese Begriffe nicht deckungsgleich. 501 Anders als die Meinungsvielfalt ist die Pressevielfalt bereits aufgrund ihrer Natur beschränkt. 502 Während Meinungen in unbegrenzter Zahl und z.T. auch unausgesprochen existieren können, ist es keinem Presseorgan möglich, eine unendliche Vielzahl von Meinungen tatsächlich wiederzugeben. Ferner kann eine Vielfalt von Meinungen auch ohne deren tatsächliche Kundgabe bestehen, Pressevielfalt hingegen existiert nicht ohne die tatsächliche Veröffentlichung der Information. Schließlich weichen die Vielfaltskategorien insoweit voneinander ab, als Meinungsvielfalt bereits durch jede „neue“ Meinung erhöht wird, eine unendliche Vielzahl von Pressestimmen allerdings nicht zwingend ein „Mehr“ an Vielfalt bedeutet. Dies gilt z. B. dann, wenn Presseorgane gleichgeschaltet werden oder das hinzukommende Angebot nicht mehr am Markt verarbeitet werden kann bzw. auf keinen Käufer stößt. 503 501
Zu den Unterschieden: Roellecke, Gerd, Die Garantie der Pressefreiheit und Maßnahmen gegen die Pressekonzentration, BB (1968), S. 1440; Gerhardt, Erwin, „Pressevielfalt“ – ein oft gebrauchter, doch ungeklärter Begriff, AfP (1980), S. 202. Bezüglich letzterer Einschränkung des Begriffs Pressevielfalt siehe auch: Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? (1992), S. 10; Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, Media Perspektiven (1992), S. 358. 502 Gerhardt, Erwin, „Pressevielfalt“ – ein oft gebrauchter, doch ungeklärter Begriff, AfP (1980), S. 202.
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Zwar müssen sich diese Unterschiede von Meinungsvielfalt und Pressevielfalt in der Rechtsanwendung nicht zwingend niederschlagen, sie verdeutlichen indes, dass die Presse Vermittler von Meinungen bzw. Medium zur Verbreitung von Meinungen ist. So wie die Presse die Verbreitung von Meinungen unterstützt, dient 504 die Pressefreiheit der Verwirklichung der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Individualfreiheiten. 505 Pressevielfalt befördert mithin die Meinungsvielfalt, ohne allerdings zugleich notwendige Bedingung für die Existenz von Meinungsvielfalt zu sein. bb) Verhältnis von Innen- und Außenpluralität als Teilaspekt der „inneren Pressefreiheit“ Das noch weich konturierte Verständnis von Pressevielfalt als Element des verfassungsrechtlichen Pressebildes bedarf noch weitergehender Präzisierung. Zu klären ist insbesondere, ob aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Umsetzung von Pressevielfalt vermittels medienexterner, also außenpluraler, oder medieninterner, d. h. binnenpluraler, Vielfalt vorzugswürdig ist. Der Begriff der medienexternen Pluralität bezeichnet hier eine durch verschiedene am Markt agierende Presseunternehmen hergestellte Vielfalt, die u. a. über den Markt und den Wettbewerb vermittelt und z. B. über das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen 506 gesichert wird. Medieninterner Pluralismus hingegen beschreibt eine vielfältige Struktur innerhalb eines Mediums, die bei der Presse häufig mit dem Begriff der „inneren Pressefreiheit“ 507 verbunden wird und deren Sicherung beim Rundfunk z. B. durch den Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erfolgen soll. 503 Bezüglich letzterer Einschränkung des Begriffs Pressevielfalt siehe auch: Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, in: Rager, Günther / Weber, Bernd, (Hrsg.), Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? (1992), S. 10; Rager, Günther / Weber, Bernd, Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik, Media Perspektiven (1992), S. 358. 504 Dies wiederum erklärt die Bezeichnung der Medienfreiheiten als „dienende Freiheiten“, vgl. BVerfGE 57, 295, 319. 505 Noch weiter gehender: Scholz, Rupert, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ (1981), S. 563, der von einer dienenden Funktion der Massenmedien im Verhältnis zu den Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG spricht; vgl. auch: Scholz, Rupert, Medienfreiheit und Publikumsfreiheit, in: Studienkreis für, Presserecht Pressefreiheit, (Hrsg.), Presserecht und Pressefreiheit – Festschrift für Martin Löffler zum 75. Geburtstag (1980), S. 356 f. 506 § 35 ff. GWB. 507 Vgl. hierzu statt vieler: Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 122 ff.; Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, (1974); Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 61 ff.; Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 158.
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In welcher Form und Intensität auch das Modell der inneren Pressevielfalt einen Beitrag zur publizistischen Vielfalt leisten kann und ob Defizite der Außenpluralität durch eine innere Pressevielfalt kompensiert werden können, ist umstritten. 508 Die Sicherung von Außenpluralität wird vor dem Hintergrund der Schwächen privatrechtlicher Organisationen z.T. für nutzlos erachtet und daher gefordert, die äußere Pressevielfalt in Anlehnung an die Konzepte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch binnenpluralistische Unternehmensstrukturen zu ersetzen. 509 Dieser Ansatz ist abzulehnen. Die grundgesetzliche Pressefreiheitsgarantie kennt nämlich kein dem außenpluralen Modell vorgehendes System innerer Pressefreiheit. 510 Auf binnenplurale Strukturen kann allenfalls zur Kompensation verloren gegangener oder sich verlierender Außenpluralität zurückgegriffen werden. Eine vorrangige Alternative zur Außenpluralität stellt die Binnenpluralität jedoch nicht dar. Abgesehen davon, dass Pluralität vor dem Hintergrund der inhaltlichen Offenheit der Verfassung und der Kommunikationsordnung nicht als staatsgesteuertes (statisches) Modell aufgefasst werden kann und sich auch keine normativen Vorgaben für eine binnenpluralistische Organisation finden, ist auch an dieser Stelle 511 darauf zu verweisen, dass die Verfassung mit der in Art. 5 und 12, 14 GG verwurzelten privatrechtlichen Struktur der Presse eine dezentrale Zuständigkeitsordnung beschreibt. 512 Diese sieht gerade keine homogene Struktur von (privaten) Institutionen mit öffentlicher Wirkung vor, sondern versteht vielmehr die Verschiedenartigkeit der Strukturen und der Berechtigungen der Institutionen als speziellen Beitrag zur Gewaltenteilung und zur Vielfalt der Medien. 513 Die Verfassungsgeber haben danach offenkundig das faktische Vorhandensein einer Vielzahl von Presseerzeugnissen als Voraussetzung für eine von staatlichen Einflüssen freie Presse angesehen. Auch die Systematik des Art. 5 Abs. 1 GG belegt dies. Darin ist ein polystrukturales Mediensystem festgeschrieben, welches aus sich heraus Vielfalt hervorbringt. Eine vergleichbare Anknüpfung für einen medieninternen Pluralismus findet sich im Grundgesetz nicht.
508 Die Vielfaltsproblematik ist richtigerweise nur ein Teilaspekt der „inneren Pressefreiheit“, zu weiteren diesbezüglichen Frage des Verhältnisses von Verleger und Journalist, vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II., 3, b – Freiheit des publizistisch geistigen Schaffens. 509 Krüger, Herbert, Die öffentlichen Massenmedien als notwendig Ergänzung der privaten Massenmedien, (1965), S. 31 ff. 510 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 122 ff. 511 Teil 1, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II. – Vielfaltssicherung als spezifischer Aspekt der Wettbewerbssicherung im Zeitungsmarkt; Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I., 3 – Vielfalt der Medien – Multimediale Pluralität. 512 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 247. 513 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 46.
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Ferner ist auch mit Blick auf das Sozialstaats- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber der Binnenpluralität der Presse neben der Außenpluralität nur eine Nebenrolle bei der Sicherung von Vielfalt zuerkannt hat. Die Sicherung von Binnenpluralität bedürfte nämlich im Vergleich zur Steuerung der Vielfalt durch Marktprozesse intensiverer staatlicher Einflussnahme mit der Folge stärkerer Grundrechtsbeschränkungen. Diese erscheint vor dem Hintergrund des milderen – und jedenfalls nicht belegt weniger effektiven – Sicherungsmittels des Wettbewerbs schwer rechtfertigbar. Ferner ist Kern sozialstaatlicher Grundrechtspolitik der Ausgleich verloren gegangener (!) Freiheitspositionen durch staatliche Steuerung. Demgemäß kann erst der erfolgte Verlust von Außenpluralität Forderungen nach Binnenpluralität legitimieren. Binnenplurale Strukturen sind mithin als nachrangig anzusehen. Der Vorrang außenpluraler Vielfaltssicherung findet überdies auch insoweit seine Berechtigung, als die Geeignetheit des binnenpluralen Konzepts zweifelhaft ist. Denn ein auf wenige oder einen Marktteilnehmer beschränkter Markt erhöht im Gegensatz zur Konkurrenz wirtschaftlich voneinander zu unterscheidender, selbstständiger Marktteilnehmer das Risiko publizistischen Gleichschaltung. 514 Dieses Vorrangverhältnis zwischen Außen- und Binnenpluralität erkennt schließlich auch das Bundesverfassungsgericht jedenfalls implizit an, wenn es betont, dass die Aufgabe der Presse, „umfassende Information zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten [...], die Existenz einer relativ großen Zahl selbständiger, vom Staat unabhängiger und nach ihrer Tendenz, politischer Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierender Presseerzeugnisse“ 515 voraussetzt. b) Freiheit des publizistisch geistigen Schaffens Da die Binnenorganisation eines Presseunternehmens neben der Frage der Relevanz binnenpluraler Strukturen für die Vielfaltssicherung auch die Frage der Machtverteilung zwischen Verleger und Redakteur, die sogenannte Tendenzautonomie (aa), berührt, ist die „innere Pressefreiheit“ auch für die Freiheit des publizistisch geistigen Schaffens, einem weiteren Aspekt des verfassungsrechtlichen Pressebildes, von Bedeutung. Daneben wird der Blick auch auf den Schutz des Redaktionsgeheimnisses zu richten sein (bb), welches neben der Tendenzautonomie ein weiteres bedeutsames Element publizistischer Freiheit darstellt. 514 Teil 1, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II. – Vielfaltssicherung als spezifischer Aspekt der Wettbewerbssicherung im Pressemarkt. 515 BVerfGE 52, 283, 296.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
aa) Tendenzautonomie als Teilaspekt der „inneren Pressefreiheit“, der Freiheit publizistischer Tätigkeit und der Staatsfreiheit Derjenige, der die wirtschaftliche Verantwortung für das Blatt trägt, typischerweise der Verleger, ist befugt, die publizistische Linie des Presseerzeugnisses zu bestimmen. 516 Insoweit steht ihm, gegenüber dem für ihn arbeitenden Journalisten, ein (arbeitsrechtliches) Direktionsrecht bzw. Tendenzrecht zu. Er kann, da er im Rahmen seiner Privatautonomie auch darüber entscheidet, mit welchem Vertragspartner er kontrahiert, danach z. B. auch darüber befinden, ob er mit einem unkooperativen Journalisten, der seinem Direktionsrecht nicht folgt, arbeiten oder ob er das Arbeitsverhältnis beenden möchte. Die Tendenzautonomie des Verlegers als Anerkennung des durch die Eigenart des geistigen Schaffens geprägten Presseunternehmens ist ebenso wie das Recht des Journalisten, einen Beitrag mit einer ihm nicht entsprechenden „Tendenz“ nicht zu schreiben, Ausfluss der Freiheit der publizistischen Tätigkeit. Diese wirkt zwar auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG notwendigerweise nur gegenüber dem Staat und nicht gegenüber dem gleichgeordneten Partner, doch stellt sich auch im Gleichordnungsverhältnis die Frage, inwieweit die verfassungsrechtlichen Rechte von Verleger und Redakteur in einen – verfassungskonformen – Ausgleich gebracht werden können. 517 Denn weder darf die Verlegerfreiheit in der Weise eingeschränkt werden, dass der Verleger z. B. nicht in der Lage wäre, ein Blatt mit einer einheitlichen politischen Tendenz am Markt zu platzieren, noch darf die journalistische Freiheit über Gebühr, d. h. so eingeschränkt werden, dass die Vielfältigkeit der verschiedenen journalistischen Meinungen kein Gehör mehr finden kann, ohne auf die „Einheitsmeinung“ des Verlegers getrimmt zu sein. Es wird im Hinblick auf diese Frage vertreten, dass der Journalist vermittels einer „inneren Pressefreiheit“, als Teil des Schutzbereichs des Grundrechts der Pressefreiheit, vor Eingriffen des Verlegers in seine journalistische Freiheit besonders geschützt sei. Abgesehen von der Problematik der Wirkung des Abwehrrechts gegenüber Privaten ist diese Ansicht nur insoweit richtig, als natürlich jeder Journalist ein zentraler Teil des Zeitungsunternehmens ist und ihm als solcher das Recht der geistig publizistischen Freiheit umfassend zusteht. Gleiches muss indessen auch für den Verleger gelten. Das Grundrecht der Pressefreiheit kennt schließlich keine gespaltene Grundrechtsträgerschaft; d. h. beide, Verleger 516
BVerfGE 52, 283, 296 ff. Weitergehend: Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, (1974); Forsthoff, Ernst, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, (1969), S. 32 ff.; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 122 ff.; Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 106 ff. 517
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und Redakteur, sind in gleichem Umfang Träger des Grundrechts. 518 Weder kann einer der beiden aus dem Schutz des Grundrechts eliminiert werden, noch kommt dem staatsgerichteten Abwehrrecht der Pressefreiheit presseinterne Drittwirkung zu. Folglich wirkt der Schutz der Pressefreiheit nicht pressenintern gegenüber dem Verleger oder Redakteur. Eine „innere Pressefreiheit“ als Teil des staatsgerichteten Abwehrrechts, welche den Redakteur vor dem Verleger schützt, oder welche die Grundrechtsträgerschaft der Pressefreiheit unter Berufung auf die faktisch-arbeitsteilige Organisation der Zeitungsherstellung teilt, ist im Ergebnis abzulehnen. 519 Allerdings ist ein Mindestmaß an publizistischer Freiheit für den abhängigen Journalisten anzuerkennen. Das vermeintliche Problem der „inneren Pressefreiheit“ stellt sich jedoch insoweit nicht als Frage des Schutzbereichs, sondern vielmehr als eine durch eine parallele Grundrechtsträgerschaft bedingte Kollisionsproblematik dar: Der Presseverleger und der Redakteur geraten als Grundrechtsberechtigte eines Grundrechts miteinander in einen sich zumeist im arbeitsrechtlichen Verhältnis auswirkenden Konflikt. Dieser ist im Falle einer einfachgesetzlichen Konfliktlösung 520 unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben richtigerweise so aufzulösen, dass der Verleger berechtigt ist, eine Grundlinie seines Blattes festzulegen, welche jedoch zugleich dem Journalisten einen weiten Handlungsspielraum überlässt. 521 Der Binnenbereich des Presseunternehmens ist demgemäß so zu strukturieren, dass „journalistisches Handeln in relativ autonomer, an professionelle Standards gebundener Weise möglich ist“ 522. bb) Redaktionsgeheimnis als Teil der Staatsfreiheit und der Anerkennung der Eigenart publizistischer Tätigkeit Unproblematischer ist die Frage des Schutzes der Eigengesetzlichkeit geistigen Schaffens gegenüber staatlichen Eingriffen. Auf der Grundlage des Art. 5 518
Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 122 ff. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 122. 520 Anknüpfend an die objektive Dimension der Pressefreiheit wäre gar eine Verpflichtung des Gesetzgebers vorstellbar, die Rechte des Journalisten oder des Verlegers sicherzustellen. Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001)Rn. 61 ff. Vgl. auch zur „Trennung von Redakteur und Verleger“: Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 106 ff. 521 BVerfGE 52, 283 ff.; Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 99 ff.; Die schützwürdigen Interessen u. a. durch die in den §§ 118 BetrVG und 1 Abs. 4 MitBestG normierte „Tendenzautonomie“ abgesichert sehend. 522 Hoffmann-Riem, Wolfgang, Die beiden Gesichter der Pressefreiheit, ZRP (2006), S. 29. 519
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
Abs. 1 Satz 2 GG ist diese ebenso wie das Redaktionsgeheimnis und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informant geschützt. 523 Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt, dass jede Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs vermieden werden. 524 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur staatlichen Neutralität verwiesen werden. 525 Die dort getroffenen Aussagen beanspruchen – wie bereits dargelegt – als Ausführungen zur gesamten Kommunikationsordnung auch für die Presse Geltung. c) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Implikationen Aufgrund der Teilnahme der privatwirtschaftlich organisierten Presse am Markt wird das verfassungsrechtliche Pressebild freilich nicht nur durch die Vorgaben des Art. 5 GG geprägt. Es erfährt ferner zentrale Impulse durch die verfassungsrechtliche Wirtschaftsordnung, denn auch in einem wirtschaftlich neutralen Grundgesetz 526 entsprechen den subjektiv-rechtlichen Gewährleistungen des Art. 12 und 14 GG objektiv-rechtliche Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien. 527 Diese Prinzipien enthalten Vorgaben für einen freien Markt- und Leistungswettbewerb und entfalten Wirkung für die gesamte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, mithin auch für die Presse. 528 Aus der Erkenntnis, dass die Wirtschaftsgrundechte das Bekenntnis zur freien wirtschaftlichen Betätigung enthalten, ohne ein geschlossenes wirtschaftsverfassungsrechtliches System vorzugeben, folgt für die wirtschaftliche Prägung des Pressebildes Mehreres. Daran anknüpfend, ergibt sich zum einen, dass der Pressewettbewerb als solches keine institutionelle Absicherung erfährt, sondern vielmehr mittelbar durch die (Ausübung der) Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit geschützt ist (aa). Wird diese Feststellung unter Berücksichtigung der 523
BVerfGE 20, 162, 174 ff. BVerfGE 80, 124, 133 f. 525 Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I., 1 – Staatliche Neutralität. 526 Zu beachten ist insoweit jedoch stets, dass die Verfassung die Möglichkeit der Ausübung der verfassungsrechtlich garantierter Freiheiten sichert, nicht hingegen eine vorgegebene Ordnung oder ein geschlossenes institutionelles System. Zentraler Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung wirtschaftlicher Maßnahmen bleibt daher auch im institutionellen Kontext – wie bereits im Zusammenhang mit der Frage der verfassungsrechtlichen Neutralität des Grundgesetzes festgestellt – das Bekenntnis der Grundrechte zur freien wirtschaftlichen Betätigung. Vgl. Umbach, Dieter C., Art. 12 GG, in: Umbach, Dieter C. / Clemens, Thomas, (Hrsg.), Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar Band I (2002), Rn. 33. 527 Für Art. 14 GG: BVerfGE 21, 73, 82; für Art. 12 GG: BVerfGE 33, 303, 330; vgl. hierzu auch Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 4. 528 BVerfGE 7, 377, 404. 524
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„Offenheit der Wirtschaftsverfassung“ und des verfassungsrechtlichen Fokus auf die freiheitliche Ausübung von „Wettbewerb“ fortgedacht, ergibt sich daraus ferner, dass die wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gewährleistungen weder eine abstrakte Festlegung auf ein bestimmtes wettbewerbliches Handlungsmodell (z. B. einen Struktur- oder optimalen Wettbewerb) (bb) noch eine „Status-quo“Garantie und demgemäß auch keinen Schutz vor konkurrenzbedingten Risiken enthalten (cc). 529 Dies wiederum führt schließlich zu der Erkenntnis, dass die Wirtschaftsordnung zwar die Gründungsfreiheit, jedoch keinen absoluten Schutz privatautonomer Strukturen umfasst (dd). aa) Keine institutionelle Absicherung von Markt und Wettbewerb Pressemarkt und Pressewettbewerb sind über ihre Rückbindung an reale Wirtschaftssubjekte durch die grundrechtlichen Einzelgewährleistungen geschützt und insoweit Teil des verfassungsrechtlichen Pressebildes. Eine Systemgarantie oder gar eine institutionelle Absicherung existieren indessen nicht. 530 Bereits nach der volkswirtschaftlichen Funktion von Wettbewerb beinhaltet dieser „nur“ die Möglichkeit, durch die Ausübung wirtschaftlicher Freiheiten ein Optimum an wirtschaftlicher Leistung hervorzubringen, und beschreibt damit ein sogenanntes offenes Optimum 531. Zwar ist eine freiheitliche Wettbewerbsordnung erfahrungsgemäß imstande, besonders leistungsfördernde Antriebe zu entwickeln, das konkrete Ergebnis bzw. das Ausmaß der Leistung ist jedoch nicht zuletzt aufgrund der Rückbindung an individuelle Verhaltensmuster regelmäßig kaum oder nur eingeschränkt vorhersehbar. 532 Wettbewerb ist demnach nicht wirtschaftspolitischer Selbstzweck, sondern ökonomisch zweckmäßige individuelle Ausübung der Wettbewerbsfreiheit. 533 Die verfassungsrechtliche Absicherung des funktionsfähigen Wettbewerbs als Grundbedingung einer durch den Markt geordneten Wirtschaft erfolgt somit nicht um des Wettbewerbs willen, sondern letztlich zur Erhaltung einer freiheitlichen privatautonomen Ordnung 534 und mit dem Ziel eines „mittelbaren Individualschutzes“ 535. 529
Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 27 ff. Für die Ausübung der Wettbewerbsfeiheit: Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 172 ff. 531 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 13.; Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 172. 532 Dieser Umstand liegt unter anderem auch darin begründet, dass Wettbewerb ein Ausdruck der wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit vielzähliger Wirtschafssubjekte ist. Agiert eine Vielzahl von Teilnehmern am Markt, resultiert daraus regelmäßig der Kampf um Marktanteile, dessen Ergebnis offen ist. 533 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 6, spricht von der „zweckmäßigen Marktform“. 534 BGHZ 76, 55, 64f. 530
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
Die mittelbar wirkenden Mechanismen der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit, die auch als „makroökonomische Grundrechtswirkungen“ 536 bezeichnet werden, gehen zwar über die freie Betätigung des einzelnen Grundrechtsträgers hinaus, verdichten jedoch den Ordnungs- und Schutzzusammenhang der Grundrechte nicht zu einem überhöhenden System oder lösen gar die freiheitliche individuelle Grundrechtsausübung ab. 537 Der Wirkungs- und Ordnungszusammenhang der Grundrechte schützt Wettbewerb vielmehr als „System der Dezentrierung der Macht, Chancen, Risiko und Herrschaft“ 538 und enthält nur die Funktionsgarantie für eine dezentrale Wirtschaftsorganisation. 539 Im Ergebnis ist damit auch nicht der „Pressewettbewerb“ als solcher oder ein sonstiges fixiertes Rechtsinstitut Teil des verfassungsrechtlichen Pressebildes. Umfasst ist vielmehr die individuelle Grundrechtsausübung im Kontext des Marktes. bb) Begrenzte verfassungsrechtliche Relevanz volkswirtschaftlicher Ordnungsmodelle Da Wettbewerb nicht um seiner selbst willen geschützt oder institutionell abgesichert ist und überdies die Wirtschaftsverfassung als solche „offen“ gestaltet ist, kennt das Grundgesetz bzw. das verfassungsrechtliche Pressebild keine abstrakte Festlegung auf ein bestimmtes wettbewerbliches Handlungsmodell (1). 540 Die Verfassung überlässt die Entscheidung über die Wahl des adäquaten (volkswirtschaftlichen) Mittels vielmehr dem einfachen Gesetzgeber, dem dabei ein weiter Prognosespielraum zukommt (2). Die Grenze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist allerdings dann überschritten, wenn er ein objektiv untaugliches Mittel wählt oder systemwidrig agiert (3).
535
Für die Kartellaufsicht, vgl. Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971)S. 29, 38, 67: Scholz verweist zur Unterstützung des Individualbezugs der Kartellaufsicht bzw. des Wettbewerbschutzes auch auf den Ursprung der Kartellaufsicht, der klassischen Gewerbepolizei. Diese bediente sich der Instrumente polizeilicher Gefahrenabwehr und orientiere sich folglich an individuellen Störungen des Wirtschaftslebens. Dementsprechend erkenne auch das geltende GWB den individuellen Schutzcharakter des Wettbewerbs an, beispielsweise wenn es in entsprechenden kartellrechtlichen Tatbeständen auf die tatsächlichen Wirtschaftsbeziehungen der realen Marktbeteiligten, Mitbewerber, Kunden und Zulieferer bzw. Weiterverwertungsbetriebe abstelle oder Verletzungen des Kartellrechts dem individuell Betroffenen einen Schadensersatzanspruch zuspreche. 536 Scholz, Rupert, Entflechtung und Verfassung, (1981), S. 87. 537 BVerfGE 50, 290, 334. 538 Rupp, Hans Heinrich, Grundgesetz und „Wirtschaftsverfassung“, (1974), S. 35. 539 Schmidt, Reiner, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft – § 92, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV (2006), Rn. 22. 540 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 27.
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(1) Keine abstrakte Festlegung auf ein volkswirtschaftliches Ordnungsmodell In der offenen und neutralen Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes fehlt es an jeglicher normativen Grundlage für volkswirtschaftliche Ordnungsvorstellungen. Da aus der wirtschaftlichen Ordnungsfreiheit notwendigerweise auch die Freiheit der Wahl des gesetzlichen Ordnungsmittels folgen muss, ist die konkrete Gestaltung der Wirtschaftsordnung im Wesentlichen Aufgabe des unterverfassungsrechtlichen Gesetzgebers, der insoweit frei entscheiden kann. 541 Er ist diesbezüglich jedenfalls auf kein Modell beschränkt, sei es einseitig liberalistisch oder umgekehrt sozialistisch. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es damit irrelevant, ob eine staatliche Maßnahme „im Einklang“ mit der sozialen Marktwirtschaft steht oder mit einer volkswirtschaftlichen Lehrmeinung übereinstimmt. 542 Ebenso wenig besteht ein verfassungsrechtlicher Zwang, gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen. 543 Selbst der Wechsel von einem System der bisherigen Wirtschafts- und Sozialordnung zu einem anderen ist im Rahmen des Vertrauensschutzes und des Willkürverbots möglich, denn Systemkonformität oder Systemwidrigkeit spielen aus wirtschaftsverfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich keine Rolle. 544 Der Gesetzgeber kann z. B. durch marktwidrige Mittel wie Zwangsmaßnahmen, Steuern oder o. Ä. regulierend in den Markt eingreifen. Demgemäß enthält auch das verfassungsrechtliche Pressebild keine Systemvorgaben, sodass eine Überprüfung pressespezifischer staatlicher Aktivität auf volkswirtschaftliche Modellrichtigkeit oder -gerechtigkeit der verfassungsrechtlichen Betrachtung ebenfalls grundsätzlich versagt ist. Der einfache Gesetzgeber ist vielmehr zunächst allein dazu berufen, über das wirtschaftspolitische Erfordernis kraft eigener Entwicklungsprognose zu befinden, und zu entscheiden, welche Maßnahme die beste, angemessenste und zweckmäßigste Lösung ist. 545 Da z. B. weder die Richtigkeit der Idee des Strukturwettbewerbs (Kooperation und Fusionen sind danach grundsätzlich zuzulassen) noch die Richtigkeit der Idee des vollkommenen Wettbewerbs (Kooperationen und Fusionen sind grundsätzlich zu untersagen) endgültig nachprüfbar sind, ist es z. B. dem Gesetzgeber im Rahmen seiner wirtschaftspolitischen Gestaltungsfreiheit überlassen, eine Regelung zulasten fusions- / kooperationswilliger oder fusions- / kooperationsaverser Unternehmen vorzunehmen. Auch die Entscheidung der Frage, welche Umsatz541
BVerfGE 7, 377, 400; 50, 290, 336 ff. Schmidt, Reiner, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft – § 92, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV (2006), Rn. 24. 543 BVerfGE 14, 19, 23. 544 Und das nicht zuletzt deshalb, weil weithin unklar ist, wo Marktkonformität anfängt und wo sie aufhört; vgl. BVerfGE 4, 7, 18. 545 BVerfGE 18, 315, 325. 542
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
berechnungsklausel im Rahmen der Fusionskontrolle anzusetzen ist, liegt im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Die Verfassung verhält sich im Hinblick auf diese Fragen neutral. (2) Weiter Prognosespielraum des einfachen Gesetzgebers Für die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung wirtschaftsbezogener staatlicher Aktivitäten gelten besondere Maßstäbe. Dies liegt zum einen in der fehlenden Modellbindung der Verfassung begründet. Von Bedeutung ist jedoch auch, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in einer komplexen Volkswirtschaft ebenso wenig vorhersehbar sind wie der Bedarf und die Auswirkung wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Gerade im Tatsächlichen liegen besondere Unsicherheiten bei der Beurteilung volkswirtschaftlicher bzw. wettbewerbspolitischer Konzepte. Dies gilt z. B. auch für die Spannungsverhältnisse von Wettbewerb und Konzentration oder von Wettbewerb und Vielfalt, welche äußerst komplex und keiner allgemeingültigen sowie vorhersehbaren Lösung zugänglich sind. 546 Der Gesetzgeber ist demzufolge bei Ergreifung wirtschaftspolitischer Maßnahmen mit präventivem Ordnungsanspruch zumeist gezwungen, auf der Grundlage von Prognosen zu agieren, welche sich erst nachfolgend als richtig oder falsch erweisen können. 547 Anknüpfend daran, verwundert die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber wie bei der Ergreifung wirtschaftspolitischer Maßnahmen zukunftgerichtet agiert, „Irrtümer über den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung [...] in Kauf genommen werden“ müssen. 548 Im Ergebnis ist dem Gesetzgeber aufgrund des experimentellen Anspruchs wirtschaftspolitischer Maßnahmen notwendigerweise insoweit ein weiter Prognose- und Handlungsspielraum zuzubilligen. (3) Grenzen der Freiheit des Gesetzgebers Wie gesehen, ist der Gesetzgeber selbst dort, wo er sich zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung entschieden hat, nicht gezwungen, diese Entscheidung ohne Einschränkung durchzuhalten. 549 Es bleibt ihm vielmehr überlassen, auch von einem einmal gewählten System (vollständig oder partiell) abzuweichen, ohne dass einem solchen Systembruch grundsätzlich verfassungsrechtliche Relevanz zukäme.
546 547 548 549
Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 7. Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 14. BVerfGE 25, 1, 12 f. BVerfGE 13, 97, 114f.
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Gleichwohl ist die Ausübung wirtschaftpolitischen Ermessens nicht völlig unbeschränkt. Das gesetzgeberische Ermessen findet seine Grenzen in den Grundrechten als konkrete Ordnungsentscheidungen der Verfassung für den gesamten gesellschaftlichen Bereich. Demnach kann ein Systembruch nur solange verfassungsrechtlich toleriert werden, wie er durch strukturelle Unterschiede (z. B. aufgrund der Betroffenheit verschiedener Branchen oder aufgrund verschiedener Unternehmensgrößen) bzw. durch ein verfassungsrechtliches Ordnungsbedürfnis rechtfertigbar ist. Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es indessen, wenn der Gesetzgeber von einem selbst gewählten Ordnungssystem ohne sachlichen Grund abweichen würde. 550 In einem solchen Fall könnte sich die Systemwidrigkeit als Verstoß gegen das Willkürverbot darstellen. 551 Daneben ist gesetzgeberisches Handeln insbesondere dahin gehend zu prüfen, ob Lenkungsmaßnahmen, die auf die Regelung zukünftiger Wirtschaftsverhältnisse gerichtet sind, in ihrer Entwicklungsprognose bereits im Ansatz verfehlt sind. 552 Denn das eingesetzte Mittel darf hinsichtlich seiner Eignung in der gegebenen Situation nicht objektiv untauglich zu Erreichung des gesetzten Ziels sein. 553 In Bezug auf die Entscheidung über die Geeignetheit einer Maßnahme wäre allerdings der Regelungsspielraum erst dann überschritten, wenn die „Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind“, dass sie „vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen geben können“. 554 Es ist danach insbesondere zu fragen, ob das eingesetzte Mittel hinsichtlich seiner Eignung in der gegebenen Situation objektiv untauglich zur Erreichung des gesetzten Ziels war. 555 An der Erforderlichkeit fehlt es dann, wenn eindeutig feststeht, dass dem Gesetzgeber ein gleich wirksames, aber den Freiheitsspielraum des wirtschaftlich Tätigen weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung stand. 556
550
BVerfGE 26, 1, 10; 27, 111, 127. Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 27 ff. Willkür kann ihm jedoch nicht vorgeworfen werden, wenn seine Prognose durch die tatsächlichen Entwicklungen nachträglich widerlegt wird, vgl. BVerfGE 18, 315, 332. 552 BVerfGE 29, 402 – Beschluss zum Konjunkturzuschlag. 553 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 91.; Papier, Hans-Jürgen, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: Benda, Ernst / Maihofer, Werner / Vogel, Hans-Jochen, (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts (1994), § 18, Rn. 80; Spanner, Hans, Zur Verfassungskontrolle wirtschaftspolitischer Gesetze, DÖV (1972), S. 219; kritisch: Kloepfer, Michael, Das Geeignetheitsgebot bei wirtschaftslenkenden Steuergesetzen, NJW (1971), S. 1585. 554 BVerfGE 30, 292, 317. 555 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 91. 556 BVerfG NJW 1974, S. 1319; BVerfGE 25, 1, 19 f.; 30, 292, 319. 551
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
Schließlich wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn eine Maßnahme die Ebene sozialistischer Wirtschaftgesetzgebung erreicht, vgl. Art. 15 GG. Auch insoweit sieht sich der Gesetzgeber verfassungsrechtlich begrenzt. cc) „Funktionsfähigkeit“ als Voraussetzung der Ausübung der Presse- und Wettbewerbsfreiheit Wie erörtert wurzelt die verfassungsrechtliche „Wirtschaftsordnung“ in den Freiheitsrechten und den durch diese gesicherte Möglichkeit der Ausübung der Freiheit. Von diesem Schutz umfasst sind zweifelsohne auch die Grundbedingungen für die Aktions- und Funktionsfähigkeit des Grundrechtsträgers als zentrale Voraussetzung für die Wahrnehmung der Freiheit. Der Ablehnung des Schutzes des Ordnungssystem als solches entsprechend, kennt die Verfassung allerdings keinen „Statusschutz“ des Grundrechtsträgers, d. h. auch keinen Schutz vor konkurrenzbedingten Risiken, die statusgefährdend sein könnten (1). 557 Etwas anderes muss indessen gelten, wenn die Möglichkeit der Ausübung des Grundrechts als solches vollumfänglich bedroht ist (2). (1) Kein Schutz des „Status quo“ – Kein Schutz vor konkurrenzbedingten Risiken Der verfassungsgarantierte institutionelle Tatbestand der „Freien Presse“ ist nach dem oben Gesagten sowohl mit Blick auf die Presse- als auch die Wirtschaftsfreiheit ein in freiheitlicher Grundrechtsausübung von Trägern des Grundrechts gestalteter und gewachsener Tatbestand. 558 Die Freiheitlichkeit der Presse zielt vor allem auf eine Respektierung der Eigengesetzlichkeit der Presse, d. h. den Vorgang der Hervorbringung der Presse mit seinen organisatorischen Grundzügen. Demgemäß umfasst der verfassungsrechtliche Schutz der Presse bestimmte Grundbedingungen, die für die Aktions- und Funktionsfähigkeit der Presse bzw. einen freien Pressebetrieb notwendig sind. 559 Einen Bestandsschutz von Markt- oder Publikationsanteilen oder den Schutz des Status, der unveränderten Existenz oder einer Struktur bestimmter Formen der Presse bzw. einzelner Zeitungen schließt er nicht ein. 560
557
Stammler, Dieter, Bestandsschutz der Presse, AfP (1987), S. 660. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978) S. 90; Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 37. 559 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 429; sofern die bestehenden Strukturen genügen, könne der Gesetzgeber sie so belassen. 560 Hoffmann-Riem, Wolfgang / Plander, Harro, Rechtsfragen der Pressereform, (1977), S. 65 f.; Wendt, Rudolf, Art. 5 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundge558
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Das Fehlen eines solchen Schutzes ergibt sich bereits anknüpfend an die Schutzgehalte der Art. 12 und 14 GG, welche schon mit ihrem subjektiven Tatbestand berufliche oder vermögensrechtliche Chancen nicht sichern. Da – wie bereits ausgeführt – institutionelle Vorgaben nicht über subjektive Gehalte hinausreichen können, kann der Schutz vor konkurrenzbedingten Risiken, die sich im Ergebnis als Bedrohung entsprechender Chancen darstellen, freilich auch nicht vom verfassungsrechtlichen Bild der „Freien Presse“ umfasst sein. Dies ist ferner zwingendes Ergebnis grundrechtssystematischer Erwägungen. Da die Risiken für den einmal erworbenen Status oder Marktanteil im Wesen des Wettbewerbs bzw. der privatwirtschaftlichen Aktivität und damit den Strukturgesetzlichkeiten des Pressewesens begründet sind, wäre ein Schutz für die Folgen der schlichten Betätigung am Markt widersinnig. Sie mündete in einer Verhinderung konkurrenzgetriebener Entwicklungen neuer Formen des Produkts oder des Vertriebs und ließe sich somit verfassungsrechtlich wohl kaum abbilden 561, ohne die Wettbewerbsfreiheit in ihr Gegenteil zu verkehren. Schließlich ist auch die Konkurrenz Träger des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit und genießt als solche grundrechtlichen Schutz. 562 Entsprechendes gilt gleichermaßen für Kartellabreden, die schlicht Ausdruck der Entscheidung sind, nicht am Wettbewerb teilnehmen zu wollen. 563 (2) Grenze der Wettbewerbsfreiheit Gemäß den obigen Ausführungen schützt Art. 14 GG ebenso wie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mit dem Recht zur wirtschaftlichen und unternehmerischen Betätigung die Möglichkeit zur ökonomischen Machtbildung. Allerdings beschreibt die Verfassung eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse keinen unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat 564, sondern das setzkommentar, Band 1 (2000), Rn. 35; Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982), S. 54 f; Jarass, Hans D., Neue Medien und Verfassungsrecht, in: Grätz, Fred u. a., (Hrsg.), Neue technische Kommunikationssystem und Bürgerdialog (1979), S. 44; Scholz, Rupert, Medienfreiheit und Publikumsfreiheit, in: Studienkreis für, Presserecht Pressefreiheit, (Hrsg.), Presserecht und Pressefreiheit – Festschrift für Martin Löffler zum 75. Geburtstag (1980), S. 358; Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 57; BVerfGE 34, 252, 256; BGH AfP 1989, 737, 738. 561 Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 57; Wendt, Rudolf, Art. 5 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 1 (2000), Rn. 35. 562 Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 129. 563 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 117. 564 BVerfGE 21, 73, 83.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
in Art. 14 GG geschützte Eigentum bzw. die entsprechend geschützte Machtposition ihre Schranken im Sozialvorbehalt des Art. 14 Abs. 2 GG findet, der die sachgerechte Abwägung zwischen der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums und den Sozialvorbehalten verlangt. 565 Erreicht also die Nutzung des Eigentums einen gewissen Grad gesellschaftlicher Unverträglichkeit, stößt die verfassungsrechtlich geschützte Ausübung und Nutzung des Eigentums an Grenzen. Wird z. B. der Betrieb über die Reduktion der Erwerbschancen hinaus zur Illiquidität verurteilt bzw. die Substanz des Eigentums vernichtet, ist Art. 14 GG in grundrechtsrelevanter Weise betroffen. Die Konkretisierung der Grenzen des Eigentums sowie die Sicherung und Begrenzung der Freiheit erfolgen dabei zuvorderst durch den Gesetzgeber. 566 Ihm obliegt der Schutz der Freiheitlichkeit der Wirtschaftsordnung und damit auch des Pressewesens. Der Schutz findet im Rahmen der geltenden Rechtsordnung statt, hier der Wirtschafts- und Presseordnung im weiteren Sinn, also z.B. durch die Landespressegesetze und das Urheber- und Verlagsrecht ebenso wie durch das Bürgerliche Recht sowie das Strafrecht. Auch das GWB ist ein typisches Beispiel für die Realisierung des gesetzgeberischen Schutzauftrags. Wettbewerbspolitische und eigentumspolitische Ordnungskonzepte werden darin einem Ausgleich zugeführt, um im Ergebnis den Schutz der wettbewerblichen Erwerbschancen und der wettbewerblichen Chancengleichheit abzusichern. 567 Wird der Gesetzgeber wie z. B. im Falle des GWB aktiv und begrenzt die Betätigungsfreiheit der Presseunternehmen, ist dies verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig. 568 Dabei hat, soweit nicht wettbewerbspolitische Fragestellungen betroffen sind, bei denen die Unsicherheiten im Tatsächlichen liegen und der Verfassung insoweit keine Aussagen entnommen werden kann, die Auflösung des Abwägungskonflikts nach klassischen juristischen Abgrenzungsmaßstäben zu erfolgen. Mit Blick auf Art. 14 GG einerseits darf demgemäß die sich aus Art. 14 GG ergebende Wettbewerbsfähigkeit als Teil der Erwerbschance nicht über Gebühr beschränkt werden. 569 Art. 14 Abs. 2 GG ist andererseits zu entnehmen, dass eine vollkommen uneingeschränkte Konzentrationsentwicklung keinen verfassungsrechtlichen Bestand haben kann. Gleiches gilt für ein Konzentrationsverbot. Sollen gesetzgeberische Maßnahmen in die eine oder andere Richtung verfassungswirksam sein, müssen sie somit Ausnahmetatbestände vorsehen.
565
BVerfGE 25, 112, 117 ff; 52, 1, 29 ff.; 81, 208, 220; 83, 201, 208. Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 14, 27. 567 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 66 f. 568 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 102. 569 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971) S. 78. 566
1. Abschn.: Grundrechtlicher Ordnungsauftrag
231
dd) Gründungsfreiheit und Privatautonomie Presseunternehmen müssen sich „im gesellschaftlichen Raum frei bilden“ und „nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen“ 570 arbeiten können. Der mit diesen Worten umschriebene Schutz der unternehmerisch-privatwirtschaftlichen Organisation der Presse, der neben der Neugründung freilich auch den Erwerb und die Veräußerung von Presseunternehmen umfasst, stellt ein weiteres zentrales Element des verfassungsrechtlichen Bildes der „Freien Presse“ dar. Allerdings ist, trotz dieser grundsätzlichen Festlegung auf die Privatwirtschaftlichkeit 571, verfassungsrechtlich keine ausschließliche Presseform vorgegeben. 572 Eine gesetzgeberische Einwirkung auf die privatwirtschaftliche Struktur wäre durchaus möglich. 573 Doch muss gerade vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Presse, die (anders als die Entwicklung des Rundfunks) durchweg durch den Tatbestand der typischen privatwirtschaftlichen freien Presse geprägt war, die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Presseorganisation als massiver Eingriff verstanden werden, der nur durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein kann. Die Einführung von Staatsblättern beispielsweise könnte allein dann verfassungsrechtlich Bestand haben, wenn die institutionelle Substanz des Grundrechts, also auch ein privatrechtlicher Grundstock, zum dem die freie Gründung als Grundbedingung der Aktivität der „Freien Presse“ zu zählen ist, erhalten bleibt. Abzulehnen wäre daher die Einführung eines staatlichen Hauptpublikationsorgans; die Grundbedingung der Möglichkeit der freien Gründung wäre in einem solchen Fall zur Gänze entzogen 574 und die „für eine privatwirtschaftliche Ordnung wesensbestimmende Entscheidungsautonomie der Verlage“ 575, also die Tendenzautonomie, beschränkt. Eine Legitimation zur ausschließlichen öffentlichen Gestaltung fehlt auch vor dem Hintergrund der Spezialität des Art. 5 GG 570
BVerfGE 20, 162, 174 ff. Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 437. 572 Die Presse arbeitet auch heute nicht nur in privatrechtlichen Strukturen, es bestehen Staatzeitungen, Parlamentszeitungen und Amtsblätter, vgl. hierzu: Wendt, Rudolf, Art. 5 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 1 (2000), Rn. 43. 573 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 429; sofern die bestehenden Strukturen genügen, könne der Gesetzgeber sie so belassen. 574 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 47. Scholz, Rupert, Rundfunkeigene Programmpresse, (1982), S. 32 – Fn. 52, S. 53. 575 Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 437. 571
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
gegenüber Art. 15 GG. 576 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Verfassung ein Systementwurf einer dezentralen Zuständigkeitsordnung zu entnehmen ist 577 und sie somit auch keine Vorgaben für eine homogene Struktur von Institutionen mit öffentlicher Wirkung enthält. Vielmehr ist mit der privatrechtlichen und damit wettbewerblichen Ordnung das Ziel verbunden, eine Vielzahl von Entscheidungsträgern in einem dezentralisierten Ordnungssystem zu erhalten. 578 Da die für den Rundfunk beschriebene „Sondersituation“ 579 für die Presse nicht besteht, ist auch das Sondermodell des Rundfunks auf die Presse nicht übertragbar. Von der Verfassungswidrigkeit einer vollständigen Verstaatlichung wäre dementsprechend auch dann auszugehen, wenn diese mit dem öffentlichrechtlichen Rundfunk vergleichbar binnenplural organisiert wäre. Auch eine Teilverstaatlichung zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Presse erscheint zumindest im Hinblick auf die Geeignetheit des Mittels fraglich, jedenfalls dann, wenn eine Funktionsschwäche des Systems des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterstellt wird. 580 Mit Blick auf die Eingriffstiefe kann nach dem oben Gesagten eine staatliche Veröffentlichung im Ergebnis nur mit begrenzter thematischer Reichweite und insbesondere geringer Meinungsrelevanz rechtfertigbar sein. 581 Die Installation einer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Organisationsstruktur wäre hingegen verfassungswidrig. 582 4. Zwischenergebnis Das Grundrecht der Pressefreiheit und das diesbezügliche soziologische System gibt – analog der an Art. 5 Abs. 1 und 2 GG anknüpfenden Kommunikati576
Presseunternehmen lassen sich nicht unter den Begriff „Produktionsmittel“ subsumieren. M. w. N.: Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 46 f.; Stern, Klaus, Die Freiheit der Medien – Vorbemerkung, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael / Dietlein, Johannes, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band IV/1 (2006), S. 1544. Gleiches gilt, wenn von großen Wirtschaftunternehmen, die ebenfalls in den Bereich des Öffentlichen einwirken, gefordert wird, ihre Binnenstruktur an öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungsverbände in z. B. bei Vorstandswahlen oder interner Mitbestimmung anzugleichen. Auch hier wird die privatwirtschaftliche Komponente an maßgeblicher Stelle negiert. 577 Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, (1978), S. 247. 578 BGHZ 76, 55, 61 ff. 579 BVerfGE 12, 205, 260. 580 Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 51. 581 Wendt, Rudolf, Art. 5 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 1 (2000), Rn. 43. 582 Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 439.
1. Abschn.: Grundrechtlicher Ordnungsauftrag
233
onsordnung – eine Presseordnung bzw. ein verfassungsrechtliches Pressebild vor. Nach diesem erfüllt die privatwirtschaftlich organisierte, sich im gesellschaftlichen Raum frei bildende Presse eine „öffentliche Aufgabe“ im Sinne einer staatswissenschaftlichen und soziologischen Umschreibung. Sie gehört jedoch nicht zu den institutionell in die Staatsorganisation einbezogenen Einrichtungen. Der Lebenssachverhalt der „Presse“ verkörpert als solcher damit keine Institutsbzw. institutionelle Garantie im verfassungsrechtlichen Sinn, und die „öffentliche Aufgabe“ stellt sich nicht als staatliche Aufgabe dar. Die Verfassung zeichnet vielmehr das Bild eines Instituts der „Freien Presse“ im untechnischen Sinne. Ein Kernelement dieses verfassungsrechtlichen Bildes ist die Pressevielfalt. Diese sich von der Meinungsvielfalt unterscheidende Vorgabe kann im verfassungsrechtlichen System durch binnen- und außenplurale Strukturen gesichert werden, ohne dass jedoch die grundgesetzliche Pressefreiheitsgarantie ein dem außenpluralen Modell vorgehendes System innerer Pressefreiheit vorgibt. Im Gegenteil, die innere Pressefreiheit kann allenfalls zur Kompensation verloren gegangener Außenpluralität heran gezogen werden. Das verfassungsrechtliche Pressebild beinhaltet ferner die Freiheit des publizistisch geistigen Schaffens in verschiedenen Facetten. Vom Schutzgehalt sind neben der Tendenzautonomie des Verlegers und der publizistischen Freiheit des weisungsgebundenen Journalisten die Vorgabe staatlicher Neutralität, z. B. in Form des Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und Informant, dem sogenannten Redaktionsgeheimnis 583, oder in Form der Untersagung einer staatlichen Aufsicht oder Lenkung, beispielsweise einer Auflagenbegrenzung, umfasst. 584 Schließlich erfährt das verfassungsrechtliche Pressebild durch das System der verfassungsrechtlichen Wirtschaftsordnung eine relevante Prägung. So kennt das Pressebild, anknüpfend an das Bekenntnis der Wirtschaftsfreiheitsgrundrechte zur freien wirtschaftlichen Betätigung und das Fehlen eines geschlossenen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Systems, keine institutionelle Absicherung des Pressewettbewerbs oder eine „Status-quo“-Garantie. Das Pressebild enthält ebenfalls keine abstrakte Festlegung auf ein bestimmtes wettbewerbliches Handlungsmodell (z. B. einen Struktur- oder optimalen Wettbewerb) oder eine generelle Garantie der privatrechtrechtlichen Struktur. Eine Sozialisierung oder Enteignung einzelner Unternehmen bzw. eine vollständige Verstaatlichung muss mit Blick auf die besondere unternehmerisch-privatwirtschaftliche Prägung und der davon umfassten Gründungsfreiheit als verfassungsrechtlich unzulässig angesehen werden. 585 583
BVerfGE 20, 162, 176. Schütz, Walter, Pressekonzentration, in: Schiwy, Peter / Schütz, Walter / Dörr, Dieter, (Hrsg.), Medienrecht (2006), S. 379. 585 Schütz, Walter, Pressekonzentration, in: Schiwy, Peter / Schütz, Walter / Dörr, Dieter, (Hrsg.), Medienrecht (2006), S. 379. 584
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
2. Abschnitt
Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat Nachdem die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Gestalt des Pressebildes konturiert sind, stellt sich die Frage, auf welche Weise diese Vorgaben grundrechtsdogmatisch umzusetzen sind. Zu klären ist insbesondere, ob der Gesetzgeber zur Sicherung der Presse ermächtigt oder verpflichtet ist, und – sollte dies der Fall sein – welches verfassungsrechtliche Instrument zur Umsetzung der Zielvorgaben vorzugwürdig ist (§ 1). 586 Ausgehend von dem gefundenen Ergebnis, ist der konkrete Handlungsrahmen des Gesetzgebers bei der Umsetzung der entsprechenden dogmatischen Figur zu präzisieren (§ 2).
§ 1 Die Pressefusionskontrolle des GWB als Erfüllung einer staatlichen Pflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes Zur Klärung der Frage, ob dem Staat eine Funktionsverantwortung für die Realisierung des Pressebildes zukommen kann, wird zunächst auf die bereits vorhandenen Erkenntnisse zur staatlichen Sicherung des Pressebildes einzugehen sein (I.). Die Suche nach der verfassungsrechtlichen Grundlage einer staatlichen Handlungspflicht führt dann in einem nächsten Schritt zur Staatsaufgabenlehre, vermittels derer Präzisierungen gesetzgeberischer Handlungsmechanismen vorgenommen werden sollen (II.). Daran anknüpfend, wird der Frage nachgegangen, welche Kategorie des gesetzgeberischen Grundrechtskontakts die staatliche Pflicht zur Sicherung vor Marktverschiebungen im Pressemarkt am genauesten abbildet (III.).
586 BVerfGE 39, 1, 71 f.: „Je nach der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse, der konkreten Zielsetzung und ihre Priorität, der Eignung der denkbaren Mittel und Wege sind sehr verschieden Lösungen möglich. Die Entscheidung die häufig Kompromisse voraussetzt und sich im Verfahren des „trial an error“ vollzieht, gehört nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokritschen Prinzip die Verantwortung des vom Volk unmittelbar legitimierten Gesetzgebers.“; noch abweichend BVerfGE 35, 148, 150 ff.
2. Abschn.: Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat 235
I. Funktionsverantwortung des Staates: Anerkannte Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes Aus einer Störung der grundrechtlichen Wertordnung folgt anerkanntermaßen die Verantwortung staatlicher Organe, sich schützend und fördernd vor die von der Wertordnung umfassten Rechtsgüter zu stellen, d. h., die grundrechtlichen Schutzgüter mit zwecktauglichen rechtsstaatlichen Mitteln entsprechend dem jeweiligen Bedarf wirksam zu schützen. 587 Diese Verantwortung gilt auch für die oben beschriebene Presserordnung. Nach dem Bundesverfassungsgericht folgt beispielsweise aus der „Eigenständigkeit der Presse als objektives Prinzip“ eine Pflicht des Staates zum Schutz der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit (also eines Teils des oben veranschaulichten Pressebildes), und zwar auch dann, wenn Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. GG als subjektives Recht bei Eingriffen gesellschaftlicher Kräfte oder Privater keine der Staatsgerichtetheit entsprechende Drittgerichtetheit zukommt. 588 Dem Staat wird darüber hinaus auch die Pflicht zugewiesen, eine hinreichende Zahl selbstständiger periodischer Druckwerke, die in unterschiedlicher Weise auf die Bildung der öffentlichen Meinung einwirken (d. h. Pressevielfalt als Teil des Pressebildes), sicherzustellen. So formuliert das Bundesverfassungsgericht: „[...] doch ließe sich etwa auch an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen können“ 589. Und weiter: „Zum Schutz des Instituts der freien Presse muss aber die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden. [...] Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert deshalb den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten“ 590. Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass ein Verbot bestünde, „[...] durch rechtliche Regelungen die Presse fremden, nichtstaatlichen Einflüssen zu unterwerfen oder zu öffnen, die mit dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründeten Postulat unvereinbar wären, der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen“ 591. 587
Hoffmann-Riem, Wolfgang / Plander, Harro, Rechtsfragen der Pressereform, (1977), S. 57; Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 491; Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999) S. 57; mit Blick auf die Wirtschaftsfreiheit Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 132; BVerfGE 39, 1, 41; 46, 160, 164; 53, 30, 57. 588 BVerfGE 66, 116, 135. 589 BVerfGE 20, 162, 176. 590 BVerfGE 25, 256, 268. 591 BVerfGE 52, 283, 296.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
Danach sind von der verfassungsrechtlichen Schutzaufgabe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung das gesamte Pressebild, d. h. neben der Pressevielfalt und der Freiheit des publizistisch geistigen Schaffens, auch die Grundstrukturen des Wettbewerbs umfasst. 592 Die dogmatischen Wurzeln dieser staatlichen Funktionsverantwortung werden zumeist in objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten 593 oder der „Presse als objektives Prinzip“ 594 gesehen. An anderer Stelle wird schlicht eine allgemeine Handlungspflicht 595 angenommen oder davon gesprochen, dass das Grundrecht der Pressefreiheit in seiner Eigenschaft als objektive Grundsatznorm dem Staat „eine Schutzpflicht für die Presse“ 596 auferlegt. Trotz der allgemeinen Anerkennung einer Pflicht zur Sicherung des Pressemarktes besteht jedoch über diese verhältnismäßig abstrakten Bezüge hinausgehend keine Klarheit. Ungeklärt ist insbesondere, in welcher konkreten Form bzw. auf welcher präzisen Grundlage der Grundrechtsschutz auf den Bereich gesellschaftlicher Beeinträchtigungen ausgedehnt werden kann. Dieser Frage soll nachfolgend nachgegangen werden. II. Skizze der Bezüge von Funktionssicherungspflichten zur Staatsaufgabenlehre Ausgehend von der grundsätzlichen Anerkennung der Existenz einer Funktionssicherungspflicht für den Pressemarkt, soll nachstehend der Versuch einer präziseren Einordnung dieser Pflichten und der daraus folgenden Maßnahmen 592 Vgl. Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 437 ff. 593 BVerfGE 53, 30, 57; vgl. auch Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 132. 594 Zum Begriff: BVerfGE 66, 116, 135; Zur Pflicht BVerfGE 20, 162, 176. 595 Für die Rundfunkfreiheit: In Entscheidungen zur Rundfunkfreiheit verpflichtet das Gericht den Gesetzgeber, explizit vorherrschende Meinungsmacht zu verhindern, BVerfGE 97, 228, 267. Für den privaten Rundfunk verlangt das Gericht z. B. in BVerfGE 73, 118, solche Vorkehrungen, die geeignet sind, ein „möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Vielfalt“ zu erreichen. In BVerfGE 12, 205, (262 ff.) heißt es: „Art. 5 GG verlangt [...], dass dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, dass alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluss haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und dass für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Das lässt sich nur sicherstellen, wenn diese organisatorischen und sachlichen Grundsätze durch Gesetz allgemein verbindlich gemacht werden. Art. 5 GG fordert deshalb den Erlass solcher Gesetze.“ Vgl. für die Presse: Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 45. 596 BVerfGE 80, 124, 133.
2. Abschn.: Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat 237
des Staates in die von der Verfassung zugelassenen Möglichkeiten gesetzgeberischen Grundrechtskontakts unternommen werden. Einen ersten Schritt dahin gehend, die anerkannte Funktionsverantwortung aus ihrer „Amorphheit“ herauszulösen und sie „typologisch zu begreifen“ 597, stellt die Einordnung dieser sogenannten allgemeinen Handlungspflicht in die Staatsaufgabenlehre dar. Nach der Staatsaufgabenlehre folgt vor allem aus der Formel vom sozialen Rechtsstaat die Aufgabe, das Gemeinwesen zu gestalten. 598 Diese Aufgabe kann sich unter bestimmten Gegebenheiten auch zu einer staatlichen Pflicht konkretisieren (1). Von Aufgabe und Pflicht zu unterscheiden, ist indessen die Befugnis einer Gewalt oder eines Organs zur Erfüllung der Aufgabe (2). Diese bestimmt sich – in der Regel unabhängig von der Aufgabe – durch die für die Gewalten, den Bundesstaat und die sonstigen Gliederungssysteme von der Verfassung vorgegebene Kompetenzordnung. 1. Verfassungsrechtliche Wurzeln „öffentlicher Aufgaben“ und deren Verdichtung zu einer staatlichen Pflicht Die diversen auf das Gemeinwesen bezogenen öffentlichen Aufgaben werden auf verschiedenste Weise durch die Verfassung bestimmt. Beispielsweise finden sich explizite Gesetzgebungsaufträge in den Art. 6 Abs. 5, Art. 26 Abs. 1 Satz 2, Art. 33 Abs. 5 und Art. 131 GG. Ausdrückliche Aufgabenvorgaben enthalten ferner Art. 41 Abs. 3 GG („das Nähere regelt ein Bundesgesetz“) oder Art. 45c Abs. 2 GG („Die Befugnisse [...] regelt ein Bundesgesetz“). Überdies beinhalten auch die verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen der Art. 70 ff. GG öffentliche Aufgabenbeschreibungen, wenngleich sich dies aus deren Wortlaut nicht eindeutig ergibt. Denn die verfassungsrechtlich eingeräumte Kompetenz ist zweifelsohne auf die Durchsetzung bestimmter öffentlicher Interessen und damit auch auf die Erfüllung einer bestimmten – sich daraus erschließbaren – Aufgabe ausgerichtet. Mithin ist ein Schluss von der Kompetenz auf die Aufgabe im Rahmen der Staatsaufgabenlehre möglich und sinnvoll. Daneben können auch Grundrechten, welche jedenfalls keine expliziten Aufträge enthalten, öffentliche, allen voran gesetzgeberische Aufgaben entnommen werden. Dies gilt nicht nur für solche Grundrechte, die Einrichtungsgarantien umfassen und daher den Gesetzgeber dazu legitimieren, im Wege der Ausgestaltung
597 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 38. 598 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 212.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
bzw. „Prägung“ 599 den objektiven Rechtsgehalt der Grundrechte auszuformen, zu verdeutlichen und weiterzuführen. 600 Auch Grundrechte ohne dementsprechende Gehalte beschreiben mittelbar Ziele und Inhalte staatlicher Tätigkeit, welche nicht „self executing“ sind und einer Umsetzung bedürfen. So ist z. B. jede grundrechtliche Freiheit im Moment des sozialen Kontakts, welcher regelmäßig aus der Ausübung einer Freiheit resultiert und zumeist Reibungen und Freiheitsbeeinträchtigungen zur Folge haben kann, zu einem anderen Grundrecht in eine sinnvolle Beziehung zu setzen. Die Ordnung der Grundrechte im freien Gemeinwesen stellt sich damit auch als eine staatliche Aufgabe dar. 601 Die grundrechtliche Aufgabenbegründung folgt zudem aus der Existenz von Grundrechtsvorbehalten. Denn diese erlauben nicht nur die Einschränkung eines Grundrechts, sondern räumen dem Gesetzgeber einen Bewegungsspielraum spezifischer Art ein, der typischerweise dem Bereich des Eingriffs zugeordnet ist. 602 Vorbehalte geben insoweit die Möglichkeit zur Schaffung einer die Grundrechtsgewährleistung einschränkenden gesetzlichen Regelung. Aus der Verknüpfung von Grundrecht und Staatsaufgabe folgt indessen nicht, dass die öffentliche Aufgabe bzw. die grundrechtliche Vorstellung von der Ordnung der einzelnen Grundrechtsträger untereinander stets durch den Staat zu erfüllen ist. Die Legitimation zur staatlichen Aktivität bzw. zur Grundrechtsverkürzung ist nämlich von der darüber hinausgehenden Handlungspflicht klar zu trennen. 603 Die grundrechtlich verwurzelte „öffentliche Aufgabe“ zur Ordnung des Gemeinwesens ist durch ihren Bezug zum Gemeinwohl und nicht durch den Träger der Aufgabe definiert, und so ist eine Umsetzung verfassungsrechtlicher Aufgaben durch private gesellschaftliche Kräfte durchaus vorstellbar. Beispielsweise ordnet, wie an anderer Stelle beschrieben 604, die verfassungsrechtliche 599
Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 38. 600 Häberle, Peter, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, (1982), S. 183. 601 Ehmke, Horst, Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharon, Hans, (Hrsg.), Festschrift für A. Arndt (1969), S. 84, spricht von der verfassungsstrukturellen Bedeutung der Grundrechte. 602 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 8 f., Lerche, Peter, Grundrechtsschranken – § 122, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 2. 603 Sachs, Michael, Die Gesetzesvorbehalte, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/2 (1994), S. 371: „Die Gesetzgebung darf als eigenständig gestaltende Staatsfunktion nicht immer mehr erweiterten Bindungen unterworfen werden, die sich zwischen Regelungsverboten und Regelungsgeboten auf ein stets schrumpfendes Restspektrum verfassungsrechtlich unbedenklicher Verhaltensmöglichkeiten einengt, soll sie nicht zum bloßen Verfassungsvollzug werden.“ 604 Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II., 2 – Ablehnung einer „öffentlichen Aufgabe“ der Presse.
2. Abschn.: Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat 239
Pressordnung der Presse „öffentliche Aufgaben“ zu, nach welchen diese einen relevanten Beitrag für die vielfältige Medienlandschaft und die Demokratie leistet, ohne allerdings zu diesem Beitrag verpflichtet zu sein. Diese öffentlichen Aufgaben können sich allerdings, auch wenn sie sich zunächst an gesellschaftliche Gruppen richten, zu einer Pflicht des Staates verdichten. Kommt es nämlich zu Störungen bei der „Erfüllung“ der öffentlichen Aufgabe bzw. der Umsetzung der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Ordnung, sei es durch die staatliche Gewalt oder durch die gesellschaftlichen Kräfte, kann dem Staat die Pflicht erwachsen, dieser Störung entgegenzuwirken. Dies gilt deshalb, weil die grundrechtliche Wertordnung auch die Aufgabe umfasst, den Grundrechtsberechtigten vor unzumutbaren Freiheitsbeeinträchtigungen zu schützen und im Falle entsprechend existenzieller grundrechtlicher Reibungen die entsprechenden Grundrechte in eine sinnvolle Beziehung zu setzen. 605 Denn Gegenstück des staatsgerichteten, abwehrrechtlichen Grundrechtsschutzes ist, wie bereits im Kontext von Drittwirkung und objektiven Grundrechtsfunktionen ausgeführt 606, „die Pflicht des Staates, diejenigen Bedingungen zu schaffen und zu erhalten, die die Ausübung der in den Grundrechten gewährten Freiheiten überhaupt erst ermöglichen“ 607. Den Staat trifft mit anderen Worten die Pflicht, die Rechtsordnung so zu gestalten, dass sie das Verbot der Verletzung grundrechtlicher Schutzgüter umsetzt und deren Durchsetzung mit zwecktauglichen rechtsstaatlichen Mitteln, entsprechend dem jeweiligen Bedarf, sicherstellt. 608 Allerdings kann die sich an diesem Punkt realisierende staatliche Handlungspflicht durchaus wiederum durch Private erfüllt werden, wenngleich nur mittelbar, soweit diese in einen staatlichen Überwachungszusammenhang eingebunden sind. Der Staat kann seiner Handlungspflicht somit auch dadurch nachkommen, dass er einen entsprechenden Schutz organisiert. 609 605
Stern, Klaus, Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte – § 109, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 59; Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 378 ff. 606 Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1 – Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit als individuelles Abwehrrecht und als institutionelle Gewährleistung. 607 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 125. 608 Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994) S. 491. 609 BVerfGE 73, 118, 158 f. So führt das Bundesverfassungsgericht beispielsweise im Hinblick auf die Aufgabe des öffentlichen Rundfunks zur Sicherung der unerlässlichen „Grundversorgung“ aus, dass solange und soweit die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch den öffentlichen Rundfunk wirksam gesichert sei, es gerechtfertigt erscheine, an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleich hohe Anforderungen zu stellen wie an den öffentlichen Rundfunk. Der Gesetzgeber habe jedoch Vorkehrungen zu treffen, die bestimmt und geeignet seien, ein möglichst hohes Maß an gleichwichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk zu erreichen und zu sichern.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
2. Staatliche Kompetenz zur Erfüllung „öffentlicher Aufgaben“ Erfüllt ein staatliches Organ eine verfassungsrechtliche Aufgabe, kann diese, ebenso wie die sich daraus ergebende Pflicht, nur im Rahmen der Kompetenzordnung, wie sie die Gewaltenteilung, der Bundesstaat und die sonstigen Gliederungssysteme vorgeben, erfüllt werden. 610 Allein aus der Normierung der Aufgabe ergibt sich weder notwendigerweise die Kompetenz noch die Befugnis zur Erfüllung der Aufgabe (a). Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers, auf Wettbewerbsbeschränkungen im Pressemarkt zu reagieren, steht angesichts der ausdrücklichen Bundeskompetenz für Regelungen zur Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG allerdings außer Frage (b). a) Abgrenzung von der staatlichen Aufgabe und der staatlichen Kompetenz und Befugnis zur Ergreifung grundrechtssichernder Maßnahmen Weist die Verfassung einer staatlichen Gewalt die Aufgabe oder Pflicht 611 zu, die Voraussetzungen für eine generelle Ausübung der Grundrechte zu schaffen, kann diese Aufgabe durch die Instrumente staatlichen Wirkens, also Vollziehung, Rechtsprechung und Gesetzgebung, erfüllt werden. In der demokratischen Ordnung ist es typischerweise die gesetzgebende Gewalt, die grundlegende Fragen des Gemeinwesens, welche die Verfassung offen gelassen hat, einer demokratisch legitimierten Normierung zuführt. 612 Sie kann sowohl die normativen Grundlagen für konkrete Beschränkungen durch die Exekutive schaffen, d. h.,
610
Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 148: Die Aufgabe aktualisiert sich für die staatliche Organisation, die für das jeweils in Frage kommende Mittel des Schutzes zuständig ist, nach Maßgabe der Verbandszuständigkeit und der Behörden- und der Organzuständigkeit. 611 Isensee, Josef, Staatsaufgaben – § 73, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band IV (2006), Rn. 12 ff., 17 ff., 21 ff., beschreibt Staatsaufgaben als „aktuelle“ Tätigkeitsfelder, die dem Staat von Rechts wegen zugewiesen oder zugänglich sind und auf die er nach Maßgabe und in den Grenzen der Verfassung zugreift oder zugreifen darf. Davon abzugrenzen seien Verfassungsaufträge als „virtuelle“ Tätigkeitsfelder und die Gewährpflicht, die im Gegensatz zum punktuellen Verfassungsauftrag auf Dauer angelegt sei. Die Kategorie der Kompetenzen hingegen komme zum Zuge, wenn eine Staatsaufgabe zu erfüllen ist. Dabei sei ein Schluss von der Kompetenz auf die Aufgabe zulässig, nicht hingegen ein Schluss von der Kompetenz auf die Befugnis zu Eingriffen in grundrechtlich geschützte Sphären. Hierzu bedürfe es einer besonderen Ermächtigung gem. dem Vorbehalt des Gesetzes. 612 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 503.
2. Abschn.: Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat 241
die notwendigen Eingriffstitel bereitstellen 613, als auch diese bereits in eigener Hand realisieren. Allerdings kann von einer verfassungsrechtlich vorgegebenen bzw. aus der Verfassung ableitbaren Aufgabe oder Pflicht nicht ohne Weiteres auf die Kompetenz 614 (einer Organisationseinheit oder eines Organs) und auch nicht auf die Befugnis zur Erfüllung dieser Aufgabe (durch Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Sphären) geschlossen werden. Denn der Umstand, dass der Staat eine verfassungsrechtliche Aufgabe erfüllt, entbindet ihn nicht von der Pflicht, allen – den formellen und materiellen – verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Ergreifung staatlicher Maßnahme gerichtet werden, zu genügen. So hat auch der Adressat einer Schutzpflicht, die Staatsorganisation, die ihm auferlegte Pflicht im Rahmen der Kompetenzordnung, wie sie die Gewaltenteilung, der Bundesstaat und die sonstigen Gliederungssysteme vorgeben, zu erfüllen. Da Grundrechte den Staat bei der Wahrnehmung bestehender Aufgaben binden, nicht jedoch selbst Kompetenzen begründen, gilt dies auch dann, wenn die Aufgabe aus einem Grundrecht abgeleitet ist. 615 Die Schutzpflicht selbst vermittelt die Kompetenz folglich nicht, sie verweist auf die Kompetenzordnung. 616 Ferner bedarf das handelnde staatliche Organ einer Befugnis, um in den Rechtskreis von Grundrechtsträgern einzugreifen. Die Notwendigkeit einer über die Aufgabennormierung hinausgehenden Befugnisnorm wird insbesondere in den Fällen deutlich, in denen die staatliche Aufgabenwahrnehmung zu Schutzbereichsverkürzungen führt. Denn der staatliche Akteur bedarf für derartige Schutzbereichsverkürzungen nach dem Vorbehalt des Gesetzes eines Eingriffstitels und damit einer Befugnisnorm. 617 Auch diese ergibt sich nicht unbedingt aus der Aufgabe 618, sodass ebenfalls grundsätzlich 619 keine Eingriffsbefugnisse aus zu Schutzpflichten 620 konkretisierten Aufgaben abgeleitet werden können. 613
Wenn die Exekutive Adressatin einer Schutzpflichten ist, kommt ein Rekurs auf grundrechtliche Schutzpflichten als Eingriffstitel nicht in Betracht. Die Schutzpflicht bedarf ebenso wie die mittelbare Drittwirkung der Mediation durch ein Gesetz. 614 Der Schluss von der Kompetenz auf die Aufgabe hingegen ist möglich, die Kompetenz setzt nämlich voraus, dass eine entsprechende Staatsaufgabe besteht. Vgl. Isensee, Josef, Staatsaufgaben – § 73, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band IV (2006), Rn. 20. 615 BVerfGE 81, 310, 334. 616 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 148: Die Aufgabe aktualisiert sich für die staatliche Organisation, die für das jeweils in Frage kommende Mittel des Schutzes zuständig ist nach Maßgabe der Verbandszuständigkeit und der Behörden- und der Organzuständigkeit. 617 Preu, Peter, Freiheitsgefährdung durch die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, JZ (1991), S. 266. 618 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992),
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Allerdings sind insbesondere im einfachgesetzlichen Bereich die vorhandenen gesetzlichen Eingriffsbefugnisse im Zweifel grundrechtskonform so auszulegen, dass die Exekutive ihrer Schutzaufgabe genügen kann. 621 b) Exkurs: Staatliche Kompetenz zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes Nach der Grundregel des Art. 70 Abs. 1 GG hat der Bund 622 nur dann die Gesetzgebungskompetenz inne, wenn diese ihm durch eine konkrete Kompetenznorm im Grundgesetz ausdrücklich zugewiesen wird. Die generelle Gesetzgebungszuständigkeit ist hingegen den Ländern übertragen. Da der Bund von den Verfassungsgebern gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG die konkurrierende Zuständigkeit für die Verhütung wirtschaftlicher Macht zugewiesen bekommen hat, medien- und pressespezifische Vorschriften hingegen mangels ausdrückliRn. 168 ff. Gleichwohl werden Ausnahmekonstellationen diskutiert, in denen ein einfaches Gesetz nicht erforderlich sei, wenn ein Schutzrecht einen Eingriff gebiete, hierzu: Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 263 ff. 619 Ausnahmen werden angenommen für Fälle allgemeiner Aufklärungskampagnen, behördlicher Beratung und Appellen an die Eigenverantwortlichkeit, die keine Belastungen Einzelner, d. h. weder des Adressaten oder eines Dritten zur Folge haben. Vgl. hierzu: Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 262 ff. 620 In dieser Arbeit sind unter Schutzpflichten solche staatlichen Pflichten zu verstehen, aufgrund derer der Staat den Einzelnen durch aktives Tätigewerden vor nachtstaatlichen Gefährdungen seiner Grundrechtsgüter zu schützen hat. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Schutzpflichten für Grundrechte weitgehend Anerkennung gefunden. Vgl. hierzu m.w. N.: Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), § 111; Dietlein, Johannes, Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992); Stern, Klaus, Die Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung, in: Stern, Klaus, Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1 (1988); Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 489 ff. Erichsen, Hans-Uwe, Grundrechtliche Schutzpflichten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, Jura (1997), S. 85 ff. Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 1, 12; Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999). 621 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 168 f.; Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1037. 622 Da im Rahmen diese Arbeit zu klären sein wird, ob und inwieweit der Bundesgesetzgeber zur Sicherung des Pressemarktes gegen Marktverschiebungen ermächtigt oder verpflichtet ist, soll an dieser Stelle zunächst und noch losgelöst von der Untersuchung der dogmatischen Wurzeln einer Handlungspflicht geklärt werden, ob für entspreche pressespezifische Regelungen eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht.
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cher oder konkurrierender Kompetenzvorschrift für den Bund nach der obigen Regel nur von den Gesetzgebern der Länder erlassen werden dürfen, ist das Medienkartellrecht von der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in besonderem Maße beeinflusst. Zwar besetzte der Bund für allgemeine gesetzgeberischere Maßnahmen im Bereich der Presse und des Films noch vor der Föderalismusreform des Jahres 2006 623 eine Rahmenkompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG, doch wurde auf der Grundlage dieser Kompetenznorm bis zu ihrer Streichung im Jahr 2006 weder ein Gesetz erlassen noch hätte diese Kompetenz, die auf inhaltliche Konkretisierung und Gestaltung durch die Länder angelegt war, eine für eine pressewettbewerbliche Regelung ausreichende Kompetenznorm dargestellt, denn die Rahmengesetzgebungskompetenz durfte nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehen oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten und musste außerdem nach den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Grundsätzen 624 den Ländern einen eigenen Bereich politischer Gestaltung von substanziellem Gewicht belassen. Da es sich bei den geltenden GWB-Vorschriften zur Fusionskontrolle um Vollregelungen handelt, hätten diese den Anforderungen an Rahmenkompetenzvorschriften nicht entsprochen. 625 Im Hinblick auf den spezifischeren Bereich der Kontrolle von Marktverschiebungen ist somit damals wie heute auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG als Kompetenznorm zurückzugreifen. Der explizite Bezug auf den „Missbrauch“ der wirtschaftlichen Macht im Rahmen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG ist dabei nicht einschränkend zu verstehen, da wirtschaftliche Macht als solche stets auch die Gefahr des Missbrauchs in sich birgt. Folglich kann auch die präventive Begrenzung wirtschaftlicher Macht durch eine Fusionskontrolle unter diesen Kompetenztitel gefasst werden. 626 Dies gilt selbstredend auch für Marktverschiebungen im Pressemarkt, jedenfalls soweit der Anknüpfungspunkt der Kontrollvorschriften – hier der Fusionskontrolle – wirtschaftlicher und nicht publizistischer Art ist. 627 Dass das Ziel jedenfalls der geltenden Regelungen neben dem Schutz des 623
52. Gesetz zur Änderung des GG, BGBl. I, 2034. BVerfGE 106, 62 ff.; 111, 226 ff. 625 Degenhart, Christoph, Art. 75 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002), Rn. 26. 626 Maunz, Theodor, Art. 74 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (1996), Rn. 191 ff.; zur verfassungsrechtlichen Legitimation insgesamt: Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 38. 627 BVerfG NJW 1984, S. 17:“[...] da sie sich nicht gegen die Presse, namentlich nicht gegen einen bestimmten Kommunikationsinhalt richten. Dass der 3. GWB-Novelle auch medienpolitische Motive zugrunde lagen, ist für die Allgemeinheit dieser Regelungen ohne Bedeutung. Nach ihrer objektiven Funktion und legislativen Zielsetzung dienen sie in erster Linie der Bekämpfung wirtschaftlicher Macht. Die Pressefusionskontrolle hat keine Sonderkriterien spezifisch publizistischen Wettbewerbs eingeführt.“ 624
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Wettbewerbs auch der Schutz der publizistischen Vielfalt ist, berührt die Frage der Gesetzgebungskompetenz nicht. 628 Abzulehnen wäre eine Bundeszuständigkeit hingegen dann, wenn diese zur Regulierung nicht – wie vorliegend – an wirtschaftlichen, sondern an publizistischen Kriterien anknüpfen würde, da hier die Grenze zur materiell-inhaltlichen Pressegesetzgebungskompetenz der Länder überschritten wäre. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG scheidet als Rechtsgrundlage zur Ergreifung strukturpolitischer Maßnahmen für das Pressewesen aus. Zwar umfasst Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG mehr als die in der Klammer genannten Wirtschaftszweige. Dies gilt allerdings nur für solche, die in keiner weiteren Kompetenznorm explizit genannt sind oder für die kein stärkerer Sachzusammenhang zur Gesetzgebungskompetenz der Länder besteht. 629 Dies kann vorliegend nicht zuletzt mit Blick auf die mit der Streichung des Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG nun vollständig bei den Ländern liegende Kompetenz zur Regulierung des Pressewesens nicht angenommen werden. 3. Zwischenergebnis Grundrechte beschreiben eine verfassungsrechtliche Wertordnung und damit Zielvorstellungen für die Gestaltung dieser Ordnung. Die verfassungsrechtlich normierten Vorgaben sind jedoch nicht „self-executing“, sie bedürfen einer Umsetzung und Verwirklichung, welche sowohl durch staatliche als auch – wie im Bereich der „öffentlichen Aufgabe“ der Presse – gesellschaftliche Aufgabenträger erfolgen können. Entstehen bei der Umsetzung verfassungsrechtlicher Zielvorstellungen allerdings Reibungen oder Konflikte, kann der Staat, nicht jedoch der gesellschaftliche Aufgabenträger, verpflichtet sein, die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Zielvorstellungen zu garantieren, um damit im Ergebnis den Schutz grundrechtlicher Güter verschiedener Grundrechtsträger in einen Ausgleich zu bringen und zu sichern. Erfüllt der Staat eine verfassungsrechtliche Aufgabe, entbindet ihn dies nicht von der Pflicht, allen – den formellen und materiellen – verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Ergreifung staatlicher Maßnahme gerichtet werden, zu genügen. Die verfassungsrechtlich vorgegebene bzw. aus der Verfassung ableitbare Aufgabe oder Pflicht ist folglich im Rahmen der Kompetenzordnung, wie sie die Gewaltenteilung, der Bundesstaat und die sonstigen Gliederungssys628 BGH NJW, S. 266 f; BGHZ 76, 55, 63; BVerfG NJW 1986, S. 1734. Da wirtschaftliche Macht überall dort entstehen kann, wo wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt werden, ist auch keine Beschränkung auf in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG genannte Tätigkeiten anzuerkennen. 629 Pieroth, Bodo, Art. 74 GG, in: Pieroth, Bodo / Jarass, Hans, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (2007), Rn. 19.
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teme vorgeben, zu erfüllen. Ferner bedarf das handelnde staatliche Organ einer Befugnis, in den Rechtskreis von Grundrechtsträgern einzugreifen, denn auch diese ergibt sich nicht unbedingt aus der Aufgabe. 630 Die Aufgabe selbst vermittelt weder die Kompetenz – sie verweist auf die Kompetenzordnung 631 –, noch können aus ihr grundsätzlich Eingriffsbefugnisse abgeleitet werden. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers, gegen Marktverschiebungen im Pressemarkt vorzugehen, die mit Wettbewerbsbeschränkungen verbunden sind, steht angesichts der ausdrücklichen Bundeskompetenz für Regelungen zur Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG, außer Frage, jedenfalls soweit die entsprechenden Vorschriften an wirtschaftlichen und nicht an publizistischen Kriterien anknüpfen. III. Einordnung des gesetzgeberischen Instruments der Pressefusionskontrolle in die verfassungsrechtlichen Kategorien gesetzgeberischen Grundrechtskontakts Gibt die Verfassung Aufgabe und Befugnis des Gesetzgebers für Maßnahmen in Bezug auf Wettbewerbsverzerrungen im Pressemarkt vor, stellt sich daran anknüpfend die Frage, wann sich eine solche allgemeine Aufgabe zu einer Handlungspflicht des Staates zur Ergreifung gesetzgeberischer Maßnahmen verdichtet und auf welcher dogmatischen Grundlage dies beruht. Da sich sowohl die Theorie der Drittwirkung als auch die Staatszielbestimmungen als verfassungsrechtliche Grundlagen einer staatlichen Reaktion auf Marktverschiebungen im Pressemarkt bzw. einer Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes gegen Marktverschiebungen als ungeeignet erwiesen haben 632, bedarf es der Ermittlung alternativer verfassungsrechtlicher Figuren, vermittels derer die anerkannte Handlungspflicht des Staates zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes verfassungsdogmatisch präzisiert wird. 630 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 168 ff. Gleichwohl werden Ausnahmekonstellationen diskutiert, in denen ein einfaches Gesetz nicht erforderlich sei, wenn ein Schutzrecht einen Eingriff gebiete, hierzu: Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 263 ff. 631 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 148: Die Aufgabe aktualisiert sich für die staatliche Organisation, die für das jeweils in Frage kommende Mittel des Schutzes zuständig ist nach Maßgabe der Verbandszuständigkeit und der Behörden- und der Organzuständigkeit. 632 Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1 – Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit als individuelles Abwehrrecht und als institutionelle Gewährleistung.
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Hierzu soll in einem ersten Schritt der Schutzzweck einer solchen Pflicht bestimmt werden. Denn es ist von besonderem Interesse, welchen Rechtsgüterschutz die aktuelle staatliche Schutzmaßnahme, die Fusionskontrolle, im Pressewesen verfolgt, insbesondere ob die Pressefusionskontrolle, die „vordergründig“ vor allem als Mittel zum Schutze von „Wettbewerb und Vielfalt“ verstanden wird, dem Schutz institutioneller bzw. kollektiver oder (auch) dem Schutz individueller Rechtsgüter dient (1). Daran anknüpfend, ist zu klären, ob entsprechende staatliche Maßnahmen zur Gestaltung des Pressewesens als Eingriff oder als eine das Grundrecht nicht beschränkende Erfüllung einer gesetzgeberischen Pflicht zur Grundrechtsausgestaltung einzustufen sind (2). Schließlich geben der uneinheitliche Diskurs zu dieser Frage und die Herausbildung der modernen Schutzpflichtdogmatik Anlass zur Prüfung, ob die per se anerkannte Handlungspflicht zur Sicherung des Pressemarktes über die Kategorie der Schutzpflicht eine im Vergleich zur Ausgestaltung oder dem schlichten Eingriff präzisere und mithin auch gegenüber der Drittwirkung und den Staatszielbestimmungen dogmatisch überzeugendere Einordnung erfahren kann (3). 1. Machtverschiebungen im Pressemarkt: Gefährdungslagen für individuelle und kollektive Güter Wie im Kontext der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gehalte des Pressebildes 633 ausgeführt, verfolgt die verfassungsrechtliche Presseordnung den Schutz der wirtschaftlichen Aspekte der Presse, insbesondere des Presswettbewerbs, nicht als Selbstzweck, sondern aufgrund der Anerkennung des Wettbewerbs als zweckmäßige Marktform, die zum einen Unternehmen dazu anhält, Leistungen fehlerfrei, rechtzeitig und unter zumutbarem Aufwand für den Konsumenten zur Verfügung zu stellen, und zum anderen absichert, dass Markteilnehmern der Marktzutritt nicht versperrt wird. Ebenso wie Marktverschiebungen neben einer möglichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs und der Pluralität eine Störung individualrechtlicher Grundrechtspositionen darstellen können, kommt Wettbewerb eine umfassende Schutzfunktion sowohl für das konkurrierende Presseunternehmen als auch für den Konsumenten bzw. Leser zu. Er stellt sich damit nicht zuletzt deshalb als zweckmäßige Marktform dar, weil er die Ausübung individueller Freiheiten sichert. Gleiches gilt für den verfassungsrechtlichen Schutz der demokratiespezifischen Aktivität der Presse. Auch diesbezüglich wirkt der Schutz der Presseverfassung zum einen in Richtung auf die aus gesellschaftlicher Sicht bedeutsame Vielfalt, zugleich jedoch in Richtung auf den individuellen Grundrechtsträger, wie z. B. den einzelnen Leser, den Verleger oder den Journalisten. Die Leser 633
Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II., 3,– Das Pressebild des Grundgesetzes unter Beachtung wirtschaftsverfassungsrechtlicher Implikationen.
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beispielsweise erhalten durch den Schutz einer außenpluralen Presseordnung die Möglichkeit, ihre grundrechtlich verbürgte Auswahlfreiheit zwischen verschiedenen Informationsquellen auszuüben. Für Verleger und Journalisten sichert er auf der anderen Seite deren Chance, ihre Stimme am Markt zu platzieren. Auch das auf das Gemeinwohl bezogene Pressebild wurzelt im Ergebnis in individuellen Grundrechtspositionen, insbesondere in der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit. Demnach verbinden sich, in Übereinstimmung mit dem an anderer Stelle begründeten grundrechtsdogmatischen Verständnis vom Grundrecht als primärem Abwehrrecht 634, im (wirtschaftlich und publizistisch geprägten) Pressebild institutionelle und individuelle Schutzfunktionen. Nicht der Schutz von „Wettbewerb“ und „Vielfalt“ als solcher ist foglich ein Anliegen der Verfassung. Der Schutz wird vielmehr auch mit Blick auf die Sicherung individueller Grundrechtsausübung verfolgt, von welcher wiederum positive Effekte für das Gemeinwesen erwartet werden. 2. Kritik an der Einstufung der Pressefusionskontrolle als Erfüllung einer Pflicht zur Ausgestaltung institutioneller Grundrechtsgüter In Anlehnung an grundrechtliche Institutsgarantien, die eine generelle Verpflichtung des Gesetzgebers enthalten, die einzelnen Freiheiten durch Ausgestaltung der Rechtsordnung in die soziale Wirklichkeit zu überführen, wird vertreten, dass auch das Institut „Freie Presse“ einer umfassenden staatlichen Ausgestaltung zugänglich ist. 635 Ob dieser für die Institutsgarantien wie z. B. Ehe oder Eigentum durchaus taugliche Ansatz der Schaffung und Sicherung der notwendigen Voraussetzung für die Ausübung einer Freiheit auch für die Presse gelten kann, bedarf genauerer Untersuchung (b). Zuvor soll kurz und einleitend das „Ausgestaltungspotenzial“ von Grundrechten beleuchtet werden (a). a) „Ausgestaltungspotenzial“ von Grundrechten Institutsgarantien wie Ehe, Familie, Eigentum oder Erbrecht, die in rechtserzeugten bzw. normgeprägten Grundrechten wurzeln, sind einer Ausgestaltung durch einfachgesetzliche Normen zugänglich. 636 Diese „Ausgestaltung der inneren Ordnung organisierter Einrichtungen“ 637 obliegt dem Gesetzgeber, der sie
634 Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1 – Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit als individuelles Abwehrrecht und als institutionelle Gewährleistung. 635 Stammler, Dieter, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, (1971), S. 215 ff; Ridder, Helmut, Die öffentliche Aufgabe der Presse im System des deutschen Verfassungsrechtes, (1962), S. 16 ff. 636 Im weiteren Sinn als Regelungsvorbehalt in Art. 4 Abs. 3 Satz 2, 12 Abs. 1 Satz 2 GG, 12a Abs. 2 Satz 3, 38 Abs. 3, 104 Abs. 2 Satz 4 GG.
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nach den jeweiligen verfassungskonformen Zielvorstellungen formen kann. 638 Er kreiert z. B. eine Eigentumsordnung (vgl. §§ 903 ff. BGB) und gibt damit vor, welche vermögenswerten Positionen vom Schutz des Art. 14 GG umfasst sind, oder er präzisiert mit den §§ 1303 ff. BGB das Schutzgut des Art. 6 GG, die Ehe. Die Verwirklichung der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG beispielsweise bedarf, nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, allgemeiner familienrechtlicher Regelungen, welche die Form der verfassungsrechtlich geschützten Lebensgemeinschaft Ehe definieren. 639 Der Grundrechtsträger ist durch rechtserzeugte Grundrechte mithin nicht nur geschützt, der grundrechtliche Schutz ist auch von dem Vorliegen bestimmter Voraussetzung abhängig, die das Grundrecht quasi voraussetzt. Von den rechtserzeugten Grundrechten sind sogenannte sacherzeugte Grundrechte, wie z. B. die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit und die Kunstfreiheit, und „natürliche“ Freiheiten, wie z. B. das Leben oder die Gesundheit, abzugrenzen. Anders als die natürlichen Freiheiten, die der Ausgestaltung schlechthin verschlossen sind, zeigen sacherzeugte Grundrechte, d. h. Grundrechte, die Freiheitsbereiche beschreiben, mit denen besondere Distanzund Neutralitätspflichten korrespondieren 640, ein uneinheitliches Ausgestaltungspotenzial. 641 Im Hinblick auf die organisationszugänglichen Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG 642 und des Art. 5 Abs. 3 GG z. B., die wohlgemerkt keine Institutsgarantie enthalten und kein rechtserzeugtes Grundrecht darstellen, hat das Bundesverfassungsgericht 643, angelehnt an die rechtserzeugten Grund637 Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 960. 638 Isensee, Josef, Staatsaufgaben – § 73, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band IV (2006), Rn. 14; Isensee, Josef, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen – § 115, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 10 ff. 639 BVerfGE 31, 58, 68 ff. Dem Beschluss zur Ehefähigkeit des Bundesverfassungsgerichts, in dem es sich grundsätzlich zur Dogmatik von Grundrechtsausgestaltung äußerte, lag die Vorschrift des § 10 des inzwischen aufgehobenen Ehegesetzes zugrunde, der bei Eheschließungen von Ausländern die Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses oder einer förmlichen Befreiung von dieser Pflicht verlangte. Vgl. hierzu: Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 391. 640 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 51. 641 Nach dem BVerfG ist beispielsweise die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt GG) der Ausgestaltung zugänglich, BVerfGE 80, 24, 133. 642 Mit Blick auf die Rundfunkfreiheit „normgeprägt“; BVerfGE 12, 205, 261 ff.; 57, 295, 325; 60, 53, 64. 643 Sachgeprägt: BVerfGE 35, 79, 115 ff.
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rechte, jedenfalls die Einwirkung der objektiven Wertordnung auf Organisation und Verfahren der durch diese Vorschriften geschützten „Institutionen“ beschrieben. Danach sei der Gesetzgeber auf der Grundlage objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte zur Ausgestaltung verpflichtet, soweit die gesetzliche Ausgestaltung notwendige Voraussetzung für die Ausübung einer Freiheit sei. In anderen Entscheidungen zur Rundfunkfreiheit 644 heißt es in vergleichbarer Lesart, dass es im Bereich des Rundfunks einer positiven Ordnung bedürfe, welche sicherstelle, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck finde. Entsprechendes wird für das Grundrecht der Pressefreiheit vertreten. 645 Wie weit die Ausgestaltungsfähigkeit des Grundrechts der Pressefreiheit tatsächlich reicht, soll nachfolgend geklärt werden. b) Problematik einer „Ausgestaltung“ von Freiheitsrechten Die Verfassung hält für den Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung der Rechtsordnung bereit. Neben Grundrechtsnormen, die den Gesetzgeber dazu legitimieren, im Wege der Ausgestaltung den objektiven Rechtsgehalt der Grundrechte auszuformen, zu verdeutlichen und weiterzuführen 646, ist auch der Eingriff auf der Grundlage eines Gesetzesvorbehalts verfassungsrechtliches Gestaltungsinstrument. Dort, wo der Verfassungsgeber den Schutzbereich eines Grundrechts weiter gefasst hat, als er im Einzelfall zur Wirkung kommen soll, hat er das Grundrecht mit Vorbehalt versehen, um so dem Gesetzgeber die Möglichkeit zur Gestaltung der Rechtsordnung unter Einschränkung von Grundrechten einzuräumen. Die Ausgestaltung wird anknüpfend an die verschiedenen Theorien zum Verhältnis von objektiver und subjektiver Grundrechtsseite häufig dem klassischen Eingriff entgegengesetzt. Dabei wird das Abwehrrecht typischerweise dem staatlichen Grundrechtseingriff zugeordnet, die objektive Grundrechtsseite hingegen als Basis für eine Ausgestaltung grundrechtlicher Werte verstanden. (aa). Einer solchen Entgegensetzung folgend, wird der Anwendungsbereich der Ausgestaltung zumeist unmittelbar von der Weite des Eingriffsbegriffs abhängig gemacht. Außerdem wird mit der Einordnung einer Maßnahme in die Kategorie der Ausgestaltung die „Eingriffswirkung“ derselben ignoriert. Da allerdings der Eingriff im Vergleich zur Ausgestaltung höhere Legitimationshürden zu überwinden hat und mithin die Einordnung in die eine oder andere Kategorie 644
BVerfGE 12, 205, 261 ff.; 57, 295, 325; 60, 53, 64. Stammler, Dieter, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, (1971), S. 215 ff; Ridder, Die öffentliche Aufgabe der Presse im System des deutschen Verfassungsrechts, (1962), S. 16 ff. 646 Häberle, Peter, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, (1982), S. 183. 645
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
zur Umgehung verfassungsrechtlicher Anforderungen führen kann, ist zu prüfen, ob nicht auch „Ausgestaltungen“ grundrechtsverkürzende Wirkungen zukommen können und sich folglich die Kategorien nicht exklusiv gegenüberstehen bzw. auch derartige Maßnahmen an Eingriffskautelen zu messen sind (bb). aa) Klassische Entgegensetzung von Ausgestaltung und Eingriff Ausgestaltungen auf der einen und Eingriffe auf der anderen Seite unterliegen, soweit eine Exklusivität dieser gesetzgeberischen Handlungsoptionen unterstellt wird, unterschiedlichen Legitimationshürden. 647 Stellt nämlich eine Ausgestaltung keine Beschränkung dar, sondern ermöglicht und verwirklicht sie die grundrechtliche Freiheit, kann sie mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 GG zwar nicht beliebig eingesetzt werden, unterliegt aber anders als der Eingriff nicht den typischen eingriffsrechtlichen Kautelen. 648 Auch das Übermaßverbot ist dann keine Legitimationshürde für den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Grundrechten, denn dieses gewinnt nur Bedeutung im Zusammenhang mit dem vom Gesetzesvorbehalt getragenen Grundrechtseingriff, es ist grundrechtliche SchrankenSchranken, also Grenze des seinerseits das Grundrecht beschränkenden Eingriffs. Gesetze, die nur den Grundrechtsinhalt bestimmen, eröffnen damit dem Gesetzgeber erheblich weitergehende Spielräume als ihm bei Erlass eines grundrechtseinschränkenden Gesetzes zustünden. 649 Die Einstufung einer gesetzgeberischen Maßnahme als Begrenzung oder Ausgestaltung eines Grundrechts ist infolgedessen von zentraler Bedeutung für die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Prüfprogramms. 650 Da das Kriterium des Eingriffs auch der Abgrenzung von Ausgestaltung und Eingriff dient, ist dieser zugleich Orientierungspunkt für eine Verantwortungszurechnung. 651 Prägendes Merkmal des Eingriffs ist dessen schutzbereichsverkürzende Wirkung, die dann gegeben ist, wenn der Staat auf ein grundrechtliches Schutzgut gegen den Willen des Grundrechtsträgers nicht unerheblich einwirkt 647 Jedenfalls dann, wenn eine Grundrechtsausgestaltung, soweit sie Beschränkungen enthält, nicht den gleichen Rechtfertigungsvoraussetzungen unterliegen soll wie ein Eingriff. Vgl hierzu: Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 37; für die Abgrenzung Eingriff / Ausgestaltung im Kontext der Rundfunkfreiheit: Bethge, Herbert, Die Freiheit des privaten Rundfunks, DÖV (2002), S. 680. 648 Lerche, Peter, Übermaß und Verfassungsrecht, (1961/1999) S. 140, 153. 649 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 1 ff. 650 Sachs, Michael, Die Gesetzesvorbehalte, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/2 (1994), S. 373. 651 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 78.
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bzw. wenn er dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, unmöglich macht. 652 Das Grundrecht wird dabei als vorgegeben vorausgesetzt, während das gesetzgeberische Handeln quasi von außen an das Grundrecht herantritt und es begrenzt. 653 Wird indes die Grenze des Schutzbereichs nicht überschritten, z. B. weil ein tatbestandlich nicht erfasstes Verhalten betroffen ist 654, eine tatbestandliche Grenze nachgezeichnet bzw. eine immanente Grenze klargestellt wird, liegt kein Eingriff vor. 655 Ob die Wirkung der Maßnahme final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar bzw. mit Befehl oder Zwang erfolgt, ist dabei nach dem modernen Eingriffsbegriff für die Einordnung einer staatlichen Maßnahme als „Eingriff“ ohne Bedeutung. Dieses heute als herrschend zu bezeichnende moderne Eingriffsverständnis stellt eine Erweiterung des klassischen Eingriffsbegriffs dar, nach dem ein Eingriff nur ein mit Befehl oder Zwang angeordnetes finales rechtsförmliches Vorgehen ist, das die unmittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung zur Folge hat. Um der Effektivität der Grundrechte willen weitete sich dieser Eingriffstatbestand und mit ihm die Reichweite der abwehrrechtlichen Eingriffskautelen. 656 Da die Entgegensetzung von Ausgestaltung und Eingriff unmittelbar mit der Weite des Eingriffsbegriffs verknüpft ist, wirkt sich dies – ebenso wie die Weite des Schutzbereichs – auf die Einordnung einer Norm als Ausgestaltungs- oder Schrankengesetze aus. 657 Angelehnt an das soeben dargestellte Eingriffsverständnis wird ein Ausgestaltungsgesetz zumeist dann angenommen, wenn der Gesetzgeber mit dem Ziel der Eröffnung von Verhaltensmöglichkeiten durch die Herstellung einer recht652 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 59. 653 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 8. 654 Z. B. im Falle einer unfriedlichen Versammlung. 655 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 61. 656 Problematisch ist insoweit, dass die grundrechtlichen Vorbehalte auf den klassischen Eingriff zugeschnitten sind. Durch die Erweiterung des Eingriffsbegriffs muss sich nun nahezu jegliches staatliche Handeln an diesen Eingriffsvoraussetzungen messen lassen. Vgl. m.w. N. Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 242. 657 Die Konkretisierung der Ausgestaltungsmerkmale erfolgte durch das Bundesverfassungsgericht vor allem in Bezug auf die Rundfunkfreiheit. BVerfGE 74, 297, 334 „jenseits der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“; Jarass, Hans D., Art. 5 GG, in: Jarass, Hans D. / Pieroth, Bodo, (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Kommentar (2007), Rn. 45, 97.
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lichen Ordnung den Schutzbereich eines Grundrechts „von innen her“ 658 formt, der Schutzbereich des Rechts mithin intakt bleibt, also nicht durch staatliches Handeln von außen verkürzt oder beschränkt wird. 659 Als Orientierungspunkt gilt hierfür z. B., dass die gesetzgeberische Maßnahme der Sicherung der grundrechtlichen Freiheit bzw. des mit ihr verfolgten Zwecks dient. Eine Ausgestaltung soll auch dann vorliegen, wenn die Vorschrift der Konkretisierungen eines verfassungsrechtlichen „Bildes“ dient, das die Verfassungsgeber von einem Grundrecht haben. 660 Nach einem weiteren Ansatz ist von einem Eingriff und nicht von einer Ausgestaltung auszugehen, wenn mit „Traditionen“ des Grundrechts gebrochen wird. 661 Teilweise wird auch die Unterscheidung von sacherzeugter, rechtserzeugter und natürlicher Freiheit als ein Indiz für eine Begrenzung oder Ausgestaltung angesehen. Die Ausgestaltungsbedürftigkeit sei dabei umso größer, je intensiver der Sozialbezug der betreffenden Freiheit ist. 662 Für grundrechtsbeschränkende Maßnahmen im Bereich des Pressewesens wird beispielsweise vertreten, dass sie sich stets an Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen müssen, der Gesetzgeber also auch im Falle des Erlasses einer grundrechtsschützenden oder organisationsbezogenen Regelung an die Eingriffskautelen gebunden bleibe. 663 Allen voran von Vertretern der primär institutionellen Deutung werden aber vorrangig die im Vergleich zum Eingriff weiteren Gestaltungsbefugnisse des Gesetzgebers zur Verwirklichung einer bestimmten gesellschaftlichen Ordnung, hier der Kommunikationsordnung, hervorgehoben. 664 Die organisatorische und verfahrensrechtliche Ausgestaltungen des Grundrechts des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sei von den Vorschriften abzuheben, die durch die allgemeinen Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 GG repräsentiert werden und die dem Schutz anderer Rechtsgüter dienen. 665 Der Ausgestaltungsvorbehalt käme zum Tragen, bevor die Begrenzungsschicht des Gesetzesvorbehalts in Erscheinung trete, mit der Konsequenz, dass der Erlass einer ein Grundrecht konkretisierenden Normschicht nicht als Eingriff anzusehen und auch nicht an Art. 5 Abs. 2 GG bzw. am Übermaßverbot zu messen ist. 666 Wenn auch Grundrechtsausgestaltungen danach zwar 658
BVerfGE 7, 377, 404; vgl. auch BVerfGE 13, 97, 122. Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 303. 660 Häberle, Peter, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, (1982), S. 182. 661 Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 213. 662 Häberle, Peter, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, (1982), S. 183. 663 Vgl. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 92 ff. m.w. N. 664 Z. B. Stammler, Dieter, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, (1971), S. 360. 665 Bethge, Herbert, Die Freiheit des privaten Rundfunks, DÖV (2002), S. 680. 666 Zwischen diesen beiden Polen wird in verschiedenen Abweichungen vertreten, dass der Gesetzgeber eine notrechtliche Kompetenz zusteht, wonach – wiederum im Wege der 659
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nicht zur Beschränkung des Grundrechts berechtigen, sollen sie gleichwohl per se „keinen Grundrechtseingriff enthalten [...] und [...] daher keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung“ bedürfen. 667 bb) Keine Exklusivität von Ausgestaltung und Eingriff Eine klare Grenze zwischen Ausgestaltung und Eingriff ist – trotz diverser Abgrenzungskriterien –, wie soeben gesehen, nicht leicht zu ziehen. 668 Dies wirft die Frage auf, ob sich die entsprechenden Kategorien ggf. nicht exklusiv gegenüberstehen, sondern vielmehr fließend ineinander übergehen und somit z. B. im Grenzbereich zwischen Ausgestaltung und Eingriff Ausgestaltungen auch grundrechtsbeschränkende Wirkungen zuerkannt werden könnten. Jedenfalls ist die Ansicht, nach der Ausgestaltungen generell keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen, nach hier vertretener Auffassung nicht belegbar (1). Hingegen ist der auf den ersten Blick paradox anmutende „grundrechtsschützende Grundrechtseingriff“ ein aus verfassungsrechtlicher Sicht allgegenwärtiges und letztlich widerspruchsfreies Phänomen (2). (1) Kritik der Lehre von der Ausgestaltung unter Bezugnahme auf die Konzentrationskontrolle im Pressemarkt Vermittels einer sogenannten generalisierenden Betrachtung 669 (a) oder dem Verständnis von der „von vornherein begrenzten Freiheit“ (b) wird organisationsrechtlichen, grundrechtsschützenden und grundrechtsausgestaltenden Maßnahmen auch und gerade im Bereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu Unrecht der Eingriffscharakter abgesprochen.
„Ausgestaltung“ bzw. als Organisationsrecht, vgl. Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, (1974), S. 33; Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 52 f., oder in der Gestalt des Eingriffs, vgl. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 113 ff., 119 ff. – eine Pflicht dahingehend besteht, die existentiellen Mindestrechte institutionell zu sichern. 667 Für die Rundfunkfreiheit: BVerfGE 57, 295, 321, 324 ff.; vgl. auch BVerfGE 73, 118, 166. 668 Hierzu: Ruck, Silke, Zur Unterscheidung von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen im Bereich des Rundfunks, AöR (1992), S. 549 ff. Bethge, Herbert, Die Freiheit des privaten Rundfunks, DÖV (2002), S. 680; Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 363 ff. 669 Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 391.
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(a) Generalisierende Betrachtung Nach dem Ansatz, welcher den Eingriffscharakter einer grundrechtsschützenden Maßnahme, anknüpfend an eine „generalisierenden Betrachtung“ der Wirkung dieses Rechtsakts, verneint, werden bestehende subjektive Rechte des Grundrechtsberechtigten durch den objektiven Gehalt des Grundrechts überlagert. Trotz Anerkennung belastender Effekte auf der subjektiven Seite ist nach dieser Ansicht dann nicht von einer Beschränkung eines Grundrechts auszugehen, wenn in der Gesamtschau der objektive Bedeutungsgehalt durch die Beschränkung verstärkt oder realisiert und damit die Wirkung des Grundrechts insgesamt befördert wird. 670 Auch wenn die objektiv-rechtliche Grundrechtsseite, wie gesehen, der Verstärkung der Geltungskraft der individuellen Freiheitsgarantie dient, kann der generalisierenden Betrachtung von Schutz und Eingriff bzw. der „Überlagerung“ subjektiver Inhalte durch institutionelle Gehalte nicht gefolgt werden. 671 Nicht nur, dass mit diesem Ansatz die nachgewiesenermaßen primär individualrechtliche Ausrichtung der Grundrechte übergangen würde. Es widerspricht auch dem Vorrang des subjektiven Rechts, wenn im Rahmen von Ausgestaltungen dem politisch bzw. öffentlich motivierten Freiheitsschutz ein Vorrang vor dem Individualschutz eingeräumt wird. 672 Außerdem ist es verfassungsdogmatisch nicht begründbar, wie die Funktion einer Maßnahme (beispielsweise der Grundrechtsschutz oder die Grundrechtsorganisation) den Inhalt und die Tragweite der abwehrrechtlichen Freiheit bestimmen können soll. 673 Eine Maßnahme, die in bestimmte Bereiche der Pressefreiheit eingreift, kann ihren Eingriffscharakter nicht deshalb verlieren, weil sie Zielen dienen soll, die von der institutionellen Garantie des Art. 5 GG getragen werden. Andernfalls könnten sich intensivste Belastungen der Individualrechte von den rechtsstaatlichen allgemeinen und besonderen Eingriffserfordernisse, „Münchhausengleich“ 674 selbst befreien. Auch die Klarstellung, dass individuelle Belastungen nur dann akzeptiert werden dürfen, wenn sie im Vergleich zum objektiven Gewinn untergeordneter Natur sind, kann die Kritik am generalisierenden Ansatz vor diesem Hintergrund nicht ausräumen. 670 Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 391 ff. 671 Leisner, Walter, Werbefernsehen und öffentliches Recht, (1967), S. 201. 672 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW (1974), S. 1535. 673 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW (1974), S. 1535; Gabriel-Bräutigam, Karin, Wahlkampf im Rundfunk, ZUM (1991), S. 468 ff. 674 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 51 m.w. N.
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Die Durchsetzung der institutionellen Komponente gegen ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut im Wege der Ausgestaltung führt außerdem dazu, dass beide Schutzgüter bereits im Rahmen der Gewährleistung (und nicht der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung) wertend gewichtet und gegeneinander abgewogen werden. Eine solch abwägungslastige Auslegung eines grundrechtlichen Tatbestandes „denaturiert“ 675 das Grundrecht: Neben der Umgehung der Eingriffskautelen führt dieser Ansatz nämlich zu einer tatbestandlichen Verkürzung des Grundrechts. Eine institutsoptimale Auslegung des grundrechtlichen Schutzbereichs der Pressefreiheit könnte beispielsweise zu einer Ausrichtung des Schutzbereichs an einer objektiv feststellbaren Gemeinschaftswichtigkeit von Meinungsäußerungen führen oder durch die Betonung des Politischen eine Ausgrenzung der einfachen Sensationspresse aus dem Schutzbereich zur Folge haben. Es stellt zudem ein rechtsstaatliches Defizit dar, wenn der Schutzbereich von Grundrechten durch objektive Grundrechtsgehalte und damit in der Tendenz „weitmaschige Grundprinzipien“ 676 bestimmt werden soll. Denn es wäre bei einer generalisierenden Betrachtung im Ergebnis völlig offen, welche grundrechtlichen Handlungsvorgaben für die Politik bestünden und was Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht sein könnte. Das Grundrecht verlöre damit seine rechtsstaatliche Maßstabs- und Korrektivfunktion. 677 Es ist damit festzuhalten, dass auch dann, wenn das Grundrecht aus der „Institution“ oder dem institutionellen Gehalt gewisse Inhalte empfängt bzw. bündelt und dadurch Individualrechte verstärkt werden, dieser Grundrechtsteil nichts von den Individualrechten Abweichendes schafft. Auch bei einem anerkanntermaßen durch die objektive Dimension der Grundrechtsverwirklichung erweiterten Auftrag des Gesetzgebers bedarf dieser sowohl einer verfassungsmäßigen Ermächtigung bzw. Befugnis als auch einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die spezifische Logik der Grundrechtsprüfung bedingt also, dass auch die im Ergebnis freiheitssichernde Maßnahme öffentlicher Gewalt dann als Eingriff zu werten ist, wenn durch sie die Ausübung einer grundrechtlichen Freiheit tatsächlich beschränkt wird. 678
675
Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 43. 676 Rupp, Hans Heinrich, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 174; Gabriel-Bräutigam, Karin, Wahlkampf im Rundfunk, ZUM (1991), S. 470. 677 So Eberle, Carl Eugen, Rundfunkübertragung, (1989), S. 39, für die Rundfunkfreiheit. 678 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 78.
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(b) Ansatz der „von vornherein begrenzten Freiheit“ Auch der Ansatz der „von vornherein begrenzten Freiheit“ 679, nach dem subjektive Rechte „von vornherein“ nur in dem Maße zustande kommen sollen, in dem die Ausgestaltung es vorgibt bzw. zulässt, kann nicht begründen, warum grundrechtsbeschränkenden Ausgestaltungen der Eingriffscharakter abzusprechen sein sollte. Nach diesem Ansatz soll die Möglichkeit der Schaffung einer Ausgestaltungsebene noch vor Einsetzen des Gesetzesvorbehalts im Falle von Einrichtungsgarantien bzw. dort existieren, wo der Gesetzgeber einer Gestaltungsbefugnis bedarf, um die Verwirklichung des Grundrechts sichern oder „die Aufgaben des modernen Sozialstaats“ 680 bewältigen zu können. Die gesetzgeberische Verwirklichung der institutionellen Gehalte vermittels einer Ausgestaltung stellt sich danach als Ermöglichung und nicht Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten dar. Soweit es um die Konstituierung grundrechtlicher Institute geht bzw. solange die Ausgestaltung oder die auf das Organisationsrecht bezogene staatliche Maßnahmen ausschließlich begünstigend sind und keinen eigentlichen – weder unmittelbaren noch mittelbaren – Eingriffscharakter haben, sie sich also nicht gegen das konstituierte Schutzgut wenden, ist ein solches Verständnis verfassungsrechtlich unbedenklich. 681 Etwas anderes muss indes gelten, wenn deutlich weitergehende Berechtigungen des Staates zur konkretisierenden Regelung im Grundrechtsbereich vor Ein679 Mit vergleichbarem Ansatz Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 50 ff., der eine grundrechtsimmanente organisationsrechtliche Schicht als fundamentale Rechtsschicht identifiziert, die den Grundrechten von vornherein immanent sei und in die, soweit diese gestaltet werde, nicht eingegriffen werde. Das „Organisationsrecht“ ist nach Lerche eine von vier prinzipiell zulässigen Begrenzungen des Grundrechts. Zwei dieser Eingrenzungsoptionen haben danach keinen Eingriffscharakter: solche, die „von vornherein bestehenden tatbestandlichen Grenzen des Grundrechts“ verdeutlichen (erste Begrenzungsschicht), und eben solche, die organisatorische Vorgaben enthalten, das sog. Organisationsrecht (als zweite Begrenzungsschicht). Diesbezüglich spricht Lerche auch statt von Ausgestaltung von Grundrechtsprägung. Auf einer dritten Stufe folge dann der „Eingriff“ bzw. all diejenigen Maßnahmen, die sich an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen haben. Als letzte Begrenzungsschicht sieht er schließlich Grundrechtskollisionen, vergleichbar mit Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt. 680 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 52. 681 So wird der Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 GG aufgefordert, den Inhalt von Eigentumsrechten zu bestimmen, die dem Einzelnen als subjektives Recht zugeordnet werden. Auch in Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 9 Abs. 1 GG kommt eine vergleichbare Aufgabe deutlich zum Ausdruck. Zum Komplex Ausgestaltung und Eingriff bzw. „Begrenzung“: Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992).
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setzen des Grundrechtsvorbehalts anerkannt werden. Beispielsweise wird vertreten, dass die Konzentrationskontrolle von Rundfunkveranstaltern eine zwingend erforderliche staatliche Sicherung der Rundfunkfreiheit sei und damit anknüpfend an die objektiv-rechtliche Grundrechtsseite eine Ausgestaltung dieses Grundrechts darstelle, die nicht an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen sei. 682 Auch im „so sensiblen Bereich der Presse“ wird Raum für derartige (ausgestaltende) Maßnahmen gesehen, wobei diese dort „vorsichtig und zurückhaltend“ zu dosieren seien. 683 Eine Konzentrationskontrolle von Presseunternehmen wirke demnach, da sie „nur Bedingtheiten für das gedeihliche Funktionieren des Pressebetriebes“ 684 setze, auf der Ebene der Ausgestaltung vor Einsetzen des Gesetzesvorbehalts und stelle damit keinen Grundrechtseingriff dar. Dass bei der Ergreifung einer organisationsbestimmenden oder grundrechtsschützenden Maßnahme der Umweg über den Gesetzesvorbehalt im Falle der „von vornherein begrenzten Freiheit“ nicht mehr indiziert sein soll, ist ebenso abzulehnen wie die Umgehung der Eingriffskautelen nach dem Ansatz der generalisierenden Betrachtung. Auch wenn Institutsgarantien einen Auftrag an den Gesetzgeber richten, die jeweiligen Einrichtungen den zeitlichen Bedürfnissen gemäß auszugestalten und fortzuentwickeln 685, kann der Erlass organisationsrechtlicher oder grundrechtsschützender Maßnahmen von Grundrechten mit institutionellen Grundrechtsgehalten nicht per se zur Umgehung des Gesetzesvorbehalt führen. Andernfalls würde ein überindividueller Gehalt mit einem antiindividuellen ausgetauscht und insoweit eine verfassungsrechtlich bedenklich andersgerichtete Grundrechtskonzeption verfolgt. Wer subjektive Rechte anerkennt, muss bei einer Verkürzung eines subjektiven Rechts auch von einem Eingriff ausgehen. 686 Es kommt hinzu, dass das Grundrecht der Pressefreiheit kein mit den Einrichtungsgarantien vergleichbares Bedürfnis an rechtlicher Ausgestaltung kennt. Auch ein die institutionelle Bedeutung der Pressefreiheit in den Vordergrund rückendes Verständnis kann nicht übersehen, dass die Verfassung einen Regelungsvorbehalt, wie er in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG enthalten ist, in Art. 5 GG nicht vorgesehen hat. Art. 14 GG schützt das Eigentum und mithin keine natürliche oder sacherzeugte Freiheit, sondern eine Freiheit, die erst aufgrund einer gesetzlichen Ordnung ihre Wirkung entfalten kann. 687 Insoweit ist deren 682 BVerfGE 12, 205, 261 ff.; 57, 295, 325; Hesse, Albrecht, Rundfunkrecht, (1999), S. 65 ff. 683 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 52. 684 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 52. 685 Isensee, Josef, Staatsaufgaben – § 73, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band IV (2006), Rn. 12 ff. 686 Ruck, Silke, Zur Unterscheidung von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen im Bereich des Rundfunks, AöR (1992) S. 548. 687 Eberle, Carl Eugen, Rundfunkübertragung, (1989), S. 41.
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Ausgestaltung rechtsnotwendig bedingt. 688 Eine Ausgestaltung der Pressefreiheit vermag sich hingegen nicht auf eine vergleichbare Notwendigkeit, erst recht nicht auf einen ausdrücklichen Verfassungsauftrag stützen. 689 Zwar ist es richtig, dass auch unabhängig vom konkreten verfassungsrechtlichen Auftrag Ausgestaltungen angezeigt sein können. 690 Einwände gegen eine pauschale Einstufung allgemeiner rechtlicher oder tatsächlicher Konkretisierungen als Ausgestaltung einer „institutionellen Garantie“ bestehen gleichwohl. 691 Während für den Rundfunk jedenfalls noch aufgrund der besonderen Kosten und der zu regulierenden Frequenznutzung zwar nicht von einer rechtlichen, wohl aber von einer tatsächlichen Notwendigkeit der Ausgestaltung ausgegangen werden könnte 692, bedarf die Verwirklichung der Pressefreiheit weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Form der gesetzgeberischen Vorgabe einer solchen Ordnung. Die Pressefreiheit stellt sich nämlich als eine qualifizierte Form der Meinungsäußerung dar, die sich um den Druckvorgang einer Tageszeitung gruppiert. Auch der institutionelle Gehalt der Pressefreiheit beschreibt damit einen von Menschen getragenen und beherrschten Sozialbereich, der als solcher auch ohne rechtliche Ausgestaltung besteht. 693 Die Tatsache, dass die massenmediale Meinungsäußerung fachmännischer Aufbereitung und Darbietung bedarf, die evtl. mit hohen Kosten verbunden ist, ändert daran nichts. Eine gesetzliche Konkretisierung von Presse zur rechtlichen Existenzwerdung ist nicht notwendig.
688
Gabriel-Bräutigam, Karin, Wahlkampf im Rundfunk, ZUM (1991), S. 471. Schneider, Hans, Verfassungsrechtliche Grenzen der gesetzlichen Regelung des Pressewesens, (1971), S. 46 ff. 690 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 300 ff.; sehr weit: Häberle, Peter, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, (1982), S. 181, nach dem alle Grundrechte der „der gesetzlichen Begrenzung einerseits, der gesetzlichen Ausgestaltung und inhaltlichen Präzisierung andererseits fähig und bedürftig“ sind. 691 Starck, Christian, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich / Starck, Christian, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band I (2005), Rn. 8 ff.; 74 ff.; Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 969 m.w. N. 692 Selbst für den Rundfunk verneinend: Eberle, Carl Eugen, Rundfunkübertragung, (1989), S. 29; Gabriel-Bräutigam, Karin, Wahlkampf im Rundfunk, ZUM (1991), S. 471. So auch Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 111 f.; er führt aus, dass die Argumentation des BVerfG an Forderung der sozialstaatlich-gesetzgeberischen Verteilung wie Einräumung knapper Güter erinnere. Spätestens mit dem definitiven Wegfall der Mangelsituation im Bereich der Sendefrequenzen sei diese Voraussetzung auch im Rundfunk entfallen. 693 Gabriel-Bräutigam, Karin, Wahlkampf im Rundfunk, ZUM (1991), S. 471; Erkennt einen „denknotwendigen Vorbehalt zugunsten der Gesetze“ für Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 14 GG, lehnt diesen jedoch für Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Rundfunkfreiheit) ab. 689
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Zudem können sich Legitimationshürden für eine staatliche Maßnahme nicht danach bestimmen, ob die Maßnahme dem Schutz oder der Organisation der Grundrechtsausübung dient. 694 Denn auch ein positives institutionelles Verständnis von Grundrechten kann den Gegensatz von Freiheit des Einzelnen und Freiheit der anderen bzw. von Freiheit und Gesetzgebung nicht aufheben. Jede gesetzgeberische Tätigkeit hat sich immer, selbst wenn sie mit dem Ziel der Grundrechtsausgestaltung oder Grundrechtssicherung verfolgt wird, der aus den Freiheitsrechten der anderen ergebenden verfassungsrechtlichen Schranken zu vergegenwärtigen. Nur so kann der Vorrang der Verfassung gewahrt bleiben und vermieden werden, dass die – primäre – Abwehrfunktion nicht durch eine institutionelle Deutung in den Hintergrund gedrängt wird. Das Bundesverfassungsgericht formuliert insoweit deutlich: „Wenn der Staat durch eine wertentscheidende Grundsatznorm verpflichtet ist, ein besonders wichtiges Gut auch gegen Angriffe Dritter wirksam zu schützen, so werden oft Maßnahmen unvermeidlich sein, durch welche die Freiheitsbereiche anderer Grundrechtsträger tangiert werden [...]“ 695. Schließlich würde der Ansatz von der „von vornherein begrenzten Freiheit“ dem Gesetzgeber nicht nur weitergehende Gestaltungsspielräume (als nach der primär subjektiv-rechtlichen Grundrechtsbetrachtung) verschaffen, sondern ihm auch erlauben, ein Gesetz als Ausgestaltungsgesetz zu titulieren und so gerade der scharfen Begrenzung gesetzgeberischer Reglungszuständigkeit, wie sie aus dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip erfolgt, zu entgehen. Die Grenze aller organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen ergibt sich daher aus dem mittelbar schützenden geschriebenen und ungeschriebenen Vorbehalt des Gesetzes. Mithin muss sich auch die gesetzgeberische Grundrechtsverwirklichung an den Schranken messen lassen, die für das entsprechende Grundrecht vom Verfassungsgeber gezogenen wurden. 696 Die legislatorische In694
Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 51. 695 BVerfGE 39, 1, 47. Es führt weiter aus: „Allerdings muss der Gesetzgeber den hierbei entstehenden Konflikt durch eine Abwägung der beiden einander gegenüberstehenden Grundwerte oder Freiheitsbereiche nach Maßgabe grundgesetzlicher Wertordnung und unter Beachtung des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lösen.“ Ähnlich in der früheren Entscheidung BVerfGE 12, 45, 53.: „Soweit sich durch Auslegung die sachliche Reichweite eines Grundrechts unmittelbar erschließen lässt, bleibt kein Raum für eine konstitutive Regelung durch den einfachen Gesetzgeber. Eine authentische Interpretation der Verfassung ist ihm verwehrt. Versucht ein Gesetz, den Gehalt des Grundrechts mit eigenen Worten verdeutlichend zu umschreiben, so geschieht das auf die Gefahr, dass dieser Interpretationsversuch mit der Verfassung in Widerspruch steht.“ 696 Schaumann, Wilfried, Der Auftrag des Gesetzgebers zur Verwirklichung der Freiheitsrechte, JZ (1970), S. 53; Scholz, Rupert, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ (1981), S. 566.
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tention der Vielfaltssicherung oder der Organisation des Wettbewerbs zwischen Presseverlagen zum Schutz von Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit kann daher keine Ablösung des Grundrechts der Pressefreiheit von Art. 5 Abs. 2 GG bedingen. 697 Eine Ausgestaltung „der von vornherein begrenzten Freiheit“ wird dem Grundrecht der Pressefreiheit, dessen Freiheitsbereich mit einer Neutralitätspflicht des Gesetzgebers korrespondiert, nach dem oben Gesagten in der Regel verschlossen bleiben. 698 Sie kann als solche nur anerkannt werden, wenn grundrechtliche Schutzbereiche nicht in der Weise verkürzt werden, wie dies lediglich im Wege des Grundrechtseingriffs mit dessen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen zulässig wäre. (2) Grundrechtsrealisierender Grundrechtseingriff Erfolgt der Schutz der grundrechtlichen Ordnung durch den Gesetzgeber vermittels eines Eingriffs in die freiheitlichen Grundlagen eben dieser Ordnung, erscheinen entsprechende Schutzmaßnahmen auf den ersten Blick widersprüchlich bzw. rechtfertigungsbedürftig. 699 So kann eine Konzentrationskontrolle, der die Aufgabe zukommt, Wettbewerb oder eine ausreichende Zahl und Vielfalt von Presseerzeugnissen zu fördern, erhebliche Belastungen beinhalten. Während sie Presseunternehmern auf der einen Seite ermöglicht, in einem diversifizierten Markt aktiv zu sein, resultiert sie andererseits häufig in Beschränkungen der Freiheit von (expandierenden Verlagen) und kann auch als Verhinderung einer Erweiterung des publizistischen Angebots grundrechtsverkürzend wirken. 700 Vergleichbar ambivalent sind auch sonstige Maßnahme zum Schutze der Presse, z. B. gegen Konkurrenten wie den privaten Rundfunk, Gratisblättern oder dem Internet. Der an die Anerkennung einer institutionellen Dimension des Grundrechts anknüpfende Erlass freiheitsverkürzender Maßnahmen zur Sicherung der Grundrechtsausübung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 701 Bereits 697 Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 127, es sei denn das Gesetz ist kein „presseeingreifendes“ Gesetz. 698 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 51, der sich jedoch nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG bezieht, sondern auf Art. 4 GG und Art. 5 Abs. 3 GG. 699 Degenhart, Christoph, Medienrecht und Medienpolitik, K&R (2000), S. 51. 700 Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 47. 701 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 39; Gehrhardt, Erwin, Läßt Artikel 5 des Grundgesetzes die Einführung einer Fusionskontrolle für die Presse zu?, AfP (1971), S. 3.
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die ausdrücklichen Gesetzgebungsaufträge z. B. in Art. 6 Abs. 5, 26 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 5 und 131 GG belegen ein Verständnis des Verfassungsgebers dahin gehend, dass im Falle der Existenz eines Gesetzgebungsauftrags die entsprechenden Grundrechte den notwendigen Beschränkungen unterworfen werden können. Auch in der Systematik des Art. 5 Abs. 1 GG mit seiner umfassenden Freiheitsgewährleistung in Abs. 1 und der Schrankentrias des Abs. 2 ist eine klare Entgegensetzung von grundrechtlicher Freiheit und Freiheitsbeschränkung angelegt. 702 Die Vorstellung vom Staat, der, um ein Grundrecht, etwa die Pressefreiheit, zu erhalten, in diese eingreift, ist auch insoweit dogmatisch begründbar, als nach der Natur des gesellschaftlichen Zusammenlebens, nach der die Freiheit des einen durch die Freiheit des anderen begrenzt ist, der verfassungsrechtlich gebotene Schutz grundrechtlicher Schutzgüter bei bestimmten Begebenheiten nur auf Kosten anderer, ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgter Güter bewahrt werden kann. 703 Soll jede Freiheit ihren Schutzobjekten zunächst in gleicher Art und in gleichem Umfang Schutz gewährleisten, müssen daher jedem Grundrechtsträger auch in entsprechendem Umfang diejenigen rechtlichen Einschränkungen auferlegt werden können, die für die freie und umfassende Entfaltung der individuellen Freiheit notwendige Voraussetzung sind. 704 Die gesetzgeberische Aufgabe zur Realisierung der Grundrechte 705 kann – wie oben angedeutet – gar in eine Pflicht zur Schaffung neuen Rechts münden und damit den Gesetzgeber zu einem Grundrechtseingriff verpflichten. 706 Dies gilt insbesondere dann, wenn eine verfassungskonforme Korrektur der geltenden Rechtslage nicht mehr durch richterliche oder verwaltungsrechtliche Auslegung zu erreichen ist. 707 Die Maßnahmen, die der Gesetzgeber im Interesse der freiheitlichen Demokratie und der individuellen Pressefreiheit umsetzt, um diese Schutzgüter in ihrem Bestand zu erhalten, können sich folglich auch als Eingriff in die Pressefreiheit darstellen und bedürfen der Rechtfertigung nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 GG. c) Zwischenergebnis Anknüpfend an die Unterscheidung von objektiven und subjektiven Grundrechtsgehalten, wird der Grundrechtsausgestaltung als Schutzbereichsdefinition 702
Degenhart, Christoph, Medienrecht und Medienpolitik, K&R (2000), S. 51. BVerfGE 49, 24, 55 f. 704 Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 494. 705 Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 377. 706 BVerfGE 12, 205, 261; 57, 295, 320; 60, 53, 64. 707 BVerfGE 7, 198, 205. 703
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„von innen her“ 708, vermittels derer der objektive Rechtsgehalt der Grundrechte ausgeformt wird, der Grundrechtseingriff als Verkürzung der subjektiven Grundrechtsseite durch staatliches Handeln von außen gegenübergestellt. Eine daraus resultierende Entgegensetzung von Schutz und Eingriff kann jedoch nicht kategorial sein. Sie kann zumindest nicht so weit gehen, dass organisationsrechtlichen bzw. grundrechtsschützenden Maßnahmen aufgrund ihres Bezugs zur objektiven Grundrechtseite bzw. ihrer auch grundrechtsschützenden Wirkung der Eingriffscharakter per se abgesprochen wird. Weder der Ansicht von der „von vornherein begrenzten Freiheit“ noch der Ansatz der generalisierenden Betrachtung können über eine vorhandene schutzbereichsverkürzende Wirkung einer grundrechtsschützenden bzw. -ausgestaltenden Maßnahme hinwegtäuschen. Verfolgt also eine gesetzgeberische Maßnahme eine organisationsrechtliche oder grundrechtsschützende Intention, entbindet dies den Gesetzgeber nicht davon, entsprechende Maßnahmen an verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen zu messen, wenn diese Maßnahme grundrechtsverkürzend wirkt. Auch die Pressefusionskontrolle, die „Bedingtheiten für das gedeihliche Funktionieren des Pressebetriebes“ 709 bzw. für die Ausübung der Freiheit des Art. 5 GG normiert, muss folglich an Eingriffsschranken gemessen werden, soweit mit ihr grundrechtsverkürzende Wirkungen verbunden sind. Ergibt sich daraus zwar das eigenartige Bild, dass der Staat in ein Grundrecht eingreift, um dieses zu erhalten, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 710 3. Pressefusionskontrolle als Verwirklichung einer Schutzpflicht An anderer Stelle wurde gezeigt, dass sich eine gesetzgeberische Reaktion auf Marktverschiebungen im Pressemarkt nicht vollständig in das Abwehrrecht – auch nicht mithilfe des Konzepts der Drittwirkung – integrieren ließ. Ebenso wenig hatten eine „Institutionalisierung“ der Presse, die Ausgestaltung der objektiv-rechtlichen Gehalte der Pressefreiheit oder gar eine Aktivierung von Staatszielbestimmungen eine überzeugende Lösung für die dogmatische Einordnung der Pressefusionskontrolle bzw. einer Handlungspflicht zur Sicherung des Pressemarktes liefern können. 711 Unzweifelhaft war indessen, dass die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Sicherung des Pressemarktes grundrechts708
BVerfGE 7, 377, 404; 13, 97, 122. Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 52. 710 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 39; Gehrhardt, Erwin, Läßt Artikel 5 des Grundgesetzes die Einführung einer Fusionskontrolle für die Presse zu?, AfP (1971), S. 3. 711 Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1 – Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit als individuelles Abwehrrecht und als institutionelle Gewährleistung. 709
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schützende und organisatorische Wirkungen haben und mithin Bezüge zum objektiven Grundrechtsgehalt der Pressefreiheit, dem darauf fußenden verfassungsrechtlichen Pressebild und einer Grundrechtsausgestaltung aufweisen. Abweichend von der eigentlichen Natur der Ausgestaltung, kommen diesen gesetzgeberischen Schutzmaßnahmen allerdings Eingriffswirkungen zu. Sie sind insoweit – anders als die typische Ausgestaltungsmaßnahme – an Eingriffskautelen zu messen. 712 Eine darüber hinausgehende dogmatische Grundlage konnte der als anerkannt geltenden Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes gleichwohl nicht zugewiesen werden. Es besteht somit weiterhin ein Bedürfnis, staatliches Handeln zur Sicherung des Pressemarktes dogmatisch zu präzisieren. 713 Insbesondere die Vergleichbarkeit der jüngeren Schutzpflichtendogmatik mit der überlieferten Schutzkonzeption des GWB im Hinblick auf deren Individualbezug gibt Anlass zu prüfen, ob die in den 1970er-Jahren geführte Diskussion um die Einordnung vielfaltssichernder Maßnahmen als Eingriff oder Ausgestaltung und die darauf fußende „Institutionalisierung“ von Presse und Rundfunk mit der Folge der Anerkennung einer grundrechtsbeschränkenden Ausgestaltung dem damals noch unterentwickelten Schutzpflichtverständnis geschuldet war. Typische Tatbestände der kasuistisch geprägten Schutzpflichtkonzeption sind nämlich solche, in denen grundrechtlich geschützte Individualpositionen durch nicht staatliche Gewalten beeinträchtigt oder gefährdet werden. 714 Auf den ersten Blick weisen diese Tatbestände Bezüge zum Sachverhalt der Verschiebung von Marktgleichgewichten auf. 715 Denn zweifelsohne können nicht staatlich veranlasste Marktverschiebungen im Pressemarkt zu Grundrechtsverkürzungen auf712
Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. I. – Funktionsverantwortung des Staates: Anerkannte Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes – bis III., 2 – Kritik an der Einstufung der Pressefusionskontrolle als Erfüllung einer Pflicht zur Ausgestaltung institutioneller Grundrechtsgüter. 713 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 38; Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 457. 714 BVerfGE 39, 1, 42; 46, 160, 164; 49, 24, 53; 88 203, 221; 90, 145, 195. 715 Bleckmann, Albert, Neue Aspekte der Drittwirkung der Grundrechte, DVBl (1988), S. 941: Der Staat komme einer Schutzpflicht nach, wenn er Voraussetzungen dafür schaffe, dass die für den wirtschaftlichen Selbstregulierungsprozess vorausgesetzten Freiheiten der Individuen gegen Eingriffe Dritter geschützt würden. Stern, Klaus, Die Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung, in: Stern, Klaus, Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1 (1988), S. 1593: „Der Staat schuf durch spezielle Gesetze [...] Abhilfe. Es genügt, in diesem Zusammenhang an das Gesetz gegeben Wettbewerbsbeschränkungen zu erinnern.“ Vgl. auch S. 1595: „Die Privatautonomie ist nicht nur zu respektieren, sie ist auch explizit zu schützen. Dieser grundrechtliche Schutzauftrag wird mitunter vergessen.“
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seiten des Konsumenten bzw. des Mitkonkurrenten, d. h. in einer Verletzung individueller Grundrechtspositionen resultieren; dies wäre z. B. der Fall, wenn Marktmacht bedingt, dass Mitkonkurrenten ihre Produkte nicht mehr ungehindert am Markt platzieren oder pressemarktspezifische Leistungen mangelhaft, in nicht ausreichender Zahl bzw. Vielfalt oder nur unter unzumutbarem Aufwand zur Verfügung gestellt werden können. 716 Auch der gesetzgeberische Wettbewerbsschutz als Reaktion auf Beschränkungen grundrechtlicher Schutzgüter durch andere marktmächtige Private orientiert sich – wie bereits an anderer Stelle gezeigt – insbesondere an den individuellen Positionen realer Wirtschaftssubjekte. 717 Es ist ein Instrument der Freiheitssicherung, das nicht nur von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckt ist, sondern diese auch realisiert. Beispielsweise bezweckt das Kartellrecht, das Vorgaben zur Sicherung des Marktes und der wirtschaftlichen Selbstregulierungsprozesse enthält, neben dem Schutz der ökonomischen Funktion des Leistungswettbewerbs den Schutz von Individuen 718 und ihrer Freiheitsausübung. 719 Gleiches gilt ebenfalls für das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) als gesetzgeberisches Mittel zur Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen durch unzulässige Praktiken. Wettbewerbsschutz stellt sich insoweit als „mittelbarer Individualschutz“ 720 dar, was den Wettbewerbsschutz wiederum mit dem individualschutzbezogenen Schutzpflichtenkonzept verbindet. 721 Nachfolgend ist daher zu prüfen, ob die Kategorie der Schutzpflicht 722 auch für Fälle des Schutzes der Vielfältigkeit oder des Wettbewerbs des Pressemark716 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 124. 717 Zu diesem Thema umfassend: Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 24 ff.; 35 ff. 718 Der Bezug zum Konkurrenten kann und muss jedoch nicht automatisch bestehen. Der Bezug zur subjektiven Wirtschaftsfreiheit besteht hingegen grundsätzlich. Über die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte ist damit freilich noch nichts gesagt. 719 Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971) S. 31; vgl. auch S. 25 und 27. 720 Für die Kartellaufsicht, vgl. Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 29. 721 Im wirtschaftlichen Bereich sind z. B. durch das GWB Einzelne vor einer unzulässigen Beschneidung ihrer Entfaltungsmöglichkeiten durch marktmächtige Private durch staatliche Maßnahmen zu schützen. Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 82. 722 Die Betrachtung beschränkt sich hier auf die Rechtslagen, an der der Staat und zwei Grundrechtsträger, und zwar Störer und Opfer, beteiligt sind. Auf weitergehende Schutzpflichtenkonstellationen (Schutz vor Maßnahmen auswärtiger Staaten oder Schutz vor Naturkatastrophen) und die damit zusammenhängenden Fragestellungen wird hier nicht eingegangen. Vgl. zu den Schutzpflichten m.w. N.: Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002); Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), § 117; Klein,
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tes insgesamt nutzbar gemacht werden und damit den verfassungsrechtlichen Rahmen, die auf die Sicherung des Pressmarktes gerichteten Gestaltungsinstrumente, deren Einordnung bis dato verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bereitete, präzisieren und die insoweit bestehenden Abgrenzungsunschärfen beseitigen kann. 723 Zur Klärung dieser Frage soll untersucht werden, inwieweit die Kategorie der Schutzpflicht eine gesetzgeberische Maßnahme zur Vielfaltssicherung korrekt beschreibt und ob die Schutzpflicht die Defizite anderer Lösungskonzepte dogmatisch vorzugswürdig auflösen kann (c). Hierzu ist das Konzept einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressemarktes mit den verfassungsrechtlichen Koordinaten der hergebrachten Schutzpflichtenkonzeption (b) zu vergleichen und anhand dieses Maßstabs zu bewerten. a) Skizzierung des Schutzpflichtenkonzepts Die Schutzpflicht des Staates ist Bestandteil des Grundrechtssystems. Wurzel der Schutzpflicht sind die Grundrechte und die durch diese verkörperte objektive Wertordnung. Auf ihrer Grundlage ist der Staat verpflichtet, die in den Grundrechten gewährleistete Freiheit durch positives Handeln aktiv zu schützen, d. h., Bedingungen zu schaffen oder zu sichern, welche die Verwirklichung der grundrechtlichen Freiheiten ermöglicht 724 (aa). Die Schutzpflicht, die in ein mehrseitiges Rechtsverhältnis, ein „Rechtsdreieck“ 725 zwischen Grundrechtsschützer, Grundrechtsbeeinträchtiger und Grundrechtsgeschütztem, eingebettet ist, spricht dabei alle drei Gewalten an. Die Verfassung hält für diese sowohl im Hinblick auf die Frage, ob ein Schutzpflichttatbestand besteht, d. h. ein Grundrecht eine Schutzpflicht auferlegt, als auch in Bezug auf die Frage, in welcher Form Schutz zu gewähren ist, Vorgaben bereit (bb).
Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 489 ff.; Erichsen, HansUwe, Grundrechtliche Schutzpflichten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, Jura (1997), S. 85 ff. 723 Für den Schutz der Vielfalt im Rundfunk ausführlich: Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004). Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 357, spricht für den Fall, dass eine Auslegung im Lichte der Grundrechte nicht möglich ist bzw. gesetzliche Regelungen fehlen jedenfalls davon, dass die die Gerichte den Schutz dieser Rechte – in Wahrnehmung der gesetzlichen Schutzpflicht zu gewährleisten haben. 724 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 79; BVerfGE 35, 79, 114; 39, 1, 41; 49, 89, 141 ff.; 79, 174, 201f.; 85, 191, 212. 725 Isensee, Josef, Das Grundrecht auf Sicherheit, (1983), S. 34.
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aa) Verfassungsrechtliche Wurzeln des Schutzpflichtenkonzepts Die verfassungsrechtliche Grundlage von Schutzpflichten ist umstritten. Unter anderem wird vertreten, dass diese in der Staatsaufgabe „Sicherheit“ wurzeln. 726 Danach müssen die aus der Etablierung des Staates als Friedensordnung und dem insoweit geltenden Gewaltmonopol des Staates folgende Gehorsamspflicht des Einzelnen und das Verbot privater Gewaltanwendung kompensiert werden. Der Verzicht auf das naturgegebene Verteidigungsrecht des Einzelnen könne für diesen nur dann in Betracht kommen, wenn ihm der Schutz seiner Rechtsgüter durch den Staat sicher sei, z. B. durch die Verpflichtung des Staates vermittels Schutzpflichten. Diese seien daher auf die außergrundrechtliche Basis der Staatsaufgabe „Sicherheit“ zurückzuführen. 727 Der alleinige Bezug zur Staatsaufgabe „Sicherheit“ als Begründung für eine staatliche Schutzpflicht zur Ordnung der Freiheiten der Bürger untereinander ist jedoch defizitär. Zwar ist es richtig, die Schutzpflichten als Teil der dem Staat auferlegten Friedensordnung anzusehen. Dies erklärt allerdings nicht, ob überhaupt und wenn ja, auf welcher Grundlage, Pflichten zum Schutz grundrechtlicher Rechtsgüter begründet werden können. So geht die auf den Gewaltverzicht reduzierte Ableitung, wie Klein 728 überzeugend ausführt, beispielsweise für die Pflicht zum Schutz des ungeborenen Lebens nicht auf. Denn das „Austauschverhältnis“ (Verzicht privater Selbsthilfe gegen staatlichen Schutz) wäre im Falle der Nichtbeachtung der dem Staat obliegenden Pflicht zum Schutze des Ungeborenen von diesem (Ungeborenen) nicht – auch nicht theoretisch – aufkündbar. Es wäre zur Selbsthilfe außerstande und damit seiner Vernichtung ohne Verteidigungschance ausgeliefert. Gegen eine Staatsaufgabe „Sicherheit“ als Grundlage der Schutzpflicht spricht überdies, dass eine Schutzpflicht als staatlicher Ausgleich zum Gewaltverzicht ausschließlich in Fällen tatsächlicher Gewaltanwendung bestehen könnte. Im Gefährdungsfall müsste sie versagt werden, denn Gefährdungen könnten im Austauschverhältnis Gewaltverzicht gegen Schutz vor Gewalt noch keinen Anspruch auf Schutz aktivieren. Weil Sicherheit im Schutzpflichtenkontext zudem auch Unversehrtheit der Schutzgüter im Verhältnis der Bürger untereinander bedeutet, stünde ein auf Ge726 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 23. 727 Wenngleich mit einer Verknüpfung zu den Grundrechten: Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 83-85. 728 Klein, Eckart, Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates, NJW (1989), S. 1636.
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waltanwendungen beschränkter Schutz auch im Widerspruch zur entsprechenden Aufgabe des Staates, die Entfaltung der Grundrechte ohne ein gegenseitiges Aufzehren zu ermöglichen. Außerdem wäre eine globale Sicherheitsgewähr hinsichtlich konkreter Schutzgüter zu unbestimmt. Da nicht jedes Rechtsgut gleich strenger Pflichten bedarf, sondern Umfang und Grenzen des grundrechtlich gebotenen Schutzes auch davon abhängen, welche Güter betroffen sind (beispielsweise erfordert z. B. nicht jedes Schutzgut wie im Fristenlösungsfall den Einsatz des Strafrechts), dürfen nicht alle Schutzpflichten „über einen juristischen Leisten“ 729 geschlagen werden. Vielmehr bedarf es einer Zuordnung der Schutzpflicht zum jeweilig betroffenen Grundrecht und der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 730 Eine solche Zuordnung bzw. ein differenziertes Schutzkonzept erlaubt ein auf die Staatsaufgabe bezogener Ansatz nicht. 731 Die Ansicht, nach der allein die Staatsaufgabe „Sicherheit“ Grundlage des Schutzpflichtenkonzepts ist, vermag daher nicht zu überzeugen. Richtigerweise ist die Schutzpflicht Bestandteil des Grundrechtssystems und fußt in der objektiven grundrechtlichen Ordnung. 732 Art. 1 Abs. 3 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 GG bringen deutlich zum Ausdruck, dass der Staat nicht nur Grundrechtsverpflichteter, sondern auch Grundrechtsgarant ist, der verfassungsrechtliche Grundentscheidungen bei Gefährdungen durch andere durch die Gewährung von Schutz umzusetzen hat. 733 Die vom Verfassungsgeber gewählte Formel „zur Achtung und zum Schutz“ in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG weist beispielsweise darauf hin, dass die Grundrechtsordnung den Staat über die rein abwehrrechtliche Grundrechtsbindung hinausgehend verpflichtet. Denn während mit dem Begriff der „Achtung“ die Abwehrfunktion der Grundrechte gegenüber dem Staat angesprochen ist, beschreibt der Begriff des „Schutzes“ eine Pflicht des Staates, die Unversehrtheit grundrechtlicher Schutzgüter insgesamt sicherzustellen. Auch ein Blick auf Art. 1 Abs. 3 GG, nach dem der Staat an 729
Isensee, Josef, Das Grundrecht auf Sicherheit, (1983), S. 37. BVerfGE 81, 242, 254 ff.; Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 19 f.: jedenfalls i. S. e. „Angemessenheits-Verhältnismäßigkeit“. 731 Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 385. Eine ergänzende Ableitung von Schutzpflichten aus nicht grundrechtlichen Verfassungsbestimmungen bleibt dabei durchaus möglich. 732 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 80. 733 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 82; Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 82. Besteht eine unzumutbare Beeinträchtigung der Freiheit des Einzelnen durch einen Dritten, wirkt diese Pflicht auch in den Bereich gleichgeordneter Beziehungen hinein. 730
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die Grundrechte und damit auch an die aus den Grundrechten abgeleiteten Ordnungsprinzipien gebunden ist, belegt die Existenz einer solchen Pflicht. Denn ohne die Sicherstellung der Verwirklichung des Grundrechts wären die von den Grundrechten verkörperten verfassungsrechtlichen Ordnungsprinzipien wertlos. Die Wirkung der Pflicht auch in den Bereich gleichgeordneter Beziehungen hinein gründet nicht zuletzt darauf, dass die grundrechtliche Ordnung dem Ausgleich zwischen Privaten dienen soll und der Staat auf diesen Ausgleich hinzuwirken hat, was die Verfassungsgeber auch in Art. 2 Abs. 1 GG mit der Bezugnahme auf die Rechte anderer und die verfassungsmäßige Ordnung 734 zum Ausdruck gebracht haben. Aus einer Mehrzahl verfassungsrechtlich in gleicher Weise legitimierter Grundrechtsträger und daraus resultierenden Konfliktlagen folgt damit ein Gebot der verfassungsrechtlichen Konfliktlösung. 735 Dem konfliktneutralen und verfassungsrechtlich gebundenen Staat kommt dabei die Aufgabe zu, verbindlich über die Grenze kollidierender Grundrechtsnormen zu entscheiden und so den grundrechtlichen Konflikt sachgerecht aufzulösen. Die Funktion des Staates als Garant der Ausübung grundrechtlicher Güter im zwischenmenschlichen Bereich ergibt sich überdies aus diversen Einzelgrundrechten. 736 Merkmale von Schutzaufträgen finden sich beispielsweise in Art. 6 Abs. 1, 4 GG 737 ebenso wie in den ausdrücklich normierten Schranken des bereits erwähnten Art. 2 Abs. 1 GG und in Art. 5 Abs. 2 GG (durch die Nennung der Jugend und der persönlichen Ehre) bzw. den Art. 11 Abs. 2, 13 Abs. 3 und 14 Abs. 2 Satz 2 GG. 738 Gestützt auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (i.V. m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise eine Pflicht des Staates zur Verwirklichung des konkreten grundrechtlichen Schutzgutes durch 734 Nach herrschender Meinung ist damit die Rechtsordnung, soweit sie verfassungskonform ist, gemeint: Vgl. Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 609 f. Die auf das System allgemeiner Begrenzung aufbauende allgemeine Rechtsordnung fängt typische Grundrechtskollisionen quasi präventiv auf. Das einfache Recht, das Privatrecht ebenso wie das öffentliche Recht und das Strafrecht, stellen sich damit im Prinzip als ein generelles Kollisionsauflösunginstrument und die Erfüllung einer gesetzgeberischen Schutzpflicht dar. 735 Vgl. Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 56; Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 634. 736 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 86, m.w. N. 737 Durch die „generellen Schutzseite“, die der Abwehrseite gegenübergestellt wird, sind Schutzpflichten dem Grunde nach von in Grundrechtsbestimmungen explizit normierten Schutzaufträgen (wie Art. 6 Abs. 1 und 4 GG, Art. 7 Abs. 4 GG) zu unterscheiden, vgl. insoweit Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 937.
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den Erlass strafrechtlicher Normen anerkannt. 739 Auch im sogenannten SchleyerBeschluss 740 wurde unter Bezugnahme auf dieses Grundrecht eine Schutzpflicht formuliert. Dort heißt es: „Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet den Staat, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht ist umfassend. Sie gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen.“ 741 Daneben hat das Gericht auch der objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite des Art. 12 Abs. 1 GG eine staatliche „Schutzpflicht“ entnommen, nach welcher der Gesetzgeber verpflichtet sein kann, die Rechtslage anzupassen, wenn es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt. 742 Ein an Art. 12 GG anknüpfender Schutzpflichtgedanke liegt überdies auch Kündigungsverboten des Arbeitsrechts zugrunde. 743 Die Schutzpflicht weist dabei dogmatisch einen besonderen Bezug zur objektiven Grundrechtsseite auf. Ebenso wie die Grundrechtsgehalte durch die Anerkennung der Schutzpflicht als Teil der grundrechtlichen Gewährleistung gesichert werden und eine erhöhte Effektivität erlangen, kommt dem objektivrechtlichen Grundrechtsteil – wie an anderer Stelle beschrieben – die Funktion zu, dem Grundrecht vor über die staatlichen Eingriffe hinausgehenden Verletzungen zu schützen und die Geltungskraft der subjektiven Freiheiten zu verstärken. Die Schutzpflicht ist damit Kehrseite des staatsgerichteten abwehrrechtlichen Grundrechtsschutzes. Sie unterstützt die Verwirklichung des Grundrechts und ist demzufolge Garant für die Existenz der objektiv-rechtlichen Ordnung. 744 Das Grundrecht stellt sich insoweit als zentrales Verknüpfungselement zwischen der auf der staatstheoretischen Grundlage beruhenden klassischen Staatsaufgabe Si-
738 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 13. 739 BVerfGE 39, 1. 740 BVerfGE 46, 160 ff. 741 BVerfGE 46, 160, 164 ff. 742 BVerfGE 81, 242, 254 ff. 743 BVerfGE 84, 133, 146f.; 92, 140, 150. 744 BVerfGE 39, 1, 41 f.: „Ob [...] der Staat zu rechtlichem Schutz [...] von Verfassungswegen verpflichtet ist, kann deshalb schon aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der grundrechtlichen Normen erschlossen werden.“ Vgl. auch: Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 350; Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 931; andere verstehen sie als zentraler Teil der grundrechtlichen Wertdimension: Klein, Eckart, Diplomatischer Schutz und grundrechtliche Schutzpflicht – Unter besonderer Berücksichtigung des Ostvertragsbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts, DÖV (1977), S. 705 f.; m.w. N. auch: Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 931.
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cherheit und der anhand des jeweiligen Schutzgutes konkretisierten Schutzpflicht dar. 745 Dabei ist die Schutzpflichtfähigkeit nicht davon abhängig, ob es sich bei dem in Rede stehenden Grundrecht um ein die Handlungsfreiheit verbürgendes (wie der Meinungsfreiheit oder die Pressefreiheit) oder um ein besitzstandsverbürgendes Grundrecht (dem Recht auf Leben oder Eigentum) handelt. Denn auch ein die Handlungsfreiheit verbürgendes Grundrecht schützt einen Zustand bestimmter Freiheit, beispielsweise ein aktuelles Bild, so wie es für die Presse an anderer Stelle 746 erörtert wurde, das ebenso wie ein grundrechtlich geschützter „Besitzstand“ durch privates (oder staatliches) Verhalten beeinträchtigt werden kann. Beispielsweise können auf Handlungsfreiheiten bezogene Ausführbarkeitsbestimmungen (Verbot der Nutzung bestimmter Produktionsmittel oder bestimmter Vertriebswege bei besonderer Umweltbelastung) geeignet sein, Beschränkungen hervorzurufen, die sich durchaus als Schmälerung des Besitzstandes bezeichnen lassen. Letztendlich kann anknüpfend an alle Grundrechte, die das Ziel verfolgen, die Integrität der Schutzgegenstände zu sichern, Schutzpflichten begründet werden. 747 Eine Einschränkung dieser grundrechtsumfassenden Anerkennung von Schutzpflichten ist jedoch mit Blick auf typischerweise normgeprägte Grundrechte, wie Art. 14 GG, vorzunehmen. Eine Schutzpflicht kann nämlich dann nicht bestehen, wenn eine Konstituierung des Schutzguts, beispielsweise des Eigentums, im Wege der – klassischen – Ausgestaltung erfolgt. 748 In einem solchen Fall kommt der Gesetzgeber schlicht dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Ausgestaltung nach, er erfüllt insoweit keine Schutzpflicht. Hat der Gesetzgeber hingegen das Schutzgut vorgeformt, kann der Gesetzgeber durchaus verpflichtet sein, vermittels weiterer Schutznormen, die z. B. die Durchsetzung bestehender Eigentumsrechte regeln, dem Eigentum Schutz zukommen zu lassen. Gleiches gilt gewiss auch für die Exekutive und die Judikative. Finden diese Gewalten ein vom Gesetzgeber geformtes Schutzgut vor, das die objektive Wertentscheidung der Grundrechtsnorm inhaltlich definiert, können auch sie zum aktiven Schutz dieses Gutes verpflichtet sein. Schließlich können Schutzpflichten in allen Rechtsbereichen, d. h. neben dem Strafrecht und dem Privatrecht z. B. auch im Bereich des nachbarschützenden Verwaltungsrechts Bedeutung 745
Klein, Eckart, Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates, NJW (1989), S. 1636. Teil 2, 1. Abschnitt § 2, Ziff. II. – Das Pressebild des Grundgesetzes unter Beachtung wirtschaftsverfassungsrechtlicher Implikationen. 747 Sachs, Michael, Vor Art. 1 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (2007), Rn. 35. 748 So auch: Dietlein, Johannes, Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 78 f.; Erichsen, Hans-Uwe, Grundrechtliche Schutzpflichten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, Jura (1997), S. 87. 746
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erlangen. 749 Denn der Gesetzgeber unterliegt in allen Rechtgebieten den grundrechtlichen Bindungen. bb) Eckpunkte des Schutzpflichtkonzepts: Berechtigte, Verpflichtete, Tatbestand und Rechtsfolgen Die Gestalt des Schutzpflichtkonzepts soll nachfolgend sowohl anhand der Eckpunkte der Schutzberechtigten und der zum Schutz Verpflichteten (1) als auch durch die Unterscheidung von Tatbestand und Rechtsfolgen der Schutzpflicht (2) präzisiert werden. (1) Schutzberechtigter und zum Schutz Verpflichteter Die Schutzberechtigung folgt aus der Grundrechtsberechtigung, welches sich wiederum aus den allgemeinen Grundrechtslehren über die Eröffnung von objektivem und subjektivem Schutzbereich ergibt. Allerdings – hier unterscheidet sich das Schutzpflichtkonzept von dem klassischen bipolaren Staat-Bürger-Verhältnis – geht die vermeintliche Beeinträchtigung des entsprechenden Schutzbereichs im Schutzpflichtenkontext nicht vom Staat, sondern von einem Privaten und damit von einem selbst grundrechtsberechtigten Rechtssubjekt aus. „Zum-Schutz-Verpflichtete“ sind, insoweit unterscheiden sie Schutzpflichten nicht von anderen staatlichen Aufgaben, zunächst alle drei Gewalten. Dabei wird nach dem Prinzip der Gewaltenteilung und dem Parlamentsvorbehalt primär der Gesetzgeber zum Handeln bzw. dazu verpflichtet sein, kollidierende Systeme in Einklang zu bringen und die Einheit der Verfassung zu sichern. 750 Ihm obliegt die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts 751, typischerweise mit dem Ziel der Auflösung oder Verhinderung einer Grundrechtskollision. Allerdings kann die legislative Erfüllung der Schutzpflicht nicht immer eine angemessene Lösung anbieten. Insbesondere die Anwendungsbezogenheit von Kollisionen bedingt, dass entsprechende Konflikte in besonderem Maße auf Einzelfallgerechtigkeit angewiesen sind und sich oft nur schwer durch allgemeine Lösungsformeln auf der Grundlage allgemeiner Gesetze auflösen lassen. Zwar kann der Gesetzgeber die Distanz der abstrakt-generellen Norm zum konkreten Fall durch den Einsatz unbestimmter Rechtsbegriffe und Ermessenstatbestände überwinden. Die Feinabstimmung muss daran anknüpfend im Einzelfall gleich749 Im „Kalkar“ – Beschluss, BVerfGE 49, 89, 141 f., und den „Mühlheim-Kärlich“Beschlüssen, BVerfGE 53, 30, 57 ff.; 56, 54, 73, wird die „Wertordnung, die für alle Bereiche des Rechts gilt“ als Grundlage der Schutzpflicht bezeichnet. 750 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 635. 751 BVerfGE 96, 56, 64.
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wohl durch den Richter oder die Verwaltung erfolgen. Diese Gewalten sind häufig näher an der konkreten Konfliktsituation und können dementsprechend auf der Ebene der Grundrechtsausübung gezieltere Lösungen als ein Gesetzgeber finden. Die gesetzgeberische Kollisionslösung beinhaltet überdies die Gefahr, durch eher beliebige als gefestigte Güterabwägungen Grundrechtsgewährleistungen aufzuweichen. Nach Maßgabe des Übermaßverbots kann sogar eine über das erforderliche Maß von konkret-individuellen Kollisionslösungen hinausgehende, der Grundrechtsausübung vorgelagerte, abstrakt-generelle Kollisionslösung verfassungsrechtlich bedenklich sein. Konflikte antizipierende Rechtsakte sind folglich zu vermeiden. 752 Aus diesem Grund ist der Gesetzgeber zwar „primär berufen“ 753, die wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf die abstrakt-generelle Reaktion auf eine Schutzpflicht zu treffen. Er kann allerdings nur in typisierten Fällen Schlichtungsarbeit leisten. 754 Exekutive und Judikative haben folglich unter Ausnutzung ihres eigenen Verantwortungsspielraums in einer Vielzahl von konkreten Fällen und ohne dass es (weiterer vorrangiger) gesetzgeberischer Aktivitäten bedarf, ein hinreichendes Schutzniveau zu gewährleisten. 755 Typischerweise wird deshalb die gesetzgeberische Schutzpflicht ebenso wie eine gesetzgeberische Kollisionslösung „ultima ratio“ sein und allein dann relevant werden, wenn die allgemeine Rechtsordnung den Konflikt nicht trägt, d. h., sowohl Richter als auch Verwaltung auf ihrer Basis keine kollisionslösende Entscheidung treffen können. (2) Tatbestand und Rechtsfolge Die verfassungsrechtliche Prüfung einer Schutzpflicht hat zwischen dem Tatbestand der Schutzpflicht, d. h. der Frage, ob ein Grundrecht dem Staat eine Schutzpflicht auferlegt, und der Rechtsfolge der Schutzpflicht, d. h. der Frage, wie der Schutz auszusehen hat, zu unterscheiden. 752 Scholz, Rupert, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ (1981), S. 566. 753 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 645; vgl. auch BVerfGE 88, 203, 258. 754 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 645. 755 Nicht zuletzt aufgrund des Gebotes der Rechtsstaatlichkeit kommen gesetzgeberische Kollisionslösungen daher nur dann in Betracht, wenn es sich um typische lösungsbedürftige Grundrechtskollisionen handelt, Scholz, Rupert, Art. 12 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2006), Rn. 306; für ein kollisionslösendes Gesetz gilt damit das Erfordernis des Nachweises eines generell typischen Konfliktfalls. Insoweit besteht auch keine bloße Vermutungs / Einschätzungskompetenz des Gesetzgebers.
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Der Tatbestand der Schutzpflicht verlangt – vereinfacht – die Eröffnung eines grundrechtlichen Schutzbereichs 756, die Feststellung, dass dem einschlägigen Grundrecht über den abwehrrechtlichen Gehalt hinaus auch objektiv-rechtliche Funktionen, insbesondere Schutzfunktionen, 757 zukommen und eine Beeinträchtigung dieses Schutzbereichs, wobei umstritten ist, wie intensiv die Beeinträchtigung zu sein hat. 758 Liegen diese Voraussetzungen vor, resultiert daraus in der Rechtsfolge der Auftrag der staatlichen Gewalten, der Schutzpflicht nachzukommen. Während der Gesetzgeber dieser Pflicht durch den Erlass von Rechtsakten nachkommen kann, die den insoweit typischen Vorgaben der Verfassung genügen müssen, können die Justiz und die Verwaltung sich bei der Erfüllung der Schutzpflicht an einem zum Handeln legitimierenden einfachen Gesetz orientieren und haben dies im Sinne der Schutzpflicht (ermessens-)fehlerfrei anzuwenden und sich insoweit am höherangigen Recht sowie an den Grundrechten messen zu lassen. Auf diesen zweistufigen Aufbau wird im Verlauf dieser Arbeit zurückzukommen sein. 759 b) Bewertung des Konzepts einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressemarktes Das Schutzpflichtkonzept weist nicht nur dogmatische Überschneidungen, sondern auch Vorzüge gegenüber der Kategorie der Ausgestaltung (aa) und dem Konzept der Drittwirkung (bb) auf. Dies deutet darauf hin, dass eine Einordnung staatlichen Handelns zur Sicherung des Pressemarktes in die Kategorie der Schutzpflichten den verfassungsrechtlichen Rahmen der auf die Sicherung des Pressmarktes gerichteten Gestaltungsinstrumente präzisieren und die insoweit bestehenden Abgrenzungsunschärfen beseitigen könnte. 760 Die Aktivierung einer Schutzaufgabe im Fall des Schutzes von Wettbewerb und Vielfalt hängt jedoch noch von weiteren Fragen ab. Da der Schutzpflichttatbestand an definierte Rechtspositionen anknüpft, eine Schutzpflicht z. B. erst dann ausgelöst wird, wenn eine Verletzung individueller Rechtsgüter durch Dritte zu beklagen ist, muss geklärt werden, ob und inwieweit eine staatliche Sicherung 756
Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 72. Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035. 758 Vgl. dazu unten § 2, Der verfassungsrechtliche Handlungsrahmen der Schutzpflicht. 759 Vgl. Aufteilung Teil 2, 2. Abschnitt, § 2, Ziff. I. – Schutzpflichtaktivierung nach Maßgabe des Untermaßverbots; und II. – Eingriffsbewertung nach Maßgabe des Übermaßverbotes. 760 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 357. 757
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von Vielfalt oder Wettbewerb, die jedenfalls nicht allein an einer Bedrohung individualisierter Drittinteressen anknüpft, sondern zumindest auch die Bewahrung des Funktionssinns des Grundrechts und den Schutz der objektiven Ordnung bezweckt 761, die entsprechenden Voraussetzungen des Schutzpflichttatbestands erfüllt (cc). Ferner ist zu prüfen, ob nicht durch eine Anwendung des Schutzpflichtkonzepts auf den Schutz kollektiver und institutioneller Güter der objektive Grundrechtsgehalt als Grundlage einer Grundrechtseinschränkung missbraucht und damit zu einer Bedrohung individueller Rechtsgüter wird 762 (dd). Schließlich bedarf es der Feststellung, ob und wie die Schutzpflicht tatsächlich in Gleichordnungsverhältnissen, wie z. B. dem zwischen expandierendem und fusionsaversem Verleger, wirken kann (ee). aa) Das Konzept der Schutzpflicht im Vergleich zur Ausgestaltung Die dogmatischen Vorzüge der – erst in jüngster Zeit entwickelten – Schutzpflichtkonzeption zeigen sich insbesondere im Vergleich zu einem ausufernden Ausgestaltungskonzept. 763 Die Schutzpflicht und der verfassungsrechtliche Ausgestaltungsauftrag haben in Abgrenzung zum Konzept der unmittelbaren Drittwirkung gemein, dass sie gem. Art. 1 Abs. 3 GG den Staat und nicht einen Grundrechtsberechtigten verpflichten. Allerdings vermag die Kategorie der Schutzpflicht die fehlende Präzision des Ausgestaltungsauftrags im Hinblick auf die Unterscheidung von der Ausgestaltung eines Schutzgutes und dessen Schutz zu überwinden (1), erlaubt aber zugleich eine Rückbindung an die institutionelle Grundrechtsseite (2), denn der objektive Teil des Grundrechts ist sowohl Basis einer näheren Definition des geschützten Individualbereichs (Ausgestaltung) als auch verfassungsrechtliche Grundlage von Schutzpflichten. 764 Das Schutzpflichtkonzept ermöglicht zudem, die der Ausgestaltung immanente Gefahr, dass sich objektiv-rechtliche Gehalte zur staatlichen Ausgestaltungsaufgabe entwickeln, der sich grundrechtlich gewährleistete individuelle unterzuordnen haben, einzudämmen (3). 761
Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 29. Vgl. hierzu: Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 332 ff. 763 Hermes, Georg, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW (1990), S. 1765. 764 Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 124, spricht von einem „möglichen Anwendungsfall“; der SächsVfGH spricht von einer „Schutzpflicht“ aus der landesverfassungsrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit, SächsVfGH NVwZ-RR 1998, S. 345, 349. 762
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Schließlich erweist sich das Schutzpflichtkonzept in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen gegenüber der Ausgestaltung insoweit als dogmatisch präzisiere Kategorie, als Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen gesetzgeberischem Eingriff und gesetzgeberischer Ausgestaltung durch die Zuordnung der entsprechenden Maßnahmen zu einem eindeutigen – aber gleichwohl angenäherten – Prüfprogramm überwunden werden (4). (1) Klare Trennung von Inhalt des Schutzgutes und Unversehrtheit des Schutzgutes im Rahmen der Schutzpflicht Wenn auch die Fusionskontrolle im Pressemarkt Bedingungen für die Ausübung der Presse-, Informations- und Wirtschaftsfreiheit schafft, tritt sie doch von außen an die entsprechenden Grundrechte heran und begrenzt diese. Sie konstituiert das Grundrecht also nicht „von innen heraus“. Während damit die Einordnung einer gesetzgeberischen Maßnahme zur Sicherung des Pressemarktes als Ausgestaltung den Unterschied zwischen Ausgestaltung eines Schutzgutes und dessen Schutz unberücksichtigt lässt, ist die Zuordnung des entsprechenden Legislativakts zum Konzept der Schutzpflicht insoweit wesentlich präziser. Denn anders als die Ausgestaltung, die das Schutzobjekt beschreibt, setzt die Schutzpflicht das Schutzgut voraus. Sie knüpft an das Gefüge der bestehenden Schutzgüter an, welche die Verfassung z. B. als Einrichtungsgarantie oder als normgeprägtes Grundrecht und daran anknüpfenden einfachgesetzlichen Normen zur Verfügung stellt. Am Beispiel des grundrechtlichen Eigentumsschutzes kann dieser Unterschied zwischen der Beschreibung eines Schutzgutes und der Gewährung von Schutz illustriert werden. Eine Schutzpflicht benennt – anders als die Ausgestaltung – weder den Kreis der vermögenswerten Rechte, die als verfassungsrechtliches Eigentum anzusehen sind, noch gibt sie vor, wie mit diesen Rechten innerhalb der Eigentumsordnung zu verfahren ist. Sie zielt vielmehr auf die Unversehrtheit konkret bestehender Rechte ab: Ihr Thema ist nicht der Inhalt des Schutzgutes, sondern dessen Unversehrtheit. 765 Entsprechendes gilt für gesetzgeberisches Handeln zur Vielfalts- oder Wettbewerbssicherung. 766 Auch dieses ist in vergleichbarer Weise nicht auf die Schaffung eines Schutzgutes „Presse“ o. Ä., sondern auf den Schutz des Pressebildes gerichtet. Folglich sind gesetzgeberische Maßnahmen zur Vielfaltssicherung, wie die Fusionskontrolle, 765
Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 94. 766 Mit Bezügen zum Freiheitsrecht auch: Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 12: „Hier [Anm: im Falle des Rückgriffs auf die Zielvorstellung des Wettbewerbs] kann sich eine unbedingte Forderung nach Wettbewerb nur in freiheitspolitischer Richtung ergeben.“ Vgl. auch S. 13: “[... ]das wettbewerbspolitische Argument [lässt sich] strickt nur als freiheitspolititsche Zielsetzung durchführen [...]“.
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deutlich präziser durch die Schutzpflicht als durch die Kategorie der Ausgestaltung beschrieben. Das fehlende Konstituierungsbedürfnis der Presse und die damit verbundene „Ausgestaltungsfeindlichkeit“ des Grundrechts fußt, wie erläutert 767, in der Natur des Grundrechts als primär subjektives, handlungsfreiheitsverbürgendes und indivdualbezogenes Grundrecht. Die Ausübung von Presse- bzw. Marktaktivitäten bedarf nämlich – anders als das Eigentum – keiner einfachgesetzlichen Vermittlung. Auch das verfassungsrechtliche Pressebild als normative Konkretisierung objektiv-verfassungsrechtlicher Wert- und Ordnungsvorstellung wurzelt im Abwehrrecht und kann zunächst ohne gesetzliche Gestaltung, jedoch soweit Bedrohungslagen entstehen, nur mit gesetzlicher Sicherung existieren. Für entsprechende Sicherungsmaßnahmen sieht die Verfassung in Gestalt der Gesetzesvorbehalte konkrete Möglichkeiten der Grundrechtsberührung vor, mit denen ein Ausgleich zwischen der vom Grundrecht umfassten Freiheit und den Rechtsgütern, die den vom Vorbehalt angesprochenen Gesetzen zugrunde liegen, erreicht werden kann. Einer Ausgestaltung bedarf es mithin nicht. (2) Die objektiv-rechtliche Grundrechtsseite als gemeinsame Wurzel von Schutzpflicht- und Ausgestaltungsauftrag an die staatliche Gewalt Da gesetzgeberisches Handeln zur Sicherung der Pressefreiheit, wie die Fusionskontrolle, auf der einen Seite – grundrechtsausgestaltenden Maßnahmen entsprechend – die Bedingungen für die Ausübung der Freiheit schützt, ihm auf der anderen Seite jedoch auch grundrechtsverkürzende Wirkung zukommt, ist, wie oben dargelegt, die Zuordnung einer solchen Maßnahme allein zur Kategorie der Grundrechtsausgestaltung nicht möglich. Der schlichte Verweis des entsprechenden Schutzeingriffs auf den Grundrechtsvorbehalten allein vermag allerdings den dogmatisch relevanten Bezug der Schutzmaßnahme zur objektiven Grundrechtsseite nicht herzustellen. Dieses dogmatische Defizit kann das Konzept der Schutzpflicht ausgleichen. Denn sowohl das Schutzpflichtkonzept als auch der Ausgestaltungsauftrag beziehen sich abweichend vom schlichten Grundrechtseingriff auf positive Gewährleistungen der Verfassung, denen sie zur praktischen Wirksamkeit verhelfen können. 768 Der objektive Teil des Grundrechts ist sowohl Basis einer näheren Definition des geschützten Individualbereichs (Ausgestaltung) als auch, wie soeben ausgeführt 769, verfassungsrechtlicher Bezugspunkt der Schutzpflicht. 770 Der 767
Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 2, a – „Ausgestaltungspotential“ von Grundrech-
ten. 768 Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 124. 769 Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 3, a, aa – Verfassungsrechtliche Wurzeln des Schutzpflichtkonzepts.
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Gesetzgeber, der seiner Ausgestaltungs- oder seiner Schutzaufgabe nachkommt, erfüllt jeweils eine an das objektive Schutzgut anknüpfende, positiv grundrechtsfördernde Aufgabe. Die Aktivierung der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension in Bezug auf den staatlichen Handlungsauftrag ist dabei nicht nur von dogmatischer, sondern von gleichsam praktischer Bedeutung. Der objektiven Grundrechtsseite bzw. der objektiven Wertordnung in Gestalt der Kommunikationsordnung oder des Pressebildes können, anders als der Grundrechtsvorbehalt bzw. die Eingriffskautelen, auf die „Schutz-Konstellation“ bezogene besondere Handlungsanweisungen und Gestaltungsvorgaben für den Gesetzgeber entnommen werden und somit den vagen Auftrag, die Grundrechtsausübung vor Einwirkungen Dritter zu schützen, im Vergleich zum schlichten Grundrechtsvorbehalt konkretisieren. 771 Vermittels dieser kann beispielsweise ein Schutzminimum oder Untermaß, also der Punkt definiert werden, an dem mit Blick auf einen betroffenen Grundrechtsträger ein gesetzgeberisches Tätigwerden nicht nur gerechtfertigt, sondern tatsächlich auch geboten ist. Die objektiv-rechtlichen Bezüge präzisieren daneben z. B. auch die Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers bei der Erfüllung von Handlungspflichten, beispielsweise in Bezug auf den dem Gesetzgeber zugewiesenen Prognosespielraum. 772 (3) Eindämmung ausufernder Ausgestaltungsvorbehalte Werden die Schaffung des Schutzgutes und der Schutz desselben, wie unter Gliederungspunkt (2) ausgeführt, dogmatisch klar getrennt, kann in der Folge die Kategorie der Ausgestaltung exklusiv für Normprägungen verwertet werden. Die Gefahr der Denaturierung des Grundrechts durch schutzbereichsverkürzende Ausgestaltung 773 und die daran anknüpfende Frage, inwieweit in einem solchen Fall verfassungsrechtliche Eingriffskautelen zu berücksichtigen sind, wären aufgelöst. Ausgestaltungsvorbehalte, wie sie zur Dogmatik der Rundfunkfreiheit und zum Teil auch der Pressefreiheit entwickelt wurden, räumen nämlich dem Ge770 Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 124, spricht von einem „möglichen Anwendungsfal“l; Der SächsVfGH spricht von einer „Schutzpflicht“ aus der landesverfassungsrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit, SächsVfGH NVwZ-RR 1998, 345, 349; für die Rückbindung an das Grundrecht der Informationsfreiheit im Hinblick auf die Konzentrationskontrolle im Rundfunk: Müller, Michael, Konzentrationskontrolle zur Sicherung der Informationsfreiheit, (2004), S. 96 ff. 771 Vgl. Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 385. 772 Vgl. dazu unten Gliederungspunkt (4) – Präzisierung des Prüfungsregimes. 773 Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 2, b, bb, (2) – Grundrechtsrealisierender Grundrechtseingriff.
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setzgeber Gestaltungsspielräume ein, die über das hinausgehen, was diesem nach liberalem Grundrechtsverständnis im Falle einer Ausgestaltung zusteht. Sie bewegen sich z.T. im Bereich des Eingriffs, ohne sich notwendigerweise an den entsprechenden Voraussetzungen messen lassen zu müssen. Dies birgt die Gefahr, dass Sinn und Bedeutung der objektiv-rechtlichen Gehalte in ihr Gegenteil verkehrt werden. Denn wenn sich objektiv-rechtliche Gehalte auf diese Weise zur staatlichen Ausgestaltungsaufgabe entwickeln, der sich grundrechtlich gewährleistete individuelle unterzuordnen haben, wird die grundrechtliche Freiheit verfremdet oder gar in ihr Gegenteil verkehrt. Gleichwohl bedarf es auch weiterhin der Umsetzung und Bewahrung objektivrechtlicher Grundrechtsgehalte durch gesetzgeberische Maßnahmen. Schließlich ist es nach der objektiven Wertordnung Pflicht staatlicher Organe, sich schützend und fördernd vor die darin genannten Rechtsgüter zu stellen. 774 Das Schutzpflichtkonzept mit seinem Bezug zur objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension kann diesem Bedürfnis nachkommen. Schutzpflichten können danach insbesondere staatliche Maßnahmen legitimieren, die der Realisierung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte von nicht normgeprägten Grundrechten dienen und zugleich in die freiheitliche Substanz des individuellen Rechts eingreifen, weshalb sie auch daraufhin zu überprüfen sind, ob sie als Eingriff gerechtfertigt sein können. Die Ausgestaltung, die dies nicht zu leisten vermag, kann in der Folge auf einen engeren und damit (vor dem Hintergrund der im Vergleich zum Eingriff abgesenkten Anforderungen der Ausgestaltung) grundrechtsschonenderen Anwendungsbereich begrenzt werden. Die Schutzpflichtenkonzeption ermöglicht somit, bei gleichzeitiger Orientierung an institutionellen Gehalten, grundrechtsbeschränkende Maßnahmen als solche zu identifizieren und zu überprüfen, birgt aber zugleich für die Fälle der Sicherung grundrechtlicher Schutzgüter ein deutlich geringeres Risiko der Umgehung der verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen als die Ausgestaltungsdogmatik. (4) Präzisierung des Prüfungsregimes Der gesetzgeberische Ausgestaltungsmaßstab bzw. der Bezug zu objektiven Grundrechtsgehalten wirkt auf die Eingriffskautelen im Falle eines Schutzeingriffs ein. Er findet insoweit Berücksichtigung, als dem Gesetzgeber ein weiter Prognosespielraum zugestanden wird (a). Des Weiteren sind die Grenzen des Schutzeingriffs im Vergleich zum Prüfungsprogramm gesetzgeberischer Ausgestaltungen deutlich präziser, und zwar insoweit, als verfassungsrechtliche Grundrechtskollisionen in diesem Rahmen, der typischerweise auch auf Gleichord774
BVerfGE 53, 30, 57; vgl. auch: Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 491.
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nungsverhältnisse angewandt wird, eine angemessenere Berücksichtigung finden können (b). (a) Weiter Prognosespielraum des Gesetzgebers Das Prüfungsregime der das Grundrecht von innen heraus ausformenden Ausgestaltung entspricht nach verbreiteter Auffassung nicht dem des Grundrechtseingriffs, umfasst also auch nicht die Kontrolle durch das Übermaßverbot. 775 Die Überprüfung der das Eingriffsdenken überwindenden Ausgestaltung erfolgt vielmehr eingriffsindifferent daraufhin, ob sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Sicherung einer funktionsfähigen Ordnung und damit der jeweiligen Freiheit dient. Danach muss die angestrebte Maßnahme ihr Regelungsziel, die Sicherung der grundrechtlichen Freiheit, nicht mit letzter Gewissheit erreichen, vielmehr wird eine positive Prognose des Erfolgs als ausreichend erachtet. 776 Die an eine Schutzpflicht anknüpfende Maßnahme unterliegt hingegen, wenn ihrer Erfüllung Eingriffscharakter zukommt, einem anderen, strengeren Prüfungsmaßstab, nämlich den verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen. Im Rahmen dieser Prüfung müssen die besonderen Anforderungen, denen sich der Schutz gewährende Gesetzgeber bei der Erfüllung einer Schutzpflicht häufig gegenübersieht, berücksichtigt werden. Entsprechende Maßnahmen folgen zumeist einem präventiven Ordnungsanspruch. Sie haben demgemäß regelmäßig ohne Kenntnis der Entwicklung der Bedrohungslage zu erfolgen und besitzen folglich einen nicht selten experimentellen Charakter. Ebenso wie Ausgestaltungen beruhen sie häufig auf einer Prognoseentscheidung und müssen insoweit auf ihre Plausibilität überprüft werden. Aus diesem Grund wird dem Gesetzgeber bei Erlass einer Schutzmaßnahme zumeist ein – im Vergleich zum klassischen Eingriff – weiterer Ermessens- und Prognosespielraum zugestanden. Da entsprechende Schutzeingriffe zudem zumeist in Form von abstrakten, organisatorischen Maßnahmen realisiert werden, hat z. B. das Erforderlichkeitsprinzip, dessen Fokus auf der Verletzung individueller Grundrechtspositionen liegt, als Prüfungsmaßstab eine eingeschränkte, aber im Vergleich zur Ausgestaltung höhere Wirkung. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in der Regel im Kern auf die Prüfung beschränkt, ob die auf die Regelung zukünftiger Verhältnisse gerichteten Maßnahmen in ihrer Entwicklungsprognose im Ansatz nicht verfehlt sind. Die diesbezügliche Lockerung der Eingriffskautelen im Falle des Schutzeingriffs stellt sich im Ergebnis als schlüssige Annäherung an den Prüfungsmaßstab der Ausgestaltung dar. 775 Bethge, Herbert, Die Freiheit des privaten Rundfunks, DÖV (2002), S. 680 ff.; erläuternd: Ruck, Silke, Zur Unterscheidung von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen im Bereich des Rundfunks, AöR (1992), S. 549. 776 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 61.
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(b) Berücksichtung von Grundrechtskollision im Gleichordnungsverhältnis Die Prüfungsmaßstäbe des Eingriffs und der Ausgestaltung sind daneben insoweit miteinander verbunden, als der Gesetzgeber auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Pflicht staatlicher Organe zum Schutz grundrechtlicher Güter gehalten ist, kollidierende Rechtssphären gegeneinander abzugrenzen und in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. 777 Demgemäß sollen auch Ausgestaltungen an der Optimierung beiderseitiger Grundrechtspositionen gemessen werden und im Wege der praktischen Konkordanz einen schonenden Ausgleich herstellen. 778 Diesem Auftrag kann die Grundrechtsausgestaltung, die im Kern dem jeweiligen Schutzgut zur Wirkung verhelfen will, nur eingeschränkt nachkommen. Der Gesetzgeber hat, da die Verfassung den ausgestaltenden Gesetzgeber nicht an bestimmte auszugleichende Positionen binden will, bei der Ausgestaltung typischerweise nur das jeweils auszugestaltende Grundrecht bzw. das spezifische Schutzgut im Blick. 779 Besondere Ambivalenzen bzw. kollidierende Rechtsphären werden folglich in diesem Kontext nicht, oder jedenfalls nicht vorrangig, berücksichtigt. Da gleichwohl jede gesetzgeberische Regelung grundrechtsrelevanter Materien, die u. a. durch eine Kollision verschiedener Schutzgüter motiviert ist, einer Ausrichtung auf einen sinnvollen, d. h. angemessenen, Ausgleich kollidierender Schutzgüter bedarf 780, muss sich das Prüfprogramm einer Ausgestaltungsmaßnahme, soweit dieser ein hohes Kollisionspotenzial innewohnt, notwendigerweise an den Prüfungsmaßstab des Eingriffs annähern. Die Schutzpflicht verleiht dieser Annäherung eine klare Kontur. Da der Schutzeingriff, anders als die Ausgestaltung, ein zur Auflösung von Grundrechtskollisionen, d. h. in Fällen des Widerstreits verschiedener Grundrechtspositionen, bestimmtes und geeignetes Mittel verkörpert, ist den auf die Schutzpflicht gestützten Maßnahmen der Ausgleich kollidierender Grundrechte immanent. 781 Bedarf es nun z. B. einer Reaktion auf die Bedrohung von Wettbewerb oder Vielfalt, die ganz wesentlich durch die Kollision verschiedener Grundrechtsgüter – man denke nur an den fusionswilligen und den fusionsaversen Presseverleger – geprägt ist, hält die Schutzpflicht mit Blick auf das Bedürfnis einer angemessenen Kollisionslösung das präzisere Prüfprogramm bereit.
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Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 491. Bethge, Herbert, Die Freiheit des privaten Rundfunks, DÖV (2002), S. 673. 779 Lerche, Peter, Grundrechtsschranken – § 122, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 3, 9. 780 Lerche, Peter, Grundrechtsschranken – § 122, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 18. 781 Stern, Klaus, Grundrechtskollisionen, in: Stern, Klaus, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2 (1994), S. 609. 778
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Der Schutzeingriff wirkt dabei mit seiner Ausrichtung auf den Ausgleich kollidierender Güter nicht lediglich im Hinblick auf das eingeschränkte Prüfprogramm der Ausgestaltung, sondern auch mit Blick auf die begrenzte Abwehrfunktion der Grundrechte im Rahmen des Bürger-Bürger-Verhältnisses ausgleichend. Da der Gesetzgeber im Schutzpflichtkontext gem. Art. 1 Abs. 3 GG angehalten ist, bestehende Grundrechtskonflikte aufzulösen, kann in diesem System die staatsgerichtete Abwehrposition – trotz des auf der Gleichordnungsebene befindlichen Konflikts – durchweg beibehalten werden. Die Schutzpflicht vermittelt mithin zwischen den grundsätzlich verfassungsrechtlich voneinander zu trennenden 782 Konflikten gleichgeordneter Grundrechtsträger und der schlichten verfassungsrechtlichen Kollisionsproblematik, der sich der Staat bei Vornahme schutzbereichsverkürzender Maßnahmen ausgesetzt sieht. 783 Sie stellt insoweit eine Verbindung zwischen den im Gleichordnungsverhältnis befindlichen Konflikten mit der grundsätzlich der vertikalen Ebene vorbehaltenen Grundrechtskollision dar. 784 bb) Positionierung von Schutzpflicht und Drittwirkung im Dreiecksverhältnis „Staat – Störer – Opfer“ Im Rahmen der Ermittlung des Umfangs des grundrechtlichen Schutzes vor nicht staatlichen Störern und damit auch vor Machtkumulation im Pressemarkt erwies sich nicht nur die „Institutionalisierung“ oder Ausgestaltung des Grundrechts der Pressefreiheit, sondern auch die Lösung über die Drittwirkung des Abwehrrechts 785 als defizitär. Aufgrund der Begrenztheit einer schlichten Er782 Im Rahmen typischer Kollisionsfälle, d. h. in Fällen, in denen der Staat eine Vorschrift erlässt, die verschiedene kollidierende Interessen in eine Ausgleich bringen soll, spielt die drittwirkungsbedingte Umpolung der staatsgerichteten Grundrechte in ein Privatrecht keine zentrale Rolle. Vielmehr geht es um die Abschichtung gegeneinander gelagerter Freiheitsbereiche aus vertikaler Sicht. Bei der Ausdehnung der Grundrechtswirkung in private Verhältnisse hat hingegen grundsätzlich die vertikale Stellung zwischen Staat und Bürger – solange die rechtsprechende Gewalt nicht zur Konfliktlösung berufen ist – keine Bedeutung. Die Konfliktlösung kann und soll gerade auch ohne Einbeziehung staatlicher Gewalten auf der Ebene der Privatrechtssubjekte erfolgen. 783 Bethge, Herbert, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, (1977), S. 15 f. 784 Die Annäherung der Prüfprogramme von Ausgestaltung und Eingriff im Schutzpflichtpflichtenkontext mag im Ergebnis dogmatisch auch dadurch erklärbar sein, dass im Tatbestand der Schutzpflicht sowohl objektive als auch subjektive Grundrechtspositionen Berücksichtigung finden. Die Schutzpflicht dient nämlich auf der einen Seite der Sicherung objektiv-rechtlicher Grundrechtspositionen und bewegt sich damit in der Nähe der Ausgestaltung, knüpft aber zugleich tatbestandlich an die Verletzung individueller Schutzpositionen an, was wiederum ein typische eingriffsbezogenes Element darstellt. 785 Da sie vermittelnder Vorschriften (Vertrag oder Rechtnorm) bedarf, ist die mittelbare Drittwirkung insbesondere dann defizitär, wenn zwischen dem Angreifer und dem Angegriffenen keine Rechtsbeziehung besteht.
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weiterung des negatorischen Schutzbereichs konnte das Drittwirkungskonzept weder die staatliche Handlungsposition noch institutionelle Grundrechtsgehalte berücksichtigen. 786 Die Verwurzelung und der Bezug der Schutzpflicht im Dreiecksverhältnis „Staat – Störer – Opfer“ erlauben dem Schutzpflichtkonzept möglicherweise, auch die Defizite der Drittwirkung zu überwinden. Es besteht folglich Anlass festzustellen, inwieweit mit dem bzw. über das Dreiecksverhältnis „Staat – Störer – Opfer“ Verbindungen zwischen Drittwirkung zur Schutzpflichtkonzeption existieren (1) und welche Vorzüge die Schutzpflicht in diesem System im Vergleich zum „verwandten Konzept“ der Drittwirkung aufweist (2). (1) Das Dreiecksverhältnis als Schnittpunkt von Schutzpflicht und Drittwirkung Zwischen Schutzpflichten und Drittwirkung bestehen dogmatische Überschneidungen. 787 Eine Gemeinsamkeit der Konzepte der Schutzpflicht und der Drittwirkung liegt beispielsweise darin, dass beide an einen vergleichbaren Ausgangstatbestand, nämlich den einer Grundrechtsbeeinträchtigung durch Private, anknüpfen und damit typischerweise in einer Dreieckskonstellation Bürger – Bürger – Staat ihre Wirkung entfalten. Anknüpfend an diesen „analogen“ Ausgangssachverhalt, verbindet die Schutzkategorien überdies, dass sich beide Parteien, also der Betroffene und der Störer, ihrerseits auf Grundrechte berufen können. Abweichend vom klassischen bipolaren Staat – Bürger – Verhältnis, ist der Grundrechtsgefährder damit sowohl im Fall der Schutzpflicht als auch im Fall der Drittwirkung selbst ein grundrechtsberechtigtes Rechtssubjekt und nicht der (nicht grundrechtsberechtigte) Staat. Allerdings lässt sich zwischen den im Grundsatz vergleichbaren dreipoligen Sachverhalten auch ein Unterschied ausmachen. Und zwar insoweit, als im Rahmen des Drittwirkungskonzepts das zweipolige Grundrechtskonzept an das Gleichordnungsverhältnis durch eine Erweiterung des ausschließlichen Abwehrrechts gegen den Staat zu einem Recht, das dem gleichgeordneten Grundrechtsberechtigten entgegengehalten werden kann, angepasst wird. Im Rahmen der Schutzpflicht hingegen verändert sich die Wirkrichtung des Grundrechts 786
Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1, a – Primär subjektives Grundrechtsverständnis vom Grundrecht der Pressefreiheit. 787 Das Verhältnis von Schutzpflicht und Drittwirkung ist äußerst umstritten, vgl. hierzu eine umfassende Darstellung der vertretenen Meinung: Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 248 ff. Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte – Staatsrecht II, (2007), Rn. 90, 183 ff.; Hermes, Georg, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW (1990), S. 1767 f.
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nicht. 788 Vielmehr vollzieht der Staat den entscheidenden Rollenwechsel, nämlich den Wechsel vom Grundrechtsstörer zum Grundrechtsschützer. Sind Exekutive und Judikative im konkreten Sachverhalt als staatliche Gewalt angesprochen, zeigt sich wiederum eine Gemeinsamkeit der beiden Konzepte darin, dass sowohl im Fall der (mittelbaren) Drittwirkung als auch im Fall der Schutzpflicht das Grundrecht über das Medium des einfachen Rechts in das Gleichordnungsverhältnis einwirkt. 789 Bei der Anwendung des in Erfüllung der Schutzpflicht erlassenen Gesetzes durch Exekutive und Judikative 790 handelt es sich also ebenso wie im Fall der Auslegung von Generalklauseln um einen gesetzesmediatisierten Schutz. Der Drittwirkung und der Schutzpflicht ist zudem gemein, dass beide Konzepte das Ziel verfolgen, die Rechte des Einzelnen in der Gemeinschaft zu sichern. Ebenso wie die Drittwirkung zielt auch die Schutzpflicht darauf ab, das Verletzungsverbot umzusetzen, d. h., das Grundrechtsgut vor der Verletzung durch Dritte zu bewahren, allerdings ohne dass das Verletzungsverbot auf das Schutzpflichtkonzept oder die Drittwirkungstheorien angewiesen wäre. 791 Das Verletzungsverbot ist vielmehr Grundlage und zentrale Legitimation staatlicher Schutzmaßnahmen. Drittwirkung und Handlungspflicht beziehen sich insoweit auf eine identische verfassungsrechtliche Basis.
788 Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 946. 789 Badura, Peter, Kodifikatorische und rechtsgestaltende Wirkung von Grundrechten, in: Böttcher, Reinhard / Hueck, Götz / Jähnke, Burkhard, (Hrsg.), Festschrift für Walter Odersky (1996), S. 173 f., spricht von einer Mediatisierung des Grundrechts über ein einfaches Gesetz. 790 So z. B., wenn Zivilgerichte dazu verpflichtet sind, sowohl die Freiheit der Vertragsgestaltung (des stärkeren Vertragspartners) als auch den aus der ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Privatautonomie abgeleiteten Schutz vor Fremdbestimmung über eine grundrechtskonforme Auslegung einer einfachgesetzlichen Generalklausel zu berücksichtigen. Typische Fälle sind die Inhaltskontrolle oder Vertragskorrektur, die jedoch nur bei vom Gesetzgeber nicht beachteten Ausnahmefällen oder grundlegend neuen Entwicklungen in Betracht kommen. 791 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 103: „Das Verbot, dass ein Bürger dem anderen seinen Willen aufzwingt und dessen Rechtssphäre verletzt, versteht sich mit der Privatautonomie von selbst. Sie wird von einzelnen Grundrechten einschlußweise gewährleistet. Sie ist aber auch eine Voraussetzung der Grundrechtsordnung insgesamt. Privatautonomie ist unter den Bedingungen der Rechtsgleichheit nur möglich, wenn alle Rechtsgenossen sich gegenseitig als Personen anerkennen, die Selbstbestimmung der andern respektieren und deren Rechtgüter achten und sich des Zwangs, der Drohung, der Täuschung enthalten.“
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
(2) Vorzüge des Schutzpflichtkonzepts im Dreiecksverhältnis Neben der Aufdeckung der Zusammenhänge 792 zwischen grundrechtlicher Handlungspflicht und Drittwirkung soll auch die Untersuchung der Schwächen des Drittwirkungskonzepts die Rechtsfigur der allgemeinen grundrechtlichen Handlungspflichten präzisieren und zugleich zur Klärung beitragen, inwieweit die Konzeption der Schutzpflicht für die staatliche Reaktion auf Machtverschiebungen im Pressemarkt im Vergleich zur Drittwirkung vorzugswürdig ist. Diesbezüglich sei zunächst daran erinnert, dass die Theorien der Drittwirkung darauf abzielen, den staatsgerichteten Grundrechten eine Wirkungsdimension gegenüber privaten Rechtsträgern zuzuerkennen. Sie findet damit ihr spezifisches Anwendungsfeld in den Binnenbeziehungen Privater, welche sie den – auf die Staatsgewalt zugeschnittenen – Grundrechtsverpflichtungen unterwirft. Eine zentrale Schwäche dieser Lösung der Grundrechtsstörung durch Private unmittelbar über das Abwehrrecht ist darin zu sehen, dass in einer tatsächlich bestehenden Dreiecksbeziehung eine unnötige Reduktion auf ein bipolares Verhältnis vorgenommen und damit missachtet wird, dass die Grundrechte zwischen Privaten überhaupt nicht unmittelbar anwendbar sind. 793 Dieser Reduktion bedarf es bei der Schutzpflicht nicht. Die Schutzpflicht wirkt, anders als die unmittelbare Drittwirkung, gegenüber dem Störer nicht verfassungsunmittelbar. Sie bezieht den Staat mit ein und nutzt ein die Schutzpflicht „einlösendes“ Gesetz, um auf seiner Grundlage private Eingriffe in das grundrechtliche Schutzgut zu unterbinden. 794 Dies erlaubt dem Schutzpflichtkonzept, präziser auf Dreiecksbeziehungen zu reagieren und die zweifelhaften Ergebnisse der Drittwirkung zu vermeiden. Das Drittwirkungskonzept vermag überdies, anders als das Konzept der Schutzpflicht, eine Funktionsgewährleistungspflicht des Staates nicht zu begründen. Da die Theorien der Drittwirkung nur darauf abzielen, den staatsgerichteten Grundrechten eine Wirkungsdimension gegenüber privaten Rechtsträgern zuzuerkennen, bewirken sie im Ergebnis lediglich eine Erweiterung des negatorischen Schutzbereichs des Grundrechts. Im Kontext der Schutzpflicht hingegen richten sich die Grundrechte des Opfers und des Störers nicht auf den Privaten, sondern auf den Staat, der verpflichtet wird, Schutzmaßnahmen vorzunehmen, ohne dass es einer Ausdehnung des abwehrrechtlichen Schutzes auf Private bedarf. 795
792 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 13; Hermes, Georg, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW (1990), S. 1765 ff.; umfassend und m.w. N.: Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 250. 793 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035. 794 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1029.
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Daneben versagt die (mittelbare) Drittwirkung in Bezug auf die Sicherstellung eines grundrechtlichen Mindestschutzes für den Einzelnen im Privatrechtsverkehr, wenn eine Korrektur über Generalklauseln oder sonstige Deutungsspielräume nicht möglich ist, so z. B. dann, wenn eine (ausreichende) gesetzliche Regelung überhaupt fehlt, oder in den Fällen, in denen (wie etwa bei der Machtkumulation) keine Rechtsbeziehung zwischen „Störer“ und „Opfer“ existiert. Im System der Schutzpflicht können hingegen in derartigen Fallkonstellationen Handlungspflichten dogmatisch präziser begründet werden, was wiederum verhindert, dass das Maß des für die privatrechtliche Entfaltung bestehenden Grundrechtsschutzes von Zufälligkeiten abhängt, nämlich insbesondere davon, inwieweit die individuelle Entfaltung durch konkrete privatrechtliche Rechtsverhältnissen steuerbar ist und welche einfachgesetzlichen Vorgaben vorhanden sind. Die Drittwirkung weist im Vergleich zum Schutzpflichtkonzept auch insoweit Schwächen auf, als sie in Bezug auf die Umsetzung und auch Gestaltung einer objektiv-rechtlichen Wertordnung keine Aussagen enthält. So ist auch ein „institutioneller“ Schutzgehalt wie Vielfalt gerade keine Angelegenheit der Drittwirkung. Die schlichte Erweiterung des negatorischen Schutzbereichs ignoriert, dass es z. B. bei Machtverschiebungen im Pressemarkt nicht ausschließlich um die Befriedigung von Drittinteressen geht, die durch die Tatsache vorhandener Pressemacht erwachsen, sondern zugleich auch die Bewährung des Funktionssinns des Grundrechts in Rede steht. 796 Das Schutzpflichtenkonzept, das klare Bezüge zur objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite aufweist, zeigt insoweit Vorzüge. Nicht nur, dass, wie oben gezeigt 797, der Tatbestand der Schutzpflicht auch kollektive Rechtsgüter mit individualrechtlicher Radizierung erfasst. Das Schutzpflichtkonzept ermöglicht, anders als die Drittwirkung, den institutionellen Grundrechtsgehalt in das Gleichordnungsverhältnis zu transferieren und gleichzeitig den Staat auch zu Eingriffen gegen Dritte zu ermächtigen. Zwar beruht der „Tatbestand“ der Schutzpflichtkonzeption zunächst auf einer Beeinträchtigung des einzelnen Grundrechtsträgers, die Schutzpflicht stellt dabei jedoch eine Umsetzung und Sicherung der verfassungsrechtlichen Wertordnung dar. Schutzpflichten verknüpfen die objektiv-rechtliche mit der individuellen abwehrrechtlichen Grundrechtsseite und bilden damit das Grundrecht im Vergleich zum Drittwirkungskonzept umfassender ab. Sie nehmen die Struktur des Grundrechts auf. Dies vermag das Konzept der Drittwirkung nicht zu leisten. 795 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 135. 796 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 29. 797 Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1 – Machtverschiebungen im Pressemarkt: Gefährdungslagen für individuelle und kollektive Güter.
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cc) Möglichkeit des Schutzes kollektiver Güter mit individueller Radizierung Es steht außer Zweifel, dass die Bewahrung oder Herstellung eines vielfältigen, am Wettbewerb orientierten Pressemarktes das Ziel verfolgt, die demokratiespezifische Wirkung der Presse und damit die institutionelle Seite der Presse zu schützen. Anders als in typischen Schutzpflichtenfällen, wie dem Handelsvertreterfall oder dem Bürgschaftsfall, geht es im Fall der Vielfalts- und Wettbewerbssicherung somit jedenfalls nicht um den Schutz des Einzelnen vor sich selbst. In Anknüpfung an die obigen Feststellungen 798 zum Individualbezug des Wettbewerbsschutzes darf allerdings nicht übersehen werden, dass ein vielfältiger und am Wettbewerb orientierter Pressemarkt nicht nur der Wahrung gesamtwirtschaftlicher oder demokratischer Belange, sondern auch dem Schutz individueller Marktteilnehmer, z. B. dem unmittelbaren Konkurrenten oder dem Leser und damit auch dem individuellen Grundrechtsträger, dient. So findet, wie gezeigt, die Herstellung ausgewogener Marktstrukturen vermittels einer wettbewerblichen Fusionskontrolle gerade mit dem Ziel statt, die Handlungsfreiheit von Unternehmen vor einseitigen, nicht mehr leistungsbedingten Verhaltensweisen anderer Unternehmer zu schützen. 799 Auch nach der Gesetzesbegründung 800 zur Pressefusionskontrolle erfolgt die Verwertung der institutionellen und damit auf eine Gemeinschaft oder eine Kollektivität bezogenen Grundrechtsgehalte, Vielfalt oder Wettbewerb, letztendlich in dem Bestreben, den am Markt agierenden (Presse-)Unternehmern oder dem jeweiligen Autor zu ermöglichen, seine Meinung zu artikulieren, sowie dem Rezipienten die Gelegenheit zu geben, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Gegen die Verknüpfung von individuellem und kollektivem Schutz (bzw. die Erweiterung auf den kollektiven Schutz) im System der Schutzpflicht wird zwar angeführt, dass das vom Staat zu verwirklichende Gemeinwohl mehr sei als die bloße Summe von Rechten Einzelner. 801 Dies ändert jedoch nichts an der Erkenntnis, dass das institutionelle Schutzgut auf das individuelle regelmäßig zurückführbar sein wird. Ob dem institutionellen Schutzgut neben der Summe an Individualrechtsgütern noch zusätzliche Gehalte innewohnen (also eben mehr ist als die Summe der Individualrechtsgüter), ist insoweit nicht relevant. 802 798 Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II., 3, c – Wirtschaftsverfassungsrechtliche Implikationen für das verfassungsrechtliche Pressebild. 799 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 397. 800 BTDrucks. 7/2954, S. 5 ff. 801 Gusy, Christoph, Rechtsgüterschutz als Staatsaufgabe, DÖV (1996), S. 577. 802 BVerfGE 26, 160, 164 f.: „Das Grundgesetz begründet eine Schutzpflicht nicht nur gegenüber dem Einzelnen, sondern auch gegen über der Gesamtheit aller Bürger.“
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Der Individualbezug der Sicherung des Pressebildes insgesamt bzw. der Sicherung von Vielfalt und Wettbewerb findet seine Stütze in der Verfassung selbst, beispielsweise in den Art. 19 Abs. 3 GG und Art. 1 Abs. 1 GG bzw. dem Prinzip der persönlich-individualen Grundrechtsträgerschaft, nach der nur das Individuum als Rechtsperson Grundrechtsträger ist. Eine kollektive Grundrechtsträgerschaft kennt die Verfassung hingegen nicht. Vielmehr genießen Gemeinschaften nur vermittelt über Art. 19 Abs. 3 GG einen abgeleiteten Grundrechtschutz, der im Ergebnis zugunsten der in der Gemeinschaft verbundenen individuellen Grundrechtsträger wirkt. 803 Darüber hinaus zeigen auch die Grundrechtsschranken – hier die Schranken des Art. 5 Abs. 1 GG – die Möglichkeit der Individualisierung kollektiver Schutzgüter auf. So findet die Ausübung des Grundrechts des Art. 5 Abs. 1 GG seine Grenzen 804 zum einen in dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit, Ruf, Ehre und Privatsphäre, zum anderen aber – da die Freiheit des einen stets ihre Grenzen in der Freiheit des anderen hat 805 – auch in dem Recht auf freie Kommunikation, Meinungsäußerung, freie Information und Austausch von Gedanken. Im Schutz gerade dieser Rechte liegt auf der einen Seite eine Legitimation, den Prozess der freien Kommunikation in einen rechtlichen Ordnungsrahmen einzufügen und Meinungsmacht zu begrenzen. 806 Das bedeutet aber zugleich, dass die Schranke des Art. 5 GG einen konkreten Bezug von freier Kommunikation und Individuum zum Ausdruck bringt und ihrerseits der Normativität einer grundrechtlichen Schutzverpflichtung entspringt. Die Rückbindung kollektiver an individuelle Schutzgüter wird auch durch die bereits an anderer Stelle belegte verfassungsdogmatische Erkenntnis vom „primären Abwehrrecht“ bzw. der direkten Rückbindung der institutionellen an die individuelle Grundrechtsseite gestützt, wonach die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte nicht zuletzt der Sicherung und Stärkung des Abwehrrecht selbst und der damit verbundenen Freiheitsausübung dienen. 807 Da die Wurzel der 803
Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 126, 130 ff. Freiheit und Verantwortung bezeichnen – ausgehend vom grundgesetzlichen Menschenbild des auch gemeinschaftsbezogenen und -gebundenen Individuums – die Stellung des einzelnen in der Gesellschaft. Das Spannungsverhältnis von Individuum und Gemeinschaft war dem Anspruch der Menschenrechte stets immanent, vgl. Degenhart, Christoph, Medienrecht und Medienpolitik, K&R (2000), S. 51. 805 Die Freiheit des Einen hat ihre Grenzen stets in der Freiheit des Anderen. In diesem Sinne bleibt gültig, was Art. 4 der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. 08. 1789 feststellt: „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuss der gleichen Rechte sichern. Diese Grenzen können allein durch Gesetz festgelegt werden.“ 806 Degenhart, Christoph, Medienrecht und Medienpolitik, K&R (2000), S. 51. 807 Bethge, Herbert, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL, Heft 57, (1998), S. 16 f.; BVerfGE 57, 295, 319 ff; 74, 297, 323 f. 804
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objektiv-rechtlichen Gehalte demgemäß im subjektiven Recht liegt, muss das institutionelle Rechtsgut auch in der Regel auf ein Individualrechtsgut zurückführbar sein. 808 Wenngleich objektiver und subjektiver Grundrechtsschutz häufig so ineinander verwoben sind, dass die Übergänge zwischen einzelgrundrechtlichem und kollektivem und damit auch individuellem sowie institutionellem Schutz verschwimmen und eine Unterscheidung zwischen diesen Kategorien nicht selten schwierig ist 809, ist gerade aufgrund dieser Rückbindung an das Individualrecht nach Herzog in jedem Bereich, in dem grundrechtliche Wertentscheidungen berührt werden, der Durchgriff auf das grundrechtliche Individualrecht zu suchen. 810 Diese Verknüpfung der verschiedenen grundrechtlichen Funktionen spiegelt sich schließlich auch im Tatbestand der im objektiven Recht wurzelnden Schutzpflicht wider. Denn dieser beruht im Ergebnis auf einem kreisartigen System, das objektive und subjektive, individuelle und kollektive Grundrechtspositionen einschließt: So wird typischerweise ausgehend von der Störung des Einzelgrundrechts auf der Basis des objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalts eine Handlungspflicht aktiviert, die durch ihren Schutz das Einzelgrundrecht verstärkt – damit wieder zu diesem zurückkehrt – und zugleich die kollektive Grundrechtsausübung sichert. Die untrennbare Verbindung von individuellem und institutionellem Schutz wird in verschiedenen bundesgerichtlichen Entscheidungen thematisiert. Beispielsweise werden grundrechtliche Schutzpflichten zu allgemeineren, dem Staat obliegenden Aufgaben, die Freiheit der Bürger zu schützen, in Beziehung gesetzt und sie als nicht nur auf den Einzelnen, sondern auch auf die Gesamtheit der Bürger bezogen beschrieben. 811 Das Bundesverwaltungsgericht 812 hat ferner den Tatbestand der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 GG in einen Zusammenhang mit dem Schutz der Volksgesundheit gestellt und den Schutz der Volksgesundheit als einen Schutz bezeichnet, „der auch dem Einzelnen zugute kommt“. Auch die Blinkfüer-Entscheidung 813 beschreibt Vergleichbares. So formulierte das Ge-
808 Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 139 ff., 148 f.; Haverkate, Görg, Verfassungslehre, (1992), S. 253 f.; A. A. Gusy, Christoph, Rechtsgüterschutz als Staatsaufgabe, DÖV (1996), S. 577. 809 „Kaum möglich“, vgl. Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 330; Grundrechte haben mehre Funktionen, die ineinander übergehen, vgl. BVerfGE 24, 367, 389: „Gesamtgefüge der Grundrechte“. 810 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1992), Rn. 274. 811 BVerfGE 49, 24, 53; 46, 160, 165. 812 BVerwG NJW 1993, 3002, 3003: „Mit dieser Zielsetzung schütz das Arzneimittelgesetz die Volksgesundheit, ein Schutz, der auch dem einzelnen zugute kommt (...)“. 813 BVerfGE 25, 256, 268.
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richt unter Berufung auf eine vorangegangene Entscheidung 814: „Zum Schutz des Instituts der freien Presse muss aber die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden.“ Außerdem betont es: „Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinung durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten.“ Eine Verknüpfung grundrechtlicher Einzelpositionen und objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte zeigt sich schließlich auch im Zusammenhang mit der Schutzpflichtkonzeption im Fristenlösungsfall. Darin konstruierte das Gericht, gestützt auf das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, eine Pflicht des Staates, jedes menschliche Leben (und zwar durch eine abstrakt-generelle Vorschrift) zu schützen. Es formuliert: „Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Staat zu rechtlichem Schutz des werdenden Lebens von Verfassungs wegen verpflichtet ist, kann deshalb schon aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt grundrechtlicher Normen erschlossen werden.“ Daran anknüpfend gestattet es den Erlass von Strafrechtsnormen als allgemeine, die Wertordnung etablierende Regelungen. Eine Verbindung der beiden Grundrechtsseiten – mit einer Ableitung von der institutionellen zur individuellen Position – wird auch in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal und den Schutzzwecken des § 176 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) aufgezeigt. Die benannte Vorschrift diene zunächst dem Schutz einer geordneten Rechtspflege, zugleich aber dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Prozessbeteiligten. 815 Zwar finden sich auch Entscheidungen, die im Hinblick auf das Bedürfnis nach staatlichem Schutz nur das kollektive Schutzgut in das Zentrum der Betrachtung rücken. Für den Bereich der Kunst hat das Gericht beispielsweise konstatiert: „Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt sich dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten.“ 816 Für den Bereich der Wissenschaft formuliert das Gericht zu Art. 5 Abs. 3 GG: „Diese Wertentscheidung [...] schließt [...] das Einstehen des Staates, der sich als Kulturstaat versteht, für die Idee einer freien Wissenschaft und seine Mitwirkung an ihrer Verwirklichung ein und verpflichtet ihn, sein Handeln positiv danach einzurichten, d. h. schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorzubeugen.“ 817 Es ist allerdings, wenngleich organisationsrechtliche Regeln des Gesetzgebers in Rede standen, davon auszugehen, dass das Gericht 814 815 816 817
BVerfGE 20, 162, 175 f. BVerfGE 91, 125, 136 f. BVerfGE 36, 321, 331. BVerfGE 35, 79, 114.
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auch in diesen Entscheidungen „im Sinne einer Schutzpflicht gegenüber Dritten gedacht“ 818 hat. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass Schutzpflichten sowohl in Bezug auf individualisierte als auch auf kollektive Grundrechtgüter bestehen können. 819 Abgesehen davon, dass Letztere im Ergebnis auf individuelle Schutzgüter rückführbar sein werden und individuell radizierbare Schutzbedürfnisse zumeist ebenso institutioneller wie individueller Art sind, müssen Schutzpflichten dogmatisch nicht allein am Individualrechtsgut orientiert sein. Sie sind vielmehr am Schutzgut orientiert. 820 Ist ein verfassungsrechtlich verbürgtes Rechtsgut in relevanter Form bedroht, muss der Staat zum Schutz verpflichtet sein. 821 Hinsichtlich des Schutzobjekts „Pluralismus“ oder „Wettbewerb“ kann danach der Tatbestand der Schutzpflicht eröffnet sein. 822 Es besteht insoweit ein Schutzbedürfnis kollektiver Güter mit einzelgrundrechtlicher Rückbindung, eben an die Interessen der Rezipienten 823 oder von Marktmacht bedrohter Mitwettbewerber und nicht zuletzt des Journalisten. In Bezug auf den Schutz individuell radizierbarer kollektiver Schutzgüter zeigt sich schließlich auch an dieser Stelle ein dogmatischer Vorzug des Schutzpflichtkonzepts im Vergleich zur Ausgestaltung und zur Drittwirkung. Da sich der Schutz von Vielfalt und Wettbewerb offenkundig in einem Grenzbereich zwi818 Stern, Klaus, Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, in: Stern, Klaus / Sachs, Michael, (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/1 (1988), S. 938 f. 819 BVerfGE 46, 160, 165: „Das Grundgesetz begründet eine Schutzpflicht nicht nur gegenüber dem Einzelnen, sondern auch gegenüber der Gesamtheit aller Bürger.“; Link, Heinz-Christoph, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL, Heft 48, (1990), S. 17. 820 Dietlein, Johannes, Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 74 ff.; Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 3 ff. 821 Vom Tatbestand der Schutzpflicht auszuschließen sind folglich nur solche Schutzgüter, die keinen nachvollziehbaren Rückbezug auf die individuelle grundrechtliche Freiheit zulassen. Zu denken wäre dabei an Bereiche, in denen der Staat ausschließlich sich selbst bzw. seine Symbole schützt, vgl. Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 330. 822 Hermes, Georg, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW (1990) 1765. Zu Recht wird daher betont, dass „die verschiedenen, auf die objektiv-rechtliche Wertentscheidung gestützten Funktionen eine Ganze Reihe von Gemeinsamkeiten“ haben, die es rechtfertigen, „sie dogmatisch zusammenzufassen“, auch dann wenn sie unterschiedlichen Bezeichnungen firmieren, vgl. Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 396 ff. 823 Für die Konzentrationskontrolle im Fernsehmarkt mit Berücksichtigung der Interessen des Fernsehpublikums: BVerfGE 88, 25, 36 f; 88, 25, 36 f.
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schen individuellem und institutionellem Schutz bewegt, kann, wie beschrieben, weder das Abwehrrecht allein, in dem nur die individuellen Grundrechtsträger 824 der subjektiven Freiheit Berücksichtigung finden, noch die Ausgestaltung, die allein auf das objektiv-rechtliche Schutzgut ausgerichtet ist, die grundrechtlichen Anforderungen angemessen abbilden. Die Schutzpflicht nimmt hingegen sowohl die individuellen als auch die objektiv-rechtlichen grundrechtlichen Bezüge umfassend auf und bietet diesbezüglich adäquaten verfassungsrechtlichen Schutz an. dd) Keine Zurückdrängung, sondern Rückbindung an das Abwehrrecht Eine Schutzverpflichtung zum Schutz kollektiver und institutioneller Güter mit individueller Radizierung gewährt dem einzelnen Grundrechtsträger „nur“ reflexartigen Schutz, gleichzeitig richtet sie sich im Fall des Schutzeingriffs auch gegen subjektive Rechte. Es wird daher gegen die Schutzpflicht – mit den der Diskussion um die Problematik der Ausgestaltung mit Eingriffswirkung vergleichbaren Argumenten – eingewandt, dass ein Schutzeingriff zugunsten kollektiver Güter das Risiko mit sich bringt, dass sich der Grundrechtsschutz weiter vom subjektiven Grundrecht ablöst und dabei das Individualrecht des Einzelnen als Teil der Allgemeinheit zurückdrängt. 825 Die Entwicklung der Schutzpflichtendogmatik ist für das Abwehrrecht indes nicht bedrohlich. Anders als im Fall der Ausgestaltung, die typischerweise nicht an Eingriffskautelen gemessen wird, realisiert sich im System der Schutzpflicht nicht dass Risiko, dass objektive Grundrechtsgehalte als Vehikel zur Umgehung des abwehrrechtlichen Schutzes missbraucht würden. Denn die Schutzpflicht hat, anders als die Ausgestaltung, neben ihrem Bezug zur objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension eine klare Rückbindung an das Abwehrrecht, welche das Risiko einer Aushöhlung des Abwehrrechts durch einen Schutzeingriff minimiert. Im Konzept der Schutzpflicht bestehen Bezüge zum Abwehrrecht in unterschiedlicher Intensität. Zum einen spielt das Abwehrrecht bereits im Rahmen der Frage, ob der Staat zum Handeln verpflichtet ist, als Bezugspunkt des Schutzpflichttatbestands, der abfragt, inwieweit die Ausübung grundrechtlich geschützten Verhaltens schlechthin unmöglich gemacht wird, eine zentrale Rolle. Darüber hinaus ist es im Hinblick auf die Frage, wie der Staat bei der Erfüllung der Schutzpflichtaufgabe zu handeln bzw. in welchen Grenzen er sich zu bewegen hat, zu berücksichtigen. Denn im Fall der Bejahung einer staatlichen Handlungspflicht besteht eine Staatsaufgabe, deren Erfüllung an den insoweit 824
Der über Art. 19 Abs. 3 GG auch für juristische Personen gilt. BVerfGE 88, 203: „Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf das menschliche Leben allgemein“. 825
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typischen verfassungsrechtlichen Vorgaben, mithin auch am Abwehrrecht, zu messen ist. Auch die Rückbindung der staatlichen Maßnahme an die Schutzpflicht, die in diesem System Berücksichtigung finden muss, führt nicht zu einer Verdrängung des Abwehrrechts. So wirkt sich die Schutzpflicht zwar auf das Prüfungsregime dadurch aus, dass die Rechtmäßigkeit eines staatlichen Eingriffs von einer Abwägung zwischen dem autonomiewahrenden subjektiven Abwehrrecht des Grundrechtsträgers, das vom staatlichen Schutzeingriff betroffen ist, und der objektivrechtlichen Schutzpflicht abhängt, in der dem Gesetzgeber gegebenenfalls ein im Verhältnis zum nicht auf die Schutzpflicht bezogenen Eingriff weiterer Einschätzungsspielraum zugestanden wird. Dieser Einschätzungsspielraum ergibt sich allerdings nicht aus der Tatsache, dass die Aufgaben schutzpflichtbezogen ist, sondern vielmehr aufgrund der in ihren Entwicklungen schwer voraussehbaren Sachverhalten, die der Schutzpflicht regelmäßig zugrunde liegen. Von einer schutzpflichtbedingten Zurückdrängung des Abwehrrechts kann insoweit nicht gesprochen werden. Darüber hinaus wäre das der Schutzpflicht zugrunde liegende Dreiecksverhältnis zwischen Bürger, Bürger und Staat nicht allein über das Abwehrrecht zu lösen. Das Konzept der Drittwirkung stößt, wie gesehen, bei der Vermittlung von grundrechtlichem Schutz in Gleichordnungsverhältnissen an Grenzen, die durch die Schutzpflicht überwunden werden. Mithin ergänzt und verstärkt das Konzept der Schutzpflicht das Abwehrrecht, indem es dort, wo das Abwehrrecht auch unter Heranziehung der Drittwirkung versagt, verfassungsrechtliche Maßstäbe liefert, die staatliches Handeln oder auch Unterlassen bewertbarer machen. Dass das Abwehrrecht im System der Schutzpflicht nicht zurückgedrängt, sondern eine besondere Berücksichtigung findet, gilt umso mehr, als im Schutzpflichtensystem objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte wieder stärker auf das Abwehrrecht zurückgeführt werden. Indem nämlich die Handlungspflicht mit ihren anerkannten objektiv-rechtlichen Wurzeln durch die Vermittlung über den Schutzpflichtentatbestand, der eine Verletzung der Grundrechtstatbestand abfragt, einen klareren Bezug zum Abwehrrecht herstellt 826, transportiert die Schutzpflicht objektive Grundrechtsgehalte in das Dreiecksverhältnis „Staat – Störer – Opfer“ und führt diese auf diese Weise ihrer Wurzel im subjektiv-rechtlichen Abwehrrecht zu. Dies stellt eine begrüßenswerte Rückbindung objektiv-rechtlicher Gehalte an die Sachstrukturen des jeweiligen Grundrechts dar. 827 Denn die allgemein zur 826
Was dem dogmatischen Konzept der Grundrechte entspricht. Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 29. 827
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Expansion der Grundrechte neigende Dogmatik 828, die mit dem Risiko der Zurückdrängung des Abwehrrechts durch die Ausdehnung gesetzgeberischer Befugnisse und der Gefahr der Relativierung grundrechtlicher Gehalte behaftet ist, erhält mit dem auf das Abwehrrecht bezogenen Schutzpflichttatbestand eine kontrollierbare Bezugsgröße. Dies reduziert die mit der Fixierung auf die objektiv-rechtliche Grundrechtsseite einhergehende Gefahr der Denaturierung des Grundrechts und damit auch das Risiko, dass der institutionelle Gehalt das Abwehrrecht verdeckt bzw. zu einem Mittel umfunktioniert wird, das allein der grundrechtlich gewährleisteten Freiheit zu dienen hat. Während im Konzept der Schutzpflicht folglich die objektiv-rechtliche Grundrechtsseite die verfassungsrechtliche Sicherung flexibilisiert und verstärkt, indem sie dort eingreift, wo eine Pflicht zum staatlichen Handeln aus dem individuellen Freiheitsrecht allein nicht begründbar wäre 829, betont die individuelle Seite der Schutzpflicht als Basis des grundrechtlichen Schutzes den abwehrrechtlichen Grundrechtskern und bezieht, was wiederum die institutionelle Seite nicht vermag, den individuellen Grundrechtsträger bzw. die Sachstrukturen des Grundrechts mit ein. Damit verhilft die Schutzpflicht sowohl objektiven als auch subjektiven Grundrechtsgehalten zu positiver Wirkung und zu einer Konkretisierung und Präzisierung des Grundrechtsschutzes. ee) Problematik der Schutzpflicht in Gleichordnungsverhältnissen Die grundrechtliche Verstärkungsfunktion 830 der in der objektiv-rechtlichen Grundrechtsseite verwurzelten Schutzpflicht bezieht sich, wie gesehen, auf das individuell bedrohte Schutzgut. Ist die Bedrohung des Schutzgutes jedoch durch ein bewusst eingegangenes Risiko entstanden, stellt sich die Frage, ob auch in einem solchen Fall eine verfassungsrechtliche Verpflichtung bestehen kann, das individuelle Schutzgut des Betroffenen vor einer auf dessen Willen beruhenden Selbstgefährdung zu schützen. 831 828 Von einer Teilordnung zu einem ganzheitlichen System, von Abwehrrechten zu objektivrechtlichen Garantien, zu Gemeinschaftswerten und Staatsaufgabe, die sich ihrerseits wieder zu einer Quelle für subjektiver Rechte entwickeln; vgl. Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 31; Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, (1990), S. 22 ff., 37 ff., 41 ff., 54 ff. 829 Scheuner, Ulrich, Pressefreiheit, VVDStRL Heft 22 (1965), S. 77. 830 Bethge, Herbert, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL, Heft 57, (1998), S. 16 f. 831 So in BVerfGE 81, 242, 255 ff.; 89, 214, 231 ff.; auch BVerfG NJW 2001, S. 957 ff. Vgl. zur Kritik: Hermes, Georg, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, (1987), S. 228 ff.; Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche
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Dieser Kritik sieht sich das Schutzpflichtkonzept typischerweise im Fall der bewussten Selbstgefährdung ausgesetzt. Zwar weisen entsprechende Sachverhalte, wie z. B. der Rauschmittelkonsum oder die Selbsttötung, systematisch keine Vergleichbarkeit zu den Fällen der Bedrohung von Wettbewerb und Vielfalt durch Marktmacht auf. Eine (partielle) Vergleichbarkeit existiert indes in Bezug auf die ebenfalls von der Kritik umfassten Fälle des Bürgen-, Handelsvertreterund des Arbeitnehmerschutzes. In diesen Fällen ist nach dem Schutzpflichtkonzept der Schwächere vor dem Stärkerem typischerweise dann zu schützen, wenn eine Vertragspartei strukturell unterlegen ist und die Folgen des Vertrages für diese unterlegene Partei ungewöhnlich belastend sind. 832 Nach einer Darstellung der Vergleichbarkeit der Konzepte (1) bedarf es folglich auch an dieser Stelle der Klärung der oben genannten Frage (2). (1) Partielle Vergleichbarkeit der Fallkonstellationen Die Unterschiede zwischen einem Sachverhalt, in dem der Schutz von Wettbewerb und Vielfalt bzw. bei individualisierter Betrachtung der grundrechtlichen Freiheiten der Verleger, Journalisten oder Rezipienten vor Marktmacht in Rede steht, zu den Fällen der gestörten Vertragsparität sind augenfällig. Im Fall des Schutzes vor Marktmacht fehlt es im Vergleich zu den Fällen gestörter Vertragsparität typischerweise an einer individualisierenden Vertragsbindung zwischen Störer und Opfer. Auch wenn vertragliche bzw. vorvertragliche Beziehungen, z. B. im Fall von Übernahmen, bestehen können, stellen diese keine typischen Anknüpfungspunkte für die Bedrohung von Vielfalt und Marktmacht dar. Die Konstellationen der gestörten Vertragsparität und der durch private Marktmacht eingeschränkten grundrechtlichen Freiheit unterscheiden sich überdies auch im Fall einer vorvertraglichen Beziehung, wie einer anstehenden Fusion, deutlich. Im Fall der Intervention gegen Marktmacht wird typischerweise nicht ein vermeintliches Opfer (wie z. B. der Bürge oder der Handelsvertreter) davor bewahrt, ein für ihn schädliches Geschäft vorzunehmen, vielmehr sollen die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs bzw. die außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Parteien (fusionsaverse Verleger, Journalisten, Rezipienten) durch das staatliche Eingreifen (z. B. durch ein Fusionsverbot) geschützt werden. Regelmäßig wird daher keine der Parteien des Rechtsgeschäfts, die sich in der Regel 833 in keiner der gestörten Vertragsparität vergleichbaren „Schwächeposition“ oder „Zwangslage“ befinden, ihre Freiheitsrechte durch einen Schutzeingriff Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), § 111, Rn. 113 ff. 832 BVerfGE 89, 214, 233 f. 833 Fusionen können auch durch wirtschaftliche Zwangslagen begründet sein. Diese sind jedoch nicht der Anknüpfungspunkt für die möglicherweise aus der Fusion resultierenden negativen Effekte für Wettbewerb und Vielfalt.
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gesichert sehen. Sie werden durch den Schutzeingriff typischerweise vielmehr eine Beschränkung erfahren. Dessen ungeachtet sind die Fallgruppen jedoch in relevanten Punkten vergleichbar. Mit der Bedrohung z. B. des Presseverlegers durch die übermäßige Marktmacht eines anderen Marktteilnehmers wird ebenso wie im Fall der gestörten Vertragsparität ein individualisierbarer Grundrechtsträger durch ein Kräfteungleichgewicht in eine nachteilige (wirtschaftliche) Lage gedrängt und in der Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheit beschränkt. Beide Sachverhalte bewegen sich dabei auf einer Gleichordnungsebene, in denen die Beteiligten zunächst frei agieren können, in denen allerdings die Privatautonomie einzelner Betroffener entweder durch übermäßige Marktmacht (Preisvorgaben, einseitige Nutzung von Vertriebswegen, Anzeigenmacht) oder eine übermäßige soziale Macht (privates Näheverhältnis, wirtschaftliche Abhängigkeit) eingeschränkt sein können. Die auf der Grundlage der Schutzpflicht veranlasste Einschränkung der Privatautonomie bzw. Vertragsfreiheit, der Presse- oder Wirtschaftsfreiheit erfolgt somit in den jeweiligen Fallkonstellationen mit dem Ziel, die Freiheitsausübung der einzelnen Markteilnehmer vor (übermäßiger) privater Macht zu schützen und im Ergebnis zu verhindern, dass es aufgrund eins fehlenden Kräftegleichgewichts im Gleichordnungsverhältnis zu einer Fremdbestimmung des „Schwächeren“ durch den „Stärkeren“ kommt. 834 Während es dabei im Fall der gestörten Vertragsparität um den Schutz eines Vertragspartners vor dem Einfluss des stärkeren Gegenübers geht, sollen mit der Einschränkung der grundrechtlichen Freiheit im Falle von Marktmacht (dies gilt für den Monopolmissbrauch ebenso wie für den Boykott und die Kartellmacht als Varianten wirtschaftlicher Macht) die auf den individuellen Marktteilnehmer rückführbaren verfassungsrechtlich geschützten Wirkmechanismen von Markt, Wettbewerb und Vielfalt vor einem Marktversagen bzw. einer Marktstörung durch den „Stärkeren“ bewahrt werden. Sowohl im Fall von Marktmacht als auch im Fall gestörter Vetragsparität stellt sich der Schutzeingriff damit als eine Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten auf der Seite des sozial oder wirtschaftlich Überlegenen dar, die (zumindest auch) mit dem Ziel des Schutzes des schwächeren Rechtssubjekts vor dem Verlust seiner Handlungsfreiheit oder speziellerer Freiheiten vorgenommen wird. Nur insoweit ist auf die Kritik, die auf die Schutzpflichten in Fällen gestörter Vertragsparität gerichtet ist, auch an dieser Stelle, in der staatliche Reaktionen auf Machtverschiebungen im Pressemarkt in Rede stehen, einzugehen. Die Rüge einer Bevormundung des Geschädigten durch den Schutz vor sich selbst geht hingegen im Fall des Schutzes vor Marktmacht fehl und bedarf deshalb an dieser Stelle keiner Behandlung. 834
Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 107, 108.
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(2) Schutz des Schwächeren im Gleichordnungsverhältnis Problematisch ist ein Schutzeingriff in Gleichordnungsverhältnisse insoweit, als der Betroffene sich freiwillig und damit gerade in Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheit für das Eingehen eines Risikos bzw. einer Belastung entschieden hat. Ist der Staat verpflichtet, vor eigenen Entscheidungen zu schützen, könnte dies im Ergebnis einen Akt staatlicher Bevormundung darstellen und eine Rechtspflicht zu vernünftigem Verhalten statuieren, die zugleich das Recht des Einzelnen auf freiwilliges Eingehen von Risken beschränken würde. Nicht mehr der Betroffene selbst, sondern der Gesetzgeber nähme die Abwägung der Risiken vor. Das Konzept einer Schutzpflicht zur Sicherung der Marktteilnehmer vor Marktmacht sieht sich daneben einer weiteren, mit diesen Einwänden durchaus vergleichbaren Kritik ausgesetzt. Da Schutzgüter wie die Berufsfreiheit und die Meinungsfreiheit, die sich im Wettbewerb bzw. im geistigen Meinungskampf entfalten, stets einem starken Einfluss durch Dritte ausgesetzt sind, stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund des weiten Eingriffsverständnisses, das heute die Dogmatik des Abwehrrechts beherrscht, die Frage, ob Bedrohungen dieser Grundrechte durch Ingerenzen der Konkurrenten für den Staat überhaupt eine Schutzpflicht begründen können oder ob es dem Staat vielmehr verwehrt bleiben muss, in den legitimen Wettbewerb und den legitimen Antagonismus der Freiheit zu intervenieren und Partei zu ergreifen. In solchen Konstellationen stünde, so die Kritik, der Staat unter einem Neutralitätsgebot, nicht unter einer Schutzpflicht. 835 Gegen den vorgenannten Einwand der Bevormundung des „Schwächeren“ kann angeführt werden, dass die daraus resultierende Einschränkung der Privatautonomie im Ergebnis nicht mit dem Ziel des Schutzes vor der Selbstschädigung, sondern mit dem Ziel erfolgt, durch Schutz vor elementaren Störungen privater Macht die Privatautonomie des Betroffenen zur Wirkung zu verhelfen. 836 Damit ist allerdings noch nicht beantwortet, ob auch eine Verpflichtung bestehen kann, die Privatautonomie mit dem Ziel des Schutzes vor Fremdbestimmung in einem Gleichordnungsverhältnis einzuschränken. Denn ein Schutzeingriff in die Privatautonomie muss sich auch an der umfassenden, gegen den Staat gerichteten allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen, welche dem Grundrechtsberechtigten die freiwillige Verfügung über grundrechtliche Güter garantiert und ihm damit auch erlaubt, nach seinen Vorstellungen Bindungen 835 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 98 f. 836 Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 297.
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und Verpflichtungen einzugehen und dabei z. B. von der im Gleichordnungsverhältnis bestehenden „Verkehrs- und Tauschgerechtigkeit“ abzuweichen. Der Einzelne kann sich somit im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Handlungsfreiheit auf der Grundlage eigener Entscheidungen ohne Weiteres binden und Verpflichtungen gegenüber anderen Privaten eingehen; zugleich ist es dem Gesetzgeber gestattet, mehr Freiheit zulassen, als das Grundrecht garantiert. 837 Entsprechendes gilt für den von der Privatautonomie getragenen Wettbewerb, der sich im Grundsatz ebenfalls generell und ohne Berücksichtigung möglicher Bedrohungen Einzelner entfalten kann. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Privatautonomie im Gleichordnungsverhältnis stets in zwei Richtungen wirkt und folglich nur dann tatsächlich existiert, wenn alle Privatrechtssubjekte frei darüber befinden können, welche Verpflichtungen sie auf sich nehmen können oder wollen. Ist dies gewährleistet, handeln beide Parteien also auf der Grundlage freiwilliger Entscheidungen, wäre auch im Fall der Benachteiligung einer Partei eine staatliche Intervention in das Vertragsverhältnis als ein unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie der Betroffenen und eine Verletzung der insoweit gebotenen staatlichen Neutralität anzusehen. Kann der Einzelne indes nicht mehr frei über Art und Umfang der von ihm eingegangenen Verpflichtung befinden und auch nicht mehr entscheiden, ob er sich seiner grundrechtlichen Freiheit begeben und von der Tausch- und Verkehrsgerechtigkeit abweichen möchte, weil er sich einer einseitigen nicht staatlichen Macht ausgesetzt sieht, erweist sich die bipolare Privatautonomie als gestört. Aufgrund dieser Bipolarität kann die entsprechende Freiheit des Einzelnen nicht unbeschränkt gelten. Vielmehr ist der Gesetzgeber, der bei der Gestaltung des die Gleichordnung regelnden Rechtsverhältnisses gerade an die Gewährleistung der Privatautonomie gebunden ist, in einem solchen Fall zur Wiederherstellung der Privatautonomie und damit auch zum Schutz des bedrohten Grundrechtsträger verpflichtet. 838 Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber gem. Art. 2 Abs. 1 GG schließlich nicht nur der Freiheit der vertraglichen Gestaltung von Rechtsverhältnissen Rechnung zu tragen hat, sondern auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) auch zum Schutz vor Fremdbestimmung 837
Dürig, Günther, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (1976), Rn. 130 ff.; Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 357. 838 Damit wird deutlich, dass die genaue Erkenntnis über die Wurzel der Schutzpflicht durchaus von Bedeutung ist. Die Basis der Schutzpflicht ist auch Friedensgarantie: Durch den Verzicht des Einzelnen auf gewaltsame Selbsthilfe steht dem Staat das Gewaltmonopol zu. Dies geht wiederum einher mit der Verpflichtung, den (verzichtenden) Bürger vor Bedrohungen (gegen die er sich aufgrund seines Verzichts nicht mehr wehren kann) zu schützen. Diese Pflicht wird in einem nächsten Schritt konkretisiert durch die in den Grundrechten enthaltenen objektiv-rechtlichen Garantien.
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verpflichtet ist. Droht folglich einer Partei der Verlust ihrer Freiheit zur privatautonomen Lebensführung, weil diese durch eine private Macht gefährdet ist, muss der Gesetzgeber auch insoweit dafür Sorge tragen, dass dem Recht des Stärkeren Grenzen gesetzt werden. Gleiches muss im Fall der Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit oder spezieller Freiheitsrechte durch wirtschaftliche Macht in Gestalt von Marktmacht gelten. 839 Die Privatautonomie ebenso wie die Presse- und die Wirtschaftsfreiheit sind auch in einem solchen Fall nicht nur zu respektieren, sie sind, soweit eine relevante Bedrohung durch eine übermäßige Marktmacht vorliegt, explizit zu schützen. Auch hier gilt: Je intensiver wirtschaftliche und soziale Macht das Mindestmaß an Freiheit gefährdet, das die Grundrechte als Elemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens gewährleisten soll, umso mehr bedarf es des Schutzes personaler Freiheit durch den Staat und umso nachhaltiger müssen Grundrechte die privatrechtlichen Vorschriften beeinflussen. 840 Ist der Gesetzgeber danach zu einem Schutzeingriff in die Freiheit des wirtschaftlich oder sozial Stärkeren verpflichtet, sieht er sich insoweit allerdings sehr hohen Rechtfertigungsanforderungen ausgesetzt. Ein Eingriff ist nur im Falle einer besonderen, untypischen Schwäche auf der Seite des Betroffenen rechtfertigbar. c) Zwischenergebnis Die Schutzpflicht stellt eine Ausprägung der Grundrechte dar, die einen staatlichen Schutzeingriff zur Sicherung von Vielfalt und Wettbewerb im Pressemarkt begründen kann. 841 Dabei entfaltet sie in typischen Drittwirkungskonstellationen Wirkung und zeigt zugleich Bezüge zum Konzept der gesetzgeberischen Ausgestaltung, ohne die der Drittwirkung oder der Ausgestaltung immanenten Defizite aufzuweisen. Denn während sowohl die Schutzpflicht als auch der verfassungsrechtliche Ausgestaltungsauftrag in der institutionellen Grundrechtsseite verwurzelt sind, 839 BVerfGE 25, 256, 268: „Zum Schutz des Instituts der freien Presse muss aber die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mittel auf Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden“. Vgl. auch: BVerfG 20, 162, 175 f. „[...] doch ließe sich etwa auch an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten.“ 840 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 357. 841 BVerfGE 73, 118, 160: „Aufgabe des Gesetzgebers ist es, die strikte Durchsetzung diese Grundstandards [Anm.: gleichgewichtiger Vielfallt] durch materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen sicherzustellen.“
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beide Konzepte gem. Art. 1 Abs. 3 GG den Staat und nicht (wie die unmittelbare Drittwirkung) private Grundrechtsträger ansprechen und auch beide vom Staat ein aktives Handeln verlangen, kann der Schutzeingriff – anders als die gesetzgeberische Grundrechtsausgestaltung – dogmatisch unzweifelhaft an Eingriffskautelen gemessen werden. Er stellt sich damit als die im Vergleich zur Ausgestaltung grundrechtssensiblere und insoweit auch grundrechtsschonendere Maßnahme dar. Die Schutzpflichtendogmatik vermag überdies, Defizite des Drittwirkungskonzeptes zu überwinden. So kann das Konzept der Schutzpflicht die Wirkung der Grundrechte in Gleichordnungsverhältnissen erklären, und zwar auch dann, wenn diese über die drittwirkungsstypische „Ausstrahlungswirkung“ hinausgeht. Sie vermittelt dabei ebenso wie die Drittwirkung eine Grundrechtswirkung in Verhältnissen zwischen zwei Grundrechtsberechtigten, indem ein Bürger vor Störungen durch andere Bürger geschützt wird. Dabei bleibt der Staat anders als im Konzept der Drittwirkung der (dem liberalen Grundrechtsverständnis entsprechend) einzig durch die Grundrechte – zum Schutz – Verpflichtete. Die Tatsache, dass Schutzhandlungen zur Sicherung des Pressemarktes auf den Schutz von Vielfalt und Wettbewerb gerichtet sind, schließt die Rückbindung an die Schutzpflicht nicht aus. 842 Denn auch Vielfalt und Wettbewerb sowie das Bedürfnis ihres Schutzes lassen sich nach dem Grundrechtsverständnis vom primär subjektiven Grundrecht auf individuellen Grundrechtspositionen, wie z. B. des Rezipienten 843, den von Marktmacht bedrohten Mitwettbewerber und den Journalisten, zurückführen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Verknüpfung mit der individuellen Grundrechtsposition erfährt das Abwehrrecht im System der Schutzpflicht auch keine unzulässige Zurückdrängung, sondern vielmehr eine z. B. im Vergleich zur Ausgestaltung begrüßenswerte Verknüpfung mit den Sachstrukturen des jeweiligen Grundrechts. 844 Auch die bzgl. einer Schutzpflicht im Gleichordnungsverhältnis häufig geäußerte Kritik der Bevormundung oder der Verletzung staatlicher Neutralität im Fall des Schutzeingriffs vermag das gefundene Ergebnis nicht zu widerlegen. Al842 Hermes, Georg, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW (1990), S. 1765. Zu Recht wird daher betont, dass „die verschiedenen, auf die objektivrechtliche Wertentscheidung gestützten Funktionen eine Ganze Reihe von Gemeinsamkeiten“ haben, die es rechtfertigen, „sie dogmatisch zusammenzufassen“, auch dann wenn sie unterschiedlichen Bezeichnungen firmieren, vgl. Jarass, Hans D., Grundrechte als Wertentscheidung bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (1985), S. 396 ff. 843 Für die Konzentrationskontrolle im Fernsehmarkt mit Berücksichtigung der Interssen des Fernsehpublikums: BVerfGE 88, 25, 36 f; 88, 25, 36 f. 844 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 29.
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lerdings kann – den Vorgaben der gestörten Vertragsparität entsprechend – auch im Falle des Schutzes von Vielfalt oder Wettbewerb nicht bereits jedwede Störung der individuellen Freiheit eine Schutzpflicht auslösen. Vielmehr muss auch hier die Ausübung der Freiheit des schwächeren Marktteilnehmers massiv gestört sein.
§ 2 Der verfassungsrechtliche Handlungsrahmen bei der Umsetzung einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressemarktes Der verfassungsrechtliche Handlungsrahmen des Staates im Kontext einer Schutzpflicht ist durch zwei Fragestellungen bestimmt. Während zunächst festzustellen ist, ob der Gesetzgeber zur Sicherung der Presse ermächtigt oder verpflichtet ist (I.), bedarf es daran anknüpfend der Klärung, wie die gesetzgeberische Maßnahme ausgestaltet werden kann (II.) Diesbezüglich ist Klarheit insbesondere darüber zu gewinnen, inwieweit das grundsätzlich und losgelöst von der Schutzpflicht bestehende Gestaltungsermessen des Gesetzgebers durch eine aktivierte Schutzpflicht beeinflusst wird. 845 I. Schutzpflichtaktivierung nach Maßgabe des Untermaßverbots Ob eine Pflicht zur Ergreifung staatlicher Schutzmaßnahmen besteht, hängt, wie erwähnt, zum einen davon ab, inwieweit überhaupt ein grundrechtliches Schutzbedürfnis besteht (1), also ob das einschlägige Grundrecht die Dimension der Schutzpflicht umfasst (a) und das geschützte Grundrechtsgut beeinträchtigt ist (b). Zur tatsächlichen Aktivierung einer Schutzpflicht bedarf es dann – über das Schutzbedürfnis hinausgehend – der weiteren Feststellung, ob der bestehende Schutz hinter dem als hinreichend anzusehenden Schutz zurückbleibt, d. h., der nach Maßgabe des Untermaßverbots vorgeschriebene Mindestschutz unterschritten ist (2). 846
845 Aufgrund der induktiv und kasuistisch geprägten Rechtsentwicklung grundrechtlicher Schutzpflichten ist die Konstruktion der Schutzpflichten uneinheitlich und umstritten. 846 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 86, unterscheidet zwischen der Prüfung des Bestehens der Schutzpflicht als solcher (nach der hiesigen Prüfung der erste Prüfungsschritt bei der Frage des „Ob“) und der Frage, ob das einfache Recht dieser hinreichend Rechnung trägt oder Defizite aufweist (bei Canaris „Wie“, hier indes der zweite Prüfungsschritt bei der Frage des „Ob“). Auf die Frage der Art und Weise der Umsetzung der Schutzpflicht (z. B. durch Gesetz), für die vorliegend die Frage des „Wie“ reserviert ist, bezieht er sich nicht.
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1. Das Bestehen eines Schutzbedürfnisses („Tatbestand“) a) Grundrechtlicher Schutzbereich mit Schutzfunktion Der Tatbestand der Schutzpflicht verlangt zunächst die Eröffnung eines grundrechtlichen Schutzbereichs im Hinblick auf den relevanten Sachverhalt. 847 Wäre das Grundrecht hinsichtlich des bedrohten Schutzobjekts tatbestandlich überhaupt nicht einschlägig, müsste bereits aus diesem Grund ein verfassungsrechtliches Schutzgebot entfallen. Ist der Schutzbereich hingegen eröffnet, muss das einschlägige Grundrecht über den abwehrrechtlichen Gehalt hinaus auch objektiv-rechtliche Schutzfunktionen umfassen. 848 Erst dann kann die Beeinträchtigung eines Grundrechts eine Schutzpflichtenreaktion auslösen. In Bezug auf die Konkretisierung des Schutzobjekts wird auf die obigen Ausführungen 849 verwiesen. Das Schutzgebot besteht sowohl in Bezug auf individualisierte als auch auf kollektive Grundrechtgüter mit individueller Radizierung. 850 b) Beeinträchtigung des Schutzbereichs Zwar ist es unumstritten, dass eine gesetzgeberische Pflicht zum Schutz eines Grundrechtsgutes überhaupt erst dann ausgelöst werden kann, wenn das entsprechende Grundrecht bedroht ist. 851 Weitergehender Klärung bedarf jedoch die Frage, inwieweit auch der nicht staatliche Störer eine verfassungsrechtlich relevante Störung verursachen kann (aa) und ob eine relevante Störung an die Überschreitungen einer gewissen Erheblichkeitsschwelle oder Gefahrenintensität geknüpft ist (bb). aa) Bestimmung des Störers – Keine generelle Zurechnung nicht staatlichen Handelns zum Staat Einen Hinweis darauf, welcher Grundrechtsgefährder durch welches Verhalten eine staatliche Schutzpflicht auszulösen vermag, gibt die der Schutzpflicht 847
Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 72. Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035; Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 171. 849 Teil 2, 2. Abschnitt, §1, Ziff. III., 3, b, cc – Möglichkeit des Schutzes kollektiver Grundrechtsgüter mit individueller Radizierung. 850 BVerfGE 46, 160, 165; Link, Heinz-Christoph, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL, Heft 48, (1990), S. 17. 851 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 74; Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035; Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 171. 848
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regelmäßig zugrunde liegende „Dreiecksbeziehung“ zwischen Staat, Störer und Opfer, nach welcher Staat und Störer nicht identisch sind. Während aktives, staatliches, grundrechtsbezogenes Handeln typischerweise einen staatlichen Eingriff in das Abwehrrecht darstellt, kann im Schutzpflichtenkontext davon ausgegangen werden, dass eine aktive Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzguts von einem „privaten“ Störer ausgeht. Allerdings kann ein staatlicher Störungsbeitrag darin liegen, dem „aktiven“ privaten Störer keinen Einhalt geboten, also etwas unterlassen zu haben. Der staatliche Eingriff in das Abwehrrecht steht somit nicht nur dem schutzpflichtwidrigen Unterlassen gegenüber 852, zugleich erlangt die Trennung von staatlichem und nicht staatlichem Handeln nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Bestimmung des Prüfungsregimes. Während nämlich im Fall aktiven staatlichen Handelns zu prüfen ist, ob ein rechtfertigbarer Eingriff in ein Abwehrrecht vorliegt, stellt sich im Fall des aktiven Handelns Privater die Frage, ob dem Staat ein schutzpflichtwidriges Unterlassen vorzuwerfen ist. Abgrenzungsschwierigkeiten, z. B. in Fällen staatlicher Genehmigungen oder staatlicher Förderung bzw. Finanzierung privaten Handelns, sind insoweit unausweichlich. Die sogenannte Etatistische Konvergenztheorie 853 versucht, die Trennung von nicht staatlichem und staatlichem Handeln bzw. von staatlichem Unterlassen und Handeln zu überbrücken, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen privates Verhalten dem Staat zurechnet und dieses in der Folge als staatlichen Eingriff einstuft. Wird jedoch nicht staatliches Verhalten dem staatlichen Verantwortungsbereich zugerechnet, führt dies dazu, dass die Bedeutung und der Anwendungsbereich der Schutzpflicht von der Weite des Eingriffsverständnisses abhängig sind und damit die Abgrenzungsschwierigkeiten nicht aufgelöst, sondern nur in Zurechnungsprobleme umgewandelt werden. 854 852
Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992),
S. 88. 853 Hierzu: Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 118. Ablehnend: Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 38 ff.; Hermes, Georg, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, (1987), S. 393 ff.; Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035. 854 Die Unterscheidung zwischen Abwehrrecht und Schutzpflicht wird durch die Theorie, nach welcher der Private Eingriff auf die staatliche Rechtsordnung zurückgeführt und daher dem Staat zugerechnet wird, für hinfällig erklärt. Zu dem Streit um die Weite des Eingriffsbegriff mit Blick auf die Zurechnung nichtstaatlichen Verhaltens zum Staat, vgl. Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 118; Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 87 ff.; Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 404 ff.
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Nicht nur aus diesem Grunde ist eine Zurechnung privaten Verhaltens zum Staat abzulehnen. Eine Zurechnung würde auch dazu führen, dass der Staat völlig losgelöst von seinem Störungsbeitrag – also sei es, weil er aktiv handelt oder weil er ein Verhalten duldet, d. h. ein Handeln unterlässt – in der Verantwortung wäre. Eine solch umfassende Verantwortung steht im klaren Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Staatsaufgabensystematik, die dem Staat ohne ausdrückliche Aufgabenzuweisung ein weites Ermessen dahin gehend einräumt, ob und wann er handeln möchte. Die Konvergenztheorie führt überdies zu einer Überlagerung von grundrechtlichen Sicherheitsbelangen und von Freiheitsbeeinträchtigungen. Sie missachtet, dass das Abwehrrecht und die Schutzpflicht im Kern 855 unterschiedliche Sachverhalte bewerten und der Staat daran anknüpfend vor ungleichen Rechtfertigungsanforderungen gestellt sein muss. Denn während es in Schutzpflichtsachverhalten zunächst in erster Linie um die Bewertung staatlichen Unterlassens (durch Duldung privaten Handelns) mit Blick auf das Grundrecht des Opfers geht, gibt das Abwehrrecht typischerweise vor, inwieweit die Grundrechte des Störers durch staatliches Handeln beschränkt werden können. Dabei kann dem Staat im Bereich der staatlichen Untätigkeit, die regelmäßig dem tatsächlichen Ausgangssachverhalt entsprechen wird, nicht die gleiche Rechtfertigungslast auferlegt werden wie bei einem tatsächlichen, aktiven und damit zielgerichteten Handeln. 856 Eine generelle Zurechenbarkeit nicht staatlichen Verhaltens zum Staat würde außerdem die in den Schutzpflichtfällen bestehende Dreiecksbeziehung zwischen Staat, Störer und Opfer in ein – den tatsächlichen Umständen nicht entsprechendes – bipolares Verhältnis überführen. 857 Eine Lösung auf dieser Grundlage wäre im Hinblick auf die Verantwortungsbereiche unpräzise, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit bestünde, und zwar auch nicht in Bezug auf Art. 1 Abs. 3 GG, nach dem nicht staatliche Akteure nicht unmittelbar durch Grundrechte gebunden sein können. Denn das Schutzpflichtkonzept erlaubt gerade nicht staatlich verursachte Gefährdungslagen (die im Zusammenhang mit staatlichem Unterlassen stehen) in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich bewertbar zu machen. Es greift dort, wo das Abwehrrecht versagt, und kann als „Brücke“ 858 zwischen den auf staatliches Handeln gerichteten Grundrechten 855 Sicherlich finden sich hier – wie üblich bei der Unterscheidung von Tun und Unterlassen – Überschneidungen und Grenzbereiche, z. B. in Fällen besonderer Verantwortungszurechnung, vgl. Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035. Das darf aber nicht zu dem Schluss führen, dass die Kategorien auch in den Extrem- und Kernbereichen vermischt werden. Vgl. Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 46. 856 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 44. 857 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035. 858 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 36.
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und privaten Sachverhalten wirken. Einer Reduktion auf das bipolare Verhältnis Staat – Störer bedarf es folglich nicht. Vor dem Hintergrund der Parallelität der Zurechnungsfragen der Konvergenztheorie und der bereits an anderer Stelle als defizitär bewerteten unmittelbaren Drittwirkung sei an dieser Stelle schließlich auch auf die dort angeführten Argumente verwiesen. Im Ergebnis kann damit der Konvergenztheorie nicht gefolgt werden. 859 Übertragen auf die Bedrohung einzelner Presseunternehmen durch Marktverschiebungen im Pressemarkt, bedeutet dies, dass Bedrohung von Vielfalt und Wettbewerb durch Marktmacht als Grundrechtsstörung durch privates Verhalten und ggf. verfassungsrechtlich relevantes Unterlassen des Staates zu bewerten ist. bb) Natur des Gefährderverhaltens: rechtswidriger Eingriff oder private Bedrohung? Auslöser einer Schutzpflicht ist eine Einwirkung auf das Schutzgut durch einen Störer. Allerdings ist zu beachten, dass auf der einen Seite nicht jede minimale Bedrohung bzw. jedes unkonkrete, wertindifferente Ereignis eine Handlungspflicht auszulösen vermag, während auf der anderen Seite im Fall einer existenziellen Beeinträchtigung eines grundrechtlichen Schutzgutes zweifelsohne von einer entsprechenden staatlichen Pflicht auszugehen sein wird. 860 Die Handlungspflicht muss mithin an die Überschreitung einer gewissen Gefahrenintensität geknüpft sein. Eine Beschränkung auf einen rechtswidrigen Eingriff als pflichtauslösendes Ereignis ist allerdings abzulehnen. Ein wesentliches Defizit dieser Beschränkung ist darin zu sehen, dass mit ihr der Tatbestand der Rechtsverletzung dem möglicherweise im Hinblick auf Schutzpflichten relevanten Sachverhalt des wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichts gegenübergestellt wird. Da Schutzpflichten anders als Abwehrrechte jedoch nicht einem klassischen Konditionalprogramm 861 „Eingriff – Rechtfertigung“ unterliegen, sondern vielmehr ein Unterlassen bewerten, das diesem Bewertungsschema nicht zugänglich ist, 859 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 119; Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 38 ff. 860 Die ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Verfassungsrecht, vgl. Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 66, 107. Im Hinblick auf die Anknüpfung an eine „Eingriff“ ablehnend: Bethge, Herbert, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL, Heft 57, (1998), S. 45 ff. 861 Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 112.
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muss sich eine solch rigide Trennung von rechtswidrigem Eingriff und sozialen oder wirtschaftlichen Bedrohungen im Rahmen der Schutzpflichtenkategorie als ungeeignet erweisen. Eine schutzpflichtauslösende Beeinträchtigung ist mit dem konkreten staatlichen Verhalten eines Eingriffs in ein Abwehrrecht schlicht nicht vergleichbar. Die Schutzpflicht wirkt in die Richtung des prinzipiellen Schutzes des jeweiligen grundrechtlichen Schutzgutes auch z. B. gegen diffuse Drittstörungen 862 und bewertet dabei ein ggf. über einen längeren Zeitraum gegebenes Unterlassen des Staates, ein „Schutzdefizit in seiner Gesamtheit“ 863. Die Bewertung eines Handelns hingegen ist – dies ist im Verfassungsrecht nicht anders als im Zivilrecht – auf ein punktuelles Ereignis gerichtet. Während also die Bewertung des Handelns einen präzisen Anknüpfungspunkt aufweist, muss sich die Bewertung des Unterlassens an einem Dauerzustand ausrichten und ist insoweit komplexer. Infolgedessen können auch die Maßstäbe, die an ein Tun gestellt werden, eine wesentlich größere Präzision erlangen als diejenigen, mit denen die Rechtsordnung einem Unterlassen begegnet. Es folgt also schon aus dem grundlegenden Unterschied von aktivem Handeln und Unterlassen, dass ein gesetzgeberisches Unterlassen nicht an vergleichbar engen Maßstäben gemessen werden kann wie ein gesetzgeberisches Handeln und ein schutzpflichtauslösender Tatbestand, in dessen Rahmen die Einhaltung einer weit gefassten Schutzaufgabe und ein diesbezügliches Unterlassen bewertet werden sollen, nicht allein an einen punktuellen rechtswidrigen Eingriff anknüpfen kann. Ferner ist es durchaus vorstellbar ist, dass auch ein rechtmäßiges Verhalten, z. B. im Falle einer Veränderung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, in relevanter Form grundrechtsbedrohlich ist. 864 Die Kategorie der Rechtswidrigkeit des Eingriffs ist auch in Bezug auf die Effektivität des Grundrechtsschutzes inadäquat. Läge nämlich die Beeinträchtigungsschwelle, die ein Schutzbedürfnis auslösen kann, bei einem rechtswidrigen Eingriff, würde die an den Tatbestand anknüpfende Überprüfung, inwieweit z. B. der Gesetzgeber einer Schutzpflicht hinreichend nachgekommen ist, seltener erfolgen als bei einer Bezugnahme des Tatbestands auf eine Bedrohungslage. Dies wiederum würde den Schutz 862 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 20. 863 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 76. 864 Im Ergebnis ebenso: Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035. Dieser stellt jedoch darauf ab, dass eine Beschränkung auf die Schwelle der Rechtswidrigkeit insoweit Zweifeln ausgesetzt ist, als sich eine Rechtswidrigkeit nur aus einer Abwägung mit anderen Verfassungsgütern ergeben kann und daher eher als ein Aspekt der Reichweite der Schutzpflicht (der Frage des „Wie“) als der Voraussetzungen der Schutzpflicht (der Frage des „Ob“) erscheint. Richtig ist, dass die Frage der Rechtswidrigkeit nicht für die Frage der Begründung, sondern der Rechtsfolge der Schutzpflicht von Bedeutung ist. Vgl. Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 78.
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grundrechtlicher Güter – im Widerspruch zur Effektivität des Grundrechtsschutzes – verkürzen. 865 Eine insoweit abgesenkte Gefährdungsschwelle stellt sich dabei gegenüber dem Störer bzw. der verantwortlichen Staatsgewalt als nicht unbillig dar. Denn aus der Tatsache, dass ein Schutzbedürfnis besteht bzw. der Schutzpflichttatbestand erfüllt ist, folgt – ähnlich der Feststellung des Vorliegens eines Eingriffs – nicht zugleich das Unwerturteil. Dies ergibt sich erst durch die von der Tatsache der Beeinträchtigung zu unterscheidende Prüfung des Sachverhalts dahin gehend, ob die staatlichen Gewalten der Schutzpflicht hinreichend Rechnung getragen haben. So ist im Ergebnis davon auszugehen, dass die verfassungsrechtliche Schutzpflicht es gebietet, auch die bloße Gefahr einer Grundrechtsverletzung einzudämmen bzw. bereits die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Gefahr oder die schlichte Bedrohung grundrechtlich geschützter Güter einen Schutzauftrag auszulösen vermag. 866 Eine Anknüpfung des Schutzpflichtentatbestands an einen konkreten als rechtswidrig festgestellten Eingriff ist abzulehnen. 867 2. Abweichung vom gebotenen Schutzniveau („Schutzpflichtverletzung“) Die Frage nach der relevanten Intensität des Gefährderverhaltens ist von der Frage der Verfassungswidrigkeit der Versagung staatlichen Schutzes zu unterscheiden. Denn ebenso wenig, wie ein Grundrechtseingriff notwendigerweise einen Grundrechtsverstoß darstellt, zieht, wie soeben beschrieben, die private Beeinträchtigung des Schutzgutes ohne Weiteres eine Schutzpflichtverletzung nach sich. Neben der Grundrechtsgefährdung ist eine (staatliche) Verletzung der Schutzpflicht positiv festzustellen. 868 Ein staatliches Unterlassen ist dann zu missbilligen, wenn der vor dem Hintergrund der Gefährdung gegebene Schutz hinter dem gebotenen Schutzniveau zurückbleibt, also ein hinreichender und effektiver Schutz versagt wird. Hin865 Dies stellt eine mit dem Eingriff-Abwehrschema vergleichbare Konstellation dar: Je enger der Eingriffsbegriff, je höher als die Eingriffsschwelle, umso seltener kommt es zu einer Überprüfung staatlichen Verhaltens am Abwehrrecht. Die Effektivität des Grundrechtsschutzes wäre eingeschränkt. 866 BVerfGE 49, 89, 141 f; 53, 30, 57. 867 So auch: Hermes, Georg, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, (1987), S. 227; Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 106. 868 Die Frage nach dem Niveau der schutzpflichtaktivierenden Gefahr durch nichtsaatliches Handeln und die Frage, ob ein schutzpflichtaktivierendes staatliches Unterlassen besteht, sind dabei zwei Kehrseiten einer Medaille.
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sichtlich dieses Schutzzieles, der Gewährleistung eines hinreichenden, effektiven Schutzes, steht der Staat nämlich unter Rechtfertigungszwang, und so hat er auch diesbezüglich die Aufgabe, Risikosphären abzugrenzen und einen Ausgleich zwischen der Freiheit des Störers und der Freiheit des Betroffenen zu suchen. Über die Art und Weise der Erreichung des Ziels kann er – in den verfassungsrechtlichen Grenzen – dann selbst befinden. 869 Was allerdings als gebotener Schutz, als Schutzziel, zu verstehen ist, bedarf weiterer Konkretisierung. Festzustellen ist zum einen, welches abstrakte Schutzniveau anzustreben ist. (a) Es bedarf folglich einer Bestimmung der Zielmarge (des verfassungsrechtlichen Schutzes), deren Verfehlung schließlich dazu führt, dass sich eine schlichte gesetzgeberische Handlungsermächtigung zu einer Handlungspflicht verdichtet. Insoweit ist auch zu klären, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten ist, Idealzustände zu schaffen, oder ob sich eine Handlungspflicht erst bei Unterschreitung eines Minimumstandards konkretisiert. Ist das abstrakte Ziel des Grundrechtsschutzes bestimmt, stellt sich daran anknüpfend die Frage, wie die Abweichung vom Ziel verfassungsrechtlich belastbar festgestellt werden kann. Es bedarf eines Bewertungsregimes, anhand dessen der durch die staatlichen Organe gegebene Schutz an dem (soeben definierten) Schutzziel gemessen werden kann (b). Abschließend ist zu festzustellen, wie sich diese Zielvorgaben konkret im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Pressebild darstellen, d. h. vor allem, ab wann der Staat ggf. zu Intervention in den Pressemarkt verpflichtet sein kann (c). a) Bestimmung des „gebotenen“ Schutzes – Schutz des Mindestgehalts Auf ein Optimierungsgebot im Sinne einer Ausdehnung der institutionellen Garantiegehalte in eine staatliche Pflicht zur Herstellung eines verfassungsrechtlichen Idealzustands 870 oder zur Gewährleistung eines über ein Schutzmini-
869 Klein, Eckart, Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates, NJW (1989), S. 1637: „Während jeder auf welchem Wege auch immer vorgenommene staatliche Eingriff in ein Grundrecht, der durch die Grundrechtsschranke nicht gedeckt ist [...], als Verfassungsverstoß identifiziert werden kann, schuldet der Staat aufgrund seiner Schutzpflicht bei Eingriffen von dritter Seite die Abwehr des Eingriffs, ohne dass der Weg dazu sich aus der Schutzpflicht ergibt, es sei denn, es stehe nur ein einziger verfassungsgemäßer Weg offen.“ Vgl. auch: Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 350. 870 Sowohl Seewald, Otfried, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, (1981), S. 216.
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mum hinausgehenden Mindestgehalts kann ausgehend von der grundrechtlichen Schutzfunktion nicht geschlossen werden. 871 Zwar findet sich die Idee einer optimalen, vielfältigen Verteilung auch im institutionellen Gehalt eines Grundrechts wieder, diesbezüglich kann es sich jedoch nur um idealtypische Erwartungen handeln. 872 Diese sind als verfassungsrechtlich Wünschenswertes, an das keine konkreten Verpflichtungen des Staates geknüpft sind, vom verfassungsrechtlich Notwendigen, dem Grundrechtskern, zu unterscheiden. 873 So ist bei der Ermittlung des „gebotenen Schutzes“ zu beachten, dass institutionelle Grundrechtsgehalte insbesondere auf die Bewahrung des Funktionssinns bzw. den Kern des Grundrechts abstellen. Dem Gesetzgeber kann ausgehend von objektiv-rechtlichen Gehalten keine bestimmte Richtung und Gewichtung bei der Erfüllung der an ihn gestellten Aufgaben vorgeschrieben werden. Objektiv-institutionelle Ansätze – dies gilt für die Schutzpflicht ebenso wie für die Ausgestaltung – dürfen demnach auch nicht als eine von materiellen Begrenzungen gelöste Befugnis des Gesetzgebers zur gesetzlichen Konkretisierung des „idealen“ Normbereichs verstanden bzw. in eine objektiv-rechtliche Regelungsermächtigung zur optimalen Umsetzung von (in der Regel schwer fassund überprüfbaren) Wertvorstellungen umgewandelt werden. Andernfalls würde die zusätzliche objektiv-rechtlich-institutionelle Absicherung des Freiheitsrechts durch die Schutzpflicht in das Gegenteil verkehrt, nämlich zu einem Einfallstor in eine (maximale) inhaltliche Begrenzung des Grundrechts des Störers. 874 Nach Lerche kann folglich auch „allenfalls [...] ein Grundstock an [...] Bemühungen (im Sinne eines Mindestmaßes) grundrechtlich gewährleistet sein“. 875 Dies gilt auch und gerade für das Grundrecht der Pressefreiheit, denn wird der Staat zum Garanten einer bestimmten und qualitativen Ordnungsvorstellung in Bezug auf die Presse, beinhaltet dies das Risiko der Aufhebung staatlicher Neutralität und damit auch der Gefährdung des grundrechtlichen Freiheitsrechts. Dass die Verfassung nicht die Sicherung eines Optimums verlangt, sondern staatliche Handlungspflichten am Schutzkern ausgerichtet werden müssen, folgt daneben auch aus den Bezügen der Handlungspflicht zum Verletzungsverbot, 871
Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 31. Lerche, Peter, Beteiligung Privater im Rundfunkbereich und Vielfaltsstandard, NJW (1982), S. 1678 f. 873 Diese Differenzierung betonend: Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 30 ff. 874 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 452. 875 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 36. Auslassung nicht im Original. 872
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nach welchem es staatlichen Organen obliegt, die Entfaltung grundrechtlicher Freiheiten ohne ein gegenseitiges Aufzehren zu ermöglichen. Da die Freiheit des Einzelnen stets an die Freiheiten anderer gebunden ist, ist auch im Fall der Schutzpflichten ein Grundrechtsschutz des Opfers zumeist nur durch eine Beschränkung der Freiheit des Störers herstellbar. Die Orientierung am Grundrechtskern hinsichtlich der Schutzpflichterfüllung beugt damit im Ergebnis der Neutralisierung des Freiheitsrechts des Störers durch die Erfüllung der Schutzpflicht vor. Ferner deutet auch ein Vergleich mit dem subjektiven Abwehrrecht, der Wurzel der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, darauf hin, dass sich das verfassungsrechtliche Schutzziel am Grundrechtskern und nicht an einer Idealvorstellung ausgerichtet sein muss. Denn auch das Abwehrrecht enthält keine rechtsverbindlichen Maßstäbe für ein bestimmtes „ideales“ Verhalten. Die objektivrechtliche Grundrechtsseite, die typischerweise weniger konkrete Inhalte ausweist als das Abwehrrecht, zeigt ebenso wie das Abwehrrecht keinen „gehobenen Qualitätsbezug“ 876 und garantiert weder Güte noch Status. Entsprechendes ergibt sich aus dem Funktionssinn des Grundrechts. Grundrechtliche Freiheiten sind funktionsbestimmt, d. h., sie beinhalten in ihrer normativen Anlage offene Verhaltensnormen, die den Bürger auf keinen definierten Freiheitsgebrauch festlegen. 877 Für Träger öffentlicher Gewalt, insbesondere den Gesetzgeber, existiert vor diesem Hintergrund auch die Pflicht, die Funktionalität und Aktualität des Freiheitsrechts schlechthin zu wahren und gerade nicht weitergehende gesamtgesellschaftliche Erwartungen durchzusetzen. Die Orientierung gesetzgeberischer Handlungspflichten an Mindeststandards ist damit auch der Sicherung dieser Funktionalität des Freiheitsrechts geschuldet. Die Orientierung am Schutzkern wird zudem durch einen Vergleich mit weiteren Verfassungsgehalten, insbesondere den Staatzielbestimmungen, bestätigt. So ist insbesondere das Sozialstaatsprinzip, wie gesehen 878, nicht ohne Einfluss für die institutionelle Deutung der Grundrechte bzw. der Kommunikationsfreiheiten. Dabei enthält es jedoch keine umfassende Ermächtigung zur Herstellung idealer bzw. optimaler Verhältnisse oder zur Durchsetzung eines bestimmten Status. Meinungsmonopole oder Konkurrenzen können somit auch nur dann eine Handlungspflicht auslösen, wenn sie den Kommunikationsprozess existenziell bedrohen. 879
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Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 38. Erst dessen freiheitlicher Ausübungsentscheid konkretisiert den Grundrechtszweck, vgl. Scholz, Rupert, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, (1971), S. 106. 878 Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 4 – Ausstrahlungswirkung der Staatszielbestimmungen des Demokratie- und Sozialstaatsprinzips auf Art. 5 Abs. 1 GG. 879 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 29. 877
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
Auch die auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip bezogene abwehrrechtliche Systematik kann als Beleg des auf den Minimumschutz bezogenen Ansatzes herangezogenen werden. Denn nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ein Eingriff u. a. daraufhin zu überprüfen, ob dem Eingreifenden ein milderes, gleich effektives Mittel zur Erreichung des mit dem Eingriff verfolgten Zwecks zur Verfügung steht. Dieser Kontrollschritt, die Überprüfung staatlichen Handelns anhand der Suche nach schonenderen, gleich effektiven Alternativen, stellt einen Filter dar, vermittels dessen die Durchsetzung gesetzgeberischer Ziele auf ein Minimum beschränkt werden kann. Dies hat den Effekt, dass eine maximale Schonung des grundrechtlichen Schutzbereichs erreicht und die Ausübung maximaler individueller Freiheit gesichert wird. Dem Gesetzgeber ist die Durchsetzung und Rechtfertigung qualitätsvoller Verhaltensweisen und maximaler Positionen danach untersagt. Agiert nun der Gesetzgeber mit dem Ziel, ein Schutzgut zu sichern, kann nichts anderes gelten; auch hier muss das Handlungsziel, die Sicherung des grundrechtlichen Schutzguts, auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Schließlich gebietet im Hinblick auf die Medienfreiheit das Gebot staatlicher Neutralität den Vorrang der privaten Eigeninitiative vor einer staatlichen Intervention, d. h., ein staatlicher Eingriff ist „ultima ratio“, was als ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit der Orientierung an der Betroffenheit des Grundrechtskerns gewertet werden kann. Unabhängig davon würde es schließlich auch dem Grundsatz „ultra posse nemo obligatur“ widersprechen, den Staat in Bezug auf ein Unterlassen an einem optimalen Standard zu messen. 880 b) Bestimmung der Verfehlung des verfassungsdeterminierten Schutzniveaus – das Untermaßverbot Ist das verfassungsrechtlich angestrebte Niveau des Grundrechtsschutzes, also der „gebotene“ Minimalschutz, bestimmt, ist damit noch nicht darüber befunden, ob und wann verfassungsrechtlich belastbar von einer staatlichen Unterscheidung dieser Minimalgrenze und damit einer Verfehlung des „gebotenen“ Schutzniveaus ausgegangen werden darf. 881 Während sich die verfassungsrechtliche Grenze staatlichen Handelns anhand des Übermaßverbotes bestimmt, wird nach der herrschenden Praxis und Lehre 882 880 Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 105. 881 Vgl. Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1038 f.; Schulze-Fielitz, Helmuth, Art. 20 GG (Rechtsstaat), in: Dreier, Horst, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band II (2006), Rn. 184. 882 Statt vieler: Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, AcP [184] (1984), S. 228; Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 87 f.
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staatliches Unterlassens bzw. die Frage der Einhaltung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzniveaus anhand des sogenannten Untermaßverbots bewertet. Danach ist der Staat daran zu messen, ob er unter Beachtung der abwägungsrelevanten Belange, insbesondere der kollidierenden Interessen, ausreichende Maßnahmen getroffenen hat, um einen angemessenen und wirksamen Schutz grundrechtlicher Güter von Beeinträchtigungen Dritter zu gewähren (aa). Wenn sich auch damit auf den ersten Blick die Vorgaben von Über- und Untermaßverbot ähneln, bestehen zwischen den verfassungsrechtlichen Maßstäben, die im Fall des Unterlassens den „hinreichenden“ Schutz und im Fall des Handelns die Übermäßigkeit bewerten, relevante Unterschiede (bb). aa) Vorgaben des Untermaßverbotes Nach dem Untermaßverbot muss der staatliche Akteur unter Beachtung der abwägungsrelevanten Belange ausreichende Maßnahmen getroffenen haben, um einen angemessenen und wirksamen Schutz grundrechtlicher Güter von Beeinträchtigungen Dritter zu gewähren. Dass dem staatlichen Akteur anders als beim Eingriff in ein Abwehrrecht keine dem Staat-Bürger-Verhältnis vergleichbare einseitige Rechtfertigungslast obliegt und die Reichweite der Schutzpflicht in besonderer Weise durch eine Abwägungsentscheidung zwischen gleichgeordneten Rechtspositionen zu bestimmen ist, ist logische Konsequenz der Anbindung von Schutzpflichtensachverhalten an das Gleichordnungsverhältnis. Als von zentraler Bedeutung für diese im System der Gleichordnung vorzunehmende Abwägungsentscheidung erweist sich die Frage, welche Aussagen die Grundrechte der opponierenden Parteien zum Schutz grundrechtlicher Positionen vor Eingriffen Dritter enthalten. Im Wirkbereich der von Art. 2 Abs. 1 GG umfassten Privatautonomie z. B. wird, wie oben ausgeführt 883, die staatliche Neutralität deutlich höher gewichtet als der staatliche Schutz vor Beeinträchtigungen Dritter. Im Hinblick auf die Prüfung einer möglichen Unterschreitung des gebotenen Schutzes ist demnach zu berücksichtigen, dass die Verfassung die auf freier Selbstentfaltung beruhende Privatautonomie umfassend anerkennt und respektiert. Erst dann, wenn ein „annäherndes Kräftegleichgewicht der Beteiligten“ fehlt, d. h., wenn der Rechtslage unter Berücksichtigung der Marktkräfte und den Diese Position hat sich das Bundesverfassungsgericht erstmals in der zweiten Schwangerschaftsentscheidung zueigen gemacht, vgl. BVerfGE 88, 103, 254 ff. Darin wird betont, dass die grundrechtlich abgeleitete Schutzpflicht zu einer wirksamen Sicherung der Schutzgüter verpflichtet. Der Gesetzgeber habe das insoweit bestehende „Untermaß“ zu beachten und unterliege insofern der verfassungsrechtlichen Kontrolle. 883 Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 3, b, ee, (2) – Schutz des Schwächeren im Gleichordnungsverhältnis.
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Mechanismen des individuellen Selbstschutzes nicht mehr die Herstellung eines „sachgerechten Ausgleichs“ zugetraut wird 884, kann von einer Verletzung des Untermaßverbots gesprochen werden und der Staat zu einer Handlung verpflichtet sein. Gleiches gilt für die Bedrohung des vom Schutz der Wirtschaftsfreiheit umfassten Wettbewerbs oder des von der Meinungs- und auch der Pressefreiheit geschützten Meinungskampfes. 885 Die staatliche Neutralität ist auch für diese Grundrechte prägend, und folglich hat im Falle eine Bedrohung von nicht staatlicher Seite die Eigeninitiative deutlichen Vorrang vor einer staatlichen Intervention – sie ist „ultima ratio“. Aus dem Subsidiaritätsprinzip, an dem sich auch ein Schutzeingriff auszurichten hat, folgt notwendigerweise ebenfalls, dass der Staat zu einer Handlung erst dann verpflichtet ist, wenn der geltenden Rechtslage nicht mehr die Herstellung eines „sachgerechten Ausgleichs“ zugetraut wird. 886 Danach ist für die Bewertung des staatlichen Unterlassens von zentraler Bedeutung, wie sehr der Betroffene auf staatlichen Schutz angewiesen ist bzw. inwieweit dem Betroffenen zugemutet werden kann, in eigener Verantwortung für sich zu sorgen. Nicht nur die Intensität der Gefahr, sondern auch die Frage, inwieweit ein Restrisiko hinnehmbar und die Abhilfe – durch den Grundrechtsträger selbst – zumutbar und faktisch möglich ist, sind demnach abwägungsrelevante Belange, die in die Bewertung der Sachlage anhand des Untermaßverbotes einzufließen haben. 887 Der Schutzbedarf bestimmt sich schließlich nicht nur durch Inhalt und Reichweite des subjektiven Schutzrechtes selbst, sondern gleichermaßen in Bezug auf die dem betroffenen Schutzgut gegenüberstehenden Rechtsgüter. Der Staat wird dabei umso strenger in der Pflicht gesehen, je hörrangiger das in Frage stehende Rechtsgut ist. Bei der Frage, ob der Staat unter Beachtung der kollidierenden Interessen ausreichende Maßnahmen getroffenen hat, um einen angemessenen und wirksamen Schutz betroffener Schutzgüter zu gewähren, ist ferner auch dem einfachen Recht, also bereits erlassenen „Schutz“-Regelungen, Art und Ausmaß der Gefahr und dem Rang und der Sicherheitsempfindlichkeit des verfassungsrechtlich
884
BVerfGE 81, 242, 255. Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035 f. 886 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 142. 887 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 90. 885
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zu schützenden Rechtsguts Rechnung zu tragen. 888 Typischerweise wird es dabei weniger um die Wahrscheinlichkeit bestimmter Schädigungserfolge gehen als um die Frage, „ob das vorhandene Gesetzesmaterial ausreicht, der Exekutive im Falle ernsthafter Gefährdungslagen für die grundrechtlichen Schutzgüter ein schutzgewährendes Eingreifen im konkreten Einzelfall zu ermöglichen oder nicht“ 889. Somit kann freilich auch die Änderung der Verhältnisse eine Pflicht auslösen, vorhandene Regelungen „nachzubessern“ oder an neuartige Gefährdungen anzupassen. 890 Dem staatlichen Akteur steht hinsichtlich der Bewertung und der Gestaltung der Sachlage ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. 891 Auch die richterliche Bewertung des gesetzgeberischen Unterlassens ist demnach auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. 892 Eine Schutzpflichtverletzung ist – vereinfacht gesprochen – allein dann positiv feststellbar, wenn staatliche Organe gänzlich untätig geblieben oder die vorhandenen Schutzvorkehrungen offensichtlich ungeeignet sind. 893 Gleichwohl dürfen auch im Fall der Wettbe888 Nach BVerfGE 49, 89, 142, hängt dies „von der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts, sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab.“ 889 Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 113. 890 Die Änderung oder Aufhebung schutzgewährender Normen ist zulässig. Doch darf der verfassungsgebotene Mindeststandard an gesetzlichem Schutz nicht unterschritten werden. Insoweit genießen die Schutznormen eine relative Bestandsgarantie. Dem Gesetzgebungsauftrag entspricht der Vollzugsauftrag an die Exekutive und die Judikative, effektiven Schutz zu gewähren. 891 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 350. 892 BVerfGE 96, 56, 64 ff. 893 BVerfGE 77, 170, 215:„Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist mit Blick auf diese Gestaltungsfreiheit nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind.“ BVerfGE 50, 290, 332 ff.:„Ungewissheit über die Auswirkungen eines Gesetzes in einer ungewissen Zukunft kann nicht die Befugnis des Gesetzgebers ausschließen, ein Gesetz zu erlassen [...] umgekehrt kann Ungewissheit nicht schon als solche ausreichen, einen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nicht zugänglichen Prognosespielraum [...] zu begründen [...], demgemäß hat die Rechtsprechung des BVerfG [...] bei der Beurteilung von Prognosen des Gesetzgebers differenzierte Maßstäbe zugrunde gelegt, die von einer Evidenzkontrolle über eine Vertretbarkeitskontrolle bis in zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen“. Die Vertretbarkeitskontrolle oder gar die intensivierte inhaltliche Kontrolle als Alternative zur Evidenzkontrolle erscheint allerdings als Ausnahme beruhend auf Besonderheiten des Falls. Kritisch: Schmidt, Reiner, Das Mitbestimmungsgesetz auf dem verfassungsgerichtlichen Prüfstand, Der Staat (1980), S. 243; Kloepfer, Michael, Das Geeignetheitsgebot bei wirtschaftslenkenden Steuergesetzen, NJW (1971), S. 1585; Zustimmend: Papier, Hans-Jürgen, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: Benda, Ernst / Maihofer, Werner / Vogel, Hans-Jochen, (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts (1994), Rn. 80.
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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
werbssicherung die Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden. Denn abgesehen davon, dass Wettbewerb im wirtschaftlichen Bereich einen Grundantrieb des Verhaltens und somit ein wesentlicher Gesichtspunkt der Persönlichkeitsentfaltung ist, kommt der Wirtschaftsfreiheit auch eine grundlegende Funktion für die gesamte Wirtschaftsordnung und den Chancenreichtum einer Gesellschaft zu. 894 Doch auch unter Einbeziehung der besonderen Bedeutung des Wettbewerbs ist jedenfalls solange noch von keiner in der objektiv-rechtlichen Dimension wurzelnden Handlungspflicht auszugehen, wie ein Spielraum für eine freie wirtschaftliche und kommunikative Entfaltung existiert. 895 bb) Trennung von Übermaß und Untermaß Bereits die Begrifflichkeiten von „Übermaß“ und „Untermaß“ deuten darauf hin, dass das Untermaß einen zum Übermaß komplementären, nicht aber einen mit diesem identischen Prüfungsrahmen vorgibt. 896 Während nämlich das Übermaßverbot als rechtsstaatliche Mindestgarantie die Grenze maximal möglicher Eingriffsintensität staatlichen Handelns markiert, bestimmt das Untermaß, wann das Mindestniveau eines verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes unterschritten ist, und macht auf diese Weise staatliches Unterlassen einer Bewertung zugänglich. Dies legt den Schluss nahe, dass zwischen den benannten Maßstäben des Übermaßes und Untermaßes der Bereich gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit liegt 897, was allerdings nicht unumstritten ist. 898 So wird vorgebracht, dem Untermaßverbot komme neben dem Übermaßverbot keinerlei eigenständige Qualität zu, vielmehr seien die beiden Maßstäbe kongruent, da das Untermaßverbot der Erforderlichkeitsprüfung als Teilprinzip des Übermaßverbotes entspreche und überdies im Rahmen der Zumutbarkeit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne eine mit dem Untermaß identische Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen werde. 899 894 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 76 ff., 87 ff. 895 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 91. 896 Starck, Christian, Der verfassungsrechtliche Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens, JZ (1993), S. 817. 897 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1038 ff.; Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 20. 898 Hain, Karl-Eberhard, Der Gesetzgeber in der Klemme zwischen Übermaß und Untermaßverbot, DVBl. (1993), S. 982 ff. 899 Hain, Karl-Eberhard, Der Gesetzgeber in der Klemme zwischen Übermaß und Untermaßverbot, DVBl. (1993), S. 982 ff.
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Doch wenn auch beide Maßstäbe im Kern der Frage nachgehen, ob eine dem Staat vorwerfbare Grundrechtsverletzung gegeben ist und überdies Überschneidungen durchaus möglich sind, wird verkannt, dass die Konzepte des Über- und des Untermaßes im Grundsatz voneinander abweichende Prüfungsgegenstände bewerten und daran anknüpfend unterschiedliche Prüfungsregime und -ziele abbilden. Während im Falle einer eingriffsbezogenen Übermaßprüfung die öffentliche Gewalt einen eindeutig identifizierbaren Verstoß gegen das grundsätzlich geltende Nichteingriffsverbot rechtfertigen muss, und dies nur dann gelingt, wenn der Eingriff im Hinblick auf das mit ihm verfolgte Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln erfolgt, er mithin zur Erreichung des angestrebten Schutzes geeignet, erforderlich und angemessen ist, stellt das im Rahmen der Untermaßprüfung zu bewertende Unterlassen nur ausnahmsweise eine verfassungsrechtlich relevante Grundrechtsgefährdung dar. Eine verfassungsrechtliche Relevanz gewinnt ein Unterlassen beispielsweise erst, wenn eine staatliche Aufgabe, z. B. durch eine Schutzpflicht, benannt ist und die Erfüllung dieser Aufgabe hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben zurückbleibt, weil staatliche Organe den von ihnen verlangten Rechtsgüterschutz nicht ausreichend beachtet haben. 900 Anders als im Falle des Eingriffs, der stets einer Rechtfertigung und Legitimation bedarf, ist für ein „positives Unwerturteil“ 901 in Bezug auf ein Unterlassen damit die „Überwindung einer spezifischen Argumentationsschwelle“ 902 notwendig. Demnach ist das Übermaßverbot im Grundsatz zur verfassungsrechtlichen Bewertung eines Unterlassens genauso untauglich wie das Untermaßverbot zur Bewertung eines staatlichen Handelns. Denn ebenso wenig wie die Kenntnis darüber, ob der Gesetzgeber das verfassungslegitime Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt hat, der Beantwortung der Frage dient, ob das eingesetzte Mittel auch verfassungsrechtlich geboten war 903, erlaubt die verfassungsrechtliche Bewertung eines Handelns Rückschlüsse dahin gehend, ob ein staatliches Organ zum Handeln verpflichtet ist. 904 So muss selbst dann, wenn eine Maßnahme nicht geeignet oder erforderlich ist, dem Staat keine Pflicht zur Ergreifung aktiver Maßnahmen obliegen. Demgegenüber überlässt die Verfassung in Schutzpflichtsachverhalten dem staatlichen Akteur typischerweise ein im Verhältnis 900
Starck, Christian, Der verfassungsrechtliche Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens, JZ (1993), S. 817. 901 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn 99. 902 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 43. 903 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1038. 904 Dietlein, Johannes, Das Untermaßverbot, ZG (1995), S. 138.
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zum Eingriff weitergehendes Gestaltungsermessen 905 dahingehend, wie er eine verfassungsrechtliche Aufgabe erfüllt. 906 Denn für die Bewertung der staatlichen Schutzaufgabe kommt es weniger auf die Wahrscheinlichkeit bestimmter Schädigungserfolge an als vielmehr darauf, dass der vom Staat verlangte Rechtsgüterschutz das erforderliche Maß nicht unterschreitet. 907 Das Untermaß dirigiert dieses Ermessen nur insoweit, als die Versagung des effektiven Schutzes unter grundrechtlichem Rechtfertigungszwang steht, wobei eine Reduktion dieses Ermessens auf Null durchaus möglich ist, mit der Konsequenz, dass eine konkrete Schutzvorkehrung veranlasst wäre. 908 Aus der Inkongruenz der Prüfintention von Übermaß und Untermaß folgt ebenfalls eine divergierende Beachtlichkeit abwägungsrelevanter Belange. Beispielsweise haben die Gebotenheit und Erforderlichkeit eines gesetzgeberischen Tuns im Sinne des Untermaßes keinen Bezug zur Feststellung der Erforderlichkeit einer Maßnahme im Sinne der Übermaßprüfung. Die Notwendigkeit der Ergreifung einer Maßnahme deckt sich nicht mit der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeit eines Eingriffs im Sinne des effektivsten und mildesten Mittels. Ergreift beispielsweise ein staatliches Organ eine Maßnahme, ist es frei, einen über den Minimumstandard hinausgehenden Schutz zu gewähren bzw. übermäßigen Schutz bis hin zum Minimumstandard zu reduzieren, ohne dass das gewählte Mittel notwendigerweise der Erforderlichkeit im Sinne des Übermaßverbotes entbehren würde. 909 Denn auch ein im Sinne des Untermaßes nicht „gebotenes“ Mittel, d. h. ein über das Ziel der Sicherung des Minimumstandards hinausgehendes Mittel, kann als Eingriff zur Verfolgung dieses weitergreifenden Ziels durchaus erforderlich im Sinne des Übermaßes sein; so z. B. dann, wenn kein gleich effektives Mittel zur Erreichung des benannten (überobligationsmäßigen) Ziels gegeben ist. 905
BVerfGE 77, 170, 214 f.; 77, 381, 405. BVerfGE 46, 160, 164 f.; 77, 170, 214 f.; 88, 203, 254: „Die Verfassung gibt den Schutz als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im einzelnen. Allerdings hat der Gesetzgeber das Untermaßverbot zu beachten; insofern unterliegt er der verfassungsrechtlichen Kontrolle. Notwendig ist ein [...] angemessener Schutz; entscheidend ist, dass er als solcher wirksam ist. Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber trifft, müssen für einen angemessenen und wirksamen Schutz ausreichend sein und zudem auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen.“ 907 Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 113. 908 BVerfGE 77, 170, 215: „Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist [...] nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Nur unter ganz besonderen Umständen kann sich dies Gestaltungsfreiheit in der Weise verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht genüge getan wird.“ Es sind somit auch Konstellationen denkbar, in denen sich das Auswahlermessen der Grundrechtsverpflichteten auf eine bestimmte Maßnahme verengt. 909 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 84. 906
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Das Auseinanderfallen der Gebotenheit im Sinne des Untermaßes und der Erforderlichkeit im Sinne des Übermaßes ist auch insoweit nicht verwunderlich, als diese Maßstäbe sich an unterschiedlichen Bezugspunkten auszurichten haben. Die Erforderlichkeit im Sinne des Übermaßverbotes bezieht sich auf das verfolgte verfassungslegitime Ziel, das mit dem gebotenen Minimumschutz übereinstimmt, aber ohne Weiteres auch über diesen hinausgehen kann. Die Gebotenheit im Sinne des Untermaßes orientiert sich hingegen allein am verfassungsrechtlichen Minimalschutz 910, mit der Folge, dass das daran anknüpfende Prüfprogramm im Vergleich zur Erforderlichkeit des Übermaßverbots punktueller ist. 911 Denn die Prüfung der geltenden einfachgesetzlichen Rechtslage auf eine Unterschreitung des Untermaßes erfolgt lediglich in Bezug auf die Frage, ob diese der Exekutive im Falle ernsthafter Gefährdungslagen für die grundrechtlichen Schutzgüter ein schutzgewährendes Eingreifen im konkreten Einzelfall ermöglichen kann oder ob ein weiteres oder effektiveres gesetzgeberisches Mittel erforderlich ist. 912 Die Frage, ob die konkret eingesetzten Mittel verfassungsrechtlich erforderlich waren, stellt sich in dem Zusammenhang nicht. 913 Schließlich zeigt sich auch in den Fällen, in denen das gewählte Mittel geeignet ist, ein Schutzminimum zu sichern, dass die Erforderlichkeit im Sinne des Übermaßverbotes im Rahmen der Prüfung des Untermaßes keine mit dem Übermaß vergleichbare Rolle spielt. Ob es ggf. noch geeignetere Mittel gäbe, die einen noch besseren Schutz gewähren und damit ausgehend vom Untermaß wünschenswert wären, spielt nämlich für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nur dann eine Rolle, wenn das geeignetere Mittel eine geringere Eingriffsintensität besäße. 914 Entsprechend formuliert das Verfassungsgericht 915: „Erfüllt eine grundrechtsbeschränkende Strafvorschrift ihren Schutzzweck nur in begrenztem Umfang und würde dieser Zweck bei einer weitergehenden Grundrechtsbeschränkung möglicherweise besser erreicht werden, so kann das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift nicht wegen mangelnder Zwecktauglichkeit beanstanden“, und führt weiter aus: „Nicht dass der Gesetzgeber im Übermaß grundrechtliche 910 Dies vermischt Hain, Karl-Eberhard, Der Gesetzgeber in der Klemme zwischen Übermaß und Untermaßverbot, DVBl. (1993), S. 983. 911 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1038. 912 Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 113. 913 Dietlein, Johannes, Das Untermaßverbot, ZG (1995), S. 138. Selbstverständlich muss eine staatliche Maßnahme, auch wenn sie „in Erfüllung einer Schutzpflicht“ erfolgt, auch sonstigen verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügen. Dabei geht es jedoch um die Frage, des „Wie“ des gesetzgeberischen Handelns, nicht der Frage „Ob“ ein gesetzgeberisches Handeln geboten ist. 914 BVerfGE 96, 56, 64. Das Abwehrrecht fordert in Zielsetzung und Inhalt ein bestimmtes staatliches Verhalten, die Schutzpflicht ist grundsätzlich unbestimmt. 915 BVerfGE 71, 206.
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Freiheit beschränkt habe, würde ihm zum Vorwurf gemacht, sondern dass er ein Übermaß an grundrechtlicher Freiheit aufrechterhalte. Dies zu beanstanden kann nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts sein.“ Eine Überprüfung des Unterlassens anhand des Übermaßverbots kommt somit grundsätzlich nicht in Betracht. 916 Nichtsdestotrotz sind Überschneidungen von Übermaß und Untermaß denkbar. Denn auch in Bezug auf Schutzmaßnahmen hat der Gesetzgeber den konkurrierenden Positionen ausgewogen Rechnung zu tragen und geeignete, wirksame sowie ausreichende Schutzvorkehrungen zu ergreifen. 917 Ausgehend von dem von Möstl 918 konkretisierten Prüfprogramm, sollen an dieser Stelle die diesbezüglichen Überschneidungen kurz herausgestellt werden. Die im Rahmen der Untermaßprüfung zunächst anzustellende Prüfung der Geeignetheit der ergriffenen Maßnahmen zur Gewährleistung des gebotenen Minimalschutzes deckt sich z. B. mit der Geeignetheitsprüfung des Übermaßverbots, soweit eine Maßnahme ausschließlich (!) den Minimalschutz anstrebt. In diesem Fall dient nämlich sowohl das Übermaß- als auch das Untermaßverbot der Prüfung, ob die geltende Rechtslage geeignet ist, ausreichenden (Minimal-)Schutz zu gewähren. Allerdings ist im Rahmen der Untermaßprüfung der Fokus weiter als bei der Übermaßprüfung, denn es wird die gesamte Rechtslage und nicht nur ein konkretes Mittel bewertet. Die in einem nächsten Schritt vorzunehmende Überprüfung der Existenz eines besseren, effektiveren und ebenso milden Mittels stellt hingegen auch im Fall, in dem der Schutzeingriff den Zweck des Minimumschutzes erfüllt, eine gemäß der veränderten Fragestellung umgekehrte und damit von der klassischen Übermaßprüfung abweichende Erforderlichkeitsprüfung dar. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung, mit der abgefragt wird, ob weitere Störungen des Grundrechtsguts bei Abwägung der relevanten Belange hinnehmbar sind, nimmt die relevanten Belange der Übermaßprüfung zur Beurteilung der Reichweite der Schutzpflicht auf. Sie weicht mithin dann nicht von der übermaßspezifischen Interessenabwägung im engeren Sinne ab, wenn der staatliche Eingriff auf die Sicherung des Minimumschutzes gerichtet ist. 919 Werden in einem solchen Fall die kollidierenden Interessen der Beteiligten korrekt gegeneinander abgewogen, deckt sich am Ende der Phase der Abwägung das aus der Perspektive des beeinträchtigten Schutzgutes zulässige Höchstmaß mit 916
Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 45. BVerfGE 96, 56, 64; 81, 242, 255. 918 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1038, hat den im Rahmen des Untermaßes gebotenen Abwägungsprozess vermittels einzelner Prüfungsschritte konkretisiert. 919 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 89, geht sogar so weit, in diesem Fall die Prüfung anhand des Untermaßes als ausreichend anzusehen. Das Übermaßverbot werde erst dann relevant, wenn der Gesetzgeber einer Partei mehr Schutz gewähre als grundrechtlich geboten. 917
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den Mindestschutzanforderungen des zu schützenden Rechtsguts. In den übrigen Fällen besteht indessen keine Kongruenz der jeweiligen Interessenabwägungen. c) Skizze der Reichweite der Schutzpflicht im Pressemarkt: Funktionssicherungspflicht Nachdem die Grundzüge einer Schutzpflicht des Staates für die „Freiheit des Pressewesens insgesamt“ 920 und die verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Eingreifen der Schutzpflicht – abstrakt – beschrieben wurden, soll nun skizziert werden, wie sich die Vorgaben im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Pressebild konkretisieren und ab wann der Staat zur Intervention in den Pressemarkt verpflichtet sein kann. An den Vorgaben des Untermaßes und des objektiven Grundrechtsgehalts der Pressefreiheit, als gemeinsamen Bezugspunkt von Schutzpflicht und normativer Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Pressebildes, muss sich auch ein auf Art. 5 GG beziehender Schutz am Schutzkern dieses Grundrechts orientieren. Diesen Schutzkern bildet die nachfolgend zu präzisierende Funktionsfähigkeit der Presse. 921 Dabei enthält der verfassungsrechtliche Schutzauftrag keine generelle gesetzgeberische Ordnungskompetenz zur Sicherung einer besseren Funktionsfähigkeit der Presse. Es besteht vielmehr eine „notrechtliche Kompetenz“ 922 allein zur Erhaltung der existenziellen Grundbedingungen der „Freien Presse“. Denn wie bereits im Kontext der normativen Konkretisierungen des verfassungsrechtlichen Pressebildes beschrieben, hat sich der Staat gegenüber den in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz stehenden Presseunternehmen grundsätzlich einer administrativen oder gesetzlichen Steuerung zu enthalten 923 und die Presse ihre Aufgaben zunächst ohne jede Privilegierung gegenüber anderen 920
In BVerfGE 77, 346, 354. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II., 3, c, cc – „Funtkionsfähigkeit“ als Voraussetzung der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit; Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. I. – Funktionsverantwortung des Staates: Anerkannte Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes. Vgl. auch Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 439. 922 Vgl. Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, (1974), S. 33; Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 52. Vgl. auch Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 20, 23: „Der Staat sollte sich von gesetzlicher oder administrativer Steuerung tunlichst fernhalten. Sie sollte nur ultima ratio ein: aber prinzipiell verboten ist sie nicht. Pressefreiheit ist um der Funktion und der Sicherung eines freiheitlichen Meinungs- und Informationsprozesses willen gewährleistet. Ist dieser ernsthaft gestört, sind flankierende staatliche Maßnahmen zulässig.“ 923 Wendt, Rudolf, Art. 5 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 1 (2000), Rn. 35. 921
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Unternehmen im privatrechtlichen System zu erfüllen. 924 Die verfassungsrechtliche Funktionsgarantie kann sich mithin auch nur auf das Bestehen einer freien, privaten und privatwirtschaftlichen, zur Meinungsbildung beitragenden Presse im Ganzen, nicht aber auf den Fortbestand bestimmter Formen der Presse und schon gar nicht auf den Bestand einzelner Zeitungen beziehen. Ebenso kann das Vielfaltsbild der Verfassung nur als ein Mindestgebot verstanden werden. 925 Eine Rechtfertigung dafür, einzelne (traditionelle) periodische Presseerzeugnisse gegen eine existenzgefährdende Konkurrenz durch neuartige Presseerzeugnisse zu schützen, besteht nicht. Folglich resultieren aus entsprechenden „Bedrohungslagen“ grundsätzlich auch keine schutzpflichtspezifischen Handlungspflichten. 926 Dies gilt solange, wie die Funktionsfähigkeit der Presse nicht verletzt ist, d. h., solange den Presseunternehmen insgesamt im Wettbewerb noch ein angemessener Spielraum bleibt, um sich frei zu entfalten. Mithin greift selbst dann, wenn ein Wettbewerber mit den Leistungen eines anderen nicht mehr mithalten kann und dadurch vom Markt verdrängt wird, die staatliche Verantwortung für Funktion und Bestand der Presse noch nicht. 927 Denn die Verfassung enthält keine Garantie festgeschriebener Marktanteile oder eines vorrangigen Zugangs zu anderen (neuen) Medien bzw. der Öffnung oder Sicherung weiterer Marktchancen. Sie sieht auch keine Kompensation erlittener Wettbewerbsnachteile vor. 928 Dementsprechend hat es der Staat z. B. auch nicht zu unterbinden, wenn ein neues Medium die Gunst der Bevölkerung findet. Ein ggf. durch eine Innovation der Konkurrenz bedrohter Verleger ist vielmehr zuvorderst darauf zu verweisen, den Fortbestand seines Medienprodukts durch betriebswirtschaftliche, eigenverantwortliche Maßnahmen (z. B. Leserwerbung, Innovation bzw. Zukäufe neuer Produkte, Rationalisierung) zu sichern. 929 Die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der bestehenden Presse sind allerdings beispielsweise bei der Normierung von Ordnungsvorgaben für neuartige Massenkommunikationsmittel oder 924 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 134. 925 Lerche, Peter, Beteiligung Privater im Rundfunkbereich und Vielfaltsstandard, NJW (1982), S. 1679. 926 Wendt, Rudolf, Art. 5 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 1 (2000), Rn. 35; Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 57 f.; Degenhart, Christoph, Bestandsschutz für die Presse, AfP (1987), S. 652. 927 Anders dann, wenn ein privater Konkurrent staatlich gefördert wird (Ausnahmegenehmigungen, Subventionen), vgl. Krölls, Albert, Grundrechtliche Schranken der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, GewerbeArch (1992), S. 283 ff. 928 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 440. 929 Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 57 f.
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die Presse zu berücksichtigen. Da die Funktionsfähigkeit der Presse auch eine gewisse Leistungsfähigkeit voraussetzt 930, sind dort, wo staatliche Maßnahmen die Liquidität, Rentabilität bzw. die Substanz der Unternehmen zu vernichten drohen, Marktteilnehmer in verfassungsrelevanter Weise betroffen. Ein über existenzielle Bedrohungen hinausgehender Schutz widerspräche dem Funktionsprinzip des Pressewesens, dem innovationsfähigen freien Wettbewerb, der notwendigerweise auch neuartigen Medienformen offen stehen muss und demgemäß konkurrenzbedingte Risiken zulässt. 931 Auch nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Pressebildes ist schließlich „nur“ der Bestand einer wettbewerblichen Ordnung, nicht hingegen deren konkrete Gestalt geschützt. 932 Ferner belegt auch die Tatsache, dass in der Verfassung eine publizistische Gewaltenteilung oder Gewaltenbalance nicht angelegt ist, den fehlenden Schutz vor – allgemeinen – konkurrenzbedingten Risiken. 933 Ist nämlich eine publizistische Gewaltenbalance verfassungsrechtlich nicht vorgegeben, kann es auch kein Verfassungsgebot zur Verfestigung einer bestehenden Funktionsverteilung geben. Verfassungsrechtlich geschützt ist hingegen die Auswahlentscheidung des Publikums, als Grundlage des Wettbewerbs und damit als zentrales Element der grundgesetzlichen Kommunikationsordnung. 934 Damit können Funktionsverschiebungen durch – im privatwirtschaftlichen Bereich typische – Auswahlentscheidungen der Kunden, welche die Funktionsfähigkeit der Presse nicht berühren, keine über die Wettbewerbsordnung hinausgehende gesetzgeberische Handlungspflicht begründen. Erst der Nachweis einer ernsthaften Störung des Gewährleistungskerns der Pressefreiheit, z. B. der normativen Grundbedingungen für einen Wettbewerbsprozess oder der Presse in ihrem Bestand, rechtfertigt einen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausgehenden Schutzeingriff. 935 Entsprechend 930 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 64 ff.; Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006), Rn. 451. 931 Dies gilt völlig unabhängig von der demokratiespezifischen Funktion des Unternehmens, schließlich sind auch andere von privater Seite ausgeführte aus staatlicher Sicht „lebenswichtige“ Aufgaben wie z. B. die Lebensmittelproduktion nicht mit besonderen Vorrechten gegenüber anderen Wirtschaftszweigen versehen worden. 932 Degenhart, Christoph, Bestandsschutz für die Presse, AfP (1987), S. 651. 933 Tettinger, Peter, Neuartige Massenkommunikationsmittel und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, JZ (1984), S. 404. 934 Degenhart, Christoph, Bestandsschutz für die Presse, AfP (1987), S. 655. 935 So führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Blinkfüer-Entscheidung, BVerfGE 25, 256, 268, aus: „Zum Schutz des Instituts der Freien Presse muss die die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf die Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden. Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert deshalb den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten.“
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konsequent hat der Gesetzgeber auf der einfachgesetzlichen Ebene vorgegeben, dass die Zusammenschlusskontrolle des § 36 Abs. 1 GWB erst greift, wenn sich eine Veränderung der Marktstruktur infolge des Zusammenschlusses abzeichnet, die eine ernsthafte Gefährdung des Wettbewerbs i. S. d. § 19 Abs. 2 und 3 GWB erwarten lässt. 936 3. Zwischenergebnis Ist der Schutzbereich eines Grundrechts eröffnet, und ist das geschützte Grundrechtsgut von privater Seite beeinträchtigt, ohne dass es sich insoweit um einen punktuellen rechtswidrigen Eingriff handeln muss 937, besteht – analog dem Rechtfertigungsbedürfnis nach einem staatlichen Eingriff in ein Grundrecht – ein Schutzbedürfnis des grundrechtlichen Gutes. Der Staat sieht sich vor die Aufgabe gestellt, diesem Schutzbedürfnis in angemessener Weise gerecht zu werden. Dem Staat kann vor diesem Hintergrund, auch ohne dass ihm eine von privater Seite ausgehende Bedrohung des grundrechtlichen Schutzguts als eigenes Handeln zugerechnet wird, u. U. ein pflichtwidriges Unterlassen vorgeworfen werden. Allerdings kommt dies nur dann in Betracht, wenn dem Unterlassen ein vorwerfbarer Unrechtsgehalt innewohnt, wovon erst dann auszugehen ist, wenn der nach der geltenden Sach- und Rechtslage bestehende Schutz hinter dem als hinreichend anzusehenden Schutz zurückbleibt. Dieser verfassungsrechtlich hinreichende bzw. gebotene Schutz beschreibt, wenngleich ein optimaler Schutz verfassungsrechtlich wünschenswert wäre, keine verfassungsrechtliche Idealvorstellung. Den institutionellen Grundrechtsgehalten, welche die Wurzel der Schutzpflicht bilden, ist vielmehr eine Garantie im Hinblick auf den Kerngehalt des Grundrechts zu entnehmen. Ob der Schutzkern verletzt bzw. der verfassungsrechtlich gebotene Minimumschutz tatsächlich unterschritten ist, bemisst sich anhand des sogenannten Untermaßverbots 938. Nach diesem Prüfungsmaßstab trifft den Staat in Bezug auf das Vgl. auch Bullinger, Martin, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001), Rn. 57 f. 936 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 428; Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 79. 937 BVerfGE 49, 89, 141 f; 53, 30, 57. 938 Statt vieler: Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, AcP [184] (1984), S. 228; Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 87 f. Diese Position hat sich das Bundesverfassungsgericht erstmals in der zweiten Schwangerschaftsentscheidung zueigen gemacht, vgl. BVerfGE 88, 103, 254 ff. Darin wird betont, dass die grundrechtlich abgeleitete Schutzpflicht zu einer wirksamen Sicherung der Schutzgüter verpflichtet. Der Gesetzgeber habe das insoweit bestehende „Untermaß“ zu beachten hat und unterliege insofern der verfassungsrechtlichen Kontrolle.
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Schutzziel, der Gewährleistung eines hinreichenden und effektiven Schutzes, die Aufgabe, Risikosphären abzugrenzen und einen Ausgleich zwischen der Freiheit des Störers und der Freiheit des Betroffenen zu suchen. Gelingt dies dem Staat nicht, und kommt es zu einer ernsthaften Bedrohung adäquater normativer Rahmenbedingungen, ist von einem verfassungswidrigen Unterlassen des Staates und entsprechend von einer staatlichen Schutzpflicht auszugehen. Das Untermaßverbot verhält sich dabei zum Übermaß komplementär 939; Überschneidungen der Bewertungsvorgaben, insbesondere dann, wenn der Schutzeingriff, der am Maßstab des Übermaßverbotes zu messen ist, den Zweck der Sicherung des Grundrechtskerns, des Schutzminimums, verfolgt, sind jedoch nicht ausgeschlossen. Den verfassungsrechtlich garantierten Schutzkern des Grundrechts der Pressefreiheit bildet – mit den Vorgaben des Wettbewerbsschutzes vergleichbar – die Funktionsfähigkeit der Presse. Demnach können beispielsweise Meinungsmonopole oder Konkurrenzen nur dann eine Handlungspflicht auslösen, wenn sie den Kommunikationsprozess oder die Wettbewerbsfähigkeit existenziell und branchentypisch bedrohen. 940 Eine Garantie festgeschriebener Marktanteile oder eines vorrangigen Zugangs zu anderen (neuen) Medien bzw. der Öffnung oder Sicherung weiterer Marktchancen enthält die Verfassung nicht. Ebenso wenig sieht sie eine Kompensation erlittener Wettbewerbsnachteile vor. 941 Denn richtigerweise hat die gesetzliche oder administrative staatliche Steuerung des Pressemarktes ultima ratio zu sein. Wird die Sicherungsfunktion der Pressefreiheit im Hinblick auf einen freiheitlichen Kommunikationsprozesse allerdings ernsthaft gestört, sind unterstützende staatliche Maßnahmen nicht nur zulässig, sondern auch geboten. 942 II. Eingriffsbewertung nach Maßgabe des Übermaßverbotes Ist der Grundrechtsschutz unter die Grenze des verfassungsrechtlich Gebotenen gesunken und der Staat zu einem aktiven Handeln verpflichtet 943, stellt sich zunächst die Frage, welchen verfassungsrechtlichen Vorgaben diesbezügliche Maßnahmen zu entsprechen haben. Spezielle Vorgaben für Schutzmaßnahmen 939
Starck, Christian, Der verfassungsrechtliche Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens, JZ (1993), S. 817. 940 Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, (1971), S. 29. 941 Papier, Hans-Jürgen, Pressefreiheit zwischen Konzentration und technischer Entwicklung, Der Staat (1979), S. 440. 942 Vgl. auch Scholz, Rupert, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, (1971), S. 20, 23. 943 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 350.
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enthält die Verfassung nicht. 944 Staatliches Handeln, welches aus einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht resultiert, hat sich vielmehr in die allgemeinen Strukturen der Verfassung einzufügen. Staatliche Organe sind folglich auch dann, wenn sie Maßnahmen in Erfüllung einer Schutzpflicht ergreifen und der Maßnahme, wie im Fall der Fusionskontrolle Eingriffscharakter zukommt 945, von der Beachtung verfassungsrechtlicher Eingriffskautelen nicht befreit 946 (1). Umso mehr stellt sich die Frage, ob die Tatsache, dass eine eingreifende Maßnahme in Erfüllung einer Schutzpflicht erfolgt, auf die Eingriffsprüfung modifizierend einwirkt. Zu klären ist insoweit insbesondere, ob bzw. inwieweit das Untermaßverbot im Rahmen der Prüfung des Übermaßverbotes zu berücksichtigen ist (2) und welche Bedeutung die Schutzpflicht für den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers hat (3). 1. Kein Dispens der Schutzpflicht von verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen Der Erlass eines formellen Gesetzes ist, auch wenn er in Erfüllung einer Schutzpflicht erfolgt, einen Hoheitsakt, der in jeder Hinsicht verfassungsgemäß zu sein hat. 947 Schließlich kann auch der durchaus achtbare Zweck des Grundrechtsschutzes nicht jedes Mittel heiligen. 948 Eine staatliche Schutzmaßnahme hat sowohl den formellen als auch den materiellen Erfordernissen der Verfassung zu entsprechen. Die formellen Anforderungen an staatliches Handeln waren bereits Gegenstand der obigen Ausführungen zur Staatsaufgabenlehre. 949 Dort wurde festgestellt, dass eine dem Staat von der Verfassung auferlegte Aufgabe allein nicht von dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer Handlungsbefugnis und der Ein944 Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 350, ist der Meinung, dass die Schutzpflichten über das „Wie“ der Ausführung nichts aussagen. 945 Vgl. hierzu Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III. – Einordnung des gesetzgeberischen Instruments der Pressefusionskontrolle in die verfassungsrechtliche Kategorien gesetzgeberischen Grundrechtskontakts. 946 Herzog, Roman, Artikel 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (1982), Rn. 187. 947 Möstl, Markus, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV (1998), S. 1035; Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 106 f. 948 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 150. 949 Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II. – Skizze der Bezüge von Funktionssicherungspflichten zur Staatsaufgabenlehre.
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haltung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung entbindet und die Aufgabenzuweisung durch die Schutzpflicht auch allein nicht eingriffslegitimierend ist. Der Staat kann die Schutzpflicht vielmehr erst dann formell verfassungsgemäß erfüllen, wenn neben der Aufgabenzuweisung eine Befugnisnorm vorhanden ist. 950 Da bei der verfassungsrechtlichen Bewertung der mit Blick auf die Schutzpflicht ergriffenen Maßnahmen nun staatliches Handeln (und nicht mehr wie in Bezug auf die Bewertung des Unterlassens durch die Untermaßprüfung) in Rede steht, wird die materielle Grenze staatlicher Schutzintervention durch die Grundrechtsschranken markiert und vom grundgesetzlichen Ordnungsprinzip ein Ausgleich von Sicherung und Intervention gefordert. Denn immer dann, wenn in den Rechtskreis des Störers oder eines nicht verantwortlichen Dritten eingegriffen wird, lebt die Abwehrfunktion des Grundrechts auf. 951 Demzufolge muss der Schutzeingriff dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes in seiner Funktion als Eingriffsvorbehalt und den Schranken-Schranken genügen. 2. Bedeutung des Untermaßverbotes bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme zur Verwirklichung der Schutzpflicht Auch im Fall der Schutzpflichterfüllung ist die staatliche Maßnahme am Übermaßverbot 952 zu messen, welches den Eingriff in eine Zweck-Mittel-Relation 950 In Extremfällen werden Ausnahmen gemacht. Vgl. Szczekalla, Peter, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, (2002), S. 263 m.w. N. 951 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn 106 ff.; Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 151, 169 f.: „Der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt gilt unabhängig von den Grundrechten als objektive Gewährleistung der Berechenbarkeit des staatlichen Handelns. In dieser Funktion kommt er dem Eingriffsbelasteten zugute, wie immer sein grundrechtlicher Status auch sei.“ Canaris, ClausWilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 89, verneint dies für den Vorbehalt des Gesetzes. Wobei er die Notwendigkeit der eingriffsbezogenen Prüfung nicht verkennt, er hält sie nur insoweit für entbehrlich als die Kollision mit dem gegenläufigen Grundrecht bereits bei der Frage des Bestehens der grundrechtlichen Schutzpflicht berücksichtigt worden ist. 952 Das Übermaßverbot als durchgehende rechtsstaatliche Mindestgarantie verlangt einen verfassungslegitimen Grund für den gesetzgeberischen Eingriff, die Eignung des gewählten Eingriffsmittels, seine Erforderlichkeit im Sinne der Wahl des schonendsten Mittels, sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Eingriffsschwere und dem Eingriffsnutzen, als eine gewisse Proportionalität der Zweck-Mittel-Relation. Vgl. Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 70 ff.:
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einbindet und auf diese Weise verfassungsrechtlich bewert- und kontrollierbar macht. Das konkrete Eingriffsziel, um dessentwillen der Eingriff in die Grundrechte Dritte erfolgt, ist typischerweise – aber nicht zwingend – die Herstellung des Minimumschutzes. Ist dies der Fall, bildet dieser Schutzzweck als gesetzgeberisches Handlungsziel den Bezugspunkt der Übermaßprüfung (a), anhand dessen die Zulässigkeit der Maßnahme bewertet wird und von dem ausgehend sich die ergriffene Maßnahme als geeignet (b), erforderlich (c) und angemessen (d) zu erweisen hat. Fraglich ist diesbezüglich vor allem, inwieweit auch das Untermaßverbot im Rahmen dieser einzelnen Prüfschritte Berücksichtigung finden kann. a) Verfassungslegitimes Ziel Die Prüfung des verfassungslegitimen Ziels stellt eigentlich eine dem Übermaßverbot gedanklich vorausgehende Prüfungsstufe dar, auf welcher geklärt werden muss, welches Ziel der Gesetzgeber mit seiner Maßnahme verfolgt. Das Übermaßverbot selbst trifft bezüglich der Wahl des mit der staatlichen Maßnahme verfolgten Ziels keine Aussage. Die Wahl des Ziels ist vielmehr von der Verfassung umfänglich in das Ermessen des handelnden Organs gestellt, dem insoweit nur vorgegeben ist, dass es sich um ein verfassungslegitimes Ziel handeln muss. 953 Legitime Eingriffziele benennt die Verfassung an verschiedenen Stellen. Beispielsweise können im Hinblick auf die Freizügigkeit Maßnahmen zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand und die freiheitliche demokratische Grundordnung, zur Bekämpfung einer Seuchengefahr oder zum Schutz der Jugend vor Verwahrlosung ergriffen werden. Was die Meinungsfreiheit anbetrifft, können staatliche Organe u. a. zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre Bestimmungen treffen. Daneben gibt jede Staatsaufgabe ein potenzielles Eingriffsziel vor. Auch die grundrechtlichen Schutzpflichten können ein Handlungsziel vorgeben, denn auch sie benennen, wie an anderer Stelle gezeigt wurde 954, Staatsaufgaben. Ist die Erfüllung der Schutzpflicht Handlungsziel des staatlichen Akteurs, kann das Untermaß im Rahmen der Übermaßprüfung Bedeutung erlangen. Denn ist die Erfüllung einer Schutzpflicht Ziel eines Grundrechtseingriffs, beantwortet „Diese Prozedur dient dazu, gem. Art. 19 Abs. 2 GG den Wesensgehalt des Grundrechts zu wahren, dessen Garantiefunktion wenn nicht zu Gänze, so doch in erheblichem Umfang, sich durch das Übermaßverbot aktualisiert.“ 953 Grabitz, Eberhard, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR (98) (1973), S. 602 ff. 954 Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II. – Skizze der Bezüge von Funktionssicherungspflichten zur Staatsaufgabenlehre.
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die Schutzpflicht damit einerseits die Frage nach der Verfassungslegitimität des Ziels und bestimmt zugleich den Bezugspunkt der Übermaßprüfung, anhand dessen überprüft wird, ob die ergriffene Maßnahme zur Erreichung des Ziels (der Sicherung des Minimalschutzniveaus) geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. 955 Als zentrale Bezugsgröße entfaltet es damit innerhalb der gesamten Verhältnismäßigkeitsprüfung seine Wirkung, was selbstredend auch dann gilt, wenn der Gesetzgeber Maßnahmen ergreift, mit denen ein bereits bestehendes verfassungsrechtliches Schutzniveau auf den gebotenen Minimumschutz reduziert wird. 956 Allerdings muss das verfassungslegitime Ziel nicht mit dem gebotenen Minimalschutz übereinstimmen. Es ist im Gegenteil vorstellbar und auch nicht unüblich, dass z. B. der Gesetzgeber mit einem Legislativakt ein über den Minimalschutz hinausgehendes Ziel anstrebt, also ein solches, das verfassungsrechtlich gar nicht geboten, sondern vom Gesetzgeber schlicht „gewollt“ ist. Denn anknüpfend an die in diesem Punkt bestehende Freiheit staatlicher Organe, muss weder jede einfachgesetzliche Rechtsnorm der Verwirklichung eines Schutzgebotes dienen, noch ist der staatliche Akteur im Falle der Schutzpflichterfüllung darauf beschränkt, nur in Erfüllung der Schutzpflicht zu handeln. Vielmehr kann er einen bestehenden, über das Minimum hinausgehenden Schutz in Richtung auf das Minimum reduzieren oder darüber hinausgehenden Schutz anbieten. In letzterem Fall hat sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade nicht am durch das Untermaß bestimmten Minimalziel, sondern an dem darüber hinausgehenden Ziel zu orientieren. 957 Die Bedeutung des Untermaßverbots im Kontext der Übermaßprüfung ist dann reduziert. b) Geeignetheit Ist das verfassungslegitime Ziel definiert, sei es auf die Sicherung eines Minimumstandards, die Reduktion eines bestehenden Schutzes auf das Minimum oder auf einen über das Minimum hinausgehenden Schutz gerichtet, kann ausgehend davon die vom Gesetzgeber ergriffene Maßnahme anhand des Übermaßverbots überprüft werden. An erster Stelle ist danach festzustellen, ob das vom Gesetzgeber gewählte Mittel zur Erreichung des Ziels geeignet ist. Die Geeignetheitsprüfung stellt einen Filter dar, der den Kreis zunächst nur auf die verfassungslegitimen begrenzten Handlungsalternativen verengt. Im Grundsatz steht es dem Gesetzgeber nämlich anfangs frei, aus einer unbestimmten 955 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 70 ff. 956 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 82 f. 957 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 84 f.
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Vielzahl von Mitteln zu wählen. 958 Zur Wahl stehen neben sachlichen Mitteln, wie Geldleistungen, auch rechtliche Mittel, wie Ge- und Verbote. Verfolgt der Gesetzgeber beispielsweise das Ziel der Vielfaltssicherung, könnte er u. a. zwischen der Einführung von Subventionen, Steuererleichterungen oder Kredithilfen oder der Modifikation der rechtlichen Bedingungen im Bereich des Wettbewerbsrechts durch die Festschreibung von Marktanteilsbegrenzungen wählen. 959 Werden diese zunächst verfügbaren Mittel am Maßstab der Geeignetheit gemessen, können sich am Ende nur ein oder wenige Mittel als geeignet erweisen, den Zweck der Maßnahme zu erreichen, sodass sich die Auswahl des Gesetzgebers dann auf diese Mittel beschränkt. Im Rahmen der Überprüfung der Geeignetheit einer solchen Maßnahme erlangt das Untermaßverbot, wie erwähnt, dann Bedeutung, wenn das mit der Maßnahme angestrebte gesetzgeberische Ziel der Minimalschutz ist, also die Sicherung des Untermaßes. In diesem Fall überschneidet sich die Geeignetheitsprüfung gar mit der Untermaßprüfung in Bezug auf das Bestehen einer Schutzpflicht. Denn in beiden Fällen wird abgefragt, ob die geltende Rechtslage geeignet ist, ausreichenden (Minimal-)Schutz zu gewähren. Das Untermaß spielt insoweit auch für die Bewertung bestehender rechtlicher Regelungen eine Rolle, und zwar insoweit, als überprüft wird, ob z. B. aufgrund neuer, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehender Entwicklungen die ursprüngliche Geeignetheit der Maßnahme mit Blick auf die Sicherung eines Schutzminimums verloren gegangen ist. Sollte dies der Fall sein und eine ursprünglich verfassungsmäßige Regelung wegen zwischenzeitlicher Änderung der Verhältnisse den Minimumschutz nicht mehr gewährleisten, bedarf es ausgehend von dieser Erkenntnis einer Nachbesserung. 960 Ergibt die Überprüfung des konkreten Zustands anhand des Untermaßverbots, dass eine Maßnahme zu ergreifen ist, wird die Untermaßprüfung nur ausnahmsweise das staatliche Organ zu einer bestimmten Behandlung eines von Verfassung wegen gesetzlich zu regelnden Sachverhalts zwingen. Ein präziser Handlungsauftrag kann nämlich nur ausgelöst werden, wenn die grundsätzlich bestehende Gestaltungsfreiheit derart verengt ist, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann. 961 Im Regelfall wird das Untermaß lediglich die Auswahl der geeigneten verfassungslegitimen Mittel verengen und ggf. bereits getroffene Regelungen als geeignete Mittel zur Sicherung des Schutzminimums ausschließen. 958
BVerfGE 88, 118, 124. Vgl. hierzu ausführlich: Dittrich, Norbert, Pressekonzentration und Grundgesetz, (1971), S. 71 ff. 960 BVerfGE 49, 89, 90. 961 BVerfGE 77, 170, 215; Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 86. 959
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c) Erforderlichkeit Die nach obigen Maßstäben zur Sicherung des Schutzminimums geeignete staatliche Maßnahme muss ferner, um verfassungsmäßig zu sein, zur Erreichung des verfassungslegitimen Ziels erforderlich sein. Dem Gesetzgeber darf demnach kein milderes, gleich effektives Mittel zu Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Ziels zur Verfügung stehen. Bereits an anderer Stelle wurde dargelegt 962, dass Übermaß und Untermaß im Bereich der Erforderlichkeitsprüfung keine Überschneidungen aufweisen. Denn die Gebotenheit eines gesetzgeberischen Tuns im Sinne des Untermaßes fragt zwar eine „Erforderlichkeit“ im Sinne der Gebotenheit einer Maßnahme ab, aber nicht die Erforderlichkeit im Sinne des Bestehens eines milderen, jedoch gleich effektiven Mittels zur Erfüllung des angestrebten verfassungslegitimen Zwecks. So kann z. B. auch ein im Sinne des Untermaßes nicht „gebotenes“ Mittel, d. h. ein über das Ziel der Sicherung des Minimumstandards hinausgehendes Mittel, durchaus zur Verfolgung dieses weitergreifenden Ziels erforderlich im Sinne des Übermaßes sein. d) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – Abwägungsentscheidung im Falle einer Schutzpflicht Der geeignete und erforderliche Eingriff ist erst dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Das handelnde Organ ist danach angehalten, eine Proportionalität von Zweck und Mittel herzustellen, d. h., die abwägungsrelevanten Belange, insbesondere die Eingriffsintensität und das Eingriffsziel, in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Anders als bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Maßnahme kann das Untermaß im Rahmen der Abwägungsentscheidung eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Abgesehen davon, dass in volkswirtschaftlichen Sachverhalten der gesetzgeberische Spielraum nur schwer an der Effektivität der Maßnahme zu bemessen ist und eine Orientierung an der Bedeutung und der Intensität der Beeinträchtigung der in Rede stehenden Rechtsgüter naheliegender ist, ist im Rahmen der Gewichtung und Abwägung der Belange im Falle des Schutzeingriffs v. a. zu berücksichtigen, dass die Schutzpflicht nicht das hierarchische Bürger-Staats-Verhältnis, sondern das Verhältnis der Bürger untereinander betrifft. Ausgehend davon besteht keine Situation einseitiger Rechtfertigungslast, sondern aufgrund der Ambivalenz des Schutzeingriffs ein zweiseitiger grundrechtlicher Rechtfertigungszwang für das handelnde Organ. 963 Der Gesetzgeber 962
Teil 2, 2. Abschnitt, § 2, Ziff. I., 2, b, bb – Trennung von Übermaß und Untermaß. Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 165. 963
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sieht sich insoweit auf der einen Seite den grundrechtlichen Belangen des Störers gegenüber, die durch das Abwehrrecht und das abwehrrechtliche Prinzip des Übermaßverbots geschützt werden. Auf der anderen Seite hat er dafür Sorge zu tragen, dass die Interessen des Opfers, die ebenfalls grundrechtlich durch das schutzrechtliche Prinzip des Untermaßverbots gewahrt sind, nicht verletzt werden. Damit besteht eine Abwägungslage, in welcher der Staat gegenläufigen Grundrechtsbindungen unterworfen ist und die kollidierenden und jeweils für sich geschützten sowie zunächst gleichwertigen Güter in einen Ausgleich zu bringen hat. 964 Ausgehend von dieser doppelseitigen Rechtfertigungslast sind die abwägungsrelevanten Belange des Untermaßes zur Beurteilung der Reichweite der Schutzpflicht in die Abwägungsentscheidung aufzunehmen. Dies kann zur Folge haben, dass das grundrechtliche Schutzniveau (für den durch den Schutzeingriff Betroffenen) hinter das des Abwehrrechts im Fall des klassischen Eingriffs absinkt, wobei freilich die Anforderungen an die Rechtfertigung im Falle eines Grundrechtseingriff bei einem unbeteiligten Dritten strenger sind als im Fall eines Eingriffs gegen einen Gefahrverursacher. 965 Daneben sind das Gewicht der kollidierenden Grundrechte, die Intensität des Eingriffs (in das Grundrecht des von der Schutzmaßnahme Betroffenen) und der Grad der Bedrohung des Schutzgutes zu berücksichtigen. 966 Verfolgt nun eine staatliche Maßnahme ausschließlich das Ziel, den Minimalschutz zu gewährleisten, und werden alle damit zusammenhängenden kollidierenden Interessen der Beteiligten korrekt gegeneinander abgewogen, kann sich somit am Ende der Phase der Abwägung das aus der Perspektive der Beeinträchtigung zulässige Höchstmaß im Sinne des Übermaßes mit den Mindestschutzanforderungen des zu Schützenden im Sinne des Untermaßes decken. 967
964
Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 107 f.; Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (1999), Rn. 350. 965 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 170. Falls ihm ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit oder schutzbegünstigten Privaten auferlegt wird, kann den Staat auch die Pflicht eines Ausgleichs nach den Enteignungs- oder Aufopferungsregeln treffen. 966 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, AcP [184] (1984), S. 78 ff., spricht von einem „beweglichen Zusammenspiel“ der Kriterien“. 967 Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, (1999), S. 89, geht sogar so weit, in diesem Fall die Prüfung anhand des Untermaßes als ausreichend anzusehen. Das Übermaßverbot werde erst dann relevant, wenn der Gesetzgeber einer Partei mehr Schutz gewähre als grundrechtlich geboten. Er regt jedoch an „als gedanklichen Test und argumentative Abrundung zusätzlich eine Übermaßkontrolle vorzunehmen, um – gewissermaßen von der anderen Seite her – sicherzustellen, dass man nicht doch über das unerlässliche Schutzminimum hinausgegangen ist.“
2. Abschn.: Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat 331
3. Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers bei der Verwirklichung der Schutzpflicht Schutzpflichtsachverhalte sind durch eine besondere Komplexität geprägt. Zum einen sind die im Kontext der Schutzpflicht kollidierenden Grundrechte auf einer verfassungsrechtlich untypischen Gleichordnungsebene in einen fallbezogenen Ausgleich zu bringen. Überdies hat der Gesetzgeber typischerweise auf Bedrohungslagen mit schwer voraussehbaren Entwicklungen zu reagieren, bezüglich derer ihm zumeist auch nur wenig gesicherte Erkenntnisse über die zu erwartenden Auswirkungen einer Maßnahmen vorliegen werden. Somit ist es nicht verwunderlich, dass von Schutzpflichtgesetzgebung als „experimenteller Gesetzgebung“ 968 gesprochen wird und dass ausgehend davon dem Gesetzgeber bei der Auflösung des Konflikts notwendigerweise ein weiter Einschätzungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum zustehen muss. 969 Dies gilt für pressekartellrechtliche Sachverhalte umso mehr, als dem Gesetzgeber auch und gerade in kommunikations- und wirtschaftspolitischen Sachverhalten, wie z. B. dem klassischen volkswirtschaftlichen Thema der Marktverschiebungen, ein weiter Prognosespielraum zugestanden wird. 970 Volkswirtschaftliche Entwicklungen und die Wirkung der in entsprechenden Kontexten notwendigen Intervention sind in der Regel nur schwer vorhersagbar. 971 In derartigen Sachverhalten fehlt es z. B. zumeist an gesicherten Erkenntnissen über die Bedeutung von Marktkonformität. Je nach Marktsituation, d. h. je nachdem, ob ein freier oder ein Monopolmarkt gegeben ist, kann z. B. eine Fusionskontrolle als marktfördernd oder marktschädlich erachtet oder es zur Gestaltung der Wettbewerbsordnung als notwendig angesehen werden, ein auf den ersten Blick nicht marktkonformes Mittel einzusetzen. 972 Der Einsatz volkswirtschaftlicher Werkzeuge, wie z. B. das Verbot von Zusammenschlüssen, wird damit im Regelfall nur an eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Marktstrukturen anknüpfen, d. h. im Fall der Fusionskontrolle an eine Prognose über die Entwicklungen im Falle des Vollzugs des Zusammenschlusses. Dementsprechend wird auch in der einfachgesetzlichen Vorschrift des geltenden § 36 Abs. 1 Hs. 1 GWB folgerichtig auf die „zu erwartenden Wirkungen des Zusammenschlusses“ abgestellt. 973 968
SächsVfGH, NVwZ-RR 1998, S. 345, 349. BVerfGE 46, 160, 164 f.; 56, 54, 82; 57, 295, 324; 77, 170, 214; Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 162. 970 BVerfGE 50, 290, 337 f.; 77, 170, 214 f. 971 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 91. 972 BVerfGE 4, 7, 18; 18, 315, 325, 327. 973 Emmerich, Volker, Kartellrecht, (2006), S. 427. 969
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Ausgehend von diesem weiten Prognose-, Ermessens- und Gestaltungsspielraum in Schutzpflichtensachverhalten, insbesondere solchen mit wirtschaftspolitischer Prägung, kann der Gesetzgeber auch im Rahmen der nach Vorgaben des Übermaßverbots vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung grundsätzlich selbst darüber entscheiden, welches Mittel das beste, angemessenste und zweckmäßigste ist und allein über das wirtschaftspolitische Erfordernis kraft eigener Entwicklungsprognose befinden. 974 Allerdings sollte er im Rahmen der gesamten Übermaßbewertung, insbesondere in seiner Abwägungsentscheidung, alle zur Verfügung stehenden Mittel herangezogen haben, um sich ein angemessenes Urteil bilden zu können. Der weite Prognosespielraum entlässt ihn nämlich nicht aus der Pflicht, sich Kenntnis von der tatsächlich bestehenden Ausgangslage zu verschaffen, um auf diese Weise die den (volkswirtschaftlichen) Sachverhalten innewohnende Unsicherheit weitestgehend zu reduzieren. 975 Der Gesetzgeber hat sich mithin alle abwägungsrelevanten Belange zu vergegenwärtigen, um dann auf dieser Grundlage eine sachgerechte und vertretbare Beurteilung der Lage und eine verfassungskonforme Abwägung der betroffenen Güter vornehmen zu können. Abgesehen davon obliegt ihm eine Korrekturverpflichtung, falls sich zu einem späteren Zeitpunkt die Prognose als falsch oder untauglich herausstellt. 976 4. Zwischenergebnis Ergreift der Staat ausgehend von dem Bestehen einer Schutzpflicht eine Maßnahme zur Sicherung des Pressemarktes, ist diese auf der einen Seite Ausdruck eines objektiv-rechtlich gesellschaftlichen Ordnungskonzepts und in der Regel zugleich grundrechtsrelevante Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten. Mithin muss das vom Gesetzgeber zur Erfüllung seiner Schutzpflicht gewählte Mittel allen verfassungsrechtlichen Kriterien genügen: der bundesstaatlichen Kompetenzordnung sowie den sonstigen Kompetenznormen, dem Vorbehalt des Gesetzes, den rechtsstaatlichen Anforderungen und insbesondere den Grundrechten Dritter, die durch die Maßnahmen des Schutzes belastet werden. 977 Ein Dispens von den verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen verschafft die Tatsache, dass ein Eingriff auch dem Schutz grundrechtlicher Güter dient, nicht. Das Untermaßverbot spielt im Rahmen der somit gebotenen Übermaßprüfung dann eine relevante Rolle, wenn die Maßnahme allein das Ziel verfolgt, den 974
BVerfGE 18, 315, 325. Klein, Hans H., Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl (1994), S. 495. 976 BVerfGE 25, 1, 13; 50, 335. 977 Isensee, Josef, Das Grundrecht als Abwehrrecht und staatliche Schutzpflicht – § 111, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 90. 975
2. Abschn.: Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat 333
Minimumschutz, also das Untermaß, zu sichern. Es ist in diesem Fall identisch mit dem verfassungslegitimen Ziel und beeinflusst demnach als Bezugsgröße die Übermaßprüfung. Liegt ein solcher Fall vor, überschneidet sich die im Rahmen der Untermaßprüfung vorzunehmende Geeignetheitsprüfung mit der Prüfung der Geeignetheit im Untermaß jedenfalls insoweit, als in beiden Fällen abgefragt wird, ob das oder die gewählten Mittel geeignet sind, einen ausreichenden (Minimal-)Schutz zu gewähren. Im Rahmen der Untermaßprüfung ist der Fokus der Prüfung allerdings deutlich weiter als bei der Übermaßprüfung, denn in diesem Fall wird ein Unterlassen bzw. die gesamte Rechtslage und nicht nur ein konkretes Mittel oder Handeln bewertet. Übereinstimmungen der Prüfungsregime bestehen zwar nicht im Hinblick auf die Erforderlichkeit, doch können im Rahmen der Abwägungsentscheidung dieselben abwägungsrelevanten Belange bedeutsam sein. Außerdem steht dem Gesetzgeber jeweils ein weiter Einschätzungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum zu. 978
§ 3 Zusammenfassung: Prüfungsregime Die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Presse gehört zum staatsfreien Gesellschaftsbereich. 979 Sie muss sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können und steht in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz. In Bezug auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit erfährt die Presse ferner den Schutz der Art. 12 und 14 GG. Prüfungsmaßstab für Maßnahmen zur Sicherung des Pressemarktes sind allerdings aufgrund der publizistischen Relevanz derartiger Maßnahmen in erster Linie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG 980 (vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III, IV und V). Ausgehend von diesem grundrechtlichen Schutz steht die öffentliche Gewalt, die in den verfassungsrechtlichen geschützten Bereich der Presse eingreift, unter verfassungsrechtlichem Rechtfertigungszwang (vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 1, c – Das Grundrecht der Pressefreiheit als primär individuelles Grundrecht). Die öffentliche Gewalt kann allerdings auch basierend auf den benannten grundrechtlichen Vorgaben verpflichtet sein, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen können. Neben dem subjektiven, auf Staatsabwehr gerichteten Grundrecht umfasst das Grundrecht der Pressefreiheit nämlich die staatsgerichtete Aufgabe, dort wo der Geltungsbereich der Presse berührt sein kann, dem Postulat der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen 981 (vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. I – Funktionsverantwortung des Staates). 978 979 980 981
BVerfGE 57, 295, 324; 56, 54, 82; 77, 170, 214. Scholz, Rupert, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, (1978), S. 82. BVerfG NJW 1986, S. 1743. BVerfGE 20, 162, 174 ff.
334
Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
Eine Handlungs- und Schutzpflicht, Fehlentwicklungen und Missständen im (Presse-)Markt entgegenzuwirken, ist allerdings an enge Voraussetzungen geknüpft (Teil 2, 2. Abschnitt, § 2, Ziff. I – Schutzpflichtaktivierung nach Maßgabe des Untermaßverbotes). Abgesehen davon, dass die Schutzpflichtaktivierung an die Bewertung eines staatlichen Unterlassen anknüpft, berührt eine Schutzhandlung zumeist Grundrechte Dritter. Folglich kann eine staatliche Handlungspflicht nicht schon bei Abweichungen vom „idealen“ Normbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bestehen. 982 Erst bei einer Unterschreitung eines verfassungsrechtlichen Untermaßes, also im Fall einer ernsthaften Bedrohung adäquater normativer Rahmenbedingungen für die Funktionsfähigkeit der Presse oder der Gefahr der Illiquidität bzw. Vernichtung der Branche, kann eine Schutzpflicht aktiviert werden. Soweit sich, wie vorliegend, die Frage stellt, ob trotz vorhandener gesetzlicher Schutzregelungen staatlicherseits Maßnahmen zur Sicherung (hier: des Pressemarktes) veranlasst sind, kommt es dabei allerdings weniger auf die Wahrscheinlichkeit bestimmter Schädigungserfolge als auf die Frage an, „ob das vorhandene Gesetzesmaterial ausreicht, der Exekutive im Falle ernsthafter Gefährdungslagen für die grundrechtlichen Schutzgüter ein schutzgewährendes Eingreifen im konkreten Einzelfall zu ermöglichen oder nicht“ 983. Ergreift nun der Staat an eine Schutzpflicht anknüpfend oder losgelöst davon eine Maßnahme zur Sicherung der Pressemarktes, müssen sich diese in der Regel der rechtsstaatlichen Eingriffskontrolle stellen 984 (vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 3, b – Bewertung des Konzepts einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressebildes). Da die Pressefreiheit nicht schrankenlos gewährleistet ist, finden diesbezügliche staatliche Schutzeingriffe ihre Grenze auch in Art. 5 Abs. 2 GG, den Vorschriften der allgemeinen Gesetze 985, welche im Lichte der besonderen Bedeutung dieses Grundrechts für den freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen, d. h., so zu interpretieren sind, dass der besondere Wertgehalt des Grundrechts gewahrt bleibt. 986 Pressespezifische Vorschriften müssen danach die Presse zumindest im Grundsatz im Rahmen der Privatwirtschaftlichkeit belassen und dürfen nicht zu einem unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Einfluss auf Presseunternehmen führen. Für jene die Pressefreiheit einschränkende Pressefusionskontrolle folgt daraus, dass der Gesetzgeber zwar medienpolitische Motive verfolgen darf, die Einführung von „Sonderkriterien spezifischen publizistischen Wettbewerbs“ ist ihm jedoch untersagt 987 [vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. V, 1, b, aa, (1) – Der Vorbehalt der „allgemeinen Gesetze“ des Art. 5 Abs. 2 GG]. 982
Hoffmann-Riem, Wolfgang / Plander, Harro, Rechtsfragen der Pressereform, (1977), S. 57 ff., 65 ff. 983 Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 113. 984 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 77. 985 BVerfGE 50, 234, 240. 986 BVerfGE 7, 198, 208. 987 BVerfG NJW 1986, S. 1743.
2. Abschn.: Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes durch den Staat 335
Erfüllt die staatliche Maßnahme die Voraussetzungen der allgemeinen Gesetze, stellt sich daran anknüpfend die Frage, ob die in ihr festgelegte Schranke zugunsten des mit ihr verfolgen Schutzzwecks gerechtfertigt ist. 988 Danach sind dem staatlichen Akteur im Hinblick auf das Ziel oder die Ziele – die Verfolgung verschiedener Ziele, z. B. von Vielfalt und Wettbewerb, ist nicht zu beanstanden 989 – insoweit Grenzen gesetzt, als sie verfassungslegitim zu sein haben. Daneben müssen die Vorschriften, mit denen der Gesetzgeber seine Ziele zu verwirklichen sucht, zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich sein. Dabei steht der Gesetzgeber, der – wie mit der Pressefusionskontrolle – eine wirtschaftslenkende Schutzmaßnahme ergreift, der besonderen Herausforderung gegenüber, sich auf der einen Seite im Rahmen der rechtsstaatlichen Interventionsschranken halten zu müssen und gleichzeitig die Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Ordnungskonzepts nicht vereiteln zu dürfen. Er hat demnach einen verfassungskonformen Ausgleich von gesellschaftsverfassungsrechtlicher Sicherung und rechtsstaatlichem Eingriff, d. h. einen nach beiden Seiten hin schonenden Ausgleich von Sicherung und Intervention unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes, herzustellen (Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. V, 2 – Abwägung der kollidierenden wirtschaftlichen und publizistischen Belange im Fall der Pressefusionskontrolle). Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Maßnahme und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe darf danach die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten werden. Je empfindlicher das geschützte Gut betroffen ist, umso größer muss das Sicherungsinteresse sein. 990 So ist bei der Fusionskontrolle, deren Grundkonzept darin besteht, Märkte offenzuhalten und Raum für die Entfaltung wettbewerblicher Aktivitäten zu schaffen, das Augenmerk auch auf die Auswirkungen des Kontrollinstruments auf fusionswillige und fusionsaverse Unternehmen (Konkurrenten) zu richten. Es ist im Rahmen der Abwägung festzustellen, ob durch den Erlass einer Vorschrift der Schutz verfassungsrechtlicher Güter einer der Parteien unter das Maß des gebotenen Schutzes sinkt. Davon ist solange nicht auszugehen, wie der Branche im Wettbewerb noch ein angemessner Spielraum bleibt, um sich im Wettbewerb frei zu entfalten. Dem Gesetzgeber steht insoweit, d. h. bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, ein weiter Ermessensspielraum zu. 991 Dies beruht nicht zuletzt darauf, dass wirtschaftslenkende Maßnahmen wie die Fusionskontrolle präventiv wirken, d. h. auf zukünftige Gefahren oder Ereignisse ausgerichtet und damit stets mit einer prognostischen Unsicherheit behaftet sind. Richtigkeit oder Unrichtigkeit wettbewerbspolitischer Modelle sind zumeist nur rückwirkend fest988 989 990 991
BGHZ 76, 55, 64 ff. BVerfGE 30, 292, 318. BVerfGE 23, 50, 56. BVerfGE 25, 1, 19 f; 30, 292, 316 ff., 319.
336
Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen
stellbar und damit nicht grundsätzlich nachweisbar [vgl. Teil 2, 1. Abschnitt § 2, Ziff. II, 3, c – Wirtschaftsverfassungsrechtliche Implikationen für das verfassungsrechtliche Pressebild; Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 3, b, aa (4) – Präzisierung des Prüfungsregimes]. Darüber hinaus sind die sich im Zusammenhang mit derartigen Maßnahmen ergebenden Spannungsverhältnisse von sowohl Wettbewerb und Konzentration als auch von Wettbewerb und Vielfalt komplex und ohne eine allgemeingültige Lösung. 992 So ist die Frage, ob die Einführung einer Fusionskontrolle im Ergebnis wettbewerbsfördernd oder beschränkend wirkt oder ob die Lockerung oder Verschärfung der Fusionskontrolle Vielfalt sichert oder beeinträchtigt, nicht eindeutig zu beantworten. Und selbst dort, wo der Gesetzgeber sich für ein bestimmtes volkswirtschaftliches Ordnungssystem entschlossen hat, kann er von diesem System in Teilen abweichen. Gleiches gilt für sonstige Ungleichbehandlungen (z. B. von Groß- und Kleinunternehmen). Mithin kann es auch z. B. durchaus ein legitimes Mittel staatlicher Wirtschaftspolitik sein, einen gewissen Ausgleich zwischen schwächeren und leistungsfähigeren Mitgliedern einer Gruppe zulasten der letztgenannten herbeizuführen. Ein entsprechendes Vorgehen kann z. B. durch strukturelle Unterschiede verschiedener Branchen, verschiedener Unternehmensgrößen oder ein verfassungsrechtliches Ordnungsbedürfnis rechtfertigbar sein. 993 Verfassungsrechtliche Relevanz erlangt die Systemwidrigkeit allerdings dann, wenn der Gesetzgeber von einem selbst gewählten Ordnungssystem ohne sachlichen Grund abweicht. 994 In diesem Fall kann ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegen. 995 Ob dies der Fall ist, ist ausgehend von der unterverfassungsrechtlichen Ebene zu entscheiden, im vorliegenden Kontext also den geltenden Vorschriften des GWB und ggf. europarechtlichen Vorschriften. Eine Überprüfung der Gesetzgebung auf volkswirtschaftliche Modellrichtigkeit oder Gerechtigkeit hingegen ist ausgeschlossen. Vielmehr entscheidet der Gesetzgeber prinzipiell allein darüber, welche Maßnahme die beste, angemessenste und zweckmäßigste Lösung ist. 996
992
Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 7. BGHZ 76, 55 ff. 994 BVerfGE 27, 111, 127 f.: „Das Bundesverfassungsgericht hat nicht nachzuprüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Das gesetzgeberische Ermessen findet seine Grenzen erst im Willkürverbot, und nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit ist vom Bundesverfassungsgericht nachzuprüfen.“ 995 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 28, 29. 996 BVerfGE 27, 111, 127 f.; 18, 315, 325. 993
Teil 3
Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen der Pressefusionskontrolle in der verfassungsrechtlichen Bewertung Aktueller Bezugspunkt des im zweiten Teil herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Rahmens der Pressefusionskontrolle ist die gegenwärtige gesetzliche Regelung des §§ 38 Abs. 3, 35 Abs. 2 Satz 2 GWB, die, wie nachfolgend skizziert 1, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist 2 (Erster Abschnitt). Der in Teil 2 erarbeitete verfassungsrechtliche Rahmen ist, wenngleich der aktuelle Reformprozess derzeit stockt, daneben freilich auch für künftige Reformvorhaben von Relevanz. Daher soll die im Zweiten Abschnitt dieses dritten Teils der Arbeit vorgenommene verfassungsrechtliche Bewertung der im Kontext der 7. GWBNovelle diskutierten Reformvorschläge 3 als Ausblick und Leitfaden für nachfolgende gesetzgeberische Aktivitäten verstanden werden.
1 Die im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung gebotenen Überprüfung der Vorschrift am Verbot des Einzelfallgesetzes, am Wesensgehaltsgebot und am Bestimmtheitsgebot bleiben bei der vorliegenden Prüfung unberücksichtigt. Nur dort, wo eine Verletzung möglich erscheint, wird auf sie eingegangen. 2 Dies haben sowohl der Kartellsenat des BGH, vgl. BGHZ 76, 55 ff.; als auch das BVerfG, vgl. BVerfG NJW 1986, S. 1743, bestätigt. Die Bearbeitung konzentriert sich auf die besondern für die Presse geltenden Vorschriften in § 35 Abs. 2 Satz 2 (Nichtanwendbarkeit der Anschlussklausel) und 38 Abs. 3 GWB (Presserechenklausel). Die mit Blick auf die allgemeine Zusammenschlusskontrolle in diesem Zusammenhang bedeutsamen Fragen werden angesprochen, soweit es angezeigt ist. 3 Die Modifikation der Pressefusionskontrolle war Gegenstand von zwei Regierungsentwürfen: Der erste Entwurf vom 26. 05. 2004, RegE BT Drucks 15/3640, war der weitergehende. Nach starker Kritik wurde ein Folgeentwurf vom 15. 02. 2005, RegE BT Drucks 15/5049, verfasst, der den ersten insoweit modifizierte, als die sog. „AltverlegerKlausel“ gestrichen wurde und der Schwerpunkt auf der Freistellung wirtschaftlicher Kooperationen lag. Der weiteren Bearbeitung wird der erste – weitergehende – Entwurf zugrunde liegen. Vgl. hierzu: Einleitung, Anlass.
338
Teil 3: Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen
1. Abschnitt
Verfassungsrechtliche Bewertung der geltenden Regelungen der Pressefusionskontrolle Die geltende Pressefusionskontrolle des GWB bezieht sich auf Fusionen und Kooperationen von Zeitungen in den Bereichen Anzeigen, Vertrieb und Druck, soweit sie zur Marktmacht führen. Sie ist mit Blick auf ihre publizistische Relevanz in erster Linie an Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen 4, welcher nicht nur als Eingriffsabwehrrecht (§ 2), sondern auch als Wurzel einer Pflicht zur Sicherung des Pressemarktes von verfassungsrechtlich zentraler Bedeutung ist (§ 1).
§ 1 Verfassungsrechtlich relevantes staatliches Unterlassen – Handlungspflicht zur Sicherung des Pressemarktes zum Zeitpunkt des Erlasses der Pressefusionskontrolle Da, wie beschrieben 5, vor Erlass der 3. GWB-Novelle die Fusionskontrolle des GWB aufgrund der hohen Aufgreifschwellen im Bereich der Presse weitgehend leer lief und eine zunehmende Konzentration im Bereich der deutschen Presse die Besorgnis politischer und gesellschaftlicher Gruppen erregte, wurde seinerzeit intensiv darüber diskutiert, ob und inwieweit der Gesetzgeber zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen verpflichtet sein könnte. Mit Blick sowohl auf die massiven Konzentrationsentwicklungen am Pressemarkt als auch die Tatsache, dass das seinerzeit geltende einfache Recht – zunächst mangels einer Fusionskontrolle überhaupt, später aufgrund hoher Aufgreifkriterien – der Exekutive ein schutzgewährendes Eingreifen nicht ermöglichte, musste nach hiesiger Auffassung damals von einer entsprechenden Pflicht ausgegangen werden. Vor dem Hintergrund der durchaus ernsthaften Gefährdungslage für die grundrechtlichen Schutzgüter Wettbewerb und Vielfalt zur damaligen Zeit ist es ausgehend von den soeben zur Schutzpflicht herausgearbeiteten Erkenntnissen auch dogmatisch korrekt, den anknüpfend an diese Situation erfolgten Erlass der Pressefusionskontrolle mit der 3. GWB-Novelle als Erfüllung einer Schutzpflicht zur Sicherung von Vielfalt und Wettbewerb – und der damit verbundenen Freiheiten der Rezipienten, der fusionsaversen Presseunternehmen bzw. Unternehmen vor- und nachgelagerter Märkte – zu werten.
4
BVerfGE NJW 1986, S. 1743. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 1 – Entwicklung der deutschen Zeitung in historischer Skizze bis zum Jahr 2001. 5
1. Abschn.: Verfassungsrechtliche Bewertung der geltenden Regelungen
339
§ 2 Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriffs zur Sicherung des Pressemarktes Die verfassungsrechtliche Relevanz einer auf der Grundlage einer Schutzpflicht erlassenen Maßnahme beschränkt sich, wie gesehen 6, nicht allein auf die Frage, ob eine Handlungspflicht zum Erlass der Vorschrift bestand. Da die Vorschriften der Pressefusionskontrolle dem externen Wachstum von Presseunternehmen Schranken setzen, ist sie nicht nur Erfüllung einer Schutzpflicht, sondern zugleich Eingriff in die Pressefreiheit und „Wirtschaftsfreiheit“ fusionswilliger Presseunternehmen. Die Presserechenklausel ist danach nur dann als verfassungskonform anzusehen, wenn sie im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG meinungsneutral und mit Blick auf das Eingriffsziel verhältnismäßig ist. Die „Pressefusionskontrolle“ in Gestalt der von der generellen Fusionskontrolle abweichenden Aufgreifkriterien gem. § 38 Abs. 3 GWB und § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB entspricht den Anforderungen an ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Ihre Regelungen richten sich nicht gegen oder für einen bestimmten Kommunikationsinhalt und enthalten keine Sonderkriterien für den spezifischen publizistischen Wettbewerb. Die Vorschriften orientieren sich also nicht an inhaltlichen Kriterien, sondern am indifferenten Maßstab des Umsatzes. Das System des externen Wettbewerbs wird demnach nicht aufgegeben, sondern noch strengeren Maßstäben unterworfen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung auch verfassungslegitime Ziele. Mit der Einführung der sogenannten Pressefusionskontrolle, d. h. der an die Marktstrukturen der Pressewirtschaft angepassten Zusammenschlusskontrolle, soll zum einen der funktionsfähige Wettbewerb als Grundlage einer durch den Markt geordneten Wirtschaft und den damit verbundenen individuellen Freiheiten erhalten werden. Neben diesen wirtschaftspolitischen stehen medienpolitische Erwägungen. Der Gesetzgeber beabsichtigt, durch die wettbewerbliche Kontrolle auch eine günstige Einwirkung auf die Vielfalt des Pressemarktes zu bewirken. 7 Während die publizistische Konkurrenz als ein „Lebenselement der Meinungsfreiheit“ 8 und ein verfassungslegitimer „Gemeinwohlvorteil“ 9 zu verstehen und folglich bereits als isoliertes gesetzgeberisches Ziel verfassungslegitim ist, ist auch die Kombination der Vielfaltssicherung mit wettbewerbli-
6 Teil 2, 2. Abschnitt, § 2 – Der verfassungsrechtliche Handlungsrahmen bei der Umsetzung einer Schutzpflicht zur Sicherung des Pressemarktes. 7 BGHZ 76, 55, 64f. 8 BVerfGE 7, 198, 208. 9 Monopolkommission, Zusammenschlussvorhaben der Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG mit der Berliner Verlag GmbH & Co. KG –, Ergänzendes Sondergutachten der Monopolkommission gem. § 42 IV 2 GWB – Nr. 38 vom 1. 9. 2003, (2003), Rn. 41 ff.
340
Teil 3: Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen
chen Strategien 10 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn abgesehen davon, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn der Gesetzgeber mit einer Maßnahme mehrere Ziele verfolgt, existiert schließlich auch keine wettbewerbsrechtliche Grundregel, die besagt, dass wirtschaftlicher Wettbewerb nur aus einem Selbstzweck heraus zu schützen ist. Hingegen ist es vielmehr üblich, dass mit dem Wettbewerb – bzw. durch das Wettbewerbsrecht – auch weiterreichende Ziele verfolgt werden, z. B. die Schaffung von Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Wohlstand oder aber auch von Pluralität. Soweit die entsprechenden wettbewerblichen Instrumente nur auf den wirtschaftlichen Wettbewerb Bezug nehmen und keine publizistischen Sonderkriterien einführen, ist die vom Gesetzgeber verfolgte Intention nicht zu beanstanden. Überdies muss die Pressefusionskontrolle zur Erreichung dieser Ziele sowohl geeignet und erforderlich als auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Das gesetzgeberische Mittel ist dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der angestrebte Zweck gefördert wird. 11 Die Erforderlichkeit des Mittels wiederum ist gegeben, wenn der Gesetzgeber kein anderes gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können. Bei der vorliegend gebotenen Beurteilung einer wirtschaftslenkenden Maßnahme ist insbesondere zu beachten, dass die Gestaltung der Wirtschaftsordnung wesentliche Aufgabe des unterverfassungsrechtlichen Gesetzgebers ist. Ihm steht die Freiheit der Wahl des gesetzlichen Ordnungsmittels zu, wozu ihm ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist. 12 Der Gesetzgeber ist demnach zunächst allein dazu berufen, über das wirtschaftspolitische Erfordernis kraft eigener Entwicklungsprognose zu befinden und darüber zu entscheiden, welche Maßnahme die beste, angemessenste und zweckmäßigste ist. 13 Eine Überprüfung der Gesetzgebung auf volkswirtschaftliche Modellrichtigkeit- oder Gerechtigkeit erfolgt nicht. Da überdies keine lineare Beziehung zwischen ökonomischer Struktur und publizistischem Ergebnis existiert bzw. eine solche nicht bekannt ist 14, liegt mithin auch die Entscheidung der Frage, ob eine Regelung zulasten oder zugunsten fusionswilliger oder fusionsaverser Unternehmen vorzunehmen ist und ob spezielle bzw. welche Umsätze für die Fusionskontrolle von Presseunternehmen anzusetzen sind, im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. 10 Also die Einwirkung auf die sog. „content driven“ publizistischen Systeme durch die Strukturierung von sog. „money driven“ Strategien, Kleinsteuber, Hans J. / Thomaß, Barbara, Medienkonzerne, Medienökonomie und Konzentrationskontrolle, in: Altmeppen, Klaus Dieter / Karmasin, Matthias, (Hrsg.), Medien und Ökonomie, Band 2: Problemfelder der Medienökonomie (2004), S. 143. 11 BVerfGE 19, 330, 337; 25, 1, 17 f. 12 BVerfGE 37, 1, 21. 13 BVerfGE 18, 315, 325. 14 Kiefer, Marie-Louise, Konzentrationskontrolle -Bemessungskriterien auf dem Prüfstand, Media Perspektiven (1995), S. 58.
1. Abschn.: Verfassungsrechtliche Bewertung der geltenden Regelungen
341
Folglich ist auch der gesetzgeberische Ansatz der Pressefusionskontrolle, durch die Absenkung der Aufgreifschwellen und die Suspendierung für die Bagatellklausel im von niedrigen Umsätzen geprägten Pressemarkt der Fusionskontrolle intensivere Wirkung zu verleihen und auf die Weise Vielfalt und Wettbewerb im Pressemarkt zu sichern, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Gesetzgeber mit der Konzentrationskontrolle eine von vornherein als fehlerhaft zu erkennende Prognose verfolgte oder ein unbegründeter Systembruch vorläge. Beides ist jedoch nicht gegeben. Vielmehr kann die Pressekonzentrationskontrolle zur Pluralisierung des Wettbewerbs beitragen und ist damit zumindest geeignet, einen funktionsfähigen Wettbewerb und ein vielfältiges Pressewesen zu sichern. Da sich der Gesetzgeber überdies auch nicht darauf zu verlassen braucht, dass die Pressewirtschaft aus eigener Kraft entsprechende Wirkungen herbeiführt, und zudem nicht eindeutig feststeht, dass dem Gesetzgeber ein gleich wirksames, aber den Freiheitsspielraum des wirtschaftlich Tätigen weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht 15, kann dem Gesetzgeber auch keine fehlerhafte Prognose angelastet werden. Die Entscheidung des einfachen Gesetzgebers bei Erlass der Pressefusionskontrolle stellt sich als sachliche und vernünftige Erwägung dar, die den (eingeschränkten) verfassungsrechtlichen Vorgaben der Verhältnismäßigkeit entspricht. Vom heutigen Standpunkt kann sogar festgehalten werden, dass sich die Pressefusionskontrolle mit Blick auf die Ziele der Sicherung von Pluralität und Wettbewerb tatsächlich bewährt hat. Denn mit der Einführung der Presseklauseln war es, wie im ersten Teil der Arbeit beschrieben, größeren Verlagen nicht mehr möglich, mit gezielten Mitteln kleinere Konkurrenten aufzukaufen, diese in die AnzeigenAuflagen-Spirale zu zwingen und schließlich den Markt zu übernehmen. Wenngleich Konzentration und eine sinkende Zahl von Verlagen als Herausgeber und publizistischen Einheiten nicht vollständig gestoppt wurden, konnte der in den 1970er-Jahren festzustellende Verdrängungswettbewerb abgefedert werden. Auch ein verfassungswidriger Systembruch ist bezüglich der Einführung der Pressefusionskontrolle nicht gegeben. 16 Nachdem das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen bereits vor der Einführung der Fusionskontrolle auf die Verwirklichung der „sozialen Marktwirtschaft“ gerichtet war, ohne freilich als solches von der Verfassung vorgegeben zu sein, fügt sich die Erweiterung der Erfassungsschwelle für genehmigungspflichtige Zusammenschlüsse in die Fusionskontrollsystematik vollständig ein. Da überdies die für die Branche der Presse gegenüber anderen Branchen abweichenden Aufgreifschwellen durch strukturelle Unterschiede zwischen Pressemärkten und allgemeinen Märkten begründet werden können, mithin ein sachlicher Grund gegeben ist, muss sich der Gesetzgeber auch insoweit keine Willkür vorwerfen lassen. 15 16
BVerfGE 25, 1, 19 f; 30, 292, 319. BVerfGE 26, 1, 10; 27, 111, 127.
342
Teil 3: Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen
Schließlich steht die Grundrechtsbeschränkung in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel und ist damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Da die Pressefusionskontrolle neben der Grundrechtsbeschränkung auch eine Grundrechtsverstärkung der Wettbewerbs- und Pressefreiheit bezweckt, bedarf es insoweit nach dem grundgesetzlichen Ordnungsprinzip eines Ausgleichs der mit der Pressefusionskontrolle einhergehenden Sicherung und Intervention, wobei es dem Gesetzgeber obliegt, einen nach beiden Seiten hin schonenden Ausgleich herzustellen 17, und ihm insoweit ein weiter Ermessenspielraum zusteht. Die Verhältnismäßigkeit ist danach solange noch gewahrt, wie durch den Erlass einer Vorschrift der Schutz verfassungsrechtlicher Güter einer der Parteien nicht unter das Maß des gebotenen Schutzes sinkt, d. h., die Wettbewerbsfähigkeit und Vielfalt einer Branche nicht existenziell und branchentypisch bedroht sind. Zugleich muss der Gesetzgeber mit Blick auf die Komplexität der Konzentrationswirkungen für den Fall entsprechend übermäßiger Wirkungen der Fusionskontrolle Ausnahmen vom Konzentrationsverbot anerkennen. Da es das Ziel der Pressefusionskontrolle ist, die Verschlechterung des Wettbewerbs und der Vielfalt und nicht Zusammenschlüsse an sich zu verhindern, bedarf es entsprechend „elastischer“ Regelungen. Diesem Bedürfnis entsprechen im geltenden Recht die Abwägungs- und die Ministerklausel. 18 Derartige Ausnahmeklausen erlauben, soweit sie nicht so allgemein gefasst sind, dass sie das gesellschaftspolitische Grundziel der Konzentrationskontrolle vereiteln 19, die Wettbewerbfähigkeit der „auf Konzentration angewiesenen Unternehmen“ zu sichern und zugleich die negativen Wirkungen von Konzentration gering zu halten. Damit bleiben – im Idealfall – die Leistungsvorteile der Konzentration dort erhalten, wo sie dem Gesetzgeber als geboten erscheinen. Gleiches gilt übrigens auch für § 1 GWB als im Vergleich zur Fusionsuntersagung weniger intensiv eingreifendes Mittel. Darauf sei bereits an dieser Stelle mit Blick auf die in der 7. GWB-Novelle geplante Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten von Presseunternehmen hingewiesen. Auch § 1 GWB erlaubt in verhältnismäßiger Weise die Verwirklichung eines fairen wirtschaftli17
BVerfGE 30, 292, 316. Auch ein Fehlen wäre vorstellbar, es bedarf jedoch Vorschriften, die verhindern, dass ein sinnvolles und effektives Wirtschaften ohne Zusammenschluss ausgeschlossen ware, vgl. Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 81. 19 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 79; Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 5. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass nur eng umgrenzte Belange Berücksichtigung finden können, z. B. im Rahmen der Ministerklausel Gemeinwohlbelange, die langfristiger Art sind und folglich den Zusammenschluss nicht als Hilfsmittel der Konjunktursteuerung versuchen zu rechtfertigen. Entsprechend ist das Ordnungsziel der Abwägungsklausel auf die Fälle zu reduzieren, in denen der Zusammenschluss unter vielfalts- oder wettbewerbswirtschaftlichen Gesichtspunkten ohnehin bedeutungslos ist. 18
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Bewertung der Modifikationsvorschläge
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chen Wettbewerbs, und zwar ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Presseprodukt, sodass § 1 GWB auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden ist. Da das geltende Recht überdies z. B. mit § 3 GWB (Mittelstandskartelle) Ausnahmeregelungen vom Kooperationsverbot kennt, kann insoweit auch Fällen, in denen ein wettbewerbliches Bedürfnis für eine Kooperation besteht, Rechnung getragen und der Ausgleich zwischen ökonomischem Nutzen des freiheitlichen Wettbewerbs und – mit Blick auf das Gemeinwohl – dem staatlichen Interesse an einer Kontrolle von Kooperationen geschaffen werden. Weil schließlich die Sachvoraussetzungen sämtlicher pressebezogenen Regelungen des GWB – die Erhöhung der Aufgreifschwellen und die Anschlussklausel – von den Beiträgen der betroffenen Verlage zur Meinungsbildung unabhängig sind, kann sich der Gesetzgeber, wie an anderer Stelle ausgeführt 20, bei Erlass der entsprechenden Regelungen auch auf die Kompetenznorm des Art. 74 Nr. 16 GG, der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht, stützen. 21
2. Abschnitt
Verfassungsrechtliche Bewertung der im Kontext der 7. GWB-Novelle diskutierten Modifikationsvorschläge Nach einer Skizze der im Zusammenhang mit der 7. GWB-Novelle diskutierten Modifikationen der Pressefusionskontrolle (§ 1) wird anhand des in dieser Arbeit entwickelten Konzepts geprüft, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der 7. GWB-Novelle, wie z.T. vorgetragen 22, eine staatliche Pflicht bestanden hätte, den aktuellen Entwicklungen im Pressemarkt entgegenzuwirken (§ 2). Daran anschließend werden die Modifikationsvorschläge der Regierung 23, die im Rahmen der Diskussion um die Änderung des geltenden Rechts vorgelegt wurden, anhand des aufgezeigten verfassungsrechtlichen Rahmens bewertet (§ 3).
20 Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II., 2, b – Exkurs: Staatliche Kompetenz zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes. 21 BGHZ 76, 55, 64 ff. 22 Vgl. Einleitung. 23 Es wird auf den ersten Entwurf vom 26. 05. 2004, RegE BT Drucks 15/3640 eingegangen: Vgl. hierzu auch: Einleitung, Anlass.
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Teil 3: Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen
§ 1 Skizze der Modifikationsvorschläge für Zusammenschlüsse und Kooperationen von Presseunternehmen in der 7. GWB-Novelle Der Regierungsentwurf 24 zur 7. GWB-Novelle sah für die geltende Pressefusionskontrolle im Kern vier Änderungen vor, die in der Gesamtschau zu einer deutlichen Lockerung der Fusionskontrolle führen sollten. So war insbesondere mit Blick auf mittelgroße Verlage mit Expansionsbestrebungen beabsichtigt, durch Herabsetzung des in § 38 Abs. 3 GWB geltenden Multiplikators von zwanzig auf zehn, § 38 Abs. 3 GWB RegEntwurf 25, die Erfassungsschwelle für die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes bei Fusionen von derzeit 25 Mio. Euro auf 50 Mio. Euro und die Bagatellmarktschwelle in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB von 750.000 Euro auf 1,5 Mio. Euro zu erhöhen. Außerdem wurde in Erwägung gezogen, mit § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB-RegEntwurf 26 die Anschlussklausel auch für Presseunternehmen für anwendbar zu erklären, sodass eine Fusion dann, wenn einer der an der Fusion beteiligten Verlage einen Jahresumsatz von 2 Mio. Euro unterschreitet, der Kartellamtskontrolle entzog wäre. Ferner war geplant, abweichend vom Grundsatz des § 1 GWB Kooperationen im Anzeigenbereich 27 für Unternehmen, die Zeitungen oder deren Bestandteile verlegen, herstellen und vertreiben, zuzulassen, vgl. § 31 GWB-RegEntwurf. 28 24 Die Pressefusionskontrolle betreffend sind zwei Regierungsentwürfe von Relevanz, den ersten Entwurf vom 26. 05. 2004, RegE BT Drucks 15/3640 und den nach starker Kritik verfassten Folgeentwurf vom 15. 02. 2005, RegE BT Drucks 15/5049. Letzterer modifizierte den ersten insoweit als die sog. „Altverleger-Klausel“ nicht mehr enthalten war, die Möglichkeit der Freistellung wirtschaftlicher Kooperationen hingegen vom Anzeigenbereich auf die Bereiche Abonnementvertrieb und Druck erweitert wurde (§31 GWBReg-Entwurf). 25 BT-Drucks 15/3640, S. 12, 58. 26 BT-Drucks 15/3640, S. 12, 56. 27 BT-Drucks 15/3640, S 10, 50 f. 28 Auf dieser Klausel bzw. § 31 Reg-Entwurf lag im zweiten Referentenwurf, BTDrucks. 15/5049, in dem die sog. Altverlegerklausel gestrichen wurde, der Schwerpunkt. Die im ersten Entwurf nur für Anzeigenkooperationen vorgesehene Ausnahme vom allgemeinen Kartellverbot sollte darin auf die Bereiche Druck und Abnonnementvertrieb erweitert werden. Die Zulässigkeit entsprechender Kooperationen war dabei an tatbestandliche Voraussetzungen gebunden: Eine Ausnahme von § 1 GWB war vorgesehen für Vereinbarungen von Zeitungsunternehmen in o. g. Bereichen, wenn die Vereinbarung dazu diente, die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen zu verbessern, wenn die Zusammenarbeit für die langfristige Sicherung erforderlich ist und wenn sich an der Zusammenarbeit nicht mehr als fünf Zeitungen beteiligten. Die Regelung sollte auf fünf Jahre befristet gelten. Die auf der Grundlage geschlossenen Kooperationen hätten ohne zeitliche Beschränkung Wirksamkeit gehabt. Vgl. BT-Drucks 15/5049, S. 14.
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Bewertung der Modifikationsvorschläge
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Kernstück des Entwurfs war mit § 36 Abs. 1 a) und b) GWB-RegEntwurf schließlich das sogenannte Redaktionsmodell, nach welchem in Fällen, in denen der Fortbestand der erworbenen Zeitung aufgrund anhaltender Probleme der betroffenen Zeitung mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne einen Zusammenschluss ernsthaft gefährdet wäre, auch ein nach § 36 Abs. 1 GWB grundsätzlich zu untersagender Zusammenschluss zugelassen werden sollte, wenn die beteiligten Zeitungen langfristig als eigenständige redaktionelle Einheiten erhalten blieben. 29 Von einer ernsthaften Gefährdung war nach dem Entwurf dann auszugehen, wenn in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren vor Anmeldung des Zusammenschlusses die Anzeigen- und Beilagenerlöse der erworbenen oder erwerbenden Zeitung rückläufig waren oder erheblich unter dem Durchschnitt anderer Zeitungen lagen. 30 Vom langfristigen Erhalt redaktioneller Einheiten wiederum war nach einer Vermutungsregelung auszugehen, wenn der veräußernde Verleger oder ein beliebiger Dritter mehr als 25 % des Kapitals behält oder übernimmt. Hintergrund dieser Reformbestrebungen war es, den wirtschaftlichen Wettbewerb vermittels einer Erweiterung der Fusionsmöglichkeiten zu stärken, also Verlage durch vermehrte Fusionen bzw. Konzentration wirtschaftlich abzusichern und durch eine – daran ggf. anknüpfende – Verbreiterung der finanziellen Basis Wettbewerb und Vielfalt zu sichern. Inwieweit die beabsichtigten Modifikationen mit der verfassungsrechtlichen Vorgabe der Sicherung von Wettbewerb und Vielfalt in Einklang stehen und eine verfassungskonforme Fortentwicklung des geltenden Wettbewerbsrechts darstellen, soll nachfolgend untersucht werden.
§ 2 Verfassungsrechtlich relevantes staatliches Unterlassen – Handlungspflicht zur Modifikation des geltenden Rechts? Losgelöst von den einzelnen Reformkonzepten stellt sich auch hier die Frage, ob sich zum Zeitpunkt des Erlasses der 7. GWB-Novelle, d. h. im Jahr 2005, aus Art. 5 Abs. 1 GG die staatliche Pflicht ergeben hat, den aktuellen Entwicklungen im Pressemarkt entgegenzuwirken und eine Änderung der geltenden Pressefusionskontrolle, wie häufig vorgebracht 31, geboten war. Da die staatliche Verantwortung für Funktion und Bestand der Presse die Verpflichtung umfasst, adäquate normative Rahmenbedingungen für ihre Funktionsfähigkeit bereitzustellen, kann eine Handlungspflicht, wie gesehen, nur dann 29 30 31
BT-Drucks 15/3640, S. 12, 56 f. § 36 Abs. 1b Ziff. 1 GWB-RegEntwurf, BT-Drucks 15/3640, S. 12. Vgl. Einleitung.
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bestehen, wenn ohne eine Modifikation der Pressefusionskontrolle die Existenz einer wirtschaftlich überlebensfähigen Presse infrage gestellt wäre. Neben dem vorhandenen Gesetzesmaterial ist insoweit auch die Möglichkeit legitimer und zumutbarer Abhilfe durch den Grundrechtsträger selbst in die Prüfung des Bestehens einer Unterschreitung objektiver Vorgaben einzubeziehen. 32 Im Rahmen der empirischen Untersuchung der Entwicklung des Pressemarktes im ersten Teil dieser Untersuchung 33 wurde herausgearbeitet, dass sich trotz der wirtschaftlich schwierigen Phase, in der sich die Presse seit dem Jahr 2000 befand, die geltende gesetzliche Regelung jedenfalls insoweit bewährt hat, als eine existenzielle Bedrohung insbesondere mit Blick auf die geltende Kooperationspraxis und sonstige Abhilfemöglichkeiten (z. B. die Sanierungsfusion) der Presseverlage zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht gegeben war. Auch mit Blick auf die nahe Zukunft kann, selbst im Falle des Ausbleibens gesetzlicher Modifikationen, weder von einer existenziellen Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit fusionswilliger Unternehmen noch der publizistischen Vielfalt im Pressemarkt ausgegangen werden. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn die Unternehmen von Modifikationen des geltenden Rechts in der Weise abhängig wären, dass ohne die Erlaubnis ein sinnvolles effektives, d. h. wettbewerbsfähiges Wirtschaften nicht möglich wäre. Da, wie erwähnt, die Entwicklung seit dem Jahr 2000 jedoch weder mit Blick auf den Wettbewerb noch mit Blick auf die Vielfalt branchenvernichtende Ausmaße angenommen hat und auch das zur Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium 34 nicht ungeeignet scheint, um schutzgewährende Eingriffe im konkreten Einzelfall zu ermöglichen 35 kann von einer entsprechenden Gefährdungslage nicht ausgegangen werden. Mangels Unterschreitung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Minimumschutzes bestand seinerzeit folglich keine Handlungspflicht des Gesetzebers zur Änderung der geltenden Vorschriften. Der Gesetzgeber war und ist frei, Modifikationen vorzunehmen. Ein verfassungswidriges Unterlassen kann ihm diesbezüglich nicht vorgeworfen werden. 32 Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 113. 33 Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2 – Die sog. „Pressekrise“ zwischen den Jahren 2001 und 2005. 34 Hier ist nicht nur auf die Möglichkeiten der Sanierungsfusion (Abwägungsklausel), der Ministererlaubnis und der Mittelstandskartelle hinzuweisen, sondern auch auf die Möglichkeit des Kartellamts, der Konkurrenz anderer Medien sowohl im Rahmen der Marktabgrenzung als auch bei der Berücksichtigung von Substitutionswettbewerb Rechnung zu tragen. 35 Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 229; Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1062; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Stellungnahme vom 24. 04. 2004, Keine Aufweichung der Pressefusionskontrolle, (2005), Rn. 15 ff.
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§ 3 Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriff I. Die Lockerung der Fusionskontrolle als grundrechtsrelevante Maßnahme Die geltende gesetzliche Regelungen der Pressefusionskontrolle (sowie § 1 GWB) beschränkt, wie gesehen, den Freiheitsbereich der Pressefreiheit der fusionswilligen (und kooperationswilligen) Unternehmen in verfassungsmäßiger Weise. 36 Vorliegend stellt sich die Frage, ob auch die geplante erweiterte Zulassung kontrollfreier Zusammenschlüsse ebenso wie eine Kooperationserlaubnis den Vorgaben der Verfassung entsprechen. Die in der 7. GWB-Novelle geplanten pressespezifischen Regelungen zielten schließlich darauf ab, die verfassungsgemäße Beschränkung des § 36 GWB zum Teil außer Kraft zu setzen und abweichend von der geltenden Rechtslage der Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen des Pressewesens gegenüber dem Schutz des funktionierenden Wettbewerbs und der Vielfalt (mit Blick auf den Zustand von der 3. GWB-Novelle wieder) den Vorrang einzuräumen. Dies stellt eine Minderung des bestehenden Schutzniveaus für verschiedene Grundrechtsträger und zugleich einen Eingriff in deren Grundrechte dar. Durch eine erweiterte Erlaubnis von marktbeherrschenden Kooperationen und Fusionen wären zuvorderst die Grundrechte der Presse- und der Wettbewerbsfreiheit der Gruppe der „kooperations- und fusionsaverser“ Unternehmen betroffen. 37 Presseunternehmen, die nicht an Kooperationen oder Fusionen teilnehmen, und die Marktgegenseite (z. B. Anzeigenkunden) könnten sich nämlich aufgrund derartiger Regelungen der Gefahr von Preiskartellen und Marktzugangsbehinderungen für Neugründungen ausgesetzt sehen. 38 Darüber hinaus könnte die Erweiterung der kontrollfreien Zusammenschlüsse und aufgrund der Anzeigen-Auflagen-Spirale auch die Erlaubnis von Anzeigenkooperationen auf den redaktionellen Teil einer Zeitung bzw. den Lesermarkt einwirken. 39 Zumindest wäre es nicht auszuschließen, dass durch eine vergemeinschaftete wirtschaftliche Grundlage (durch Kooperationen oder Fusionen) der Anreiz der Zeitungsverlage sinkt, sich gegenseitig Leser abzuwerben und auch dadurch für Werbekunden attraktiver 36
BVerfG NJW 1986, S. 1743. Fuchs, Andreas, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1354 (2004), S. 53. 38 Schulz, Wolfgang – Hans-Bredow-Institut, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks. 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1353, (2004), S. 173. 39 Böge, Ulf, „Kooperation ist nur ein schönerer Name für Kartell“, F.A.Z. (06. 05. 2004). 37
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zu sein. 40 Ferner könnten kleinere und mittlere Verlage aufgrund der Änderung der Aufgreifschwellen und die Anwendbarkeit der Bagatellklausel zu Übernahmeobjekten werden, mit der weiteren Konsequenz, dass der Wettbewerbsdruck für andere kleinere Verlage durch die insoweit entstehende Marktstärke erhöht wird. Die Verringerung der Wettbewerbsintensität könnte überdies dazu führen, dass auch die Leser höhere Preise für geringere Qualität zu zahlen haben. 41 Soweit diese Wirkungen eintreten, kann neben der Pressefreiheit fusionsaverser Unternehmen auch das Grundrecht der Informationsfreiheit der Rezipienten betroffen sein. Aufgrund einer vermehrten Konzentration könnten ferner Journalisten z. B. durch arbeitsmarkttechnische Auswirkungen 42 in ihrer grundrechtlichen Freiheit beschränkt sein. Schließlich ist es möglich, dass eine breite Zulassung von Kooperationen und Fusionen die Marktmacht auf den Anzeigen- und Werbemärkten auf einige wenige Verlagsgruppen und Kooperationsunternehmen mit entsprechender Marktmacht konzentrieren, was wiederum auch wettbewerbsfreiheitsbeschränkende Folgen für Werbeunternehmen und andere Unternehmen vorund nachgelagerter Märkte haben könnte. Aufgrund der steigenden Marktmacht der Verlage bestünde z. B. ein Risiko höherer Anzeigenpreise. Die Möglichkeit dieser Auswirkungen präjudiziert freilich noch nicht den verfassungsrechtlichen Befund. Dieser bedarf vielmehr einer näheren Analyse. II. Verfassungsrechtliche Bewertung ausgewählter Maßnahmen 1. Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten im Anzeigenbereich 43 § 1 GWB verbietet Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs zum Ziel haben bzw. bewirken. Nach § 31 GWB-RegEntwurf sollten abweichend vom Grundsatz des § 1 GWB für Unternehmen, die Zeitungen oder deren Bestandteile verlegen, herstellen und vertreiben, Kooperationen im Anzeigenbereich zugelassen werden. Eine explizite Einschränkung auf Kooperationen bestimmter Verlagsgrößen fand sich im Entwurf nicht. Vorgegebenes 40
Böge, Ulf, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/ 1338 (2004), S. 64. 41 Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 39. 42 Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 230. 43 Wenngleich diese Modifikation nicht die Fusionskontrolle als solche betrifft, stellt sie einen der drei Eckpunkte der pressespezifischen Modifikationen des Regierungsentwurfs dar und soll daher der Vollständigkeit halber behandelt werden.
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Ziel dieser erweiterten Kooperationsmöglichkeit war es, Synergiepotenziale in wirtschaftlich relevanten Bereichen freizusetzen. Dies wiederum sollte Unternehmensveräußerungen verhindern 44, Verlagen wirtschaftliche Einsparungen ermöglichen und durch Rationalisierungsvorteile unter gleichzeitiger Beibehaltung der Titel den Wettbewerb sichern und wirtschaftliche Stabilität für den noch eigenständigen Verlag fördern. Beabsichtigt war überdies, Rechtssicherheit für schon heute praktizierte Formen der Zusammenarbeit zu schaffen. 45 Die entsprechende Maßnahme war dabei insbesondere auf mittlere und kleine Verlage gerichtet 46, welche auf diese Weise von Skaleneffekten (economies of scale) und Größenvorteilen (economies of scope) 47 in ähnlichem Maße wie Großverlage profitieren und so in die Lage versetzt werden sollten, mit größeren Unternehmen konkurrieren zu können. 48 Ein entsprechendes Vorgehen, das auf das rein wirtschaftlich arbeitende Segment der Presse abzielt und damit zwar den wirtschaftlichen Randbereich des Schutzbereichs der Pressefreiheit (Anzeigen) berührt, jedoch nicht zuletzt mit Blick auf die Wirkung der Anzeigen-Auflagen-Spirale publizistische Relevanz besitzt und daher umfassend am Vorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen ist 49, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, ist jedoch im Ergebnis noch als vom Gesetzgebungsermessen des Wirtschaftsgesetzgebers gedeckt anzusehen. Die Ausnahmereglung des § 31 GWB-Reg-Entwurf ist zum einen als meinungsneutrales allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG anzusehen. So richtet sich die Kooperationserlaubnis im Sinne des § 31 Reg-Entwurf nicht gegen die Presse bzw. einen besonderen Kommunikationsinhalt als solchen 50 und führt auch keine Sonderkriterien spezifischen publizistischen Wettbewerbs ein. 51 Die Regelung spricht, ohne inhaltliche Kriterien zu normieren, alle Presseunternehmen an und orientiert sich insoweit am Anzeigenmarkt. Da es dem Gesetzgeber, so wie er in seiner allgemeinen wirtschaftlichen Ordnungsentscheidung frei ist, auch überlassen ist, eine Regelung zulasten oder zugunsten kooperationswilliger Unternehmen vorzunehmen, stellt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht primär die Frage, ob die Maßnahme in ihrer Entwicklungs44
Vgl. BTDrucks. 15/3640, S. 38. Vgl. BTDrucks. 15/3640, S. 38. 46 Vgl. BTDrucks. 15/3640, S. 38. 47 Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I., 1, c – Hohe Marktzutrittsbarrieren mit konzentrationsfördernder Wirkung. 48 Fuchs, Andreas, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1354 (2004), S. 53. 49 BVerfGE 50, 234, 240. 50 BVerfG NJW 1986, S. 1743. 51 BVerfG NJW 1986, S. 1743. 45
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prognose bereits im Ansatz verfehlt ist, d. h., die „Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können“ 52, oder das Mittel hinsichtlich seiner Eignung in der gegebenen Situation objektiv untauglich zur Erreichung des gesetzten Ziels war. 53 Diesbezüglich geht jedenfalls der Einwand, dass die vorliegende Vorschrift zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Presseunternehmen gegenüber den elektronischen Medien nicht geeignet sei, als wettbewerbspolitische Frage im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung fehl. Die Frage, ob eine Maßnahme die Wettbewerbsfähigkeit von Presseunternehmen befördert oder nicht, liegt grundsätzlich im Rahmen des Ermessens- bzw. Prognosespielraums des Gesetzgebers. Abgesehen davon existieren praktizierte Beispiele solcher Fusionen, die zumindest im Hinblick auf die wirtschaftliche Stabilität der kooperierenden Unternehmen eine durchaus positive Entwicklung beförderten. 54 Auch ist es wirtschaftstheoretisch jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Kooperationen Skaleneffekte und Größenvorteile der kooperierenden Unternehmen bewirken, die wiederum eine erhöhte wirtschaftliche Unabhängigkeit zur Folge haben können. Des Weiteren ist nicht belegt, dass dem Gesetzgeber ein gleich wirksames, aber den Freiheitsspielraum des wirtschaftlich Tätigen weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Zwar wird mit Blick auf die Erforderlichkeit einer Erweiterung von Kooperationsmöglichkeiten eingewandt, dass eine vergleichbare Regelung im geltenden Kartellrecht den Gesichtspunkt der Synergieeffekte bereits berücksichtigt 55 – was auch insoweit richtig ist, als bereits die Ausgleichsmöglichkeit für strukturelle Nachteile kleinerer Verlage durch Kooperationen möglich ist und auch Anzeigenkooperationen freistellungsfähig sind. 56 Im geltenden Recht 57 gilt jedoch andererseits die Einschränkung, dass 52
BVerfGE 30, 292, 317. Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 91. 54 BGHZ 151, 260 – Stellenmarkt für Deutschland, wonach die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“ gemeinsam Anzeigen für den nationalen Stellenmarkt verbreiten dürfen. 55 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Stellungnahme vom 24. 04. 2004, Keine Aufweichung der Pressefusionskontrolle, (2005), Rn. 5, 30; Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 330. 56 Gem. § 2, 3 GWB nach der 7. GWB-Novelle (§ 4 GWB a. F.). Dem entspricht eine ausgedehnte Praxis: Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young auf der Basis von Interviews mit Mitgliedern der Geschäftsführung in 100 deutschen Zeitungsverlagen hat ergeben, dass Verlage auch bereits in einem großen Ausmaß diese Gelegenheit nutzen: 79 % gaben an bei der Anzeigenakquisition zu kooperieren, 67% arbeiten im Internet und 53 % bei Zeitungsdruck zusammen. Vgl. Frey, Lutz G. / Klein, Herbert / Koch, Alexander (Ernst & Young), Zeitungsverlage im Umbruch, (2003), S. 28. 57 Gem. § 3 GWB nach der 7. GWB-Novelle (§ 4 a. F GWB). 53
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durch die zugelassene zwischenbetriebliche Zusammenarbeit der Wettbewerb nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf, und überdies – durch die Anknüpfung an „kleine und mittlere Unternehmen“ – große Verlage von vergleichbaren Privilegien ausgeschlossen sind. 58 Die Novelle geht damit über das geltende Recht hinaus 59 und stellt folglich keine mit der geltenden Kooperationsregelung vergleichbare Vorschrift und damit auch kein gleich effektives bzw. milderes Mittel dar. Die Frage der Notwendigkeit einer derartigen Regelung ist wiederum wettbewerbspolitischer Art und kann hier jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen werden. Im Vergleich zu einer – wie mit der Altverlegerklausel geplanten – weitergehenden Zulassung von Fusionen wäre die Kooperationserlaubnis jedenfalls eine (zunächst) geringere Belastung des Wettbewerbs bzw. auch der schwächere Grundrechtseingriff für fusionsaverse Unternehmen, der zumindest auch wirtschaftliche Freiräume schafft, vermittels derer Zeitungsverlage ihre wirtschaftliche Basis stärken können. 60 Die Vorschrift ist auch mit Blick auf die Abwägung kollidierender Interessen nicht zu beanstanden. Zwar wird insoweit eingewandt, dass die Regelung wegen der Zulassung auch marktbeherrschender Kooperationen problematisch sei. So bestünde die Gefahr einer Abwälzung wirtschaftlicher Risiken auf die Marktgegenseite und einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten von nachrangigen Konkurrenten. Daher wurde gefordert, den Mittelstandskartellen entsprechend, eine Beschränkung der Zulassung marktbeherrschender Kooperationen vermittels einer Klausel, die das Maß der Wettbewerbbeeinträchtigung berücksichtigt oder eine Beschränkung auf die Größe der Unternehmen vorsieht, einzuführen. 61 Dies wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus zulässig, aber nicht geboten. Denn der Gesetzgeber bringt die mit der Lockerung von Kooperationen einhergehende Intervention und Sicherung durch die Regelung in einen angemessenen, nach beiden Seiten hin schonenden Ausgleich. 58 Immenga, Ulrich, Pressemärkte in der Wettbewerbs- und Medienpolitik, ZWeR (2004), S. 350. 59 Pöppelmann, Benno – Deutscher Journalistenverband, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/ 3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1337, (2004), S. 166. 60 Immenga, Ulrich, Pressemärkte in der Wettbewerbs- und Medienpolitik, ZWeR (2004), S. 352; Verband Deutscher Lokalzeitungen, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1342, (2004), S. 131, der Anzeigenkooperationen für den „Königsweg“ hält, verlangt jedoch diese bei benachbarten Verlagen nur regional beschränkt zuzulassen. Erweiterung von Kooperationen (und Fusionen) befürwortend: Bundesverband deutscher Zeitungsverleger; Rheinische Post, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/ 3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358, (2004), S. 88. 61 Vgl. dazu: Böge, Ulf, „Kooperation ist nur ein schönerer Name für Kartell“, F.A.Z. (06. 05. 2004).
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Insbesondere verliert er die Erhaltung der bisher noch bestehenden Meinungsvielfalt auf Pressemärkten bei der gesetzgeberischen Intention der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Presseunternehmen nicht außer Acht. Freilich ist die Regelung als sehr weitgehend und unter Umständen auch wettbewerbsbeschränkend einzustufen, und sicherlich kann eine Eingrenzung der Vorschriften auf Kooperationen, welche die Grenze der Marktbeherrschung nicht überschreiten, z. B. durch die Ausnahme von Großverlagen oder marktbeherrschenden Kooperationen wettbewerbspolitisch sinnvoll sein. Dies wäre gleichwohl nur dann auch verfassungsrechtlich zwingend, wenn es aufgrund der Zulassung von marktbeherrschenden Kooperationen bzw. Kooperationen von Unternehmen jeglicher Größe 62 zu einer unbegrenzten gesellschaftlichen Verflechtung von Presseverlagen auf Anzeigenmärkte käme, was insbesondere für kleinere und mittlere Verlage aufgrund der Anzeigen-Auflagen-Spirale, die gerade kleineren Presseunternehmen den Wettbewerb mit den großen erschwert, höchst bedrohlich wäre. Solange jedoch ein solcher Effekt nicht belegbar bzw. höchstwahrscheinlich ist, bewegt sich die Vorschrift im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens und ist insoweit als verhältnismäßig anzusehen. 63 Die Kooperationserlaubnis stellt auch keine willkürliche systemdurchbrechende Sondervorschrift dar. Zwar weicht der Gesetzgeber von dem wettbewerbsgesetzlichen System insoweit ab, als die erweiterte Kooperationserlaubnis auch wettbewerbsbeschränkende Kooperationen zulässt. Dies dient jedoch nach der gesetzgeberischen Intention dazu, Synergiepotenziale in wirtschaftlich relevanten Bereich freizusetzen und damit die unternehmerische Entfaltungsfreiheit der kooperationswilligen Unternehmen zu schützen. Hierin liegt ein – im Übrigen wettbewerbspolitisch z. B. mit der Sanierungsfusion und der Ministererlaubnis, vgl. § 2, 3 GWB und Art. 81 Abs. 3 EG, anerkannter – sachlicher Grund, der die Regelung mit Blick auf die Wirtschaftsordnung und das privatwirtschaftlich geprägte Pressebild vertretbar und nicht willkürlich macht. Auch eine Verletzung des Vertrauens von Unternehmen auf den Fortbestand gesetzlicher Reglugen, die sie zu wirtschaftlichen Dispositionen verleitet hat, ist nicht erkennbar. 64 Da die Sachvoraussetzungen des § 31 Reg-Entwurf von den Beiträgen der betroffenen Verlage zur Meinungsbildung unabhängig sind, sie nämlich an Kooperationen im Anzeigenbereich, d. h. an wirtschaftliche Sachverhalte anknüpfen, betreffen sie damit den Regelungsbereich des Art. 74 Nr. 16 GG, dem Schutz
62 Die Obergrenze wird durch das EG-Recht, vgl. Art. 81 Abs. 3 EG und VO 1/2003 markiert, die Untergrenze durch § 3 GWB. 63 Für den deutlich weitergehenden Entwurf des § 31 GWB im zweiten Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/5049, bestehen erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit. Dies wäre jedoch anknüpfenden an eine detaillierte Gesetzesfolgenabschätzung zu bewerten. 64 Vgl. hierzu: Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 29.
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vor dem Missbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen 65, womit auch der Bundesgesetzgeber zum Erlass einer entsprechenden Vorschrift befugt wäre. 66 Im Ergebnis kann damit das Streben nach einer kartellrechtlichen Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten im Anzeigenbereich von Zeitungsverlagen vor dem Hintergrund der Marktsituation zur wettbewerbspolitischen Abfederung der Veränderung von Märkten als ordnungspolitisch nachvollziehbar 67 und verfassungsrechtlich legitim bezeichnet werden. 2. Erhöhung der Aufgreifkriterien und Anwendung der Anschlussklausel auf Pressezusammenschlüsse Im Rahmen der 7. GWB-Novelle sollte neben der Erweiterung von Kooperationsmöglichkeiten der für die Pressefusionskontrolle gem. § 38 Abs. 3 GWB geltende Umrechnungsfaktor vom Zwanzigfachen auf das Zehnfache halbiert werden. 68 Aufgrund der daraus resultierenden Erhöhung der Aufgreifschwelle 69 von derzeit 25 auf 50 Mio. Euro wäre ein Zusammenschluss nur bei einem entsprechenden Jahresumsatz der fusionierenden Verlage durch das Bundeskartellamt auf seine Auswirkungen auf den Markt zu überprüfen. Die Erhöhung der Aufgreifschwelle hätte zudem Auswirkungen auf die sogenannte Bagatellmarktklausel (§ 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB), nach welcher die Zusammenschlusskontrolle des § 35 Abs. 1 GWB dann nicht greift, wenn ein Markt betroffen ist, auf dem seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf dem im letzten Kalenderjahr – unter Zugrundelegung des derzeit geltenden Umrechnungsfaktors – weniger als 0,75 Millionen Euro umgesetzt wurden. Ferner war beabsichtigt, die mit der 4. GWB-Novelle (1980) für Presseunternehmen ausgenommene (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB) Anschlussklausel (§ 35 Abs. 2 Satz Nr. 1 GWB), nach welcher gebunden an die Unterschreitung von bestimmten Jahresumsätzen kleinen und mittleren Unternehmen der Weg 65
BGHZ 76, 55, 64 ff. Mithin käme dem Bundesgesetzgeber sowohl für die Anhebung der Aufgreifkriterien, die Einführung einer Bagatellkausel oder die Erlaubnis von Kooperationen z. B. im Anzeigenbereich auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG die Gesetzgebungskompetenz zu. Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 18. 67 Immenga, Ulrich, Pressemärkte in der Wettbewerbs- und Medienpolitik, ZWeR (2004), S. 350 ff., der jedoch darauf hinweist, dass der in im Entwurf angesprochene Kooperationsgedanke in seiner Formulierung zumindest unvollkommen sei. Problematisch könnte allerdings die Vereinbarkeit der Vorschrift mit europarechtlichen Vorgaben sein, denn die EU-Kartellverordnung zielt gerade auf die Abschaffung von Ausnahmen für bestimmte Bereiche und Preiskartelle. Vgl. hierzu: Geerlings, Jörg, Pressefusionskontrolle contra Pressefreiheit, AfP (2004), S. 331. 68 BTDrucks. 15/3640, S. 38, 58. 69 Zuletzt erfolgt im Jahre 1999 mit der 6. GWB-Novelle. 66
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eröffnet ist, sich großen Unternehmen anzuschließen 70, für die Presse wieder einzuführen. Der Regierungsentwurf sah für Verlage eine kontrollfreie Übernahme bis zu einem Jahresumsatz von 2 Mio. Euro vor. 71 Erklärtes Ziel dieser Änderungen war es, die Spielräume für fusionskontrollfreie Zusammenschlüsse von Pressunternehmen zu erweitern und kleineren Unternehmen die Verwertung der in ihnen steckenden Vermögenswerte vor dem Hintergrund der wirtschaftlich schwierigen Situation von Presseverlagen zu ermöglichen 72 bzw. – mit Blick auf die Auswirkungen auf die Vielfalt 73 – hinzunehmen. 74 Konsequenz der Erhöhung der Umsatzschwelle wäre nach Schätzungen der Monopolkommission, dass Verlage mit einer Auflage von bis zu ca. 120.000 Stück pro Tag, d. h. etwa 179 regionale Abonnementzeitungen, kontrollfrei hätten fusionieren können. Durch die Verschiebung der Schwelle der Bagatellmarktklausel wiederum wäre eine Übernahme von Zeitungen mit einer Auflage bis zu 8.000 Exemplaren kontrollfrei möglich gewesen. Die Einführung der Anschlussklausel von 2 Mio. Euro schließlich hätte Zeitungen mit einer Auflage von ca. 5.000 Stück den Anschluss gestattet. 75 In der Zusammenschau stellen die Anhebung der Aufgreifschwellen und die Ausdehnung der Anschlussklausel eine Erweiterung der fusionskontrollefreien Zusammenschlüsse im oberen und unteren Umsatzsegment dar, welche aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist. Zunächst kann festgestellt werden, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen „allgemeine Gesetze“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG sind. So wird das bestehende System durch die Aufgreifschwellen bzw. die neu zugelassene Anwendbarkeit 70 Mestmäcker, Ernst-Joachim / Veelken, Winfried, Vorbemerkung vor § 35 GWB, in: Mestmäcker, Ernst-Joachim / Immenga, Ulrich, (Hrsg.), Wettbewerbsrecht – Band 2 (2007), Rn. 43. 71 § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB-RegEntwurf, BT-Drucks 15/3640, S. 12. 72 BTDrucks. 15/3640, S. 38, 56. 73 Anhand der BDZV-Basis-Daten wurde folgende Rechnung aufgestellt: Von 245 (registrierten) Zeitungen machen 23 unter 1 Mio. Euro Umsatz, 140 Titel setzen zwischen 1 und 10 Mio. Euro um. Diese könnten über die Bagatellklausel ohne weiteres von den 14 größten Titeln gekauft, aufgelöst oder eingestellt werden, soweit die Schwelle, wie vom BDZV gefordert auf 10 Mio. Euro festgesetzt werden soll. Vgl. Simon, Ulrike, Gut gemeinte Vorschläge – Mit ihren Vorstellungen für ein neues Kartellgesetz schaden sich die Verleger selbst am meisten, Der Tagesspiegel (22. 01. 2004). Die Monopolkommission schätzt, dass aufgrund einer Einführung der Bagatellklausel von 2 Mio. Euro, Verlage mit einer Auflage bis zu 5000 Stück – nach dem Vorschlag des BDZV mit einer Anschlussklausel von 10 Mio. Euro wären es eine Auflage von bis zu 24000 Stück – kontrollfrei übernommen werden könnten. Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 70. 74 Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 17. 75 Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 71 f.
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der Bagatellklausel in seiner Wirkungsstruktur nicht angetastet, sodass auch die Eigenschaft der Schwellenklauseln als „allgemeine Gesetze“ erhalten bleibt. 76 Was die wettbewerbspolitische Entscheidung betrifft, kontrollfreie Räume zuzulassen, um die wirtschaftliche Basis von Presseunternehmen zu verbreitern und auf diese Weise Wettbewerb und Vielfalt zu sichern, wurde in der Diskussion zwar vorgebracht, dass die Zulassung von Konzentration dem in der Gesetzesbegründung ausgewiesenen Zweck der Sicherung von Vielfalt zuwider laufe und es nicht zu erkennen sei, inwieweit mit einem aus einer solchen Regelung resultierenden Konzentrationsschub 77 die Probleme der Branche gelöst werden könnten. 78 Dieser Einwand, selbst seine Richtigkeit unterstellt, steht jedoch der verfassungsrechtlichen Geeignetheit grundsätzlich nicht entgegen. Auch diesbezüglich ist nämlich zu beachten, dass das Verfassungsrecht keine Vorgaben dahin gehend enthält, ob die Erweiterung der kontrollfreien Zusammenschlüsse oder Zulassung von mehr Kooperationen z. B. über die Erhöhung oder Senkung des Divisors bzw. durch eine Änderung der Schwellenwerte und die Erweiterung der Anschlussklausel auf Presseunternehmen (wettbewerbspolitisch) sachgerecht ist. Gleiches gilt für die Frage, ob auch die Zulassung von Konzentration durch eine Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis zur Sicherung von Vielfalt führt. Diese Entscheidungen haben die Verfassungsgeber jedenfalls zunächst in das Ermessen des einfachen Gesetzgebers gestellt, welches, wie mehrfach dargelegt, erst dann überschritten ist, wenn dieser von einer im Ansatz verfehlten Entwicklungsprognose ausgeht. 79 Da, wie an anderer Stelle ausgeführt 80, die „Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis“ mit einer Ausdehnung des Raumes kontrollfreier 76
Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 17. Die Schätzung ging dahin, dass einen Erhöhung auf ein Umsatzschwelle von 50 Mio. Euro dazu führen wird, dass 50 (der 346 damals in Deutschland bestehenden) Verlage kontrollfrei fusionieren könnten. Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1062. Andere nahmen intensivere Konzentrationsentwicklungen an, vgl. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Pressekonzentration fördern statt kontrollieren?, Informationen und Materialien zur Novellierung der Pressefusionkontrolle, (2004), S. 5, geht davon aus, dass nur noch Zeitungen mit einer Auflage von 200.000 Zeitungen (oder etwas weniger in wettbewerbsfreien Gebieten) den Schwellenwert von 50 Mio. Euro Umsatz erreichen. Dies würde bedeuten, dass – statt heute 150 – nur noch 35 der 250 in den alten Bundesländern bestehenden Abo-Zeitungen den Bestimmungen der Fusionskontrolle unterliegen würden. Andere nahmen an, dass bei einer Schwelle von 100 Mio. Euro (incl. der Bagatellklausel) von 245 (registrierten) Titeln nur noch 57 bestehen blieben, vgl. Röper, Horst, Die Konzentration im deutschen Tageszeitungsmarkt und Clemens Novellierung – Vortrag beim Arbeitskreis Medienpolitik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, (2004), S. 7. 78 Immenga, Ulrich, Pressemärkte in der Wettbewerbs- und Medienpolitik, ZWeR (2004), S. 339 ff., der es für ausgeschlossen hält, dass publizistische Vielfalt durch die Aufrechterhaltung unabhängiger Redaktionen weiterhin gewährleistet werden kann. 79 So Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1063, mit Blick auf die „Privilegierung von Wettbewerbsbeschränkungen im Pressebereich“: „Aus dem Blickwinkel eines Wettbewerbsschutzes erweist sich solche Privilegierung als 77
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Zusammenschlüsse befördert werden kann, hat Vielfalt auch eine Dimension wirtschaftlicher Stärke und ist nicht zwingend nur durch die Verhinderung von Konzentration abzusichern. Die Erweiterung kontrollfreier Räume ist folglich keine „verfehlte“ gesetzgeberische Entscheidung, sondern vielmehr eine solche, die sich im Bereich des gesetzgeberischen Ermessens bewegt. Da ferner nicht belegt ist, dass dem Gesetzgeber bzgl. des Ziels der Verbreitung der wirtschaftlichen Basis ein gleich wirksames, aber den Freiheitsspielraum des wirtschaftlich Tätigen weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht, fehlt es auch nicht an der Erforderlichkeit der Maßnahmen. 81 Zwar stellen eine Änderung der geltenden Regelung z. B. nur im Hinblick auf (die Erleichterung von) Kooperationen eine Ausweitung der Sanierungsfusion oder die Erweiterung des Marktbegriffs sicherlich eine mildere Grundrechseinwirkung dar. Die entsprechenden Maßnahmen sind jedoch mit Blick auf das Ziel der Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis nicht vergleichbar und damit kein „gleich wirksames, milderes Mittel“ im Sinne der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeitsprüfung. Die Zunahme kontrollfreier Zusammenschlüsse stößt allerdings dann an verfassungsrechtliche Grenzen, wenn durch sie die Marktgegenseite bzw. fusionsaverse Unternehmen, Rezipienten und Unternehmen vor- und nachgelagerter Märkte in ihrer grundrechtlichen Freiheit erheblich beeinträchtigt würden und die intendierte Gesetzesänderung damit in der Gesamtabwägung als unverhältnismäßig im engeren Sinne anzusehen wäre. Da mit den für die Presse abgesenkten Aufgreifschwellen und der erklärten Nichtanwendbarkeit der Bagatellklausel gerade das Ziel verfolgt wurde, Vielfalt und Wettbewerb im regionalen und lokalen Bereich zu sichern, der Regierungsentwurf diese Regelungen 82 jeodch neben der intendierten Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis mit dem gleichen Ziel – partiell – aufhebt, erscheint es geboten, ein besonderes Augenmerk auf die Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter zu richten. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob der Gesetzgeber einen angemessenen Ausgleich der gebotenen Sicherung von Wettbewerb und Vielfalt und der mit ihr einhergehenden Intervention zugunsten von Konzentrationsfreiheit und Wettbeschlichte Willkür.“; die Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 73, sieht eine Anhabung der Aufgreifkriterien als noch hinnehmbar an und weist darauf hin:„Angesichts der gewissen Willkürlichkeit, die jeder zahlenmäßigen Begrenzung in diesem Bereich zukommt, ist die genau Festlegung der Aufgreifkriterien letztlich politischer Gestaltungsakt.“ 80 Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I., 1, d – Publizistische Sensibiliät des Pressemarktes – Wettbewerb auf zwei Märkten; Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, II., 3, a – Pressevielfalt. 81 BVerfGE 25, 1, 19 f; 30, 292, 319. 82 Scholz, Christopher – Organisation Werbungtreibender Im Markenverband, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1335 (2004), S. 151: die feste Bagatellschwelle von 2 Mio. Euro sei „völlig unannehmbar“.
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werbsfreiheit herbeigeführt hat. Im Rahmen der Abwägung sind dabei neben den verschiedenen Interessen der Verlage, der Rezipienten und Unternehmen nachgelagerter Märkte auch die Folgen vollzogener Fusionen zu berücksichtigen. Da diese typischerweise nur schwer oder gar nicht rückgängig zu machen sind, darf insoweit z. B. nicht übersehen werden, dass es, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat 83, dem Gesetzgeber obliegt, Konzentration rechtzeitig und so wirksam wie möglich entgegenzutreten. Problematisch ist hier, dass von der geplanten Modifikation vor allem die acht größten deutschen Verlagen zu profitieren scheinen. 84 Abgesehen davon, dass kleinere Verlage bereits nach geltendem Recht fusionieren können, würde nach dem Entwurf die wirkungsvolle Beschränkung des Einstiegs von Großverlagen in Kleinmärkte aufgegeben, sodass vor allem Großunternehmen kontrollfrei in lokale Zeitungsmärkte eindringen könnten und damit ein Konzentrationsanstieg gerade im lokalen und regionalen Markt, in dem die Vielfalt beklagenswert ist, zugunsten von Großverlagen akzeptiert würde. 85 Zwar wird kleinen Verlagen durch die in Rede stehende Regelung über die geltende Rechtslage hinausgehend erlaubt, ihren Wert in einer Fusion mit einem Großverlag zu liquidieren, gleichwohl erscheint das in der Entwurfsbegründung benannte Ziel der Beseitigung der schlechten wirtschaftlichen Lage „der gesamten Branche“ nicht vollends überzeugend. Dies bestätigt sich jedenfalls insoweit, als die Regelung insbesondere von Zeitungen abgelehnt wurde, die zwischen ca. 2001 und 2005 mit besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, wie z. B. die Frankfurter Allgemeine Zeitung 86. Wirtschaftlich weniger geschwächte Verlage, wie Springer 87 und Holtzbrinck 88, hingegen befürworteten die Änderung. 89
83
In Bezug auf die Rundfunkfreiheit: BVerfGE 73, 118, 159. Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 229. 85 Schulz, Wolfgang – Hans-Bredow-Institut, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks. 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1353, (2004), S. 174; Röper, Horst, Die Konzentration im deutschen Tageszeitungsmarkt und Clemens Novellierung – Vortrag beim Arbeitskreis Medienpolitik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, (2004), S. 9; Böge, Ulf, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BTDrucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1338 (2004), S. 65; Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 331: Der Entwurf „setzt anders als in der Vergangenheit nicht beim Erhalt des ökonomischen Wettbewerbs an“. 86 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1343, (2004), S. 134 f. 87 Axel Springer Verlag, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1355, (2004), S. 143. 84
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Allerdings ist zu beachten, dass im Falle der Kollision grundrechtlicher Schutzgüter dem Gesetzgeber im Grundsatz eine bestimmte Gewichtung verfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben ist. Er ist vielmehr im Kollisionsfall primär daran gebunden, ein Mindestmaß der grundrechtlichen Entfaltungsmöglichkeit zu gewährleisten. 90 Sicherlich kann nicht jede beliebige Anhebung der Aufgreifkriterien zulässig sein; abhängig von einer entsprechenden Gesetzesfolgenabschätzung, müssten einer entsprechenden Maßnahme in ihrer Reichweite Grenzen gesetzt werden. Solange jedoch dem Rezipienten am Markt noch die Möglichkeit bleibt, aus einer Vielzahl von Presseprodukten zu wählen und sich zu informieren, und Presseunternehmen im Wettbewerb noch ausreichender Spielraum haben, um sich im Wettbewerb frei zu entfalten, solange sind durch die Regelung zwar die subjektive Presse- (bzw. Wettbewerbsfreiheit) und Informationsfreiheit berührt, jedoch nicht in verfassungswidriger Weise verletzt. Auch wäre nicht in unzulässiger Form vom objektiven Pressebild der Verfassung abgewichen. Nach dem oben Gesagten ist eine Erhöhung der Aufgreifschwellen und die Anwendung der Bagatellklausel im Pressemarkt somit ein allgemeines und im verfassungsrechtlichen Sinne grundsätzlich geeignetes sowie erforderliches Mittel, das mit Blick auf die Angemessenheit zwar als verfassungsrechtlich bedenklich 91, gleichwohl noch soweit als verfassungsgemäß einzustufen ist, als die Änderung der Aufgreifschwellen und die Bagatellklausel mit Bedacht erfolgt und nicht nur einseitige Interessen bedient. Schließlich werden mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Aufgreifschwellen und der Erweiterung der Anschlussklausel auf Presseunternehmen das System der Fusionskontrolle und das Konzept der Marktbeherrschung grundsätzlich beibehalten. 92 Zwar wird von dem Ansatz der Nichtanwendung der Anschlussklausel Abstand genommen, von einer Systemabweichung kann jedoch nicht gesprochen werden: Die Modifikation stellt sich vielmehr als eine Anpassung 88
Bechtold, Rainer – Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1339, (2004), S. 145. 89 Im Hinblick auf Anzeigenkooperationen zustimmend, ablehnend im Hinblick auf eine Erleichterung von Fusionen: Verband Deutscher Lokalzeitungen, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BTDrucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1342, (2004), S. 131. 90 Lerche, Peter, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung, Grundrechtseingriff – § 121, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band V (1992), Rn. 36. 91 Geerlings, Jörg, Pressefusionskontrolle contra Pressefreiheit, AfP (2004), S. 331 f., ist sogar der Meinung, dass eine Verdopplung der Aufgreifschwelle auf 50 Mio. Euro – ohne weitere gesetzgeberische Schutzmaßnahmen – zu so weit reichenden Folgen führen könne, dass von einer Verletzung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auszugehen sei. 92 Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 230.
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der Aufgreifschwellen „von unten“ dar. 93 Sie erweitert den fusionskontrollfreien Raum im Bereich großer Fusionen (nach oben) und im Bereich von Fusionen kleinerer Unternehmen (nach unten). Es ist damit – aufgrund diser „Systemtreue“ – nicht von einer Verletzung des Willkürgebots auszugehen. Ferner ist, da sich die Modifikationen im System der bereits geltenden Regelung bewegt, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben. Auf die Ausführungen zur geltenden Fusionskontrolle kann insoweit verwiesen werden. 94 3. Ausnahme marktbeherrschender Fusionen vom Untersagungstatbestand bei Trennung von publizistischer und wirtschaftlicher Verantwortung – Altverlegerklausel Neben den benannten Maßnahmen sah der Regierungsentwurf schließlich vor, dass ein Zusammenschluss von Verlagen auch im Falle der fusionsbedingten Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung freigegeben werden kann, wenn „Vorkehrungen“ dahin gehend getroffen werden, dass die „erworbene Zeitung langfristig neben der erwerbenden mit ihren redaktionellen Ausgaben als eigenständige redaktionelle Einheit erhalten bleibt“, vgl. § 36 Abs. 1a S. 1a GWB Reg-Entwurf. Das Vorliegen ausreichender „Vorkehrungen“ wurde gem. § 36 Abs. 1a S. 2 Reg-Entwurf vermutet, wenn einem Dritten oder dem Altverleger durch eine Beteiligung von mehr als 25 % an Kapital- oder Stimmrechten ein wettbewerblich erheblicher Einfluss überlassen (Nr. 1), der Behalt des Titelrechts (Nr. 2) eingeräumt sowie eine umfassende Mitbestimmung und die Einräumung von Vetorechten des Alteigentümers bzw. anderen „Dritten“ für redaktionelle Entscheidungen vorgesehen wurden (Nr. 3). Die Einhaltung der Vorkehrung sollte durch eine für die beteiligten Unternehmen jederzeit durchsetzbare Vereinbarung sichergestellt werden. In § 36 Abs. 1b Reg-Entwurf findet sich überdies eine Missbrauchsregelung, nach welcher der Zusammenschluss für die langfristige Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage einer der am Zusammenschluss beteiligten Zeitung erforderlich sein muss. Dies wird gem. § 36 Abs. 1b Nr. 1 GWB Reg-Entwurf vermutet, wenn ein an der Fusion beteiligtes Unternehmen drei Jahre sinkende Werbeeinkünfte zu verzeichnen hatte bzw. die Einkünfte „erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Zeitungen“ gelegen haben. Dessen ungeachtet wird die Anwendung von § 36 Abs. 1a GWB RegEntwurf dann ausgeschlossen, wenn die Übernahme zu einer Begründung oder Verstärkung auf räumlich benachbarten Märkten erfolgt.
93 Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 328 ff. 94 Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II., 2, b – Exkurs: Staatliche Kompetenz zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes; Teil 3, 1. Abschnitt, § 2 – Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriff zur Sicherung des Pressemarktes.
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Dieser Regelungsansatz ist von der Idee getragen, dass nach einer Fusion die neue Verlagsleitung „nur“ die Verantwortung für die wirtschaftlichen und technischen Bereiche Anzeigen, Vertrieb und Druck der erworbenen Zeitung trägt. Die Verantwortung für den Inhalt der Zeitung hingegen soll bei der „alten“ Redaktion oder anderen unabhängigen Organen verbleiben und damit sowohl von der wirtschaftlich-technischen Verlagsleitung als auch der Redaktion der erwerbenden Zeitung getrennt bleiben. Der Entwurf setzt damit voraus, dass die journalistische Unabhängigkeit losgelöst von wirtschaftlichen Einflüssen gesichert werden und daher auch im Fall einer zur Marktbeherrschung führenden Fusion die publizistische Vielfalt erhalten werden kann. Wenn auch die Vorstellung, journalistische und wirtschaftliche Einflüsse zu trennen, auf den ersten Blick als naheliegendes Mittel zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit von Presseunternehmen und einer vielfältigen Presselandschaft erscheint, begegnet dieser Ansatz sowohl in tatsächlicher als auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht Bedenken. 95 a) Unzulässige Inhaltskontrolle Bereits die Einordnung der hier in Rede stehenden Modifikation als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG erweist sich als fraglich. Zum einen bezieht sich die Ausnahmeregelung auf bestimmte, nämlich gefährdete publizistische Einheiten, vgl. § 36 Abs. 1b GWB-Reg-Entwurf, und könnte sich damit als eine publizistische Sonderregelung darstellen. Da die Regelung jedoch an wirtschaftliche Rahmenbedingungen und nicht an Presseinhalte anknüpft, d. h., die publizistische Einheit somit nicht inhaltlich, sondern formal definiert wird, und die Regelung sich auch nicht gegen eine bestimmte Meinung, einen bestimmten Kommunikationsinhalt oder konkret gegen den Träger des Grundrechts richtet, ist sie trotz der speziellen Adressaten unbedenklich. 96 Deutlich problematischer ist jedoch die Kombination des § 36 Abs. 1a S. 4 GWB-Reg-Entwurf 97, nach dem der Abschluss und die Aufrechterhaltung der Vereinbarung durch Bedingungen oder Auflagen nach § 40 Abs. 3 Satz 1 GWB abzusichern sind, mit § 40 Abs. 3 Satz 3 a) GWB-Reg-Entwurf 98, nach dem die Freigabe des Zusammenschlusses dann widerrufen oder geändert werden kann, wenn sie auf unrichtigen Angaben beruht, arglistig herbeigeführt worden 95 Bezogen auf allgemeine rechtliche und tatsächlicher Probleme: Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 328 ff.; Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 58 ff. 96 Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 17 f.; a. A. im Hinblick auf die Anzeigenkooperationen wohl: Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1063 f. 97 BT-Drucks 15/3640, S. 12. 98 Diese Vorschrift ist mit der 7. GWB-Novelle geltendes Recht geworden.
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ist oder die beteiligten Unternehmen einer mit ihr verbundenen Auflage zuwider handeln. Anknüpfend an diese Vorschriften, wäre der langfristige Erhalt der erworbenen Zeitungen oder Zeitschriften als selbstständige publizistische Einheiten in der fusionskontrollrechtlichen Freigabeentscheidung durch Bedingungen und Auflagen abzusichern und deren Einhaltung zu kontrollieren. Da aber die redaktionelle Selbstständigkeit innerhalb verbundener Unternehmen keine reine Organisationsfrage ist, lässt sich nicht ohne Blick auf die Inhalte der Presseerzeugnisse bestimmen, ob diese Selbstständigkeit ausgehöhlt wird, sodass die vorgenannten Regelungen mittelbar zu einer Kontrolle der inhaltlich-redaktionellen Unabhängigkeit der betroffenen Zeitungen durch das Bundeskartellamt führen würden. Dies ist nicht nur aufgrund des in § 40 Abs. 3 Satz 2 GWB normierten kartellrechtlichen Verbots einer laufenden Verhaltenskontrolle problematisch. 99 Soll das Bundeskartellamt das Verhalten des Minderheitsgesellschafters bei der Ausübung seiner Kontroll- und Vetorechte überwachen, wirft dies auch verfassungsrechtliche Bedenken auf. 100 Denn die Befugnis zu einer laufenden Kontrolle liefe auf die inhaltliche Kontrolle von Zeitungsinhalten durch eine staatliche Behörde hinaus, womit die von Art. 5 Abs. 2 GG vorgegebene Grenze der Meinungsneutralität überschritten wäre. 101 Eine Kontrolle, die über die Aufrechterhaltung einer mit bestimmten Rechten ausgestatteten Beteiligungsstruktur hinaus geht, ist somit als wettbewerbspolitisch und verfassungsrechtlich unerwünscht anzusehen. 102
99 Geerlings, Jörg, Pressefusionskontrolle contra Pressefreiheit, AfP (2004), S. 332; Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 17 f. 100 Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 328 ff., Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 17 f. 101 Staebe, Erik, Privilegierung vielfaltserhaltender Pressefusionen, AfP (2004), S. 18; Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1063 f.; Hellwig, Martin – Monopolkommission, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1351 (2004), S. 177 f; Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 231. 102 Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1060 ff.; Säcker, Franz Jürgen, Fusions- und Kartellereleichterungen für Zeitungsverlage aus wettbewerblicher Sicht, AfP (2005), S. 29; Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 230 f. Fuchs, Andreas, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1354 (2004), S. 53 f.; Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1345, (2004), S. 157 f.; Alternativ bedürfte es zur Kontrolle dann analog zu den Landesmedienanstalten neu zu errichtender Pressanstalten der Länder.
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b) Verhältnismäßigkeit Daneben ist zweifelhaft, ob das im Regierungsentwurf vorgesehene Redaktionsmodell, nach dem Vielfalt durch eine binnenplurale (verlagsinterne) Struktur gesichert werden soll, objektiv geeignet zu Erreichung des gesetzten Ziels ist. 103 Zwar sehen große Verlage in der vorgeschlagenen Lösung aus unternehmerischer Sicht eine effektive Erleichterung der Zusammenschlüsse und eine sinnvolle Ergänzung zu erweiterten Kooperationsmöglichkeiten, die einer optimalen Ausschöpfung des Marktpotenzials entspräche. 104 Insoweit verweisen die Befürworter der „Altverlegerklausel“ auf bereits vollzogene vielfaltserhaltende Fusionen, z. B. in Köln 105, sowie auf den US-amerikanischen Newspaper Preservation Act von 1970, nach dem gem. der sogenannten failing newspaper Doktrin einem von finanziellem Scheitern bedrohten Blatt („failing newspaper“) unter der Bedingung, dass die Redaktionen getrennt bleiben, die Möglichkeit eröffnet wird, vom Attorney General der Vereinigten Staates eine Erlaubnis zu einem Zusammenschluss zu erwirken. 106 Diese Argumente laufen jeodch im Hinblick auf die in Rede stehende Maßnahme der vielfaltserhaltenden Fusion leer, denn die „failing newspaper Doktrin“ betrifft Kooperationsabsprachen zwischen selbstständigen Verlagshäusern – welche, wie oben beschrieben, verfassungsgemäß wären – als Vollfusionen 107, und auch die zitierten „vielfaltserhaltenden Fusionen“ sind bereits nach geltendem Recht, d. h. losgelöst von einem „Redaktionsmodell“, möglich und umsetzbar. Die Zweifel an der Geeignetheit der Maßnahme betreffen jedoch insbesondere die durch diese bedingte Hinwendung zum binnenpluralen Modell. Abgesehen davon, dass die privatwirtschaftliche Struktur der Presse, die das verfassungsrechtliche Pressebild prägt, im binnenpluralen System nur ungenügend Beachtung findet, wirkt externer Wettbewerb, wie an anderer Stelle gezeigt 108, anders 103 Di Fabio, Udo, Art. 2 Abs. 1, in: Maunz, Theodor / Dürig, Günther u. a., (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2001), Rn. 91. 104 Axel Springer Verlag, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1355, (2004), S. 137 ff. 105 Zusammenschluss Kölner-Stadt-Anzeiger und Kölner Rundschau, vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Stellungnahme vom 24. 04. 2004, Keine Aufweichung der Pressefusionskontrolle, (2005), Rn. 17. 106 Immenga, Ulrich, Pressemärkte in der Wettbewerbs- und Medienpolitik, ZWeR (2004), S. 351 ff. 107 Monopolkommission, Zusammenschlussvorhaben der Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG mit der Berliner Verlag GmbH & Co. KG – Sondergutachten 36, (2003), Rn. 129 ff. 108 Vgl. Teil 1, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II., 2 – 2. Die sog. „Vielfaltsthese“ und der Vorrang des außenpluralistischen Modells.
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als das binnenplurale Modell effektiv auf die Schaffung einer vielfältigen und staatsfreien Presse hin. 109 Jedenfalls ist es – unabhängig von der Bedeutung ökonomischer Stärke für die Vielfältigkeit des Pressemarktes – zweifelhaft, ob ökonomischer Wettbewerb zwischen selbstständigen Unternehmen durch konzerninternen Wettbewerb ersetzt werden kann. 110 Vom konzerninternen Wettbewerb allein kann zumindest langfristig nicht erwartet werden, dass dieser (z. B. auch im Falle der Schieflage des Unternehmens) verschiedene miteinander konkurrierende Zeitungen hervorbringt bzw. hält. 111 Daneben bestehen insoweit Bedenken, als die vorgesehene gesetzgeberische Konstruktion sowohl schwer umsetzbar und kontrollierbar als auch durch zahlreiche Umgehungs- und Aushöhlungsmöglichkeit belastet ist. Jedenfalls aus wettbewerbspolitischer Sicht ist fraglich, ob in der vorgeschlagenen Form die wirtschaftliche Wirklichkeit tatsächlich der rechtlichen Grenzziehung zugänglich ist – nicht nur, dass eine Einflussnahme des übernehmenden Verlages auf den Altverleger – beispielsweise bzgl. Personalfragen – entweder kaum zu vermeiden ist 112 oder aber die Vorschrift leer läuft, wenn nach Absprache Mitbestimmungsrechte des Veräußerer gar nicht genutzt werden. 113 Im Ergebnis kann – auch im Falle des Erhalts der Redaktionen – der Wettbewerb zwischen den zusammengeschlossenen Unternehmen mehr oder weniger aufgegeben werden. So kann bereits eine Marktmacht auf dem Anzeigenmarkt den Markt in eindeutiger Weise negativ beeinflussen. 114 Demgemäß beinhaltet eine umfassende Fusionserlaubnis auch bei getrennten Redaktionen zumindest die theoretische Möglichkeit der Entstehung eines Monopolmarkts mit unabhängigen Redaktionen 115, womit die geltende Fusionskontrolle und § 19 GWB aus den Angeln gehoben würden. 116 109 Fuchs, Andreas, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1354 (2004), S. 53; Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 331. 110 Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 58 ff. 111 Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 230. 112 Immenga, Ulrich, Pressemärkte in der Wettbewerbs- und Medienpolitik, ZWeR (2004), S. 340. 113 Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 230. 114 Säcker, Franz Jürgen, Fusions- und Kartellereleichterungen für Zeitungsverlage aus wettbewerblicher Sicht, AfP (2005), S. 29. 115 Immenga, Ulrich, Pressemärkte in der Wettbewerbs- und Medienpolitik, ZWeR (2004), S. 338 ff.; Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 230. 116 Säcker, Franz Jürgen, Fusions- und Kartellereleichterungen für Zeitungsverlage aus wettbewerblicher Sicht, AfP (2005), S. 29; Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Schrift-
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Da diese Bedenken allerdings eine primär wettbewerbspolitische Problematik betreffen, und der Entwurf keine vollständige Hinwendung zum binnenpluralen Modell vorsieht, sondern die verfassungsrechtlich geeignete Sicherung des externen Wettbewerbs durch die Fusionskontrolle Schwerpunkt der gesetzlichen Regelung bleibt, reichen die benannten wettbewerbspolitischen Zweifel an der Geeignetheit vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Ermessens des Wirtschaftsgesetzgebers 117 nicht aus, um von einer diesbezüglichen Verfassungswidrigkeit der Maßnahme auszugehen. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeit – auch diese kann der Maßnahme, trotz bestehender Bedenken, im Ergebnis nicht abgesprochen werden. So wird zwar in Bezug auf die Erforderlichkeit der Maßnahme der Einwand erhoben, dass die Fusionsfälle, auf die § 36 Abs. 1 a, b GWB-Reg-Entwurf abzielt 118, bereits nach geltendem Recht einer Fusionserlaubnis zugänglich seien. Es wird betont, dass dann, wenn der Marktbegriff insbesondere im Anzeigenbereich – der zunehmenden Vereinheitlichung der Medien entsprechend – weiter gefasst würde 119 oder die Anforderungen an die Sanierungsfusion als Instrument zur Rettung von notleidenden Unternehmen entsprechend interpretiert würden, die Regelung der „vielfaltserhaltenden Fusion“ entbehrlich wäre. 120 Dies ist auch insoweit richtig, als durch die Erweiterung des Marktes die Schwelle der Marktbeherrschung erhöht wird und der Aufkauf nicht überlebensfähiger Verlage unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situationen und trotz der sich durch die Fusion ergebenden Marktbeherrschung als sogenannte Sanierungsfusion nach geltendem Recht erlaubt werden kann. 121 liche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1345, (2004), S. 158 f. 117 BVerfGE 37, 1, 21. 118 Erlaubnis einer „Marktbeherrschungsfusion“ nur in dem Fall, in dem dies für die langfristige Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage der erworbenen und erwerbenden Zeitung mit ihren Ausgaben als eigenständige redaktionelle Einheit erforderlich ist, was vermutet wird, wenn die Anzeigenerlöse in den letzten drei Jahren pro Monatsstück jeweils rückläufig waren, oder erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Zeitungen lagen. 119 Z. B. Wiring, Roland, Pressefusionskontrolle im Rechtsvergleich, (2008), S. 673 f., allerdings nicht ganz klar im Hinblick auf die weitergehende Trennung von Rubrikenund Anzeigenmarkt. 120 Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, Sondergutachten 42, (2004), Rn. 37. 121 Die Sanierungsfusion umfasst Fälle, in denen ein Zusammenschluss für die marktbeherrschende Stellung als nicht ursächlich angesehen wird, weil das erworbene Unternehmen ohne die Fusion aus dem Markt ausgeschieden wäre und die dadurch entstandenen Marktanteile ohnehin dem einzigen Konkurrenten (und einzigen Kaufinteressent) zugefallen wären, d. h. der Zusammenschluss zu der gleichen Marktstruktur führt, die sich auch ohne ihn ergeben hätte; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Stellungnahme vom 24. 04. 2004, Keine Aufweichung der Pressefusionskontrolle, (2005), Rn. 17 f.
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Doch auch unter Beachtung dieser Optionen kann der im Entwurf vorgesehenen vielfaltserhaltenden Fusionserlaubnis die verfassungsrechtliche Erforderlichkeit nicht endgültig abgesprochen werden. Die Vorschrift des § 36 Abs. 1 a, b GWB Reg-Entwurf ist zwar mit der Sanierungsfusion im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 2 GWB vergleichbar, dies jedoch nur insoweit, als beide Regelungen eine Fusion trotz daraus resultierender Marktmacht erlauben können. 122 Allerdings knüpfen die Vorschriften jeweils an unterschiedliche Voraussetzungen an: Während die Sanierungsfusion auf die Nichtursächlichkeit der Fusion für die marktbeherrschende Stellung blickt, wird im System der vielfaltserhaltenden Fusion“ auf die Sicherung redaktioneller Teile und die Erforderlichkeit der Fusion im Falle von über den Zeitraum von drei Jahren rückgängigen Anzeigenerlöse abgestellt. Da überdies in Fällen, in denen mehr als zwei Wettbewerber vorhanden sind, die Sicherung des Unternehmens vermittels der Sanierungsfusion ausscheidet, weicht auch der Anwendungsbereich der Sanierungsfusion von demjenigen der „vielfaltserhaltenden Fusion“ ab. Schließlich enthält § 36 Abs. 1 a, b GWB RegEntwurf Vermutungsregelungen im Hinblick auf die Sanierungsbedürftigkeit der betroffenen Unternehmen, während im Rahmen der Sanierungsfusion das Vorliegen der Voraussetzung für eine Sanierungsbedürftigkeit nachzuweisen ist. Damit weist das sogenannte Redaktionsmodell im Hinblick auf die Effektivität keine Vergleichbarkeit zur Sanierungsfusion auf, womit es auch kein vergleichbares Mittel im Sinne der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeitsprüfung darstellen kann. Über die Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im engeren Sinne ist damit freilich noch nicht befunden. Zu beachten ist insoweit, dass § 36 Abs. 1a und b GWB Reg-Entwurf eine Ausnahmeregelung zum Fusionsverbot des § 36 GWB darstellt, die vor allem die Wettbewerbfähigkeit der „auf Konzentration angewiesenen“ Unternehmen sichert und dabei dem Ausgleich zwischen ökonomischem Nutzen eines wettbewerblich freien und offenen Leistungsoptimums (optimale Wettbewerb) und dem staatlichen Nutzen („Gemeinwohlgründe“) einer in den Dienst der staatlichen Wirtschaftspolitik gestellten Unternehmenskonzentration dienen soll. Damit wird, wie z. B. im Falle der Ministerklausel und der Sanierungsfusion, die statische Idee des vollständigen Wettbewerbs durch das Konzept des dynamischen Wettbewerbs ergänzt. Solche „Ausnahmeklauseln“ dürfen allerdings nicht so weit gefasst sein, dass sie das gesellschaftspolitische Grundziel der Konzentrationskontrolle vereiteln. 123 Dies gilt mit Blick auf die mit einer solchen Erlaubnis einhergehende Bedrohung sowohl der Grundrechte der Rezipienten und der fusionsaversen Un122 Die Sanierungsfusion erlaubt vollumfängliche Fusionen trotz Marktbeherrschung, die Fusionserlaubnis nach § 36 Abs. 1 a, b GWB-Entwurf würde nur Teilfusionen, nämlich solche mit redaktioneller Selbständigkeit erfassen. 123 Scholz, Rupert, Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, (1971), S. 79.
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ternehmen als auch des Erwerbers. Letzterer kann z. B. aufgrund des Vetos des Veräußerers unter Einschränkung seiner unternehmerischen Freiheit gezwungen sein, eine unprofitable Zeitung am Markt zu halten. 124 Auch eine Überschreitung der Grenzen der Tendenzautonomie des Verlegers, d. h. der gegenüber Betriebsrat und Redakteuren besonders geschützten Befugnis des Verlegers 125, die grundsätzliche Ausrichtung der Zeitung zu bestimmen, ist nicht ausgeschlossen. 126 Doch führen nicht zuletzt gerade Marktmacht begründende oder verstärkende Zusammenschlüsse zu einer Verfestigung von Marktkonzentration, welche die Marktstruktur typischerweise auf Dauer verändert und irreversible Marktzutrittsbarrieren begründet. Die Einigriffsintensität des „Redaktionsmodells“ ist damit deutlich höher als die einer – moderaten – Anhebung der Aufgreifschwellen oder einer Kooperationserlaubnis im Anzeigenbereich. Vor dem Hintergrund dieser besonders hohe Eingriffsintensität der Vorschrift, die nur eingeschränkte Wirksamkeit der Maßnahme, die mit ihr verbundenen hohen wettbewerbsspezifischen Risiken und die – wenn auch nicht gleich effektive, aber doch bereits gesetzlich festgeschriebene – Möglichkeit der Sanierungsfusion und der Ministererlaubnis bestehen im Ergebnis damit erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. c) Systemdurchbrechung und fehlende Gesetzgebungskompetenz Das primäre gesetzgeberische Ziel der Fusionskontrolle im Pressebereich ist der Schutz des Wettbewerbs. Die Meinungsvielfalt im Pressebereich soll daneben durch wirtschaftliche Selbstständigkeit und externen Wettbewerb einzelner Presseunternehmen mit abgesichert werden. Mit § 36 Abs. 1a GWB Reg-Entwurf wird dieser auf den wirtschaftlichen Bereich ausgerichtete Bezugsrahmen explizit verlassen. 127 Während die geltende Presserechenklausel, § 38 Abs. 3 GWB, nämlich gerade nicht an bestimmte inhaltliche Kriterien, sondern an den indifferenten Maßstab des Umsatzes anknüpft und das Modell des externen Unternehmenswettbewerbs nicht infrage stellt, vielmehr strengeren Maßstäben unterworfen wird, knüpfen die Verfasser der benannten Entwurfsregelung die Freigabe einer Fusion an den langfristigen Erhalt „eigenständiger redaktioneller Einheiten“ und binden dies wiederum an die Voraussetzung, dass dem Veräußerer oder einem Dritten „Entscheidungen zustehen, die für die Erhaltung der erworbenen Zeitung [...] mit ihren redaktionellen Ausgaben als eigenständige redaktionelle 124 Böge, Ulf, Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 230. 125 Einfachgesetzlich gem. § 1 Abs. 4 MItbestG, § 81 BertVG. 126 Säcker, Franz Jürgen, Fusions- und Kartellereleichterungen für Zeitungsverlage aus wettbewerblicher Sicht, AfP (2005), S. 28 f. 127 Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 331.
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Einheiten wesentlich sind“, wozu ausweislich „die Änderung der redaktionellen Grundhaltung“ zählt. 128 Der Entwurf bezieht sich damit explizit auf den redaktionellen Bereich der Pressetätigkeit und den publizistischen Wettbewerb als medienpolitisches Ziel. Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst bedenklich. Abgesehen davon, dass Wettbewerb von Töchtern eines Unternehmens im System der Fusionskontrolle grundsätzlich nicht berücksichtigt wird, da der wettbewerbliche Verhaltensspielraum der Töchter eines Konzerns im Ergebnis auf einer wirtschaftlichen Basis beruht, welche der Konzern zu erhalten sucht 129, ist mit dieser Regelung in Abweichung vom geltenden Recht ein Modell vorgesehen, durch welches der für Pressemärkte geltende Bedingungszusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wettbewerb und Meinungsvielfalt zum Teil aufgehoben wird. 130 Da eine Vorschrift, die Presseunternehmen den Zusammenschluss gestattet, sofern dies den Fortbestand des bisherigen publizistischen Wettbewerbs zur Wahrung der jeweils existierenden Pressevielfalt in Aussicht stellt, nicht spiegelbildlich die Maßstäbe des externen ökonomischen Wettbewerbs lockert, sondern sie wechselt, stellt eine solche Vorschrift eine Systemdurchbrechung im GWB dar, durch welche das Kartellrecht seinen meinungsneutralen Charakter verliert. Zwar ist eine systemdurchbrechende Sonderreglung nicht schon als solche willkürlich und verfassungswidrig 131, sondern nur dann, wenn ein zureichender sachlicher Grund für die Systemdurchbrechung fehlt. Die Sicherung publizistischer Vielfalt, die sich neben der Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis als sachlicher Grund zunächst aufdrängt, kann jedoch jedenfalls im Rahmen des GWB kein unmittelbarer Anknüpfungspunkt der Regelung und damit auch kein rechtfertigender Grund sein. Dies ergibt sich nicht zuletzt anknüpfend an die kompetenzrechtliche Begrenzung des GWB. Denn wie an anderer Stelle gezeigt, hat der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellungen. Auf dem Gebiet des Pressewesens können Regelungen allein dann auf diesen Kompetenztitel gestützt werden, wenn kein unmittelbares pressespezifisches Ziel verfolgt wird und wirtschaftliche sowie nicht publizistische Instrumente eingesetzt werden. Der explizite Bezug des § 36 Abs. 1a GWBReg-Entwurf auf den redaktionellen Teil einer Zeitung und die Gesetzesbegrün128
§ 36 Abs. 1a Ziff. 3 GWB-RegEntwurf, vgl. BTDrucks. 15/3640, S. 12. Böge, Ulf, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/ 1338 (2004), S. 66. 130 Wallenberg, Gabriela Von, Strukturwandel bei den Zeitungen, K&R (2004), S. 331; Scholz, Christopher – Organisation Werbungtreibender Im Markenverband, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BTDrucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1335 (2004), S. 151. 131 BVerfGE 18, 334. 129
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dung, in welcher der Erhalt der publizistischen Vielfalt als Bedingung für eine gewisse Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis gemacht wird, weisen jedoch eine solche explizite Anknüpfung an pressespezifische Voraussetzungen auf. Außerdem könnte die Tatsache, dass nach dem Entwurf bei der Presse anders als in allen anderen Branchen unter den benannten Voraussetzungen trotz Begründung einer marktbeherrschenden Stellung auf die Untersagung verzichtet wird, neben einer Missachtung der geltenden Systematik des Wettbewerbsrechts als eine ungerechtfertigte Benachteiligung anderer Branchen und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes verstanden werden. 132 Dies gilt umso mehr, als die geplante Regelung insbesondere die Unternehmen begünstigt, für welche die Presserechenklausel ohnehin keinen einschränkenden Effekt hat, nämlich die acht größten Presseunternehmen am Markt. 133 Zwar liegt nach der Entwurfsbegründung der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung in dem aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Pressemarktes bestehenden besonderen Bedürfnis der Presse nach Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis, und eine auf diese Weise begründete spezielle Zulassung von Fusionen ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden – beispielsweise kannte das GWB bis zur 7. GWB-Novelle eine entsprechende Klausel für Versicherungen. Doch stellt sich insoweit in tatsächlicher Hinsicht die Frage, ob gerade die acht größten Verlage, die primär von dieser Regelung profitieren würden, diejenigen sind, die einer „Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis“ bedürfen. Dies ist nach den Ausführungen im ersten Teil dieser Arbeit jedenfalls zu bezweifeln, was auch für die diesbezügliche Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift geltenden muss. Überzeugend führt Möschel 134 zu einem Branchenprivileg aus: „Die Vorstellung, immer dann, wenn eine für das Allgemeininteresse wichtige Branche in Schwierigkeiten gerät, mit Hilfe des Gesetzgebers einzugreifen, ist konzeptionell fehlsam. [...] Es verlässt 132
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1343, (2004), S. 134; Meessen, Karl, Die 7. GWB-Novelle – verfassungsrechtlich gesehen, WuW (2004), S. 743. 133 Die speziellen Regelungen der Pressefusionskontrolle, d. h. die Reduktion der Umsatzschwellen, trifft im Ergebnis nur Unternehmen mit Umsätzen unter 500 Mio. Euro. Alle anderen Verlagsunternehmen hingegen unterliegen – wie die Unternehmen aller anderen Branchen – im Ergebnis „nur“ den allgemeinen Reglungen der Fusionskontrolle. Aktuell zählen dazu jedenfalls die ersten acht der größten Verlagsgruppen, nämlich Springer und Burda. Dies bedeutet, dass alle Fusionen dieser Unternehmen von der spezifischen Pressefusionskontrolle in der bisher geltenden Fassung nicht erfasst sind. Das bedeutet im Ergebnis auch für diese Unternehmen, dass eine Anhebung oder Änderung oder sogar eine vollständige Aufhebung der spezifischen Presserechenklauseln für sie keinerlei Änderung enthalten und damit ihren strategischen Zeilen gar nicht entsprechen würden. Paetow, Klaus, Medienmacht, Medienvielfalt und wirtschaftliche Vernunft als kartellrechtliche Herausforderungen, 20. Sinclair-Haus-Gespräche, Thema: Medien in der Krise?, (09.-10. 05. 2003). 134 Möschel, Wernhard, Reform des Pressekartellrechts?, JZ (2004), S. 1062.
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das ordnungspolitische Fundament einer Marktwirtschaft, wie sie für Deutschland und Europa prägend ist: Der Freiheit zur Investition entspricht die Chance des Gewinns oder auch das Risiko des Verlustes. Die weitgehende Abschirmung gegen Strukturwandel, wie sie der Entwurf beabsichtigt, ist Strukturkonservativismus in einer besonders kruden Form.“ Ergänzend sei angemerkt, dass eine entsprechende Ausnahme auch aus europarechtlicher Perspektive nicht unbedenklich ist, schließlich zielt die EU-Kartellverordnung gerade auf die Abschaffung von Ausnahmen. Somit beinhaltet die Anerkennung weiterer branchenbezogener Ausnahmen die Gefahr der Aufsplittung und des Auseinanderfallens der Wettbewerbsregeln und widerspricht damit der Grundtendenz des GWB, die Maßstäbe des EG-Rechts zu übernehmen. 135
§ 4 Ergebnis Der Regierungsentwurf zur 7. GWB-Novelle 136 sah im Kern vier Änderungen der geltenden Pressefusionskontrolle vor. Nur eine der vorgeschlagenen Änderung, die sogenannte Altverlegerklausel, ist als verfassungswidrig einzustufen. Die vorgesehene Anhebung der Aufgreifkriterien und die Anwendbarkeitserklärung der Anschlussklausel stellen eine aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandende Zunahme des kontrollfreien Raumes für Pressefusionen dar. Auch die weitergehende Zulassung von Kooperationen ist eine grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässige Möglichkeit zum Abschluss von – von § 1 GWB abweichenden – wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen. Allerdings sind dem Umfang der entsprechenden Freistellung unter Einbeziehung einer überzeugenden Rechtsfolgenabschätzung klare Grenzen zu setzen. Die „Altverlegerklausel“, nach welcher sogenannte vielfaltserhaltende Fusionen – in Abweichung von § 36 Abs. 1 GWB und damit der Sanierungsfusion und der Ministererlaubnis vergleichbar – trotz Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zugelassen werden sollen, wenn die redaktionelle Unabhängigkeit der beteiligten Zeitungen durch konzerninterne Vereinbarungen als gesichert gilt, ist hingegen verfassungsrechtlich – unabhängig von den verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – nicht akzeptabel. Zwar ist das gesetzgeberische Ziel, durch eine Stärkung der wirtschaftlichen Basis der Presse publizistische Vielfalt zu sichern, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, denn Vielfalt besitzt durchaus auch eine Dimension wirtschaftlicher Stärke. Ebenso wenig greifen die wettbewerbspolitischen Zweifel an der Geeignetheit und Erforderlichkeit mit Blick auf den weiten Ermessensspielraum des Wirtschaftsgesetzgebers verfassungsrechtlich durch und 135 136
Geerlings, Jörg, Pressefusionskontrolle contra Pressefreiheit, AfP (2004), S. 331. BT-Drucks 15/3640.
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auch die Durchbrechung des Konzepts des optimalen Wettbewerbs ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Doch stellt die Vorschrift eine Abweichung vom bisherigen Marktstrukturbezug der Pressezusammenschlusskontrolle dar, für die – aufgrund redaktioneller Anknüpfungspunkte – dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehlen würde. Ferner erscheint die Regelung ohne eine laufende und auch inhaltliche, mithin unzulässige, Kontrolle der Presse nicht umsetzbar. Die im Regierungsentwurf gewählte Modifikation der Pressefusionskontrolle ist somit als partiell verfassungswidrig anzusehen. 137
137 Degenhart, Christoph, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006) Rn. 454, allerdings insoweit ungenau im Hinblick auf die „Altverlegerklausel“.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit Zu Teil 1 – Rechtstatsächliche und einfachgesetzliche Rahmenbedingungen der Pressefusionskontrolle 1. Seit den ersten Tagen der Zeitung ist das Medium in besonderem Maße von technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst. Trotz erheblicher Veränderung der Rahmenbedingungen wurde sie in ihrer Existenz jedoch nie infrage gestellt. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 1 – Entwicklung der deutschen Zeitung in historischer Skizze bis zum Jahr 2001. 2. Die Entwicklung der Zeitung zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Beginn der sogenannten Pressekrise im Jahr 2001 lässt sich in fünf Abschnitte aufteilen. In der ersten Entwicklungsphase, der „Lizenzzeit“ von 1945 bis 1949, führten die Alliierten einen Lizenzzwang ein, durch welchen alle Verleger aus der Zeit vor 1945, die sogenannten Altverleger, von der Erteilung einer Lizenz und damit auch von der Pressearbeit ausgeschlossen waren. Mit der Einführung der Generallizenz im September 1949 endete diese Phase. Ein regelrechter Gründungsboom folgte (Gründungsphase von 1949 – 1954), der nach einer Gründungshochphase Mitte der 1950er-Jahre in eine bis ca. 1976 dauernde Konzentrationswelle mündete (Konzentrationsphase von 1954 bis 1976). Diese Zeit der Konzentration führte vor allem auf der Ebene der Lokalpresse zu einer Verkürzung des Angebots und der Entstehung von „Ein-Zeitungskreisen“, also Landkreisen bzw. kreisfreien Städten, in denen eine regionale Zeitung am Markt angeboten wird. Diese prägen noch heute die deutsche Presselandschaft. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 27. 07. 1957, die 1. GWB-Novelle von 1965 und auch die mit der 2. GWB-Novelle im Jahr 1973 in das Gesetz eingeführte allgemeine Fusionskontrolle zeigten keine Wirkung auf die Konzentrationsentwicklung im Pressemarkt. Erst die Einführung der pressespezifischen Konzentrationskontrolle im Jahr 1976 mit der 3. GWB-Novelle, welche die für pressewirtschaftliche Umsätze hohen Aufgreifkriterien der allgemeinen Fusionskontrolle absenkte, führte zu einer Stabilisierung der Marktentwicklung und bremste die Konzentration. Damit war eine Phase der Konsolidierung (1976 –1989) eingeleitet. In dieser Phase war ein leichter, jedoch im Vergleich zur Konzentrationszeit wesentlich abgeschwächter Konzentrationstrend zu verzeichnen. Die Jahre 1989 – 2001 (Phase von Wachstum und Konzentration) zeigten aufgrund der einschneidenden politischen Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland durch die Wiedervereinigung (1990) keine klare
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und einheitliche Entwicklung. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 1 – Entwicklung der deutschen Zeitung in historischer Skizze bis zum Jahr 2001. 3. Die monopolistischen Strukturen des Zeitungsmarktes, die vor allem im lokalen und regionalen Bereich bestehen, gelten zumeist als verfestigt. Derartig verfestigte Marktstrukturen sind u. a. bedingt durch diverse Marktunvollkommenheiten des Pressemarktes, z. B. der Abhängigkeit der Zeitung von der Aktivität auf dem Anzeigenmarkt bzw. den Zwängen der „Anzeigen-Auflagen-Spirale“. Daneben führen vor allem die geringe Nachfrageflexibilität des Zeitungsmarktes, Größenvorteile bei der Produktion und Vertriebsstrukturen zu hohen Marktzutrittsbarrieren und verringern Optimierungsanreize für den Marktführer, den Marktneueintritt oder die Verdrängung des Marktführers durch nachfolgende Zeitungen. Dem Engagement auf zwei Märkten – dem Anzeigenmarkt und dem Markt der Inhalte – folgend, existiert überdies nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine publizistische Konkurrenz und Sensibilität des Marktes. Daneben ist die Presse aus diesem Grunde auch in doppelter Weise konjunkturabhängig, was insbesondere bei den Anzeigen-, aber auch bei den Verkaufserlösen spürbar wird. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I, 1 – Branchenstruktur des Zeitungsmarktes. 4. Der Zeitungsmarkt ist zahlreichen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Einflüssen ausgesetzt. Von großer Relevanz ist insoweit neben der individualisierungsbedingten Zersplitterung der Märkte und der daraus resultierenden zunehmenden Bedeutung individualisierbarer Medien der technologische Fortschritt, welcher zunehmend neue Konkurrenten am Medienmarkt etabliert. In besonderer Weise wird die Presse auch durch deren Abhängigkeit vom konjunkturellen Zyklus beeinflusst, der in der Zeit zwischen 2001 und 2005 eine schwache Entwicklung zeigte. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I, 2 – Gesellschaftlich-wirtschaftlicher Kontext der Entwicklung des Zeitungsmarktes in der Zeit der Pressekrise. 5. Der Einbruch bzw. die Stagnation des Werbemarktes zwischen den Jahren 2001 und 2005 hat bei nahezu allen Werberträgern zu deutlichen Einbußen der Werberlöse geführt. Zwar hat die Zeitung trotz der im Vergleich zum Gesamtwerbemarkt schwächeren Investitionsentwicklung noch nicht ihre Vorrangsstellung im Hinblick auf den absoluten Marktanteil der Medien am Werbekuchen eingebüßt, Zeitungen waren jedoch überproportional zu ihrem Marktanteil am Gesamtverlust beteiligt. Auch von der Erholung des Marktes konnten Zeitungen weniger profitieren als ihre Konkurrenten. Mit den Einbußen im Bereich der Anzeigenerlöse ging schließlich auch eine Veränderung der über Jahrzehnte etablierten Erlösstruktur von zwei Dritteln Werbeeinnahmen und einem Drittel Vertriebseinnahmen einher. Schärfster Konkurrent der Tageszeitungen auf dem gesamten Werbemarkt ist das Fernsehen, das im Bereich der klassischen Werbeanzeigen die Zeitung bei den Einnahmen bereits überholt hat. Beim Rubrikenanzeigenmarkt hingegen zeichnet sich ein intensiver Wettbewerb mit dem Internet ab, welches z. B. in der „Werbekrise“ als einziges Medium durchgehend
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ein Wachstum an Werbeeinnahmen verzeichnen konnte. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II., 1. – Drastische Verluste auf dem Anzeigenmarkt mit einer Verschiebung der Werbeinvestitionen zulasten der Zeitung. 6. Deutlich früher als auf dem Werbemarkt, nämlich seit etwa 1985, hatte die Zeitung auf dem Rezipientenmarkt Verluste zu verbuchen. Die kontinuierliche Erhöhung des Wettbewerbsdrucks durch den Konkurrenten Fernsehen und später auch durch den Konkurrenten Internet hat sich hier zulasten der Zeitungen ausgewirkt. Anders als im Werbemarkt vermochte im Rezipientenmarkt auch eine starke Konjunktur die Auswirkungen des steigenden Wettbewerbsdruck nicht abzufedern. Das sinkende Rezipienteninteresse schlug sich in sinkenden Auflagen, Reichweiten und Nutzungszeiten nieder. Da sich Zeitungen getragen von konjunkturell bedingten Erlösen auf dem Werbemarkt jedoch noch zu einer Zeit gut im Wettbewerb fühlten, als die Verluste auf dem Rezipientenmarkt bereits sichtbar waren, hat erst die Werbekrise viele Verlage aufgerüttelt und dazu veranlasst, den Erlöseinbußen beispielsweise durch Produktinnovationen und -diversifikationen zu begegnen. Besonders ertragreich erwies sich das Zusatzgeschäft mit Büchern, DVDs und CDs. Große Hoffnungen legen Zeitungen in das E-Paper und die Nutzung ihrer Vertriebswege für die Postzustellung. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II, 2 – Kontinuierliche Einbußen im Rezipientenmarkt mit einem Trend zur Erschließung neuer Märkte. 7. Der deutsche Zeitungsmarkt ist zwar konzentriert, aber mit knapp 140 publizistischen Einheiten, ca. 350 Verlagen als Herausgeber und ca. 1500 Ausgaben (2006) noch vielfältig. Das aktuelle Konzentrationsniveau ist vor allem den Marktentwicklungen zwischen 1967 und 1976 geschuldet, in der sowohl die Zahl der Zeitungen bzw. der Ausgaben, Verlage als Herausgeber und der publizistischen Einheiten als auch die Zeitungsdichte spürbar abnahmen. Nach 1976, und damit auch nach Einführung der Pressefusionskontrolle im GWB, hingegen war die Konzentrationsentwicklung deutlich abgeschwächt bzw. der Markt aufgrund der vorangegangenen Konzentrationswelle verfestigt. Seither dominieren im lokalen bzw. regionalen Zeitungsmarkt Monopole oder Duopole bei entsprechend geringer Wettbewerbsintensität. In der Zeit der drastischen Anzeigenverluste seit 2001 war kein deutlicher Konzentrationsanstieg festzustellen. Insbesondere die Entwicklung der publizistischen Einheiten, die seit 1993 quasi stagniert, zeigt, dass die Konzentrationsentwicklung seit der Einführung der Pressefusionskontrolle weniger sensibel auf konjunktur- oder strukturbedingte wirtschaftliche Schwankungen reagiert. Allerdings ist mit Blick auf die Vielfältigkeit des Marktes bedenklich, dass trotz diverser Neugründungen die Zahl der Ein-Zeitungskreise steigt. Die Neugründungen, die Zeitungseinstellungen „rechnerisch“ ausgleichen, kommen primär der Bevölkerung in den Großstädten zugute, in denen bereits eine umfassende Auswahl vorhanden ist. Vgl. Teil 1, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II, 3 – Entwicklung der redaktionellen und verlegerischen Struktur und der wirtschaftlichen Marktmacht.
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8. Der Gesetzgeber beabsichtigt, mit dem Instrument der Fusionskontrolle, die Rechtgrundlage für ein präventives Verbot von übermäßigen oder als schädlich empfundenen Unternehmenszusammenschlüssen ist, die dem ökonomischen Wettbewerb zugesprochenen zentralen gesellschaftlichen und ökonomischen Funktionen zu sichern. Zu diesen Funktionen gehören neben der Koordination der Aktivitäten der Marktteilnehmer und der Steuerung des Angebots nach den Präferenzen der Nachfrager u. a. die Preisstabilisierung, die Schaffung von Anreizen zur Qualitätsverbesserung und zu Innovationen sowie die Stärkung der Auswahlfreiheit des Abnehmers. Im Pressemarkt wird die gesetzgeberische Intention allerdings noch um eine weitere legislatorische Zielsetzung ergänzt, nämlich um den Schutz publizistischer Vielfalt. Grundlage dieses pressespezifischen Schutzkonzepts ist die These, dass ökonomischer Wettbewerb einen Beitrag zu Sicherung publizistischer Vielfalt zu leisten vermag. Zwar sieht sich diese sogenannte Vielfaltsthese Einwänden ausgesetzt, doch ist sie als Tendenzaussage, nach der Vielfalt in der Eigentümerstruktur vorherrschende Meinungsmacht verhindern kann und ökonomischer Wettbewerb die Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines vielfältigen Pressemarkt erhöht, plausibel. Auch wenn Wettbewerb keine Garantie für publizistische Vielfalt liefert, schafft er doch die Rahmenbedingungen dafür. Vgl. Teil 1, 2. Abschnitt, § 1 – Konzept der Wettbewerbs- und Vielfaltssicherung. Zu Teil 2 – Verfassungsrechtlicher Rahmen der gesetzlichen Pressefusionskontrolle 1. Das Grundrecht der Pressefreiheit stößt in seiner rein abwehrrechtlichen Funktion an seine Grenzen, wenn die grundrechtlich geschützte Freiheit des Einzelnen durch nicht staatliche Kräfte z. B. privatwirtschaftlich bedingte Konzentrationsprozesse bedroht wird. Getragen von dem individualrechtlichen Bedürfnis, den durch private Macht entstehenden Gefahren ausgleichend Rechnung zu tragen, zielen die Theorien der Drittwirkung darauf ab, den staatsgerichteten Grundrechten eine Wirkungsdimension auch gegenüber privaten Rechtsträgern zuzuerkennen. Während das unmittelbar Drittwirkungskonzept nicht für die Bewältigung privater Grundrechtsgefährdung geeignet ist, da Grundrechte bei Eingriffen Privater keine der Staatsgerichtetheit vergleichbare Drittgerichtetheit entwickeln, können Grundrechte im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Privatrechtsverhältnisse einwirken. Dies setzt allerdings voraus, dass ein einfachgesetzlich geregeltes Rechtsverhältnis zwischen zwei Privatrechtsakteuren vorhanden ist und die infrage stehenden Vorschriften einen Spielraum für eine effektive Berücksichtigung der Grundrechte lassen. Da im Rahmen von Konzentrationsprozessen im Pressewesen regelmäßig kein konkretes privatrechtliches Rechtsverhältnis besteht, lassen sich die im vorliegenden Kontext der bestehenden Fragen der Bedrohung von Vielfalt und Wettbewerb nur eingeschränkt durch das Konzept der mittelbaren Drittwirkung regulieren. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt,
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§ 1, Ziff. III, 1, a – Primär subjektives Grundrechtsverständnis vom Grundrecht der Pressefreiheit. 2. Vor dem Hintergrund der Begrenztheit des Abwehrrechts kann das Grundrecht zur grundrechtlichen Förderung und Sicherung aus seiner klassischen subjektiv-rechtlichen Funktion im Staat – Bürger – Verhältnis gelöst werden und als Norm mit objektiv-rechtlichem Gehalt und den darin enthaltenden „Wertentscheidungen“ von Verfassungsrang Wirkungskraft im Bürger – Bürger – Verhältnis entfalten. Allerdings bleibt auch bei Anerkennung objektiv-rechtlicher Gehalte das Grundrecht ein primär individuelles Abwehrrecht, das als subjektives Recht eines konkreten Grundrechtsträgers auf Abwehr staatlicher Eingriffe gerichtet ist. Die objektive Funktion tritt ergänzend zum Abwehrrecht hinzu, z. B. dann, wenn das Abwehrrecht den erforderlichen Umfang der Schutzgarantie allein nicht zu bieten vermag. Der status positivus besteht somit im Sinne einer zweiten Schutzschicht neben dem status negativus. Er kann je nach Situation und Einzelfall bis zu einem gegenüber der subjektiven Gewährleistung gleichwertigen (d. h. aber auch nicht darüber hinausgehenden) Recht erwachsen, ohne die abwehrrechtliche Hauptfunktion jedoch modifizieren, verdrängen oder ersetzen zu können. Die objektive Grundrechtsseite kann somit auch nicht in isolierter Eigenständigkeit zu einem „Institut“ erwachsen, das sich vom subjektiven Recht löst und als Träger einer öffentlichen Aufgabe die subjektive Seite überdeckt. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 1, b – Ablehnung eines rein objektiv-rechtlichen Grundrechtsverständnisses. 3. Aussagen zur Vielgestaltigkeit der Presse trifft die Verfassung im Grundrecht der Pressefreiheit. Allerdings weisen die mediale Vielgestaltigkeit und die staatliche Verantwortung für die Sicherung dieser Vielfalt nicht nur Bezüge zur Pressefreiheit, sondern auch zu Art. 5 Abs. 1 GG „im Ganzen“ auf. In der polystruktural verfassten Kommunikationsordnung des Grundgesetzes steht die Freiheit der Berichterstattung durch die Presse nämlich nicht für sich allein, sondern reiht sich in die Gruppe der sogenannten Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG ein. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG beschreiben insoweit eine freiheitliche Kommunikationsordnung, in dessen Mittelpunkt die freie individuelle Meinungsäußerung und die öffentliche Meinungsbildung stehen. Beide Aspekte der geistigen Freiheit werden durch die Massenkommunikationsmittel gestützt und gefördert. Daher ist – ungeachtet einer gewissen funktionalen und organisationsbezogenen Selbstständigkeit der Medien – eine vollständige Autonomie der Medienfreiheiten sowohl gegenüber Art. 5 Abs. 1 GG als auch gegenüber den anderen in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Medienfreiheiten abzulehnen. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der modernen technischen Entwicklungen, in welcher Mediengattungen zusehends verschwimmen und daher die isoliert begriffliche und vertriebsformorientierte Betrachtung einzelner medialer Freiheiten an ihre Grenzen stößt, von besonderer Bedeutung.
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Doch auch wenn das Zusammenwachsen von Märkten, Vertriebswegen und Endgeräten die Grenzen zwischen Massenkommunikationsmitteln und zwischen Individual- sowie Massenkommunikation zunehmend verschwimmen lässt und damit eine medienübergreifende Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 GG der sozialen Wirklichkeit entspricht, dürfen die explizit in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Freiheiten nicht vollständig in einer einheitlichen Medienfreiheit aufgehen. Die Art. 5 Abs. 1 GG im Ganzen entnehmbaren verfassungsrechtlichen Aussagen beziehen sich nämlich auf eine Kommunikationsordnung, in der die Pressefreiheit zusammen mit anderen normativen Vorgaben die Konturen eines Bereichs freier Kommunikation bilden. Über diese alle Medien umfassenden verfassungsrechtlichen Vorgaben hinaus finden sich speziellere Inhalte in den einzelnen Medienfreiheiten. Diesen kommt neben dem „gemeinsamen Nenner“ medialer Freiheiten eine eigenständige Bedeutung zu, wenn auch die Grenzen zwischen den allgemeinen und besonderen Herleitungen aus Art. 5 Abs. 1 GG fließend sind. Im Ergebnis ist von einer zweischichtigen Betrachtung des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG auszugehen, die sich in die Schicht der allgemeinen Gehalte, die allen Massenkommunikationsmitteln innewohnen, und einer spezielleren oder auch tieferen Schicht der Gehalte der spezifischen Freiheiten von Presse, Rundfunk und Film aufteilen lässt. Anknüpfend an diese Erkenntnisse, sind Art. 5 GG damit sowohl Vorgaben zur Presse- bzw. monomedialen Vielfalt (zwischen Repräsentanten eines Mediums, z. B. der Presse) als auch zur multimedialen Vielfalt (zwischen verschiedenen Medienarten) zu entnehmen. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 2 – Pressezusammenschlüsse und das Grundrecht der Pressefreiheit im Gesamtkontext des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG. 4. Auch das Grundrecht der Informationsfreiheit enthält Vielfaltsvorgaben. Verfassungsrechtliche Vorgaben zur Vielgestaltigkeit der Presse lassen sich jedoch, auch wenn sie dem Rezipienten dienen, nicht allein auf die Basis des objektiv-rechtlichen Gehalts der Informationsfreiheit stützen und können nicht aus der Freiheit der Massenkommunikation gelöst werden. Die besondere demokratiespezifische Bedeutung massenmedialer Vielfalt und die vielfältige sowie zuverlässige Verbreitung von Information sind nämlich nur in Teilen vom Gewährleistungsbereich der Informationsfreiheit umfasst; z.T. geht sie weit darüber hinaus (Verbreitungsfaktor, redaktionelle Bearbeitung und Kommunikationsbereich), z.T. ist sie enger (nicht jegliche erdenkliche Quelle). Dem auf die Informationsfreiheit bezogenen Ansatz der Vielfaltssicherung ist damit zwar zuzugeben, dass auch der Rezipient in die Bestimmung der Vielfaltsanforderungen der Verfassung mit einzubeziehen und die mitkonstituierende Bedeutung der Informationsfreiheit für den freiheitlich-demokratischen Meinungsbildungsprozess zu beachten ist. Es darf allerdings nicht darüber hinweggesehen werden, dass die staatliche Verantwortung für die Vielfaltssicherung neben dem Rezipienten auch dem medialen Organ, den Journalisten und den Verlegern gilt, welche nicht der Möglichkeit der Grundrechtsaktivierung beraubt werden dürfen. Vgl. Teil 2,
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1. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 3 – Pressezusammenschlüsse und die Bedeutung des Grundrechts der Informationsfreiheit. 5. Ebenso wenig können das Demokratie- und das Sozialstaatsgebot allein Grundlage einer verfassungsrechtlichen Vielfaltsvorgabe sein. Wenngleich diese Staatszielbestimmungen zweifelsohne relevante Bezüge zur staatlichen Verantwortlichkeit für die Vielgestaltigkeit des Pressewesens aufweisen, entfalten sie ihre Wirkung jedoch nur im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 GG, also nicht allein und losgelöst von grundrechtlichen Gehalten. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 4 – Ausstrahlungswirkung der Staatszielbestimmungen des Demokratieund Sozialstaatsprinzips auf Art. 5 Abs. 1 GG. 6. Das Grundgesetz ist wirtschaftlich neutral. Es gibt kein bestimmtes Wirtschafssystem vor, was dem einfachen Gesetzgeber erlaubt, die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen. Freilich ist ihm dies nur unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben möglich, denn jedes staatliche Handeln ist durch kompetenzrechtliche Vorgaben, objektive Verfassungsprinzipien und Grundrechte gebunden und begrenzt. Auch ein explizit normiertes Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit kennt die Verfassung nicht. Die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung erfährt vielmehr durch verschiedene Einzelgrundrechte, insbesondere Art. 2, 9, 11, 12 und 14 GG, verfassungsrechtlichen Schutz, wobei die Zuordnung der wirtschaftlichen Betätigung zu einem oder mehreren dieser Grundrechte davon abhängig ist, in welcher Form wirtschaftlich gehandelt wird und wie die Eingriffs- und Belastungsrichtung einer staatlichen Maßnahme ist. In der Regel werden Art. 12 und 14 GG gemeinsam einschlägig sein. Art. 2 Abs. 1 GG tritt zumeist als subsidiär zurück. Die ausgehend von diesen Einzelgrundrechten geschützte sogenannte Wirtschaftsfreiheit umfasst im Rahmen dieser Vorschriften u. a. die Vertragsfreiheit, die Wettbewerbsfreiheit und die Unternehmerfreiheit. Auch die wirtschaftliche Betätigung von Presseunternehmen ist durch die verfassungsrechtlich garantierten Wirtschaftsgrundechte geschützt. So sind z. B. Pressezusammenschlüsse ebenso wie Zeitungsneugründungen, Werbemaßnahmen oder sonstige wettbewerbliche Aktivitäten neben dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch vom Schutz der „Wirtschaftsfreiheit“ gem. Art. 12 und 14 GG erfasst, wobei die Schutzrichtung z. B. bei fusionsaversen- und fusionswilligen Unternehmen durchaus entgegenlaufend sein kann. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. IV – Grundrechtsbezüge des Pressefusionstatbestands mit Blick auf die wirtschaftliche Aktivität von Presseunternehmen. 7. Die Presse gehört zum staatsfreien Gesellschaftsbereich. Sie muss sich im gesellschaftlichen Raum nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen frei bilden können und steht in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz. Presseunternehmen sind damit gleichrangig Träger sowohl des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als auch der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG und 14 GG. Die Grundrechte stehen insoweit in Idealkonkurrenz. Gleiches gilt für die Schranken dieser Grundrechte, denn ein automatischer Vorrang des einen oder anderen
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Vorbehalts ist abzulehnen. Der Ausgleich der konkurrierenden Schranken erfolgt vielmehr im Wege der einzelfallbezogenen Abwägung, d. h. im Fall eines Legislativakts im Wege einer gesetzlichen Konkurrenzlösung. Hierfür bietet sich ein Stufenmodell an, das sich an der „publizistischen Relevanz“ der Maßnahme orientiert. Auf diese Weise kann erreicht werden, dass wirtschaftlich motivierte staatliche Maßnahmen, die keinerlei publizistische Relevanz aufweisen, d. h., nicht an der geistig-inhaltlichen Kommunikation durch die Presse teilnehmen, nicht unverhältnismäßig hohen Rechtfertigungsanforderungen gegenüberstehen, hingegen solchen Verhaltensweisen, die in den publizistischen Kernbereich fallen, besonderer Schutz zukommt. Neben dieser Konkurrenz treten Privatautonomie und Wettbewerbsfreiheit, ebenso wie Privatautonomie und Pressefreiheit zumeist insoweit in Konflikt, als verschiedene Grundrechtsträger, z. B. Groß-, Mittel- und Kleinunternehmen, Leser und Zulieferer, sich auf diese divergierenden Freiheiten berufen, d. h., die Grundrechte kollidieren. Zur Herstellung der Einheit der Verfassung sind auch diese kollidierenden Interessen in Einklang zu bringen. Dabei hat die kollisionslösende Instanz die einander gegenüberliegenden Positionen unter bestmöglicher Wahrung der Schutzgüter optimierend zuzuordnen und sich – um die kollisionslösende Entscheidung überprüfbar zu machen – an spezifizierten Abwägungsverfahren zu orientieren. Da das Gewicht der Grundrechte im Verfassungsgefüge, die Betroffenheit des (publizistischen) Grundrechtskerns und im Rahmen der Kollision vor allem das Schutzziel einer Maßnahme relevante Orientierungsmaßstäbe darstellen, erlangt die publizistische Relevanz der Maßnahme auch im Rahmen der Kollisionslösung Bedeutung. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 1, Ziff. V – Auflösung verfassungsrechtlicher Spannungslagen zwischen Wirtschafts- und Pressefreiheit. 8. In wechselseitigem Bezug zum tatsächlichen Lebenssachverhalt der Medien bilden die verfassungsrechtlichen Vorgaben der einschlägigen Grundrechte den Kern eines stabilen rechtlichen und soziologischen Komplexes, der sich unter dem Begriff der „Kommunikationsordnung“ zusammenfassen lässt. Die Kommunikationsordnung umspannt – anknüpfend an das systematische Verständnis des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG – als „gemeinsamer Nenner“ der Medienfreiheiten alle Mediengattungen und liefert den Rahmen für einen freiheitlichen medienübergreifenden Meinungsbildungsprozess. Ein Kernelement dieser Ordnung bildet die verfassungsrechtlich vorgegebene staatliche Neutralität, nach der die Kommunikationsordnung weder Güte noch Status eines Kommunikationssystems garantiert. Ein weiterer Grundpfeiler der Kommunikationsordnung ist die Entwicklungsoffenheit, derzufolge die Kommunikationsverfassung auch neuen Medien offen gegenübersteht und die deren Entwicklung verfassungsrechtlich schützt, ohne indessen eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für am Markt etablierte Medien oder eine Vorgabe zum Schutz vor wachsender Konkurrenz anderer Medien zu enthalten. Schließlich kann der Kommunikationsordnung als polystruktural organisiertem System die Vorgabe multimedialer Pluralität
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entnommen werden. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. I – Grundzüge der verfassungsrechtlichen Kommunikationsordnung. 9. Das Grundrecht der Pressefreiheit und das diesbezügliche soziologische System geben – analog der an Art. 5 Abs. 1 und 2 GG anknüpfenden Kommunikationsordnung – eine Presseordnung bzw. ein verfassungsrechtliches Pressebild vor. Nach diesem Pressebild erfüllt die privatwirtschaftlich organisierte, sich im gesellschaftlichen Raum frei bildende Presse eine „öffentliche Aufgabe“ im Sinne einer staatswissenschaftlichen und soziologischen Umschreibung. Sie gehört jedoch nicht zu den institutionell in die Staatsorganisation einbezogenen Einrichtungen. Der Lebenssachverhalt der „Presse“ verkörpert als solcher damit keine Instituts- bzw. institutionelle Garantie im verfassungsrechtlichen Sinn, und die „öffentliche Aufgabe“ der Presse stellt sich nicht als staatliche Aufgabe dar. Die Verfassung zeichnet vielmehr das Bild eines Instituts der „Freien Presse“ im untechnischen Sinne. Ein Kernelement dieses verfassungsrechtlichen Bildes ist die Pressevielfalt. Diese sich von der Meinungsvielfalt unterscheidende Vorgabe kann im verfassungsrechtlichen System durch binnen- und außenplurale Strukturen gesichert werden, ohne dass die grundgesetzliche Pressefreiheitsgarantie allerdings ein dem außenpluralen Modell vorgehendes System innerer Pressefreiheit vorgibt. Im Gegenteil, die innere Pressefreiheit kann allenfalls zur Kompensation verloren gegangener Außenpluralität herangezogen werden. Das verfassungsrechtliche Pressebild beinhaltet ferner die Freiheit des publizistisch geistigen Schaffens in verschiedenen Facetten. Vom Schutzgehalt sind neben der Tendenzautonomie des Verlegers und der publizistischen Freiheit des weisungsgebundenen Journalisten die Vorgabe staatlicher Neutralität, z. B. in Form des Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und Informant, dem sogenannten Redaktionsgeheimnis, oder in Form der Untersagung einer staatlichen Aufsicht oder Lenkung, beispielsweise einer Auflagenbegrenzung, umfasst. Schließlich erfährt das verfassungsrechtliche Pressebild durch das System der verfassungsrechtlichen Wirtschaftsordnung eine relevante Prägung. So kennt das Pressebild anknüpfend an das Bekenntnis der Wirtschaftsfreiheitsgrundrechte zur freien wirtschaftlichen Betätigung und das Fehlen eines geschlossenen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Systems keine institutionelle Absicherung des Pressewettbewerbs oder eine „Status-quo“-Garantie. Das Pressebild enthält ebenfalls keine abstrakte Festlegung auf ein bestimmtes wettbewerbliches Handlungsmodell (z. B. einen Struktur- oder optimalen Wettbewerb) bzw. eine generelle Garantie der privatrechtrechtlichen Struktur. Eine Sozialisierung oder Enteignung einzelner Unternehmen bzw. eine vollständige Verstaatlichung muss mit Blick auf die besondere unternehmerisch-privatwirtschaftliche Prägung und der davon umfassten Gründungsfreiheit jedoch als verfassungsrechtlich unzulässig angesehen werden. Vgl. Teil 2, 1. Abschnitt, § 2, Ziff. II – Das Pressebild des Grundgesetzes unter Beachtung wirtschaftsverfassungsrechtlicher Implikationen.
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10. Aus einer Störung der grundrechtlichen Wertordnung folgt anerkanntermaßen die Verantwortung staatlicher Organe, sich schützend und fördernd vor die von der Wertordnung umfassten Rechtsgüter zu stellen. Die Verantwortung, grundrechtliche Schutzgüter mit zwecktauglichen rechtsstaatlichen Mitteln zu schützen, gilt auch für die oben beschriebene Kommunikationsordnung und das Pressebild. Nach dem Bundesverfassungsgericht folgt beispielsweise aus der „Eigenständigkeit der Presse als objektives Prinzip“ eine Pflicht des Staates zum Schutz der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit, also eines Teils der beschriebenen Presseordnung. Dem Staat wird darüber hinaus auch die Pflicht zugewiesen, eine hinreichende Zahl selbstständiger periodischer Druckwerke, die in unterschiedlicher Weise auf die Bildung der öffentlichen Meinung einwirken (d. h. Pressevielfalt als Teil des Pressebildes) sicherzustellen und Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen können. Neben der subjektiven, auf Staatsabwehr gerichteten Vorgabe umfasst das Grundrecht der Pressefreiheit auch die staatsgerichtete Aufgabe, dort, wo der Geltungsbereich der Presse berührt sein kann, dem Postulat der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen. Die dogmatischen Wurzeln dieser Pflicht werden zumeist in objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten oder der „Presse als objektives Prinzip“ gesehen. Aus dem Grundrecht der Pressefreiheit in seiner Eigenschaft als objektive Grundsatznorm wird dem Staat auch „eine Schutzpflicht für die Presse“ auferlegt oder schlicht eine allgemeine Handlungspflicht, ohne eine weitergehende dogmatische Präzisierung dieser Verpflichtung, angenommen. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. I – Funktionsverantwortung des Staates: Anerkannte Handlungspflicht zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Pressebildes. 11. Grundrechte beschreiben eine verfassungsrechtliche Wertordnung und damit Zielvorstellungen für die Gestaltung dieser Ordnung, also die Gestaltung freiheitlicher Lebensbereiche eines freien Gemeinwesens bzw. verschiedener Grundrechtsträger. Die verfassungsrechtlich normierten Aufgaben sind jedoch nicht „self-executing“, sie bedürfen der Umsetzung bzw. Verwirklichung. Die Verwirklichung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgaben und Ziele kann sowohl durch staatliche als auch – wie im Bereich der „öffentlichen Aufgabe“ der Presse – gesellschaftliche Aufgabenträger erfolgen. Entstehen bei der Umsetzung verfassungsrechtlicher Zielvorstellungen oder Aufgaben allerdings Umsetzungsdefizite oder Konflikte, kann der Staat, nicht jedoch der gesellschaftliche Aufgabenträger, verpflichtet sein, die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Zielvorstellungen sicherzustellen, um damit im Ergebnis den Schutz grundrechtlicher Güter verschiedener Grundrechtsträger in einen Ausgleich zu bringen. Der Umstand, dass der Staat eine verfassungsrechtliche Aufgabe erfüllt, entbindet ihn allerdings nicht von der Pflicht, allen – den formellen und materiellen – verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Ergreifung staatlicher Maßnahme gerichtet werden, zu genügen. Die verfassungsrechtlich vorgegebene bzw. aus der Verfassung ableitbare Aufgabe oder Pflicht ist folglich im Rahmen der Kompetenzordnung, wie sie die Gewaltenteilung, der Bundesstaat und die sonsti-
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gen Gliederungssysteme vorgeben, zu erfüllen. Ferner bedarf das handelnde staatliche Organ einer Befugnis, um in den Rechtskreis von Grundrechtsträgern eingreifen zu können. Diese ergibt sich ebenso wenig wie die Kompetenz aus der Aufgabe oder Pflicht selbst, sondern z. B. aus grundrechtlichen Vorbehalten. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II – Skizze der Bezüge der Funktionssicherungspflicht zur Staatsaufgabelehre. 12. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers, gegen Marktverschiebungen im Pressemarkt vorzugehen, die mit Wettbewerbsbeschränkungen verbunden sind, steht angesichts der ausdrücklichen Bundeskompetenz für Regelungen zur Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG, außer Frage, jedenfalls soweit die entsprechenden Vorschriften an wirtschaftliche und nicht publizistische Kriterien anknüpfen. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. II – Skizze der Bezüge der Funktionssicherungspflicht zur Staatsaufgabelehre. 13. Die verfassungsrechtliche Presseordnung schützt die wirtschaftlichen Aspekte der Presse, insbesondere den Presswettbewerb, nicht als Selbstzweck, sondern aufgrund der Anerkennung des Wettbewerbs als zweckmäßige Marktform, welche Unternehmen dazu anhält, Leistungen fehlerfrei, rechtzeitig und unter zumutbarem Aufwand für den Konsumenten zur Verfügung zu stellen, und welche absichert, dass Markteilnehmern der Marktzutritt nicht versperrt wird. Wettbewerb stellt sich nicht zuletzt deshalb als zweckmäßige Marktform dar, weil er die Ausübung individueller Freiheiten sichert. Entsprechendes gilt für den verfassungsrechtlichen Schutz der demokratiespezifischen Aktivität der Presse. Auch dieser wirkt zum einen in Richtung auf die aus gesellschaftlicher Sicht bedeutsame Vielfalt, zugleich jedoch in Richtung auf den individuellen Grundrechtsträger, wie z. B. den einzelnen Leser, den Verleger oder den Journalisten. In Übereinstimmung mit dem grundrechtsdogmatischen Verständnis vom Grundrecht als primärem Abwehrrecht verbinden sich folglich im Pressebild institutionelle und individuelle Schutzfunktionen. Der Schutz von „Wettbewerb“ und „Vielfalt“ als solcher ist demgemäß nicht alleiniges Anliegen der Verfassung. Er wird auch mit Blick auf die Sicherung individueller Grundrechtsausübung verfolgt, von der wiederum positive Effekte für das Gemeinwesen erwartet werden. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III., 1 – Machtverschiebungen im Pressemarkt – Gefährdungslagen für individuelle und kollektive Güter. 14. Anknüpfend an die Unterscheidung von objektiven und subjektiven Grundrechtsgehalten, wird der Grundrechtsausgestaltung als Schutzbereichsdefinition „von innen her“, vermittels derer der objektive Rechtsgehalt der Grundrechte ausgeformt wird, der Grundrechtseingriff als Verkürzung der subjektiven Grundrechtsseite durch staatliches Handeln von außen gegenübergestellt. Eine daraus resultierende Entgegensetzung von Schutz und Eingriff jedenfalls kann jedoch nicht kategorial ein. Sie kann zumindest nicht so weit gehen, dass organisationsrechtlichen bzw. grundrechtsschützenden Maßnahmen aufgrund ihres
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Bezugs zur objektiven Grundrechtseite bzw. ihrer auch grundrechtsschützenden Wirkung der Eingriffscharakter per se abgesprochen wird. Weder die Ansicht von der „von vornherein begrenzten Freiheit“ noch der Ansatz der generalisierenden Betrachtung können über eine vorhandene schutzbereichsverkürzende Wirkung einer grundrechtsschützenden bzw. -ausgestaltenden Maßnahme hinwegtäuschen. Verfolgt mithin eine gesetzgeberische Maßnahme eine organisationsrechtliche oder grundrechtsschützende Intention, entbindet dies den Gesetzgeber nicht davon, entsprechende Maßnahmen an verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen zu messen, wenn diese Maßnahmen grundrechtsverkürzend wirken. Auch die Pressefusionskontrolle, die „Bedingtheiten für das gedeihliche Funktionieren des Pressebetriebes“ bzw. für die Ausübung der Freiheit des Art. 5 GG normiert, muss folglich an Eingriffsschranken gemessen werden, soweit mit ihr grundrechtsverkürzende Wirkungen verbunden sind. Ergibt sich daraus zwar das eigenartige Bild, dass der Staat in ein Grundrecht eingreift, um dieses zu erhalten, ist dies jedoch verfassungsrechtlich nicht zuletzt mit Blick auf die Natur gesellschaftlichen Zusammenlebens, in der die Freiheit des einen nur mit Rücksicht auf die Freiheit des anderen existieren kann, nicht zu beanstanden. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 2 – Kritik an der Einstufung der Pressefusionskontrolle als Erfüllung einer Pflicht zur Ausgestaltung institutioneller Grundrechtsgüter. 15. Die Schutzpflicht stellt eine Ausprägung der Grundrechte dar, die einen staatlichen Schutzeingriff zur Sicherung von Vielfalt und Wettbewerb im Pressemarkt begründen kann. Dabei entfaltet sie in typischen Drittwirkungskonstellationen Wirkung und zeigt zugleich Bezüge zum Konzept der gesetzgeberischen Ausgestaltung, ohne die der Drittwirkung oder der Ausgestaltung immanenten Defizite aufzuweisen. Denn während zwar sowohl die Schutzpflicht als auch der verfassungsrechtliche Ausgestaltungsauftrag in der institutionellen Grundrechtsseite verwurzelt sind, beide Konzepte gem. Art. 1 Abs. 3 GG den Staat und nicht (wie die unmittelbare Drittwirkung) private Grundrechtsträger ansprechen und auch beide vom Staat ein aktives Handeln verlangen, kann der Schutzeingriff – anders als die gesetzgeberische Grundrechtsausgestaltung – dogmatisch unzweifelhaft an Eingriffskautelen gemessen werden. Er stellt sich damit als die im Vergleich zur Ausgestaltung grundrechtssensiblere und grundrechtsschonendere Maßnahme dar. Die Schutzpflichtendogmatik vermag überdies, Defizite des Drittwirkungskonzeptes zu überwinden. So kann das Konzept der Schutzpflicht die Wirkung der Grundrechte in Gleichordnungsverhältnisse erklären, und zwar auch dann, wenn diese über die drittwirkungsstypische „Ausstrahlungswirkung“ hinausgeht. Sie vermittelt dabei ebenso wie die Drittwirkung eine Grundrechtswirkung in Verhältnissen zwischen zwei Grundrechtsberechtigten, indem ein Bürger vor Störungen durch andere Bürger geschützt wird. Dabei bleibt der Staat – anders als im Konzept der Drittwirkung – der (dem liberalen Grundrechtsverständnis entsprechend) einzig durch die Grundrechte (zum Schutz) Verpflichtete. Dass Schutzhandlungen zur Sicherung des Pressemarktes auf den Schutz von Vielfalt und Wettbewerb gerichtet sind, schließt die Rückbindung ent-
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sprechender Maßnahmen an die Schutzpflicht nicht aus. Denn auch der Schutz von Vielfalt und Wettbewerb und das Bedürfnis ihres Schutzes lassen sich auf individuelle Grundrechtspositionen zurückführen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Verknüpfung mit der individuellen Grundrechtsposition erfährt das Abwehrrecht im System der Schutzpflicht auch keine unzulässige Zurückdrängung, sondern vielmehr eine z. B. im Vergleich zur Ausgestaltung begrüßenswerte Verknüpfung mit den Sachstrukturen des jeweiligen Grundrechts. Auch die bzgl. einer Schutzpflicht im Gleichordnungsverhältnis häufig geäußerte Kritik der Bevormundung oder der Verletzung staatlicher Neutralität im Fall des Schutzeingriffs vermag das gefundene Ergebnis nicht zu widerlegen. Allerdings kann – den Vorgaben der gestörten Vertragsparität entsprechend – auch im Falle des Schutzes von Vielfalt oder Wettbewerb nicht bereits jedwede Störung der individuellen Freiheit eine Schutzpflicht auslösen. Vielmehr muss auch hier die Ausübung der Freiheit des schwächeren Marktteilnehmers massiv gestört sein. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 1, Ziff. III, 3 – Pressefusionskontrolle als Verwirklichung einer Schutzpflicht. 16. Ist der Schutzbereich eines Grundrechts eröffnet und das geschützte Grundrechtsgut von privater Seite beeinträchtigt, besteht – analog dem Rechtfertigungsbedürfnis nach einem staatlichen Eingriff in ein Grundrecht – ein Schutzbedürfnis des grundrechtlichen Schutzgutes, dem der Staat in angemessener Weise gerecht zu werden hat. Dem Staat kann demnach, auch ohne dass ihm eine von privater Seite ausgehende Bedrohung des grundrechtlichen Schutzguts als eigenes Handeln zugerechnet wird, u. U. ein pflichtwidriges Unterlassen vorgeworfen werden. Allerdings kommt dies allein dann in Betracht, wenn dem Unterlassen ein vorwerfbarer Unrechtsgehalt innewohnt, wovon wiederum erst dann auszugehen ist, wenn der nach der geltenden Sach- und Rechtslage bestehende Schutz hinter dem als hinreichend anzusehenden Schutz zurückbleibt. Dieser verfassungsrechtlich hinreichende bzw. gebotene Schutz beschreibt, wenngleich ein optimaler Schutz verfassungsrechtlich wünschenswert wäre, keine verfassungsrechtliche Idealvorstellung. Eine solche ist nicht Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Garantie. Den institutionellen Grundrechtsgehalten, welche die Wurzel der Schutzpflicht bilden, ist vielmehr eine Garantie im Hinblick auf den Kerngehalt des Grundrechts zu entnehmen. Ob der Schutzkern bzw. der verfassungsrechtlich gebotene Minimumschutz tatsächlich unterschritten ist, bemisst sich anhand des sogenannten Untermaßverbots. Nach diesem Prüfungsmaßstab trifft den Staat im Hinblick auf das Schutzziel, der Gewährleistung eines hinreichenden und effektiven Schutzes, die Aufgabe, Risikosphären abzugrenzen und einen Ausgleich zwischen der Freiheit des Störers und der Freiheit des Betroffenen zu suchen. Gelingt dies dem Staat nicht, und kommt es zu einer ernsthaften Bedrohung adäquater normativer Rahmenbedingungen, ist von einem verfassungswidrigen Unterlassen des Staates und entsprechend von einer staatlichen Schutzpflicht auszugehen. Das Untermaßverbot verhält sich dabei zum Übermaß komplementär; Überschneidungen der Bewertungsvorgaben, insbesondere dann,
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wenn der Schutzeingriff, der am Maßstab des Übermaßverbotes zu messen ist, den Zweck der Sicherung des Grundrechtskerns, des Schutzminimums, verfolgt, sind jedoch nicht ausgeschlossen. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 2, Ziff. I – Schutzpflichtaktivierung nach Maßgabe des Untermaßverbots. 17. Den verfassungsrechtlich garantierten Schutzkern des Grundrechts der Pressefreiheit bildet – den Vorgaben des Wettbewerbsschutzes vergleichbar – die Funktionsfähigkeit der Presse. Erst wenn diese bzw. der Kommunikationsprozess oder die Wettbewerbsfähigkeit von Presseunternehmen existenziell und branchentypisch bedroht ist, kann eine staatliche Handlungs- oder Schutzpflicht bestehen, nicht hingegen schon im Falle von z. B. durch Meinungsmonopole oder Konkurrenten verursachten Abweichungen vom „idealen“ Normbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Weder die Kommunikationsordnung noch das verfassungsrechtliche Pressebild garantieren nämlich festgeschriebene Marktanteile oder den vorrangigen Zugang einer Zeitung zu anderen (neuen) Medien. Auch eine Garantie der Öffnung oder Sicherung weiterer Marktchancen enthält die Verfassung nicht. Ebenso wenig sieht sie eine Kompensation erlittener Wettbewerbsnachteile vor. Eine gesetzliche oder administrative staatliche Steuerung des Pressemarktes hat – auch im Falle von Bedrohungslagen – ultima ratio zu sein. Erst wenn die Sicherungsfunktion der Pressefreiheit im Hinblick auf einen freiheitlichen Kommunikationsprozess ernsthaft gestört ist, sind somit unterstützende staatliche Maßnahmen nicht nur zulässig, sondern geboten. Soweit sich, wie vorliegend, die Frage stellt, ob trotz vorhandener gesetzlicher Schutzregelungen staatlicherseits Maßnahmen zur Sicherung (hier: des Pressemarktes) veranlasst sind, kommt es dabei allerdings weniger auf die Wahrscheinlichkeit bestimmter Schädigungserfolge als auf die Frage an, „ob das vorhandene Gesetzesmaterial ausreicht, der Exekutive im Falle ernsthafter Gefährdungslagen für die grundrechtlichen Schutzgüter ein schutzgewährendes Eingreifen im konkreten Einzelfall zu ermöglichen oder nicht“ 1. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 2, Ziff. I, 2, c – Skizze der Reichweite der Schutzpflicht im Pressemarkt – Funktionssicherungspflicht. 18. Ergreift der Staat ausgehend von dem Bestehen einer Schutzpflicht eine Maßnahme zur Sicherung des Pressemarktes, ist diese auf der einen Seite Ausdruck eines objektiv-rechtlich gesellschaftlichen Ordnungskonzepts und in der Regel zugleich grundrechtsrelevante Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten. Mithin muss das vom Gesetzgeber zur Erfüllung seiner Schutzpflicht gewählte Mittel allen verfassungsrechtlichen Kriterien genügen: der bundesstaatlichen Kompetenzordnung sowie den sonstigen Kompetenznormen, dem Vorbehalt des Gesetzes, den rechtsstaatlichen Anforderungen und insbesondere dem verhältnismäßigen Ausgleich mit Grundrechten Dritter, die durch die Maßnahmen des 1
Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, (1992), S. 113.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
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Schutzes belastet werden. Einen Dispens von den verfassungsrechtlichen Eingriffskautelen verschafft die Tatsache, dass ein Eingriff auch dem Schutz grundrechtlicher Güter dient, nicht. Das Untermaßverbot spielt im Rahmen der somit gebotenen Übermaßprüfung dann eine relevante Rolle, wenn die Maßnahme allein das Ziel verfolgt, den Minimumschutz, also das Untermaß, zu sichern. Es ist in diesem Fall identisch mit dem verfassungslegitimen Ziel und beeinflusst damit als Bezugsgröße die Übermaßprüfung. Im Rahmen der Untermaßprüfung ist der Fokus der Prüfung jedoch deutlich weiter als bei der Übermaßprüfung, denn in diesem Fall wird ein Unterlassen bzw. die gesamte Rechtslage und nicht nur ein konkretes Mittel oder Handeln bewertet. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 2, Ziff. II – Eingriffsbewertung nach Maßgabe des Übermaßverbotes. 19. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung eines Schutzeingriffs stellt sich insbesondere die Frage, ob die in ihr festgelegte Schranke zugunsten des mit ihr verfolgten Schutzzwecks gerechtfertigt ist. Danach sind dem staatlichen Akteur im Hinblick auf das Ziel insoweit Grenzen gesetzt, als sie verfassungslegitim zu sein haben. Daneben müssen die Vorschriften, mit denen der Gesetzgeber seine Ziele zu verwirklichen sucht, zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich sein. Dabei steht der Gesetzgeber, der – wie mit der Pressefusionskontrolle – eine wirtschaftslenkende Schutzmaßnahme ergreift, der besonderen Herausforderung gegenüber, sich auf der einen Seite im Rahmen der rechtsstaatlichen Interventionsschranken halten zu müssen und gleichzeitig die Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Ordnungskonzepts nicht vereiteln zu dürfen. Er hat demnach einen verfassungskonformen Ausgleich von gesellschaftsverfassungsrechtlicher Sicherung und rechtsstaatlichem Eingriff, d. h. einen nach beiden Seiten hin schonenden Ausgleich von Sicherung und Intervention unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes herzustellen. So ist bei der Fusionskontrolle, deren Grundkonzept darin besteht, Märkte offenzuhalten und Raum für die Entfaltung wettbewerblicher Aktivitäten zu schaffen, das Augenmerk auf die Auswirkungen des Kontrollinstruments auf fusionswillige und fusionsaverse Unternehmen (Konkurrenten) zu richten. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme steht dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Dies beruht nicht zuletzt darauf, dass wirtschaftslenkende Maßnahmen wie die Fusionskontrolle präventiv wirken, d. h., auf zukünftige Gefahren oder Ereignisse ausgerichtet und damit stets mit einer prognostischen Unsicherheit behaftet sind. Richtigkeit oder Unrichtigkeit wettbewerbspolitischer Modelle sind zumeist nur rückwirkend feststellbar. Darüber hinaus sind die sich im Zusammenhang mit derartigen Maßnahmen ergebenden Spannungsverhältnisse von sowohl Wettbewerb und Konzentration als auch von Wettbewerb und Vielfalt komplex und ohne eine allgemeingültige Lösung. So ist die Frage, ob die Einführung einer Fusionskontrolle im Ergebnis wettbewerbsfördernd oder beschränkend wirkt, oder ob die Lockerung oder Verschärfung der Fusionskontrolle Vielfalt sichert oder beeinträchtigt, nicht eindeutig zu beantworten. Und selbst dort, wo der Gesetzgeber sich für ein bestimmtes volkswirtschaft-
386
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
liches Ordnungssystem entschlossen hat, kann er von diesem System in Teilen abweichen. Gleiches gilt für sonstige Ungleichbehandlungen (z. B. von Großund Kleinunternehmen), soweit dieses z. B. durch strukturelle Unterschiede verschiedener Branchen, verschiedener Unternehmensgrößen oder ein verfassungsrechtliches Ordnungsbedürfnis rechtfertigbar ist. Verfassungsrechtliche Relevanz erlangt die Systemwidrigkeit allerdings dann, wenn der Gesetzgeber von einem selbst gewählten Ordnungssystem ohne sachlichen Grund abweicht. In diesem Fall kann ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist ausgehend von der unterverfassungsrechtlichen Ebene zu entscheiden, hier z. B. den geltenden Vorschriften des GWB. Eine Überprüfung der Gesetzgebung auf volkswirtschaftliche Modellrichtigkeit oder -gerechtigkeit hingegen erfolgt nicht. Vielmehr entscheidet der Gesetzgeber prinzipiell allein darüber, welche Maßnahme die beste, angemessenste und zweckmäßigste Lösung ist. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist damit im Ergebnis darauf beschränkt festzustellen, ob Lenkungsmaßnahmen, die auf die Regelung zukünftiger Wirtschaftsverhältnisse gerichtet sind, in ihrer Entwicklungsprognose schon im Ansatz verfehlt sind. Vgl. Teil 2, 2. Abschnitt, § 3 – Prüfungsregime. Zu Teil 3 – Aktuelle gesetzliche Regelungen und Reformkonzeptionen der Pressefusionskontrolle in der verfassungsrechtlichen Bewertung 1. Die geltende „Pressefusionskontrolle“ in Gestalt der von der allgemeinen Fusionskontrolle abweichenden Aufgreifkriterien gem. §§ 38 Abs. 3, 35 Abs. 2 Satz 2 GWB ist verfassungskonform. Sie entspricht den Anforderungen an ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, denn ihre Regelungen orientieren sich am indifferenten Maßstab des Umsatzes, richten sich folglich nicht gegen oder auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt und enthalten keine Sonderkriterien für den spezifischen publizistischen Wettbewerb. Das System des externen Wettbewerbs wird nicht aufgegeben, sondern strengeren Maßstäben unterworfen. Die Fusionskontrolle verfolgt zudem mit den Zielen der Sicherung von Wettbewerb und Vielfalt verfassungslegitime Ziele und ist auch geeignet, diese zu sichern. Eine fehlerhafte gesetzgeberische Prognose ist nicht gegeben, vielmehr stellt sich die Entscheidung des einfachen Gesetzgebers als sachliche und vernünftige Erwägung dar, die den (vor dem Hintergrund des weiten Ermessenspielraums des wirtschaftspolitischen Gesetzgebers eingeschränkten) verfassungsrechtlichen Vorgaben der Verhältnismäßigkeit entspricht. Vom heutigen Standpunkt kann sogar festgehalten werden, dass sich die Einführung der Pressefusionskontrolle mit Blick auf die Ziele der Sicherung von Pluralität und Wettbewerb bewährt hat. Wenngleich Konzentration und eine Verringerung der Zahl der Verlage als Herausgeber und der publizistischen Einheiten nicht vollständig gestoppt wurden, konnte der in den 1970er-Jahren festzustellende Verdrängungswettbewerb im Pressemarkt abgefedert werden. Da sich die Erweiterung der Erfassungsschwelle für genehmigungspflichtige Zusammenschlüsse
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
387
in das System des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen, welches schon vor der Einführung der Fusionskontrolle auf die Verwirklichung der „sozialen Marktwirtschaft“ gerichtet war, vollständig einfügt und überdies die für die Branche der Presse gegenüber anderen Branchen abweichenden Aufgreifschwellen durch strukturelle Unterschiede zwischen Pressemärkten und allgemeinen Märkten begründet werden können, mithin ein sachlicher Grund gegeben ist, muss sich der Gesetzgeber auch keinen Systembruch oder Willkür vorwerfen lassen. Schließlich steht die Grundrechtsbeschränkung in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel und ist damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Maßnahme und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe ist festzustellen, dass die Pressefreiheit und Wettbewerbsfähigkeit der Betroffenen nicht über Gebühr eingeschränkt werden. Schließlich hat der Gesetzgeber mit Blick auf die Komplexität der Konzentrationswirkungen für den Fall entsprechend übermäßiger Wirkungen der Fusionskontrolle mit der Abwägungs- und der Ministerklausel Ausnahmen vom Konzentrationsverbot anerkannt. Vgl. Teil 3, 1. Abschnitt – Verfassungsrechtliche Bewertung der geltenden Regelungen der Pressefusionskontrolle. 2. Da vor Erlass der 3. GWB-Novelle die Fusionskontrolle des GWB aufgrund der hohen Aufgreifschwellen im Bereich der Presse weitgehend leer lief, kann die Pressefusionskontrolle der 3. GWB-Novelle sowohl mit Blick auf die damals massiven Konzentrationsentwicklungen als auch die Tatsache, dass das seinerzeit geltende einfache Recht – zunächst mangels einer Fusionskontrolle überhaupt, später aufgrund hoher Aufgreifkriterien – der Exekutive ein schutzgewährendes Eingreifen nicht ermöglichte, als Erfüllung einer Schutzpflicht zur Sicherung von Vielfalt und Wettbewerb und der damit verbundenen Freiheiten der Rezipienten, der fusionsaversen Presseunternehmen bzw. Unternehmen vorund nachgelagerter Märkte verstanden werden. Vgl. Teil 3, 1. Abschnitt – Verfassungsrechtliche Bewertung der geltenden Regelungen der Pressefusionskontrolle. 3. Zum Zeitpunkt des Erlasses der 7. GWB-Novelle bestand keine verfassungsrechtliche Pflicht, den seinerzeitigen Entwicklungen im Pressemarkt entgegenzuwirken und die geltende Pressefusionskontrolle zu ändern. Empirische Untersuchungen der Entwicklung des Pressemarktes zeigen, dass sich trotz der wirtschaftlich schwierigen Phase, in der sich die Presse seit dem Jahr 2000 befand, die geltende Pressefusionskontrolle auch vor dem Hintergrund der Kooperationspraxis und sonstiger Abhilfemöglichkeiten der Presseverlage zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz jedenfalls insoweit bewährt hat, als eine existenzielle Bedrohung und mithin eine Verletzung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes (des „Untermaßes“) nicht gegeben waren. Vgl. Teil 3, 2. Abschnitt, § 2 – Verfassungsrechtlich relevantes staatliches Unterlassen – Handlungspflicht zur Modifikation des geltenden Rechts? 4. Der Regierungsentwurf vom 12. 08. 2004 zur 7. GWB-Novelle sah im Kern vier Änderungen der geltenden Pressefusionskontrolle vor. Die im Regierungs-
388
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
entwurf vorgesehene Anhebung der Aufgreifkriterien und Anwendbarkeitserklärung der Anschlussklausel stellen eine aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandende Ausdehnung kontrollfreier Pressezusammenschlüsse dar. Auch die Erweiterung der Kooperationserlaubnis ist als eine grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässige Möglichkeit zum Abschluss von – von § 1 GWB abweichenden – wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen anzusehen. Allerdings sind dem Umfang der entsprechenden Freistellung unter Einbeziehung einer überzeugenden Rechtsfolgenabschätzung klare Grenzen zu setzen. Die sogenannte Altverleger-Klausel, nach welcher vielfaltserhaltende Fusionen trotz Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zugelassen werden sollen, wenn die redaktionelle Unabhängigkeit der beteiligten Zeitungen durch konzerninterne Vereinbarungen als gesichert gilt, ist hingegen verfassungsrechtlich – losgelöst von den verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – nicht akzeptabel. Zwar ist das gesetzgeberische Ziel, durch eine Stärkung der wirtschaftlichen Basis der Presse publizistische Vielfalt zu sichern, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, denn Vielfalt besitzt durchaus eine Dimension wirtschaftlicher Stärke. Ebenso wenig greifen die wettbewerbspolitischen Zweifel an der Geeignetheit und Erforderlichkeit mit Blick auf den weiten Ermessensspielraum des Wirtschaftsgesetzgebers verfassungsrechtlich durch und auch die Durchbrechung des Konzepts des optimalen Wettbewerbs ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht bedenklich. Doch stellt die Vorschrift eine Abweichung vom bisherigen Marktstrukturbezug der Pressezusammenschlusskontrolle dar, für die – aufgrund redaktioneller Anknüpfungspunkte – dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehlen würde. Ferner erscheint die Regelung ohne eine laufende und auch inhaltliche, mithin unzulässige, Kontrolle der Presse nicht umsetzbar. Die im Regierungsentwurf gewählte Modifikation der Pressefusionskontrolle ist somit als partiell verfassungswidrig anzusehen. Vgl. Teil 3, 2. Abschnitt, § 3 – Verfassungsrechtlich rechtfertigbarer Grundrechtseingriff.
Anhang
Tabelle 1 Abonnement-Zeitungsangebot in deutschen Großstädten 2001 – 2006 Jahr
Zahl der Großstädte
Anzahl Abonnement-Zeitungen (1) 1 (2)
2
3
2001
83
30
43
9
2004
83
35
34
12
2006
81
35
35
10
4
5
6
Schnitt 7
1 1
1 1
1,79 1
1,80 1,74
Quelle: Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2001, Media Perspektiven 2001, S.622. Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2004, Media Perspektiven 2005, S.226 f. Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven 2007, S.582 f. (1) Auch bei gleicher Verlagsgruppe erfolgt separate Nennung. (2) Eine Zeitungsdichte = 1 bedeutet eine örtliche Alleinstellung einer Zeitung.
390
Anhang Tabelle 2 Marktanteile verschiedener Mediengattungen an den Nettowerbeeinnahmen in Prozent 1975 – 2006
GWB-Novelle
Jahr
Tages- und Fernsehen Hörfunk Internet DirektWochenzeitungen werbung
Inkrafttreten 1973 der 2.GWBNovelle zum 07. 06. bzw. 04. 08. 1973 – Einführung der Fusionskontrolle 1976 1975
46,5
12,7
3,0
–
13,9
Inkrafttreten 1976 der 3.GWBNovelle zum 28. 01. 1976 – Einführung der Pressefusionskontrolle
47,9
11,2
2,7
–
12,9
1977
47,1
10,3
2,9
–
12,4
1978
47,8
10,2
3,1
12,2
1979
44,0
8,8
3,0
10,8
Inkrafttreten der 1980 4.GWB-Novelle zum 27. 04. und 28. 02. 1980 – Verschärfung der Fusionskontrolle
43,4
8,8
3,1
10,4
1981
42,3
9,1
3,6
10,7
1982
41,1
9,3
3,7
11,0
1983
41,4
9,0
3,6
11,9
1984
41,1
9,0
3,5
1985
39,7
9,4
3,4
11,9
1986
38,8
8,2
3,2
10,8
1987
37,9
8,4
3,3
10,8
–
11,6
Anhang GWB-Novelle
Jahr
391
Tages- und Fernsehen Hörfunk Internet DirektWochenzeitungen werbung
1988
37,2
8,9
3,8
Wiedervereinigung 1989 = Erweiterung der Pressemarktes auf die 5 neuen Bundesländer
36,8
10,0
3,7
–
11,1
Inkrafttreten der 5. GWB – Novelle zum 01. 01. 1990
1990
35,1
11,6
3,7
–
12,2
1991
35,0
13,1
3,3
–
12,4
1992
34,4
13,8
3,1
13,1
1993
33,3
15,0
3,1
13,5
1994
32,5
16,5
3,2
13,4
1995
31,4
17,5
3,1
14,5
1996
30,4
18,5
3,1
15,3
1997
29,9
19,2
3,0
15,3
1998
29,9
19,4
2,9
–
15,3
1999
29,3
19,8
3,2
–
15,2
2000
29,5
20,1
3,1
–
14,5
2001
27,7
20,6
3,1
1
15,0
2002
26,3
19,6
3,0
1
16,6
2003
24,7
19,8
3,0
1
17,1
2004
23 (1)
20
3
1
17
2005
23 (1)
20
3
2
–
2006
22 (1)
20
3
2
–
Inkrafttreten der 6.GWB-Novelle zum 01. 01. 1999
„Pressekrise“
10,8
Quelle: ZAW-Jahrbücher; vgl. auch: Siegert, Gabriele, Strukturelle Veränderungen in der Medienlandschaft und ihre Auswirkungen auf die Zeitung, Anlage zur Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358 (2004), S.120. (1) nur Tageszeitungen.
392
Anhang Tabelle 3 Investitionen in Werbung (1) und Bruttoinlandsprodukt in Mrd. Euro 1958 – 2004
GWB-Novellen
Jahr Investitionen
Veränderung in Prozent
BIP
Veränderung in Prozent
Inkrafttreten des GWB – keine fusionsrechtlichen Reglungen
1958
1,48
+7,2
116, 37
+6,3
1959
1,69
+14,2
125,22
+7,5
1960
1,89
+11,8
154,70
+23,4
1961
2,3
+21,7
170,48
+10,2
1962
2,51
+9,1
184,52
+8,3
1963
2,76
+10,0
196,73
+6,5
1964
3,12
+13
215,84
+9,6
1965
3,63
+16,3
236,23
+9,5
Inkrafttreten der 1966 1.GWB-Novelle zum 01. 01. 1966 – keine fusionsrechtlichen Regelungen
4,09
+12,1
251,61
+6,4
1967
4,35
+6,4
253,64
+0,8
1968
4,35
0
275,68
+8,7
1969
5,01
+15,2
307,50
+11,4
1970
4,76
- 5,0
347,04
+12,8
1971
5,11
+7,4
385,95
+11,1
1972
5,68
+11,2
422,33
+9,3
Inkrafttreten 1973 der 2.GWBNovelle zum 07.06. bzw. 04.08. 1973 – Einführung der Fusionskontrolle
6,08
+7,0
469,66
+11,2
1974
6,08
0
504,72
+7,5
1975
6,34
+4,3
528,68
+4,6
Anhang GWB-Novellen
Jahr Investitionen
393
Veränderung in Prozent
BIP
Veränderung in Prozent
Inkrafttreten der 1976 3.GWB-Novelle zum 28. 01.1976 – Einführung der Pressefusionskontrolle
7,00
+10,4
574,09
+8,6
1977
7,98
+14,0
612,05
+6,5
1978
9,05
+13,4
656,13
+7,1
1979
10,17
+12,4
711,25
+8,4
Inkrafttreten 1980 der 4.GWBNovelle zum 27.04. und 28.02. 1980 – Verschärfung der Fusionskontrolle
11,20
+10,1
757,41
+6,5
1981
11,61
+3,7
789,13
+4,2
1982
12,27
+5,7
818,21
+3,7
1983
13,29
+8,3
851,93
+4,1
1984
15,13
+13,9
895, 22
+5,1
1985
15,90
+5,0
932,19
+4,2
1986
16,41
+3,2
984,39
+5,6
1987
17,08
+4,0
1017, 73
+3,4
1988
17,90
+4,8
1071,11
+5,3
Wiedervereini1989 gung = Erweiterung der Pressemarktes auf die 5 neuen Bundesländer
18,92
+5,7
1134,76
+6,0
Inkrafttreten der 1990 5. GWB – Novelle zum 01. 01. 1990
20,20
+6,8
1228,84
+8,3
1991
22,29
+10,3
1459,02
+18,6
1992
24,13
+8,2
1572,63
+7,8
1993
24,75
+2,6
1615,22
+2,6
394
Anhang
Tabelle 3 (Fortsetzung) GWB-Novellen
Inkrafttreten der 6.GWB-Novelle zum 01. 01. 1999
„Pressekrise“
Jahr Investitionen
Veränderung in Prozent
BIP
Veränderung in Prozent
1994
25,97
+5,0
1698,26
+5,2
1995
27,41
+5,5
1801,28
+6,1
1996
28,07
+2,4
1833,75
+1,7
1997
28,94
+3,1
1871,60
+2,1
1998
30,17
+4,2
1929,40
+3,1
1999
31,44
+4,2
1974,30
+2,3
2000
33,21
+5,6
2025,53
+2,6
2001
31,49
- 5,1
2063,00
+1,9
2002
29,69
- 5,7
2143,18 (2)
+1,4
2003
28, 91
- 2,6
2161,50
+0,8
2004
29, 22
+1,1
2207,20
+2,1
Quelle: Statistisches Bundesamt / Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (1) Honorare / Gehälter, Werbemittelproduktion, Medienkosten. (2) BIP: ab 2002 liegen Daten vor (Stand Februar 2007), die mit den vorangehenden Daten nicht vergleichbar sind.
Anhang
395
Tabelle 4 Entwicklung der Nettowerbeeinnahmen bei den klassischen Medien in Mio. Euro und in Prozent 2001 – 2006 2001 Tageszeitungen
2002
2003
2004
2005
2006
5642 –14,0 4937 –12,5 4455 –9,8 4501 +1,1 4477 -0,6 4533 +1,3
Fernse- 4469 –5,1 3956 –11,5 3811 –3,7 3860 +1,3 3930 +1,8 4114 +4,7 hen Publikumszeitschriften
2093 -6,9 1935 –7,5 1862 –3,8 1839 –1,2 1791 -2,6 1856 +3,6
Fachzeitschriften
1074 –15,2 966 –10,1 877 –9,2 865
–1,4
902
+4,3
956
+6,0
Hörfunk
678
+6,7
664
+7,4
681
+2,5
OnlineAngebote
185 +20,6 227 +22,7 246 +8,4 271 +10,2 332 +22,5 495 +49,1
–7,5
595 –12,2 579 –2,7 618
Quelle: ZAW Jahrbücher; Zahlen gerundet.
396
Anhang Tabelle 5 Tagespresse Erlösstruktur (Vertriebs- und Anzeigenerlöse); Durchschnittswerte in Prozent (1) 1999 – 2006
Jahr
Vertrieb
Anzeigen
1999
36,2
63,8
2000
35,5
64,5
2001
38,4
61,6
2002
42,6
57,5
2003
44,1
55,9
2004
44,6
55,4
2005
44,7
55,4
2006
44,8
55,2
Quelle: Media Perspektiven, Basisdaten 2004 bis 2007. (1) Westdeutschland.
Anhang
397
Tabelle 6 Nettowerbeumsätze (0) Medien gesamt (1) und Tageszeitungen in Mio. Deutsche Mark (2) bzw. in Mio. Euro (10), mit Veränderungen in Prozent 1975 – 2006 GWB-Novelle
Jahr
Medien Gesamt
Tageszeitungen
1975 (3)
6670,6
+4,4
2995,9
+5,9
1976
7676,8
+15,1
3554,0
+18,6
1977
8639,9
+12,5
3927,3
+10,5
1978
9710,3
+12,4
4431,1
+12,8
1979
11666,7
+10,1
4994,8
+11,6
1980
12390,0
+6,2
5289,4
+7,0
1981
12895,2
+1,9
5219,8
-1,3
1982
13441,5
+4,2
5315,0
+1,8
1983
14297,2
+6,4
5741,5
+80
1984 (3)
15587,5
(4)
6389,7
(5)
1985
16296,9
+4,6
6508,0
+1,9
1986
18581,7
+4,1
6803,9
+4,6
1987
19595,1
+5,5
7022,6
+3,2
1988
20701,9
+5,9
7184,4
+1,8
Wiedervereinigung = Erweiterung der Pressemarktes auf die 5 neuen Bundesländer
1989 (6)
22616,6
+9,2
7757,4
+9,2
Inkrafttreten der 5. GWB – Novelle zum 01. 01. 1990
1990 (7)
24548,9
+8,8
8062,7
+3,9
1991 (7)
28347,0
+15,2
9270,0
(8)
1992
31227,3
+10,3
10025,1
+7,8
Inkrafttreten der 3.GWB-Novelle zum 28. 01. 1976 – Einführung der Pressefusionskontrolle
Inkrafttreten der 4.GWB-Novelle zum 27. 04. und 28. 02. 1980 – Verschärfung der Fusionskontrolle
398
Anhang
Tabelle 6 (Fortsetzung) GWB-Novelle
Inkrafttreten der 6.GWB-Novelle zum 01. 01. 1999
„Pressekrise“
Jahr
Medien Gesamt
Tageszeitungen
1993
32057,8
+2,5
9972,8
–0,5
1994
34028,2
+6,1
10366,4
+3,9
1995
36338,5
+6,7
10721,7
+3,4
1996
37285,8
+2,6
10678,7
–0,4
1997
38653,7
+3,6
10869,7
+1,8
1998
41113,6
+6,4
11477,4
+5,6
1999 (10)
21816
+4,9
6066
+3,4
2000
23376
+7,2
6556
+8,1
2001
21722
–7,1
5642
–14,0
2002
20141
–7,3
4936
–12,5
2003
19280
–4,3
4454
–9,8
2004
19582
+1,6
4502
+1,0
2005
19833
+1,3
4476
-0,6
2006
20350
+2,6
4532
+1,3
Quelle: ZAW-Jahrbücher (0) Netto-Werbeeinnahmen der Werbeträger ohne Produktionskosten; Netto nach Abzug von Rabatten und Provisionen (1) Tageszeitungen, Publikumszeitschriften, Direktwerbung, Fernsehwerbung, Anzeigenblätter (seit 1986), Fachzeitschriften (seit 1979), Adressbuchwerbung, Hörfunkwerbung, Onlinewerbung (seit 1996), Außenwerbung, Wochen- und Sonntagzeitschriften, Zeitungssupplements, Filmtheaterwerbung. (2) In Mio. Deutsche Mark. (3) Wechsel der Erhebung von Werbeumsätzen auf Werbeeinnahmen. (4) Gesamtsumme nicht verglichen mangels Referenzwert. (5) Gesamtsumme nicht verglichen aufgrund der Erfassung der Anzeigenblätter 1996. (6) Alte Bundesländer. (7) Alte und teilweise neue Bundesländer. (8) Vergleich zum Vorjahr aufgrund divergierender Daten nicht vorliegend. (10) In Mio. Euro.
Anhang
399
Tabelle 7a Reichweite der Tageszeitung in Prozent der Befragten 1994 – 2005 14 – 19 Jahre
20 – 29 Jahre
30 – 39 Jahre
40 – 49 Jahre
50 – 59 Jahre
60 –69 Jahre
Gesamtbevölkerung
1994
60,2
72,5
81,1
86,0
88,0
87,7
81,2
1995
60,6
71,7
80,7
86,0
87,8
87,4
81,0
1996
60,1
70,9
79,9
85,9
87,1
87,5
80,7
1997
58,2
69,7
78,5
85,0
87,0
87,3
79,1
1998
56,4
68,1
77,2
84,0
86,6
86,6
78,3
1999
55,5
66,6
75,8
82,8
86,0
85,9
78,0
2000
55,1
65,8
74,8
82,3
85,8
86,2
77,9
2001
55,4
66,1
74,7
81,8
85,0
86,1
77,9
2002
55,8
65,0
73,4
80,8
84,5
85,7
77,3
2003
53,6
63,2
72,2
79,7
83,8
84,8
76,2
2004
51,8
61,5
71,4
78,4
83,9
84,8
75,7
2005
49,3
60,3
70,1
77,2
83,1
85,0
74,8
Quelle: AG.MA (Arbeitsgemeinschaft-Mediaanalyse e.V.) Berichtsbände 1994 –2005; vgl. auch Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V., Zeitungen 2005, S.167. Tabelle 7b Regelmäßiger Tageszeitungskonsum in Prozent der Befragten 1979 und 2002 14 – 49 Jahre
14 –29 Jahre
1979
83,1
75,2
2002
72,6
53,1
Quelle: AWA 1979 – 2002 (Allensbach Werbeträger Analyse)
400
Anhang Tabelle 7c Reichweite der Medien in Prozent der Befragten (1) 1970 – 2005 1970
1974
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Fernsehen
72
78
77
72
81
83
85
89
Hörfunk
67
70
69
76
79
75
85
84
Tageszeitung
70
73
76
73
71
65
54
51
10
28
Internet
Quelle: Reitze, Helmut / Ridder, Christa-Maria (Hrsg.), MassenkommunikationVII. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964 –2005, (2005). (1) Mo – So 5:00 – 14:00 Uhr, Pers. ab 14 Jahre, BRD gesamt. Tabelle 7d Entwicklung der Nutzungsdauer verschiedener Medien in Minuten / Tag 1970 – 2000 Tageszeitung
Fernsehen
Radio
Internet
Sonstige
1970
35
113
73
221
1974
38
125
113
276
1980
38
125
135
48
346
1985
33
121
154
43
351
1990
28
135
170
47
380
1995
30
158
162
55
404
2000
30
185
206
68
502
13
Gesamt
Quelle: Berg, Klaus / Ridder, Christa (Hrsg), Massenkommuninaktion VI – Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964 –2000 (2002); vgl. auch Eimeren, Birgit van / Ridder, Maria, Trends in der Benutzung und Bewertung der Medien, Media Perspektiven 2001, S.539 ff. Tabelle 7e Durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer Internet in Minuten 1997 – 2007 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2005 2006 2007 Internetnutzung (1)
2
4
8
17
26
35
45
46
48
54
Quelle: ARD-Online Studie 1997; ARD / ZDF Online-Studien 1998 –2007; vgl. auch Eimeren, Birgit van / Frees, Birgit, Nach dem Boom: Größter Zuwachs in internetfernen Gruppen, Media Perspektiven 2005, S.362 ff. (1) Mo-So 5:00 – 14:00 Uhr, Pers. ab 14 Jahre, BRD gesamt.
Anhang
401
Tabelle 8 Titelzahl und verkaufte Auflage der deutschen Tages- und Sonntagszeitungen 1975 – 2007 Jahr
Anzahl
Auflage in Mio.
1975
410
21,5
1980
407
24,1
1985
395
25,1
1990
394
24,7
1995
414
30,2
1997
402
29,4
1999
393
28,5
2000
388
28,3
2001
385
27,9
2002
385
27,1
2003
381
26,4
2004
379
25,9
2005
377
25,1
2006
377
24,6
2007
377
24,3
Quelle: IVW-Auflagenliste; vgl. auch Media Perspektiven Basisdaten, Daten zur Mediensituation in Deutschland 2007, S.45.
402
Anhang Tabelle 9 Zeitungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland 1954 – 2006
GWB-Novellen
Jahr Kreisfreie Städte
Zeitungsdichte in Prozent 1
1954
2
3
Zeitungsdichte im Schnitt 4
558
15,2 29,0 34,1 15,9
2,7
566
21,4 35,5 32,5 9,4
2,3
564
25,7 40,4 27,0 6,2
2,2
Inkrafttreten der 1976 3.GWB-Novelle zum 28. 01. 1976 – Einführung der Pressefusionskontrolle
343
45,4 40,5 10,8 2,0
1,7
1979
331
45,3 40,2 11,5 1,5
1,7
328
46,3 40,5 10,4 1,2
1,7
328
46,9 40,2 9,8
1,7
Inkrafttreten des GWB – keine fusionsrechtlichen Reglungen
1958
1964 Inkrafttreten der 1966 1.GWB-Novelle zum 01. 01. 1966 – keine fusionsrechtlichen Regelungen 1967 Inkrafttreten der 1973 2.GWB-Novelle zum 07. 06. bzw. 04. 08. 1973 – Einführung der Fusionskontrolle
Inkrafttreten der 1980 4.GWB-Novelle zum 27. 04. und 28. 02. 1980 – Verschärfung der Fusionskontrolle 1981 1982 1983
1,2
Anhang GWB-Novellen
403
Jahr Kreisfreie Städte
Zeitungsdichte in Prozent 1
2
3
Zeitungsdichte im Schnitt 4
1984 1985
328
47,9 41,4 8,2
0,9
1,7
328
48,8 40,2 8,5
0,6
1,7
543
54,5 36,4 6,4
1,7
1,6
439
55,1 37,4 5,5
0,9
1,6
440
55,5 37,3 5,2
0,9
1,6
440
55,9 37,0 5,0
0,9
1,6
439
58,3 35,1 4,1
0,9
1,5
439
59,4 34,2 3,9
0,9
1,5
1986 1987 1988 Wiedervereinigung 1989 = Erweiterung der Pressemarktes auf die 5 neuen Bundesländer Inkrafttreten der 5. GWB – Novelle zum 01. 01. 1990
1990
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Inkrafttreten der 1999 6.GWB-Novelle zum 01. 01. 1999 2000 „Pressekrise“
2001 2002 2003 2004 2005 2006
Quelle: Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven (2007), S.580.
404
Anhang Tabelle 10 Redaktionelle und verlegerische Struktur der Tagespresse Verkaufte Auflage, redaktionelle Ausgabe, publizistische Einheiten, Verlage als Herausgeber 1945 – 2006
Jahr
Verkaufte Auflage in Mio
Redaktionelle Ausgaben
Publizistische Einheiten
Verlage als Herausgeber
13,4
1.500
225
624
1964
17,3
1495
183
573
1967
18,0
1416
158
535
Inkrafttreten der 3.GWB-Novelle – Ein1976 führung der Pressefusionskontrolle
19,5
1229
121
403
1979
20,5
1240
122
400
20,4
1258
124
392
1954 Inkrafttreten des GWB zum 01. 01. 1958 – keine fusionsrechtlichen Regelungen
1958
01. 01. 1966 – keine fusionsrechtlichen Regelungen Inkrafttreten der 1GWB-Novelle zum Mit Einführung der Mehrwertsteuer wurde gesetzlich verankert, dass für Printprodukte 1968 nur der halbe Steuersatz abgeführt werden muss Inkrafttreten der 2.GWB-Novelle zum 07. 06. bzw. 04. 08. 1973 – Einführung der Fusionskontrolle
Inkrafttreten der 4.GWB-Novelle
1973
1980 1981
Anhang Jahr
Verkaufte Auflage in Mio
Redaktionelle Ausgaben
Publizistische Einheiten
Verlage als Herausgeber
20,3 plus 9,6 DDR = 29,9
1344 plus 291 DDR = 1635
119 plus 37 DDR = 156
358 plus 38 DDR = 396
1991
27,3
1673
158
410
1993
25,4
1601
137
384
1995
25,0
1617
135
381
1997
24,6
1582
135
371
1999
24,1
1581
135
355
2001
23,7
1584
136
356
2004
21,7
1538
138
359
2006
21,0
1524
136
352
Wiedervereinigung = Erweiterung der Pressemarktes auf die 5 neuen Bundesländer
1989
Inkrafttreten der 5. GWB – Novelle zum 01. 01. 1990
1990
Inkrafttreten der 6.GWB-Novelle zum 01. 01. 1999
405
2000 „Pressekrise“
Quelle: Schütz, Walter, Deutsche Tagespresse 2006, Media Perspektiven 2007, S.581 ff.
Literaturverzeichnis Abendroth, Wolfgang: Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, VVDStRL Heft 12 (1954), S. 85 ff. Alexy, Robert: Grundrechte als subjektive Rechte und als objektive Normen, Der Staat 1990, S. 49 ff. Amann, Matthias: Zeitungsfusionskontrolle, (2000). Andersch, Tammo / Weimar, Michael (KPMG): Wachstumsfelder für den Zeitungsmarkt in Deutschland, www.kpmg.de/library/brochures_surveys/pdf/050113 _Wachstumfsfelder_fur_den_Zeitungsmarkt_de.pdf. Arndt, Adolf: Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, in: Löffler, Martin, (Hrsg.), Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie (1966). Axel Springer Verlag: Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1355, (2004), S. 137 ff. Badura, Peter: Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, (1971). – Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Grenzen wirtschaftspolitischer Gesetzgebung im Rechtsstaat, AöR (92) (1967), S. 382 ff. – Kodifikatorische und rechtsgestaltende Wirkung von Grundrechten, in: Böttcher, Reinhard / Hueck, Götz / Jähnke, Burkhard, (Hrsg.), Festschrift für Walter Odersky (1996). – Verfassungsrechtliche Bindung der Rundfunkgesetzgebung, (1980). Baker, C. Edwin / Kübler, Friedrich: Sicherung der Meinungsmacht durch mehr Vielfalt?, Media Perspektiven (2004), S. 81 ff. Bauschke, Christian: Blick in den Abgrund, Die Welt (27. 06. 2002). Bechtold, Rainer: Das neue Kartellgesetz, NJW (1998), S. 2769 ff. – Fusionskontrolle in Anzeigenmärkten, AfP (1980), S. 88 ff. – Medienkartellrecht, AfP (2000), S. 156 ff. – Wettbewerbs-, kartell- und fusionskontrollrechtliche Probleme bei der Zusammenarbeit von Tageszeitung und Anzeigenblättern, BB 1981, S. 260 ff. – Einführung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008). – § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008).
Literaturverzeichnis
407
– § 41 GWB – Vollzugsverbot, Entflechtung, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008). – § 42 GWB – Ministererlaubnis, in: Bechtold, Rainer / Otting, Olaf, (Hrsg.), Kartellgesetz – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Kommentar (2008). Bechtold, Rainer – Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck: Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1339, (2004), S. 144 ff. Bender, Gunnar: Cross-Media-Ownership, (1997). Berg, Klaus / Ridder, Christa Maria: Massenkommunikation VI – Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964 – 2000, Schriftenreihe Media Perspektiven, Band 16, (2002). Berg, Wilfried: Konkurrenzen schrankendivergierender Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, (1968). Bethge, Herbert: Art. 5 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar (2007). – Der Grundrechtseingriff, VVDStRL, Heft 57, (1998), S. 7 ff. – Die Freiheit des privaten Rundfunks, DÖV (2002), S. 673 ff. – Verfassungsrechtliche Aspekte der künftigen Medienordnung, ZUM (1984), S. 75 ff. – Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, (1977). Birg, Herwig: Die demographische Zeitenwende – Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa, (2003). Bleckmann, Albert: Neue Aspekte der Drittwirkung der Grundrechte, DVBl (1988), S. 938 ff. – Staatsrecht II – Grundrechte, (1996). Blöbaum, Bernd: Journalismus als soziales System, (1996), S. 127 ff. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat (1990), S. 1 ff. – Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW (1974), S. 1529 ff. – Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, (1990). Böge, Ulf: „Kooperation ist nur ein schönerer Name für Kartell“, F.A.Z. (06. 05. 2004). – Reform der Pressefusion, Forderungen, Vorschläge, Konsequenzen, MMR (2004), S. 227 ff. – Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1338 (2004), S. 57 ff. Bohne, Michael: Cross-mediale Effekte in der Fusionskontrolle, WRP (2006), S. 540 ff. Brand, Torsten: Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, (2002). Bremer, Eckhard / Martini, Karin: Kartellrechtsreform und Sicherung der Pressevielfalt, ZUM (2003), S. 942 ff.
408
Literaturverzeichnis
Bryce, J.: Studies in History an Jurisprudence (1901). Bryde, Brun-Otto: Art. 14 GG, in: von Münch, Ingo / Kunig, Philip, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar – Band I (2000). Bullinger, Martin: Ordnung oder Freiheit für Multimediadienste, JZ (1996), S. 385. – Freiheit von Presse, Rundfunk und Film – § 142, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts – Band VI (2001). Bullinger, Martin / Mestmäcker, Ernst-Joachim: Multimediadienste, (1996). Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Fusionskontrolle bei Presseunternehmen, BT-Drucks. 8/2265. – Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD – Gemeinsam für Deutschland, (11. 11. 2005). Bundesverband deutscher Zeitungsverleger; Rheinische Post: Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drucks 15/3640, Ausschussdrucksache 15 (9) 1333/1358, (2004), S. 87 ff. Bundesverband deutscher Zeitungsverleger: Pressemitteilung (16. 06. 2005). – Zeitungen, Bände 1978 bis 2006. Bunte, Hermann-Josef: Einführung zum GWB, in: Bunte, Hermann-Josef / Langen, Eugen, (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht – Band I (2006). Burmeister, Claus / Daheim, Cornelia: Demographische Entwicklung – Konsequenzen für Medien und Werbung, Media Perspektiven (2004), S. 176 ff. Canaris, Claus-Wilhelm: Grundrechte und Privatrecht, AcP [184] 1984, S. 201 ff. – Grundrechte und Privatrecht, (1999). Canenbley, Cornelis: Zum Entflechtungsverfahren in der Fusionskontrolle, GRUR (1984), S. 188. Chill, Hanni / Meyn, Hermann: Massenmedien – Vielfalt und Aufgaben der Printmedien, Informationen zur Politischen Bildung, Heft 260, (1998). Clemens, Thomas: Art. 5 GG, in: Umbach, Dieter C. / Clemens, Thomas, (Hrsg.), Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar und Handbuch (2002). Clement, Wolfgang: Meinungsvielfalt und Wettbewerb, WuW (2004), S. 720 ff. Czajka, Dieter: Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe“ der Presse, (1968). Dagtoglou, Prodromos: Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, (1963). Deck, Markus / Siefarth, Christoph: Sicherung des Pluralismus durch Medienkonzentrationskontrolle, AfP (1993), S. 641 ff. Degenhart, Christoph: Art. 5 Abs. 1 und 2, in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin, (Hrsg.), Bonner Kommentar (2006). – Art. 75 GG, in: Sachs, Michael, (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar (2002). – Bestandsschutz für die Presse, AfP (1987), S. 694 ff.
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Sachverzeichnis 1. GWB-Novelle 34 2. GWB-Novelle 34, 84 3. GWB-Novelle 25, 28, 34, 77, 84 – 85, 93, 243, 338, 347, 371, 387 4. GWB-Novelle 34, 86, 109, 353 5. GWB-Novelle 36, 87 6. GWB-Novelle 86, 88, 90, 100, 105, 109, 353 7. GWB-Novelle 24, 26, 28, 69, 87, 89, 108, 337, 342 – 345, 347, 350, 353, 360, 368 – 369, 387 Abwägungsklausel 97, 100 – 103, 105, 107, 342, 346 Abwägungslehre 179 – 180 Abwehrrecht 116, 124, 131 – 133, 221, 239, 245, 247, 249, 262, 276, 284, 287, 291 – 293, 299, 302 – 303, 305 – 306, 309, 311, 317, 330, 375, 381, 383, 412 Altverlegerklausel 344, 351, 359, 362, 369 – 370 Anschlussklausel 86, 88, 91, 337, 343 – 344, 353 – 355, 358, 369, 388 Anzeigen-Auflagen-Spirale 41, 43 – 44, 47, 93, 188, 341, 347, 349, 352, 372 Anzeigenblätter 85, 94, 101, 103 Anzeigenmarkt 34 – 35, 39, 41, 44, 47 – 48, 50, 53, 65, 93, 97 – 98, 103 – 104, 108, 349, 363 – 364, 372 – 373 Aufgreifkriterien 34, 85, 89 – 91, 338 – 339, 353, 356, 358, 369, 371, 386 – 388 Aufgreifschwelle 341, 353 – 354, 358 Außenpluralität 207, 216 – 219, 233, 379 Ausgabe 57, 61
Ausgestaltung 116, 150, 154, 181, 183, 237, 246 –253, 255 –258, 260, 262 – 263, 270, 273 –281, 290 –291, 298 – 299, 308, 316, 382 Ausnahmen von der Untersagung 99 Bagatellklausel 91, 341, 348, 353 –356, 358 Bedarfsmarktkonzept 91 –92, 94 Berliner Verlag 25, 108 Berliner Zeitung 25, 36, 39, 99, 108 Berufsausübungsregelung 182 Berufsfreiheit 166, 168, 172, 174 –175, 181 – 183, 189, 296 Bestandsgarantie 206, 208, 313, 378 Binnenpluralität 218 –219 Blinkfüer-Entscheidung 204, 288, 321 Bruttoinlandsprodukt 43 –45, 49 Bundeskartellamt 25, 88 –89, 92, 100, 104, 108 –109, 353, 361 Burda 85, 107, 368 Demografische Entwicklung 47 –48 Demokratieprinzip 130, 157, 159, 197, 200 Digitalisierung 45, 135 Drei-Stufen-Theorie 189 Drittwirkung 117, 121 –125, 221, 239, 241, 245 –246, 262, 273 –274, 281 – 285, 290, 292, 298 –299, 304, 374, 382 E-Paper 45, 61, 135, 373 EG-Verordnung Nr. 1:2003 24 Eigentum 165, 168, 183, 210 –212, 230, 247, 257, 270, 275 –276
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Sachverzeichnis
Eigentumsordnung 177, 183, 190, 193, 229, 248, 275 Ein-Zeitungskreis 104, 371, 373 Eingriff 103, 115 – 116, 154, 190, 193, 196, 202, 231, 242, 245 – 246, 249 – 257, 261 – 263, 275, 278 – 279, 281, 292, 297 – 298, 302, 304 – 307, 310 – 311, 315 – 316, 318, 322, 325, 329, 332, 335, 339, 347, 381, 383, 385 Einrichtungsgarantie 126, 210 – 211, 215, 257, 275 Elektronische Zeitung 58 – 59 Entflechtungsanordnung 109 Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung 95, 102, 359, 369, 388 Entwicklung der Druckpresse 31 Entwicklungsoffenheit 136 – 137, 139, 205 – 206, 208, 378 Etatistische Konvergenztheorie 302 Failing Newspaper Doktrin 362 Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal 289 Film 46, 138, 145, 152, 204, 376 Filmfreiheit 144 – 145 Fragestellung 29, 119, 165, 318 Freiburger Schule 69, 83 Freigabeentscheidung 99, 361 Fristenlösungsfall 267, 289 Funktionale Grundrechtsinterpretation 132 Funktionsgarantie 224, 320 Fusionskontrolle 25, 28 – 29, 34, 61, 63, 66, 71 – 72, 74, 77, 79, 83 – 86, 88 – 91, 94 – 97, 100, 105, 107 – 108, 114 – 115, 226, 243, 246, 275 – 276, 286, 324, 331, 335, 338 – 342, 344, 347 – 348, 355, 358, 363 – 364, 366 – 368, 371, 374, 385 – 387 Gemeinwohl 191, 238, 247, 286, 343 Gesetzesvorbehalt 160, 172, 196 – 197, 199, 250, 256 – 257, 276, 325
Gesetzgebungszuständigkeit 242 Gewaltenteilung 146, 218, 234, 240 –241, 244, 271, 321, 380 Gewaltmonopol des Staates 118, 266 Gleichordnungsverhältnis 128, 220, 280 – 283, 285, 293, 295 –297, 299, 311, 383 Gratiszeitung 58 Grenzen von Individual- und Massenkommunikation 140 Größenvorteile 39, 41, 44, 79, 349 –350, 372 Gründungsfreiheit 209, 223, 231, 233, 379 Grundrechtlicher Ordnungsauftrag 111 Grundrechtsausübung 115, 131 –132, 224, 228, 247, 259 –260, 272, 277, 288, 381 Grundrechtsbindung Privater 122 Grundrechtskollision 128, 172, 271, 280 – 281 Grundrechtskonkurrenz 172 Grundrechtsvorbehalt 185, 277 Gruner & Jahr 93, 108 Güterabwägung 179 –180, 185, 199 Handlungsfreiheit 165, 167 –168, 177, 207, 215, 270, 286, 295 –296, 298 Handlungspflicht 128, 234 –239, 242, 245 – 246, 262 –263, 283 –284, 288, 291 – 292, 304, 307 –309, 314, 319, 321, 323, 338 –339, 345 –346, 380, 387 Holtzbrinck 25, 60, 108, 357 Idealkonkurrenz 176 –177, 185 –186, 195, 203, 377 Individualisierungstendenzen 46 Informationsfreiheit 115, 124, 143, 145, 153 – 158, 172, 209, 275, 277, 348, 358, 376 Inhalt und Schranken des Eigentums 183 Innenpluralität 216 Institut Eigentum 183 Institut Presse 209, 211
Sachverzeichnis Institutionelle Garantie 210, 212, 233, 379 Institutionelle Gewährleistung 116, 129, 209 Institutsgarantie 210, 212, 247 – 248, 379 Intermediäre Substituierbarkeit 150 Internet 23, 45 – 46, 50 – 53, 55 – 56, 59 – 60, 134, 139 – 140, 147 – 148, 260, 350, 372 – 373, 400 Investitionshilfeentscheidung 162 Karlsbader Beschlüsse 32, 118 – 119 Kartell 68, 71, 169 Kartellamt 90 – 91, 95, 100, 104, 109 Kollision 194 – 198, 202, 204, 280, 325, 358, 378 Kommunikationsordnung 144, 151 – 152, 154, 159 – 160, 204 – 208, 218, 222, 233, 252, 277, 321, 375 – 376, 378 – 380, 384 Kommunikationsverfassung 131, 141, 150, 159, 205 – 206, 208 – 209, 378 Kompetenzordnung 237, 240 – 241, 244, 325, 332, 380, 384 Komplementarität der Medien 134 Konjunkturkrise 25, 29, 60, 65 Kontrollerwerb 88, 90 Konvergenz 45 – 46, 134, 147 Konzentration 25, 28, 34 – 35, 63 – 64, 75, 77 – 79, 81 – 82, 106, 114, 226, 336, 338, 341 – 342, 345, 348, 355, 357, 365, 371, 385 – 386 Konzentrationskontrolle 34, 74, 115, 154, 182, 253, 257, 260, 277, 290, 299, 341 – 342, 365, 371 Lebach-Urteil 144, 200 Lesermarkt 39, 44, 50, 63, 93, 95, 97, 103 – 104, 347 Lizenzzwang 33, 371 Lokalzeitungen 85 Lüth-Urteil 126, 129, 180, 200
427
Markt 27, 32, 34 –35, 37, 40, 42 –44, 48, 51 – 52, 56, 59 –60, 64 –65, 67, 69, 71 – 72, 74, 79 –81, 91 –95, 97 –98, 100 – 102, 104, 106, 112, 121, 138, 166, 171, 174, 203, 206 –208, 216 –217, 219 – 220, 222 –223, 225, 228 –229, 247, 260, 264, 286, 295, 320, 339, 341, 353, 357 – 358, 363 –364, 366, 368, 371 –373, 378 Marktabgrenzung 91 –92, 94 –95, 97, 346 Marktbeherrschung 87, 91 –93, 95 –98, 100, 109, 352, 358, 360, 364 –365 Marktmacht 41 –42, 52, 61, 63 –64, 71, 98, 102, 115, 121, 124, 264, 290, 294 – 296, 298 –299, 304, 338, 348, 363, 365 – 366, 373 Marktstruktur 71, 80, 95, 101, 104, 106, 161, 322, 364, 366 Marktunvollkommenheit 44 Marktzutrittsbarrieren 40, 44, 81, 98, 110, 349, 366, 372 Mediennutzungsdauer 54 Medienübergreifende Betrachtung 134, 147, 376 Medium und Faktor 112, 142, 187 Meinungsbildung 81, 112 –113, 130 – 131, 142, 145 –146, 151, 153, 155, 158, 160, 192, 207 –208, 213, 236, 320, 343, 352 Meinungsfreiheit 75, 130 –132, 141 –143, 150, 154, 158, 179 –180, 200, 209, 211, 270, 296, 326, 339 Meinungsmacht 77, 79, 83 –85, 146, 236, 287, 374 Meinungsvielfalt 27, 72, 74, 77, 80, 82, 101, 107, 138, 146, 216 –217, 233, 352, 366 – 367, 379 Meist-Betroffenheits-Theorie 189 Ministererlaubnis 70, 82, 90, 101, 103 – 108, 346, 352, 366, 369 Monopolkommission 72, 104, 107 –108, 354
428
Sachverzeichnis
Nachfrageflexibilität 40 – 41, 44, 372 Neutralitätspflicht 163, 260 Newspaper Preservation Act 362 Normgeprägtes Grundrecht 183, 275 Objektiv-rechtliche Grundrechtsseite 126, 140, 254, 257, 276, 293, 309 Objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalt 125, 128, 198, 287, 292 Objektive Wertordnung 126 – 128, 265 Öffentliche Aufgabe 113, 191, 209, 214, 233, 238, 375, 379 Öffentliche Meinungsbildung 112, 131, 140, 149, 152, 157, 375 Optimierungsgebot 200, 307 Ordoliberalismus 69, 83 Parlamentsvorbehalt 271 Pluralismus 80, 217 – 218, 290 Pluralität 73, 82, 205 – 207, 209, 217 – 218, 246, 340 – 341, 379, 386 Postzustellung 60 – 61, 373 Praktische Konkordanz 199, 201 Presse 27, 31, 33, 35, 40, 42, 48, 50, 72, 74, 76 – 77, 79, 85, 88, 93, 99, 112 – 116, 118 – 120, 130 – 132, 135 – 139, 142, 144 – 155, 157 – 158, 161, 165, 171 – 175, 177, 182, 184, 186 – 188, 190 – 193, 195, 198, 201 – 204, 206 – 207, 209 – 219, 222, 228 – 229, 231 – 236, 238 – 239, 243 – 244, 246 – 247, 257 – 258, 260, 262 – 263, 270, 275 – 276, 286, 289, 295, 298, 300, 308, 319 – 321, 323, 333 – 334, 337 – 338, 341, 345 – 347, 349, 354, 356, 358, 362, 368 – 369, 372, 375 – 377, 379 – 381, 384, 387 – 388 Pressefreiheit 29, 32, 73 – 75, 114 – 119, 123 – 124, 130 – 137, 141 – 142, 144 – 145, 149, 151 – 156, 158 – 161, 171 – 178, 180 – 182, 186 – 188, 190 – 193, 195, 201 – 204, 209 – 213, 215, 217 – 221, 232 – 233, 235 – 236, 239, 247, 249, 254 – 255, 257 – 258, 260 – 262, 270,
276 – 277, 281 –282, 289, 308, 312, 319, 321, 323, 333 –334, 339, 342, 347 –349, 374 – 376, 378 –380, 384, 387 Pressefusionskontrolle 23 –26, 29 –30, 34, 36, 62 –63, 65 –66, 77, 84 –85, 111, 114, 121, 129, 151, 161, 186, 194, 202, 234, 245 –247, 262, 286, 334 –335, 337 – 345, 347, 353, 369 –371, 373 – 374, 382 –383, 385 –387 Presseklausel 26, 87 Pressekommission 75 Pressekonzentration 27, 30, 75 Pressekrise 23 –25, 27, 29 –31, 36, 44, 48, 53 – 54, 56, 61 –65, 371 Pressemarkt 27, 29, 34, 39, 41 –42, 66, 72 – 73, 77, 79, 81 –83, 85, 91 –93, 97 – 98, 107, 109 –110, 115, 121, 160, 223, 234, 236, 240, 243, 245 –246, 253, 262 – 263, 275, 281, 284 –286, 295, 298, 304, 307, 319, 338, 341, 343, 345 –346, 358, 371, 374, 381 –382, 384, 387 Pressepolitik 33 Presserechenklausel 85, 337, 339, 366, 368 Pressesubvention 192 Pressevielfalt 27 –28, 74, 79 –80, 105, 145 – 146, 216 –218, 233, 235, 367, 379 – 380 Pressewettbewerb 73, 222 –224 Pressezusammenschlusskontrolle 26, 370, 388 Privatautonomie 123, 165, 203, 220, 231, 263, 283, 295 –298, 311, 378 Prognoseentscheidung 72, 96, 101, 279 Prognosespielraum 183 –184, 224, 226, 277 – 279, 313, 331 –332 Proklamation der Menschenrechte 118 Publizistische Einheiten 61, 360 –361 Publizistische Gewaltenteilung 139, 146, 321 Publizistische Relevanz 190 –192, 202 – 204, 338, 349, 378
Sachverzeichnis Publizistische Vielfalt 43, 66, 75 – 76, 78 – 82, 84, 207, 346, 360, 369, 374, 388 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 165 Rechtsstaatsprinzip 166, 200 Redaktionelle und verlegerische Struktur 61 Redaktionsgeheimnis 221 – 222, 233, 379 Redaktionsmodell 345, 362, 365 Regionalklausel 85 –86 Reichweite 39, 41, 46, 53 – 55, 92, 188, 232, 251, 259, 305, 311 – 312, 318 – 319, 330, 358, 384, 415 Rezipient 115, 156, 376 Rezipientenmarkt 44, 47, 53, 57, 59 – 60, 373 Rundfunk 55, 76, 112, 128, 135, 137 – 139, 142, 144 – 149, 152, 204, 207, 217, 232, 236, 239, 249, 251, 258, 260, 263, 265, 277, 376 Rundfunkfreiheit 115, 133, 137, 144 – 145, 154, 180, 188, 209, 236, 248 – 251, 253, 255, 257 – 258, 274, 277, 357 Rundfunkvielfalt 146 Sanierungsfusion 82, 102 – 103, 346, 352, 356, 364 – 366, 369 Schranken-Schranken 250, 325 Schrankenordnung 172, 185, 187 Schutzeingriff 182, 280 – 281, 291 – 292, 294 – 296, 298 – 299, 312, 318, 321, 323, 325, 330, 382, 384 Schutzminimum 277, 308, 317, 330 Schutzpflicht 128, 236, 241, 246, 262 – 277, 279 – 286, 288, 290 – 293, 295 – 306, 308 – 309, 311, 313, 315 – 319, 322 – 334, 338 – 339, 380, 382 – 384, 386 – 387 Skalteneffekte 349 Sonderrechtslehre 179 – 180 Soziale Marktwirtschaft 67, 162 – 163
429
Sozialstaatsprinzip 116, 157, 159 –160, 162, 166, 200, 297, 309 Sozialvorbehalt 230 Spezialität 176 –177, 231 Spiegel-Beschluss 73 Springer 25, 60, 63, 65, 79, 86, 94 –95, 98, 101 –102, 107 –109, 357, 368 Staatliche Handlungspflicht 128, 239, 334 Staatliche Neutralität 205, 208 –209, 311 – 312, 378 Staatsaufgabe 238, 240 –241, 266 –267, 269, 291, 293, 326 Staatsaufgabenlehre 234, 236 –237, 324, 326 Stiftungsmodell 108 Strukturkontrolle 71 –72 Strukturkrise 24 Stufenmodell 190, 203, 378 Tabloid-Formate 57 Tagesspiegel 25, 39, 99, 108 Technologischer Fortschritt 45, 134 Tendenzautonomie 219 –221, 231, 233, 366, 379 Übermaßprüfung 315 –316, 318, 326 – 327, 332, 385 Übermaßverbot 186, 189, 199, 250, 252, 279, 314 –315, 318, 325 –326, 330 Umsatzschwelle 91, 354 –355 Untermaß 277, 311, 314, 316, 318, 322, 326 – 329, 333, 385 Untermaßverbot 300, 310 –311, 314 – 316, 318, 323 –324, 326, 328, 332, 383 – 385, 411 Unternehmerfreiheit 170 –171, 174, 207, 377 Verhaltenskontrolle 71, 87, 100, 361 Verhältnismäßigkeitsprinzip 219, 267, 310
430
Sachverzeichnis
Verlage als Herausgeber 61 – 63, 65, 76, 373 Verlegerfreiheit 220 Vertragsfreiheit 114, 121, 169 – 171, 202, 295, 377 Vielfalt 24, 27 – 28, 30, 43, 66, 72 – 78, 80 – 83, 86, 140, 145, 149 – 153, 156, 159, 194, 204, 206 – 208, 216 – 219, 226, 236, 239, 244, 246, 249, 260, 264 – 265, 273, 280, 285 – 287, 290, 294 – 295, 298 – 300, 304, 335 – 336, 338 – 339, 341 – 342, 345 – 347, 354 – 357, 362, 367, 369, 374 – 376, 381 – 382, 385 – 388 Vielfaltssicherung 28, 43, 66, 72, 82, 85, 153 – 154, 156, 158 – 159, 201, 207, 218 – 219, 260, 265, 275, 328, 339, 374, 376 Vielfaltsthese 72, 77 – 78, 80, 82, 84, 362, 374 Vierte Gewalt 113 Vorbehalt des allgemeinen Gesetzes 77, 178, 339, 349, 360, 386 Vorbehalt des Gesetzes 123, 240 – 241, 259, 325, 332, 384
84, 91 – 92, 96, 101 –102, 105, 121, 166, 168 – 169, 191, 204, 217, 223 –224, 226, 229, 233, 235, 246 –247, 260, 264, 273, 275, 280, 286 –287, 289 –290, 294 – 300, 304, 314, 320 –321, 335 –336, 338 – 339, 341, 345 –346, 349, 351 – 352, 355 –356, 358, 362 –363, 365 – 367, 372 –374, 379, 381 –382, 385 –387 Wettbewerbsfreiheit 114 –115, 167 –168, 170 – 171, 193, 202 –203, 222 –224, 228 – 229, 319, 347, 357 –358, 377 –378 Wettbewerbssicherung 30, 43, 66, 72, 207, 218 –219, 275, 286, 314 Wiedervereinigung 35, 61 –63, 371 Wirtschaftsfreiheit 114 –115, 164, 167 – 175, 177, 184, 186 –188, 190, 192 –193, 201 – 202, 228, 235, 264, 275, 295, 298, 312, 314, 339, 377 Wirtschaftsordnung 40, 67, 162, 164, 174, 181, 209, 216, 222 –223, 225, 228, 230, 233, 314, 340, 352, 379 Wirtschaftsverfassung 223 – 225
161 –163,
166,
Zeitungsstichtagssammlung 76 Wechselwirkungslehre 179 – 180 Weimarer Reichsverfassung 143, 161, 178, 213 Werbekrise 48 – 49, 51, 56, 60, 372 – 373 Wettbewerb 23, 25, 27, 30, 38, 40, 42 – 43, 51, 53, 55, 60, 66 – 72, 77 – 78, 80 –
Zusammenschluss 28, 70, 72, 77, 79, 85 – 86, 88 – 92, 95 –102, 104 –109, 114, 120, 164, 170, 341 –342, 345, 347, 353 –356, 359, 362, 364, 366 –367, 386 Zusammenschlusskontrolle 322, 337, 339, 353
72, 86, 103,