Militarisierung der Polizei: Verfassungsrechtliche Grenzen [1 ed.] 9783428586097, 9783428186099

In einer bisher beispiellosen Attentatsserie wurden am 13.11.2015 in Paris 130 Menschen getötet und weitere 683 verletzt

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German Pages 234 Year 2022

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Militarisierung der Polizei: Verfassungsrechtliche Grenzen [1 ed.]
 9783428586097, 9783428186099

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Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit

Band 16

Militarisierung der Polizei Verfassungsrechtliche Grenzen

Von

Philipp Thomas Mende

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIPP THOMAS MENDE

Militarisierung der Polizei

Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Münster

Band 16

Militarisierung der Polizei Verfassungsrechtliche Grenzen

Von

Philipp Thomas Mende

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Greifswald hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-18609-9 (Print) ISBN 978-3-428-58609-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Tom

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald im Wintersemester 2021/2022 als Dissertationsschrift angenommen. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand vom Sommer 2021. Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Uwe Kischel, besonders bedanken. Seine inspirierende und motivierende Art hat mich durch das gesamte Studium der Rechtswissenschaften bis hin zum Abschluss dieser Arbeit begleitet. Auf seine wertvolle Beratung, Förderung und sonstige Unterstützung konnte ich mich immer verlassen, im Akademischen wie im Privaten. Zudem gilt mein besonderer Dank Herrn Professor Dr. Classen, welcher zügig das Zweitgutachten erstellt und mir außerdem nützliche Hinweise gegeben hat. Schließlich möchte ich mich bei meiner Familie bedanken. Ohne sie wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Greifswald, im Januar 2022

Philipp Thomas Mende

Inhaltsverzeichnis A. Problemeinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Moderner Terrorismus als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung II. Bundesweite Militarisierung der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maschinengewehre, Granaten, gepanzerte Einsatzfahrzeuge und mehr . . 2. Verschärfte Polizeigesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neue Polizeispezialeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Paramilitärisches Antlitz der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Von irrationalen Ängsten bestimmter Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Militarisierungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei . . . . . . . . . . . . I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herleitung des Trennungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematisch-teleologische Auslegung der Sicherheitsverfassung . . . aa) Art. 87a Abs. 1, 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 87a Abs. 1 GG – Aufstellungsbefugnis und Aufstellungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Art. 87a Abs. 2 GG – Verfassungsvorbehalt für den Streitkräfteeinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Besonderer Rechtsmaßstab für die Streitkräfte . . . . . . . . . . . . bb) Militärische Mittel im Innern – nur ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . (1) Innerer Notstand – Art. 87a Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Katastrophennotstand – Art. 35 Abs. 2, 3 GG . . . . . . . . . . . . . (3) Einsatz im Innern in Fällen des äußeren Notstands – Art. 87a Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Machtgefälle zwischen Streitkräften und Polizei . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung der Gewaltmonopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Befehls- und Kommandogewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Das Rechtsstaats- und Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsstaatliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Effektive Durchsetzung der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . (b) Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gewaltenteilungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Heranziehung des Art. 143 GG a. F.? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Historisch-genetische Herleitung des Trennungsgebots . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgaben der Alliierten an den parlamentarischen Rat . . . . . . . . . (1) Häufiger Rekurs auf Memorandum zum Polizeibrief vom 14.04.1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bedeutung des ehemaligen Besatzungsrechts für die Verfassungsgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsqualität des Besatzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Keine unmittelbare Geltung nach Wiedererlangung der deutschen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besatzungsrecht als bis heute aktuelle Stütze des Trennungsgebots? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mittelbare Geltung des Besatzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Artt. 35, 87a GG vor dem Hintergrund der alliierten Vorgaben (3) Besatzungsrecht vs. deutscher Souveränitätsanspruch . . . . . . . (4) Widersprüchliche paramilitärische Strukturen beim Bundesgrenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Eklatanter Widerspruch zu den alliierten Vorgaben . . . . . (b) Besatzungsrecht als gänzlich unverwertbare Stütze . . . . . cc) Trennungsgebot aus nationaler Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entwertung des Trennungsgebots durch Verfassungswandel? . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge – Verbot der Bildung paramilitärischer Strukturen . . . . . . . . . a) Konkretisierung der Rechtsfolgen des Trennungsgebots . . . . . . . . . . . . aa) Nebulöse Abgrenzungsmaßstäbe zwischen Polizei und Streitkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ungeeignete formale Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Negative Abgrenzung anhand militärischer Charakteristika . . . . . b) Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewaffnung und sonstige Ausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vernichtungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kontrollier- und Beherrschbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Panzerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Personalauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kasernierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Befehl und Gehorsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kombattantenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Analoge Anwendung des Einsatzvorbehalts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG – Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit a) Intensivste Eingriffe in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einleitendes Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesteigerte Gefährdung jeder Person im Umfeld . . . . . . . . . . . . . . cc) Schusswaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bereits in der Vergangenheit gefährlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Jetzt noch gefährlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Munitionsdilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Polizeimunition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) . . . dadurch letale Wirkung noch wahrscheinlicher . . . . . . . . . dd) Explosivmittel mit Spreng-/Splitterwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit i. w. S. als elementare Schranke . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hohes Vernichtungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geeignetheit; Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erhebliche Lebensgefährdung nur selten gerechtfertigt . . (b) Anforderungen für den Einsatz potentiell tödlicher Zwangsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gezielte Tötung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Finaler Rettungsschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schlagkräftige Bewaffnung erfordert keine Neubeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Nicht bezweckte, aber wahrscheinliche Tötung . . . . . . . . (aa) Tod des Störers in den meisten Fällen nicht bezweckt (bb) Wahrscheinlicher Tod eines Menschen ebenfalls nur als ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Entsprechende Anwendung der Anforderungen des finalen Rettungsschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Rechtsfolge: Besonders schlagkräftige Bewaffnung nur selten einsetzbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mangelnde Kontrollier-/Beherrschbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erhebliche Gefährdung Unbeteiligter immer unangemessen (2) Unterschiedslos, aber nicht letal wirkende Zwangsmittel . . . cc) Verhältnismäßigkeit zu jedem Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Polizeiliche Lagen erfordern ständige Neubeurteilung . . . . . . (2) Unzulässigkeit des sog. Dauerfeuers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 1 Abs. 1 GG – Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßstab einer Würdeverletzung beim Zwangsmitteleinsatz . . . . . . . . aa) Kernbereich der körperlichen Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis bb) Verursachungs- und Verantwortungszusammenhänge . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit von Explosivwaffen mit der Menschenwürdegarantie . . aa) Wahrscheinliche Tötung des Störers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unkontrollierbare „Vernichtung“ eines Menschen . . . . . . . . . . (2) Situativer Kontext darf nicht außer Acht gelassen werden . . . (3) Drohende Handlungsunfähigkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . (4) Unerträgliche Qualen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unzulässige Gefährdung Unbeteiligter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gefährdungsabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfassungsmäßiger Einsatz praktisch undenkbar . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschüchternde Polizeipräsenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatliche Machtdemonstrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steigerung des Sicherheitsgefühls? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht nur potentielle Täter werden eingeschüchtert . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mittelbar-faktische Eingriffe in Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hier nur wenig hilfreiche Bewertungskriterien . . . . . . . . . . . . . (a) Finalität; Unmittelbarkeit; Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . (b) Subjektives Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Objektivierter Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Hinreichend intensive Grundrechtsbeeinträchtigung . . . . (b) Eskalatives Verhalten als primäres Bewertungsmerkmal . . (aa) Eingriff nur bei Hinzutreten besonderer Umstände . (bb) Quantitativer Umfang und Abstand der Polizeipräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Bewaffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Sonstiges Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Unbeachtliche Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gesamtwürdigung der konkreten Einsatzumstände . . . . . bb) Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . (1) Zur Abwehr einer konkreten Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Im Gefahrenvorfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Generalklauseln setzen üblicherweise konkrete Gefahr voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausnahme in Fällen des Gefahrenverdachts? . . . . . . . . . . (aa) Verzicht auf Erfordernis einer konkreten Gefahr . . . (bb) Handfeste Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Rechtfertigung sog. Gefahrerforschungsmaßnahmen (dd) Rechtfertigung weitergehender Maßnahmen . . . . . . .

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e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Waffengleichheit zum Schutz der Polizeibeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Leicht rein, tot raus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz der Beamten als Gebot zur Militarisierung der Polizei? . . . . . . . . a) Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG i.V. m. Art. 33 Abs. 4 GG . . b) Staatlicher Ermessensspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Handlungspflicht nur bei Unterschreiten staatlicher Mindestanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolge: Keine Pflicht zur Militarisierung der Polizei . . . . . . cc) Freiwillige Militarisierung am Maßstab des Übermaßverbots . . . II. Waffengleichheit zum Schutz der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Effektivität der Gefahrenabwehr als Gebot zur Aufrüstung der Polizei . . a) Sicherheit als fundamentale Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drohende Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überragende Bedeutung der effektiven Gefahrenabwehr? . . . . . . . . . . 2. Effektive Gefahrenabwehr, aber nicht um jeden Preis . . . . . . . . . . . . . . . . a) Balanceakt zwischen Sicherheit und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrdimensionalität des staatlichen Schutzauftrags . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auch Störer umfasst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Polizeihandeln darf Schutzauftrag nicht zuwiderlaufen . . . . . . . . . c) Ausgleich gegenläufiger Verfassungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Keine erweiterte Zuständigkeit der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzlücken beim Einsatz der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgabentrennung als Kernbereich des Trennungsgebots . . . . . . . . . . c) Notwendigkeit einer Verfassungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Maschinengewehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Terminologische Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewehr, Sturmgewehr, Mitteldistanzgewehr oder doch Maschinengewehr? 3. Bezeichnung lässt konkrete Wirkweise nur erahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sturmgewehr H&K G36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entgegenstehendes Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nutzen zur effektiven Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Praktische Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein absolutes Bewaffnungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einsatz muss ultima ratio bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine flächendeckende Bewaffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Keine Ermöglichung des sog. Dauerfeuers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 5. Ähnliche Sturmgewehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Maschinenpistolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lange etabliert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein charakteristisch-militärisches Vernichtungspotential . . . . . . . . . . b) Unzulässige Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein unzulässiges paramilitärisches Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . 3. Steigerung der effektiven Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine besonderen Einsatzanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aber: Einschüchterungswirkung muss berücksichtigt werden . . . . . . . . . . III. Hochleistungspräzisionsgewehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besonders hohes Vernichtungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. . . . bei gleichzeitig guter Beherrschbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendigkeit für den finalen Rettungsschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Explosivmittel; Granatwerfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spreng-/Splitterhandgranaten und sonstige Sprenggeschosse . . . . . . . . . . . 2. Granatwerfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschießt auch unzulässige Munition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Missbrauchsgefahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gepanzerte Einsatzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzipiert für den Kriegseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unbewaffnete Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Varianten mit Wasser-, Nebel-, Rauch- oder Reizgaswerfern . . . . . . . . c) Varianten mit potentiell letaler Bordbewaffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entgegenstehendes Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Notwendigkeit zur Gewährleistung einer effektiven Gefahrenabwehr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Zulässigkeit weitgehend paramilitärischer Polizeieinheiten am Beispiel der BFE+ I. Besondere Ausrüstung und Fähigkeiten – auch außerhalb besonderer Lagen II. Entgegenstehendes Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verlust des polizeilichen Gepräges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebot der effektiven Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nutzen zur Abwehr außergewöhnlicher Gefahrenlagen . . . . . . . . . . . . . b) Überwinden der Rechtsfolgen des Trennungsgebots? . . . . . . . . . . . . . . aa) Grenzen der praktischen Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Absolut unzulässige Ausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unzulässige Einsatzpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exkurs: Weitere problematische Polizeieinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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1. Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weitgehend paramilitärische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geheimhaltungspraxis steht rechtlicher Bewertung entgegen . . . . . . . 2. Paramilitärische Polizei auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Drohende Probleme bei der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mögliche Hilflosigkeit der Polizei durch Überbewaffnung . . . . . . . . . . . . . . . II. Spillover-Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gegenmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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G. Regelungstechnik für die Ausrüstung der Polizei mit besonderen Zwangsmitteln I. Gesetzessystematik de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bundesrechtliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Landesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Orientiert an § 36 Abs. 3, 4 MEPolG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Orientiert am Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigenständige und hybride Ansätze; Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . II. Militarisierung der Polizei als Entscheidung der Exekutive? . . . . . . . . . . . . . 1. Polizeiausrüstung gesetzgeberisch nur in absoluten Grundzügen vorbestimmt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßstab der Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wesentliche Entscheidungen sind Sache des parl. Gesetzgebers . . bb) Grundrechtsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der verfassungsrechtlich geforderten Regelungsdichte . . aa) Reichweite der gesetzgeberischen Konkretisierungspflicht . . . . . (1) § 2 Abs. 4 UZwG als Beispiel für zulässige Delegation? . . . (2) Weitergehende Konkretisierung kann wesentlich sein . . . . . . (3) Erforderlichkeit einer flexiblen Regelung? . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Beeinträchtigung der effektiven Gefahrenabwehr? . . . . . (b) Das Parlament als hinderlicher Faktor bei der Gefahrenabwehr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mögliches Waffen- und Ausrüstungsarsenal schon lange bekannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ausnahme: Unwesentliche Konkretisierungen . . . . . . . . . bb) Regelungsdichte vom Einzelfall abhängig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwangsmittel mit besonderem Konkretisierungsbedarf . . . . . . . . . . . . aa) Schusswaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Individuelle Regelung für jede Schusswaffe? . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (2) Pflicht zur Konkretisierung wirkrelevanter Eigenschaften . . . (3) Darüber hinausgehende Konkretisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Explosivmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hohe Regelungsdichte beim intendierten Einsatz gegen Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestimmung der Parameter zur Charakterisierung von Sprengstoffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausschluss unzulässiger Wirkweise im Tatbestand . . . . . . . . . cc) Besondere Dienstfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässigkeit verschiedener Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Geringere Wirkung als [. . .]“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichsobjekt muss hinreichend konkretisiert sein . . . . . . . . . . cc) Keine Umgehung bei Gebot zu eigenständiger Regelung . . . . . . . (1) Bestimmte Zwangsmittel erfordern gesonderte Behandlung . . (2) Beispiel: Distanz-Elektroimpulsgeräte erfordern eigene Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beispiel einer zulässigen Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterstützende Einsätze der Bundespolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erweitertes Waffenarsenal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verweis auf (unzureichendes) Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Statischer Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Dynamischer Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spezialeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erprobung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Durchaus praxisgerecht“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offener Wortlaut ermöglicht Erprobung sämtlicher Mittel . . . . . . cc) Notwendigkeit zur effektiven Gefahrenabwehr? . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unklarer Erprobungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bekannte Wirkweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unbekannte Wirkweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesetzessystematik de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neues MEPolG gegen den Terror in Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reformvorschlag zur Regelung polizeilicher Schusswaffen . . . . . . . . . . . .

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Abkürzungsverzeichnis ABC AK-47 AP BFE BFE+ BGS DHPol DWJ FN EKO G GSG 9 H&K IMK KSK MEK MEN MEPolG MP NVA SEK S&W

Atomar, biologisch, chemisch (etwa die ABC-Waffe) Awtomat Kalaschnikowa, obrasza 47 (Sowj. Sturmgewehr) Armor-Piercing/panzerbrechend Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Plus Bundesgrenzschutz Deutsche Hochschule der Polizei Deutsches Waffen-Journal Fabrique Nationale Herstal Einsatzkommando Gewehr (etwa das H&K G36) Grenzschutzgruppe 9 Heckler & Koch Innenministerkonferenz Kommando Spezialkräfte Mobiles Einsatzkommando Metallwerk Elisenhütte Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes Maschinenpistole (etwa die H&K MP5) Nationale Volksarmee der eh. Deutschen Demokratischen Republik Spezialeinsatzkommando Smith & Wesson

A. Problemeinführung I. Moderner Terrorismus als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Spätestens nach den schrecklichen Terroranschlägen im Jahr 2015 in Frankreich war klar, dass uns die Auswirkungen globaler Konflikte auch mitten in Europa empfindlich treffen können. In einer bisher beispiellosen, islamistisch motivierten Attentatsserie wurden am 13. November 2015 in Paris 130 Menschen getötet und weitere 683 verletzt.1 Die Täter waren paramilitärisch ausgebildet und ausgerüstet. Sie setzten Pistolen, Sturm-/Maschinengewehre2, Sprengstoffe, Körperpanzerung und Panzerabwehrwaffen ein – in dieser Form und Organisation zumindest in Europa ein vermeintlich neuartiger „hochgerüsteter“ Tätertyp.3 Die Presse attestierte eine totale Überforderung der französischen Sicherheitskräfte im Umgang mit dieser Situation.4 Verschiedene Rüstungskonzerne und 1 Vgl. Vincent, Attentat du 13-Novembre: deux ans après, les révélations de l’enquête, in: Le Monde v. 11.11.2017, abrufbar unter https://www.lemonde.fr/attaques-aparis/article/2017/11/11/attentat-du-13-novembre-deux-ans-apres-les-revelations-de-lenquete_5213555_4809495.html#TRWwXcOqa7iZB685.99 (abgerufen am 15.04.2021). 2 Die Begriffe „Sturmgewehr“ und „Maschinengewehr“ eignen sich jeweils nicht zur exakten Beschreibung eines Waffentyps. Gemeint sind in der Regel vollautomatische Gewehre, welche zur Abgabe von Feuerstößen in der Lage sind. Die Begriffe werden zum Teil synonym gebraucht und sind im Einzelfall nur schwer voneinander abgrenzbar. Im Detail zu diesen Waffensystemen infra D. I. 3 Mit näheren Informationen zur Bewaffnung der Täter Salloum, Arsenal der Pariser Attentäter, in: Spiegel Online v. 15.01.2015, abrufbar unter http://spiegel.de/politik/aus land/terror-in-paris-die-waffen-der-attentaeter-a-1013134.html (abgerufen am 15.04. 2021); einleitend zur Thematik Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46 f.); mit einem Wirkmittelvergleich Schmidt/Knopp, CILIP 116/2018, 30 (37). Hochgerüstete Tätertypen sind allerdings kein völlig neues Phänomen: Die Täter der Terrorgruppe „Schwarzer September“ waren zum Beispiel bereits im Jahr 1972 mit Sturmgewehren des Typs AK-47 bewaffnet, vgl. Bohr/Frohn/Latsch/et al., Die angekündigte Katastrophe, Der Spiegel 30/2012, 34 ff. 4 Vgl. Finkenzeller, Die Angst ist zurück, in: Zeit Online v. 12.12.2018, abrufbar unter https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-12/terrorverdacht-in-frankreichstrassburg-anschlag-weihnachtsmarkt-furcht-ausnahmezustand (abgerufen am 15.04. 2021); zu den „katastrophalen“ Zuständen bei der französischen Polizei Meister, Die katastrophalen Zustände bei der französischen Polizei, in: Welt v. 04.07.2018, abrufbar unter https://www.welt.de/politik/ausland/article178737236/Interner-Bericht-Die-kata strophalen-Zustaende-bei-der-franzoesischen-Polizei.html (abgerufen am 15.04.2021); vgl. Nossiter, Response to Paris Attacks Points to Weaknesses in French Police Structure, in: New York Times v. 31.12.2015, abrufbar unter https://www.nytimes.com/2016/ 01/01/world/europe/response-to-paris-attacks-points-to-weaknesses-in-french-policestructure.html (abgerufen am 15.04.2021).

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A. Problemeinführung

Medien sowie die Politik haben als Reaktion ein dunkles und beängstigendes Zukunftsszenario vorgezeichnet. Sie befürchten, dass solche Terrorlagen auch in Deutschland jederzeit auftreten könnten.5 Weitere terroristische Anschläge, welche im Jahr 2015 weltweit erfolgt sind, wirkten hier noch zusätzlich als Katalysator.6 Da die Abwehr terroristischer Gefahren grundsätzlich in die Zuständigkeit der Polizei fällt – nur ganz ausnahmsweise ist ein Streitkräfteeinsatz im Innern zu diesem Zweck denkbar7 –, folgte daraufhin eine lebhaft geführte Diskussion über die Frage, ob die deutsche Polizei für die Abwehr solcher und ähnlicher Anschläge ausreichend gerüstet ist.8 Kritisiert wurde insbesondere, dass die polizeiliche Ausrüstung und Bewaffnung den neuartigen Gefahrensituationen nicht mehr gerecht werden könne.9 Welche Maßnahmen deswegen notwendig wären, war in den Fokus der Sicherheitspolitik gerückt.10

II. Bundesweite Militarisierung der Polizei Die Antwort auf diese Frage gestaltet sich allerdings nicht einfach, da sich der moderne Terrorismus als extrem vielseitige und asymmetrische Gefahr darstellt. Besonders perfide erscheint beispielsweise die Verwendung unkonventioneller Waffen durch die Täter, etwa wenn LKW missbraucht werden, um in Menschenmengen zu rasen und dabei wahllos Menschen zu töten oder zu verletzen.11 Ähnlich verhält es sich mit Sprengstoffattentaten und spontanen Messer-Attacken. Solche Gefahren können – wie intendiert – nur schwer vorhergesehen oder gar 5

Vgl. Schmidt/Knopp, Cilip 116/2018, 30 (34 f.). Für eine Übersicht über das terroristische Lagebild im Jahr 2015 vgl. Vision of Humanity, Global Terrorism Index Report 2016, S. 1 ff., 14 ff., abrufbar unter https://re liefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Global%20Terrorism%20Index%202016_0. pdf (abgerufen am 15.04.2021). 7 Jedenfalls solange kein Fall der Verteidigung im Sinne des Art. 87a Abs. 1, 2 GG vorliegt. Ausführlich dazu siehe infra B. I. 1. a) aa)–bb). 8 So forderte etwa der damalige Vorsitzende der Innenministerkonferenz Roger Lewentz in einem Interview mit der Welt: „Die Polizei braucht auch schwere Waffen“, denn „[. . .] Wir müssen für Waffengleichheit sorgen“, in: Welt v. 06.03.2015, abrufbar unter https://www.welt.de/politik/deutschland/article138112335/Die-Polizei-brauchtschwere-Waffen.html (abgerufen am 15.04.2021). Auch die Paralleldiskussion um den Einsatz der Streitkräfte im Innern ist deswegen neu entflammt, vgl. etwa Bäumerich/ Schneider, NVwZ 2017, 189 (189 ff.). Zur bisherigen Polizeibewaffnung siehe Berners, Polizeipraxis 02/2018, 32 (32 ff.). 9 Vgl. die supra in Fn. 8 genannten Quellen. Mit wehrtechnischen Erläuterungen Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (passim). 10 Näher dazu Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46 f.). 11 Vgl. Spiegel Online v. 10.06.2017, Anschlag in London – Attentäter wollten mit Lkw angreifen, abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/ausland/london-atten taeter-wollten-offenbar-mit-einem-lkw-angreifen-a-1151520.html (abgerufen am 15.04. 2021). 6

II. Bundesweite Militarisierung der Polizei

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effektiv abgewehrt werden.12 Wohl aufgrund dieser Schwierigkeiten waren die neuartigen, hochgerüsteten Täter in den Fokus der Reformdebatte gerückt, denn gegen diese ließen sich immerhin konkrete Maßnahmen treffen. Es sollte für „Waffengleichheit“ gesorgt werden,13 indem die größte polizeiliche Aufrüstungswelle seit den 1970ern initiiert wurde, welche bis heute nicht abgeschlossen ist.14 Nach Jahren der Abrüstung erfolgte genau hier die Initialzündung für eine erneute Militarisierung der Polizei.15

1. Maschinengewehre, Granaten, gepanzerte Einsatzfahrzeuge und mehr Sowohl die Bundes-, als auch die Landespolizeien wurden fortan mit deutlich schlagkräftigeren Waffensystemen und verbesserter Schutzausrüstung ausgestattet. Allein im Jahr 2017 haben die verschiedenen Bundesländer dafür mehr als 210 Millionen Euro investiert.16 Dem aufgeworfenen Problem einer möglichen polizeilichen Unterbewaffnung sollte hauptsächlich durch die Beschaffung von Sturmgewehren entgegengewirkt werden. So bestellten Bund und Länder in großer Stückzahl u. a. Gewehre des Typs H&K G3617, H&K G27/G3818, Sig Sauer MCX19, FN SCAR-L20 und Maschinenpistolen des Typs H&K MP721. Mit dem 12 Daher werden die Militarisierungsmaßnahmen zum Teil als „ineffektiv“ kritisiert, vgl. Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/militari sierung-polizei-innere-sicherheit-terrorabwehr-verfassungsrecht/ (abgerufen am 15.04. 2021); Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1684). 13 Vgl. die supra in Fn. 8 genannten Quellen. 14 Zum Umfang der geplanten Aufrüstungsvorhaben Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (18 ff.). Insbesondere mangelnde Ausbildungsmöglichkeiten und technische Probleme bremsen den Militarisierungsprozess allerdings bis heute aus, vgl. dazu etwa Gehm, Polizei in SH schießt ihre neuen MCX-Sturmgewehre kaputt, in: SHZ v. 11.01.2021, abrufbar unter https://www.shz.de/30881272 (abgerufen am 25.10.2021); Lier, Berlins Anti-Terror-Sturmgewehr verstaubt, in: BZ v. 07.08.2021, abrufbar unter https://www.bz-ber lin.de/berlin/berlins-anti-terror-sturmgewehr-verstaubt (abgerufen am 25.10.2021). 15 In der deutschen Polizeigeschichte gab es mit dem Bundesgrenzschutz schon einmal eine paramilitärische Polizeistruktur, welche zum Teil sehr kritisch betrachtet wurde, vgl. dazu jeweils m.w. N. Ronellenfitsch, VerwA 1999, 139 (144 ff.); SchmidtRadefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (36 f.); Willich, BGS, S. 77 ff. 16 Vgl. Friedrichs, Jeder will das Sturmgewehr, in: Zeit Online v. 08.11.2017, abrufbar unter https://www.zeit.de/2017/46/polizei-waffen-ausstattung-bundeslaender (abgerufen am 15.04.2021). 17 In den Varianten G36, G36K (Kurz) und G36C (Compact), welche sich hauptsächlich durch die Lauflänge unterscheiden; vgl. zu den zahlreichen Konfigurationsvarianten der H&K G36-Modellreihe Weisswange, Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr, S. 130 und Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (passim). 18 Vgl. Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (18). 19 Vgl. SHZ v. 23.04.2018, Für Terrorlagen: Das ist die neue Ausstattung der Polizei in SH, abrufbar unter https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/fuer-terrorlagen-

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A. Problemeinführung

G36 wurde die Standardwaffe der Bundeswehr bei der Polizei eingeführt, welche ursprünglich für den Kriegseinsatz entwickelt worden war.22 Diese neuen Waffensysteme verschießen halb- bzw. vollautomatisch23 besonders durchschlagskräftige Geschosse und können dabei eine sehr hohe Feuerrate erreichen.24 Sie sind für sämtliche Personen in Wirkreichweite gefährlich – also nicht nur für die Täter.25 Als Besonderheit ist hier festzuhalten, dass zum Teil sogar gewöhnliche Streifenpolizisten mit diesen Mitteln ausgerüstet werden sollen, um gegen die gefürchteten hochgerüsteten Täter jederzeit effektiv vorgehen zu können.26 Weiterhin soll die Polizei durch die Ausstattung mit Sprengmitteln gestärkt werden. Namentlich handelt es sich dabei beispielsweise um Sprenghandgranaten und Sprenggeschosse, welche aus Schusswaffen verschossen werden können.27 Die Polizei soll also mit Mitteln ausgerüstet werden, deren Einsatz aufgrund ihrer verheerenden Wirkweise außerhalb kriegerischer Einsatzzwecke bisher kaum vorstellbar war. Besonders eindrucksvoll gestalten sich auch die Bestrebungen zur Beschaffung gepanzerter Einsatzfahrzeuge für die Polizei,28 welche sich von ihren originär militärischen Vorbildern zum Teil kaum noch unterscheiden lassen.29 Sie verfügen vereinzelt sogar über Maschinengewehre auf Lafette, welche von einer modularen Waffenplattform ferngesteuert abgefeuert werden können. So konfigu-

das-ist-die-neue-ausstattung-der-polizei-in-sh-id19657836.html (abgerufen am 15.04. 2021). 20 Vgl. Wilhelm, FN SCAR in .300 BLK, in: Deutsches Waffen-Journal v. 27.02. 2019, abrufbar unter https://www.dwj.de/magazin/sicherheit/details/items/fn-scar-in300-blk.html (abgerufen am 15.04.2021). 21 Vgl. Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (16). 22 So beschreibt der Hersteller H&K auf seiner Homepage, dieses Gewehr wäre „[e]ntstanden aus den Forderungen der deutschen Bundeswehr“ und perfekt geeignet für „infanteristische Aufgaben“, https://www.heckler-koch.com/de/produkte/militaer/sturm gewehre/g36/g36/produktbeschreibung.html (abgerufen am 15.04.2021). 23 Zum Unterschied zwischen Voll- und Halbautomatik infra D. I. 2. 24 So kann beispielsweise die H&K MP7 vollautomatisch eine Feuerrate von ca. 1.000 Schuss pro Minute erreichen, vgl. Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (16 ff.). 25 Eingehend zur Frage, ob und wie sich solche Mittel verhältnismäßig anwenden lassen infra B. II. 1. 26 Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46). 27 Vgl. Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1684 f.); bayerischer LT-Drs. 17/20425, S. 88 f. 28 Vgl. Wochit, Aufregung um den „Sachsen-Panzer“, in: Focus v. 19.12.2017, abrufbar unter https://www.focus.de/auto/fahrberichte/panorama-rmmv-survivor-r-auf-num mer-sicher_id_6286727.html (abgerufen am 15.04.2021); Polizeipraxis Online v. 2019, Survivor R, abrufbar unter https://www.polizeipraxis.de/ausgaben/2019/detailansicht2019/artikel/survivor-r.html (abgerufen am 15.04.2021). 29 Näher zu diesen Fahrzeugen infra D. V.

II. Bundesweite Militarisierung der Polizei

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riert wurden diese bereits eingesetzt – allerdings nicht zur Terrorabwehr, sondern zur Demonstrationsabsicherung.30 Mit solchen Mitteln ausgerüstet kann die Polizei fortan nahezu alle denkbaren Gefahrenlagen selbst auflösen, was der Hamburger Innensenator Andy Grote treffend und ohne jede Ironie wie folgt zusammenfasst: „Die Bundeswehr brauchen wir dafür [zur Gefahrenabwehr, Anm. d. Verf.] nicht mehr.“ 31

2. Verschärfte Polizeigesetze Um sich an die neuen Bedürfnisse, Anforderungen und insbesondere die neue Ausrüstung anzupassen, sind bereits eine Vielzahl neuer Polizeigesetze erlassen worden oder zumindest geplant.32 Eigens dafür soll auch ein neues Musterpolizeigesetz (MEPolG) erarbeitet werden, das der Harmonisierung der Landespolizeigesetze dient und ganz im Zeichen des Kampfes gegen den Terror stehen soll.33 Dazu äußerte sich der damalige Innenminister Thomas de Maizière: „Wir brauchen keinen Flickenteppich bei der inneren Sicherheit“, denn „Befugnislücken sind Sicherheitslücken.“ 34 Bis das zukünftige MEPolG bereitsteht, ist der Vorreiter auf diesem Gebiet das bayerische Polizeiaufgabengesetz (BayPAG), in dem seit den jüngsten Reformen erweiterte Standardmaßnahmen in großem Umfang normiert wurden. Dazu gehören auch ein vorverlagerter Gefahrenbegriff, weitere Zwangsmaßnahmen und Regelungen bezüglich neuartiger Zwangsmittel, etwa Handgranaten.35 Diese Reformen stellten sich als so drastisch dar, dass eine breite Protestbewegung die Umsetzung zu verhindern versuchte, auch wenn ihre Bemühungen weitgehend erfolglos blieben.36 30 Vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Helm u. a. v. 15.10.2018 an das Berliner Abgeordnetenhaus, AH-Drs. 18/16730, S. 7 f. 31 Vgl. Lorenz, Anti-Terror-Kampf in Hamburg: „Die Bundeswehr brauchen wir nicht mehr“, in: SHZ v. 14.11.2016, abrufbar unter https://www.shz.de/regionales/ham burg/anti-terror-kampf-in-hamburg-die-bundeswehr-brauchen-wir-nicht-mehr-id1533770 6.html (abgerufen am 15.04.2021). 32 Vertiefend zur Reform des BayPAG Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1680 ff.); Waechter, NVwZ 2018, 458 (458 ff.); zum neuen MEPolG Esposito, ZRP 2017, 129 (129); zur StPO-Reform 2017 Niedernhuber, JA 2018, 169 (passim); zur Gesamtentwicklung Aden/Fährmann, ZRP 2019, 175 (passim) m.w. N. und Ebert, LKV 2017, 10 (passim). 33 Näheres dazu bei Esposito, ZRP 2017, 129 (129). 34 Vgl. Welt v. 14.06.2017, Mit „Musterpolizeigesetz“ gegen Terror und Kriminalität, abrufbar unter https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/ar ticle165546755/Mit-Musterpolizeigesetz-gegen-Terror-und-Kriminalitaet.html (abgerufen am 15.04.2021). 35 Näher dazu Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1680 ff.) m.w. N. 36 Zum Protest von über 30.000 Menschen gegen die BayPAG-Reformen Frasch/ Haneke, An der Grenze der Verfassung, in: FAZ v. 10.05.2018, abrufbar unter https:// www.faz.net/aktuell /politik /inland/proteste-gegen-neues-bayerisches-polizeigesetz-155 83913.html (abgerufen am 06.07.2020).

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A. Problemeinführung

3. Neue Polizeispezialeinheiten Um eine Überforderung der nicht primär für die Terrorabwehr konzipierten regulären Polizei zu vermeiden, werden darüber hinaus bundesweit neue Sondereinheiten der Polizei gebildet, vorhandene ausgebaut oder verstärkt. So soll zum Beispiel die bekannte Bundespolizeisondereinheit GSG 9 (ehemals Grenzschutzgruppe 9) deutlich vergrößert werden.37 Besonders hervorzuheben ist hier die medienwirksame Gründung der neuen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Plus der Bundespolizei (BFE+), welche vorhandene Fähigkeitslücken schließen soll, um so eine effektive Gefahrenabwehr auch bei länger andauernden Terrorlagen zu gewährleisten.38 Die Beamten der BFE+ sind dabei einheitlich mit ballistischen Westen und Sturmgewehren des Typs H&K G36C39 ausgerüstet, außerdem stehen auch hier diverse gepanzerte und bewaffnete Fahrzeuge zur Verfügung.40 Beobachter berichten, die neue BFE+ gehe vor „wie ein Infanteriezug im Häuserkampf“.41 Obwohl sie für absolute Ausnahmelagen gerüstet ist, sollen ihre Angehörigen auch für ganz „normale Tagesaufgaben der Bundesbereitschaftspolizei“ zur Verfügung stehen.42 Es deutet sich also bereits an, dass viele der neuartigen Abwehrinstrumente nicht nur im Kampf gegen den Terror in Erscheinung treten werden.43

4. Paramilitärisches Antlitz der Polizei Wenn die Polizei fortan wieder vermehrt über militärische Mittel verfügt,44 dann droht die Grenze zwischen Polizei und Militär zu verwischen. Der Polizei wird auf diese Weise insgesamt ein zunehmend paramilitärisches Antlitz angeheftet. Besonders eindrucksvoll lässt sich das bei einem Vergleich zwischen Mili37 Vgl. Augsburger Allgemeine v. 15.01.2018, GSG 9 soll deutlich vergrößert werden und zweiten Standort erhalten, abrufbar unter https://www.augsburger-allgemeine.de/ politik/GSG-9-soll-deutlich-vergroessert-werden-und-zweiten-Standort-erhalten-id4384 4016.html (abgerufen am 15.04.2021). 38 Dazu der damalige Präsident des Bundespolizeipräsidiums Dieter Romann: „Diese robuste Einheit ist einmalig in Deutschland. Wir haben damit eine Fähigkeitslücke geschlossen zwischen Bundesbereitschaftspolizei und GSG9 der Bundespolizei. Die BFE+ nimmt damit eine Vorreiterrolle ein“, Bundespolizei kompakt, 02/2016, S. 3 ff. 39 Vgl. zu dieser Konfigurationsvariante des H&K G36 Weisswange, Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr, S. 130; Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (passim). 40 Vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Helm u. a. v. 15.10.2018 an das Berliner Abgeordnetenhaus, AH-Drs. 18/16730, S. 7 ff. 41 Vgl. Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 abrufbar unter https://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-12/bundespolizei-anti-terroreinheit-thomas-de-maiziere-spezialeinheit /komplettansicht (abgerufen am 15.04.2021). 42 Ibid. 43 Zur Gefahr sog. Spillover-Effekte infra F. II. 44 Hinsichtlich früherer paramilitärischer Strukturen beim Bundesgrenzschutz infra B. I. 1. b) bb) (4).

II. Bundesweite Militarisierung der Polizei

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tär- und Polizeispezialkräften darstellen, etwa der GSG 9 der Bundespolizei auf der einen Seite sowie dem KSK (Kommando Spezialkräfte) der Streitkräfte auf der anderen.45 Beide Einheiten sind mittlerweile in etwa gleich stark bewaffnet, sehen sich zum Verwechseln ähnlich, orientieren sich an vergleichbaren taktischen Grundsätzen und nähern sich auch in ihren sonstigen Fähigkeiten immer mehr aneinander an.46 In Sondersituationen, in denen solche Einheiten eingesetzt werden, ist ein tatsächlicher Unterschied zwischen polizeilicher und militärischer Gefahrenabwehr mittlerweile kaum noch ersichtlich.47 Ob nun beispielsweise militarisierte Polizeipatrouillen auf Weihnachtsmärkten48 oder die bereits erwähnten Panzerfahrzeuge zur Demonstrationsüberwachung49, für den Bürger wird es immer wahrscheinlicher, dass er auch abseits von Terrorlagen einer militarisierten Polizei begegnet. Die Militarisierung der Polizei suggeriert nach außen für jeden wahrnehmbar, dass besondere Gefahrenlagen, welche den Einsatz militärischer Mittel erfordern, immer häufiger zum Tagesgeschäft der Polizei gehören könnten.

5. Von irrationalen Ängsten bestimmter Prozess Hinter der Entscheidung zur Militarisierung der Polizei steht eng verbunden die elementare Frage, wieviel Sicherheit staatlich gewährleistet werden darf – und wieviel persönliche Freiheit insbesondere dann dahinter zurückstehen muss, wenn die vermeintliche Gefahr objektiv betrachtet nicht so real und allgegenwärtig ist, wie zunächst befürchtet. Denn so gehört es insbesondere seit den Anschlägen im Jahr 2015 zwar zu den größten Ängsten der Deutschen, zum Opfer eines Terroranschlags zu werden,50 allerdings handelt es sich dabei bei genauer Betrachtung um eine irrationale Befürchtung. Bis heute deutet nichts darauf hin, 45 Insbesondere bei Einsätzen im Ausland (etwa zur Menschenevakuierung) wurde eine klare Aufgabentrennung zwischen Spezialkräften der Polizei und der Streitkräfte schon in der Vergangenheit nicht gewährleistet, was auch auf die ähnlichen Fähigkeiten dieser Einheiten zurückzuführen ist, vgl. Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (passim); Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (32) m.w. N.; Wiefelspütz, Die Bundeswehr in Libyen, HuV-I, 2012, 56 (61 ff.). 46 Dazu eingehend Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55). Dieser Umstand soll im Rahmen der Befreiungsaktion hinsichtlich des Frachters „Hansa Stavanger“ bereits im Jahr 2009 zu einem „Kompetenz-Gerangel“ geführt haben, vgl. Brinkmann, a. a. O. 47 In eine ähnliche Richtung Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55). 48 Vgl. Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12). 49 Vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Helm u. a. v. 15.10.2018 an das Berliner Abgeordnetenhaus, AH-Drs. 18/16730, S. 7 ff. 50 Vgl. die Studie der R+V Versicherung, Größte Angst der Deutschen in den Jahren von 1999 bis 2018, abrufbar bei https://de.statista.com/statistik/daten/studie/577300/ umfrage/groesste-angst-der-deutschen/ (abgerufen am 15.04.2021).

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A. Problemeinführung

dass Terrorlagen mit deutlich erhöhter Häufigkeit tatsächlich zum Tagesgeschäft der Polizei gehören werden, was die folgenden Statistiken der letzten sechs Jahre verdeutlichen. Im Jahr 2016 starben in Deutschland noch insgesamt 26 Menschen als direkte Folge terroristischer Anschläge;51 in den Jahren 2017–2019 bereits nur noch vier.52 Zuletzt folgten das Attentat vom 19.02.2020 in Hanau und der Messerangriff in Dresden vom 04.10.2020, was zu insgesamt 11 Todesopfern führte.53 Natürlich soll die Bedeutung dieser Opfer im Einzelfall keinesfalls geschmälert werden. Die große Angst davor, Opfer eines terroristischen Attentats zu werden, stellt sich allerdings vor dem Hintergrund dieser Zahlen als weitgehend unbegründet dar.54 Auf der anderen Seite kann dieses Risiko auch nicht völlig ausgeschlossen werden.55 Die Chance etwa dafür, bei einem Autounfall zu sterben, ist dagegen trotzdem deutlich höher – wird aber nicht mit ähnlicher politischer Konsequenz, Entschlossenheit und vergleichbar drastischen Mitteln bekämpft.56 Ein Ziel des Terrorismus hat sich also bereits realisiert, denn er soll vor allem Furcht und ein Gefühl der permanenten Unsicherheit innerhalb der gesamten Bevölkerung erzeugen, jedoch in der Regel ohne dass die gesamte Bevölkerung wirklich gefährdet werden könnte.57 Dadurch, dass die Reformbestrebungen der bundesweiten Polizeikräfte also hauptsächlich von weitgehend irrationalen Ängs51 Vgl. Vision of Humanity, Global Terrorism Index Report 2018, S. 40, abrufbar unter https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Global-Terrorism-Index2018-1.pdf (abgerufen am 15.04.2021). 52 Vgl. ibid.; Berliner Morgenpost v. 27.06.2019, Fall Lübke – was wir bisher wissen und was nicht, abrufbar unter https://www.morgenpost.de/politik/article226146943/ Fall-Walter-Luebcke-Was-wir-bisher-wissen-und-was-nicht.html (abgerufen am 15.04. 2021); FAZ v. 29.03.2020, Stephan B. legt offenbar umfassendes Geständnis ab, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/anschlag-in-halle-stephan-b-hatoffenbar-gestanden-16702710.html (abgerufen am 15.04.2021). 53 Vgl. FAZ v. 20.02.2020, Innenminister gehen von rechtsradikalem Hintergrund aus, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/attentat-in-hanau-vermut lich-rechtsradikaler-hintergrund-16643031.html (abgerufen am 15.04.2021); Spiegel Online v. 21.10.2020, Messerangriff in Dresden – Verdächtiger ist islamistischer Gefährder, abrufbar unter https://www.spiegel.de/panorama/justiz/dresden-messerangriffauf-zwei-maenner-verdaechtiger-ist-islamistischer-gefaehrder-a-45742cc0-53dd-4061ab8f-037d937150cb (abgerufen am 03.06.2021). 54 Weltweit gesehen befindet sich die Terrorgefahr seit 2014 in einem ständigen Abwärtstrend, vgl. Vision of Humanity, Global Terrorism Index Report 2020, S. 1 ff. https:// visionofhumanity.org/wp-content/uploads/2020/11/GTI-2020-web-1.pdf (abgerufen am 15.04.2021): „In 2019, deaths from terrorism fell for the fifth consecutive year, after peaking in 2014.“ 55 Vgl. Schmidt/Knopp, CILIP 116/2018, 30 (34 f.). 56 Näher bei Dürrholz, Es kann auch mich treffen, in: FAZ v. 07.05.2018, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/angst-vor-terroristischen-an schlaegen-bei-jungen-menschen-15575826.html (abgerufen am 15.04.2021). 57 Näher dazu Schewe, Das Sicherheitsgefühl und die Polizei, S. 41; Isensee, in: Isensee (Hrsg.), Der Terror, der Staat und das Recht, 83 (83 ff.).

III. Militarisierungsbegriff

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ten bestimmt werden, steht das Rechtfertigungsfundament für eine Militarisierung der Polizei schon im Ansatz auf wackeligen Füßen.58

III. Militarisierungsbegriff Bevor im Anschluss die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der genannten Entwicklungen thematisiert wird, muss der Begriff der Militarisierung selbst noch näher beleuchtet werden. Dieser ist erst Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommen und wurde seitdem sehr umfassend, vielschichtig und konturlos benutzt.59 Eine trennscharfe Definition kann aufgrund dieses Umstands zwar nicht erbracht, allerdings können die grundsätzlichen Bedeutungsdimensionen des Militarisierungsbegriffs angerissen werden.60 Meist ist mit dem Begriff Militarisierung der übermäßige Einfluss des Militärs selbst oder durch paramilitärische61 Organisationsformen auf Staat und Gesellschaft gemeint.62 Ähnlich lässt sich auch von der Dominanz militärischer Formen, Denkweisen und Zielsetzungen sprechen,63 etwa durch eine gesteigerte Geltung militärischer Grundsätze wie zum Beispiel Befehl und Gehorsam, das Befolgen strikter Hierarchien oder die Geltung von Freund-Feind-Differenzierungen.64 Auch die Tendenz, öffentliche Interessen mit militärischer Effizienz durchsetzen zu wollen, ist umfasst.65 Es geht mit anderen Worten um die „Normalisierung“ militärischer Erscheinungsformen innerhalb der zivilen Gesellschaft.66 Zudem existiert ein quantitativer Begriffsansatz, welcher durch die Ausstattung der staatlichen Sicherheitsbehörden mit (schwerer) militärischer Bewaffnung und Ausrüstung geprägt ist.67 Hinsichtlich der oben beschriebenen Entwicklungen und im Kontext rechtlicher Problemschwerpunkte erscheint der jüngste, von Schmidt-Radefeldt vorgeschlagene Ansatz zur Beschreibung beson-

58 Zur weitgehenden Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers im Sicherheitsbereich Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 55 ff. und speziell im Kontext der BayPAG-Reform Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1684). 59 Vgl. Wette, Militarismus in Deutschland, S. 16; Kruse, Die Erfindung des modernen Militarismus, S. 370. 60 Eine vertiefte Darstellung über die Entwicklung des Militarisierungsbegriffs ist zu finden bei Wette, Militarismus in Deutschland, S. 16 ff. 61 Dem Militär ähnlich, Duden Universalwörterbuch, Aufl. 2019, Stichwort: „paramilitärisch“. 62 Vgl. Wette, Militarismus in Deutschland, S. 16; Berghahn, Militarismus, S. 13 f. 63 Vgl. Wette, Militarismus in Deutschland, S. 17 f.; Bredow, Demokratie und Streitkräfte, S. 55. 64 Vgl. Euskirchen/Singe, Gesellschaftliche Militarisierung, PROKLA 2011, 35 (35). 65 Vgl. Wette, Militarismus in Deutschland, S. 17. 66 Vgl. Euskirchen/Singe, Gesellschaftliche Militarisierung, PROKLA 2011, 35 (35). 67 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2. Aufl., Art. 87a Rn. 1.1.; Euskirchen/Singe, Gesellschaftliche Militarisierung, PROKLA 2011, 35 (35).

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A. Problemeinführung

ders treffend: Militarisierung suggeriert demnach die „(schleichende) Auflösung von verfassungsrechtlichen Trennlinien und Aufgabenzuweisungen innerhalb der deutschen Sicherheitsarchitektur“. 68 Der Begriff Militarisierung wird häufig dazu genutzt, um eine aus Sicht des Verwenders negative Entwicklung auszudrücken. Paramilitärische Einflüsse auf Staat und Gesellschaft werden in diesem Kontext als Gefahren gesehen, die zur Erreichung eines bestimmten Zwecks, etwa der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung oder auch der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik, nicht notwendig seien.69 Oft wird insbesondere die missbräuchliche Nutzung militärischer Erscheinungsformen mit der Verwendung des Begriffs unterstellt und gleichzeitig kritisiert.70 Diese bewertende Komponente soll hier allerdings ausgeklammert werden. Ob nun die Frage nach der Bewaffnung der Polizei mit Sturmgewehren, nach dem Einsatz militärisch anmutender Polizeispezialeinheiten oder der Ausrichtung der polizeilichen Gefahrenabwehr am militärischen Maßstab: Die einleitend dargestellten Entwicklungen lassen sich zunächst wertneutral mit dem Begriff der Militarisierung umschreiben. Sie sollen im Folgenden unter diesem zusammengefasst untersucht werden.

68 Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (32). 69 Vgl. Wette, Militarismus in Deutschland, S. 17, 19. 70 Vgl. ibid., S. 20.

B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei Die Militarisierung der Polizei ist ein bundesweiter Prozess, der gerade erst in Fahrt gekommen zu sein scheint.71 Befürworter argumentieren, nur so ließe sich heutzutage eine effektive polizeiliche Gefahrenabwehr überhaupt gewährleisten und nur so könnten hochgerüstete Täter wirksam abgewehrt werden.72 Darf die Polizei deswegen also Tätern, die mit Sturmgewehren ausgerüstet sind, ebenfalls mit Sturmgewehren begegnen? Wie darf sie einem Täter begegnen, der mit einer Panzerfaust ausgerüstet ist?73 Es stellt sich die Frage, wie weit die Polizei an sämtliche denkbaren Tätertypen und Bedrohungsszenarien angepasst werden darf. Muss die zulässige Ausrüstung und Organisation der Polizei allein am Gesichtspunkt der Effektivität orientiert werden,74 oder bestehen dafür rechtliche Grenzen? Der einfache Gesetzgeber scheint sich an einer militarisierten Polizei nur wenig zu stören, immerhin wird eine Militarisierung durch die aktuelle Reformwelle der Polizeigesetze geradezu gefördert.75 Ob sich verfassungsrechtliche Wertungen dazu eignen, diesem Prozess Schranken zu setzen, ist weitgehend ungeklärt. Das Grundgesetz enthält zwar eine Vielzahl von Regelungen in Bezug auf die nationale Sicherheitsarchitektur, jedoch ist das Polizeirecht nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes (Artt. 30, 70 ff. GG) grundsätzlich Ländersache.76 Von der Bundespolizei abgesehen können die Länder folglich weitgehend eigenständige Regelungen treffen. Explizite Aussagen zu der Frage, ob die Polizei der Länder und die Bundespolizei mit militärischen Fähigkeiten ausgestattet werden dürfen, finden sich im Grundgesetz nicht. Zur Klärung der Frage, ob trotz fehlender ausdrücklicher Vorgaben verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei bestehen, soll zunächst untersucht werden, ob der grundgesetzlichen Systematik eine Trennung von Polizei und Streitkräften immanent ist (B. I. 1.) – und wenn ja, welche beschränkenden Rechtsfolgen mit dieser Trennung für die Ausgestaltung der Poli-

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Zum Umfang der Militarisierungsbestrebungen supra A. II. Eingehend zu dieser Argumentation infra C. 73 Zur Antwort auf diese Frage infra C. I. 2. b) cc). 74 Vgl. mit ähnlicher Fragestellung Fischer-Lescano, KJ 1/2004, 67 (76 f.). Eingehend dazu infra C. 75 Insbesondere der bayerische Landesgesetzgeber beschafft Maschinengewehre, Handgranaten und Granatwerfer für die Polizei, vgl. Art. 78 BayPAG und supra A. II. 1.–2. 76 Zur Polizeiverfassung Schultz, Auslandsentsendung, S. 117 ff. 72

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

zei verbunden sind (B. I. 2.). Eigenständige verfassungsrechtliche Schranken könnten sich zudem auch aus den Grundrechten ergeben (B. II.–III.).

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften Eine verfassungsrechtliche Wertung, die womöglich geeignet ist, der zulässigen Ausgestaltung der Polizei Konturen zu verleihen, stellt das sog. Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften dar.77 Das Trennungsgebot könnte zur Folge haben, dass bestimmte militärische Fähigkeiten und Erscheinungsformen, insbesondere die Verfügbarkeit von bestimmten Waffensystemen, nur den Streitkräften vorbehalten sind.78 Eine solche Rechtsfolge stellt sich als potentiell gra77 Teilweise auch Trennungsprinzip oder -grundsatz, im Folgenden als Trennungsgebot bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten). Für das Trennungsgebot: Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (54 ff.); Bäumerich/Schneider, NVwZ 2017, 189 (194); Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 78/2016, S. 3 ff.; Dederer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 91 Rn. 98 und Art. 35 Rn. 111; Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 25 f. differenzieren zwischen der Polizei als Dienstleistungsapparat und dem Militär als Machterhaltungsapparat; Dietz, Das Primat, S. 556 f.; vgl. Fiebig, Der Einsatz der BW im Innern, S. 161. Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 52 (68 f.); Fischer-Lescano, JZ 08/2004, 376 (384); Fischer-Lescano, NordÖR 2009, 49 (54); wohl auch Frowein, in: Frowein/Stein, Aspekte, S. 94 ff.; Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 60 ff.; Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 879 beschreibt „Trennlinien“; Hillgruber/ Hoffmann, NWVBl 2004, 176 (178); Isensee, in: Koch, Die Blauhelme, S. 226 f.; Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 193 f.; Kokott, in: Sachs, GG Kommentar, Art. 87a GG Rn. 3; für die grundsätzliche Existenz des Trennungsgebots, die aber nicht absolut verstanden werden dürfe Ladiges/Glawe, DÖV 2011, 621 (626); Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 26 ff.; Linke, AöR 129 (2004), 489 (510 ff.); Linke, NZWehrr 2006, 177 (178); Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 163; Riedel, DÖV 1989, 890 (896); Jahn/Riedel, DÖV 1988, 957 (961); Schenke, NJW 2006, 736 (737 Fn. 12); Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (5, 34 ff.); Schilly, EUGRZ 2005, 290 (292); Schultz, Auslandsentsendung, S. 129; Speth, Rechtsfragen, S. 17; Talmon, BRJ 2016, 1 (4); Winkler, DÖV 2006, 149 (152); Willich, BGS, S. 71 ff.; ohne von einem Trennungsgebot zu sprechen wohl auch Franz/Günther, VBlBW. 09/2006, 340 (342); Schnupp, Zur Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Polizei, in: Die Polizei 1971, 304 (304). A. A.: Wiefelspütz, Die Bundeswehr in Libyen, HuV-I, 2012, 56 (63); überraschenderweise, aber wohl nur in Bezug auf die Trennung von Ausrüstung und Bewaffnung Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 161 f.; gegen eine übermäßige Bedeutung des Trennungsgebots Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr, S. 129; gegen eine harte Trennung aufgrund eines gelebten Verfassungswandels Walter, NZWehrr 2013, 221 (235); mit übertragbaren Argumenten gegen ein Trennungsgebot in Bezug auf die funktionale Aufgabenverteilung beim Bundesgrenzschutz Jutzi, DÖV 1992, 650 (655 f.); wohl auch Ronellenfitsch, VerwA 1999, 139 (160). Zum Sonderproblem der Auslandswirkung des Trennungsgebots m.w. N. Wiefelspütz, a. a. O., 56 (61 ff.). 78 So Linke, NZWehrr 2006, 177 (191); Winkler, DÖV 2006, 149 (152); Hillgruber/ Hoffmann, NWVBl 2004, 176 (178); Schenke, NJW 2006, 736 (737). Näher dazu infra B. I. 2.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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vierende Einschränkung für die Ausgestaltungsmöglichkeiten der Polizeikräfte dar und könnte somit die Effektivität der polizeilichen Gefahrenabwehr erheblich beeinflussen. Mit anderen Worten könnte sie dazu führen, dass die Polizei über zur Gefahrenabwehr ggf. notwendige oder zumindest nützliche Ausrüstung nicht selbst verfügen dürfte.79 Aufgrund dieser potentiell sehr gewichtigen Auswirkungen gewinnt eine sorgfältige rechtliche Herleitung und Begründung des Trennungsgebots besondere Bedeutung.

1. Herleitung des Trennungsgebots Es existieren im Wesentlichen zwei ineinandergreifende Begründungsansätze für die Herleitung des Trennungsgebots. Der erste Ansatz folgt einer systematisch-teleologischen Auslegung der Sicherheitsverfassung (a)). Der zweite Grundgedanke stützt sich auf eine historisch-genetische Auslegung des Grundgesetzes (b)). a) Systematisch-teleologische Auslegung der Sicherheitsverfassung Der systematisch-teleologische Ansatz versucht, anhand einer Gegenüberstellung der Wertungen aus Art. 87a GG und Art. 35 Abs. 2, 3 GG Rückschlüsse auf das vom Grundgesetz intendierte Verhältnis zwischen Polizei und Streitkräften zu ziehen. Auch unmittelbar im Grundgesetz angelegte Befehls- und Kommandozuweisungen könnten für dieses Verhältnis bedeutsam sein. Außerdem lassen sich für eine Trennung von Polizei und Streitkräften möglicherweise auch das Rechtstaats- und das Bundestaatsprinzip heranziehen. Schließlich wurde auch dem ehemaligen Art. 143 GG a. F. Bedeutung zugesprochen. aa) Art. 87a Abs. 1, 2 GG Zunächst sollen Art. 87a Abs. 1 und 2 GG betrachtet werden. Sie weisen den Streitkräften eine besondere Stellung in der verfassungsrechtlichen Sicherheitsarchitektur zu, die sie von der Polizei abgrenzt. (1) Art. 87a Abs. 1 GG – Aufstellungsbefugnis und Aufstellungszweck Nach Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG i.V. m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. GG stellt der Bund Streitkräfte „zur Verteidigung“ auf. Art. 87a Abs. 1 GG beinhaltet sowohl eine institutionelle Garantie als auch einen Gewährleistungsauftrag für die Existenz von Streitkräften.80 Der Begriff der Streitkräfte ist ein originär grundgesetzlicher Begriff, für den das Grundgesetz keine Legaldefinition bereithält, der aber 79

Zu dieser Problematik eingehend infra C. Zum Gewährleistungsauftrag der Verteidigung BVerfGE 28, 36 (47); Kokott, in: Sachs, GG Kommentar, Art. 87a GG Rn. 6; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 68. 80

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt werden kann.81 Die genauen Merkmale des Streitkräftebegriffs sind umstritten; im Kern besteht aber Einigkeit, dass Streitkräfte die militärisch gegliederten und geführten Verbände der Bundesrepublik Deutschland darstellen.82 Streitkräfte sind üblicherweise in bestimmter Weise organisiert, bewaffnet und mit spezifischen Aufgaben versehen.83 Diese Eigenschaften verleihen den Streitkräften einen militärischen Charakter, und dieser wiederum grenzt sie hauptsächlich von anderen bewaffneten Kräften wie der Polizei ab. Die deutsche Bundeswehr lässt sich zum Beispiel unproblematisch unter den Streitkräftebegriff fassen, ist aber keinesfalls mit diesem Begriff gleichzusetzen, denn die Bundeswehr stellt nur eine einfachrechtliche Ausgestaltung der Streitkräfte dar – und kann daher für die Auslegung des verfassungsrechtlichen Streitkräftebegriffs nicht maßgeblich sein.84 Die Aufstellung von Streitkräften muss für den besonderen Zweck der Verteidigung erfolgen. Sie umfasst im Kern die Abwehr bewaffneter Angriffe mit militärischer Qualität auf die Bundesrepublik Deutschland.85 Es handelt sich mit der Verteidigung um einen speziellen Bereich der Gefahrenabwehr,86 der durch Art. 87a Abs. 1 GG aus der allgemeinen Gefahrenabwehr ausgeklammert und exklusiv den Streitkräften zugewiesen wird.87 Ein klassisches Beispiel dafür stellt 81 Vgl. dazu insbesondere Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55); Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 69. 82 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 69. Näher zum Meinungsstand Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 36 m.w. N. 83 Vgl. Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze für den Einsatz der Streitkräfte im Staatsnotstand, S. 12. Näher zur Frage, was militärische Besonderheiten ausmacht infra B. I. 2. 84 Näher dazu Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 36. 85 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 5 m.w. N. Über diesen Kern hinaus ist umstritten, welche weiteren Merkmale der Verteidigungsbegriff beinhaltet. Die wohl überwiegende Ansicht legt den Begriff anhand völkerrechtlicher Kriterien aus. Umfasst sind demnach alle erlaubten Maßnahmen der kollektiven und individuellen Selbstverteidigung im Rahmen von Art. 51 UN-Charta, vgl. dazu jeweils BVerwG, NJW 2006, 77 (80 f.); Kokott, in: Sachs, GG Kommentar, Art. 87a GG Rn. 24 f.; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 58 Fn. 158; Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 87a Rn. 86 ff.; Wiefelspütz, ZaöRV 65 (2005), 819 (822 ff.); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 10 ff.; a. A. ohne völkerrechtliche Auslegungskomponente: Arndt, DÖV 2005, 908 (909); Coridaß, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und nationaler Volksarmee, S. 44 f. Näher zur historischen Entwicklung des Begriffsverständnisses bei Breitwieser, NZWehrr 2009, 150 (passim). Insbesondere ist problematisch, ob auch terroristische Bedrohungslagen eine militärische Qualität erreichen können. Eine gute Darstellung des Streits ist zu finden bei Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 54 ff. 86 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 96. 87 Vgl. Hernekamp, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 4; Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 62 ff.; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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der militärische Angriff eines anderen Staates mit fremden Streitkräften dar. Dieser in Art. 87a Abs. 1 GG enthaltenen Aufgabenzuweisung an die Streitkräfte lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass die Polizei dagegen nicht zur Verteidigung bereitgehalten wird, sodass sie dazu auch nicht geeignet sein muss.88 Die Polizei soll stattdessen für die allgemeine Gefahrenabwehr im Innern zuständig und gerüstet sein.89 (2) Art. 87a Abs. 2 GG – Verfassungsvorbehalt für den Streitkräfteeinsatz Streitkräfte müssen aufgrund ihrer Konzeption zur Abwehr von Gefahren für den Bestand des Staates über ein besonderes Gewalt- und Machtpotential verfügen. Dazu gehört üblicherweise eine spezielle Bewaffnung, die zur Abwehr militärischer Bedrohungen geeignet ist (zum Beispiel Kampfpanzer, Abfangjäger, Raketen, Jagdbomber, Artillerie, schwere Infanteriebewaffnung etc.).90 Die Entfesselung dieses mächtigen militärischen Potentials erscheint dabei grundsätzlich nur für militärische Zwecke notwendig und gerechtfertigt. Soll dieses Potential für nicht-militärische Zwecke nutzbar gemacht werden, müssen daher ganz besondere Umstände vorliegen.91 Art. 87a Abs. 2 GG bestimmt deswegen, dass „außer zur Verteidigung“ Streitkräfte nur eingesetzt werden dürfen, „soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt“.92 (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (5); Fischer-Lescano/Tohidipur, NJW 2009, 1243 (1246). 88 Vgl. Hernekamp, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 4, 13; ähnlich auch Schäuble, EuGRZ 2005, 294 (296); Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz, S. 16 m.w. N.; Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 87a Rn. 21. 89 Vgl. als einfachgesetzliche Ausprägung etwa §§ 13, 16 SOG MV; § 11 HSOG; § 9 Abs. 1 POG RLP; Artt. 2, 11 Abs. 1 BayPAG, § 1 ff. BPolG. Je weiter der Verteidigungsbegriff verstanden wird, desto breiter gestaltet sich das Aufgabenfeld der Streitkräfte – und desto enger gestaltet sich das Aufgabenfeld der Polizei. Davon hängt dann auch die notwendige Ausgestaltung von Polizei und Streitkräften ab, die jeweils in der Lage sein müssen, die ihnen zukommenden Aufgaben bestmöglich zu erfüllen, vgl. in Bezug auf die Streitkräfte Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 87a Rn. 21. 90 Vgl. Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 27–35; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze für den Einsatz der Streitkräfte im Staatsnotstand, S. 12. 91 Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (11). 92 Das gilt für den Einsatz der Streitkräfte im Innern. Ob der Verfassungsvorbehalt auch für Auslandseinsätze gilt, ist umstritten, näher dazu Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 72 m.w. N.; Kokott, in: Sachs, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 11 ff. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Art. 87a Abs. 2 GG das „Gebot strikter Texttreue“ entwickelt, welches der Wortlautauslegung zudem eine besondere Bedeutung verleiht, vgl. BVerfGE 90, 286 (357). Ungeschriebenen Sonderkompetenzen zum Einsatz der Streitkräfte werden damit eine Absage erteilt, vgl. Talmon, BRJ 2016, 1 (1 f.).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Ein Einsatz der Streitkräfte im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG liegt allerdings nur dann vor, wenn diese bei der Verwendung in subjektive Rechte Dritter eingreifen oder solche Eingriffe zumindest zu erwarten sind.93 Bei Handlungen ohne Eingriffscharakter, zum Beispiel der bloßen technischen Unterstützung anderer Behörden, liegt kein Einsatz vor.94 Hier kann eine Verwendung der Streitkräfte im Rahmen der einfachen Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG erfolgen, sodass es auf die weiteren Voraussetzungen des Abs. 2 und 3 nicht ankommt.95 (3) Besonderer Rechtsmaßstab für die Streitkräfte Die besondere verfassungsrechtliche Stellung der Streitkräfte drückt sich zudem in einem eigens für sie anwendbaren Rechtsmaßstab aus. So ist die Ausstattung der Streitkräfte mit bestimmten militärischen Mitteln nur denkbar, weil im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung für sie ein völkerrechtlich modifizierter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Anwendung findet, der den Einsatz bestimmter Kriegsmittel- und Methoden überhaupt erst ermöglicht.96 Der Polizei dagegen kommt eine vergleichbare Stellung nicht zu, sodass für sie kein andersartiger Rechtsmaßstab zur Anwendung kommen kann. Ihre Ausgestaltung muss sich folglich auch deswegen nicht an militärischen, sondern allein an polizeilichen Erfordernissen orientieren. Selbst wenn die zu erwartenden polizeilichen Erfordernisse dem Wandel unterliegen und ggf. vermehrt sogar die Abwehr einzelner paramilitärisch anmutender („hochgerüsteter“) Täter umfassen können,97 gehört zu den prägenden Merkmalen der polizeilichen Gefahrenabwehr die unbedingte Gewährleistungspflicht des regulären Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.98 Mit einem Beispiel verdeutlicht: Der Einsatz militärischer Mittel 93

Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 51 m.w. N. Alternativ kann auch auf eine „bewaffnete Verwendung“ abgestellt werden, welche im Hinblick auf Mittel, Vorgehensweise und Zielsetzung „spezifische militärische Elemente“ aufweist, vgl. Epping, in: BeckOK, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 18. Um ein Ausufern des Einsatzbegriffs zu vermeiden, lässt sich jedoch nicht schon auf eine „hoheitliche Tätigkeit“ abstellen, vgl. Epping, a. a. O. m.w. N. Weitere Probleme drohen bei der Bestimmung, was genau „spezifisch militärische Elemente“ sind, vgl. ähnlich infra B. I. 2. 94 Ein Beispiel für eine Verwendung ohne Einsatzcharakter ist das Auffüllen von Sandsäcken zur Hilfe bei Flutkatastrophen. 95 Zu den weiteren Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG noch eingehend infra B. I. 1. a) bb) (2). 96 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 119 f.; Heun, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 21 m.w. N.; Gardam, AJIL 87 (1993), 391 ff.; Oeter, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 89 (138 ff.); Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil II Rn. 188; Mußgnug, DÖV 1989, 917 (921 ff.). 97 Vgl. supra A. I.; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 54 ff. 98 Näher dazu Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 21.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

35

kann beispielsweise zu Kollateralschäden führen, was in kriegerischen Konflikten einer rechtmäßigen Anwendung durch die Streitkräfte nicht zwangsweise entgegensteht.99 Für die polizeiliche Gefahrenabwehr dagegen wäre der Einsatz solcher Mittel, die zu Kollateralschäden mit Todesfolge führen können, gänzlich ausgeschlossen.100 Biermann/Roth fassen diesen elementaren Unterschied treffend zusammen: „Die Polizei ist ein Skalpell, sie soll so gezielt wie möglich handeln und dabei so wenig wie möglich Schaden anrichten [. . .] Die Armee hingegen ist ein Breitschwert, das den Feind schlagen soll.“101 Die jeweils unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Stellungen und die damit verbundenen Rechtsmaßstäbe sprechen dafür, dass den Streitkräften bestimmte militärische Mittel und Fähigkeiten exklusiv zur Verfügung stehen müssen.102 Das gilt insbesondere für Waffensysteme, deren Wirkweise regelmäßig zu Kollateralschäden führen kann, etwa durch eine Flächen- oder Streuwirkung.103 bb) Militärische Mittel im Innern – nur ultima ratio Dass eine Bedrohungssituation die notwendige militärische Qualität erreicht, damit die Streitkräfte im Rahmen ihrer primären Zuständigkeit zur Verteidigung selbst eingesetzt werden können, wird nur selten der Fall sein.104 Hier dürfte die Militarisierung der Polizei ihren Ursprung haben: Die einzigartigen Fähigkeiten der Streitkräfte lassen sich, wie sich sogleich verdeutlichen wird, aufgrund der hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen beim Einsatz außerhalb der Verteidigung nur sehr selten – nur als ultima ratio – nutzbar machen, obwohl diese Fähigkeiten zur Abwehr neuartiger Bedrohungslagen sicherlich sehr effektiv und effizient wären. Da eine Verfassungsänderung auch politisch wohl nur schwierig durchzusetzen wäre,105 erscheint die Aufrüstung der Polizei als einfacher Weg zur scheinbaren Lösung des „Problems“. Hier droht aber mit der Militarisierung 99 Vgl. Art. 51 V lit. b Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte (Protokoll I). 100 Ähnlich Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 40. Dazu noch eingehend infra B. II. 1. b) bb); B. II. 2. b) bb). 101 Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41). In eine ähnliche Richtung Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil II Rn. 186. 102 Ähnlich auch Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 23 f. Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Streitkräfte Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 32 ff. Die Klärung der Frage, welche charakteristisch-militärischen Mittel der Polizei konkret nicht zur Verfügung stehen dürfen, bereitet erhebliche Probleme, dazu infra B. I. 2.; D. 103 Eingehend zum Einfluss bestimmter Waffeneigenschaften auf die Möglichkeit der verhältnismäßigen Verwendung infra B. II. 1.; B. I. 2. c). 104 Das gilt insbesondere für terroristische Bedrohungslagen, vgl. dazu Bäumerich/ Schneider, NVwZ 2017, 189 (189 ff.). Zum Begriff der Verteidigung supra B. I. 1. a) aa) (1). 105 So explizit auch Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 62 ff.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

der Polizei eine Umgehung der verfassungsrechtlichen Anforderungen für den Einsatz der Streitkräfte. Außerdem droht die Entstehung paramilitärischer Einheiten mit quasi-militärischer Schlagkraft, für die keine expliziten gesetzlichen Regelungen existieren. Während der Einsatz des KSK der Streitkräfte im Innern beispielsweise wegen Art. 87a Abs. 2 GG nur bei Beachtung strenger Anforderungen möglich ist, ist ein Rückgriff auf die GSG 9 der Bundespolizei trotz ähnlicher Schlagkraft nach Maßgabe des BPolG de lege lata sehr viel früher möglich.106 Eine Betrachtung der Einsatzgrundlagen für die Streitkräfte, die wegen Art. 87a Abs. 2 GG geschaffen wurden,107 verdeutlicht die Problematik und könnte die grundgesetzliche Differenzierung zwischen Polizei und Streitkräften im Sinne eines Trennungsgebots näher konkretisieren.108 (1) Innerer Notstand – Art. 87a Abs. 4 GG Zunächst bietet sich dafür ein Blick auf die Einsatzgrundlage aus Art. 87a Abs. 4 GG an. Mit dieser Regelung zeigt sich, dass militärisches Gewalt- und Machtpotential auch neben der Verteidigung nutzbar gemacht werden kann, sofern die grundgesetzliche Ordnung einer fundamentalen Gefahr ausgesetzt ist.109 Die Streitkräfte dürfen dann gem. Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG zum Schutz ziviler Objekte und zur Bekämpfung militärisch bewaffneter Aufständischer eingesetzt werden. Das bedeutet konkret, dass manchen eigentlich in die Zuständigkeit der Polizei fallenden Gefahrenlagen auch militärisch begegnet werden kann. In diesen Fällen sieht das Grundgesetz allerdings explizit den Einsatz der Streitkräfte vor – nicht den Einsatz einer militarisierten Polizei.110 In den Fällen des Art. 87a Abs. 4 GG müssen mehrere Anforderungen erfüllt sein, bevor die Streitkräfte zum Einsatz kommen dürfen: Erstens muss der Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung111 des Bundes oder ei106

Etwa nach Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG i.V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 BPolG. Dazu gehören Art. 35 Abs. 2, 3 GG, Art. 87a Abs. 3, 4 GG und Art. 24 Abs. 2 GG. Eine Darstellung zu Art. 24 Abs. 2 GG als Einsatzgrundlage erfolgt mangels Relevanz nicht, dazu näher BVerfGE, 90, 286 ff. 108 Vgl. ähnlich Speth, Rechtsfragen, S. 15 f. 109 Vgl. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 28. 110 In diese Richtung mit der Anmerkung, der Gesetzgeber hätte sich bewusst den „Luxus“ erlaubt, die Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte zu beschränken, ohne die Polizei so auszustatten, dass diese zur Abwehr jeder Gefahr in der Lage wäre, Ladiges, NZWehrr 2008, 1 (7). Zum Vorwurf der deswegen drohenden Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr Krings/Burkiczak, DÖV 2002, 501 (passim); Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 196; Götz, in: HdBStR III, § 79 Rn. 35. Walter, NZWehrr 2013, 221 (225) argumentiert, die Ausrüstung der Polizei mit bestimmten Sonderwaffen (z. B. Abfangjäger) wäre haushaltstechnisch ohnehin nicht zu meistern; ebenfalls mit haushaltsorientierter Argumentation Ladiges, a. a. O., 1 (1 ff.); Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773 (778). 111 Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung umfasst die zentralen Grundprinzipien, welche für den freiheitlichen Verfassungsstaat unentbehrlich sind, 107

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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nes Landes gefährdet sein. Sofern nur ein Land betroffen ist, müssen zweitens gem. Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG die Möglichkeiten der weisungsmäßigen Unterstellung der Polizeikräfte nach Art. 91 Abs. 2 GG ausgeschöpft worden sein. Schließlich dürfen auch sonst Polizeikräfte zur Abwehr der Gefahr nicht ausreichen. Um den Ausnahmecharakter des Art. 87a Abs. 4 GG zu unterstreichen, können diesen Voraussetzungen nur äußerste Gefahrenlagen genügen, die geeignet sind den Staat essentiell zu destabilisieren. Die Literatur benennt hier etwa eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung oder einen Militärputsch.112 Die Anforderungen werden äußerst restriktiv ausgelegt, da ein Einsatz der Streitkräfte in den Fällen des Art. 87a Abs. 4 GG gegen die eigene Bevölkerung denkbar ist.113 Erfüllt eine Gefahrenlage diese Anforderungen nicht, dürfen die Streitkräfte ihre Mittel zur Gefahrenabwehr also nicht einsetzen. Es wäre nun sehr bedenklich, wenn Mittel, die durch die Streitkräfte nicht angewendet werden dürfen, in denselben Fällen ersatzweise durch eine militarisierte Polizei eingesetzt würden. Sinn und Zweck sprechen daher dafür, dass Art. 87a Abs. 2 und 4 GG grundsätzlich so verstanden werden müssen, dass außerhalb besonderer Ausnahmesituationen nicht nur ein Einsatz der Streitkräfte selbst, sondern auch der Einsatz bestimmter charakteristisch-militärischer Mittel114 im Innern durch andere bewaffnete Kräfte generell nicht erfolgen darf.115 Art. 87a Abs. 4 GG spricht außerdem deutlich von einem Einsatz der Streitkräfte „zur Unterstützung“ der Polizei, wenn diese zur Abwehr der Gefahr „nicht ausreicht“. Dieser Aussage liegt ebenfalls die Annahme zugrunde, dass die Polizei mit ihren Handlungsinstrumentarien für die Abwehr mancher Gefahren grundsätzlich nicht geeignet ist, sei es mangels der ihr zustehenden Ausrüstung, mangels Personalstärke116 oder aufgrund ihrer Organisation.117 Art. 87a Abs. 4

insb. Menschenwürde, Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 144, 20 Rn. 23 ff. 112 Vgl. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 31 ff. m.w. N.; Hoffmann, in: Sterzel (Hrsg.), Kritik der Notstandsgesetze, S. 108; Bäumerich/Schneider, NVwZ 2017, 189 (194); Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (11); Arndt, DVBl 1968, 729 (731 f.); BVerfGE 132, 1 Rn. 46. 113 Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (11); Heun, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 31 ff. 114 Zur Frage, was solche Mittel ausmacht infra B. I. 2. 115 Ähnlich Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 84: „Mit den Waffen des Militärs dürfen also nur Personengruppen bekämpft werden, die selbst militärisch bewaffnet sind, sich gegen den Staat erhoben haben und über ein System der Einsatzleitung verfügen“; in diese Richtung auch Lenz, Notstandsverfassung des Grundgesetzes, Art. 87a Rn. 17 f. Dafür spricht auch, dass von Art. 87a Abs. 4 GG eine Sperrwirkung für die exzessive Auslegung anderer Einsatzgrundlagen ausgeht, damit die Norm in ihrer Bedeutung nicht entwertet wird, vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 41 ff. 116 Vgl. Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr, S. 128. 117 Ähnlich auch Schenke, NJW 2006, 736 (737 Fn. 12).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

GG und seine hohen Anforderungen wären ohne wesentliche Bedeutung, wenn man die Polizei zu einer Art Ersatzstreitkraft ausbauen dürfte, die nicht mehr auf fremde militärische Hilfe angewiesen wäre. Falls auch eine militarisierte Polizei zur regulären Gefahrenabwehr eingesetzt werden könnte, so wären kaum noch Szenarien denkbar, bei denen eine solche Polizei nicht mehr ausreichend erschiene; immerhin könnte sie dann selbst auf alle erdenklichen Mittel zur Bekämpfung von Gefahrenlagen zurückgreifen.118 In Betracht kämen dann nur noch Überlastungen der Polizei im Hinblick auf ihre verfügbare Personalstärke. Der Tatbestand in Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG wäre auch in dieser Hinsicht ausgehöhlt und in seiner Bedeutung deutlich reduziert. (2) Katastrophennotstand – Art. 35 Abs. 2, 3 GG Dass der generelle Einsatz militärischer Mittel im Innern nur als ultima ratio zulässig ist, zeigt sich ebenfalls anhand von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG. Sie ermöglichen den Einsatz der Streitkräfte zum Zweck der Unterstützung der Polizei in bestimmten Fällen des regionalen (Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG) und überregionalen (Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG) Notstands durch Naturkatastrophen oder besonders schwere Unglücksfälle, wenn Polizeikräfte überfordert sind. Sollen die Streitkräfte beim Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 oder 3 GG ihr spezifisch militärisches Potential ausspielen (beispielsweise wenn militärische Waffensysteme wie Abfangjäger eingesetzt werden sollen), so muss nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über den Wortlaut der Norm hinaus eine „ungewöhnliche Ausnahmesituation“ von „katastrophalem Ausmaß“ vorliegen;119 diese ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung soll verhindern, dass die strengen Anforderungen des Art. 87a Abs. 4 GG durch Rückgriff auf Art. 35 Abs. 2, 3 GG umgangen werden, da zumindest der Wortlaut hier keine ähnlich hohen Anforderungen statuiert.120 Auch diese Einsatzgrundlagen werden also ebenfalls äußerst restriktiv ausgelegt.121 Eine militarisierte Polizei wäre hier ebenso geeignet, das diffizile System der Einsatzgrundlagen zu umgehen oder in seiner Bedeutung zu entwerten.122

118 Manche sehen das allerdings als Vorteil zur effektiveren Gefahrenabwehr, vgl. die Aussagen des Hamburger Innensenators Andy Grote, in: Lorenz, Anti-Terror-Kampf in Hamburg: „Die Bundeswehr brauchen wir nicht mehr“, in: SHZ v. 14.11.2016, abrufbar unter https://www.shz.de/regionales/hamburg/anti-terror-kampf-in-hamburg-die-bundes wehr-brauchen-wir-nicht-mehr-id15337706.html (abgerufen am 15.04.2021). 119 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 41 ff. 120 Ibid. 121 Vgl. Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 82; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (11 f.). 122 Vgl. Schenke, NJW 2006, 736 (737 Fn. 12); Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55 f.).

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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(3) Einsatz im Innern in Fällen des äußeren Notstands – Art. 87a Abs. 3 GG Auch anhand von Art. 87a Abs. 3 GG lässt sich die Wertung stützen, dass der Verfassungsgeber von einer nicht-militarisierten Polizei in Abgrenzung zu den Streitkräften ausgegangen ist. Mit dieser Norm existiert eine weitere Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz der Streitkräfte, hier in Fällen des äußeren Staatsnotstands. Wenn der Verteidigungs- oder Spannungsfall123 durch das Parlament festgestellt wurde,124 wächst den Streitkräften gem. Art. 87a Abs. 3 GG die Befugnis zum Schutz ziviler Objekte zu, sofern diese für die Verteidigung notwendig erscheinen.125 Für den Schutz dieser Objekte sollen dann die Streitkräfte zuständig sein, während sich die Polizei auf den Schutz nicht verteidigungskritischer Objekte konzentrieren soll.126 Die Regelung in Art. 87a Abs. 3 GG wurde im Hinblick auf die Annahme geschaffen, dass die Polizei bei einem Einsatz zum Schutz ziviler Objekte vor militärischen Feinden überfordert wäre.127 Dieser Absatz erlangt ebenfalls nur dann Bedeutung, wenn die Polizei nicht zur Abwehr militärischer Feinde gerüstet werden darf. Andernfalls bestünde für diese Regelung kein Bedarf, denn die Polizei könnte sonst (militarisiert) im Innern neben den Streitkräften zur Abwehr von Feinden auch in kriegerischen Konflikten eingesetzt werden. (4) Machtgefälle zwischen Streitkräften und Polizei Werden die Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte gem. Art. 87a Abs. 1, 2 GG, nach Art. 87a Abs. 3, 4 GG und nach Art. 35 Abs. 2, 3 GG gegenübergestellt, so bestätigt sich nach den vorangegangenen Erwägungen, dass militärische Mittel im Innern grundsätzlich nur durch die Streitkräfte und nur im absoluten Ausnahmefall entfesselt werden dürfen.128 Nach der grundgesetzlichen Systematik stellen sich die Streitkräfte als die mächtigsten bewaffneten Kräfte im Staat dar, welche allein geeignet sein müssen, den Staat in seinem Bestand vor militärischen Feinden zu bewahren.129 Da der Polizei bestimmte militärische Einsatzmittel mangels einer vergleichbaren rechtlichen Stellung nicht zukommen dürfen,130 123 Der Spannungsfall als Vorstufe zum Verteidigungsfall ist in Art. 80a GG geregelt, näher zu dessen Voraussetzungen Schmidt-Radefeldt, in: BeckOK GG, Art. 80a Rn. 2 ff. 124 Die Feststellung des Verteidigungsfalls durch das Parlament ist in Art. 115a Abs. 1 GG geregelt. 125 Vgl. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 22 ff. 126 Vgl. BT-Drs. V/2873, S. 13. 127 Ibid. 128 Vgl. dazu Speth, Rechtsfragen, S. 15 ff., 188; Götz, in: HdBStR III, § 79 Rn. 35; Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 53 (69); Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (54). 129 Vgl. Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 35 m.w. N.; im Ergebnis ebenso Fiebig, Der Einsatz der BW im Innern, S. 82. 130 Genauer dazu infra B. I. 2.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

ergibt sich daraus folgend ein vom Grundgesetz intendiertes Machtgefälle zwischen Streitkräften und Polizei.131 Eine militarisierte Polizei würde dieses Machtgefälle unterlaufen und droht außerdem, die im Grundgesetz festgelegten Eskalationsstufen zur innerstaatlichen Gefahrenabwehr zu umgehen. Mit anderen Worten: Wenn es der Bundeswehr im Einzelfall aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt wird, Kampfpanzer zur Terrorabwehr einzusetzen, dann muss ein Einsatz solcher Panzer durch die Polizei ebenfalls unzulässig sein.132 Sinn und Zweck des Verfassungsvorbehalts aus Art. 87a Abs. 2 GG sprechen folglich gegen die Militarisierung anderer staatlicher bewaffneter Kräfte neben den Streitkräften, auch wenn diese dort nicht ausdrücklich mitgeregelt wurden.133 Der Einsatz militärischer Mittel im Innern könnte insbesondere durch eine militarisierte Polizei sonst zum Normalfall werden, was dem eben dargelegten Grundsatz, dass militärische Mittel nur ultima ratio zum Einsatz kommen sollen, diametral widerspräche. cc) Abgrenzung der Gewaltmonopole Ein anderer Aspekt, der sich bei der Gegenüberstellung von Art. 87a GG und Art. 35 Abs. 2, 3 GG noch weiter konkretisiert, ist die Abgrenzung des inneren und äußeren Gewaltmonopols als Kernelement der Trennung zwischen Streitkräften und Polizei.134 Das wird durch die in Art. 35 Abs. 2, 3 GG und Art. 87a Abs. 4 GG enthaltenen Eskalationsstufen zur Gefahrenabwehr verdeutlicht, nach denen die Streitkräfte außerhalb ihrer Verteidigungsfunktion grundsätzlich nur subsidiär eingesetzt werden dürfen, nämlich wenn sich polizeiliche Mittel als untauglich erwiesen haben.135 Diese Wertung findet sich auch in Art. 91 Abs. 1, 2 GG wieder,136 nach dem die Landespolizeien in Fällen der Überforderung primär 131

Vgl. ähnlich Speth, Rechtsfragen, S. 15 ff.; BT-Drs. V/2873, S. 13 f. Gegen LKW-, Cyber- oder Bombenanschläge wäre der Einsatz militärischer Zwangsmittel wohl ohnehin nur begrenzt sinnvoll, ebenso Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12). 133 Vgl. Schenke, NJW 2006, 736 (737 Fn. 12); ähnlich Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55 f.). A. A. mit der Argumentation, dass mit dem Bundesgrenzschutz schon einmal eine militärisch ausgerüstete Polizeistruktur existiert habe – folglich könnte der Verfassungsgesetzgeber gegen eine militarisierte Polizei nicht gewesen sein, Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 161 f. Näher dazu noch infra B. I. 1. b) dd) (2) (d). 134 Schmidt-Radefeldt bezeichnet die Trennung des inneren und äußeren Gewaltmonopols zwischen Polizei und Streitkräften aufgrund ihrer Bedeutung treffend als „Eckpfeiler der Wehrverfassung“, Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (5 f.). Vgl. Hernekamp, in: Münch/ Kunig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 4; Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 62 ff.; Fischer-Lescano/Tohidipur, NJW 2009, 1243 (1246); Speth, Rechtsfragen, S. 188. 135 Vgl. Speth, Rechtsfragen, S. 16. 136 Vgl. Froese, DVBl 2017, 546 (550); Speth, Rechtsfragen, S. 16. 132

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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zunächst durch Polizeikräfte anderer Länder oder durch die Bundespolizei unterstützt werden können; erst wenn diese Möglichkeiten keine Abhilfe verschaffen, dürfen Streitkräfte gem. Art. 87a Abs. 4 GG unter Beachtung der genannten Voraussetzungen auch für die polizeiliche Gefahrenabwehr herangezogen werden. Die Abgrenzung des inneren und äußeren Gewaltmonopols gewährleistet, dass keine für die polizeiliche Aufgabenbewältigung überzogenen militärischen Mittel eingesetzt werden, bevor eine Gefahrenlage den Einsatz solcher Mittel wirklich erfordert. Auch wird verhindert, dass die strukturell unterlegene Polizei in Konflikte mit militärischen Feinden gerät.137 Für die Trennung zwischen Polizei und Streitkräften verfestigt sich damit die Wertung, dass die militärische Gefahrenabwehr grundsätzlich nicht durch die Polizei bewältigt werden darf – und umgekehrt, dass Streitkräfte nicht zur polizeilichen Gefahrenabwehr herangezogen werden dürfen.138 dd) Befehls- und Kommandogewalt Dass Polizei und Streitkräfte nach dem Grundgesetz zu trennen sind, wird auch durch die unterschiedlichen dienstrechtlichen Unterstellungen verdeutlicht.139 So soll die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte gem. Art. 65a GG exklusiv dem Bundesminister der Verteidigung zukommen. Mit Verkündung des Verteidigungsfalls geht diese dann gem. Art. 115b GG auf den Bundeskanzler über. Für die Polizei dagegen existiert im Grundgesetz keine vergleichbar explizite Zuweisung, was auf die föderale Strukturierung der Polizeikräfte in Deutschland zurückzuführen ist.140 Hier lässt sich dem Grundgesetz entnehmen, dass hinsichtlich der besonderen militärischen Ausgestaltung der Streitkräfte auch eine gesonderte Führungs- und Denkweise notwendig ist,141 welche den militäri-

137 Vgl. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 22 f.; BT-Drs. V/2873, S. 13 f. Ähnlich Dietz, Das Primat, S. 557, der (allerdings in Bezug auf die Bundeswehr) argumentiert, dass es gegen die Menschenwürde verstoße, würde man eine unterlegene Truppe gegen einen stark überlegenen Feind einsetzen. 138 Trotz ihrer Bedeutung ist diese Trennung aber nicht absolut zu verstehen, immerhin enthält die Verfassung mit Art. 87a Abs. 3, 4 GG und Art. 35 Abs. 2, 3 GG schon selbst Ausnahmen von dieser Aufgabenverteilung, auch wenn diese Ausnahmen erst ultima ratio zur Anwendung kommen dürfen und darüber hinaus nicht ausgeweitet werden können; vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (5 ff.); infra C. II. 3. 139 Vgl. Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 52 (69); Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (54). 140 Einfachgesetzlich wird zumindest die Bundespolizei gem. § 1 Abs. 1 S. 2 BPolG dem Bundesministerium des Innern unterstellt. Näher zum föderalen Aspekt des Polizeirechts siehe infra B. I. 1. a) ee) (2). 141 Diese Denkweise ist aber nicht zwangsweise eine militärische, so darf der Verteidigungsminister als Inhaber der obersten Befehls- und Kommandogewalt zum Beispiel explizit kein aktiver Soldat sein, vgl. Art. 66 GG i.V. m. § 25 Abs. 4 SoldG i.V. m. § 18 Abs. 1 BMinG; Schmidt-Radefeldt, in: BeckOK GG, Art. 65a Rn. 11.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

schen Besonderheiten (Ausrüstung, Vorgehen, Organisation, anwendbares Recht im Kriegsfall usw.) gerecht wird. Sofern militärisches Potential außerhalb der Streitkräfte und somit außerhalb der Kommandogewalt des Bundesministers der Verteidigung verfügbar gemacht wird, droht eine Umgehung der Wertungen aus Artt. 65a, 115b GG, was sich ebenfalls als Argument gegen die Zulässigkeit der Militarisierung der Polizei nutzbar machen lässt und für eine Trennung von Polizei und Streitkräften spricht. ee) Das Rechtsstaats- und Bundesstaatsprinzip Ein Gebot zur materiellen Differenzierung von Streitkräften und Polizei könnte sich möglicherweise zusätzlich auf das Rechtsstaats- und das Bundesstaatsprinzip stützen.142 In diese Richtung argumentiert das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf eine Parallelthematik – das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten: so könnten „das Rechtsstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip und der Schutz der Grundrechte“ es verbieten, „bestimmte Behörden miteinander zu verschmelzen oder sie mit Aufgaben zu befassen, die mit ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung nicht vereinbar sind“.143 Diese Argumentationslinie lässt sich möglicherweise auch für eine Begründung des Trennungsgebots zwischen Streitkräften und Polizei in der Art nutzbar machen, dass diese Sicherheitskräfte ebenfalls nicht in bestimmter Hinsicht miteinander verschmelzen dürften.144

142 Mit rechtsstaatlicher Argumentation für das Trennungsgebot: Speth, Rechtsfragen, S. 15 ff., ähnlich Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 15, 29; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (6); wohl a. A. Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr, S. 129 f. Mit föderalistischer Argumentation Linke, AöR 129 (2004), 489 (507 ff.). Ein ähnlicher Begründungsansatz findet sich im Rahmen der Paralleldiskussion um das Bestehen des verfassungsrechtlichen Trennungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, bei der sich die Befürworter zum Teil auf diese Prinzipien stützen, vgl. etwa Bull, in: Hendler/Ibler/Soria, Für Sicherheit, für Europa, S. 341; Gusy, ZRP 1987, 45 (48); Lisken, NJW 1982, 1481 (1482); Riegel, DVBl 1988, 121 (122 f.); Koch, ZRP 1995, 24 (24 f.); Steiß, Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, S. 181. Dort a. A. Scholz/Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung, S. 186; Nehm, NJW 2004, 3289 (3292); Roewer, DVBl 1986, 205 (208); Werthebach/Droste-Lehnen, ZRP 1994, 57 (63); Baumann, DVBl 2005, 798 (803); Haynes, Trennungsgebot, S. 67 m.w. N. 143 Leider vertieft das Bundesverfassungsgericht diese Argumentation nicht weiter, vgl. BVerfGE 97, 198 (89, 217). Zum Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten vgl. etwa Gusy, ZRP 1987, 45 ff.; Nehm, NJW 2004, 3289 ff.; Roggan, NJW 2007, 876 (passim); Steiß, Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, passim. Zur grundrechtlichen Argumentation vgl. infra B. II. 144 So bisher nur Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 53 (68). Ausgeklammert werden soll an dieser Stelle noch das Teilargument um den Schutz der Grundrechte, da dieses infra unter B. II. und C. II. noch gesondert behandelt wird.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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(1) Rechtsstaatliche Wertungen Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG gehört zu den elementarsten Prinzipien des Grundgesetzes und umfasst eine Vielzahl von Wertungen.145 Es zielt im Wesentlichen darauf ab, die Gewalt staatlicher Handlungen durch rechtliche Formung und Mäßigung zu lenken, um so individuelle Freiheit zu gewährleisten.146 Daraus ergibt sich die Aufgabe des Staates, sowohl eine Rechtsordnung zu errichten, als auch durchzusetzen und vor Gefahren zu bewahren – gleichzeitig werden dazu seine Mittel aber begrenzt.147 Diesem Konflikt lassen sich in Bezug auf eine mögliche Trennung der Sicherheitskräfte widersprüchliche Wertungen entnehmen: (a) Effektive Durchsetzung der Rechtsordnung Soweit sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt, dass der Staat seine Rechtsordnung effektiv durchsetzen muss, könnte sich eine strikte Trennung der Sicherheitskräfte unter Umständen sogar als hinderlich darstellen. Das gilt zum Beispiel dann, wenn die Polizei bestimmte militärische Ausrüstung nicht nutzen darf, obwohl sie im Einzelfall sehr nützlich sein könnte.148 Ähnlich stellt es sich dar, wenn den Streitkräften ein Einsatz verwehrt bleiben muss, obwohl sie eine bestimmte Gefahr schneller und effektiver als die Polizei bekämpfen könnten. In solchen Lagen wäre die Fähigkeit zur effektiven Gefahrenabwehr des Staates vermindert.149 Aufgrund dieser Erwägungen wird mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten teilweise sogar gegen eine konsequente Trennung von Streitkräften und Polizei argumentiert, damit Lücken bei der Rechtsdurchsetzung und Gefahrenabwehr vermieden werden.150 Diese Argumentation vernachlässigt allerdings, dass eine unscharfe oder gar fehlende Trennung der Sicherheitskräfte nicht zwangsweise zu einem Mehr an Effektivität bei der Gefahrenabwehr beiträgt, sondern sich auch negativ auswirken kann. Ein gutes Beispiel dafür ist der Vorfall des von Piraten entführten Seefrachters „Hansa Stavanger“ im Jahr 2009. Sowohl Spezialkräfte der Bundespolizei als auch solche der Streitkräfte rückten an, um eine Befreiungsaktion durchzuführen. Beide Spezialeinheiten waren für diesen Einsatz

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Vgl. Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 7 Rn. 326 ff. m.w. N. Vgl. ibid.; Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20 Rn. 138. 147 Näher Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 7 Rn. 326 ff. Noch eingehend dazu infra C. II. 2. 148 Beispielsweise Kampfpanzer, vgl. infra B. I. 2. c) cc); D. V. 2. 149 Zu dieser Argumentationslinie ausführlich infra C. 150 In diese Richtung Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr, S. 129; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 26–34. Näher dazu infra B. I. 1. c); C. 146

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

etwa gleich gut ausgerüstet und geeignet,151 und beide hielten sich jeweils exklusiv für zuständig, um dieser Gefahrenlage zu begegnen. Das soll zu einem Kompetenzgerangel geführt haben, welches nicht schnell genug aufgelöst werden konnte – und so hat keine der beiden Spezialeinheiten helfen können, sodass der Erfolg des Einsatzes gefährdet wurde. Schlussendlich hat die betroffene Reederei ein Lösegeld gezahlt, woraufhin die Piraten das entführte Schiff freigaben.152 Unklare Zuständigkeiten und das Bereithalten verschiedener Sicherheitskräfte mit ähnlichen Fähigkeiten haben in diesem Fall dazu geführt, dass eine effektive Gefahrenabwehr nur vermindert gewährleistet werden konnte. Es hat sich hier praktisch verdeutlicht, dass eine klare Trennung von polizeilicher und militärischer Gefahrenabwehr und eine deutliche Abgrenzung der Zuständigkeiten für die effektive Durchsetzung der Rechtsordnung also nicht schlechthin nachteilig sind, sondern auch förderlich sein können.153 Durch eine klare Verteilung der Zuständigkeiten wird die jeweilige Sicherheitskraft darüber hinaus in die Lage versetzt, sich aufgrund der vorhersehbaren Gefahrensituationen optimal auf diese einzurichten und vorzubereiten. Dieser Aspekt des Rechtstaatsprinzips spricht also im Ergebnis weder eindeutig für noch eindeutig gegen eine Trennung der Sicherheitskräfte und lässt sich daher nicht überzeugend für ein Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften anführen. (b) Verhältnismäßigkeitsprinzip Wird gegen jedwede Trennung von Polizei und Streitkräften argumentiert, so ginge das möglicherweise in unzulässiger Art und Weise zulasten der ebenfalls rechtsstaatlichen Forderung, dass der Staat seine Rechtsordnung nicht auf jede Art und nicht um jeden Preis durchsetzen darf. Hier wäre das vom Rechtsstaatsgebot umfasste Prinzip der Verhältnismäßigkeit betroffen.154 Mit dem Verzicht auf jegliche Trennung zwischen Streitkräften und Polizei droht nämlich auch die Verwendung militärischer Mittel für nicht-militärische Zwecke. Der Einsatz solcher Mittel zur polizeilichen Gefahrenabwehr ist aber konzeptionsbedingt grundsätzlich nur in Ausnahmefällen verhältnismäßig möglich, teilweise sogar ganz 151 Es ist allerdings vor dem Hintergrund des Trennungsgebots zu hinterfragen, ob sich die Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei mit ihren Fähigkeiten überhaupt so nah an die Streitkräfte annähern darf, vgl. Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (passim) und infra E. III. 1. 152 Vgl. Focus v. 10.04.2009, GSG-9-Einsatz scheitert an Kompetenz-Gerangel, abrufbar unter https://www.focus.de/politik/deutschland/schifffahrt-gsg-9-einsatz-scheitertan-kompetenz-gerangel_aid_389090.html (abgerufen am 16.04.2021); Höges/Ulrich/ Gebauer, Piraten geben entführte „Hansa Stavanger“ frei, in: Spiegel v. 03.08.2009, abrufbar unter https://www.spiegel.de/politik/ausland/geiseldrama-auf-see-piraten-gebenentfuehrte-hansa-stavanger-frei-a-639103.html (abgerufen am 16.04.2021); Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (passim); m.w. N. Brunner, ZRP 2011, 207 ff. 153 So auch Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (56). 154 Vgl. dazu allgemein Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20 Rn. 155 ff., 189 ff.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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ausgeschlossen.155 Dass solche Mittel nur ultima ratio entfesselt werden dürfen, ist eine Forderung, die sich nicht nur wie bereits dargestellt aus den Artt. 87a Abs. 4, 35 Abs. 2, 3 GG ergibt, sondern ebenso direkt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – und somit auch aus dem Rechtsstaatsgebot.156 Sofern nur den Streitkräften ein Einsatz militärischer Mittel erlaubt wird, wäre dieser Forderung durch die bereits existierenden engmaschigen verfassungsrechtlichen Anforderungen weitgehend Genüge getan.157 Es sind allerdings auch alternative Konzepte zur Gestaltung und Abgrenzung der Sicherheitskräfte denkbar, solange ganz allgemein gewährleistet wird, dass überzogene militärische Mittel nicht zur Bewältigung polizeilicher Aufgaben eingesetzt werden. Dabei erscheint es zur Sicherstellung dieser Anforderungen auch notwendig, dass der Staat die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Vorgaben rechtlich verankert. Mit anderen Worten spricht das Rechtsstaatsprinzip also nicht zwangsweise für eine formelle Trennung von Streitkräften und Polizei, aber für die besondere materielle Restriktion militärischer Mittel beim Einsatz im polizeilichen Aufgabenfeld.158 (c) Gewaltenteilungsprinzip Dem Rechtsstaatsprinzip lässt sich außerdem der Grundsatz der Gewaltenteilung entnehmen.159 Durch diesen Grundsatz soll einer Machtkonzentration in Teilen des Staates entgegengewirkt werden, um staatliche Willkür zur verhindern und um gegenseitige Kontrolle zu ermöglichen.160 Im Hinblick auf diesen Zweck könnte eine Trennung zwischen Streitkräften und Polizei geboten sein. Ein sonst möglicher, einheitlicher und allzuständiger Sicherheitsapparat, der sowohl polizeiliche und militärische Mittel gebündelt bereithält als auch zentral gesteuert wird, könnte aufgrund der gewaltigen Machtkonzentration im Staat zur Gefahr für diesen selbst werden.161 Ein so mächtig ausgestaltetes Instrument wäre nur schwer kontrollierbar und in Fällen des Missbrauchs kaum aufzuhalten. Darüber 155

Dazu eingehend noch infra B. II. Vgl. dazu Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 15 Fn. 25: „der Staatsbürger soll nur dann vom Militärischen berührt werden, wenn das Zivile nicht mehr ausreicht“. 157 Zu diesen Anforderungen supra B. I. 1. a) aa)–bb). 158 Es erscheint in dieser Hinsicht allerdings fraglich, ob diesem Grundsatz nicht entgegenwirkt wird, sollte die Polizei nicht nur punktuell mit charakteristisch-militärischen Mitteln ausgerüstet werden, obwohl die polizeiliche Gefahrenabwehr den Einsatz dieser Mittel nur sehr selten erfordert und rechtfertigt, vgl. infra B. II. 159 Vgl. Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20 Rn. 155 ff., 189 ff. 160 Vgl. Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, S. 382 f. 161 Mit anschaulichen Beispielen u. a. aus der entfernteren Geschichte zur Rolle militärischer Mittel bei der Durchsetzung innerstaatlicher Interessen Linke, AöR 129 (2004), 489 (497); Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 26 ff. 156

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

hinaus erscheinen die Anforderungen für die Aufgabenbewältigung der militärischen Verteidigung und die der Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit rechtlich und tatsächlich so grundverschieden, dass ein einzelner Machtapparat, der sowohl militärische als auch polizeiliche Mittel bereithält, sich nicht an beide Aufgabenspektren sinnvoll anpassen könnte.162 Eine Trennung der Sicherheitskräfte hingegen gewährleistet, dass die militärische und nicht-militärische Gefahrenabwehr jeweils durch die Teile im Staat effektiv geleistet werden, die organisatorisch und funktionell am besten dafür geeignet und angepasst sind.163 Gegen eine Trennung von Polizei und Streitkräften ließe sich andererseits argumentieren, auch ein Mindestmaß an Pluralität bei den Gewaltenträgern genüge dem Zweck der Gewaltenteilung. 164 Gewaltenteilung stünde außerdem nur einer zu starken Verschränkung von Legislative, Exekutive und Judikative entgegen; Polizei und Streitkräfte wären aber beide Teile der Exekutive.165 Diese Argumentation überzeugt aber nicht. Der zentrale Zweck der Gewaltenteilung, die Bändigung öffentlicher Gewalt zugunsten individueller Freiheit,166 kann auch durch eine zu mächtige Exekutive gefährdet werden, die nicht mehr ausreichend durch die anderen Gewalten kontrolliert werden kann und der so ein nicht unwesentliches Missbrauchspotential zukommt. Als Folge kann eine Binnendifferenzierung der Exekutive rechtsstaatlich geboten sein.167 Dem Argument, dass das Rechtsstaatsprinzip nur ein Mindestmaß an Pluralität von Gewaltenträgern sicherstellt, kann entgegnet werden, dass dieses Mindestmaß durch eine einzige universell zuständige Sicherheitskraft nicht erreicht wäre. Eine Trennung von militärischer und polizeilicher Gefahrenabwehr und den dazu notwendigen Mitteln erscheint aus diesen Gründen geboten, sodass auch das Gewaltenteilungsprinzip für deutliche Trennlinien zwischen Streitkräften und Polizei spricht.168 In Verbindung mit den Wertungen, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben,169 lassen sich rechtsstaatliche Erwägungen also tatsächlich für die Begründung eines Trennungsgebots nutzbar machen. 162

Vgl. Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte,

S. 27. 163 Dem Gewaltenteilungsgrundsatz wird auch entnommen, dass staatliche Entscheidungen und Handlungen von den Organen vorgenommen werden, „die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“, vgl. jeweils BVerfGE 68, 1 (86); 95, 1 (15); 98, 218 (251 f.); 139, 321 (362). 164 Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 V Rn. 72. 165 Diese Argumente finden sich in der Paralleldiskussion um das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, vgl. dazu etwa Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, S. 382; Haynes, Trennungsgebot, S. 75 f. 166 Vgl. BVerfGE 9, 268 (279 f.); 67, 100 (130). 167 Vgl. Gusy, VERW 1991, 467 (469); Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 52 (69). 168 In diese Richtung ebenso Fischer-Lescano, NordÖR 2009, 49 (54). 169 Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schranke infra B. II. 1. b).

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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(2) Bundesstaatsprinzip Wie bereits dargelegt, ist das Polizeirecht nach dem Grundgesetz grundsätzlich Ländersache, das Recht der Verteidigung dagegen Sache des Bundes.170 Diese Differenzierung und die damit einhergehende Trennung der jeweils zuständigen Sicherheitskräfte ergibt sich auch als föderales Gebot: Die Polizeihoheit der Länder gründet in deren souveräner Staatsqualität, welche wiederum Teil der Bundestaatsgarantie aus Art. 20 Abs. 1 GG ist.171 Nur die Bildung von Streitkräften zur militärischen Gefahrenabwehr wird mit Art. 87a Abs. 1 GG aus der gliedstaatlichen Souveränität ausgeklammert. So ergibt sich auch aus dem Bundesstaatsprinzip die Vorgabe, dass die innere Sicherheit hauptsächlich durch die Landespolizeikräfte gewährleistet werden muss. Auch die Bundespolizei darf deswegen nicht zu einer „allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden“ Polizei ausgebaut werden,172 während die Landespolizeien und die Bundespolizei nicht mit den Streitkräften konkurrieren dürfen.173 Eine militarisierte Landespolizei, welche auch nur in Teilbereichen mit den Streitkräften konkurriert, ist demnach genau so wenig denkbar wie eine allzuständige (militarisierte) Bundespolizei oder für die allgemeine Gefahrenabwehr zuständige Streitkräfte.174 Diese Trennung der Gewaltmonopole soll dabei auch der föderalen Balance der Verfassungsordnung dienen.175 Die Streitkräfte mit ihrem mächtigen militärischen Potential sollen u. a. auch deswegen an enge verfassungsrechtliche Anforderungen gebunden sein, damit die gliedstaatliche Souveränität gewahrt werden kann, etwa indem verhindert wird, dass der Bund militärisch gegen Gliedstaaten vorgeht, was in der Vergangenheit in ähnlicher Form mehrfach vorgefallen ist.176 Sowohl das Rechtsstaatsprinzip als auch das Bundesstaatsprinzip lassen sich folglich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für eine Trennung zwischen Polizei und Streitkräften heranziehen. Eine vollständige Verschmelzung von militärischen und polizeilichen Behörden im Hinblick auf ihre Zuständigkeiten, Fähigkeiten und Mittel wäre mit diesen Prinzipien nicht vereinbar. Die entsprechende 170

Dazu siehe supra B. I. 1. a) aa) (1). Vgl. Hernekamp, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 87a GG Rn. 15; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (6). 172 Vgl. BVerfGE 97, 198 Rn. 89. 173 Zur Sonderstellung der Streitkräfte supra B. I. 1. a) aa)–cc). 174 A. A. hinsichtlich einer Aufgabenbeschränkung des BGS Jutzi, DÖV 1992, 651 (656). Kompetenzen der Bundespolizei dürfen nur im Ausnahmefall begründet werden, vgl. BVerfGE 97, 198 Rn. 89. 175 Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (6) m.w. N. 176 So ist beispielsweise der Deutsche Bund mehrfach militärisch gegen Gliedstaaten vorgegangen, vgl. Linke, AöR (2004), 489 (507 f.). Näher zum föderalen Aspekt der Einsatzanforderungen der Streitkräfte Linke, a. a. O. 171

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Argumentation des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Trennungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendiensten lässt sich also übertragen.177 ff) Heranziehung des Art. 143 GG a. F.? Besonders fraglich erscheint, ob sich ein Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften noch heute mit dem inhaltlich mittlerweile gestrichenen Art. 143 GG a. F. begründen lässt. Bis zum Jahr 1968 war jeglicher Einsatz der Streitkräfte im Innern außer zur Verteidigung mangels vorhandener Einsatzgrundlagen grundgesetzlich ausgeschlossen, was sich erst durch die sog. Notstandsnovelle178 geändert hat.179 Art. 143 GG a. F. bestimmte damals: „Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Artikel 79 erfüllt.“180 Damals wurde argumentiert, dass der Verfassungsgeber im Jahr 1956 mit der Schaffung des Art. 143 GG a. F. über den Wortlaut hinaus einen traditionellen Polizeibegriff und damit verbunden auch eine Differenzierung zwischen Streitkräften und Polizei manifestieren wollte, welche auch nach Wegfall des Art. 143 GG a. F. noch Bestand haben sollte. Diese Differenzierung soll materiell sogar geeignet gewesen sein, den Einsatz bestimmter militärischer Ausrüstung für die Polizei zu beschränken und könnte so noch heute einer Militarisierung der Polizei entgegenstehen.181 Ob der Verfassungsgeber ursprünglich mit Art. 143 GG a. F. eine solche Wertung statuieren wollte, kann allerdings dahinstehen. Selbst wenn die Manifestierung eines solchen Polizeibegriffs beabsichtigt war, wäre diese Festsetzung spätestens mit der Außerkraftsetzung des Art. 143 GG a. F. obsolet geworden.182 177 Zu dieser Argumentation supra B. I. 1. a) ee). Zum hier noch ausgeklammerten Teilargument hinsichtlich des Schutzes der Grundrechte infra B. II.; C. II. 178 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.06.1968, BGBl. I, S. 709 ff. 179 Diese Vorgaben wurden allerdings in der Praxis missachtet, z. B. forderte der ehemalige Hamburger Innensenator Helmut Schmidt Einheiten der Bundeswehr an, um während der Hamburger Sturmflut von 1962 Plünderer abzuwehren, vgl. dazu SchmidtRadefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (7). Näher zur damaligen Verfassungssituation Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der Streitkräfte, S. 36 Fn. 109 f. m.w. N. 180 Art. 143 GG a. F. wurde 1956 ins GG eingefügt, BGBl. I 1956, S. 113. 181 Vgl. Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 190 ff. m.w. N.; Ule, DVBl 1967, 865 (867 ff.); ders., DÖV 1968, S. 123 f.; ders., DVBl 1962, 353 (356 ff.). A. A. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, EGL. 1972, Art. 87a. Rn. 86 ff. zitiert nach Keidel, a. a. O., S. 192; Evers, in: Bonner Kommentar GG, Okt. 1971, Art. 91 Rn. 13 zitiert nach Keidel, a. a. O., S. 192. Die Gegenansicht argumentiert, diese Auslegung des Art. 143 GG a. F. beruhe auf einer Fehldeutung, vgl. Keidel, a. a. O., S. 192. 182 Mit ähnlicher Argumentation auch Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 190 m.w. N.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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Außerdem ist das Verhältnis zwischen Polizei und Streitkräften mit Art. 35 Abs. 2, 3 GG und Art. 87a Abs. 3, 4 GG mittlerweile konkretisiert worden.183 Wertungen, die der damalige Gesetzgeber möglicherweise mit Art. 143 GG a. F. manifestieren wollte, sind dadurch jedenfalls ersetzt worden184 und können in der Konsequenz nicht für das Trennungsgebot herangezogen werden. b) Historisch-genetische Herleitung des Trennungsgebots Überdies lässt sich ein Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften möglicherweise auf eine historisch-genetische Auslegung der Verfassung stützen. Die Schaffung wesentlicher Artikel der Sicherheitsverfassung fiel nämlich in eine Zeit, in der deutsches Staatsgebiet durch alliierte Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg besetzt war und als Folge dessen auch Besatzungsrecht die deutsche Verfassungsgebung beeinflusst haben könnte.185 Die Alliierten verfolgten nach Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst eine Politik der Entmilitarisierung sämtlicher bewaffneter Kräfte in Deutschland,186 welche sich bis heute für die historisch-genetische Auslegung des Grundgesetzes und somit zur Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Trennung zwischen Polizei und Streitkräften nutzbar machen lassen könnte. Zudem soll, um die geschichtlichen Erfahrungen aus der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus zu verarbeiten, die Trennung von Streitkräften und Polizei auch aus nationaler – also nicht von außen diktierter – Motivation tief im Grundgesetz verankert worden sein, sodass diese sogar zum „genetischen Code der Bundesrepublik“ gehören könnte.187 aa) Vorgaben der Alliierten an den parlamentarischen Rat Für eine historisch-genetische Auslegung der Artt. 35, 87a GG bietet sich zunächst eine Betrachtung der alliierten besatzungsrechtlichen Vorgaben für den damaligen Verfassungsgeber an, welche der Bildung einer militarisierten Polizei explizit entgegenstanden.

183 Vgl. 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.06.1968, BGBl. I, S. 709 ff.; dazu eingehend supra B. I. 1. a) aa)–(bb). 184 Ähnlich Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 193 m.w. N. 185 Vgl. Willich, BGS, S. 66 ff.; Dorn, Trennungsgebot, S. 60. 186 Vgl. Wettig, Entmilitarisierung, S. 23 ff., 209 ff.; Willich, BGS, S. 66 ff.; Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (54); Dorn, Trennungsgebot, S. 60; Pioch, Das Polizeirecht einschließlich der Polizeiorganisation, S. 78. 187 So explizit Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 60 ff. und Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (6) – jeweils unter Berufung auf Wefing, Ab an die Heimatfront, in: Zeit v. 09.10.2008, abrufbar unter https://www.zeit.de/2008/42/Bundeswehr (abgerufen am 07.07.2020); vgl. außerdem Jahn/Riedel, DÖV 1988, 957 (961).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

(1) Häufiger Rekurs auf Memorandum zum Polizeibrief vom 14.04.1949 Die Militärgouverneure der westalliierten Besatzungszonen formulierten damals als Forderung an den parlamentarischen Rat im Memorandum zum sog. Polizeibrief vom 14.04.1949, „dass deutsche Polizeikräfte in keiner Weise neu organisiert, bewaffnet oder ausgebildet würden, die ihnen militärischen oder militär-ähnlichen Charakter gibt oder sie in die Lage versetzt, im Gegensatz zu Polizeiaufgaben militärische Aufgaben ohne Zustimmung der alliierten Behörden durchzuführen“.188 Im Einzelnen wollten die Militärgouverneure durch diese Vorgaben konkrete Vorstellungen für die zukünftige Ausgestaltung der deutschen Polizeikräfte nach dem Zerfall des nationalsozialistischen Deutschlands formulieren. Der genaue Zweck des Polizeibriefs selbst wird aber uneinheitlich beurteilt. Einerseits sollte der Schutz der Bevölkerung gesichert werden, indem eine erneute Gestapo-ähnliche Polizei verhindert wurde, andererseits sollte die Bildung einer zu mächtigen zentralen Sicherheitsmacht verhindert werden.189 Im Kontext der Diskussion um die Existenz des Trennungsgebots wird sich nahezu immer auf dieses Memorandum zum Polizeibrief berufen, jedoch in der Regel ohne die rechtliche Tragfähigkeit dieses Arguments überzeugend zu begründen.190 Die Begründung einer wie auch immer gearteten Beachtlichkeit des alliierten Besatzungsrechts noch heute stellt sich allerdings als nicht so einfach dar, wie es die Stimmen aus der Literatur suggerieren.

188 Memorandum zum Polizeibrief v. 15.02.1951, abgedruckt bei Willich, BGS, S. 68 m.w. N. Der Polizeibrief selbst ist abgedruckt bei Roewer, DVBl 1986, 205 (206 Fn. 11) und bei Gusy, ZRP 1987, 45 (45 Fn. 6). Ähnliche Vorgaben hatten schon die Alliierten des Ersten Weltkriegs erhoben, hatten diese aber nur wenig konsequent verfolgt, vgl. Gusy, Weimar, S. 269 ff. Der Polizeibrief soll sogar in älteren Grundgesetzausgaben mit abgedruckt worden sein, vgl. Bull, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider, GG Kommentar, Art. 87 Rn. 65. 189 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 172; Baumann, DVBl 2005, 798 (799 Fn. 12) m.w. N. 190 Eine Vielzahl wissenschaftlicher Abhandlungen, welche sich (auch) mit dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften beschäftigen, erwähnen zumindest einleitend die Vorgaben der Alliierten aus dem Memorandum zum Polizeibrief, vgl. etwa Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (54 ff.); Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (34 ff., 37); Linke, AöR 129 (2004), 489 (508); Fischer-Lescano, KJ 1/2004, 67 (71, 75); ders., AöR 128 (2003), 52 (68); Willich, BGS, S. 66 ff. Leider bleibt es regelmäßig bei der bloßen Erwähnung dieser Vorgaben, ohne dass geklärt wird, welche rechtliche Relevanz sich daraus ggf. heute noch ergeben könnte. Hervorzuheben ist in dieser Hinsicht nur die Darstellung bei Benda, Notstandsverfassung, S. 29 ff. Tiefgehende Versuche, den alliierten Vorgaben als potentiellen Begründungsansatz für das Trennungsgebot nachzugehen, gab es soweit ersichtlich nur im Rahmen der Paralleldiskussion zum Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, m.w. N. etwa bei Dorn, Trennungsgebot, S. 20.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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(2) Bedeutung des ehemaligen Besatzungsrechts für die Verfassungsgebung Für den Nutzen der alliierten Vorgaben zur Begründung des Trennungsgebots spricht zunächst, dass sich ihre erhebliche Bedeutung für die Entstehung der deutschen Verfassung kaum bezweifeln lässt. Diese Vorgaben sollten nach Ansicht der Besatzungsmächte bindender Maßstab für die gesamte deutsche Gesetzgebung inklusive der Verfassungsgebung sein.191 Es wurden Leitlinien aufgezeigt, deren Beachtung schließlich die Genehmigung des Grundgesetzes durch die Besatzer ermöglichen würde.192 Um die besatzungsrechtlichen Vorstellungen durchzusetzen, haben alliierte Vertreter mehrfach erfolgreich Einfluss auf die Beratungen des parlamentarischen Rats genommen und in manchen Fällen sogar die Ablehnung des gesamten Grundgesetzes in Aussicht gestellt.193 All das lässt sich dafür anführen, dass der Verfassungsgeber die Forderungen aus dem Memorandum zum Polizeibrief tatsächlich umsetzen musste. (3) Rechtsqualität des Besatzungsrechts Wie bedeutsam der Einfluss des Memorandums zum Polizeibriefs für die Verfassungsgebung tatsächlich war, hängt noch wesentlich von der Frage ab, welche Rechtsqualität dem damaligen Besatzungsrecht zukam und an welcher Position es in der gesetzlichen Normenhierarchie zu verorten war. Danach bestimmt sich, ob der parlamentarische Rat die besatzungsrechtlichen Vorgaben aufgrund einer möglicherweise normativen Wirkung194 bei der Grundgesetzgebung zwingend beachten musste oder ob er sich auch darüber hinwegsetzen konnte, sofern er denn wollte. Eine überwiegende Ansicht hat dem Besatzungsrecht selbst materiell Verfassungsqualität beigemessen.195 Diesen Rang soll insbesondere der Polizeibrief durch den Verweis in Nr. 3 des Genehmigungsschreibens der Alliierten Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12.05.1949 erhalten haben. In diesem Schrei191 Näher dazu Dorn, Trennungsgebot, S. 124; vgl. Bull, in: Denninger/HoffmannRiem/Schneider, GG Kommentar, Art. 87 Rn. 85. 192 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 172. 193 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 92 f., 172; Benda, Notstandsverfassung, S. 32. Nach Inkrafttreten der grundgesetzlichen Notstandsnovelle im Jahr 1968 haben die Alliierten beispielsweise ausdrücklich betont, dass diese Grundgesetznovelle ihren Vorgaben gerecht wurde, vgl. Benda, Notstandsverfassung, S. 33, 29 ff. 194 Der Polizeibrief wurde teilweise als „normative Vorgabe für den parlamentarischen Rat“ bezeichnet, vgl. Gusy, ZRP 1987, 45 (46). 195 Dafür ebenso Lisken, ZRP 1984, 144 (146); Kutscha, ZRP 1986, 194 (195 Fn. 20) m.w. N.; Bull, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider, GG Kommentar, Art. 87 Rn. 66 ff., 85; Bull, in: Hendler/Ibler/Soria, Für Sicherheit, für Europa, S. 362; Gusy, ZRP 1987, 45 (46); für eine materielle Verfassungsqualität, ohne Verfassungsrecht zu sein, Jachmann, KritV 1994, 252 (252). A. A. Jutzi, DÖV 1992, 650 (652 f., 656 f.).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

ben haben die alliierten Militärgouverneure das am 08.05.1949 vom parlamentarischen Rat verabschiedete Grundgesetz mit einigen Vorbehalten als im Wesentlichen mit ihren Vorstellungen übereinstimmend befürwortet.196 So betonten die Militärgouverneure aber, dass die Ausübung bestimmter polizeilicher Funktionen des Bundes trotzdem nur in Übereinstimmung mit den Weisungen des Polizeibriefs gestattet war.197 Die Militärgouverneure waren folglich der Ansicht, dass sie durch ihre Vorgaben, trotz der getroffenen oder noch zu treffenden Regelungen im Grundgesetz, noch immer bestimmenden Einfluss auf die Ausübung der deutschen Polizeibefugnisse nehmen konnten, womit ihre Vorgaben mindestens als gleichwertig zu den Reglungen der Verfassung anzusehen wären. Mit diesen Argumenten wurde dem Besatzungsrecht teilweise sogar überverfassungsrechtliche Qualität beigemessen, welches nicht durch grundgesetzliche Regelungen verdrängt werden konnte.198 Einer genauen dogmatischen Klärung bedarf es hier aber nicht, denn vor Wiedererlangung der deutschen Souveränität konnte der Grundgesetzgeber sich jedenfalls nicht einfach über die alliierten Vorgaben hinwegsetzen, entweder weil zu befürchten war, dass das Grundgesetz in Teilen oder in seiner Gesamtheit durch die alliierten Besatzer abgelehnt worden wäre,199 oder weil dem Besatzungsrecht entgegenstehende Wertungen unwirksam waren. Auch rein tatsächlich gesehen waren die Alliierten in der Lage, abweichende Vorstellungen notfalls gewaltsam durchzusetzen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Besatzungsrecht seinen Beachtungsanspruch wieder verloren hat,200 mussten sich also selbst grundgesetzliche Regelungen daran messen lassen. Soweit die besatzungsrechtlichen Vorgaben umfassten, dass Polizeikräfte nicht neu organisiert, bewaffnet oder ausgebildet werden und dabei militärischen oder militärähnlichen Charakter annehmen durften,201 konnten diese Vorgaben grundgesetzlich also nicht ohne Weiteres ignoriert werden.202 196 Vgl. das Genehmigungsschreibeiben zum Grundgesetz vom 12.05.1949, Amtsblatt der Militärregierung – Deutschland (Britische Zone), Ausgabe Nr. 35 vom 10. September 1949, Teil 2B, S. 29 f. 197 Vgl. Bull, in: Hendler/Ibler/Soria, Für Sicherheit, für Europa, S. 362; Nr. 3 des Genehmigungsschreibens zum Grundgesetz, abgedruckt bei Gusy, ZRP 1987, 45 (46 Fn. 8). 198 Vgl. Borgs, in: Borgs/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, § 3 A, Rn. 125; Dorn, Trennungsgebot, S. 137 m.w. N.; Nehm, NJW 2004, 3289 (3291). Unter Bezug auf selbiges Genehmigungsschreiben zum Grundgesetz kommt Roewer dagegen zu dem Ergebnis, der Polizeibrief hätte keine Verfassungsqualität, sondern würde das Verfassungsrecht lediglich überlagern, vgl. Roewer, DVBl 1986, 205 (207). 199 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 172. 200 Zum dafür maßgeblichen Zeitpunkt infra B. I. 1. b) aa) (4). 201 Vgl. Memorandum zum Polizeibrief v. 15.02.1951 (Fn. 188). 202 A. A. wohl Dorn, Trennungsgebot, S. 174, der mit letztlich nicht überzeugender Begründung die Ansicht vertritt, dass die alliierten Vorgaben damals nur den einfachen Gesetzgeber betrafen.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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(4) Keine unmittelbare Geltung nach Wiedererlangung der deutschen Souveränität Das Besatzungsregime besteht allerdings nicht mehr. Das wirft die Problematik auf, ob auch die besatzungsrechtlichen Vorgaben und ihre Bedeutung mit der vollständigen Wiedererlangung der deutschen Souveränität ersatzlos entfallen sind,203 oder ob sich eine Fortgeltung der Vorgaben begründen lässt. Die Begründung einer eigenständigen Fortgeltung von auferlegtem Besatzungsrecht stellt sich aber im Hinblick auf den deutschen Souveränitätsanspruch als überaus schwierig dar. Zwar ist umstritten, zu welchem Zeitpunkt Deutschland seine vollständige Souveränität nach der alliierten Besatzung wiedererlangte,204 doch diese Diskussion ist mittlerweile geschichtlich überholt. Selbst der späteste vertretene Zeitpunkt ist mit Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages205 am 15.03.1991 vor Jahrzehnten eingetreten. Sämtliche alliierte Vorbehaltsrechte sind spätestens damit erloschen.206 Mangels Fortgeltung des Besatzungsrechts kommt diesem heute folglich keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zu. Erst recht kommt diesem kein rechtlicher Rang mehr zu, der mit Verfassungsqualität neben dem deutschen Grundgesetz steht, dieses überlagert207 oder gar über diesem zu verorten ist.208 Daraus folgend lassen sich unmittelbar aus dem Besatzungsrecht auch keine eigenständigen Konkretisierungen für die verfassungsrechtliche Trennung zwischen Streitkräften und Polizei mehr ableiten. bb) Besatzungsrecht als bis heute aktuelle Stütze des Trennungsgebots? (1) Mittelbare Geltung des Besatzungsrechts Doch daraus zu schließen, dass das Besatzungsrecht für die Begründung eines Trennungsgebots gänzlich bedeutungslos geworden ist, könnte zu kurz grei203

So Roewer, DVBl 1986, 205 (207). Vertiefend König, Trennung und Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten, S. 152 m.w. N.; vgl. Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 123 Rn. 27; Haynes, Trennungsgebot, S. 66 f.; Baumann, DVBl 2005, 798 (800 ff.); Linzbach/Gärditz, ZG 2020, 314 (320 f.). 205 Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei-Mächten, BGBl. 1955 II, S. 305. 206 A. A. zumindest für den Bereich der Telekommunikationsüberwachung Foschepoth, Überwachtes Deutschland, S. 36 ff., 160 ff. 207 Es ist unklar, was genau mit der rechtlichen „Überlagerung“ gemeint sein soll, dazu noch infra B. I. 1. b) bb) (3). 208 Vgl. Borgs, in: Borgs/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, § 3 A, Rn. 125. Dafür, dass der Polizeibrief nur noch als Auslegungshilfe genutzt werden kann Bull, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider, GG Kommentar, Art. 87 Rn. 65; Steiß, Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, S. 195 f.; Linzbach/Gärditz, ZG 2020, 314 (320 f.). A. A. im Jahr 1986, noch vor Abschluss des Zwei-Plus-Vier-Vertrags Kutscha, ZRP 1986, 195 m.w. N. 204

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

fen.209 Unterstellt man dem damaligen Verfassungsgeber, dass er grundsätzlich wirksames Verfassungsrecht schaffen wollte, so musste er die besatzungsrechtlichen Vorgaben beachten oder durfte zumindest keine entgegenstehenden Regelungen treffen.210 In Bezug auf das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten bezieht sich auch das Bundesverfassungsgericht bei der Auslegung von Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG i.V. m. Art. 73 Nr. 5 GG explizit auf den Polizeibrief und nutzt dessen Inhalt für seine Argumentation,211 sodass ein ähnliches Vorgehen in Bezug auf das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften nicht abwegig erscheint.212 Das alliierte Besatzungsrecht würde auf diesem Weg zumindest eine mittelbare Geltung erlangen. Die Artt. 35, 87a GG könnten damit nach Maßgabe des Memorandums zum Polizeibrief möglicherweise auch historisch so auszulegen sein, dass sie einer militarisierten Polizei in Abgrenzung zu den Streitkräften noch heute entgegenstehen. Sowohl im Hinblick auf Art. 87a GG als auch für Art. 35 GG erscheint eine solche Auslegung grundsätzlich denkbar: (2) Artt. 35, 87a GG vor dem Hintergrund der alliierten Vorgaben Art. 87a GG a. F. wurde im Jahr 1956 in das Grundgesetz eingeführt.213 Zu diesem Zeitpunkt waren der Bundesrepublik Deutschland mit Inkrafttreten des Deutschlandvertrages am 05.05.1955214 zwar bereits umfangreiche Rechte eines souveränen Staates zuerkannt, allerdings bestanden für die Alliierten mit Art. 2 des Deutschlandvertrags weiterhin gewichtige Vorbehaltsrechte.215 Dort heißt es: „Im Hinblick auf die internationale Lage, die bisher die Wiedervereinigung Deutschlands und den Abschluß eines Friedensvertrages verhindert hat, behalten die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes ein209 So aber in Bezug auf das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten Roewer, DVBl 1986, 205 (207); vgl. König, Trennung und Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten, S. 152 f. 210 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 21. Für eine Bedeutung des Polizeibriefs als Auslegungshilfe auch Bull, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider, GG Kommentar, Art. 87 Rn. 67. 211 Leider begründet das Bundesverfassungsgericht dieses Vorgehen nicht weiter, vgl. BVerfGE 97, 198 (217). 212 So auch Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (37 Fn. 195); in Bezug auf den Bundesgrenzschutz ebenfalls dafür Fischer-Lescano, KJ 8/2004, 67 (71). 213 Der im Vergleich zur heutigen Form ursprünglich sehr viel kürzere Wortlaut des Art. 87a GG a. F. 1956 lautete lediglich: „Die zahlenmäßige Stärke der vom Bunde zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.“; BGBl. 1956 I, S. 111 f. 214 BGBl. 1955 II, S. 306. 215 Zur rechtlichen Bedeutung des Deutschlandvertrages allgemein Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 123 Rn. 24 ff.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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schließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung.“ 216 Trotz des unklaren Umfangs des alliierten Vorbehalts lässt der weite Wortlaut die Auslegung zu, dass die dort genannten „ausgeübten oder innegehabten“ Rechte auch die Fortgeltung der Vorgaben aus dem Memorandum zum Polizeibrief umfassten; Ausnahmen von den vorbehaltenen Rechten und Verantwortlichkeiten wurden jedenfalls nicht ausdrücklich festgeschrieben.217 Zumindest diejenigen, die die Verwertbarkeit des Besatzungsrechts für die Begründung des Trennungsgebots suggerieren, legen Art. 2 des Deutschlandvertrags wohl – ohne es explizit auszusprechen – in diese Richtung aus.218 So verstanden waren diese Vorgaben noch im Jahr 1956 für den Verfassungsgeber beachtlich. Das spricht dafür, den damaligen Art. 87a GG a. F. 1956 historisch so auszulegen, dass er zumindest keine dem Memorandum zum Polizeibrief entgegenstehenden Wertungen beinhalten sollte.219 Auch noch zum Zeitpunkt der bisher letzten Änderung des Art. 87a GG im Jahr 1968 erscheint das Heranziehen der alliierten Vorgaben nicht von Vornherein ausgeschlossen.220 Die mit Art. 2 S. 1 des Deutschlandvertrages beibehaltenen Rechte sind nämlich erst mit Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 15.03.1991 vollständig erloschen.221 Der Inhalt des Art. 87a GG a. F. 1956 wurde 216 Zur umstrittenen Rechtsnatur dieser Vorbehalte vgl. v. Goetze, NJW 1990, 2161 (2162 ff.). 217 Verschiedene Stimmen aus der Literatur entnehmen Art. 2 des Deutschlandvertrages mit teleologischer Argumentation trotz des weiten Wortlauts eine vage Beschränkung auf Bereiche von gesteigerter Wichtigkeit, die aufgrund ihrer Bedeutung nicht ohne Mitwirkung der Sowjetunion aufgegeben werden konnten, vgl. v. Goetze, NJW 1990, 2161 (2162 ff.) m.w. N.; Wissenschaftlichen Dienste, WD 2 – 108/06, S. 5; Rensmann, Besatzungsrecht, S. 54 f. m.w. N. Aber auch mit diesem Verständnis ließe sich für die Fortgeltung der Vorgaben aus dem Memorandum zum Polizeibrief argumentieren, da sich die zulässige Ausgestaltung der deutschen Polizei in Abgrenzung zu den Streitkräften als elementare Frage der damaligen Sicherheitspolitik – und somit als „besonders wichtige“ Materie – darstellte. Da das Besatzungsrecht aber letztlich ohnehin nicht zur Begründung des Trennungsgebots beitragen kann, kann eine weitergehende Vertiefung dahinstehen, vgl. infra B. I. 1. b) bb) (2). 218 Vgl. dazu die supra in Fn. 190 genannten Quellen. A. A. hinsichtlich des Trennungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendiensten etwa Roewer, DVBl 1986, 205 (206). 219 In diese Richtung dafür, dass die Wertungen des Polizeibriefs nie explizit entkräftet wurden Kutscha, ZRP 1986, 194 (195); König, Trennung und Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten, S. 154 ff. 220 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.06.1968, BGBl. I, S. 709 ff. Zumindest die Bundesregierung ging noch bis zur Wiedervereinigung davon aus, dass den Besatzungsmächten weiterhin umfangreiche Rechte in Bezug auf Deutschland als Ganzes zugekommen sind, vgl. Rauschning, Rechtstellung Deutschlands, IV Nr. 19 c, d; IV Nr. 20 c, d; v. Goetze, NJW 1990, 2161 (2162). 221 „Die Französische Republik, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika beenden hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes. Als Ergebnis werden die entsprechenden, damit zusammenhän-

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

jedoch vor Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages, also noch bevor die beibehaltenen Rechte vollständig erloschen sind, im Zuge der damaligen Verfassungsänderung mit Art. 87a Abs. 1 GG n. F. im Wesentlichen übernommen und um die oben schon dargestellten222 Abs. 2–4 erweitert.223 Auch die in Art. 35 GG n. F. enthaltenen Notstandsregelungen in Abs. 2 und 3 wurden hier wesentlich geprägt.224 Bis zum Zeitpunkt der letzten Reform der Artt. 35, 87a GG lässt sich deswegen für die Beachtlichkeit der besatzungsrechtlichen Vorgaben argumentieren. Der Weg für eine historische Auslegung erscheint also grundsätzlich noch bis heute eröffnet. (3) Besatzungsrecht vs. deutscher Souveränitätsanspruch Gegen die Möglichkeit der historischen Auslegung nach Maßgabe des Besatzungsrechts wird allerdings argumentiert, dass die Vorgaben der Alliierten im Hinblick auf die gewichtige Stellung des Verfassungsgebers gänzlich unbeachtlich sein müssten; für die Verfassungsauslegung dürften vielmehr nur solche besatzungsrechtlichen Vorbehalte von Bedeutung sein, die unmittelbar auf den Verfassungstext Einfluss gehabt haben.225 Die Heranziehung des alliierten Besatzungsrechts als Auslegungshilfe müsse weiterhin spätestens nach dem Erlöschen der Vorbehaltsrechte ausscheiden, insbesondere weil das Besatzungsrecht nur dazu geeignet gewesen sei, das Grundgesetz zu „überlagern“.226 Schließlich würde eine „exzessive Auslegung“ alliierter Vorbehalte den deutschen Souveränitätsanspruch im Übermaß beeinträchtigen.227 Die Argumentation, dass nur solches Besatzungsrecht beachtlich sei, das sich auf den unmittelbaren grundgesetzlichen Wortlaut ausgewirkt habe, überzeugt nicht. Solange der Wortlaut nicht explizit gegen die historische Auslegung im Kontext des Besatzungsrechts spricht, ist weder ersichtlich noch hinreichend dargelegt, warum wesentliche den Grundgesetzgeber beeinflussende Faktoren nicht über den Wortlaut hinaus beachtlich sein sollten.228 Eine diesbezügliche Ausgenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst.“, BGBl. 1990 II, S. 1317. Darüber hinaus billigten die Besatzungsmächte die Grundgesetzreform der Notstandsnovelle mit der sog. Drei-Mächte-Erklärung vom 27.05.1968 ausdrücklich und erklärten, dass sie mit ihren Vorstellungen übereinstimmten, vgl. BGBl. I 1968, S. 714 ff. 222 Zu Art. 35 Abs. 2, 3 GG supra B. I. a) aa) (2). 223 Vgl. 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.06.1968, BGBl. I, S. 709. 224 Genauer dazu Dederer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 35 Rn. 101 ff. 225 Vgl. Jutzi, DÖV 1992, 650 (652 f., 656); in eine ähnliche Richtung Albert, ZRP 1995, 106 (108). 226 So Roewer, DVBl 1986, 205 (207). 227 So aber Jutzi, DÖV 1992, 650 (656); ähnlich Ronellenfitsch, VerwArch 1999, 139 (160). 228 Vgl. allgemein zur historischen Auslegung Canaris/Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 149 ff.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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nahme für den Sonderfall besatzungsrechtlicher Einflussfaktoren ist durch die Vertreter dieser Ansicht weder dogmatisch begründet worden noch drängt sich eine solche Ausnahme von selbst auf.229 Ein Ausschluss der Einbeziehung bestimmter historischer Umstände liefe auf eine ungewöhnlich strenge Wortlautauslegung hinaus. Die zweite Argumentation, dass Besatzungsrecht als Auslegungshilfe ausscheiden müsse, da das Grundgesetz nur durch dieses überlagert werden sollte, kann ebenfalls nicht überzeugen. Es ist bereits unklar, was genau mit der rechtlichen Überlagerung gemeint ist. Es kann hier nur vermutet werden,230 dass Überlagern das Zurücktreten grundgesetzlicher Normierungen bedeuten soll, soweit sie den besatzungsrechtlichen Vorgaben entgegenstehen. Wäre das Besatzungsrecht nach alliiertem Selbstverständnis allerdings auf diese Art und Weise in die damalige rechtliche Normenhierarchie eingegliedert gewesen, hätten die Alliierten nicht mehrfach die Ablehnung des Grundgesetzes im Ganzen in Aussicht gestellt,231 da dieses ohnehin bis zur Aufgabe der Vorbehaltsrechte „überlagert“ worden wäre. Hätten sich die alliierten Vorgaben auf diesem Weg gegenüber nationalem Recht ohnehin durchgesetzt, hätte es keinerlei Interaktion mit dem parlamentarischen Rat bedurft. Ebenso wenig überzeugt das dritte Argument, die Einbeziehung der alliierten Vorgaben könnte den deutschen Souveränitätsanspruch beeinträchtigen. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der deutschen Souveränität war zum Zeitpunkt der Besatzung offenkundig und muss nicht etwa durch eine zurückhaltende Auslegung begrenzt werden. Auch der ähnliche Einwand, es könne letztendlich nur auf den wahren Willen des deutschen Verfassungsgebers ankommen,232 hilft nicht, denn dieser Wille liegt nun einmal im Verborgenen. Der historische Auslegungsansatz soll diesem Willen nicht entgegenlaufen, sondern ihn ermitteln. Diese Argumente erscheinen im Ergebnis also nicht geeignet, die historische Bedeutung des Besatzungsrechts bei der Grundgesetzgebung vollkommen auszuklammern. (4) Widersprüchliche paramilitärische Strukturen beim Bundesgrenzschutz (a) Eklatanter Widerspruch zu den alliierten Vorgaben Die Bedeutung des Besatzungsrechts bei der Auslegung der Artt. 35, 87a GG könnte allerdings durch seine praktische Missachtung weitgehend entkräftet 229 Vgl. die in dieser Hinsicht lückenhafte Argumentation bei Jutzi, DÖV 1992, 650 (652 f., 656) und Albert, ZRP 1995, 106 (108). 230 Die Argumentation um die rechtliche Überlagerung ist leider nicht hinreichend konkretisiert worden, vgl. Roewer, DVBl 1986, 205 (207). 231 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 92 f., 172; Benda, Notstandsverfassung, S. 32. 232 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 172; Gusy, ZRP 1987, 45 (46).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

sein.233 Bereits im Jahr 1951, als die alliierten Vorgaben noch voll beachtlich waren, wurde mit dem Bundesgrenzschutz (BGS) eine weitgehend militarisierte Polizei geschaffen. Der Aufgabenbereich des BGS umfasste mangels Existenz eigener deutscher Streitkräfte bis zum Jahr 1955 auch die militärische Grenzsicherung.234 Zu diesem Zweck war der BGS paramilitärisch ausgerüstet, organisiert und geführt235 – und das in einem Maße, dass dem BGS teilweise Streitkräftequalität zugemessen wurde.236 Dem BGS wurde zeitweise sogar der Kombattantenstatus zugewiesen, er wäre also völkerrechtlich zu Kampfhandlungen gegen feindliche Streitkräfte berechtigt gewesen.237 Er hatte seine konkrete Ausformung zwar nur auf einfachgesetzlicher Ebene erhalten, wurde aber zumindest ausdrücklich in verschiedenen Grundgesetzartikeln erwähnt.238 Mit anderen Worten: Die Existenz des BGS stand bereits im Jahr 1951 im eklatanten Widerspruch zu den alliierten Vorgaben. Ladiges argumentiert daher, dass der Verfassungsgeber mit der Schaffung wesentlicher Artikel der Wehrverfassung nicht gegen eine militarisierte Polizei sein konnte, da eine solche Polizei zu dieser Zeit mit dem BGS bereits existierte.239 Die Argumentation, dass es den Alliierten wesentlich auf die Einhaltung ihrer Vorbehalte ankam und der Verfassungsgeber diese deswegen beachten wollte, erscheint in weiten Teilen dadurch erheblich geschwächt, dass die Alliierten eine solche paramilitärische Sonderpolizei in Form des BGS zumindest duldeten. Manche versuchten diesen Widerspruch dadurch aufzulösen, dass sie dem BGS einzig und allein aufgrund der entgegenstehenden Verfassungs- und Besatzungsrechtsituation den militärischen Charakter absprachen,240 was aber einer wenig überzeugenden Fiktion gleichkommt. 233 Ähnlich Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 161. 234 Eine anschauliche Darstellung der Entwicklung vom BGS zur Bundespolizei ist zu finden bei Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (36). 235 Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (36). Zur paramilitärischen Ausgestaltung des BGS siehe Willich, BGS, S. 79 ff. 236 So etwa im Jahr 1971 Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr, S. 122 ff., 127; in diese Richtung Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 33; mit einer ausführlichen Darstellung der verschiedenen Betrachtungsweisen Schultz, Auslandsentsendung, S. 133 ff., 136 ff. m.w. N. 237 Vgl. § 64 BGSG a. F.; näher zur Thematik Schultz, Auslandsentsendung, S. 143. 238 Es bleibt bis heute bei der bloßen Erwähnung im Grundgesetz, vgl. Art. 12a Abs. 1 GG, Art. 35 Abs. 2, 3 GG, Art. 87 Abs. 1, 4 GG, Art. 87a Abs. 4 GG, Art. 91 Abs. 1, 2 GG und Art. 115f Abs. 1 GG. Der Bundesgrenzschutz wurde allerdings mittlerweile in Bundespolizei umbenannt. Im Grundgesetz wurde diese Namensänderung allerdings noch nicht umgesetzt. 239 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 161 f. 240 So aber Willich, BGS, S. 48; Krent, Der BGS, S. 23 ff. A. A. Schultz, Auslandsentsendung, S. 142: „[. . .] Dies würde nämlich voraussetzen, daß real betriebene Politik

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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Die Existenz des BGS in seiner damaligen Form lässt sich allerdings durch die historisch gewandelte internationale Sicherheitspolitik zumindest teilweise erklären.241 Zwar war die Entmilitarisierung Deutschlands seitens der Alliierten geplant, musste aber in Hinblick auf die steigende Spannung zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion überdacht werden.242 Deutschland spielte plötzlich eine wichtige Rolle im westalliierten politischen Sicherheitsgefüge. So lässt sich überhaupt erklären, wieso Deutschland so kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges wieder einen eigenen Wehrbeitrag leisten sollte.243 Mit dem BGS sollte vor Schaffung der verfassungsrechtlich notwendigen Ausgangssituation für den Aufbau eigener Streitkräfte ein erster Schritt auf dem Wege der Remilitarisierung Deutschlands erfolgen, der von alliierter Seite nicht nur geduldet, sondern teilweise auch unterstützt wurde.244 In diesen Kontext ist die Bedeutung des BGS einzuordnen. Diese Sonderpolizeibehörde fand ihre politische (nicht aber rechtliche) Rechtfertigung in der damals einzigartigen Spannungssituation zwischen West und Ost, die aber kein Vorbild für die übrigen Polizeikräfte darstellen sollte. Dennoch war die paramilitärische Ausgestaltung des BGS mit den besatzungsrechtlichen Vorgaben offensichtlich nicht zu vereinbaren. (b) Besatzungsrecht als gänzlich unverwertbare Stütze Die historische Faktenlage stellt sich nach alledem als so unklar und verworren dar, das die Nutzbarkeit des Besatzungsrechts als Stütze für das Trennungsgebot letztendlich gänzlich ausscheiden muss. Aus den gleichen Gründen kann historisch aber auch nicht für die Zulässigkeit der Militarisierung der Polizei argumentiert werden. Dass die Alliierten die Schaffung des BGS als militarisierte Sonderpolizei offensichtlich duldeten oder sogar unterstützten, kann also nicht als Freibrief für die Militarisierung der gesamten übrigen Polizei verstanden werden. Es erscheint überaus fraglich, ob eine militarisierte Polizei jenseits des BGS damals politisch überhaupt durchsetzbar gewesen wäre – und ob die Alliierten hier nicht eingegriffen hätten.245 Die verfassungsrechtlichen Trennlinien zwischen Streitkräften und Polizei lassen sich folglich weder unmittelbar im Hinblick auf ehemaliges Besatzungsrecht noch anhand einer daran angelehnten historischen Auslegung konkretisieren.

immer ein verfassungskonformes Verhalten indiziert. Eine solche Betrachtung ist allerdings wirklichkeitsfremd.“ 241 So auch Schultz, Auslandsentsendung, S. 140 ff. m.w. N. 242 Vgl. Schultz, Auslandsentsendung, S. 140 Fn. 48. 243 Vgl. Schultz, Auslandsentsendung, S. 140; Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 1 ff. 244 Vgl. Schultz, Auslandsentsendung, S. 140 f. 245 In diese Richtung Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 71, 66 ff.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

cc) Trennungsgebot aus nationaler Motivation Das Bestreben zur Trennung von Streitkräften und Polizei stellte sich allerdings nicht als ein rein durch die Alliierten fremdbestimmtes Diktat dar. Die Artt. 35, 87a GG stehen nämlich am Ende des Remilitarisierungsprozesses der Bundesrepublik, welcher auch die national-historischen Erfahrungen insbesondere aus der Weimarer Republik und der Zeit der Nationalsozialisten verarbeitet hat.246 Nicht nur die Alliierten, sondern auch deutsche Abgeordnete zogen aus eigener Motivation ihre Bilanz aus den Entwicklungen der vorangegangenen zwei Weltkriege und forderten verfassungsrechtliche Instrumentarien zur Verhinderung der erneuten Etablierung von zu mächtigen bewaffneten Kräften im Staat, die eine permanente Missbrauchsgefahr darstellen könnten.247 Mit den Artikeln der Notstandsnovelle 1968 sollte sichergestellt werden, dass sich Streitkräfte nicht mehr zur „innenpolitischen Gefahr“ oder zu einer „Belastung der demokratischen Entwicklung des deutschen Volkes“ entwickelten.248 Eine (Aufgaben-) Trennung von Streitkräften und Polizei sollte als „unverzichtbare[s] Bollwerk gegen Machtmissbrauch“ etabliert werden.249 Mit Einführung der Notstandsnovelle 1968 sollte sich die aus diesen Forderungen resultierende Trennung von Polizei und Streitkräften schließlich manifestieren. Der Einsatz militärischer Mittel im Innern wurde zwar ermöglicht, allerdings von bewusst hohen Anforderungen abhängig gemacht,250 um die den Streitkräften exklusiv zukommende Macht zu kontrollieren.251 Im Kontext der Artt. 35, 87a GG lässt sich diese historische Entwicklung mit Gaiers überzeugenden Worten zusammenfassen: 246 Vgl. Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 60 ff.; BVerfGE 132, 1 Rn. 41; insbesondere die Anforderungen für einen Einsatz der damaligen Reichswehr im Innern waren niedrig, so wurde diese zum Beispiel auch gegen streikende Arbeiter eingesetzt, vgl. Wieland, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, S. 167, 169 ff. m.w. N.; Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 52 (68); Willich, BGS, S. 70 ff.; Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 26 ff.; Bartke, Verteidigungsauftrag der Bundeswehr, S. 43 ff. 247 Vgl. Dorn, Trennungsgebot, S. 106, der als Beispiel den damaligen Abgeordneten Hoch nennt, der den Missbrauch der Polizei während der Zeit der Nationalsozialisten als Terrorinstrument anprangerte. Als Ursache identifizierte dieser den frühen Militarismus, der nach 1919 „die Polizei infiziert hatte“. Zur historischen Situation vor und nach dem ersten Weltkrieg Gusy, Weimar, S. 268 ff. 248 Vgl. zur Debatte im Bundestag Fiebig, Der Einsatz der BW im Innern, S. 84 f.; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (7) m.w. N.; Abgeordneter Mellies, Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. WP, 132. Sitzung am 06.03.1955, BT-Prot. II/6847C, zitiert nach SchmidtRadefeldt, a. a. O. 249 Aussage des SPD-Abgeordneten Klejdzinski, Verhandlungen des deutschen Bundestages, 12. Wahlperiode, 203. Sitzung v. 14.01.1994, Protokoll, S. 17605. 250 Zu diesen Anforderungen supra B. I. 1. a) aa)–(bb). 251 Mit Schaffung der Streitkräfte und nach Einführung der Notstandsnovelle entfiel darüber hinaus die vermeintliche Notwendigkeit einer paramilitärischen Polizei wie dem BGS, sodass diese im Anschluss eine weitgehende Demilitarisierung erfahren hatte, vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militäri-

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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„Auch und gerade seitdem nach der Notstandsgesetzgebung der Einsatz des Militärs im Inneren nicht mehr schlechthin unzulässig ist, bleibt strenge Restriktion geboten. Es ist sicherzustellen, dass die Streitkräfte niemals als innenpolitisches Machtinstrument eingesetzt werden [. . .] Hiermit zieht unsere Verfassung aus historischen Erfahrungen die gebotenen Konsequenzen und macht den grundsätzlichen Ausschluss der Streitkräfte von bewaffneten Einsätzen im Inland zu einem fundamentalen Prinzip des Staatswesens. Mit anderen Worten: Die Trennung von Militär und Polizei gehört zum genetischen Code dieses Landes [. . .].“252

Es lässt sich somit festhalten, dass sich die oben zu Artt. 35, 87a GG aufgezeigten Wertungen, die für eine Trennung zwischen Polizei und Streitkräften sprechen,253 zusätzlich als Ergebnis einer historischen Verarbeitung der deutschen Vergangenheit begreifen lassen. Das Trennungsgebot lässt sich also nicht nur systematisch-teleologisch begründen, sondern kann darüber hinaus tatsächlich auch auf eine historisch-genetische Auslegung gestützt werden; alliiertes Besatzungsrecht liefert dazu aber keine tragfähige rechtliche Stütze. c) Entwertung des Trennungsgebots durch Verfassungswandel? Im Hinblick auf neuartige Gefahrenlagen, welche der Verfassungsgeber im Jahr 1968 bei Schaffung der Artt. 35, 87a GG nicht bedacht haben soll, wird das Trennungsgebot zwischen Streitkräften und Polizei zunehmend infrage gestellt. Eine Trennung der Sicherheitskräfte könne sich heute als hinderlich für die Abwehr bestimmter Gefahrenlagen erweisen und so soll mittlerweile ein Verfassungswandel in Verbindung mit einer Art wehrhaften Verfassungsinterpretation gegen das Trennungsgebot sprechen oder dieses soll in seiner Bedeutung zumindest abgeschwächt sein.254 Der Begriff des Verfassungswandels bezeichnet eine Änderung des ursprünglichen Sinns einer Verfassungsnorm im Wandel der Zeit, ohne dass der Text der Verfassung geändert wird.255 Es kommen dafür verschieschen Mitteln, 1 (37). Die paramilitärische Ausgestaltung des BGS war zudem spätestens nach Einführung der Notstandsnovelle mit ihrer polizeilichen Aufgabenstellung unvereinbar, vgl. zu den Rechtsfolgen des Trennungsgebots infra B. I. 2. 252 Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 60 ff. unter Verweis auf Wefing, Ab an die Heimatfront, in: Zeit v. 09.10.2008 (Hyperlink in Fn. 187). A. A. mit dem wenig überzeugenden Argument, dieser Code wäre mit Einführung der Notstandsverfassung „neu dechiffriert“ worden Walter, NZWehrr 2013, 221 (227). Wie oben dargelegt, lassen sich insbesondere den Artikeln der Notstandsverfassung gewichtige Argumente für eine Trennung von Streitkräften und Polizei entnehmen, sodass auch eine etwaige Neuchiffrierung zumindest kein widersprechendes Ergebnis erkennen ließe, vgl. B. I. 1. a) aa)–cc). 253 Zu diesen Wertungen supra B. I. 1. a) aa)–cc). 254 In diese Richtung Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 52, 26; Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr, S. 129; Walter, NZWehrr 2013, 221 (227 ff., 235); Hillgruber, JZ 2007, 209 (216 ff.). 255 Zur Rechtsfigur des Verfassungswandels allgemein vgl. Herdgen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 79 Rn. 33 m.w. N.; Dreier, in: GG Kommentar, Art. 79 Abs. 1 Rn. 38 ff.; Voßkuhle, JuS 2019, 417 (passim). Teilweise wird sogar die generelle Unzu-

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

denartige, nur unscharf herausstellbare Auslöser in Betracht, etwa gesellschaftliche, moralische, tatsächliche oder rechtliche Veränderungen.256 Eine an einen Verfassungswandel angelehnte Argumentation gegen das Trennungsgebot kann allerdings nicht überzeugen: Erstens führt eine Aufweichung des Trennungsgebots wie bereits gezeigt nicht zwangsweise zu einer erhöhten Effektivität bei der Gefahrenabwehr, sondern kann auch einen gegenteiligen Effekt bewirken.257 Ein Verzicht auf das Trennungsgebot wäre also nicht unbedingt zielführend. Zweitens ist die Rechtsfigur des Verfassungswandels nicht zu einer gewichtigen Modifizierung des Trennungsgebots geeignet. Zwar lässt sich die Funktionsfähigkeit des grundgesetzlichen Sicherheitskonzepts im Wandel der Zeit infrage stellen, dennoch sind – unabhängig davon, ob diese Argumentation berechtigt ist – verschiedene Möglichkeiten zur Abhilfe denkbar. Wird für den Moment unterstellt, dass die Rollenverteilung zwischen Streitkräften und Polizei nicht mehr effektiv genug erscheint, so wäre beispielsweise die Militarisierung der Polizei nur ein möglicher Lösungsweg, welcher sich aber keineswegs als alternativlos darstellt. Mit gleicher Argumentation könnte man sich stattdessen auch für den Einsatz der Streitkräfte im Innern unter erleichterten Bedingungen einsetzen.258 Auch ein paralleler Einsatz von militarisierter Polizei und Streitkräften wäre denkbar. Möglicherweise wird aber stattdessen auch hingenommen, dass eine vollkommen effektive Gefahrenabwehr staatlicherseits ohnehin nicht geleistet werden kann oder mit zu einschneidenden Belastungen für die Freiheitsrechte verbunden wäre.259 Die tradierte Rollenverteilung in ihrer jetzigen Form könnte also auch bewusst und unverändert beibehalten werden. Ein politischer, rechtlicher, moralischer oder gesellschaftlicher Generalkonsens darüber, wie moderne Gefahrenlagen in Zukunft aufzulösen sind, ist nicht festzustellen, sodass er auch nicht als Grundlage für einen angeblichen Verfassungswandel dienen kann. Keiner der genannten Wege erscheint hier zwingend, und dennoch ist jeder mit empfindlichen Auswirkungen auf die Art und Weise der nationalen Gefahrenabwehr verbunden. Hier wird entscheidend vorbestimmt, wie der Staat Störern (oft den eigenen Bürgern) begegnen darf. Diese wesentliche Grundentscheidung kann nicht allein durch eine interpretative Umdeutung verschiedener Verfassungswerlässigkeit des Verfassungswandels angedeutet, etwa bei Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141 ff.; Volkmann, JZ 2018, 265 (266 m.w. N.). 256 Vgl. Voßkuhle, JuS 2019, 417 (passim); Badura, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 6 Rn. 36. 257 Zu diesem Argument supra B. I. 1. a) ee) (1) (a). 258 Zuletzt bei Bäumerich/Schneider, NVwZ 2017, 189 (passim); m.w. N. Wissenschaftliche Dienste, WD 2 – 3000 – 023/15, S. 16 ff.; Senger, Streitkräfte und materielles Polizeirecht, S. 253 ff.; Sattler, NVwZ 2004, 1286 (1291). Zu diesem Vorschlag noch eingehend infra C. II. 3. 259 Dazu noch eingehend infra C.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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tungen so verschoben werden, dass im Ergebnis ein möglicherweise persönlich bevorzugtes Sicherheitsmodell plötzlich zum verfassungsrechtlich Geforderten erwächst. Dies ist allein dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorbehalten.260 Die Grenzen eines Verfassungswandels sind drittens im eindeutigen Normgehalt der Artt. 35, 87a GG verortet.261 Eine Entwertung, Aufweichung oder Verwischung der Trennung zwischen Streitkräften und Polizei widerspräche aber den in diesen Artikeln deutlich statuierten262 Wertungen. Eine Abkehr vom Trennungsgebot zwischen Streitkräften und Polizei durch einen angeblichen Verfassungswandel kann auch deswegen nicht überzeugen. Viertens waren selbst terroristische Bedrohungslagen bei Schaffung der Notstandsnovelle 1968 jedenfalls schon im Ansatz bekannt. Es ist zu bezweifeln, dass sich heutige Gefahrenlagen als so grundverschieden darstellen, dass man dem damaligen Verfassungsgeber unterstellen könne, er habe an solche Szenarien überhaupt nicht gedacht.263 Die Etablierung andersartiger Sicherheitskonzepte für die Gefahrenabwehr durch einen Verfassungswandel muss aus diesen Gründen ausscheiden. Das soll aber nicht bedeuten, dass andere möglicherweise entgegenstehende Verfassungsprinzipien schlechthin hinter dem Trennungsgebot zurücktreten müssen. So ist es denkbar, dass eine Kollision des Trennungsgebots mit sonstigen Verfassungswertungen, beispielsweise mit dem Gebot der effektiven Gefahrenabwehr, zu einer Modifikation seiner Rechtsfolgen führen kann.264 Allerdings erscheint der Weg, das Trennungsgebot schon im Ansatz durch eine bestimmte Auslegung zu schwächen oder sonst zu entwerten, aus den oben genannten Gründen als dogmatisch nicht haltbar. Das Trennungsgebot stellt somit im Ergebnis eine aktuelle verfassungsrechtliche Forderung dar, die sowohl bei Ausgestaltung der Polizei als auch bei den Streitkräften vollwertig beachtet werden muss.265

260 Der Verfassungsgeber hat mit Art. 87a Abs. 2 GG deutlich gemacht, dass weitergehende Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte nur durch Verfassungsänderung ermöglicht werden können, vgl. ebenso Senger, Streitkräfte und materielles Polizeirecht, S. 191 m.w. N. 261 Vgl. allgemein zu den Grenzen des Verfassungswandels Roßnagel, Der Staat 22 (1983), 551 (553, 555 m.w. N.); Hesse, in: Ehmke (Hrsg.), Festschrift Scheuner, S. 139 ff.; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 270. 262 Zu diesen Wertungen supra B. I. 1. a) aa)–bb). 263 So auch Senger, Streitkräfte und materielles Polizeirecht, S. 191; Fiebig, Der Einsatz der BW im Innern, S. 405; vgl. Tettinger, ZLW 2004, 334 (343 f.). Asymmetrischer Terrorismus hat in Deutschland bereits vor Schaffung der Notstandsnovelle existiert, so etwa in Form des Bombenanschlags vom 13.02.1943 in Berlin, welcher von der Polnischen Heimatarmee verübt wurde, vgl. Kellerhoff, Dramen unter der Erde, in: Welt v. 25.05.2008, abrufbar unter https://www.welt.de/wams_print/article2030793/Dramenunter-der-Erde.html (abgerufen am 21.04.2021). 264 Dazu eingehend infra C. 265 So auch Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 52 (69).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

d) Zwischenergebnis Die Sicherheitsverfassung differenziert und trennt Streitkräfte und Polizei so konsequent, dass zu Recht von einem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot gesprochen werden kann. Dafür spricht, dass Art. 87a Abs. 1 GG den Streitkräften exklusiv die besondere verfassungsrechtliche Stellung „zur Verteidigung“ und somit die Befugnis zur äußeren Gefahrenabwehr zuweist, welche ihre militärische Ausgestaltung erfordert und rechtfertigt. Ein völkerrechtlich modifizierter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ermöglicht dazu nur den Streitkräften den Einsatz bestimmter Mittel. Die Polizei, die für die allgemeine innerstaatliche Gefahrenabwehr zuständig ist, darf mangels vergleichbarer verfassungsrechtlicher Stellung nicht mit der Abwehr militärischer Gefahren beauftragt oder durch ihre Ausgestaltung dazu befähigt werden. Eine Militarisierung der Polizei im Sinne einer Angleichung an die Streitkräfte ist deswegen nur begrenzt möglich. Für das Trennungsgebot spricht darüber hinaus die Systematik der Einsatzgrundlagen der Streitkräfte. Die Entfesselung militärischen Potentials steht nach Art. 87a Abs. 2 GG unter einem strikten Verfassungsvorbehalt. Aus Art. 35 Abs. 2, 3 GG und Art. 87a Abs. 3, 4 GG lässt sich entnehmen, dass die Streitkräfte nur subsidiär zur Gewährleistung der nicht-militärischen Gefahrenabwehr zum Einsatz kommen dürfen. Diese Einsatzgrundlagen lassen einen Einsatz der Streitkräfte nur als ultima ratio zu. Hier konkretisiert sich, dass sich die Streitkräfte als die mächtigsten bewaffneten Kräfte im Staat darstellen. Eine paramilitärisch ausgestaltete Polizei droht, diese Wertungen zu unterlaufen. Sinn und Zweck des Art. 87a Abs. 2 GG und der verschiedenen Einsatzgrundlagen sprechen folglich gegen die Zulässigkeit einer militarisierten Polizei. Die Trennung von Polizei und Streitkräften ergibt sich darüber hinaus aus der verfassungsrechtlichen Befehls- und Kommandostruktur und ist letztlich auch eine Forderung, die sich mit rechts- und bundesstaatlicher Argumentation untermauern lässt. Art. 143 GG a. F. lässt sich allerdings nicht überzeugend als Stütze für ein Trennungsgebot heranziehen. Der systematisch-teleologische Ansatz zur Begründung des Trennungsgebots zwischen Polizei und Streitkräften lässt sich weiterhin mit einer historisch-genetischen Auslegung der Sicherheitsverfassung stützen. Das Trennungsgebot wurde bewusst verankert, um die erneute Bildung übermächtiger bewaffneter Sicherheitskräfte im Staat zu verhindern, von denen eine permanente Missbrauchsgefahr ausginge. Das Trennungsgebot steht damit als Ergebnis der geschichtlichen und rechtlichen Verarbeitung der Erfahrungen aus der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus. Alliiertes Besatzungsrecht lässt sich dafür, obwohl es in diesem Zusammenhang oft zitiert wird, nicht überzeugend heranziehen. Die Rechtsfigur des Verfassungswandels erscheint schließlich weder dazu geeignet, das Trennungsgebot schon im Grundsatz zu entwerten, noch dafür, ein

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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andersartiges Sicherheitskonzept zu etablieren. Das könnte nur im Rahmen einer Verfassungsänderung erfolgen. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften ist somit ein Verfassungsprinzip, welches trotz der geäußerten Kritik insbesondere bei der Ausgestaltung der Polizeikräfte voll zu beachten ist.

2. Rechtsfolge – Verbot der Bildung paramilitärischer Strukturen a) Konkretisierung der Rechtsfolgen des Trennungsgebots Die genaue Konkretisierung der aus dem Trennungsgebot folgenden Grenzen auf der Rechtsfolgenseite gestaltet sich im Detail schwierig. Bislang steht als eher konturlose Prämisse im Raum, dass eine vollständige Militarisierung der Polizei in Abgrenzung zu den Streitkräften nicht erfolgen darf. Umgekehrt ließe sich ebenso unbestimmt sagen, dass die Polizei ihr polizeiliches Gepräge nicht zugunsten eines paramilitärischen Gepräges einbüßen dürfe.266 Für sich betrachtet ist ein solches Verbot der Bildung paramilitärischer Strukturen ohne weitergehende Erläuterung nur sehr begrenzt verständlich oder gar durchsetzbar. Militarisierung ist nämlich kein exakt bestimmbarer Zustand, welcher entweder vorliegt oder nicht. Militarisierung ist stattdessen ein fließender Prozess, der mehrdimensional verschiedenartige strukturelle Aspekte der polizeilichen Ausgestaltung – insgesamt, oder auch nur in Teilen – betreffen kann, etwa die zur Verfügung stehenden Mittel, vorhandene Fähigkeiten, angewandte Führungsprinzipien oder auch das erkennbare Erscheinungsbild.267 aa) Nebulöse Abgrenzungsmaßstäbe zwischen Polizei und Streitkräften Es stellen sich daher die Schlüsselfragen, wie eine nach dem Trennungsgebot unzulässige paramilitärische von einer zulässigen polizeilichen Ausgestaltung abzugrenzen ist, und darüber hinaus, wann die Polizei das zu gewährleistende polizeiliche Gepräge schließlich einbüßt. Die hier auftretenden Schwierigkeiten lassen sich am Beispiel der zur Verfügung stehenden polizeilichen Zwangsmittel fassbar machen. Ist beispielsweise das Sturmgewehr H&K G36, welches für den originär militärischen Einsatz entwickelt wurde,268 aber weltweit sowohl von Streitkräften als auch von Polizeikräften genutzt wird, ein militärisches Mittel?

266 Ähnlich Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (56) m.w. N.; Fischer-Lescano, AöR 128 (2003), 52 (67); Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (34); Kokott, in: Sachs, GG Kommentar, Art. 87a GG Rn. 3. 267 Zum Begriff der Militarisierung supra A. III. 268 Vgl. dazu die Aussage des Herstellers H&K, nach dem das G36 „aus den Forderungen der deutschen Bundeswehr“ entstanden ist, https://www.heckler-koch.com/ de/produkte/militaer/sturmgewehre/g36/g36/produktbeschreibung.html (abgerufen am 15.04.2021).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Und falls ja, büßt eine so ausgerüstete Polizei unzulässigerweise ihr polizeiliches Gepräge ein?269 Was macht die militärische Gefahrenabwehr auch jenseits der Bewaffnung aus – und wie weit darf die Polizei ihre Eigenheiten annehmen? bb) Ungeeignete formale Differenzierung Ein rein formaler Ansatz zur Differenzierung zwischen polizeilichen und militärischen Mitteln, Fähigkeiten und sonstigen Eigenheiten ist zur Abgrenzung nur sehr begrenzt geeignet und stellt sich darüber hinaus als zirkulär dar. Bei streng formaler Differenzierung dürfte die Polizei etwa nur über Polizeiwaffen verfügen, die Streitkräfte dagegen auch über Militärwaffen. Die Polizei dürfte nur polizeilich geführt werden, die Streitkräfte nur militärisch und so weiter. Was diese Welten nun voneinander abgrenzt, bleibt im Dunkeln. Diesem Gedanken überraschenderweise wohl dennoch folgend ist in der rechtswissenschaftlichen Diskussion und Rechtsprechung hinsichtlich der verfügbaren Mittel sehr häufig abwechselnd die Rede von u. a. polizeilichen Mitteln, militärischen Mitteln, militärtypischen Waffen, militärischen Waffen, spezifisch polizeilichen Mitteln, spezifisch militärischen Mitteln, spezifisch militärischen Kampfmitteln oder aber auch von spezifisch militärischen Abwehrmitteln.270 Konkretisiert werden diese Begriffe in der Regel nicht. Letztendlich weiß wohl niemand genau, was mit diesen nebulösen Begriffen gemeint ist. Ähnlich verhält es sich mit der Abgrenzung weiterer struktureller Aspekte. Es ist also genauso unklar, was etwa militärische bzw. polizeiliche Fähigkeiten, Erscheinungsbilder oder Führungsprinzipien ausmacht. Die mangelhafte Eignung einer lediglich formalen Differenzierung soll hier am Beispiel der polizeilichen und militärischen Zwangsmittel näher verdeutlicht werden. Sowohl dem Grundgesetz als auch dem einfachen Recht lassen sich keine expliziten Unterscheidungsvorgaben entnehmen.271 Mag es etwa für schwere Artillerie möglicherweise noch ohne weitere Erläuterung einleuchten, dass ihr Zweck nur der originär militärischen Aufgabenbewältigung dient (also wohl Militärwaffe), versagt der formale Abgrenzungsversuch dort, wo etwa be269

Zur Antwort auf diese Fragen infra D. I. 4. Vgl. etwa BVerfGE 132, 1 (passim); Linke, NZWehrr 2006, 177 (passim); Walter, NZWehrr 2013, 221 (232 f.); Schultz, Auslandsentsendung, S. 143. 271 Zu diesem Ergebnis kommt auch Linke, NZWehr 2006, 177 (passim) nach einer überzeugenden Untersuchung der Artt. 87a, 115a, 26, 12a, 4 GG sowie der Regelungen des KrWaffKontrG, WaffG, UZwG und der Landespolizeigesetze. Insbesondere Art. 26 Abs. 2 GG, der von „[z]ur Kriegführung bestimmte[n] Waffen“ spricht, lässt sich demnach nicht zur Differenzierung heranziehen, da dieser Artikel lediglich dazu dienen soll, bestimmte Waffentypen einem Genehmigungsvorbehalt zu unterwerfen – nicht aber soll die Verwendbarkeit dieser Waffensysteme für den Staat beschränkt werden, vgl. Linke, a. a. O. 177 (182). Ähnlich auch Walter, NZWehr 2013, 221 (233); SchmidtRadefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (48 f.). 270

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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stimmte Mittel sowohl im polizeilichen als auch im militärischen Anwendungsfeld eine Berechtigung finden. So verhält es sich zum Beispiel mit der Verfügbarkeit von Pistolen. Auch zur polizeilichen Aufgabenerfüllung kann die Nutzung von Schusswaffen verhältnismäßig sein. Übliche Dienstpistolen wirken im Vergleich zu anderen schlagkräftigen Waffensystemen eher schwach und die Waffenwirkung lässt sich in der Regel gut kontrollieren,272 weshalb diese sich grundsätzlich als vereinbar mit der polizeilichen Aufgabenstellung erweisen. Die Verwendung solcher Pistolen verleiht der Polizei auch insgesamt keinen paramilitärischen Charakter und stellt daher die Trennung zwischen Streitkräften und Polizei nicht infrage, obwohl auch die Streitkräfte in größerem Umfang mit Pistolen ausgerüstet sind. Es lässt sich daher nicht klar sagen, ob es sich nach diesem Differenzierungsansatz bei Pistolen um Polizeiwaffen oder Militärwaffen handelt. Wie solche Problemfälle zu behandeln wären, bleibt unklar. Ein rein formaler Differenzierungsansatz ist zur Konkretisierung der Rechtsfolgen des Trennungsgebots deswegen nicht geeignet. cc) Negative Abgrenzung anhand militärischer Charakteristika Zur Klärung der Frage nach einer mit dem Trennungsgebot unvereinbaren paramilitärischen Ausgestaltung der Polizei müssen daher materielle Gesichtspunkte miteinbezogen werden. So lassen sich anhand der Konzeption und Zwecksetzung der Streitkräfte bestimmte Eigenschaften und Merkmale herausarbeiten, welche die militärische Eigenart besonders prägen. Werden dann im Anschluss einzelne Strukturen der Polizei hinsichtlich des Vorhandenseins dieser Eigenschaften und Merkmale untersucht, so ließe sich ihr ggf. unzulässiger paramilitärischer Charakter feststellen. Mit anderen Worten bietet es sich an, dass Militärische vom Polizeilichen negativ anhand spezifisch-militärischer Charakteristika abzugrenzen.273 Da es sich bei der Militarisierung wie schon oben dargestellt aber nicht um einen binären Zustand handelt,274 muss noch präzisiert werden, ab welchem Grad der festgestellten Militarisierung das Trennungsgebot einer paramilitärischen Ausgestaltung entgegenstünde. Das wäre dann anzunehmen, wenn einzelne oder mehrere militärische Charakteristika bei der Polizei so stark ausgeprägt sind, dass hinsichtlich der untersuchten Polizeistruktur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht mehr ernsthaft von einem polizeilichen Gepräge gesprochen wer272 Vgl. den Wirkvergleich zwischen üblichen Pistolen- und Gewehrgeschossen bei Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 199 ff., 211, 206. Siehe dazu außerdem noch infra B. II. 1. a) cc). 273 Ähnlich, jeweils allerdings ohne tiefgehende Konkretisierung Walter, NZWehr 2013, 221 (233); Schultz, Auslandsentsendung, S. 133 ff.; Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 194 m.w. N.; in Bezug auf die Bewaffnung Linke, NZWehr 2006, 177 (186). 274 Vgl. supra B. I. 2. a) bb).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

den könnte. Es ließe sich auch untechnisch von einem unzulässigen „Etikettenschwindel“ sprechen, wenn die militärischen Eigenschaften der jeweiligen Polizeistruktur die polizeilichen tatsächlich überwiegen.275 Für die Ausgestaltung der Polizei besteht diesen Gedanken folgend bis zum Erreichen der zulässigen Militarisierungsschwelle ein erheblicher Spielraum, wobei das Trennungsgebot erst bei einer Überschreitung entgegensteht.276 Eine solche Überschreitung ist in zweierlei Hinsicht denkbar. Einerseits könnten bereits einzelne charakteristisch-militärische Wesenszüge bei der jeweiligen Polizeistruktur in unzulässiger Art und Weise ausgeprägt sein. Andererseits kann ein mit dem Trennungsgebot unvereinbarer Zustand auch erst bei kombinierter Betrachtung und Bewertung mehrerer solcher Aspekte im Rahmen einer Gesamtabwägung anzunehmen sein. Soll also eine bestimmte Polizeieinheit als Ganzes – etwa die Spezialeinheit BFE+ der Bundespolizei277 –, oder nur ein bestimmter Teilaspekt – etwa die verfügbaren Zwangsmittel278 – auf ihre Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften untersucht werden, so helfen die im Folgenden dargestellten Charakteristika bei der Bestimmung eines ggf. unzulässigen paramilitärischen Gepräges: b) Aufgabenzuweisung Für die Bestimmung des paramilitärischen Gepräges bietet sich zunächst eine Betrachtung der jeweiligen Aufgabenzuweisung an. Ausrüstung, Fähigkeiten, Denk- und Verhaltensweisen einer Polizeieinheit müssen auf die zugewiesene Aufgabe speziell abgestimmt sein.279 Nur dann kann der gleichzeitig zugewiesene Gewährleistungsauftrag bestmöglich erfüllt werden. Wird der Polizei eine Aufgabe übertragen, die unmittelbar der Verteidigung und somit der originär militärischen Gefahrenabwehr dient, so wird deswegen gleichzeitig ihr paramilitärischer Charakter insgesamt geprägt. Das stellt sich hinsichtlich der ausschließlichen Zuweisung des Verteidigungsauftrags an die Streitkräfte mit Art. 87a Abs. 1 GG als so schwerwiegend dar, dass grundsätzlich ein unzulässiger Verlust des polizeilichen Gepräges die Folge sein muss. Die der Polizei zugewiesene Aufgabe darf sich mit anderen Worten nicht auf Bereiche erstrecken, welche allein den Streitkräften vorbehalten sind.280

275

Vgl. Schultz, Auslandsentsendung, S. 140. Vgl. Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 194 m.w. N.; in eine ähnliche Richtung Linke, NZWehr 2006, 177 (186); angedeutet bei Walter, NZWehr 2013, 221 (233). 277 Zur BFE+ noch eingehend E. 278 Zur Zulässigkeit einzelner Zwangsmittel infra D. 279 Ähnlich Schultz, Auslandsentsendung, S. 140. 280 Zu diesen Bereichen supra B. I. 1. c). 276

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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Als geschichtliches Beispiel lässt sich hier der ehemalige BGS benennen, der als Sonderpolizeibehörde zeitweise zur militärischen Grenzverteidigung abgestellt wurde und für diesen Zweck mit streitkräftetypischer Ausrüstung bewaffnet werden musste (Schützenpanzer, Maschinengewehre etc.).281 Der damalige BGS hatte sein polizeiliches Gepräge aufgrund dieser allein den Streitkräften vorbehaltenen Aufgabenzuweisung eingebüßt und stellte sich u. a. deswegen als verfassungswidrig dar.282 c) Bewaffnung und sonstige Ausrüstung Die Streitkräfte sind insbesondere deswegen zur Abwehr militärischer Feinde in der Lage, weil sie besonders schlagkräftige Waffensysteme und besondere Ausrüstung einsetzen können.283 Die Verfügbarkeit dieser Mittel gehört daher zu den prägnantesten Aspekten der Streitkräfte überhaupt. Wird die Polizei ähnlich ausgerüstet, versetzt man diese trotz entgegenstehender Wertungen der Artt. 87a, 35 Abs. 2, 3 GG in die Lage, neben den Streitkräften gegen militärische Feinde vorgehen zu können. Deswegen macht es hinsichtlich des paramilitärischen Charakters einer Polizeistruktur einen erheblichen Unterschied aus, ob ihr zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung beispielsweise nur Schlagstöcke zur Verfügung stehen oder auch Radpanzer und Maschinengewehre. Soll nun der originär militärische Charakter eines Waffensystems ermittelt werden, welcher auf die Polizei abfärben würde, so bietet es sich an, auf die objektive Geeignetheit des spezifischen Mittels zur Abwehr militärischer Bedrohungen abzustellen.284 Dagegen kann es nicht allein auf die subjektive Absicht zum Einsatz dieser Mittel ankommen, da sonst eine permanente Missbrauchsgefahr besteht.285 Um Feinde möglichst effizient (schonend) abwehren zu können, müssen militärische Waffensysteme über eine Anzahl einzigartiger Eigenschaften verfügen,286 welche wiederum hier für die Beantwortung der Frage nutzbar gemacht werden können, ob ein spezifisches Mittel bei der Polizei eingesetzt zu einem Verlust des polizeilichen Gepräges führen würde. Je eher ein bestimmtes Mittel allein zum Zweck der militärischen Gefahrenabwehr nutzbar gemacht 281

Zum Bundesgrenzschutz supra B. I. 1. b) bb) (4). Der BGS wurde aufgrund seiner paramilitärischen Konzeption häufig als verfassungswidrige Polizeistruktur kritisiert, auch wenn der dogmatische Aufhänger nicht primär beim Trennungsgebot verortet wurde, sondern bei der Frage, ob es sich beim BGS ggf. unzulässigerweise um Streitkräfte im Sinne des Art. 87a GG gehandelt hat, vgl. m.w. N. Schultz, Auslandsentsendung S. 136 ff.; supra B. I. 1. b) bb) (4). 283 Vgl. supra B. I. 1. a) aa) (3); B. I. 1. a) bb) (4). 284 Für die zur „Kriegführung bestimmte[n] Waffe[n]“ i. S. des Art. 26 Abs. 2 GG wird ähnlich auf die „objektive Bestimmung zu militärischen Zwecken“ abgestellt, vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 26 Rn. 65 m.w. N.; Linke, NZWehr 2006, 177 (181 ff., 190 f.). 285 Ähnlich Linke, NZWehr 2006, 177 (181 ff., 190 f.). 286 Vgl. Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 24. 282

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

werden kann, desto militärischer sein Charakter und desto eher ist eine Beschaffung für die Polizei unzulässig. Aus dem Trennungsgebot folgt deswegen auch die Forderung, dass die Polizei mit bestimmten charakteristisch-militärischen Waffensystemen und mit bestimmter Ausrüstung nicht ausgerüstet werden darf.287 aa) Vernichtungspotential Militärische Mittel ermöglichen primär die effiziente Vernichtung des militärischen Feindes.288 Die diesem Zweck dienlichen Eigenschaften fördern gemeinsam das Vernichtungspotential eines Mittels.289 Um einen Feind so schnell und gründlich wie möglich bekämpfen zu können, kommt es zur Erreichung dieses Zwecks im Kontext der modernen Kriegsführung mit ballistischen Waffensystemen in der Regel darauf an, wie viel kinetische Energie dem Feind zugeführt werden kann, was wiederum vom gewählten Waffensystem, seiner Konfiguration und von der verwendeten Munition abhängt.290 Waffen und Munition lassen sich

287 In diese Richtung auch Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 879; Schenke, NJW 2006, 736 (737 Fn. 12); wohl auch Hase, DÖV 2006, 213 (216); offengelassen bei Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46, 49); Hernekamp, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 4 bezeichnet die Möglichkeit der paramilitärischen Bewaffnung der Polizei zumindest als „fragwürdig“; dafür, dass die Polizei als Folge des Trennungsgebots lediglich mit „leichten Kriegswaffen“ ausgestattet werden darf Dederer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 91 Rn. 98; ähnlich Fischer, JZ 2004, 376 (378, 383 f.), welcher Abfangjäger und Flugabwehrraketen als „genuin militärisch“ kategorisiert; deutlich Isensee, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 7 (37): „Es wäre barer Nonsens, die Polizei mit Abfangjägern auszustatten“; vgl. Jahn/Riedel, DÖV 1988, 957 (961); Linke nennt „Massenvernichtungswaffen“ als unzulässiges Beispiel, Linke, NZWehrr 2006, 177 (190 f.). Allgemeine Abhandlungen zur Thematik der zulässigen Polizeibewaffnung: Arndt, DVBl 1965, 189 (passim); Ule, DVBl 1962, 353 (passim); Wacke, JZ 1962, 137 (140 ff.); Denninger/ Beye, Rechtsgutachten, 1 (passim); Wissenschaftliche Dienste, WD 3 – 037/08, passim. A. A. und somit für die Zulässigkeit einer paramilitärischen Bewaffnung der Polizei: Schultz, Auslandsentsendung, S. 143; wohl auch Linke, NZWehr 2006, 177 (191); Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 197 m.w. N. Nicht nur das Trennungsgebot, sondern auch die Grundrechte setzen der zulässigen Bewaffnung der Polizei eigenständige Grenzen, vgl. infra B. II. 288 Ausdrücklich Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 63 ff., 81; vgl. Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 79 m.w. N.; Funk/Werkentin, KJ 1976, 407 (422); Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil II Rn. 186. 289 Ähnlich Linke, NZWehr 2006, 177 (186), welcher ebenfalls das Kriterium des Vernichtungspotentials zur negativen Abgrenzung vorschlägt, allerdings ohne dessen Inhalt näher zu präzisieren; Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 873 schlägt in diese Richtung zur Abgrenzung die Geeignetheit eines Waffensystems zur „physischen Vernichtung“ vor; ähnlich wird in der Medizin auch vom sog. „Zerstörungspotential“ gesprochen, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 215. 290 Zu den Auswirkungen üblicher ballistischer Schusswaffen etwa Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 214 f.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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zwar jeweils isoliert im Hinblick auf ihr abstraktes Vernichtungspotential bewerten, weitaus präziser und damit zu bevorzugen ist aber immer eine kombinierte Betrachtung.291 Grob gesagt: Je höher die Energiezuführung im Zielkörper, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Feind schnell kampfunfähig bzw. getötet wird292 und desto schneller ist der militärische Zweck erreicht. Neben der umgesetzten Energie kommt es regelmäßig auf die spezifische Geschosswirkung und darauf an, welche wundballistischen Auswirkungen das jeweilige Geschoss im Ziel erzeugt.293 Demnach kommt beispielsweise einem schwachen Luftgewehr mit 4,5 mm Rundkugelmunition nur ein niedriges Vernichtungspotential zu, da es höchstwahrscheinlich nur leichte Verletzungen hervorrufen wird,294 während ein Sprenggeschoss295 aus der Hauptkanone des Leopard 2-Kampfpanzers ein Weichziel buchstäblich zerfetzt. Letzterem kommt deswegen ein enormes Vernichtungspotential zu. Je höher das Vernichtungspotential, umso weniger sind Waffensysteme für die polizeiliche Aufgabenerfüllung geeignet, da die Vernichtung des Täters hier regelmäßig vermieden werden muss – und nur als ultima ratio beabsichtigt werden darf.296 Waffensysteme mit einem hohen Vernichtungspotential eignen sich daher hauptsächlich für militärische Zwecke und verleihen einer damit ausgerüsteten Polizei einen besonders ausgeprägten paramilitärischen Charakter. Solche Zwangsmittel wie etwa die bereits genannte schwere Artillerie oder etwa Marschflugkörper,297 die bei objektiver Betrachtung allein oder ganz überwiegend zur Vernichtung des Feindes geeignet sind,298 führen bei der Polizei schon vereinzelt eingesetzt zu einem Verlust des polizeilichen Gepräges und dürfen dort deswegen nicht verwendet werden.

291 Vgl. zu diesen Wechselwirkungen Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (24); Berners, Polizeipraxis 02/2018, 31 (passim); Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 200 ff. 292 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 202 ff. 293 Ibid., S. 214 f. 294 Zur Abhängigkeit des Vernichtungspotentials von der jeweils verwendeten Munition vgl. Kneubuehl, in: Widmaier/Müller/Schlothauer, MAH StrafV, § 68 Schusswaffen, Rn. 85 ff. 295 Zur Wirkweise von Sprenggeschossen vgl. Cranz/Poppenberg/Eberhard, Innere Ballistik, S. 419 f. 296 So „folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Verbindung mit Art. 1 GG, daß in der Regel ein Recht der Polizei auf vorsätzliche Vernichtung des Rechtswidersachers nicht besteht“, Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 21; vgl. Linke, NZWehr 2006, 177 (186). Näher dazu infra B. II. 1.–2. 297 Ähnlich Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 194; Denninger/ Beye, Rechtsgutachten, S. 28. 298 Zwangsmittel, welche ausschließlich der Vernichtung dienen, könnten bereits mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sein, so etwa Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 21; dazu noch eingehend infra B. II. 2.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

bb) Kontrollier- und Beherrschbarkeit Den Streitkräften wird es aufgrund des für sie anwendbaren völkerrechtlich modifizierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ermöglicht, zur Erfüllung ihrer Aufgabenstellung Waffensysteme mit besonderen Eigenschaften einzusetzen, welche regelmäßig zu Kollateral- und Umfeldschäden führen können.299 Zu diesen Eigenschaften gehören u. a. die Erzeugung von Flächen-, Brand-, Spreng-, Splitter- und Streueffekten. Zum Beispiel kann Artillerie ein Sprenggeschoss über eine lange Entfernung verschießen, wo dieses dann schließlich in Zielnähe detoniert und innerhalb eines bestimmten Radius sämtliche Ziele bekämpft. Bei Nutzung solcher Effekte soll es also nicht auf das präzise Bekämpfen eines Feindes ankommen, sondern es soll im Idealfall eine Mehrzahl von Feinden vernichtet oder unterdrückt werden. Alle genannten Effekte haben gemeinsam, dass sie sich nur schwer beherrschen oder kontrollieren lassen. Eine Sprenggranate zum Beispiel wirkt unterschiedslos gegen alle Ziele in ihrem Wirkradius, ganz gleich ob Feind oder Zivilist, kampfbereit oder nicht. Wie weit ggf. vorhandene Splitter im Einzelfall geschleudert werden, lässt sich in der Praxis kaum sagen. In diese Richtung lassen sich auch Waffensysteme einstufen, die mit einer hohen Feuerrate wirken. Als Beispiele dafür können Maschinenkanonen und Maschinengewehre dienen, welche je nach Modell mit bis zu 10.000 Schuss pro Minute (!) auf den Feind wirken können.300 Hier werden durch das einmalige gehaltene Betätigen des Abzugs eine Vielzahl von Geschossen abgefeuert, wodurch es unter Umständen dazu kommen kann, dass ein bereits kampfunfähiges Ziel unnötig erneut getroffen wird. Bei einer derart schnellen Schussabgabe kann in Verbindung mit Streuund Rückstoßeffekten darüber hinaus nicht gewährleistet werden, dass die Geschosse nur das gewünschte Ziel treffen und so kann es auch hier vermehrt zu Kollateral- und Umfeldschäden kommen. Waffensysteme, die für die polizeiliche Aufgabenerfüllung geeignet sind, müssen dagegen wie schon dargestellt im Idealfall wie ein Skalpell, also so gezielt wie möglich wirken.301 Insbesondere die bewusste Inkaufnahme von Kollateralschäden ist zur polizeilichen Aufgabenbewältigung inakzeptabel. Je unkontrollierbarer und unbeherrschbarer die Wirkung eines Mittels, welches geeignet ist, das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erheblich zu gefährden, desto schwerer ist die Möglichkeit seiner verhältnismäßigen Anwendung und desto 299

Zu dieser Modifikation supra B. I. 1. a) aa) (3). Das entspricht einer Feuerrate von ungefähr 167 Schuss pro Sekunde im Falle der russischen Grjasew-Schipunow GSch-6-23M, näher Koll, Soviet Cannon, S. 167. 301 Vgl. Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41); ähnlich Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 873, der als Merkmal polizeilicher Waffen die „Kontrollierbarkeit ihrer Wirkungen“ nennt. Dazu bereits supra B. I. 1. a) aa) (3). 300

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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eher ist ein Einsatz deswegen nur noch im militärischen Anwendungsbereich vorstellbar. Der paramilitärische Charakter eines bestimmten Mittels wird folglich auch durch diese Kriterien maßgeblich beeinflusst. Solche Waffensysteme, deren Einsatz regelmäßig mit Kollateral-/Umfeldschäden verbunden sind, führen deswegen bei der Polizei eingesetzt zum Verlust des polizeilichen Gepräges (zum Beispiel Spreng-/Splittergranaten302 und Maschinengewehre mit Dauerfeuerfunktion303) und sind damit allein den Streitkräften vorbehalten. cc) Panzerung In kriegerischen Konflikten ist zu erwarten, dass das feindliche Militär ebenfalls besonders schlagkräftige Waffensysteme gegen die eigenen Streitkräfte einsetzen wird. Deswegen verfügen insbesondere bewaffnete Sonderfahrzeuge der Streitkräfte (zum Beispiel Kampfpanzer) als Unterkategorie der Waffensysteme regelmäßig über eine ausgeprägte und charakteristische Panzerung. Diese Panzerung schützt eigene Soldaten und erschwert dem Feind das Vorgehen, weil er infolgedessen selbst eine spezielle panzerbrechende Bewaffnung vorhalten muss. Gleichzeitig wird die so geschützte Bordbewaffnung in ihrem Vernichtungspotential erheblich gesteigert, da die Schützen nicht ständig die eigene Vernichtung befürchten müssen und deswegen ungehindert auf den Feind wirken können. Panzerung ist daher ein wichtiger Aspekt, der die Streitkräfte erst in die Lage versetzt, ihre militärische Aufgabenstellung zu erfüllen, weswegen er den militärischen Charakter eines Zwangsmittels grundsätzlich erheblich fördert. Durch das besondere Zusammenspiel zwischen ausgeprägter Schlagkraft und gleichzeitig hohem Schutz vor Zerstörung gehören gepanzerte Waffensysteme zu den mächtigsten Zwangsmitteln, die dem Staat zur Verfügung stehen. Die Ausrüstung der Polizei mit solchen Mitteln würde das mit Art. 87a GG vorausgesetzte Machtgefälle zwischen Polizei und Streitkräften infrage stellen.304 Anders sind aber Anwendungsszenarien zu bewerten, bei denen eine Panzerung allein dem Schutz des Personals dient, nicht aber die Kampfkraft eines 302 Das ergibt sich nicht nur aus dem Trennungsgebot, sondern auch aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG, dazu eingehend infra B. II. 1.–2. 303 Zur Unzulässigkeit des sog. Dauerfeuers siehe auch infra B. II. 1. b) cc) (2). 304 In diese Richtung lässt sich ebenso anführen, dass gepanzerte Sonderfahrzeuge, welche als Kriegswaffen im Sinne des § 1 KrWaffKontrG gelten, für ihren eigentlichen militärischen Bestimmungszweck unbrauchbar gemacht werden, indem u. a. großflächig Panzerungselemente ausgeschnitten werden, vgl. § 1 ff., 9 Abs. 1 KrWaffUnbrUmgV und § 13a KrWaffKontrG. So unbrauchbar gemachte Waffensysteme dürfen im Rahmen der KrWaffUnbrUmgV dann für nicht-militärische Zwecke genutzt werden. Der Gesetzgeber geht mit der KrWaffUnbrUmgV und dem KrWaffKontrG i.V. m. den weiteren dazu ergangenen Rechtsverordnungen offensichtlich also ebenfalls davon aus, dass erst die charakteristische Panzerung vieler militärischer Waffensysteme maßgeblich für ihre Kampfkraft (=Gefährlichkeit) ist, welche keinesfalls in privaten nicht-militärischen Anwendungsszenarien nutzbar gemacht werden soll. Vgl. zu den beschränkenden Wertungen des Art. 87a GG supra B. I. 1. a) aa)–bb).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Bordwaffensystems gesteigert wird – hier ist der Aspekt einer Panzerung wesentlich unproblematischer. Deswegen erscheint etwa ein gepanzertes Transportfahrzeug ohne Bordbewaffnung als nicht gleichermaßen charakteristisch-militärisch, da die Panzerung hier allein dem Schutz der Insassen dient und nicht der Steigerung der vom gepanzerten Fahrzeug ausgehenden Gefahr für den militärischen Feind.305 Panzerung als Bewertungskriterium erlangt also insbesondere erst durch die Kombination mit einer Bewaffnung an Bedeutung. Dann verstärken sich die Bedeutungen beider Aspekte allerdings gegenseitig. Als Rechtsfolge ist dann in der Regel ein Verlust des polizeilichen Gepräges verbunden, sodass das Trennungsgebot der Verfügbarkeit etwa von Kampfpanzern bei der Polizei entgegensteht.306 Charakteristisch-militärische Bewaffnung und sonstige Ausrüstung lässt sich also insbesondere an den Merkmalen des Vernichtungspotentials, der Kontrollierund Beherrschbarkeit sowie der Panzerung erkennen. Je ausgeprägter diese Merkmale der Bewaffnung und sonstiger Ausrüstung bei einzelner oder kombinierter Betrachtung vorhanden sind, desto paramilitärischer ist das auf die Polizeieinheit abfärbende Gepräge. d) Personal Die unterschiedliche verfassungsrechtliche Stellung von Polizei und Streitkräften drückt sich auch in einer jeweils darauf angepassten Personalauswahl und Ausbildung aus. So kann eine Übernahme militärischen Personals und militärischer Ausbildungsgrundsätze entscheidend zu einem paramilitärischen Gepräge der Polizei beitragen, da sich diese Aspekte erheblich auf das Verhalten der Polizei auswirken können. aa) Personalauswahl Als einleitendes Beispiel soll hier das Bestreben der Brandenburger Polizei im Jahr 2017 dienen, ihren Personalbedarf mithilfe von Anwerbemaßnahmen bei aktiven und ehemaligen Soldaten des KSK der Streitkräfte zu stillen.307 Die Übernahme von Soldaten in den Polizeidienst erscheint besonders problematisch, da Personal transferiert wird, welches bereits eine abgeschlossene militärische Ausbildung durchlaufen hat und möglicherweise schon an Kampfeinsätzen beteiligt war.308 Die militärischen Fähigkeiten der Soldaten werden auf diese Art auch in den Polizeidienst übertragen. 305 Ebenso unbedenklich: Unbewaffnete Brückenlegepanzer, Minenräumpanzer oder Löschpanzer. 306 Zur Frage, ob die Polizei über gepanzerte Einsatzfahrzeuge verfügen darf, infra D. V. 307 Vgl. Fröhlich, Elitesoldaten als SEK-Beamte, in: Potsdamer Neueste Nachrichten v. 04.09.2017, abrufbar unter https://www.pnn.de/brandenburg/polizei-in-brandenburgelitesoldaten-als-sek-beamte/21323766.html (abgerufen am 22.04.2021). 308 In diese Richtung Ladiges/Glawe, DÖV 2011, 621 (625).

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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Besonders fragwürdig erscheint in dieser Hinsicht zunächst der Transfer von aktiven Soldaten, welche im Rahmen einer Abordnung o. ä. zeitweise in den Polizeidienst gestellt werden könnten. Hier wäre eine unzulässige Vermischung von Polizei und Streitkräften offenkundig, welche der Polizei durch die Bildung von hybriden Strukturen einen ausgeprägten paramilitärischen Charakter verliehe. Aktive Soldaten bei der Polizei fallen in dieser Hinsicht so schwer ins Gewicht, dass solche Vorhaben generell mit dem Trennungsgebot unvereinbar sind.309 Schwieriger gestaltet sich die Bewertung der Übernahme ehemaliger Soldaten in den Polizeidienst, die in keiner Weise mehr den Streitkräften zugeordnet sind. Militärische Handlungsabläufe und Taktiken werden im Rahmen der militärischen Ausbildung üblicherweise drillmäßig eingeübt, damit diese schnell und ohne weiteres Nachdenken blitzartig abgerufen werden können.310 Hier besteht die Gefahr, dass sich die militärischen Verhaltensmuster (insb. der militärische Feuerkampf) bereits so verfestigt haben, dass ehemalige Soldaten nicht oder nur schwer an die andersartigen Anforderungen des polizeilichen Dienstes gewöhnt werden können.311 Der damalige Brandenburger Landesvorstand der Gewerkschaft der Polizei Schuster beschreibt das mit einem Beispiel aus der Praxis: „Ein Beamter, der im Krieg war, habe sich bei jedem Knall erschreckt, sei in Deckung gegangen, habe intuitiv nach der Waffe gegriffen – selbst wenn er keine dabei hatte.“312 Wenn Polizeibeamte in Druck- oder Stresssituationen zurück in militärische Muster und Verhaltensweisen fallen, dann ist damit einerseits die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefährdet, andererseits wird der Polizei so ein paramilitärischer Charakter verliehen. Wenn zum Beispiel drillmäßig eingeübt wurde, in bestimmten militärischen Kontaktsituationen den Feind sofort unter Beschuss zu nehmen, um ihn zu unterdrücken und um seine Handlungsmöglichkeiten einzuschränken,313 so kann ein reflexartiges Abrufen dieser Reaktion im polizeilichen Alltag mit u. U. tödlichen Folgen verbunden sein. Bei der Über309 So ausdrücklich Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (34 f.). Ladiges/Glawe, DÖV 2011, 621 (623) sind der Ansicht, ein solches Vorhaben unterliefe den Einsatzvorbehalt aus Art. 87a Abs. 2 GG. 310 Vgl. dazu etwa den Leitfaden des Heeresamts (Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch), Einsatznah Ausbilden, DSK H1217320027, 2010, S. 44 f., 85, 87, 95, 136. 311 In diese Richtung der damalige Brandenburger Landesvorstand der Gewerkschaft der Polizei Schuster: „Der Krieg in Afghanistan, das ist was anderes als hier in Deutschland. Das muss erst mal aus den Köpfen raus“, in: Fröhlich, Elitesoldaten als SEK-Beamte, in: Potsdamer Neueste Nachrichten v. 04.09.2017 (Hyperlink in Fn. 307). 312 Fröhlich, Elitesoldaten als SEK-Beamte, in: Potsdamer Neueste Nachrichten v. 04.09.2017 (Hyperlink in Fn. 307). 313 Vgl. den Leitfaden des Heeresamts (Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch), Einsatznah Ausbilden, DSK H1217320027, 2010, S. 44 f., 85, 87, 95, 136.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

nahme ehemaliger Soldaten muss deswegen gewährleistet werden, dass alte militärische Denk- und Verhaltensmuster vollständig abgelegt worden sind. Ob das tatsächlich und im Einzelfall möglich ist, ist aber keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage. Dazu erscheint zum Beispiel eine umfangreiche Sonderausbildung denkbar, die speziell auf ehemalige Soldaten zugeschnitten ist. Auch eingehende psychologische Untersuchungen erscheinen hilfreich. Eine Übernahme ehemaliger Soldaten in den Polizeidienst ohne solche Maßnahmen trägt ansonsten erheblich zum Verlust des polizeilichen Gepräges bei. bb) Ausbildung Eng verbunden mit der Personalauswahl ist auch die Frage nach der Ausbildung der Polizisten. Damit das polizeiliche Gepräge erhalten bleibt, muss sich die Ausbildung grundsätzlich am polizeilichen Aufgabenprofil orientieren und darf nicht auf Aspekte der militärischen Gefahrenabwehr ausgeweitet werden.314 Nur so kann tatsächlich sichergestellt werden, dass die Polizei nicht zu militärischen Zwecken missbraucht werden kann und somit die Trennung zu den Streitkräften unterläuft. Deswegen darf zum Beispiel der Umgang mit charakteristisch-militärischer Ausrüstung und Bewaffnung wie Kampfpanzern und Raketenwerfern grundsätzlich nicht trainiert werden.315 Ebenso ist die Vermittlung bestimmter militärischer Verhaltensweisen und Taktiken unzulässig, welche nicht mit der polizeilichen Aufgabenstellung vereinbar sind. Als deutliches Beispiel dazu soll das militärische „Sturmabwehrschießen“ dienen, ohne dass aktuell Pläne zur Übernahme bei der Polizei bestünden. Mit dieser Taktik soll dem heranstürmenden Feind durch das Abfeuern mehrerer vollautomatischer Salven aus dem Sturm-/Maschinengewehr begegnet werden.316 Hier verdeutlicht sich die besondere Art und Weise des militärischen Feuerkampfes, welcher mit dem polizeilichen Anforderungsprofil unvereinbar im Konflikt steht. Ein nahezu blindes Feuern auf Menschenmengen, welches allein der Vernichtung oder Niederhaltung dient, wäre im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr schlechthin undenkbar – und dürfte deswegen weder geübt noch in der Praxis angewendet werden. 314 Zum Erfordernis der Ausbildungsausrichtung an polizeilichen Maßstäben auch Schultz, Auslandsentsendung, S. 144. Als negatives Beispiel kann hier wieder der BGS dienen; so berichtet der ehemalige BGS-Angehörige Wüst von seiner Ausbildung: „Wir [. . .] sind mehrmals wöchentlich im Tarnanzug mit dem Gewehr durch das Übungsgelände gerobbt, haben Stellungen gebaut, Handgranaten geworfen und mit der Panzerabwehrkanone „Blindicide“ hantiert. Im Übungswäldchen hatten sich angeblich Bankräuber nach einem Überfall auf die Stadtsparkasse verschanzt. Dabei musste jeder heimlich unter dem Stahlhelm grinsen, weil wir dann vermutlich die Letzten gewesen wären, die man gerufen hätte“, Bundespolizei Kompakt 02/2018, S. 28. 315 Anders nur dann, wenn ein Umgang mit bestimmter charakteristisch-militärischer Ausrüstung trotz des Trennungsgebots im Einzelfall dennoch erfolgen darf, wie etwa im Fall des H&K G36, dazu eingehend infra D. I. 4. 316 Vgl. Heeresamt, ZDv 3/12, 2002, Rn. 601 ff.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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Die Art und Weise sowie die Inhalte der polizeilichen Ausbildung prägen das zukünftige Verhalten der Polizei erheblich und sind demnach ebenfalls geeignet, den paramilitärischen Charakter einer Polizeistruktur zu beeinflussen. cc) Kasernierung? Im Rahmen der Diskussion um den paramilitärischen Charakter des damaligen BGS wurde die Ansicht vertreten, die Unterbringung der Polizei in Kasernen liefe dem polizeilichen Charakter zuwider.317 Davon abgesehen, dass die Kasernierung für die moderne Polizei ohnehin eher unüblich ist, soll die konzentrierte Unterbringung von Polizeibeamten nur der schnellen Einsatzbereitschaft dienen, nicht dagegen fördert diese isoliert ihren paramilitärischen Charakter.318 Selbst für die Soldaten der Streitkräfte herrscht eine Kasernenpflicht üblicherweise nur bis zum Alter von 25 Jahren, sodass viele Soldaten insbesondere nach Aussetzung der Wehrpflicht nicht mehr in Kasernen leben – trotzdem haben die Streitkräfte deswegen ihren militärischen Charakter in keiner Weise eingebüßt.319 Die Art der Unterbringung der Polizeibeamten ist demnach kein geeignetes Kriterium, an dem sich der paramilitärische Charakter überzeugend messen lässt. e) Befehl und Gehorsam Die Geltung des Prinzips Befehl und Gehorsam ist als wesensimmanenter Bestandteil des soldatischen Lebens besonders prägend für den militärischen Charakter der Streitkräfte.320 So ist der besondere soldatische Gehorsam eine unverzichtbare Voraussetzung für die Einsatzfähigkeit und Schlagkraft der Streitkräfte.321 Teilweise wird das Führungsprinzip Befehl und Gehorsam sogar als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der verfassungsrechtlichen Streitkräftedefinition angesehen.322 Wird dieses Prinzip auf die Polizei übertragen, so liegt es nahe, dass ihr militärisches Gepräge intensiviert wird.323 317

Vgl. Schultz, Auslandsentsendung S. 138 m.w. N. A. A. Willich, BGS, S. 81 ff. So auch Schultz, Auslandsentsendung, S.144 m.w. N. 319 Vgl. § 18 SoldG i.V. m. Nr. 4 Abs. 1 ZDv 70/1 Anlage 1, Anhang Teil A vom 1. Januar 1973; Hickmann, Ein Bett in der Kaserne, in: SZ v. 06.04.2016, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-ein-bett-in-der-kaserne-1.2937075 (abgerufen am 22.04.2021). 320 Vgl. Speth, Rechtsfragen, S.190 ff.; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773 (776). 321 So Dietz, Das Primat, S. 566. 322 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 70 m.w. N. 323 Die Spezialeinheit GSG 9 der Polizei wird wenigstens faktisch nach diesem Prinzip geführt, vgl. Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55); auch der ehemalige BGS wurde ebenfalls daran ausgerichtet, vgl. Schütte-Bestek, Aus Bundesgrenzschutz wird Bundespolizei, S. 122; Dierske, BGS, S. 271 f.; Bundespolizei Kompakt 02/2018, S. 28. Ähnlich wird auch die Bundespolizeieinheit BFE+ „überwiegend“ mit der Befehlstaktik geführt, vgl. Bundespolizei Kompakt 02/2016, S. 16. 318

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Befehl und Gehorsam in seiner heutigen Form darf aber nicht missverstanden werden als bloße Pflicht zum stumpfen Befolgen von Befehlen ohne jedes Hinterfragen, zur Abstufung des Soldaten zum bloßen Werkzeug oder einer Art des „Kadavergehorsams“.324 Zum modernen militärischen Selbstverständnis gehört die Anerkennung des Soldaten als mitdenkender und verantwortungsbewusster Untergebener, dem trotz seiner soldatischen Pflichten als „Staatsbürger in Uniform“ nach dem Grundgesetz auch umfangreiche Rechte zukommen.325 Das wirft die Frage auf, was das Führungsprinzip Befehl und Gehorsam besonders von anderen nicht-militärischen Führungsansätzen abhebt. Es ist der schwierige Spagat zwischen dem Soldaten als Staatsbürger in Uniform auf der einen und dem staatlichen Interesse an der Durchsetzung des militärischen Ziels auf der anderen Seite. Der letztgenannte Zweck erfordert u. U. eine gewisse Instrumentalisierung der Soldaten, welche in kriegerischen Konflikten als Werkzeuge zur Selbsterhaltung des Staates dienen sollen, allerdings ohne dabei deren Grundrechte in unzulässigerweise zu beschneiden.326 Ein Blick auf die dazu ergangenen einfachrechtlichen Normierungen hilft beim Verständnis dieses Konflikts und zeigt auf, wie dieser in der militärischen Praxis aufgelöst wird. Das einfache Recht eignet sich zwar grundsätzlich nicht zur Bestimmung des Verfassungsrechts selbst.327 Dennoch stellen sich die im Folgenden dargestellten Normierungen als treffende Konkretisierung derjenigen Anforderungen dar, welche sich unmittelbar aus dem eben dargestellten verfassungsrechtlichen Interessenspagat ergeben und an die sich die Streitkräfte nach ihrem Selbstverständnis tatsächlich auch gebunden fühlen.328 Mit anderen Worten wurde in Form dieser Regelungen die Rückbindung des soldatischen Dienstes an die Werte und Normen des Grundgesetzes einfachgesetzlich umgesetzt, sodass diese hier der Verdeutlichung dienen können:329

324 Vgl. Speth, Rechtsfragen, S. 190 ff., 565. Das Dritte Reich vereidigte seine Soldaten noch zum unbedingten Gehorsam und dem Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung, vgl. Thurau/Dörfler-Dierken, Ethik und Militär 2019/02, 42 (42 ff.) m.w. N. 325 Vgl. Dietz, Das Primat, S. 565 ff.; Speth, Rechtsfragen, S. 190 ff.; Thurau/DörflerDierken, Ethik und Militär 2019/02, 42 (42 ff.). Zur Möglichkeit der Befehlsverweigerung aus Gewissensgründen vgl. BVerwG, Urteil v. 21.06.2005 – 2 WD 12.04 Rn. 143 ff. 326 Vgl. § 6 SG: „Der Soldat hat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Seine Rechte werden im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt.“ 327 Zur Unzulässigkeit einer Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Streitkräftebegriffs anhand der einfachgesetzlich ausgestalteten Bundeswehr Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 36. 328 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung, ZDv A-2600/1: Innere Führung – Selbstverständnis und Führungskultur, Ziff. 107. 329 Vgl. Thurau/Dörfler-Dierken, Ethik und Militär 2019/02, 42 (46).

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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Im Unterschied zur nicht-militärischen dienstlichen Anweisung im Verwaltungsrecht, der ebenfalls ein Anspruch auf Befolgung zukommt, lassen sich für den militärischen Befehl entscheidende Besonderheiten herausstellen.330 Während reguläre Beamte für die Konsequenzen der Ausführung einer dienstlichen Weisung in der Regel selbst voll verantwortlich sind,331 gilt für Soldaten grundsätzlich, dass persönliche Verantwortlichkeit innerhalb der Befehlskette automatisch beim Befehlsempfänger reduziert und auf den Befehlsgeber verlagert wird.332 Hier spricht eine tatsächliche Vermutung für die materielle Richtigkeit eines militärischen Befehls, auf welche die Soldaten grundsätzlich vertrauen können.333 Soldaten können so trotz materieller Rechtswidrigkeit eines Befehls von ordnungsrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen befreit sein.334 Haben Beamte hingegen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Anweisung, so kommt ihnen vor ihrer Befolgung eine ggf. doppelte Remonstrationspflicht zu. Sie müssen ihren Vorgesetzten über ihre Bedenken informieren und ggf. auch noch dessen Vorgesetzten. Erst wenn letzterer die Bedenken ebenfalls nicht teilt, muss der Beamte die Anweisung grundsätzlich trotzdem befolgen, und wird erst dann in einem gewissen Rahmen von seiner persönlichen Verantwortlichkeit befreit.335 Für Soldaten dagegen muss unterschieden werden. Es gilt die Faustregel, dass jeder rechtmäßige Befehl verbindlich, aber nicht jeder rechtswidrige Befehl unverbindlich ist.336 Ist ein Befehl rechtswidrig, aber trotzdem verbindlich, dann muss der Soldat den Befehl zunächst ausführen und kann im Nachhinein Rechtschutz erlangen.337 Ist der Befehl rechtswidrig und unverbindlich, so hat der Soldat grundsätzlich nur das Recht, nicht aber die Pflicht zur Befehlsverweige330

Vgl. Dietz, Das Primat, S. 565 ff.; Speth, Rechtsfragen, S. 190 ff. Vgl. § 63 Abs. 1 BBG und § 36 Abs. 2 BeamtStG; näher dazu Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), Bundesbeamtengesetz, § 63 Rn. 3 ff. 332 Vgl. § 10 Abs. 5 SG. Es sind weiterhin die Anforderungen des § 10 Abs. 4 SG zu beachten. 333 So soll aus der Gehorsamspflicht des Soldaten auch die grundsätzliche Pflicht folgen, auf die Richtigkeit des Befehls und die Fähigkeiten des militärischen Vorgesetzten zu vertrauen, dazu etwa Speth, Rechtsfragen, S. 192; Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, S. 9 ff., 52, 165 ff. 334 So handelt ein Soldat auch dann ohne Schuld, wenn ein Befehl in einer Straftat mündet, der Straftatcharakter aber weder offensichtlich erkennbar noch subjektiv bekannt war, vgl. Dietz, Das Primat, S. 567 ff.; Speth, Rechtsfragen, S. 193. 335 Vgl. § 36 Abs. 2 S. 4 BeamtStG zu den Grenzen der Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anweisungen. Ggf. entfällt die Gehorsamspflicht beispielsweise dann, wenn die Begehung einer Straftat gefordert wird. Näher dazu Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), Bundesbeamtengesetz, § 63 Rn. 4 ff. 336 Dietz, Das Primat, S. 570 m.w. N. 337 Zum Beispiel gem. § 11 Abs. 1, 2 SG, wenn die Begehung einer Ordnungswidrigkeit befohlen wird, welche dienstlichen Zwecken nützlich ist, vgl. auch Speth, Rechtsfragen, S. 192 f. m.w. N. 331

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

rung.338 Nur in bestimmten Fällen (z. B. Befehl zur Begehung einer offensichtlichen Straftat) darf ein Befehl nicht befolgt werden.339 Verweigern Soldaten unberechtigt einen Befehl, müssen sie über disziplinare Maßnahmen hinaus auch strafrechtliche Konsequenzen befürchten, womit eine erhebliche Drohkulisse für den Soldaten aufgebaut wird.340 Dabei tragen Soldaten grundsätzlich auch das Risiko der u. U. rechtlich schwierigen Einschätzung im Hinblick auf die Frage, ob ein Befehl befolgt werden muss oder verweigert werden darf bzw. sogar verweigert werden muss.341 Befehl und Gehorsam bedeutet also für den Soldaten eine besonders konsequente Gehorsamspflicht zur Gewährleistung gewisser staatlicher militärischer Interessen, welche bei unberechtigter Verweigerung mit harten u. a. strafrechtlichen Konsequenzen verbunden sein kann. Gleichzeitig wird die persönliche Verantwortung des Soldaten in vielen Fällen automatisch minimiert und auf die obere Führungsebene verlagert. Befehlsempfangende Soldaten müssen sich also weniger Gedanken um die potenziellen Konsequenzen ihrer Fehltritte machen, und können so im Rahmen der Verteidigung wirkungsvoller instrumentalisiert werden. Der Zweck der militärischen Gefahrenabwehr kann auf diese Art und Weise effektiver erreicht werden und der Staat kann so insbesondere seine fortdauernde Existenz wirksamer gewährleisten. Trotzdem wird der eigenverantwortliche Charakter der Soldaten nicht verdrängt, sodass sie Befehle nicht in falscher Erwartung einer persönlichen Befreiung von jeglicher Verantwortung blind befolgen können. Auch werden sie als Grundrechtsträger nicht rechtlos gestellt, was insbesondere mit Rechten zur Befehlsverweigerung verbunden ist. Aus diesen Erwägungen lässt sich, isoliert von der Pflicht des Staates zur Anerkennung der persönlichen Rechte eines Individuums, ableiten: Je mehr persönliche Verantwortlichkeit auf die Führungsebene verlagert wird, je weniger das einzelne Individuum seine persönliche Handlungsweise hinterfragen muss, und je drastischer die Konsequenzen der Gehorsamsverweigerung, desto eher ist die Ausrichtung eines Führungsprinzips an militärischer Effizienz angenähert und desto militärischer sein Charakter.342 Werden Polizeieinheiten, wie teilweise bei 338 Zum Beispiel gem. § 11 Abs. 1 S. 3 SG, wenn der Befehl nicht zu dienstlichen Zwecken ergangen ist. 339 Vgl. § 11 Abs. 2 SG, Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), Bundesbeamtengesetz, § 63 Rn. 6. 340 Vgl. §§ 19–21 WStG. 341 Vgl. § 11 Abs. 1 S. 3 SG, wobei gewisse Irrtümer beachtlich sind, vgl. § 22 Abs. 2, 3 WStG. 342 Ebenso in diese Richtung Wette, Militarismus in Deutschland, S. 222. A. A. Willich, BGS, S. 87 ff., welcher das Führungsprinzip Befehl und Gehorsam als „absolut untauglich“ zur Bestimmung eines militärischen Charakters bewertet. Er argumentiert, dass letztendlich sowohl Beamte als auch Soldaten jeweils ihre Anweisungen befolgen müssten, weil für beide eine Gehorsamspflicht bestünde. Diese Wertung vernachlässigt aber alle hier genannten gewichtigen Unterschiede, welche nicht ohne tragfähige Be-

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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den Sondereinheiten oder beim ehemaligen BGS üblich, zumindest faktisch nach dem Führungsprinzip von Befehl und Gehorsam geführt,343 wird dadurch folglich ihr paramilitärischer Charakter in erheblicher Art und Weise geprägt. f) Erscheinungsbild Weiterhin hat auch das Erscheinungsbild entscheidenden Einfluss darauf, wie sich bewaffnete Kräfte im Staat selbst wahrnehmen und ebenfalls, wie sie durch Dritte wahrgenommen werden. Nehmen Polizeikräfte nach außen ersichtlich militärische Züge an, zum Beispiel durch die Verwendung streitkräftetypischer Uniformen, Tarnmuster (etwa sog. Flecktarn der Bundeswehr), Dienstgrade oder sonstiger Bewaffnung und Ausrüstung (Kampfpanzer, Kampfmittelwesten, Maschinengewehre etc.), so wird der nach außen wirkende paramilitärische Charakter nicht nur unerheblich gesteigert.344 In diese Richtung lässt sich auch die Nutzung militärischer Terminologie (Freund/Feind vs. Störer/Nicht-Störer) und Bezeichnungen (Kleiner Kampfverband vs. Hundertschaft) einordnen, welche ebenfalls militärische Wesenszüge implizieren können.345 Als Beispiel kann hier wieder der damalige BGS dienen, welcher hinsichtlich seines Erscheinungsbilds stark an die damaligen Streitkräfte angenähert war.346 Das Erscheinungsbild ist aber nicht nur im Hinblick auf die äußerliche Wahrnehmung problematisch. Psychologisch gesehen kann Kleidung den menschlichen Denkprozess in der Weise beeinflussen, dass sich der Träger unbewusst mit seinem Verhalten an dem mit seiner Kleidung verbundenen sozialen Erwartungsbild orientiert.347 Eine militärische Uniform oder eine streitkräftetypische Bewaffnung erscheint deswegen geeignet, die Denkweise der Polizisten zu prägen, womit eine Art paramilitärische Selbstwahrnehmung droht, die letztendlich die eigenen Handlungen beeinflussen könnte. Mit anderen Worten: Wer sich wie ein Soldat kleidet, könnte sich unterbewusst auch so verhalten wollen und somit die gebotene Trennung von Polizei und Streitkräften gefährden. Wenn Polizei und Streitkräfte nahezu identisch auftreten, fällt es womöglich schwerer zu differenzieren, dass jeweils vollkommen unterschiedliche Anforderungen zu beachten sind. Auch deswegen kommt dem äußerlich wahrnehmbaren Erscheinungsbild

gründung übergangen werden können. Eine solche Begründung bleibt Willich, a. a. O. allerdings schuldig. 343 Vgl. die supra Fn. 323 genannten Quellen. 344 So beschreibt Dierske, BGS, S. 198 ff., dass damals bei Schaffung des BGS die „Sorge“ aufgekommen war, dieser würde ein „zu militärisches“ Aussehen erhalten; vgl. Schultz, Auslandsentsendung, S. 139. 345 Vgl. Schultz, Auslandsentsendung, S. 139. 346 Ibid. 347 Vgl. Adam/Galinsky, Journal of Experimental Social Psychology 2012, 918 (918 ff.).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

der Polizei ein besonderes Gewicht bei der Beantwortung der Frage zu, ob im Einzelfall ein polizeiliches Gepräge anzunehmen ist. g) Kombattantenstatus Schließlich erscheint die Verleihung des Kombattantenstatus an die Polizei als in besonderer Art und Weise prägend für ihren paramilitärischen Charakter.348 Zur Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen in bewaffneten Konflikten sind völkerrechtlich nämlich grundsätzlich nur solche Kräfte ermächtigt, denen dieser Status zukommt (sog. rechtmäßige Kombattanten), wozu in erster Linie die Streitkräfte und militärähnliche Verbände zu zählen sind.349 Die Verleihung des Kombattantenstatus auch an nicht-militärische Polizeikräfte dient deswegen unmittelbar der potentiellen Nutzbarmachung für den Kriegseinsatz.350 Wird der Polizei dieser Status etwa gesetzlich verliehen, wird ihr Weg zur Teilnahme an kriegerischen Konflikten geebnet, was in klarem Widerspruch zu ihrer verfassungsrechtlichen Stellung steht, die in Abgrenzung zu den Streitkräften eine nicht-militärische Verwendung vorsieht.351 Durch diesen Status wird der paramilitärische Charakter einer Polizeistruktur geradezu manifestiert und darüber hinaus rechtlich anerkannt. Dieses Merkmal ist so prägend für den militärischen Charakter einer staatlichen bewaffneten Macht, dass der Kombattantenstatus teilweise auch als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des verfassungsrechtlichen Streitkräftebegriffs angesehen wird, was seine Bedeutung hier nur unterstreicht.352 Wird einer Polizeieinheit dieser Status verliehen, wie zum Beispiel dem damaligen BGS,353 dann büßt sie diesen Erwägungen folgend ihr polizeiliches Gepräge in einer mit dem Trennungsgebot unvereinbaren Art und Weise ein. 348 Zum Kombattantenstatus siehe Art. 43 Abs. 2 2. HS Zusatzprotokoll I Genfer Abkommen v. 12.08.1949 = BGBl. II 1990, S. 1583 f.; vgl. Schultz, Auslandsentsendung, S. 139 ff. m.w. N. zur Situation beim damaligen BGS. 349 Vgl. Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 12a Rn. 35; Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes, S. 289. 350 Der Kombattantenstatus ist darüber hinaus mit zahlreichen Vorteilen für die kämpfende Partei verbunden. So müssen Kombattanten etwa als Kriegsgefangene entsprechend den völkerrechtlichen Vorgaben behandelt und medizinisch versorgt werden. Sie dürfen außerdem für rechtmäßige kriegerische Handlungen grundsätzlich nicht persönlich belangt werden, vgl. Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts, S. 56; Doehring, Völkerrecht, Rn. 588 ff. 351 Vgl. zu dieser Möglichkeit Art. 43 Abs. 3 Zusatzprotokoll I Genfer Abkommen v. 12.08.1949 = BGBl. II 1990, S. 1584. Ähnliche Kritik wurde damals im Jahr 1965 im Hinblick auf den Bundesgrenzschutz geäußert, nachdem von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, diesem den Kombattantenstatus zu verleihen, vgl. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes, S. 288 ff., 300 ff., 312 ff., 346 ff. 352 Vgl. etwa Epping, in: Beck OK GG, Art. 87a Rn. 1. Dagegen nicht explizit gefordert bei Baldus/Müller-Franken, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 36 m.w. N. 353 Vgl. § 64 BGS-Gesetz a. F. 1965. Näher zur Thematik Schultz, Auslandsentsendung, S. 143; Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes, S. 288 ff.

I. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften

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h) Zwischenergebnis Das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften setzt der zulässigen Ausgestaltung der Polizei Grenzen. In Abgrenzung zu den Streitkräften darf die Polizei insgesamt oder in Teilen nur zu einem gewissen Grad paramilitärische Züge annehmen, ohne ihr polizeiliches Gepräge einzubüßen. Zur genauen Bestimmung des paramilitärischen Charakters muss auf eine Reihe von, die militärische Wesensart besonders prägenden, materiellen Kriterien abgestellt werden. Diese Kriterien umfassen im Hinblick auf die mögliche Ausgestaltung der Polizei insbesondere die Aspekte der spezifischen Aufgabenzuweisung, der charakteristisch-militärischen Bewaffnung und sonstigen Ausrüstung, der Personalauswahl und Ausbildung, des Führungsprinzips Befehl und Gehorsam, des Erscheinungsbilds sowie der Verleihung des Kombattantenstatus. Nicht dagegen lässt sich der paramilitärische Charakter am Kriterium der Kasernierung von Polizeieinheiten messen. Ein Verlust des polizeilichen Gepräges und damit verbunden ein unzulässiger paramilitärischer Charakter ist in zweierlei Hinsicht denkbar. Zum einen können bereits einzelne der dargelegten Aspekte in unzulässiger Weise ausgeprägt sein. Zum anderen kann ein unzulässiger paramilitärischer Charakter der Polizei auch erst bei kombinierter Betrachtung und Bewertung mehrerer solcher Aspekte anzunehmen sein. Es muss deswegen immer eine Betrachtung im Einzelfall unter Einbeziehung aller einflussgebenden Faktoren erfolgen.

3. Analoge Anwendung des Einsatzvorbehalts? Zur Lösung des Problems, dass durch die militarisierte Polizei eine Umgehung des Einsatzvorbehalts aus Art. 87a Abs. 2 GG droht,354 wird auch ein alternativer Lösungsansatz vertreten. So wäre es denkbar die Polizei ab einem gewissen Militarisierungsgrad entsprechend den Streitkräften zu behandeln.355 Dazu wäre dogmatisch entweder die militarisierte Polizei selbst als Streitkräfte im Sinne des Art. 87a GG zu begreifen,356 oder es ließe sich Art. 87a Abs. 2 GG analog anwenden.357 Zumindest der Gefahr der Umgehung der strengen Anforderungen für den Streitkräfteeinsatz im Innern wäre auf diese Art tatsächlich begegnet. Dieser alternative Lösungsansatz ist aber dennoch abzulehnen. Wie schon dargestellt sind bestimmte militärische Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Streitkräfte nur aufgrund ihrer besonderen rechtlichen Stellung im Verfassungsgefüge und nur aufgrund des für sie anwendbaren modifizierten Rechtsmaßstabs über354

Zum Problem supra B. I. 1. a) aa)–bb). So Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55). A. A. Schultz, Auslandsentsendung, S. 133 ff., 145; Wiefelspütz, Die Bundeswehr in Libyen, HuV-I, 2012, 56 (61 ff.). 356 Ähnlich Schultz, Auslandsentsendung, S. 136 ff. 357 So wohl Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55). 355

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

haupt zulässig.358 Auch wenn der Anforderungsmaßstab für den Einsatz der militarisierten Polizei auf das für die Streitkräfte geltende Niveau angehoben würde, käme der Polizei ein vergleichbarer verfassungsrechtlicher und völkerrechtlicher Status noch immer nicht zu. Deswegen würde auch in diesem Fall für die Polizei nach wie vor ein nicht-modifizierter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Anwendung finden, der die Ausstattung mit bestimmten Mitteln selbst unter erhöhten Anforderungen ausschließt.359 Die verfassungsrechtlich intendierte Trennung von Streitkräften und Polizei wäre weiterhin ausgehebelt. Darüber hinaus wäre nicht dem Hindernis begegnet, dass das Trennungsgebot bereits der bloßen Existenz paramilitärischer Strukturen entgegensteht.360 Ein großer Teil der aufgezeigten Problemfelder bliebe also weiterhin ungelöst. Die isolierte Übertragung des Einsatzvorbehalts der Streitkräfte auf die militarisierte Polizei ist deswegen genauso wenig vorzugswürdig, wie das Betrachten der militarisierten Polizei als Streitkräfte im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG.

II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel Die militarisierte Polizei wirft auch grundrechtliche Bedenken auf. Im Folgenden gilt es zu klären, ob und wie ein Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel durch die Polizei abseits der durch das Trennungsgebot vorgezeichneten Grenzen361 mit dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Einklang zu bringen ist (1.). Explosivmittel werfen darüber hinaus Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG auf (2.). Schließlich fühlen sich selbst unbescholtene Bürger in Anbetracht einer militarisierten Polizei zunehmend an der Wahrnehmung ihrer Grundrechte gehindert. Hier gilt es zu beleuchten, unter welchen Voraussetzungen Grundrechtseingriffe anzunehmen sind und wie diese gerechtfertigt werden können (3.).

1. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG – Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Vor allem die Kombination aus immer schlagkräftigerer Bewaffnung und spezieller Munition für den Polizeieinsatz ist verfassungsrechtlich problematisch. Der Einsatz solcher Zwangsmittel ist nämlich mit besonders intensiven Eingriffen in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verbunden (a)). Unter welchen Bedingungen sich derart intensive 358 359 360 361

Vgl. zu den Besonderheiten der Streitkräfte supra B. I. 1. a) aa) (3). Zur beschränkenden Funktion des Verhältnismäßigkeitsprinzips infra B. II. 1. b). Zu dieser Rechtsfolge des Trennungsgebots supra B. I. 2. Zu diesen Grenzen siehe supra B. I. 2.

II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel

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Eingriffe im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr rechtfertigen lassen, soll hier hinterfragt werden (b)). a) Intensivste Eingriffe in den Schutzbereich aa) Einleitendes Fallbeispiel Zur Verdeutlichung soll eingangs folgendes fiktive Fallbeispiel dienen: Ein Terrorist hat sich mit einer Geisel verschanzt und droht öffentlich mit ihrer Tötung. Der Einsatzführer der bereits vor Ort angekommenen Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei ordnet die sofortige Festnahme des Geiselnehmers an. Ein Polizeibeamter der GSG 9 stürmt daraufhin mit einem H&K G36 Sturmgewehr im Anschlag in den Raum, indem sich der Geiselnehmer befindet. Dieser registriert den Polizisten und befürchtet das Scheitern seines Plans, weswegen er eine Makarow 9mm Pistole aus dem Holster zieht. Der Beamte erkennt die Pistole und erwartet die baldige Tötung der Geisel. Er sieht keinen anderen Weg und betätigt den Abzug seines Sturmgewehrs. Da sich dieses im vollautomatischen Dauerfeuermodus befindet, werden trotz einmaliger Betätigung des Abzugs unmittelbar hintereinander gleich drei Geschosse abgefeuert. Das erste Geschoss trifft den Terroristen in die Schulter. Das verwendete Deformationsgeschoss362 pilzt im Körper auf und kann so seine gesamte Energie freigeben, was schwere körperliche Schäden anrichtet und ihm gleichzeitig die Waffe aus der Hand schleudert. Es entsteht ein Wundkanal von über 30cm Länge, der sich durch wichtige anatomische Strukturen zieht, womit sich der Geiselnehmer bereits in akuter Lebensgefahr befindet.363 Die verursachte Verletzung ist so kritisch, dass der Geiselnehmer schon zu diesem Zeitpunkt zu keinem weiteren Angriff mehr in der Lage ist. Unmittelbar im Anschluss erreicht ihn auch das zweite Geschoss und trifft ihn in den Kopf, was den Geiselnehmer sofort tötet. Das dritte Geschoss verfehlt ihn nur knapp und fliegt durch das Fenster am anderen Ende des Raumes. In 200 Meter Entfernung läuft ein Passant, welcher schließlich durch das fehlgehende Geschoss in den Rücken getroffen wird. Auch dieser stirbt später auf dem Weg ins Krankenhaus aufgrund der verheerenden Wirkung, die das Deformationsgeschoss in seinem Körper angerichtet hat.364 362 Deformationsgeschosse pilzen konstruktionsbedingt im Zielkörper auf und können dadurch bereits nach kurzer Penetrationsstrecke sehr viel mehr Energie auf das Zielgewebe übertragen, als es andere Geschossarten, namentlich Vollmantelgeschosse, könnten, vgl. dazu Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 205, 209. 363 Zur Letalität von Schussverletzungen allgemein Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 214 f. 364 Dieser fiktive Fall soll die Kernpunkte zur Diskussion Deformationsgeschoss vs. Vollmantelgeschoss bei Verwendung schlagkräftiger Geschosskaliber verdeutlichen. Eine gute Übersicht zur Problematik ist zu finden bei Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (passim), der den nicht-juristischen Streit um die Einführung der 9 mm x 19 Patrone zusammengefasst hat. Die dort schon damals angeführten Argumente sind durch die

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In einer Fallvariante verschießt der Beamte anstelle der Deformationsmunition nicht-deformierende Vollmantelgeschosse.365 Das erste Geschoss durchdringt sauber die Schulter des Geiselnehmers, wird aber nicht in seinem Körper gestoppt. Es fliegt mit einem Großteil an Restenergie weiter durch den Raum, wo es schließlich an der gegenüberliegenden Wand abprallt (sog. Querschläger366). Das zurückgeworfene Geschoss trifft schließlich die Geisel im Kopf, welche sofort stirbt. In einer weiteren Fallvariante wirft der Beamte eine Sprenggranate. Sowohl der Geiselnehmer als auch die Geisel werden aufgrund der von der Granate ausgehenden Explosion sofort getötet. bb) Gesteigerte Gefährdung jeder Person im Umfeld Dass der Einsatz bestimmter Zwangsmittel durch die Polizei mit intensiven Eingriffen in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verbunden sein kann, ist nichts Neues und darüber hinaus hinreichend bekannt. Das obige Fallbeispiel hat allerdings bildhaft gezeigt, dass der Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel – etwa des Sturmgewehrs H&K G36367 oder einer Sprenggranate – mit einer erheblichen, im Vergleich zu bisheriger Polizeibewaffnung gesteigerten Gefährdung aller Menschen in Wirkreichweite verbunden ist, die sich zudem oft nur schwer beherrschen oder kontrollieren lässt. Bei der Gegenüberstellung des Fallbeispiels und seiner ersten Abwandlung wird außerdem deutlich, dass beim Einsatz polizeilicher Schusswaffen im Hinblick auf die zu erwartende Eingriffsintensität vermehrt auch die Munitionswahl eine gesteigerte Bedeutung gewinnt. Auf diese Aspekte soll im Folgenden noch näher eingegangen werden: cc) Schusswaffen (1) Bereits in der Vergangenheit gefährlich Die Polizei verfügt in Form der bisher üblichen Schusswaffen im Kaliber 9 mm x 19368 bereits über sehr schlagkräftige Zwangsmittel, deren Einsatz mit erhebliEinführung der erheblich schlagkräftigeren 5,56 mm x 45 Patrone u. a. zur Verwendung im H&K G36 wieder hochaktuell. 365 Militärische Standardgeschosse, welche – abhängig von der Geschossgeschwindigkeit – üblicherweise im Zielkörper nicht deformieren, sondern ihre Form behalten, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 205, 209. 366 Vgl. dazu Dathan, Waffenlehre für die Bundeswehr, Ziff. 203; teilweise auch „Abpraller“, „Prellschuss“, „Gellerschuss“ oder „Ricochet“, eingehend dazu Kneubuehl, Ballistik, S. 351 ff. 367 Zur Einstufung des H&K G36 als charakteristisch-militärisches Mittel infra D. I. 4. 368 Eine Ausnahme davon stellen u. a. polizeiliche Hochleistungspräzisionsgewehre dar, welche allerdings sehr selten wirklich zum Einsatz kommen. Dazu noch eingehend infra D. III.

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chen Körperschäden bis hin zum Tod verbunden sein kann.369 Interessanterweise wurde bereits dieses Kaliber in den 1980ern noch als zu durchschlagskräftig oder aufgrund der Neigung zu Querschlägern sogar als allgemeingefährlich kritisiert, während es im Rahmen der aktuellen Militarisierungsdiskussion nun als deutlich zu schwach bewertet wird.370 Trotz der damals geäußerten Kritik ließ sich die Tötung der getroffenen Menschen beim Einsatz verschiedener Schusswaffen dieses Kalibers in der Vergangenheit häufig noch vermeiden, wenn sie nicht ausnahmsweise bezweckt wurde.371 Das lässt sich an der Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch fassbar machen. So haben in den Jahren 1996–2016 deutsche Polizeibeamte 704 Menschen angeschossen, wobei 165 als direkte Folge verstorben sind, während 539 lediglich verletzt wurden. Hier verdeutlicht sich: Wer von der Polizei angeschossen wird, für den bestand schon in der Vergangenheit, also noch vor Einsetzen der jüngsten Militarisierungsprozesse, ein gewichtiges Sterberisiko von ca. 23,44 %.372 (2) Jetzt noch gefährlicher Die sich jetzt in der Beschaffung befindlichen Sturm-/Maschinengewehre im Kaliber 5,56 mm x 45 können dem Getroffenen im Vergleich zu den bisher üblichen Schusswaffen zum einen potentiell mehr als das Dreifache an kinetischer Energie zuführen,373 zum anderen weisen ihre Geschosse eine deutlich erhöhte Geschwindigkeit auf,374 weswegen eine tödliche Wirkung abhängig von der ver369

Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 202–214. Zur damaligen Kritik m.w. N. Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (556 f.). Zur heutigen Debatte etwa Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (16 ff.). 371 Siehe infra B. II. 1. b) aa) (2) (b) (aa) hinsichtlich solcher Fälle, bei denen die Tötung des Störers bezweckt wird. 372 Vgl. dazu die explizit nicht ausschöpfende Aufbereitung von IMK/DHPol-Quellen des Polizeiwissenschaftlers Lorei, Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch in Deutschland, Folie 6, abrufbar unter http://schusswaffeneinsatz.de/download/statisti ken.pdf (abgerufen am 23.04.2021). Es handelt sich dort um Mindestangaben. Diese Statistiken schlüsseln darüber hinaus leider nicht nach dem verwendeten Waffensystem und der verwendeten Munition auf, sodass davon ausgegangen wird, dass in der Regel die bisher polizeiübliche Bewaffnung im Kaliber 9 mm x 19 eingesetzt wurde. 373 Verglichen werden eine Mündungsenergie von ca. 490 Joule aus einer üblichen Dienstpistole im Kaliber 9 mm x 19 vs. 1.700 Joule aus dem Sturmgewehr H&K G36, welche dem Störer mit einem Deformationsgeschoss vollständig zugeführt wird, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201. Zur Mündungsenergie des H&K G36 vgl. das öffentlich zugängliche Gutachten von H&K zur Untersuchung des Streuungs- und Treffpunktverhaltens des Sturmgewehrs G36 im heißgeschossenen Zustand v. 16.12.2013, S. 10, abrufbar unter https://www.heckler-koch.com/de/presse/detail.html?tx_z7protect eddownloads_pi1%5Bfile%5D=Sturmgewehr_G36_Technischer_Untersuchungsbericht_ 16.12.2013.pdf (abgerufen am 23.04.2021). 374 Ca. 350 m/s bei dienstüblichen 9 mm x 19 Pistole vs. 920 m/s bei einem Sturmgewehr im Kaliber 5,56 mm x 45, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201. Zum Einfluss der Auftreffgeschwindigkeit im Zielkörper vgl. Neitzel/Kollig, a. a. O., S. 204. 370

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wendeten Munition viel wahrscheinlicher ist.375 Diese Waffen wirken durch die Verursachung schlimmster Gewebeschäden aus wundballistischer Sicht verheerend.376 Dadurch erklärt sich auch ihr erheblich gesteigertes Vernichtungspotential. Für die getroffene Person – ob beteiligt oder unbeteiligt – kann es den Unterschied zwischen realistischer Überlebenschance und dem wahrscheinlichen Tod ausmachen, wenn die Polizei statt der üblichen Dienstpistolen nun vermehrt Sturmgewehre einsetzt. Die beim Schusswaffengebrauch drohenden Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG werden deswegen grundsätzlich weit intensiver ausfallen, als es bisher der Fall war. (3) Das Munitionsdilemma Dieser Aspekt wird durch Schwierigkeiten bei der polizeilichen Munitionsauswahl noch zusätzlich intensiviert. Sie beruhen darauf, dass sich die Wirkungen von Schusswaffen nicht vollständig beherrschen lassen. Denn es gehört zu den Eigenheiten des Schusswaffengebrauchs, dass Geschosse fehlgehen können, etwa wenn das getroffene Ziel verfehlt wird, Geschosse nicht im Ziel aufgehalten werden oder abprallen – so wie im obigen Fallbeispiel.377 Technisch kann nur schwer gewährleistet werden, dass sich die dem Geschoss zukommende kinetische Energie nicht auch bei Unbeteiligten entfaltet, was aber dennoch unbedingt zu vermeiden ist.378 Munition für den polizeilichen Gebrauch strebt daher im Idealfall „einen frühen und hohen Energietransfer an, um Täter schnell handlungsunfähig zu machen. Das Geschoss soll trotzdem Kleidung und leichte Deckung sicher durchschlagen, um die Wirkung im Ziel zu garantieren, aber zur Minderung der Umfeldgefährdung möglichst keinen Ausschuss379 erzielen. Außerdem soll die Munition das Ziel zwar schnell kampfunfähig machen, aber nicht töten. Dies ist ein Widerspruch in sich und von keiner Munition in allen Aspekten zu erfüllen.“380 375 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201 ff., 214; Kneubuehl/Coupland/ Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 171 ff., 223 ff. 376 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201 ff., 214; Pfister/Kneubuehl, Kriminalistik 05/2001, 359 (359 ff.); Wirth/Strauch, Rechtsmedizin, S. 160; Kneubuehl/Coupland/Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 171 ff., 223 ff.; Neuwirth, Polizeilicher Schusswaffengebrauch gegen Personen, S. 72 f. m.w. N. 377 Zum Fallbeispiel supra B. II. 1. a) aa). 378 Zum Aspekt der Umfeldgefährdung infra B. II. 1. b) bb); B. II. 2. b) bb). 379 Stellen, wo Geschosse den Zielkörper wieder verlassen. Ausschusswunden sind üblicherweise abhängig vom Auftreffwinkel mit großem Durchmesser sternförmig eingerissen und weisen nach außen ragende Wundränder auf, vgl. zum Ganzen und auch zum Gegenbegriff des Einschusses Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 214. 380 Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201 f.; ähnlich auch Roth: „aufgrund physikalischer Gegebenheiten muss beim Kaliber 9 mm x 19 zwischen Deformationsmunition und Hartkern-Munition ausgewählt werden. Es ist keine Munitionssorte realisierbar, welche terminalballistisch beide Fähigkeiten vereint.“, Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (21); vgl. Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (556 ff.).

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Die Polizei steht hinsichtlich der zu verwendenden Munition also vor einem Dilemma. Denn entweder wird durch die eingesetzte Geschosskonstruktion das nähere Umfeld in erhöhtem Maße gefährdet (etwa durch die Wahl nicht-deformierender Vollmantelgeschosse, welche zu Querschlägern neigen), oder der Störer (zum Beispiel durch stark deformierende oder zerlegende Geschosse, welche schlimmste Verletzungen hervorrufen können).381 (4) Polizeimunition Um dieses Dilemma zugunsten einer minimierten Umfeldgefährdung und damit gezwungenermaßen zulasten des Störers aufzulösen, nutzt die Polizei mittlerweile standardmäßig Deformationsmunition, im polizeilichen Gebrauch auch Polizeimunition genannt.382 Polizeimunition erzwingt eine stark erhöhte Energieabgabe im Zielkörper durch ein Aufpilzen (= Deformation) des Geschosses, sodass dieses im Gegensatz zu nicht deformierenden Geschossen im Idealfall im Körper stecken bleibt und somit keinen weiteren Schaden mehr anrichten kann.383 Durch den hohen Energietransfer wird darüber hinaus als Nebeneffekt die schnellstmögliche Kampfunfähigkeit des Ziels sichergestellt (sog. Mannstoppwirkung384).385 (5) . . . dadurch letale Wirkung noch wahrscheinlicher Beim polizeilichen Schusswaffeneinsatz wirken also zwei Ausrüstungsentwicklungen zusammen. Zum einen der mittlerweile deutlich erhöhte Energieeinsatz und die zunehmende Geschossgeschwindigkeit der Schusswaffen, zum anderen die spezifische Wirkweise der regelmäßig verwendeten Deformationsgeschosse. Durch dieses Zusammenwirken wird die Gefährdung des Getroffenen

381 Es existiert eine Vielzahl von Geschosskonstruktionen. Ein guter Überblick dazu ist zu finden bei Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 205 ff.; näher zu Thematik und m.w. N. Neuwirth, Polizeilicher Schusswaffengebrauch gegen Personen, S. 70 ff. Die Wahl der richtigen Patrone kann sich im Einzelfall schwierig gestalten. So existieren allein für die Maschinenpistole H&K MP5 der Polizei derzeit über 15 verschiedene Geschossarten für den polizeilichen Einsatz, vgl. die Abbildung bei Roth, Polizeipraxis 02/ 2019, 28 (33). Deformationsgeschosse können in Einzelfällen, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, im Vergleich zu Vollmantelgeschossen minder schwere Verletzungen verursachen, vgl. mit einem Beispiel aus der Praxis Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (556). 382 Vgl. zu dieser Entwicklung Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (passim). 383 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 209. 384 Bezeichnet die Fähigkeit einer Waffe Menschen besonders schnell handlungsbzw. kampfunfähig zu machen, vgl. Neuwirth, Polizeilicher Schusswaffengebrauch gegen Personen, S. 70 Fn. 148; Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 77; ohne Nennung des Begriffs Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 214. 385 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 214.

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durch den Schusswaffengebrauch unweigerlich noch weiter gesteigert,386 sodass besonders intensive Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG die Folge sind.387 dd) Explosivmittel mit Spreng-/Splitterwirkung Abseits polizeilicher Schusswaffen sind intensivste Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG auch dann anzunehmen, wenn die Polizei Explosivmittel gegen Personen einsetzt, namentlich etwa Spreng-/Splitterhandgranaten. Solche Zwangsmittel sind dazu konzipiert worden, unterschiedslos Ziele augenblicklich durch ihre Sprengwirkung zu töten.388 Die zu erwartende Eingriffsintensität lässt sich kaum noch steigern. Es handelt sich hier u. a. um die schlagkräftigsten Zwangsmittel, die dem Staat überhaupt zur Verfügung stehen. b) Verhältnismäßigkeit i. w. S. als elementare Schranke Es stellt sich die Frage, ob und wie sich derart intensive Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG rechtfertigen lassen. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit wird nicht schrankenlos gewährleistet, sodass die öffentliche Gewalt unter bestimmten Voraussetzungen das menschliche Leben erheblich gefährden oder sogar beenden darf, vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG.389 Damit eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung aber denkbar ist, müsste der Zwangsmitteleinsatz insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Ob das im Einzelfall möglich ist, ist maßgeblich davon abhängig, wie das jeweilige Zwangs386 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201 ff., 214; Pfister/Kneubuehl, Kriminalistik 05/2001, 359 (359 ff.); Wirth/Strauch, Rechtsmedizin, S. 160; Kneubuehl/Coupland/Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 171 ff., 223 ff.; Neuwirth, Polizeilicher Schusswaffengebrauch gegen Personen, S. 72 f. m.w. N. 387 Der von der Polizei genutzte Munitionstyp ist so wirkungsvoll, dass er überdies Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem geltenden (Kriegs)Völkerrecht aufwirft, sodass eine Verwendung möglicherweise sogar durch die Streitkräfte unterlassen werden müsste. Denn so ist in kriegerischen Konflikten die Verwendung von Geschossen, welche unnötiges Leid verursachen, untersagt, vgl. Art. 23 Lit. e) der Haager Landkriegsordnung von 1907, welche auf die polizeiliche innerstaatliche Gefahrenabwehr allerdings keine unmittelbare Anwendung findet, vgl. Baller, Cilip (1/2000), 70 (passim). Aus wundballistischer Sicht die Frage offengelassen, ob diese Geschosse tatsächlich unnötiges Leid verursachen Kneubuehl/Coupland/Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 358; allgemein zum Problem Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 209 ff. Bisher wurde die Brisanz dieses Aspekts noch deutlich dadurch entschärft, dass die Polizei im Gegensatz zu den Streitkräften als ausgleichenden Faktor vergleichsweise schwache Schusswaffen eingesetzt hat. 388 Zur Unzulässigkeit solcher Mittel supra B. I. 2. c) aa); infra B. II. 1. b) bb); B. II. 2. b) bb). 389 Selbst die gezielte Tötung eines Störers muss nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 GG verstoßen, vgl. m.w. N. Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 956; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Rn. 37 m.w. N.; Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 Rn. 70. Zur Gegenansicht Schaks, JuS 2015, 407 (408) m.w. N.

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mittel gegen Menschen wirkt und darüber hinaus auch davon, ob sich seine Wirkung beherrschen lässt. aa) Hohes Vernichtungspotential Zunächst sollen solche Zwangsmittel betrachtet werden, die ein ausgeprägtes Vernichtungspotential aufweisen, etwa Sturmgewehre in Verbindung mit Deformationsmunition.390 Um hier die Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, müssten Fälle denkbar sein, in denen der Einsatz selbst solcher Mittel zur Gefahrenabwehr geeignet, erforderlich und angemessen ist. (1) Geeignetheit; Erforderlichkeit Gefahrenlagen, die in Zukunft durch den Einsatz massivster Zwangsmittel aufgelöst werden sollen, stehen im Zentrum der Militarisierungsdebatte.391 Zwar helfen besonders schlagkräftige Zwangsmittel nicht gegen jede Bedrohungslage, zum Beispiel nicht gegen spontane Bombenanschläge.392 Dennoch sind Szenarien denkbar, bei denen solche Mittel tatsächlich nützlich sein können. Geht eine Gefahr beispielsweise von einem „hochgerüsteten“393 Terroristen aus, so kann gerade der Einsatz von Zwangsmitteln mit hohem Vernichtungspotential zur schnellen Abwehr förderlich und folglich geeignet sein.394 Solche Täter könnten zum Beispiel mit Sturmgewehren effektiv außer Gefecht gesetzt werden, da ihre Geschosse selbst eine Körperpanzerung verlässlich durchdringen. Mildere, aber gleich wirksame Mittel können in solchen Situationen tatsächlich nicht ersichtlich sein. Die bisher üblichen Schusswaffen zum Beispiel wirken zwar in der Regel milder, weisen aber nicht die gewünschte Reichweite, Durchschlagskraft oder Mannstoppwirkung auf,395 wären daher im Vergleich zu etwa einem Sturmgewehr wie dem H&K G36 häufig nicht gleich wirksam. Auch die Verwendung moderner nicht-letaler Zwangsmittel kann im Einzelfall wenig hilfreich sein. So funktionieren die zum Teil verfügbaren Distanz-Elektroimpulsgeräte nur im Nahdistanzbereich,396 lassen sich deswegen oft überhaupt nicht ein390

Zum Begriff des Vernichtungspotentials supra B. I. 2. c) aa). Zu diesen Gefahrenlagen supra A. I. 392 Mit dieser Argumentation wird bereits die Geeignetheit des Einsatzes charakteristisch-militärischer Mittel bezweifelt, vgl. Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12). 393 Zum „hochgerüsteten“ Täter supra A. I. 394 Dieses Szenario wird häufig zur Begründung der Notwendigkeit einer polizeilichen Aufrüstung genannt, dazu supra A. I. 395 Zur Mannstoppwirkung vgl. die supra in Fn. 384 genannten Quellen. 396 So beträgt die Reichweite im Fall des Taser „X2 V18“ 4 bis 7,6 Meter, vgl. dazu das Taser-Positionspapier der Gewerkschaft der Polizei Berlin, abrufbar unter https:// www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/89F72D21C51BD912C12581060034DCBF/$file/taserpositionspapier-2016.pdf (abgerufen am 24.04.2021). 391

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setzen. Der Rückgriff auf Zwangsmittel mit hohem Vernichtungspotential kann in einigen Fällen also tatsächlich auch erforderlich sein. (2) Angemessenheit (a) Erhebliche Lebensgefährdung nur selten gerechtfertigt Deutlich problematischer ist die Beurteilung der Angemessenheit. Eine erhebliche Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit als Rechtsgüter mit überragender Bedeutung397 kann allein in Ausnahmefällen zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden. Insbesondere die Inkaufnahme einer tödlichen Verletzung des Störers steht nur in besonderen Anwendungsfällen nicht außer Verhältnis zum Zweck des Zwangsmitteleinsatzes. Je mehr der Einsatz schlagkräftiger Zwangsmittel mit einer Gefährdung des Lebens für einen Menschen verbunden ist, desto strenger stellen sich deswegen die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i. e. S. resultierenden Anforderungen dar. (b) Anforderungen für den Einsatz potentiell tödlicher Zwangsmittel Da der Einsatz polizeilicher Schusswaffen regelmäßig mit einer zumindest abstrakten Lebensgefährdung verbunden ist,398 existiert hierzu bereits eine Fülle von Beiträgen,399 welche sich allgemein mit den Anforderungen beschäftigen, die durch den Staat für erhebliche Lebensgefährdungen zu beachten sind. Dort wird in der Regel danach differenziert, inwieweit eine erhebliche Lebensgefährdung zum Erreichen des polizeilichen Zwecks beabsichtigt wird.400 In Fällen, in denen der Staat ein Leben zielgerichtet beendet, werden vor dem Hintergrund des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und ebenso des Art. 1 Abs. 1 GG401 zu Recht besonders hohe Anforderungen gestellt. Diese Anforderungen setzen allerdings nicht zwingend den Gebrauch einer bisher polizeiüblichen Schusswaffe voraus. Sie lassen 397 Zur Bedeutung der von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Rn. 7 ff., 33 ff. m.w. N. 398 Selbst Treffer in die Gliedmaßen können tödlich wirken, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 212, 214 f. 399 Eine umfangreiche Darstellung m.w. N. ist zu finden bei Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, passim. Vgl. außerdem Wolff, NVwZ 2021, 695 (passim); Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 1 Rn. 78; Kastner, in: BeckOK PolR BW, § 54 Rn. 31 ff.; Timmer, in: BeckOK PolR Nds, § 76 Rn. 50; Thiel, in: BeckOK PolG NRW, § 63 Rn. 15, 21 m.w. N. 400 Vgl. Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 1 Rn. 78; Kastner, in: BeckOK PolR BW, § 54 Rn. 33; Timmer, in: BeckOK PolR Nds, § 76 Rn. 50; Thiel, in: BeckOK PolG NRW, § 63 Rn. 15, 21 m.w. N. Teilweise wird argumentiert, die Polizei könne nach objektiver Betrachtung höchstwahrscheinlich tödliche Schüsse abgeben, ohne dabei zwingend vorsätzlich handeln zu müssen, vgl. dazu Graulich, in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 951 Fn. 1543. 401 Zu den aus Art. 1 Abs. 1 GG resultierenden Einsatzanforderungen eingehend infra B. II. 2.

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sich grundsätzlich auch auf den Gebrauch anderer Zwangsmittel mit hohem Vernichtungspotential übertragen, die im Rahmen der Militarisierung der Polizei beschafft werden ((c)). Soll der das Leben gefährdende Zwangsmitteleinsatz dagegen nicht töten, zum Beispiel wenn die Polizei einem Täter gezielt in die Schulter schießt, kann er – zumindest mit der bisher üblichen Bewaffnung – unter erleichterten Bedingungen möglich sein, selbst wenn der getroffene Mensch später dennoch verstirbt.402 Hinsichtlich der sich in der Beschaffung befindlichen Zwangsmittel wirft die Anwendung eines erleichterten Rechtfertigungsmaßstabs jedoch erhebliche Zweifel auf ((d)). (c) Gezielte Tötung (aa) Finaler Rettungsschuss Eine Situation, bei der die Lebensgefährdung bezweckt wird, liegt beim sog. „finalen Rettungsschuss“ vor, etwa wenn ein Polizeischarfschütze mit einem Hochleistungspräzisionsgewehr403 beabsichtigt auf den Kopf eines Geiselnehmers schießt, um das „fünfmarkstückgroße“ Stammhirn zu zerstören, damit durch den so resultierenden sofortigen Tod des Störers auch reflexartige Bewegungen ausgeschlossen werden können und die Geiseln somit in Sicherheit gebracht werden.404 Der Waffeneinsatz dient hier der Rettung, die nur durch die Tötung des Störers erreicht werden kann.405 Der finale Rettungsschuss ist als denkbar intensivster Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 1 1. Alt. GG nur zu rechtfertigen, wenn er das einzige Mittel darstellt, welches geeignet ist, eine gegenwärtige Lebensgefahr oder eine gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit einer Person abzuwehren.406 Aufgrund der hohen Eingriffsintensität müssen besondere Anfor402 Vgl. Kastner, in: BeckOK PolR BW, § 54 Rn. 33; Thiel, in: BeckOK PolR NRW, § 63 Rn. 22; Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 951 ff. Als explizite Beispiele werden der schnell ausgeführte „Deutschuss“ und der tödliche Fehlschuss genannt, vgl. Thiel, a. a. O., § 63 Rn. 22. 403 Zur Zulässigkeit solcher Mittel infra D. III. 404 Mit diesem Beispiel Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 952 m.w. N.; Kastner, in: BeckOK PolR BW, § 54 Rn. 31 ff.; Wolff, NVwZ 2021, 695 (passim). 405 Der Rettungsgedanke muss im Vordergrund stehen, vgl. Graulich, in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 951. 406 Vgl. Thiel, in: BeckOK PolR NRW, § 63 Rn. 17; Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 960 ff. Zu den tatsächlichen Schwierigkeiten, welche sich bei der Beurteilung der Gegenwärtigkeit ergeben können siehe Stephan/Deger, Polizeigesetz BW, § 54 Rn. 28. Zur a. A., die mit der Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 Abs. 2 GG argumentiert, Schaks, JuS 2015, 407 (408) m.w. N.; zum möglichen Konflikt mit Art. 1 Abs. 1 GG Rupprecht, JZ 1973, 263 (266); infra B. II. 2. b) aa).

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derungen an das gefährdete Rechtsgut und das gewählte Mittel zur Bekämpfung der Gefahr gestellt werden. Eine Gefahr für weniger gewichtige Rechtsgüter, wie zum Beispiel das Eigentum oder den Strafverfolgungsanspruch des Staates, können hier nicht ausreichen.407 Das einzige Mittel ist der finale Rettungsschuss nur, wenn keinerlei andere Mittel Erfolg versprechen, insbesondere wenn die Abgabe voraussichtlich nicht tödlicher Schüsse zur Erreichung der Angriffsunfähigkeit des Störers nicht ausreicht.408 Kommt es also nicht auf die augenblickliche Tötung des Störers an, so muss er mit voraussichtlich weniger letal wirkenden Mitteln bekämpft werden, zum Beispiel durch die Verwendung von Elektroschockpistolen oder Schusswaffen der bisher üblichen kleineren Kaliber in Verbindung mit weniger tödlich wirkender Munition. Auch müssen die Schussabgaben dann vorrangig auf körperliche Regionen gerichtet werden, wo eine Schussverletzung üblicherweise weniger kritisch ist, jedenfalls soweit die konkrete Situation das zulässt.409 Schließlich dürfen Unbeteiligte nicht erheblich gefährdet werden.410 Die angemessene Durchführung einer gezielten Tötung ist mit diesen Anforderungen also nur als ultima Ratio möglich. (bb) Schlagkräftige Bewaffnung erfordert keine Neubeurteilung Ist die gezielte Tötung des Störers nach den eben dargestellten Grundsätzen mit den bisher üblichen Schusswaffen angemessen, so ist es unschädlich, wenn zum Erreichen dieses Zwecks andere Schusswaffen oder alternative Zwangsmittel eingesetzt werden, auch wenn sie hinsichtlich ihrer Schlagkraft ggf. die bisher übliche Bewaffnung deutlich übersteigen – es sei denn, sie verursachen unnötiges Leid411 oder gefährden Unbeteiligte erheblich412, sodass nur extreme Mittel wie etwa Sprenggranaten413 gänzlich ausscheiden. Hinsichtlich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG macht es unter Beachtung der genannten Anforderungen mit anderen Worten grundsätzlich keinen Unterschied aus, ob der finale Rettungsschuss mit einer Pistole durchgeführt wird, mit einem Hochleistungspräzisionsgewehr oder mit ei407 Ebenso Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 949 ff.; ähnlich kritisch Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 83 Rn. 15. Zur Diskussion um die Ausweitung zulässiger Todesschüsse auch bei Gefährdungen des Eigentums Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG, Art. 83 Rn. 15 f. A. A. Rupprecht, JZ 1973, 263 (265). 408 Vgl. etwa Thiel, in: BeckOK PolR NRW, § 63 Rn. 17; Kastner, in: BeckOK PolR BW, § 54 Rn. 35. 409 Vgl. Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 930. 410 Vgl. Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 921. Zu dieser Anforderung noch infra B. II. 2. b) bb) (1). 411 Solche Mittel (etwa bestimmte Handgranaten) können mit Art. 1 Abs. 1 GG in Konflikt stehen, dazu infra B. II. 2. 412 Zu dieser Anforderung sogleich infra B. II. 1. b) bb). 413 Zur Unzulässigkeit dieser Mittel aufgrund ihrer Umfeldgefährdung supra B. I. 2. c) bb); infra B. II. 1. b) bb) (1); B. II. 2. b) bb).

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nem charakteristisch-militärischen Sturmgewehr. Für jene Mittel, die im Rahmen der polizeilichen Militarisierung aktuell beschafft werden, kann also ohne weiteres auf den Anforderungsmaßstab des finalen Rettungsschusses zurückgegriffen werden. (d) Nicht bezweckte, aber wahrscheinliche Tötung (aa) Tod des Störers in den meisten Fällen nicht bezweckt Der polizeiliche Zwangsmitteleinsatz muss allerdings nur in den seltensten Fällen gezielt und unvermeidlich dazu dienen, den Störer augenblicklich zu töten. Dieser Umstand wird zum rechtlichen Problem, wenn die Polizei nun vermehrt Zwangsmittel einsetzt, die im Einzelfall zur Gefahrenabwehr nützlich sind, aber aufgrund ihres hohen Vernichtungspotentials regelmäßig den Tod herbeiführen – also selbst dann, wenn die Voraussetzungen für eine gezielte Tötung nicht vorliegen. So lassen sich zum Beispiel mit einem Sturmgewehr zwar besonders geschützte Täter (Schutzweste, Deckung etc.) sehr effektiv bekämpfen. Allerdings rechtfertigt ihr besonderer Schutz für sich allein genommen nicht ihre Tötung, die durch den Einsatz derartiger Mittel mit vielfach erhöhter Wahrscheinlichkeit dennoch zu erwarten ist, auch wenn sie nicht unmittelbar bezweckt wird. (bb) Wahrscheinlicher Tod eines Menschen ebenfalls nur als ultima ratio Bei einer nicht absichtlich verursachten Lebensgefährdung einen reduzierten Anforderungsmaßstab anzuwenden, kann im Hinblick auf besonders schlagkräftige Mittel aufgrund der regelmäßig verbundenen Folgen ihrer Anwendung nicht überzeugen, sodass sich dort zur Ermittlung der Einsatzanforderung nicht – wie bisher üblich – zwischen beabsichtigter und unbeabsichtigter Lebensgefährdung differenzieren lässt. Dafür sprechen vor allem zwei Aspekte. Erstens lässt sich die objektiv erhöhte Letalität eines Zwangsmittels mit hohem Vernichtungspotential durch den Verwender nicht ausblenden. Polizeibeamte, die an solchen Mitteln ausgebildet wurden und somit auch die tatsächlichen Folgen der Anwendung kennen, können beim Einsatz etwa eines Sturmgewehrs oder gar einer Sprenggranate kaum mit der begründeten Hoffnung handeln, der getroffene Störer könnte vielleicht doch überleben, nur weil das nicht vollkommen ausgeschlossen ist.414 Unabhängig davon, ob der Polizeibeamte die tödliche Folge des Zwangsmitteleinsatzes persönlich billigt oder nicht,415 wird sie aufgrund der er414 In eine ähnliche Richtung Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 951; Timmer, in: BeckOK PolR Nds, § 76 Rn. 50 f. 415 Nach teilweise vertretener Ansicht darf die wahrscheinlich tödliche Folge des Zwangsmitteleinsatzes allenfalls als unerwünschte Nebenfolge in Kauf genommen werden, vgl. Rupprecht, JZ 1973, 263 (265); Gusy, JA 1990, 296 (300 f.). A. A. Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 951.

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heblichen Wahrscheinlichkeit wenigstens in Kauf genommen werden müssen.416 Kommt es beim Einsatz zum Tod eines Störers, obwohl seine Tötung für sich betrachtet nicht zwingend notwendig, aber trotzdem abzusehen war, könnte deswegen auch nicht mehr vom Vorliegen eines unbeabsichtigten tödlichen Fehlschusses417 gesprochen werden. Zweitens muss beachtet werden, dass sich auch ein nicht bezweckter, aber trotzdem mit erheblicher Wahrscheinlichkeit verursachter Tod eines Menschen vor dem Hintergrund des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG als nicht von geringerer Bedeutung darstellt. Ein angemessener Einsatz von Zwangsmitteln mit hohem Vernichtungspotential kann auch deswegen nur ausnahmsweise erfolgen.418 (cc) Entsprechende Anwendung der Anforderungen des finalen Rettungsschusses Nur jene Einsatzanforderungen,419 die für den finalen Rettungsschuss zu beachten sind, werden einer erheblichen Lebensgefährdung beim Zwangsmitteleinsatz allgemein gerecht. Der für den finalen Rettungsschuss geltende Maßstab muss deswegen und aus den eben genannten Gründen entsprechend immer beachtet werden, wenn der Einsatz eines Zwangsmittels bereits nach objektiven Kriterien regelmäßig mit einer so intensiven Lebensgefährdung verbunden ist, das mit dem Überleben des Störers nicht mehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden kann.420 Ob der Störer in diesen Fällen wirklich gezielt getötet werden soll oder nicht, kann beim Einsatz von Zwangsmitteln mit hohem Vernichtungspotential also keine Rolle mehr spielen. (dd) Rechtsfolge: Besonders schlagkräftige Bewaffnung nur selten einsetzbar Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG steht damit dem Einsatz von Zwangsmitteln, die ein erhebliches Vernichtungspotential aufweisen und deswegen regelmäßig mit einer erheblichen Lebensgefährdung verbunden sind, nicht schon aufgrund ihrer Schlagkraft entgegen. Selbst der Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangs416 Ähnlich zum Schusswaffeneinsatz allgemein Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 952. A. A. BGH, NJW 1999, 2533 (2535). 417 Gegenstück zum finalen Rettungsschuss, also ein Schuss, der aus Sicht des Schützen nicht tödlich wirken sollte, trotzdem aber zum Tod geführt hat und der deswegen möglicherweise unter erleichterten Bedingungen gerechtfertigt werden kann, vgl. dazu die supra in Fn. 402 genannten Quellen. 418 In diese Richtung ebenso Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 951, wenn das Tötungsrisiko „nicht mehr quantifizierbar“ ist. 419 Zu diesen Anforderungen supra B. II. 1. b) aa) (2) (b) (bb). 420 Ähnlich auch Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 954. Entsprechend ohne subjektives Differenzierungsmerkmal einfachgesetzlich umgesetzt in § 109 Abs. 1 S. 2 SOG MV; § 63 Abs. 2 S. 2 PolG NRW; Art. 83 Abs. 2 S. 2 BayPAG.

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mittel kann damit zulässig sein. Auch wenn die Bewaffnung der Polizei mit solchen Mitteln infolgedessen nicht generell ausgeschlossen ist, wird eine konkrete Nutzung allerdings aufgrund der strikten Einsatzanforderungen in den allermeisten Fällen dennoch unterbleiben müssen. Der entsprechend anzuwendende Rechtsmaßstab, der eigentlich für finale Rettungsschüsse entwickelt wurde, lässt einen rechtmäßigen Rückgriff auf solche Mittel nämlich nur im Ausnahmefall zu. bb) Mangelnde Kontrollier-/Beherrschbarkeit Noch problematischer hinsichtlich der Angemessenheit ist der Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel durch die Polizei, die nicht nur mit hohem Vernichtungspotential, sondern auch in unkontrollierbarer und unbeherrschbarer Art und Weise wirken.421 Wenn solche Zwangsmittel verwendet werden und insbesondere in urbanem Gebiet mit einer erhöhten Umfeldgefährdung zu rechnen ist, wird nicht nur das Leben des Störers gefährdet. Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG drohen dann auch gegenüber Unbeteiligten. (1) Erhebliche Gefährdung Unbeteiligter immer unangemessen Zur Möglichkeit einer verhältnismäßigen Anwendung solcher Mittel muss dahingehend differenziert werden, wie erheblich sich die zusätzliche Gefährdung darstellt. Eine erhebliche Gefährdung Unbeteiligter ist nämlich immer unangemessen. Die Polizei soll Gefahren abwehren und nicht durch den Einsatz höchst gefährlicher, unkontrollierbarer und unbeherrschbarer Mittel selbst Gefahren schaffen. Deswegen scheidet der Zwangsmitteleinsatz jedenfalls bei Inkaufnahme schwerwiegender und wahrscheinlich tödlicher Verletzungen gegen Unbeteiligte von vornherein aus. Andernfalls müsste eine auch vor dem Hintergrund des Art. 1 Abs. 1 GG unzulässige Abwägung Leben gegen Leben zulasten Unbeteiligter vorgenommen werden.422 Zwangsmittel zum Einsatz gegen Personen, welche unterschiedslos wirken und mit einer besonders intensiven Umfeldgefährdung verbunden sind, namentlich etwa Spreng-/Splitterhandgranaten, können diese Vorgaben nicht gewährleisten. Mangels Möglichkeit der verhältnismäßigen Anwendung sind solche Mittel für die Polizei generell unzulässig.423 421

Zu diesem Charakteristikum im Kontext des Trennungsgebots supra B. I. 2. c) bb). Wird das Leben oder die körperliche Unversehrtheit eines Menschen gefährdet, ist das grundsätzlich primär an Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und nur bei hinzutreten besonderer Umstände an Art. 1 Abs. 1 GG zu messen (dazu infra B. II. 2. Solche Umstände können etwa dann vorliegen, wenn Unbeteiligte gefährdet werden, vgl. etwa BVerfGE 115, 118 (152). Dazu und zur Unzulässigkeit solcher Abwägungen noch eingehend infra B. II. 2. b) bb). 423 Zur Unzulässigkeit des Einsatzes bestimmter Explosivmittel gegen Personen und zur Gegenansicht noch eingehend infra B. II. 2. b). Auch das Trennungsgebot steht solchen Mitteln entgegen, vgl. supra B. I. 2. c) aa)–bb). 422

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(2) Unterschiedslos, aber nicht letal wirkende Zwangsmittel Anders müssen solche Zwangsmittel bewertet werden, welche zwar schwer kontrollierbar sind, dafür allerdings kein oder ein nur sehr niedriges Vernichtungspotential aufweisen. Hierzu können zum Beispiel sog. Blendgranaten (auch Schockgranate oder Flashbang genannt) gezählt werden. Die bei Blendgranaten entstehende Explosion entfaltet regelmäßig keine nennenswerte Zerstörungskraft, sondern soll das Ziel lediglich etwa durch einen extrem hellen Blitz und/oder durch einen lauten Knall blenden, verwirren und desorientieren, sodass den Polizeikräften ein gefahrloser Zugriff ermöglicht wird.424 Soweit unterschiedslos wirkende Zwangsmittel lediglich geeignet sind, Menschen temporär und ohne bleibende erhebliche Schäden kampf- oder fluchtunfähig zu machen, ist ein verhältnismäßiger Einsatz denkbar, nämlich beispielsweise wenn die Verwendung das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben darstellt.425 Ein Einsatz ist insbesondere dann nicht unangemessen, wenn er dem betroffenem Unbeteiligten letztendlich zugutekommt, zum Beispiel wenn so der Täter ohne den Einsatz eingriffsintensiverer und u. U. weitaus gefährlicherer Mittel überwältigt werden kann und das Leben des Unbeteiligten somit insgesamt bewahrt wird, auch wenn er minderschwere Blessuren davon tragen könnte. Zwangsmittel, welche zwar unterschiedslos und unbeherrschbar wirken, dabei aber kein erhebliches Vernichtungspotential entfalten, lassen sich grundsätzlich in einer mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vereinbaren Weise einsetzen und können folglich auch bei der Polizei verwendet werden. cc) Verhältnismäßigkeit zu jedem Zeitpunkt (1) Polizeiliche Lagen erfordern ständige Neubeurteilung Für den polizeilichen Einsatz geeignete Zwangsmittel müssen darüber hinaus der Vorgabe gerecht werden, dass die Gewährleistung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des darin enthaltenen Übermaßverbots während des gesamten Vorgangs der staatlichen Zwangsanwendung gewährleistet werden muss.426 Polizeiliche Gefahrenlagen unterliegen naturgemäß einer gewissen Dynamik, sodass die tatsächliche Lage und die darauf beruhende rechtliche Einschätzung der Zulässigkeit des Einsatzes bestimmter Zwangsmittel ständig neu beurteilt 424 Vgl. zu diesen Mitteln Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (50 Fn. 261). 425 Ohne Bedenken gegen Blendgranaten Thiel, in: BeckOK PolR NRW, PolG NRW, § 58 Rn. 15; Blendgranaten als beispielhaftes Zwangsmittel für einen rechtmäßigen Polizeieinsatz bei Buchberger/Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, M. Rn. 39. A. A. und somit gegen die Zulässigkeit wohl Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (50). 426 So auch Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 25.

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werden muss. So kann es etwa vorkommen, dass der Störer sich nach außen erkennbar von seiner rechtsfeindlichen Einstellung abwendet. Möglicherweise stellt sich die vom Täter ausgehende Gefahr auch als ursprünglich überbewertet dar, weil er beispielsweise statt eines Sturmgewehrs lediglich über ein Waffenimitat verfügt und dieser Aspekt erst später erkennbar wird. Auch könnte ihn eine zugefügte Verletzung zunehmend außer Gefecht setzen.427 Die Gründe für eine solche Lageveränderung sind nicht überschaubar, dennoch muss die Polizei die Art und Weise des Zwangsmitteleinsatzes zu jeder Zeit dynamisch an möglicherweise auch sehr kurzfristig auftretende Änderungen anpassen können. Zwangsmittel, welche die von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter erheblich gefährden und dieser Anforderung nicht gerecht werden können, sind deswegen für den Polizeigebrauch ungeeignet und somit unzulässig. (2) Unzulässigkeit des sog. Dauerfeuers Damit wird auch nach Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit die Verfügbarkeit vollautomatischer, vor allem bei Sturm/-Maschinengewehren üblicher Feuermodi infrage gestellt, da hier durch das einmalige Betätigen und Halten des Abzugs mehrere Geschosse zeitlich dicht nacheinander abgefeuert werden können.428 Insbesondere beim Schusswaffeneinsatz muss aufgrund der erheblichen Gefährdung des Störers und des näheren Umfelds die Notwendigkeit zur Schussabgabe nach jedem Schuss neu beurteilt werden. Ein Feuermodus, der sehr schnell und vollautomatisch immer weitere Projektile auf den Weg bringt, ist mit dieser Vorgabe unvereinbar. Überdies wird auch die Treffsicherheit bei der vollautomatischen Schussabgabe durch Rückstoßeffekte erheblich reduziert, was die Gewährleistung des Verhältnismäßigkeitsprinzips praktisch ausschließt.429 Aus diesen Gründen ist die vollautomatische Schussabgabe im polizeilichen Einsatz immer unverhältnismäßig.430 Die Polizei darf deswegen mit Waffensystemen, die 427 Vgl. das Fallbeispiel supra B. II. 1. a) aa). Zu deswegen drohenden Problemen bei der Rechtsanwendung infra F. 428 Auch das Trennungsgebot steht diesem Feuermodus entgegen, vgl. supra B. I. 2. c) bb). Dagegen auch Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (49); ähnlich Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 27; Schnupp, Zur Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Polizei, in: Die Polizei 1971, 304 (304). A. A. Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 184, die eine Zulässigkeit dann annimmt, wenn die Voraussetzungen des finalen Rettungsschusses vorliegen. Ebenso verhält es sich mit sog. Feuerstoß- bzw. „Burst“-Feuermodi, zum Beispiel vorhanden bei der Maschinenpistole H&K MP5, abgebildet bei Abresch/Schulz, Der Soldat und seine Ausrüstung, S. 63. 429 Auch der bayerische Gesetzgeber hat die dahinterstehende Problematik erkannt, was ihn aber nicht daran hinderte Maschinengewehre ohne jegliche technische Beschränkung im BayPAG zuzulassen, vgl. Bayerischer LT-Drs. 17/20425, S. 90; Art. 78 Abs. 4 S. 1 BayPAG. 430 Davon zu differenzieren ist der halbautomatische Feuermodus. Hier wird die Waffe zwar ebenfalls automatisch neu geladen und gespannt. Im Gegenzug zum voll-

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über derartige Feuermodi verfügen, nicht ausgerüstet werden. Ggf. noch im Ausrüstungsbestand der Polizei befindliche Waffen mit dieser Fähigkeit müssen ausgesondert oder durch Modifikation am System umgerüstet werden.431 c) Zwischenergebnis Der Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel ist regelmäßig mit besonders intensiven Eingriffen in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verbunden, da mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit schlimmste Verletzungen bis hin zum Tod des Störers die Folge sein können. Trotzdem ist ein verfassungskonformer Einsatz solcher Mittel nicht schlechthin ausgeschlossen. Die verbundenen Eingriffe lassen sich jedoch nur ausnahmsweise rechtfertigen. Wann immer beim Einsatz eines solchen Mittels aufgrund seines Vernichtungspotentials eher mit dem Tod des Ziels als mit seinem Überleben zu rechnen ist, müssen diejenigen verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt sein, welche für den finalen Rettungsschuss gelten. Der Zwangsmitteleinsatz muss dann das einzige Mittel darstellen, welches geeignet ist, eine gegenwärtige Lebensgefahr oder eine gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit einer Person abzuwehren. Außerdem dürfen Unbeteiligte nicht übermäßig gefährdet werden. Schließlich müssen polizeiliche Zwangsmittel in der Lage sein, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu jedem Zeitpunkt ihrer Anwendung zu gewährleisten. Zwangsmittel, welche diese Anforderungen nicht gewährleisten können, sind für die Polizei unzulässig. Zu den deswegen verbotenen Zwangsmitteln zählen insbesondere: Spreng-/Splittergranaten und Sturm-/Maschinengewehre mit Dauerfeuerfunktion.

2. Art. 1 Abs. 1 GG – Menschenwürde Auch die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG setzt der Militarisierung der Polizei eigenständige Grenzen. Im Rahmen der Diskussion um die

automatischen Feuermodus muss der Abzug aber erneut getätigt und nicht nur gehalten werden, damit weitere Projektile abgefeuert werden. Hier kann der Schütze mit jeder Betätigung des Abzugs die Notwendigkeit zur Schussabgabe überdenken. Dazu noch infra D. I. 2. 431 Beispielsweise wurde das Sturmgewehr H&K G38 für die hessische Polizei in einer Konfiguration bestellt, die technisch kein Dauerfeuer ermöglicht, vgl. dazu den Bericht der Hessenschau v. 21.08.2019, 1.500 Sturmgewehre gegen den Terror – aber Dauerfeuer ist tabu, abrufbar unter https://www.hessenschau.de/panorama/1500-sturm gewehre-fuer-die-polizei—aber-dauerfeuer-ist-tabu,polizei-sturmgewehre-100.html (abgerufen am 28.04.2021). Die polizeiübliche Maschinenpistole H&K MP5 weist in der Praxis dennoch häufig eine Dauerfeuerfunktion auf, vgl. Roth, Polizeipraxis 02/2019, 28 (34).

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zulässige Polizeibewaffnung wird insofern seit den 1960ern insbesondere die polizeiliche Nutzung von Explosivwaffen gegen Personen als verfassungswidrig kritisiert.432 Gemeint sind solche Mittel, die mit chemischen Verbindungen oder Mischungen funktionieren, beim Vorliegen bestimmter Bedingungen schnell umsetzen und dabei eine erhebliche Druckwelle mit zum Teil zerstörerischer Wirkung auslösen.433 Im Kontext der aktuellen Beschaffungspläne434 gewinnt diese Problematik wieder an Bedeutung. a) Maßstab einer Würdeverletzung beim Zwangsmitteleinsatz aa) Kernbereich der körperlichen Integrität Ein unzulässiger Eingriff in die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG durch den Einsatz eines polizeilichen Zwangsmittels setzt zunächst voraus,435 dass einem Menschen der soziale Wert- und Achtungsanspruch abgesprochen und er dadurch zum bloßen Objekt staatlichen Handelns abgestuft wird.436 Dies 432 Mit solchen Bedenken gegen die Nutzung von Sprenggeschossen und sonstigen Sprengmitteln, welche den Störer in der Regel „vernichten“ Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 21, 25 f., 27; Schnupp, Die Polizei 1971, 304 (304). M.w. N. zur damaligen Debatte Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 190 f. Heute gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit diverser Explosivmittel zum Einsatz gegen Personen: Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 879; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (50); Drewes, in: Drewes/Malmberg, BPolG, § 3 UZwG Rn. 14; Hong, Corona-Triage und Menschenwürde, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/coronatriage-und-menschenwuerde/ (abgerufen am 09.12.2020); wohl auch Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1684). A. A. Honnacker/Beinhofer/Hauser, BayPAG, Art. 61 Anm. 5; Keidel, a. a. O., S. 196 f.; Bremer, Das Recht der Polizei zum Waffengebrauch, S. 33 ff., 58 f.; Wacke, JZ 1962, 137 (144); der bayerische Landesgesetzgeber, vgl. Art. 78 Abs. 5 S. 1 BayPAG; der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber, vgl. § 58 Abs. 5 POG RLP; der Landesgesetzgeber in NRW, vgl. § 58 Abs. 5 PolG NRW. Zur ähnlichen Diskussion um sog. Granatwerfer infra D. IV. 2. 433 Vgl. Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 78 Rn. 33; Timmer, in: BeckOK PolR Nds, § 79 Rn. 8; Kastner, in: PolR BW, § 54a Rn. 9. Darüber hinaus ist die Abgrenzung zwischen Spreng-, Explosiv- und pyrotechnischen Mitteln unklar; die Begriffe werden häufig synonym oder tautologisch gebraucht. 434 Zu den aktuellen Beschaffungsplänen, die u. a. diverse Handgranaten und Sprenggeschosse umfassen, supra A. II. 1. 435 „Lebensschutz ist Thema des Rechts auf Leben und wird zugleich oder sogar an dessen Stelle zu einem Thema der Menschenwürde, wenn in der Tötung eine Verächtlichmachung, Geringschätzung oder Instrumentalisierung des konkreten Menschen [. . .]“ zu sehen ist, Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Rn. 14 m.w. N.; vgl. Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 2 Rn. 205. Zu den gleichzeitig drohenden Eingriffen in Art. 2 Abs. 2 GG supra B. II. 1. 436 Vgl. BVerfGE 87, 209 (228); zur sog. Objektformel vgl. Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127); zu positiven Umschreibungsversuchen Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 33 ff.; zu negativen Umschreibungsversuchen Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 53 ff.; überblicksartig Linke, JuS 2016, 888 (passim).

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ist grundsätzlich auch durch eine Körperverletzung denkbar,437 insbesondere wenn dabei eine Gefährdung des Lebens als „vitaler Basis“ der Menschenwürde droht.438 Die Menschenwürdegarantie schützt allerdings nicht vor jeder Körperverletzung, sondern umfasst in Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ausschließlich die Gewährleistung eines Kernbereichs der körperlichen Integrität.439 Dieser Kernbereich wird nur bei außergewöhnlichen Körperverletzungen tangiert, beispielsweise wenn sie mit an Folter grenzenden Qualen verbunden sind440 und somit unnötiges Leid verursachen oder den persönlichen Achtungsanspruch eines Menschen auf andere Weise gänzlich infrage stellen441. Selbst Zwangsmittel, die einem Menschen höchstwahrscheinlich tödliche Verletzungen beibringen, erfüllen diese Anforderungen grundsätzlich nicht.442 bb) Verursachungs- und Verantwortungszusammenhänge Für die Bewertung einer möglichen Würdeverletzung müssen überdies die spezifischen „Verursachungs- und Verantwortungszusammenhänge“ im Einzelfall beleuchtet werden.443 Es kommt grundsätzlich nicht allein auf die Verursachung einer konkreten Körperverletzung durch ein Zwangsmittel an, sondern gleichermaßen darauf, in welchem situativen Kontext und warum diese zugefügt wird. Dazu müssen sowohl Anlass und Zweck als auch das gewählte Mittel bei der Anwendung des staatlichen Zwangs in Zusammenhang betrachtet werden.444 So kann u. a. das persönliche Verhalten des betroffenen Menschen für die Bewertung eine Rolle spielen, ob die ihm zugefügte Behandlung unwürdig ist, vor allem wenn er die Notwendigkeit des Zwangsmitteleinsatzes gegen sich zu verantworten hat.445 Insbesondere bei der absichtlichen Tötung eines Menschen müssen 437 Vgl. Höfling, in: Sachs, GG Kommentar, Art. 1 Rn. 20; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 95 ff.; ohne Konkretisierung Rupprecht, JZ 1973, 263 (266 f.). 438 Vgl. BVerfGE 115, 118 (152); 39, 1 (42); 72, 105 (115); 109, 279 (311). 439 Vertiefend Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 95 ff. 440 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 95; Höfling, in: Sachs/Höfling, GG Kommentar, Art. 1 Rn. 20. 441 Vgl. BVerfGE 30, 1 (26); 109, 279 (312 f.); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Rn. 14 m.w. N.; vgl. Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 2 Rn. 205. 442 Vgl. Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Rn. 19 ff.; Enders, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar GG, Abs. 1 Rn. 89; Hufen, JuS 2010, 1 (8). 443 So Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 96; ähnlich Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Rn. 19 ff. Vgl. Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 GG, Rn. 78; Hillgruber, in: Seubold, Humantechnologie und Menschenbild, 105 f.; BVerfGE 30, 1 (25); 109, 279 (311), 115, 118 (153); 132, 1 Rn. 81. 444 So ausdrücklich Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Rn. 19. 445 Laut BVerfG sind sogar Fälle denkbar, bei denen selbst der Einsatz schlagkräftigster Waffensysteme der Bundeswehr nicht zwangsweise verfassungswidrig wäre: „Spezifische Militärwaffen sind mit ihrer zerstörerischen Kraft auf die Vernichtung des Geg-

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besondere Anforderungen an den dafür bestehenden Grund gestellt werden. Nur wenn der staatliche Zwang dazu dient, eine von einem Menschen ausgehende Gefahr für das Leben Dritter zu beenden, die nicht auf andere Art und Weise aufgelöst werden kann, kann das im Einzelfall gegen die Unwürdigkeit einer solchen Behandlung sprechen.446 Selten wird bereits die spezifische Wirkweise eines Zwangsmittels gegen einen Menschen so verächtlich sein, dass seine Anwendung vor dem Hintergrund des Art. 1 Abs. 1 GG auch ohne Beachtung der genaueren Umstände schlechthin immer ausscheiden muss.447 b) Vereinbarkeit von Explosivwaffen mit der Menschenwürdegarantie Vor dem Hintergrund dieser Vorgaben steht Art. 1 Abs. 1 GG einem polizeilichen Einsatz bestimmter Explosivwaffen tatsächlich entgegen. aa) Wahrscheinliche Tötung des Störers (1) Unkontrollierbare „Vernichtung“ eines Menschen Obwohl der Störer im polizeilichen Anwendungsfeld höchstens flucht- oder angriffsunfähig gemacht werden muss, führt der Einsatz von Explosivmitteln mit Spreng-/Splitterwirkung nahezu immer zum Tod448 und zwar unabhängig davon, ob das im Einzelfall unabdinglich ist. Dem Störer wird in aller Regel weitaus mehr Schaden zugefügt, als es zur Erreichung des polizeilichen Zwecks regelmäßig notwendig wäre. Diese Mittel dienen in der Praxis deswegen ausschließlich der Vernichtung.449 Insofern führt die Literatur für die Unvereinbarkeit von ners angelegt. Ist außerhalb einer kriegerischen Auseinandersetzung zur Gefahrenabwehr der Einsatz solcher Vernichtungskraft im Sinne der Verhältnismäßigkeitsmaxime angemessen und insbesondere auch erforderlich, so wird typischerweise – wie eben bei der Entführung von Flugzeugen zum Einsatz als Anschlagswaffe (,Renegade‘-Fälle) – ein Verlauf bereits eingeleitet sein, der bei ungehindertem Fortgang in kürzester Zeit den Verlust zahlreicher Menschenleben oder ungeheuere Schäden erwarten lässt und daher nur durch den Einsatz massivster Mittel endgültig gestoppt werden kann.“, vgl. BVerfGE, 132, 1 Rn. 81 und ähnlich BVerfGE 115, 118 (141, 150 f., 162 ff.). In diese Richtung auch Merkel, JZ 2007, 373 (381): „Töten darf der Staat nur, wenn er dem Getöteten sagen kann: „Das ist nach Rechtsprinzipien allein deine Sache!“ 446 Vgl. jeweils m.w. N. Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 70; Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Rn. 19; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 GG Rn. 78; Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 14, 21, 26. 447 Extrembeispiele für entwürdigende Zwangsmittel, die extreme Qualen verursachen können: Giftgas, Napalm- oder Phosphorbomben. Für solche Mittel bestehen selbstverständlich keine Beschaffungspläne für die Polizei. Bremer nennt außerdem Flammenwerfer, Schlagringe und Wasserwerfer mit ätzenden Flüssigkeiten, nicht aber Handgranaten als Beispiele, vgl. Bremer, Das Recht der Polizei zum Waffengebrauch, S. 41. 448 Vgl. zu den körperlichen Auswirkungen solcher Mittel Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 274 ff. 449 Vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des Trennungsgebots supra B. I. 2. c) aa).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Explosivmitteln mit Art. 1 Abs. 1 GG vor dem Hintergrund des subjektiven Achtungsanspruchs des betroffenen Menschen an, dass ein Recht der Polizei auf seine vorsätzliche Vernichtung grundsätzlich aber nicht bestehe.450 Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i.V. m. Art. 1 GG wird aufgrund dieser Prämisse – allerdings ohne tiefergehende Argumentation – zudem gefolgert, dass der Einsatz eines polizeilichen Mittels gegen Störer zu jeder Zeit kontrollierbar und beherrschbar sein müsse.451 Diese Vorgabe könnten Explosivmittel nicht erfüllen, weshalb sie mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und somit unzulässig für die Polizei seien.452 (2) Situativer Kontext darf nicht außer Acht gelassen werden Hinsichtlich der erheblichen Gefährdung des Störers ist diese Argumentation jedoch keineswegs zwingend. So könnte dagegen zunächst angeführt werden, dass der Einsatz solcher Mittel und somit die wahrscheinliche Tötung des Störers nur im absoluten Ausnahmefall erfolgen solle453 und durchaus Situationen denkbar seien, in denen sich der Einsatz schlagkräftigster Mittel ggf. auch mit explosiver Wirkung zur Erfüllung der polizeilichen Aufgabe als alternativlos darstellt.454 In diese Richtung lässt sich weiterhin gegen die generelle Unvereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG ausführen, dass der Störer, gegen den ein solches Mittel eingesetzt werden soll, üblicherweise selbst „die Notwendigkeit des staatlichen Eingreifens herbeigeführt“ hat.455 Er kann dieses grundsätzlich auch „jederzeit [. . .] wieder abwenden“, indem er von der Verwirklichung seiner Tat Abstand nimmt.456 Der Täter bestimmt den Geschehensablauf in der Regel also maßgeblich selbst und so kann kaum von seiner Objektivierung die Rede sein, wenn er die Notwendigkeit zum Einsatz schlagkräftigster Mittel herbeiführt.457

450 In diese Richtung mit einer an der Menschenwürde orientierten, aber leider nur wenig begründeten Argumentation Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 13 f., 21, 26. Im Wesentlichen folgend Schnupp, Zur Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Polizei, in: Die Polizei 1971, 304 (304); m.w. N. Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 190 f. 451 Vgl. Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 13 f., 21, 26. 452 Ibid. 453 Vgl. Wacke, JZ 1962, 137 (144); Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 195; Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 27. 454 Vgl. etwa BVerfGE, 132, 1 Rn. 81 und ähnlich BVerfGE 115, 118 (141, 150 f., 162 ff.). 455 Das Bundesverfassungsgericht prüft die gezielte Tötung am Maßstab des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG i.V. m. der „eng verknüpften Menschenwürdegarantie“, vgl. BVerfGE 115, 118 (152, 161 ff., 164); 132, 1 Rn. 81. 456 Vgl. BVerfGE 115, 118 (164); 132, 1 Rn. 81. 457 Vgl. BVerfGE 115, 118 (164); 132, 1 Rn. 81; Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 70; Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Rn. 19; Starck, in: Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 1 GG, Rn. 78.

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Solche Mittel sollen außerdem nicht zielgerichtet angewendet werden, um besondere Qualen oder Leid beim Störer zu verursachen, sondern dienen der Lebensrettung Unbeteiligter. Die verursachte Tötung ist somit nur eine unausweichliche Nebenfolge des Zwangsmitteleinsatzes, auf die es dem Staat nicht ankommt, welche aber zur Gefahrenabwehr hingenommen werden muss.458 Die Überzeugungskraft dieser Gegenargumentationsreihe ist allerdings dadurch geschwächt, dass schlüssige Beispiele für Situationen, die den Einsatz von Explosivwaffen gegen Menschen im nicht-militärischen Bereich ohne denkbare Alternative erfordern, kaum zu finden sind. Nur Wenige formulieren mögliche Anwendungsfälle ausdrücklich. Wacke und Keidel nennen Beispiele, bei denen sich Störer in Deckung befinden.459 Das bayerische Innenministerium sieht ähnlich Anwendungsfälle, „wenn sich schwer bewaffnete Terroristen alleine in Gebäuden verschanzen“.460 Es wird indessen nicht weiter begründet, warum allein die Deckung eines Störers seine augenblickliche Tötung erfordert und warum jegliche Alternative ausscheidet, etwa der Einsatz von Reizgas o. Ä. Auch der bayerische Landesgesetzgeber versucht sich an der Beispielsfindung und will als Waffe missbrauchte Lkw vor Weihnachtsmärkten mit Explosivwaffen stoppen, blendet die Gefahr für Unbeteiligte allerdings vollkommen aus.461 Selbst der Abschuss eines entführten Passagierflugzeugs durch die Bundeswehr auf Aufforderung der Polizei lässt sich durch die Bordkanone eines Abfangjägers durchführen und müsste nicht zwingend durch eine explosive Luft-Luft-Rakete erfolgen.462 Obwohl in beiden Fällen die Flugzeugentführer letztendlich getötet werden, müsste ihr Tod also nicht durch eine möglicherweise unwürdige Explosion verursacht werden. Wenn auch die mögliche Existenz schlüssiger Szenarien auf der anderen Seite nicht vollkommen bezweifelt werden kann, wirkt die Argumentation mangels ersichtlicher Anwendungsfälle doch erheblich entkräftet.463

458 Mit solcher Argumentation gegen den Würdeverstoß beim Einsatz schlagkräftigster Mittel gegen Terroristen Burkiczak, VR 2004, 379 (385). Gegen diese Argumentation Merkel, JZ 2007, 373 (380). 459 Wacke, JZ 1962, 137 (144); Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 195. 460 So der damalige bayerische Innenminister Herrmann, abrufbar unter https:// www.bayern.de/innenminister-herrmann-zu-neuerungen-im-polizeiaufgabengesetz (abgerufen am 29.04.2021); ebenso Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 78 Rn. 24. 461 Vgl. Bayerische LT-Drs. 17/20425, S. 90. Zum Problem der Umfeldgefährdung noch infra B. II. 2. b) bb). 462 Der Abschuss eines Passagierflugzeugs muss – unabhängig von der Frage, mit welchem Mittel das geschehen soll – ohnehin unterlassen werden, soweit Unbeteiligte gefährdet werden, vgl. BVerfGE, 115, 118 (151 f.). 463 Kritik in eine ähnliche Richtung bei Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1684).

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(3) Drohende Handlungsunfähigkeit des Staates Weiterhin lässt sich gegen die Unvereinbarkeit von Explosivmitteln mit Art. 1 Abs. 1 GG anbringen, dass der Staat für den Fall der Unzulässigkeit solcher Mittel in Ausnahmefällen machtlos wäre. Er müsste im Ergebnis möglicherweise untätig hinnehmen, dass der Störer Unbeteiligte seinerseits in menschenunwürdiger Art und Weise behandelt und somit Unrecht geschehen lassen. Die unbedingte Gewährleistungspflicht der Menschenwürde gegenüber Dritten kann deswegen ausnahmsweise dafür sprechen, gegen Störer besonders effektiv, ggf. mit Explosivmitteln vorzugehen.464 Gegen dieses Argument lässt sich allerdings anführen, dass die Pflicht zur Gewährleistung der Menschenwürde jedenfalls nicht so weit gehen kann, dass der Staat dazu seinerseits die Menschenwürde verletzt.465 Außerdem kann auch hier entgegengebracht werden, dass Fälle, bei denen der Staat mangels zulässiger Explosivmittel Unrecht geschehen lassen müsste, kaum ersichtlich sind. (4) Unerträgliche Qualen? Schließlich wird die bewusste Tötung eines Menschen als ultima ratio auch mit anderen schlagkräftigen Zwangsmitteln für vereinbar mit der Menschenwürdegarantie gehalten, beispielsweise beim finalen Rettungsschuss mit einem Hochleistungspräzisionsgewehr.466 Es erscheint deswegen zumindest fraglich, ob die Beibringung einer tödlichen Verletzung durch Explosion grundlegend anders zu beurteilen ist. In beiden Fällen tritt bei ungestörter Waffenwirkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der sofortige Tod des Störers ein, sodass der betroffene Mensch das ihm zugefügte Leid nicht mehr wahrnehmen können wird.467 Unnötige Qualen werden also in der Regel vermieden. Soweit die absichtliche Tötung eines Menschen ausnahmsweise notwendig erscheint, lässt sich dieser Aspekt ebenso für die Unschädlichkeit des Einsatzes von Explosivmitteln in Ausnahmefällen anführen. Allerdings funktioniert der Zwangsmitteleinsatz nicht immer wie geplant. Detoniert eine Sprenggranate beispielsweise außerhalb ihres tödlichen Wirkradius

464 Vgl. nicht explizit nur für den Gebrauch von Explosivwaffen Frenz, DÖV 2015, 305 (306), welcher zur Gewährleistung der effektiven Gefahrenabwehr u. a. bei Terrorlagen auch eine Abwägung von Menschenwürde gegen Menschenwürde ausnahmsweise für möglich hält. In eine ähnliche Richtung Hillgruber, JZ 2007, 209 (209 ff., 214 ff.). 465 Zu den Grenzen der staatlichen Gefahrenabwehr infra C. 466 Dazu etwa Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 949 ff.; Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Rn. 19; Starck, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, Art. 1 Rn. 78. Zur a. A. m.w. N. Rupprecht, JZ 1973, 263 (265). 467 Der sichere Tod tritt in der Regel nur innerhalb eines bestimmten Radius ein, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 279.

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oder wird ihre Wirkung durch Hindernisse blockiert, so könnte der betroffene Mensch schwer verletzt überleben und daraufhin schlimmste Qualen erleiden.468 Die verbleibende, nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit solcher Folgen469 kann jedenfalls nicht ausgeblendet werden, sodass die mangelnde Kontrollierbarkeit der explosiven Wirkung die unbedingte Gewährleistungspflicht der Menschenwürde im Einzelfall tatsächlich tangieren kann. Es kann deswegen nicht ausschließlich auf die ideale Wirkweise eines Zwangsmittels abgestellt werden, sondern auch drohende, nicht intendierte Fehlwirkungen müssen in die Bewertung zulasten einer Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG miteinbezogen werden. bb) Unzulässige Gefährdung Unbeteiligter (1) Gefährdungsabwägung Die Entscheidung, ob der Einsatz von Explosivmitteln gegen Störer für sich betrachtet mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar ist, kann hier aber dahinstehen. Die gegen die Unwürdigkeit geäußerten Argumente470 können nämlich nicht darüber hinweghelfen, dass Explosivmittel aufgrund ihrer unterschiedslosen Wirkung in aller Regel auch Unbeteiligte erheblich gefährden.471 Diese Nebenfolge des Zwangsmitteleinsatzes kann nicht ausgeklammert werden. Selbst wenn eine besonders harte Behandlung des Täters möglicherweise in Ausnahmesituationen nicht vollkommen ausgeschlossen ist, gilt das nicht für Unbeteiligte. Beim Einsatz von Explosivmitteln müsste ihr Gefährdungsrisiko dennoch abgewogen werden. Eine solche Abwägung der betroffenen Menschenleben ist mit Art. 1 Abs. 1 GG jedoch unvereinbar.472 Unbeteiligte haben nicht zur Entstehung einer Gefahrenlage beigetragen und müssen deshalb von einer potentiell tödlichen Gewaltan468 Vgl. mit Beispielen, bei denen von Terroristen verursachte Explosionen nicht zum sofortigen Tod der Opfer geführt haben, Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 275. 469 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 279. 470 Siehe supra B. II. 2. b) aa). 471 In dieser Hinsicht überzeugt die von Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 21, 25 f., 27 (vgl. supra B. II. 2. b) bb) (1)) angeführte Argumentation. A. A. nicht nachvollziehbar die Gesetzesbegründung zur BayPAG-Reform: „Während beim Einsatz eines Maschinengewehrs eine hohe Streubreite zu erwarten steht, ermöglicht der Einsatz von Explosivmitteln, insbesondere wenn diese gezielt aus Schusswaffen oder besonderen Abschussvorrichtungen verschossen werden, ein eher punktuelles Tätigwerden, bei dem die Gefährdung oder gar Schädigung Unbeteiligter eher ausgeschlossen oder vermieden werden kann“, vgl. Bayerische LT-Drs. 17/20425, S. 90. 472 Vgl. BVerfGE 115, 118 (152 ff.); Höfling, in: Sachs, GG Kommentar, Art. 1 GG Rn. 22; Antoni, in: Hömig/Wolff, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1, Rn. 5; in diese Richtung Kersten, NVwZ 2005, 661 (662 f.). Gegen den kategorischen Ausschluss einer solchen Abwägung Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rn. 96; Frenz, DÖV 2015, 305 (306); Isensee, in: Festschrift Jakobs, 2007, S. 205 (224 f.); Bremer, Das Recht der Polizei zum Waffengebrauch, S. 40.

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wendung verschont werden, damit nicht insofern eine unzulässige Objektivierung droht.473 Die erhebliche Gefährdung Unbeteiligter ist deswegen auch dann unzulässig, wenn sie der Rettung anderer dient.474 Der Staat muss sie schützen und darf sie nicht zum Wohle anderer opfern, nicht auf eine vertretbare Größe reduzieren.475 Ein Einsatz solcher Mittel muss wegen Art. 1 Abs. 1 GG also immer dann unterlassen werden, wenn Unbeteiligte erheblich gefährdet werden könnten. (2) Verfassungsmäßiger Einsatz praktisch undenkbar Es hat sich bereits gezeigt,476 dass ein Fallbeispiel, bei dem die gezielte Tötung eines Menschen durch seine Sprengung unausweichlich erscheint, kaum zu finden ist. Noch erheblich schwieriger wird die Suche nach einem Anwendungsfall, für den zusätzlich der Ausschluss der Gefährdung Unbeteiligter gewährleistet ist.477 Deswegen ist der Rückgriff auf Explosivmittel für die Polizei praktisch ausgeschlossen. Selbst wenn der Einsatz solcher Mittel gegen Störer abstrakt denkbar wäre, dürften Explosivmittel wohl dennoch niemals konkret die Waffenkammer verlassen. Im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG erscheint es deswegen generell unverantwortlich, wenn der Staat seinen Bediensteten Mittel zur Verfügung stellt, deren verfassungsmäßiger Einsatz nahezu undenkbar ist.478 Die Gefahr eines Missbrauchs479 und damit einer Gefährdung der Menschenwürdegarantie ist weitaus höher als ein potentieller Nutzen zur Steigerung der Effektivität der Gefahrenabwehr im hypothetischen Einzelfall.480 Setzt der Staat solche Mittel ein, wird er vielmehr zur eigenständigen Gefahr. Explosivmittel mit hohem Vernichtungspotential, die durch ihre spezifische Wirkweise regelmäßig Unbeteiligte erheblich gefährden, namentlich etwa Spreng-/Splitterhandgranaten und Sprenggeschosse, sind deswegen für die Polizei zur Gewährleistung von Art. 1 Abs. 1 GG generell abzulehnen und somit unabhängig vom Einzelfall unzulässig.

473 Das gilt auch dann, wenn die Unbeteiligten sich bewusst in Gefahr gebracht haben oder ohnehin sterben würden, vgl. BVerfGE 115, 118 (158 ff.). 474 Ebenso BVerfGE 115, 118 (154); Hillgruber, in: Seubold, Humantechnologie und Menschenbild, 105 f. 475 Vgl. BVerfGE 115, 118 (154); Hillgruber, in: Seubold, Humantechnologie und Menschenbild, 105 f. 476 Dazu supra B. II. 2. b) aa) (2)–(4). 477 In eine ähnliche Richtung Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1684). 478 Ähnlich gegen Sprenggranaten und Panzerfäuste: Hong, Corona-Triage und Menschenwürde (Hyperlink in Fn. 432). 479 Zur Missbrauchsgefahr eingehend infra F. II. 480 Zum Gebot der Effektivität der Gefahrenabwehr infra C.

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c) Zwischenergebnis Aus der unbedingten Gewährleistungspflicht der Menschenwürde lässt sich folgern, dass die Polizei nicht mit Zwangsmitteln ausgerüstet werden darf, die beim Einsatz den Wert- und Achtungsanspruch eines Menschen infrage stellen. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere Explosivmittel zum Einsatz gegen Personen, die aufgrund ihrer spezifischen Wirkweise zwangsweise Unbeteiligte erheblich gefährden, namentlich etwa Spreng-/Splittergranaten und ähnlich wirkende Sprenggeschosse, deswegen bei der Polizei nicht verwendet werden dürfen.

3. Einschüchternde Polizeipräsenzen a) Staatliche Machtdemonstrationen Paramilitärisch anmutende Polizeieinheiten treten mittlerweile vermehrt in der Öffentlichkeit auf.481 Auf diese Weise sollen etwa Großveranstaltungen, Demonstrationen sowie besondere Orte geschützt werden. Für die sächsische Landespolizei zum Beispiel gehört der Einsatz hochgerüsteter Sondereinheiten zur Demonstrationsabsicherung bereits seit dem Jahr 2014 zur Praxis.482 Der Bevölkerung soll verdeutlicht werden, dass eine für jeden denkbaren Zweck einsatzbereite Polizei jederzeit vor Ort ist, sodass sich niemand unsicher fühlen muss.483 Auf der anderen Seite wird der potentielle Täter durch die Zurschaustellung besonders schlagkräftiger Zwangsmittel möglicherweise abgeschreckt, damit Gefahrenlagen letztlich gar nicht entstehen. Im besten Fall muss die Polizeieinheit nicht eingreifen, sondern es bleibt bei der bloßen Präsentation staatlicher Machtmittel (sog. Show of Force).484

481 Kritisch zu dieser Entwicklung und mit Beispielen aus der Praxis Kirsch, Militarisierung des Protest Policing, abrufbar unter https://www.cilip.de/2017/11/27/mili tarisierung-des-protest-policing-polizeikrieger-als-autoritaere-konfliktloesungsstrategie/ (abgerufen am 04.05.2021); Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung, abrufbar unter https://www.juwiss.de/101-2017/ (abgerufen am 04.05.2021); Pichl, Abschreckung im Vorfeld – Zur show of force des Staates bei Versammlungen, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/abschreckung-imvorfeld-zur-show-of-force-des-staates-bei-versammlungen/ (abgerufen am 04.05.2021). 482 Dazu etwa Sächsisches Staatsministerium des Innern, Antwort v. 09.10.2017 auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Lippmann, LT-Drs. 6/10668 v. 08.09.2017; vgl. die mediale Berichterstattung zu einem SEK-Einsatz in Wurzen, wo paramilitärisch anmutende Polizeibeamte für Versammlungsteilnehmer wahrnehmbar mit offen präsentierten Sturmgewehren aufgetreten sind, vgl. Spiegel Online v. 20.02.2018, Fragwürdiges Symbol an der Uniform – Polizei bestraft SEK-Beamten, https://www.spiegel.de/pano rama/gesellschaft/wurzen-in-sachsen-sek-polizist-wegen-odin-symbol-bestraft-a-11944 49.html (abgerufen am 04.05.2021). 483 Vgl. Schewe, Das Sicherheitsgefühl und die Polizei, S. 32 f., 41 ff. 484 Vgl. ibid., S. 18, 41 ff.; mit diesem Begriff auch OVG Greifswald, Urt. v. 15.07. 2015 – 3 L 9/12, Rn. 6, 73, juris.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

b) Steigerung des Sicherheitsgefühls? Allerdings wird in den meisten Fällen eine Gefahrensituation, welche den Einsatz einer militarisierten Polizei tatsächlich erfordert, nicht vorliegen. Ist das Entstehen einer besonderen polizeilichen Gefahrensituation unwahrscheinlich, so dient die Präsenz der militarisierten Polizei nicht zwingend der objektiven Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, sondern hauptsächlich der Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Bevölkerung, welches beispielsweise durch die permanente Angst vor islamistischen Terroranschlägen beeinträchtigt sein kann.485 Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung als solches ist allerdings ein Faktor, welcher nur schwer zu erfassen, zu beschreiben oder gar logisch zu erklären ist.486 So besteht kein proportionaler Zusammenhang zwischen objektiver Gefährdung und persönlich empfundener Unsicherheit.487 Das Sicherheitsgefühl zu steigern, ist deswegen nicht einfach. Wie die militarisierte Polizei als dazu gewähltes Mittel in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird und welche sonstigen Auswirkungen damit verbunden sind, lässt sich nur schwer voraussagen. c) Nicht nur potentielle Täter werden eingeschüchtert Aufgrund dieser Schwierigkeiten trägt die Präsenz der Polizei nicht immer zum positiven Sicherheitsgefühl bei. Denn manche Bürger fühlen sich gerade erst durch den massiven Polizeieinsatz unsicher.488 Das kann unterschiedliche Gründe haben. Die Anwesenheit paramilitärischer Einsatzkräfte kann etwa das Vorliegen einer gefährlichen polizeilichen Ausnahmesituation suggerieren und den Bürger so verängstigen.489 Auch könnten sich Bürger in die Nähe von Schwerverbrechern und Terroristen gerückt fühlen, wenn eine zur Auflösung absoluter Sonderlagen ausgerüstete Polizei anrückt.490 Ein offen präsentiertes Maschinengewehr ist überdies aufgrund seiner bekannten Wirkweise geeignet jede Person einzuschüchtern, nicht nur den potentiellen Täter. Ebenso verhält es sich mit einem im Rahmen der Amtshilfe bei der Bundeswehr angeforderten Mehrzweckkampfjet des Typs PA-200 Tornado, der im Tiefflug Demonstrationsteilnehmer mit „ohrenbetäubendem Lärm“ überfliegt.491 485

Vgl. Schewe, Das Sicherheitsgefühl und die Polizei, S. 41 ff., 44, 111. Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten vgl. ibid., S. 18 ff. 487 Ibid., S. 111. 488 Mit ähnlichen Bedenken Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12). 489 So auch Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung (Hyperlink in Fn. 481). 490 Ibid. 491 In diesem Fall geht das BVerwG aufgrund der verbundenen Einschüchterungswirkung zwar von einem Eingriff aus, sieht im Tornadoüberflug wenig überzeugend aber 486

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d) Mittelbar-faktische Eingriffe in Grundrechte Wenn die Polizei entgegen ihrer eigentlichen Absicht auch Unbehagen auslöst, bedrohlich wirkt oder gar einschüchtert und somit Bürger in ihrem Verhalten beeinträchtigen könnte, dann drohen rechtfertigungsbedürftige, mittelbar-faktische Eingriffe in die Grundrechte. Die dahinterstehende Problematik wurde in der rechtswissenschaftlichen Diskussion bisher vor allem im Kontext der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) thematisiert, geht in ihrer Bedeutung aber darüber hinaus.492 aa) Bewertungsmaßstab Allerdings erscheint nicht jedes polizeiliche Auftreten dazu geeignet, grundrechtlich geschütztes Verhalten derart zu beeinträchtigen, dass ein Eingriff die Folge wäre. Das ist vor allem dann problematisch, wenn sich die staatliche Machtdemonstration als Realakt nicht unmittelbar gegen den rechtschaffenden Bürger richtet, sondern dort nur mittelbar-faktische Auswirkungen entfaltet; mithin ein klassischer Eingriff 493 nicht vorliegt. In diesen Fällen lassen sich die Grundsätze des erweiterten Eingriffsbegriffs heranziehen.494 Darauf aufbauend dennoch keinen (unzulässigen) Einsatz der Streitkräfte im Innern, vgl. BVerwG, NJW 2018, 716 Rn. 31 ff., 43. Das wirkt vor allem deswegen befremdlich, weil der Rückgriff auf ein Mehrzweckkampfflugzeug der Bundeswehr im konkreten Einzelfall sowohl aufgrund des Erscheinungsbilds (Show-of-Force im militärischen Tiefflug) als auch aufgrund der Bewaffnung (der Tornado verfügt zumindest über eine fest installierte Bordkanone des Typs Mauser BK-27mm, vgl. die Homepage der Bundeswehr, abrufbar unter https://www.bundeswehr.de/de/ausruestung-technik-bundeswehr/luftsysteme-bundes wehr/pa-200-tornado, abgerufen am 08.12.2021) „spezifisch militärische Elemente“ aufweist, die richtigerweise deutlich für den Einsatzcharakter dieser Maßnahme sprechen, sodass ein Rückgriff auf Art. 35 Abs. 1 GG ausscheidet, vgl. Epping, in: BeckOK, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 18; supra B. I. 2. c). Bereits gegen eine Eingriffswirkung noch die Vorinstanz, vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.07.2015 – 3 L 9/12, Rn. 59 ff., juris. 492 Zuletzt mit ähnlichen Bedenken Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12); Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung (Hyperlink in Fn. 481). Winkler/Bollmann, a. a. O., führen dafür als markantes Beispiel den von paramilitärisch anmutender Polizeipräsenz dominierten Weihnachtsmarkt an, welche sowohl die Besucher abschreckt (möglicher Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG) als auch geeignet erscheint, die Einnahmen der Standbetreiber zu mindern (möglicher Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG). In den Fällen des Tornadoüberflugs und der Polizeisondereinheit zur Versammlungsabsicherung droht insbesondere ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG. 493 Zum klassischen Eingriff vertiefend Hufen, Staatsrecht II, S. 100 Rn. 5. 494 Unter gewissen Voraussetzungen kann grundsätzlich jedes staatliche Handeln mit einem Eingriff verbunden sein, vgl. zum erweiterten Eingriffsverständnis etwa Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 51 Rn. 25 ff.; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313 (passim); Epping, Grundrechte, Rn. 393; Mannsen, Staatsrecht II, Rn. 150 ff. A. A. hinsichtlich Art. 2 Abs. 1 GG Höfling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar GG, Art. 2 Rn. 61 f. m.w. N.; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 421 ff. Zur a. A. in Bezug auf Art. 12 GG vgl. BVerfGE 95, 267 (302); dazu m.w. N. Epping, Grundrechte, Rn. 399 f.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

existieren zur Beantwortung der Frage, wann eine solche Maßnahme mit einem Eingriff verbunden ist, unterschiedliche Bewertungskriterien,495 die sich aber für Fälle staatlicher Machtdemonstrationen nicht als gleichermaßen hilfreich darstellen: (1) Hier nur wenig hilfreiche Bewertungskriterien (a) Finalität; Unmittelbarkeit; Zurechenbarkeit In der Regel wenig hilfreich ist zunächst ein Abstellen auf die Finalität der Maßnahme, also darauf, ob eine Grundrechtsverkürzung staatlicherseits bezweckt wurde.496 Staatliche Machtdemonstrationen sollen – wenn überhaupt – Täter abschrecken, nicht aber unbeteiligte Bürger,497 sodass dieses Kriterium regelmäßig nicht erfüllt sein wird. Betroffene Bürger können sich dennoch eingeschüchtert fühlen und von grundrechtlich geschütztem Verhalten Abstand nehmen, auch wenn diese Wirkung nicht oder jedenfalls nicht ihnen gegenüber intendiert war.498 Ebenso wenig hilft das Kriterium der Unmittelbarkeit, demzufolge die Länge der Kausalkette zwischen dem staatlichen Handeln und der Grundrechtsbeeinträchtigung betrachtet werden kann,499 da polizeiliche Machtdemonstrationen grundsätzlich ohne weitere Zwischenschritte gegen den Bürger wirken, sobald sie wahrgenommen werden. Wird primär auf dieses Kriterium abgestellt, droht hier eine regelmäßig zu weitgehende Eingriffswirkung. Weil eine polizeiliche Präsenz in der Regel unzweifelhaft dem Staat zugeordnet werden kann, scheidet aus dem gleichen Grund auch ein Abstellen auf die staatliche Zurechenbarkeit aus.500 495 Dazu vgl. Manssen, Staatsrecht II, Rn. 150 ff.; Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Vorb. Art. 1 GG, Rn. 125 ff.: „Insgesamt herrscht unverändert weder Klarheit noch Einigkeit über die genauen Konturen eines erweiterten Eingriffsbegriffs“; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, 373 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 42 ff., 70 ff.; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 47 ff., 236 ff.; Discher, JuS 1993, (463) 463 ff.; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S. 33 ff., 225 ff., 298 ff. m.w. N.; Albers, DVBl 1996, 233 ff.; BVerfGE 105, 279 (303); 105 (252 ff.). 496 So Manssen, Staatsrecht II, Rn. 152. 497 Sollte der Staat mit einer bestimmten Maßnahme bewusst auch unbeteiligte Bürger einschüchtern wollen, so wäre in diesem Fall grundsätzlich von einem Eingriff auszugehen, vgl. dazu allgemein Manssen, Staatsrecht II, Rn. 152; Epping, Grundrechte, Rn. 392 ff., 568. 498 Deswegen kann das Merkmal der Finalität im Einzelfall verzichtbar sein, ebenso Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 51 Rn. 26; Sachs, Grundrechte II, S. 134 Rn. 20; Hobusch, JA 2019, 273 (279). 499 Zum Kriterium der Unmittelbarkeit allgemein Manssen, Staatsrecht II, Rn. 152: „Je länger die Kausalkette zwischen dem staatlichen Handeln und der Grundrechtsbeeinträchtigung ist, desto mehr spricht dies gegen die Annahme eines Grundrechtseingriffs“; abgelehnt bei Hufen, Staatsrecht II, S. 102 f. Rn. 11; Sachs, Grundrechte II, S. 134 Rn. 20. 500 Zum Kriterium siehe der Zurechenbarkeit siehe Hufen, Staatsrecht II, S. 102 f. Rn. 11; Sachs, Verfassungsrecht II, S. 133 Rn. 18 f.

II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel

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(b) Subjektives Kriterium Auch ein subjektivierter Maßstab in der Form, dass ein Eingriff immer dann anzunehmen wäre, „wenn auch nur ein einzelner Bürger sich eingeschüchtert fühlt“, erscheint als ungeeignet.501 Denn bei praxisnaher Betrachtung wird diese subjektive Schwelle sehr schnell erreicht sein. So mancher Bürger fühlt sich womöglich schon durch den bloßen Anblick eines Streifenpolizisten samt Dienstpistole eingeschüchtert. Für andere Bürger mag dafür bereits der Anblick eines Polizeischlagstocks ausreichen und für wiederum andere wirkt schon allein die Anwesenheit unbewaffneter uniformierter Beamter einschüchternd. Bei einem solchen subjektivierten Verständnis ließe sich ein Eingriff wohl immer annehmen. Das würde ebenfalls zu weit gehen und dazu führen, dass bereits die bloße Anwesenheit der Polizei rechtfertigungsbedürftig wäre. Ein derartiges Eingriffsverständnis ist daher abzulehnen. (2) Objektivierter Bewertungsmaßstab (a) Hinreichend intensive Grundrechtsbeeinträchtigung Die bisher dargestellten Kriterien konnten nicht zu einem überzeugenden Abgrenzungsmaßstab beitragen. Um Grundrechtseingriffe durch staatliche Machtdemonstrationen dennoch von bloßen Belästigungen zu differenzieren, lässt sich auf ihre Erheblichkeit abstellen.502 Erreicht eine grundrechtliche Beeinträchtigung demnach beim Betroffenen nach objektiver Betrachtung eine erhebliche Intensität, spricht das ihm gegenüber für einen Eingriff, selbst wenn er nur mittelbar-faktisch wirkt.503 Hierzu ist allerdings weitgehend ungeklärt, wann von einer 501

So aber Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12). Gegen einen subjektivierten Maßstab auch BVerwG, NJW 2018, 716, Rn. 33; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 151. 502 Vgl. allgemein zum Differenzierungskriterium der Erheblichkeit Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 51 Rn. 36; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 151; Epping, Grundrechte, Rn. 568; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313 (314). Bloße „Bagatellen“ führen nicht zu einem Eingriff, vgl. dazu etwa Manssen, a. a. O., Rn. 152; Kloepfer, a. a. O., § 51 Rn. 36. Das gilt grundsätzlich für alle Grundrechte, auch wenn diese Abgrenzung bei Art. 2 Abs. 1 GG aufgrund des weiten Schutzbereichs eine besondere Bedeutung gewinnt, vgl. Epping, a. a. O., S. 568, 393 ff.; Kloepfer, a. a. O., § 51 Rn. 32. A. A. Sachs, Grundrechte II, S. 134 Rn. 20, der eine unzulässige pauschale Verkürzung des Grundrechtschutzes befürchtet; Hobusch, JA 2019, 278 (281), der ausufernden Eingriffen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit begegnet, anstatt diese bereits auf Eingriffsebene auszuschließen. 503 Für eine Differenzierung anhand objektiver Kriterien Manssen, Staatsrecht II, Rn. 151; BVerwG, NJW 2018, 716, Rn. 34, 38. Das BVerfG geht ähnlich von mittelbaren Eingriffen aus, wenn diese „in der Zielrichtung und ihren Wirkungen Eingriffen gleich kommen“, BVerfGE 105, 252 (273); 113, 63 (76); 116, 202 (222); 118, 1 (20). Für einen Eingriff, wenn eine Maßnahme von derartigem Gewicht ist, dass sie einer imperativen Maßnahme gleich kommt Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, Art. 8 Rn. 13. Ähnlich Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung (Hyperlink in Fn. 481). Ist das staatliche Handeln noch nicht er-

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

hinreichenden Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung auszugehen ist; allgemein anerkannte Maßstäbe existieren dazu bisher nicht.504 Es bietet sich allerdings an, dazu mit Teilen der Rechtsprechung auf einen betroffenen Durchschnittsbürger abzustellen. Ein Eingriff wäre demnach anzunehmen, wenn sich die von der polizeilichen Präsenz ausgehende Einschüchterungswirkung als derart intensiv darstellt, dass sich dieser nachvollziehbar an der Wahrnehmung seiner Grundrechte gehindert fühlen könnte.505 So wäre der Gefahr eines ausufernden Eingriffsverständnisses begegnet, indem einzelne besonders empfindliche (aber auch unempfindliche) Positionen ausgeklammert werden. Gleichzeitig hat dieses Verständnis den Vorteil, dass sich weitere objektive Kriterien herausarbeiten lassen, die zur Beantwortung der Frage beitragen können, wann von einem Eingriff auszugehen ist. (b) Eskalatives Verhalten als primäres Bewertungsmerkmal (aa) Eingriff nur bei Hinzutreten besonderer Umstände Da nicht jede Polizeipräsenz im Hinblick auf ihr äußeres Erscheinungsbild oder ihr Verhalten objektiv bedrohlich wirkt, kann die bloße Anwesenheit der Polizei grundsätzlich noch nicht zum Erreichen der Erheblichkeitsschwelle ausreichen.506 Vielmehr müssen für die Annahme eines Eingriffs besondere Umstände hinzutreten. Dazu lässt sich vor allem darauf abstellen, ob die Polizei im Einzelfall deeskalierend im Hintergrund agiert oder ob sie sich offen zur Eskalation bereit präsentiert.507 Denn ein eskalatives Verhalten verdeutlicht die Bereitfolgt, kann anhand der erwarteten Intensität in diese Richtung auf die Vorhersehbarkeit einer erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigung abgestellt werden, vgl. dazu Epping, Grundrechte, Rn. 395, 398. 504 Deswegen wird das Differenzierungskriterium der Intensität teilweise kritisiert, dazu etwa Hobusch, JA 2019, 278 (281); Jarass, AöR 1995, 345 (363). 505 Mit ähnlichem, aber kaum dargelegten Maßstab zur Klärung der Frage, ob ein Tornadoüberflug aufgrund seiner einschüchternden Wirkung als Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG zu werten ist BVerwG, NJW 2018, 716, Rn. 34, 38. Ähnlich für das Abstellen auf einen „verständigen Dritten“ OVG Greifswald, Urt. v. 15.07.2015 – 3 L 9/12, Rn. 59 ff., juris; in eine ähnliche Richtung Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung (Hyperlink in Fn. 481). Allgemein zum modernen Eingriffsbegriff Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313 (313 f.). 506 Hinsichtlich möglicher Eingriffe in Art. 8 Abs. 1 GG wird vertreten, die Anwesenheit der Polizei sei zumindest bei öffentlichen Versammlungen aufgrund ihrer Öffentlichkeit nie eingriffsrelevant, vgl. Friedrichs, Einsatz von „V-Leuten“ durch die Ämter für Verfassungsschutz, S. 96. A. A. mit dem überzeugenden Argument, die Polizei sei aber in der Regel kein Teilnehmer der Versammlung, sondern trete in hoheitlicher Funktion auf BayVGH, Urteil vom 15.07.2008 – 10 BV 07.2143; Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung (Hyperlink in Fn. 481). 507 In diese Richtung auch Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung (Hyperlink in Fn. 481); Pichl, Abschreckung im Vor-

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schaft der Polizei, notfalls auch zwangsweise gegen Bürger vorzugehen. Deswegen steigt mit dem Grad der polizeilichen Eskalation untrennbar auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Bürger an der Wahrnehmung ihrer Grundrechte gehindert fühlen werden. (bb) Quantitativer Umfang und Abstand der Polizeipräsenz Das kann an folgenden Beispielen verdeutlicht werden: Eine Polizeieinheit, die eine Versammlung aus 500 Meter Entfernung deeskalativ lediglich beobachtet, wirkt weniger einschüchternd als eine Polizeieinheit, welche sich in nur 10 Meter Entfernung offensiv positioniert. Vereinzelte Polizisten am Rand wirken weniger bedrohlich als eine Hundertschaft auf Patrouille. Zunächst wirken sich hier also zum einen der Abstand der für den Bürger wahrnehmbaren Polizeipräsenz und zum anderen auch ihr quantitativer Umfang aus. (cc) Bewaffnung Gleichzeitig tragen die durch die Polizei präsentierten Zwangsmittel maßgeblich zum polizeilichen Eskalationsgrad bei und müssen daher ebenfalls in die Bewertung einfließen.508 Es lassen sich hier die oben entwickelten Kriterien509 zur Einstufung charakteristisch-militärischer Bewaffnung und Ausrüstung entsprechend nutzbar machen, da mit solchen Mitteln regelmäßig eine deutlich eskalierende Außenwirkung verbunden ist. So wirkt etwa ein Schlagstock aufgrund seines sehr niedrigen Vernichtungspotentials deutlich weniger einschüchternd und noch im Holster eher deeskalierend, während ein offen präsentiertes Sturmgewehr viel bedrohlicher wirkt. Der Einsatz gepanzerter und bewaffneter Waffensysteme, zum Beispiel des Typs Survivor R,510 verdeutlicht die Einsatzbereitschaft einer staatlichen Übermacht gegenüber dem Bürger in außergewöhnlich intensiver Form und wirkt deswegen in der Regel besonders einschüchternd. Die Einschüchterungswirkung kann durch den konkreten Umgang mit den gewählten Mitteln noch weiter gesteigert werden, etwa wenn charakteristisch-militärische Mittel nicht nur präsentiert werden, sondern ihr Einsatz auch angedeutet oder gar angedroht wird. Gerät zum Beispiel eine Demonstration zunehmend außer Kontrolle und werden erste leichte Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten feld – Zur show of force des Staates bei Versammlungen (Hyperlink in Fn. 481); Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12). Zu eskalierendem Polizeiverhalten allgemein Hücker, Rhetorische Deeskalation, S. 32 ff. 508 Vgl. die supra in Fn. 507 genannten Quellen. Zu eskalierendem Polizeiverhalten allgemein Bernt/Kuhleber, Die Polizei 1991, 219 (219 ff.). Zum ähnlichen Problematik beim Einsatz sog. „Body-Cams“ Kipker/Gärtner, NJW 2015, 296 (297 ff.). 509 Zu diesen Kriterien supra B. I. 2. c). 510 Zu bewaffneten und gepanzerten Einsatzfahrzeugen noch eingehend infra D. V.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

begangen, kann das frühe Anrücken einer mit Sturmgewehren bewaffneten Polizeieinheit nachvollziehbar zu der Befürchtung der Demonstrationsteilnehmer führen, dass die Polizei solche Mittel auch gegen sie einsetzen könnte. Das kann Angst bis hin zu Panik verursachen, weshalb diese Mittel als Konflikt-Beschleuniger511 wirken. Ähnlich verhält es sich, wenn die präsentierten Zwangsmittel aufgrund ihrer Wirkweise mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Unbeteiligte treffen könnten. Rüstet man die Polizisten also mit Granatwerfern samt Sprenggranaten aus, müssen aufgrund der unbeherrschbaren Wirkweise auch gänzlich unbeteiligte Bürger Verletzungen befürchten, selbst wenn die Polizei diese nur gegen Störer einsetzt. (dd) Sonstiges Erscheinungsbild Auch abseits der Bewaffnung kann vom restlichen Erscheinungsbild der Polizei eine eskalierende Wirkung ausgehen, insbesondere durch die Verwendung militärisch anmutender Uniformen, Körperpanzerungen, Formationen und Vermummungen.512 Nimmt die Polizei bei einem Einsatz deswegen paramilitärische Züge an, so entsteht nach außen der Eindruck, dass eine außergewöhnliche katastrophenähnliche bzw. kriegsähnliche Situation vorliegt, die eine militärische Art und Weise der Gefahrenabwehr erfordert.513 Das Suggerieren einer solchen Situation wirkt einschüchternd und bedrohlich. Das sich Bürger dadurch an der Wahrnehmung eines grundrechtlich geschützten Verhaltens gestört fühlen können, ist nachvollziehbar und beeinflusst ebenfalls die Erheblichkeit einer polizeilichen Präsenz zugunsten einer Eingriffswirkung. (ee) Unbeachtliche Faktoren Für das von einer Polizeieinheit ausgehende Einschüchterungspotential ist allerdings irrelevant, ob ihre Ausrüstung tatsächlich funktioniert oder ob sie diese überhaupt einsetzen möchte. Es macht für die einschüchternde Außenwirkung der Polizei nämlich keinen Unterschied aus, ob ein Sturmgewehr mit Deformationsgeschossen oder Übungsgeschossen, möglicherweise auch gar nicht geladen ist. Ein Schützenpanzer, welcher mit lafettierten Maschinengewehren ausgerüstet ist, wirkt nicht weniger bedrohlich, nur weil keine Munition mitgeführt wird oder weil die Bewaffnung nicht eingesetzt werden soll. Die allermeisten wehrtechnischen Feinheiten (etwa der Ladezustand der Schusswaffe) werden für den in diesem Bereich üblicherweise ungebildeten Durchschnittsbürger genauso wenig er511

Vgl. Hücker, Rhetorische Deeskalation, S. 33. Ähnlich lassen sich auch Körperhaltung, Mimik, Gestik und Sprache der Polizeibeamten betrachten, vgl. Jäger, Die Polizei 1991, 213 ff. Zu diesen Aspekten im Kontext des Trennungsgebots supra B. I. 2. 513 Ähnlich Franke, Grenzen der Abschreckung – Versammlungsfreiheit und polizeiliche Aufrüstung (Hyperlink in Fn. 481). 512

II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel

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kennbar sein wie der in der Regel nicht offen kommunizierte Einsatzwille im Hinblick auf bestimmte Ausrüstung oder Einheiten.514 Zudem lassen sich Missbrauchsszenarien nicht ausschließen.515 Diese Aspekte können daher grundsätzlich nicht in die Abwägung eingestellt werden, jedenfalls solange sie nicht völlig offensichtlich sind. (c) Gesamtwürdigung der konkreten Einsatzumstände Je höher also der durch die Polizei gewählte und nach außen objektiv wahrnehmbare Eskalationsgrad516, desto eher kann davon ausgegangen werden, dass die Polizei aufgrund der ihr zukommenden einschüchternden Wirkung Bürger an grundrechtlich geschütztem Verhalten hindert – und desto eher ist demnach von einem Eingriff auszugehen. Wann das allerdings im Einzelfall anzunehmen ist, lässt sich nicht generalisieren, sondern kann nur anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände bewertet werden.517 So lässt es sich etwa nicht sagen, dass die Präsenz einer mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizei schlechthin immer mit einem Eingriff verbunden wäre, obwohl ihre Bewaffnung isoliert für eine einschüchternde Wirkung sprechen kann.518 Denn dagegen müssten in die Abwägung ggf. auch ausgleichende Aspekte einbezogen werden. Zum Beispiel könnte ein bewusst eingeräumter, großzügiger Abstand der Polizei zum Bürger noch deeskalativ wirken. Möglicherweise ist im Einzelfall auch tatsächlich offensichtlich erkennbar, dass die mitgeführte Bewaffnung nicht eingesetzt werden kann oder soll, etwa wenn sie in verschlossenen Tragetaschen auf dem Rücken transportiert wird. Es müssen im Rahmen dieser Betrachtung also immer sowohl eskalative als auch deeskalative Faktoren abgewogen werden. bb) Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung Führt eine einschüchternde Maßnahme der Polizei nach den eben dargestellten Kriterien zu einem Eingriff, so kann dieser grundsätzlich unter Beachtung der für das jeweilige Grundrecht maßgeblichen Anforderungen gerechtfertigt werden. Im 514 A. A. OVG Greifswald, Urt. v. 15.07.2015 – 3 L 9/12, Rn. 59 ff., juris, wonach es darauf ankommen soll, ob ein „verständiger Dritter“ den tatsächlichen Einsatz des Mittels u. a. in rechtlicher Hinsicht erwarten durfte. So soll im Fall des Tornado-Überflugs (dazu supra Fn. 491) erkennbar gewesen sein, dass es sich nicht um einen (unzulässigen) Kampfeinsatz der Bundeswehr handelte, sondern lediglich um eine unterstützende Handlung auf Anforderung der Polizei. Insbesondere deswegen soll kein Eingriff vorgelegen haben. Ebenso a. A. mit der Argumentation, eine ggf. abschreckende Ausrüstung müsse auch hinreichend erkennbar sein VG Schwerin, Urt. v. 29.09.2011, AZ VG 1 A 799/07, Rn. 55. 515 Zu missbräuchlichem Polizeiverhalten noch eingehend infra F. 516 Im polizeilichen Kontext wird auch von der „Eskalationstreppe“ gesprochen, vgl. Hücker, Rhetorische Deeskalation, S. 33 f. 517 Praktisch angewendet bei BVerwG, NJW 2018, 716, Rn. 34 ff. 518 Zur einschüchternden Wirkung von Maschinenpistolen infra D. II. 5.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Rahmen der Rechtfertigungsprüfung wird in der Regel danach zu differenzieren sein, ob die spezifische Maßnahme der Polizei der Abwehr einer konkreten Gefahr dient ((1)) oder sich im Gefahrenvorfeld abspielt ((2)): (1) Zur Abwehr einer konkreten Gefahr Soweit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Einzelfall vorliegt, lassen sich Maßnahmen mit Einschüchterungswirkung grundsätzlich auf die polizeilichen Generalklauseln stützen. Im Rahmen der Rechtfertigung verbundener Eingriffe kommt es dann im Wesentlichen darauf an, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i. w. S. gewahrt wird. Hierfür muss beachtet werden, dass sich die zulässige Intensität der staatlichen Einschüchterungswirkung an der Bedeutung des bedrohten Rechtsguts und ebenso am Grad seiner Gefährdung orientiert.519 Sowohl das im Einzelfall zulässige polizeiliche Erscheinungsbild als auch das Verhalten am Einsatzort hängen deswegen maßgeblich von Art und Ausmaß der konkret vorliegenden Gefahr ab. Nicht jede Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung rechtfertigt also jede einschüchternde staatliche Maßnahme. Wenn die Polizei mit charakteristisch-militärischen Mitteln anrückt, also solchen Mitteln, von denen objektiv eine besonders intensive Einschüchterungswirkung ausgeht, dann muss vorher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abzusehen sein, dass die polizeiliche Lage den Einsatz solcher Mittel tatsächlich erfordern könnte und auch sonst rechtlich zulässig wäre. Eine Einschüchterung des Bürgers mit Mitteln, deren späterer Einsatz mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtlich ausgeschlossen ist, steht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck der Gefahrenabwehr und ist daher unangemessen.520 Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Bürger durch den Einsatz von Sturmgewehren eingeschüchtert werden, obwohl lediglich die Begehung einer eher unbedeutenden Ordnungswidrigkeit verhindert werden soll. Der Rückgriff auf massivste Zwangsmittel wäre hier deutlich überzogen. Sollte der Einsatz einer militarisierten Polizei dagegen beispielsweise zur Abwehr einer konkreten Terrorgefahr unabdinglich sein, dann werden grundsätzlich sowohl gewollte als auch ungewollte Einschüchterungswirkungen mit Eingriffsrelevanz gegenüber Störern und Unbeteiligten gerechtfertigt sein. (2) Im Gefahrenvorfeld Deutlich schwieriger sind solche Fälle zu bewerten, bei denen das polizeiliche Auftreten mit einer eingriffsrelevanten Einschüchterungswirkung verbunden ist, 519 Hinsichtlich militarisierter Polizeipräsenzen ähnlich Winkler/Bollmann, Militarisierte Polizeipräsenz: Ist das wirklich Sicherheit?, in: LTO v. 03.01.2018 (Hyperlink in Fn. 12). 520 Deswegen ist es etwa unzulässig, Sprenggranaten zur „Abschreckung“ einzusetzen, vgl. Ule, DVBl 1962, 353 (356).

II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel

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eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Einzelfall aber objektiv nicht vorliegt. (a) Generalklauseln setzen üblicherweise konkrete Gefahr voraus Die üblichen polizeilichen Generalklauseln setzen nämlich im Tatbestand grundsätzlich eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung voraus.521 Liegt eine solche Gefahr nicht vor, kann eine eingriffsrelevante Polizeipräsenz deswegen grundsätzlich nicht auf diese Regelungen gestützt werden und sie stellt sich dann in der Regel als rechtswidrig dar, da der verbundene Grundrechtseingriff schon mangels tauglicher Ermächtigungsgrundlage nicht gerechtfertigt werden kann.522 Unzulässig sind hier deswegen von vornherein Machtdemonstrationen, die mit einem Eingriff verbunden sind und lediglich reine Vorsichtsmaßnahmen darstellen oder das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung steigern sollen. Selbst die abstrakte Befürchtung einer allgegenwärtigen Terrorgefahr rechtfertigt hier nichts anderes, denn so kann zwar eine Terrorlage aus dem Nichts und ohne Vorwarnung praktisch immer auftreten, allerdings reicht diese Vorstellung auch hinsichtlich der Gewichtigkeit der zu schützenden Rechtsgüter (in der Regel u. a. die körperliche Unversehrtheit und das Leben) für sich genommen noch nicht für die Annahme einer konkreten Gefahr aus – so weit lässt sich der Gefahrenbegriff nicht ausweiten.523 (b) Ausnahme in Fällen des Gefahrenverdachts? (aa) Verzicht auf Erfordernis einer konkreten Gefahr Lediglich für den besonderen Fall des Gefahrenverdachts wird diskutiert, ob im Einzelfall vom Erfordernis einer konkreten Gefahr abgewichen werden darf.524 Ein Gefahrenverdacht liegt dann vor, wenn nach Vornahme einer entsprechenden Würdigung der Faktenlage aufgrund bestehender Wissensdefizite nicht 521 Soweit nach dem Wortlaut nicht explizit eine konkrete Gefahr gefordert wird (vgl. etwa § 8 Abs. 1 PolG NRW), ist eine solche dennoch grundsätzlich gemeint, vgl. m.w. N. Schenke, JuS 2018, 505 (506). 522 In diese Richtung auch Graulich, Bayern im Windschatten des Bundes, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/neues-polizeigesetz-bayern-befugnissedatenschutz-postgeheimnis-explosivmittel/ (abgerufen am 05.07.2021). 523 Ebenso Griebel/Schäfer, NVwZ 2020, 511 (514); Ogorek, JZ 2019, 63 (66). Solange nicht wenigstens tatsächliche Anhaltspunkte ersichtlich sind, können auch abstrakte terroristische Bedrohungen für die Annahme einer konkreten Gefahr nicht ausreichen, vgl. BVerfGE 115, 320 (364 f.). Allgemein zur Bewertung, wann eine Gefahr vorliegt Schenke, JuS 2018, 505 ff. 524 Zum Gefahrenverdacht Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D. Rn. 51 ff.; Papier, DVBl 1985, 873 (874 f.); Götz, NVwZ 1994, 652 (655); Wapler, DVBl 2012, 86 (87 ff.); Ogorek, JZ 2019, 63 (63 ff.); Weiß, NVwZ 1997, 737 ff.; Poscher, Gefahrenabwehr, S. 151 ff.; Schenke, JuS 2018, 505 (508).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

abschließend geklärt werden kann, ob eine konkrete Gefahr tatsächlich vorliegt oder nicht.525 Hier wird im Wesentlichen argumentiert, dass in dem Gefahrenverdacht eine Art wesensgleiche Vorstufe zur konkreten Gefahr zu sehen sei, welche den Tatbestand der üblichen polizeilichen Generalklauseln ebenso erfülle.526 Das könnte insbesondere relevant werden, wenn Unklarheiten über terroristische Bedrohungslagen bestehen. Der Rückgriff auf den Gefahrenverdacht zur Rechtfertigung von Eingriffen, die durch einschüchternde Polizeimaßnahmen drohen, ist jedoch aus verschiedenen Gründen problematisch. (bb) Handfeste Anhaltspunkte Zunächst muss auch das Vorliegen eines Gefahrenverdachts hinreichend begründet werden. Ebenso wie für die konkrete Gefahr können bloß abstrakte Befürchtungen für den Gefahrenverdacht nicht ausreichen, sondern der Gefahrenverdacht muss auf handfeste Anhaltspunkte gestützt werden.527 Eine eingriffsrelevante Einschüchterung der Bevölkerung durch die Polizei, ohne dass zumindest solche Anhaltspunkte für die Existenz einer konkreten Gefahr vorliegen, ließe sich also auch mit der Rechtsfigur des Gefahrenverdachts nicht rechtfertigen. (cc) Rechtfertigung sog. Gefahrerforschungsmaßnahmen Im Fall des Gefahrenverdachts liegt ein genaues Lagebild nicht vor, sondern dieses muss noch näher ermittelt werden, denn ansonsten bestünde keine Unsicherheit, ob eine konkrete Gefahr anzunehmen ist oder nicht. Aufgrund dieser Unklarheit leitet eine Ansicht die dahin gerichtete Beschränkung ab, dass der Gefahrenverdacht die Polizei lediglich zu sog. Gefahrerforschungsmaßnahmen berechtigen soll.528 Auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr könnte demnach ausschließlich verzichtet werden, soweit die spezifische polizeiliche Maßnahme zur 525 Vgl. Holzner, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 11 Rn. 62; Schenke, JuS 2018, 505 ff.; Wapler, DVBl 2012, 86 (87). 526 Vgl. die supra in Fn. 524 genannten Quellen. 527 Eingehend Schenke, JuS 2018, 505 (508). 528 Dogmatisch wird das unterschiedlich begründet. Zum Teil wird den Generalermächtigungen die stillschweigende Ermächtigung zur Durchführung von Gefahrerforschungseingriffen entnommen. Im Ergebnis ähnlich wird dafür auch mit dem Gewohnheitsrecht argumentiert. Schließlich wird auch die mögliche Ermächtigung aus dem verwaltungsrechtlichen Untersuchungsgrundsatz (vgl. § 24 VwVfG) angeführt. Jeweils m.w. N. zu den diesen Argumentationsversuchen Schenke, JuS 2018, 505 (510 ff.); Mühl/Fischer, in: BeckOK PolR Hessen, HSOG § 1 Rn. 75.1. Dafür, dass der Gefahrenverdacht lediglich zu sog. Gefahrerforschungsmaßnahmen ermächtigen soll Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D. Rn. 49; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 61 ff.; Roller, DVBl 1993, 20 (21); Petri, DÖV 1996, 443 (443 ff.). A. A. und somit gegen die Zulässigkeit sog. Gefahrerforschungsmaßnahmen auf Grundlage der Generalklauseln Schenke a. a. O. 505 (512); Meyer, Jura 2017, 1259 (1269). Gegen die Beschränkung auf Gefahrerforschungseingriffe Papier, DVBl 1985, 873 (875).

II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel

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näheren Aufklärung der Einsatzsituation beiträgt. Nur wenn sich der Gefahrenverdacht daraufhin zur konkreten Gefahr verhärtet, könnten weitergehende, dann regulär auf die Generalklauseln gestützte Maßnahmen unternommen werden. Eine einschüchternde Polizei ließe sich aber nur schwer als bloße Maßnahme zur Gefahrerforschung begreifen, da ihre belastende Wirkung sich nicht nur auf die Erforschung der Lage beschränkt, sondern im Einzelfall weit darüber hinausgehen kann – und das in der Regel auch gegenüber Dritten, auf welche sich der Gefahrenverdacht nicht erstreckt. Nach dieser Ansicht lässt sich der Gefahrenverdacht nicht zur Rechtfertigung einschüchternder Polizeipräsenzen heranziehen. (dd) Rechtfertigung weitergehender Maßnahmen Das wäre nur denkbar, wenn mit einem weitergehenden Verständnis des Gefahrenverdachts durch die wesentliche Gleichsetzung mit der konkreten Gefahr auf eine Beschränkung zur Vornahme von Gefahrerforschungseingriffen verzichtet wird. Der Gefahrenverdacht wird nach der darauf beruhenden Ansicht als Unterfall der Gefahr mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit betrachtet. Er könnte dann grundsätzlich in Verbindung mit der jeweiligen Generalklausel zu jeder Maßnahme im Rahmen der Gefahrenabwehr herangezogen werden.529 Auf der Rechtsfolgenseite wird allerdings betont, dass die Polizei vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in den Fällen, bei denen lediglich ein Gefahrenverdacht vorliegt, besonders zurückhaltend agieren müsse.530 Ein so ausuferndes Verständnis, dass schon der Verdacht für das Vorliegen einer konkreten Gefahr zum unbeschränkten Rückgriff auf die Generalklauseln ermächtigen soll, ist mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes aber nicht zu vereinbaren.531 Soweit die Gesetzgeber bewusst das Bestehen einer Gefahr fordern,532 können zur tatbestandlichen Erfüllung diesbezügliche 529 So Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 479; Holzner, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 11 Rn. 207 ff.; Trurnit, in: BeckOK PolR BW, § 1 Rn. 28.1; Papier, DVBl 1985, 873 (875); Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 11 Rn. 60 ff. A. A. Schenke, JuS 2018, 505 (510 ff.). 530 Vgl. Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 479: die Polizei sei „schon in Ansehung des Übermaßverbots [. . .] gehalten, sich, soweit dies eine effizienter Rechtsgüterschutz zulässt, zunächst auf vorläufige (etwa detailorientierte Gefahrerforschungs-)Maßnahmen zu beschränken [. . .]“; Holzner, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 11 Rn. 207 ff.; Mühl/Fischer, in: BeckOK PolR Hessen HSOG, § 1 Rn. 76; Papier, DVBl 1985, 873 (875); Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 11 Rn. 61. 531 Ebenso Schenke, JuS 2018, 505 (510 ff.); Poscher sieht „unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts“ in den Fällen des Gefahrenverdachts beim Rückgriff auf die Generalklausel nur eine Handlungsermächtigung der Polizei, nicht aber eine korrespondierende Duldungspflicht beim Bürger, vgl. Poscher, NVwZ 2001, 141 (146 Fn. 48). 532 Ebenso Schenke, JuS 2018, 505 (506). A. A. Trurnit, in: BeckOK PolR BW, § 1 Rn. 28.1.; Art. 11 Abs. 3 BayPAG.

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

Ungewissheiten nicht ausreichen.533 Die Schaffung weitergehender Eingriffsbefugnisse in Verdachtsfällen ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers und selbst dort an besondere Anforderungen534 gebunden, was nicht durch eine extensive Auslegung umgangen werden kann.535 Auch eine ggf. strengere Handhabung auf der Rechtsfolgenseite vermag daran nichts zu ändern. Diesem Verständnis folgend wurden bereits gesonderte Ermächtigungsgrundlagen geschaffen, so zum Beispiel in Bayern mit Art. 11 Abs. 3 BayPAG.536 Hier kann nun auch ausdrücklich die „drohende Gefahr“ als gesondert geregelte Form des Gefahrenverdachts ausreichen.537 Selbst wenn ein Gefahrenverdacht dem Tatbestand der Generalklauseln trotzdem genügen sollte, müsste die Polizei, so wie es Vertreter der obigen Ansicht selbst anführen, zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit mit äußerster Zurückhaltung agieren, sodass Einschüchterungen des Bürgers ohnehin grundsätzlich zu vermeiden wären.538 Insbesondere bei der Verwendung charakteristisch-militärischer Zwangsmittel im Gefahrenvorfeld, wie es in der Polizeipraxis immer häufiger vorkommt,539 kann aber kaum von einem zurückhaltenden Verhalten gesprochen werden. Dürfte die Polizei bereits ohne konkrete Gefahr mit den schlagkräftigsten staatlichen Zwangsmitteln überhaupt hantieren, könnte kaum noch von

533 Gegen „ungeschriebene paragesetzliche Ermächtigungen unterhalb der Gefahrenschwelle“ auch Schenke, JuS 2018, 505 (510 ff.); vgl. Meyer, Jura 2017, 1259 (1269); Möstl, Jura 2005, 48 (53 Fn. 43). 534 Damit kein Polizeistaat droht, bei dem der Staat Bürger nach Belieben einschüchtern und überwachen darf, muss für die Schaffung von Ermächtigungsgrundlagen im Gefahrenvorfeld insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden. Bereits die Ermächtigungsgrundlage darf deswegen nicht vollkommen anlasslos zu Handlungen ermächtigen, sondern es muss sich im Rahmen einer vorzunehmenden Prognose ein „wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen“ erkennen lassen, dass später in einer konkreten Gefahr für die Sicherheit und Ordnung münden könnte, vgl. BVerfGE 141, 220 Rn. 111 ff., 152; 110, 33 Rn. 56 f., 61; 113, 348 Rn. 377 f.; 120, 274 Rn. 328 f.; 125, 260 Rn. 330. 535 Ähnlich Schenke, JuS 2018, 505 (510 ff.); Meyer, Jura 2017, 1259 (1270); Wapler, DVBl 2012, 86 (88). 536 Vgl. Holzner, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 11 Rn. 170; Kießling, VerwArch 2017, 282 (285); Meyer, JZ 2017, 429 (430 ff.). Andere einfachgesetzliche Regelungen des Gefahrenverdachts: §§ 16 ff. IfSG, 26 Abs. 1 S. 1 BImSchG, 9 Abs. 2 BBodSchG. 537 Vgl. zur drohenden Gefahr Holzner, DÖV 2018, 946 (946 ff.); Möstl, BayVBl 2018, 156 (156 ff.); Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (677 ff.); Shirvani, DVBl 2018, 1393 (1393 ff.). A. A. Schmidbauer, der die drohende Gefahr nicht als Unterfall des Gefahrenverdachts betrachtet, sondern als eine Gefahr, die „gerade im Entstehen ist“, vgl. Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 11 Rn. 64. 538 So wird hier grundsätzlich eine Beschränkung auf Gefahrerforschungseingriffe angenommen, was direkt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen soll, dazu etwa Papier, DVBl 1985, 873 (875). 539 Vgl. etwa die Darstellung zum Einsatz der neuen BFE+ am Stuttgarter Flughafen infra E. I.

II. Grundrechte als Grenze für den Einsatz militärischer Mittel

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Mitteln für besondere Ausnahmefälle540 gesprochen werden. Die Einschüchterung des Bürgers mit solchen Mitteln ist deswegen so lange unangemessen, bis eine hinreichende Faktenlage ermittelt werden kann, die den Einsatz massivster Mittel stützt. Steht daraufhin eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung fest, könnten polizeiliche Maßnahmen regulär auf die Generalklauseln gestützt werden, ohne dass es dafür der Rechtsfigur des Gefahrenverdachts bedürfte. Liegt also nur ein Gefahrenverdacht vor, aber setzt die vorhandene Rechtsgrundlage eine konkrete Gefahr voraus, können mit einschüchternden polizeilichen Maßnahmen verbundene Grundrechtseingriffe nicht gerechtfertigt werden. Taugliche Ermächtigungsgrundlagen müssen daher noch dort geschaffen werden, wo sie nicht existieren, um solche Maßnahmen durch eine militarisiert auftretende Polizei im Gefahrenvorfeld überhaupt in grundrechtskonformer Art und Weise zu ermöglichen. e) Zwischenergebnis Der Einsatz einer militarisierten Polizei kann mit ambivalenten Auswirkungen auf die Bevölkerung verbunden sein. Während eine massive Polizeipräsenz auf der einen Seite geeignet ist, das Sicherheitsgefühl vieler Bürger zu steigern, können sich auf der anderen Seite manche Bürger geradezu verängstigt, eingeschüchtert oder bedroht fühlen. Zur Klärung der Frage, wann eine einschüchternde Maßnahme der Polizei mit einem Eingriff in verschiedene Grundrechte verbunden ist, kann nur ein objektivierter Maßstab herangezogen werden. Hier muss unter Beachtung von Art und Umfang der für den Bürger wahrnehmbaren Polizeipräsenz eine Gesamtwürdigung der Umstände im Einzelfall zur Beantwortung der Frage vorgenommen werden, ob sich ein Durchschnittsbürger an der Wahrnehmung seiner Grundrechte gehindert fühlen könnte. Für diese Gesamtwürdigung fällt der wahrnehmbare polizeiliche Eskalationsgrad besonders ins Gewicht, welcher sich maßgeblich nach den gewählten Einsatzmitteln (Ausrüstung, Bewaffnung etc.) und dem Vorgehen im Einzelfall bestimmt. Der Einsatz charakteristisch-militärischer Mittel fällt regelmäßig deutlich zugunsten der Annahme eines Eingriffs ins Gewicht. Die tatsächliche Funktionsfähigkeit der gewählten Einsatzmittel oder der Wille zu ihrem Einsatz ist für diese Abwägung allerdings in der Regel irrelevant. Einschüchternde polizeiliche Maßnahmen mit Eingriffsrelevanz lassen sich grundsätzlich unter Beachtung der spezifischen Anforderungen des jeweiligen betroffenen Grundrechts rechtfertigen. Sollten diese zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erfolgen, können sie auf die üblichen polizeilichen Generalklauseln gestützt werden. Je intensiver die objektiv 540

Vgl. zu diesem Ausnahmecharakter supra B. I. 1. a) bb); B. II. 1. b).

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B. Verfassungsrechtliche Grenzen für die Militarisierung der Polizei

einschüchternde Wirkung, welche zu einem Eingriff führt, desto höher stellen sich die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu stellenden Anforderungen dar. Im Gefahrenvorfeld können einschüchternde Maßnahmen nicht auf polizeiliche Generalklauseln gestützt werden, die tatbestandlich eine konkrete Gefahr erfordern. Darüber kann die Rechtsfigur des Gefahrenverdachts nicht hinweghelfen.

C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit? Angesichts moderner Bedrohungslagen und Herausforderungen wird zunehmend auch für eine Militarisierung der Polizei argumentiert. So sollen gegenüber den Polizeibeamten bestehende Schutzpflichten dafür sprechen, für Waffengleichheit zwischen der Polizei und den neuen Tätertypen541 zu sorgen (I.).542 Außerdem seien die beschränkenden Rechtsfolgen des Trennungsgebots543 mit dem staatlichen Auftrag zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung generell unvereinbar (II.).544

I. Waffengleichheit zum Schutz der Polizeibeamten 1. „Leicht rein, tot raus“ Übliche Polizeibeamte bestreiten den Dienst vergleichsweise schwach bewaffnet. Zur Standardausrüstung gehören in der Regel u. a. ein Schlagstock sowie eine Dienstpistole.545 „Hochgerüstete“ Täter verfügen dagegen über ballistische Schutzwesten, Sturmgewehre und Explosivmittel.546 Hier könnte ein gefährlicher Nachteil der Beamten insbesondere im Feuerkampf drohen. Deswegen wird ange541

Zu den neuen Tätertypen supra A. I. Die Literatur verweist lediglich unbestimmt auf staatliche Schutzpflichten, vgl. Riegel, ZRP 1978, 73 (76); Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 930; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (50); Bremer, Das Recht der Polizei zum Waffengebrauch, S. 41. Vgl. auch die Aussagen des damaligen Hamburger Innensenators Grote, in: SHZ v. 14.11.2016 (Hyperlink in Fn. 31); mit einer praktischen Betrachtung Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (16 ff.). In eine ähnliche Richtung Dietz, Das Primat, S. 557, der – allerdings in Bezug auf die Bundeswehr – argumentiert, dass es gegen die Menschenwürde verstieße, würde man eine unterlegene Truppe gegen einen stark überlegenen Feind einsetzen; ähnlich, aber ebenfalls in Bezug auf Soldaten, Gimmler, ÖMZ 05/2017, 628 (628 ff.). 543 Zu diesen Rechtsfolgen supra B. I. 2. 544 Nach Depenheuer sind Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr unbedingt zu vermeiden, vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a, Rn. 16 ff., 24 ff. Vgl. die ähnlichen Fragestellungen bei Bull, in: Hendler/Ibler/Soria, Für Sicherheit, für Europa, S. 343; Fischer-Lescano, KJ 1/2004, 67 (76). In eine ähnliche Richtung, aber in Bezug auf die Streitkräfte Walter, NZWehrr 2013, 221 (235 f.). 545 Vgl. zur Polizeibewaffnung Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (16 ff.). Etwa in Bayern gehört auch eine Maschinenpistole im Kaliber 9 mm x 19 zur Standardausrüstung, dazu Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 78 Rn. 10. 546 Dazu vgl. den Wirkmittelvergleich bei Schmidt/Knopp, CILIP 116/2018, 30 (37). 542

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C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit?

führt, aus verfassungsrechtlichen Schutzpflichten folge die Pflicht des Staates, seine Polizisten auf ein ähnliches Niveau aufzurüsten.547 Eine unterlegene Polizei dürfe gegen moderne Täter nicht in den Einsatz geschickt werden; vielmehr müsse für „Waffengleichheit“ gesorgt werden.548 Mit anderen Worten: Wenn Islamisten mit Schutzwesten und Sturmgewehren des Typs AK-47 in Deutschland Anschläge verüben, dann benötigt die Polizei ebenfalls eine solche Ausrüstung, ansonsten wird das Leben der Polizeibeamten riskiert. Im militärischen Bereich werden Truppenteile von ähnlichen Denkmustern beeinflusst, so etwa die Sondereinheit KSK der Streitkräfte – dort gilt das drastisch formulierte Einsatzmotto: „Leicht rein, tot raus.“549

2. Schutz der Beamten als Gebot zur Militarisierung der Polizei? a) Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG i.V. m. Art. 33 Abs. 4 GG Der Forderung zur Herstellung von Waffengleichheit ist zunächst zuzugeben, dass der Staat nicht nur für die Sicherheit der Allgemeinheit sorgen muss,550 sondern ebenso für die Sicherheit der zur Gefahrenabwehr eingesetzten Beamten. Ihnen gegenüber besteht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG die staatliche Pflicht, Schutzmaßnahmen für das Leben und die körperliche Unversehrtheit zu treffen.551 Das ergibt sich überdies auch aus dem Dienst- und Treueverhältnis des Dienstherrn, vgl. Art. 33 Abs. 4 GG.552 Eine stärkere Bewaffnung und eine wirkungsvollere Schutzausrüstung (ballistische Schutzwesten o. ä.) lässt die Polizei Gefahren effektiver abwehren und bewahrt diese gleichzeitig vor persönlichem Schaden. Drohende Beeinträchtigungen für das eigene Leben oder die körperliche Integrität können so abgemildert oder sogar ganz vermieden werden. 547

Vgl. zu dieser unbestimmten Forderung die supra in Fn. 542 genannten Quellen. Vgl. das Interview mit dem damaligen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz Roger Lewentz, in: Welt v. 06.03.2015 (Hyperlink in Fn. 8); Roth, Polizeipraxis 01/ 2017, 18 (18 ff.). 549 Gimmler, ÖMZ 05/2017, 628 (628 ff.). 550 Zur ähnlichen Argumentation, die sich auf den möglichst effektiven Schutz der gesamten Bevölkerung bezieht infra C. II. 551 Allgemein dazu Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Rn. 41 ff., 81 ff. Ähnliches soll sich zudem (in Bezug auf Soldaten) aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 EMRK ergeben, welcher sich im Rahmen einer konventionsrechtsfreundlichen Auslegung heranziehen lässt, vgl. Talmon, Die Pflicht zur Drohne, in: FAZ v. 10.07.2014, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/menschenrechte-diepflicht-zur-drohne-13036828-p2.html (abgerufen am 05.05.2021). Polizeibedienstete sind überdies nicht aufgrund ihres ggf. bestehenden Sonderstatusverhältnisses vom Schutzbereich ausgenommen, dazu vertiefend etwa Schröder, JA 2016, 641 (644). 552 Vgl. Grigoleit, in: Battis, Bundesbeamtengesetz, § 78 Rn. 2, 10. Art. 33 GG setzt als Basisnorm für den öffentlichen Dienst auch für die Länder zwingende Vorgaben, dazu vertiefend Hense, in: BeckOK GG, Art. 33 Vorbemerkung. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird in der Regel noch landesrechtlich konkretisiert, vgl. etwa § 45 Abs. 1 LBG Brandenburg; § 87 LBG Rheinland-Pfalz. 548

I. Waffengleichheit zum Schutz der Polizeibeamten

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b) Staatlicher Ermessensspielraum Aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 33 Abs. 4 GG folgt allerdings nicht hinsichtlich jeder Maßnahme eine rechtliche Pflicht zur Umsetzung durch den Staat, die dem Schutz des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zuträglich ist. aa) Handlungspflicht nur bei Unterschreiten staatlicher Mindestanforderungen Zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten kommt dem Staat nämlich grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu, der sowohl durch ein Untermaßverbot als auch durch ein Übermaßverbot konturiert wird.553 Der gebotene Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit besteht innerhalb dieser Grenzen lediglich als Zielvorgabe, ein bestimmter Weg wird dazu aber nicht vorgegeben.554 Der Staat müsste weitergehende Schutzmaßnahmen nur ergreifen, wenn er zur Erfüllung der ihm zukommenden Schutzpflichten die dafür bestehenden Mindestanforderungen unterschreitet. Ein solches Unterschreiten ist in Anerkennung des staatlichen Ermessensspielraums dann anzunehmen, wenn ein wirksamer und angemessener Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht gewährleistet wird, was vor allem dann anzunehmen ist, sofern sich die bisher ergriffenen Maßnahmen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als „gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich“ darstellen.555 Ein bestmöglicher Schutz wird zur Gewährleistung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten also nicht geschuldet.556 bb) Rechtsfolge: Keine Pflicht zur Militarisierung der Polizei Das hinsichtlich der polizeilichen Ausrüstung vollkommen ungeeignete oder unzulängliche Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Polizeibeamten getroffen wurden, lässt sich jedenfalls nicht feststellen. In den Jahren 2008–2020 wurden sechs deutsche Polizisten bei Schusswech553 Vgl. BVerfGE 88, 203 (254); 142, 313 Rn. 70 f.; Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 GG, Rn. 74 ff., 77; Krings, Grund und Grenzen staatlicher Schutzpflichten, S. 297 ff. m.w. N.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 253 ff.; Isensee, in: HStR V, Band V, § 111 Rn. 165 f. Kritisch wegen der Unbestimmtheit des Untermaßverbots Dietlein, ZG 1995, 131 (136 f.). 554 Vgl. BVerfGE 88, 203 (254). In der Literatur wird dahingehend von einem staatlichen „Optimierungsgebot“ gesprochen, den zu gewährleistenden Schutzpflichten hinreichend und angemessen nachzukommen, vgl. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, S. 262 m.w. N.; Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (556). 555 Vgl. BVerfGE 77, 170 (215), 79, 174 (202), 85, 191 (212 f.); 88, 203 (254); Krings, Grund und Grenzen staatlicher Schutzpflichten, S. 262, 302 ff.; Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 GG Rn. 77; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 253 ff.; Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (556). 556 Vgl. Möstl, DÖV 1998, 1029 (1038); Krings, Grund und Grenzen staatlicher Schutzpflichten, S. 262, 297 ff.

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C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit?

seln getötet, lediglich einer davon in den letzten drei Jahren.557 Es lässt sich schon angesichts dieser Zahlen kaum sagen, die gegenüber Polizeibeamten bestehenden Schutzmaßnahmen seien unzureichend oder unwirksam. Darüber hinaus sind Anschläge, wie sie im Jahr 2015 in Paris passierten,558 entgegen der geäußerten Befürchtungen bis heute europaweite Einzelfälle geblieben. Auch die Angst vor hochgerüsteten Tätern ist bis heute in Deutschland eine abstrakte Angst geblieben. Selbst in Großbritannien, wo gewöhnliche Streifenpolizisten in der Regel nur mit Schlagstöcken bewaffnet sind, zeichnet sich kein anderes Bild ab: Hier gab es zwischen den Jahren 2010–2020 zehn tote Polizisten, von denen vier erschossen wurden.559 Polizisten, welche regelmäßig einer besonderen Gefährdung ausgesetzt werden (Sondereinsatzkommandos u. a.) verfügen darüber hinaus bereits heute über die geforderte Ausrüstung, sodass auch hier kaum von einer gefährlichen Unterlegenheit gesprochen werden kann, die aus einer vollkommen ungeeigneten Ausrüstung resultiert.560 Eine massive Aufrüstung der gesamten Polizei muss darüber hinaus nicht zwangsweise zu mehr persönlicher Sicherheit bei den Beamten führen, denn je schlagkräftiger die Polizeibewaffnung, desto schlagkräftiger muss sich auch die Bewaffnung der Störer darstellen, wenn diese es ernsthaft mit der Polizei aufnehmen wollen. Bei einem gegenseitigen Wettrüsten könnten sich die Gefahren sowohl für die Polizei als auch für die Täter und sogar für Unbeteiligte potenzieren. Eine für die Mehrheit der Polizisten bewusst eher schwach gehaltene Bewaffnung kann also auch zur Sicherheit beitragen.561 Auch deswegen ist in einer schwachen Ausrüstung nicht zwingend eine ungeeignete Maßnahme zur Erfüllung staatlicher Schutzpflichten zu sehen. Aktuell sind also keine konkreten Hinweise dafür ersichtlich, dass der Staat zur Ausübung seiner gegenüber den Polizeibeamten bestehenden Schutzpflichten gänzlich ungeeignete Maßnahmen ergriffen hat oder dass sich dieser Umstand in absehbarer Zeit aufgrund einer erheblich gesteigerten Gefährdungslage ändern 557 Vgl. dazu die explizit nicht erschöpfende Aufbereitung von IMK/DHPol-Quellen bei Lorei, Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch in Deutschland (Hyperlink in Fn. 372), Folie 2; Focus v. 29.04.2020, SEK-Polizist bei Einsatz erschossen – Schütze feuerte durch die Tür, abrufbar unter https://www.focus.de/panorama/welt/gel senkirchen-sek-polizist-bei-einsatz-erschossen_id_11935676.html (abgerufen am 06.05. 2021). 558 Zu dieser Anschlagsserie supra A. I. 559 Vgl. die Police Roll of Honour im Hinblick auf solche Todesopfer, welche als direkte Folge der Gewaltkriminalität entstanden sind, abrufbar unter https://www.police memorial.org.uk/rollofhonour.php (abgerufen am 02.06.2021). 560 Vgl. zur tatsächlichen Ausstattung polizeilicher Sondereinheiten am Beispiel der GSG 9 Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55 ff.). Zur Ausstattung der Landespolizeispezialeinheiten infra E. III. 2. 561 In eine ähnliche Richtung Schnupp, Die Polizei 1971, 304 (304).

I. Waffengleichheit zum Schutz der Polizeibeamten

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wird. Es lässt sich überdies nicht sagen, die momentan ergriffenen Maßnahmen vermittelten keinen ausreichenden und wirksamen Schutz, der die Sicherheit der Polizeibeamten über Gebühr und damit unangemessen beeinträchtigt. Verfassungsrechtliche Schutzpflichten aus Artt. 2 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 GG lassen sich deswegen nicht zwingend für eine Aufrüstung der Polizei anführen. Die bisherige Entscheidung, einen Großteil der Polizeikräfte nur vergleichsweise schwach zu bewaffnen, ist somit vom staatlichen Ermessen gedeckt. cc) Freiwillige Militarisierung am Maßstab des Übermaßverbots Wenn im Rahmen des staatlichen Ermessens dennoch eine Aufrüstung der Polizei erfolgen soll, ohne dass eine Pflicht dazu bestünde, so ist auf der anderen Seite das Übermaßverbot zu beachten. Dieses kann der Zulässigkeit einzelner Maßnahmen zum Schutz der Polizeibeamten entgegenstehen. Es beinhaltet die Vorgabe, dass die Gewährleistung staatlicher Schutzpflichten nicht in unzulässiger Art und Weise zulasten anderer Verfassungsprinzipien geschieht.562 Hier setzen insbesondere die Freiheitsrechte Dritter eine obere Grenze.563 Wird die Polizei beispielsweise schlagkräftiger bewaffnet, so wird zwar die Gefahr für die Beamten reduziert, gleichzeitig werden damit aber intensivere Eingriffe in die Rechte der Störer verbunden sein. Das Übermaßverbot wäre hier verletzt, wenn der Polizei Zwangsmittel bereitgestellt würden, die sich nicht verhältnismäßig einsetzen lassen, da der Einsatz solcher Zwangsmittel nicht mit den Grundrechten vereinbar ist.564 Ähnlich verhält es sich mit gegenläufigen Wertungen des Trennungsgebots565, welches ebenfalls nicht über Gebühr beeinträchtigt werden dürfte. Der Forderung nach „Waffengleichheit“ darf durch den Gesetzgeber566 also nicht grenzenlos entsprochen werden. Unzulässig wäre es deswegen zum Beispiel, wenn die deutsche Polizei zur Herstellung der Waffengleichheit mit Panzerfäusten ausgerüstet wird, nur weil vereinzelte Täter über solche extremen Mittel verfügen. Dieses Vorhaben wäre sowohl mit den Grundrechten als auch mit dem Trennungsgebot unvereinbar, sodass das Übermaßverbot einer Umsetzung hier entgegenstünde.567 562

Vgl. dazu die supra in Fn. 553 genannten Quellen. Vgl. Krings, Grund und Grenzen staatlicher Schutzpflichten, S. 297 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 253 ff.; BVerfGE 88, 203 (254, 340). 564 Zu den beschränkenden Wertungen der Grundrechte supra B. II. 1.–2. 565 Vgl. zu den beschränkenden Rechtsfolgen des Trennungsgebots supra B. I. 2. 566 Zur gesetzgeberischen Zulassung polizeilicher Ausrüstung infra G. 567 Hier stehen sowohl die Menschenwürde (dazu supra B. II. 2.) als auch das Trennungsbot (dazu supra B. I. 2. c) aa)–bb)) entgegenstehen, obwohl Täter vereinzelt auf solche Mittel zurückgreifen können, vgl. Klasen, Panzerfaust bei Durchsuchung in Lyon gefunden, in: SZ v. 16.11.2015, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/politik/ter ror-in-paris-polizei-fuehrt-razzien-in-mehreren-franzoesischen-staedten-durch-1.2737573 (abgerufen am 06.05.2021). 563

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C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit?

II. Waffengleichheit zum Schutz der Bevölkerung 1. Effektivität der Gefahrenabwehr als Gebot zur Aufrüstung der Polizei a) Sicherheit als fundamentale Staatsaufgabe In eine ähnliche Richtung wird für die Notwendigkeit der „Waffengleichheit“ zwischen der Polizei und den Tätern angeführt, dass der Staat aufgrund seines gegenüber der Bevölkerung insgesamt bestehenden Schutzauftrags Gefahren möglichst effektiv bekämpfen können muss.568 Dafür spricht die Gewährleistungspflicht von Sicherheit und Ordnung als genuine Staatsaufgabe, welche den staatlichen Herrschaftsanspruch rechtfertigt und gleichzeitig gesellschaftliche Normalität sowie berechenbare Lebensverhältnisse überhaupt erst ermöglicht; der Staat steht hier deswegen in einer besonderen Gewährleistungsverantwortung.569 Ansatzpunkt ist hier also nicht ein einzelner Polizeibeamter als Individuum, sondern die Allgemeinheit als Ganzes. Werden das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Bürgers gefährdet, beispielsweise bei drohenden Terroranschlägen, lässt sich eine solche Pflicht zur Gefahrenabwehr durch den Staat auch unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ableiten.570 Vereinzelt wird in der Literatur auf Grundlage einer Gesamtschau verfassungsrechtlicher Schutzpflichten sogar für ein eigenständiges Grundrecht auf Sicherheit argumentiert, welches im Ergebnis einen ähnlichen Schutz vermitteln soll.571 b) Drohende Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr Begrenzte Handlungsmöglichkeiten der Polizei können die Effektivität der Gefahrenabwehr aber beeinträchtigen, etwa wenn der Polizei bestimmte Zwangs-

568 In diese Richtung Roger Lewentz, in: Welt v. 06.03.2015 (Hyperlink in Fn. 8); ohne ausdrücklich für eine militarisierte Polizei zu argumentieren Depenheuer, ZG 2008, 1 (3 f.); ders., in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 16 ff., 24 ff.; in eine ähnliche Richtung Walter, NZWehrr 2013, 221 (235), der als Konsequenz allerdings erweiterte Kompetenzen für die Streitkräfte fordert; ähnlich auch Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte, S. 24; Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr, S. 129 f. 569 Vgl. BVerfGE 49, 24 (56 f.); 49, 202 (209); Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 2 f., 12 ff.; Di Fabio, NJW 2008, 421 (422). 570 Vgl. BVerfGE 46, 160 (164); Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, S. 188 ff. 571 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 34 f.; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 25; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 186 ff. Das Verständnis von einem Grundrecht auf Sicherheit hat sich bisher aber nicht durchgesetzt, dazu mit einem Überblick und m.w. N. Wissenschaftliche Dienste, WD 3 3000 – 180/08, S. 10 ff.

II. Waffengleichheit zum Schutz der Bevölkerung

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mittel nicht zur Verfügung stehen oder diese nicht eingesetzt werden dürfen.572 Das hat sich zum Beispiel am 05.09.1972 im Rahmen des Geiseldramas um die israelische Olympiamannschaft in München verdeutlicht. Die damals angerückten Polizeieinheiten waren aufgrund ihrer mangelnden Ausbildung und Ausrüstung zur Bekämpfung des palästinensischen Terrorkommandos der Organisation „Schwarzer September“ schlicht nicht geeignet, was den Einsatz erheblich verkompliziert und verzögert hat.573 Hier hat sich schon damals verdeutlicht, dass Störer auf wie auch immer geartete Beschränkungen oder Fähigkeitslücken der Polizei keine Rücksicht nehmen. Dieser Umstand hat sich bis heute nicht geändert, was sich zuletzt insbesondere durch die Anschlagsserie im Jahr 2015 in Frankreich noch einmal deutlich gezeigt hat.574 c) Überragende Bedeutung der effektiven Gefahrenabwehr? In der Literatur wird zudem die überragende Gewichtigkeit einer effektiven und unbeschränkten Gefahrenabwehr betont. Wenn der Staat Sicherheit nicht garantieren könne, so ginge dies letztendlich unzulässig zulasten der Freiheitsrechte.575 Es könne zwar Sicherheit ohne Freiheit geben, nicht aber Freiheit ohne Sicherheit.576 Ein Staat, der seiner Sicherheitsaufgabe nicht gerecht werden kann, stelle „seinen Herrschaftsanspruch und seine Garantenstellung für die freiheitliche Verfassung“ generell in Frage.577 Deswegen müsse der Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr der maßgebliche und entscheidende Faktor sein, der sich bei Wertungskonflikten mit anderen Verfassungswertungen durchsetzt.578 Vor diesem Hintergrund wären die rechtlichen Beschränkungen der Polizei infrage gestellt, sodass eine weitergehende Militarisierung der Polizei möglicherweise doch erfolgen dürfte oder sogar müsste.

572

Zu den Grenzen für den Einsatz einer militarisierten Polizei supra B. I. 2.; B. II. Mit dem missglückten Polizeieinsatz wurde damals die Gründung der paramilitärischen Sondereinheit GSG 9 gerechtfertigt, welche bis heute unter weitgehender Geheimhaltung operiert. Einleitend zu dieser Einheit und mit weiteren Informationen Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, C. Rn. 70; Froese/Scholzen, GSG 9, S. 5, 8 ff.; Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (passim). 574 Zu diesen Anschlägen supra A. I. 575 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 3; abweichende Meinung Haas, in: BVerfGE 115, 320 (374); Hillgruber, JZ 2007, 209 (211 ff.); bereits im Jahr 1792 v. Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, S. 58 ff. 576 So Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 3; vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 19 ff. 577 Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 3. 578 So Depenheuer, ZG 2008, 1 (3 f.); ders., in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 3, 16 ff., 24 ff. 573

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C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit?

2. Effektive Gefahrenabwehr, aber nicht um jeden Preis a) Balanceakt zwischen Sicherheit und Freiheit Gegen diese Argumentation spricht allerdings, dass neben dem staatlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr ebenso anderen Verfassungswertungen eine elementare Bedeutung zukommt. So darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die staatliche Selbstrechtfertigung nicht in der bloßen Gewährleistung von Sicherheit erschöpft, sondern viele weitere unverzichtbare Elemente der modernen Staatlichkeit umfasst, u. a. die Garantie der Menschenwürde, das Rechtsstaatsprinzip und damit auch die Gewährleistung von Verhältnismäßigkeit sowie die Ermöglichung persönlicher Freiheit in größtmöglichem Umfang.579 Insbesondere die gleichzeitige Gewährleistung von Freiheit und Sicherheit ist ein Balanceakt, bei dem Kompromisse eingegangen werden müssen.580 Deswegen kann hundertprozentige Sicherheit staatlich nicht geschuldet sein.581 Setzt der Staat Sicherheit über alle anderen Verfassungsprinzipien, droht ein totalitärer Überwachungsstaat, welcher mit der bestehenden Verfassungsordnung unverein-

579 Ähnlich Di Fabio, NJW 2008, 421 (422); Benda, Notstandsverfassung, S. 12; Hillgruber, JZ 2007, 209 (211 f.); Masing, JZ 2011, 753 (755). 580 Di Fabio fasst den Diskussionskern mit ungewöhnlichen Worten zusammen: „Die Einen wissen immer schon, dass jede neue Sicherheitsmaßnahme des Staates ein weiterer Schnitt von der schwindenden Salami namens Freiheit ist, während jene Techniker der „Guten Policey“ sich im Kampf mit der Kriminalität wie jemand fühlen, dem man im Boxring eine Hand auf den Rücken gebunden hat.“, Di Fabio, NJW 2008, 421 (421). Zum Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit allgemein Masing, JZ 2011, 753 (753 ff.); Voßkuhle, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Festschrift Würtenberger, 1101 (1101 ff.); Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 37 ff.; ders., in: BeckOK PolR NRW, Systematische und begriffliche Vorbemerkungen, Rn. 1 ff. 581 Ebenso Di Fabio, NJW 2008, 421 (422). Ähnlich das BVerfG: „Die Verfassung verlangt vom Gesetzgeber, eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Das schließt nicht nur die Verfolgung des Zieles absoluter Sicherheit aus, welche ohnehin faktisch kaum, jedenfalls aber nur um den Preis einer Aufhebung der Freiheit zu erreichen wäre. Das Grundgesetz unterwirft auch die Verfolgung des Zieles, die nach den tatsächlichen Umständen größtmögliche Sicherheit herzustellen, rechtsstaatlichen Bindungen, zu denen insbesondere das Verbot unangemessener Eingriffe in die Grundrechte als Rechte staatlicher Eingriffsabwehr zählt. In diesem Verbot finden auch die Schutzpflichten des Staates ihre Grenze.“, BVerfGE 115, 320 (358 f.). Ähnlich hinsichtlich terroristischer Bedrohungen: „Der Staat darf und muss terroristischen Bestrebungen – etwa solchen, die die Zerstörung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel haben und die planmäßige Vernichtung von Menschenleben als Mittel zur Verwirklichung dieses Vorhabens einsetzen – mit den erforderlichen rechtsstaatlichen Mitteln wirksam entgegentreten [. . .] Auf die rechtsstaatlichen Mittel hat sich der Staat unter dem Grundgesetz jedoch auch zu beschränken.“, BVerfGE 115, 320 (357). Ebenso dafür, dass verfassungsrechtliche Schutzpflichten kein Recht auf einen „optimalen Schutz“ vermitteln Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, S. 259 ff.

II. Waffengleichheit zum Schutz der Bevölkerung

133

bar ist.582 Ein solcher Staat verwirkt ebenso seinen Herrschaftsanspruch wie ein Staat, der Sicherheit überhaupt nicht gewährleisten kann oder möchte. Effektive Gefahrenabwehr kann deswegen nur unter Beachtung und in Abwägung mit anderen Verfassungsprinzipien gewährleistet werden. Es handelt sich somit um ein Prinzip, welches grundsätzlich auf Augenhöhe mit sonstigen Verfassungsprinzipien steht;583 es steht nicht schlechthin über diesen.584 Ein Grundsatz in der Art, dass der Gewährleistung von Sicherheit ein Vorrang einzuräumen ist, existiert also nicht.585 b) Mehrdimensionalität des staatlichen Schutzauftrags aa) Auch Störer umfasst Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass der staatliche Auftrag zur Gefahrenabwehr eine mehrdimensionale Komponente aufweist und auch auf den Störer bezogen ist, denn dieser wird selbst nach seiner Abkehr von der Rechtsordnung nicht rechtlos gestellt.586 Effektive Gefahrenabwehr zum einen mit einer möglichst effektiven Bekämpfung der Gefahr (in der Regel also des Störers) gleichzusetzen und zum anderen zwingend gegenüber anderen Verfassungswertungen zu priorisieren, geht deswegen schon im Ansatz fehl.587 Der Staat muss seinem Schutzauftrag in jegliche Richtung möglichst gleichzeitig gerecht werden.588 Greift der Staat zum Schutz Dritter aber übermäßig in die Rechte des Störers, wird er seinem Schutzauftrag nur teilweise gerecht, nämlich nur zugunsten der durch den Störer gefährdeten Personen und ihrer Rechtsgüter, während der Staat seinen gegenüber dem Störer bestehenden Schutzauftrag verfehlt.589

582

In eine ähnliche Richtung Di Fabio, NJW 2008, 421 (422). Vgl. BVerfGE 49, 24 (56 f.); 49, 202 (209); 115 (358 f.). 584 Ähnlich Di Fabio, NJW 2008, 421 (422). A. A. Depenheuer, ZG 2008, 1 (3 f.); ders., in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 16 ff., 24 ff. 585 Auf der anderen Seite besteht auch kein zwingender Primat grundrechtlicher Freiheit im Verhältnis zur staatlichen Sicherheitsverantwortung („in dubio pro libertate“), vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 3; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2 Rn. 72; Möstl, in: BeckOK NRW, Systematische und begriffliche Vorbemerkungen, Rn. 2; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, B. Rn. 13; Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, S. 179 ff. 586 Der Störer kann sich nach wie vor auf die Grundrechte berufen, dazu supra B. II. 1.–2. 587 Zum Pflichtendreieck Störer – Staat – Opfer vertiefend Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Vorb. Art. 1, Rn. 101; Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 Rn. 75; Hillgruber, JZ 2007, 209 (211 ff.). 588 Vgl. zu diesem schwierigen Ausgleich Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 Rn. 75 ff.; Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Vorb. Art. 1 Rn. 101. 589 Dieser Aspekt ist auch bei Maßnahmen zum Schutz der Polizeibeamten zu beachten, vgl. supra C. I. 2. b) cc). 583

134

C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit?

bb) Polizeihandeln darf Schutzauftrag nicht zuwiderlaufen Selbst wenn ein sehr hartes – mitunter tödliches – Vorgehen gegen den Störer im Einzelfall dennoch gerechtfertigt erscheint, zum Beispiel wenn die Voraussetzungen für den finalen Rettungsschuss vorliegen,590 darf die Polizei zudem insbesondere durch ihre gewählten Zwangsmittel nicht selbst zur unvertretbaren Gefahr für Unbeteiligte erwachsen. Die Polizei wird ihrem staatlichen Schutzauftrag nämlich nicht gerecht, wenn sie eine Gefahrenlage intensiviert statt reduziert. Deswegen muss die Gefährdung Unbeteiligter auf ein unvermeidbares Minimum beschränkt werden, auch wenn sie selten vollständig ausgeschlossen werden kann.591 Auch durch diese Vorgabe wird eine Gefahr nicht immer vollkommen effektiv abgewehrt werden können. c) Ausgleich gegenläufiger Verfassungsprinzipien Dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr ist also kein absoluter Vorrang einzuräumen und er ist darüber hinaus auch mehrdimensional zu betrachten. Im Einzelfall lässt er sich aber trotzdem für ein (besonders) effektives Vorgehen der Polizei anführen, sodass Widersprüche zu jenen polizeilichen Beschränkungen drohen, die aus dem Trennungsgebot und/oder den Grundrechten resultieren.592 Das gilt zum Beispiel, wenn die Polizei bei strenger Beachtung des Trennungsgebots ein bestimmtes Zwangsmittel nicht nutzen dürfte, obwohl es sich verhältnismäßig einsetzen lässt und zur Gefahrenabwehr nützlich wäre.593 Derartigen Wertungskonflikten ist mit dem allgemeinen Grundsatz zu begegnen, dass zwischen gegenläufigen Verfassungsprinzipien ein angemessener Ausgleich der widersprechenden Interessen hergestellt werden muss.594

590

Vgl. zu diesen Voraussetzungen supra B. II. 1. b) aa) (2) (c). Eine mit charakteristisch-militärischen Zwangsmitteln ausgerüstete Polizei kann sich ebenso wie die Störer als große Gefahr für die unbeteiligte Bevölkerung darstellen, wie das Geiseldrama im Jahr 2004 in Beslan bereits sehr deutlich aufgezeigt hat. Die russische Einsatzbehörde ist damals mit Flammenwerfern, Panzerkanonen, Handgranaten, Panzerabwehrraketen und sonstigen Sprengstoffen sowie vollautomatischen Feuerwaffen größeren Kalibers gegen die Geiselnehmer vorgegangen, obwohl eine Umfeldgefährdung unbeteiligter Personen nicht ausgeschlossen werden konnte. Das hat höchstwahrscheinlich auch zu Opfern unter den Geiseln geführt hat, vgl. EGMR, Tagayeva u. a. gegen Russland v. 13.04.2017, Beschwerde-Nr. 26562/07 u. a., §§ 205 ff., 589 ff. Mit diesem Beispiel ebenfalls kritisch Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (51 f.). 592 Vgl. zu diesen Beschränkungen supra B. I. 2. und B. II. 593 Verdeutlicht am Sturmgewehr H&K G36 infra D. I. 4. 594 Allgemein zur Auflösung verfassungsrechtlicher Wertungskonflikte BVerfGE 41, 29 (51), 81, 298 (308); Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, §3 Rn. 94 m.w. N.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78 ff.; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 125 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2 Rn. 72. 591

II. Waffengleichheit zum Schutz der Bevölkerung

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In grundrechtlicher Hinsicht hat sich das oben bereits praktisch verdeutlicht.595 Die aus den Grundrechten folgenden Grenzen für das Handeln der Polizei sind bereits das Ergebnis einer Abwägung zwischen Aspekten der Freiheit und Sicherheit. Dort hat sich gezeigt, dass zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr zum Teil sogar massivste Eingriffe in die Grundrechte gerechtfertigt werden können. Anders verhält es sich aber hinsichtlich der beschränkenden Rechtsfolgen des Trennungsgebots. Sie sind nicht das Ergebnis eines Abwägungsprozesses, sondern stehen für sich. Deswegen sind sie – abgesehen von der Aufgabenverteilung596 zwischen Polizei und Streitkräften – grundsätzlich einer gegenseitigen Abwägung mit dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr zugänglich. Hier ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das Trennungsgebot zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr im Einzelfall zurücktreten kann. Wie die drohenden Wertungskonflikte konkret aufzulösen sind, lässt sich allerdings nicht abstrahiert bestimmen, sondern muss von Fall zu Fall entschieden werden (D.).

3. Exkurs: Keine erweiterte Zuständigkeit der Streitkräfte a) Schutzlücken beim Einsatz der Streitkräfte Mit dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr lassen sich nicht nur Ausgestaltungsgrenzen der Polizei in Frage stellen, sondern auch die beschränkten Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte im Innern. Wie sich gezeigt hat,597 können die Streitkräfte zwar die mächtigste und vielseitigste Bewaffnung im Staat verwenden, allerdings ist ihr Einsatz in den meisten Fällen an praktisch unerreichbar hohe Hürden gebunden. Um den deswegen drohenden Schutzlücken zu begegnen,598 lässt sich nun ähnlich argumentieren, dass anstelle die Polizei zu militarisieren, die Einsatzanforderungen der Streitkräfte nach dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr ausgelegt und angewendet werden müssten.599 Im Ergebnis 595 Zu grundrechtlichen Grenzen supra B. Eine zentrale Anforderung dieses Ausgleichs ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, nachdem der Staat „die Freiheit der Bürger durch Maßnahmen der Gefahrenabwehr nicht stärker beschränkt als von der Sache her erforderlich und angemessen.“, Isensee, in: HdbStR III, § 57 Rn. 46, V § 111 Rn. 32 ff.; ähnlich Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 38. 596 Zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Polizei und Streitkräften als Kernbereich des Trennungsgebots infra C. II. 3.; B. I. 2. b). 597 Die Bewaffnung der Streitkräfte muss diese in die Lage versetzen, gegen militärische Feinde vorgehen zu können, vgl. dazu supra B. I. 1. a) aa)–bb). 598 Solche drohen insbesondere hinsichtlich terroristischer Bedrohungen aus der Luft und zur See sowie bei Gefahren durch ABC-Waffen, vgl. dazu etwa Wissenschaftliche Dienste, WD 2 – 3000 – 023/15, S. 16 ff. 599 Vgl. Depenheuer, ZG 2008, 1 (3 f.); ders., in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 26 ff. Allgemein mit einem Plädoyer für eine wehrhafte Verfassungsinter-

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C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit?

würde damit die Zuständigkeitsverteilung zwischen Polizei und Streitkräften verwischt,600 um die eigentlich unzuständigen, aber ggf. nützlichen Streitkräfte einsetzen zu dürfen. b) Aufgabentrennung als Kernbereich des Trennungsgebots Hinsichtlich der Aufgabenverteilung zwischen Polizei und Streitkräften kann diese Argumentation aber nicht überzeugen. Mit dieser Trennung handelt es sich als verfassungsrechtliche Sicherungsmaßnahme gegen den innerstaatlichen Machtmissbrauch um einen „Eckpfeiler der Wehrverfassung“, mithin um einen Kernbereich des Trennungsgebots.601 So sind die im Grundgesetz normierten Einsatzgrundlagen der Streitkräfte bereits das ausdrücklich sehr eng gefasste Ergebnis einer „politisch hochumstrittenen Materie“ und stehen am Ende „ausführlicher, kontroverser Diskussionen“ des Verfassungsgebers.602 Es handelt sich um explizite Ausnahmefälle als ultima ratio, die keinen Raum mehr für weitere Verschiebungen offen lassen.603 Ein Aufweichen der Einsatzgrundlagen zugunsten einer effektiveren Gefahrenabwehr stellt sich deswegen als besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des Trennungsgebots dar und muss daher ausscheiden. Auch eine wehrhafte Verfassungsinterpretation kann deswegen die restriktive Handhabung der Einsatzgrundlagen nicht aufweichen.604 Es gilt im Rahmen des Art. 87a Abs. 2 GG vielmehr das Gebot strikter Texttreue, welches den geschriebenen Grenzen eine besondere Bedeutung verleiht.605 Ungeschriebenen Sonder- und Eilkompetenzen werden dapretation Hillgruber, JZ 2007, 210 (passim). Zum Teil wird eine Verfassungsänderung zur Begegnung von Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr vorgeschlagen, dazu mit einer Übersicht der ergangenen Vorschläge Wissenschaftliche Dienste, WD 2 – 3000 – 023/15, S. 16 ff. m.w. N. 600 Eine Verwischung von Kompetenzen und Fähigkeiten kann allerdings auch mit Beeinträchtigungen der effektiven Gefahrenabwehr verbunden sein, vgl. supra B. I. 1. a) ee) (1) (a). 601 Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (5 f.). Allgemein kritisch hinsichtlich der Preisgabe wichtiger rechtsstaatlicher Prinzipien zur Bewältigung von Notstandslagen Benda, Notstandsverfassung, S. 12 ff. 602 BVerfGE 132, 1 Rn. 59. 603 Zum Einsatz der Streitkräfte als ultima ratio supra B. I. 1. a) bb). 604 Das wird im Ergebnis mehrheitlich so gesehen, auch wenn dazu in der Regel nicht unter dem Oberbegriff des Trennungsgebots argumentiert wird, vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 59; Wieland, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 167 (179); Schenke, NJW 2006, 736 (737 f.); Franz/Günther, VBlBW 09/2006, 340 (343); Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 252; Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 64. Mit einem Überblick Wissenschaftliche Dienste, WD 2 – 3000 – 023/15, S. 16 ff. A. A. Depenheuer, ZG 2008, 1 (3 f.); ders., in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 26 ff. 605 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 25 ff., 59; BVerfGE 90, 286 (356 f.); 115, 118 (142); BVerwGE 127, 1 (12 f.).

III. Zwischenergebnis

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mit eine generelle Absage erteilt, obwohl damit als direkte Folge Einbußen der effektiven Gefahrenabwehr verbunden sein könnten.606 c) Notwendigkeit einer Verfassungsänderung Zur Änderung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Streitkräften und Polizei bedürfte es daher einer Verfassungsänderung.607 Es wäre dann Sache des verfassungsändernden Gesetzgebers, die für ihn vorzugswürdige Lösung zur Beseitigung ggf. vorhandener Schutzlücken im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG umzusetzen.608 Eine Modifikation der Zuständigkeiten als Ergebnis eines Abwägungsprozesses kann allerdings nicht überzeugen.

III. Zwischenergebnis Aus Artt. 2 Abs. 2 S. 1, 34 Abs. 4 GG folgt gegenüber den Polizeibeamten kein verfassungsrechtliches Gebot zur Militarisierung der Polizei. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die aktuelle Ausrüstung sowohl der Bundespolizei als auch der Landespolizeien im Rahmen des staatlichen Ermessens bewegen. Soll aus staatlicher Sicht trotzdem eine Aufrüstung der Polizei erfolgen, ohne dass eine Pflicht dazu bestünde, darf die potentielle staatliche Schutzmaßnahme nicht unzulässig zulasten der Grundrechte Dritter oder anderer Verfassungsprinzipien wie dem Trennungsgebot unternommen werden. Es kann deswegen nicht grenzenlos für „Waffengleichheit“ mit hochgerüsteten Tätertypen gesorgt werden. Zur polizeilichen Aufgabenerfüllung muss das verfassungsrechtliche Prinzip der effektiven Gefahrenabwehr beachtet werden. Trotz seiner gewichtigen Bedeutung für die staatliche Selbstrechtfertigung steht es aber nicht zwangsweise über anderen Verfassungsprinzipien, sondern ist im Vergleich zu diesen grundsätzlich als gleichrangig zu bewerten. Effektive Gefahrenabwehr kann deswegen nur unter Beachtung und in Abwägung mit den weiteren Verfassungsprinzipien gewährleistet werden. Ebenso muss der mehrdimensionale Charakter des staatlichen Gefahrenabwehrauftrags beachtet werden, sodass der Staat die Bevölkerung zwar vor Gefahren schützen muss, dabei allerdings nicht selbst zur unvertretbaren Gefahr für Unbeteiligte und Beteiligte erwachsen darf. Da sich der Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr nicht schlechthin gegenüber anderen Verfassungs606 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 59; Wieland, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 167 (179). 607 So ausdrücklich auch Sondervotum Gaier, in: BVerfGE 132, 1 Rn. 64; Baldus, NVwZ 2006, 532 (533). A. A. Depenheuer, ZG 2008, 1 (3 f.); ders., in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 87a Rn. 26 ff. 608 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 60 ff.; Wissenschaftliche Dienste, WD 2 – 3000 – 023/ 15, S. 16 ff.

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C. Militarisierung zwecks Herstellung von Waffengleichheit?

prinzipien durchsetzt, sind Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr unvermeidbar. Diese Schutzlücken sind zur Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze hinzunehmen; völlige Sicherheit kann staatlich nicht immer gewährleistet werden. In Einzelfällen erscheint es aber möglich und geboten, dass entgegenstehende Verfassungswertungen, zu denen auch das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften gehören kann, zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr zurücktreten können. Die traditionelle Aufgabenteilung der inneren und äußeren Gefahrenabwehr zwischen Polizei und Streitkräften als Kernbereich des Trennungsgebots lässt sich allerdings nicht aus Gründen einer effektiveren Gefahrenabwehr verschieben.

D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben Vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Grenzen609 für die Militarisierung der Polizei sollen nachfolgend verschiedene Aufrüstungsvorhaben610 betrachtet werden. Für diese gilt es zu klären, ob sie sich noch im zulässigen Bereich bewegen oder mit der Verfassung unvereinbar sind. Da sich bereits gezeigt hat,611 dass die Grundrechte nur wenigen Militarisierungsvorhaben generell entgegenstehen, kommt es dafür vor allem auf eine Betrachtung ggf. entgegenstehender Wertungen des Trennungsgebots an.

I. Maschinengewehre 1. Terminologische Schwierigkeiten Zu den möglicherweise unzulässigen Zwangsmitteln könnten zunächst Maschinengewehre gehören, welche beispielsweise der bayerische Landesgesetzgeber explizit mit Art. 78 Abs. 4 S. 1 7. Var. BayPAG neben den näher unbestimmten „Gewehren“ ausdrücklich für die Polizei erlaubt hat.612 Maschinengewehre werden von Teilen der Literatur aufgrund ihrer unbeherrschbaren Wirkweise als verfassungswidrig kritisiert.613 Allerdings werden die Begriffe Gewehr, Maschinengewehr, Sturmgewehr und neuerdings auch „Mitteldistanzgewehr“614 häufig unscharf oder synonym gebraucht, sodass es oft unklar ist, welches Waffensystem vom Begriffsverwender eigentlich gemeint ist.615

609

Zu diesen Grenzen supra B. Zu den diversen Ausrüstungsvorhaben supra A. II. 611 Zu den beschränkenden Wertungen der Grundrechte supra B. II. 612 Vgl. ebenso § 58 Abs. 5 PolG NRW. 613 Explizit gegen die Zulässigkeit von Maschinengewehren Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 26; kritisch auch Graulich, Bayern im Windschatten des Bundes (Hyperlink in Fn. 522); Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1684); offengelassen bei Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46). A. A. Linke, NZWehr 2006, 177 (190). 614 Vgl. Berners, Polizeipraxis 02/2018, 32 (32 ff.). 615 Teilweise wird sogar der Begriff Maschinenpistole synonym verwendet, wie etwa durch frühere Staaten des Warschauer Pakts, vgl. Wollert/Lidschun/Kopenhagen, Schützenwaffen heute 1945–1985, Band 2, S. 404. Zu Maschinenpistolen eingehend infra D. II. 610

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D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

2. Gewehr, Sturmgewehr, Mitteldistanzgewehr oder doch Maschinengewehr? Zur Verdeutlichung soll hier die schwierige und undurchsichtige Begriffseinteilung der Gewehrtypen angerissen werden. Ein Gewehr ist zunächst eine Schusswaffe mit langem Lauf und Kolben, die im Allgemeinen an der Schulter in Anschlag gebracht wird.616 Verschiedene Gewehrtypen lassen sich nun weiter nach Laufprofil, Ladeeinrichtung, Bauweise, Verwendung, Kaliber, Wirkreichweite und darüber hinaus nach dem Sprachgebrauch differenzieren. Mit dem Begriff Maschinengewehr wird nun lediglich ein Gewehr umschrieben, welches durch einen automatisierten Mechanismus geladen und abgefeuert wird.617 Dieser Mechanismus kann halbautomatisch und/oder vollautomatisch konstruiert sein, sodass der Schütze für das Abfeuern mehrerer Schüsse lediglich den Abzug gedrückt halten (Vollautomatik, ermöglicht sog. Dauerfeuer) oder für jeden Schuss erneut betätigen muss (Halbautomatik).618 Weiterhin lässt sich beispielsweise nach der Kalibergröße noch weiter differenzieren in leichte, mittlere oder schwere Maschinengewehre sowie nach dem Sprachgebrauch, zum Beispiel in die Kategorie der Sturmgewehre.619 Der Begriff „Sturmgewehr“ basiert auf einer propagandistischen Namensgebung der Nationalsozialisten und geht auf die besonderen taktischen Verwendungsmöglichkeiten mobiler automatischer Gewehre im militärischen Feuerkampf zurück.620 Wird dagegen nach der Wirkreichweite differenziert, lassen sich verschiedene Gewehre nach ihrer Eignung zur Abgabe von Schüssen in die Nah-, Mittel- oder Ferndistanz abgrenzen. Daher stammt der Begriff des Mitteldistanzgewehrs.621 Darüber hinaus ist eine genaue Abgrenzung oft schwierig. So sind beispielsweise Sturmgewehre auch Maschinengewehre, aber nicht bei jedem Maschinengewehr handelt es sich um ein Sturmgewehr.622 Außerdem lassen sich halbauto616

Vgl. Duden Universalwörterbuch, Aufl. 2019, Stichwort: „Gewehr“. Vgl. Duden Universalwörterbuch, Aufl. 2019, Stichwort: „Maschinengewehr“. 618 Viele Schusswaffen können über einen Feuerwahlhebel o. ä. zwischen einem vollautomatischen und halbautomatischen Feuermodus wechseln. Außerdem existieren auch hybride Feuermodi, zum Beispiel der sog. Feuerstoß (auch Burstmodus genannt), bei dem je nach Konfiguration in der Regel zwei oder drei Schuss in Reihe abgegeben werden, dazu vgl. mit dem Beispiel der H&K MP5 Roth, Polizeipraxis 2019/2, 28 (34). 619 Mit weiteren Kategorien Kneubuehl/Coupland/Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 62. 620 Vgl. Visier-Special 53/2009, 28 (34). 621 Vgl. Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 78 Rn. 35; Berners, Polizeipraxis 02/2018, 32 (32 ff.). 622 Ein mittleres Maschinengewehr auf Lafette (etwa das MG 3 der Bundeswehr) wäre beispielsweise aufgrund des Gewichts und der stark eingeschränkten Beweglichkeit des Schützen kein Sturmgewehr, vgl. näher zum Begriff „Sturmgewehr“ Visier-Special 53/2009, 28 (34). Die Schwierigkeiten bei der genauen Einordnung solcher Waffentypen verdeutlichen sich bei Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 78 Rn. 35, 617

I. Maschinengewehre

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matische Gewehrvarianten nur schwer in die etablierten Begriffsverständnisse einordnen.623 Verwirrend ist zudem die Abgrenzung zwischen Gewehr und Maschinengewehr. Das wird zum Beispiel in Bayern relevant, denn der bayerische Gesetzgeber erklärt mit Art. 78 Abs. 4 S. 1 7. Var. BayPAG beide, also sowohl Gewehr als auch Maschinengewehr, für die Polizei als zulässig. Da Maschinengewehre auch Gewehre sind, bleibt weitgehend unklar, wie sie tatbestandlich voneinander differenziert werden sollen.624 Im Gegensatz dazu lässt etwa Mecklenburg-Vorpommern mit § 102 Abs. 4 5. Var. SOG MV lediglich Gewehre und nicht explizit auch Maschinengewehre zu. Zumindest mit einem technischen Begriffsverständnis wären die letztgenannten Waffensysteme aber trotzdem umfasst. Auf der anderen Seite könnte der allgemeine Sprachgebrauch dennoch dafür sprechen, Maschinengewehre aufgrund der oft sehr hohen Feuerrate vom üblichen Gewehrbegriff auszuklammern, wenn sie nicht ausdrücklich aufgezählt werden.

3. Bezeichnung lässt konkrete Wirkweise nur erahnen Unabhängig von den begrifflichen Schwierigkeiten lässt die Einstufung eines Waffensystems etwa als Maschinengewehr nur begrenzt Rückschlüsse auf die spezifische Wirkweise zu. Aussagen etwa über die wundballistischen Auswirkungen lassen sich ohne weitere Informationen zur konkreten Funktionsweise, insbesondere ohne nähere Details zum verwendeten Kaliber und zur dazugehörigen Munition nicht treffen.625 Fest steht nur, dass ein automatisierter Lademechanismus vorhanden ist. Aber nicht jede Variante stellt sich im Hinblick auf die mit seinem Einsatz verbundenen Folgen als vergleichbar problematisch dar. Eine Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines (Maschinen-)Gewehrtyps ist deswegen auf dieser Abstraktionsebene kaum möglich.626

welcher das Sturmgewehr FN SCAR-L nicht als ein solches bezeichnet, sondern als scheinbar andersartige „Mitteldistanzwaffe“ bzw. als „Kompakt-Gewehr“. 623 Zum Teil werden Gewehre, die nur einen halbautomatischen Feuermodus aufweisen nicht als halbautomatisches Maschinengewehr, sondern als „Selbstladegewehr“ bezeichnet. Allerdings spricht die Fachliteratur auch von „Halbautomaten-Varianten“ verschiedener Sturm-/Maschinengewehre, vgl. etwa Roth, Polizeipraxis 2017/1, 18 (passim). Auch die Presse verwendet beispielsweise den Begriff des halbautomatischen Sturmgewehrs, vgl. Zand-Valkii, Ladehemmung – Polizei gibt neue Sturmgewehre wieder zurück, in: Hamburger Abendblatt v. 08.08.2017, abrufbar unter https://www. abendblatt.de/hamburg/article211519613/Ladehemmung-Polizei-gibt-neue-Sturmgeweh re-wieder-zurueck.html (abgerufen am 14.06.2021). 624 Diese Unterteilung stammt ursprünglich aus § 36 Abs. 4 MEPolG, abgedruckt bei Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 112. 625 So haben insbesondere das Geschosskaliber, die Geschossenergie, die Geschossgeschwindigkeit und die Geschosskonstruktion einen erheblichen Einfluss auf das Vernichtungspotential eines ballistischen Waffensystems, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 199 ff. 626 Anders aber zum Teil die supra in Fn. 613 genannten Quellen.

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D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

Die in der Literatur dennoch angeführte Kritik, Maschinengewehre seien allgemein aufgrund ihrer hohen Feuerrate nicht hinreichend beherrschbar,627 trifft nämlich trotz des dahingehenden Sprachgebrauchs grundsätzlich nur auf vollautomatische Varianten zu.628 Hier ist zudem unklar, warum Gegner des Maschinengewehrs nicht gleichzeitig auch Maschinenpistolen bemängeln, welche zum Teil ebenfalls hohe Feuerraten aufweisen.629 Ähnlich verhält es sich mit der Argumentation, Maschinengewehre seien ausschließlich für kriegerische Zwecke geschaffen worden.630 Selbst wenn das im Einzelfall zutrifft, hat das nicht zwangsweise zur Folge, dass sich eine bestimmte Modellvariante nicht dennoch zu polizeilichen Zwecken nutzbar machen lässt – vorausgesetzt die spezifische Wirkweise lässt das zu. Da die verschiedenen Begriffsverwender in aller Regel das gemeinte Waffensystem nicht konkretisieren,631 bleibt schließlich offen, ob die explizit im Hinblick auf Maschinengewehre geäußerte Kritik auch für Sturmgewehre, Mitteldistanzgewehre etc. und insbesondere auch für halbautomatische Varianten gelten soll. Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist es vorzuziehen, zur Klärung der Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines bestimmten Gewehrs eine Betrachtung im Einzelfall vorzunehmen. Es kann dort nur als grobe Orientierung dienen, wie das zu bewertende Gewehr üblicherweise bezeichnet wird.

4. Sturmgewehr H&K G36 Im Rahmen der aktuellen Militarisierungsdebatte stehen insbesondere Gewehre des Typs H&K G36 im Vordergrund, welche üblicherweise als Sturmgewehre632 eingestuft werden und bei der Gefahrenabwehr zunehmend eine größere Rolle spielen sollen.633 Da sich bereits gezeigt hat,634 dass ein grundrechtskonformer Einsatz leistungsstarker Schusswaffen durch die Polizei unter engen Voraussetzungen denkbar ist, gilt es im Folgenden noch zu klären, ob dem Einsatz dieses Waffentyps nicht das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften entgegensteht. 627

So Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 26. Zum Begriffsproblem bei halbautomatischen Varianten verschiedener Maschinen-/Sturmgewehre vgl. supra Fn. 623. Zur Unzulässigkeit des sog. Dauerfeuers eingehend supra B. I. 2. c) bb); B. II. 1. b) cc) (2); infra D. I. 4. c) dd). 629 Zu Maschinenpistolen eingehend infra D. II. 630 So Graulich, Bayern im Windschatten des Bundes (Hyperlink in Fn. 522). 631 Vgl. etwa die supra in Fn. 613 genannten Quellen. 632 Auch der Hersteller H&K stuft das Gewehr auf der offiziellen Homepage so ein: „. . . das G36 [setzt] nach wie vor den Maßstab in der Kategorie der Sturmgewehre.“, abrufbar unter https://www.heckler-koch.com/de/produkte/militaer/sturmgewehre/g36/ g36/produktbeschreibung.html (abgerufen am 28.06.2021). 633 Zu den Beschaffungsplänen supra A. II. 634 Vgl. zu den Anforderungen, die beim Einsatz von Zwangsmitteln mit hohem Vernichtungspotential zu beachten sind supra B. II. 1. b). 628

I. Maschinengewehre

143

a) Entgegenstehendes Trennungsgebot Die Bewaffnung der Polizei mit dem H&K G36 läuft den Rechtsfolgen635 des Trennungsgebots allerdings in mehrfacher Hinsicht entgegen. Es weist aufgrund seiner vergleichsweise hohen Mündungsenergie von ca. 1.700 Joule und einer Mündungsgeschwindigkeit von ca. 920 m/s nämlich zum einen ein für die militärische Gefahrenabwehr charakteristisches Vernichtungspotential auf.636 Zum anderen ist ein Einsatz je nach verwendeter Munition und gewähltem Feuermodus mit einer nur begrenzt beherrschbaren Umfeldgefährdung verbunden.637 Schließlich steigert es als Ordonnanzwaffe der Bundeswehr638 das paramilitärische Erscheinungsbild erheblich.639 Aufgrund der deutlichen Ausprägung dieser Aspekte (Vernichtungspotential, mangelnde Kontrollier- und Beherrschbarkeit, militärisches Erscheinungsbild) handelt es sich beim H&K G36 in der Standardkonfiguration um eine charakteristisch-militärische Schusswaffe, die nur den Streitkräften vorbehalten ist.640 Eine mit dieser Waffe ausgerüstete Polizeieinheit büßt deswegen in einer mit dem Trennungsgebot unvereinbaren Art und Weise das polizeiliche Gepräge ein, was zunächst gegen die Verwendungsmöglichkeit bei der Polizei spricht.641 b) Nutzen zur effektiven Gefahrenabwehr Die hohe Durchschlagskraft dieses Waffensystems kann allerdings gegen besonders geschützte und bewaffnete Täter polizeitaktisch gesehen sehr nützlich sein. Auch die im Gegensatz zu herkömmlicher Polizeibewaffnung deutlich er-

635 Das Trennungsgebot steht der Bildung paramilitärischer Strukturen entgegen, dazu siehe supra B. I. 2. 636 Vgl. zur Mündungsenergie des G36 das öffentlich zugängliche Gutachten von H&K zur Untersuchung des Streuungs- und Treffpunktverhaltens des Sturmgewehrs G36 im heißgeschossenen Zustand v. 16.12.2013, S. 10 (Fn. 373). Zum wundballistischen Einfluss von Mündungsenergie und Mündungsgeschwindigkeit Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201 ff. Zum Begriff des Vernichtungspotentials supra B. I. 2. c) aa). 637 In der Bundeswehrstandardkonfiguration hat das Gewehr einen Dauerfeuermodus und verschießt Hartkerngeschosse, vgl. dazu etwa die Homepage des Herstellers H&K, abrufbar unter https://www.heckler-koch.com/de/produkte/militaer/sturmgewehre/g36/ g36/technische-daten.html (abgerufen am 07.05.2021). Zu nicht-deformierenden (Hartkern)geschossen, welche das nähere Umfeld gefährden können supra B. II. 1. a) cc) (3). 638 Offizielle Standardbewaffnung der Bundeswehrsoldaten, vgl. die Homepage der Bundeswehr, abrufbar unter https://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/start/streitkraef te/soldaten/waffen_grossgeraet/handwaffen/ (abgerufen am 07.05.2021). 639 Zum paramilitärischen Erscheinungsbild im Kontext des Trennungsgebots supra B. I. 2. f). 640 Zu den Merkmalen einer charakteristisch-militärischen Waffe supra B. I. 2. c). 641 Zum Begriff des polizeilichen Gepräges supra B. I. 2. a) cc).

144

D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

höhte Reichweite ist im Einzelfall förderlich.642 Dazu kommt, dass ein originärer Einsatz solcher Waffen durch die Bundeswehr aufgrund der hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen für einen Einsatz im Innern regelmäßig unzulässig ist.643 Die strikte Beachtung des Trennungsgebots hätte deswegen zur Folge, dass solche Sturmgewehre im Einzelfall weder durch die Polizei noch durch die Bundeswehr zur Abwehr einer bestimmten Gefahr eingesetzt werden dürften. Um dadurch drohende Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr zu vermeiden, lässt sich argumentieren, dass die Polizei in besonderen Gefährdungssituationen trotz des entgegenstehenden Trennungsgebots auf diese Waffen zurückgreifen können muss. c) Praktische Konkordanz aa) Kein absolutes Bewaffnungsverbot Wertungen des Trennungsgebots zwischen Polizei und Streitkräften und solche des Grundsatzes der effektiven Gefahrenabwehr stehen sich hier also gleichrangig gegenüber.644 Beide müssen daher im Wege der praktischen Konkordanz derart in Ausgleich gebracht werden, dass den gegenläufigen Prinzipien eine jeweils maximal mögliche Geltung verschafft wird.645 Um der Bedeutung des Grundsatzes der effektiven Gefahrenabwehr gerecht zu werden, bietet sich bei dem hier bestehenden Wertungskonflikt eine Modifikation der Rechtsfolgen des Trennungsgebots an, sodass vom absoluten Bewaffnungsverbot der Polizei mit charakteristisch-militärischen Schusswaffen im Fall des H&K G36 abgewichen wird.646 Der Polizei wird somit ermöglicht, auch Sturmgewehre dieses Typs neben ihrer bisher üblichen Ausrüstung einzusetzen. Gleichzeitig dürfen dadurch aber Wertungen des Trennungsgebots nicht unzulässig weit ausgehöhlt werden.647 Vor dem Hintergrund des Art. 87a GG gilt es daher drei Kernaspekte zu gewährleisten: 642 Eingehend und m.w. N. zu dieser Forderung aus der Einsatzpraxis Berners, Polizeipraxis 02/2018, 32 (passim); Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (passim). 643 Zu den hohen Anforderungen für den Einsatz der Streitkräfte im Innern supra B. I. 1. a) aa)–bb). 644 Zu Kollisionen zwischen Trennungsgebot und dem Gebot der effektiven Gefahrenabwehr supra C. II. 2. c). 645 Vgl. BVerfGE 41, 29 (51), 81, 298 (308); Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, §3 Rn. 94; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78 ff.; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 125 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2 Rn. 72. 646 In eine ähnliche Richtung Linke ohne nähere Begründung und nicht explizit auf den Sturmgewehrtyp H&K G36 bezogen: „Sie sind und bleiben militärische Waffen, die gleichwohl mit Fug und Recht einen angestammten Platz im polizeilichen Arsenal genießen.“, Linke, NZWehr 2006, 177 (190). 647 Ähnlich müssen auch bei der Auslegung des Art. 35 Abs. 2, 3 GG die Wertungen des Art. 87a Abs. 4 GG miteinbezogen werden, damit militärische Mittel im Innern nicht verfrüht eingesetzt werden – selbst wenn das zulasten der effektiven Gefahrenabwehr im Einzelfall geht, vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 41 ff.; supra B. I. 1. a) bb) (1).

I. Maschinengewehre

145

bb) Einsatz muss ultima ratio bleiben Erstens wird durch Art. 87a GG vorgegeben, dass charakteristisch-militärische Waffen grundsätzlich nur als ultima ratio im Innern eingesetzt werden dürfen.648 Dieser Vorgabe muss auch dann eine weitgehende Wirksamkeit verschafft werden, wenn solche Waffen systemwidrig durch die Polizei anstelle der Streitkräfte eingesetzt werden.649 Der deswegen zu gewährleistende Ausnahmecharakter dieser Einsatzmöglichkeit lässt sich nur wahren, wenn besondere Anforderungen sowohl an den Grad der vorliegenden Gefahr als auch an die bedrohten Rechtsgüter gestellt werden. Zudem muss kritisch hinterfragt werden, ob polizeiübliche Mittel zur Gefahrenabwehr tatsächlich unzureichend sind. Damit Wertungen des vom Trennungsgebot umfassten Art. 87a GG also nicht unzulässig weit zurücktreten, muss für den polizeilichen Rückgriff auf Sturmgewehre des Typs H&K G36 mindestens eine konkrete Gefahr für Rechtsgüter mit überragender Bedeutung vorliegen, für die die bisher übliche Polizeibewaffnung zur Abwehr entweder nicht geeignet ist oder diese nur unter stark erschwerten Bedingungen ermöglicht. Ein Einsatz solcher Sturmgewehre bereits im Gefahrenvorfeld oder zur Abwehr von Rechtsgütern mit vergleichsweise geringer Bedeutung wie des Eigentums würde dem Ausnahmecharakter zuwiderlaufen und kann daher nicht ausreichen.650 Der Einsatz von Sturmgewehren des Typs H&K G36 durch die Polizei muss mit anderen Worten alternativlos sein, damit nicht hinnehmbare Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr vermieden werden.651 cc) Keine flächendeckende Bewaffnung Zweitens folgt aus dem vom Trennungsgebot umfassten Art. 87a GG als weitere wesentliche Vorgabe, dass nur die Streitkräfte durch ihre Bewaffnung in die Lage versetzt werden dürfen, militärische Feinde abzuwehren.652 Um auch diese Vorgabe nicht unzulässig weit auszuhebeln, darf eine Ausstattung der Polizei mit charakteristisch-militärischen Waffen zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr in quantitativer Hinsicht nicht ausufern. Die konkrete Verteilung von Sturmgewehren des Typs H&K G36 an die Polizei muss daher eng begrenzt werden. Eine flächendeckende Bewaffnung würde vor dem Hintergrund des Trennungsgebots 648

Zu dieser Vorgabe supra B. I. 1. a) aa)–bb). Diese Restriktion ergibt sich somit nicht nur wie bereits dargestellt aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, sondern auch als Ergebnis der Abwägung zwischen Trennungsgebot und Aspekten der effektiven Gefahrenabwehr, vgl. supra B. I. 1. a) aa)–bb). 650 Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gibt ähnliche Anforderungen vor, vgl. supra B. II. 2. b) aa) (2) (c) (aa). 651 Solche Gefahrenlagen, in denen polizeiübliche Mittel tatsächlich nicht ausreichen könnten, werden vor allem im Mitteldistanzbereich (Entfernung zum Störer ca. 200– 600 Meter) befürchtet, vgl. dazu etwa Berners, Polizeipraxis 2018, 32 (passim). 652 Zu dieser Vorgabe supra B. I. 1. a) aa)–bb). 649

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D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

jedenfalls zu weit gehen.653 Es bietet sich daher an, den Zugang zu diesen Waffensystemen nur Polizeisondereinheiten zu ermöglichen, denen wenig Personal zugewiesen ist. Da diese Einheiten regelmäßig eine besonders intensive Ausbildung durchlaufen haben, könnten zudem so die komplizierten Einsatzanforderungen besser gewährleistet werden, die es beim Einsatz charakteristisch-militärischer Waffensysteme zu beachten gilt.654 dd) Keine Ermöglichung des sog. Dauerfeuers Drittens steht das Trennungsgebot (wie auch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG655) solchen Waffen bei der Polizei entgegen, welche sich nicht ausreichend kontrollieren und beherrschen lassen.656 Etwas Gegenteiliges lässt sich aber auch nicht aus dem Gebot der effektiven Gefahrenabwehr ableiten.657 In diesem Punkt ist also von vorneherein keine Abweichung geboten, sodass charakteristisch-militärische Waffen, die bei der Polizei eingesetzt werden sollen, dieser Vorgabe unbedingt gerecht werden müssen. Die militärische Standardkonfiguration des H&K G36, die einen Dauerfeuermodus aufweist658, ist mit dieser Vorgabe unvereinbar und darf deswegen nicht bei der Polizei verwendet werden. Um einen zulässigen Einsatz zu ermöglichen, müsste dieser Feuermodus technisch deaktiviert werden. Der Einsatz von Sturmgewehren des Typs H&K G36 ist somit trotz des Trennungsgebots verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, allerdings von hohen Anforderungen abhängig. Die Bewaffnung der Polizei mit diesen Waffen ist unter Beachtung der genannten Vorgaben zulässig.

5. Ähnliche Sturmgewehre Neben dem H&K G36 werden momentan weitere Sturmgewehre für die Polizei beschafft, zum Beispiel solche des Typs Sig Sauer MCX, H&K 416 und FN SCAR-L.659 Allen ist das Kaliber 5,56 mm x 45 als wesentlicher Faktor gemein653 Unzulässig ist deswegen das Vorhaben, sogar Streifenpolizisten mit Sturmgewehren auszurüsten, vgl. dazu Roth, Polizeipraxis 2017/1, 18 ff.; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46) m.w. N. 654 Zu den grundrechtlich begründeten Einsatzanforderungen supra B. II. Zu den drohenden Problemen bei der Rechtsanwendung infra F. 655 Dazu supra B. II. 1. b) cc) (2). 656 Ähnlich auch Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 26. Vgl. zu dieser Rechtsfolge des Trennungsgebots supra B. I. 2. c) bb). 657 Zum Umfang des mehrdimensionalen Grundsatzes der effektiven Gefahrenabwehr supra C. 658 Zu den Konfigurationsvarianten des H&K G36 Weisswange, Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr, S. 130; Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (passim). 659 Zu den Beschaffungsplänen supra A. II. 1.

II. Maschinenpistolen

147

sam, der ihre spezifische Wirkweise vorbestimmt und für eine grundlegende Vergleichbarkeit hinsichtlich der wundballistischen Auswirkungen sorgt, insbesondere wenn dieselbe Munition verschossen wird.660 Da diese Waffensysteme im Vergleich zum H&K G36 deswegen sehr ähnlich funktionieren und wirken, sind sie rechtlich entsprechend zu behandeln.661 Sie dürfen also unter den eben dargestellten Voraussetzungen ebenfalls beschafft werden.

II. Maschinenpistolen 1. Lange etabliert Maschinenpistolen sind schon lange in großer Stückzahl sowohl für die Bundespolizei als auch für die Landespolizeien verfügbar.662 Mit diesem Begriff sind in der Regel für den Einsatz in Nahdistanzen konzipierte automatische Waffensysteme gemeint, welche über einen kurzen Lauf verfügen.663 In Abgrenzung zu Maschinengewehren weisen polizeiübliche Varianten eine deutlich reduzierte Leistung auf und eignen sich daher nicht für Mittel- und Ferndistanzen.664 Im Rahmen der aktuellen Aufrüstungsdebatte spielen insbesondere technisch weiterentwickelte Modellvarianten eine gewichtige Rolle und werden zunehmend beschafft.665

2. Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot Verfassungsrechtlich sind die für die Polizei verfügbaren Modelle im Vergleich zu Sturm-/Maschinengewehren insbesondere aufgrund des reduzierten Vernichtungspotentials nicht gleichermaßen problematisch. 660 Zu den wundballistischen Auswirkungen von Geschossen im Kaliber 5,56 mm x 45 etwa Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 200 f., 206, 208. 661 Aufgrund der vergleichbaren Wirkweise werden Sturmgewehre in der Regel lediglich nach dem Kaliber 5,56 mm x 45 ausgeschrieben, ohne dass weitere Anforderungen konkretisiert werden, vgl. etwa das Vergabeverfahren „Ausrüstung für Sicherheitszwecke, Brandbekämpfung, Polizei und Verteidigung 2018/S 193-436319“, ausgeschrieben vom Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei, abrufbar unter https://ted. europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:436319-2018:TEXT:DE:HTML (abgerufen am 07.05. 2021). 662 Sie gehören zur Standardbewaffnung u. a. der bayerischen Polizei, vgl. dazu Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 78 Rn. 10. Allgemein zur Rolle der Maschinenpistole bei der Polizei Roth, Polizeipraxis 2019/2, 28 (28 ff.). 663 Vgl. Duden Universalwörterbuch, Aufl. 2019, Stichwort: „Maschinenpistole“; Kneubuehl/Coupland/Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 65. Ähnlich wie auch bei den verschiedenen Gewehrtypen werden die Begriffe uneinheitlich und unscharf genutzt, zum Parallelproblem eingehend supra D. I. 1. 664 Vgl. Roth, Polizeipraxis 2019/2, 28 (28 ff.); Berners, Polizeipraxis 2018/2, 32 (32 ff.). Zum anderen Begriffsverständnis bei Teilnehmerstaaten des Warschauer Pakts, vgl. Wollert/Lidschun/Kopenhagen, Schützenwaffen heute 1945–1985, Band 2, S. 404. 665 Insbesondere die Maschinenpistole H&K MP7 steht im Mittelpunkt der Beschaffung, vgl. Roth, Polizeipraxis 01/2017, 18 (18).

148

D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

a) Kein charakteristisch-militärisches Vernichtungspotential Ein Konflikt mit dem Trennungsgebot ergibt sich vor allem dann, wenn die Polizei Zwangsmittel einsetzt, die aufgrund ihrer Wirkungen primär der Vernichtung dienen.666 Das ist bei polizeiüblichen Maschinenpistolen aber nicht der Fall. Die bisher bei der Polizei verwendete Maschinenpistole des Typs H&K MP5 verschießt Projektile im auch bei Dienstpistolen üblichen Kaliber 9 mm x 19.667 Schusswaffen dieses vergleichsweise schwachen Kalibers haben sich in der Vergangenheit trotz der mittlerweile aufgekommenen Bedenken hinsichtlich ihres Nutzens beim Einsatz gegen besonders geschützte Täter668 als sehr wirkungsvolles, aber dennoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit tödliches Mittel erwiesen.669 Selbst wenn mit solchen Waffen gezielt auf Menschen geschossen wurde,670 konnte der Tod des Störers in den meisten Fällen vermieden werden, sodass sich das Vernichtungspotential dieser Schusswaffen nicht als generell für die polizeiliche Anwendung überzogen darstellt. Die Bewaffnung der Polizei mit derartigen Maschinenpistolen ist daher in dieser Hinsicht mit dem Trennungsgebot vereinbar. Das gilt entsprechend auch für die bei der Polizei neu eingeführte Maschinenpistole H&K MP7, die das Spezialkaliber 4,6 mm x 30 verschießt und nicht wesentlich mehr Energie umsetzt,671 sodass sich hier keine andere Bewertung ergeben dürfte.672 b) Unzulässige Varianten Allerdings sind Maschinenpistolen der Polizei in der Praxis häufig mit einer Dauerfeuerfunktion ausgestattet.673 Die aus dem Trennungsgebot und den Grund666

Zu diesem Charakteristikum supra B. I. 2. c). Mehr Informationen beim Hersteller H&K, abrufbar unter https://www.hecklerkoch.com/de/produkte/militaer/maschinenpistolen/mp5/mp5/produktbeschreibung.html (abgerufen am 07.05.2021). 668 Vgl. zur Forderung nach einer schlagkräftigeren Bewaffnung etwa Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (16 ff.). 669 Mit einer wundballistischen Betrachtung u. a. des Kalibers 9 mm x 19 Neitzel/ Kollig, Taktische Medizin, S. 201, 211. Insbesondere die genutzte Munition und die spezifische Waffenkonfiguration (etwa die Lauflänge) führt im Einzelfall noch zu Abweichungen, vgl. Kneubuehl, Ballistik, S. 83 f. 670 Vgl. zum Sterberisiko beim Einsatz bisher üblicher Polizeiwaffen supra B. II. 1. a) cc) (1). 671 Geschosse werden im Fall der H&K MP7 mit einer Mündungsenergie von ca. 500 Joule verschossen, vgl. Roth, Polizeipraxis 02/2016, 16 (16 ff.). Die Mündungsenergie bei Geschossen des bisher üblichen Kalibers (9 mm x 19) beträgt ca. 490 Joule, vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201. 672 Verwertbare Statistiken oder Daten, die Rückschlüsse auf die tatsächliche Gefährlichkeit dieses Waffensystems zulassen, vor allem wenn sog. Polizeimunition verschossen wird, liegen aber bisher nicht vor und müssen daher noch abgewartet werden. 673 Vgl. Roth, Polizeipraxis 2019/2, 28 (34). 667

II. Maschinenpistolen

149

rechten resultierende Forderung, dass sämtliche der Polizei zur Verfügung stehenden Zwangsmittel jederzeit kontrollierbar und beherrschbar sein müssen,674 ist jedoch auch hier zu beachten. Deswegen sind vollautomatische Varianten für die Polizei trotz der gegenläufigen Ausrüstungspraxis generell unzulässig. c) Kein unzulässiges paramilitärisches Erscheinungsbild Bedenken könnten sich außerdem aufgrund eines ggf. unzulässigen paramilitärischen Erscheinungsbilds ergeben, welches mit dem Trennungsgebot im Konflikt stünde.675 Maschinenpistolen werden nämlich weltweit auch durch verschiedene Streitkräfte eingesetzt, sodass bei der verwendenden Polizeieinheit paramilitärische Assoziationen drohen. Maschinenpistolen spielen allerdings im militärischen Verwendungsbereich nur eine untergeordnete Rolle,676 weswegen ihre Verwendung durch die Polizei sich nicht als in ähnlicher Weise prägend für den paramilitärischen Charakter darstellt, wie es beispielsweise beim Ordonnanzgewehr H&K G36 der Bundeswehr der Fall ist. Die im Vergleich zum H&K G36 deutlich verminderte Leistung der polizeiüblichen Maschinenpistolen wird zudem optisch durch ihre kompakte und pistolenartige Form unterstrichen, sodass ein damit bewaffneter Polizist noch nicht zwingend militärische Assoziationen hervorruft.677 Die Maschinenpistole H&K MP7 ist beispielsweise so kompakt und vergleichsweise unscheinbar, dass sie weitgehend versteckt an einem Beinholster getragen werden kann und dort oft nicht einmal bemerkt werden dürfte.678 Aufgrund dieser Aspekte ist hinsichtlich der polizeiüblichen Maschinenpistolen nicht davon auszugehen, dass sie der Poli674

Zur Unzulässigkeit des sog. Dauerfeuers supra B. I. 2. c) bb); B. II. 1. b) cc) (2). Zur Unzulässigkeit eines paramilitärischen Erscheinungsbilds supra B. I. 2. f). 676 Maschinenpistolen werden üblicherweise zum Selbstschutz an Truppenteile ausgegeben, die sich u. a. innerhalb von Fahrzeugen gut bewegen können müssen und bei denen infanteristische Feuerkämpfe über lange Distanzen eine untergeordnete Rolle spielen. Aus diesem Anforderungsprofil ergeben sich bestimmte Waffeneigenschaften, welche eine dort nützliche Maschinenpistole aufweisen muss. Diesen Anforderungen entsprechend bezeichnet etwa der Hersteller H&K seine Maschinenpistole MP7 als „echte persönliche Verteidigungswaffe“, https://www.heckler-koch.com/de/produkte/mili taer/maschinenpistolen/mp7a1/mp7a1/produktbeschreibung.html (abgerufen am 06.07. 2020). Mehr zum Konzept „persönliche Verteidigungswaffe“ (üblicherweise kurz PDW für „Personal Defence Weapon“), welches irgendwo zwischen Pistole und Sturmgewehr verortet liegt Berners, Polizeipraxis 02/2018, 32 (32 ff.), der auch näher auf die Verwendungsmöglichkeiten im militärischen und polizeilichen Kontext eingeht. 677 Selbst der Waffenhersteller H&K sieht den Anwendungsbereich für Maschinenpistolen (im Fall der MP7) nicht im klassischen militärischen Feuerkampf, sondern nur für besondere Zwecke, vgl. supra Fn. 676. 678 Abgebildet bei Roth, Polizeipraxis 2016/2, 16 (24). Anders verhält es sich aber dann, wenn die Waffe ausgeklappt in der Hand geführt wird. Auch die Maschinenpistole der Polizei H&K MP5 wirkt in bestimmten Konfigurationen eher kompakt und unscheinbar, vgl. mit Abbildungen Roth, Polizeipraxis 2019/2, 28 (28 ff.). 675

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D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

zei ein unzulässiges paramilitärisches Erscheinungsbild verleihen, das dem Trennungsgebot zuwiderliefe.

3. Steigerung der effektiven Gefahrenabwehr Mit dem Trennungsgebot lässt sich also nicht gegen die generelle Verfügbarkeit von Maschinenpistolen bei der Polizei argumentieren und auch in grundrechtlicher Hinsicht ergeben sich keine Probleme, die über die allgemeinen Schwierigkeiten beim Einsatz von Schusswaffen hinausgehen.679 Vielmehr spricht das Gebot der effektiven Gefahrenabwehr sogar für die Bewaffnung der Polizei mit diesen Mitteln. Übliche Dienstpistolen lassen sich nämlich nur bis zu einer Reichweite von ca. 25 Metern effektiv gegen Täter einsetzen.680 Maschinenpistolen können diese Reichweite erheblich steigern, ohne dass die Gefahr für den Täter gleichermaßen gesteigert wird. So ermöglichen etwa Schulterstützen eine kontrollierte Schussabgabe.681 Außerdem sind größere Magazine verfügbar und ein ggf. modularer Aufbau ermöglicht die Nutzung von Zielhilfen (Griffe, Reflexvisiere, Laserpointer etc.).682 Das Zusammenspiel dieser Aspekte steigert die effektive Einsatzreichweite im Fall der H&K MP5 auf bis zu 100 Meter und im Fall der MP7 lassen sich überdies durch eine spezielle Geschosskonstruktion sogar besonders geschützte Täter bis auf 200 Meter effektiv bekämpfen.683 Der Polizei diese Vorteile generell zu verwehren, würde die effektive Gefahrenabwehr ohne zwingenden Grund beeinträchtigen.

4. Keine besonderen Einsatzanforderungen Die Ausstattung der Polizei mit Maschinenpistolen, welche im Vergleich zu üblichen Dienstpistolen kein oder ein nur leicht gesteigertes Vernichtungspotential aufweisen, ist verfassungsrechtlich also nicht zu beanstanden. Insbesondere die Varianten H&K MP5 und MP7 können deswegen ohne weitere Anforderungen für die Polizei zugänglich gemacht werden. Ein konkreter Einsatz ist aufgrund der vergleichbaren Wirkweise an jene Anforderungen geknüpft, die für den Einsatz üblicher Dienstpistolen zu beachten sind; es müssen also die regulären Anforderungen des polizeilichen Schusswaffengebrauchs beachtet werden.684 679 Eingehend und m.w. N. zu den Einsatzanforderungen beim Schusswaffengebrauch der bisher üblichen Varianten Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 108 ff., 178 ff.; siehe dazu auch supra B. II. 1. b). 680 Vgl. Roth, Polizeipraxis 2016/2, 16 (17). 681 Vgl. ibid., 16 (18). 682 Vgl. ibid., 16 (16 ff.); Roth, Polizeipraxis 2019/2, 28 (passim). 683 Vgl. Roth, Polizeipraxis 2016/2, 16 (16). 684 Vgl. zu den allgemeinen Anforderungen des polizeilichen Schusswaffengebrauchs etwa Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 108 ff., 178 ff.

III. Hochleistungspräzisionsgewehre

151

5. Aber: Einschüchterungswirkung muss berücksichtigt werden Das bedeutet aber nicht, dass Pistolen und Maschinenpistolen gänzlich gleich zu behandeln sind. Denn hier muss beachtet werden, dass eine Maschinenpistole auf den Bürger weitaus bedrohlicher als eine Dienstpistole wirken kann, insbesondere wenn sie einsatzbereit in den Händen geführt wird. Obwohl diese Waffen im Vergleich zu Sturm-/Maschinengewehren tatsächlich vergleichsweise unscheinbar, klein und kompakt sind, kommt ihnen im Vergleich zu üblichen Dienstpistolen dennoch ein gewisser martialischer Charakter zu, welcher, wenn er auch nicht mit einer unzulässigen militärischen Assoziation einhergeht,685 trotzdem auf eine zur Eskalation bereite Polizei schließen lässt.686 Es ist deswegen wahrscheinlicher, dass sich Bürger beim Anblick dieser Zwangsmittel eingeschüchtert fühlen und von grundrechtlich geschütztem Verhalten Abstand nehmen. Das kann mit einem Eingriff in die Grundrechte verbunden sein, der nach bereits dargestellter Maßgabe687 rechtfertigungsbedürftig ist.688 Dieser Aspekt spricht allerdings nicht gegen die grundsätzliche Zulässigkeit von Maschinenpistolen bei der Polizei, wohl aber für die Notwendigkeit des Bewusstseins darüber, welche Außenwirkung von einer solchen Bewaffnung ausgehen kann.

III. Hochleistungspräzisionsgewehre Hochleistungspräzisionsgewehre spielen vor allem bei Polizeispezialeinheiten eine eigentümliche Rolle,689 da sie sowohl ausgeprägte militärische als auch polizeiliche Charakteristika aufweisen. Zur Frage ihrer Zulässigkeit lassen sich verfassungsrechtlich deswegen widersprüchliche Wertungen ableiten.

1. Besonders hohes Vernichtungspotential . . . Hochleistungspräzisionsgewehre sind extrem leistungsstarke Schusswaffen und konzipiert für den präzisen Einsatz in der Distanz. Zum Beispiel werden Projektile im Fall des PGM Précision 338 mit einer Mündungsenergie von bis zu 6.600 685

Vgl. supra D. II. 2. c). Zu eskalierendem Polizeiverhalten im Kontext einer möglichen Eingriffswirkung supra B. II. 3. d) aa) (2) (b). 687 Zu den Anforderungen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung supra B. II. 3. d) bb). 688 Das gilt erst recht, wenn die Polizei noch schlagkräftigere Zwangsmittel präsentiert, etwa Sturmgewehre des Typs H&K G36. Solche Mittel dürfen aber ohnehin nur als ultima ratio eingesetzt werden (dazu supra D. I. 4. c)). 689 So ist etwa das Hochleistungspräzisionsgewehr PGM Précision 338 bei der Bundespolizeispezialeinheit GSG 9 im Einsatz, vgl. für einen Einblick in die eigentlich geheim gehaltene Ausrüstung den offiziellen Imagefilm der GSG 9, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=RJysmNVHJJ4 (abgerufen am 07.05.2021). 686

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D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

Joule verschossen (zum Vergleich: H&K G36, ca. 1.700 Joule; übliche Dienstpistolen im Kaliber 9 mm x 19, ca. 490 Joule690), sodass sich auch besonders geschützte und sehr weit entfernte Ziele (bis 1.200 Meter) bekämpfen lassen.691 Eine solche Waffe kann dem Täter im Vergleich zur üblichen Dienstpistole also potentiell ca. das 13-Fache an kinetischer Energie zuführen.692 Dazu kommt, dass die verschossenen Projektile eine sehr hohe Geschwindigkeit über eine weite Distanz aufrechterhalten.693 Beide Faktoren kombiniert begünstigen die Entstehung verheerender Gewebeschäden erheblich.694 Diesen Waffen kommt deswegen ein ganz besonders ausgeprägtes Vernichtungspotential zu, welches im Grunde ausschließlich der Tötung des Störers dienlich ist. Obwohl das gezielte Töten eines Menschen mit einem solchen Mittel grundrechtskonform sein kann,695 lässt sich mit dem Trennungsgebot argumentieren,696 dass solche Waffen dennoch allein den Streitkräften vorbehalten sein müssen.

2. . . . bei gleichzeitig guter Beherrschbarkeit Auf der anderen Seite muss beachtet werden, dass sich das diesen Waffen zukommende zerstörerische Potential durch spezielle Komponenten (Langer Lauf, Zweibein, Zielfernrohr, besonderes Geschoss etc.697) unter bestimmten Bedingungen sehr präzise lenken lässt, sodass eine Umfeldgefährdung weitgehend ausgeschlossen werden kann. Ein fachgerechter Einsatz erfordert allerdings Vorbereitung, besondere Einsatzbedingungen, hinreichende Lageinformationen und schließlich einen sehr gut ausgebildeten Schützen.698 Hochleistungspräzisionsge690

Zu diesen Zahlen supra Fn. 373. Vgl. die Angaben des Herstellers PGM, abrufbar unter https://web.archive.org/ web/20110715074318/http://www.pgmprecision.com/uploads/pdf/pgm338_2008_en. pdf (abgerufen am 10.05.2021) und das Datenblatt zum Kaliber .338 Lapua Magnum der ständigen internationalen Kommission zur Prüfung von Handfeuerwaffen (C.I.P.), abrufbar unter https://www.cip-bobp.org/homologation/uploads/tdcc/tab-i/338-lapuamag-en.pdf (abgerufen am 10.05.2021). 692 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201. 693 So weisen die Geschosse im Kaliber .338 Lapua Magnum noch bis zu einer Entfernung von ca. 1200 Meter Schallgeschwindigkeit auf, vgl. Applied Ballistics LLC, „Weapon Employment Zone (WEZ) Analysis of the Optimized 300 Winchester Magnum vs 338 Lapua Magnum With Various Ammunition Types“, S. 5 f., abrufbar unter https://web.archive.org/web/20150923172716/http://www.appliedballisticsllc.com/Artic les/ABDOC116_2_300_338_Rev1.pdf (abgerufen am 10.05.2021). 694 Vgl. Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 204. 695 Zur Zulässigkeit des finalen Rettungsschusses supra B. II. 1. b) aa) (2) (b). 696 Zum Verbot der Bewaffnung der Polizei mit charakteristisch-militärischen Zwangsmitteln supra B. I. 2. c). 697 Vgl. zu Konfiguration, Funktion und Wirkweise sowie über die Einsatzmöglichkeiten von Hochleistungspräzisionsgewehren etwa Weisswange, Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr, S. 132 ff. 698 Vgl. eingehend zur Thematik United States Army Headquarters, Special Forces Sniper Training and Employment, Field Manual FM 3-05.222 (TC 31-32), passim. 691

IV. Explosivmittel; Granatwerfer

153

wehre entsprechen (nur) bei Vorliegen dieser tatsächlichen Voraussetzungen trotz ihres hohen Vernichtungspotentials der Prämisse699, dass polizeiliche Zwangsmittel im Idealfall wie ein Skalpell wirken. Sie ermöglichen die punktgenaue, sofortige Tötung eines Menschen, was im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr unabdinglich sein kann, etwa um Geiselnehmer gezielt und verlässlich auszuschalten.700

3. Notwendigkeit für den finalen Rettungsschuss Es handelt sich also um Präzisionswerkzeuge, die im Einzelfall notwendig sein können, um den finalen Rettungsschuss im polizeilichen Anwendungsfeld unter Gewährleistung sämtlicher Anforderungen701 überhaupt erst zu ermöglichen. Die Fähigkeit zur Abwehr einzelner Täter in außergewöhnlichen Situationen ist zudem kein originär militärisches Erfordernis, sondern Aufgabe der Polizei,702 sodass die Bewaffnung der Polizei mit Mitteln zu genau diesem Zweck die Abgrenzung zu den Streitkräften nicht grundsätzlich infrage stellt. Deswegen sprechen das Trennungsgebot und überdies auch das Gebot der effektiven Gefahrenabwehr letztlich nicht dafür, diese Waffensysteme aufgrund ihres Vernichtungspotentials allein den Streitkräften vorzubehalten. Hochleistungspräzisionsgewehre wie das PGM Précision 338, welche mit hohem Vernichtungspotential wirken, dabei aber in hohem Maße kontrollierbar und beherrschbar sind, dürfen folglich für die Polizei beschafft werden.

IV. Explosivmittel; Granatwerfer 1. Spreng-/Splitterhandgranaten und sonstige Sprenggeschosse Es hat sich bereits gezeigt, dass die gesetzgeberischen Bestrebungen703, die der Polizei den Einsatz von Explosivmitteln mit erheblichem Vernichtungspotential gegen Personen ermöglichen sollen, sowohl mit dem Trennungsgebot als auch mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sind.704 Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus der Differenzierung, ob solche Mittel etwa per Hand geworfen werden oder mittels Schusswaffe verschossen werden, rechtlich keine unterschiedliche Behandlung. Für die Polizei sind Explosivmittel mit hohem Ver699

Zu diesem Aspekt des Trennungsgebots supra B. I. 2. c). Vgl. zum finalen Rettungsschuss supra B. II. 1. b) aa) (2). 701 Vgl. ibid. 702 Zur Aufgabentrennung zwischen Polizei und Streitkräften supra B. I. 1. a) cc). 703 Zum Beispiel mit Art. 78 Abs. 5 S. 1 2. Hs 2. Var. BayPAG. 704 Dazu vgl. supra B. I. 2. c) bb); B. II. 1. b) bb) (1); B. II. 2. b) bb). Anders nur für solche Granaten, die kein erhebliches Vernichtungspotential aufweisen, dazu supra B. II. 1. b) bb) (2). 700

154

D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

nichtungspotential also unabhängig davon unzulässig, wie sie in den Zielbereich befördert werden. Spreng-/Splitterhandgranaten und sonstige Sprenggeschosse dürfen daher nicht ausgerüstet werden. Da die dahinterstehende, auf die Menschenwürde gestützte Argumentation keiner weiteren Abwägung zugänglich ist, können etwaige Argumente der effektiven Gefahrenabwehr an diesem Ergebnis nichts ändern.

2. Granatwerfer a) Verschießt auch unzulässige Munition In der Literatur wird überdies auch der Einsatz sog. Granatwerfer (teilweise auch Granatpistolen oder Mehrzweckpistolen genannt) als verfassungswidrig kritisiert, da sie sich zumindest auch zum Verschießen verbotener Sprengmunition eignen.705 Da ein Granatwerfer lediglich den Zweck hat, Granaten über eine weite Entfernung zum Ziel zu bringen,706 erscheint seine konkrete Wirkweise aber nur dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn er in Verbindung mit problematischer Munition genutzt wird, namentlich mit den kritisierten Sprenggranaten. Das ist jedoch bis heute nicht passiert, obwohl Granatwerfer seit den 1950ern durch die Polizei eingesetzt werden.707 Im polizeilichen Umfeld wurden sie bisher nur zum Verschießen anderer Munitionstypen genutzt, etwa von Nebel-, Reizgas- oder Gummigranaten.708 Hier wirft der Einsatz aber nicht gleichermaßen verfassungsrechtliche Bedenken auf, insbesondere ist keine Unvereinbarkeit mit dem Trennungsgebot ersichtlich. Dass auch unbedenkliche Verwendungszwecke existieren, spricht zunächst gegen die generelle Unzulässigkeit des Granatwerfers.

705 Vgl. Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 13; Ule, DVBl 1962, 353 (356); Burczyk, Cilip 116/2018, 13 (13 ff.). Für die grundsätzliche Zulässigkeit von Granatwerfern: Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 878; Wacke, JZ 1962, 137 (144); Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 197 m.w. N.; ohne Nennung des Begriffs Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, BayPAG, Art. 79 Rn. 24 f. 706 So wie im Fall der polizeiüblichen Granatwerfer des Typs H&K 69 und H&K 169, welche Granaten im Kaliber 40 mm x 46 verschießen. Solche Granatwerfer (bei der Polizei als „Mehrzweckpistolen“ bezeichnet) wurden beispielsweise während des G20-Gipfels in Hamburg eingesetzt, vgl. die kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und die Antwort des Hamburger Senats v. 18.08.17, BHDrs. 21/10063, S. 2. Auch Sachsen ist mit solchen Granatwerfern ausgestattet, vgl. die Antwort des sächsischen Staatsministers des Innern auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel v. 30.09.2015, Drs.-Nr. 6/2671, AZ 34-0141. 50/9098, S. 1 f. 707 Vgl. Noethen, Polizeibewaffnung, in: Lange, Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 215 (216); Ule, DVBl 1962, 353 (356). 708 Dokumentiert ist insbesondere der Einsatz von Gummi- und Reizgasgranaten, vgl. etwa die kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und die Antwort des Hamburger Senats v. 18.08.17, BHDrs. 21/10063, S. 2; Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 878.

V. Gepanzerte Einsatzfahrzeuge

155

b) Missbrauchsgefahr? Hingegen kann nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Granatwerfer dennoch zum Verschießen der verbotenen Sprenggeschosse missbrauchen lassen. Die Nutzung unzulässiger Munition kann technisch nämlich nicht ausgeschlossen werden. Gegner des Granatwerfers kritisieren daher das gesamte Waffensystem, ohne zwischen zulässigen und unzulässigen Munitionsarten zu differenzieren.709 Die diesen Mitteln zukommende Missbrauchsbefürchtung wurde zudem erst vor kurzem durch den Vorstoß des bayerischen Gesetzgebers neu beflügelt, der offensichtlich nicht der Ansicht ist, dass der Einsatz von Sprengmunition mit der Verfassung in einem unvereinbaren Konflikt steht.710 Führt man diesen Gedanken fort, so wären aber auch alle anderen Schusswaffen als verfassungswidrig zu bewerten, da sie theoretisch ebenso mit unzulässiger Munition genutzt werden könnten. Das wird jedoch inkonsequenterweise von Gegnern des Granatwerfers nicht gefordert. Da jeder ballistischen Waffe dahingehend eine Missbrauchsgefahr anhaftet, überzeugt es nicht, ausschließlich im Fall des Granatwerfers deswegen ein Verbot abzuleiten, obwohl die bisherige polizeiliche Gebrauchspraxis bestätigt hat, dass für diese Mittel nicht der Vernichtungszweck im Vordergrund steht. Richtigerweise richten sich die rechtlichen Bedenken deswegen nicht gegen die Zulässigkeit des Granatwerfers an sich, sondern allein gegen den Einsatz der unzulässigen Spreng-/Splittermunition. Granatwerfer dürfen deswegen grundsätzlich für die Polizei verfügbar gemacht werden.

V. Gepanzerte Einsatzfahrzeuge Problematisch ist außerdem die Ausstattung der Polizei mit gepanzerten Einsatzfahrzeugen (bei der Polizei als Sonderwagen bezeichnet), insbesondere wenn diese über eine Bordbewaffnung verfügen oder eine solche Ausrüstungsmöglichkeit zumindest besteht.

1. Konzipiert für den Kriegseinsatz Die militärischen Parallelen der martialisch anmutenden Sonderwagen lassen sich dabei kaum verschleiern. Zum Beispiel soll das sich aktuell in der Beschaffung befindliche 15 Tonnen schwere Einsatzfahrzeug Rheinmetall MAN Military Vehicles Survivor R (Bezeichnung der Polizei „Sonderwagen 5“) die Polizeibeamten vor Sprengstoffhinterhalten, Minen und Maschinengewehrfeuer schützen – 709

Vgl. etwa Ule, DVBl 1962, 353 (356); Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 13. Art. 78 Abs. 5 S. 1 BayPAG: „Explosivmittel sind besondere Sprengmittel, namentlich Handgranaten, Sprenggeschosse, die aus Schusswaffen verschossen werden können und sonstige explosionsfähige Stoffe, die vor Umsetzung von einem festen Mantel umgeben sind.“ Der konkrete Einsatz der Explosivmittel richtet sich nach Art. 86 Abs. 1 BayPAG. 710

156

D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

Bedrohungslagen, die man eigentlich in Konfliktsituationen zwischen verfeindeten Staaten vermutet.711 Die Fahrzeuge sollen teilweise mit modularen Waffenstationen ausgestattet werden, welche neben Nebel-, Rauch- oder Reizgaswerfern auch die Aufnahme und das ferngelenkte Abfeuern von charakteristisch-militärischen Waffensystemen wie Maschinengewehren zulassen,712 und die Fahrzeuge somit zum vollwertig gefechtsbereiten Waffensystem aufrüsten. Der Sonderwagen 4, welcher ebenfalls gepanzert ist und teilweise über eine Bordbewaffnung verfügt, wird bis heute u. a. bei den südkoreanischen Streitkräften verwendet.713 Mit dem Sonderwagen Mowag Eagle IV verfügt die Bundespolizei über ein weiteres gepanzertes Fahrzeug (Bordbewaffnung ebenfalls möglich), welches bis zum Jahr 2014 für die Bundeswehr im Afghanistan-Kampfeinsatz war und erst danach an die Polizei übergeben wurde.714 Auch mit dem Sonderwagen GEF-2 LuSi715 steht der Polizei ein ähnliches Fahrzeug zur Verfügung, das sich von der Bundeswehrvariante (LAPV Enok) nur aufgrund seiner Sonderausstattung und Farbe unterscheidet.716

2. Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot Mit der Verwendung gepanzerter und bewaffneter Einsatzfahrzeuge wird die Abgrenzung zwischen Polizei und Streitkräften besonders weit verwischt. Diese Sonderfahrzeuge stehen mit den Rechtsfolgen des Trennungsgebots teilweise in mehrfacher Hinsicht im Konflikt und werfen daher die Frage nach ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit auf. Allerdings muss zwischen den verschiedenen Ausrüstungsvarianten differenziert werden: a) Unbewaffnete Varianten Zunächst geht es um Sonderwagen, die über keinerlei Bewaffnung verfügen. Mit anderen Worten solche, welche weder mit Wasser-, Nebel-, Rauch- oder 711

Vgl. Moll, PVT 04/17, 46 ff. Vgl. die Pressemitteilung des Waffenherstellers Krauss-Maffei-Wegmann v. Juli 2018, abrufbar unter https://www.kmweg.de/fileadmin/user_upload/fce/news/Presse mitteilung-FLW-100-Bundespolizei.pdf (abgerufen am 10.05.2021). Bereits der Sonderwagen 4 wurde mit einem Maschinengewehrmodul ausgestattet und so zur Demonstrationsabsicherung eingesetzt, vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Helm u. a. v. 15.10.2018 an das Berliner Abgeordnetenhaus, AH-Drs. 18/16730, S. 7. 713 In Südkorea von Doosan Infracore Co. Ltd. produziert und dort als „Barracuda“ bekannt, vgl. http://warwheels.net/images/BarracudaDoosanDATASHEET.pdf (abgerufen am 20.01.2022). 714 Vgl. Spiegel Online v. 06.02.2015, Bundespolizei schutzlos bei islamistischen Terrorangriffen, abrufbar unter https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/bundespolizei-schutz los-bei-islamistischen-terrorangriffen-a-1017093.html (abgerufen am 10.05.2021). 715 Geschütztes Einsatzfahrzeug 2 – Luftsicherung. 716 Vgl. Moll, PVT 04/2017, 46 (50). 712

V. Gepanzerte Einsatzfahrzeuge

157

Reizgaswerfern noch mit potentiell letalen Schusswaffen bestückt sind. Im Hinblick auf das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften erscheinen sie lediglich in zweierlei Hinsicht bedenklich. Zum einen verfügen solche Fahrzeuge oft über eine (meistens sehr leichte) Panzerung, zum anderen erscheinen sie möglicherweise geeignet, der Polizei ein paramilitärisches Erscheinungsbild zu verleihen.717 Beide Aspekte stellen sich hier allerdings nicht als ausreichend ausgeprägt dar, sodass das Trennungsgebot diesen Sonderwagen nicht entgegensteht. Das lässt sich damit begründen, dass vor allem erst die Kombination aus Panzerung und Bewaffnung die allein den Streitkräften vorbehaltene Fähigkeit verleiht, gegen militärische Feinde vorzugehen.718 Unbewaffnete Varianten verschaffen im militärischen Kampf keinen nennenswerten Vorteil, sodass eine damit ausgestattete Polizei nicht in ähnlicher Weise wie die Streitkräfte zur militärischen Gefahrenabwehr befähigt wird. Solche Fahrzeuge sind daher in dieser Hinsicht unproblematisch. Weil sie zudem regelmäßig optisch an den polizeilichen Einsatzzweck angepasst werden (beispielsweise in Bezug auf Form und Farbe) und von ihnen mangels Bewaffnung für jeden ersichtlich keine gesteigerte Kampfkraft ausgeht, wirken sie nicht in ähnlicher Weise militärisch wie ihre Pendants bei den Streitkräften, sodass sich auch keine unzulässige Steigerung des paramilitärischen Erscheinungsbilds erkennen lässt. Solche Fahrzeuge stehen deswegen nicht mit dem Trennungsgebot im Konflikt und dürfen daher für die Polizei beschafft werden. b) Varianten mit Wasser-, Nebel-, Rauch- oder Reizgaswerfern Ähnlich verhält es sich mit gepanzerten Einsatzfahrzeugen, die zusätzlich über Abschussvorrichtungen für nicht-tödliche Zwangsmittel verfügen und somit das vom Fahrzeug ausgehende Vernichtungspotential nicht oder nur unerheblich steigern.719 Ein mit solchen Mitteln ausgestattetes Fahrzeug ließe sich noch immer kaum zur Abwehr militärischer Feinde missbrauchen. Auch eine erhebliche Steigerung des paramilitärischen Erscheinungsbilds ist durch das Präsentieren solcher Wirkmittel nicht ersichtlich. Der Beschaffung dieser Sonderwagen steht somit verfassungsrechtlich ebenfalls nichts entgegen. c) Varianten mit potentiell letaler Bordbewaffnung aa) Entgegenstehendes Trennungsgebot Anders verhält es sich dagegen hinsichtlich gepanzerter Sonderwagen für die Polizei, die mit potentiell letaler Bordbewaffnung ausgestattet sind. Eine Bordbe717 718 719

Zu diesen Aspekten supra B. I. 2. Vgl. zum Zusammenwirken von Bewaffnung und Panzerung supra B. I. 2. c) cc). Zum Merkmal des Vernichtungspotentials supra B. I. 2. c) aa).

158

D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

waffnung zum Beispiel mit Maschinengewehren erhöht die Kampfkraft des Sonderwagens durch die Verbindung von Panzerung und schlagkräftiger Bewaffnung derart, dass er unzulässigerweise zur militärischen Gefahrenabwehr nutzbar gemacht werden kann.720 Darüber hinaus wird das paramilitärische Erscheinungsbild der Polizei auf ein unzulässiges Niveau gesteigert, denn mit der Verwendung solcher Sonderwagen besteht kein wesentlicher und für verständige Dritte erkennbarer Unterschied mehr zur Verwendung originär militärischer Kampffahrzeuge durch die Streitkräfte.721 Eine allein farbliche Anpassung solcher Waffensysteme an die polizeiliche Aufgabenstellung (etwa ein blauer Anstrich und ein „Polizei“-Schriftzug) ist nicht geeignet, die militärischen Charakteristika in ausreichender Art und Weise auszugleichen. Diese Faktoren wiegen jeweils so schwer, dass eine Gesamtabwägung hier zu dem Ergebnis kommen muss, dass die verwendende Polizeieinheit schon durch den vereinzelten Einsatz solcher Sonderwagen ihr polizeiliches Gepräge einbüßt,722 womit das Trennungsgebot der Verfügbarkeit solcher Waffensysteme für die Polizei generell entgegensteht. bb) Notwendigkeit zur Gewährleistung einer effektiven Gefahrenabwehr? Bewaffnete und gepanzerte Polizeieinsatzfahrzeuge könnten zur Auflösung moderner polizeilicher Gefahrenlagen allerdings alternativlos sein, sodass widersprechende Wertungen des Trennungsgebots möglicherweise zugunsten einer effektiveren Gefahrenabwehr zurücktreten müssen. Da die relevanten Faktoren für die Beeinträchtigung des Trennungsgebots (Vernichtungspotential, Panzerung und paramilitärisches Erscheinungsbild)723 aber besonders stark ausgeprägt sind, müssten sich entgegenstehende Wertungen als ähnlich gewichtig darstellen, damit ein Zurücktreten des Trennungsgebots hier denkbar erschiene und somit eine Zulassung solcher Waffensysteme für die Polizei ermöglicht werden könnte. Das ist hier aber nicht der Fall. Mit dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr ließe sich zwar argumentieren, polizeiliche Gefahren könnten mit gepanzerten und bewaffneten Einsatzfahrzeugen effektiver bekämpft werden. Diese Argumentation greift aber schon aufgrund der mangelnden Notwendigkeit einer

720

Vgl. zu dieser originär militärischen Fähigkeit B. I. 2. c) cc). Treffend zeigt der Hersteller des Survivor R MAN Military Vehicles auf seiner Homepage auch eine Variante für den militärischen Kampfeinsatz, „Suvivor [sic] beim Einsatz in der Wüste“, abrufbar unter https://rheinmetall-defence.com/de/rheinmetall_ defence/systems_and_products/vehicle_systems/armoured_wheeled_vehicles/survivor/ index.php (abgerufen am 10.05.2021). Denkbar sind hier auch Eingriffe in die Grundrechte durch die einschüchternde Wirkung solcher Waffensysteme, dazu bereits supra B. II. 3. d). 722 Zum polizeilichen und militärischen Gepräge supra B. I. 2. a). 723 Zu diesen und weiteren Aspekten supra B. I. 2. 721

V. Gepanzerte Einsatzfahrzeuge

159

solchen Ausrüstung nicht durch, denn die derzeitige Gefährdungslage724 in Deutschland erfordert keine derart gewichtigen Zugeständnisse zulasten des Trennungsgebots. Sicherlich ist eine vereinzelte Gefährdung der Polizeibeamten insbesondere durch Sprengstoffangriffe, Maschinengewehrfeuer und panzerbrechende Waffen durch paramilitärisch ausgerüstete Störer nicht vollkommen ausgeschlossen. Allerdings stellen solche Gefährdungen bis heute die absolute Ausnahme dar und es zeichnet sich auch nicht ab, dass sich dieser Umstand gravierend ändert. Bedrohungslagen, welche den Einsatz von gepanzerten und bewaffneten Fahrzeugen notwendig erscheinen lassen, sind so unrealistisch, dass sich die Ausstattung der Polizei mit solchen Mitteln nicht als zwingend erweist und somit auch ein Zurücktreten des Trennungsgebots nicht überzeugen kann, selbst wenn das zulasten einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr im hypothetischen Einzelfall geht.725 Solche momentan rein theoretischen Gefahrenszenarien, in denen gepanzerte und bewaffnete Einsatzfahrzeuge zur Gefahrenabwehr tatsächlich notwendig und alternativlos wären, nähern sich darüber hinaus bereits sehr deutlich an Fälle an, in denen ein originärer Einsatz u. a. solcher Waffensysteme durch die Streitkräfte gem. Art. 35 Abs. 3 S. 1 2. Var. GG und Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG zur Unterstützung der Polizei bereits verfassungsrechtlich vorgesehen ist. Es ist in diesen Fällen kein durchschlagender Grund dafür ersichtlich, dass gepanzerte und bewaffnete Einsatzfahrzeuge systemwidrig durch die Polizei eingesetzt werden sollten, und nicht wie verfassungsrechtlich intendiert durch die Streitkräfte.726 Wenn die Polizei selbst über solche Einsatzfahrzeuge verfügen dürfte, so wären überdies kaum noch Gefahrenlagen denkbar, in denen sie auf die Unterstützung der Streitkräfte angewiesen wäre. Das verfassungsrechtlich intendierte Machtgefälle727 zwischen Polizei und Streitkräften wäre so über Gebühr infrage gestellt. Konsequente Trennlinien wären kaum noch aufrechtzuerhalten. Wenn die Polizei gepanzerte und bewaffnete Einsatzfahrzeuge einsetzen dürfte, so könnte nicht mehr überzeugend begründet werden, warum darüber hinaus nicht auch Abfangjäger, Kriegsschiffe oder Panzerhaubitzen.728 Da das Trennungsgebot also entgegensteht und auch Aspekte der effektiven Gefahrenabwehr nicht geeignet sind, die verbundene Beeinträchtigung zu recht724 Zur Terrorgefahr in Deutschland supra A. II. 5. Zur Gefährdung deutscher Polizisten supra C. I. 2. b) aa)–bb). 725 Darüber hinaus ist dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr eine Pflicht zur Aufrüstung der Polizei ohnehin nicht zu entnehmen, vgl. supra C. II. 2. 726 Zum besonderen Machtpotential der Streitkräfte als Alleinstellungsmerkmal supra B. I. 1. a) aa). 727 Zum Machtgefälle zwischen Streitkräften und Polizei supra B. I. 1. a) bb). 728 Zur Schwierigkeit bei der Ermittlung absoluter Grenzen für die Polizeibewaffnung vgl. Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 23 und die supra in Fn. 287 genannten Quellen.

160

D. Zulässigkeit konkreter Aufrüstungsvorhaben

fertigen, darf die Polizei mit Einsatzfahrzeugen, welche bewaffnet und gepanzert sind, nicht ausgerüstet werden.

VI. Zwischenergebnis Nicht jedes Mittel ist zur Umsetzung unmittelbaren Zwangs für die Polizei zulässig. Im Einzelfall können verfassungsrechtliche Wertungen wie die Grundrechte oder das Trennungsgebot entgegenstehen. Mitunter können allerdings mit Aspekten der effektiven Gefahrenabwehr Abweichungen gerechtfertigt werden. So hat sich gezeigt, dass Sturmgewehre des Typs H&K G36 im Kaliber 5,56 mm x 45 trotz entgegenstehendem Trennungsgebot für die Polizei beschafft werden dürfen, um Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr zu vermeiden. Damit dadurch aber Wertungen des Art. 87a GG nicht leerlaufen, darf ein Einsatz solcher Zwangsmittel nur als ultima ratio erfolgen, wenn bisher polizeiübliche Zwangsmittel zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Rechtsgüter mit überragender Bedeutung nicht ausreichen. Weiterhin dürfen solche Sturmgewehre quantitativ nur eng begrenzt an die Polizei ausgegeben werden und müssen überdies technisch modifiziert werden, sodass kein Dauerfeuer ermöglicht wird. Diese Vorgaben gelten entsprechend für die Sturmgewehre des Typs Sig Sauer MCX, H&K 416/G38 und FN SCAR-L. Maschinenpistolen der Typen H&K MP5 und MP7 lassen sich in grundrechtskonformer Art und Weise einsetzen und verstoßen überdies nicht gegen das Trennungsgebot. Sie dürfen folglich für die Polizei beschafft werden. Hochleistungspräzisionsgewehre wie das PGM Précision 338 weisen zwar auf der einen Seite ein sehr ausgeprägtes Vernichtungspotential auf, sind auf der anderen Seite unter gewissen Umständen aber trotzdem sehr gut kontrollierbar und beherrschbar, sodass das Trennungsgebot nicht eindeutig für die Unzulässigkeit spricht. Es handelt sich um außergewöhnliche Präzisionswerkzeuge, die im Einzelfall notwendig sein können, um den finalen Rettungsschuss im polizeilichen Anwendungsfeld unter Gewährleistung der geltenden rechtlichen Anforderungen überhaupt erst zu ermöglichen. Deswegen und überdies aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr können diese Mittel nicht exklusiv den Streitkräften vorbehalten sein und dürfen daher trotz ihrer eigentümlichen Sonderstellung für die Polizei beschafft werden. Obwohl sich mit Granatwerfern verbotene Spreng-/Splittermunition verschießen lässt, wurden sie als Mehrzweckplattform in der Praxis bisher ausschließlich für andere Zwecke genutzt, die nicht der Vernichtung eines Menschen dienlich sind und für die es im polizeilichen Anwendungsbereich auch ein tatsächliches Bedürfnis gibt. Granatwerfer sind deswegen trotz ihres Missbrauchspotentials für die Polizei zulässig.

VI. Zwischenergebnis

161

Hinsichtlich gepanzerter Einsatzfahrzeuge muss nach der Ausstattung differenziert werden. Unbewaffnete Varianten stellen sich in der Regel als unproblematisch dar. Ebenso verhält es sich bei Modellen mit Wasser-, Nebel-, Rauch- oder Reizgaswerfern. Mit dem Trennungsgebot unvereinbar ist dagegen die Ausrüstung der Polizei mit gepanzerten Einsatzfahrzeugen, welche eine letal wirkende Bordbewaffnung aufweisen – etwa in Form von Maschinengewehren, Panzerkanonen oder Raketenwerfern. Eine solche Ausrüstung stellt das verfassungsrechtlich intendierte Machtgefälle zwischen Polizei und Streitkräften über Gebühr infrage und ist deswegen unzulässig.

E. Zulässigkeit weitgehend paramilitärischer Polizeieinheiten am Beispiel der BFE+ Trotz des Trennungsgebots gehört der Einsatz weitgehend paramilitärischer Polizeieinheiten mit zunehmender Häufigkeit zur Praxis, was sich anhand der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus der Bundespolizei verdeutlichen lässt. Diese Einheit verkörpert beispielhaft den momentanen Militarisierungsprozess und zeigt gleichzeitig auf, dass der verfassungsrechtliche Konflikt729 zwischen Trennungsgebot und dem Gebot der effektiven Gefahrenabwehr immer häufiger unzulässig zulasten des Trennungsgebots aufgelöst wird. Das ist insbesondere deswegen problematisch, weil von der BFE+ eine erhebliche Signalwirkung für die zukünftige Art und Weise der polizeilichen Gefahrenabwehr ausgeht.730

I. Besondere Ausrüstung und Fähigkeiten – auch außerhalb besonderer Lagen Die BFE+ wurde im Jahr 2015 als „robuste“ Sondereinheit der Bundespolizei gegründet.731 Sie ist eine direkte Reaktion auf die damaligen Terroranschläge in Frankreich (insbesondere auf „Charlie Hebdo“ vom 07.01.2015) und soll in Zukunft selbst besondere Gefahrenlagen effektiv und schlagkräftig bekämpfen können, sodass andere Polizeikräfte entlastet werden.732 Dazu wird die BFE+ speziell zur Abwehr militärisch ausgebildeter und bewaffneter Täter geschult.733 Vor allem der Rückgriff auf charakteristisch-militärische Zwangsmittel soll der ca. 250 Personen umfassenden Einheit zum Erfolg verhelfen.734 Sie ist mit H&K 729

Zu den hier drohenden Wertungskollisionen supra C. II. 2. c). Vor allem die Landespolizeispezialkräfte nähern sich immer mehr den Bundespolizeispezialeinheiten an, dazu noch infra E. III. 2. 731 Dazu einleitend und mit weiteren Informationen Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, C. Rn. 71; Bundespolizei Kompakt 02/ 2016, S. 6 ff. 732 Vgl. Bundespolizei Kompakt, 02/2016, 6 (6 ff.). 733 Vgl. ibid., 6 (13). 734 So werden besonders schlagkräftige Waffen wie Sturmgewehre bei jedem Einsatz zumindest mitgeführt, sodass die BFE+ „jederzeit auf Terror umschalten“ könne, vgl. Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41). Die Beantwortung der Frage, welche der zur Verfügung stehenden Waffen tatsächlich eingesetzt werden, scheint im Ermessen des Einsatzführers zu stehen, vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Helm u. a. v. 15.10.2018 an das Berliner Abgeordnetenhaus, AH-Drs. 18/16730, S. 8 f. Frage 25 a–c. 730

II. Entgegenstehendes Trennungsgebot

163

G36C-735Sturmgewehren ausgerüstet, kann auf gepanzerte Einsatzfahrzeuge samt letaler Bordbewaffnung (etwa das Maschinengewehr H&K G8 auf Lafette736) zurückgreifen und geht unter Anwendung militärischer Taktiken vor.737 Sie wirkt nach außen wie ein „Infanteriezug im Orts- und Häuserkampf“.738 Trotzdem handelt es sich bei der BFE+ nicht um eine Polizeieinheit für ausschließlich besondere Zwecke. So soll sie wenigstens in Teilen auch abseits von Terrorlagen „überwiegend für normale Tagesaufgaben der Bundesbereitschaftspolizei zur Verfügung stehen“, etwa für die Absicherung von Fußballspielen, Demonstrationen oder besonderer Orte, ohne dass eine terroristische Lage oder eine andersartige Gefahr ähnlichen Ausmaßes vorliegen müsste.739

II. Entgegenstehendes Trennungsgebot 1. Verlust des polizeilichen Gepräges Nicht nur die Ausrüstung und Bewaffnung der BFE+ ruft militärische Assoziationen hervor. Auch ihr Vorgehen, die dazugehörige Ausbildung und das mit all diesen Aspekten einhergehende militärische Erscheinungsbild prägen ihren paramilitärischen Charakter. Sie dient der Gewährleistung der inneren Gefahrenabwehr, könnte allerdings ebenso gut zur Abwehr militärischer Feinde eingesetzt werden.740 Da bereits das punktuelle Annehmen militärischer Wesenszüge zu einem unzulässigen Verlust des polizeilichen Gepräges führen kann, überrascht es nun wenig, dass das Trennungsgebot dem Einsatz solcher weitgehend paramilitärisch ausgestalteten Polizeieinheiten erst recht entgegensteht.741

735 Konfigurationsvariante C(ompact) des H&K G36, welches sich insbesondere durch seine kürzere Lauflänge vom Standard-G36 unterscheidet, vgl. die Homepage des Herstellers unter https://www.heckler-koch.com/de/produkte/militaer/sturmgewehre/ g36/g36c/produktbeschreibung.html (abgerufen am 10.05.2021). 736 Vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Helm u. a. v. 15.10.2018 an das Berliner Abgeordnetenhaus, AH-Drs. 18/16730, S. 9. 737 Vgl. Bundespolizei Kompakt, 02/2016, 6 (12). 738 Vgl. Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41); Bundespolizei Kompakt, 02/2016, 6 (12). 739 Für diese Zwecke können die Beamten entweder zu anderen Einheiten abkommandiert werden oder die BFE+ wird selbst eingesetzt, wobei ihre Einsatzausrüstung im Einzelfall auf die Lage angepasst werden kann, vgl. Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41); Braun, Diese Polizisten bilden Deutschlands stille Reserve gegen den Terror, in: SZ v. 16.12.2015, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/politik/bfe-plus-50-polizisten-bilden-deutschlands-stille-re serve-gegen-den-terror-1.2785715 (abgerufen am 10.05.2021). 740 Teilweise wird vertreten, dass in solchen Fällen Art. 87a Abs. 2 GG analog angewendet werden müsse, vgl. Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55); zu dieser Ansicht supra B. I. 3. 741 Zu den Rechtsfolgen des Trennungsgebots im Einzelnen supra B. I. 2.

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E. Zulässigkeit paramilitärischer Polizeieinheiten am Beispiel der BFE+

2. Gebot der effektiven Gefahrenabwehr a) Nutzen zur Abwehr außergewöhnlicher Gefahrenlagen Hingegen lässt sich mit dem Gebot der effektiven Gefahrenabwehr im Einzelfall dennoch für den Einsatz der BFE+ argumentieren. Das gilt zum Beispiel dann, wenn es um den seltenen Fall einer Gefahr durch militärisch ausgebildete und bewaffnete Täter geht, die wegen der Anforderungen des Art. 87a Abs. 2 GG regelmäßig nicht durch die Bundeswehr abgewehrt werden dürfen.742 Um in solchen Fällen dennoch eine effektive Gefahrenabwehr durch die Polizei gewährleisten zu können, kann ein in besonderer Art und Weise abgestimmtes, schnelles, schlagkräftiges und u. U. tödliches Vorgehen erforderlich sein, etwa in den Fällen des finalen Rettungsschusses.743 Wenn ein solches Vorgehen ausnahmsweise verhältnismäßig ist, kann auch der Rückgriff auf originär militärische Vorgehensweisen, Führungsstile und Mittel hilfreich sein, da diese naturgemäß auf eine größtmögliche Effektivität zum Erreichen des Zwecks der Gefahrenabwehr ausgelegt sind. Dadurch könnte im Einzelfall sichergestellt werden, dass auch außergewöhnlichen Gefahrensituationen durch die Polizei begegnet werden kann und somit keine Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr drohen. b) Überwinden der Rechtsfolgen des Trennungsgebots? aa) Grenzen der praktischen Konkordanz Es liegen hier also widersprechende Wertungen des Trennungsgebots und des Gebots der effektiven Gefahrenabwehr vor, sodass grundsätzlich ein Ausgleich der gegenläufigen Prinzipien hergestellt werden muss.744 Hier ist als mögliches Ergebnis nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass, wenn übliche Polizeikräfte nicht ausreichen, zur Vermeidung von Schutzlücken trotz gegenläufiger Wertungen des Trennungsgebots auch paramilitärisch ausgestaltete Polizisten der BFE+ zum Einsatz kommen dürfen. Eine absolute Grenze für solche Vorhaben liegt jedoch dort verortet, wo sich die Polizei militärische Eigenarten zunutze macht, die mit der polizeilichen Gefahrenabwehr in völligem Widerspruch stehen oder in sonstiger Weise mit dem Trennungsgebot oder anderen höherrangigen Verfassungswertungen gänzlich unvereinbar sind.745 Das ist im Fall der BFE+ allerdings in zweierlei Hin742 Vgl. zu den hohen Anforderungen, die durch Art. 87a Abs. 2 GG für den Einsatz der Streitkräfte vorgegeben werden supra B. I. 1. a) aa)–bb). 743 Zum finalen Rettungsschuss supra B. II. 1. b) aa) (2). 744 Zu diesem Ausgleich supra C. II. 2. c). 745 Zum Beispiel wäre der Rückgriff auf das militärische „Sturmabwehrschießen“ in jedem Fall unzulässig, da eine solche Vorgehensweise mit der polizeilichen Aufgabenstellung schlechthin unvereinbar ist, vgl. dazu bereits supra B. I. 2. d) bb). Ebenso verhält

II. Entgegenstehendes Trennungsgebot

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sicht anzunehmen, sodass Aspekte einer effektiveren Gefahrenabwehr dort letztlich nicht dazu geeignet erscheinen, die gegenläufigen Rechtsfolgen des Trennungsgebots zu überwinden: bb) Absolut unzulässige Ausrüstung Dafür spricht zunächst die Ausrüstung der BFE+, die so weit an die militärische Gefahrenabwehr angelehnt ist, dass die verbundene Beeinträchtigung des Trennungsgebots nicht gerechtfertigt werden kann. Das lässt sich damit begründen, dass die BFE+ mit gepanzerten und bewaffneten Einsatzfahrzeugen über eine Einsatzausrüstung verfügt, die aufgrund überwiegender Wertungen des Trennungsgebots für die Polizei absolut verboten ist.746 Außerdem sind die Sturmgewehre des Typs H&K G36C der BFE+ mit einer Dauerfeuerfunktion ausgestattet,747 wurden also nicht zur rechtmäßigen Verwendung durch die Polizei technisch modifiziert.748 cc) Unzulässige Einsatzpraxis Ungeachtet der absoluten Unzulässigkeit ihrer Ausrüstung ist zudem nicht mit Art. 87a Abs. 2 GG zu vereinbaren, dass die BFE+ charakteristisch-militärische Bewaffnung im Innern zur Bewältigung alltäglicher Polizeiaufgaben verwendet.749 So werden zum Beispiel die gepanzerten und bewaffneten Einsatzfahrzeuge bereits zur bloßen Demonstrationsabsicherung eingesetzt.750 Und auch die Sturmgewehre des Typs H&K G36C werden genutzt, ohne dass sich eine zwingende Notwendigkeit ergeben hat.751 Diese Gewehre wurden zum Beispiel „als reine Vorsichtsmaßnahme“ zur Absicherung des Stuttgarter Flughafens offen sichtbar geführt, obwohl nicht einmal Hinweise für eine konkrete Gefährdung der es sich mit dem Einsatz unzulässiger Spreng-/Splitterhandgranaten, dazu supra B. I. 2. c) bb); B. II. 1. b) bb) (1); B. II. 2. b) bb). Vgl. Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil II Rn. 187. 746 Zum Verbot solcher Waffensysteme supra D. V. 2. c). 747 Vgl. Bundespolizei Kompakt, 02/2016, 6 (14) und den offizielle Imagefilm der BFE+, Sekunde 49, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=bbtDZgl7u1g (abgerufen am 10.05.2021). Hier ist jeweils zu erkennen, dass der Feuerwahlhebel der verwendeten H&K G36-Sturmgewehre das Dauerfeuer-Piktogramm aufweist. 748 Zu dieser Anforderung supra D. I. 4. c) dd). 749 Zur Vorgabe aus Art. 87a Abs. 2 GG, dass eine charakteristisch-militärische Bewaffnung im Innern grundsätzlich nur als ultima-ratio zum Einsatz kommen darf supra B. I. 1. a) aa)–bb). 750 Dazu vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Helm u. a. v. 15.10.2018 an das Berliner Abgeordnetenhaus, AH-Drs. 18/16730, S. 7 ff. Über das dort verwendete Maschinengewehr H&K G8 lassen sich keine belastbaren Aussagen machen, da die genaue Konfiguration nicht bekannt ist. Das Einsatzfahrzeug wurde später wieder abgezogen, vgl. AH-Drs. 18/16730, S. 8. 751 Zu dieser Anforderung supra D. I. 4. c) bb).

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E. Zulässigkeit paramilitärischer Polizeieinheiten am Beispiel der BFE+

öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgelegen haben.752 Eine derartige Einsatzpraxis läuft dem Ausnahmecharakter jener Möglichkeit zuwider, dass die Polizei auf Sturmgewehre dieses Typs nur in besonderen Fällen zurückgreifen darf.753 Der systemwidrige Rückgriff auf die Eigenheiten der militärischen Gefahrenabwehr durch die BFE+ diente in den genannten Fällen nicht der Vermeidung von Schutzlücken, sondern sollte ganz allgemein ihre potentielle Schlagkraft steigern, möglicherweise auch Abschrecken. Das ist aber für sich genommen nicht zu Rechtfertigung der verbundenen Beeinträchtigung des Trennungsgebots geeignet, denn es mangelte an der alternativlosen Notwendigkeit solcher Maßnahmen.754 Der verfrühte Einsatz charakteristisch-militärischer Mittel im Innern verleiht der Polizei unzulässigerweise „insgesamt ein militärisches Gesicht“755, was regelmäßig mit einem Verlust des polizeilichen Gepräges756 verbunden ist. Die momentane Ausrüstung und die bisher einhergehende Einsatzpraxis der BFE+ sind aus diesen Gründen mit dem Trennungsgebot nicht vereinbar und folglich als verfassungswidrig zu bewerten.

III. Exkurs: Weitere problematische Polizeieinheiten Die BFE+ ist nicht die einzige Einheit der Polizei, die paramilitärische Wesenszüge aufweist. Da sich aber Aufbau, Ausrüstung, Fähigkeiten und Einsatzprofile der verschiedenen Polizeieinheiten auf Bundes- und Länderebene zum Teil deutlich unterscheiden, muss für die Frage nach der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit einer bestimmten Polizeieinheit immer eine Bewertung im Einzelfall vorgenommen werden. Obwohl ein vollständiger Überblick hier nicht erfolgt, sollen im Folgenden noch jene Polizeieinheiten angerissen werden, die in der vorangegangenen Darstellung an verschiedenen Stellen als Beispiel757 gedient haben und vor dem Hintergrund des Trennungsgebots wenigstens Bedenken aufwerfen. 752 Vgl. Stern v. 20.12.2018 (samt Abbildungen der geführten Sturmgewehre), Polizei nach Terrorverdacht am Stuttgarter Flughafen bundesweit „sensibilisiert“, abrufbar unter https://www.stern.de/panorama/stern-crime/stuttgarter-flughafen-ausgespaeht–poli zei-sucht-vier-verdaechtige-8501432.html (abgerufen am 10.05.2021). Demnach gaben mögl. terroristische „Ausspähversuche“ zwar Anlass für „Sicherheitsverschärfungen“ inkl. des Einsatzes der BFE+, allerdings lagen nach Auskunft des baden-württembergischen Innenministeriums in diesem Fall explizit „keine Erkenntnisse zu einer konkreten Gefährdung“ der Sicherheit und Ordnung vor. 753 Zu dieser Vorgabe supra D. I. 4. c) bb). 754 Ibid. 755 So auch der Polizeiwissenschaftler Behr, zitiert bei Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41). 756 Zum polizeilichen bzw. militärischen Gepräge supra B. I. 2. a). 757 Für diese Beispiele vgl. insbesondere supra A. II. 3.; B. I. 1. a) ee) (1); B. I. 2. e).

III. Exkurs: Weitere problematische Polizeieinheiten

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1. Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) a) Weitgehend paramilitärische Ausgestaltung Zu diesen gehört die wohl bekannteste deutsche Polizeispezialeinheit, die GSG 9 der Bundespolizei. Ihre paramilitärischen Wesenszüge sind so stark ausgeprägt, dass sie bereits als möglicherweise verfassungswidriges Funktionsäquivalent zum KSK der Streitkräfte kritisiert wurde.758 Um dieser Problematik zu begegnen, wird explizit für Einsätze der GSG 9 die entsprechende Anwendung des Art. 87a Abs. 2 GG gefordert.759 Trotz aller bisher geäußerten Kritik bestehen vor dem Hintergrund der vermeintlich gestiegenen Terrorgefahr aktuell umfangreiche Vergrößerungspläne, sodass die GSG 9 von ursprünglich ungefähr 400 Personen um ein weiteres Drittel wachsen soll.760 Auch hier verdeutlicht sich wieder, dass der paramilitärischen Gefahrenabwehr in Zukunft eine gewichtigere Rolle zukommen soll. b) Geheimhaltungspraxis steht rechtlicher Bewertung entgegen Eine belastbare rechtliche Bewertung wird allerdings dadurch verhindert, dass Informationen über die konkrete Ausrüstung der GSG 9 inklusive ihrer tatsächlichen Fähigkeiten, Organisation und Personalstärke sowie auch Einsatzdetails im Einzelnen grundsätzlich geheim gehalten werden. Nur vereinzelt werden Informationen veröffentlicht oder über diverse Medien bekannt. Hintergrund der Geheimhaltung ist, dass sonst potentielle Täter „Rückschlüsse auf Fähigkeiten und Kompetenzen“ der GSG 9 ziehen könnten, was „eine zukünftige wirksame Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität und des Terrorismus unmöglich machen“ würde.761 Zur Gewährleistung der effektiven Gefahrenabwehr mag es zwar überzeugen die genaue Ausgestaltung der GSG 9 geheim zu halten, trotzdem ändert dies nichts daran, dass Wertungen des Trennungsgebots auch hier nicht in unzulässiger Weise zurückgedrängt werden dürfen. Mit anderen Worten: Eine rechtswidrige Ausgestaltung könnte nicht dadurch kompensiert werden, dass sie der Geheimhaltung unterliegt. 758 Im Fall des von Piraten entführten Frachters „Hansa Stavanger“ im Jahr 2009 hat das zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen militärischer und polizeilicher Gefahrenabwehr geführt, vgl. Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55); supra B. I. 1. a) ee) (1) (a). Dahingehend kritisch auch Stolle, Cilip 02/2003, 32 (passim). 759 So Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55). A. A. Wiefelspütz, Die Bundeswehr in Libyen, HuV-I, 2012, 56 (61 f.); dazu vgl. bereits supra B. I. 3. 760 Vgl. Tagesschau v. 10.07.2019, GSG 9 jetzt auch in Berlin stationiert, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/inland/gsg9-berlin-101.html (abgerufen am 10.05. 2021). 761 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Jelpke u. a. v. 28.09.2020, BT-Drs. 17/10877, S. 1 ff.

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E. Zulässigkeit paramilitärischer Polizeieinheiten am Beispiel der BFE+

Zumindest im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Ausrüstung der GSG 9 lässt sich die oben zur BFE+ geäußerte Kritik allerdings übertragen.762 Die GSG 9 kann nämlich über ein noch viel größeres und auch schlagkräftigeres Ausrüstungsarsenal verfügen. Das lässt sich trotz der Geheimhaltung etwa anhand des offiziellen Imagefilms der GSG 9 erahnen.763 Dort ist u. a. zu erkennen: die Sturmgewehre H&K G36 und H&K 416/417, Maschinenpistolen des Typs H&K MP5, das Hochleistungspräzisionsgewehr PGM Précision 338, diverse Einsatzfahrzeuge, Boote, Helikopter sowie militärisch anmutende Tragesysteme und Tarnkleidung. Auch für die GSG 9 gilt, dass ein Einsatz absolut unzulässiger Ausrüstung trotz ihrer eigentümlichen Sonderstellung unterlassen werden muss. Weitere Aussagen zur verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit der GSG 9 lassen sich aufgrund der problematischen Informationslage aber nicht treffen. Es kann nur appelliert werden, die verfassungsrechtlichen Grenzen für die militarisierte Polizei trotz der Geheimhaltungspraxis einzuhalten.

2. Paramilitärische Polizei auf Länderebene Auch für die Länder lässt sich der Trend zur Militarisierung feststellen: Berlin, Hessen, Hamburg, Bayern, Schleswig-Holstein und Sachsen setzen für ihre Sondereinheiten mittlerweile auf Sturmgewehre.764 Hessen will darüber hinaus sogar gewöhnliche Streifenpolizisten mit solchen Gewehren ausrüsten.765 Bayerische Sondereinheiten sollen trotz entgegenstehender rechtlicher Bedenken auch mit Sprenggranaten hantieren dürfen.766 Berlin, Brandenburg, Hamburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen setzen gepanzerte und unterschiedlich schlagkräftig bewaffnete Einsatzfahrzeuge des Typs Sonderwagen 5 ein, welcher die Fähigkeit zur Aufnahme von Maschinengewehren aufweist und wenigstens in Berlin in verfassungswidriger Weise auch mit solchen ausgerüstet wurde.767 In MecklenburgVorpommern wurde militärische Expertise aus erster Hand beschafft, denn das 762 Sowohl die Ausrüstung der BFE+ als auch die bisherige Einsatzpraxis ist verfassungswidrig, vgl. supra E. II. 2. b). 763 Vgl. den offiziellen Imagefilm der GSG 9, abrufbar unter https://www.you tube.com/watch?v=RJysmNVHJJ4 (abgerufen am 10.05.2021). Ein mittlerweile veralteter Überblick zur Ausrüstung der GSG 9 ist zu finden bei Tophoven, GSG 9, S. 113 ff.; vgl. Brinkmann, NordÖR 2010, 53 (55). 764 Vgl. Friedrichs, Jeder will das Sturmgewehr, in: Zeit Online v. 8.11.2017 (Hyperlink in Fn. 16). 765 Vgl. Gräber, So rüstet die hessische Polizei im Kampf gegen den Terror auf, in: Frankfurter Neue Presse v. 04.07.2018, abrufbar unter https://www.fnp.de/frankfurt/rues tet-hessische-polizei-kampf-gegen-terror-10375475.html (abgerufen am 10.05.2021); Roth, Polizeipraxis 2017/1, 18 (18 ff.); Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46) m.w. N. 766 Vgl. Bayerischer LT-Drs. 17/20425, S. 90. 767 Vgl. Polizeipraxis Online v. 2019, Survivor R (Hyperlink in Fn. 28). Zum Einsatz in Berlin supra E. II. 2. b) bb)–cc).

IV. Zwischenergebnis

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dortige Spezialeinsatzkommando bestand zum Großteil aus Quereinsteigern der Bundeswehr.768 Insgesamt ist der Trend festzustellen, dass Sondereinheiten wie die Spezialeinsatzkommandos und die Mobilen Einsatzkommandos auf Länderebene im Hinblick auf Ausstattung und Fähigkeiten immer mehr den paramilitärisch ausgestalteten Sondereinheiten der Bundespolizei (insbesondere der BFE+) angenähert werden.769 Es droht jeweils die Gefahr, dass Wertungen des Trennungsgebots unzulässig weit vernachlässigt werden.

IV. Zwischenergebnis Der Prozess der polizeilichen Militarisierung wird beispielhaft durch die neu gebildete Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus der Bundespolizei verkörpert. Ihre paramilitärischen Wesenszüge sind insgesamt so stark ausgeprägt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Trennungsgebots verbunden ist. Der Rückgriff der BFE+ auf absolut unzulässige charakteristisch-militärische Bewaffnung und eine mit dem Trennungsgebot unvereinbare Einsatzpraxis lassen sich nicht durch Aspekte der effektiven Gefahrenabwehr rechtfertigen und sind deswegen verfassungswidrig. Im Hinblick auf die Bewaffnung wirft die Spezialeinheit des Bundes GSG 9 ähnliche Bedenken auf. Aufgrund der geltenden Geheimhaltungspraxis lässt sich aber keine belastbare rechtliche Bewertung vornehmen. Militarisierungsprozesse sind darüber hinaus auch bei den Landespolizeien festzustellen. Zur Bewertung ihrer Zulässigkeit ist aber immer eine Betrachtung im Einzelfall unerlässlich, sodass sich keine allgemeingültigen Aussagen festhalten lassen.

768 Vgl. Steinke, Unter dem Radar, SZ v. 28.11.2020, abrufbar unter https://www. sueddeutsche.de/politik/sek-polizei-prepper-rechtsextremismus-1.4700063 (abgerufen am 10.05.2021). Zum Problem militärischer Quereinsteiger supra B. I. 2. d) aa). 769 Sämtliche Länder verfügen über Sondereinheiten, welche im Detail unterschiedlich ausgestaltet sind. Ein Überblick ist zu finden bei Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, C. Rn. 60 ff. und Lapper, Die Polizei 07/ 2016, 6 (6 ff.). Die gegenseitige Annäherung der Spezialeinheiten lässt sich am Polizeiaufgebot zum G20-Gipfel verdeutlichen, dazu vgl. Welt v. 13.07.2017, Dann war absolute Stille, abrufbar unter https://www.welt.de/politik/deutschland/article166591139/ Dann-war-absolute-Stille-im-Schanzenviertel.html (abgerufen am 10.05.2021). Die dort eingesetzten Sondereinheiten der Polizei (u. a. SEK Sachsen, SEK Hamburg, EKOCobra aus Österreich (!) und das GSG 9 der Bundespolizei) sind im Hinblick auf Vorgehen, Aussehen und Ausrüstung bereits kaum noch differenzierbar.

F. Drohende Probleme bei der Rechtsanwendung Dort wo klar geworden ist, dass der Einsatz einer militarisierten Polizei in einem gewissen Rahmen verfassungsrechtlich zulässig sein kann, hat sich auch herausgestellt, dass zur Gewährleistung der Grundrechte und des Trennungsgebots in der Regel eine Vielzahl rechtlicher Anforderungen zu beachten ist.770 Die ständige Pflicht zur Gewährleistung dieser Anforderungen insbesondere beim Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel könnte die bezweckte Steigerung der Effektivität der Gefahrenabwehr im Einzelfall deutlich geringer ausfallen lassen als erhofft. Es sind sogar Situationen denkbar, in denen sich eine militarisierte Polizei zur Begegnung einer Gefahr als völlig ungeeignet entpuppt:

I. Mögliche Hilflosigkeit der Polizei durch Überbewaffnung Besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wird eine in der Regel ungenaue Lagekenntnis die Beurteilung der Frage häufig erschweren, welche Mittel durch den Staat zur Auflösung der Gefahrenlage letztendlich eingesetzt werden dürfen und welche nicht. Charakteristisch-militärische Schusswaffen dienen etwa der Bekämpfung besonders ausgestatteter Täter. Ob eine bestimmte Gefahrenlage aber wirklich von solchen „hochgerüsteten“ Tätern verursacht wird, lässt sich meist erst ab einem gewissen Zeitpunkt mit einiger Sicherheit sagen oder dieser Aspekt wird sogar erst nach der Auflösung der spezifischen Gefahrenlage bekannt.771 Trotz dieser Unklarheiten müssen die angerückten Polizisten vorab die Lage einschätzen und die konkrete Einsatzausrüstung bestimmen. Es stellt sich also schon vor dem eigentlichen Einsatz die Frage, ob es beispielsweise ausreicht dem Geiselnehmer einen mit einer Pistole bewaffneten Streifenpolizisten entgegenzusenden oder ob sogar eine Sondereinheit samt Sturmgewehren benötigt wird. Polizisten können nicht sämtliche verfügbaren Mittel gleichzeitig mitführen, sei es aufgrund des Gewichts, mangels Ausbildung oder aus sonstigen Gründen. Mit anderen Worten kann ein Polizeibeamter nicht 770 So müssen etwa für den Einsatz des Sturmgewehrs H&K G36 zur Wahrung von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und des Trennungsgebots verschiedene Anforderungen beachten werden, dazu supra B. II. 1. b) aa) (2); D. I. 4. c). 771 Zum Beispiel lassen sich manche Sturmgewehre (namentlich das H&K G36C oder die russische AKS-74U) verdeckt etwa unter einem Mantel führen und auch Schutzwesten lassen sich zum Teil relativ leicht unter Kleidung verstecken.

I. Mögliche Hilflosigkeit der Polizei durch Überbewaffnung

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gleichzeitig Schlagstock, Pistole, Maschinenpistole, Präzisionsgewehr, Sturmgewehr, Distanz-Elektroimpulsgerät, Granatwerfer und darüber hinaus noch diverse Handgranaten mitführen. Stellt sich die Wahl der mitgeführten Ausrüstung später als unrichtig dar oder ergeben sich Zweifel, kann das im Einzelfall dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit der Polizei im entscheidenden Moment außer Kraft gesetzt wird. Im Anschluss an die oft schwierige Frage, welche Zwangsmittel mitgeführt werden, folgt nämlich die u. U. weitaus schwierigere Entscheidung, ob, wann und wie diese Mittel angewendet werden dürfen oder sogar müssen. Was Juristen erst im Nachhinein im Rahmen langwieriger Diskussionen klären können, muss durch den handelnden Polizisten möglicherweise in Sekunden entschieden werden.772 Die Entscheidung zum Schusswaffeneinsatz generell war schon immer rechtlich äußerst komplex und wird nun durch die zusätzliche Verfügbarkeit charakteristisch-militärischer Schusswaffen und der damit verbundenen Einsatzanforderungen geradezu überkomplex.773 Das kann mit erhöhter Häufigkeit dazu führen, dass Polizisten aufgrund einer Fehlentscheidung oder einer Entscheidungsverzögerung entweder nicht schießen, obwohl sie es müssten, oder aber schießen, obwohl sie es nicht dürften.774 Im ersten Fall gefährden sie sich selbst, ihre Kollegen oder diejenigen Rechtsgüter, zu dessen Schutz sie angerückt sind. Im letztgenannten Fall gefährden sie die anvisierte Person und ggf. das weitere Umfeld.775 Noch schwieriger wird es, wenn der Polizeibeamte im Voraus die falsche Entscheidung hinsichtlich seiner Einsatzausrüstung getroffen hat, etwa wenn sich erst zu spät herausstellt, dass das gewählte Waffensystem zur Bekämpfung der Gefahr gänzlich überzogen ist. Was also nun, wenn sich ein Einsatz dieses unpassenden Mittels, beispielsweise eines Sturmgewehrs, plötzlich als nicht gerechtfertigt darstellt? Im Einzelfall zulässige alternative Zwangsmittel stehen dann mangels Erreichbarkeit nicht mehr zur Verfügung, sodass der Polizeibeamte trotzdem entscheiden muss, ob er das eigentlich überzogene Zwangsmittel verwendet, obwohl er es aus staatlicher Sicht nicht dürfte.776 772

Dazu in eine ähnliche Richtung Rupprecht, JZ 1973, 263 (264). Vgl. zu diesen Anforderungen supra B. II. 1. b); B. II. 2. b) bb); B. II. 3. d) bb); D. I. 4.–5. Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs wird schon seit den 1970ern als zu kompliziert und unklar kritisiert, vgl. dazu etwa Rupprecht, JZ 1973, 263 (267). 774 Ähnlich wurde damals bei Einführung der – nach heutigen Maßstäben als relativ schwach anzusehenden – 9 mm x 19 Munition für die Polizei argumentiert, vgl. m.w. N. Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (556 ff.). Im Kontext der Pläne zum Einsatz von Sturmgewehren im deutlich schlagkräftigeren Kaliber 5,56 mm x 45 könnte diese Debatte wieder aufleben, vgl. supra A. II. 1. 775 Vgl. mit Beispiel aus der Praxis Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (556 ff.). 776 In der Literatur wird immer wieder betont, dass sich der handelnde Polizist trotz überzogenem Mittel ggf. auf § 32 StGB zur Rechtfertigung berufen könne, vgl. dazu 773

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F. Drohende Probleme bei der Rechtsanwendung

II. Spillover-Gefahr Zudem trägt eine Überbewaffnung der Polizei zur Entstehung sog. SpilloverEffekte bei.777 Das Bereitstellen schlagkräftiger Zwangsmittel und ebenso die Bildung sehr effektiver paramilitärischer Sondereinheiten stellt in gewisser Weise immer auch eine Versuchung für die Gefahrenabwehrbehörden dar, auf diese Mittel verfrüht oder gar routinemäßig zurückzugreifen. Da die oben beschriebene Handlungsunfähigkeit der Polizei in bestimmten Situationen lediglich rechtlicher Natur ist, besteht also noch immer die Gefahr, dass ggf. entgegenstehende rechtliche Grenzen zumindest tatsächlich überwunden werden. Geht es beispielsweise um Situationen, in denen Polizisten Schusswaffen einsetzen müssen, dann geht es regelmäßig um die Abwehr von Gefahren für gewichtigste Rechtsgüter. Nicht selten wird ein Einsatz mit einer erheblichen Eigengefährdung für die Polizei verbunden sein, etwa wenn auch die Täter bewaffnet sind, gegen die vorgegangen werden muss. Hier fordert es dem handelnden Beamten dann zur Gewährleistung insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Höchstmaß an persönlicher Disziplin ab, solche Situationen nicht automatisch mit den effektivsten zur Verfügung stehenden Mitteln aufzulösen. Zum Beispiel müsste das im Einzelfall unzulässige Sturmgewehr in der Waffenkammer stehen gelassen werden, wenn sich andeutet, dass nur der Einsatz einer Pistole rechtmäßig sein wird.778 Es stellt sich hier nun die Frage, ob diese sicherlich sehr rationale und rechtsstaatlich begründete Konsequenz auch unter dem Einfluss von starkem Stress, Angstgefühlen oder in sonstigen adrenalingeprägten Situationen von jedem Beamten immer persönlich nachvollzogen und dann auch entsprechend umgesetzt wird. Die Disziplin der handelnden Beamten wird also auf eine besondere Probe gestellt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass manche der Versuchung nachgeben werden. Ähnlich verhält es sich mit paramilitärischen Sondereinheiten, welche gerade vermehrt gebildet werden. Was, wenn sie vollständig ausgebildet und einsatzbereit sind? Sondersituationen, die den Einsatz einer solchen Polizeieinheit tatsächlich erfordern, kommen glücklicherweise nicht täglich vor. Der PolizeiwissenKeidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 195 m.w. N.; Kutscha, NVwZ 2004, 801 (803); Lisken/Witzstrock, ZRP 2004, 31 (31); Bremer, Das Recht der Polizei zum Waffengebrauch, S. 33 ff.; Rupprecht, JZ 1973, 263 (267). Hierauf könnte sich aber nur der handelnde Polizist persönlich berufen, nicht aber der Staat, sodass § 32 StGB keinesfalls als Tor für eine weitergehende Militarisierung der Polizei missbraucht werden kann. Es muss also streng zwischen persönlicher strafrechtlicher Rechtfertigung und staatlicher Ermächtigung unterschieden werden; in eine ähnliche Richtung Stephan/Deger, Polizeigesetz BW, § 54 Rn. 25. 777 So ausdrücklich der Polizeiwissenschaftler Behr im Interview mit Biermann/ Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41). 778 Vgl. zu den Anforderungen für den Einsatz eines Sturmgewehrs durch die Polizei supra D. I. 4.–5.

III. Gegenmaßnahmen

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schaftler Behr befürchtet deswegen: „Wenn man die neue Einheit schon mal hat, nutzt man sie.“ 779 Auch hier besteht die Versuchung, in jedem Fall das bestmögliche und effektivste Mittel in Form solcher Sondereinheiten einzusetzen, statt etwa auf schlechter ausgebildete und ausgerüstete Streifenbeamte zurückzugreifen. Es handelt sich hier nicht um eine neuartige Befürchtung, denn ähnliche Entwicklungen haben bereits stattgefunden, was die Bedeutung der drohenden Missbrauchsgefahr unterstreicht. Schon im Jahr 1984 begründete der damalige Bremer Polizeipräsident Diekmann den häufigen Einsatz des Sondereinsatzkommandos auch abseits von Sonderlagen ohne jede Ironie damit, dass insbesondere Terror- und Geiseldramen einfach zu selten vorkämen, denn „Mogadischu ist ja nicht alle Tage“,780 aber ein Sondereinsatzkommando „dürfe nicht aus der Übung kommen“.781 Aufgrund der in der Regel schwerwiegenden Folgen, welche mit dem unzulässigen Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel im Rahmen von Spillover-Effekten verbunden sind, darf dieser mögliche Begleitaspekt der Militarisierungsprozesse nicht unterschätzt werden. Spillover-Effekte tragen außerdem zusätzlich dazu bei, der Polizei insgesamt einen militärischen Charakter zu verleihen782 und sind vor diesem Hintergrund auch hinsichtlich des Trennungsgebots als problematisch zu bewerten.

III. Gegenmaßnahmen Obwohl eine Verkomplizierung der Gefahrenabwehr und verschiedene Missbrauchsszenarien drohen, verbleibt die Entscheidung zur Militarisierung der Polizei im Rahmen des Übermaßverbots783 Sache des Gesetzgebers.784 Nur er muss abwägen, ob die erhofften Vorteile der militarisierten Gefahrenabwehr für die Polizei dennoch überwiegen. Soweit der Gesetzgeber den Militarisierungsprozess trotz der aufgezeigten Bedenken weiter vorantreibt, sollten jedoch rechtliche und

779 Das Interview ist abgedruckt bei Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41). 780 In Mogadischu, Somalia, wurde damals das Flugzeug „Landshut“ durch die Bundespolizeisondereinheit GSG 9 befreit. 781 Nach eigenen Aussagen des damaligen Einsatzleiters Ulrich Panzer wurde das schon früh paramilitärisch ausgestaltete SEK zur Abwehr regulärer Gefahrenlagen eingesetzt, etwa zur Demonstrationsüberwachung. Panzer dazu wörtlich: Hier „haben wir nichts zu suchen [. . .] aber natürlich waren wir da“, vgl. Der Spiegel 27/1984, Mogadischu geübt, S. 84 f. 782 Ebenso Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41). 783 Zum Übermaßverbot im Kontext der polizeilichen Militarisierung supra C. I. 2. b) cc). 784 Die Entscheidung zur Militarisierung der Polizei darf nicht allein der Exekutive überlassen werden, dazu noch eingehend infra G.

174

F. Drohende Probleme bei der Rechtsanwendung

tatsächliche Maßnahmen unternommen werden, um den drohenden Problemen bei der Rechtsanwendung zumindest entgegenzuwirken. Zu diesen Maßnahmen könnten beispielsweise Regelungen gehören, die bereits den Zugang zu besonders schlagkräftiger Bewaffnung deutlich beschränken, sodass Polizisten weiterhin grundsätzlich eher schwach bewaffnet eingesetzt werden und nur in besonderen Situationen von diesem Grundsatz abgewichen wird. Um den Ausnahmecharakter zu unterstreichen, den Art. 87a Abs. 2 GG für den Einsatz charakteristisch-militärischer Bewaffnung vorgibt,785 sollte vor allem sichergestellt werden, dass solche Mittel dann erst an Polizeibeamte tatsächlich ausgegeben werden, wenn sich ein rechtmäßiger Einsatz als überwiegend wahrscheinlich abzeichnet.786 Missbrauchsszenarien drohen nämlich insbesondere dann, wenn die schlagkräftigste Bewaffnung routinemäßig geführt und eingesetzt wird. Dahingehende Beschränkungen sind zudem auch vor dem Hintergrund einer drohenden Einschüchterungswirkung auf Unbeteiligte sinnvoll.787 Es bietet sich an, solche Maßnahmen im kommenden Musterpolizeigesetz umzusetzen (dazu und mit einem Regelungsvorschlag G. III.).

IV. Zwischenergebnis Die rechtlichen Anforderungen, die beim Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel zu beachten sind, führen zu einer erheblichen Verkomplizierung der polizeilichen Gefahrenabwehr. Diese Mittel erfordern regelmäßig eine äußerst schwierige rechtliche Einschätzung des Verwenders zu den Fragen, ob und wie ein Einsatz überhaupt gerechtfertigt ist. Fehlentscheidungen oder Entscheidungsverzögerungen können hier mit drastischen Konsequenzen verbunden sein. Das kann so weit gehen, dass die Fähigkeit der Polizei zur Gefahrenabwehr im Einzelfall vermindert oder gar ausgeschlossen wird. Der Prozess der polizeilichen Militarisierung begünstigt zudem sog. Spillover-Effekte. Insbesondere starker Stress unter Einsatzbedingungen und die Versuchung eine Gefahr möglichst effektiv aufzulösen können dazu führen, dass überzogene Ausrüstung ohne Vorliegen der rechtlichen Anforderungen missbräuchlich eingesetzt wird.

785

Dazu vgl. supra B. I. 1. a) aa)–bb). Sinnvoll wäre beispielsweise eine Regelung wie in § 44 Abs. 1 2. Alt. MEPolG („Maschinengewehre [. . .] dürfen gegen Personen [. . .] nur mit Zustimmung des Innenministers (-senators) oder eines von ihm Einzelfall Beauftragten angewendet werden, wenn [. . .]“), die den Einsatz bestimmter Zwangsmittel von der Zustimmung des Innenministers abhängig macht. Eine ständige Verfügbarkeit schlagkräftigster Waffensysteme, zum Beispiel auch für Streifenpolizisten, ist aufgrund drohender Spillover-Effekte kritisch zu sehen, vgl. zu diesen Vorhaben etwa Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (46). 787 Zur Einschüchterungswirkung der polizeilichen Ausrüstung supra B. II. 3. d) aa) (2) (b). 786

IV. Zwischenergebnis

175

Die Entscheidung zur Militarisierung der Polizei verbleibt im Rahmen des Übermaßverbots dennoch Sache des Gesetzgebers. Treibt er diesen Prozess trotz der drohenden Nachteile voran, sollte er ausgleichende rechtliche und tatsächliche Maßnahmen treffen, um den drohenden Problemen bei der Rechtsanwendung entgegenzuwirken.

G. Regelungstechnik für die Ausrüstung der Polizei mit besonderen Zwangsmitteln Bevor neue Zwangsmittel die Polizei erreichen und für den praktischen Dienst zur Verfügung stehen können, werden diese üblicherweise per Gesetz in Verbindung mit den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften zugelassen.788 Dieser vorgeschaltete Zulassungsprozess ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer weiteren Aufrüstung der Polizei. Die dazu bestehende Regelungstechnik wirft in verfassungsrechtlicher Hinsicht eigene Bedenken auf (I.–II.). Ihnen könnte mit einem Reformvorschlag abgeholfen werden (III.).

I. Gesetzessystematik de lege lata Mit der rechtlichen Zulassung der polizeilichen Ausrüstung wird maßgeblich vorgegeben, wie die Polizeikräfte notfalls zwangsweise für Sicherheit und Ordnung sorgen dürfen. Bereits seit den 1960ern wird darüber gestritten, wie viel Regelungsverantwortung der parlamentarische Gesetzgeber hier deswegen selbst wahrnehmen muss und wie weit er diesen Prozess an die Exekutive delegieren darf.789 Ein kurzer Blick auf die aktuellen bundes- und landesrechtlichen Regelungen verdeutlicht das noch immer bestehende Problem.

1. Bundesrechtliche Regelung Hilfsmittel des unmittelbaren Zwangs werden für die Bundespolizei mit § 2 Abs. 3 UZwG geregelt. Demnach dürfen „insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde und Dienstfahrzeuge“ verwendet werden. Diese Aufzählung ist aber nur beispielhaft („insbesondere“), die nähere Konkretisierung ist implizit der Exekutive überlassen.790 Obwohl Waffen auch zu den Hilfsmitteln des unmittelbaren Zwangs gehören,791 werden diese mit § 2 Abs. 4 UZwG gesondert geregelt. Der Grund für diese Differenzierung soll darin liegen, dass der Gebrauch von Waffen in der Re788 So spricht beispielsweise § 2 Abs. 4 UZwG explizit von der „dienstlich[en] Zulassung“ der Waffen. 789 Eingehend zum Streit infra G. II. 790 Vgl. dazu etwa Wehr, in: NK-UzWG, § 2 Rn. 4. 791 Vgl. zur Abgrenzung Wehr, in: NK-UzWG, § 2 Rn. 5.

I. Gesetzessystematik de lege lata

177

gel schwerwiegendere Folgen hat.792 In diesem Fall überrascht es allerdings, dass die gesetzgeberische Regelungsdichte in § 2 Abs. 4 UZwG nicht zunimmt. Denn § 2 Abs. 4 UZwG bestimmt lediglich, dass „dienstlich zugelassene Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel“ verwendet werden dürfen. Die Regelungsbefugnis dafür, welche Waffen „dienstlich zugelassen“ werden, wird hier ebenfalls implizit vollständig der Exekutive überlassen.793 Dazu hat das Bundesministerium des Innern eine allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassen, welche diese Waffen im Einzelnen festlegt.794 Weitere Waffen, insbesondere solche für Spezialeinheiten, werden durch Einzelerlass zugelassen.795 Im Grunde wird mit § 2 Abs. 3, 4 UZwG also nur sehr vage vorgegeben, dass die Bundespolizei Waffen und sonstige Hilfsmittel überhaupt nutzen darf. Der Rest ist Sache der Exekutive.

2. Landesrechtliche Regelungen a) Orientiert an § 36 Abs. 3, 4 MEPolG Die zu dieser Thematik ergangenen landesrechtlichen Regelungen unterscheiden sich teilweise erheblich. Viele Länder orientieren sich an § 36 Abs. 3, 4 MEPolG796, welcher kein geltendes Recht ist, aber als Leitbild für ein harmonisiertes Polizeirecht dienen soll.797 Während die sonstigen Hilfsmittel des unmittelbaren Zwangs mit § 36 Abs. 3 MEPolG ähnlich zu § 2 Abs. 3 UZwG beispielhaft aufgezählt werden, sind die polizeilichen Waffen mit § 36 Abs. 4 MEPolG zumindest ihrer Art nach abschließend bestimmt.798 So heißt es in § 36 Abs. 4 ME792 Vermutet bei Wehr, in: NK-UzWG, § 2, Rn. 5; Rachor, in: Lisken/Denninger, E. Rn. 847. Die zwischen § 2 Abs. 3 und 4 UZwG vorgenommene Differenzierung zwischen Waffen und sonstigen Hilfsmitteln des unmittelbaren Zwangs ist im Einzelfall kaum nachzuvollziehen. Da sich aus der Einstufung eines Zwangsmittels als Waffe oder als sonstiges Hilfsmittel jedenfalls aus § 2 UZwG kein materieller Unterschied ergibt, soll auf dieses Problem aber nicht näher eingegangen werden. Zum Parallelproblem im bayerischen Landesrecht etwa Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 78 Rn. 35 ff. 793 Vgl. Wehr, in: NK-UzWG, § 2, Rn. 5 f.; Ule, DVBl 1962, 353 (353 ff.). 794 Vgl. die nicht abschließende allgemeine Verwaltungsvorschrift des BMI zum UZwG – UzwVwV-BMI in der zuletzt am 18.01.1976 geänderten Fassung, GMBl. 1976, S. 27; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (48). 795 Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens (Hrsg.), BPolG, UzWG § 2, Rn. 13; Schmidt-Radefeldt, in: Kischel/Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, 1 (48). 796 Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, abgedruckt bei Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 112. 797 Zur Entwicklung und Bedeutung des MEPolG Funk/Werkentin, KJ 1976, 407 (passim). 798 Aufgrund der „schwerwiegenden Wirkungen“ erschien eine deutlich genauere und abschließende Konkretisierung der Waffen angebracht, vgl. Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 112 f.

178

G. Regelungstechnik für die Ausrüstung mit besonderen Zwangsmitteln

PolG: „Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr, Maschinenpistole, Maschinengewehr und Handgranate“ zugelassen. Hier werden formell-gesetzlich scheinbar deutlich genauere Vorgaben gemacht und der weitere Handlungsspielraum der Exekutive somit vermindert. Es handelt sich bei genauerer Betrachtung allerdings nur um eine unerhebliche Einschränkung, denn immerhin sind die gängigsten Waffentypen erlaubt – inklusive besonders schlagkräftiger Varianten wie Maschinengewehr und Handgranate. Es wird zwar festgelegt, dass die Polizei beispielsweise Pistolen nutzen darf, allerdings nicht, welche Pistolen. Über zulässige Kaliber, Munitionsarten oder verfügbare Feuermodi finden sich keine Aussagen, sodass auch hier die weitere Konkretisierung implizit der Exekutive verbleibt. Einige Länder haben bestimmte Waffenarten jedoch bewusst nicht in ihr Polizeigesetz übernommen. So orientiert sich zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern an § 36 Abs. 4 MEPolG, lässt aber mit § 102 Abs. 4 SOG MV nur „Schlagstöcke, Distanz-Elektroimpulsgeräte, Pistolen, Revolver, Gewehre und Maschinenpistolen zu“, also keine Handgranaten und Maschinengewehre, dafür aber Distanz-Elektroimpulsgeräte. Hier spricht das bewusste Ausklammern des Maschinengewehrs nach dem Sprachgebrauch dafür, dass automatische Gewehre tatsächlich nicht eingesetzt werden sollen, obwohl diese Einschränkung mit einem technischen Begriffsverständnis799 des weiterhin aufgezählten Gewehrs leerzulaufen droht. b) Orientiert am Bundesrecht Andere Länder orientieren sich mit ihren Polizeigesetzen nicht am MEPolG. Baden-Württemberg zum Beispiel nähert sich mit § 64 Abs. 2 PolGBW der bundesrechtlichen Regelung in § 2 UZwG an.800 Dort heißt es lediglich: „Das Innenministerium bestimmt, welche Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und welche Waffen im Polizeidienst zu verwenden sind.“ c) Eigenständige und hybride Ansätze; Öffnungsklauseln Wiederum andere Länder verfolgen insbesondere im Hinblick auf die Festlegung der zulässigen Waffen eigene oder hybride Lösungsansätze. Zum Beispiel solche, bei denen für polizeiliche Normallagen die zu verwendenden Waffenarten eher restriktiv und abschließend bestimmt werden, aber hinsichtlich besonderer Situationen Öffnungsklauseln existieren.801 So bestimmt etwa Niedersachsen mit § 69 Abs. 4 NdsPOG die zulässige Bewaffnung grundsätzlich abschließend 799

Zur unklaren Abgrenzung zwischen Gewehr und Maschinengewehr supra D. I. 1.–2. So lautet § 64 Abs. 2 PolGBW: „Das Innenministerium bestimmt, welche Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und welche Waffen im Polizeidienst zu verwenden sind.“ 801 Vgl. außerdem § 69 Abs. 5 NdsPOG; § 58 Abs. 5 PolG NRW; § 59 Abs. 4 S. 3 ThürPAG. 800

II. Militarisierung der Polizei als Entscheidung der Exekutive?

179

(Elektroimpulsgerät, Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole), lässt aber für Fälle, in denen die Bundespolizei zur Unterstützung gerufen wird, mit § 69 Abs. 5 NdsPOG für diese auch die nach dem „Bundesrecht am 1. Juli 1982“ erlaubte Bewaffnung zu. Der Landesgesetzgeber in Thüringen bestimmt mit § 59 Abs. 4 S. 1 ThürPAG die zulässigen Waffen ebenfalls grundsätzlich abschließend, lässt mit S. 2 aber dennoch auch nicht aufgezählte Waffen mit der vagen Anforderung zu, dass „sie eine geringere Wirkung als Schusswaffen haben“.802 Noch unübersichtlicher wird es mit § 59 Abs. 4 S. 3 ThürPAG, der für „Spezialeinheiten“ die Möglichkeit beinhaltet, von der Aufzählung in S. 1 gänzlich abzuweichen. Schließlich bestimmt auch Bayern mit Art. 78 Abs. 4 S. 1 BayPAG zulässige Waffen grundsätzlich abschließend, eröffnet aber mit S. 2 die Möglichkeit, weitere nicht bereits aufgezählte Varianten zeitlich befristet im Einsatz zu erproben.

II. Militarisierung der Polizei als Entscheidung der Exekutive? 1. Polizeiausrüstung gesetzgeberisch nur in absoluten Grundzügen vorbestimmt Es lässt sich festhalten, dass formell-gesetzliche Vorgaben zur Bestimmung der polizeilichen Zwangsmittel vage formuliert sind, wenige echte Beschränkungen enthalten und darüber hinaus nicht selten mit Öffnungsklauseln aufgeweicht werden. Da der Gesetzgeber die Polizeiausrüstung so nur in absoluten Grundzügen vorbestimmt, wird die Entscheidung zur Militarisierung der Polizei in der Praxis weitgehend der Exekutive überlassen. Befürworter bewerten das als sinnvolle „Arbeitsteilung“ zwischen Legislative und Exekutive, die der effektiven Gefahrenabwehr zuträglich ist.803

2. Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes Dass der parlamentarische Gesetzgeber zur Zulassung der Zwangsmittel selbst aktiv werden muss, ist wegen Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG, der für drohende Eingriffe 802

Vgl. ähnlich § 58 Abs. 4 S. 2 SOG LSA; § 49 Abs. 5 S. 2 SPolG. Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 173 ff., 176. Weiterhin für die Zulässigkeit einer weitgehenden Delegationsmöglichkeit Wolf, in: Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 50 Rn. 8; Baumann, DVBl 1962, 806 (807 f.); Pioch, UzWG, S. 88 f.; Bremer, Das Recht der Polizei zum Waffengebrauch, S. 33 ff.; Mosbacher, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, § 12 Rn. 12 m.w. N. Allgemein zum Argument der Entlastung des Parlaments Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 107. Zur „Arbeitsteilung“ zwischen Verwaltung und Gesetzgebung allgemein Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 131. 803

180

G. Regelungstechnik für die Ausrüstung mit besonderen Zwangsmitteln

in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein formelles Gesetz fordert,804 unbestritten.805 Dazu ergangene gesetzgeberische Generalermächtigungen im Stil des § 2 Abs. 3, 4 UZwG oder § 64 Abs. 2 PolGBW könnten der Exekutive aber einen zu weitgehenden Handlungsspielraum verleihen. Das stünde im Konflikt mit dem Vorbehalt des Gesetzes.806 a) Maßstab der Wesentlichkeitstheorie aa) Wesentliche Entscheidungen sind Sache des parl. Gesetzgebers Dafür lässt sich mit den Grundsätzen der Wesentlichkeitstheorie argumentieren. So folgt aus einer Gesamtschau von Art. 20 Abs. 1, 2 und 3 GG (Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip) und den Grundrechten, dass der parlamentarische Gesetzgeber Wesentliches durch Gesetz selbst entscheiden muss.807 Die Beurteilung, ob und wie weit eine bestimmte Entscheidung „wesentlich“ ist, richtet sich nach diversen offenen und kumulativ gehandhabten Kriterien, die im Einzelfall nur schwer zu fassen sind.808 Grob gesagt: je intensiver die zu regelnde Materie den einzelnen Bürger im grundrechtsrelevanten Bereich betrifft, desto höher stellt sich die vom Gesetzgeber wahrzunehmende Regelungsverantwortung dar. Im nicht grundrechtsrelevanten Bereich kann sich eine erhöhte Regelungsdichte auch dann ergeben, wenn die entsprechende Entscheidung von erheblicher Bedeutung für Staat und Gesellschaft ist.809 Das kann im Einzelfall bis hin zu einem gänzlichen Delegationsverbot an die Exekutive heranreichen.810

804 Vgl. dazu etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, Art. 2 Rn. 95; BVerfGE 22, 180 (219). 805 Das sehen auch diejenigen so, die für die Möglichkeit argumentieren, die Konkretisierung der polizeilichen Ausrüstung weitgehend der Exekutive zu übertragen, vgl. die supra in Fn. 803 genannten Quellen. 806 Mit solchen und ähnlichen Bedenken Arndt, DVBl 1965, 189 (190 f.); Ule, DVBl 1962, 353 (354); Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 10 ff.; Wacke, JZ 1962, 137 (140); Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens (Hrsg.), BPolG, UzWG, § 2 Rn. 12; Ruthig, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, UZwG, § 2 Rn. 10. 807 Vgl. BVerfGE 40, 237 (249); 49, 89 (126 f.); 83, 130 (142, 152); 95, 267 (309 f.); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 105 f.; kritisch zur „Keule der Wesentlichkeitstheorie“ Herzog, NJW 1999, 26 (26 f.). Im Ergebnis sehr ähnlich der alternative Ansatz der Literatur, wonach die Vorgaben, welche sich aus dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt ergeben sollen, hinsichtlich verschiedener Verfassungswertungen jeweils differenziert für verschiedene Bereiche zu ermitteln seien, vgl. etwa Grzeszick, a. a. O., Rn. 104 m.w. N. 808 Deswegen wird die Wesentlichkeitstheorie zum Teil auch kritisiert, vgl. dazu etwa Kotzur, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 158 m.w. N. 809 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 113; Graßhof, Rspr. des BVerfG, Art. 20 Abs. 3 Nr. 251; BVerfGE 49, 89 (127); Kotzur, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 157 f. 810 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 106.

II. Militarisierung der Polizei als Entscheidung der Exekutive?

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Wie sich im Folgenden zeigen wird, ist die konkrete Bestimmung der polizeilichen Zwangsmittel in weiten Teilen wesentlich, sodass eine nahezu vollständige Delegation an die Exekutive mit dem Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar und folglich verfassungswidrig ist: bb) Grundrechtsrelevanz In erster Linie spricht dafür die Grundrechtsrelevanz, also die drohende Auswirkung auf grundgesetzliche Freiheits- oder Gleichheitsrechte. 811 Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Grundrechte im Verfassungsgefüge handelt es sich hiermit um den wichtigsten Faktor überhaupt, der zur Wesentlichkeit einer bestimmten Entscheidung beiträgt und aus dem grundsätzlich eine gesteigerte Regelungsverantwortung für den parlamentarischen Gesetzgeber abgeleitet wird.812 Die Grundrechtsrelevanz stellt sich im Fall der gesetzgeberischen Zulassung polizeilicher Zwangsmittel als besonders ausgeprägt dar. So wird mit der Entscheidung über die zulässigen Zwangsmittel zur Gefahrenabwehr insbesondere die Intensität drohender Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG maßgeblich vorbestimmt. Je schlagkräftiger die erlaubten Zwangsmittel, desto drastischer können sich drohende Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit oder gar des Lebens als Rechtsgüter mit überragender Bedeutung darstellen.813 Das hat sich bereits ausreichend bei der Klärung der Frage verdeutlicht,814 wie besonders schlagkräftige Zwangsmittel durch die Polizei grundrechtskonform eingesetzt werden können und spricht hier dafür, mit der Wesentlichkeitstheorie eine gesteigerte Regelungsdichte zu fordern. cc) Trennungsgebot Darüber hinaus spricht hier die mögliche Beeinträchtigung des Trennungsgebots für die Wesentlichkeit. Insbesondere die zur Verfügung stehenden Mittel können die Art und Weise der polizeilichen Gefahrenabwehr und gleichzeitig auch ihr Verhältnis zur militärischen Gefahrenabwehr beeinflussen.815 Die Ent811 Vgl. Kotzur, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 157; BVerfGE 49, 89 (126 f.); 98, 128 (251). Ähnlich wird auch von der „Grundrechtswesentlichkeit“ gesprochen, vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 113 ff. 812 Vgl. Graßhof, Rspr. des BVerfG, Art. 20 Abs. 3 Nr. 251; Kotzur, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 156 f. 813 Die Grundrechtswesentlichkeit einer Regelung richtet sich insbesondere nach Bedeutung, Reichweite und Grad der Betroffenheit der gefährdeten Rechtsgüter, vgl. BVerfGE 33, 125, 160; 139, 19, 49; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, S. 268 f.; Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 279. 814 Dazu supra B. II. 1.–2. 815 In diese Richtung ebenfalls Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 113. Zum Einfluss der polizeilichen Zwangsmittel auf das Verhältnis zu den Streitkräften supra B. I. 1. a) aa)–bb); B. I. 2. c).

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G. Regelungstechnik für die Ausrüstung mit besonderen Zwangsmitteln

scheidung über die Ausrüstung der Polizei, vor allem wenn sie potentiell auch charakteristisch-militärische Zwangsmittel umfasst, kann deswegen nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den einzelnen Bürger haben, sondern auch auf das verfassungsrechtlich intendierte Machtgefälle zwischen Polizei und Streitkräften.816 Das hat sich ebenfalls bereits verdeutlicht,817 etwa anhand der aufgezeigten Beschaffungspläne für gepanzerte und bewaffnete Polizeieinsatzfahrzeuge, welche die Trennung zwischen polizeilicher und militärischer Gefahrenabwehr über Gebühr beeinträchtigen. Die Antwort auf die Frage, wie weit sich die Polizei den Streitkräften hinsichtlich der ihr zur Verfügung stehenden Zwangsmittel im noch zulässigen Bereich annähert, muss also nicht nur aufgrund der Grundrechtsrelevanz, sondern ebenso aufgrund der gewichtigen Bedeutung für das Trennungsgebot weitgehend Sache des Gesetzgebers sein.818 b) Bestimmung der verfassungsrechtlich geforderten Regelungsdichte Zur Frage, welche formell-gesetzgeberische Regelungsdichte aufgrund dieser Aspekte nun konkret mit dem Vorbehalt des Gesetzes zu fordern ist, gehen die Meinungen auseinander. aa) Reichweite der gesetzgeberischen Konkretisierungspflicht (1) § 2 Abs. 4 UZwG als Beispiel für zulässige Delegation? Obwohl die Grundrechtsrelevanz und eine mögliche Beeinträchtigung des Trennungsgebots für eine erhöhte Regelungsdichte bei der Entscheidung über zulässige Zwangsmittel sprechen, sehen manche die Pflicht des Gesetzgebers zur Entscheidung über Wesentliches dennoch bereits mit der Schaffung vager Generalklauseln als erfüllt, etwa wenn er wie in § 2 Abs. 4 2. Alt. UZwG „Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel“ für die Polizei erlaubt und den Rest der Exekutive überlässt. Der Gesetzgeber gäbe mit dem Erlass einer solchen Regelung nämlich ausreichend zu erkennen, dass er den Einsatz selbst schlagkräftiger Zwangsmittel gegen die Bevölkerung dulde, sodass eine weitergehende Konkretisierung den Bürger darüber hinaus kaum noch berühre. Deswegen genüge er mit einer solchen Regelung auch der Vorgabe, das Wesentliche durch Gesetz selbst vorzugeben.819

816 So kann für die Wesentlichkeit im Einzelfall sprechen, wenn eine bestimmte Entscheidung geeignet ist, das Staatsgefüge zu beeinflussen, vgl. allgemein dazu Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 107. 817 Zu bewaffneten und gepanzerten Einsatzfahrzeugen supra D. V. 818 In diese Richtung ebenfalls Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 113. 819 Vgl. Baumann, DVBl 1962, 806 (807 f.); Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 176.

II. Militarisierung der Polizei als Entscheidung der Exekutive?

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(2) Weitergehende Konkretisierung kann wesentlich sein Dagegen spricht aber, dass auch die weitergehende Konkretisierung der polizeilichen Zwangsmittel mit erheblichen Auswirkungen sowohl auf die Grundrechte als auch auf das Trennungsgebot verbunden sein kann.820 Das lässt sich insbesondere am Beispiel der Schusswaffen verdeutlichen, wenn diese ohne weitere Beschränkung erlaubt werden (vgl. etwa § 2 Abs. 4 UZwG). Mit der grundsätzlichen Entscheidung, dass die Polizei Schusswaffen einsetzen darf, ist nämlich keinesfalls klar abzusehen, wie weit der Bürger zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung konkret gefährdet werden darf.821 Die Gefährlichkeit einer Schusswaffe hängt von verschiedenen Faktoren ab und so existieren sowohl vergleichsweise ungefährliche Schusswaffen (zum Beispiel übliche Luftdruckgewehre) als auch solche, die ein erhebliches Vernichtungspotential aufweisen (zum Beispiel Hochleistungspräzisionsgewehre822). Ist für zulässige Schusswaffen etwa das Geschosskaliber und die zu nutzende Munitionsart nicht vorgegeben, können Aussagen über die zu erwartende Verletzungsintensität und eng damit verbunden auch über die Überlebenschancen des Täters nicht getroffen werden.823 Die Einschätzung, dass eine weitere Konkretisierung der zulässigen Zwangsmittel den Bürger generell kaum noch berühre, kann hier also nicht überzeugen.824 Die genauere Konkretisierung zulässiger Schusswaffen ist deswegen entgegen der obigen Ansicht wesentlich im Sinne der Wesentlichkeitstheorie und bedarf daher einer formell-gesetzlichen Regelung.825 Darüber hinaus sind auch drohende Beeinträchtigungen des Trennungsgebots durch die vage Zulassung von Schusswaffen kaum abzusehen. Ob Täter aufgrund dieser Regelung lediglich mit Pistolen konfrontiert werden oder gar mit charakteristisch-militärischen Maschinengewehren, bleibt offen.826 Auch deswegen ist eine nähere Konkretisierung der „Schusswaffen“ wesentlich. Das Beispiel der Schusswaffen hat also verdeutlicht, dass der parlamentarische Gesetzgeber mit einer vagen Regelung wie in § 2 Abs. 4 2. Alt. UZwG seiner Pflicht nicht hinreichend nachkommt, über wesentliche Gesichtspunkte der polizeilichen Zwangsmittel selbst zu entscheiden.827 Denn zumindest im Hinblick 820

Das ist allerdings nicht immer anzunehmen, dazu noch infra G. II. 2. b) bb). Ähnlich Wacke, JZ 1962, 137 (140 f.). 822 Zu diesem Gewehrtyp supra D. III. 823 Zu den Einflussfaktoren, die für die Gefährlichkeit einer Schusswaffe relevant sind supra B. II. 1. a) cc). 824 Zu den Ausnahmen infra G. II. 2. b) aa) (3) (d). 825 Am Beispiel der Schusswaffen noch eingehend infra G. II. 2. c) aa). 826 Zur Frage, wann eine Schusswaffe spezifisch-militärische Charakteristika aufweist supra B. I. 2. c). 827 Ebenfalls in diese Richtung: Arndt, DVBl 1965, 189 (190 f.); Ule, DVBl 1962, 353 (354); Denninger/Beye, Rechtsgutachten, S. 10 ff.; Wacke, JZ 1962, 137 (140); 821

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G. Regelungstechnik für die Ausrüstung mit besonderen Zwangsmitteln

auf die zulässigen Schusswaffen für den polizeilichen Einsatzzweck wäre der Exekutive ein zu weitgehender Entscheidungsspielraum eingeräumt, welcher mit dem Vorbehalt des Gesetzes nach den Grundsätzen der Wesentlichkeitstheorie nicht zu vereinbaren ist. (3) Erforderlichkeit einer flexiblen Regelung? (a) Beeinträchtigung der effektiven Gefahrenabwehr? Gegen ein Gebot zur formell-gesetzlichen Konkretisierung der polizeilichen Zwangsmittel könnte jedoch wiederum angeführt werden, dass die Exekutive schnell und flexibel auf veränderte Anforderungen und Entwicklungen im Bereich der Gefahrenabwehr reagieren können muss.828 Ein der Exekutive eingeräumter erweiterter Handlungsspielraum zur Zulassung der polizeilichen Zwangsmittel könnte sich demnach als ggf. zwingendes Erfordernis der effektiven Gefahrenabwehr ergeben. Da die Grundrechtsrelevanz und eine mögliche Beeinträchtigung des Trennungsgebots allerdings grundsätzlich deutlich für eine erhöhte Regelungsdichte in diesem Bereich sprechen,829 müssten sich gegenläufige Wertungen auf der anderen Seite als von überwiegender Wichtigkeit darstellen, damit ein Abweichen von der sonst zu fordernden gesetzgeberischen Konkretisierungspflicht gerechtfertigt werden könnte.830 Das wäre aber nur denkbar, wenn die polizeiliche Gefahrenabwehr durch das u. U. langwierige parlamentarische Gesetzgebungsverfahren erheblich beeinträchtigt oder sogar verhindert würde.831 So zum Beispiel, wenn sich unvorhergesehen und zeitkritisch die Notwendigkeit einer neuen Polizeiwaffe abzeichnet, die noch nicht per Gesetz zugelassen wurde. (b) Das Parlament als hinderlicher Faktor bei der Gefahrenabwehr? Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren wird sich allerdings regelmäßig nicht als der primär-hinderliche Faktor herausstellen, der den Prozess der Ausrüstungsbeschaffung erheblich verlangsamt. Das spricht gegen die überwiegende Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens (Hrsg.), BPolG, UzWG, § 2 Rn. 12; Ruthig, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, UZwG, § 2 Rn. 10. 828 So sprechen können u. a. die Erforderlichkeit flexibler Regelungen und entwicklungsoffene Sachverhalte im Einzelfall gegen eine hohe Regelungsdichte sprechen, vgl. allgemein Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 107. In diese Richtung Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 173 f., 176. 829 Mit konkreten Beispielen infra G. II. 2. c). Zu den Ausnahmefällen infra G. II. 2. b) bb). 830 Allgemein zu Aspekten, die gegen eine erhöhte Regelungsdichte sprechen können Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 107. 831 In eine ähnliche Richtung Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 107, nach dem die Erforderlichkeit einer flexiblen Regelung bereits gegen die Wesentlichkeit einer Entscheidung sprechen kann.

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Notwendigkeit, ausgerechnet das Parlament in Ausrüstungsfragen ausklammern zu müssen. So muss neue Ausrüstung nicht nur gesetzgeberisch zugelassen, sondern auch noch (langwierig) ausgeschrieben, dann ausgewählt und schließlich tatsächlich beschafft werden.832 Je nach Ausrüstungsgegenstand muss zudem im Anschluss der korrekte Umgang hinreichend trainiert werden, bevor ein verantwortungsbewusster Einsatz unter Gewährleistung sämtlicher Anforderungen erfolgen kann. Insbesondere wenn eine sehr schlagkräftige Bewaffnung beschafft wird, muss für die Ausbildung viel Zeit eingeplant werden.833 In bestimmten Fällen müssen darüber hinaus Orte, welche die Ausbildung überhaupt ermöglichen (etwa Schießbahnen für Langwaffen834) zunächst geschaffen werden. Das eine bestimmte Ausrüstung aufgrund dieser Aspekte regelmäßig nicht über Nacht beschafft und sofort eingesetzt werden kann, lässt sich zum Beispiel anhand der Sturmgewehre aufzeigen, die nach den Terrorlagen im Jahr 2015 in Frankreich nahezu für die gesamte deutsche Polizei gefordert wurden.835 Die tatsächliche Beschaffung kam für verschiedene Polizeieinheiten selbst unter politischem Hochdruck und trotz existierender Generalermächtigungen836 erst viele Monate, teilweise sogar Jahre später wirklich in Bewegung – und ist bis heute nicht abgeschlossen.837 Die Beschaffung neuer Ausrüstung nimmt also in der Regel ohnehin so viel Zeit in Anspruch, dass dem Gesetzgeber die Beteiligung auch vor dem Hintergrund einer effektiven Gefahrenabwehr regelmäßig zuzumuten ist. Drängt sich 832 Eine beispielhafte Ausschreibung des Polizeiverwaltungsamts in Leipzig über die Beschaffung von ca. 2000 „Mitteldistanzwaffen“ ist zu finden unter https://web. archive.org/web/20210520122017/https://ausschreibungen-deutschland.de/531803_Mit teldistanzwaffe_mit_Zubehoer_und_TrainingswaffeReferenznummer_der_Bekanntma chung_B4168_2019_Leipzig (abgerufen am 20.05.2021). 833 So erfordert vor allem der Umgang mit Sturmgewehren „ein permanentes Training“, vgl. SZ v. 03.08.2020, Polizei kann künftig an moderner Anlage Schießen üben, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/politik/innere-sicherheit-lorch-polizeikann-kuenftig-an-moderner-anlage-schiessen-ueben-dpa.urn-newsml-dpa-com-200901 01-200802-99-15844 (abgerufen am 11.05.2021). 834 Es mangelt bis heute an tauglichen Schießbahnen in ausreichender Menge, die das Training mit Sturmgewehren überhaupt zulassen, vgl. ibid. 835 Zu diesen Forderungen supra A. II. 836 Vgl. etwa § 2 Abs. 4 UZwG. 837 So erfolgte die Beratung der Innenministerkonferenz über die Ausstattung der Polizei mit schlagkräftigerer Bewaffnung erst im Juni 2015, also fünf Monate nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in Paris, vgl. Biermann/Roth, Die Polizei spielt Krieg, in: Zeit Online v. 16.12.2015 (Hyperlink in Fn. 41); Friedrichs, Jeder will das Sturmgewehr, in: Zeit Online v. 08.11.2017 (Hyperlink in Fn. 16). Polizeispezialeinheiten hatten allerdings zum Teil schon viel früher Zugriff auf Sturmgewehre, vgl. dazu etwa die Abbildung eines mit einem H&K G36C bewaffneten Angehörigen der GSG 9 im Jahr 2012, in: Spiegel Online v. 01.11.2012, GSG 9 schulte weißrussische Polizisten, abrufbar unter https://www.spiegel.de/politik/ausland/polizisten-aus-weissrussland-lerntenauch-bei-gsg-9-a-864849.html (abgerufen am 11.05.2021).

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die überragende Bedeutung einer dringenden gesetzlichen Neuregelung auf, dürfte die dahingehende Entscheidung im Parlament zudem auch sehr schnell mehrheitsfähig sein. Im Zeitfaktor liegt aufgrund der genannten Aspekte jedenfalls keine überwiegende Notwendigkeit begründet, der Exekutive einen deutlich erweiterten Handlungsspielraum zur Ausrüstungszulassung einzuräumen. (c) Mögliches Waffen- und Ausrüstungsarsenal schon lange bekannt Darüber hinaus sind bahnbrechende Neuerungen in der für die Polizei relevanten Waffen- und sonstigen Ausrüstungstechnik selten. Mit Ausnahme von Elektro-Distanzimpulsgeräten838 sind sämtliche Zwangsmittel, die im Rahmen der polizeilichen Militarisierung jetzt beschafft werden sollen, in ähnlicher Form schon sehr lange auf dem (militärischen) Markt. Von Sturmgewehren über Handgranaten bis hin zu gepanzerten Einsatzfahrzeugen, alle diese Mittel existierten bereits vor der Bundesrepublik Deutschland.839 Das Für und Wider einer schlagkräftigen Polizeiausrüstung konnte durch den Gesetzgeber also schon lange abgewogen werden, sodass es auch in dieser Hinsicht nicht überzeugen kann, die Verantwortung für vermeintliche Notfälle in Ausrüstungsfragen der Exekutive aufzubürden. Natürlich wird es immer wieder sinnvolle Weiterentwicklungen geben, zuletzt etwa die neuen Maschinenpistolen des Typs H&K MP7 samt optimierter Geschosskonstruktion.840 Es ist bisher aber nicht vorgekommen, dass sich durch solche Entwicklungen ein Zwang zur sofortigen Beschaffung ergeben hätte. Nach alledem sind keine überwiegenden Gründe dafür ersichtlich, der Exekutive einen weitgehenden Handlungsspielraum zur Zulassung der polizeilichen Ausrüstung selbst dann einzugestehen, wenn Gesichtspunkte der Wesentlichkeitstheorie deutlich für eine Konkretisierungspflicht des parlamentarischen Gesetzgebers sprechen. (d) Ausnahme: Unwesentliche Konkretisierungen Eine weitgehende Delegation und somit ein flexibler Handlungsspielraum der Exekutive zur Zulassung der polizeilichen Zwangsmittel wirft jedoch dort keine Bedenken auf, wo sich die Konkretisierung ausnahmsweise nicht als wesentlich darstellt, etwa wenn die Auswirkungen auf die Grundrechte und das Trennungsgebot unerheblich sind.

838 Zur Entwicklung in diesem Bereich vgl. Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 78 Rn. 15. 839 Auch terroristische Bedrohungslagen sowie „hochgerüstete“ Täter sind keine Neuheiten, die sich erst im Jahr 2015 erstmals gezeigt haben, vgl. dazu supra B. I. 1. c). 840 Zur H&K MP7 supra D. II. 3.

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So liegt es beispielsweise im Fall polizeilicher Fesseln (vgl. etwa in § 2 Abs. 3 1. Alt. UZwG). Legt der parlamentarische Gesetzgeber fest, dass Fesseln zum unmittelbaren Zwang genutzt werden dürfen, sind die weiteren Auswirkungen dieser Entscheidung für den Bürger im Gegensatz841 zu einer Regelung, die „Schusswaffen“ erlaubt, sehr genau absehbar. Es wird nämlich deutlich, dass der Bürger mit Hilfe polizeilicher Fesseln und unter Beachtung der weiterhin dafür statuierten Anforderungen842 fixiert werden darf, sodass die Freiheit einer Person (geschützt durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG843) für eine bestimmte Zeit teilweise oder vollständig entzogen wird. Es macht nun weder im Hinblick auf die Grundrechte noch für das Trennungsgebot einen beachtlichen Unterschied aus, ob der Polizei als Fesseln klassische Handschellen, Seile oder Kabelbinder zur Verfügung stehen oder um welche genauen Modelle es sich dabei handelt. Die denkbaren Konkretisierungsmöglichkeiten der polizeilichen Fesseln stellen sich daher nicht als wesentlich dar, sodass der Gesetzgeber die weitere Bestimmung delegieren darf. Da eine gesteigerte Regelungsverantwortung nicht begründet werden kann, darf der Exekutive hier also der geforderte Handlungsspielraum eingeräumt werden. Ähnlich verhält es sich für alle weiteren Zwangsmittel, für die eine nähere Konkretisierung insgesamt844 oder in Teilen845 unwesentlich ist. bb) Regelungsdichte vom Einzelfall abhängig Der Vergleich zwischen Schusswaffen und Fesseln zeigt,846 dass differenziert werden muss. Abhängig vom Grad der Wesentlichkeit können sich Unterschiede im Hinblick auf jene Regelungsdichte ergeben, die aus dem Vorbehalt des Gesetzes zur Zulassung eines Zwangsmittels abzuleiten ist. Je weitreichender die potentiellen Auswirkungen insbesondere auf die Grundrechte und das Trennungsgebot, desto engmaschiger muss der Gesetzgeber selbst Vorgaben schaffen. Die geforderte Regelungsdichte kann deswegen nicht verallgemeinert werden, sondern muss für jeden Zwangsmitteltyp gesondert bestimmt werden.847

841 Zu den drohenden Unklarheiten bei der vagen Zulassung von Schusswaffen supra G. II. 2. b) aa) (2). 842 Vgl. etwa für die Bundespolizei § 8 UZwG – Fesselung von Personen. 843 Dazu eingehend etwa Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, Art. 2 Rn. 130 ff. 844 Weitere Beispiele: Wasserwerfer, technische Sperren und Dienstpferde. 845 So sind zum Beispiel nicht sämtliche Eigenschaften einer Schusswaffe konkretisierungsbedürftig, vgl. dazu noch infra G. II. 2. c) aa). 846 Vgl. zu Schusswaffen supra G. II. 2. b) aa) (2); zu Fesseln supra G. II. 2. b) aa) (3) (d). 847 Die dahingehende wissenschaftliche Diskussion dreht sich vor allem um die gebotene Regelungsdichte zur Zulassung von Schusswaffen, dazu noch eingehend infra G. II. 2. c) aa).

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c) Zwangsmittel mit besonderem Konkretisierungsbedarf Da insbesondere Schusswaffen, Explosivmittel und bestimmte Einsatzfahrzeuge im Rahmen der polizeilichen Militarisierung eine gewichtige Rolle spielen und mit ihrer Zulassung gleichzeitig Konflikte mit verfassungsrechtlichen Wertungen drohen, soll auf die notwendige Regelungsdichte zur Zulassung dieser Mittel im Folgenden noch exemplarisch näher eingegangen werden (hier noch ausgeklammert: Distanz-Elektroimpulsgeräte 848). aa) Schusswaffen (1) Individuelle Regelung für jede Schusswaffe? Schusswaffen haben oben bereits als Beispiel849 für Zwangsmittel gedient, deren nähere Konkretisierung wesentlich ist.850 Offen geblieben ist aber bisher, wie eine verfassungskonforme Regelung konkret ausgestaltet sein müsste. Wegen des Vorbehalts des Gesetzes geht eine Ansicht hier so weit, dass jede einzelne Schusswaffe durch formelles Gesetz für die Polizei bestimmt werden müsste.851 Praktisch umgesetzt könnte ein fiktiver Normtext lauten: „Die dienstlich zugelassene Schusswaffe ist das Sturmgewehr H&K G36A2852 zur Verwendung mit Munition des Typs MEN Armor Piercing/Hartkern DM31 5,56 mm x 45.“ Gegen ein derart weitreichendes Verständnis könnte aber sprechen, dass der Gestaltungsspielraum der Exekutive mit einer solchen Regelung nicht nur vermindert, sondern vollständig ausgeschlossen wäre. Mit dem Gewaltenteilungsprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG wird deswegen gegen die obige Ansicht argumentiert. Der Exekutive müssten demnach eigenständige Handlungsmöglichkeiten verbleiben, ansonsten wäre sie unzulässigerweise auf den bloßen Vollzug der Gesetze beschränkt.853 848 Die Beschaffung von Distanz-Elektroimpulsgeräten ist keine neue Erscheinung und daher nicht in erster Linie dem aktuellen Prozess der Militarisierung der Polizei zuzuordnen. Sie werden dennoch noch als Beispiel zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit einer „geringere Wirkung als“-Öffnungsklausel behandelt, vgl. infra G. II. 3. a) cc) (2). 849 Supra G. II. 2. b) aa) (2). 850 Ähnlich auch Wacke, JZ 1962, 137 (140 ff.); Ule, DVBl 1962, 353 (354). A. A. Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 176; Baumann, DVBl 1962, 806 (807 f.). 851 Vgl. Wacke, JZ 1962, 137 (141 f.). 852 Weitere Modellvariante des H&K G36. Der Suffix „A2“ lässt Rückschlüsse auf die exakte Konfiguration des Waffensystems zu (Welche Lauflänge? Welche Schulterstütze? Welche Anbauteile? etc.). Näher zu den zahlreichen Konfigurationsvarianten Weisswange, Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr, S. 130 ff.; Abresch/Schulz, Moderne Handwaffen der Bundeswehr, S. 40 ff. 853 So Pioch, UzWG, S. 88 f.; Baumann, DVBl 1962, 806 (810). Allgemein zu dieser Argumentation Ehlers, in: Ehlers/Pünder, § 2 Rn. 44; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 73 m.w. N.

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Da sich eine Pflicht zu einer Konkretisierung in diesem Ausmaß allerdings ohnehin nicht begründen lässt, kommt es auf die Überzeugungskraft der Gegenargumentation nicht an. So folgt aus der Wesentlichkeitstheorie lediglich, dass der Gesetzgeber Entscheidungen selbst treffen muss, wenn und soweit diese wesentlich sind.854 Um das Beispiel der fiktiven Zulassung des Sturmgewehrs H&K G36A2 wieder aufzugreifen, wären bei einer gesetzlichen Vorgabe genau dieser Waffenvariante auch Aspekte vorbestimmt, die auf die spezifische Wirkweise keinen Einfluss haben, namentlich etwa Anbauteile wie die verbaute Schulterstütze oder das Visier. Da sich diese Aspekte aber weder erheblich auf die Grundrechte noch auf das Trennungsgebot auswirken oder in sonstiger Weise nach einer formell-gesetzlichen Regelung verlangen, lässt sich dahingehend auch keine Pflicht des Gesetzgebers zur Konkretisierung ableiten, sodass eine derart genaue Regelung nicht gefordert ist. Die obige Ansicht geht also bereits deswegen zu weit und ist daher abzulehnen. (2) Pflicht zur Konkretisierung wirkrelevanter Eigenschaften Anders verhält es sich hinsichtlich der Konkretisierung solcher Eigenschaften, die primären Einfluss auf die spezifische Wirkweise der Schusswaffe haben. So hängt die Grundrechtsrelevanz und auch die Berührung des Trennungsgebots beim Schusswaffengebrauch entscheidend von Waffenart (Gewehre, Pistolen etc.),855 Geschossart (etwa Vollmantel- oder Deformationsgeschosse), Kaliber (zum Beispiel 9 mm x 19 oder 5,56 mm x 45) und Lademechanismus (Vollautomaten, Halbautomaten etc.) ab,856 was sich oben bereits an verschiedenen Stellen verdeutlicht hat.857 Da es entscheidend von diesen Eigenschaften abhängt, ob eine konkrete Schusswaffe auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt, ist die Bestimmung dieser Eigenschaften wesentlich, sodass der parlamentarische Gesetzgeber hier genaue Vorgaben machen muss.858 Deswegen ist die bloße gesetzgebe854

Zur Wesentlichkeitstheorie supra G. II. 2. a)–b). So prägen die verschiedenen Waffentypen (etwa Sturmgewehre, Maschinenpistolen oder Pistolen) zum einen das äußere Erscheinungsbild (zu hier drohenden Konflikten mit dem Trennungsgebot supra B. I. 2. f); zum Einfluss auf das Einschüchterungspotential supra B. II. 3. d) aa) (2) (b)) und haben zum anderen Einfluss auf wirkrelevante Faktoren wie u. a. die Lauflänge und mittelbar auch das Kaliber. Insbesondere die Lauflänge hat einen erheblichen Einfluss auf die Schussleistung und somit auch auf die Gefährlichkeit, vgl. Kneubuehl, Ballistik, S. 83 f.; mit einem anschaulichen Schusskanalvergleich verschiedener Waffentypen Kneubuehl/Coupland/Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 59 ff., 112: „Die Abbildungen sprechen für sich“). 856 In eine ähnliche Richtung Mußgnug, Das Recht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 176; Ropohl, in: Forster, Praxis der Rechtsmedizin, S. 158 f.; Bremer, Das Recht der Polizei zum Waffengebrauch, S. 33 ff. 857 Vgl. dazu supra B. I. 2. c); B. II. 1. a) cc); D. I. 3. 858 Überraschenderweise kommt Mußgnug mit ähnlichen Argumenten zum gegenteiligen Ergebnis. Zudem reiche der Rückgriff auf das WaffG zur Auslegung und Konkretisierung des Schusswaffenbegriffs in § 2 Abs. 4 UzWG aus, Mußgnug, Das Recht des 855

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rische Zulassung von „Schußwaffen“ vor dem Hintergrund des Vorbehalts des Gesetzes genauso wenig ausreichend859 wie die immer noch vage Zulassung von „Gewehren“ oder „Pistolen“ auf der nächst tieferen Abstraktionsebene.860 (3) Darüber hinausgehende Konkretisierungen Da der Gesetzgeber mit der Bestimmung von Waffenart, Kaliber, Geschossart und Lademechanismus zur Zulassung der dienstlichen Schusswaffen also alles Wesentliche selbst entschieden hätte, könnte er eine darüber hinausgehende Konkretisierung schließlich der Exekutive überlassen. Dieser verbliebe dann noch immer ein gewichtiger Gestaltungsspielraum.861 Werden zum Beispiel halbautomatische Sturmgewehre im Kaliber 5,56 mm x 45 durch den Gesetzgeber zugelassen,862 so wäre es weiterhin Sache der Exekutive zu entscheiden, ob etwa das H&K G36, H&K 416, Sig Sauer MCX, FN SCAR-L oder auch ein anderes Modell beschafft wird, das die gesetzgeberischen Vorgaben erfüllt. Die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Grundrechtsrelevanz und das Trennungsgebot stellen sich dann aufgrund der Ähnlichkeit der in Frage kommenden Schusswaffenvarianten allerdings nur noch – wie beabsichtigt – als unerheblich dar. bb) Explosivmittel (1) Hohe Regelungsdichte beim intendierten Einsatz gegen Menschen Ein besonderer Konkretisierungsbedarf besteht außerdem bei Explosivmitteln.863 Werden solche Mittel ohne weitere Beschränkungen zugelassen, bleibt die erlaubte Wirkweise ansonsten völlig offen.864 Auch die Grundrechtsrelevanz und ebenso eine mögliche Beeinträchtigung des Trennungsgebots sind kaum absehbar. So können Explosivmittel beispielsweise lediglich der Verwirrung dienen

polizeilichen Schusswaffengebrauchs, S. 176. Der Zweck des WaffG ist es aber nicht, die für den Polizeidienst zulässigen Waffen zu konkretisieren. § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WaffG bestimmt daher ausdrücklich: „Dieses Gesetz ist, wenn es nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, nicht anzuwenden auf [. . .] die Polizeien des Bundes und der Länder“. Es gilt damit ausschließlich das Bundes-/Landespolizeirecht, welches zur Bestimmung der dienstlich zugelassenen Waffen herangezogen werden kann, vgl. König/ Papsthart, in: König/Papsthart, WaffG, § 55 Rn. 2. 859 Vgl. etwa § 2 Abs. 4 UzWG. 860 So etwa in Art. 78 Abs. 4 S. 1 BayPAG. Mit einem Regelungsvorschlag infra G. III. 861 Die Exekutive wäre also nicht auf den bloßen Vollzug des Gesetzes reduziert, vgl. mit dieser Kritik Pioch, UzWG, S. 88 f.; Baumann, DVBl 1962, 806 (810). 862 Mit einem Formulierungsbeispiel infra G. III. 2. 863 Zum Begriff und zur Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG supra B. II. 2. 864 Allgemein für eine unzureichende Regelungsdichte in diesem Bereich Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. 864.

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(zum Beispiel Schock- oder Blendgranaten, auch als Irritationsgranaten865 bekannt) oder sich lediglich zum Einsatz gegen Sachen eignen (zum Beispiel eine konzentrierte Sprengladung zur Notfalltüröffnung866), mit der Folge, dass ein verfassungskonformer Einsatz grundsätzlich denkbar ist.867 Sie können allerdings auch mit zerstörerischen und unbeherrschbaren Sprengeffekten wirken, die regelmäßig Unbeteiligte erheblich so gefährden, dass sich ihre Unzulässigkeit u. a. direkt aus Art. 1 Abs. 1 GG ergibt (Beispiel: Splittergranate).868 Sofern ein Einsatz von Explosivmitteln gegen Menschen nicht von vorneherein bewusst ausgeschlossen wird,869 ist die Bestimmung der spezifischen Wirkweise zulässiger Explosivmittel im Hinblick auf die drohenden Auswirkungen für überragend wichtige Verfassungsgüter wesentlich, sodass der Gesetzgeber insbesondere vor dem Hintergrund eines drohenden Eingriffs in Art. 1 Abs. 1 GG genaue Vorgaben machen muss. (2) Bestimmung der Parameter zur Charakterisierung von Sprengstoffen? Hierzu könnten möglicherweise jene Parameter formell-gesetzlich festgelegt werden, die sich zur Charakterisierung verschiedener Sprengstoffe etabliert haben. Dazu gehören vor allem die Sauerstoffbilanz, das spezifische Schwadenvolumen, die spezifische Energie und die Ladedichte.870 Die Bestimmung dieser Parameter beeinflusst die gewünschte Wirkweise eines Explosivmittels, sodass insbesondere Stärke, Geschwindigkeit und Reichweite der Explosion abschätzbar werden. Um eine Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und dem Trennungsgebot zu gewährleisten, müssten sie beim intendierten Einsatz gegen Menschen so gewählt werden, dass zulässige Explosivmittel zum einen Unbeteiligte nicht erheblich gefährden und zum anderen kein unnötiges Leid verursachen.871 865 Gegen eine Einstufung von Irritationsgranaten als Explosivmittel, weil diese vorwiegend Licht und Lärm erzeugen Kastner, in: BeckOK PolR BW, § 54a Rn. 9.1. 866 Vgl. Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 872. 867 Zur Zulässigkeit solcher Explosivmittel, die zwar unterschiedslos wirken, dabei aber Unbeteiligte nicht erheblich gefährden supra B. II. 1. b) bb) (2). 868 Zur Unvereinbarkeit solcher Mittel mit Art. 1 Abs. 1 GG supra B. II. 2. b) bb). Zur Unvereinbarkeit mit dem Trennungsgebot supra B. I. 2. c) aa). 869 So etwa für Explosivmittel mit Sprengwirkung in § 66 Abs. 4 PolG NRW. Verwirrenderweise sollen einige Explosivmittel – etwa Irritationsgranaten – von derartigen Regelungen in manchen Ländern aber nicht umfasst sein, vgl. dazu etwa Kastner, in: BeckOK PolR BW, § 54a Rn. 9.1 und außerdem infra G. II. 2. c) bb) (3). 870 Eingehend zu diesen Parametern Ammedick, Militärchemie, S. 9 ff.; Knoll, Das Knallquecksilber, S. 4 ff.; Biedermann, Die Sprengstoffe, S. 14 ff.; Köhler/Meyer/Homburg, Explosivstoffe, 293 ff. 871 Zu diesen Vorgaben supra B. I. 2. c) bb); B. II. 2. Im Grunde können nur sog. Irritationsmittel wie etwa Blend- oder Rauchgranaten diese Anforderungen überhaupt erfüllen.

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Eine Regelung, welche die Parameter zur Charakterisierung von Explosivmitteln derart abstrakt bestimmt, wäre allerdings nur für Experten in diesem Bereich verständlich. Ein verständiger Bürger wäre in Anbetracht einer solchen Regelung wohl kaum in der Lage zu deuten, was der Einsatz etwa eines Sprengstoffes mit einer Sauerstoffbilanz von –73,9 % bei einem spezifischen Schwadenvolumen von 975 l/kg und einer spezifischen Energie von 908 kJ/kg auch nur ansatzweise für ihn bedeutet.872 Aufgrund der drohenden Unverständlichkeit wären eigenständige rechtliche Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot die Folge.873 (3) Ausschluss unzulässiger Wirkweise im Tatbestand Greifbarer und deswegen vorzugswürdig ist der alternative Weg, eine unzulässige Wirkweise tatbestandlich im Hinblick auf die verursachten körperlichen Auswirkungen positiv oder negativ auszuklammern.874 Die Vorgabe, dass zulässige Explosivmittel kein unnötiges Leid verursachen und Unbeteiligte nicht erheblich gefährden dürfen, könnte demnach explizit so oder so ähnlich im Tatbestand fixiert werden. Zum Beispiel mit einer Formulierung, die zulässige Explosivmittel dahingehend konkretisiert, dass diese beim Einsatz gegen Personen allein „[z]ur Ablenkung von Störern bestimmt“875 und geeignet sein dürfen. So dient etwa der Einsatz von Explosivmitteln mit zerstörerischer und unkontrollierbarer Sprengwirkung (zum Beispiel einer Sprenggranate) nicht allein der Ablenkung und wäre damit zu Recht ausgeschlossen. Dagegen wäre etwa ein Einsatz 872 Parameter zur Charakterisierung des Sprengstoffes Trinitrotoluol (TNT), vgl. Köhler/Meyer/Homburg, Explosivstoffe, S. 293 ff. 873 Zur Anforderung des Bestimmtheitsgebots, dass das staatliche Handelns voraussehbar und berechenbar sein muss Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20 Rn. 182; BVerfGE 110, 33 (53 ff.). 874 Dieser Lösungsansatz bietet sich dagegen zur Regelung zulässiger Schusswaffen nicht gleichermaßen an. Denn die teils widersprüchlichen Anforderungen für den Schusswaffeneinsatz ließen sich kaum tatbestandlich formulieren, vgl. zum Problem supra B. II. 1. a) cc) (3). Vgl. zum Problem aus wundballistischer Perspektive Kneubuehl/ Coupland/Rothschild/Thali, Wundballistik, S. 362. 875 Materiell findet sich bereits im PolG NRW i.V. m. der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz v. 16.03.2021 ein dahingehender Regelungsversuch: Dort heißt es in § 58 Abs. 3 PolG NRW: „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind [. . .] zum Sprengen bestimmte explosionsfähige Stoffe (Sprengmittel).“ Sie dürfen gem. § 66 Abs. 4 PolG NRW nicht gegen Personen eingesetzt werden. Nummer 58.32 S. 2 VVPolG NRW konkretisiert schließlich: „Zur Ablenkung von Störern bestimmte pyrotechnische Mittel (Irritationsmittel) sind keine Sprengmittel.“ M.a.W. darf die Landespolizei in NRW (nur) solche Spreng-/Explosivmittel gegen Menschen einsetzen, die ausschließlich zur Ablenkung eines Störers bestimmt sind. Die Regelung in NRW ist dennoch kein musterhaftes Beispiel für andere Gesetzgeber. Zum einen, weil das konkretisierende Mittel der Verwaltungsvorschrift aufgrund der Wesentlichkeit der Materie völlig ungeeignet ist und zum anderen, weil die Einschränkung zulässiger Explosivmittel nur für die Landespolizei, nicht aber unterstützende Einsätze der Bundespolizei gilt, vgl. § 66 Abs. 1 PolG NRW, dazu auch Thiel, in: BeckOK PolR NRW, § 66 Rn. 17.

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einer Blendgranate möglich, was verfassungsrechtlich unbedenklich ist.876 Durch derartige formell-gesetzliche Vorgaben könnte auf die Angabe der oben dargestellten Parameter877 ohne Weiteres verzichtet werden und so wäre ebenso ausreichend, jedoch deutlich nachvollziehbarer und verständlicher für die Exekutive vorgegeben, welche Explosivmittel verwendet werden dürfen und welche nicht. cc) Besondere Dienstfahrzeuge Die jüngste Beschaffungspraxis verdeutlicht, dass mit dem Vorbehalt des Gesetzes hinsichtlich polizeilicher Dienstfahrzeuge ebenfalls ein erhöhter Konkretisierungsbedarf des parlamentarischen Gesetzgebers zu fordern ist. Zum jetzigen Zeitpunkt haben die Bundes- und Landesgesetzgeber die Bestimmung zulässiger Dienstfahrzeuge allerdings vollständig der Exekutive übertragen (vgl. etwa § 2 Abs. 3 6. Alt. UZwG). Diese versteht unter Dienstfahrzeugen nicht nur beispielsweise Streifenfahrzeuge oder Transportbusse, sondern lässt sogar charakteristisch-militärische Waffensysteme (zuletzt der Rheinmetall MAN Military Vehicles Survivor R878) als „Dienstfahrzeug“ zu.879 Eine Generalermächtigung an die Exekutive, welche sogar die Zulassung von charakteristisch-militärischem Großgerät für die Polizei ermöglicht, ist jedoch aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung des Trennungsgebots mit dem Wesentlichkeitsgedanken unvereinbar.880 Im Fall der Dienstfahrzeuge gilt es deswegen formell-gesetzlich vor allem auszuschließen, dass eine letal wirkende Bordbewaffnung in Kombination mit einer Panzerung bei Polizeifahrzeugen verwendet wird.881 Offene Regelungen im Stil des § 2 Abs. 3 6. Alt. UZwG, die die Zulassung solcher Varianten gestatten, können daher nicht ausreichen.882

3. Zulässigkeit verschiedener Öffnungsklauseln Die Landesgesetzgeber haben verschiedenartige Öffnungsklauseln normiert, mit denen von der regulären Regelungsdichte abgewichen wird. Dadurch wird suggeriert, dass zur Bestimmung der polizeilichen Zwangsmittel in besonderen Situationen ein andersartiger Rechtsmaßstab gelten könnte. Da sich die erlaubten 876

Zur Zulässigkeit sog. Blendgranaten supra B. II. 1. b) bb) (2). Zu den Parametern zur Charakterisierung von Sprengstoffen supra G. II. 2. c) bb) (2). 878 Zur Zulässigkeit gepanzerter und bewaffneter Einsatzfahrzeuge für die Polizei supra D. V. 879 Zu diesen Einsatzfahrzeugen supra D. V. 880 So kann eine Beeinträchtigung des Trennungsgebots für die Wesentlichkeit einer bestimmten Entscheidung sprechen, vgl. supra G. II. 2. a) cc). 881 Zur Unvereinbarkeit solcher Waffensysteme mit dem Trennungsgebot supra D. V. 2. c). 882 Für einen Regelungsvorschlag vgl. infra G. III. 2. 877

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Zwangsmittel aufgrund dieser Klauseln kaum noch überblicken lassen, ist fraglich, ob der Gesetzgeber so seiner Pflicht gerecht wird, Wesentliches selbst zu regeln. Dazu sollen die unterschiedlichen Arten gängiger Öffnungsklauseln näher beleuchtet werden: a) „Geringere Wirkung als [. . .]“ Zunächst geht es um Öffnungsklauseln, die ein bestimmtes Zwangsmittel als Vergleichspunkt fixieren (in der Regel Schusswaffen) und daraufhin weitere Zwangsmittel als zulässig erklären, wenn sie eine „geringere Wirkung“ haben (zum Beispiel mit § 59 Abs. 4 S. 2 ThürPAG883). aa) Begriff Hier muss allerdings erst geklärt werden, was unter einer „geringeren Wirkung“ zu verstehen ist, denn eine Legaldefinition existiert für diesen Begriff nicht.884 In der Literatur wird dazu ohne weitere Begründung vorgetragen, dass etwa Distanz-Elektroimpulsgeräte im Vergleich zu Schusswaffen geringer Wirken sollen.885 Weil diese Mittel aber völlig verschieden funktionieren, verwundert dieses Beispiel auf den ersten Blick. Zwar werden sowohl Schusswaffen als auch Distanz-Elektroimpulsgeräte abgefeuert, jedoch lassen sich die für die Auswirkungen des Schusswaffeneinsatzes relevanten Parameter wie etwa das Kaliber oder die Geschossart entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht sinnvoll mit denjenigen eines Distanz-Elektroimpulsgeräts vergleichen. Es ist deswegen unklar, was hier eigentlich „geringer“ wirken soll.886 Verstehen lässt sich eine solche Vorschrift nur, wenn die spezifische Funktionsweise ausgeblendet wird, sodass mit Wirkung nur jene Beeinflussung oder Veränderung gemeint sein kann, die ein bestimmtes Mittel einem Körper unab883 § 59 Abs. 4 ThürPAG: „Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen. Andere Waffen dürfen nur zugelassen werden, wenn sie eine geringere Wirkung als Schusswaffen haben. [. . .]“ 884 Mit dem ähnlichen Begriff „Wirken“ wird üblicherweise das Abfeuern einer Schusswaffe zum Erreichen eines bestimmten Zwecks gemeint. Dieses Begriffsverständnis ist vor allem im militärischen Bereich anzufinden, vgl. das Bundeswehr Glossar, Stichwort: „Wirkungsbereich“: „Das Schießen mit der Waffe wird allgemein als Wirken bezeichnet“, abrufbar unter https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundes wehr/begriffe-bundeswehr-glossar (abgerufen am 24.05.2021). Im polizeilichen Kontext liegt dieser Zweck regelmäßig darin begründet, die Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit eines Störers zu erreichen, vgl. etwa Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 83 Rn. 10 f. 885 So Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 875; Deiseroth, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, § 15 VersammlG Rn. 682. 886 Siehe zur Wirkweise sog. Distanz-Elektroimpulsgeräte noch eingehend infra G. II. 3. a) cc).

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hängig von seiner Funktionsweise beifügt.887 Die körperlichen Auswirkungen verschiedener Zwangsmittel lassen sich dann hinsichtlich ihrer Intensität vergleichen. Zwangsmittel, die geringer wirken, resultieren so verstanden grundsätzlich in weniger intensiven Verletzungen, sind mit anderen Worten weniger gefährlich. Mit dieser Auslegung passen dann auch die von der Literatur beispielhaft genannten polizeiüblichen Distanz-Elektroimpulsgeräte, die, wenn sie auch nicht ungefährlich sind, grundsätzlich ungefährlicher als die polizeiüblichen Schusswaffen sind.888 Eine solche Öffnungsklausel dient also zur Zulassung bestimmter Zwangsmittel, die sich als ungefährlicher im Vergleich zu bereits explizit geregelten darstellen. Ihre Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes hängt von zwei Kernaspekten ab: bb) Vergleichsobjekt muss hinreichend konkretisiert sein Erstens ist der Gesetzgeber durch die Öffnungsklausel nicht von der Pflicht entbunden, wesentliche Aspekte des Zwangsmitteleinsatzes selbst zu bestimmen. Wenn zum Beispiel „geringer wirkende“ Mittel als Schusswaffen zugelassen werden sollen,889 müssen deswegen die prägenden Eigenschaften der gemeinten Schusswaffen als Bezugsobjekt für den vorzunehmenden Vergleich feststehen, damit ihre Gefährlichkeit abschätzbar ist.890 Andernfalls lässt sich die tatbestandlich geforderte Bewertung, ob ein bestimmtes Zwangsmittel tatsächlich geringer wirkt und somit zugelassen werden kann, schlicht nicht vornehmen, da sich die abstrakte Gefährlichkeit sämtlicher denkbaren Schusswaffen kaum vergleichen lässt. Bestimmt der Gesetzgeber also lediglich „Schusswaffen“ als Bezugspunkt einer solchen Öffnungsklausel, so hätte er deswegen wesentliche Aspekte unzulässig nicht geregelt. Dafür spricht außerdem der folgende Gedanke: Wenn bereits die vage Zulassung von Schusswaffen – ohne jegliche Konkretisierung – aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes unzulässig ist,891 887 Vgl. Duden Universalwörterbuch, Aufl. 2019, Stichwort „Wirkung“: „durch eine verursachende Kraft bewirkte Veränderung, Beeinflussung, bewirktes Ergebnis“. 888 Die Gefährlichkeit dieser Mittel darf dennoch nicht verharmlost werden. So haben Untersuchungen von Amnesty International bereits im Jahr 2008 mindestens 40 Fälle in den USA aufgedeckt, bei denen die Nutzung verschiedener Elektro-Distanzimpulsgeräte für den Tod eines Menschen zumindest mitursächlich war, vgl. Amnesty International, Less Than Letal?, AMR 51/010/2008, S. 25, abrufbar unter https:// web.archive.org/web/20110219111104/http://www.amnestyusa.org/uploads/LessThan Lethal.pdf (abgerufen am 15.04.2021). Vgl. auch Steinhagen, Wie gefährlich sind Taser?, Zeit Online v. 14.05.2019, abrufbar unter https://www.zeit.de/gesellschaft/zeit geschehen/2019-05/polizeieinsaetze-taser-frankfurt-elektroschocker-gefahren-amnestyinternational (abgerufen am 15.05.2021). Zur Wirkweise allgemein Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 875. 889 Vgl. § 49 Abs. 5 S. 2 SPolG; positiv formuliert in § 55 Abs. 4 S. 2 HSOG. 890 Zu den hier geltenden Anforderungen supra G. II. 2. c) aa). 891 Vgl. zur Unzulässigkeit zu weitgehender Generalzulassungen supra G. II. 2. c) aa).

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muss eine Regelung, die auf dieser unbestimmten Grundlage noch weitere „geringer“ wirkende Zwangsmittel zulässt, erst recht unzulässig sein.892 Die häufig gewählte Formulierung, die lediglich auf „Schusswaffen“ für den Vergleich abstellt, ist daher unzureichend. cc) Keine Umgehung bei Gebot zu eigenständiger Regelung (1) Bestimmte Zwangsmittel erfordern gesonderte Behandlung Zweitens ist eine derartige Öffnungsklausel mit dem Wesentlichkeitsgedanken unvereinbar, wenn sie zur Zulassung sämtlicher geringer wirkenden Zwangsmittel ohne Rücksicht darauf dient, ob sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes nicht möglicherweise ein Gebot zur eigenständigen Regelung ergibt.893 Ansonsten könnte der Gesetzgeber ein einziges, besonders schlagkräftiges Zwangsmittel als Obergrenze bestimmen und daraufhin sämtliche geringer wirkenden Mittel durch Öffnungsklausel erlauben. Da der Gesetzgeber in diesem Fall nur das Bezugsobjekt konkretisiert, ließe es sich schlecht sagen, er hätte alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen.894 (2) Beispiel: Distanz-Elektroimpulsgeräte erfordern eigene Regelung Das Beispiel der Distanz-Elektroimpulsgeräte, die in der Praxis häufig durch solche Öffnungsklauseln aufgrund ihrer im Vergleich zu Schusswaffen geringeren Wirkung zugelassen werden,895 verdeutlicht das Problem. Wie schon angemerkt,896 lassen sich Distanz-Elektroimpulsgeräte und Schusswaffen lediglich vor dem Hintergrund ihrer Gefährlichkeit vergleichen. Die vom konkreten Zwangsmittel ausgehende Gefahr hängt bei Distanz-Elektroimpulsgeräten vor allem von der Stromstärke, Spannung und Dauer der Stromzuführung ab und nicht etwa vom Kaliber oder der Geschossform wie bei Schusswaffen.897 Distanz-Elek892

Eine Regelung wie in § 59 Abs. 4 S. 2 ThürPAG ist deswegen unzulässig. Anders verhält es sich nur dann, wenn es um Zwangsmittel geht, deren formellgesetzliche Konkretisierung von vornherein nicht wesentlich im Sinne der Wesentlichkeitstheorie ist, dazu supra G. II. 2. b) bb). 894 Unzulässig wäre deswegen etwa die folgende, nur aus einem Satz bestehende Regelung zur Zulassung polizeilicher Waffen: „Zur Umsetzung unmittelbaren Zwangs können halbautomatische Sturmgewehre im Kaliber 5,56 mm x 45 zur Verwendung mit Deformationsgeschossen sowie sämtliche geringer wirkenden Mittel zugelassen werden.“ 895 Vgl. Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 875. 896 Vgl. zur unterschiedlichen Wirkweise von Distanz-Elektroimpulsgeräten und Schusswaffen supra G. II. 3. a) aa). 897 Zum Einfluss der elektrischen Stromstärke beim Einsatz eines Elektro-Distanzimpulsgerätes Amnesty International, Less Than Letal?, AMR 51/010/2008, S. 36 (Hyperlink in Fn. 888). 893

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troimpulsgeräte sind zudem nicht per se ungefährlicher als polizeiübliche Schusswaffen. Sie haben nur dann eine „geringere“ Wirkung, wenn die dafür relevanten Parameter entsprechend ausgestaltet sind. Der erlaubte Rahmen zur Bestimmung dieser Parameter verbleibt nun allerdings weitgehend im Dunkeln und vollständig in der Verantwortung der Exekutive, wenn die Zulassung eines Distanz-Elektroimpulsgeräts lediglich per Öffnungsklausel erfolgt, die im Ursprung eigentlich auf Schusswaffen zugeschnitten ist und deswegen auch nicht auf die Eigenheiten andersartiger Mittel eingeht.898 Wie intensiv das von der Exekutive aufgrund einer solchen Öffnungsklausel ausgewählte Distanz-Elektroimpulsgerät letztendlich in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eingreift, kann bei einer völlig offen formulierten Regelung kaum abgesehen werden. Die Grundrechtsrelevanz dieser Entscheidung spricht als für die Wesentlichkeit maßgeblichster Faktor899 daher für die Notwendigkeit einer eigenständigen Regelung des parlamentarischen Gesetzgebers in Bezug auf zulässige DistanzElektroimpulsgeräte, welche die prägenden Wirkparameter vorbestimmt.900 Dafür spricht auch, dass der Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten in der Vergangenheit in einer nicht völlig unerheblichen Anzahl von Fällen zumindest mitursächlich für den Tod verschiedener Menschen war.901 Die Entscheidung darüber, ob und welche Zwangsmittel dieser Art überhaupt zulässig sein sollen, ist deswegen wesentlich und kann daher nicht allein durch die Exekutive im Rahmen einer „geringere Wirkung als“-Öffnungsklausel entschieden werden. dd) Beispiel einer zulässigen Öffnungsklausel Eine mit dem Vorbehalt des Gesetzes konforme „geringere Wirkung als“-Öffnungsklausel muss zur Vermeidung der aufgezeigten Probleme daher zum einen das Bezugsobjekt klar umschreiben und zum anderen so formuliert sein, dass der Handlungsrahmen der Exekutive dahingehend beschränkt ist, dass er keine wesentlichen Entscheidungen mehr umfasst. Zur Verdeutlichung soll das folgende fiktive Regelungsbeispiel dienen: § 1 Pistolen für den Dienstgebrauch (1) Zum Einsatz gegen Personen dürfen Pistolen verwendet werden. Sie sind mit Munition im Kaliber 9 mm x 19 zu verwenden und dürfen konstruktionsbedingt nur zur Abgabe von Einzelschüssen in der Lage sein. (2) Die zulässigen Geschossarten umfassen Vollmantel- und Deformationsgeschosse. 898 Vgl. § 58 Abs. 4 S. 2 SOG LSA; § 49 Abs. 5 S. 2 SPolG. Siehe supra Fn. 894 für ein weiteres Formulierungsbeispiel. 899 Zum Maßstab der Wesentlichkeitstheorie supra G. II. 2. a) bb). 900 Für eine formell-gesetzliche Regelung ebenfalls Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E. Rn. 875. 901 Vgl. etwa Amnesty International, Less Than Letal?, AMR 51/010/2008, S. 25 (Hyperlink in Fn. 888).

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(3) Pistolen, die eine geringere Wirkung als die von Abs. 1 umfassten Varianten haben, dürfen ebenfalls verwendet werden.

Mit einer solchen Regelung hätte der Gesetzgeber durch die Bestimmung von Waffenart, Kaliber, Geschossart und Feuermodus alles Wesentliche zur zulässigen dienstlichen Schusswaffe bestimmt902 und damit gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, mit welcher maximalen Intensität diese gegen den Bürger wirken darf. Die Folgen des Schusswaffengebrauchs wären vor allem im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG absehbar. Der Zusatz in Abs. 3, dass geringer wirkende Pistolen ebenfalls zulässig sind, wirft so formuliert keinen Konflikt mit dem Wesentlichkeitsgedanken auf. Der Rückgriff auf eine geringer wirkende, also weniger gefährliche und somit weniger eingriffsintensive Pistole ist dem Bürger gegenüber nämlich günstig, sodass insbesondere die Grundrechtsrelevanz abnimmt. Gleichzeitig ist der durch die Öffnungsklausel geschaffene Handlungsspielraum der Exekutive klar umrissen, da mit der Konkretisierung der regulären Dienstwaffe in Abs. 1 ein oberer Rahmen bestimmt wurde, der allein für die Zulassung weiterer Pistolenvarianten maßgeblich ist. Ließe die Exekutive aufgrund dieser Regelung beispielsweise wieder die alte Polizeidienstpistole im vergleichsweise schwachen Kaliber 7,65 mm x 17 Browning zu, welche Geschosse mit lediglich 219 Joule verschießt,903 sodass von einer geringeren Wirkung im Vergleich zu einer Pistole im Kaliber 9 mm x 19 auszugehen ist,904 wäre aufgrund der genannten Aspekte kein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes ersichtlich. b) Unterstützende Einsätze der Bundespolizei Weiterhin existieren Öffnungsklauseln, die Ausnahmen für unterstützende Einsätze der Bundespolizei vorsehen. Dort wird entweder unmittelbar ein erweitertes Waffenarsenal905 zugelassen oder zu diesem Zweck auf das Bundesrecht verwiesen.906 aa) Erweitertes Waffenarsenal So bestimmt beispielsweise § 58 Abs. 4 PolGNRW, dass als „Waffen Schlagstock und Distanzelektroimpulsgeräte sowie als Schusswaffen Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen [sind]“, während Abs. 5 für die Bundespolizei in bestimmten Fällen zur Unterstützung darüber hinaus auch „Maschinengewehre und Handgranaten“ erlaubt. Unabhängig von der Frage, ob die 902

Vgl. zu den wesentlichen Eigenschaften einer Schusswaffe supra G. II. 2. c) aa). Zur alten Dienstpistole (Walther „PP“) Scholzen, Kriminalistik 2000, 556 (557). 904 Übliche Pistolen im Kaliber 9 mm x 19 verschießen Geschosse mit ca. 490 Joule, Neitzel/Kollig, Taktische Medizin, S. 201. 905 So etwa in § 58 Abs. 5 PolG NRW. 906 So etwa in § 69 Abs. 5 NdsPOG. 903

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Mittel im erweiterten Zwangsmittelkatalog für die Polizei an sich zulässig sind,907 wirft eine derartige Regelung zumindest im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken auf. Es steht dem Gesetzgeber frei zu entscheiden, welcher Nutzerkreis bestimmte Zwangsmittel verwenden darf und welcher nicht.908 Einzelne Zwangsmittel allein der Bundespolizei zu erlauben, ist daher möglich. bb) Verweis auf (unzureichendes) Bundesrecht (1) Statischer Verweis Ebenfalls ist es grundsätzlich unbedenklich, wenn sich der Gesetzgeber zur Konkretisierung der polizeilichen Zwangsmittel durch statischen Verweis909 fremdes Recht zunutze macht, etwa wenn der Landesgesetzgeber auf das Bundesrecht verweist.910 Da der Inhalt des fremden Rechts zum Zeitpunkt des Verweises vollumfänglich fest steht, kann der Gesetzgeber frei entscheiden, ob er sich dieses zu Eigen machen will.911 Allerdings muss jene Regelung, auf die verwiesen wird, dem verfassungsrechtlich geforderten Regelungsmaßstab selbst hinreichend gerecht werden. Andernfalls könnte der Gesetzgeber sich seiner Pflicht, Wesentliches selbst zu regeln, entziehen. Das rechtliche Schicksal des Verweises richtet sich deswegen nach der Regelung, auf die verwiesen wird. Ist diese Regelung unzureichend, so ist es ebenso der Verweis.912 So liegt es etwa im Fall des § 69 Abs. 5 NdsPOG. Der niedersächsische Landesgesetzgeber konkretisiert mit dieser Vorschrift die zulässige Bewaffnung der Bundespolizei durch einen statischen Verweis auf die nach dem Bundesrecht „im Rechtstand vom 1. Juli 1982“ zulässigen Zwangsmittel, sofern diese in bestimmten Fällen auf dem Landesgebiet zur Unterstützung tätig wird. Da aber das damals geltende (bis heute unveränderte) Bundesrecht zu dieser Thematik mit § 2 Abs. 3, 4 UZwG die gesetzlich geforderte Regelungsdichte unterschritten hat,913 stellt sich dieser Verweis aufgrund einer Unvereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes als verfassungswidrig dar. 907

Zur Zulässigkeit einzelner Zwangsmittel supra D. Allerdings müssen die als zulässig erklärten Zwangsmittel selbst hinreichend bestimmt werden, vgl. dazu supra G. II. 2. c). Das ist weder in § 58 Abs. 4, 5 PolG NRW noch in § 69 Abs. 5 NdsPOG geschehen. 909 Ein statischer Verweis findet sich zum Beispiel in § 69 Abs. 5 NdsPOG. 910 Zur Zulässigkeit statischer Verweise allgemein Sommermann, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 290; Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 118; BVerfGE 26, 338 (365 ff.); 47, 285 (312 ff.); 78, 32 (35). 911 Vgl. BVerfGE 47, 285 (312 ff.). 912 Vgl. dazu etwa Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 290. 913 Zur Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 3, 4 UZwG supra G. II. 2. b) aa) (1). 908

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(2) Dynamischer Verweis Dagegen dürfen sich dynamische Verweise914 auf das Recht eines fremden Normgebers von vorne herein nicht auf wesentliche Fragen im Sinne der Wesentlichkeitstheorie erstrecken.915 Denn nur so lässt sich verhindern, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen einer „Blanko-Vollmacht“ seiner Rechtssetzungsmacht unzulässig weit entzieht.916 Der Gesetzgeber kann zudem kaum alle Gestaltungsmöglichkeiten des fremden Normgebers vorher absehen, sodass diese auch nicht von seinem Willen umfasst sein können.917 Erstreckt sich der Verweis dennoch auf wesentliche Aspekte einer Entscheidung, so ist er mit dem Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar und deswegen verfassungswidrig.918 Da die Regelung der polizeilichen Zwangsmittel in weiten Teilen wesentlich ist,919 stellen sich dynamische Verweise dort weitgehend als unzulässig dar. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich der dynamische Verweis zumindest auch auf Zwangsmittel bezieht, die zur Zulassung hinreichend formell-gesetzlich konkretisiert werden müssen, namentlich Schusswaffen oder Explosivmittel.920 Aufgrund der genannten Aspekte ist eine Regelung im Stil des § 55 Abs. 5 S. 1 HSOG921, die zur Konkretisierung sämtlicher Zwangsmittel dynamisch auf das Bundesrecht verweist, unzulässig. c) Spezialeinheiten Ferner bestimmt § 59 Abs. 4 S. 1 ThürPAG die zulässigen Waffen abschließend, enthält aber mit S. 3 eine Öffnungsklausel für Spezialeinheiten, für die das zuständige Ministerium „Ausnahmen“ zulassen kann.922 Wo solche Einheiten eingesetzt werden, soll also ein weniger strenger Regelungsmaßstab gelten. 914

Ein dynamischer Verweis findet sich zum Beispiel in § 55 Abs. 5 S. 1 HSOG. So Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 118. 916 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 118; Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 29; Ossenbühl, DVBl 1967, 401 (404); Arndt, JuS 1979, 784 (785 f.); VG Hamburg NJW 1979, 667 (668 f.). Zudem müssen vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots Inhalt und Reichweite des Verweises klar begrenzt sein, vgl. Sommermann a.a.O. 917 Vgl. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 290. 918 Dynamische Verweise werden vor allem dann als zulässig erachtet, wenn es um Entscheidungen geht, die nicht im grundrechtssensiblen Bereich verortet sind, vgl. dazu m.w. N. etwa Clemens, AöR 111 (1986), 63 (101 ff.); Schneider, Gesetzgebung, Rn. 398; BVerwG, BeckRS 2013, 54736 Rn. 37 ff. A. A. Dreier, in: Dreier, GG Kommentar, Art. 20 Rn. 119. 919 Zu Zwangsmitteln, die eine formell-gesetzliche Regelung zur Konkretisierung erfordern supra G. II. 2. c). Zu den Ausnahmen supra G. II. 2. b) aa) (3) (d). 920 Vgl. supra G. II. 2. c). 921 § 55 Abs. 5 S. 1 HSOG: „Wird die Bundespolizei im Lande Hessen zur Unterstützung der Polizeibehörden nach § 102 Abs. 3 in Verbindung mit § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 eingesetzt, so sind für die Bundespolizei auch die in Abs. 4 nicht genannten Waffen, die sie auf Grund Bundesrechts führen darf, zugelassen (besondere Waffen).“ 915

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Ein solches Rechtsverständnis ist aber abzulehnen. Zur Rechtfertigung einer solchen Aufweichung der verfassungsrechtlich geforderten Regelungsdichte kommen hier ausschließlich Aspekte einer effektiveren Gefahrenabwehr in Betracht. So lässt sich anführen, dass Polizeispezialeinheiten regelmäßig besonderen Gefahrenlagen begegnen, die eine gewisse Flexibilität beim Handeln erfordern können. Demnach müsste dazu der Exekutive möglicherweise ein erweiterter Handlungsspielraum eingeräumt werden. Allerdings hat sich bereits gezeigt923, dass diese Argumentation eine solche Abweichung von der geforderten Regelungsdichte nicht trägt. Die Konkretisierung der polizeilichen Zwangsmittel ist darüber hinaus auch in außergewöhnlichen Situationen und Gefährdungslagen nicht minder wesentlich. Ihre Bedeutung insbesondere für die Grundrechte und ggf. das Trennungsgebot wird durch das Vorliegen einer solchen Situation nicht geschmälert. Im Gegenteil, gerade Sondersituationen können den Einsatz problematischer und potenziell eingriffsintensiver Zwangsmittel erfordern. Es widerspräche dem Wesentlichkeitsgedanken, dürfte der parlamentarische Gesetzgeber gerade hinsichtlich solcher Situationen die Augen verschließen, in denen Verfassungsgrundsätze am stärksten gefährdet werden, insbesondere in denen regelmäßig am intensivsten in Grundrechte eingegriffen wird. Selbst in Situationen, die den Einsatz polizeilicher Spezialkräfte erfordern, kann deswegen kein andersartiger Maßstab gelten.924 Öffnungsklauseln, die für besondere Gefahrenlagen oder besondere Nutzer von der geforderten Regelungsdichte abweichen, sind daher mit dem Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar und folglich verfassungswidrig. d) Erprobung Schließlich existiert in Bayern noch ein weiterer Sonderweg. So können nach Art. 78 Abs. 4 S. 2 BayPAG Waffen, die bisher nicht in Abs. 4 S. 1 dieser Vorschrift aufgezählt sind, „auf Anordnung des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration zeitlich befristet als Einsatzmittel erprobt werden“. Weitere explizite Beschränkungen gelten nicht.925 Der bayerische Landesgesetzgeber geht

922 § 59 Abs. 4 ThürPAG: „Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen. Andere Waffen dürfen nur zugelassen werden, wenn sie eine geringere Wirkung als Schusswaffen haben. Für die Verwendung durch Spezialeinheiten kann das für die Polizei zuständige Ministerium Ausnahmen zulassen.“ 923 Zu dieser Argumentation supra G. II. 2. b) aa) (3). 924 In eine ähnliche Richtung unter Verweis auf verschiedene andere, mittlerweile aber teilweise weggefallene oder überholte einfachgesetzliche Notstandsermächtigungen, Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 174 Fn. 20 m.w. N. 925 Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG, Art. 78 Rn. 19 entnimmt der Regelung die ungeschriebene materielle Voraussetzung, dass ein verhältnismäßiger Einsatz des zu erprobenden Einsatzmittels nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

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hier offensichtlich davon aus, dass für den besonderen Fall der Erprobung neuer Einsatzmittel ein reduzierter Anforderungsmaßstab gilt. aa) „Durchaus praxisgerecht“? Die Literatur bewertet diese Regelung als „durchaus praxisgerecht“, insbesondere um neue, nicht-letale Zwangsmittel zu testen, ohne „dass es jedes Mal einer Gesetzesänderung“ bedürfe.926 Generell lässt sich in diese Richtung anführen, dass neue Zwangsmittel vor der endgültigen Beschaffung nun einmal tatsächlich erprobt werden müssen, was ebenso für eine flexible Regelung sprechen könnte.927 bb) Offener Wortlaut ermöglicht Erprobung sämtlicher Mittel Obwohl für den Nutzen solcher Öffnungsklauseln vor allem Entwicklungen im Bereich der nicht-letal wirkenden Zwangsmittel angeführt werden,928 lässt der weite Wortlaut die Erprobung sämtlicher Zwangsmittel zu. Es können also auch ggf. sehr schlagkräftige Mittel erprobt werden, deren Konkretisierung für sich genommen wesentlich ist und die daher eigentlich nur durch eine detaillierte, formell-gesetzliche Regelung zugelassen werden können.929 Der Umstand, dass ein bestimmtes Zwangsmittel nur temporär bis zur endgültigen Klärung seiner Eignung für den Polizeidienst eingesetzt werden soll, ändert an dieser Zulassungspflicht des Gesetzgebers zunächst aber nichts. cc) Notwendigkeit zur effektiven Gefahrenabwehr? (1) Unklarer Erprobungszweck Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn sich die Möglichkeit einer vorherigen Erprobung bestimmter Zwangsmittel allein auf Anordnung der Exekutive als überragend wichtige Notwendigkeit zur Gewährleistung einer effektiven Gefahrenabwehr darstellt, sodass ausnahmsweise von den bestehenden Anforderungen an die gesetzgeberische Regelungsdichte abgewichen werden könnte.930 926 So Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 78 Rn. 46. In diese Richtung außerdem Berner/Köhler/Käß, BayPAG, Art. 61 Rn. 12; Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 78 Rn. 15. 927 Vgl. Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner, PAG Art. 78 Rn. 16. 928 Vgl. die supra in Fn. 926 genannten Quellen. 929 Mit Beispielen supra G. II. 2. c). 930 Zur ähnlichen Argumentation supra G. II. 2. b) aa) (3). Der bayerische Gesetzgeber zum Beispiel erachtet eine solche Öffnungsklausel als „unerlässlich“, Berner/Köhler/ Käß, BayPAG, Art. 61 Rn. 12. In eine ähnliche Richtung allgemein Grzeszick, nach dem die Erforderlichkeit einer flexiblen Regelungen bereits gegen die Wesentlichkeit einer Entscheidung sprechen kann, vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art. 20 VI Rn. 107.

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Dazu ist allerdings nicht vollkommen klar, welchen Zweck die Erprobungsklausel eigentlich erfüllen soll. Geht es etwa darum herauszufinden, ob sich ein hinsichtlich seiner Wirkweise bereits bekanntes Zwangsmittel auch sinnvoll bei der Polizei einsetzen lässt? Oder geht es darum, die bis dahin nur theoretisch bekannte Wirkweise eines völlig neuartigen Zwangsmittels zu erproben, für das noch keinerlei praktische Einsatzerfahrungen existieren? (2) Bekannte Wirkweise Ist die Wirkweise eines Zwangsmittels bereits hinreichend bekannt (zum Beispiel, wenn es wie im Fall des H&K G36 schon durch die Bundeswehr erprobt wurde) und ist insbesondere klar, wie es sich beim Einsatz gegen Menschen verhält, so ist nicht ersichtlich, warum der parlamentarische Gesetzgeber zur Erprobung bei der Polizei ausgelassen werden müsste.931 Dass es zum Einsatz eines bestimmten Zwangsmittels im Einzelfall einer Gesetzesänderung bedarf, ist gerade Sinn und Zweck des Gesetzesvorbehalts, sodass die obige, auf eine zeitliche Ersparnis ausgerichtete Argumentation932 zur „praxisgerechten“ Vermeidung dieser Notwendigkeit nicht überzeugt. (3) Unbekannte Wirkweise Ebenso stellt sich das Abweichen von der geforderten Regelungsdichte nicht als zwingend dar, wenn die Auswirkungen eines neuartigen Zwangsmittels gegen den Bürger in der Praxis noch unbekannt sind. So ist zwar nachvollziehbar, dass ggf. völlig neue Zwangsmittel erprobt werden müssen. Allerdings ist auch hier nicht erkennbar, warum dazu der parlamentarische Gesetzgeber ausgeklammert werden müsste. Im Gegenteil, die weitgehend unbekannten Auswirkungen insbesondere beim Einsatz gegen Menschen sprechen vor allem aufgrund ihrer ungeklärten Grundrechtsrelevanz vielmehr dafür, dass gerade in diesem Fall der Ablauf eines Erprobungsverfahrens auf formell-gesetzlicher Grundlage beruhen muss, welche die Eigenschaften und den Einsatzrahmen des zu erprobenden Einsatzmittels möglichst genau festlegen. Andernfalls obläge es allein der Exekutive selbst schlagkräftigste Waffensysteme gegen den Bürger zu erproben, was dem Wesentlichkeitsgedanken diametral widerspricht. Eine Öffnungsklausel im Stil des Art. 78 Abs. 4 S. 2 BayPAG ist deswegen mit dem Vorbehalt des Gesetzes insgesamt nicht zu vereinbaren und folglich verfassungswidrig. 931 Nach Buggisch wäre in einem solchen Fall die gesamte Erprobung ohnehin einzustellen: „haben sich die getesteten Waffen bereits vor Ablauf der Frist bewährt (bzw. offensichtlich nicht bewährt), muss die Erprobung [. . .] beendet werden, da dann nicht mehr von einer Erprobung gesprochen werden kann“, vgl. Buggisch, in: BeckOK PolR Bayern, PAG, Art. 78 Rn. 46. 932 Richtigerweise muss also der Gesetzgeber selbst tätig werden. Zur a. A. supra G. II. 3. d) aa).

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4. Zwischenergebnis Der parlamentarische Gesetzgeber darf die Bestimmung der zulässigen polizeilichen Zwangsmittel nicht vollständig an die Exekutive delegieren. Aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgt, dass er die Zwangsmittel, für die eine Regelung wesentlich ist, mitsamt prägender Eigenschaften selbst vorgeben muss. Von der Wesentlichkeit der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Zwangsmittels ist insbesondere auszugehen, wenn die Grundrechtsrelevanz und/oder eine mögliche Berührung des Trennungsgebots maßgeblich davon abhängen. Die in Anbetracht der verschiedenen zu konkretisierenden Zwangsmittel als wesentlich anzusehenden Eigenschaften müssen von Fall zu Fall bestimmt werden und lassen sich nicht verallgemeinern. Für die Regelung der zulässigen Schusswaffen ist die Bestimmung von Waffenart, Geschossart, Kaliber und Lademechanismus wesentlich, sodass diesbezüglich eine formell-gesetzliche Regelung notwendig ist und nur eine darüber hinausgehende Konkretisierung an die Exekutive delegiert werden darf. Hinsichtlich der zulässigen Explosivmittel muss für den Einsatz gegen Menschen formell-gesetzlich zum einen sichergestellt werden, dass sie kein erhebliches Vernichtungspotential entwickeln, das sich nicht beherrschen lässt und zum anderen, das Beteiligten und Unbeteiligten im Wirkradius kein unnötiges Leid zugefügt wird. Für die zulässigen Dienstfahrzeuge muss der Gesetzgeber Varianten in Hinblick auf Panzerungs- und Bewaffnungsmöglichkeiten so konkretisieren, dass eine Verletzung des Trennungsgebots ausgeschlossen ist. Schließlich muss im Hinblick auf zulässige Distanz-Elektroimpulsgeräte die Stromstärke, Spannung und Dauer der Stromzuführung vorbestimmt werden. Hinsichtlich der Zulässigkeit vereinzelter Öffnungsklauseln, die die geforderte Regelungsdichte auflockern, muss unterschieden werden. Eine mit dem Vorbehalt des Gesetzes konforme „geringere Wirkung als“-Öffnungsklausel muss zum einen das Bezugsobjekt klar umschreiben und zum anderen so formuliert sein, dass der Handlungsrahmen der Exekutive dahingehend beschränkt ist, dass er keine wesentlichen Entscheidungen mehr umfasst. Öffnungsklauseln, die bestimmte Zwangsmittel ausschließlich für besondere Situationen oder für besondere Nutzerkreise erlauben, sind unbedenklich. Ebenso ist es unbedenklich, wenn der Gesetzgeber zur Konkretisierung zulässiger Zwangsmittel statisch auf fremdes Recht verweist. Allerdings muss jene Regelung, auf die verwiesen wird, dem verfassungsrechtlich geforderten Regelungsmaßstab selbst hinreichend gerecht werden. Dynamische Verweise sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie sich (auch) auf wesentliche Entscheidungen über polizeiliche Zwangsmittel beziehen. Öffnungsklauseln, die die gesetzlich geforderte Regelungsdichte für besondere Nutzerkreise (etwa für Spezialeinheiten) aufweichen, sind unzulässig, da Argu-

III. Gesetzessystematik de lege ferenda?

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mente einer effektiveren Gefahrenabwehr den Ausschluss des parlamentarischen Gesetzgebers hier nicht rechtfertigen. Obwohl die Literatur solche Öffnungsklauseln als „praxisgerecht“ bewertet, welche die Zulassung von Zwangsmitteln durch alleinige Anordnung der Exekutive zur Erprobung ermöglichen, sind sie mit dem Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar. Der Erprobungszweck rechtfertigt das Ausklammern des parlamentarischen Gesetzgebers nicht. Aktuell wird keine bundes- oder landesrechtliche Regelung, welche zur Bestimmung der polizeilichen Zwangsmittel ergangen ist, den verfassungsrechtlichen Anforderungen vollends gerecht, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben.

III. Gesetzessystematik de lege ferenda? 1. Neues MEPolG gegen den Terror in Planung Die Innenministerkonferenz hat im Juni 2017 beschlossen, ein neues MEPolG ausarbeiten zu lassen, welches das frühere, mittlerweile seit über 30 Jahren nicht aktualisierte ersetzen soll.933 Es dürfte vor allem gesetzgeberische Handlungsempfehlungen im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus beinhalten.934 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass zu diesem Zweck auch eine für die Länder einheitliche Polizeiausrüstung vorgeschlagen wird.935 Es wäre die passende Gelegenheit, die Kritik an der Regelungstechnik936 zur Zulassung polizeilicher Zwangsmittel in einem Mustergesetz mit erheblicher Signalwirkung auszuräumen. Da zur Terrorabwehr angesichts der länderübergreifenden Entwicklungen der zunehmende Einsatz von Sturmgewehren im Mittelpunkt steht,937 soll zur Regelung zulässiger Schusswaffen für den Dienstgebrauch ein Reformvorschlag zur potentiellen Beachtung im neuen MEPolG präsentiert werden:938 933 Vgl. Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 206. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder v. 16.06.2017, S. 43. Mehr Hintergrundwissen ist zu finden bei Esposito, ZRP 2017, 129 (129). 934 Näher Esposito, ZRP 2017, 129 (129). 935 Esposito befürchtet darüber hinaus eine weitergehende Verschärfung der im kommenden MEPolG beinhalteten Regelungen, welche sich nicht nur auf das zur Terrorabwehr Notwendige beschränken könnten, vgl. Esposito, ZRP 2017, 129 (129). 936 Zur Kritik supra G. II. 937 Zu den Beschaffungsplänen supra A. II. 1. 938 Zur Terrorabwehr sollen abseits von Sturmgewehren noch weitere charakteristisch-militärische Zwangsmittel eingesetzt werden. Ein umfassender Reformvorschlag zur Regelung sämtlicher denkbaren Mittel soll hier aber nicht erfolgen. Da jedoch die Ausrüstung der Polizei mit Sturm-/Maschinengewehren im überwiegenden Mittelpunkt der aktuellen Militarisierungsbestrebungen steht, erscheint ein diesbezüglicher Vorschlag zur Verbesserung unerlässlich.

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G. Regelungstechnik für die Ausrüstung mit besonderen Zwangsmitteln

2. Reformvorschlag zur Regelung polizeilicher Schusswaffen § 1 Allgemein zulässige Schusswaffen (1) Zum Einsatz gegen Personen sind dienstlich zugelassene Schusswaffen Pistolen und Maschinenpistolen.939 (2) Nach Abs. 1 zulässige Schusswaffen sind ausschließlich mit Munition im Kaliber 9 mm x 19 zu verwenden.940 Maschinenpistolen alternativ mit Munition im Kaliber 4,6 mm x 30.941 (3) Die zulässigen Geschossarten umfassen Vollmantel- und Deformationsgeschosse.942 Diese Geschosse dürfen keine Splitter bilden.943 Das Verschießen von Deformationsgeschossen auf Personen ist nur dann erlaubt, wenn die dadurch gesteigerte Gefährdung der anvisierten Person nicht zu vermeiden ist, insbesondere wenn die Verwendung anderer Geschossarten mit einer unvertretbaren Umfeldgefährdung verbunden wäre.944 (4) Zulässige Schusswaffen dürfen konstruktionsbedingt nur zur Abgabe von Einzelschüssen in der Lage sein.945 (5) Schusswaffen nach § 1 Abs. 1 und § 2 dürfen nicht auf gepanzerten Dienstfahrzeugen montiert werden.946 § 2 Spezialeinheiten (1) Zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit einer

939 Das Trennungsgebot und die Grundrechte stehen der Verwendung von Pistolen und Maschinenpistolen bei der Polizei nicht entgegen (dazu supra D. II.). 940 Das Kaliber 9 mm x 19 ist das bisher gängige Standardkaliber für die deutsche Polizeibewaffnung, dessen Auswirkungen hinreichend bekannt sind. 941 Damit wird die Nutzung der neuen Maschinenpistole H&K MP7 für die Polizei ermöglicht, welche insbesondere gegen „hochgerüstete“ Täter sinnvoll sein kann, jedoch ohne diese übermäßig zu gefährden, vgl. dazu supra D. II. 942 Orientiert an § 4 Abs. 2 Verordnung über Art, Wirkungsweise, Zweckbestimmung der polizeilichen Waffen und Munition Bremen, welche aufgrund von § 41 Abs. 4 S. 2 BremPolG erlassen wurde. 943 Pfister/Kneubuehl, Kriminalistik 05/2001, 359 (363): „Die Restmasse des Geschosses muss gleich oder größer als 98 Prozent der Nominalmasse sein. (Das Geschoss darf keine Splitter bilden.) [. . .] Nur Geschosse, welche diese Anforderungen erfüllen, können grundsätzlich für die polizeiliche Verwendung zugelassen werden.“ 944 Zur Umsetzung der supra B. II. 1.–2. herausgestellten Anforderungen. 945 Zur Umsetzung der supra B. I. 2. c) bb); B. II. 1. b) cc) und B. II. 2. b) bb) herausgestellten Anforderungen; orientiert an § 4 Abs. 1 Verordnung über Art, Wirkungsweise, Zweckbestimmung der polizeilichen Waffen und Munition Bremen. 946 Zur Umsetzung der supra unter B. I. 2. c) cc) und D. V. 2. c) herausgestellten Anforderungen.

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Person dürfen Spezialeinheiten unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 4 auch auf Gewehre im Kaliber 5,56 mm x 45 zurückgreifen, wenn die Nutzung anderer Zwangsmittel keinen hinreichenden Erfolg verspricht und die Gefahr auch sonst nicht auf andere Art und Weise abgewehrt werden kann.947 (2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 dürfen außerdem Präzisionsgewehre mit Munition im Kaliber .338 Lapua Magnum und 7,62 mm x 51 verwendet werden, sofern das im Einzelfall erforderlich ist.948 (3) Gewehre nach Abs. 1 und 2 dürfen nur mit Zustimmung des Innenministers (-senators) oder eines von ihm Beauftragten zur Abwehr einer bestimmten Gefahr ausgegeben und verwendet werden.949 § 3 Deeskalationsgebot (1) Maschinenpistolen dürfen nur dann offen wahrnehmbar geführt werden, wenn sich zumindest im Rahmen einer Gefahrenprognose bereits ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen abgezeichnet hat, das in einer konkreten Gefahr für die Sicherheit und Ordnung münden könnte und aus welchem gefolgert werden kann, dass ein Schusswaffeneinsatz nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtlich ausgeschlossen ist.950 (2) Gewehre im Sinne des § 2 dürfen nur dann offen wahrnehmbar geführt werden, wenn eine konkrete Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut vorliegt und ein Einsatz dieser Mittel nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtlich ausgeschlossen ist.951

947 Zur Umsetzung der supra B. I. 2. c); B. II. 1. und D. I. 4.–5. herausgestellten Anforderungen. Hiermit wird der Forderung nach Sturm/-Maschinengewehren für die Polizei nachgegeben, aber bewusst von sehr hohen Voraussetzungen abhängig gemacht, welche sich aufgrund der erheblichen Todesgefahr für die anvisierte Person an den Regelungen zum finalen Rettungsschuss orientieren müssen, vgl. § 64 Abs. 2 S. 2 ThürPAG, § 60 Abs. 2 S. 2 HSOG und Art. 83 Abs. 2 S. 2 BayPAG. Der Spezialeinheitenvorbehalt orientiert sich an § 59 Abs. 4 S. 2 ThürPAG. Das Kaliber 5,56 mm x 45 ermöglicht die Verwendung gängiger Sturmgewehre wie des H&K G36. 948 Abs. 2 soll die Verwendung diverser Hochleistungspräzisionsgewehre wie dem PGM Précision 338 (Kaliber .338 Lapua Magnum) oder dem H&K G29 (Kaliber 7,62 mm x 51) ermöglichen. Zur Zulässigkeit dieser Waffen supra D. III. Zu Funktion und Wirkweise etwa Weisswange, Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr, S. 132 ff. 949 Orientiert an § 44 MEPolG. 950 Zur Umsetzung der supra B. II. 3. herausgestellten Anforderungen, nach denen ein Einsatz von Maschinenpistolen aufgrund ihres Einschüchterungspotentials in der Regel nicht vollkommen anlasslos erfolgen darf (dazu supra B. II. 3. d) bb)). 951 Zur Umsetzung der supra B. II. 3. und D. I. 4.–5. herausgestellten Anforderungen, die einem Einsatz von Sturm-/Maschinengewehren im Gefahrenvorfeld entgegenstehen. Vgl. dazu außerdem supra F. III.

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G. Regelungstechnik für die Ausrüstung mit besonderen Zwangsmitteln

§ 4 Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch [Hinsichtlich des Einsatzes von Schusswaffen wie §§ 41, 42 MEPolG,952 die unmittelbar folgend im Anhang abgedruckt sind. Lediglich § 41 Abs. 4 S. 2 MEPolG soll nicht übernommen werden, da diese Regelung eine unzulässige953 Gefährdung Unbeteiligter zur Folge haben kann.954]

952 §§ 41–42 MEPolG beinhalten weitere elementare Voraussetzungen, welche für den Schusswaffengebrauch allgemein beachtet werden müssen. 953 Zur Verfassungswidrigkeit der erheblichen Gefährdung unbeteiligter Menschen supra B. II. 1. b) bb) (1); B. II. 2. b) bb). 954 Der betroffene Teil ist dort gekennzeichnet.

Anhang Auszug aus dem MEPolG, ohne Anmerkungen entnommen bei Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978, S. 120 ff.: § 41 Allgemeine Vorschriften für den Schußwaffengebrauch (1) Schußwaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet sind oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Schußwaffengebrauch gegen Sachen erreicht werden kann. (2) Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um angriffsoder fluchtunfähig zu machen. Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist. (3) Gegen Personen, die dem äußeren Eindruck nach noch nicht 14 Jahre alt sind, dürfen Schußwaffen nicht gebraucht werden. Das gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist. (4) Der Schußwaffengebrauch ist unzulässig, wenn für den Polizeibeamten erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. [Das gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.]955 § 42 Schußwaffengebrauch gegen Personen (1) Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden 1. um eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren, 2. um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung eines Verbrechens oder eines Vergehens unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Explosivmitteln zu verhindern, 3. um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie 955 Gestrichen durch den Verf., da § 41 Abs. 4 S. 2 MEPolG nicht zur Übernahme in das kommende MEPolG vorgeschlagen wird.

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Anhang

a) eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder b) eines Vergehens dringend verdächtig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Explosivmittel mit sich führt. 4. zur Vereitelung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, die in amtlichem Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist a) auf Grund richterlicher Entscheidung wegen eines Verbrechens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder b) auf Grund richterlicher Entscheidung wegen eines Vergehens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Vergehens, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Explosivmittel mit sich führt, 5. um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichen Gewahrsam zu verhindern. (2) Schußwaffen dürfen nach Absatz 1 Nr. 4 nicht gebraucht werden, wenn es sich um den Vollzug eines Jugendarrestes oder eines Strafarrestes handelt oder wenn die Flucht aus einer offenen Anstalt verhindert werden soll.

Zusammenfassung A. Als Reaktion auf diverse Terroranschläge im Jahr 2015 wurde die größte polizeiliche Aufrüstungswelle seit den 1970ern initiiert. Verschiedene Reformbestrebungen umfassen insbesondere die Ausstattung der Polizei mit Maschinengewehren, Sprengmitteln, gepanzerten und bewaffneten Einsatzfahrzeugen, die Bildung neuer paramilitärisch anmutender Sondereinheiten sowie eine Verschärfung der Polizeigesetze. All diese unter dem Begriff der Militarisierung zu fassenden Entwicklungen sollen ein möglichst effektives Vorgehen gegen neuartige Tätertypen ermöglichen, werden aber gleichzeitig durch die Gefahr einer verfassungsrechtlich unzulässigen Annäherung der Polizei an die Streitkräfte begleitet. B.I.1. Die Sicherheitsverfassung differenziert und trennt Streitkräfte und Polizei so konsequent, dass zu Recht von einem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot gesprochen werden kann, welches den oben genannten Entwicklungen im Einzelfall entgegensteht. Dafür spricht, dass Art. 87a Abs. 1 GG den Streitkräften exklusiv die besondere verfassungsrechtliche Stellung „zur Verteidigung“ und somit die Befugnis zur äußeren Gefahrenabwehr zuweist, welche ihre militärische Ausgestaltung erfordert und rechtfertigt. Ein völkerrechtlich modifizierter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ermöglicht dazu nur den Streitkräften den Einsatz bestimmter Zwangsmittel. Die Polizei, die für die allgemeine innerstaatliche Gefahrenabwehr zuständig ist, darf mangels vergleichbarer verfassungsrechtlicher Stellung nicht mit der Abwehr militärischer Gefahren beauftragt oder durch ihre Ausgestaltung dazu befähigt werden. Die Entfesselung militärischen Potentials steht zudem nach Art. 87a Abs. 2 GG unter einem strikten Verfassungsvorbehalt. Aus Art. 35 Abs. 2, 3 GG und Art. 87a Abs. 3, 4 GG lässt sich entnehmen, dass die Streitkräfte nur subsidiär zur Gewährleistung der nicht-militärischen Gefahrenabwehr zum Einsatz kommen dürfen. Diese Einsatzgrundlagen lassen einen Einsatz der Streitkräfte nur als ultima ratio zu. Hier verdeutlicht sich, dass es sich bei den Streitkräften um die mächtigsten bewaffneten Kräfte im Staat handelt. Eine paramilitärisch ausgestaltete Polizei droht, diese Wertungen zu unterlaufen. Die Trennung von Polizei und Streitkräften ergibt sich darüber hinaus aus der verfassungsrechtlichen Befehls- und Kommandostruktur und ist letztlich auch eine Forderung, die sich mit rechts- und bundesstaatlicher Argumentation untermauern lässt. Schließlich wurde das Trennungsgebot bewusst im Grundgesetz verankert, um die erneute Bildung übermächtiger bewaffneter Sicherheitskräfte im Staat zu verhindern, von denen eine permanente Missbrauchsgefahr ausginge. Das Tren-

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nungsgebot steht damit als Ergebnis der geschichtlichen und rechtlichen Verarbeitung der Erfahrungen aus der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus. Alliiertes Besatzungsrecht lässt sich dafür, obwohl es in diesem Zusammenhang oft zitiert wird, nicht überzeugend heranziehen. B.I.2. Das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften setzt der zulässigen Ausgestaltung der Polizei Grenzen. In Abgrenzung zu den Streitkräften darf die Polizei deswegen insgesamt oder in Teilen nur zu einem gewissen Grad paramilitärische Züge annehmen, ohne ihr polizeiliches Gepräge einzubüßen. Zur genauen Bestimmung des paramilitärischen Charakters muss auf eine Reihe von, die militärische Wesensart besonders prägenden, materiellen Kriterien abgestellt werden. Diese Kriterien umfassen im Hinblick auf die mögliche Ausgestaltung der Polizei insbesondere die Aspekte der spezifischen Aufgabenzuweisung, der charakteristisch-militärischen Bewaffnung und sonstigen Ausrüstung, der Personalauswahl und Ausbildung, des Führungsprinzips Befehl und Gehorsam, des Erscheinungsbilds sowie der Verleihung des Kombattantenstatus. Ein Verlust des polizeilichen Gepräges und damit verbunden ein unzulässiger paramilitärischer Charakter ist in zweierlei Hinsicht denkbar. Zum einen können bereits einzelne der dargelegten Aspekte in unzulässiger Weise ausgeprägt sein. Zum anderen kann ein unzulässiger paramilitärischer Charakter der Polizei auch erst bei kombinierter Betrachtung und Bewertung mehrerer solcher Aspekte anzunehmen sein. Es muss deswegen immer eine Betrachtung im Einzelfall unter Einbeziehung aller einflussgebenden Faktoren erfolgen. B.II.1. Auch die Grundrechte setzen der Militarisierung der Polizei Grenzen. So ist der Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel regelmäßig mit besonders intensiven Eingriffen in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verbunden, da mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit schlimmste Verletzungen bis hin zum Tod des Störers die Folge sein können. Trotzdem ist ein verfassungskonformer Einsatz solcher Mittel nicht schlechthin ausgeschlossen. Die verbundenen Eingriffe lassen sich jedoch nur ausnahmsweise rechtfertigen. Wann immer beim Einsatz eines solchen Mittels aufgrund seines Vernichtungspotentials eher mit dem Tod des Ziels als mit seinem Überleben zu rechnen ist, müssen diejenigen verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt sein, welche für den finalen Rettungsschuss gelten. Der Zwangsmitteleinsatz muss dann das einzige Mittel darstellen, welches geeignet ist, eine gegenwärtige Lebensgefahr oder eine gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit einer Person abzuwehren. Außerdem dürfen Unbeteiligte nicht übermäßig gefährdet werden. Schließlich müssen polizeiliche Zwangsmittel in der Lage sein, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu jedem Zeitpunkt ihrer Anwendung zu gewährleisten. B.II.2. Aus der unbedingten Gewährleistungspflicht der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) lässt sich zudem folgern, dass die Polizei nicht mit Zwangs-

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mitteln ausgerüstet werden darf, die beim Einsatz den Wert- und Achtungsanspruch eines Menschen infrage stellen. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere Explosivmittel zum Einsatz gegen Personen, die aufgrund ihrer spezifischen Wirkweise zwangsweise Unbeteiligte erheblich gefährden, namentlich etwa Spreng-/Splittergranaten und ähnlich wirkende Sprenggeschosse, deswegen bei der Polizei nicht verwendet werden dürfen. B.II.3. Darüber hinaus kann der Einsatz einer militarisierten Polizei mit ambivalenten Auswirkungen auf die Bevölkerung verbunden sein. Während eine massive Polizeipräsenz auf der einen Seite geeignet ist, das Sicherheitsgefühl vieler Bürger zu steigern, können sich auf der anderen Seite manche Bürger geradezu verängstigt, eingeschüchtert oder bedroht fühlen. Zur Klärung der Frage, wann eine einschüchternde Maßnahme der Polizei mit einem Eingriff in die Grundrechte verbunden ist, kann nur ein objektivierter Maßstab herangezogen werden. Hier muss unter Beachtung von Art und Umfang der für den Bürger wahrnehmbaren Polizeipräsenz eine Gesamtwürdigung der Umstände im Einzelfall zur Beantwortung der Frage vorgenommen werden, ob sich ein Durchschnittsbürger an der Wahrnehmung seiner Grundrechte gehindert fühlen könnte. Für diese Gesamtwürdigung fällt der wahrnehmbare polizeiliche Eskalationsgrad besonders ins Gewicht, welcher sich maßgeblich nach den gewählten Einsatzmitteln (Ausrüstung, Bewaffnung etc.) und dem Vorgehen im Einzelfall bestimmt. Der Einsatz charakteristisch-militärischer Mittel fällt regelmäßig deutlich zugunsten der Annahme eines Eingriffs ins Gewicht. Die tatsächliche Funktionsfähigkeit der gewählten Einsatzmittel oder der Wille zu ihrem Einsatz ist für diese Abwägung allerdings in der Regel irrelevant. Einschüchternde polizeiliche Maßnahmen mit Eingriffsrelevanz lassen sich grundsätzlich unter Beachtung der spezifischen Anforderungen des jeweiligen betroffenen Grundrechts rechtfertigen. Sollten diese zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erfolgen, können sie auf die üblichen polizeilichen Generalklauseln gestützt werden. Je intensiver die objektiv einschüchternde Wirkung, welche zu einem Eingriff führt, desto höher stellen sich die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu stellenden Anforderungen dar. Im Gefahrenvorfeld können einschüchternde Maßnahmen nicht auf polizeiliche Generalklauseln gestützt werden, die tatbestandlich eine konkrete Gefahr erfordern. Darüber kann die Rechtsfigur des Gefahrenverdachts nicht hinweghelfen. C. Zum Teil werden verfassungsrechtliche Argumente auch für die Aufrüstung der Polizei angeführt. Aus Artt. 2 Abs. 2 S. 1, 34 Abs. 4 GG folgt gegenüber den Polizeibeamten jedoch kein verfassungsrechtliches Gebot zur Militarisierung der Polizei. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die aktuelle Ausrüstung sowohl der Bundespolizei als auch der Landespolizeien im Rahmen des staatlichen Ermessens bewegen. Soll aus staatlicher Sicht trotzdem eine Aufrüstung der Poli-

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zei erfolgen, ohne dass eine Pflicht dazu bestünde, darf die potentielle staatliche Schutzmaßnahme nicht unzulässig zulasten der Grundrechte Dritter oder anderer Verfassungsprinzipien wie dem Trennungsgebot unternommen werden. Es kann deswegen nicht grenzenlos für „Waffengleichheit“ mit hochgerüsteten Tätertypen gesorgt werden. Richtig ist jedoch, dass zur polizeilichen Aufgabenerfüllung das verfassungsrechtliche Prinzip der effektiven Gefahrenabwehr beachtet werden muss. Trotz seiner gewichtigen Bedeutung für die staatliche Selbstrechtfertigung steht es aber nicht zwangsweise über anderen Verfassungsprinzipien, sondern ist im Vergleich zu diesen grundsätzlich als gleichrangig zu bewerten. Effektive Gefahrenabwehr kann deswegen nur unter Beachtung und in Abwägung mit den weiteren Verfassungsprinzipien gewährleistet werden. Ebenso muss der mehrdimensionale Charakter des staatlichen Gefahrenabwehrauftrags beachtet werden, sodass der Staat die Bevölkerung zwar vor Gefahren schützen muss, dabei allerdings nicht selbst zur unvertretbaren Gefahr für Unbeteiligte und Beteiligte erwachsen darf. In Einzelfällen erscheint es aber möglich und geboten, dass entgegenstehende Verfassungswertungen, zu denen auch das Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften gehören kann, zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr zurücktreten. D. Nicht jedes Mittel ist zur Umsetzung unmittelbaren Zwangs für die Polizei zulässig. Im Einzelfall können verfassungsrechtliche Wertungen wie die Grundrechte oder das Trennungsgebot entgegenstehen. Mitunter können allerdings mit Aspekten der effektiven Gefahrenabwehr Abweichungen gerechtfertigt werden. So hat sich gezeigt, dass Sturmgewehre des Typs H&K G36 im Kaliber 5,56 mm x 45 trotz entgegenstehendem Trennungsgebot für die Polizei beschafft werden dürfen, um Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr zu vermeiden. Damit dadurch aber Wertungen des Art. 87a GG nicht leerlaufen, darf ein Einsatz solcher Zwangsmittel nur als ultima ratio erfolgen, wenn bisher polizeiübliche Zwangsmittel zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Rechtsgüter mit überragender Bedeutung nicht ausreichen. Weiterhin dürfen solche Sturmgewehre quantitativ nur eng begrenzt an die Polizei ausgegeben werden und müssen überdies technisch modifiziert werden, sodass kein Dauerfeuer ermöglicht wird. Diese Vorgaben gelten entsprechend für die Sturmgewehre des Typs Sig Sauer MCX, H&K 416/G38 und FN SCAR-L. Maschinenpistolen der Typen H&K MP5 und MP7 lassen sich in grundrechtskonformer Art und Weise einsetzen und verstoßen überdies nicht gegen das Trennungsgebot. Sie dürfen folglich für die Polizei beschafft werden. Hochleistungspräzisionsgewehre wie das PGM Précision 338 weisen zwar auf der einen Seite ein sehr ausgeprägtes Vernichtungspotential auf, sind auf der anderen Seite unter gewissen Umständen trotzdem sehr gut kontrollierbar und beherrschbar, sodass das Trennungsgebot nicht eindeutig für die Unzulässigkeit spricht. Es handelt sich um außergewöhnliche Präzisionswerkzeuge, die im Ein-

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zelfall notwendig sein können, um den finalen Rettungsschuss im polizeilichen Anwendungsfeld unter Gewährleistung der geltenden rechtlichen Anforderungen überhaupt erst zu ermöglichen. Deswegen und überdies aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr können diese Mittel nicht exklusiv den Streitkräften vorbehalten sein und dürfen daher trotz ihrer eigentümlichen Sonderstellung für die Polizei beschafft werden. Explosivmittel mit erheblichem Vernichtungspotential zum Einsatz gegen Menschen sind unzulässig. Obwohl sich mit Granatwerfern verbotene Munition verschießen lässt, wurden sie als Mehrzweckplattform in der Praxis bisher ausschließlich für andere Zwecke genutzt, die nicht der Vernichtung eines Menschen dienlich sind und für die es im polizeilichen Anwendungsbereich auch ein tatsächliches Bedürfnis gibt. Granatwerfer sind deswegen trotz ihres Missbrauchspotentials für die Polizei zulässig. Hinsichtlich gepanzerter Einsatzfahrzeuge muss nach der Ausstattung differenziert werden. Unbewaffnete Varianten stellen sich in der Regel als unproblematisch dar. Ebenso verhält es sich bei Modellen mit Wasser-, Nebel-, Rauch- oder Reizgaswerfern. Mit dem Trennungsgebot unvereinbar ist dagegen die Ausrüstung der Polizei mit gepanzerten Einsatzfahrzeugen, welche eine letal wirkende Bordbewaffnung aufweisen – etwa in Form von Maschinengewehren, Panzerkanonen oder Raketenwerfern. Eine solche Ausrüstung stellt das verfassungsrechtlich intendierte Machtgefälle zwischen Polizei und Streitkräften über Gebühr infrage und ist deswegen unzulässig. E. Der Prozess der polizeilichen Militarisierung wird beispielhaft durch die neu gebildete Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus der Bundespolizei verkörpert. Ihre paramilitärischen Wesenszüge sind insgesamt so stark ausgeprägt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Trennungsgebots verbunden ist. Der Rückgriff der BFE+ auf absolut unzulässige charakteristisch-militärische Bewaffnung und eine mit dem Trennungsgebot unvereinbare Einsatzpraxis lassen sich nicht durch Aspekte der effektiven Gefahrenabwehr rechtfertigen und sind deswegen verfassungswidrig. Im Hinblick auf die Bewaffnung wirft die Spezialeinheit des Bundes GSG 9 ähnliche Bedenken auf. Aufgrund der geltenden Geheimhaltungspraxis lässt sich aber keine belastbare rechtliche Bewertung vornehmen. Militarisierungsprozesse sind darüber hinaus auch bei den Landespolizeien festzustellen. Zur Bewertung ihrer Zulässigkeit ist aber immer eine Betrachtung im Einzelfall unerlässlich, sodass sich keine allgemeingültigen Aussagen festhalten lassen. F. Die rechtlichen Anforderungen, die beim Einsatz charakteristisch-militärischer Zwangsmittel zu beachten sind, führen zu einer erheblichen Verkomplizierung der polizeilichen Gefahrenabwehr. Diese Mittel erfordern regelmäßig eine

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äußerst schwierige rechtliche Einschätzung des Verwenders zu den Fragen, ob und wie ein Einsatz überhaupt gerechtfertigt ist. Fehlentscheidungen oder Entscheidungsverzögerungen können hier mit drastischen Konsequenzen verbunden sein. Das kann so weit gehen, dass die Fähigkeit der Polizei zur Gefahrenabwehr im Einzelfall vermindert oder gar ausgeschlossen wird. Der Prozess der polizeilichen Militarisierung begünstigt zudem sog. Spillover-Effekte. Insbesondere starker Stress unter Einsatzbedingungen und die Versuchung eine Gefahr möglichst effektiv aufzulösen können dazu führen, dass überzogene Ausrüstung ohne Vorliegen der rechtlichen Anforderungen missbräuchlich eingesetzt wird. Die Entscheidung zur Militarisierung der Polizei verbleibt im Rahmen des Übermaßverbots dennoch Sache des Gesetzgebers. Treibt er diesen Prozess trotz der drohenden Nachteile voran, sollte er ausgleichende rechtliche und tatsächliche Maßnahmen treffen, um den drohenden Problemen bei der Rechtsanwendung entgegenzuwirken. G. Der parlamentarische Gesetzgeber darf die Bestimmung der zulässigen polizeilichen Zwangsmittel nicht vollständig an die Exekutive delegieren. Aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgt, dass er die Zwangsmittel, für die eine Regelung wesentlich ist, mitsamt prägender Eigenschaften selbst vorgeben muss. Von der Wesentlichkeit der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Zwangsmittels ist insbesondere auszugehen, wenn die Grundrechtsrelevanz und/oder eine mögliche Berührung des Trennungsgebots maßgeblich davon abhängen. Die in Anbetracht der verschiedenen zu konkretisierenden Zwangsmittel als wesentlich anzusehenden Eigenschaften müssen von Fall zu Fall bestimmt werden und lassen sich nicht verallgemeinern. Für die Regelung der zulässigen Schusswaffen ist die Bestimmung von Waffenart, Geschossart, Kaliber und Lademechanismus wesentlich, sodass diesbezüglich eine formell-gesetzliche Regelung notwendig ist und nur eine darüber hinausgehende Konkretisierung an die Exekutive delegiert werden darf. Hinsichtlich der zulässigen Explosivmittel muss für den Einsatz gegen Menschen formell-gesetzlich zum einen sichergestellt werden, dass sie kein erhebliches Vernichtungspotential entwickeln, das sich nicht beherrschen lässt und zum anderen, das Beteiligten und Unbeteiligten im Wirkradius kein unnötiges Leid zugefügt wird. Für die zulässigen Dienstfahrzeuge muss der Gesetzgeber Varianten in Hinblick auf Panzerungs- und Bewaffnungsmöglichkeiten so konkretisieren, dass eine Verletzung des Trennungsgebots ausgeschlossen ist. Schließlich muss im Hinblick auf zulässige Distanz-Elektroimpulsgeräte die Stromstärke, Spannung und Dauer der Stromzuführung vorbestimmt werden. Hinsichtlich der Zulässigkeit vereinzelter Öffnungsklauseln, die die geforderte Regelungsdichte auflockern, muss unterschieden werden. Eine mit dem Vorbehalt des Gesetzes konforme „geringere Wirkung als“-Öffnungsklausel muss zum einen das Bezugsobjekt klar umschreiben und zum anderen so formuliert sein,

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dass der Handlungsrahmen der Exekutive dahingehend beschränkt ist, dass er keine wesentlichen Entscheidungen mehr umfasst. Öffnungsklauseln, die bestimmte Zwangsmittel ausschließlich für besondere Situationen oder für besondere Nutzerkreise erlauben, sind unbedenklich. Ebenso ist es unbedenklich, wenn der Gesetzgeber zur Konkretisierung zulässiger Zwangsmittel statisch auf fremdes Recht verweist. Allerdings muss jene Regelung, auf die verwiesen wird, dem verfassungsrechtlich geforderten Regelungsmaßstab selbst hinreichend gerecht werden. Dynamische Verweise sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie sich (auch) auf wesentliche Entscheidungen über polizeiliche Zwangsmittel beziehen. Öffnungsklauseln, die die gesetzlich geforderte Regelungsdichte für besondere Nutzerkreise (etwa für Spezialeinheiten) aufweichen sind unzulässig, da Argumente einer effektiveren Gefahrenabwehr den Ausschluss des parlamentarischen Gesetzgebers hier nicht rechtfertigen. Obwohl die Literatur solche Öffnungsklauseln als „praxisgerecht“ bewertet, welche die Zulassung von Zwangsmitteln durch alleinige Anordnung der Exekutive zur Erprobung ermöglichen, sind sie mit dem Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar. Der Erprobungszweck rechtfertigt das Ausklammern des parlamentarischen Gesetzgebers nicht. Aktuell wird keine bundes- oder landesrechtliche Regelung, welche zur Bestimmung der polizeilichen Zwangsmittel ergangen ist, den verfassungsrechtlichen Anforderungen vollends gerecht, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben.

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Stichwortverzeichnis Abgrenzung Polizei/Streitkräfte 65–82 Art. 87a Abs. 2 GG analog 83–84 Art. 143 GG a. F. 48–49 Bewaffnung 23, 70, 86, 103, 116, 139, 162, 170, 179 – Einsatzfahrzeuge 23, 74, 155–160 – Elektroimpulsgeräte 196 – Explosivmittel 71, 73, 90, 100–108, 153 – Granatwerfer 153–155 – Irritationsmittel 191 – Maschinengewehre 139–147 – Maschinenpistolen 147–151 – Mitteldistanzgewehre 139–147 – Pistolen 67, 86, 148, 152 – Präzisionsgewehre 151–153 – Sturmgewehre 139–147 BFE+ 162–166 Bundesgrenzschutz 57–59, 69 Effektive Gefahrenabwehr 130–135 Einsatzgrundlagen – Art. 35 Abs. 2, 3 GG 38 – Art. 87a Abs. 3 GG 39 – Art. 87a Abs. 4 GG 36–38 Finaler Rettungsschuss 93–94, 153 Geheimhaltung 167–168 Geschosse – Deformationsgeschosse 85, 89 – Geschosswirkung 87–88 – Munitionswahl 88–89 – Polizeimunition 89 – Regelungspflicht 189–190 – Sprenggeschosse 153 – Vollmantelgeschosse 86, 89

Grundrechte – Art. 1 Abs. 1 GG 100–108 – Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG 84–100 – Einschüchternde Polizei 109–123 – Explosivmittel 90, 100–108 – Gezielte Tötung 93 – Schusswaffen 86–90 – Schutzpflichten 127–129 – Wahrscheinliche Tötung 95 GSG 9 36, 44, 85, 167 KSK 25, 36, 74, 126, 167 Militarisierungsbegriff 27–28 Paramilit. Landespolizei 168–169 Probleme bei der Rechtsanwendung – Gegenmaßnahmen 173–174 – Spillover-Gefahr 172–173 – Überbewaffnung 170–171 Regelungstechnik – § 2 Abs. 4 UZwG 182 – Besonderer Regelungsbedarf 188– 193 – De lege lata 176–179 – Dienstfahrzeuge 193 – Elektroimpulsgeräte 196 – Explosivmittel 190 – Öffnungsklauseln 193–203 – Reformvorschlag 206–208 – Schusswaffen 188 – Vorbehalt des Gesetzes 179–193 Schutzlücken bei der Gefahrenabwehr 43, 106, 130 Schutzpflichten – Bevölkerung 130–135

Stichwortverzeichnis – Militarisierungspflicht 127 – Polizeibeamte 125–131 – Rechtsfolgen 127–129, 134 – Staatliches Ermessen 127–129 – Übermaßverbot 129 – Untermaßverbot 127 Show of Force 109–123 – Bewaffnung 115 – Gefahrenverdacht 119–123 – Gefahrenvorfeld 118 – Generalklauseln 119 – Konkrete Gefahr 118 – Mittelbar-faktische Eingriffe 111– 117 – Polizeiliche Eskalation 114–117 – Rechtfertigung 117–123 – Sicherheitsgefühl 110 – Tornadoüberflug 110 Streitkräfte – Aufstellungszweck 31–33 – Besonderer Rechtsmaßstab 34–35 – Erweiterte Zuständigkeit? 135 – Kommandogewalt 41 – Verfassungsvorbehalt 33 Trennungsgebot – Aufgabenzuweisung 40, 68, 136 – Befehl und Gehorsam 77–81 – Begründung 31–61 – Besatzungsrecht 49–59 – Bewaffnung 69–74 – Erscheinungsbild 81 – Hist. Ursprung 60–61 – Kombattantenstatus 82 – Personal 74 – Rechtsfolgen 65–82 – vs. effektive Gefahrenabwehr 134

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Unbeteiligte 97, 107, 134 Verfassungsänderung 137 Verfassungswandel 61–63 Waffengleichheit 125–135 Waffenwirkung – Beherrschbarkeit 97 – Dauerfeuer 99, 140 – Energieabgabe 89 – Halbautomatik 140 – Mannstoppwirkung 89 – Panzerung 73 – Querschläger 86, 89 – Verhältnismäßigkeit 90–100 – Vernichtungspotential 70, 91, 103 – Vollautomatik 72, 99, 140 – Wundballistik 88 Zwangsmittel – FN SCAR-L 146 – GEF-2 LuSi 156 – H&K 416 146, 168 – H&K G8 163 – H&K G36 142–146, 165, 168 – H&K MP5 148, 168 – H&K MP7 148, 186 – LAPV Enok 156 – MAN Military Vehicles Survivor R 155 – Mowag Eagle 156 – PGM Précision 338 151–153, 168 – Sig Sauer MCX 146 – Sonderwagen 4 156 – Sonderwagen 5 155